Die indische Götterwelt : Gestalt, Ausdruck und Sinnbild : Ein Handbuch der hinduistischen Ikonographie 3424008982

2. Aufl. Der Hinduismus, zu dem sich heute mehr als 600 Millionen Inder bekennen, schöpft seine Kraft aus einer hochen

133 39 18MB

German Pages [295] Year 1997

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die indische Götterwelt : Gestalt, Ausdruck und Sinnbild : Ein Handbuch der hinduistischen Ikonographie
 3424008982

Citation preview

Der Hinduismus, zu dem sich heute mehr als 600 Millionen Inder bekennen, schöpft seine Kraft aus einer hochent­ wickelten Bilder- und Symbolsprache, aus einer jahrtausendealten Mythologie. In Skulpturen und Reliefs ikonographisch umgesetzt und bis ins Detail ikonometrisch ausgearbeitet, drückt sich eine für jeden Hindu verbindliche Got­ tesvorstellung aus. Die Götterbilder werden durch Zere­ monien und Verehrungskulte lebendig. Sie werden gestärkt, gebadet, bekleidet, zum Schlafen gelegt und in Prozessio­ nen umhergetragen. Die Gläubigen rei­ chen ihnen Speisen und unterhalten sie mit Tanz und Musik. Jede Gottheit besitzt eine Vielzahl von Namen, je nachdem, unter welchem Aspekt sie erscheint; jede Emanation, Manifestation und Inkarnation hat ihre eigene Bezeichnung. So gibt es allein zehn Hauptinkarnationen Visnus, des Erhalter-Gottes, darunter Räma und Krsna; schließlich Visnu als der Religi­ onsstifter Buddha und prophetisch als Kalki, die Pferdeinkarnation. Was die Gottheit gerade tut, welchen Machtbereich sie gerade beherrscht, in welcher Stimmung (heroisch, wild berückend, haßvoll usw.) sie sich befin­ det, signalisieren die Kultbilder sehr ge­ nau: im Arrangement, in jedem noch so unscheinbar wirkenden Detail. Der Leser kann sich hier über jede der vielen Gottheiten, ihre verschiedenen Aspekte, Attribute und auch ihre »Bio­ graphie« informieren. Er lernt sie an­ hand von Körperhaltungen, Gesten, Kleidern, Schmuckstücken, Tragtieren zu unterscheiden. Ein bisher einzig­ artiges Handbuch mit zahlreichen Abbildungen - für alle, die an indischer Religion, Kunst und Literatur interes­ siert sind.

Eckard Schleberger

Die indische Götterwelt Gestalt, Ausdruck und Sinnbild Ein Handbuch der hinduistischen Ikonographie

Eugen Diederichs Verlag

Redaktion Ulf Diederichs Mit 22 Zeichnungen des Verfassers sowie 224 Abbildungen nach Vorlagen. Die Umschlagvorderseite zeigt Ardhanârïs'vara, Gurjara-Pratülära, 9. Jh., die Umschlagrückseite Tirumala und seine Königin, Näyaka, 17. Jh., (Photos: Jean-Louis Nou - Editions Mazenod, Paris).

Die Deutsche Bibliothek - CIP Einheitsaufnahme Schleberger, Eckard: Die indische Götterwelt: Gestalt, Ausdruck u. Sinnbild ; e. Handbuch d. hinduist. Ikonographie Eckard Schleberger. [Mit 240 Zeichn. d. Verf.]. 2. Aufl. - München: Diederichs, 1997 ISBN 3-424-00898-2

2. Auflage 1997 © Eugen Diederichs Verlag, München 1986 Alle Rechte Vorbehalten Buch- und Umschlaggestaltung: Roland Poferl, Niederkassel Produktion: Tillmann Roeder, München Satz: Fotosatz Froitzheim, Bonn Druck und Bindung: Ebner, Ulm Printed in Germany

ISBN 3-424-00898-2

Inhalt

Vorwort...................................................................................................

7

Zur Schreibweise und Aussprache der indischen Wörter

Einleitung...............................................................................................

13

Das hinduistische Kultbild • Zur Kultur- und Religionsgeschichte Indiens • Hinduismus als religiöses System • Die heilige Literatur • Das religiöse Leben der Hindus

Systematische Übersicht.........................................................................

29

Kapitel I: Die ikonographische Umsetzung der hinduistischen Got­ tesvorstellung..........................................................................................

39

Mystische Diagramme (Yantras), gesprochene Formeln (Mantras) und symbolische Verehrung • Die Proportionslehre • Die Arten der Götterskulptur

Kapitel II: Das hinduistische Pantheon...............................................

49

Trimürti, die Dreiheit aus Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung • Der Schöpfer Brahma • Der Erhalter Vi$nu • Die zehn Inkarnationen Vijnus und die vier Weltalter • Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt • Die Göttinnen (Devi) ■ Ganesa, der Gott der Weisheit • Skanda, der Gott des Krieges ■ Die vedischen Götter im Hinduismus • Die Planeten- und Sterngötter • Die Ahnen der Götter • Dämonen • Übernatürliche Wesen ■ Heilige im Hinduismus

Kapitel III: Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur...............................................................................................

173

Tiere im Hinduismus • Die Bedeutung der Tierdarstellungen ■ Fabelwesen • Pflanzliches Leben und Bäume • Pflanzen • Flüsse und Berge

Kapitel IV: Die Körperhaltung der Götter.......................................... Sthänakamürtis, Skulpturen in aufrecht stehender Haltung • Äsanas, Skulpturen in sitzender Körperhaltung • Sayanamürtis, Skulpturen in liegender Körperhaltung • Nfttamürtis, Skulpturen in der Körperhaltung des Tanzes • Die Körperhaltung von himmlischen Wesen (Fliegende Posituren)

205

Kapitel V: Madras und Hastas, die Gestensprache der Götter..........

215

Einhändige Mudräs • Zweihändige Mudräs ■ Kombinierte Arm- und Handhabungen (Hastas) • Armhaltungen ohne symbolischen Ausdruck • Die Handhabungen beim Tragen von Attributen

Kapitel VI: Die Attribute der Götter..................................................

225

Von Antilope und Axt bis Wedel und Zither

Kapitel VII: Die Ausstattung der Götter.............................................

249

Kopfbedeckungen: Kronen und Haartrachten • Haartrachten (Dhammilla) und Haare (Jatä, Kesa) • Schmuck • Die Kleidung der Gottheiten ■ Die Opferschnur

Kapitel VIII: Die Zeichen- und Symbolsprache.................................

265

Das Auge der Weisheit • Der Sitz der Götter • Bogen, Kreis, Nimbus • Das Schöpfungs­ prinzip der Zeugung • Juwelen (Ratna) und Schätze (Nidhi) • Das Srivatsa und die acht glückverheißenden Zeichen • Die Opfersäule (Yüpa)

Anhang................................................................................................... Auswahlbibliographie Verzeichnis der hinduistischen und vedischen Gottheiten, mit Register

279

Vorwort

Anders als auf den europäischen Tempelbesucher oder Museumsbetrach­ ter wirkt die Götterskulptur auf den Inder. In seinen Augen lebt das kultische Bildwerk. Seine Bestandteile, also Köpfe, Arme, Beine, Gesten, Attribute, sind in vielen Ritualen aufgeladen und vitalisiert. Durch tägliche Verehrung sind diese sinnbildlichen Machtbereiche immer erneut wirksam, ja ihre Macht nimmt dadurch noch zu. So erzählte mir vor Jahren ein Hindupriester, wie ein Europäer in einem Tempel in Benares eine kleine Bronzeskulptur erworben und in seinem Koffer mitgeführt habe; dort habe sie eine dermaßen große Hitze entwickelt, daß der Koffer explodiert und sein Inhalt samt der Skulptur vollständig vernichtet worden sei. Mich machte diese Geschichte nicht wegen ihres eventuellen Wahrheits­ gehaltes nachdenklich, sondern weil sie mir zeigte, welche Kraft solch ein Bildwerk für den gläubigen Hindu besitzt. Ich erinnerte mich der vielen Szenen, in denen Hindupriester im feierlichen Ritual Bereiche des menschlichen Lebens auf das der Götter übertrugen und Skulpturen wie Lebewesen behandelten. So hatte ich in Tempeln der sivaitischen Glau­ bensrichtung erlebt, wie abends, kurz vor der Schließung, eine Sivaskulptur und eine Skulptur seiner Gemahlin Pärvati aus dem Sanktua­ rium des Tempels geholt und zu einem Schrein getragen wurden, wo sie dann zur Nachtruhe liebevoll auf Seidenkissen gebettet wurden. Ich erfuhr, daß sie anderntags in einem Morgenritual wieder aufgeweckt würden, um sie dann wieder zu Tempeldiensten ins Allerheiligste zu überführen. In den regelmäßigen Segnungsritualen wird keine der zahlreichen Göt­ terskulpturen vernachlässigt. Vor den Augen der Hindus, von denen zu jeder Tageszeit einige im Tempel verweilen, ehren die Priester die einzelnen Machtbereiche der Götter, indem sie ihre Attribute - z. B. Dreizack, Keule, Löffel, Lotus - berühren oder in Händen halten. Mit 7

Vorwort

dem Gegenstand, dem eine bestimmte Kraft nachgesagt wird, vollziehen sie unter Rezitierung der Formeln heilige Gesten. Mal mit dem Attribut vor der Götterskulptur kreisend, mal in Auf- und Abwärtsbewegungen quasi fächelnd oder magische Diagramme in den Raum zeichnend, vollziehen sie den Ritus. Dem Gläubigen wird so die Macht der Gottheit gegenwärtig, ihm ist, als bewege sich nicht der Priester, sondern die Gottheit selbst im Medium der Skulptur. Wenn wir uns im folgenden mit indischer Ikonographie, also mit religiö­ ser »Bilderschrift« beschäftigen, sind die alten priesterlichen Schriften der Veden ebenso zu berücksichtigen wie die epischen und volkstümlichen Überlieferungen der indischen Mythenwelt: sie erst bringen das kultische Bildwerk in all seinen Bezügen »zum Sprechen«. Bei der Betrachtung und Deutung hinduistischer Götterskulpturen ler­ nen wir nicht nur die »großen« Götter kennen, sondern auch die Vielzahl der »kleineren«; wir lernen sie anhand ihrer Attribute, Körper­ haltungen, Gesten, Kleider, Tragtiere usw. zu unterscheiden. Wir tau­ chen tief in die indische Mythologie ein und erleben den himmlischen Reigen, die Kämpfe der Götter mit den Dämonen, ihre Vorlieben und Abneigungen und ihre Auseinandersetzungen um die Rangfolge - so wie es die großen Epen Mahäbhärata und Rämäyana sowie die mythische Dichtung der Puränas vorgezeichnet haben. Ikonographie wird so zum »Wegweiser« durch den Mythen-»Dschungel«. Sie ist als eine stark formalisierte Bilder- und Symbolsprache zu verstehen, deren Ausdeu­ tung helfen kann, sich der Vorstellungswelt der Inder anzunähern. So wie der fromme Hindu können auch wir versuchen, die Skulptur nicht so sehr als Werk der Kunst, als Leistung eines Bildhauers, als Ausdruck einer bestimmten Epoche oder Kultur anzusehen — sondern sie mit geschärfter Aufmerksamkeit zu betrachten, sie nach und nach zu beschreiben und auszudeuten. Bewußt habe ich darauf verzichtet, Fotografien indischer Kunstwerke in den Abbildungsteil aufzunehmen. Um auf das Wesentliche, auch auf das wesentliche Detail eingehen zu können und damit dem additiven Göt­ terbild (wie es im ikonographischen Sprachgebrauch heißt) gerechter zu werden, habe ich die 'Zeichnungen der Skulpturen selbst angefertigt. Natürlich ist uns die indische Symbolsprache, die in der Skulptur zu einem komplexen Informationsträger wird, nicht so einfach verständlich wie für einen Inder, dem diese »Sprache« seit frühester Jugend geläufig ist. 8

Vorwort

Aber stelle man sich umgekehrt einen Hindu vor, der mit dem christ­ lichen Bilderwerk kaum oder nur oberflächlich vertraut ist: Vor dem Bild des Gekreuzigten sieht er einen Jesus, der nahezu nackt, abgema­ gert und qualvoll leidend ist. Auf einem anderen Bild sieht er Jesus gemeinsam mit Freunden in einer heiteren Tafelrunde ein Fest feiern. Daß es sich bei beiden Bildwerken um ein und dieselbe Person handelt, wird der indische Gast nicht von selbst herausfinden. Ähnlich erging es mir, wenn ich mit europäischen Christen zusammen hinduistische Tempel besuchte. Eben noch standen wir vor einer anmuti­ gen, freundlichen, ja erotisch anmutenden Göttin, wenden uns nun einer anderen Darstellung zu — abgemagert bis auf das Skelett, mit hängenden Brüsten, Hauern, die aus den Mundwinkeln ragen, eine Kette aus Menschenschädeln um den Hals - und erfahren entsetzt, daß es sich um die gleiche Göttin handelt. Diese Figuren spiegeln Daseinserscheinungen, die sich heute so und morgen ganz anders äußern — ein unablässiges Wechselspiel von Freuden und Leiden, von Werden und Vergehen. Wer sich gegen das unumstößliche Gesetz wehrt, verharrt nach indischer Auffassung in Dummheit und Verblendung. Gottheiten sind demnach sogar gefährdeter als Menschen, denn sie stellen Absolutheitsansprüche. So ist in der Mythologie ein Umschlagen ins Gegenteil häufig zu beobachten: Der Schöpfergott Brahmä wird von Siva enthauptet, als er für sich den Rang des höchsten Gottes bean­ sprucht; Siva, der Zerstörer, ist in seinem weltvernichtenden Aspekt wiederum als kosmischer Tänzer höchst schöpferisch; Visnu, den gütigen Erhalter in der hinduistischen Trinität, packt eines Tages ein solcher Blutrausch, daß nur eine Emanation Sivas ihm Einhalt gebieten kann, alles Dasein zu vernichten. Oder die Göttin, die ihr Leben lang die immer gebende, lebenspendende Mutter war: sie wird im Alter zur blutrünstigen Hexe, um sich die Kraft wiederzuholen, ohne die jede Schöpfung und jedes Neuentstehen undenkbar wären. Wenn man bei der scheinbaren Gegensätzlichkeit und fast unüberschau­ baren Fülle an Bildwerken jedes für sich zu erklären sucht, dann geht es nicht nur um die Gottheit »als solche«, sondern zugleich um all die anderen göttlichen und dämonischen Wesen, um die Tier- und Pflanzen­ welt und beseelte Naturerscheinungen. In die Mythen gefügt, erzählt das indische Kultbild auch die soziokulturellen Ereignisse im Verlauf von Jahrtausenden. 9

Vorwort

Der Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten stand ich gegenüber, als ich vor zehn Jahren ein erstes Mal daran dachte, die Gestaltenfülle der indischen Götterwelt in Buchform zusammenzutragen. Damals kam ich über monographische Beiträge in Fachzeitschriften nicht hinaus: wer in den Mythen- und Götterdschungel eingetaucht ist, wird schwerlich das ganze Terrain übersichtlich kartographieren können. Es galt Abstand zu gewinnen, um die vormals schon begangenen Pfade mit mehr Gelassenheit und Ruhe erneut abzuschreiten. Das Ergebnis wiederholter Reisen in den indischen Subkontinent und der geistigen Fährtensuche, bei der die Bildwerke und die Textüberlieferung immer ein notwendiger Kompaß waren, ist in diesem Handbuch übersichtlich zusammengetragen. Wenn es dennoch unvollständig bleibt, dann ist das nicht nur ein unvermeidliches Übel, sondern sogar Absicht. Denn eigenes Erkunden und auch das Enträtseln anderer »Wegweiser« lassen den Touristen und Kunstbetrachter noch manchen kaum betretenen Pfad entdecken. Dem Entziffern der reichen hinduistischen Symbolsprache galt mein Hauptaugenmerk. Ich wollte den Blick schärfen für die kleinen bedeu­ tungsvollen Details und eine Ahnung davon vermitteln, daß das indische Kultbild wie ein Puzzle zerlegbar und ebenso wieder zusammenfügbar ist. Die systematische Anlage dieses Buches, seine zahlreichen Querverweise im Text und das Götteralph ab et samt Register (am Schluß) mögen das Bestimmen und auch das Nachschlagen erleichtern, vielleicht sogar eine willkommene Ergänzung sein bei der Lektüre anderer mythen- oder kunstgeschichtlicher Werke.

10

Zur Schreibung und Aussprache der indischen Wörter

Zur Schreibung und Aussprache der indischen Wörter Durchgehend wurden für die indischen Wör­ ter diakritische Zeichen verwendet, die sich auf die Schreibung und Aussprache in Sans­ krit beziehen. Die Schreibung der Sanskrit­ wörter und Wörter aus den Volkssprachen folgt damit einer Form, wie sie in neuindi­ schen theologischen Schriften verwendet wird. Allgemein gilt, daß Vokale und Konso­ nanten - bis auf die unten aufgelisteten Aus­ nahmen - wie im Deutschen ausgesprochen werden. Die Betonung liegt meist auf keiner bestimmten Silbe, hängt aber davon ab, ob ein Vokal lang oder kurz ist (ä oder a; z.B. Himälaya, mit der Betonung auf mä). Die Vokale a, i, u sind entweder kurz oder lang. Der lange Vokal wird durch einen waagerechten Strich über dem Vokal gekenn­ zeichnet, also ä, l, ü. Die Vokale e und o werden immer lang ausgesprochen.

Bei der Aussprache der Konsonanten ohne diakritische Zeichen ist wie folgt zu ver­ fahren: c wie tsch j wie dsch s wie deutsches ß v wie deutsches w y wie deutsches j

Für die Aussprache von Konsonanten mit diakritischen Zeichen gilt folgendes: n (palatal) wie nj oder das französische gn h (guttural) wie das deutsche ng (Gang) n und n (dental und zerebral): Der Unter­ schied ist nur geringfügig; beim n berührt die Zungenspitze die Zähne und beim n den Gaumen. m (nasal) wie nj oder das französische gn, wenn der Konsonant vor Zischlauten, Halbvokalen oder h auftritt h wie das deutsche h, nur etwas schwächer als stimmloser Hauchlaut s wie sch - (Siva = Schiwa) $ wie das deutsche s r wie das deutsche r, nur mit gerollter Zunge 4 und t wie d und t, nur mit der Zungenspit­ ze am Gaumen Das h erscheint häufig zusammen mit ande­ ren Konsonanten (bh, ch, dh, gh, kh, ph, th). Es ist dann deutlich hörbar, bildet aber mit dem vorausgegangenen Konsonanten einen gemeinsamen Laut.

- (Candra = Tschandra) - (Vajra = Vadschra) - (Asura = Aßura) — (Yaruna = Waruna) - (Yak$a = Jak$a)

11

Einleitung

Die Ikonographie des hinduistischen Pan­ theon befaßt sich mit der Beschreibung und Deutung von Artefakten, in denen ein ganz bestimmtes Gottesverständnis seinen Aus­ druck gefunden hat. Das kultische Bildwerk, ob Skulptur oder Relief, ist in seiner Form streng an die Überlieferung und an Normen gebunden. Es dient dem Anhänger hinduisti­ schen Glaubens zum einen als Gegenstand religiöser Verehrung, zum anderen als Ver­ bildlichung der religiösen Lehre und als ver­ bindliche Symbolsprache. Für die des Lesens unkundigen Gläubigen besitzt das Götterbild den Gehalt und Stellenwert der mythischen Erzählung, die seit alters her mündlich über­ liefert wurde.

Das binduistiscbe Kultbild In der genauen Darstellung eines Götterbil­ des (Pratimä) manifestiert sich die Gottheit ebenso wie im mystischen Diagramm (Yantra) und in der mystischen Formel (Mantra). Der Begriff yon Kunst als einer individuellen ästhetischen Formgebung läßt sich auf das religiös intendierte Pratimä nicht anwenden: weder von der Thematik noch vom Aufbau her, weder dem zugrunde liegenden Maß­ system (der Ikonometrie), noch der stark formalisierten Symbolik nach. Das, was ge­ meinhin als indische Kunst bezeichnet wird, präsentiert sich uns als Ausdruck eines festen Dogmas, als priesterliches Kunstwerk von

höchster handwerklicher Vollendung. Für profane bzw. weltliche Kunst ist, bis in die Neuzeit hinein, kein Platz vorgesehen. Hin­ ter der religiös geübten »kultischen Kunst« -das Anfertigen eines Kunstwerks war an sich Kult und galt, wie die Meditation auch, als Prozeß der Einswerdung mit dem Göttli­ chen — verbirgt sich der unermeßliche Reich­ tum indischer Mythologie. Durch die Jahrhunderte sind die sinnbild­ lichen Bestandteile des Kultbildes - Körper­ haltungen, Handgesten, Attribute, Klei­ dung, Skulptursockel, Begleitfiguren und symbolhafte Stilelemente - unverändert ge­ blieben. Der Bildhauer oder Maler drückte nicht das aus, was er empfand, auch wenn neue Epochen immer wieder Anstöße für neues Denken und Empfinden gaben; er hielt sich strikt an die überlieferten Normen, um dem Götterbild in all seinen gedachten und in Mythen volkstümlich belegten Erschei­ nungsformen sichtbaren Ausdruck zu verlei­ hen. Die Symbolsprache war von jeher ein­ heitlich und über soziale, kulturelle und geo­ graphische Grenzen hinweg verständlich. Das gesamtheitliche hinduistische Kultbild entwickelte sich in der Zeit vom ersten bis fünfzehnten nachchristlichen Jahrhundert. Die Wurzeln des Hinduglaubens jedoch rei­ chen Jahrtausende zurück. Der Hinduismus kann nicht losgelöst von früheren Glaubens­ formen wie dem Vedismus, dem Brahmanis­ mus und dem autochthonen Volksglauben betrachtet werden. Für die anthropomorphe

13

Einleitung

Kampf der Götter und Dämonen nach dem Märkandeya-Püräya. Gegen den Dämonenkönig Raksahiga ziehen zu Felde: Brahma auf seinem weißen Haipsa, Indra auf dem Elefanten, Viçnu auf dem Garuda, Skanda auf dem Pfau, Siva auf dem weißen Stier Nandi. Hinter ihm die furchtbare Kali, dahinter Durgä auf dem Löwen reitend.

Darstellung der Götter und die sie bestim­ mende Rangordnung war allerdings das Ent­ stehen einer neuen Religiosität in den letzten Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung maßgebend: damals begann die Vorstellung der Seelenwanderung und die Lehre des kau­ salen Gesetzes (Karman) den Jenseitsglauben der Inder zu bestimmen. Dieser Glaube ging einher mit kulturellen Interaktionen, er wan­ delte sich zu einem abstrakteren, mehr be­ grifflichen Götterverständnis. Der Hinduismus der Gegenwart mit seiner unübersehbaren Fülle von religiösen und sozialen Anschauungen, von Normen und Gebräuchen ist das Produkt eines langen hi­ storischen Prozesses. Er entstand im Antago­ nismus und im Ausgleich der verschiedenen Ethnien, die Indien bevölkerten.

14

Zur Kultur- und Religions­ geschichte Indiens Erste Zeugnisse einer frühen Hochkultur Indiens präsentieren sich uns in den Ausgra­ bungen der Indus-Kultur, die sich ab der Mitte des dritten vorchristlichen Jahrtau­ sends entwickelt hat. Obwohl die Schrift die­ ser Kultur bis heute noch nicht ganz entzif­ fert werden konnte, erhalten wir durch die archäologischen Funde von Harappä und Mohenjodharo, geometrisch angeordneten Stadtsystemen, einen Einblick in frühge­ schichtliche Zeit. Eine Vielzahl von Klein­ funden, meist in Form von Speckstein-Sie­ geln mit Tierdarstellungen, vereinzelt auch menschlichen Figuren und Schriftzeichen,

Einleitung

legen nahe, daß es sich dabei um religiöse Sinnbilder handelt. Das Bemerkenswerte daran: diese frühesten uns bekannten Zeug­ nisse indischer Kunst behalten über Jahrtau­ sende fast unverändert ihre Gültigkeit bei, sie lassen sich in der Formenwelt der verschiede­ nen indischen Religionen weiterverfolgen. Als Blütezeit der Harappä-Kultur wird 2300 bis 2100 v. Chr. angenommen. Gegen Ende dieser Zeit wanderten Hirten- und Bauern­ stämme, die sog. Arier, über den KybherPaß in den Nordwesten Indiens ein. Ihre Überlegenheit im Umgang mit Waffen dürfte der wesentliche Grund gewesen sein, warum das alteingesessene Volk der Draviden immer weiter nach Süden abgedrängt und die IndusKultur durch eine neue Epoche abgelöst wurde: die vedische Epoche (1600-800 v. Chr.). Alles Wissen über dieses »dunkle Zeitalter« Indiens beziehen wir aus religiöser Dichtung, dem in nachchristlicher Zeit erst niedergelegten Vedanta. Die achthundert Jahre währende Auseinandersetzung zwi­ schen den eingewanderten Ariern und den alteingesessenen Draviden findet in den mythischen Erzählungen des Veda als Göt­ ter- und Dämonenkampf ihren Niederschlag. Zeugnisse einer religiösen Kunst sind aus dieser Zeit nicht bekannt. Der Vedismus der Arier war polytheistisch. Den Göttern brachten sie Opfer unter freiem Himmel dar; in ihrer Vorstellung waren die Götter von den Opfern der Menschen abhän­ gig. Nebenher existierte der angestammte Volksglaube, mit Dämonen (Yak$as, Nägas), Fruchtbarkeits- und Mutterkulten, unver­ mindert weiter. Die Gottheiten der späteren hinduistischen Dreiheit (Trimürti), nämlich Brahma, Vi$nu, Siva, nahmen im vedischen Pantheon eine nur untergeordnete Stellung ein. Die jeweili­ ge Rangordnung im Himmel unterlag den politischen Machtkämpfen auf indischem

Brahmane bei der Morgenandacht, eine Atemübung (Püraka-Pränäyäma) ausführend.

Boden, vor allem denen, die in der sog. jüngeren vedischen Periode (1000-500 v. Chr.) ausgetragen wurden. Ein Integrierungs- und Umwandlungsprozeß, von dem uns die großen Epen Mahäbhärata und Rämäyana, die achtzehn Puränas und zahl­ reiche Lehr- und Gesetzesbücher Kenntnis geben. Im Brahmanismus, der um 800 v. Chr. ein­ setzt, wurde der vedische Polytheismus von monotheistischen und pantheistischen An­ schauungen verdrängt. Die eher naturhaften und »atmosphärischen« Götter der Arier wichen einem zunächst abstrakt gedachten Schöpfergott (Prajäpati, Brahma). Seine Prie­ ster, die Brahmanen, galten als privilegierter Stand und übten ihre Macht gegenüber ande­ ren Gesellschaftsschichten spürbar und nach15

Einleitung

haltig aus. Gegen diese Priesterkaste richte­ ten sich dann die Reformbewegungen Bud­ dhas (563-483 v. Chr.) und Jinas (539-467 v. Chr.). Diese Religionsstifter stammten aus Bihär, einer Region mit überwiegend nicht­ arischer Bevölkerung; sie entstammten der Kriegerkaste, die dem Priesterstand hierar­ chisch untergeordnet war. Mit dem Buddhismus und dem Jinismus (Jainismus) gewann eine neue Religiosität an Boden. Die vedischen Opferkulte wurden von Tempeldiensten und Verehrungskulten (Püjä) abgelöst. Religion war fortan Heils­ lehre, und der Jenseitsglaube wurde von Kar­ man, der Vorstellung eines ewigen Kreislau­ fes aller Existenzen, als kausale Kette aus Ursache und Wirkung, bestimmt. Um überlebensfähig zu bleiben, mußte sich der tradierte Brahmanismus mit den vor-arischen Kulten der verschiedensten Volksgrup­ pen verbünden, d.h. seinen elitären An­ spruch aufgeben und volksnah werden. Tat­ sächlich gelang es ihm, mit den autochthonen Glaubensformen eine Verbindung einzuge­ hen, die als religiöses und auch als soziales System - in dem sich die Rangordnung des Kastenwesens festigte - eine Gegenkraft zu den Reformbewegungen bildete. Dieses System prägte sich zum Hinduismus aus, der in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten den Buddhismus, inzwischen über ganz Indien verbreitet, wieder eindämmte und dann ab dem 6. Jahrhundert eine Neubele­ bung erfuhr. Bis zur Festigung der Reformbewegungen in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ist uns keine bedeutsame indische Kunst be­ kannt. Erst seit Indien in den Einflußbereich fremder Mächte geriet, setzt eine belegbare Historie ein - und eine Kunstentwicklung, deren archäologische Zeugnisse von un­ schätzbarem Wert sind. Mit den Archameniden, die in den Nord­

16

westen des Landes eindrangen, hatte Ge­ schichte im engeren Sinne begonnen; Danus (522-486) brachte die Regionen Panjäb und Sind unter seine Herrschaft. Bis zum Feldzug Alexanders (326 v. Chr.) blieben Teile Nord­ indiens teils in persischer, teils in griechischer Hand. Während der Zeit Alexanders konnte ein indischer Herrscher, Candragupta Maurya, in Bihär den Thron besteigen und das Maurya-Großreich begründen. Seine Blüte erlebte dieses Reich unter Candraguptas Enkel Asokavardhana (270 v. Chr. zum Herrscher gekrönt), der dann ganz Indien mit Ausnahme der südlichen Gebiete des Ta­ millandes und des Malayälam beherrschte. Damals wurde der Grundstein für den Bud­ dhismus als Staatsreligion gelegt, und es ent­ sprach religiösem Selbstverständnis, auch an­ dere Länder wie Sri Lanka (Ceylon) und Burma zu missionieren. Die Kunst erhielt starke Impulse, und die erste indische Schrift (Brähmi) verbreitete sich über den ganzen Subkontinent. Mit dem Zerfall des Mauryareiches (185 v. Chr.) brach von Nordwesten erneut ein Heer der Griechen - unter Demetrios - nach Indien ein und besetzte die Hauptstadt Pätaliputra. In den besetzten Gebieten entstand ein griechisch-indisches Reich, das nach Demetrios’ Tod von indo-griechischen und indo-parthischen Königen regiert wurde, bis es nach wiederholten Einfällen von Noma­ denstämmen (Sakas) zerfiel. Doch für die Entwicklung der Kunst hatte der griechische Einfluß noch große, andauernde Bedeutung: die buddhistische Kunst von Gandhära ist wesentlich davon bestimmt. Während sich in Nordwestindien durch die Einwanderung verschiedener skythischer Stämme (Sakas, Ku§änas, Pahlavas) eine indo-skythische Kultur mit indo-hellenisti­ scher Kunst entwickelte, konnte das von außen wenig bedrohte, dem Buddhismus

Einleitung

Ein Guru belehrt zwei Rajputen anhand der Bhagavadgita.

nicht unterworfene Südindien erstmals seine Macht über den Dekhan hinaus nach Norden ausdehnen. Die südindischen SätavähanaDynastien gründeten tamilische Akademien; Poeten und Dramatiker des Sanskrit gaben dem Hinduismus neue Impulse. Als dann im 4. Jahrhundert wiederum ein König Candragupta aus Bihär sein Reich über das gesamte nördliche Indien ausdehnen konnte, entstand die Gupta-Periode: Indien trat in eine klassi­ sche Epoche der Sanskritdichtung und der bildenden Kunst ein. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts konnten sich regionale Dynastien festset­ zen, die unter dem Einfluß des neu erweck­ ten Hinduismus standen. Einzelne Heilige (Älvärs, s. Kap. 2.13.1) durchzogen das Land, dichteten Lieder zur Verherrlichung

Vi$nus und Sivas. Die Brahmanen Kumärila und Sankaräcärya trugen zur Stärkung der priesterlichen Vorherrschaft gegenüber dem Buddhismus bei, indem sie die Volksreligion philosophisch vertieften. Mit den Namen der Herrschergeschlechter Cälukyas (Dekhan) und Pallavas (Südostküste) verbinden sich die Frühformen südindischer hinduistischer Kunststile sowie eine vollausgebildete Tem­ pelarchitektur. Ihr Erbe traten die Colas (Ende 9. Jahrh.) an, deren Kultur Indien die meisterhaftesten Bronze-Skulpturen be­ scherte. Während die blühenden südindischen Hin­ du-Dynastien ihren Einfluß auf die Länder Hinterindiens, auf den malaiischen Archipel und Indonesien, ausdehnen konnten, gerie­ ten Nord- und Nordwestindien bereits ab

17

Einleitung

dem 8. Jahrhundert in den Interessenbereich expansiver islamischer Völker. Der religiöse Eifer der neuen Herren richtete sich nicht nur gegen die hinduistische Politik, sondern auch gegen jegliche bildende Kunst. Im Nor­ den wurden zahlreiche Tempel und Kunstge­ genstände zerstört. Einzig die südindischen Dynastien konnten - bis 1565 - dem islami­ schen Ansturm widerstehen und eine hindu­ istische Kultur am Leben erhalten, ja sie noch stärken. In Nordindien war ein großer Teil der Bevöl­ kerung zum Islam übergetreten, und die Macht des Sultanats von Delhi endete 1526. Die Moguls (»Mongolen«), wie die neuen türkischen Herren in Indien genannt wur­ den, bemühten sich im Gegensatz zu den islamischen Herrschern der ersten Etappe um eine hinduistisch-muslimische Synthese, auch in der Kunst. So ist mit dem Namen Akbar (1542-1605) ein neu einsetzendes reli­ giöses Verständnis und ein hindu-islamischer Kunststil verbunden. Die Etablierung europäischer Kolonialmäch­ te in Indien, Ende des 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, brachte für den Hinduis­ mus die Konfrontation mit einer weiteren Mittelmeerreligion, dem Christentum. Zum gleichen Zeitpunkt, als Nadir Shah die Stadt Delhi plünderte, eroberten die Engländer Kalkutta (1690); und nach der Schlacht bei Plassey (1757) konnten sie gegenüber den Franzosen ihre langanhaltende Dominanz in Indien behaupten. Die koloniale Fremdbestimmung war einer der Gründe, warum die hinduistische und mit ihr die hindu-islamische Kultur zu dege­ nerieren begann. Die Zahl der Hindus, die sich zum christlichen Glauben bekehrte, blieb gering. Einzig die Gebildeten setzten sich mit europäischen Lebensformen und Denkstilen auseinander; sie begründeten Reformen (Ärya Samäj und Brahma Samäj), 18

die einerseits Rückbesinnung auf die eigene Tradition, andererseits eine Synthese mit westlichem Denken anstrebten. Auch der Kampf gegen christliche Missionierungsbe­ strebungen hat zu einer gewissen Neubele­ bung indischer Religiosität geführt. Trotz der anhaltenden Fremdbestimmung ist es dem Hinduismus gelungen, sich als die trei­ bende kulturelle - und damit auch politische und soziale - Kraft zu behaupten. Nach der Etablierung Indiens und Pakistans und der damit verbundenen Autonomie die­ ser Staaten (1947) siedelte ein Großteil der muslimischen Bevölkerung Indiens nach Pa­ kistan, so daß sich heute 83 % der Inder, und das sind mehr als 600 Millionen Menschen, zum Hinduismus bekennen. Insgesamt zählt Indien 685 Millionen; im volkreichen Nor­ den leben 72%, es sind Bevölkerungsgrup­ pen überwiegend indoarischer Sprachen; im Süden leben 25%, die zum drawidischen Sprachraum gehören. Und wie verteilen sich die 17% Nicht-Hinduisten? Es gibt 11% Muslime, 2,6% Christen, 1,9% Sikhs, le­ diglich 0,7 % Buddhisten und 0,5 % Jinas oder Jainas.

Hinduismus als religiöses System Der Hinduismus als Religion kennt keinen Religionsstifter und besitzt nur sehr wenige Dogmen. Er ist, religiös gesehen, eher ein Sammelbegriff für ein ganzes Spektrum von Anschauungen, das vom Atheismus der Sämkhya-Philosophie von Kapila bis zum Pantheismus der Puränas reicht. Aber mit welcher Glaubensrichtung auch immer sich ein Hindu verbunden fühlt, sein Glaube gilt als orthodoxer Hinduismus. Das Fehlen einer einheitlichen Theologie bringt es mit sich, daß sich das Göttliche in den verschiedensten Göttern, konkret vorge­

Einleitung

stellten oder abstrakt gedachten, manifestie­ ren kann. Das Göttliche zeigt sich aber auch in Menschen, Tieren, Pflanzen und in der nicht belebten Natur. Hinduistischer Glaube ist eine komplexe An­ schauung aus Mythologie und Philosophie, wobei die unterschiedlichen philosophischen Systeme - Nyäya, Vaisesika, Sämkhya, Yo­ ga, Pürva Mlmänsä und Uttara Mimämsä als Glaubensgrundlage der Intellektuellen und die reich entfaltete, immer noch verbind­ liche Mythologie als Glaubensgrundlage der Massen angesehen werden kann. Unter My­ thologie ist hier eine nahezu unüberschauba­ re Vielfalt an Quellen und Glaubenszeugnis­ sen zu verstehen, die zuerst mündlich über­ liefert und in den Jahrhunderten nach Christi schriftlich in Sanskrit niedergelegt worden ist; die als Offenbarung betrachtete heilige Überlieferung des Veda gehört dazu, die Puränas und Brahmänas, die großen Epen Mahäbhärata und Rämäyana, ferner die Ägamas und Tantras. In der Entstehungszeit des Hinduismus bil­ deten sich sechs Hauptglaubensrichtungen heraus: Vi$nuismus, Sivaismus, Säkta, Gänapatya, Saurapatya und Smärtha, die alle mehr oder weniger an eine Gottheit gebunden sind. Es ist ein Phänomen, daß trotz der Vielzahl der hinduistischen Götter, die zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedli­ chen Kulten und Festen bei der Verehrung im Tempel wie im Privatleben gleichermaßen sektenübergreifend berücksichtigt werden, der Hinduismus dennoch keine polytheisti­ sche Religion ist. Jeder Hindu erkennt im Grunde nur eine Gottheit als Hauptgottheit an. Dadurch kann aber keiner der Götter, einheitlich und absolut gesehen, den Rang des höchsten Gottes für sich beanspruchen. Die Visnuiten verehren den Erhalter der hin­ duistischen Einheit, —> Vi$nu, oder auch eine seiner Inkarnationen (z. B. —> Krsna) als

höchsten Gott. Zum Kreis der vi$nuitischen Götter zählen —> Laksml, die Gemahlin Vis­ nus, —>Garuda, der mythische Adler und Tragtier des Visnu, sowie auch der Affengott —»Hanumän, der mit Visnus siebter Inkarna­ tion —»Räma zusammenhängt. Sie alle wer­ den gleichermaßen wie Visnu verehrt. Mit dieser Glaubensrichtung ist auch der Bhakti-Kult eng verbunden. Bhakti, was so­ viel wie Frömmigkeit oder leidenschaftliche Verehrung bedeutet, drückt sich aus als Stre­ ben nach dem Einswerden mit Gott; dies wird durch einen moralischen Lebenswandel unterstrichen. Die hingebungsvolle Liebe von Rädhä und Krsna steht allegorisch für das Bhakti: die Vereinigung der Seele mit Gott. Neben dem Rädhä-Krsna-Kult haben sich zu

Kr?na und Radha.

19

Einleitung

verschiedenen Zeiten in Süd- wie auch in Nordindien eine Anzahl von Untersekten des Visnuismus etablieren können. So die Rämänuja-Sekte, die das Kastenwesen ver­ dammte und in der frommen Verehrung Gottes die Aufhebung aller sozialen Unter­ schiede sah. Held —»Räma galt den Anhän­ gern Rämänujas und seines Nachfolgers Rämänandas als höchstes Ideal. Die Glaubensrichtung der Sivaiten ist bedeu­ tend älter als der Visnuismus. In der hinduistischen Trinität ist —> Siva der Zerstörergott; die Sivaiten sehen jedoch die beiden anderen Götter, Brahmä den Schöpfer und Visnu den Erhalter, als bloße Bestandteile bzw. Funk­ tionen von Siva an. Einen Großteil der Sivaiten bilden die An­ hänger der pantheistischen Advaita-Lehre; für sie ist die Erkenntnis (Inana, das Wissen und die asketische Gelehrsamkeit) jedem auf­ gesetzten moralischen Handeln überge­ ordnet. Von den Bhakti-Kulten der Vi$nuiten inspi­ riert, priesen auch Dichter wie Mänikkaväcakar (9.Jahrh.) die fromme Hingabe an Gott als höchste Stufe der Verehrung. Sie führten damit den Bhakti-Kult nachhaltig in den Sivaismus ein. Die Popularität des Sivaismus ist eng mit dem Namen Sahkaräcärya (788-820) verbunden, dem Begründer des Advaita Vedanta. Er lehrte, daß die Welt und all ihre Erschei­ nungsformen auf reiner Täuschung, bewirkt durch die Kraft Mäyä, gründen. Nichts ist absolut, auch nicht die Götter. Alles Dasein ist der Zeit unterworfen und somit fortwäh­ rend in Veränderung begriffen. Um seine Lehre dem Volk näher zu bringen, übernahm Sahkaräcärya Teile des Volksglaubens und integrierte sie auf der Ebene der mythischen Erzählung in sein Denksystem. Er war maß­ geblich an der Eliminierung des Buddhismus in Indien beteiligt.

20

Siva hat als einziger der großen hinduistischen Götter einen naturhaften Charakter bewahrt. Als Gott der Zerstörung ist er zu­ gleich der Gott der Erneuerung, denn als Götterpaar verkörpert er das Prinzip der Vereinigung der Geschlechter. Die Göttin (—»Pärvati) ist die weibliche Energie (Sakti) des Gottes, ohne sie wäre er ein lebloser Körper. Im Phalluskult (Lihga-Kult) manife­ stiert sich Sivas populärste Verehrung. Als Verehrungsobjekte dienen den Sivaiten so­ wohl anikonische Symbole (Steine aus Fluß­ betten, Bergkegel) wie auch von Menschen­ hand geformte Phalli. Die Untersekten des Sivaismus heben vor allem die asketischen Aspekte des Gottes hervor. Durch Selbstkasteiungen, durch die die Seele erlöst werden soll, verleihen sie ihrem Glauben Nachdruck.

Siva als Familienvater (vgl. Kap. 2.4.1.5). Neben ihm Durgä, den kleinen Gaijesa im Arm, vor ihnen der sechsköpfige Skanda. Alle Tragtiere sind zu sehen: Sivas Stier, Durgäs Löwe, Ganesas Ratte und Skandas Pfau.

Einleitung

Hinduisten, welche die Göttin (Devi) als höchstes göttliches Prinzip verehren, beken­ nen sich zur Sekte der Säktas. Da, wie eben ausgeführt, die weibliche Energie (Sakti) der Göttin in Verbindung zu Siva ist, stehen die Säktas auch in enger Verbindung zum Sivaismus. Dem Säkta-Kult huldigten eine Reihe namhafter Philosophen, von Sahkaräcärya bis Ramakrishna und Vivekananda, die im 19. Jahrhundert in Bengalen lebten. Aus der Sicht der Säktas ist Siva der Göttin untergeordnet. Ihre Verehrung hat verschie­ dene Aspekte: zum einen ist sie die leben­ spendende, gütige Mutter, zum anderen die blutrünstige Gottheit, die alles wieder dahin­ rafft, was sie hat entstehen lassen. Je nach­ dem, welchen Aspekt sie verkörpert, trägt sie Namen wie —»Durgä, —»Käli oder —»Bhavänl.

Die Säktas teilen sich in »rechtshändige Ver­ ehrer« (Daksinamargis) und »linkshändige Verehrer« (Vamamargis); die erstgenannten betreiben ihre Kulte öffentlich, die anderen treffen sich im Geheimen. Opferkulte der Säktas beziehen vor allem das Blutopfer an die Göttin Käli mit ein, und in den Geheim­ treffs sind erotische Rituale von zentraler Bedeutung. Zu den heiligen Texten der Säk­ tas gehören die Tantras (»Bücher«), in denen detaillierte Angaben zu den Opferkulten ge­ macht werden. Diejenigen Gläubigen, die den zum sivaitischen Götterkreis gehörenden elefantenköp­ figen —»Ganesa als höchste Gottheit ver­ ehren, haben sich von den Sivaiten gelöst und nennen sich Gänapatyas. Eine große Anhän­ gerschaft konnten sie auch deswegen nie er­ reichen, weil Ganesa ohnehin die populärste

Ganesa mit seinen Gemahlinnen Buddhi und Siddhi.

21

Einleitung

Gottheit in Indien ist und von allen Sekten, auch von Angehörigen anderer Glaubensge­ meinschaften, verehrt wird. Die Sekte der Saurapatyas, heute fast bedeu­ tungslos, widmete sich bis ins 12. Jahrhun­ dert dem alten vedischen Sonnengott Sürya. Im heutigen Hinduismus spielen die vedi­ schen Gottheiten, die in ihrem Rang von der —»Trimürti abgelöst wurden, als Schutzgott­ heiten eine untergeordnete Rolle. Sürya ist zwar bei den Anhängern der verschiedenen hinduistischen Sekten noch hoch verehrt, doch sind ihm keine Tempel mehr geweiht; er wird bei den täglichen Morgen- und Abendandachten angerufen. Als letzte der Sekten seien die Smarthas ge­ nannt. Sie sind am wenigsten von allen an eine bestimmte Gottheit gebunden. Jede hinduistische Gottheit sehen sie als gleichrangig an und verehren nach ihrem Empfinden mal den einen, mal den anderen. Da dieser Sekte Parteilichkeit abgeht, konnte sie in der Ge­ schichte des Hinduismus auch kaum Einfluß auf das religiöse Leben der Inder nehmen; ihre Kulte wurden jeweils von der einen oder anderen starken Sekte absorbiert. So kann man vor allem von den Intellektuel­ len sagen, daß sie Anhänger der Smarthas sind, beispielsweise Sahkaräcärya zu Beginn des 9. Jahrhunderts, denn er förderte den Sivaismus und den Säkta-Kult in gleichem Maße. Oder jener bengalische Gelehrte an­ fangs des 20.Jahrhunderts, der sagte: »Ich faste am Sivarätri-Tag, weil er dem Siva heilig ist, ich faste am Ekädasi-Tag, weil er dem Visnu geweiht ist, ich pflanze den Bel-Baum, weil er dem Siva, und die Tulsl-Pflanze, weil sie dem Vi$nu lieb ist. Die meisten Hindus sind keine Sektierer. Obwohl die Sekten viel schreiben und das meiste Geschrei machen, sind sie doch nur eine kleine Minorität.« Bei der Betrachung der verschiedenen Glau­ bensrichtungen fällt auf, daß dem Schöpfer­

22

gott —-»Brahma kein eigener Kult gewidmet ist, und daß sich um die Verehrung dieses hohen Gottes keine eigene Sekte gruppiert hat. Brahmätempel sind bis auf wenige Aus­ nahmen unbekannt. Vor allem beim Volk fand der Glaube an eine - abstrakt gedachte Schöpfergottheit keinen rechten Anklang. Der Absolutheitsgedanke ist den Hindus fremd. Ihr Glaube kann zwar als monothe­ istisch, dann wieder pantheistisch oder auch polytheistisch bezeichnet werden. Der Glaube an ein göttliches Prinzip wird letzt­ lich als nicht darstellbar und mit Menschen­ maß als nicht erfaßbar verstanden. Um es überhaupt verständlich zu machen, gliederte man es in Aspekte: in den kreativen Aspekt (Brahma), in den erhaltenden Aspekt (Visnu) und in den vernichtenden Aspekt (Siva). Nun kann aber jede andere Gottheit, auch die anderer Glaubensrichtungen, mit einem die­ ser Aspekte identifiziert werden: auch der Gott der Christen oder die Gottesmutter Maria können in das System eingebaut wer­ den, grundsätzlich jedoch ohne Absolut­ heitsanspruch. Denn für Hindus gilt, daß keine einzelne Gottheit das Göttliche Numinose auch nur annähernd darzustellen ver­ mag - unabhängig auch von den Attributen, deren Beigabe ihr sichtbaren Ausdruck ver­ leiht. So kommt es, daß trotz der verwirrenden Fülle an Göttern, mit all ihren Namen, Bei­ namen, Aspekten, Inkarnationen, für den gläubigen Hindu keine Verwirrung entsteht. Zum einen hält er sich an seinen Hauptgott, zum anderen transzendiert er das Gottesver­ ständnis. Sektenübergreifend verehrt dieser gläubige Hindu drei für ihn wesentliche Gottheiten. Die eine ist die Schutzgottheit des Dorfes oder der Stadt (Gramadevatä), die andere die Schutzgottheit der Familie (Kuladevatä) und die dritte eine Gottheit, die er sich selbst

Einleitung

Surabhi, die mythische Kuh des Überflusses. Populärer Druck zum Deepavali-Fest.

wählt und auf die hin er sein Leben ausrichtet (Istadevatä). Die Verehrung der Dorfgottheit vollzieht sich im Tempel, die der Familiengottheit in­ nerhalb der eigenen vier Wände. Die persön­ lich ausgewählte Gottheit tragen die Gläubi­ gen in Form eines Symbols oder einer Minia­ turskulptur immer bei sich; zumindest befin­ det sie sich in ihrer Nähe. Die Schutzgottheiten haben zumeist lokale Bedeutung, sie gehören zu den seit Jahrtau­ senden verehrten Volksgöttern der Inder. Zum Teil wurden diese Lokalgötter mit den hinduistischen Großgöttern identifiziert, viele haben jedoch ihre ursprüngliche lokale Bedeutung in bezug auf Fruchtbarkeits- und Mutterkulte bewahrt und werden symbo­ lisch, beispielsweise in Form eines Gefäßes, verehrt.

Bei der selbstgewählten Gottheit kann es sich durchaus um einen Gott oder eine Göttin aus dem hinduistischen Pantheon handeln, ohne daß die Identifizierung mit ihr den Hindu gleich zum Anhänger einer bestimmten Sekte stempelt. Die Sektenzugehörigkeit nimmt somit keine bestimmende Position im tagtäglichen reli­ giösen Leben eines Inders ein. Ausschlag­ gebend sind vielmehr sein religiöses Handeln und die Art seiner kultischen, asketischen oder rituellen Verehrung. Zum Hindu wird er durch den Zufall der Geburt. Hindu bleibt er auch, wenn er sich zu einer anderen Reli­ gion, beispielsweise zum Christentum, be­ kennt. Andererseits steht der Hinduismus jedem Menschen als Religion offen. Ohne jedes Initiationsritual, wie z.B. die christli­ che Taufe, kann er sich einer der religiösen Gruppierungen des Hinduismus anschließen. Er kann zwar nicht Priester (Brahmane) wer­ den, wohl aber ein Heiliger - selbst wenn er sich weiterhin als Christ bezeichnen würde.

Die heilige Literatur Als heilige Überlieferung sehen die Hindus eine Reihe von Werken an, die als die Glieder und Nebenglieder des Veda bezeichnet wer­ den. Nun gehört die Hymnendichtung des Veda und vor allem das Rgveda zur ältesten religiösen Literatur; sie bildet die Überliefe­ rung der vor viertausend Jahren nach Indien eingewanderten Arier. Das Werk des Rgveda umfaßt 1028 Samm­ lungen (Samhitas) von Götterhymnen, Zau­ bersprüchen und Opferformeln. Dem Rgve­ da wurden mit der Zeit weitere Samhitas hinzugefügt, so im Sämaveda, im Yajurveda und im Atharveda, in denen detaillierte Anweisungen für religiöses und magisches

23

Einleitung

Handeln sowie für die Hausriten gegeben werden. Die Veden sind für den orthodoxen Hindu eine in sich geschlossene, seit Ewigkeit beste­ hende heilige Offenbarung. Wort für Wort ist göttlicher Abkunft, kein Jota daran kann von irgendeiner Schule als falsch bezeichnet werden - im Gegensatz zu anderen Werken der heiligen Literatur, die sich schon mal eine Kritik hinsichtlich ihrer Echtheit und ihres Wertes gefallen lassen muß. Die Veden haben ihre Gültigkeit auch dann behalten, als die damit verbundene Weltan­ schauung von neuen religiös intendierten »Weltformeln« abgelöst wurden (vgl. —»Trimürti). Bereits im achten bis sechsten vorchristlichen Jahrhundert waren die Veden zu einem reli­ giösen Werk ausgeformt. Ihnen wurden dann theologische Erörterungen (Brahmänas) hin­ zugefügt, und Geheimlehren (Upani$aden) ergänzten sie. Das Gesamtwerk der Veden wird aber erst vollständig durch die Einbeziehung von Sutras: Lehrbüchern zu Opferritualen, zum Rechtswesen und den verschiedenen Wissen­ schaften. Im Gegensatz zu den Götterhymnen lehren die philosophischen Schriften einen unper­ sönlichen Weltgrund (Brahman oder Ätman). Die theologische Sicht der vedischen Spätzeit sah die Veden dementspre­ chend als von Ätman geschaffen, »ausge­ haucht« an. Was die Veden für die Philosophie Indiens darstellen, bildet die Überlieferung der Purä­ nas (»alte Erzählungen«) für die Mythologie und für die ikonographische Umsetzung des Gottesverständnisses. Für die Kenntnis des hinduistischen Mythenteppichs sind die Puränas neben den beiden Volksepen, dem Mahäbhärata und dem Rämäyana, die haupt­ sächlichen literarischen Quellen. Sie gehören

24

Brahmane mit Veda-Manuskript und Opferlöffel.

als Nebenglieder des Veda zu den heiligen Schriften der Inder - oder anders gesagt, der auf die Veden bezogene Glaube gilt als ortho­ doxer und der auf die Puränas bezogene als puranischer Hinduismus. Die Entstehung der Puränas hat sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt und fand erst mit dem sechsten nachchristlichen Jahrhun­ dert ihren Abschluß. Mythohistorisch gese­ hen, datiert dieses reichhaltige Werk, in dem alle Überlieferungen über Kosmogonie, Göt­ terlehre, Hagiographie, sowie rituelle, philo­ sophische und wissenschaftliche Erörterun­ gen gesammelt und in poetischer Form dar­ gestellt sind, seit dem Jahre 3102 v. Chr. Denn das ist der Beginn des Kaliyuga, des vierten und letzten Weltalters (s. Kap. 2.3.2).

Einleitung

Krsna als Wagenlenker verkündet Arjuna die Bhagavadgita.

Rama und Sita auf dem Thronsitz.

25

Einleitung

Nach der zeitlichen Berechnung der Yugas setzt zu jener Zeit die Dichtung der Epen und der Puränas ein. Kein Geringerer als Javaharlal Nehru (1889-1964), erster Ministerpräsident des un­ abhängig gewordenen Indien, hat die viru­ lente Bedeutung der beiden Epen Mahabha­ rata und Rämäyana hervorgehoben: »Ob­ wohl sie aus grauer Vorzeit stammen, sind sie im Leben des indischen Volkes noch immer eine lebendige Kraft: in Übersetzungen und Bearbeitungen und auf jene vielfältige Art, in der Überlieferungen und Legenden sich aus­ breiten und zum Bestandteil der Lebensweise eines Volkes werden.«

Das religiöse Leben der Hindus Lür den heutigen Hindu sind die mythischen Dichtungen und die damit eng verbundenen Kultbilder, die Verehrungen in Tempeln und im eigenen Haus, der Besuch der heiligen Stätten und die religiösen Jahresfeste die Eck­ pfeiler seines religiösen Denkens, Fühlens und Handelns. Ohne zentrale Organisation ist es dem Hin­ duismus gelungen, das religiöse und das

weltliche Leben in Einklang zu halten. Selbst ein indischer Analphabet weiß mehr über die Götter, über die Mythen und über die Sym­ bolsprache der Kultbilder als ein Christ aus einem westlichen Industrieland über seine eigene Religion, trotz jahrelangen schuli­ schen Religionsunterrichts. Der Hindutempel ist nicht nur Mittelpunkt des religiösen, sondern auch des sozialen All­ tags. Dort trifft sich die Gemeinschaft zu Tempeldiensten oder zum Besuch der Auf­ führungen des Volkstheaters oder um Geschichtenerzählern zuzuhören; ein Groß­ teil der Freizeit wird hier verbracht. Das Leben der Götter ist beinahe allgegenwärtig. Es gibt kein Märchen, keine historische Dar­ stellung und kaum ein Gespräch, in dem nicht die Götter eine Rolle spielen. Selbst im Zeitalter rapider Technisierung und allgemei­ nen soziokulturellen Wandels lebt der Hin­ duismus ungebrochen fort. Die Darstellun­ gen der zahlreichen Götterskulpturen - allein in Benares finden sich über 2 000 Tempel, die eine halbe Million Götterbildnisse beherber­ gen - bedürfen nicht der Erläuterung, denn jedes Kind kennt den thematischen Zusam­ menhang. Comics, die in hundertfachen Se-

Mythologie in Comics: Streitgespräch zwischen Brahma und Vi$nu, wer der Größte sei (vgl. S. 59 f.).

26

Einleitung

rien die indischen Mythen und mit ihnen die Geschichte von Jahrtausenden anschaulich wiedergeben, werben beispielsweise mit dem Slogan: »Lies Amar Chitra Katha (= mythi­ sche Erzählungen) und erzähl deiner Groß­ mutter jeden Abend eine Geschichte!« Für den, der nicht lesen kann, sind diese Popularstoffe auch auf Kassette erhältlich, und der regelmäßige Tempelbesuch tut ein übriges, um den Bezug zum religiösen Leben herzu­ stellen. Jede religiöse Handlung ist für den Hindu zweckhaft, denn er strebt die Befreiung von allen Fesseln des Seins, strebt Erlösung (Mukti) an. Irgendwann einmal soll der im­ mer wiederkehrende Zyklus aus Geburt, Tod und Wiederverkörperung (Reinkarnation) abgeschlossen sein und die Seele sich nicht aufs Neue an eine äußerliche Form binden. Die Reinkarnationslehre des Hinduismus unterscheidet sich wesentlich von der des Buddhismus. Während die Buddhisten die Existenz der Seele leugnen und als Ursache der Wiedergeburt den letzten Gedanken zum Zeitpunkt des Todes ansehen, ist für den Hindu die Seele ein Speicher für alle begange­ nen Taten. Sie verläßt nach dem Tod den Körper und sucht sich eine neue äußerliche Daseinsform. So lehrt die Bhagavadgita: »Wie ein Mensch die abgenutzten Kleider ablegt und andere, neuere nimmt, so legt die Seele die verbrauchten Körper ab und tritt in andere, neue ein.« Der Hindu glaubt an die Seelenwanderung, an eine Zeitspanne zwischen Tod und Wie­ derverkörperung und an die Existenz eines Totenrichters (Yama), der bestimmt, in wel­ cher Form das Leben nach dem Tod fortge­ setzt werden muß. Es hieße den Rahmen dieser Einführung zu sprengen, wollte man auch nur andeutungs­ weise auf die verschiedenen Auslegungen der Reinkarnationslehre hier eingehen. Ihre

Asket in seiner Einsiedelei.

Spannbreite reicht von schlichten volkstüm­ lichen Auffassungen bis zu komplexen meta­ physischen Theorien. Der Alltag der Inder wird ganz allgemein von dem Glauben an Wiederverkörperung geprägt; daß sie als die Ziele des weltlichen Lebens das Streben nach dem Angenehmen (Käma), nach dem Nützli­ chen (Artha) und nach dem Guten (Dharma) ansehen, darin liegt für sie kein Widerspruch. Alle Kreatur strebt danach, die Erlösung, das Ende des Kreislaufes, zu erreichen. Die Ver­ ehrung des Kultbildes und der tägliche Voll­ zug religiöser Rituale sind ein Bestandteil des richtigen Weges dorthin. Ein anderer dieser Meilensteine auf dem Weg zur Erlösung ist der Besuch von Wallfahrts­ orten und heiligen Stätten, zu denen vor 27

Einleitung

allem Benares - als der Sitz Sivas Mathurä — als der Geburtsort Krsnas Dvärkä und Orissa als Heiligtümer Krsnas und seiner vielen Erscheinungsformen zählen; ferner Rämesvaram, der Ort, von dem aus Räma zu seinem Feldzug gegen den Dämonenkönig Ravanä aufbrach; viele Städte an heiligen Flüssen, wie z. B. Hardvär am Ganges, das alle zwölf Jahre das Khumbha-melä-Fest fei­ ert, bei dem sich Millionen Menschen zum rituellen Bad versammeln; schließlich auch der See Mänasarovar und der Berg Kailäsa, beide im tibetischen Himälaya gelegen. Ein Hindu sollte in seinem Leben so viele heilige Orte wie möglich aufsuchen, doch mindestens einmal Benares (Käsi), die heilig­ ste aller Städte. Den Höhepunkt im Leben eines frommen Hindu bildet der kombinierte Besuch von Benares und Rämesvaram, fast 2 000 km voneinander entfernt. Zuerst wird der Besuch von Benares empfohlen, um dort in der heiligen Gahgä (dem Ganges) zu ba­ den. »Verwundert sieht der Fremde, wie reli­ giös gestimmte Männer und Frauen, bis zur Brust oder bis zum Kopf im Strom stehend, mit der hohlen Hand das Wasser schöpfen, gurgeln, den Mund reinigen, trinken, unge­ achtet daß einige Meter entfernt ein toter Hund und allerlei Unrat treiben. Längst ha­ ben Wissenschaftler die seltsam reinigende Kraft des Ganges, zumal bei Benares, unter­ sucht, wo sie mit der besonderen geologi­ schen Beschaffenheit des Flußbodens erklärt wird« (Thomas Ross). Der Gläubige ist dann gehalten, den Weg nach Rämesvaram zu Fuß anzutreten und das rituelle Bad im Meer zu wiederholen. Die lange Reise mit dem Zug, dem Auto oder gar einem Flugzeug zurückzulegen, beein­ trächtigt den heiligen Zweck sehr. Für einen Besucher aus dem Westen gleicht

28

Benares einem Labyrinth der Frömmigkeit wie auch einer Stätte des Todes. Die Luft ist erfüllt vom Geruch verbrannten Fleisches und dem Rauch der Verbrennungsöfen. Allenthalben stößt man auf Bestattungszüge und nimmt Hunderte von alten Menschen wahr, die hier auf ihren Tod warten. In Benares zu sterben, soll von allen je begange­ nen Sünden befreien und ein Leben im Him­ mel unter den Göttern sichern. Daher sind Benares und mit ihr alle anderen Pilgerstätten ein Ort der Freude, wo man den Göttern ganz nahe ist. Eine jede Pilgerstätte hat ihre Geschichte. Ihre Legenden sind so zahlreich wie die Namen der Götter, wie all die dargestellten Aspekte, Emanationen und Manifestationen der Gottheit. Zudem besitzt jede Stätte noch zahlreiche Schreine für die Lokalgottheiten, für Dämonen und Naturgenien. Im Grunde ist jeder Quadratzentimeter Boden, jeder Stein, Baum und Strauch, das Gras, die Tiere von der Kuh bis zum Wurm, die Teiche, Seen und Flüsse, ja sogar der Staub der Straße an solchen Pilgerorten heilig. So bestimmt und regelt der Hinduismus das tägliche Leben seiner Anhänger, er rechtfer­ tigt das Kastenwesen, er gibt die Perspektive fürs Dasein. Man kann es so sehen wie der große Indologe Helmuth von Glasenapp (»Seine Dogmen engen das Leben des einzel­ nen in einer Weise ein, die allen anderen Religionen fremd ist«), man kann dies aber auch als eine soziale Regeltechnik verstehen, der jede religiöse Doktrin abgeht. In Indien verbinden sich religiöse Duldung mit sozialer Unduldsamkeit - fast umgekehrt, so will es scheinen, wie im abendländischen Chri­ stentum.

Systematische Übersicht

Die Aufteilung in acht Kapitel ist systema­ tisch und thematisch so gestaltet, daß das Handbuch eine detaillierte und doch über­ schaubare Einführung in den riesigen Kom­ plex der hinduistischen Ikonographie liefert und an geeigneten Stellen den thematischen Bezug zur Mythologie herstellt. Das hinduistische Kultbild ist additiv aufgebaut und setzt sich somit aus Bestandteilen zusammen, die auch losgelöst vom Skulptur-Zusammen­ hang ihre Symbolik behalten und dement­ sprechend in unterschiedlichen Kapiteln auf­ gegriffen und behandelt werden. Kapitel 1 umreißt die ikonographischen Nor­ men und die Bedeutung des Kultbildes im Hinduismus und fördert damit das notwen­ dige Verständnis für eine gesamtheitliche Deutung. In Kapitel 2 wird, ausgehend vom heutigen orthodoxen bzw. puranischen Hinduismus, das Pantheon getrennt nach der GötterTrias, den Göttinnen, den vedischen Göttern im heutigen Hinduismus und untergeordne­ ten Gottheiten, Heiligen und Dämonen dar­ gestellt. In diesem Kapitel wird weitestge­ hend auf die Deutung der Detailsymbolik von Attributen, Emblemen etc. verzichtet, da diesem in getrennten Kapiteln Rechnung getragen wird. Kapitel 3 behandelt den weiten Bereich der Natur, die als Manifestation des Göttlichen aus der Ikonographie des hinduistischen Götterbildes nicht wegzudenken ist. Die Gliederung des Kapitels in Themenbereiche

wie Tiere (Tiergötter, Tragtiere und Fabel­ wesen), Bäume, Pflanzen, Blüten und allge­ meine Naturerscheinungen soll das Nach­ schlagen erleichtern. Die Kapitel 4, 5, 6 und 7 greifen dann die Symbolik des additiven Götterbildes nach Themen getrennt auf. Um auch hier jeweils Unterschiede herauszukristallisieren, wur­ den die Kapitel weitestgehend untergliedert, so beispielsweise in Kapitel 4 mit eigenen Gliederungspunkten zu stehenden, sitzenden (usw.) Körperhaltungen oder in Kapitel 5 in einhändige, beidhändige (usw.) Handstellun­ gen (Mudräs). Das Kapitel 6 (Attribute) ist alphabetisch ge­ ordnet und stellt somit keine Gewichtung in der Reihenfolge der einzelnen Attribute dar. Das Nachschlagen eines Attributes, das man in den Händen einer Götterskulptur erkennt, wird durch die alphabetische Ordnung er­ leichtert, zumal auch die Abbildungen Va­ rianten sowohl in der Darstellung des Attri­ butes als auch in der Tragweise berücksich­ tigen. Kapitel 7 ist nach Kopfbedeckungen, Haar­ trachten, Schmuck und Kleidung gegliedert. Jeder der Gliederungspunkte weist eine de­ taillierte Untergliederung auf, so beispiels­ weise für den Gliederungspunkt >Kleidung< in Gewänder, Gürtel, Brustbänder und Op­ ferschnur. In Kapitel 8 werden einige Elemente des Kultbildes ihrem Symbolgehalt entsprechend erläutert. Querverweise in den anderen Kapi-

29

Systematische Übersicht

teln stellen den thematischen oder ikonographischen Bezug zu diesem Kapitel her. Der Einstieg in das Handbuch ist an jeder beliebigen Stelle möglich. Jedes Kapitel und auch einzelne Gliederungspunkte streben eine in sich geschlossene Behandlung der je­ weiligen Thematik an. Zusätzlich zu den Querverweisen, die auf eine weiterführende Information verweisen, bietet das alphabe­ tisch geordnete Götterverzeichnis im An­ hang ein hilfreiches Instrumentarium zum

Nachschlagen, da jeder Aspekt, jede Mani­ festation, Inkarnation und Emanation einer Gottheit einen eigenen Namen trägt. Zusätzlich zum Inhaltsverzeichnis, das einen Überblick über die Themenschwerpunkte dieses Buches verschafft, folgt nun eine de­ taillierte Systematik unter Angabe der Glie­ derungspunkte; sie bietet eine gezielte Ein­ stiegsmöglichkeit in »die indische Götter­ welt«.

1

Die ikonographische Umsetzung der hinduistischen Gottesvorstellung..............................................................

39

1.1 1.2 1.3

Mystische Diagramme (Yantras), gesprochene Formeln (Mantras) und symbolische Verehrung................................................................................. Die Proportionslehre...................................................................................... Die Arten der Götterskulptur......................................................................

41 44 47

2

Das hinduistische Pantheon...............................................

2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.1.1 2.3.1.2 2.3.1.3 2.3.1.4 2.3.1.5 2.3.1.6 2.3.1.7 2.3.1.8 2.3.1.9

Trimürti, die Dreiheit aus Schöpfung, Erhaltung undZerstörung............. Hari-Hara-Pitämaha...................................................................................... Ekapäda-Mürti............................................................................................... Hari-Hara-Mürti, die Vereinigung von §iva und Vi$nu.............................. Der Schöpfer Brahmä..................................................................................... Die Varianten in der Brahmädarstellung....................................................... Die Aspekte von Brahmä............................................................................... Der Herr der Geschöpfe (Prajäpati) und der Allschaffende (Visvakarma). Brahmä als Vater der Götter (Pitämaha)....................................................... Der Wächter der Weltregionen (Lokapäla-Brahmä)................................... Der Erhalter Vi$nu........................................................................................ Das Erscheinungsbild Vi$nus........................................................................ Vi§nu zu Beginn eines neuen Zeitalters (Näräyana)..................................... Vi$nu auf der Schlange (Ädimürti)................................................................ Vi$nu mit seiner Gemahlin Lak$mi (Lak$mi-Näräyana)............................ Der Herr des Himmels (Vaikunthanätha)..................................................... Der wohlwollende, wunscherfüllende König (Varadaräja)........................ Der Gott der Liebe (Manmatha oder Käma)................................................ Vi$nu in Frauengestalt (Mohinl).................................................................... Der pferdeköpfige Vi$nu (Hayagriva)......................................................... Dattätreya, Der Brahmin und Schöpfer der Tantras...................................

30

49 50 51 52 52 53 54 55 55 56 56 57 58 59 61 61 62 63 63 64 64 64

Systematische Übersicht

2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.5.1 2.3.5.2 2.3.6 2.3.6.1 2.3.6.2 2.3.6.3 2.3.7 2.3.7.1 2.3.7.2 2.3.8 2.3;9 2.3.9.1 2.3.10 2.3.10.1 2.3.10.2 2.3.11 2.3.12 2.4 2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3 2.4.1.4 2.4.1.5 2.4.2 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.2.4 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.4.3 2.4.5 2.4.5.1

Die zehn Inkarnationen Vi$nus und die vier Weltalter................................ Die Fischinkarnation (Matsyävatära)........................................................... Die Schildkröteninkarnation (Kürmävatära)............................................... Die Eberinkarnation (Varähävatära)............................................................. Bhüvaräha............................................................................. .......................... Yajnavaräha oder Pralayavaräha.................................................................... Die Menschlöweninkarnation (Narasimhavatära)...................................... Girija-Narasimha........................................................................................... Sthauna-Narasimha.................................................................. ...................... Yänaka-Narasimha......................................................................................... Die Zwerginkarnation (Vämanävatära)........................................................ Vämana............................................................................................................. Trivikrama...................................................................................................... Räma mit der Axt (Parasurämävatära)........................................................ Räma der Held (Rämävatära)......................................................................... Rämas Gemahlin Sita...................................................................................... Kf$na.............................................................................................................. Kr$na als flötenspielender Hirte (Venugopäla)........................................... Ky$na als Kind (Bäla-Kf$na)........................................................................ Buddha, die neunte Inkarnation Vi$nus....................................................... Die Pferdeinkarnation (Kalki)...................................................................... Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt.................................................. Das Erscheinungsbild im freundlichen (Saumya) Aspekt........................... Kevala-Candiasekhara-Mürti......................................................................... Umä-Sahita-Mürti........................................................................................... Älingana-Mürti............................................................................................... Umä-Mahesvara-Mürti.................................................................................. Somäskanda-Mürti......................................................................................... Das Erscheinungsbild im furchtbaren (Ugra) Aspekt................................. Aghora-Mürti.................................................................................................. Bapika-Bhairava............................................................................................. Kahkäla-Mürti................................................................................................ Mahäkäla......................................................................................................... Siva als Mahäyogin (Dak$inä-Mürti)............................................................ Siva als Lehrverkünder (Vyäkhyäna-Mürti)................................................ Siva als Meister der Musik (Vmädhara-Mürti).............................................. Siva als Herr des Yoga (Yoga-Dak$inä-Mürti)............................................ Der König des Tanzes................................................................................... Nataräja........................................................................................................... Lalä^atilakam.................................................................................................. Weitere Tanzposen......................................................................................... Siva als Größter der Götter.......................................................................... Der ewige Siva (Sadäsiva)................................................................................

65 66™ 68 68 70 70 71 71 73 73 73 74 74 75 75 79 80 82 83 83 8J_ 84 88 88 89 90 90 91 91 92 92 93 93 94 94 95 95 95 96 97 97 98 98

31

Systematische Übersicht

2.4.6 2.4.7 2.4.7.1 2.4.7.2 2.4.7.3 2.4.7.4 2.4.7.5 2.4.7.6 2.4.7.7 2.4.7.8 2.4.7.9 2.4.7.10 2.4.7.11 2.4.7.12 2.4.7.13 2.4.8 2.4.8.1 2.4.9 2.4.9.1 2.4.9.2 2.4.9.3 2.4.10 2.5 2.5.1 2.5.1.1 2.5.1.2 2.5.2 2.5.2.1 2.5.2.2 2.5.2.3 2.5.3 2.5.4 2.5.4.1 2.5.4.2 2.5.4.3 2.5.5 2.5.5.1 2.5.5.2 2.5.6 2.5.7 2.5.8 2.5.8.1 2.5.8.2

32

Der androgyne Siva (Ardhanärisvara)........................................................... Szenische Darstellungen von Siva.................................................................. Der wohlwollende Siva (Candesanugraha-Mürti)....................................... Siva als Züchtiger des Dämonenkönigs Rävana (Rävanänugraha-Mürti) . Siva beschenkt Vi$nu (Vi$nugraha-Mürti).................................................... Siva als überlegener Jäger (Kirätärjuna-Mürti)........................................... Siva heiratet Pärvati (Kalyänasundara-Mürti)............................................. Siva empfängt Gahgä mit seinen Haaren (Gangädhara-Mürti)................... Siva als Vernichter der drei Städte (Tripuräntaka-Mürti)............................ Siva tötet den Elefantendämon (Gajäsura-Mürti)....................................... Siva tadelt den Gott des Todes (Käläri-Mürti).............................................. Siva als Bändiger des Gottes der Liebe (Kämäntaka-Mürti)....................... Siva enthauptet Brahma (Brahmäsiras-Cchedaka-Mürti)........................... Siva als Vernichter des Dämons Andhaka (Andhakäsura-Mürti).............. Die Vernichtung des Dämons Jalandhara (Jalandharavadha-Mürti)......... Das Erscheinungsbild der flammenden Lichtsäule (Lingodbhava-Mürti). Darstellungen auf dem Lihga......................................................................... Die Emanationen Sivas................................................................................. Hairava, »der Schreckliche«........................................................................... Virabhadra, »der Siegreiche« . . .................................................................... Sarabhesa-Mürti............................................................................................. Die Söhne Sivas................................................................................... Die Göttinnen (Devi).................................................................................... Die Devi als höchstes Prinzip........................................................................ Die Weltenmutter.......................................................... .’............................. Umä.................................................................................................................. Die lebenspendenden und krankheitserzeugenden Mütter....................... Die Erdgöttin Prthivi....................................................................................... Die Pockengöttin Sitalä.................................................................................. Die sieben oder acht Mütter (Saptamätara oder A$famätara)..................... Die Saktis, die Energie der Götter............................................................... Pärvati, die Bergtochter................................................................................. Das freundliche Erscheinungsbild der Göttin.............................................. Gauri, die Weißliche....................................................................................... Annapürnä, die Ernährerin...................................................... Durgä, die schwer Zugängliche.................................................................... Die Prinzessin der drei Städte (Tripura-Sundari).......................................... Die Besiegerin des Büffeldämons (Mahi$äsuramardini)............................... Der Übergang zum furchtbaren Aspekt der Göttin.................................... Der furchtbare, grausame und vernichtende Aspekt der Göttin................ Die schwarze Göttin Kali............................................................................. Die dämonischen Saktis von Siva................................................................... Die grausame Cämundä..................................................................................

98 100 100 101 102 102 102 103 104 105 106 106 107 107 108 108 109 110 110 111 111 112 112 113 113 114 115 115 116 116 117 118 119 119 119 120 121 121 123 123 124 125 126

Systematische Übersicht

2.5.9 2.5.10 2.5.10.1 2.5.10.2 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.6 2.6.7 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.2.1 2.8.2.2 2.8.2.3 2.8.2.4 2.8.2.5 2.8.2.6 2.8.2.7 2.8.2.8 2.8.2.9 2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4 2.9.5 2.9.6 2.9.7 2.10 2.11 2.11.1 2.11.2 2.12

Die große Lak$ml (Mahälak$ml)................................................................. Die Gemahlinnen von Vi$nu und Brahma.................................................... Sarasvati, »die Fließende«............................................................................. Die schöne, glückliche und reiche Lak$mi oder Sri.................................... Ganesa, der Gott der Weisheit....................................................................... Der junge Ganesa.......................................................................................... Ganesa als Herr der Welt (Bhuvanesa-Ganapati)......................................... Ganesa mit seinen Gemahlinnen (Sakti)...................................................... Ganesa als Überwinder aller Hindernisse (Vighnesvara) .. ...................... Ganesa als Kind (Bäla-Ganapati)................................................................. Der tanzende Gapesa (Nftta-Ganapati)...................................................... Der fünfköpfige Ganesa (Heramba)............................................................. Skanda (Kärttikeya, Subrahmapya), der Gott des Krieges......................... Skanda mit seinen Gefährtinnen.................................................................... Skanda als Vernichter der Dämonen............................................................. Skanda als Kind (Bälasvämin und Bäla-Subrahmapya)............................. Darstellung der Hochzeit (Valllkalyäpasundara-Mürti)........................... Subrahmanya als Lehrer............................................................................... Die vedischen Götter im Hinduismus......................................................... Der Sonnengott Sürya................................................................................... Die Wächter der Weltregionen (Dikpäla).................................................... Der König der Götter, Indra......................................................................... Der Gott des Feuers, Agni.............................................................................. Der Gott des Todes, Yama.............................................................................. Der Gott des Wassers, Varupa....................................................................... Der Gott des Unglücks, Nirfti....................................................................... Der Gott des Windes, Väyu............................................................................ Der Gott des Reichtums, Kubera................................................................... Der Gott des Rausches und des Mondes, Soma............................................ Isa....................................................................................................................... Die Planeten- und Sterngötter...................................................................... Die Sonne........................................................................................................ Der Mond und die Mondknoten................................................................. Budha, Merkur............................................................................................... Sukra, Venus................................................................................................... Bfhaspati, Jupiter.......................................................................................... Bhauma, Mars................................................................................................. Sani, Saturn..................................................................................................... Die Ahnen der Götter (R$is)........................................................................ Dämonen........................................................................................................ Die Feinde der Götter (Asuras).................................................................... Die Feinde der Menschen (Räk$asas)........................................................... Übernatürliche Wesen...................................................................................

127 128 128 129 130 133 133 133 133 134 135 135 135 137 137 138 138 138 139 141 143 145 146 147 149 149 150 150 152 152 153 155 155 156 156 156 156 157 157 158 160 161 161

33

Systematische Übersicht

2.12.1 2.12.2 2.12.3 2.12.4 2.12.4.1 2.12.4.2 2.12.4.3 2.13 2.13.1 2.13.2

Die himmlischen Nymphen (Apsaras)......................................................... Die himmlischen Musikanten (Gandharvas und Kinnaras)....................... Die Wächter der Schätze (Yak$as)............................................................... Untergeordnete Gottheiten........................................................................... Kama, der Gott der Liebe............................................................................. Die Personfikationen...................................................................................... Schutzgottheiten und Torwächter............................................................... Heilige im Hinduismus................................................................................... Die frommen Verehrer von Siva und Vi$nu (Bhaktas)................................ Sannyäsins......................................................................................................

3

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur............................................................................

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.14.1 3.2.14.2 3.2.14.3 3.2.14.4 3.3 3.4 3.4.1

34

Tiere im Hinduismus...................................................................................... Die Tragtiere (Vähana) der Götter............................................................... Tiergötter........................................................................................................ Garuda, der mythische Adler und das Tragtier von Vi$nu.......................... Hanumän, der Affengott................................................................................ Nägas, die Schlangen und Schlangengötter................................................... Surabhl und Nandi, die heiligen Rinder........................................... Die Bedeutung der Tierdarstellungen............................................................ Pferd................................................................................................................. Elefant (Gaja)................................................................................................. Löwe(Simha)................................................................................................. Antilope (Mfga)............................................................................................. Büffel (Mahi$a)............................................................................................... Ziege (Ajä)...................................................................................................... Hund, Schakal und Wolf............................................................................... Mungo (Nakula)............................................................................................. Eber und Schwein (Varäha)........................................................................... Skorpion (Vrscika)........................................................................................ Schildkröte (Kürmä)...................................................................................... Fisch (Matsya)................................................................................................. Reptilien.......................................................................................................... Vögel . . ........................................................................................................... Krähe, Eule und Taube................................................................................. Die Gans (Hamsa).......................................................................................... Der Hahn (Kukkufa)...................................................................................... Der Pfau (Mayüra)........................................................................................ Fabelwesen...................................................................................................... Pflanzliches Leben und Bäume...................................................................... Bäume (Vfk$a)................................................................................................

162 163 163 164 165 165 167 168 169 170

173 177 177 179 179 181 182 184 185 185 186 187 188 188 189 189 190 190 190 190 191 191 192 192 193 193 193 194 196 197

Systematische Übersicht

3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.1.3 3.4.1.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 3.6.1 3.6.1.1 3.6.2

Der Feigenbaum............................................................................................. Der Holzapfelbaum......................................................................................... Der Korallenbaum........................................................................................... Der Asoka-Baum........................................................................................... Pflanzen.......................................................................................................... Blumen und Blüten........................................................................................ Der Lotus (Padma)........................................................................................ Flüsse und Berge............................................................................................. Die Flußgöttinnen (Nadidevatä)............................................. Gahgä, Sarasvati und Yamunä....................................................................... Berge . . ..........................................................................................................

197 197 197 198 198 199 200 201 201 201 203

4

Die Körperhaltung der Götter..........................................

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.5.1 4.3 4.4 4.5

Sthänakamürtis, Sulpturen in aufrecht stehender Haltung......................... Sthänu, die Pose der »Säule«, und Samäpada............................................... Äbhahga, die leicht geschwungene, stehende Pose.................................... Dvibhahga und Tribhahga, die zwei- und dreifach geschwungenen Posen.............................................................................................................. Ardhasamasthänaka und Pädasvastika, die Posen mit gekreuzten Beinen. Älnjhapada, die Pose des Bogenschützen.................................................... Äsanas, Skulpturen in sitzender Körperhaltung......................................... Padmäsana, die Körperhaltung in der meditativen Versenkung................ Yogäsana, der Sitz der Yogis........................................................................ Viräsana, der Sitz der Helden........................................................................ Pralambapadäsana, der »europäische« Sitz.................................................. Der Sitz des Königs und der Zwanglosigkeit............................................... Liläsana und Räjaliläsana, der »Spielsitz«..................................................... Sayanamürtis, Skulpturen in liegender Körperhaltung............................. Nrttamürtis, Skulpturen in der Körperhaltung des Tanzes....................... Die Körperhaltung von himmlischen Wesen (Fliegende Posituren).........

205 205 206 206

5

Madras und Hastas, die Gestensprache der Götter.........

215

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.1.7 5.1.8 5.2

Einhändige Mudräs........................................................................................ Abhaya-Mudrä, die Geste der Schutzverheißung...................................... Varada-Mudrä, die Geste der Wunschgewährung...................................... Cin-Mudrä oder Vyäkhyäna-Mudrä, die Geste der Lehrverkündung ... Jnäna-Mudrä, die Geste der Weisheit........................................................... Süci-Hasta, die »Nadelgeste« oder Geste der Weisung............................. Tarjani-Mudrä, die Geste der Drohung...................................................... Mukula-Mudrä, die Geste der Jungfräulichkeit........................................... Vismaya-Mudrä, die Geste der Verwunderung........................................... Zweihändige Mudräs.......................................................................................

216 216 216 217 217 217 218 218 218 218

207 207 208 208 209 209 210 210 211 211 212 212 213

35

Systematische Übersicht

5.4.2 5.4.3 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5

Anjali-Mudrä und Namaskära-Mudrä, die Gesten der Anbetung und des Grußes............................................................................................................ Yoga-Mudrä und Dhyäna-Mudrä, die Handhaltung beider Meditation . Kasyapa-Mudrä, die Geste der geschlechtlichen Vereinigung.................. Kombinierte Arm- und Handhaltungen (Hastas)....................................... Gaja-Hasta (»Elefantengeste«) und Dan^a-Hasta (»Stockgeste«)............ Aräla-Mudrä oder Patäkä-Hasta (»Flügelgeste«)......................................... Hastasvastika (»Hakenkreuzarm«)............................................................... Armhaltungen ohne symbolischen Ausdruck............................................. Katyavalambita-Hasta oder Katisarpsthita-Hasta, dieArmhaltung der Zwanglosigkeit............................................................................................... Lola-Hasta..................................................................................................... Nidräta-Hasta................................................................................................. Die Handhaltungen beim Tragen von Attributen....................................... Kafaka-Hasta und Simhakarpa-Mudrä, das Halten der Lotusblüte......... Damaru-Hasta, das Halten der Trommel.................................................... Ardhacandra-Hasta, das Tragen des Feuers................................................ Kartari-Hasta, das Halten von Attributen.................................................. Candrakäla, die Geste des Sichelmondes......................................................

6

Die Attribute der Götter.....................................................

5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.4 5.4.1

Antilope (Mfga)............................................................................................. Axt (Parasu)................................................................................................... Banner (Dhvaja)............................................................................................ Bogen (Dhanu)............................................................................................... Buch (Pustaka)............................................................................................... Cakra.............................................................................................................. Diskus............................................................................................................ Dolch (Churi)................................................................................................. Donnerkeil (Vajra)........................................................................................ Dreizack (Trisüla).......................................................................................... Feder (Mayürapattra)................................................................................... Flöte (Venu)................................................................................................... Früchte (Phala)............................................................................................... Gebetskette (Ak$amälä)................................................................................. Gefäße, Schüssel und Schale (Pätra), Vase (Kalasa) und Kanne (Kamandalu)................................................................................................................. Glocke (Ghantä)............................................................................................ Hahn (Kukkuta)............................................................................................ Kanne—> Gefäße............................................................................................ Kette —> Gebetskette...................................................................................... Keule (Gada)...................................................................................................

36

219 219 219 220 220 220 220 221

221 221 221 222 222 222 223 223 223

225 226 226 227 227 228 228 229 229 229 230 230 230 231 231 232 233 234 234 234 234

Systematische Übersicht

Knochen (Asthi)............................................................................................ Kobra (Näga)................................................................................................. Löffel (Sruk, Sruva, Juhü)............................................................................. Lotus (Padma)................................................................................................. Meißel (Tahka)............................................................................................... Mörser (Musala)............................................................................................ Mungo (Nakula)............................................................................................ Muschel (Sankha).......................................................................................... Pfeil und Bogen (Bäna-Dhanus).................................................................... Pflug (Hala, SIra, Lähgala)............................................................................. Rad —» Cakra................................................................................................. Rosenkranz —» Gebetskette.......................................................................... Schädel, Schädelschale, Schädelkette, Schädelkeule.................................... Schale —» Gefäße............................................................................................ Schild (Khejaka)............................................................................................ Schirm (Cattra)............................................................................................... Schlange —» Kobra.......................................................................................... Schlinge (Päsa)............................................................................................... Schüssel, Schale (Pätra)................................................................................. Schwert (Khadga).......................................................................................... Speer (Sakti, §üla).......................................................................................... Speise, Süßigkeiten (Laddu, Modaka)........................................................... Spiegel (Darpana).......................................................................................... Stab (Danda)................................................................................................... Stachelstock (Ahkusa)................................................................................... Trommel (Damaru)........................................................................................ Vajra—» Donnerkeil...................................................................................... Vase—»Gefäße............................................................................................... Vinä (Zither)..................................................................................... Waffen, Personifikationen der Waffen (Ayudhapuru$a oder Sastradevatä)................................................................................................................. Wedel (Cämara)............................................................................................ Zither —> Vinä.................................................................................................

235 235 235 236 236 237 237 237 238 239 239 239 240 240 240 241 241 241 241 242 242 243 243 243 244 245 245 245 245

7

Die Ausstattung der Götter................................................

7.1. 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.2

Kopfbedeckungen: Kronen und Haartrachten............................................. Turbane (Sirastraka) und Kronen (Mukufa)............................................... Kirita-Mukufa, die Adelskrone der Götter.................................................. Karanda-Muku{a, die Topfkrone................................................................. Jap-Mukufa, die Haarkrone........................................................................ Waffen als Kopfbedeckung von Gottheiten................................................ Haartrachten (Dhammilla) und Haare (Jafä, Kesa)......................................

249 249 250 250 251 252 252 253

245 247 247

37

Systematische Übersicht

7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.5

Gekämmtes und frisiertes Haar.................................................................... Abstehendes Haar.......................................................................................... Hochfrisierte Haartrachten (Kesabandha und Jafäbandha)....................... Spiralförmige Haartrachten (Kaparda)......................................................... Die Haartracht von Dämonen...................................................................... Schmuck.......................................................................................................... Halsketten und Girlanden (Mälä).................................................................. Ohrringe und Ohrschmuck (Kun In­ dra opfern wollten, hieß sie Kf$na, statt sei­ ner den Berg Go. '■rdhana zu verehren, der ihnen und ihren Herden Schutz gewähre. Als Indra, erbost über den Ausfall der Opferga­ ben, ein schreckliches Gewitter niederpras­ seln ließ, hielt Kfjna den Berg sieben Tage und sieben Nächte mit seinen Händen wie einen Schirm und schützte so die Hirten, bis Indra nachgab. Zum Jüngling herangewachsen, neckte Kr$na mit Vorliebe die schönen Hirtenmädchen. Er stahl ihnen die Butter, und als sie einmal badeten, raubte er ihnen die Kleider und gab sie nicht eher zurück, als bis sie nackt vor ihn traten. Das Entzücken war beiderseits: in

Der Erhalter Vi$nu

den Herbstnächten führte er mit ihnen Rei­ gentänze auf, die er kunstvoll mit seiner Flö­ te begleitete.

singt der Dichter Bihäri Läl in seiner >Satsalya< (um 1650) und beschreibt auch, wie innig er von den Hirtinnen geliebt wurde:

»Gelbgewandig, dunklen Leibes, Glänzt, an Schönheit unerreichbar Kr$na, einem lichtbestrahlten, Hehren Saphirberg vergleichbar«

»Wenn in schönen Winternächten Kf$na mit den Mädchen spielt, Glaubt doch jede, daß er sie nur In den Götterarmen hielt« (Übersetzung Helmuth von Glasenapp).

Die gleiche Zuneigung und Unbefangenheit, die Kv$na Menschen gegenüber hatte, soll er auch den Tieren entgegengebracht haben. Sein Flötenspiel war so lieblich, daß er damit jedes Tier zähmte und selbst die wilden Tiere des Dschungels in den Bann zog. Kf$na mit der Flöte ist ein nicht wegzudenkender Be­ standteil seiner Ikonographie, ebenso Kf$na das krabbelnde Kind oder Kr$na als Hirte. Die Legenden erzählen auch von der be­ rühmtesten seiner Gespielinnen, der schönen Rädhä. Für die einen ist sie seine abgöttische Geliebte, für andere seine ihm ewig vereinte Gemahlin. Wie auch immer, in der Vereini­ gung beider erkennen die Inder das uralte Prinzip, das uns auch bei Siva und Sakti begegnet: die Verschmelzung des Kosmos mit der Natur. Kf$na, ein unbezwinglicher Frauenheld, will man den späteren Legenden Glauben schen­ ken, hatte zwei weitere Gemahlinnen (so, als wäre die Beziehung zu Rädhä nicht standes­ gemäß gewesen). Wie die Anhänger des Kr$pa-Kultes wissen, stehen ihm die Göttin­ nen Rukminl und Satyabhämä zur Seite; bei­ de sind Inkarnationen von Vi$nus Gattinnen Lak$mi und Sri (in Verkörperung der Erd­ göttin BhümidevI). In seiner Grundskulptur ähnelt Kf§na dem Erscheinungsbild von Vi$nus siebter Inkar­ nation, Held -^Räma, auf frappante Weise. Kf$na, die achte Inkarnation Vi$nus. Kt$na ist die einzi­ Im Gegensatz zu Räma wird er jedoch auch ge vollständige Inkarnation Vi$nus und wird als eigen­ vierarmig dargestellt. Zweiarmigen Skulptuständige Gottheit angesehen und verehrt.

81

Das hinduistische Pantheon

ren ist als Attribut in der linken Hand ein langer, oben gebogener Stab beigegeben, und die linke Hand ist zur Geste der Lotusblüte erhoben. Vierarmige Darstellungen zeigen ihn mit Rad, Stab und Keule und Muschel. Als Kopfbedeckung trägt Kp?na eine Adels­ krone, oder sein Haar ist auf dem Kopf zu einem Knoten zusammengebunden. Der my­ thische Vogel Gannja als Begleitfigur erin­ nert daran, daß er eine Inkarnation Vi$nus ist. Eine der wichtigsten Überlieferungen zur Genealogie und Lebensgeschichte Krynas findet sich im Anhang des Mahäbhärata, in 16000 Doppelversen (das sog. HarivaipsaParvan). Im Epos selbst wird Kr$na als der weise Freund und Berater der Pändavas dar­ gestellt, zudem als der Wagenlenker des Arjuna, dem er vor der entscheidenden Schlacht von Kuruk$etra die Bhagavadgltä (»Des Er­ habenen Sang«) verkündet.

Venugopäla, Kr$na als flötenspielender Hirte.

2.3.10.1 Krsna als flöte spielender Hirte (Venugopäla) Zur Freude der Hirten, ihrer Frauen und Töchter und der Kühe spielt Kr$na auf seiner Querflöte. Die Skulptur von Kf$na als Hirte (Gopäla) mit der Flöte (Venu) ist zweiarmig. Beide Hände halten die Querflöte. Mit einem Bein steht Kr$na fest auf dem Boden, das andere ist davor gekreuzt. Die Körperhal­ tung ist meist in der dreifach geschwungenen Pose. Als Venugopäla trägt Kr§na eine Adelskrone oder in einer leicht abgewandel­ ten Form einen Strauß aus Pfauenfedern. Daß Kf$nas Flötenspiel betörend ist, wird ausgedrückt durch die Skulptur von Kr$na als Madanagopäla, was soviel wie »Hirte der Liebe« bedeutet. Die Gottheit ist in dieser Darstellung vier- oder achtarmig. Die unter­ sten Hände halten die Querflöte, während 82

Kf$ija als Kind in einer Tanzpose, Navanitanftta-Krsna.

Der Erhalter Visr?u

den anderen die üblichen Attribute Vi$nus beigegeben sind. Als Madanagopäla kann Kryna auch an eine Kuh angelehnt stehen.

2.3.10.2 Krsna als Kind (Bäla-Krsna) Die Skulptur des Kf$na als Kind fällt in der indischen Ikonographie etwas aus dem Rah­ men. Bei anderen Kinderskulpturen, wie bei­ spielsweise von —> Skanda als Kind in Beglei­ tung von Siva und PärvatI in der —»Somäskandamürti-Gruppe, sind die Götter außer durch ihre geringere Größe nicht ohne weite­ res als Kinder zu erkennen. Anders verhält sich das in der ikonographischen Umsetzung der Vorstellung, wie Kr$na im Schoße seiner Mutter krabbelt. Er wird in der Skulptur nackt auf allen Vieren gezeigt. Der linke Arm ist vom Boden erhoben, so als täte er den nächsten Krabbelschritt, und in der Hand hält er etwas Butter. Eine andere, sehr lie­ benswerte Skulptur zeigt das Kind in tanzen­ der Haltung. Seltene Darstellungen von Kv$na als Kind zeigen ihn auf dem Schoß seiner Stiefmutter Yasodä (Santänagopäla oder Yasodä-Kt$na) oder auf einem Blatt liegend (Väfapatträsäyin), das auf dem Wasser zu treiben scheint. Diese Darstellung hat ihre Parallelen zu Vi$nu als -^Näräyana, der auf der Welt­ schlange liegend von der zukünftigen Welt träumt. Der auf dem Blatt treibende Kr$na lutscht am Zeh seines linken Fußes.

2.3.11 Buddha, die neunte Inkarnation Visnus Diese historische Verkörperung, die von Buddhisten als Hohn und äußerst nieder­ trächtig angesehen wird, zeigt Vi$nu im ge­ genwärtigen Kali-Zeitalter. In den Legenden wird berichtet, daß Vi$nu auf die Erde kam,

um die Menschen zu einem falschen Glauben zu verführen und somit die Guten von den Bösen zu trennen. Seine Macht und Über­ zeugungskraft übte er aber auch bei den halb­ göttlichen Dämonen, den —> Asuras, aus, de­ nen er empfahl, die heiligen Texte der Veden als Unsinn anzusehen, was dazu führen soll­ te, daß sie ihre Macht verlieren und den Göttern nichts mehr anhaben würden. Die Anhänger Vi$nus bezeichneten Buddha als »Sohn der Ignoranz« und die Buddhisten als »Nackte«, da sie nicht die Bekleidung der Veden tragen. Dahinter stand die Sorge, daß die buddhistische Religion die gläubigen Hindus ihrer Lehre und ihrem Ritus (Feuer­ opfer, Reinwaschung, Guru-Verehrung) ent­ fremden könnte. Buddha wird in der Hindu-Ikonographie auf einem Lotussockel sitzend oder meditierend dargestellt. In den Handflächen und auf den Fußsohlen sind Lotuszeichen zu erkennen, die Ohrläppchen sind lang, aber ohne Schmuck, und sein Kopf ist mit kurzen Lokken bedeckt. Seine Hände zeigen die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewäh­ rung.

2.3.12 Die Pferdeinkarnation (Kalki) Das Ende des Kali-Zeitalters soll durch Vis­ nus zehnte und letzte Inkarnation in diesem Weltzeitalter als Kalki herbeigeführt werden. Das Kali-Zeitalter der Dunkelheit ist gekenn­ zeichnet durch religiöse, kulturelle und so­ ziale Verwirrung, so daß die Hindus in Kalki den Erlöser sehen, der eine neue Zeit der Reinheit, des Rechtes und des Friedens ein­ leitet. Kalki stellt man sich auf einem Schimmel reitend, mit gezogenem Schwert und schnell wie der Blitz vor. Keiner unter den Unheil stiftenden Menschen wird seiner Bestrafung

83

Das hinduistische Pantheon

entgehen; danach legt Vi$nu sich dann wieder zum kontemplativen Schlaf auf die Welten­ schlange, um zum Anbruch des glückbrin­ genden Kfita-Zeitalters dann wieder zu er­ wachen. Kalki wird in der Ikonographie als pferde­ köpfiger Gott mit vier Armen und den Attri­

buten Muschel, Schwert, Rad und Schild dargestellt. Wenn er auf einem Pferd reitet, hat er in der Skulptur die übliche Gestalt Vi$nus. Seine Attribute werden in einer Va­ riante als Schwert, Bogen, Rad und Muschel bezeichnet.

2.4 Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt Siva, was soviel wie »freundlich« oder »gnä­ dig« bedeutet, ist die facettenreichste Gott­ heit im orthodoxen Hinduismus. Er ist einer der ältesten Götter Indiens, obwohl er unter dem Namen Siva im Rgveda noch nicht vor­ kommt. Uber die Jahrtausende hat er seinen naturhaften Charakter, als Gott der Stürme, der Krankheitsplagen, des großes Todes bei­ behalten; in seinem milden Aspekt ist er aber auch der Helfer und Heiler. Der Erschei­ nungsvielfalt dieses Gottes, der 1 008 Namen trägt, würde man nicht gerecht, wenn man ihn lediglich auf seine Stellung in der hinduistischen Trinität (s. Kap. 2.1), in der er den Zerstörer verkörpert, fixieren würde. Sein Name ist sozusagen ein Sammelbegriff für die vielen Aspekte, in denen sich die Gottheit zeigen kann. Die mannigfaltige Verehrung im heutigen Hinduismus ist das Ergebnis einer mehr als tausendjährigen »Karriere«. Sivas Aufstieg, der ihn bis zum Herrn über alle Götter machen sollte, begann in einer Zeit, als jede der beiden Ethnien Indiens, die Ureinwohner und die eingewanderten Arier, ihre eigenen Götter verehrte. Unter dem Na­ men Rudra wurde der nicht-arische Sturm­ gott verehrt, vorwiegend ein furchtbarer Gott, der Menschen und Vieh mit Krankhei­ ten plagte. Erst als die Arier dem Druck der nicht-arischen Volksreligionen nachgeben mußten, kam es zur Vereinigung Rudras mit der Tochter des arischen Schöpfergottes Dak$a-Prajäpati (und damit zum Versuch

84

einer Synthese zweier sozial wie religiös höchst unterschiedlicher Ethnien). Doch was war das für ein ungehobelter Schwiegersohn! Einer, der in Friedhöfen hauste, seinen Kör­ per mit Asche beschmierte, nur mit einem Fell sich bekleidete, der die Wälder ziellos durchstreifte und sich von Almosen ernährte, die er aus der Schale eines Schädels zu essen pflegte. Sein Schmuck: ein Schädelkranz und eine Halskette aus dem gleichen Material. Ein Rudel Hunde, die als unrein galten, wa­ ren seine ständigen Begleiter. Man kann es dem Schwiegervater Dak$a nicht verdenken, daß er Siva-Rudra nicht zum Roßopfer ein­ lud. Dieser aber erschien voller Zorn auf dem Opferplatz und ließ ein fürchterliches We­ sen, den Virabhadra, aus sich hervorgehen, der das Opfer störte, bis Siva durch die ihm schließlich zuteil werdende Verehrung be­ sänftigt wurde. SatI aber, seine Gemahlin, nahm sich vor Scham das Leben und wurde wiedergeboren als die Tochter von Himavat (Verkörperung des Himälaya); sie sollte spä­ ter, unter dem Namen —>Pärvati, Sivas Ge­ mahlin werden. Siva schaffte es, »arisiert« zu werden, und erreichte sogar eine Gleichstellung mit Vi$nu. Das weist auf eine recht interessante soziokulturelle Konfliktlösung zugunsten der nicht-arischen Bevölkerung Indiens hin. Siva wurde endgültig verehrungswürdig. Der Ru­ dra der Veden personifizierte den unkulti­ vierten, nicht unterworfenen und gefahrvol­

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

len Aspekt der Natur. Siva, den mit Rudra gemeinsame Wesenszüge verbinden, konnte in der —»Trimürti gar nichts anderes werden als der Gott der Zerstörung. Im Zeitalter der Brahmänas und Upani$aden (800—300 v. Chr.) wurden eine Reihe ande­ rer, aber ähnlich gearteter Götter mit Rudra vereinigt, und diese kulminierten später in dem einen großen Mahädeva, der nach seiner schrecklichen Seite hin als Rudra (»der Brül­ lende«), als Mänäkala (»der große Tod«), als Hara (»der Vernichter«), in seinem milden Aspekt als Siva (»der Gnädige«) oder Sankarä (»der Heilbringer«) wirksam war. Mit der Entwicklung vom Götteropfer zur Andacht, zu Meditation und Gebet ebnete sich für Siva der Weg zur Identifikation mit —>Isvara als dem höchsten persönlichen Gott, womit er auch Eigenschaften von Brahmä und Vi$riu annahm. Dieser Wandel wurde mit einer Fülle von Legenden und Sagen, in denen Siva jeweils

eine dominante Rolle spielt, volkstümlich be­ legt. Die berühmteste seiner Taten ist die Zerstörung der drei Städte der Dämonengöt­ ter (s. Kap. 2.4.7.7). Diese hatten von Brah­ mä die Zusicherung erlangt, daß ihre Städte tausend Jahre bestehen und sich nachher zu einer Stadt vereinigen würden. Der AsuraArchitekt Maya erbaute daraufhin eine gol­ dene Stadt (im Himmel), eine silberne (in der Luft) und eine eiserne (auf der Erde). Die Dämonenbrüder wurden den Göttern jedoch zu mächtig; Brahmä und Vi?nu übertrugen ihre Eigenschaften und Kräfte auf Siva und befähigten ihn so, die drei Städte zu zerstö­ ren: von einem einzigen Pfeil seines göttli­ chen Bogens getroffen, gingen sie in Flam­ men auf. In den noch zu beschreibenden Erschei­ nungsformen und Aspekten Sivas soll auf die leidvollen und auf die triumphalen Ereignisse eingegangen werden, die Siva, den Vereh­ rungswürdigen - der in der Trimürti auf den

Links: Das Erscheinungsbild des südindischen Siva mit Axt und Antilope. Rechts: Der nordindische Siva mit Dreizack und Kobra.

85

Das hinduistische Pantheon

Aspekt der Zerstörung reduziert worden ist zu Isvara erhoben haben. Wie immer auch der Volksglaube an Siva gewesen sein mag, er wurde in ein bestehendes System der Särpkhya-Lehre, das die dualistische Realität pre­ digte, eingepaßt. Diesem orthodoxen hinduistischen Glaubenssystem nach besteht der Lebensprozeß aus Destruktion und Regene­ ration, und er signalisiert den Wandel von vedischen Erklärungsmodellen, die Natur und ihre Erscheinungen betreffend, zu den zwei großen Schulen der Sivaiten und Vi$nuiten. Der Sivaismus hat seinerseits eine Reihe

von Systemen hervorgebracht (Saiva-Siddhänta, Trika-Lehre, Sakti-Visistädvaita), die an gedanklicher Tiefe und spiritueller Gottesliebe der vi$nuitischen Spekulation nicht nachstehen. So hatte sich der asketische Gott der Weltzerstörung zu einem gnädigen Allgott gewandelt. Kennzeichnend für diese umfassende Vereh­ rung Sivas ist ein Hymnus der Anhänger des Sahkaräcärya (788-820), hier in der Überset­ zung Helmuth von Glasenapps wiederge­ geben:

»Ihm, der die Welt, die wie ein Spiegelbild Er in sich trägt, im Traum durch May äs* Walten Von sich getrennt wähnt, und erwachend sich Als Einz’gen weiß in wechselnden Gestalten. Ihm, der als Guru das Wissen uns spendet, Verehrung dem Herrn, der nach Süden sich wendet.**

Ihm, der als das unwandelbare Selbst Durch jeden Zustand*** leuchtet in dem Leben, Der es vermag durch heiliges Symbol Dem Frommen Einsicht in sein Sein zu geben. Ihm, der als Guru das Wissen uns spendet, Verehrung dem Herrn, der nach Süden sich wendet. Ihm, der als Feuer, Wasser, Erde, Luft, Raum, Sonne, Mond und Seele zu erscheinen, Achtfach sich offenbaret hat, und den Der Weise kennt als ewigen All-Einen. Ihm, der als Guru das Wissen uns spendet, Verehrung dem Herrn, der nach Süden sich wendet.«

Nach Sahkaräcärya existiert in Wahrheit nur das eine ewige Absolute (Brahman), das seinem Wesen nach reiner Geist und das Subjekt alles Erkennens und somit das jedem Denkenden als sein Selbst (Atman, »Seele«) unmittelbar zu Bewußtsein kommende Reale ist. Die ganze materielle Welt ist im Verhältnis zu diesem Transzendenten etwas Unreales, hervorgerufen durch eine geheimnisvolle Kraft, die Mäyä. ** Der Aspekt des Dakjinä-Mürti, d.h. der nach Süden gewendeten Erscheinungen Sivas (vgl. Kap. 2.4.3). *’Hi'Im Wachen, im Traumschlaf, im Tiefschlaf und in der Versenkung. *

86

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Im heutigen Hinduismus wird Siva sowohl als maskulin (Sivan), als feminin (Sivä) wie auch als zweigeschlechtlich (Sivam) angese­ hen. Seine androgyner Aspekt (Ardhanärisvara) ist konstitutiv. Siva personifiziert das Ende aller Dinge und gleichzeitig das neue Leben, das aus der Zerstörung hervorgeht. Widerstreitende Tendenzen sind in ihm le­ bendig. Er ist voller Güte und kann zugleich unbeschreiblich zornig erscheinen, er wirkt lebenvernichtend und auch lebenspendend. Wie schon angedeutet, stellt er sich als der Mildtätige (Aghora) dar und als der Schreck­ liche (Bhairava), als der Gewaltige (Ugra), der Hinwegraffer (Hara) und der Tod (Mahäkäla). Er ist aber auch der kosmische Tänzer (Siva Nataräja), der von trunkenen Scharen begleitet einen ekstatischen Tanz be­ ginnt, so die Weltzerstörung und auch die Befreiung der Seelen symbolisierend. Die verbreitetste Darstellung Sivas ist die eines Asketen (Mahäyogin), nur mit einem Schurz aus Elefantenhaut bekleidet und eine Halskette von Menschenschädeln um den blauschwarzen Hals geschlungen, den Kör­ per mit Asche beschmiert und die Haare nach Büßerart geflochten. Um seinen Nacken rin­ gelt sich eine Kobra, über seinen fünf Häup­ tern ist eine Mondsichel als Haarkrone ange­ bracht (im Gegensatz zu Vi$riu, der eine Adelskrone trägt, und auch zu Brahmas Haarkrone, die kein Emblem aufweist). Durch seine Haare fließt die Gahgä (der Sündentilgende Ganges), auf seiner Stirn glänzt ein drittes Auge (s. Kap. 8.1.); im Gegensatz zu dem vedischen —> Indra, der ein waagrecht liegendes Stirnauge besitzt, ist Sivas drittes Auge senkrecht oberhalb der Na­ senwurzel angebracht. In Meditation versunken sitzt Siva, das Vor­ bild der Büßer und Begründer der Lehren des Yoga, auf einem Tigerfell. Es ist das Erschei­ nungsbild des Asketen oder des Bettlers, in

dem sich die religiösen Kräfte konzentrieren; Siva trägt dann häufig die Beinamen Dhürajap, »dessen Haarflechten eine Bürde sind«, oder Kapälesvara, »der Herr der Schädel«. Siva ist jedoch nicht nur der unnahbare As­ ket, sondern auch der große Zeugungsgott, der mit seiner Gattin —> Durgä im liebevoller Umarmung zu einem Leib verwächst, und der unter dem Symbol des Phallus (Lihga) verehrt wird - so wie Durgä im Sinnbild der Vulva (Yoni). Den meist vierarmigen Sivaskulpturen kön­ nen die Attribute Trommel, Bogen, Schädel­ stab, Schlinge, Antilope und Axt beigegeben sein. Eine Legende gibt die Erklärung dafür, war­ um Siva mit diesen Emblemen in Verbindung gebracht wird: Als Siva in seinem Asketen­ dasein in den Himälaya-Bergen am Berg Meru umherwanderte, stellten ihm die Frauen der heiligen Weisen (R?is) nach und verlieb­ ten sich in ihn. Darüber, daß die Frauen ihre Keuschheit verloren hatten, waren die R§is so erzürnt, daß sie gemeinsam beschlossen, Siva zu töten. Doch ihre zauberischen Waf­ fen, wie. die personifizierte Axt und die Schä­ delkeule, konnten ihm ebensowenig anhaben wie giftige Schlangen, wilde Tiere, die schwarze Antilope und der Mond. Siva neu­ tralisierte die gegen ihn gerichteten Kräfte und machte sie sich zu eigen. Die Waffen hält er seitdem in Händen, die Felle der Tiere bekleiden seinen asketischen Körper, Schlan­ gen sind sein Schmuck, und den Mond trägt er in seinem Haar. Der dämonenhafte Zwerg -»Apasmära, den die R$is gegen Siva auf­ hetzten, wurde unter den Füßen des Gottes zertrampelt. In der ikonographischen Um­ setzung steht Siva deshalb in einigen Darstel­ lungen, vor allem aber als kosmischer Tänzer (—» Nataräja), mit einem Fuß auf Apasmära. Deutlich voneinander zu trennen sind nord­ indische und südindische Siva-Skulpturen.

87

Das hinduistische Pantheon

Die charakteristischen Attribute des nordin­ dischen Siva sind Dreizack und Kobra, die des südindischen Axt und Antilope. Die Hände fast aller Siva-Darstellungen, denen keine Attribute beigegeben sind, zeigen die Gesten der Schutzverheißung oder Wunsch-; gewährung. Die Skulpturen des Gottes, die ihn meist in stehender Körperhaltung zeigen, sind auf einem Lotussockel befestigt; oder $iva steht neben seinem Tragtier, dem weißen Stier Nandi. Die mannigfaltigen Kräfte, die Siva innewoh­ nen, werden pointiert herausgearbeitet, wenn der Gott in einem seiner beiden Haupt­ aspekte dargestellt ist. Den furchterregen­ den, zornigen Aspekt nennt man »Ugra«, den freundlichen, milden Aspekt »Saumya«. Die beiden Aspekte lassen sich je in vier weitere Formen unterteilen, so daß acht Er­ scheinungsbilder Sivas unterschieden werden können, die die acht Elemente symbolisie­ ren. Die acht Lihgas stehen symbolisch für diese acht Elemente, doch können auch acht Siva-Skulpturen nebeneinander aufgestellt den gleichen Aussagewert besitzen.

2.4.1.1 Kevala-CandrasekharaMürti Diese Darstellung des freundlichen Siva ist eine der wenigen, in der der Gott ohne seine Sakti (Pärvati) verehrt wird. Normalerweise wird Siva nur dann als aktiv verstanden, wenn ihm die kreativen weiblichen Kräfte beigegeben sind. Doch sollte darauf verwie­ sen sein, daß er eine ewig androgyne Form besitzt, die vor allem in dem Erscheinungs­ bild des —» Ardhanärisvara deutlich zu Tage tritt. Die Skulptur des Kevala-Candrasekhara-Mürti weist nur in einem - leicht zu über­ sehenden - Detail der Androgynität auf. Der Ohrring des Gottes im rechten Ohr bedeutet

2.4.1 Das Erscheinungsbild im freundlichen (Saumya) Aspekt Siva wird im Saumya-Aspekt entweder ste­ hend oder sitzend dargestellt. Die Tatsache, daß der freundliche Siva meist von seiner Gemahlin —»Pärvati begleitet wird, ist ein sicheres Erkennungsmerkmal für diese Aspektdarstellung. Sein Haar ist kunstvoll zur Haarkrone aufgetürmt und oft reich ge­ schmückt, wobei die Mondsichel auf der lin­ ken Seite nicht fehlen darf. Er hat einen milden, fast lächelnden Gesichtsausdruck und ist im Gegensatz zu den Ugra- und Asketendarstellungen wohlgekleidet.

88

Siva Ytsabhäntika. Siva wird in diesem Erscheinungsbild mit dem linken unteren Arm an den Rücken seines Stiers Nandi anlehnend gedacht.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

»männlich«, der im linken »weiblich« (s. Kap. 7.3.2). In diesem Erscheinungsbild steht Siva in auf­ rechter Körperhaltung auf einem Lotussokkel. Er ist vierarmig und seine Attribute sind Axt und Antilope. Die beiden anderen, unte­ ren Hände zeigen die Gesten der Schutzver­ heißung und Wunschgewährung. Bis auf die Körperhaltung identisch ist auch das anmutige Erscheinungsbild von Siva als Vr$abhäntika. Bei zweifach geschwungener Positur und mit übereinandergekreuzten Bei­ nen (Hakenkreuzbein) wird Siva, wenn er auf einem Lotussockel dargestellt ist, neben seinem Stier Nandl stehend gedacht. Die bei­ den unteren Hände sind nach vorne ausge­ streckt, mit der rechten zeigt er die Geste der Lotusblüte und mit der linken stützt er sich auf dem Rücken des Stiers ab.

2.4.1.2 Uma-Sahita-Murti Siva steht oder sitzt mit seiner Gemahlin, die in diesem Fall mit —» Umä identifiziert wird, auf einem gemeinsamen oder auf zwei ge­ trennten Lotussen, die aber durch einen Sokkel miteinander verbunden sind. Sivas Er­ scheinungsbild ist wie das des —> Kevala-Candrasekhara-Mürti, und Umä wird zweiarmig mit einem Lotus in der rechten Hand darge­ stellt, während der linke Arm in der stehen­ den Pose anmutig an der Körperseite anliegt und bei sitzenden Darstellungen die Geste der Wunschverheißung zeigt. Wichtig als Unterscheidungsmerkmal für die Skulptur des Umä-Sahita-Mürti im Gegen­ satz zu anderen Paardarstellungen ist, daß Siva und Umä sich nicht gegenseitig berühren oder umarmen.

89

Das hinduistische Pantheon

sie dann kein Attribut trägt, und Siva zeigt mit der linken unteren Hand die Lotusgeste, oder beide umarmen sich, wobei Siva seinen Arm um den Oberarm der Göttin gelegt hat, und Umä ihren Gemahl an der Taille umfaßt.

2.4.1.4 Umä-Mahesvara-Mürti Diese Skulptur, in der Siva mit dem Namen Mahesvara bezeichnet wird und oft zweiar­ mig dargestellt ist, hat einen erotischen, ja geradezu zärtlichen Charakter. Die zweiar­ mige Göttin sitzt neben ihrem Gemahl oder auf seinem Schoß. Siva umarmt die Göttin mit seinem linken Arm unter der Achselhöh­ le, wobei er liebevoll ihre linke Brust in seiner Hand hält. Umä hat ihren rechten Arm um die Taille von Siva gelegt oder stützt sich auf seinem Bein ab und hält in der linken Hand einen Spiegel. Das charakteristische Attribut Sivas in dieser Skulptur ist der Drei­ zack. Siva umarmt seine Gemahlin Pärvati.

2.4.1.3 Älingana-Mürti Siva und Umä stehen in zweifach geschwun­ gener Pose nebeneinander. Wie auch in den anderen Paardarstellungen ist Siva vier- und Umä zweiarmig. In den beiden oberen Hän­ den hält Siva die Attribute Axt und Antilope, die rechte untere Hand ist zur Geste der Schutzgewährung erhoben, und den linken unteren Arm hat er um Umäs linken Ober­ arm gelegt. Die Göttin trägt in der rechten Hand einen Lotus, während der linke Arm anmutig an der Körperseite herabhängt. Diese Darstellung kann eine Reihe von Va­ riationen aufweisen, die sich in der Art und Weise, wie das Götterpaar sich umarmt, un­ terscheiden. Die Göttin kann Siva ihren rech­ ten Arm um die Taille gelegt haben, wobei

90

Umä-Mahesvara-Mürti. Siva mit seiner Gemahlin Uma, die er liebevoll umarmt.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

2.4.1.5 Somaskanda-Murti In dieser zum Saumya-Aspekt zählenden Skulptur wird Siva als Familienvater gezeigt. Zwischen dem stehenden Götterpaar ist ihr Sohn —> Skanda als nacktes Kleinkind zu er­ kennen. Skanda ist zweiarmig und wird sit­ zend, stehend oder tanzend abgebildet. Links von ihm steht Vater Siva. Er ist vierar­ mig und trägt die Attribute Axt und Antilope in den oberen Händen, während die unteren die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung zeigen. Umä ist zweiar­ mig; in einer Hand hält sie einen Lotus, die andere zeigt die Geste der Lotusblüte, wel­ che den Gläubigen zur Verehrung mit Lotusblüten auffordert.

2.4.2 Das Erscheinungsbild im furchtbaren (Ugra) Aspekt Im Ugra-Aspekt trägt Siva häufig die We­ senszüge des verehrungsunwürdigen Sturm­ gottes Rudra. Hervorgehoben wird in dem widerstreitenden Charakter des Gottes seine zornige und häufig furchterregende Seite. Zu unterscheiden ist der Ugra-Aspekt von den furchterregenden, zornigen Emanatio­ nen des Gottes (—»Bhairava), die Siva schuf, um den Dämonen im Kampf gegenüberzu­ treten. Auch grenzen sich Ugra-Skulpturen von den Yogidarstellungen von Siva als —» Dak$inä-Mürti ab. Die Verehrung von Bildnissen und Skulptu­ ren Sivas als zorniger, ja abweisender Gott hat im heutigen Hinduismus stark an Bedeu­ tung und Anhängerschaft verloren. Die Zei­ ten, als in Nordindien, vor allem in Benares, Scharen sich kasteiender Asketen umherzogen, sind vorbei. Mehr und mehr wird die Verehrung Sivas durch den Vi$nuismus ver­ drängt. Einst standen die furchtbaren Er-

Der südindische Siva im Übergang zum Erscheinungs­ bild des furchtbaren Aspekts. Er wird nur spärlich be­ kleidet dargestellt, besitzt aber noch ein freundliches Aussehen.

scheinungsbilder des Gottes im Mittelpunkt der Verehrung von Angehörigen der Kaste der Ausgestoßenen, und eine Vielzahl von Nebensekten des Sivaismus setzte sichtbare Akzente ihres Glaubens. So folterten viele ihren Körper im Glauben, auf diese Weise ihre Seele zu befreien. Einige ernährten sich von Kadavern und von Kot, bevölkerten die Friedhöfe und opferten ihrem Gott, der auch einst von den Herrschenden verstoßen, sich aber mit seinem Dasein versöhnt hatte und letztlich zum höchsten aller Götter aufgestie­ gen war. Dieses Sektenverhalten, das im europäischen Verständnis als Klischeevor­ stellung weiterlebt, und das an das Treiben der »Fakire« erinnert, die »immer« mit erho­ benen Armen umherwandern, »ständig« mit

91

Das hinduistische Pantheon

geöffneten Augen in die Sonne blicken oder sich bei geballten Fäusten die Fingernägel durch die Hände wachsen lassen, ist heute nur vereinzelt noch zu beobachten. Somit sind auch die Skulpturen von Siva in seinem furchtbaren Aspekt, die an das Leben des Gottes als Asket erinnern sollen, relativ selten geworden. Gemeinsam ist allen Skulp­ turen in diesem Erscheinungsbild, daß Siva entweder nackt (mit Asche beschmiert) oder nur mit einem Fell bekleidet ist und nie von seiner Gemahlin begleitet wird. Der einzige Schmuck des Gottes ist der aus Schlangen und Schädeln. Häufig ist als Begleittier nicht der weiße Stier Nandi dargestellt, sondern ein Hund - der als unrein gilt.

2.4.2.2 Batuka-Bhairava Als Bapika ist Siva ein jugendlicher Asket. Gewöhnlich wird er von einem Hund beglei­ tet, der auf den Hinterläufen stehend Blut von der nach unten weisenden Hand des Gottes leckt. So wie in der Aghora-MürtiDarstellung soll auch das Gesicht von Bafuka furchterregend sein. Aus seinen Mundwin­ keln ragen kleine Hauer. Sein Haar steht kreisförmig vom Kopf ab und ist mit der

2.4.2.1 Aghora-Mürti Dieses Erscheinungsbild gehört mit zu den furchtbarsten des Gottes. Er wird acht-, zwölf- und manchmal zweiunddreißigarmig dargestellt und trägt dementsprechend viele Attribute. Zu den wichtigsten Attributen, die Siva als Aghora-Mürti beigegeben sind, zählen Dreizack, Trommel, Schädel, Keule, Schwert, Pfeil und Bogen und Schlinge. Zwei Hände sind jeweils zu den Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung erhoben. Sein Körper wird als mit weißer Asche von verbrannten Leichen beschmiert vorgestellt. Wenn er nicht gänzlich nackt dargestellt ist, trägt er ein Fell, das entweder ein Löwenfell oder eine Elefantenhaut sein soll. Geschmückt ist Siva in diesem Erschei­ nungsbild mit einer Schädelkette oder einer Kette aus Skorpionen. Um seine Arme und seinen Körper winden sich die dem Gott heiligen Kobras. Sein Gesicht ist verzerrt, was durch zwei deutlich sichtbare, aus den Mundwinkeln ragende Hauer unterstrichen wird.

92

Batuka-Bhairava, der nackte bettelnde Siva.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Mondsichel und einer Kobra geschmückt. Batuka wird immer nackt dargestellt, wobei eine Kobra um die Hüfte einen Gürtel (bei« anderen Götterbildern häufig der prachtvoll­ ste Schmuck) andeutet. Die Skulptur ist mei­ stens vierarmig. Den Händen sind die Attri­ bute Schädelschale, Trommel und manchmal Dreizack beigegeben. Die Hand, die nach unten weist und an der der Hund leckt, kann mit einem abgeschlagenen Menschenkopf dargestellt werden. Charakteristisch ist für

die Bafuka-Skulptur wie auch für die Er­ scheinungsbilder Sivas als nackter Bettler, daß der Gott Holzsandalen trägt. Damit sind die Skulpturen der Ugra-Gruppe die einzigen Götterdarstellungen mit einer Art Fußbeklei­ dung. Die Verehrung dieser Statue soll vor einem unnatürlichen Tod schützen.

2.4.2.3 Kahkäla-Mürti In diesem Erscheinungsbild wird Siva nicht nur vom Hund, sondern auch von einem Dämon begleitet. Die Skulptur zeigt Siva vierarmig, als nackten oder nur spärlich be­ kleideten Bettler, der scheinbar ziellos um­ herwandert. Er wird deshalb mit einem Fuß vor dem anderen so abgebildet, als wäre er im Schritt erstarrt. Entstanden ist dieses Er­ scheinungsbild wohl aufgrund einer Legen­ de, die besagt, daß Siva als Bettler umherzie­ hen muß, nachdem er dem Schöpfergott Brahma den fünften Kopf abgeschlagen hat. Deshalb wird diese vergleichsweise nicht so grausige Darstellung Sivas mit dem Attribut Schwert in der oberen linken Hand gezeigt. Zwei andere Hände halten eine Trommel und einen Trommelstock, was darauf hindeuten soll, daß Kahkäla durch den Trommelschlag die Dorfbewohner frühzeitig von seinem Er­ scheinen in Kenntnis setzen möchte.

2.4.2.4 Mahäkala

dem er Brahma enthauptet hat.

Mahäkäla bedeutet soviel wie »Große Zeit«. Siva hebt in diesem Erscheinungsbild die Zeit auf und führt damit alles zurück in die Ewig­ keit, aus der jegliche Daseinsform entstanden ist. Mahäkäla wird relativ selten dargestellt, ist aber leicht an seinen fünf Gesichtern und an dem Löwen, auf dem er steht, zu er­ kennen. 93

Das hinduistische Pantheon

2.4.3 Siva als Mahayogin (Daksinä-Mürti) Im Erscheinungsbild des Dak§inä-Mürti wird Siva als weiser Asket, der allen weltli­ chen Dingen den Rücken zugewandt und die höchste aller Bewußtseinsstufen erreicht hat, verehrt. Er ist der größte aller Yogins (Mahäyogin), der in südliche Richtung (Dak$inä) blickend den Göttern und Heiligen die Es­ senz der heiligen Schriften offenbart. Der Süden (Dak$inä) ist gleichbedeutend mit rechts, die Seite, die als glückverheißend gilt. Dak$inä-Mürtis sind freundliche Darstellun­ gen Sivas. Sie zeigen den Gott als Ideal des altruistischen Asketentums, das in seiner höchsten Entfaltung mit der Weltseele (Brahman) eins wird. Siva als Dak$inä-Mürti ist aber nicht nur der größte aller Lehrer, sondern auch der Meister der Musik, der Instrumente und des Ge­ sangs. Da es sich bei den Dak$inä-Mürti-Skulpturen um die Darstellung des Asketen handelt, trägt die Gottheit wenig Schmuck, ist aber an den üblichen Emblemen leicht zu erkennen.

Vinädhara-Daksinä-Mürti. Siva als Meister der Musik mit einer Zither (Viijä) und seinem Stier Nandi.

2.4.3.1 Siva als Lehrverkünder (Vyäkhyäna-Mürti) Der Lehrer oder Erklärer der Lehrtexte (Vyäkhyäna) wird unter einem Baum sitzend und von seinen Schülern (R$is) umgeben ge­ dacht. Siva ist in diesem Erscheinungsbild »Herr des Wissens« (Jnäna-Dak$inä-Mürti). Die Skulptur zeigt Siva vierarmig und dreiäu­ gig auf einem Lotussockel sitzend. Häufig ist hinter ihm der den Dak$inä-Mürti-Darstellungen zugeordnete Banyan-Baum (s. Kap. 3.4.1.1) zu erkennen. Siva sitzt in der Viräsana-Pose, mit dem rechten Bein zur Erde gestreckt und das linke Bein über das rechte

94

Vyäkhyäna-Dakjina-Mürti. Siva als Lehrverkünder und Kommentator der heiligen Texte.

$iva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

geschlagen. In einer Variante dieses Erschei­ nungsbildes, Jnäna-Dak$inä-Mürti genannt, sitzt Siva in der Yoga-Positur, in der ein Band (Yogapatta) das linke Bein stützt und der linke untere Arm auf dem erhobenen Knie aufliegt. Jhäna-Dak$inä-Mürti trägt so­ wohl eine Haarkrone als auch die vom Kopf kreisförmig abstehenden Haarflechten. Die Attribute der Vyäkhyäna-Skulpturen sind Gebetskette und Feuer, manchmal auch die Schlange oder Schlinge. Die unteren bei­ den Hände zeigen die Gesten der Lehrver­ kündung und der Wunschgewährung. In Sivas Haarkrone sind häufig die charakteristi­ schen Embleme Mondsichel und Schlange zu erkennen.

2.43.2 Siva als Meister der Musik (Vinädhara-Mürti) Siva trägt in dieser Gestalt die indische Laute (Vinä). Er gilt als Lehrer und Meister der Musik und wird sitzend oder stehend darge­ stellt. In stehender Pose tritt er oft mit einem Fuß auf den Dämonenzwerg Apasmära, der die Ignoranz verkörpert. In der Gestalt des Vinädhara wird Siva in Begleitung seines Tragtiers, des weißen Stiers Nandi, gedacht. Die vierarmige Skulptur zeigt den Gott mit zwei Händen das Instrument haltend, wäh­ rend die anderen beiden Hände die Attribute Axt und Antilope umschließen.

2.433 Siva als Herr des Yoga (Yoga-Daksinä-Mürti) Siva sitzt in der Gestalt des Lehrers und Meisters des Yoga mit gekreuzten Beinen oder mit locker übergeschlagenen Beinen auf einem Lotusthron. In der Pose des Yogasit­ zes hält ein Band (Yogapatta) sein leicht er­

hobenes rechtes Knie in Position. Die rechte Hand ist zur Geste der Verkündung der Leh­ re erhoben. Die anderen Hände der vierarmi­ gen Skulptur tragen die für einen Asketen charakteristischen Attribute Schädelschale, Gebetskette und Feuer. Die beiden unteren Hände können auch zur Geste der Versen­ kung im Schoß aufeinanderliegen, wobei die Skulptur dann auf das Attribut Feuer ver­ zichtet. Siva sitzt in diesem Erscheinungsbild in tiefer Meditation, seine Gedanken sind nach innen gerichtet, und die Augen fixieren die Nasenspitze. Er trägt keinerlei Schmuck, bis auf die für Siva typischen Schlangen. Sei­ ne Haarflechten sind zum Büßerschopf zu­ sammengebunden.

2.4.4 Der König des Tanzes Tanz wird als eine Art der Magie angesehen. Während des Tanzes verändert sich die Per­ sönlichkeit des Tänzers, in dem übermensch­ liche Kräfte freiwerden. Bei Siva als kosmi­ scher Tänzer ist der Tanz ein schöpferischer Akt. Das Universum ist der Tanzboden, das sich durch den gleichmäßigen Tanzrhythmus zu bewegen beginnt und sich in all seinen Formen, nützlichen wie auch schädlichen, manifestiert. Im Tanz sind die fünf kosmi­ schen Akte symbolisiert: Schöpfung, Erhal­ tung, Vernichtung, Verhüllung und Erlö­ sung. Der Hindu sieht in Siva die unpersönliche, sich ewig verändernde Lebenskraft, die durch die Person des Tänzers versinnbild­ licht wird. Gleichzeitig erkennt man das Ab­ solute, mit dem alles verschmilzt, ausge­ drückt durch die asketische Gestalt des Tän­ zers. Die Antagonismen der kosmischen Energie, Schöpfung und Vernichtung, treten in der Darstellung des Tänzers durch die Körperhaltung, die Attribute und die Gesten deutlich hervor.

95

Das hinduisüsche Pantheon

2.4.4.1 Nataräja Legenden berichten, daß ketzerische —>R$is im Täraka-Wald (Himälaya) Siva durch Ge­ sänge zu vernichten suchten, Siva aber ein­ fach zu tanzen anhob, und damit die Gefahr, die den Gesängen innewohnte, nicht nur neutralisierte, sondern in kreative Kräfte um­ wandelte. Darauf schufen die R$is den bösar­

96

tigen Zwerg Apasmära, die Verkörperung der Ignoranz, die als gedächtnislos verstan­ den wird, und hetzten ihn auf den tanzenden Siva. Apasmära geriet dabei unter einen Fuß des Gottes, was ihm sein Rückgrat brach. Nataräja (»König des Tanzes«) wird ikonographisch meist vierarmig wiedergegeben. Seine charakteristischen Attribute sind die Trommel und das Feuer. Die Trommel, das

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Symbol für den Ursprung des Wortes oder für das Wort selbst, der Urstoff allen Lebens, steht für Schöpfung, während das Feuer die Vernichtung symbolisiert, denn am Ende eines jeden Zeitalters wird Feuer die Welt verschlingen. Der linke untere Arm ist in der Elefantengeste vor dem Körper geschwungen und die rechte untere Hand ist zur Geste der Schutzverheißung erhoben. Mit einem Bein steht Nafaräja auf dem Zwergdämon Apasmära, befreit damit die Menschheit von der Unwissenheit und weist den Weg zur Befreiung von allen Fesseln des Daseins, während das andere Bein erhoben ist, was Rettung symbolisieren soll. Die Dy­ namik des Tänzers wird durch die geflochte­ nen, im Tanz wirbelnden Haare und das flatternde Tuch an seinen Hüften unterstri­ chen. In den Haaren ist die Mondsichel und die Kobra zu erkennen. Aus dem Lotussockel entspringt ein Feuer­ bogen, der die Skulptur kreisförmig um­ rahmt. Dieser Nimbus steht für die heilige Silbe AUM, die Grundsilbe für Schöpfung. Der Buchstabe A bezeichnet den Zustand des erwachenden Bewußtseins, U steht für das schlummernde Bewußtsein und M für den traumlosen Schlaf, die natürliche Vorausset­ zung für das undifferenzierte Bewußtsein. (Zur Symbolik des Nimbus s. Kap. 8.3.)

zählen. Die wiedergegebenen Handgesten sind entweder die beidhändige Geste der Verehrung oder die Geste der Schutzverheißung; mit der rechten oberen Hand und mit dem linken oberen Arm zeigt er die PatäkaMudrä (»fliegende Geste«), bei der der Arm waagrecht von der Schulter ausgestreckt ist wie die Schwingen eines Vogels.

2.4.4.3 Weitere Tanzposen Die anderen Tanzposen, in denen Siva darge­ stellt wird, unterscheiden sich von den vor­ her erwähnten lediglich durch Ausdruck und Körperhaltung. Der tanzende Siva (SivaTändava) wird dabei vor allem als zehnarmi­ ger Gott gesehen, der im ekstatischen, nächt­ lichen Tanz von der Göttin (DevI) und von trunkenen Geisterscharen begleitet auf den Verbrennungsplätzen tanzt. Die Pose, in der er nur leicht einen Fuß anhebt, soll darstel­ len, daß er den Boden zum Bersten bringt (Talasamsphotitam).

2.4.4.2 Lalätatilakam In dieser Tanzpose steht Siva wie in der Gestalt des Nafaräja mit seinem linken Fuß auf dem Zwergdämon Apasmära, während sein rechtes Bein hoch in die Luft gestreckt ist. Siva hat in dieser Gestalt acht oder manchmal sechzehn Arme, deren Hände, bis auf die beiden oberen, unterschiedliche At­ tribute halten, zu denen vor allem Trommel, Dreizack, Schädelschale, Schlange und Stab

Siva als Tänzer, der den Boden bersten läßt (Talasamsphotitam).

97

Das hinduistische Pantheon

2.4.5 Siva als größter der Götter In der Ikonographie und in den Texten gibt es eine Vielzahl von Beispielen dafür, daß Siva in der Dreiheit der Götter (Brahma, Siva, Vi$nu) eine zentrale Position einnimmt und als der Größte der Götter angesehen wird. Zugrunde liegt die Legende, nach der Siva zwischen Brahma und Vi$nu als unendli­ che, flammende Lichtsäule erschien, um sei­ ne Allmacht unter Beweis zu stellen (s. Kap. 2.4.8). Für die Anhänger der sivaitischen Glaubens­ richtung gilt die Darstellung der drei Götter, die mit ihren jeweiligen Attributen abgebil­ det sind, als Manifestation der drei Aspekte von Siva: Kindheit, Jugend und Alter. Man sieht in ihr aber auch den Dreitakt der Zeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder Morgen, Mittag und Abend.

2.4.5.1 Der ewige $iva (Sadäsiva) Siva manifestierte sich literarisch als Sadäsiva in fünf verschiedenen Erscheinungsweisen, die als die fünf Weltprinzipien der SärpkhyaDoktrin angesehen werden. Dementspre­ chend zeigt sich Siva als »der Neugeborene« (Sadyojäta), »der Geneigte« (Vämadeva), »der Herr der Mitte« (Isäna), als »das höch­ ste Wesen« (Tatpuru$a) und als »der Nicht­ schreckliche« (Aghora). Volkstümlich wird Siva in diesem Erscheinungsbild als fünfköp­ fig verstanden und unter dem Namen Pahcamukha-Paramesvara verehrt. In Siva sind ferner die fünf Grundprinzipien (Sadäsivatattvas) oder die fünf kosmischen Akte der Schöpfung, Erhaltung, Vernich­ tung, Verhüllung und Erlösung enthalten, die durch die fünf Gesichter der SadäsivaGestalt versinnbildlicht werden. Die Zahl Fünf beim Erscheinungsbild des

98

ewigen, unerfaßbaren Siva steht auch für die fünf Erkenntnisorgane (Jnänendriya), die fünf Tatorgane (Karmendriya) und die fünf Elemente (Tanmatra). Durch diese Darstel­ lung wird die Gesamtheit des Kosmos mit all seinen Manifestationen symbolisiert. Die meist zehnarmige und seltener achtzehn­ armige Skulptur des Sadäsiva besitzt fünf gleich aussehende Gesichter, die als fünf Köpfe verstanden (im Gegensatz zu der drei­ köpfigen Darstellung des —»Trimürti) ein und dieselbe Krone auf den aufgetürmten Haarflechten tragen und somit eindeutig die fünf Gesichter Sivas darstellen. Die Attribute der Gottheit sind Speer, Schlinge, Schwert, Schild, Mörserkeule, Axt, Glocke und Schädelschale. Die beiden noch verbleibenden Hände zeigen die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung. Eine relativ seltene Skulptur im SadäsivaKult zeigt die Gottheit mit 25 Köpfen und 50 Armen. Sie soll die 25 Texte (Ägamas) der Sivaiten bildlich umsetzen. Die Köpfe sind pyramidenförmig in Gruppen von einem, drei, fünf, sieben und neun Köpfen angeord­ net. Zu den Attributen in den 50 Händen zählen vor allem Waffen. §iva trägt in dieser Darstellung ein Tigerfell und ist mit einer Kette aus Menschenschädeln geschmückt.

2.4.6 Der androgyne Siva (Ardhanärisvara ) In den Mythen wird berichtet, daß es eine Zeit gab, in der die erzeugten (emanierten) Geschöpfe sich nicht vermehrten und die Welt drohte, wieder in ihren Urzustand zu­ rückzufallen. Da zweiteilte sich der Gott, der mit Siva identifiziert wird, nahm mit der rechten Körperhälfte die Gestalt eines Man­ nes und mit der linken die einer Frau an. Mit diesem androgynen Körper zeugte Siva dann die mannigfaltigen Geschöpfe.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Das Prinzip der geschlechtlichen Zeugung wird auch durch ein anderes Symbol, das Lihga und die Yoni, versinnbildlicht und im Lihgakult verehrt. In einer anderen Version über die Entstehung des androgynen Siva wird berichtet, daß Siva die heiligen Weisen des Himälaya (—>R$is) in der richtigen Verehrung der Götter unter­ wiesen hat. Ein R$i namens Bhrjngin war einer der glühendsten Verehrer des Gottes. Als Siva mit seiner Gemahlin Pärvati auf dem himmlischen Berg Kailäsa weilte, wandelte Bhfihgin in seiner Verehrung nur um Siva

Ardhanärisvara, der androgyne Siva: rechts männlich und links weiblich.

herum und ließ Pärvati völlig außer acht. Voller Zorn verwünschte die gekränkte Pär­ vati den R$i und ließ ihn durch einen Fluch bis auf das Skelett abmagern, so daß seine Beine ihn nicht mehr zu tragen vermochten, und er in seiner Verehrung innehalten mußte. Siva jedoch hatte Mitleid mit Bhrihgin und gab ihm ein drittes Bein, damit er seinen Verehrungsgang fortsetzen konnte. Gleich­ zeitig aber vereinigte sich Siva mit seiner Gemahlin Pärvati zu einer Gestalt, um künf­ tig sicherzustellen, daß auch ihr die gleiche Verehrung wie ihm zuteil werde. Grundsätzlich ist Siva nicht denkbar ohne sein weibliches Gegenüber, die Sakti. Siva kann erst aktiv werden, wenn die Energie der Sakti auf ihn einwirkt. Ohne Sakti ist Siva wie ein lebloser Körper. Um das Universum, die Erde und all ihre Geschöpfe zu erhalten, hat sich Siva als das Absolute, das Neutrum, in zwei komplementäre Hälften aufgeteilt. Aus der Vereinigung von Gott und Göttin entstehen alle Lebewesen. In dieser Offenbarung des Absoluten nimmt das Männliche dabei das passive Element des Raumes und das Weibliche das aktive Ele­ ment der Zeit ein. Nur scheinbar sich gegen­ überstehend, sind diese beiden Elemente in Wahrheit eins. Die Ikonographie versucht, diesem Denken durch die halb-Mann-, halbFrau-Darstellung (Ardhanärisvara) gerecht zu werden. Die rechte Seite der Skulptur ist männlich, die linke weiblich, womit sie der symbolischen Seitenzuordnung der Ge­ schlechter entspricht. Die beiden Seiten der Ardhanärisvara-Skulptur weisen in allen De­ tails die entsprechenden geschlechtlichen Merkmale auf und doch fließen beide harmo­ nisch ineinander über. Die vierarmigen Dar­ stellungen halten jeweils charakteristische männliche und weibliche Attribute in den Händen. Rechts sind häufig Dreizack und Rad zu sehen, links Spiegel und Lotus.

99

Das binduistische Pantheon

2.4.7 Szenische Darstellungen von Siva Die den Gott kennzeichnenden Mythen und Legenden, ebenso seine verschiedenen Aspekte, werden in der Kunst als sogenannte Mürtis (Gestalt, Erscheinungsbild) wiederge­ geben. Vor allem die vielen Reliefdarstellun­ gen an Tempelwänden geben genau, wie in einer Bildersprache, das wieder, was volks­ tümlich die Größe des Gottes ausmacht. Da­ zu gehören Ereignisse, bei denen er seine Macht und Stärke unter Beweis gestellt, wie er Dämonen bekämpft und besiegt, wie er sich seinen Feinden gegenüber als gnädig er­ wiesen hat; es werden Szenen aus seinem Leben als Jugendlicher, als Vater und Erzie­ her seines Sohnes, als Asket, Bettler, Jäger usw. erzählt. Bei der Betrachtung dieser zu Stein gewordenen Schlüsselerfahrungen be­ gegnet Siva dem Gläubigen als gnädig, mild­ tätig, wunschgewährend und - seinem ewig widerstreitenden Naturell entsprechend - als zorniger, vernichtender und furchtbarer Gott.

zertrampelte. Der Sohn ergriff darauf ein Schwert und schlug seinem Vater das Bein ab, mit dem er die Schandtat begangen hatte. In diesem Augenblick erschien Siva mit Pärvati an seiner Seite, segnete den jungen Brahmanen, ernannte ihn zum Herrn über seine Dienerschaft und gab ihm den Namen Can­ desa. Diese Geschichte, die bildlich durch die Darstellung des Candesanugraha-Mürti wie­ dergegeben wird, steht exemplarisch für den wohlwollenden Siva, der auch den Beinamen Candesvara, »Herr von Candesa«, trägt. Candesa wird immer als Mensch dargestellt, er ist zweiarmig und hat die Hände zur Geste der Anbetung vor der Brust zusammenge­ legt. Neben der Skulptur in stehender, leicht geschwungener Körperhaltung existieren auch sitzende Abbildungen, die Candesa in der Sitzpositur der Entspannung zeigen. Sei­ ne Kleidung, sein Schmuck sind mit der Aus­ stattung Sivas nahezu identisch. Die Darstel-

2.4.7.1 Der wohlwollende Siva (Candesanugraha-Mürti) Ein junger Brahmane namens Vicärasarman nahm von einem Kuhhirten den Auftrag an, während einer längeren Abwesenheit dessen Kühe zu hüten. Unter der hingebungsvollen Aufsicht des Jünglings begannen die Kühe, mehr Milch zu geben. So oft er die Kühe auch molk, er konnte es nicht verhindern, daß ihre Euter tropften. Der Junge fing die Milchtropfen auf und opferte sie einem Lihga, den er aus Sand modelliert hatte. Sein Vater war über die Verschwendung der Milch so sehr erzürnt, daß er eines Tages wutentbrannt gegen das Lihga trat und es 100

Cantjesa, der glühende Verehrer Sivas und der Prototyp für Heiligendarstellungen im Hinduismus.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

lung Candesas kann als Prototyp für Heili­ gendarstellungen im Hinduismus angesehen werden.

2.4.7.2 Siva als Züchtiger des Dämonenkönigs Rävana (Rävanänugraha-Mürti) Auf dem Weg von Indien in sein Heimatland Lanka wollte der mächtige Dämonenkönig Rävana, der dem heiligen Epos Rämäyana zufolge Sitä, die Gemahlin des Räma, ent­ führt hatte, mit seinem himmlischen Tragtier über den Himälaya fliegen, wobei er die Ru­ he des auf dem Berg Kailäsa thronenden Siva gestört hätte. Erzürnt darüber, daß der An­ führer der Scharen Sivas ihm die Reise ver­ wehrt hatte, begab sich Rävana, seiner unge­ heuren Stärke bewußt, unter den Berg und begann ihn anzuheben, erschütterte ihn wie

bei einem Erdbeben und war im Begriff, ihn vollends fortzuschleudern. Siva, der gemein­ sam mit seiner Gemahlin PärvatI auf Kailäsa thronte, setzte jedoch, ohne sich zu regen, seinen Fuß etwas fester auf und klemmte Rävana unter dem Berg ein. Dort hielt er ihn tausend Jahre gefangen. Nachdem die Zeit der Buße abgelaufen, befreite er Rävana wie­ der, ließ sich von ihm verehren und schenkte ihm großzügig ein unbesiegbares Schwert, mit dem der Dämonenkönig, überzeugt von der Allmacht Sivas, nach Lanka zurück­ kehrte. Reliefs zeigen Siva und PärvatI umgeben von Dienern auf ihrem Felsenthron sitzend. Un­ terhalb des Berges kniet der zehnköpfige, zwanzigarmige Rävana, der in blindem Zorn versucht, den Berg fortzuschleudern. An der Vorderseite des Berges ist oft der zum Kreis der Sivagestalten gehörende Dämon und Hü­ ter der Schätze der Erde, -» Kubera, mit sei­ nen Scharen abgebildet.

Rävaijänugraha-Mürti. Der Dämonenfürst Rävaija versucht den Berg Kailäsa, auf dem Siva mit PärvatI sitzt fortzuschleudern.

Das hinduistische Pantheon

2.4.73 Siva beschenkt Visnu (Visnugraha-Mürti) Zu den gunstgewährenden Erscheinungen Sivas zählt die Darstellung, wie Siva dem Vi§nu die Wurfscheibe (Cakra, Diskus) verleiht. Vi$nu befand sich im Kampf mit den Dämo­ nengöttern (—> Asuras). Da seine Waffen ihm nicht zum Sieg verhelfen konnten, bat er Siva, ihm seine unbesiegbare Wurfscheibe (Cakra) zu geben. Um seinem Begehren Nachdruck zu verleihen, wollte er ihn täglich mit tausend Lotusblüten verehren. Eines Ta­ ges fehlte Vi$nu eine einzige Blüte für das Opfer, worauf er sich ein Auge herausriß und es statt der fehlenden Blüte (Kamalänayana = »Lotusauge«) Siva zu Füßen leg­ te. Siva war von dem Opfer so sehr beein­ druckt, daß er Vi$nu seinen Diskus schenkte. In der Skulptur wird Siva dreiäugig und vier­ armig mit Pärvati an seiner Seite sitzend dar­ gestellt. Zwei Händen sind die für Siva cha­ rakteristischen Attribute Axt und Antilope beigegeben, mit einer weiteren zeigt er die Geste der Wunschgewährung, und die vierte Hand reicht Vi$nu, dessen Hände ausge­ streckt sind, den Diskus.

2.4.7.4 Siva als überlegener Jäger (Kirätärjuna-Mürti) Ein Pändava-Prinz namens Arjuna (Inkarna­ tion der vedischen Gottheit Indra) befand sich im Himälaya, übte strenge Askese und opferte Siva, um seine Gunst zu erflehen und einen Teil seiner göttlichen Macht zu erhal­ ten. Siva verwandelte sich in einen Jäger (Kiräta = Angehöriger eines Jägerstammes) und begegnete Arjuna in dem Moment, als ein Dämon in Gestalt eines Ebers den Prinzen angreifen wollte. Nun traten beide, Siva und Arjuna, dem Eber entgegen. Als dieser tot

102

am Boden lag, entfachte sich zwischen dem siegessicheren Arjuna und Siva in Jägersge­ stalt ein heftiger Streit darüber, wer den Eber erlegt hätte. Im Verlauf des Streits gab sich Siva zu erkennen, worauf Arjuna sich dem Gott zu Füßen warf und ihn verehrte. Siva beschenkte den tapferen Arjuna darauf mit einer seiner tödlichsten Waffen, dem Päsupatästra (Dreizack oder Speer). Ikonographisch wird die Szene so wiederge­ geben, daß Siva in aufrechter Pose vor Arju­ na steht und ihm die Wunderwaffe über­ reicht. In den anderen Händen hält Siva die Attribute Axt und Bogen. Neben ihm ist seine Gemahlin PärvatI abgebildet, was für alle Darstellungen der gunstgewährenden Er­ scheinungsbilder charakteristisch ist. Arjuna steht links von Siva und wird zweiarmig mit der Geste der Anbetung dargestellt.

2.4.73 Siva heiratet Pärvati (Kalyänasundara-Mürti) Nachdem die Göttin als Tochter des Himavat, der Personifikation des Himälaya, wie­ dergeboren war, übte sie erfolgreich strenge Askese, um Siva für sich als Gemahl zu ge­ winnen. Die Hochzeitsszene gehört zu den verehrungswürdigen Gruppendarstellungen in der Reihe der mannigfaltigen Siva-Skulpturen. Der vierarmige Siva hält in den oberen Händen die Attribute Axt und Antilope, eine weitere Hand zeigt die Geste der Lotusblüte, mit der vierten Hand hält er Pärvati, die ihm zur Seite steht. Pärvati ist zweiarmig und wird von Vi$nu und seiner Gemahlin Lak$ml, die die Stelle der Brauteltern einnehmen, begleitet. Vi$nu ist leicht an den für ihn charakteristi­ schen Attributen, dem Rad und der Muschel, zu erkennen. Zusätzlich kann er einen für die Hochzeitszeremonie notwendigen Wasser-

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Kalyäijasundara-Mürti. Siva heiratet Parvati. Der >Trauzeuge< ist Vijnu.

topf in seinen Händen halten. Im Vorder­ grund wird oft auch Brahma gezeigt. Er ver­ richtet als Priester, der die Ehe vollzieht, das Opfer. Über der Gruppe können in zwei Reihen angeordnet die Wächtergottheiten (—> Lokapälas) zusammen mit ihren Tragtie­ ren dargestellt sein.

2.4.7.6 $iva empfängt Gahgä mit seinen Haaren (Gangädhara-Mürti) Als der Erde und all ihren Lebewesen nach einer großen Dürre die Vernichtung drohte, baten die Weisen des Himälaya (R§is) den himmlischen Fluß Gahgä (Ganges), der durch eine schöne Flußgöttin verkörpert wird, auf die Erde niederzukommen und sie zu retten. Nun drohten aber die ungestümen Wassermassen ihrerseits, das ausgedörrte Erdreich hinwegzuspülen, und um das zu

103

Das hinduistische Pantheon

verhindern, fing Siva, der auf dem heiligen Berg Kailäsa saß, die Kaskaden mit seinem Haar auf und ließ das Wasser gebändigt zur Erde niederlaufen. Siva wird in dieser Darstellung dreiäugig und vierarmig in stehender Haltung, das linke Bein leicht angewinkelt, gezeigt. PärvatI steht links von ihm und schaut nach oben, womit angedeutet wird, daß sie auf die Fluß­ göttin Gahgä, die in Sivas Haar strömt, eifer­ süchtig ist. Mit einer Hand hält Siva seine Gemahlin im Arm, mit einer weiteren faßt er

ihr sanft unter das Kinn, ein Arm ist nach oben an seinen Kopf ausgestreckt. Er hält eine seiner Haarflechten in der Hand, in der eine kleine Skulptur der Göttin Gangä darge­ stellt ist. Die Gruppe wird häufig von einer Schar R$is begleitet, die das Wunder Sivas ehrfürchtig betrachten. Die Gangädhara-Mürti-Skulpturen zeigen Siva häufig mit erigiertem Glied, womit an­ gedeutet werden soll, daß der Gott von der schönen Flußgöttin besonders angetan und die Eifersucht Pärvatis berechtigt war.

2.4.7.7 Siva als Vernichter der drei Städte (Tripuräntaka-Mürti)

Gangädhara-Mürti. Siva empfängt die Flußgöttin Gangä mit seinem Haar.

104

Das Mahäbhärata erzählt die Legende von Siva als dem Zerstörer der drei prachtvollen Städte (Reiche) der Dämonengötter (—»Asuras). Die Städte waren von den Söhnen des mächtigen Dämons —> Andhakäsura erbaut worden. Sie hatten sich in strengster Askese geübt und sich dadurch die Gunst des Schöp­ fergottes Brahma erwirkt. Er war gewisser­ maßen genötigt, ihnen jeden nur erdenkli­ chen Wunsch zu erfüllen. So baten sie um drei Städte, eine aus Gold im Himmel, eine aus Silber in der Luft und eine aus Eisen auf der Erde. Die drei Städte sollten wie unbe­ siegbare Festungen sein und sich nach einem Zeitraum von tausend Jahren zu einem Reich, das die drei Welten umfaßte, zusam­ menfügen. Dieses dann entstandene mächtige Reich sollte nur durch einen einzigen Pfeil zerstört werden können. Nun waren die Dämonen den Göttern gleich und trachteten danach, sie aus den himmli­ schen Regionen zu vertreiben, um zukünftig selbst die Geschicke der Welt in die Hand zu nehmen. Brahmä, außerstande, etwas gegen die übermächtig gewordenen Dämonen zu unternehmen, trat an die anderen Götter her-

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

2.4.7.8 Siva tötet den Elefanten­ dämon (Gajäsura-Mürti)

Tripurantaka-Mürti. Siva zerstört die drei Städte der Asuras mit einem einzigen Pfeil.

an, damit sie alle gemeinsam den Kampf aufnähmen. Doch die Macht der Götter reichte nicht aus, die Herrschaft der Dämonen zu brechen. Erst als Siva sich bereit erklärt hatte, den Pfeilschuß zu wagen, einfordernd, daß ein jeder Gott einen Teil seiner Macht auf ihn übertragen solle, damit er zum größten und mächtigsten aller Götter (Mahädeva) werde, schöpften die Götter wieder Mut. Vi$nu wurde zum Bogen Sivas, Sävitri bildete die Bogenschnur, Agni wurde zum Stachelstock, Yama, der Todesgott, war die Feder seines Pfeils und Brahma, der für alles verantwort­ lich gemachte, diente Siva als Fahrer seines Streitwagens. So ausgerüstet gelang es Siva, das Reich der Dämonen mit einem einzigen Pfeil zu vernichten. In der ikonographischen Umsetzung ist Siva an der Pose des Bogenschützen zu erkennen. Er ist meist vierarmig und mit Attributen wie Pfeil und Bogen, Axt, Schwert, Schild und Antilope ausgerüstet. Ein Bein kann leicht angehoben sein und auf dem Kopf eines Dä­ mons stehen.

Die Legende von Siva als Vernichter des Ele­ fantendämons Gajäsura belegt volkstümlich, wie der Gott an seine Kleidung aus Elefan­ tenhaut gekommen ist. Einst saßen Brahmanen um das Lihga Sivas und verehrten ihn. Ein Dämon in Gestalt eines Elefanten erschien und begann, die Brahmanen bei ihrem Ritual zu stören. Dar­ auf trat Siva aus dem Lihga hervor, tötete den Dämon, enthäutete ihn und legte sich zum Zeichen des Sieges seine Haut als Kleidung um. Siva wird in der Erscheinung des GajäsuraMürti auf dem Kopf des Elefanten tanzend abgebildet. Hinter der Gottheit wird oft statt

Gajäsura-Mürti, Siva als Vernichter des Elefanten­ dämons. Er tanzt auf dem Kopf des Elefanten, und die Haut des Dämons bildet seinen Nimbus.

105

Das hinduistiscbe Pantheon

eines Nimbus (bzw. der Aura) die Haut des Elefanten dargestellt. Die Hauptattribute des vier- oder sechsarmigen Siva sind Trommel und Feuer, womit die Darstellung der des Nafaräja ausgesprochen ähnlich wird.

2.4.7.9 Siva tadelt den Gott des Todes (Käläri-Mürti) Einer der heiligen Weisen (R$is), der kinder­ los geblieben war, bat Siva, seiner Gemahlin und ihm einen Sohn zu schenken. Das Op­ fer, mit dem der R$i seiner Bitte Nachdruck verlieh, fand bei Siva Gefallen, und so erklär­ te er sich bereit, dem Wunsch des heiligen Mannes zu entsprechen. Er ließ ihn jedoch wählen, ob er mehrere unbegabte Söhne oder lieber einen begabten Sohn, der im Alter von 16 Jahren allerdings sterben würde, vorziehe. Der R$i entschied sich für den einen Sohn, dem er nach der Geburt den Namen Märkan­ deya gab. Als Märkandeya 16 Jahre alt war und gerade das heilige Ritual an einem Lihga

dem Lihga hervor und stößt Yama, den Gott des Todes, mit seinem Fuß zurück.

106

vollzog, erschien ihm der Gott des Todes (—» Kälä oder —> Yama), um den ihm verspro­ chenen Jüngling zu sich zu holen. Erzürnt über die Störung des Opfers trat aus dem Lihga Siva hervor, tadelte Yama und jagte ihn davon. Märkandeya aber wurde von Siva mit ewiger Jugend gesegnet, wodurch er Un­ sterblichkeit erlangte. Die Ikonographie zeigt Siva mit einem hoch erhobenen Bein aus dem Lihga kommend. Mit dem weit vorgestreckten Fuß tritt er Yama vor die Brust und zielt auf ihn mit einem Dreizack, den er in einer seiner Hände hält. Märkapdeya kniet am Fuße des Lihga und verehrt Siva mit der Geste der Anbe­ tung.

2.4.7.10 Siva als Bändiger des Gottes der Liebe (Kämäntaka-Mürti) Die Götter wünschten, daß Siva, als dieser sich nach dem Tode seiner Gemahlin —»SatI in strengster Askese übte, sich wieder ver­ mählte, damit ein Sohn des mächtigen Gottes den Kampf mit den Dämonen aufnehmen könne. Zu dieser Zeit bemühte sich Pärvati, die als Tochter der Personifikation des Himälaya nach Satis Tod wiedergeboren war, vergebens darum, Siva für sich als Gemahl zu gewinnen. Da die Götter Siva aber nicht in seiner Askese stören wollten und seinen Zorn, der schreckliche Wesen hervorzubrin­ gen vermochte, fürchteten, baten sie Käma, den Gott der Liebe, Siva für Pärvati emp­ fänglich zu machen. Käma schoß darauf einen seiner Blumenpfeile auf Siva ab, der aber erkannte das Ansinnen Kämas und ver­ brannte ihn, indem er die vernichtende Kraft seines Stirnauges (s. Kap. 8.1) auf ihn richte­ te. Der Pfeil aber hatte Siva schon getroffen, er verliebte sich zwangsläufig in Pärvati, die ihm einen Sohn, den späteren Gott des Krie­

§iva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

ges, —»Skanda, schenkte. Kämas Gemahlin Rati bat Siva darauf, ihren Gemahl wieder zum Leben zu erwecken, und Siva versprach, daß Kama in Gestalt des Pradyumna als Sohn von Kr$iia und seiner Gemahlin Rukminl wiedergeboren werde. Die bildliche Darstellung der Szene, wie Siva den Gott der Liebe vernichtet, ähnelt sehr den Skulpturen des Gottes als Yogi (—»Dak$inä-Mürti). Siva ist dreiäugig und vierarmig und sitzt in der Sitzpose des Yogi. Als Attri­ bute trägt Siva-Kämäntaka die Gebetskette und die Kobra, während die beiden anderen Hände die Gesten der Versenkung (Medita­ tion) vollführen, bei der aber nur eine Hand im Schoß liegt und die andere die Geste der Weisung zeigt. Käma wird vor den Füßen des Gottes liegend dargestellt, und seine Ge­ mahlin Rati steht neben ihm.

2.4.7.11 Siva enthauptet Brahma (Brahmäsiras-Cchedaka-Mürti) Brahma hat in bildlicher Darstellung vier Köpfe. Der ursprünglich fünfte Kopf soll von Siva abgeschlagen worden sein. Volks­ tümlich wird dieser Akt durch zwei Legen­ den belegt. Brahma soll einmal den heiligen Weisen (R$is) gesagt haben, daß er die Welt erschaf­ fen habe. Da erschien Siva unter ihnen, führ­ te die Schöpfung auf sein eigenes Tun zurück und belegte die Aussage mit den heiligen Schriften. Brahma jedoch bestand weiterhin darauf, daß er der Schöpfergott sei, was Siva letztlich so sehr erzürnte, daß er das furcht­ bare Wesen —»Bhairava emanierte, das Brah­ ma sogleich enthauptete. Eine andere Version gibt wieder, daß Brahma den Rudra (Siva) beleidigt haben soll, indem er ihn Kapäli (»Träger von Schädeln«) nannte und Rudra darauf, außer sich vor Zorn, Brahmä enthauptete. Der Kopf des Gottes

fiel Rudra in die Hände und blieb dort wie angewachsen haften, so daß jeder sehen konnte, daß Rudra die größte aller Sünden, die Tötung eines Brahmanen, begangen hat­ te. Brahmä, der durch seine göttliche Macht weiterlebte, verlangte von Rudra, zwölf Jah­ re lang mit seiner Schädelschale umherzu­ wandern; nach Ablauf dieser Zeitspanne würde sie sich von seinen Händen lösen. Siva wird als Kapälika (»Schädelträger«) dreiäugig und vierarmig dargestellt. Seine At­ tribute sind Donnerkeil (Vajra), Axt, Drei­ zack und Brahmas Schädel. Im übrigen ähnelt sein Erscheinungsbild dem des Bhairava.

2.4.7.12 Siva als Vernichter des Dämons Andhaka (Andhakäsura-Mürti) Der Dämonenfürst Andhaka (—» Asuras) hat­ te sich in die Gemahlin Sivas verliebt und begehrte PärvatI so sehr zur Frau, daß zwi­ schen ihm und Siva ein Kampf auf Leben und Tod begann. Siva vermochte den mächtigen Dämon nicht zu töten, denn aus jedem Trop­ fen Blut, der aus den Verletzungen Andhakas rann, entstanden neue Dämonen. Siva er­ schuf darauf die furchtbare Göttin -^Cämundä und die sieben Mütter (s. Kap. 2.5.2.3), die das Blut tranken. Als Siva dem Dämon mit seinem Speer den Todesstoß ver­ setzen wollte, fiel Andhaka ihm zu Füßen und flehte um Vergebung. Siva verzieh ihm darauf, machte ihn zum Anführer seiner Scharen (—» Ganas) und gab ihm den Namen Bhfihgin. Siva in der Gestalt des Andhakäsura-Mürti wird achtarmig dargestellt. In einem Relief wird Siva mit Dreizack, den er in Andhaka hineingestoßen hat, Schwert, Trommel und Schale, mit der er das Blut des Dämons auf­

107

Das hinduistische Pantheon

fängt, dargestellt. Eine weitere Hand zeigt die Geste der Drohung. Neben Siva steht die Göttin Kali in ihrem Erscheinungsbild als Cämundä. Sie hält in ihren Händen ebenfalls eine Schale, die zum Auffangen des Blutes gedacht ist. Uber der Szene ist eine Dämo­ nin, ein Wesen aus halb-Mensch, halb-Tier abgebildet, die anscheinend darauf wartet, das Fleisch des Dämons zu verzehren. Pärvati, die Gemahlin Sivas, sitzt auf einem Lotussockel und schaut der grausigen Szene mit Entsetzen zu.

2.4.7.13 Die Vernichtung des Dämons Jalandhara (Jalandharavadha-Mürti) Eine weitere Darstellung zeigt Siva, wie er einen Dämon namens Jalandhara tötet. Siva wird zweiarmig und dreiäugig gezeigt. In den Händen trägt er die Attribute Schirm und Wassergefäß. Das allgemeine Erscheinungs­ bild ist dem des bettelnden Asketen (s. Kap. 2.4.2.3) sehr ähnlich. Ebenso wie dieser trägt Siva in der Gestalt des Jalandharavadha-Mürti hölzerne Sandalen. Der Dämon kniet vor Siva und hat seine Hände zur Geste der Anbetung erhoben.

2.4.8 Das Erscheinungsbild der flammenden Lichtsäule (Lingodbhava- Mürti) Als Siva im Himälaya sein Asketendasein führte, begegneten ihm von Zeit zu Zeit die Gemahlinnen der heiligen Weisen (R?is). Sein Anblick weckte in den Frauen große Begierde, so daß sich Siva ihrer Gegenwart kaum entziehen konnte. Erzürnt darüber, schlugen ihm die R$is durch einen Fluch das Glied ab, das sogleich eine so unermeßliche

108

Größe annahm, daß es die Welt zu spalten drohte. Die bevorstehende Vernichtung durch das Glied konnte erst verhindert wer­ den, nachdem die R$is gelobt hatten, zukünf­ tig Sivas Glied zu verehren. Der Verehrungs­ kult des Gliedes (Lihga) hat bis zum heutigen Tage eine zentrale Bedeutung im sivaitischen Hinduismus. In den Siva geweihten Tempeln wird der Gott vor allem in Form des Lihga verehrt, der seinen festen Platz in einer Art »Allerheiligstem« hat. Im puränischen Mythos von der Manifesta­ tion des Lihga erscheint Siva als der von den Göttern verehrte Weltenherr. Den um den Rang des Schöpfergottes streitenden Brahmä und Vi$nu erschien ein flammendes Lihga (Jyotirlihga) von unendlicher Größe, der als die kosmische Achse zwischen den Welten und als Mittelpunkt des gesamten Univer­ sums verstanden wird. Die Legende gibt wieder, daß Brahmä und Vi$nu den Anfang und das Ende des flam­ menden Lihga ergründen wollten, um so ihre Herrschaft und Größe unter Beweis zu stel­ len. Brahmä nahm die Gestalt einer Gans, die auch sein Tragtier ist, an und flog in die Höhe, während Vi$rju sich in einen Eber verwandelte, um sich in die Erde, in die das Lihga hineinreichte, hinabzugraben. Beiden Göttern gelang es jedoch nicht, Anfang und Ende des Lihga zu bestimmen. Sie mußten aufgeben und Siva als den mächtigsten der Götter anerkennen. In einer anderen Version hat die Legende noch eine Vorgeschichte. Vi$nu lag im kon­ templativen Schlaf auf der Weltenschlange auf dem Wasser des kosmischen Ozeans. Aus seinem Nabel entsprang ein Lotus, aus des­ sen weit geöffneter Blüte Brahmä geboren wurde. Vi$nu erwachte und sah erstaunt Brahmä vor sich. Auf die Frage, wer er sei, gab ihm Brahmä zu verstehen, daß er der Schöpfer sei. Vi$nu jedoch sah sich selbst im

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

Rang des höchsten Gottes, und so entfachte sich zwischen den Göttern ein heftiger Streit, in dessen Verlauf 6iva als flammende Licht­ säule zwischen ihnen erschien und seine Herrschaft unter Beweis stellte. In der ikonographischen Umsetzung wird Siva auf der Vorderseite eines Lihga stehend, jedoch nur von den Knien an, abgebildet. Die Darstellung des Lingodbhava-Mürti ist vierarmig. Zwei Hände zeigen die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung,

was die Skulptur als höchst verehrungswür­ dig auszeichnet. Den beiden anderen Händen sind die Attribute Dreizack oder Antilope und Axt beigegeben. Die Kleidung Sivas wird als aus Elefantenhaut gemacht verstan­ den. Die übrige Ausstattung entspricht dem normalen Erscheinungsbild des Gottes. Die Darstellung kann durch die Abbilder der Götter Brahma und Vi$nu in Miniaturform rechts und links unten von Siva ergänzt sein. Die beiden Götter werden dann zweiarmig mit der Geste der Anbetung gezeigt.

2.4.8.1 Darstellungen aufdem Linga

Oben: Das Sivalifiga mit der Darstellung des Gottes (links) und Ekamukhalinga, ein Lihga mit dem Gesicht Sivas (rechts). Unten: Caturmukhalihga, ein Lihga mit vier Köpfen.

Das Lihga gilt als die fundamentale Gestalt Sivas. Die runden, hexagonalen oder oktagonalen Symbole ohne Darstellungen des Got­ tes werden als anikonischer Siva verehrt. Häufig ist das Lihga jedoch mit Köpfen (Mukhalihga - »Gesichtslihga«) verziert, die Siva und manchmal auch andere Götter dar­ stellen. Das Mukhalihga mit fünf Köpfen (Pahcamukhalinga) weist auf die fünf Aspekte (Schöpfung, Erhaltung, Zerstörung, Verhül­ lung, Erlösung) Sivas hin, die auch in dem Erscheinungsbild des »ewigen Siva« (—» Sadäsiva) verehrt werden. Vier der fünf Köpfe sind um das Lihga herum angeordnet, der fünfte weist nach oben. Acht Miniaturlihgas nebeneinander angeord­ net weisen auf die acht Formen Sivas hin. Eine Besonderheit des Lihga ist in einer Dar­ stellung mit den Abbildern der Götter Ganesa, Vi$nu, PärvatI und Sürya zu sehen. Die dargestellten Köpfe der Gottheiten stehen für die fünf Hauptsekten des Hinduismus (Gänapatyas, Vi$nuiten, Säktas, Süryas und Sivaiten). Siva selbst ist nicht abgebildet, da er durch das Lihga als zentrale Gottheit reprä­ sentiert ist.

109

Das hinduistische Pantheon

2.4.9 Die Emanationen Sivas Der Gedanke von Herabstiegen (Avatäras) oder Inkarnationen, die im Vi$nuismus eine bedeutende Rolle spielen (s. Kap. 2.3.2), hat im Sivaismus keine allgemeine Verbreitung gefunden. In Gebieten bevorzugter Sivaverehrung, zu denen vor allem das südliche In­ dien (Tamil-Nadu), Maharastra und Benga­ len gehören, konnte statt dessen der Glaube an Emanationen des Gottes einen festen Platz in den Volksmythen einnehmen. Die Emana­ tionen, zu denen vor allem Bhairava (»der Schreckliche«) und Virabhadra, (»der Sieg­ reiche«) gehören, traten als zerstörerische Wesen aus dem Zentrum zwischen den Au­ genbrauen des Gottes hervor. Ursache für die Emanationen ist immer der Zorn des Gottes über Ungerechtigkeit. Die emanierten Wesen haben die Aufgabe, begangene Taten zu rächen, ähnlich wie die Inkarnationen Visnus das Dämonische bekämpften und be­ siegten. Der Schöpfergott Brahma wurde durch Sivas Zorn bestraft, weil er sich selbst zum höchsten aller Götter ernannte, und Si­ vas Schwiegervater —> Dak$a wurde am Op­ fern gehindert, weil er Siva nicht zu dem Ritual geladen hatte. Diese beiden Strafaktio­ nen wurden von den bekanntesten der Ema­ nationen, Bhairava und Virabhadra, ausge­ führt.

2.4.9.1 Bhairava,»der Schreckliche« Bhairava-Skulpturen zeigen sich in nahezu unüberschaubaren Variationen. Die Texte beschreiben insgesamt 64 verschiedene For­ men dieses dämonischen Wesens. Gemein­ sam ist allen Darstellungen, daß sie von einem Hund oder Wolf begleitet werden. Da der Hund auch das Rudra-Siva zugeordnete Tier ist, liegt es nahe, Bhairava als Emanation

110

Bhairava, >der Schreckliche«, eine furchterregende Ema­ nation aus Sivas Zorn.

Siva, der Zerstörer, in wechselnder Gestalt

2.4.9.2 Virabhadra, »der Siegreiche« Virabhadra wird dreiäugig und vierarmig dargestellt. Aus seinen Mundwinkeln ragen kleine Hauer, die ihm ein furchterregendes Aussehen verleihen. Am ganzen Körper ist er mit Schädeln und Schlangen geschmückt. Zwei Hände zeigen die Gesten der Schutz­ verheißung und Wunschgewährung. In den beiden anderen Händen hält er die Attribute Dreizack und Keule. Der Sockel der Skulp­ tur ist entweder ein Lotus, die Gottheit Dak$a oder ein Hund. Man verehrt Virabhadra, um sich von Sünden zu befreien oder die Heilung von einer Krankheit zu erbitten.

2.4.93 Sarabhesa-Mürti

Virabhadra, Sivas Emanation bei der Strafaktion gegen seinen Schwiegervater Dak$a.

dieser frühen Vorstellung der Gottheit zuzu­ ordnen. Die gewöhnlichen Darstellungen zeigen Bhairava zwei-, vier-, acht- oder zwölfarmig. Seine Attribute sind Schädel­ schale, Schlinge, Stab mit Schädel, Feuer, Speer, Trommel und Dreizack. Sein Haar steht flammenförmig vom Kopf ab, und das Emblem Sichelmond ist deutlich erkennbar. Bhairava-Statuen werden vor allem von An­ gehörigen der Kaste der Ausgestoßenen ver­ ehrt.

Diese Gestalt, die das furchtbarste aller We­ sen zeigt, halb-Mensch, halb-Raubtier (Sarabha), wurde volkstümlich wohl als Emana­ tion Sivas geschaffen, um die Herrschaft des Gottes über Vi$nu zu bezeugen. Vi$nu hatte in seiner dritten Inkarnation die Gestalt des —»Narasiipha angenommen, um den Dämon Hiranyakasipu zu töten. Nun gibt der Mythos wieder, daß Vi$nu sich nach dieser blutigen Tat von seiner furchtbaren Neigung nicht freimachen konnte und im Blutrausch drohte, auch andere göttliche Wesen zu vernichten. Die Götter baten dar­ auf §iva, dem sonst gütigen Vi$nu entgegen­ zutreten und ihn zur Räson zu bringen. Siva emanierte darauf sogleich ein furchtbares Ungeheuer mit zwei Köpfen, zwei Flügeln, acht Löwenbeinen mit scharfen Krallen und mit einem langen Schwanz. Die Köpfe waren mit Hörnern bewehrt, die Mähne glich Dolchklingen, und der gesamte Körper glüh­ te wie Feuer. In Ekstase griff Siva in der Gestalt des Sarabha den mächtigen Narasiip­ ha an, riß ihn in Stücke und legte sich, zum Zeichen seines Sieges, das Fell des Narasiipha um. 111

Das hinduistische Pantheon

2.4.10 Die Söhne Sivas Der Volksmythos ordnet zwei Götter, den elefantenköpfigen Gott Ganesa (s. Kap. 2.6) und den Kriegsgott Skanda (s. Kap. 2.7), dem Siva als Söhne zu. Beide Gottheiten nehmen im heutigen Hinduismus einen zen-

tralen Platz ein und werden auch als eigen­ ständige Gottheiten, als sogenannte »neue Götter« verehrt. Um die Verehrung Ganesas hat sich sogar eine eigene Sekte, die Gänapatyas, gebildet, obwohl dieser äußerst populä­ re Gott auch von anderen Glaubensgemein­ schaften verehrt wird.

2.5 Die Göttinnen (Devi) Der Sammelbegriff Devi, der ursprünglich die Göttin als Muttergottheit meint, bezieht sich seit der epischen Dichtung auf alle gro­ ßen Göttinnen, die die männlichen Gotthei­ ten begleiten. Sie haben, anders als ihre männlichen Ge­ fährten, keinen stark ausgeprägten Charak­ ter, was wohl auf ihre geringe Bedeutung in der Zeit der Veden zurückzuführen ist. Dort verkörperten sie Naturerscheinungen wie das Schwesternpaar U$as und Rätri (Göt­ tin der Morgenröte und Göttin der Nacht) oder Sinlväll, die Göttin der Fruchtbarkeit. Abgesehen von ihren Geschlechtsmerkmalen sind sie spiegelbildliche Darstellungen ihrer Gatten und haben mit ihnen die Attribute und auch die Tragtiere gemeinsam. Die im wesentlichen aus nicht-arischem Volksglauben stammende Vorstellung von der Wirksamkeit weiblicher Daseinsmächte fand erst relativ spät Eingang in die brahmanische Literatur. Die der vedischen Priester­ religion fremde Verehrung der Naturgöttin erfuhr damit eine Aufwertung - und die Vor­ stellung von der Sakti (»Kraft«) als der weib­ lichen Potenz oder auch als der personifizier­ ten Kraft der Männer konnte sich durch­ setzen. Der Name Devi wurde gleichbedeutend mit —»Mahesvari und Sakti in all ihren Aspekten; auch in den Formen, die die Göttin als höch­ ste Gottheit verehren und die Männer-Trias

112

(—»Trimürti) hintansetzen. So sehen die An­ hänger des Säkta-Kultes in Devi das höchste Prinzip und die Verkörperung aller Energie und Aktivität, ohne die jede männliche Gott­ heit zu einem erstarrten, leblosen Körper degenerierte. Siva ist im hinduistischen Pantheon die einzi­ ge Gottheit, die einen noch naturhaften Cha­ rakter aufweist, denn Siva ist in seinem Er­ scheinungsbild des nicht-arischen Rudra-Siva eine ältere Gottheit als Brahma und Vi$nu. Der als ruhendes, unveränderliches Bewußt­ sein gedachte Gott mit seinen mannigfachen Aspekten entfaltet sich erst durch die Devi, die den weiblichen Urgrund des Seins ver­ körpert. Somit hat Siva in der Göttin eine gleichwertige, wenn nicht sogar stärkere Partnerin. Der mythischen Vorstellung von der männ­ lich befruchtenden und von der weiblich schöpferischen Energie, besonders in der Form von Siva und seiner Sakti, die sich im später ausgeformten orthodoxen Hinduis­ mus unter vielen Namen zeigt, entspricht in der Säipkhya-Philosophie der Gedanke der polaren Prinzipien der unaktiven Seele (Puru$a) und der aktiven Urnatur (Prakfti). Wenn im folgenden von Sakti gesprochen wird, ist damit vor allem die weibliche Kraft der Devi besonders im sivaitischen Kontext oder die Devi als eigenständige Göttin ge­ meint, die die Energie personifiziert.

Die Göttinnen (Devi)

Die Göttin.

2.5.1 Die Devi als höchstes Prinzip 2.5.1.1 Die Weltenmutter Nach hinduistischem Glauben befindet sich der Kosmos in einem ständigen evolutionä­ ren Prozeß. Die Energie für diesen Prozeß kann als kosmischer Wille gedeutet werden, der sich in der Göttin verkörpert. Der Kos­ mos selbst wird als männlich verstanden und gilt als passiv. Das männliche Prinzip kann erst durch das dynamisch Weibliche offen­ kundig und in der Welt wirksam werden. Im Zusammenspiel des Männlichen und Weibli­ chen manifestiert sich die Natur, zeigt sich ihre duale Funktion: Werden und Vergehen. Im Volksglauben wird »die Mutter« (Ambä) verehrt, sie vereint in sich die schöpferischen und die zerstörerischen Kräfte.

Da die vedische Priesterreligion der Vereh­ rung von Göttinnen nur beiläufig Aufmerk­ samkeit schenkte, wird die ursprünglich nicht-arische Weltenmutter Jagadambä oder Jagad-mätar als Schöpferin der Welt erst ikonographisch dargestellt, nachdem sie in Form der Sakti Eingang in die epische Dichtung gefunden hatte. Die Weltenmutter verliert dadurch zwar ihre eigenständige Verehrung als Göttin des höchsten Prinzips und als Schöpferin, wird aber als dynamischer Aspekt der Göttin Devi im Hinduismus ver­ ankert. Aufgrund dieser relativ spät vollzo­ genen Eingliederung der Göttin in das hinduistische Pantheon und einer gleichzeitigen

113

Das hinduistische Pantheon

Identifizierung der Devi mit Lokalgöttinnen steht der Betrachter und Gläubige vor einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt von Göt­ tinnen mit den unterschiedlichsten Namen. Hinter ihnen verbergen sich jeweils nur Teil­ aspekte der zeitlich älteren Weltenmutter. Die bekanntesten dieser Aspektnamen für die Göttin sind PärvatI, Durgä, Käll und Gauri. Die vedische Muttergottheit wurde Aditi ge­ nannt. Sinnbildlich dargestellt durch die Kuh —» Surabhi, wurde ihr Verehrung als Schöp­ ferin der drei Welten und aller Götter zuteil. Der Name Ambä (Mutter) gilt heute als Aspekt von PärvatI. In der bildlichen Dar­ stellung trägt sie ein Kind (Bäla), die Attribu­ te Wassergefäß, Lotus oder Schlinge. Ihr charakteristisches Mudrä ist die Geste der Schutzverheißung. Der Ambikä, eine Ver­ niedlichung von Ambä, was soviel wie »Müt­ terchen« bedeutet, kommt im §äkta-Kult eine eigenständige Verehrung zu. Ihr Trag­ tier ist ein Löwe. Bekannt sind zwei- oder vierarmige Skulpturen. Die Göttin hält die Attribute Spiegel, Schwert und Schild. Eine Hand zeigt die Geste der Wunschgewährung oder die Lotusgeste.

Die Weltenmutter Amba mit einem Kind (Bäla) auf ihrem Schoß.

114

2.5.1.2 Uma Die nicht-vedische Muttergottheit Umä, mit der eine Vielzahl von Lokalgöttinnen identi­ fiziert wurden, ist unter vielen Namen be­ kannt. Sie gilt heute als eine Form von Pärva­ tI oder Durgä und deren mannigfaltigen Aspekten. Darin drückt sich der im Volks­ glauben verbreitete und allmählich vom Brahmanismus adoptierte Kult der Mutter­ göttin aus. In den Epen taucht der Name Umä häufig als Beiname von HaimavatI auf, der Tochter des Gottes Himavat, der den Himälaya verkör­ pert. Umä-HaimavatI wurde als PärvatI die Gattin Sivas zu einer Zeit, als Siva als Asket in den Himälaya-Bergen lebte und als nicht verehrungswürdig angesehen wurde. Volks­ etymologisch leitet sich der Name Umä von einem Ausruf der Mutter Umäs ab, die ihr riet, keine Askese zu üben und damit Siva nicht für sich zu gewinnen. (U-mä = o [Kind übe] nicht [Askese]). Umä wird vor allem in

Die Göttinnen (Devi)

Bengalen unter dem Namen —»Annapürnä (»reich an Speise«) verehrt. Ihre Attribute sind Gebetskette, Spiegel, Wassergefäß und Lotus.

2.5.2 Die lebenspendenden und krankheitserzeugenden Mütter In den polaren Kräften der Natur sahen die Inder sowohl segensreiche, lebenspendende Muttergöttinnen, wie die Erdgöttin Prthivi, als auch krankheitsverursachende Göttinnen wie die Pockengöttin Sítala. Zum Kreis die­ ser Göttinnen gehören auch die sieben oder acht Mütter (s. Kap. 2.5.2.3) und die Perso­ nifikationen der Natur wie beispielsweise die Flußgöttinnen (s. Kap. 3.6.1).

2.5.2.1 Die Erdgöttin Prthivi

Die lebenspendende Sitä, die Schutzgöttin des Land­ baus.

Prthivi (»die Weite«) ist eine der ältesten Muttergottheitsvorstellungen der Inder. Die Erde, die den Menschen Nahrung lieferte, durfte und darf bis zum heutigen Tage bei bestimmten Ethnien, die nur wenig Kontakt mit der Zivilisation hatten, nicht gepflügt werden, da man mit dem Pflug den Schoß der Mutter Erde verwüsten würde. Gesät wurde daher nur in die Asche des brandgerodeten Dschungels. Verbunden mit dem Erdmythos ist die im Rämäyana wiedergegebene Sage von Sitä, der Gemahlin von Räma, und deren Söhnen Kusa und Lava. Sitä ist die Schutz­ göttin des Ackerbaus und verkörpert das weibliche Geschlecht der Erde. In vedischer Zeit wurde Prthivi zusammen mit Dyaus, der Personifikation des Himmels, verehrt. Im androgynen Prinzip sah man die Doppelge­ stalt des Dyävä-prthivI, des Himmels und der Erde als Mann und Frau. Die ikonographische Umsetzung der Pfthivivorstellung zeigt sich vor allem im Erscheinungsbild der Göttin Sitä. 115

Das hinduistische Pantheon

2.5.2.2 Die Pockengöttin Sítala Die volkstümliche Göttin általa hält im heu­ tigen Hinduismus den Platz des krankheits­ verursachenden Aspekts der Muttergöttin. Ihrer Darstellung wird oft lediglich durch das Aufstellen eines Steins, einer Lehmfigur oder eines Holzstücks unter dem Kikar-Baum (Acacia arabuca) Genüge getan. Sítala wird verehrt, damit sie die Menschen vor Seuchen schützt. Wenn die Göttin anthropomorph dargestellt wird, ist sie meist nackt und rot angemalt. Zu erkennen ist sie an Attributen, die für alle anderen hinduistischen Gottheiten untypisch sind, einem Besen, oder einem Bündel aus Holzstöcken, einem Worfelfächer und einem irdenen Topf. Sítala gehört außerdem zu der Gruppe der sieben Mütter (s. Kap. 2.5.2.3).

2.5.23 Die sieben oder acht Mütter (Saptamätara oder Astamätara) In den Mythen wird erzählt, daß der halb­ göttliche Dämon -^Andhaka, tausendarmig und tausendköpfig, die Gemahlin Sivas rau­ ben wollte und im Himälaya in einen Kampf mit den Göttern geriet. Andhaka wurde von einem Pfeil Sivas verwundet, aber aus dem Blut des Dämons entstanden neue —> Asuras, die sich gegen die Götter richteten. Da ließ Siva aus seinem Mund eine Sakti entstehen, die das Blut der Asuras trinken sollte. Das gelang aber endgültig erst, als Vi$nu seiner­ seits eine Göttin emanierte, die beim Trinken des Blutes zunehmend austrocknete. Nach­ dem die Götter die Dämonen auf diese Weise besiegen konnten, vergriffen sich die von Hunger und Durst gepeinigten Göttinnen an den Erdwesen. Die drohende Vernichtung

Zwei der sieben Mütter: Vai?navi (links) und Kaumarl (rechts).

116

Die Göttinnen (Devi)

der Menschen konnte nur dadurch verhin­ dert werden, indem Narasimha, die Menschlöwen-Inkarnation von Vi$nu, eine Schar von acht Müttern erschuf, die die anderen überwältigten konnten. In der erstgenannten Gruppe der Mütter zeigt sich der mütterliche, aufopfernde Aspekt der Göttin Devi, während die zweit­ genannte einen eher schädlichen, mit menschlichen Leidenschaften identifizierten Aspekt aufweist. Bildlich dargestellt werden die sieben oder acht Mütter mit identischen Emblemen und Tragtieren ihres männlichen Gegenübers. Die sieben Mütter sind folgen­ den männlichen Göttern mit ihrem Tragtier zugeordnet: Brahmäm Mähesvari Kaumäri

Vai$navi Värähi

Indräni Cämundä

Brahma Mahesvara (Siva) Kumära (Skanda) Vi$pu Varäha (Vi$nus Eber­ inkarnation) Indra Yama

Schwan Stier

bhadra und Ganesa flankiert, die in dieser Darstellung das Patronat über die Fruchtbar­ keit symbolisieren sollen. Die Rolle der Frau als Mutter wird bei diesen Aspekten der Devi durch Kinder dargestellt, die entweder auf dem Schoß der Göttinnen sitzen oder neben ihnen stehen.

2.5.3 Die Saktis - die Energie der Götter Der Begriff der Sakti, der weiblichen Energie und schöpferischen Kraft, stets durch eine Göttin verkörpert, umfaßt eine Vielzahl von Namen. Die unterschiedlichen Namensge­ bungen der Göttinnen gehen zum einen auf ursprünglich selbständige Gottheiten zu­ rück, die mit dem Kult der Sakti verschmol­ zen sind, zum anderen bezeichnen sie die Göttin in einer vorübergehenden Funktion

Pfau Gannja Eber

Elefant Eule

Die acht Mütter als personifizierte Leiden­ schaften sind:

Brahmäm Aindri Cämundä Mähesvari Kaumäri Vai$navl Cändikä Yami

Stolz Zorn Verblendung Habgier Nichtmurren Neid Begierde Grausamkeit

J

In der Ikonographie werden die sieben oder acht Mütter häufig von den Gottheiten Vira-

Mähesvari, die Sakti Sivas in ihrem Erscheinungsbild als eigenständige Göttin. In ihren Händen trägt sie die Attribute Sivas, Axt und Antilope.

117

Das hinduistische Pantheon

oder gelten in der Bedeutung eines Bei­ namens als ehrende Anrufung. Zu solchen Namen gehören Durgä, »die schwer Zugäng­ liche«, Kali, »die Schwarze«, CandL »die Wilde oder Grausame«, Raktadanti »Die Rotzahnige«, Bhaväni, »die Hervorbringen­ de« usw. Indem man in den Göttinnen die Gemahlin­ nen der großen Götter sieht, verschmilzt der Göttinnenkult vor allem mit der Verehrung —»Sivas. Die Sakti von Siva trägt meistens die Namen Durgä, Pärvati und Umä. Die Bezie­ hungen zum Sivaismus sind eher volkstümli­ cher Art, sie zum Vi$nuismus eher theologi­ scher Prägung. Die Göttin senkt sich auf den während der Weltennacht im kontemplativen Schlaf (Yoganidrä) auf der Schlange Se$a ru­ henden Vi$nu. Sie entweicht aus Vi$nu und erweckt ihn dadurch zum Kampf, als die Dämonen Madhu und Kaifabha den aus sei­ nem Nabel hervorgegangenen Gott Brahmä töten wollen.

strengste Askese. Als sie die höchste Stufe erreicht hatte, begegnete ihr Siva, der sie als einem großen Asketen ebenbürtige Gemahlin nahm. Die Darstellung Sivas mit seiner Sakti Pärvati wird als die zweifaltige Personalisierung des Absoluten angesehen. So zeigt das Bild der Göttin meistens auch das ihres Gatten. Ent­ weder steht sie an seiner Seite, oder sie sitzt neben ihm oder sie ruht auf seinem Schoß. Diese Darstellungen zeigen die beiden als Liebespaar auf dem Berg Kailäsa, dem Reich Sivas, wo sie sich nicht einmal durch Rävana, dem mächtigsten der Dämonen, der den Berg hinwegzuschleudern versucht, stören lassen.

2.5.4 Pärvati, die Bergtochter Die Mythen berichten, daß Siva in seiner ursprünglichen Gestalt als —> Rudra mit Daksas Tochter Sati verheiratet war. Daksa belei­ digte seinen Schwiegersohn, indem er ihn nicht zu einem Opfer an die Götter einlud. Sati schämte sich darauf ihres Vaters so sehr, daß sie sich das Leben nahm, und Siva kehrte in den Himälaya zurück, um dort als Asket zu leben. Sati wurde als die Tochter von Himavat, der Personifikation des Himälaya, und als Toch­ ter der Menä, einer himmlischen Nymphe, wiedergeboren und erhielt den Namen Pär­ vati. Seit frühester Jugend fühlte sie sich stark zu Siva hingezogen, der aber nach dem Tode seiner Gemahlin Sati alle weltlichen Begier­ den abgelegt hatte. Um Siva für sich zu ge­ winnen, zog Pärvati in die Berge und übte

118

Pärvati, die Tochter von Himavat, der Personifikation des Himälaya, Gemahlin des Siva.

Die Göttinnen (Dein)

2.5.4.1 Das freundliche Erschei­ nungsbild der Göttin Die Erscheinungsform der Göttin in anmuti­ ger Pose als strahlend schöne Frau mit Attri­ buten, die dieses Bild symbolisch noch ver­ stärken, spiegelt lediglich den einen Aspekt der Weltenmutter, die zugleich lebenspen­ dend wie auch -vernichtend ist. Als Pärvati wird die Göttin meist zweiarmig dargestellt. Ihr Attribut in der rechten erho­ benen Hand ist ein Lotus; wenn das Attribut fehlt, zeigt sie die Handgeste der Lotusblüte. Der linke Arm hängt in der Haltung des Lola-Hasta anmutig herab. Pärvati steht auf einem Lotussockel in der geschwungenen Bhahga-Pose oder sitzt auf dem Podest im Spielsitz. Relativ seltene vierarmige Darstel­ lungen der Göttin zeigen sie mit den Attribu­ ten Gebetskette und Spiegel oder Speer und Meißel, während die anderen beiden Hände die Geste der Schutzverheißung und Wunschgewährung zeigen.

2.5.4.2 Gauri, die Weißliche Einen milden Aspekt der Pärvati weist das Bild Gauri (»die Weißliche«) auf. Gauri war ehemals eine volkstümliche Göttin, die mit Fruchtbarkeitskulten in Verbindung stand. Sie wird zwei- oder vierarmig dargestellt. Zweiarmig zeigt sie die Gesten der Schutz­ verheißung und Wunschgewährung. Im vier­ armigen Bild kommen die Attribute Gebets­ kette und Wassergefäß hinzu. Die Gauriskulpturen sehen der Darstellung der Göttin Lak$ml sehr ähnlich. Ein wichtiges Unter­ scheidungsmerkmal ist das bei der Gauri nicht vorhandene Brustband und die Blüten­ girlande, die für Lak$ml charakteristisch sind. Gauri zeigt sich als Uberwinderin aller

Sünden mit den Attributen Dreizack, Ge­ betskette, Stab und Wedel in einer abgewan­ delten Form unter dem Namen Totalä. Eine weitere Variante weist sie als Tripurä aus. In dieser Darstellung trägt sie die Attri­ bute Stachelstock und Schlinge, während die beiden anderen Hände zur Geste der Schutz­ verheißung und Wunschgewährung erhoben sind. Das Bild der Tripurä mit Stachelstock und Schlinge, Attributen, die spirituell zu verstehen sind und Antrieb und Kraft des Intellekts versinnbildlichen, wird häufig auch als die Darstellung der Annapürnä gedeutet.

2.5.4.3 Annapürnä, die Ernährerin Annapürnä (»reich an Nahrung«) ist der lieb­ liche, nährende Aspekt der Göttin, für die zweiarmige Skulpturen mit den Attributen Schale und Löffel charakeristisch sind. Anna­ pürnä beschützt die Menschen vor Hungers­ nöten und wird vor allem in Bengalen als Aspekt von Pärvati oder Durgä verehrt. Die Liste der Namen der Göttin in diesem milden, liebevollen Aspekt könnte noch fort­ gesetzt werden. Da sie aber nur aufgrund äußerlicher Merkmale unterschieden werden kann, die sie als verlockend schöne Frau mit prallen Brüsten, schmalen Hüften, mit reich­ lich Schmuck, doch mit nur wenigen Attri­ but-Variationen zeigen, kann auf eine detail­ lierte Beschreibung verzichtet werden. Fast allen Darstellungen der Göttin in diesem Aspekt ist der Sockel oder das Tragtier ge­ meinsam. Sie sitzen oder stehen in anmutiger Pose auf einem Lotus oder reiten auf einem Löwen. Was die Attribute betrifft, so fehlt das für den zerstörerischen Aspekt typische Kennzeichen der Schädelschale in den Dar­ stellungen dieses wohlwollenden Aspekts.

119

Das hinduistische Pantheon

2.5.5Durga,die schwer’Zugängliche In den Volkskulten, die nach der Zeitenwen­ de in den Brahmanismus einbezogen wur­ den, nahm die Verehrung der Durgä einen besonders wichtigen Platz ein: ihre Anhänger waren ebenso zahlreich wie glaubensintensiv. Die Göttin wurde als die personifizierte le­ benspendende und zugleich zerstörerische Kraft der Natur verehrt. Sie beschützt die Menschen und steigt immer dann zur Welt herab, »wenn durch Dämonen Bedrängnis entsteht«. Durgä verlangt von ihren Anhängern voll­ kommene Unterwerfung. Nur das größte al­ ler Opfer - in den Volkskulten der frühesten Zeiten das Menschenopfer, später durch das Tieropfer verdrängt - kann die Göttin dazu bewegen, ihren lebenspendenden Aspekt wirksam werden zu lassen. In mildtätiger Form ernährt sie die Menschen und Tiere mit Speisen aus ihrem Körper und kommt damit dem Erscheinungsbild der Pärvatl nahe. Ihre zerstörerische Tendenz wird offenbar, wenn sie erzürnt ist oder ihr destruktiver Aspekt als lebenerhaltend notwendig wird. In den sivaitischen Kulten ist Durgä die Sakti von Siva. Die Anhänger Vi$nus sehen in ihr eine Schwester von Vi$nu. Somit steht Durgä zu beiden Hauptgottheiten der hinduistischen —»Trimürti in Beziehung. Zu ihren Grundattributen zählen der Diskus (Cakra) und die Muschel der Gottheit Vi$nu - neben vielen Waffen, die ihr das männliche Gegen­ über Siva verliehen hat. Ferner trägt sie den Schmuck Sivas und die gleiche Krone, und sie wird häufig dreiäugig dargestellt. Durgäs Tragtier ist der Löwe, in einigen Darstellun­ gen aber auch der Tiger oder ein Fabelwesen (s. Kap. 3.3).

120

Durgä, die >schwer Zugängliches die mächtigste der Göttinnen, die die Kräfte aller Gifte in sich vereint.

Die Göttinnen (Devi)

2.5.5.1 Die Prinzessin der drei Städte (Tripurä-Sundari) Ein tyrannischer Dämon drohte die Welt zu vernichten. Die Götter hatten, angeführt von Brahma, ihre Zuflucht zu Siva und Vi$nu genommen, denn sie wußten gegen den Büf­ feldämon kein Mittel. Doch auch Siva und Vi$nu zeigten sich machtlos. In ihrem Zorn traten die Götter gemeinsam dem Bösen ent­ gegen. Flammen des Zorns schlugen aus ihren Mündern und vereinigten sich zu einer feurigen Wolke, um schließlich die Gestalt einer achtzehnarmigen Göttin anzunehmen. Nun sahen sich die Götter, die alle eine gesonderte, aber begrenzte Macht verkörper­ ten, der Gestalt gegenüber, aus der sie einst­ mals entstanden waren. —> Sakti, die urweib­ liche Kraft und Lebensenergie, war neu er­ standen und zeigte sich bereit zu handeln. In der Vorstellung von der Göttin Tripurä vereinigen sich alle Aspekte der lebenspen­ denden und -erhaltenden wie auch der hin­ wegraffenden Mutter. Als Tripurä-Sundari ist sie eine wunderschöne Frau mit heller Hautfarbe (Sundari). Sie wird vor allem von den Anhängern des Tantra als ewig jugendli­ ches 16jähriges Mädchen verehrt, wobei die Zahl Sechzehn das Absolute und die höchste Vollendung symbolisiert. Ihre Attribute sind Schlinge, Bogen, Pfeile, Spiegel, Lotus und eine Frucht. Durch den Lotus und die Frucht wird ihr mütterlicher, fruchtbarkeitspenden­ der Aspekt deutlich, der Bogen und die Pfeile stehen für Willenskraft oder den Geist, der die fünf Sinne - symbolisiert durch die fünf Pfeile - entsendet. Als zweiarmige Skulptur und mit den Attributen Schlinge und Stachel­ stock versehen, heißt die Göttin Tripurä; sie wird als —» Gauri, der freundliche Aspekt der Pärvati, angesehen. Die Göttin hat jedoch auch eine zerstörerische Seite, einen wüten­ den Aspekt. Als Tripurä-Bhairavi oder Ma-

hämäyä verkörpert sie die Sakti des Siva in seiner Form als —> Tripuräntaka-Mürti, als Zerstörer der drei Städte. Nun ist sie vierar­ mig und dreiäugig. Als Kopfschmuck trägt sie einen Schädelkranz über der Juwelenkro­ ne, auf der das Emblem Sivas, der Sichel­ mond, abgebildet ist. Ihre Brüste sind mit Blut verschmiert, und sie trägt in zwei Hän­ den die Attribute Brahmäs, Gebetskette und Buch, während die beiden anderen Hände die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung vollführen.

2.5.5.2 Die Besiegerin des Büffel dämons (Mahisäsuramardim) Ihre volle Kraft und Fähigkeit konnte die aus dem Zorn der Götter entstandene Tripurasundari unter Beweis stellen, als sie den Auf­ trag erhielt, den Büffeldämon Mahi$a zu ver­ nichten, der die Welt und die Götter bedroh­ te und als unbesiegbarer Titan galt. Sie erscheint als Mahisäsuramardim, auf einem Löwen reitend mit zehn (manchmal auch zwanzig) Armen und trägt die Attribute Dreizack, Schwert, Speer, Diskus, Stachel­ stock, Schild, Axt, Schlinge, Vajra, Keule und Glocke, also die Waffen sämtlicher Götter. Zuerst vernichtete sie das Heer des Titanen und fing den Büffel mit der Schlinge. Da der Dämon die Fähigkeit besaß, sich in jede an­ dere Gestalt zu verwandeln, konnte er als Löwe zwar aus der Schlinge entschlüpfen, dem Schwert der Göttin aber nicht entgehen. Als der Kopf des Löwen fiel, erstand sogleich ein schwertbewaffneter Held, der die Göttin von neuem angriff. Auch der nun folgende Pfeilhagel vermochte der Verkörperung des Dämons nichts anzuhaben, denn augenblick­ lich verwandelte er sich in einen Elefanten, ergriff die Göttin mit seinem Rüssel und

121

Das hinduistiscke Pantheon

versuchte, sie zu zerschmettern. Sie schlug ihm mit ihrem Schwert den Rüssel ab, wor­ auf der Dämon in seine ursprüngliche Gestalt als Büffel zurückkehrte und mit seinem Huf­ schlag das All erschütterte. Doch die Göttin zeigte sich nur belustigt, als sie sah, wie der Büffel mit seinen Hörnern ein Gebirge ausriß und gegen sie schleuderte. Mit einem Pfeilha­ gel zerstob sie das Gebirge, schwang sich auf den Rücken des Titanen und bohrte ihm den Dreizack in den Nacken. Noch einmal ver­ suchte der Dämon, in der Gestalt des Helden zu entweichen, wurde aber sogleich von der Göttin mit einem Streich ihres Schwertes ent­ hauptet. Der siegreiche Kampf der Mahi$äsuramardim bildet ein äußerst beliebtes Motiv in der Iko­ nographie der Göttin, die allgemein in dieser Form als vorübergehendes Erscheinungsbild der Durgä angesehen wird. Die Skulpturen zeigen die schwer bewaffnete Göttin als überaus reizvolle Frau entweder auf einem Löwen sitzend oder auf dem abgeschlagenen Kopf des Büffeldämons Mahisa stehend. In­ spiriert durch das Erscheinungsbild der Dur­ gä als Mahisäsuramardim, sind in der Ikono­ graphie eine Reihe weiterer vierarmiger Dar­ stellungen der Göttin entstanden, die jeweils einen Teilaspekt ihrer siegreichen Natur über die Dämonen verkörpern. Zu ihnen gehören Ksemahkari, die die Geste der Wunschge­ währung zeigt und die Attribute Lotus, Dreizack und Trinkschale hält; die Erschei­ nungsform der Harasiddhi mit Trommel, Trinkschale, Schwert und Gefäß; und die Darstellung der Nilakanthi mit Dreizack, Schild, Trinkgefäß und der Geste der Wunschgewährung. Rudramsa-Durgä trägt sowohl die Attribute von Siva, den Dreizack und das Schwert, als auch die von Vi$riu, Muschel und Rad. In der gleichen Darstel­ lung mit drei Augen wird die Göttin JayaDurgä genannt.

122

Mahisäsuramardim, die Besiegerin des Büffeldämons.

Zu den achtarmigen Formen der Durgä ge­ hören die Darstellungen der Agni-Durgä mit den Attributen Rad, Schwert, Schild, Pfei­ len, Schlinge und Axt, den Gesten der Wunschgewährung und der erhobenen Fin­ ger. In dieser Form wird die Göttin von zwei himmlischen Nymphen mit den Attributen Schild und Schwert begleitet. Als Vana-Durgä hält sie die Waffen Muschel, Rad, Schwert, Schild, Pfeile, Bogen und Dreizack, während eine Hand zur Geste der Drohung erhoben ist. Insgesamt zählen neun ähnliche Formen zu der Gruppe der sogenannten Navadurgä (neun Durgäs). Nur eine Darstellung ist zweiarmig und wird als Ripumäri-Durgä be­ zeichnet. Eine Hand hält den Dreizack, mit dem die Göttin den Büffeldämon tötete, und die andere ist zur Geste der Drohung er­ hoben.

Die Göttinnen (Dem)

2.5.6 Der Übergang zum furcht­ baren Aspekt der Göttin

2.5.7 Der furchtbare, grausame und vernichtende Aspekt der Göttin

Am Ende eines jeden Zeitalters löst sich das Universum auf, um danach neu zu entstehen (Mahäpralaya). Diese Zeit, in der Brahma, der Schöpfer, in £iva, den Zerstörer, und Viçnu, den Erhalter, übergeht, wird von der Göttin Mahäkäli beherrscht. Kali, »die Schwarze«, die Personifikation der Zeit und Zerstörerin der Zeit (Kala), besteht aus zehn Aspekten, die in den tantrischen Mahävidyas verehrt werden. Mahävidya bedeutet »großes oder transzendentales Wissen«. Die Göttin­ nen verkörpern göttliche Weisheit (Vidyä), die von Illusionen befreit und zur höchsten aller Erkenntnisstufen (Mok$a) gereicht. Im einzelnen gehören zu der Gruppe der zehn tantrischen Éaktis folgende Göttinnen:

Zorn ist sowohl bei Göttern als auch Göttin­ nen die Hauptursache für Emanationen. Aus dem Zorn der Götter gegen den Büffeldämon Mahi$a entstand die siegreiche Göttin in ihrem Erscheinungsbild der ursprünglichen weiblichen Energie. Der Zorn der Göttin Durgä im Kampf mit den Dämonen ließ die Göttin Kali als furchtbaren Aspekt aus ihrer Stirn emanieren. Wild blickend, mit Schwert und Schlinge bewaffnet, mit einer Kette aus Menschenschädeln geschmückt, nackt und ausgemergelt, von abstoßender Häßlichkeit, mit weit geöffnetem Mund und heraushän­ gender Zunge, tiefliegenden, rötlich gefärb­ ten Augen, erfüllte sie den Weltraum mit ihrem Gebrüll und ließ die Dämonen erzit­ tern. Die grausige Göttin besiegte die Dämonen Sumbha und Nisumbha als Candi, was soviel wie »die Wilde«, »die Grausame« bedeutet.

Kâli, die Göttin der Zeit Tara, eine Emanation von Kall $odarsî, die Verkörperung der Begierde Bhuvanesvarï, die Kraft der stofflichen Welt Bhairavï, die Unbegrenztheit der Formen, die den Menschen anziehen und wieder ab­ stoßen Chinnamastä, die Verkörperung der Nacht Dhümävati, die Zerstörung des Universums durch das Feuer Bagalä, die Verkörperung von Eifersucht, Haß und Grausamkeit Mätangl, die königliche Herrschaft Kamalä, das reine Bewußtsein, das auch mit der Göttin —> Laksml identifiziert wird. Ikonographisch werden diese Formen der Göttin in den Erscheinungsbildern der Kall und ihrer mannigfaltigen Aspekte ausge­ prägt.

Die Göttin im furchtbaren Aspekt, mit flammendem Haar und Hauern in den Mundwinkeln.

123

Das hinduistische Pantheon

Als Mahäkäli überwand sie die Dämonen Madhu und Kaitabha, nachdem Vi$nu im Kampf gegen sie gescheitert war; als Kali (»die Schwarze«) tötete sie Raktavîja, indem sie sein Blut saugte, als Raktadanti (»die Rot­ zahnige«) zerfleischte sie mit ihren Hauern den Dämon Vaipracitta, als Durgä vergrub sie ihre Fingernägel in den durch Askese übermächtig gewordenen Asura Durga und streckte ihn schließlich mit einem einzigen Pfeilschuß nieder. In einer ihrer fürchterlich­ sten Formen als Câmunçlâ enthauptete sie die Dämonen Canda und Munda (= Cämundä) und labte sich an ihrem Blut. In den vielen ikonographischen Varianten trägt die Göttin der Zerstörung die Attribute Schlinge, Vajra, Schädelkeule, Schwert, ab­ geschlagener Kopf, Stachelstock, Trommel, Bogen, Schädelschale, Dreizack und Dolch. Fast immer ist sie reich mit Schädelschmuck ausgestattet.

sich die theistische Priesterreligion blind stellte, und die nur zögernd, über die -^Sakti-Lehren, Eingang in den orthodoxen Glauben gefunden hat, setzte sich in der Ikonographie erst spät durch. Unzählige Darstellungen der verschlingen­ den schwarzen Kali schildern, dem positiven Erscheinungsbild zum Trotz, einen völlig entgegengesetzten Aspekt der universalen Mutter. Sie sieht eher einer Hexe ähnlich, mit vorstehenden Zähnen, aufgedunsenem Bauch und wirrem, flammenförmigem Haar. Aus­ gemergelt durch die Anstrengungen des Le-

2.5.8 Die schwarze Göttin Kali In der nordindischen Kali spiegeln sich die Vorstellungen nicht-arischer Ethnien wieder. Einerseits trägt sie die Symbolik des animistischen Naturerlebens und andererseits ist sie durch die Dualität von Erotik und Schauder, Fruchtbarkeit und Zerstörung gekennzeich­ net. Das lebenspendende, ernährende, müt­ terliche Prinzip ist in Kali, »der Schwarzen«, klar genug repräsentiert, der ergänzende Aspekt der ewig zerstörenden Kraft in der Ikonographie eher überbetont. Ihr ikonographisches Gesamtbild scheint einseitig geprägt und wird vor allem bei denjenigen auf lebhaf­ ten Protest stoßen, die im Weiblichen ledig­ lich das Liebende und Mütterliche sehen, das scheinbar ohne jeglichen Eigennutz leben­ spendend und -beschützend ist. Die vollstän­ dige Natur des Weiblichen, der gegenüber 124

Erscheinungsbild der schwarzen Göttin Kali.

Die Göttinnen (Devi)

benschenkens und -erhaltens, zeigt sich in Kali das Bild des egoistischen, unedelmüti­ gen Alters, kaltblütig und von unersättlicher Lebensgier besessen. Diesem Erscheinungsbild wird in der ikonographischen Umsetzung die Mahäkäll, Ver­ körperung der Zeit, die alles hervorbringt und wieder verschlingt, gerecht. Mahäkäll gilt als furchterregende Form (Abhicärika), sie zeigt sich wie alle Varianten dieser Form fast nackt und nur mit Schädelschmuck aus­ gestattet. Bhadrakäll ist zwölf- oder acht­ zehnarmig, was ihre ungeheure Macht sym-

bolisiert. Ihre Attribute sind Dreizack, Schwert, Pfeil und Bogen, Speer, Feuer und Keule. Varianten können die Attribute Ge­ betskette, Muschel, Lotus und Gefäß zeigen. Eine Hand ist gewöhnlich zur Geste der Schutzverheißung erhoben, denn der Anhän­ ger der Käli braucht sich vor dieser Göttin nicht zu fürchten. Meist wird Bhadrakäll sit­ zend auf einem Lotussockel oder auf einem Löwen dargestellt. In selteneren Bildern sitzt sie auf einem Wagen, der von Löwen gezo­ gen wird. In den furchterregenden Formen, in denen Käli in reinster Form repräsentiert ist, sieht der Gläubige die Möglichkeit, durch ihre Verehrung seinen Feinden Schaden zuzufü­ gen. Abhicära bedeutet Zauber oder Schwar­ ze Magie, und die Verehrung der Göttin in Verbindung mit gewissen Zauberformeln und Riten kann im Gläubigen magische Kräf­ te freisetzen.

2.5.8.1 Die dämonischen Saktis von $iva

Käli als alte >Hexe< mit weit heraushängender Zunge.

Siva als Gott der Zerstörung besitzt mehrere Energien, die durch seine Saktis, darunter BhairavI (»die Schreckliche«) hervorgerufen und verkörpert werden. BhairavI steht für die Macht des Todes und wird deshalb auch als Dämonin verehrt. Skulpturen von BhairavI sind entweder zwei- oder zwölfarmig. Ihre Hauptattribute sind Waffen, Schlinge und Axt. BhairavI wird auch als Form von Kälarätri und Durgä verehrt. Als Mutter der Dämonen trägt der furchtbare Aspekt der Göttin den Namen Bhütamätä. Sie ist die Gemahlin von Siva als Bhütapati (»Herr der Dämonen«) und sitzt auf einem Löwen. Ihre Attribute sind Schwert und Schild.

125

Das hinduistische Pantheon

2.5.8.2 Die grausame Camunda Käll erhielt den Namen Cämundä, nachdem sie die Dämonen Canda und Munda getötet hatte. Die Dämonen waren Generäle in der Armee des mächtigen Asura Sumbha, der die Götter ständig bedrohte. Der Zorn der Kali in der Verkörperung der Cämundä hat als wichtigstes Attribut den Kopf des Dämonen­ generals Munda, worauf sich auch das Syn­ onym Munda = Schädel (Kapäla) zurückfüh­ ren läßt. Cämundä ist die schreckenerregendste aller Formen der Göttin. Aus ihren Mundwinkeln ragen Hauer, ihre Zähne stehen hervor, was ihr auch den Beinamen Danturä (»die starke Zähne Besitzende«) verliehen hat, und über ihrem ausgemergelten, von Hunger geplag­ ten Körper trägt sie allenfalls ein Tigerfell.

Kopf- und Körperschmuck bestehen aus Schädeln und Schlangen, das Haar steht wirr vom Kopf ab. In einem ihrer langen Ohr­ läppchen hängt die Leiche eines Kindes, und als Tragtier dient ihr ein Leichnam (Pretäsana), ein Löwe oder eine Eule. Manchmal steht sie auch auf einem körperlich gedrunge­ nen, lächelnden Jüngling, der die Geste der Schutzverheißung zeigt; vielleicht ein Hin­ weis darauf, daß das Ziel der Schöpfung nicht Tod, sondern neu entfachtes Leben ist. Cämupda wird in unterschiedlichen Erschei­ nungsformen dargestellt, die alle zusammen­ genommen eine Varietät der acht Mütter (s. Kap. 2.5.2.3) sein können: Rudracarcikä, sechsarmig mit den Attributen Schädel, Dolch, Speer, Schlinge und in zwei Händen Zipfel der Haut eines Elefanten.

Die grausame Göttin Cämundä mit flammendem Haar, Schädelschmuck und einer Leiche im rechten Ohrläppchen.

126

Die Göttinnen (Devi)

Rudra Cämundä, achtarmig mit den Attribu­ ten wie Rudracarcikä, dazu der abgeschlage­ ne Kopf eines Menschen und eine Trommel als Zeichen für neuentstehende Schöpfung. Mahälaksmi, achtarmig mit vier Gesichtern. Siddha-Cämundä, zehnarmig mit Speer, Schwert, Trommel, Schädelkeule, Schild, Glocke, Keule und Dreizack. Yogesvari, zwölfarmig mit den Attributen von Siddha-Cämundä und zusätzlich Schlin­ ge und Stachelstock. Rüpa-vidyä, zwölfarmig in sitzender Pose mit identischen Attributen wie Yogesvari. Ksamä, zwölfarmig, dargestellt als alte Frau. Ddnturä, dargestellt wie die Grundform von Cämundä, jedoch in hockender Haltung mit einer Hand auf dem Knie.

Weitere Erscheinungsbilder der ausgemergel­ ten, lebenshungrigen Muttergöttin sind die Bilder der Sarvabhütadamani mit Hauern in den Mundwinkeln, einem aufgedunsenen Bauch und den Attributen Schädelschale und Vajra und der Kysodari, was soviel wie »die mit dem abgemagerten Leib« bedeutet. Kfsodari wird vierarmig dargestellt und trägt die Attribute Schwert, die Leiche eines getöteten Dämons, Dreizack und Vajra. Wie Cämundä steht sie auf einer Leiche, kann aber leicht von Cämundä unterschieden werden, da ihr Körper so sehr abgemagert ist, daß sie regel­ recht einem Skelett gleicht. Aufgrund dieses Aussehens wird Kfsodari auch als Skelett(Kankäli) Göttin bezeichnet.

2.5.9 Die große Lak$mi (Mahälaksmi) Mahälaksmi ist die heilige Mutter, die höch­ ste Göttin im Säkta-Kult. Unter dem Namen oder eher unter der Bezeichnung Sakti wird

sie gleichermaßen von Sivaiten und Vi$nuiten verehrt. Als weibliches Gegenüber wird sie der Gottheit Vi$nu in seiner Form als —> Näräyana zugeordnet. Mahälak$nii verkörpert im Hinduismus die drei Eigenschaften, die die Schöpfung allen Lebens konstituieren. Theoretisch sind es reine, träge und aktive Eigenschaften. Im Sättvika (»rein«) ist Mahälak$ml das Licht und die Intelligenz und bringt Gauri, Sarasvatl und Vi$nu hervor. Die träge Eigenschaft ist Tämasa, die Dunkelheit oder Verborgen­ heit in der Verkörperung von Mahäkäli, Sarasvatl und Rudra (Siva). Die Antriebsener­ gie ist die aktive Eigenschaft des Räjasa, sie steht für geistige Beweglichkeit. Mahälak$ml wird in der Verkörperung dieser Eigenschaft als Lak$mi und Hiranyagarbha gesehen. So­ mit ist die große Göttin Lak$mi Anfang und Ende, eine freundliche, lebenspendende und eine zerstörerische Göttin. Mahälak$ml soll aus der Quirlung des Milch­ meeres (s. Kap. 3) als Verkörperung des Überflusses hervorgegangen sein und ist auf­ grund dieses sekundären Schöpfungsmythos’ als Urmutter allen Lebens anzusehen. Da die große Göttin in der Vorstellung des gläubigen Hindu in nahezu jeder Göttin ge­ sehen werden kann, ist es schwierig, sie je­ weils dingfest zu machen. PärvatI, Gauri, Durgä oder Käß, sie alle können im ikonographischen Sinne auch Mahälak$mi sein. Skulpturen, die ein Miniaturlinga auf dem Kopf tragen, dreiäugig sind und vierarmig mit den Attributen Frucht (Kokosnuß), Keu­ le, Schild, Schüssel, Vase oder Frucht, Schild und Keule dargestellt werden, weisen sich als Erscheinung der Mahälak$ml aus. Als Ge­ mahlin eines bestimmten Gottes trägt Mahä­ laksmi im übrigen, genau wie alle anderen Götterfrauen, die Attribute ihres Gatten.

127

Das hinduistische Pantheon

2.5.10 Die Gemahlinnen von Visnu und Brahma Die Göttinnen Lak$mi und Sarasvati waren ursprünglich nicht-vedische Gottheiten, die mit der Übernahme des Sakti-Kultes in den Brahmanismus den Hauptgöttern Vi$nu und Brahma als Gemahlinnen zugeordnet wur­ den. In dieser Eigenschaft haben sie weitge­ hend ihre Identität verloren und zeigen sich nicht wie die Sakti des Siva in der schillern­ den Fülle der Erscheinungsformen. Als Sak­ ti s gehören sie jedoch unabhängig von ihren Gatten auch der Gruppe der sieben oder acht Mütter an (s. Kap. 2.5.2.3) und verkörpern Stolz und Neid.

mit einem Papagei oder einem Pfau abge­ bildet. Der Wandel, den Sarasvati von einer Fruchtbarkeitsgöttin bis zur Göttin der schönen Künste vollzogen hat, wird in den Legenden volkstümlich belegt. Ursprünglich war sie gemeinsam mit der Flußgöttin Gahgä die Gemahlin Vi$nus. Da Sarasvati aber außerordentlich streitsüchtig und hochmütig war, kam es häufig zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Göttinnen. Vi$nu fühlte sich von seinen Ge­ mahlinnen so abgestoßen, daß er Sarasvati an Brahmä und Gahgä an Siva gab. Aber auch an der Seite Brahmas änderte sich Sarasvati nicht. Zu den Opfern kam sie zu spät und trug Brahmä auf, er möge auf sie

2.5.10.1 Sarasvati, »die Fließende« Ursprünglich bezieht sich der Name Sarasva­ ti auf eine vedische Flußgöttin. Der gleichna­ mige Fluß ist vertrocknet, und so verlor die Göttin die ihr zuteil gewordene Verehrung als Göttin der Reinheit und Fruchtbarkeit. Mit —»Brahma in Zusammenhang gebracht, als seine Tochter oder/und seine Gattin, gilt Sarasvati als die Mutter der Veden. Sie ist die Göttin der Poesie (der religiösen Gesänge) und der Musik, darin den schöpferischen Willen ihres Gatten ausführend. Auch als Göttin der Rede (Väc), die schon in den Brahmänas mit dem Weltschöpfer Prajäpati in Verbindung gebracht wurde, wird sie ver­ ehrt. Das Bild der zwei- oderyierarmigen Sarasva­ ti ist leicht von Darstellungen anderer Göt­ tinnen zu unterscheiden. Das auffälligste At­ tribut ist die VInä, die mittelalterliche Zither. Die zusätzlichen Attribute bei vierarmigen Skulpturen sind vor allem das Buch, Symbol des Lernens, und eine Gebetskette. Ihr Trag­ tier ist die Gans, und manchmal wird sie auch

128

Sarasvati, die Gemahlin Brahmas und Göttin der schö­ nen Künste mit ihrem charakteristischen Attribut, der Viijä.

Die Göttinnen (Devi)

warten. Der Gott, des Verhaltens seiner Ge­ mahlin überdrüssig, nahm sich kurzerhand eine neue Frau, die Göttin Gäyatri, Tochter eines heiligen Weisen (R$i). In der Ikonographie wird Gäyatri nicht abge­ bildet, sondern grundsätzlich mit Sarasvati identifiziert. Sarasvati trägt eine Reihe anderer Namen wie Brähmi oder BrahmänI. Als Brähmi wird sie vierarmig und vierköpfig dargestellt. Zwei Hände tragen die Attribute Gebetskette und Dreizack, während die beiden anderen die Gesten der Schutzverheißung und Wunsch­ gewährung zeigen. Als Väc, VägdevI oder Väglsvari ist Sarasvati die Göttin der Sprache und die Schöpferin der Mantras.

2.5.10.2 Die schöne, glückliche und reiche Laksrni oder Sri Die Gemahlin Vi$nus wird als Göttin der Schönheit, des Reichtums und des Glücks verehrt. Ihre bekanntesten Namen sind Lak$ml, Sri, Vai$navl oder Kamalä (»Lo­ tus«). Ursprünglich war Lak§mi eine Erdgöt­ tin, vielleicht identisch mit —> Pflhivi. Seit der epischen Dichtung ist sie die Gemahlin von Vi$nu und einer jeden seiner Inkarnationen (Avatäras), für die sie dann jeweils einen anderen Namen trägt. So ist Lak$mi bei­ spielsweise die Göttin Sitä bei Räma, Rukmiril bei Kr$na, und in der zukünftigen Inkar­ nation des Kalki verschmilzt sie mit der Durgä.

Lak?mi, Gemahlin von Vijriu und Göttin des Reichtums und des Glücks; links als Gaja-Lak$mi, die von zwei Elefanten gebadet wird.

129

Das hinduistische Pantheon

Bei der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) soll Lak$ml als die Große Lak$mi (Mahälak§mi) hervorgegangen sein. Als Symbol des Überflusses hat sie jedoch auch ein negatives Pendant - auch hier ein Hinweis auf das Prinzip der polaren Entsprechungen. Ihre ältere Schwester ist die Göttin Jye$thä, die auch unter dem Namen Alak$ml eine beliebte volkstümliche Göttin darstellt. Die unglück­ bringende Alak$ml wird heutzutage mit der Pockengöttin Sitalä identifiziert. Ein Tropfen des Milchmeeres fiel auf die Brust von Vi$nu und nahm die Gestalt der Göttin Sri an. In stark stilisierter Form bis hin zum Dreieck trägt Vi$pu dieses Zeichen Srivatsa (s. Kap. 8.6), das zu einem wichtigen Erkennungsmerkmal des Gottes geworden ist. Die Göttin Sri soll vor allem in Blumen­ girlanden wohnen, und somit verheißt das Tragen dieser Girlanden Glück, Reichtum und Erfolg. Des weiteren ist der Name der Göttin zu einer respektvollen Anrede ge­ worden.

Die Gemahlin Vi$nus wird zwei- oder vierar­ mig dargestellt. Zweiarmig hält sie die Attri­ bute Lotus und Muschelschale und vierarmig Lotus, Muschel, Frucht und Nektartopf oder Zitrone, Schild, Keule in Verbindung mit der Geste der Schutzverheißung. Sie steht oder sitzt auf einem Lotus, der manchmal von einem Löwen getragen wird. Ein außeror­ dentlich beliebtes Erscheinungsbild der Lak$ml, das auch von nicht-hinduistischen Glaubensrichtungen verehrt wird, ist die Darstellung der Göttin als Gaja-Lak$mi. Sie sitzt auf einem Lotus und wird von zwei ihr zur Seite stehenden Elefanten, die in ihren erhobenen Rüsseln Wasserkannen halten, ge­ badet. In den Händen hält die Göttin Lotusse, was den fruchtbarkeitspendenden Aspekt dieses Erscheinungsbildes nur noch unter­ streicht. Vierarmigen Darstellungen sind die Attribute Muschel und Nektarschüssel zu­ sätzlich zu den Lotussen beigegeben.

2.6 Ganesa, der Gott der Weisheit Der elefantenköpfige Ganesa ist die populär­ ste aller indischen Gottheiten. Er wird von Hinduisten, Buddhisten und Jinisten glei­ chermaßen verehrt. Im bestehenden ortho­ doxen Hinduismus ist Ganesa der Gott der Weisheit, der mit »Erfolg« (Siddhi) und »Einsicht« (Buddhi) verheiratet ist. Ganesa beseitigt Hindernisse jeglicher Art und wird deshalb angerufen, bevor man beispielsweise eine Reise unternimmt, ein Haus baut, einen Geschäftsabschluß tätigt, sich Examina un­ terzieht oder sonst irgend etwas Wichtiges tut. Als Herr über alle Hindernisse heißt der Gott Vighnesvara oder Vinäyaka. Er gilt als der Schirmherr der Wissenschaften, der Schrift und der Schule. Bilder von Ganesa gibt es jedoch erst seit dem 5.Jahrhundert 130

n. Chr. Volkstümliches Nachholbedürfnis läßt den populär gewordenen Gott Ganesa dann aber vermehrt im Welten- und Götter­ geschehen der Legenden auftauchen. Allgemein wird Ganesa als der Sohn von Siva und Pärvati angesehen, doch es existieren keinerlei verbindliche Geschichten darüber, wie er geboren wurde oder warum er einen Elefantenkopf besitzt. Es wird gesagt, daß die Götter und die Weisen sich einst bei Siva darüber beklagten, daß es für das Böse kein Hindernis gäbe. Sie baten den Gott, ein We­ sen zu erschaffen, daß sich den bösen Taten entgegenstellt. Siva, der normalerweise nur im Zorn Wesen emanieren konnte, blickte liebevoll seine Gemahlin an, als wollte er sie um Hilfe bitten. In diesem Augenblick ent-

Gatfesa, der Gott der Weisheit

Verschiedene Darstellungen des Elefantenkopies von Gaijesa.

sprang aus Sivas Gesicht ein wunderschöner, kräftiger Jüngling; alle Götter bewunderten ihn. Das erregte Pärvatls Neid und sie ver­ wünschte die Emanation ihres Gemahls. So­ gleich ging ihr Wunsch, der Jüngling möge einen Elefantenkopf und einen dicken roten Leib haben, in Erfüllung. Zu der Zeit, als Siva noch als verehrungsun­ würdig galt, war auch Ganesa als Anführer der Gapas, der zwergenhaften, dämonischen Schar im Gefolge von Siva, eine böswillige Gestalt und wurde Vinäyaka genannt. Er störte die Opfer und brachte Uhheil. Wenn jemand besessen war, sich wie ein Wahnsin­ niger aufführte, schlecht träumte und an Ver­ folgungswahn litt, dann mußte Vinayaka ausgetrieben werden. Die Macht über diesen Dämon zu verlieren, bedeutete, daß Prinzen ihren Herrschaftsanspruch verloren, Frauen unfruchtbar wurden und die Weisen und Lehrer ihr Wissen vergaßen. Im Zuge der Arisierung änderte sich die Gapesa-Verehrung. So wie Rudra zu Siva wur­ de, galt nun auch der Anführer seiner Schar als höchst verehrungswürdig. Für seinen

Scharfsinn und seine Klugheit sprichwörtlich bekannt, wird der dickbäuchige, elefanten­ köpfige, untersetzte Gott mit den kurzen Beinen als heiter und gemütvoll angesehen. Er liebt Speisen, vor allem Früchte und Sü­ ßigkeiten und verabscheut jegliche Art von körperlicher Verausgabung. Das augenfälligste Merkmal des Gottes ist der Elefantenkopf, über dessen Herkunft eine Reihe von Legenden zu berichten wis­ sen. So wird unter anderem erzählt, daß Ganesa nicht der Anführer der Scharen (Ganas) von Siva gewesen, sondern von dessen Ge­ mahlin Pärvati als Wächter ins Leben gerufen worden sei. Pärvati fühlte sich von Siva wäh­ rend des Bades ständig beobachtet, und Siva liebte es, seine Gemahlin im Bad zu überra­ schen. Aus dem Schlamm ihres Bades, den sie mit Salben zu einer Paste vermischte und dann zu einer Gestalt knetete, erschuf sie einen Wächter, den sie mit Wasser zum Le­ ben erweckte. Siva jedoch ließ sich nicht von dem Wächter beeindrucken, sondern schlug ihm einfach den Kopf ab. Pärvati, die so stolz auf ihr Werk gewesen war, klagte so lange,

131

Das hinduistische Pantheon

bis Siva versprach, einen neuen Kopf zu be­ schaffen und den Wächter zum Leben zu erwecken. Der Kopf, den die Boten in der Eile herbeibrachten, war jedoch der eines Elefanten. Eine andere Legende berichtet, daß Siva und PärvatI einen Sohn hatten, auf den sie so stolz waren, daß alle Götter herbeigerufen wur­ den, um ihn zu bewundern. Der unglück­ bringende Planetengott Sani (Saturn) jedoch wurde nicht eingeladen, da alles, was er an­ schaute, aufgrund eines Fluches seiner Ge­ mahlin zu Asche wurde. Sani aber verschaffte sich Zugang, schaute den Sohn Pärvatis an, und so geschah es, daß der Kopf des Kindes verbrannte. Die Götter eilten sogleich fort, um einen neuen Kopf zu holen, fanden in der Eile nur einen Elefanten, enthaupteten ihn, setzten dem Kind den Elefantenkopf auf und erweckten ihn dadurch zum Leben. Wegen seines äußeren Erscheinungsbildes besitzt Ganesa neben seinem Namen »der Elefantenköpfige« (Hastimukha) noch ande­ re Beinamen wie »der Dickbäuchige« (Lambodara) und »der Einzahnige« (Ekadanta). Die Ohren seines Elefantenkopfes werden als Worfelfächer bezeichnet, mit denen er die Laster von den wahren Werten wie die Spreu vom Weizen trennt. Sein Rüssel liegt meist zur linken Seite und greift in eine Schale mit Süßigkeiten, die der Gott in einer seiner Hände hält; sein dicker Bauch zeigt allgemei­ nes Wohlergehen und Reichtum an. Einer seiner beiden Stoßzähne ist abgebrochen, was auf ein Ereignis zurückgeht, als Ganesa vor den Toren des Palastes seines Vaters Wa­ che hielt, damit ihn niemand in seinem Schlaf störe. Nun kam aber —> Parasu-Räma und verlangte Siva umgehend zu sprechen. Es entfachte sich zwischen Ganesa und ParasuRäma ein Streit, in dessen Verlauf ParasuRäma seine Streitaxt nahm und nach Ganesa warf. Ganesa aber erkannte in der Axt eine

132

Waffe seines Vaters und fing sie mit einem seiner Stoßzähne auf. Der Stoßzahn brach ihm jedoch ab. Wenn Ganesa den Zahn als Attribut in einer seiner Hände hält, zeigt er sich als Gott der Fruchtbarkeit, oder als per­ sonifizierter Fruchtbarkeitsaspekt Sivas, wo­ bei der Zahn eine Pflugschar symbolisieren soll. In der Ikonographie zeigt sich der klein­ wüchsige Gott mit dem überaus großen Ele­ fantenkopf stehend, sitzend oder tanzend. Ganesas Podest ist ein Lotus und sein Trag­ tier eine Maus oder eine Ratte. Seltener steht Ganesa auch auf einem Schädelhaufen, was dann seine Wesenszüge als Herr (Isa) der Ganas, der Scharen Sivas in seinem zerstöre­ rischen Aspekt, zur Geltung bringen soll. Ganesas Erscheinungsbild ist vier- oder sechsarmig. Seine charakteristischen Mudräs sind die Gesten der Schutzverheißung und der Wunschgewährung. Als Attribute trägt er eine Schale mit Süßigkeiten, Früchte, Ge­ betskette, Schlinge, mit der er jegliche Art von Täuschung fesselt und somit die Hürden auf dem Weg zur geistigen Vervollkomm­ nung beseitigt, und einen Stachelstock als Insignum des Weltherrschers, dem Sieg und Erfolg zu eigen sind. Gapesas Opferschnur aus einer Kobra erin­ nert an gemeinsame Wesenszüge mit seinem Vater Siva, vor allem wenn dieser als Yogin dargestellt wird.

Die Hauptattribute des Ganesa: der Zahn und die Schale mit Leckereien.

Ganesa, der Gott der Weisheit

2.6.1 t)er junge Ganesa

drei Skulpturen von Ganesa mit seiner Ge­ fährtin (—> Sakti) unterscheiden. Entweder In dieser Darstellung steht Ganesa entweder sitzt die Göttin Lak$mi auf seinem Schoß in gerader Körperhaltung oder in einer Pose und wird von Ganesa in einem seiner Arme mit zwei oder drei Körperschwingungen, gehalten, oder die Göttin steht ihm zur Seite. oder er thront auf einem Lotussockel. Er ist In der dritten Form soll ein Geschlechtsakt vierarmig, trägt die Attribute Schlinge, Sta­ angedeutet werden, der aber wegen der Un­ chelstock, Zahn und Schüssel mit Süßigkei­ förmigkeit und Bewegungsunfreudigkeit Ga­ ten. Sein Rüssel reicht in die Schüssel hinein. nesas nicht zustande kommt. In der Darstel­ lung mit Lak$mi auf dem Schoß (Lak$miGanapati) ist Ganesa achtarmig und hält einen Papagei, einen Granatapfel, ein Was­ 2.6.2 Ganesa als Herr der Welt sergefäß, Stachelstock, Schlinge, ein Büschel (Bhuvanesa-Ganapati) Gras und eine Knospe. Die Skulptur, in der Gapesa als Herr der In der angedeuteten Koitusdarstellung mit Welt verehrt wird, ist achtarmig. Sie zeigt ihn der Göttin (Ucchi$$a-Ganapati) ist der nackte stehend mit den Attributen Stachelstock, Ganesa vierarmig und trägt folgende Attribu­ Zahn, Bogen, Schlinge, Muschel, Pfeil und te: Pfeil und Bogen, Schlinge und Stachel­ stock. Er sitzt mit der nackten DevI auf Büschel aus Reisstroh. einem Lotusthron und berührt ihren Schoß. Bei einer zehnarmigen Darstellung (MahäGanapati), bei der die Sakti auf seinem Schoß 2.6.3 Ganesa mit seinen sitzt, zeigt Ganesa die Attribute Lotus, Gra­ Gemahlinnen (Sakti) natapfel, Wassergefäß, Keule, Zahn, Zucker­ Die Gemahlinnen Ganesas, die Verkörpe­ rohr, Reisstroh und Schlinge. Wenn die Sakti rungen von Weisheit oder göttlichem Wissen zur Seite Ganesas steht (Pihgala-Gapapati), (Buddhi) und Erfolg oder Vollendung (Sid- wird der Gott meist sechsarmig dargestellt. dhi) darstellen, müssen eher abstrakt als die Seine Attribute sind Mango, Blüte, Zucker­ weibliche Energie (Sakti) des Gottes verstan­ rohr, Süßigkeiten und Axt. In einer Variante den werden. Um sie soll Ganesa gleichzeitig kann er die Attribute Schlinge, Vajra (Don­ mit seinem Bruder Kärttikeya (—» Skanda) ge­ nerkeil), Gebetskette und Stachelstock worben haben. Derjenige von beiden, der es zeigen. schaffen würde, als schnellster um die ganze Welt zu reisen, sollte beide Göttinnen zur Frau bekommen. Als Skanda nach langer, 2.6.4 Ganesa als Überwinder aller beschwerlicher Reise zurückkehrte, war sein Hindernisse (Vighnesvara) Bruder Ganesa schon mit Buddhi und Siddhi Der elefantenköpfige, dickbäuchige Ganesa verheiratet. Dargestellt wird Ganesa in der ikonographi- hat als Tragtier die Ratte. Als Überwinder schen Umsetzung der Saktivorstellung zu­ aller Hindernisse auf dem Weg zur geistigen sammen mit der Göttin —» Lak$ml, ursprüng­ Vollkommenheit stürmt er vorwärts wie ein lich eine Erdgöttin ujid im heutigen Hinduis­ Elefant durch den Dschungel, beseitigt jegli­ mus die Gemahlin von Vi$nu. Es lassen sich che Art von Illusionen und Laster, so wie der 133

Das hinduistische Pantheon

Ganesa als Überwinder aller Hindernisse, Vighnesvara.

Elefant Bäume entwurzelt, Gras niedertram­ pelt und Flüsse und Teiche durchwatet. Sein Tragtier, die Ratte, die sich zu jedem verrie­ gelten Kornspeicher Zugang verschaffen kann, verkörpert die dem Gott innewohnen­ den Eigenschaften. Die Vighnesvara-Skulptur zeigt Ganesa ent­ weder stehend oder sitzend. Zu erkennen ist diese Darstellungsform an dem Tragtier, der Ratte, oder gelegentlich auch einem Löwen. Gewöhnlich ist Vighnesvara vierarmig, doch sind auch Darstellungen mit sechs, acht, zehn oder sechzehn Armen bekannt. Seine wichtigsten Attribute sind Schlinge und Sta­ chelstock. Die Opferschnur und der Gürtel sind eine Schlange, und seine Kopfbedekkung ist die Adelskrone.

134

2.6.5 Gan esa als Kin d (Bäla-Ganapati) Diese Darstellung soll daran erinnern, daß Ganesa ein Sohn von §iva ist. Sein kindlicher Körper trägt den großen Elefantenkopf, in dessen Rüssel er einen Holzapfel hält. BälaGanapati ist vierarmig und trägt Früchte als Attribute, darunter eine Mango, eine Bana­ ne, eine Jambufrucht und Zuckerrohr. Diese Ganesa-Skulptur wird im Fruchtbarkeitskult verehrt, und man verspricht sich von ihr eine gute Ernte. Ähnlich wird Gariesa auch als Jüngling dar­ gestellt. Er trägt dann den Namen TarunaGanapati und ist daran zu erkennen, daß er neben Früchten auch seine charakteristischen Attribute, den Stachelstock und die Schlinge, in Händen hält.

Gatfesa, der Gott der Weisheit

2.6.6 Der tanzende Ganesa (Nrtta-Ganapati) Die Pose des Tanzes, so wie sie von Siva bekannt ist, offenbart sich bei der Tanzdar­ stellung des schwerfälligen Ganesa kaum. Ein Bein ist lediglich leicht angehoben, be­ rührt aber mit dem Fuß noch den Boden, und einer der vier Arme ist vor dem Körper zur Elefantengeste ausgestreckt. Verschiede­ ne Skulpturen zeigen unterschiedliche Attri­ bute wie Gebetskette, Axt, Süßigkeiten, Schlinge, Schlange, Lotusblüte und Zahn.

2.6.7 Der fünfköpfige Ganesa (Heramba) Als achtarmiger, fünfköpfiger Ganesa ist He­ ramba der Beschützer der Schwachen. Wenn in dem die Skulptur umgebenden Nimbus (der Aura) sechs Miniaturabbildungen von Ganesa zu sehen sind, dann wird die Statue vor allem von der Sekte der Ganapatyas oder einer ihrer sechs Untersekten verehrt. Vier der fünf Elefantenköpfe blicken in die vier Himmelsrichtungen, während der fünfte

Gaijesa als Tänzer, Nftta-Ganapati.

nach oben schaut. Heramba sitzt meistens auf einem Löwerl und gelegentlich auf einer Ratte. Die acht Arme zeigen die Geste der Schutzverheißung und Wunschgewährung und tragen folgende Attribute: Schlinge, Zahn, Gebetskette, Axt, Keule und Süßig­ keiten.

2.7 Skanda (Kärttikeya, Subrahmanya), der Gott des Krieges Skanda, der Gott des Krieges, der den höch­ sten vedischen Gott —> Indra und dessen Va­ ter —»Agni im brahmanischen Pantheon er­ setzte, wird im heutigen Hinduismus als der jüngere Sohn Sivas angesehen. Skanda erhielt seinen Rang in der Verehrung, als die Zeit der Epen angebrochen war. Durch zum Teil widersprüchliche Geburtslegenden erfuhr der neue Gott des Hinduismus auf der Ebene der mythischen Erzählung Aufnahme in den sivai tischen Götterkreis. Die Welt wurde von einem übermächtig ge­ wordenen Dämon namens Täraka bedroht,

und die Götter waren machtlos gegen ihn. Sie traten an Siva heran, der zu dieser Zeit im Himälaya als Asket lebte, und baten ihn, mit seiner Gemahlin Pärvati ein Kind zu zeugen, das Täraka besiegen könnte. Siva jedoch, der in seiner Askese nicht gestört werden wollte, übergab seinen Samen dem Boten der Götter und versprach, daß daraus ein kriegerisches, siegreiches Wesen erwachsen würde. Der Sa­ men war jedoch so heiß, daß er im Wasser der Gangä abgekühlt werden mußte. Das Wasser begann darauf zu kochen und warf den Samen ans Ufer, wo kurz darauf Kärtti-

135

Das hinduistische Pantheon

keya geboren wurde. Sechs himmlische die Göttin Devasenä, eine Tochter des vediNymphen, Verkörperungen der Plejaden, schen Kriegsgottes Indra, und in Südindien die an den Fluß zum Baden kamen, fanden die Göttin VallL Da die Verehrung Skandas das wunderschöne Kind und stritten sich in Südindien besonders stark ist, wird Skanda darum, wer es aufziehen dürfe. Darauf er­ trotz seines scheinbaren Desinteresses am hielt Kärttikeya sechs Köpfe und Münder, weiblichen Geschlecht in einer Skulptur dar­ damit alle sechs Göttinnen ihn stillen konn­ gestellt, die ihn in einer Hochzeitsszene ten. Seinen Namen, Kärttikeya, erhielt der (Valli-Kalyänasundara-Mürti) zeigt. Diese Sohn Sivas, weil die Plejaden (Kfttikäs) ihn Skulptur wurde parallel zu der Hochzeits­ aufgezogen haben. szene Sivas (-»Kalyänasundara-Mürti) ge­ Als Kärttikeya herangewachsen war, trat er schaffen. dem Dämon Täraka und seinem Heer entge­ Das Tragtier des Skanda ist der Pfau oder der gen und besiegte ihn. Elefant, als das charakteristische Tragtier Skanda, der Kriegsgott, wird gewöhnlich als eines Feldherrn. Wie für einen Kriegsgott strahlend-schöner Jüngling gedacht, was ihm üblich, trägt Skanda vor allem Waffen als auch den Beinamen Kumära gegeben hat. Attribute. Eine besonders siegreiche Waffe Ihm sind vor allem in Südindien unter dem ist der Speer, der wie ein Bumerang in seine Namen Subrahmanya oder in der Identifika­ Hände zurückkehrt. Er erinnert dabei an die tion mit dem tamilischen Gott Murugan eine Waffe des vedischen Kriegsgottes —> Indra, Reihe von Tempeln geweiht. Darüber hinaus besitzt Skanda noch eine Vielzahl anderer Namen, da er als Schutzgott in jedem Dorf und in jeder Stadt unter einem anderen Aspekt verehrt und je nach Größe der Ort­ schaft zwei-, vier-, acht- oder zwölfarmig dargestellt wird. Die Mythen sehen Skanda auch in engem Zusammenhang mit den acht Müttern (s. Kap. 2.5.2.3), die neben tierköpfigen Dä­ monen sein teils furchtbares, teils freund­ liches Gefolge bilden. Zusammen mit diesem Gefolge wird der Kriegsgott mit dem Titel Mahäsena verehrt, was soviel bedeutet wie »der große General«. Die Verehrung Skandas zusammen mit sei­ nen Gemahlinnen tritt gegenüber den SaktiKulten der anderen sivaitischen Götter in den Hintergrund. Zum einen soll Skanda zusam­ men mit seinem älteren Bruder Ganesa er­ folglos um die Göttinnen Buddhi und Siddhi geworben haben, und zum anderen werden Der ewig jugendliche Gott des Krieges, Skanda, der als Sohn Sivas auch unter dem Namen Kärttikeya und Subihm Göttinnen als Personifikation der Göt­ rahmapya bekannt ist. Sein charakteristisches Attribut terarmee zugeordnet. Dies ist in Nordindien ist der Hahn. 136

Skanda (Kärttikeya, Subrahmaryya), der Gott des Krieges

den Donnerkeil (Vajra). Ferner hält Skanda Pfeil und Bogen, Schwert, Axt, Donnerkeil (Vajra), Speer, Glocke, Schild, Gebetskette, Siegesfahne und das neben dem Speer charak­ teristischste Attribut, den Hahn. Skanda- und Kärttikeya-Skulpturen zeigen die Gottheit hauptsächlich in drei unter­ schiedlichen Erscheinungsbildern: in der Yoga-Pose mit zwei Armen, auf seinem Tragtier mit vier Armen und für den Kampf ausgerü­ stet mit zwölf Armen. Sechs- und achtarmige Skulpturen von Skanda sind ausgesprochen selten. Die für den Gott charakteristischen Handgesten sind die Mudräs der Schutzver­ heißung und Wunschgewährung. Zweiarmi­ ge Skulpturen, die Skanda als immer jugend­ lichen Gott zeigen, zeichnen sich dadurch aus, daß ein Arm in der Haltung der Zwang­ losigkeit, mit der Hand an der Hüfte abge­ stützt, gezeigt wird.

2.7.2 Skanda als Vernichter der Dämonen Nach Auffassung der Sivaiten wurde Skanda als Sohn Sivas geboren, um den die Götter belästigenden Dämon Täraka zu töten. Als Tarakari zeigt die Skulptur den Gott in seiner mächtigsten Form, nämlich zwölfarmig, mit folgenden Waffen: Elefantenhaken, Sieges­ fahne, Schwert, Schlinge, Diskus, Mörser­ keule, Speer, Donnerkeil (Vajra) und Schild. Die drei übrigen Hände zeigen die Gesten der Schutzverheißung und der Wunschge­ währung sowie die Lotusgeste. Sechsköpfig und achtarmig wird Skanda als Krauncabhettä dargestellt. Mit seinem Schwert teilte er den mythischen Berg Krauhca im Himälaya und tötete damit die dämonische Personifikation dieses Berges.

2.7.1 Skanda mit seinen Gefährtinnen Skulpturen, bei denen Skanda mit Devasenä oder Valli dargestellt wird, benennen die Gottheit mit Senäpati und Devasenäpati (»Feldherr«). In der Senapäti-Skulptur hat Skanda zwölf Arme und sechs Gesichter, was darauf verweisen soll, daß er von sechs Göt­ tinnen aufgezogen und gestillt wurde. Die Göttin sitzt auf seinem linken Schoß, und Senäpati hält sie im Arm. Die anderen Arme zeigen die Attribute Speer, Lotus, Dreizack, Schild, Donnerkeil (Vajra), Bogen, Keule, Glocke, Hahn, Siegesfahne, und eine Hand verheißt Schutz. Als Devasenäpati (Anführer der Götter) hat Skanda ein Gesicht und vier Arme. In den Händen hält er Muschel und Diskus (Cakra) und zeigt die Geste der Schutzverheißung und Wunschgewährung.

Skanda in seiner mächtigsten Erscheinung als Vernichter des Dämons Täraka.

137

Das hinduistiscbe Pantheon

2.7.3 Skanda als Kind (Balasvämin und Bäla-Subrahmanya) Siva und Pärvati werden zusammen mit dem Kleinkind Skanda in einer Gruppe abgebil­ det. Diese Gruppe, die —»Somäskanda ge­ nannt wird, ist vor allem in Südindien popu­ lär. In der Gruppendarstellung trägt der klei­ ne, nackte Subrahmanya (Skanda) eine Lotusblüte in jeder Hand. Wenn er allein darge­ stellt wird, trägt er nur in einer Hand einen Lotus, während die andere auf der Hüfte liegt. Typisch ist für Subrahmanya auch die Tanz­ haltung. Die Skulptur ist der des tanzenden —»Kr$na ausgesprochen ähnlich. Sie unter­ scheidet sich jedoch dadurch deutlich, daß Subrahmanya statt des rechten das linke Bein angehoben hat. Allerdings kann nicht eindeutig gesagt wer­ den, ob es sich bei der Darstellung eines krabbelnden Kindes um Subrahmanya oder um Kr$na handelt.

2.7.5 Subrahmanya als Lehrer Wenn Subrahmanya als junger Brahmin dar­ gestellt wird, heißt die Skulptur Brachmacäri-Subrahmanya. Die Gottheit steht mit leichter Körperschwingung auf einem Lotussockel und ist zweiarmig. Die Attribute sind Stab und Vajra. Auf dem Kopf ist der für einen Brahmin charakteristische Haarturban zu sehen. Um den Oberkörper trägt die Gottheit die Opferschnur und um die Hüfte einen Gürtel aus Gras. In einer anderen Darstellung wird Subrah­ manya gezeigt, wie er seinen Vater Siva von der Bedeutung der heiligen Silbe (AUM) un­ terrichtet. Subrahmanya heißt in dieser Skulptur Desika-Subrahmanya. Er hat sechs Arme. Drei Hände zeigen die Gesten der

2.7.4 Darstellung der Hochzeit (Vallikalyänasundara-Mürti) Diese szenische Darstellung zeigt Subrah­ manya (Skanda), wie er mit der Göttin Valli verheiratet wird. Die Ehe wird durch Brahmä, der einen Opferlöffel trägt, geschlossen. Vi$nu steht dabei und hält ein Gefäß mit Wasser. Rundherum sind Götter und Göt­ tinnen zu sehen. Als Hochzeitspaar sind Subrahmanya und Valli prunkvoll ge­ schmückt. Subrahmanya wird vierarmig dar­ gestellt. Eine Hand zeigt die Geste der Schutzverheißung, eine weitere ruht auf der Hüfte, und die beiden anderen halten die Attribute Vase und Gebetskette. Skanda als junger Brahmane.

138

Skanda (Kärttikeya, Subrahmartya), der Gott des Krieges

Schutzverheißung, der Wunschgewährung und der Lehrverkündung, zwei weitere Hän­ de halten je eine Gebetskette und die sechste trägt einen Speer. Während der Unterwei­ sung sitzt Subrahmanya auf seinem Tragtier, dem Pfau. Auf dem Kopf trägt er die Topf­ krone.

§iva ist in der Darstellung sitzend in YogaPose vor seinem Sohn zu sehen. Pärvati steht neben ihm. In dieser Szene heißt der vierar­ mige 6iva §i$yabhäva-Mürti. Mit einer Hand hält er sich den Mund zu, die andere hält er in der Geste der Weisheit vor der Brust. Seine Attribute sind Meißel und Antilope.

2.8 Die vediscben Götter im Hinduismus Dem Glauben an die Dreiheit der Götter (Brahma, Vi$nu und §iva) und den damit verbundenen Glaubensbekenntnissen der or­ thodoxen Hinduisten ging die Zeit des Veda vorauf, in der eine Reihe anderer Götter als die höchsten angesehen und verehrt wurden. Diese vedischen Götter spielten im späteren Hinduismus eine nur noch untergeordnete Rolle und werden heutzutage lediglich als Wächtergottheiten verehrt. Wenn man von den Veden spricht, dann meint man damit einerseits die Zeitperiode von 1600 bis 500 v. Chr. und andererseits die in Sanskrit abgefaßte religiöse Literatur, die auf den mündlichen Überlieferungen der nach Indien eingewanderten Arier basiert und für den Hinduismus eine Art alttesta­ mentarischen Stellenwert besitzt. Was wir über die vedische Religion und deren Götter wissen, geht auf diese priesterlichen Schriften zurück. Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß neben den ursprünglich arischen Glaubensbekenntnissen auch ein lebendiger autochthoner Glaube der Draviden, der Ur­ einwohner Indiens, lebendig blieb und in ständigem Widerstreit mit den Veden stand. In der vedischen Zeitperiode von 1000 bis 500 v. Chr. trat eine erbliche Priesterschaft als privilegierter Stand den meist aus Bauern bestehenden Volksschichten gegenüber und legte damit den Grundstein für eine Herr­ schaftsordnung, die uns bis zum heutigen Tage als Kastensystem bekannt ist. Zunächst

zeichnete sich eine berufsständische Gliede­ rung ab, die dann, gegründet auf den religiö­ sen Glauben, dazu überging, die Menschen nach ihrem jeweiligen göttlichen Ursprung in eine Rangfolge von Priestern und Brahmanen, Kriegern, Ackerbauern und Kaufleuten sowie eine unterworfene Klasse der Urein­ wohner, einzuteilen. Die vedischen Glau­ bens- und Herrschaftssysteme waren jedoch nicht so stark, daß sie den ursprünglichen indischen Glauben an Dämonen (—»Yak$as und —»Nägas) und an Fruchtbarkeits- und Muttergottheiten, über den man mangels schriftlicher Überlieferung nur sehr wenig weiß, gänzlich verdrängen konnten. Der ve­ dische Glaube entwickelte sich auf indischem Boden über viele Jahrhunderte, wobei ur­ sprünglich arische und indisch autochthone Glaubensformen sich gegenseitig durchdran­ gen, ja miteinander verschmolzen, bis das entstand, was man heute im religiös-sozialen Kontext als Hinduismus bezeichnet. Mit dem Aufkommen neuer religiöser An­ schauungen, wie etwa mit dem Jinismus und Buddhismus, verloren dann die Veden im 4.Jh. v. Chr. ihren Einfluß auf das religiöse Denken der Inder. Die Überlieferungen wur­ den der Auslegung philosophischer Lehren unterworfen, die dem entstehenden Hinduis­ mus entsprechend einen unpersönlichen Weltgrund als Anfang aller Dinge sahen, der Brahman oder Ätman (»Weltseele«) genannt wurde. Man sah fortan in den Veden eine Art

139

Das hinduistische Pantheon

Urwissen, das von Ätman ausgehaucht wor­ den war; die Zeit aber war vorangeschritten, die vedischen Götter galten als besiegt und wurden den hinduistischen untergeordnet. Im vedischen Glauben waren die Götter be­ lebte Naturerscheinungen, oder sie wurden mit überirdischen Mächten identifiziert. Man verehrte Flüsse, Berge und Bäume als beseel­ te Wesen und sah im Himmel den Gott Dyaus, in der Erde die Göttin PfthivI, in der Sonne den Gott Sürya, in der Morgenröte die Göttin U$as, im Wind den Gott Väyu und in den anderen Naturerscheinungen weitere himmlische Wesenheiten. Der Gott des Feu­ ers, Agni, galt einerseits als Bestandteil der Natur, andererseits verkörperte er aber auch das zum vedischen Alltag gehörende Opfer und bildete damit den Übergang zu anderen ethisch intendierten Gottheiten, die wie Varuna, der Gott des Wassers, als Hüter der Wahrheit und Wächter über die Weltord­ nung angesehen wurden. Geringer war die Zahl der spekulativen Gottheiten wie bei­ spielsweise Bfhaspati, einer der Lehrer der Götter, der heute mit dem Planetengott Jupi­ ter identifiziert wird. Die vedischen Götter standen ohne An­ spruch auf einen bestimmten Rang nebenein­ ander, waren also weitgehend selbständig. Ihnen wurden irdische Leidenschaften und Wünsche nachgesagt, denn sie verfügten über einen eigenen Willen und ein persönliches Denken. Sie konnten jedoch nicht losgelöst von den Menschen gesehen werden: Die Menschen lebten mit den Naturerscheinun­ gen, die Götter bedurften der Opfer. Somit stand das Opferritual im Vordergrund des vedisch-religiösen Handelns. Mit der Zeit wurde dann aber das Ritual mehr und mehr von religionsphilosophischer Spekulation verdrängt, so daß der vedische Polytheismus von einer monotheistischen und pantheistischen Auffassung überlagert wurde.

140

Diese Zeit wird gekennzeichnet durch die im 8. bis 6.Jh. v. Chr. abgefaßten Ritualtexte, die sogenannten Brähmanas, die sich an die frühe Hymnendichtung der Veden anschlos­ sen. Man war auf der Suche nach einem höchsten Gott. In den Mythen wurden die Götter in zunehmendem Maße durch die Schilderung ihrer Taten und Erlebnisse ver­ menschlicht und man schien ihr ursprüngli­ ches Dasein, in dem sie personifizierte Na­ turkräfte gewesen waren, zu vergessen, so daß sich in später Zeit Göttererzählungen stärker im Licht der Heldensage als des Naturmythos’ zeigen. Eine ganze Reihe von Göttern wurde als Schöpfer und Beherrscher des Universums verehrt, ihre Eigenschaften und Machtberei­ che überlagerten sich und man begann, dar­ über nachzusinnen, wem denn nun der höch­ ste Rang in einer nun als notwendig erachte­ ten Hierarchie gebühre. Vorerst schien die Frage gelöst zu sein, indem man einen unper­ sönlichen, abstrakt gedachten Gott mit dem Namen Prajäpati als die allmächtige Gottheit ansah. Prajäpati wurde dann auch als der Gott, der die Veden erschaffen hatte, angesehen und verehrt, obwohl diese Verehrung im Volk nur wenig Anklang fand. Prajäpati soll aus der Erde das Feuer, aus dem Luftraum den Wind und aus dem Himmel die Sonne er­ schaffen haben. In einem weiteren Schöp­ fungsakt ließ er darauf aus den Natursubstra­ ten die Veden entstehen, aus dem Feuer den Rgveda, aus dem Wind den Yajurveda und aus der Sonne den Sämaveda. Als dann Brahmä mit Prajäpati identifiziert wurde, stellte sich die Frage, ob Brahma nun eine Mani­ festation der alten Götter oder eine völlig neue Gottheit sei. Wie die Betrachtung des heutigen Hinduis­ mus zeigt, wurde der Konflikt zugunsten der sogenannten neuen Götter, beziehungsweise

Die vedischen Götter im Hinduismus

der Götter, die in den Veden einen niedrige­ ren Rang hatten, gelöst. Vieles aus Mythen und Gottesvorstellungen der vedischen Zeit übertrug sich dann auf die hinduistischen Götter Brahma, Vi$nu und Siva (—»Trimürti). Das religiöse Ritual hatte den vedischen Opferkult abgelöst, und man erkannte das Prinzip des fortwährenden Wechsels von Tod und Wiedergeburt, dem fortan auch die vedischen Götter unterwor­ fen sein sollten. Der hinduistischen Dreiheit sprach man die Hauptfunktionen in diesem Weltgeschehen zu, und die vedischen Götter wurden als untergeordnete Gottheiten neben Tiergöttern, personifizierten Naturkräften, Heiligen, Ahnengöttern und anderen halb­ göttlichen, halb-dämonischen Wesen mitver­ ehrt. Die Götter, die neben den großen hin­ duistischen Gottheiten existieren und unter dem Sammelbegriff Devas vereint sind, be­ deuten im Hinduismus ebensowenig wie die Menschen selbst eine objektive Realität. Sie werden lediglich als Phänomene angesehen und sind somit eine eher subjektiv erfahrbare Realität. Es gehört zur Machtbefugnis der Götter, zu nehmen und zu geben, zu schaden oder zu helfen. Daseinserscheinungen der Menschen wie Krankheit, Gesundheit, Leid und Glück gelten als gottgewollt und liegen deshalb außerhalb des Einflußbereichs der Menschen. Unterwirft man sich aber dem Willen der Götter, opfert ihnen und führt einen rechtschaffenen Lebenswandel, dann kann man nach dem Tod sogar gottähnlich werden und mit ihnen gemeinsam für eine gewisse Zeit den Himmel Svarga bewohnen.

2.8.1 Der Sonnengott Surya Der vedische Sonnengott wurde als Lebens­ spender, Ursprung aller Dinge und als Schöpfer des Universums hoch verehrt. Hin­ ter dem Namen Sürya (auch Savitar) verber­ gen sich eine Reihe von Göttern, die mit der Kraft der Sonne in Verbindung gebracht wer­ den und die zu den Ädityas, Söhnen von Aditi, einer abstrakten Gottesvorstellung, die Unendlichkeit personifizierend, zählen. Unter diesen Gottheiten befinden sich Mitra, Bhaga, Rudra, Aryaman, Varuna, Pü$an, Savitf, Tva§tv> Vivasvän, Vi$nu, Sürya und Dak$a. In frühester Zeit, als Sürya noch nicht ver­ menschlicht war, wurde er als Riesenvogel mit strahlenden Schwingen gedacht. Später erhielt er dann eine anthropomorphe Gestalt und wurde in einem Wagen, der von sieben Pferden - als Symbol für die sieben Wochen­ tage - oder von einem siebenköpfigen Pferd gezogen wurde, dargestellt. Die volkstümlichen Legenden wissen von einer Vielzahl von Gemahlinnen und Kin­ dern des Sonnengottes zu berichten. Daß seine Ehen nicht immer glücklich waren, die Sonne also auch einmal im Dunklen verbor­ gen lag, davon gibt besonders eine Mythe Zeugnis. Sürya war mit Samjhä, der Tochter des göttlichen Bauherrn des Universums, —»Visvakarman, verheiratet. Da Samjhä aber den ewigen Glanz ihres Gatten nicht ertragen konnte, verließ sie ihn und hinterließ ledig­ lich ihren Schatten. Sürya fiel der Verlust seiner Gemahlin erst auf, als ihm der Schat­ ten (Chäyä) drei Söhne geboren hatte. Auf der Suche nach seiner Gemahlin beriet sich Sürya mit seinem Schwiegervater Visvakar­ man, der ihm riet, seinen Glanz abzulegen. Er wollte Sürya dabei behilflich sein und schuf eine wunderschöne Gestalt, deren Füße jedoch weiterhin strahlten. In seiner

141

Das hinduistische Pantheon

neuen Gestalt fand Sürya dann seine Gemah­ lin Samjnä in den kalten Regionen des Nor­ dens wieder. Unter den Kindern von Sürya waren die Zwillinge Yama und Yami, die als die ersten Menschen angesehen und später vergöttlicht wurden. Aus Yama wurde der Gott des To­ des und aus Yami die lebenspendende Fluß­ göttin Yamunä. Die Verehrung Süryas war bis ins 12.Jh. n. Chr. so stark, daß dem Sonnengott eigene Tempel geweiht waren. Im heutigen Hindu­ ismus hat Sürya lediglich den Rang eines Planetengottes (s. Kap. 2.9). Sürya wird in der ikonographischen Umsetzung in gerader Pose stehend auf einem Lotussockel darge­ stellt. Er ist zweiarmig und trägt in den Hän­ den als Attribut je einen Lotus. Sein Gesamt­ erscheinungsbild ist freundlich. Um seinen Kopf herum ist eine Art Heiligenschein oder ein Nimbus zu erkennen. Charakteristisch ist auch das Gewand des Gottes, das als »nördli­ ches Gewand« (s.Kap. 7.4.1) bezeichnet wird. Normalerweise dürfen Süryas Füße nicht abgebildet sein, was damit umgangen wurde, daß er eine Art Stiefel trägt, oder die

Sürya in seinem von sieben Pferden gezogenen Wagen.

142

Der Sonnengott Surya.

Die vedischen Götter im Hinduismus

Beine und Füße bei Steinskulpturen nicht im Detail ausgemeißelt sind. Einem Bildhauer, der diese Besonderheit nicht beachtete, droh­ te nach allgemeiner Auffassung die Gefahr, von Lepra befallen zu werden. Das Bild des Sürya kann durch eine Reihe von Begleitgestalten ergänzt sein. Unter ihnen befinden sich die beiden Torwächter Dandi und Pihgala und zwei kleine Göttin­ nen in fliegender Pose seitlich vom Kopf des Gottes, die als Verkörperungen des Morgen­ grauens die Dunkelheit mit Pfeilen vertrei­ ben. Die Torwächter von Sürya tragen in ihren Händen andere Dinge, entweder Wedel oder Schwerter. Seitlich im Hintergrund oder auch auf dem Sockel ist häufig das Trag­ tier von Sürya, das siebenköpfige Pferd, oder auch sieben einzelne Pferde abgebildet.

2.8.2 Die Wächter der Welt­ regionen (Dikpäla) Die Bezeichnung Weltregion bezieht sich nicht auf die aus der archaischen Kosmographie stammende Vorstellung von Erde, Un­ ter- und Himmelswelt, sondern auf die vier Himmelsrichtungen. Die vedischen Götter —> Indra, —»Varuna, —»Yama und —»Kubera sind im Hinduismus die Hüter des Ostens, Westens, Südens und Nordens. Die Sonne geht im Osten auf. Da sie als der Ursprung aller Energie angesehen wird, wer­ den die Götter als im Osten wohnend ge­ dacht. Aus diesem Grund ist der vedische König der Götter, Indra, wohl auch der Wächter dieser Region. Die nach Indien ein­ gewanderten Arier verehrten ihre eigenen Gottheiten und standen den Drawiden und ihrer Religion feindlich gegenüber. Da der Süden Indiens nicht von den Ariern be­ herrscht wurde und autochthone Glaubens­ bekenntnisse dort weiterlebten, galt auch die

südliche Himmelsrichtung als verehrungs­ würdig. Somit wurde Yama, der Gott des Todes, zum Wächter des Südens ernannt. Im Westen grenzt das große Meer, die arabi­ sche See, an Indien. Da Varuna der Gott des Wassers ist, wurde er zum Hüter über die westliche Himmelsrichtung. Den Dämonen (Yak$as), die als im Norden lebend gedacht werden, gab man Kubera, den Herrn des Reichtums und König der Dämonen, als Wächter des Nordens bei. Später wurden zu den vier Wächtergottheiten noch weitere vier für die »kleinen« Himmels­ richtungen benannt, so daß im heutigen Hin­ duismus ingesamt acht Welthüter (Lokapälas) verehrt werden. Zu den vier bereits ge­ nannten kamen Sürya für den Südwesten, Soma für den Nordosten, Agni für den Süd­ osten und Väyu für den Nordwesten hinzu. Für den Sonnengott Sürya und den Mond­ gott Soma nennen andere Texte die Gotthei­ ten Nirfti und Isa (§iva). Die heute gültige Darstellung der acht Welt­ hüter (A$tadikpäla), die in den meisten Tem­ peln in Form von Skulpturen oder in Reliefs, oft zusammen mit den jeweiligen Tragtieren der Götter, zu sehen ist, zeigt demnach fol­ gende Gottheiten: den Gott des Krieges und König der Götter, Indra, im Osten mit sei­ nem Elefanten; den Gott des Todes, Yama, im Süden mit dem schwarzen Büffel; den Wassergott Varuna im Westen mit seinem Seeungeheuer (Makara); den Gott des Reich­ tums, Kubera, im Norden mit Elefant, Zie­ genbock, Pferd oder Mungo; den Gott des Feuers, Agni, im Südosten mit der Ziege; den Gott des Unglücks, Nirfti, im Südwesten mit einem Löwen, Menschen, Esel oder Hund; den Gott des Windes, Väya, im Nordwesten mit einer Antilope oder einem Löwen und den Gott Isäna, der einen Aspekt Sivas ver­ körpert, im Nordosten mit seinem weißen Stier.

143

Das hinduistische Pantheon

Die neun Weltenhüter mit ihren Tragtieren. Norden: Kubera auf seinem Pferd; Nordosten: Isa auf seinem Stier; Osten: Indra auf seinem Elefanten; Südosten: Agni auf seinem Ziegenbock; Süden: Yama auf seinem Büffel; Südwesten: Nirfti auf einem Menschen; Westen: Varuna auf seinem Seeungeheuer; Nordwesten: Väyu auf seiner Antilope.

144

Die vediscben Götter im Hinduismus

2.8.2.1 Der König der Götter, Indra Indra galt in der Zeit der Veden als Gott des Donners, des Regens und der natürlichen Elemente. Für die arische Kriegerkaste war er der Patron, denn frühere Zeiten sahen in ihm den arischen Kriegsgott. Als Sohn des Vatergottes Himmel (Dyaus) und der Erd­ göttin Pfthivi wurde er aufgrund seiner Füh­ rungseigenschaften, die mit Kraft und Mut gepaart waren, zum König der Götter er­ nannt. Ihm wurde das berauschende, aus einer Pflanze gekelterte Getränk Soma geop­ fert, wenn die Sonne die Erde ausgetrocknet hatte und Dürre das Leben bedrohte. Im Rausch zog Indra dann gegen den Dämon Vrtra, der die Dürre verkörperte, und verjag­ te ihn mit seiner Waffe, dem Donnerkeil (Vajra). In den Blitzen sahen die Menschen den Donnerkeil des Gottes und im Donner seine unermeßliche Wut und seinen Kampf­ ruf. Dann begann es zu regnen, und Indra hatte die Welt mit all ihren Lebewesen geret-

Indräni, die Gemahlin des vedischen Königs der Götter und Tochter eines Dämonen. Hinter ihr steht Indras Tragtier, der Elefant, und in ihrer rechten Hand hält sie das charakteristische Attribut ihres Gemahls, den Don­ nerkeil (Vajra).

Indra, der König der Götter und Kriegsgott der vedi­ schen Arier, auf seinem weißen Elefanten.

tet. Der mächtige Gott wurde auf einem weißen Elefanten mit vier Stoßzähnen, der aus der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) hervorgegangen war, reitend gedacht. Der Elefant war das typische Reittier von Feld­ herren und Königen. Das berauschende Getränk Soma, das an­ fangs Kraft gab, aber nicht unmäßig genossen werden durfte, machte den König der Götter anfällig. Die Mythen berichten, daß er zu­ nehmend an Macht verlor und diese manch­ mal sogar an Dämonen abtreten mußte, die sich durch das Üben strengster Askese die Herrschaft der Welt errungen hatten und nur von hinduistischen Hauptgöttern wie Siva und Vi$nu besiegt werden konnten. So verlor Indra langsam seinen Rang und wurde schließlich zum Wächter der östlichen Him­ melsrichtung.

145

Das hinduistische Pantheon

Indras Gemahlin ist Indräni, die Tochter eines Asura (s. Kap. 2.11.1). Indräni verkör­ pert Macht und zählt auch zu der Gruppe der acht Mütter (s. Kap. 2.5.2.3). Indra wird zwei- oder vierarmig dargestellt. Seine Attribute sind der Donnerkeil (Vajra) und der Stachelstock. Die beiden anderen Hände zeigen die Gesten der Schutzverhei­ ßung und Wunschgewährung. Meistens wird Indra auf seinem Elefanten reitend oder vor seinem Tragtier stehend wiedergegeben.

2.8.2.2 Der Gott des Feuers, Agni In vedischer Zeit unterschied man das Feuer auf der Erde, das Feuer in der Luft (in Form von Blitzen) und die Sonne als Feuer im Himmel. Somit gehörte Agni neben dem Sonnengott Sürya und dem Gott des Don­ ners, Indra, zur vedischen Götterdreiheit. Das Opfer stand in engem Zusammenhang mit Feuer, denn Flammen trugen die Opfer­ gaben zu den Göttern empor. Neben fünf Arten von natürlichem Feuer kannte man fünf Arten des rituellen Feuers. Zum natürlichen Feuer zählte jeglicher Brand auf der Erde, der Blitz, die Sonne, das Feuer im Körper, das der Verdauung dient, und das ursprüngliche Feuer der Zerstörung, bei­ spielsweise in Form eines Vulkans. Rituelles Feuer (Brahmä-agni) kann spontan entste­ hen, wenn man ein spezielles Mantra aufsagt (s. Kap. 1.1). Dazu zählen auch das Feuer, das einem jungen Brahmanen gegeben wird, wenn er seine Opferschnur erhält (Prajäpatya-agni), das Herdfeuer als Zentrum des häuslichen Opfers (Gärhapatya-agni), das Feuer des Exorzisten, das mit dem Feuer der Verstorbenen in Verbindung steht (Dak$inaagni), und das Feuer einer Leichenverbren­ nungsstätte, dem Lebende nie zu nahe treten dürfen (Kravyäda-agni).

146

Agni war der Gott, der Wärme ausstrahlte und in der Dunkelheit Licht spendete. Er wohnte als unsterblicher Gott unter den Sterblichen und diente als Bote zwischen Menschen und Göttern, indem er die Opfer in den Himmel trug. Doch langsam verlor auch der vedische Gott des Feuers an Bedeutung. So wie Indra sich an zuviel Soma berauschte, war Agni uner­ sättlich im Genuß von Butter, die in das Opferfeuer gegossen wurde. Einmal soll er sich so sehr übernommen haben, daß ihm speiübel von dem Opfer wurde; darauf ver­ schlang er einen Wald, um sich wieder zu kräftigen. Die Flammen des Feuergottes wurden als sieben Zungen gedacht, mit denen er die

Agni, der Gott des Feuers.

Die vedischen Götter im Hinduismus

Der dreibeinige, zweiköpfige Agni auf seinem Ziegenbock.

Opferbutter leckt. Außerdem hat er einen feurigen Bart, goldene Zähne, und sein Wa­ gen wird von feurigen Pferden gezogen. Er kann aber auch auf einer Ziege reiten, die die Energie auf der Erde verkörpert. Agni wird zwei- oder vierarmig dargestellt. Die vierar­ migen Bilder zeigen ihn mit zwei Köpfen und drei Beinen. Als Kopfbedeckung trägt er die Flammen eines Feuers. Seine Attribute sind Axt, Fackel, Gebetskette und Flammen­ speer. Obwohl Agni seinen Rang in der vedischen Verehrung verloren hat und im Hinduismus nur noch der Hüter des Südostens ist, wird er auch heute noch vor jedem wichtigen Ereig­ nis angerufen.

2.8.2.3 Der Gott des Todes, Yama Yama, als Sohn des Sonnengottes Sürya, galt als der erste Mensch, der auf Erden lebte und folglich auch als erster, der sterben mußte. In der vedischen Zeit war Yama kein Sünden­ richter, sondern er begleitete die Toten in das

Reich der Ahnen. Sein himmlischer Wohnort (Yamaloka) lag in den südlichen Regionen der Welt. Später sah man in dieser südlichen Region die Hölle, und Yama wurde zum Totenrichter. Sein Gehilfe Citragupta führt über jeden Menschen Buch. Die Verstorbe­ nen gelangen zuerst in das Reich Yamas, wo ihnen ihre guten und schlechten Taten vorge­ lesen werden und Yama dann entscheidet, ob sie in die Hölle, in den Himmel oder zurück in ein neues Leben auf die Erde kommen. Die Zeit zwischen Tod und Ankunft in Ya­ mas Reich soll 4 Stunden und 40 Minuten betragen. Eine Leiche darf so lange nicht verbrannt werden, bis man die Reise für be­ endet erklärt. Auch Yama führt über die Lebenszeit eines Menschen Buch. Wenn die Zeit abgelaufen ist, kommt er selbst oder schickt einen Bo­ ten, um den Menschen abzuholen. Legenden geben wieder, daß man die Boten durch stän­ diges Anrufen eines Gottes vertreiben kann. Yama kann durchaus Mitleid haben und einem zum Tode Bestimmten die Frist ver­ längern. So folgte einmal eine Gemahlin ih-

147

Das hinduistische Pantheon

rem Mann bis vor die Tore von Yamas Reich. Sie hatte ihn geheiratet, obwohl sie wußte, daß er nur noch ein Jahr zu leben hatte. Yama gewährte der treuen, mutigen Frau, die ihren Mann selbst nach dem Tode nicht allein lassen, wollte, einen Wunsch. Sie wünschte sich darauf, hundert Söhne zu bekommen, und da sie dazu ihren Mann brauchte, mußte Yama ihn zum Leben erwecken und mit sei­ ner Gemahlin fortgehen lassen. Skulpturen zeigen den Gott des Todes zweioder vierarmig. Seine Hauptattribute sind Keule und Schlinge. Er kann aber auch ein Schwert, eine Schale Früchte und ein Büschel Blätter tragen. Entweder steht Yama auf einem Lotussockel oder er reitet auf seinem Tragtier, dem 148

schwarzen Büffel. Kleine Hauer, die aus sei­ nen Mundwinkeln ragen, geben dem Er­ scheinungsbild ein furchtbares Aussehen. Bilder von Yama werden von einer Reihe anderer Wesen begleitet. Darunter befinden sich zwei Wächterfiguren mit Wedeln in den Händen, sein Buchhalter (Citragupta), die Personifikation der Zeit (Kala) mit einer Schlinge in der Hand, und andere himmli­ sche und halbgöttliche Wesen. Bei Darstellungen in thronender Pose kann Yama mit seiner Gemahlin Dhumornä auf seinem linken Oberschenkel sitzend abgebil­ det sein. Dhumornä (»Rauchfahne«) verkör­ pert das Verbrennungsfeuer. Ihr Attribut ist der Holzapfel, ein Symbol für Fruchtbarkeit, aber auch für Tod.

Die vedischen Götter im Hinduismus

2.8.2.4 Der Gott des Wassers, Varuna Varuna wurde während der Zeit der epischen Dichtung zum Gott des Wassers, zu einer Art Neptun. In vorvedischen Zeiten war er jedoch der höchste Gott, der Anführer der —»Ädityas, und in dieser Eigenschaft eng mit der Verehrung der Sonne verbunden. Als Hüter der kosmischen Ordnung war er all­ wissend und allmächtig. Er ließ die Sonne am Himmel scheinen, der Wind war sein Atem, er formte die Flußbetten und die Tiefe des Ozeans und ließ den Mond und die Sterne bei Nacht scheinen und am Tag verlöschen. Die Sonne galt als Varunas Auge, und nichts konnte vor ihr verborgen werden. So sah er gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft. Er war ewiger Zeuge der bösen und guten Taten der Menschen. Varuna verlor jedoch seinen Rang unter den Göttern, als diese im Kampf gegen die Dä­ monen keine klare Aufgabenteilung besaßen

und zu unterliegen drohten. So übernahm Indra die Herrschaft über Lüfte und Regen, während Varuna künftig nur noch über die Dämonen des Ozeans zu wachen hatte. Varuiia wird zwei- oder vierarmig dargestellt. Zweiarmige Skulpturen zeigen ihn mit seinem wichtigsten Attribut, der Schlinge, mit der er die Lügner unter den Menschen fängt, während die andere Hand die Geste der Wunschgewährung zeigt. Vierarmig sind ihm die Attribute Schlinge, Schlange und Wassergefäß beigegeben, und die vierte Hand ist die der Wunschgewährung. Als charakteristischen Schmuck trägt Varuna eine Perlenkette. Das Tragtier von Varuna ist ein Seeungeheuer mit dem Kopf und den Vorderbeinen einer Antilope und dem Kör­ per und Schwanz eines Fisches. Andere Darstellungen können Varuna in einem Wagen, der von vier Gänsen gezogen wird, zeigen. In seinen vier Händen hält er Lotus, Schlinge, Muschel und ein Gefäß, in dem sich Edelsteine befinden, denn der Oze­ an soll große Schätze enthalten. Seine Ge­ mahlin Värunl, die Personifikation des Wei­ nes und des Rausches, sitzt auf seinem Schoß. Mit einer Hand hält sie einen Lotus, mit der anderen umarmt sie ihren Gemahl. Am Wagen von Varuna ist auf einem Banner sein Tragtier, das Seeungeheuer, abgebildet. Neben dem Gott stehen die Flußgöttinnen Gangä und Yamunä.

2.8.2.5 Der Gott des Unglücks, Nirrti

Varuija, der Gott des Wassers, auf seinem Seeungeheuer (Makara).

Ursprünglich war Nirrti eine vedische Göt­ tin, die Unglück, Leid und Tod verkörperte und mit der unglückbringenden —»Alak$ml personifiziert wurde. Sie galt als der gefah­ renvolle Aspekt der Erde. Die unglückbrin-

149

Das hinduistische Pantheon

2.8.2.6 Der Gott des Windes, Vayu Wind wurde in vedischen Zeiten als der Atem des kosmischen Menschen angesehen. Die Wind- oder Sturmgötter (Maruts), nach dem Rgveda Söhne des Väju, waren die stän­ digen Begleiter des Regengottes Indra. Väyu hat im heutigen Hinduismus seinen Rang als Gott des Windes gänzlich verloren und wird als unbeständiger Gott angesehen, der seinen Wohnsitz in der nordwestlichen Weltregion hat. Sein Erscheinungsbild ist un­ ausgeglichen; er zählt zu den himmlischen Musikanten (—»Gandharvas), die im Himälaya leben. Die Mythen berichten, er sei von den Weisen des Himälaya (R$is) angestiftet worden, die Spitze des Berges Meru abzubre­ chen. Nach langen Stürmen gelang ihm dies, und die Spitze stürzte ins Meer. Aus ihr soll dann die Insel Lanka (Sri Lanka) entstanden sein. Väyu wurde auch als der Vater des Affenkö­ nigs —» Hanumän angesehen.

2.8.2.7 Der Gott des Reichtums, Kubera Der Gott des Unglücks, der von einem Menschen getra­ gen wird.

genden Vögel, wie Eule und Taube, waren ihre ständigen Begleiter. In späteren Zeiten wurde aus der Göttin Nirfti der furchtbar aussehende Gott Nirfta. Aus seinen Mund­ winkeln ragen kleine Hauer, und sein Haar steht wirr vom Kopf ab. Er trägt als Attribu­ te Waffen wie Speer, Keule, Schwert und Schild. Als Tragtier dient ihm ein Löwe, ein Mensch, ein Esel oder ein Hund. Nirfta ist im heutigen Hinduismus der Wächter des Südwestens.

150

Kubera (oder Kuvera) ist der einzige der acht Wächter der Weltregionen, der keine vedische Vergangenheit besitzt. Ursprünglich ge­ hörte er zu den Erdgeistern des autochthonen indischen Volksglaubens und galt als der Anführer von Dämonen (Yak?as, Guhyakas und Räk$asas). Gemeinsam mit ihnen wachte er über die Schätze der Erde, die mit den neun Schätzen (Nidhis, s. Kap. 8.5) identifi­ ziert werden. Im Hinduismus geht Kubera auf der Ebene der mythischen Erzählung eine enge Verbin­ dung mit den Göttern Brahma und Siva ein. Als Brahma das Universum schaffen wollte, fiel ihm ein Steinhagel aus dem Gesicht. Die

Die vedischen Götter im Hinduismus

Steine nahmen die Gestalt eines Wesens an, verbergen. Damit er so beweglich wie die das Brahma zum Wächter über die Reichtü­ anderen Götter wurde, schenkte ihm Brahma mer der Götter machte. Eine andere Ge­ einen magischen Himmelswagen. Dieser Wa­ schichte erzählt, wie der König der Dämonen gen wurde ihm von seinem Halbbruder Rä­ Unsterblichkeit erhielt. In einem früheren vana gestohlen, als dieser —» Sita, die Gemah­ Leben war er ein Dieb gewesen und brach in lin Rämas, nach Lanka entführte. den Tempel Sivas ein. Dabei erlosch seine Skulpturen zeigen Kubera meistens zweiKerze, und er versuchte mehrfach vergeblich oder vierarmig auf einem Lotussockel sitzend sie anzuzünden. Seine Mühe, in den heiligen mit seinem Lieblingstier, dem Mungo, der Hallen Licht zu machen, war so verdienst­ fortwährend Goldmünzen speiht. Zu den voll, daß Siva ihn in seinem nächsten Leben Attributen des Gottes zählen, vor allem bei vierarmigen Darstellungen, Keule, Granat­ zum Gott des Reichtums erhob. Kubera lebte eine Zeitlang in einem Palast in apfel, ein Sack mit Geld und ein Wasserge­ Lanka, den Brahma in seiner Eigenschaft als fäß. Auf dem Sockel oder neben Kubera —> Visvakarman, als Architekt der Götter, für stehend sind häufig zwei seiner personifizier­ die Dämonen gebaut hatte. Die Dämonen ten Schätze, der Muschelschatz und der Lohatten den Palast aus Angst vor Angriffen der tusschatz (s. Kap. 8.5), zu sehen. Götter verlassen, und so zog Kubera dort­ hin. Als die Dämonen zurückkehren woll­ ten, Kubera sich aber nicht vertreiben ließ, sandten sie eine wunderschöne Dämonin zu Kuberas Vater, die ihn verführen sollte. Nach einiger Zeit gebar sie einen Sohn mit dem Namen Rävana, einen Halbbruder von Kubera. Dieser vertrieb Kubera aus dem Pa­ last in Lanka und ernannte sich selbst zum König der Dämonen. Brahma ließ für Kubera einen neuen Palast im Himälaya errichten, wo er bis zum heuti­ gen Tage als Wächter der nördlichen Regio­ nen lebt und die Schätze der Erde hütet. Kubera wird als schwerfälliger Gott mit einem dicken Bauch dargestellt, der allgemei­ nes Wohlergehen symbolisieren soll. Sein Tragtier ist entweder ein Elefant, ein Ziegen­ bock oder ein Mensch. Der prachtvolle Der Gott des Reichtums und des Überflusses, Kubera. Schmuck aus Juwelen, den Kubera trägt, Er ist der Hüter der Schätze der Erde und Herr über alle kann seine gnomenhafte Häßlichkeit nicht Erdgenien (Yak$as).

151

Das hinduistische Pantheon

2.8.2.8 Der Gott des Rausches und des Mondes, Soma Soma ist der Name einer bisher nicht identifi­ zierten Pflanze und ihres gelben Saftes. Im vedischen Opferkult spielte Soma eine große Rolle, denn der Saft galt ähnlich wie das Amrta (s. Kap. 3) als Trank der Unsterblich­ keit und zählte zu den Grundnahrungsmit­ teln der Götter. Dem Saft der Somapflanze werden rauschverursachende Eigenschaften zugesprochen, die Menschen wie Götter in­ spirieren sollen. Die Dichtung der vedischen Hymnen soll daher nach dem Genuß des Soma zustande gekommen sein. Da Soma und Amfta, das aus der Quirlung des Milchmeeres gekeltert wurde, um den Göttern Unsterblichkeit zu verleihen, miteinander gleichgesetzt werden, sah man in späteren Zeiten auch den Mond (Candra) als Soma an. Der Mond, der mit seinem fahlen Licht den Pflanzenwuchs för­ dert, indem er feuchten Nektar spendet, nimmt mit der Zeit ab und dann wieder zu. Im Sichelmond sah man eine Schale, die mit Nektar gefüllt ist. In der ersten Hälfte des Monats trinken die Götter von dem Nektar, und in der zweiten Hälfte ernähren sich da­ von die Ahnengeister. Der Mond selbst wird von dem Sonnengott Sürya mit dem Wasser des Ozeans genährt. Der Mondgott Candra wird also auch Somadeva, »der Gott des Soma« und der »Herr der Pflanzen« genannt. Sonne und Mond zusammen bilden das kosmische Opfer. Die Sonne verkörpert die Entstehung aller Dinge und die Evolution, während der Mond für das Ende der Evolution oder die Auflösung steht. Der Gott des Mondes wird auf einem Wagen dargestellt, der von einer Antilope oder von zehn Schimmeln gezogen wird. Er wird zweiarmig ähnlich wie der Sonnengott mit

152

Lotusknospen in den Händen gezeigt. Die Skulptur steht auf einem Lotussockel, wobei der Lotus die wässrige Natur des Gottes unterstreichen soll. Vierarmigen Darstellun­ gen kann zusätzlich zu den Lotussen noch das Attribut Keule beigegeben sein. Die vier­ te Hand zeigt eine Mudrä, meist die Geste der Wunschgewährung. Hinter dem Kopf des Gottes ist eine Art Heiligenschein in Form eines Kreises oder einer Sichel abge­ bildet. Als Wächter der Weltregionen wurden Sürya und Soma für den Südwesten und den Nord­ osten eingesetzt. In der heute gültigen Zu­ ordnung der Himmelsrichtungen zu den Gottheiten werden Sürya und Soma jedoch durch die Götter Nirfti und Isa ersetzt.

2.8.2.9 Isa Isa oder Isäna, was soviel bedeutet wie »Herrscher« oder »Herr«, ist der Name eines der fünf Aspekte des Gottes §iva. Isa wird als das fünfte Gesicht Sivas bezeichnet, das nach oben schaut und selbst von Heiligen und Weisen nicht erfaßt werden kann. Als eigenständige Gottheit gilt Isa als Wäch­ ter des Nordostens und ist anscheinend nur erdacht, um den Gott Soma oder Candra (Mondgott) in seiner Eigenschaft als Wächter abzulösen. Die Skulptur Isas zeigt den Gott zehnarmig mit fünf Gesichtern, von denen jedes drei Augen (s. Kap. 8.1) besitzt. Die zehnarmige Darstellung hält in den Händen die Attribute Buch (die Veden), Stachelstock, Schlinge, Beil, Schädel, Trommel, Gebetskette und Dreizack. Zwei Hände zeigen die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung. Isas Tragtier ist eine Ziege. Dieses Erscheinungsbild fällt ikonographisch im Vergleich zu den anderen Wächterdarstel­

Die Planeten- und Stemgötter

lungen vor allem durch die Mehrköpfigkeit und Mehrarmigkeit aus dem Rahmen, was damit zu erklären ist, daß es sich bei Isa um die Darstellung des mächtigen Gottes §iva handelt, der als Teil der hinduistischen Drei­ heit den vedischen Göttern übergeordnet ist. Den Darstellungen der vedischen Wächter­ gottheiten angepaßt, ist Isa zwei- oder vierar­ mig und wird mit seinem Tragtier, dem wei­ ßen Stier, abgebildet. Zweiarmigen Bildern

sind die Attribute Dreizack und Schädelscha­ le beigegeben, oder die eine Hand hält einen Dreizack und die andere zeigt die Geste der Wunschgewährung. Vierarmige Bilder erin­ nern sehr an das Erscheinungsbild Sivas als Lehrer und Meister der Musik (—> VinädharaDak$inä-Mürti). Mit zwei Händen hält Isa die indische Zither (Vinä), während die ande­ ren beiden Hände die Gesten der Schutzver­ heißung und Wunschgewährung zeigen.

2.9 Die Planeten- and Sterngötter Seit frühester Zeit sahen die Inder ihr tägli­ ches Leben durch die Sterne beeinflußt. Da­ bei spielte aber weniger die Betrachtung der zwölf Tierkreiszeichen (Räsi) eine Rolle, als der Einfluß der Mondstationen (Nak$atras) und der in zodiakaler Form dargestellten lunearen Tageszeiten (Karanas). Die Tierkreis­ zeichen sind zwar in Indien bekannt, stehen aber nicht mit einer bestimmten Gottheit in Verbindung (deren System wurde wahr­ scheinlich vom Hellenismus ausgeliehen). Die Planeten stammen nach Auffassung der Inder von Götterpaaren ab und wurden unter bestimmten Mondstationen geboren. Man ging gar so weit, sie dem sich entwickelnden Kastensystem zuzuordnen, wobei Venus und Jupiter zum Stande der Herrscher- oder Prie­ sterkaste (Brahmanen), Merkur und Mars zur Kriegerkaste (K$atriya) und Saturn zu den Unterworfenen oder Ausgestoßenen (Südras) gerechnet wurden. Die Wochentage und die lunaren Tage sind in dreißig Tagesstunden zu je 45 Minuten einge­ teilt. Eine jede Stunde stand unter dem Ein­ fluß einer bestimmten göttlichen Kraft. Da die Götter unterschiedliche Aspekte der Da­ seinserscheinungen verkörpern, ist mit einer bestimmten Stunde ein günstiger oder un­

günstiger Einfluß auf Taten, Ereignisse oder Vorhaben der Inder verbunden, und der ent­ scheidungsgünstigste Zeitpunkt kann minu­ tengenau errechnet werden. Vor allem die Planeten wurden aufgrund ih­ res Symbolgehaltes anthropomorphisiert, mit Attributen ausgestattet und ikonographisch dargestellt. Viele der Gottheiten, mit denen sie identifiziert wurden, gehen auf das Pantheon der vedischen Zeit zurück. Der Machtbereich der Götter ist im heutigen Hinduismus zwar verblaßt, der Glaube an den Einfluß der Planeten auf das Dasein aber ungebrochen. Die Himmelswelt war nach Auffassung der Inder zweigeteilt. Uber der Erde (Bhürloka) breitete sich das Reich von Geistern und Gespenstern, die sichtbare Atmosphäre (Bhuvarik$aloka) aus. Diese atmosphärische Schicht, die von der Bahn der Sonne begrenzt wird, wird mit einer Höhe von 100000 Yojanas (1 Yojana = 3 km) angegeben. Darüber erstreckte sich in einer Höhe von 1 500 000 Yojanas die Himmelswelt (Svarloka), das Reich der Himmelskörper und der göttlichen Wesen mit den personifizierten neun Plane­ ten (Navagraha).

153

Das hinduistische Pantheon

Die Erde, die Planeten und die Tierkreis-Zeichen.

154

Die Planeten- und Sterngötter

2.9.1 Die Sonne Auf einem 9 000 Yojanas breiten Wagen um­ kreist der Sonnengott (Sürya, Äditya, Bhänu oder Ravi) die Erde. In seinem Wagen sitzen die 12 Adityas (Sonnengötter), die die Welt mit ihrem Licht erhellen, 12 Weise (R$is), die den Sonnengott preisen, 24 himmlische We­ sen (Gandharvas und Apsaras), die ihn mit Gesang und Tanz unterhalten, 12 Wagenlen­ ker (Grämanis), 12 Schlangen (Nägas) und 12 Dämonen (Räk$as), die den Wagen als Gefolgschaft begleiten. Der Sonnengott wurde in vedischen Zeiten hochverehrt, verlor aber seinen Rang im Hinduismus im 12.Jh. n. Chr. Die Schutz­ gottheit der Sonne ist der Feuergott—»Agni. Zur näheren Beschreibung und Ikonographie des Sonnengottes s. Kap. 2.8.1.

2.9.2 Der Mond und die Mondknoten Candra (auch Sasin und Soma) gilt neben der Sonne als der wichtigste Planet. Während die Sonne aus Feuer besteht, wird dem Mond ein wässriger Zustand nachgesagt, weshalb auch der Wassergott —» Varuna die Schutzgottheit des Mondes ist. Candras Beziehung zum Wasser, zum Pflanzenwuchs und seine Be­ deutung als Gott des Rausches (Soma) wer­ den eingehend in Kapitel 2.8.2.8 behandelt. Der Mond wird als Vater von Merkur ange­ sehen. Eine Legende gibt wieder, daß der Mondgott die Gemahlin von Bfhaspati (Jupi­ ter) geraubt hatte, was einen Kampf unter den Göttern entfachte, den erst Brahmä schlichten konnte. Der Mondgott gab Bfhaspati seine Gemahlin Tärä zurück, sie aber war schwanger und gebar einen Sohn, der wie Feuer leuchtete. Tärä bekannte, daß es der Sohn des Mondgottes sei, und bat ihn,

das Kind zu sich zu nehmen. Der Mondgott gab ihm darauf den Namen Budha (»der Weise«), der fortan mit dem Planet Merkur identifiziert wurde. Zur Ikonographie des Mondgottes siehe Kapitel 2.8.2.8. Die beiden Mondknoten, der aufsteigende Knoten der Mondbahn (Rähu) und der ab­ steigende Knoten (Ketu), werden in Indien zu den Planeten gerechnet. Rähu und Ketu sollen Söhne von Rudra (Siva) sein. Da Rudra als nicht verehrungswürdig galt (s. Kap. 2.3) und ein abstoßendes Außeres hatte, zei­ gen auch Rähu und Ketu abschreckende Er­ scheinungsbilder. Rähu wird verschiedent­ lich kopflos dargestellt. Rähu gilt auch als Dämon, der für Sonnenund Mondfinsternis verantwortlich ist. Während der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) erschien er in Gestalt eines Gottes und labte sich mit den anderen Göttern an dem ewiges Leben spendenden Elixier Amrta. Der Sonnengott (Sürya) und der Mondgott (Soma) erkannten aber seine wah­ re dämonische Gestalt, und Vi$nu schlug ihm daraufhin den Kopf ab. Kometen (Ketus) gelten als die 32 Söhne von Rähu. Ihr Erscheinen wurde als Vorzeichen für Unglück wie Hungersnöte, Krieg usw. gedeutet. Rähus Attribute sind Schwert, Schild und Dreizack oder Speer. Seine vierte Hand zeigt die Geste der Wunschgewährung. Meist wird er auf einem Löwen- oder Schildkrötensokkel sitzend dargestellt. Ein charakteristisches Erkennungsmerkmal Rähus ist ein Schwanz. Der Zwillingsbruder des Dämons Rähu ist Ketu, die Personifikation des absteigenden Knotens des Mondes. Er sitzt in einem Wa­ gen, der von acht Pferden gezogen wird, oder er wird zusammen mit seinem Tragtier, dem Geier, dargestellt. Ketu ist zweiarmig und hat ein grausiges Aussehen. In seinen Händen trägt er eine Keule und eine Lampe. 155

Das hinduistische Pantheon

2.9.3 Budha, Merkur

2.9.5 Brhaspati, Jupiter

Merkur ist der uneheliche Sohn des Mond­ gottes (Soma) und der Tärä, der Gemahlin von Brhaspati (Jupiter). Er gilt als eine den Menschen geneigte Gottheit und soll seinen positiven Einfluß auf die anderen neun Planetengötter wirksam machen. Wenn Budha als einzelne Gottheit dargestellt wird, steht er auf einem Lotussockel oder sitzt auf den Windungen einer Schlange. In Gruppendarstellungen sitzt er in einem Wa­ gen, vor den acht Pferde gespannt sind. In drei seiner vier Hände trägt er die Attribute Schwert, Schild und Keule. Die vierte Hand zeigt die Geste der Schutzverheißung. Budha trägt goldene Gewänder und ist reich mit Blumengirlanden geschmückt. Als Schutzgottheit von Budha wird Vi$nu angesehen.

Brhaspati bedeutet soviel wie »Herr des Ge­ bets«. Neben Sukra (Venus) gilt auch er als der Lehrer der Götter. Brhaspati wird als Sohn einer abstrakt gedachten Schöpfergott­ heit (Prajäpati) angesehen. Wie alle vedischen Gottheiten verlor auch Brhaspati seinen Rang im Hinduismus. Da er sich aber einer tausendjährigen Askese unterworfen hatte, gewährte ihm Siva die Macht des Planeten Jupiter. Brhaspati wird als Planetengott vierarmig auf einem Wagen, der von acht Pferden gezogen wird, dargestellt. Während eine seiner Hände die Geste der Wunschgewährung zeigt, tra­ gen seine anderen drei die Attribute Gebets­ kette, Buch und Wassergefäß. Damit sieht er dem Planetengott Sukra (Venus) ausgespro­ chen ähnlich. Die Schutzgottheit des Jupiter ist Brahma.

2.9.4 Sukra, Venus 2.9.6 Bhauma, Mars Sukra, der auch Usanas oder Bhärgava ge­ nannt wird, soll ehemals ein mythischer Wei­ ser (—>R$i) gewesen sein, bevor er mit dem Planeten Venus identifiziert wurde. Er gilt als Lehrer der Dämonen (—» Daityas) und als Hüter über den Samen von Menschen und Tieren. Sein goldener oder silberner Wagen wird von acht Pferden gezogen. Seine Attri­ bute sind Schätze (Nidhis, s. Kap. 8.5), Buch oder Gebetskette, Stab und Wassergefäß. Die Schutzgottheit von Sukra ist Indra, der Gott des Donners und Regens und König der Götter.

156

Wie auch bei den anderen Planetengöttern ist Bhaumas Wagen mit acht Pferden bespannt. Bhauma, der auch Mangala genannt wird, ist in seiner Eigenschaft identisch mit dem Kriegsgott —> Skanda. Einzeldarstellungen zeigen ihn mit den Waffen Speer, Keule und Dreizack. In vierarmigen Skulpturen hält er in zwei Händen häufig einen Donnerkeil und einen Speer, während die anderen beiden Hände die Gesten der Schutzverheißung und Wunschgewährung zeigen. Als Tragtier dient Bhauma die Ziege, und der Kriegsgott Skan­ da (Kärttikeya) ist seine Schutzgottheit.

if.

Die Ahnen der Götter (Rsis)

2.9.7 Sani, Saturn Sani (auch Sanaiscara oder Manda) wurde als Sohn des Sonnengottes —>Sürya und seiner Gemahlin (Chäyä = »Schatten«), die ihrem Gemahl entlief und nur ihren Schatten hin­ terließ, geboren. Sani sind fast ausschließlich negative Eigenschaften zugeschrieben. Er gilt als häßlich, alt und unbeweglich. Eines seiner Beine soll lahmen. Er besitzt einen boshaften Charakter.

Auf seinem eisernen Wagen sitzend, wird er von acht Pferden gezogen. Skulpturen zeigen ihn aber auch mit seinem Tragtier, dem Geier oder dem Raben. Seine vier Hände halten die Attribute Stab, Pfeil und Bogen, Dreizack und Gebetskette. Zweiarmig trägt er den Stab und zeigt die Geste der Wunschgewäh­ rung. Als Schutzgottheit von Sani wird —»Yama, der Gott des Todes, genannt.

2.10 Die Ahnen der Götter (Rsis) Der Volksglaube im Hinduismus ist eng mit Ahnenkulten verbunden. Ahnen tauchen in der Ikonographie häufig als Begleitpersonen von Göttern in szenischen Darstellungen auf. Es handelt sich bei ihnen um die großen, heiligen Weisen (R$is) des Himälaya oder um Geister (Pitäs, Pitaras oder Pitfs). Ahnen gelten als Vorfahren von Göttern, Dämonen und Menschen. Sie verkörpern

eine Existenz von Geistern, die ziellos um­ herirren und von dem Wohlwollen der Le­ benden, ihren Opfern, und der Gunst der Götter abhängen. Sie bevölkern sowohl die himmlischen Regionen als auch die Unter­ welt. Die R$is (Seher) sind die Heiligen der Vor­ zeit, die Dichter und Sänger der heiligen Hymnen. Der bekannteste der sieben R$is

R$is, die Ahnen der Götter und Weisen des Himälaya.

157

Das hinduistische Pantheon

R$i

(Saptar$is) war Kasyapa, der Stammvater der meisten Götter und Lebewesen, die er mit seinen 13 Gemahlinnen, Töchtern der Schöp­ fergottheit Dak$a, zeugte. Zu seinen Nach­ kommen zählen die Sonnengötter (Ädityas), die dämonischen Daityas, Dänavas und Nägas und der mythische Vogel Garuda, das

göttliche Tragtier von Vi$nu. Die anderen R$is werden in den Quellen unterschiedlich benannt, so daß es eine allgemein gültige Auflistung nicht gibt. Der Glaube an Ahnen (R$is) verschmilzt dann auch mit der Speku­ lation über einen abstrakt gedachten Schöp­ fergott, der —»Prajäpati genannt und später im Hinduismus mit Brahma identifiziert wurde. Mit dem Wandel der religiösen Ideale im Hinduismus änderte sich auch die Einstel­ lung zu den R$is. Sie wurden eher als Weise oder Heilige angesehen, die durch Askese überirdische Macht gewonnen, und zu den Halbgöttern gerechnet. Heute gelten sie ge­ wissermaßen als die Patriarchen des Hinduis­ mus. In drei Gruppen untergliedert, werden sie unter den Titeln Mahäf$is (»große Wei­ se«), Devav$is (»göttliche Weise«) und RäjaV?is (»königliche Weise«) verehrt. Die heili­ gen Weisen werden als gütige, alte Männer mit langen Bärten dargestellt. Sie tragen gelbe Gewänder und eine Opferschnur. Ihre Haar­ flechten sind zu einem Asketenschopf auf dem Kopf zusammengebunden. Zu den At­ tributen der R$is, die immer zweiarmig dar­ gestellt werden, gehören das Buch (die Weis­ heit der Veden) und ein Wassergefäß, was ihre Fruchtbarkeit als Zeugungsgötter unter­ streicht.

2.11 Dämonen In den Dämonen haben die Götter ihr Ge­ genbild. Sie sind ein nicht wegzudenkender Bestandteil der indischen Mythologie seit frühesten Zeiten. In den Veden galten die Dämonen als göttliche Wesen und waren mit göttergleicher Kraft und Macht ausgestattet. Im urzeitlichen Titanenkampf um die Welt­ herrschaft wurden die Dämonen von den

158

Göttern besiegt und in die Unterwelt, die Welt des Bösen und der Finsternis, verbannt. Seither müssen Götter, ob es nun die vedischen oder die hinduistischen sind, mit den Angriffen der Dämonen rechnen, so daß sie zu ewigen Feinden wurden, die oftmals ihre Macht unter Beweis stellten und die Götter aus dem Himmel vertrieben. Sieger in den

Dämonen

Auseinandersetzungen blieben am Ende je­ doch immer die Götter. Die vedischen Göt­ ter haben ihren Rang an die Götter der hinduistischen —-»Trimürti nur deswegen ab tre­ ten müssen, weil sie den Dämonen ständig unterlagen und vor allem Siva, Vi$nu und die Göttinnen (DevI) um Hilfe bitten mußten. Von den Taten der Dämonenvernichter Erscheinungsbilder von Siva, Inkarnationen von Vi$riu und die Gestalt der Göttin als Durgä - erzählen unendlich viele Skulpturen, Reliefs und Bilder. Die Antagonismen Schöpfung und Zerstö­ rung mit ihren lebenspendenden, erhaltenden und vernichtenden Aspekten, die sich in allen Daseinserscheinungen widerspiegeln, wer­ den durch die Zweiteilung des göttlichen Ge­ schehens in Götter und Dämonen besonders deutlich. Die Dämonen waren oft religiöser als die Götter. Durch strenge Askese und Kasteiungen erwirkten sie sich die Gunst der Götter, vor allem von Brahma, der ihnen Zugeständnisse machte und sie mit außeror­ dentlicher Macht ausstattete. Nur durch List und Gewalt gelang es den Göttern dann wie­ der, die Dämonen zu unterwerfen. Während die vedischen Götter sich mehr und mehr an den ihnen dargebrachten Opfern

labten und immer träger wurden, wuchs die Gefahr der Vernichtung durch die Dämonen an. Nur Götter, die selbst dämonische Züge trugen, in denen also die widerstreitenden Aspekte lebendig waren, wie beispielsweise Siva und Durgä, waren in der Lage, die Ord­ nung wiederherzustellen und ein Gleichge­ wicht herbeizuführen. Die Welt, in der die Dämonen leben, wird zwar als Unterwelt (Pätäla) bezeichnet, doch darf man darin nicht die Hölle sehen. Das Leben in Pätäla ist voller Sinnesgenüsse. Die Dämonen bewohnen die herrlichsten Paläste, umgeben von prachtvollen Gärten, und es scheint ihnen an nichts zu fehlen. Das Dasein in der Unterwelt der Dämonen wird wie im Paradies geschildert. Der hinduistische Glau­ be kennt jedoch auch eine Höllenregion, die noch unter der Unterwelt Pätäla liegen soll. In sie kehren für eine bestimmte Zeit die Menschen ein, die aufgrund ihrer begange­ nen schlechten Taten büßen müssen. In der Höllenwelt (Naraka), über die der Gott des Todes, Yama, herrscht, werden die Verstor­ benen von meist weiblichen Quälgeistern ge­ foltert, bis sie je nach Art der begangenen

Dämonen, die unter den Füßen der Götter zertrampelt werden. Der Dämon unter den Füßen des tanzenden Siva ist Apasmäpurusa.

159

Das hinduistische Pantheon

Sünden ihre Qualen überstanden haben und in eine neue Existenz zurückkehren dürfen. Die Wesen, die die drei Welten des Hinduis­ mus, Himmel, Erde und Unterwelt, bevöl­ kern, werden in Götter, Menschen und Ahnen (Geister) unterteilt; ihnen gegenüber stehen die Dämonen, ebenfalls in drei Grup­ pen aufgeteilt: als die Feinde der Götter (Asuras), als die Feinde der Menschen (Räk$asas) und als Pisäcas, den Dämonen unterge­ ordnete Wesen.

2.11.1 Die Feinde der Götter (Asuras) Unter den Feinden der Götter versammeln sich die Asuras, die mächtigsten unter den Dämonen, oder sozusagen die Dämonenfür­ sten, die Daityas und die Dänavas. Als die Asuras den vedischen Göttern noch gleichgestellt waren, hatten sie auch in glei­ chem Maße an den Opfergaben teil, die den Fortbestand des göttlichen Daseins sicherten. Im Gegensatz zu den Göttern, die sich mit den Opfergaben gegenseitig stärkten, ver­ schlangen die Asuras alles selbst und fanden sich nach einiger Zeit aufgrund ihrer Gier in einer geschwächten Position. Als nach einer der periodischen Neuschöpfungen des Uni­ versums das Grundnahrungsmittel der Göt­ ter, das Arnfta, fehlte, beschlossen die Göt­ ter, mit den Asuras gemeinsam das Milch­ meer zu quirlen (s. Kap. 3), um das Lebens­ elixier daraus zu destillieren. Der Plan der Götter war schlau: sie wollten den Asuras den ihnen versprochenen Anteil am Arnfta vorenthalten, um sie auf diese Weise endgül­ tig zu entmachten. Vi$nu nahm die Gestalt einer wunderschönen Frau (—»Mohim) an, um die Asuras abzulen­ ken, und übernahm es auch, das Lebenseli­ xier zu verteilen. Götter und Dämonen stell­ ten sich in zwei Reihen einander gegenüber 160

auf, und Mohim gab erst den Göttern zu trinken. Am Ende der Reihe nahm sie wieder die Gestalt von Vi$nu an und verschwand mit dem Rest des Arnfta in den himmlischen Regionen. Seither fühlen sich die Asuras von den Göttern betrogen und stehen ihnen in ewigem Kampf feindlich gegenüber. Ihre Macht behielten die Asuras aber, indem sie ständig als ungeladene Gäste bei Opfern zugegen waren und gierig jeden Tropfen Arnfta leckten, der danebenfiel; durch stren­ ge Askese zwangen sie die Götter, ihnen Zugeständnisse zu machen. Die Asuras haben die Fähigkeit, jede ge­ wünschte Gestalt anzunehmen. Aus ihrem Wesen können sie furchtbare Gefährten ema­ nieren, und sie sind mit allen Waffen ausge­ rüstet, die auch die Götter besitzen. Das ikonographische Erscheinungsbild zeigt sie meistens dickleibig und mit Tierköpfen oder ganz als Tier: von den Göttern getötet und vor ihnen liegend. Auch Tierköpfe, auf de­ nen Götter stehen, bezeichnen einen Asura. Die szenischen Darstellungen, in denen vor allem Siva bevorzugt als Vernichter der Asu­ ras abgebildet wird, können sogar auf die Präsentation des Dämons verzichten, wenn durch die Attribute und die Pose des Gottes angezeigt ist, daß er in dem Erscheinungsbild als Vernichter eines bestimmten Dämons dargestellt ist. Manchmal sind Dämonendar­ stellungen in den Reliefs kaum von denen der Götter zu unterscheiden, da auch sie stark vermenschlicht, allerdings immer mit zwei Armen repräsentiert werden. Um welchen Dämon es sich handelt, ist dann nur durch richtiges Erkennen des Erscheinungsbildes des Gottes ersichtlich. Die Dämonen tragen keine typischen individuellen Erkennungs­ merkmale wie die Götter. Die meisten von ihnen erscheinen namentlich auch nur in den Mythen.

Übernatürliche Wesen

2.11.2 Die Feinde der Menschen (Räksasas) Ähnlich wie die Asuras können auch die Räk$asas jede gewünschte Gestalt annehmen. Dabei bevorzugen sie die Gestalt von Hun­ den, Eseln, Pferden, Adlern, Eulen, Geiern oder zwergenhaften Wesen. Zusammen mit Geistern (Pritäs) und Nägas sind sie aus der Dunkelheit entstanden. Als nächtlich umher­ schweifende Unholde fügen sie den Men­ schen Schaden zu und stören ihre Opfer. Sie gehen gar so weit, Menschen zu verschlingen oder sich als Bewohner von Friedhöfen (Pisäcas) an den Leichen zu vergehen oder Tote zum Leben zu erwecken. Um Sterbliche zu verführen, verwandeln sich ihre Gemahlin­ nen (Räkjasis) in zauberisch schöne göttliche Wesen. Die eigentliche Gestalt der Räk$asas zeigt sie als dickleibig, unförmig oder bis auf das Ske-

lett abgemagert. Ihre Körperproportionen sind nicht wie die der Menschen. Überlange Arme, krumme Beine oder nur ein Bein, nur ein Auge und ein Ohr, manchmal ein Tier­ kopf und Tierschwanz, verleihen ihnen ein außerordentlich groteskes Aussehen. Ihre Gesichter sind furchterregend. Sie haben rot unterlaufene Augen, oft weit aufgerissene Münder mit langen, weit heraushängenden Zungen und extrem großen, vorstehenden Zähnen. Aus ihren Mundwinkeln können Hauer ragen. Die ikonographische Umset­ zung dieser Dämonenvorstellung in Skulptu­ ren und Reliefs ist ausgesprochen selten. Siva als König der Tänzer (s. Kap. 2.4.4) kann auf dem Kopf oder dem Körper eines Dämons dargestellt werden. Die bekannteste aller Inkarnationen eines Menschenfeindes zeigt sich in Rävana, dem Dämonenkönig von Lanka, der von —> Räma (Vi$nus siebter Inkarnation) besiegt wurde.

2.12 Übernatürliche Wesen Die himmlischen Regionen, mit denen in den Mythen häufig der Himälaya identifiziert wird, sind von einer Vielzahl von übernatür­ lichen Wesen bewohnt, die auch in der Iko­ nographie häufig Berücksichtigung finden. Zu ihnen zählen die Wächter über die Schät­ ze der Erde, die himmlischen Musikanten, Tänzer und Tänzerinnen und Nymphen. Die himmlischen Wesen sind sowohl Göttern als auch Menschen wohlgesonnen. Mit den Göt­ tern waren die Nymphen häufig in Liebesaf­ fären verstrickt, und auch Menschen konnten sich ihrer Schönheit und Anmut nicht entzie­ hen, wann immer sie ihrer gewahr wurden. In den himmlischen Regionen entfaltet sich ein eigenes dynamisches Leben und Treiben, das seine Auswirkungen auf das Dasein der Götter, Menschen und Dämonen zeitigen

kann. Die meisten Reliefbilder der indischen Ikonographie legen Zeugnis davon ab, daß himmlische Wesen bei den Kämpfen, den Intrigen, Liebesaffären, bei Nöten und Freu­ den der Götter zugegen sind.

Himmlische Tänzerinnen (Apsaras).

161

Das hmduistische Pantheon

2.12.1 Die himmlischen Nymphen (Apsaras) Ehemals wurden die Apsaras, die die Him­ melswelt Svarga bevölkerten, als Wasser­ nymphen angesehen. Auch heute glaubt man sie noch in heiligen Seen und Flüssen. Ihre mythische Entstehung geht auf die Quirlung des Milchmeeres zurück (s. Kap. 3). Obwohl sie von unbeschreiblicher Schönheit waren, fand sich niemand bereit, sie zu heiraten. So wurden sie die Frauen und Gespielinnen al­ ler. Von Tanz und Gesang begleitet, schwei­

Apsaras, ein himmlisches Paar in fliegender Pose.

162

fen sie durch den Luftraum. Sie sind auch wie die anderen Genien des Hinduismus mit Schmuck und Edelsteinen reich ausgestattet. Sie lieben das sinnliche Leben, erfreuen sich vor allem am Glücksspiel und gelten daher als (Schutz-)Genien der Spieler. Apsaras werden auch als himmlische Kurtisa­ nen bezeichnet. Wenn Asketen auf der Erde durch ihre Kasteiungen zu große Macht zu erlangen drohten, schickten die Götter die Apsaras auf die Erde mit dem Auftrag, die Asketen zu verführen.

Übernatürliche Wesen

2.12.2 Die himmlischen Musikanten (Gandharvas und Kinnaras) Die Gandharvas und Kinnaras bewohnen zwar ihr eigenes Reich mit wundervollen Pa­ lästen, tauchen aber meist unter den himmli­ schen Nymphen (Apsaras) und in den Wäl­ dern der von Menschen bewohnten Regionen der Erde auf. Musizierend und tanzend wer­ den sie als Trugbilder aufgefaßt. Da sie den Menschen aber wohlgesonnen sind, können sie Glück und Wohlergehen verheißen.

Kinnari, ein Fabelwesen als himmlische Musikantin.

Meist werden die Gandharvas und Kinnaras als Vogelmenschen aufgefaßt. Ihr Körper ist der eines Vogels, und der Kopf der eines Menschen. Als häufige Begleitfiguren in Re­ liefdarstellungen der Götter können sie je­ doch auch völlig vermenschlicht repräsentiert sein. Sie nehmen dann aber fliegende Posen ein oder sind mit Flügeln ausgestattet. Die männlichen Gandharvas und Kinnaras halten in ihren Händen eine Vinä, die indische Zit­ her, und die weiblichen (Gandharvis und Kinnaris) tanzen zu der Musik ihrer Gatten.

2.12.3 Die Wächter der Schätze (Yaksas)

Ghandarvi, eine himmlische Musikantin.

Als Schutzgeister und Fruchtbarkeitsgenien genießen die Yak$as (weibl. Yak$is oder Yak$inls) volkstümliche Verehrung. Unter dem Namen Guhyakas bilden sie die Gefolgschaft des Gottes —»Kubera, Gott des Reichtums und Wächter der nördlichen Himmelsregion. Den Menschen sind die Yak$as wohlgeson­ nen, werden aber zornig, wenn sie bemer­ ken, daß zuviele Schätze angehäuft werden. Ihnen mußten deshalb regelmäßig Opfer dar­ gebracht werden.

163

Das hinduistische Pantheon

Yak$as, Wächter der Schätze aus dem Gefolge Sivas und Begleiter Kuberas. Der vierarmige Yak$a links trägt die Wesenszüge Sivas, in seiner Haarkrone ist der Sichelmond zu erkennen. Rechts: ein Yak$a im Erscheinungsbild des Gottes des Überflusses, Kubera.

Mit der Entstehung des Sivakultes im Hindu­ ismus verloren die volkstümlichen Yaksakul­ te an Bedeutung. Dargestellt mit dicken Bäu­ chen und kurzen Beinen, tragen diese Genien gemeinsame Wesenszüge mit dem elefanten­ köpfigen Gott —»Ganesa. Darüber hinaus verschmelzen sie mit den gnomenhaften We­ sen in der Gefolgschaft von Siva, den soge­ nannten Scharen (Ganas).

2.12.4 Untergeordnete Gottheiten In der vedischen Zeit galten die Götter als unsterblich und wurden nicht als Bestandteil der Schöpfung angesehen. Man sah in ihnen vielmehr Wesen, die schon vor der Erschaf­ fung der Menschen existiert haben. Das Bild änderte sich jedoch, als die Lehre des Kar­ man, der Glaube an den ewigen Kreislauf von Ursache und Wirkung (als Kausalkette), in den hinduistischen Glauben Eingang ge­ funden hatte. Die Seele konnte für eine be­ stimmte Zeit in den Rang eines göttlichen Wesens aufsteigen, um dann wieder einer anderen Seele Platz zu machen. Auch die Götter waren diesem Gesetz unterworfen und verloren daher ihren Absolutheitsan­ spruch. Die alten Götter galten fortan als

164

halbgöttliche Wesen für eine bestimmte Zeit (Vyantaradevatäs). Sie erinnern jedoch in der ikonographischen Umsetzung noch an die ihnen ehemals nachgesagten schöpferischen Kräfte, stehen auf Lotusblüten und tragen die charakteristischen Attribute eines Schöp­ fergottes, nämlich Gebetskette und Wasser­ gefäß. Tempel sind den untergeordneten Gottheiten nicht geweiht, denn sie tauchen lediglich als Begleitfiguren der großen Götter der hinduistischen Dreiheit auf. Ihren Rang teilen sie ferner mit Göttern, denen ein menschlicher Ursprung nachgesagt wird. Vergöttlichte Menschen (Mänu$yaprakftidevas) waren in früheren Leben Hel­ den oder herausragende Persönlichkeiten wie beispielsweise Regenten und Könige. Auch —>Kr?pa war zunächst ein solcher >MenschengottErstgeborenenden ersten Samen des Gedankens< bezeichnen. Nach der Legende, der zufolge Siva ihn durch einen Blick aus seinem dritten Auge verbrennt, heißt Käma auch Ananga, »der Körperlose«. Später soll er von Siva einen neuen Leib erhalten haben, nach anderer Überlieferung ist er als Pradyumna, als ein Sohn —»Kr$pas, wiederge­ boren.

In der Zeit der Veden wurden Daseinser­ scheinungen personifiziert als Götter oder Göttinnen gedacht. Verbunden mit dem Ab­ stieg der vedischen Gottheiten in der Götter­ hierarchie während des aufkommenden Hin­ duismus verloren auch die Personifikationen an Bedeutung. Sie sind im heutigen hinduistischen Glauben nicht mehr direkt am Weltge­ schehen beteiligt, sondern erscheinen ledig­ lich als Begleiter oder Gemahlinnen der gro­ ßen Götter oder sind Aspekte der hinduistischen —»Trimürti und der Göttin (DevI), der vor allem im Säkta-Kult große Verehrung zuteil wird. In alphabetischer Reihenfolge sind einige der wichtigsten Personifikationen wie folgt: Arundhati - »Treue«, die Gemahlin des R$i Vari$|ha und die Personifikation des Mor­ gensterns. Sie wird die Götter verehrend dar­ gestellt und trägt Opfergaben wie Blumen und Pflanzen. Bhairavi - »die Schreckliche«, eine Göttin, die die Macht des Todes verkörpert. Bhümidevi - die Göttin der Erde. Sie er­ scheint als Begleiterin und Gemahlin Vi$nus und wird auch mit der Göttin Lak$ml identi­ fiziert. Vi$pu rettet sie in seiner Eberinkarna­ tion aus den Wasserfluten. Buddhi - »Weisheit«, die Gemahlin von Gapesa (s. Kap. 2.6.3). Himavat - die Personifikation des Himälaya. Himavat ist der Vater von Pärvati, Gemahlin des Siva, und wird deshalb auch Parvata ge­ nannt. Jvaradeva - der Gott des Fiebers. Fieber wird als der König der Krankheiten angese­ hen und als Gott verehrt. Jvara wird mit drei Beinen, drei Köpfen und drei Armen darge­ stellt. Kälarätri - die Personifikation der Zeit. Sie ist eine Göttin, die mit —» Kall oder —» Durgä

Der Gott der Liebe, Kama, auf seinem Tragtier, dem Papagei.

165

Das hinduistische Pantheon

identifiziert wird. Kälarätri ist eine der —»Mahävidyäs. Ihr Gemahl ist Siva, der auch Kälesvara, der Herr über die Zeit, genannt wird.

166

K$amä - die Personifikation der Geduld. Ur­ sprünglich wurde sie als eine Tochter von Dak$a angesehen. Im heutigen Hinduismus

Übernatürliche Wesen

ist sie eine der acht Mütter und wird als alte Frau dargestellt. Nidrä - die Göttin als Personifikation des Schlafs. Sie kehrt in Vi$pus Körper ein, wenn er sich zwischen zwei Zeitaltern auf der Wel­ tenschlange zur Ruhe begibt. Am Ende des kontemplativen Schlafs verläßt Nidrä wieder den Körper des Gottes, so daß eine neue Welt entstehen kann. Pratyüsä - die Verkörperung der Dämme­ rung und Begleiterin von —> Sürya. Priti — »Wollust«, Gemahlin von —»Kama und —»Vi$nu. Putfi - die Verkörperung des Wachstums. Ursprünglich war Pu?p eine Tochter des —»Dak$a. Heute gilt sie als Vi$nus zweite Gemahlin. In Südindien wird sie auch Bhümidevi (Erdgöttin) genannt. Rati - »Liebe, Hingabe«, die zweite Gemah­ lin von —» Käma. Sandhyä - »Zwielicht«, eine Tochter von Brahmä und Gemahlin von 6iva in einer sei­ ner Tanzerscheinungen. Das Zwielicht ver­ sinnbildlicht das Gleichgewicht im Schöp­ fungsakt. Sarasvati - eine Flußgöttin und im heutigen Hinduismus eine Gemahlin von Brahmä. Senä - eine Göttin, die das Schlachtfeld ver­ körpert. Sie wurde die Gemahlin des Kriegs­ gottes —» Skanda. Sri - personifiziertes Glück, Wohlstand und Schönheit. Später wurde Sri mit der Göttin —» Lak$ml identifiziert. Seither gilt sie als Ge­ mahlin von Vi$nu. Usrä - der Tagesanbruch, der durch eine Kuh verkörpert und als Ursprung aller guten Dinge angesehen wird. Väc - die Göttin der Sprache als Ursprung der Schöpfung. Väc wird mit —»Sarasvati identifiziert und ist somit die Gemahlin des Schöpfergottes Brahmä. Vasanta - ein Gott, der den Frühling perso­ nifiziert.

2.12.4.3 Schutzgottheiten und Torwächter Den einzelnen Landstrichen, ganzen Län­ dern, Himmelsrichtungen, Dörfern, Tem­ peln, Häusern, Bäumen, Flüssen, Bergen, Personen und Familien sind Schutzgottheiten zugeordnet, die zum großen Teil einen volkstümlichen Charakter aufweisen. Im heutigen Hinduismus haben die vedischen Götter Schutzfunktionen übernommen, vor allem als die acht Hüter der Weltregionen (s. Kap. 2.8.2). Die Flußgöttinnen wurden zu Gemahlinnen der großen Götter der hinduistischen Dreiheit. Schutzgötter von Fami­ lien (Kuladevatäs) und Hausgottheiten (Grämadevatäs) werden zumeist symbolisch, vor allem in Form von Gefäßen (s. Kap. 1.1) verehrt. Die Wächter der Schätze der Erde sind die Genien (Yak$as) im Gefolge des Gottes des Reichtums, —» Kubera. Einen festen Platz in der Ikonographie neh­ men die Torwächter (Dvärapäla) ein. Da dem Tor oder der Tür (Dvära, s. Kap. 8.3) eine besondere Symbolik zugesprochen wird, fin­ det man an den Eingängen der Tempel von Brahmä, Vi$riu, Siva, Skanda, Ganesa, der Göttinnen (Devi), usw. Torwächter, die zum Teil benannt werden können. Brahmäs und Vi$nus Torwächter heißen Jaya und Vijaya. Sie sind rechts und links am Eingang eines jeden Tempels zu finden, oder begleiten die Gottheiten häufig auch in szeni­ schen Darstellungen. Zwei- oder vierarmig tragen sie die Hauptattribute der Gottheit, der sie zugeordnet werden. Skandas Torwächter, Sudeha und Sumukha, tragen in zweiarmigen Darstellungen eine Keule und zeigen mit der anderen Hand die Geste der Schutzverheißung. Vierarmig hal­ ten sie die Attribute Vajra, Speer und Keule, die vierte Hand ist zur Geste der Schutzver­ heißung oder Drohung erhoben.

167

Das hinduistische Pantheon

Die Torwächter (Dvarapäla).

Die Torwächter sind prachtvoll gekleidet und reich mit Schmuck ausgestattet. Sie tra­ gen die für untergeordnete Gottheiten typi­ sche Topfkrone. Manchmal werden sie mit kleinen, aus den Mundwinkeln ragenden Hauern dargestellt, was ihnen ein furchterre-

gendes Aussehen verleihen soll. Die weib­ lichen Torwächter (Dvärapälikä), die häufig auch als Begleitfiguren in szenischen Darstel­ lungen präsent sind, tragen als charakteristi­ sches Attribut den Yakwedel.

2.13 Heilige im Hinduismus Zu den Heiligen im Hinduismus, die na­ mentlich bekannt und verehrt werden, zäh­ len Dichter, Sänger, Philosophen, Begründer von religiösen Kulten und Sekten, Lehrende und Auslegende. Grob kann man sivaitische und vi$nuitische Heilige unterscheiden. Skulpturen dieser Heiligen sind in fast allen Siva und Vi$nu geweihten Tempeln zu fin­ den. Die vi$nuitischen Darstellungen wollen dem Erscheinungsbild des Heiligen immer dann möglichst naturgetreu gerecht werden, wenn es sich um eine historische Persönlich­ keit handelt. Die ikonographische Umset­ zung der sivaitischen Heiligenvorstellung verzichtet jedoch häufig auf eine menschen­ ähnliche Darstellung. Der Phallus (Lihga) kann von Anhängern der sivaitischen Glau168

bensrichtung mit einem bestimmten Heiligen identifiziert werden, oder man sieht in einer Skulptur des §iva selbst gleichzeitig die Heili­ gen. Das sivaitische Heiligenbild und die Heiligenverehrung gehen auf die mythische, volkstümlich überlieferte Schilderung vom Leben des Candesa zurück, der ein from­ mer Verehrer des Lipga gewesen war und von Siva dafür belohnt wurde. Wenn Könige als Heilige dargestellt werden, sind sie an ihrer prachtvollen Kleidung, an dem Schmuck und an einer Adels- oder Topfkrone zu erkennen. Ein charakteristi­ sches Erkennungsmerkmal von Heiligendar­ stellungen ist die Geste der Verehrung oder Anbetung.

Heilige im Hinduismus

2.13.1 Die frommen Verehrer von Siva und Visnu (Bhaktas) Im 7. und 8. Jahrhundert n. Chr. wanderten vor allem in Südindien eine Gruppe von zehn oder zwölf Heiligen, die AJvärs, was soviel bedeutet wie »mit Gott eins sein«, umher, dichteten • heilige Texte und komponierten Lieder in der Verehrung von Vi$pu. Diese AJvärs, die auch unter den Bezeichnungen Adiyars und Nayanmärs bekannt waren, können als die Begründer des Bhakta-Kultes angesehen werden. Die Bhaktas setzten sich zum Ziel, durch Frömmigkeit und Gebete ihrem Gott näherzukommen, um letztlich mit ihm eins zu werden. Zu ihnen gehörten vor allem Männer und nur eine Frau mit dem Namen Andal. Sie waren zumeist Angehöri­ ge der unteren Kasten oder gar Ausgestoße­ ne, was in der ikonographischen Umsetzung durch eine dunkelhäutige Darstellung ge­ kennzeichnet ist. Skulpturen sind vor allem von Tirruppäpäjvär und Nammajvär be­ kannt. Sie werden auf Lotussockeln stehend dargestellt und tragen in ihren Händen oft Zimbeln. Nammajvär kann auch unter einem Baum sitzend dargestellt werden und trägt dann als Attribut ein Buch, während die andere Hand die Geste der Schutzverheißung zeigt. Das Erscheinungsbild von Andal ist dem von Göttinnen ausgesprochen ähnlich. Sie steht in der geschwungenen Pose und trägt in einer Hand eine Blüte. Der andere Arm hängt anmutig an der Seite des Körpers herab. Ab dem 9. Jahrhundert n. Chr. existierte auch ein sivaitischer Bhakta-Kult. Zu seinen frommsten Anhängern gehörten Appar und Kappapa-Näyanär. Appar war ein südindi­ scher Dichter, der seine Texte Siva widmete. Er wird auf einem Lotussockel stehend mit der Geste der Anbetung dargestellt. Meist zeigen die Skulpturen ihn kahlköpfig.

Kappapa-Näyanär war ein Verehrer des Sivalihga. Das Lihga, das er verehrte, wurde zum Leben erweckt und zeigte plötzlich zwei Au­ gen. Als eines Tages ein Auge zu bluten begann, war Kappapa darüber so betrübt, daß er sich sein eigenes Auge herausschnitt und dem Lihga opferte. Als auch das andere Auge des Lihga zu bluten begann und Kap­ papa sein zweites Auge opfern wollte, er­ schien ihm Siva und gab ihm sein Augenlicht zurück. Für die südindischen Anhänger Sivas ist das Beispiel Kappapas wegweisend für die Frömmigkeit im sivaitischen Bhakta-Kult.

Mäijikkaväcakar, ein Dichter, Sänger und Heiliger des 9. Jahrhunderts.

169

Das hinduistische Pantheon

die Schädelschale und sein Mudrä die Geste der Weisung. Heiligendarstellungen werden häufig auch Zimbeln als Attribut beigegeben. So wie der vi$nuitische Tiruppänalvar steht auch der sivaitische Tirujnänasambhandha auf einem Lotussockel und hält als Attribut das Musik­ begleitinstrument. Die beiden Heiligendar­ stellungen sind nicht voneinander zu unter­ scheiden. Sie werden, je nachdem in welchem Tempel die Skulpturen aufgestellt sind, unter dem einen oder dem anderen Namen verehrt.

2.13.2 Sariny äsins Sahnyäsins sind heilige Brahmanen, die durch tiefe Meditation die höchste Erkennt­ nisstufe erlangt haben. Sie leben ein völlig zurückgezogenes Leben, haben allen weltli­ chen Dingen entsagt, und es gibt für sie kein individuelles Selbst mehr. Für den hinduistischen Glaubensanhänger sind sie sozusagen unsterblich geworden, denn der Tod wird bei Heiligen lediglich als eine Art Trance (Samädhi) verstanden. Weil die Sahnyäsins nicht Tirujnänasambhanda, ein sivaitischer Heiliger des wiedergeboren werden, erfahren sie auch ein 7. Jahrhunderts. anderes Bestattungsritual als die dem Weltge­ schehen unterworfenen Menschen. Sie wer­ den nicht verbrannt, sondern mit ver­ Ein weiterer sivaitischer Heiliger des 9. Jahr­ schränkten Beinen, so als befänden sie sich in hunderts war Sundaramürti, der in den wohl­ tiefer Meditation, in der Erde bestattet. wollenden Erscheinungsbildern Sivas verehrt Das charakteristische Attribut von Sahnyäsin-Darstellungen ist der Stab. wird. Parallel zu Nammalvär, dem vi$nuitischen Ein bedeutender Sahnyäsin war SahkaräcäHeiligen, wird Mänikkaväcakar von den §i- rya. Er lebte von 788-820 n. Chr. Er gilt als vaiten als Skulptur, die ihn mit einem Buch Begründer des Advaita-Vedänta. Er lehrte, und der Geste der Lehrverkündung zeigt, daß die Welt dem Menschen zwar erscheint und dadurch real ist, aber - »Nur Gott ist verehrt. Ein weiterer Heiliger, der im 7. Jahrhundert wirklich, die Welt ist Schein / Die Seele ist gelebt haben soll und Jnänasambhandha nichts als Gott allein.« Die Welt als Mäyä, als heißt, wird in ikonographischer Umsetzung Schein: Nach der Lehre des Sahkaräcärya als fast nacktes Kind gezeigt. Sein Attribut ist sind auch die Götter lediglich eine vorüber-

170

Heilige im Hinduismus

gehende Erscheinung und können deshalb als nicht absolut angesehen werden. Sahkaräcärya wird auch als Inkarnation von §iva angesehen. Sein charakteristisches Mudrä im ikonographischen Erscheinungsbild ist die Geste der Lehrverkündung. Zwei­ oder vierarmige Darstellungen des Heiligen zeigen ihn mit den Attributen Stab, Gefäß und Buch. Zu den vi$nuitischen Sahnyäsins zählen Madhva und Caitanya. Madhva lebte im 13.Jahrhundert und wird als Inkarnation von Väyu, dem vedischen Gott des Windes, angesehen. Wie alle Sannyäsins wird er in meditativer Pose darge­ stellt, zeigt wie Sahkaräcärya auch die Geste der Lehrverkündung und trägt die Attribute Stab, Wassergefäß und Buch. Caitanya lebte von 1485-1533. Er war der Begründer einer vi$nuitischen Sekte und wird als Inkarnation von Kf$na und Rädhä angese­ hen. Ikonographische Erscheinungsbilder zeigen Caitanya fast nackt.

Ein sivaitischer Sahnyäsin mit dem Namen YoginSwami.

171

Kapitel 3 Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur In vorchristlicher Zeit sind in Indien eine Reihe von Schöpfungsmythen in die Überlie­ ferung eingegangen, die teilweise gegensätzli­ che Vorstellungen vermitteln. Die vedische Zeit verstand die Welt als entweder geschaf­ fen oder durch Emanationen hervorgerufen. In der monotheistischen Spekulation der vedischen Spätzeit tritt dann zunehmend ein Gott in den Vordergrund, der die Welt durch Opfer erschaffen haben soll. Die kosmogonische Potenz, die man zuerst in dem kosmi­ schen, goldenen Keim (Hirapyagarbha) sah, der aus dem Wasser hervorging und bei sei­ ner Geburt in einer goldenen Umhüllung eingeschlossen war, wandelte sich von einem anonymen Schöpfergott zu Prajäpati, dem Herrn aller Geschöpfe. Dieses späte kosmogonische Prinzip eines abstrakt gedachten Gottes faßt nahezu alle Schöpfungstheorien früherer Zeiten zusammen und geht dann in den kreativen Aspekt des Gottes Brahma, den Schöpfer der hinduistischen Götterdrei­ heit, über. Prajäpati wurde damit zum Beina­ men von Brahma und auch anderer Götter, die an der Schöpfung teilhatten. Der nun namentlich benannte Schöpfergott wurde verstanden als aus dem goldenen Keim (oder Ei) selbst hervorgegangen. In der Ikonographie sind die primären Schöpfungsmythen von geringerer Bedeu­ tung, da sie keine konkreten Hinweise auf die Schöpfung von Sichtbarem enthalten und somit nicht zu bildnerischen Darstellungs­ versuchen geführt haben. Anders verhält es

sich mit den sekundären Mythen, in denen die Welt nach zyklisch auftretenden Zerstö­ rungen neu geschaffen werden mußte, was vor allem durch die »Quirlung des Milch­ meeres« (Amfta-manthana) erreicht wurde. Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Weltleib, vom eigenen Lebenssaft durch­ tränkt, einem mit Milch gefüllten Butterfaß gleicht. Jenes Milchmeer ist nun, dem geo­ zentrischen Weltbild der damaligen Zeit ent­ sprechend, von drei Bergen umgeben; im Zentrum liegt der Berg Meru, der Sitz der Götter. Man müßte, so die mythische Phantasie, den Weltberg, der den Kosmos in der Mitte durchragt, wie einen Quirl herumwirbeln, bis die Milch des Lebens »gebuttert« ist und dabei einen Unsterblichkeitstrank (Amrta) absondert. Als Quirlstab dient der Berg Mandara, und als Quirlstrick um den Berg geschlungen die Weltenschlange bzw. der Schlangenkönig Väsuki: an einer Seite ziehen die Götter, an der anderen ihre Feinde (—»Asuras), sie versetzen damit den Berg in eine Kreiselbewegung. Das Fundament für den Quirlstab bildet die kosmische Schild­ kröte (Kürma), d.h. die zweite Inkarnation Vi$nus (—»Kürmävatära). Die Drehung des Stabes versinnbildlicht die stetige Ausdeh­ nung von einem feststehenden Zentrum aus Symbol der Dynamik des kosmischen Le­ bens. Nun bedürfen die Götter, die Brahma zu Waltern seiner Weltordnung bestellte, des

173

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

Tranks der Unsterblichkeit ebenso wie die Dämonen oder Widergötter, mit denen sie um die Weltherrschaft ringen. Sie bitten Vi$nu, der in kontemplativem Schlaf (Yoganidrä) auf den Wassern ruht, bewacht von Garuda, dem halbgöttlichen Adler, dringend um Hilfe. »Herr der Götter, wir quirlen das Milch­ meer, um Unsterblichkeit zu erlangen - hilf uns, daß wir unsterblich werden! Ohne dich vermögen wir es nicht, du Vernichter Kaifabhas. Führe uns an, o Herr, den Trank der Unsterblichkeit zu gewinnen!« So sprachen sie, und der unnahbare Vi$nu, Vernichter seiner Feinde, schritt samt den Göttern zum Mandaraberge hin, der war von einer Windung der Weltschlange umgürtet, und Götter und Dämonen hielten ihn. Da stellten sich die Götter aus Furcht vor dem Gift der Weltschlange an ihr Schwanzende, die Dämonen aber standen bei ihrem Kopf­ teil, allen voran Rähu, der Mondverschlinger, der die Mondfinsternis wirkt. Und Bali ergriff mit der linken Hand das Haupt der Schlange mit tausend Mündern, mit der rech­ ten zog er an ihrem Leibe. Vi$nu hielt mit zwei Paar Armen den Weltberg Mandara samt seinen lieblichen Schluchten als Quirl umfaßt. Da riefen Götter und Widergötter »Sieg« und quirlten das göttliche Milchmeer volle hundert Jahre lang. Dann waren alle Götter und Dämonen matt, und Indra ward zu einer Wolke und regnete auf die Erschöpf­ ten mild stäubende Tropfen, und der Wind­ gott wehte sie kühlend an. Die ermatteten Götter erholten sich, und der lotusthronende Brahma rief: »Quirlt das Weltmeer!« so rief er immer wieder, »wer unbezwinglich sich

müht, dem winkt uferloses Glück!« Von Brahma angefeuert, quirlten die Götter das Meer aufs neue, da wirbelte der Berg umher mit seinem Gipfel, der Myriaden Meilen maß, und im Wirbeln sausten Elefanten herdenweis von ihm ab, Wildschweine, Unge­ heuer und Myriaden wilder Tiere, Blüten, Früchte und Bäume zu Tausenden. Dank der Kraft dieser Früchte und dem Saft der Blüten und Kräuter gerann das flüssige Milchmeer ganz und stockte zu dicker Milch. Da wur­ den all die Tausende lebender Wesen zerquirlt und strömten Fett und Saft aus - dar­ aus entstand gegorener Rauschtrank. Die Götter und Dämonen rochen den Duft des Rauschtranks, da jubelten sie auf. Sie schmeckten von ihm und wurden davon vol­ ler Kraft; da packten die Widergötter den Schlangenkönig ringsum, Vi$nu trat allen voran und umschlang den Mandara mit sei­ nen Armen, an den hinteren Teil der Schlan­ ge trat Indra, neben ihn der Sonnengott, dahinter die übrigen Götter, und es erhob sich ein gewaltiger Schall aus dem Meer, wie mächtiger Wolkendonner, als sie die Flut quirlten. Da schleuderte der große Berg Was­ sertiere aller Arten durcheinander, zu Hun­ derten und Tausenden kamen sie um, viele Geschöpfe des Meergottes Varuna, die im tiefsten Grunde der Welt hausen, vernichtete er. Und Riesenbäume, aneinander zerrieben, stürzten da samt ihren Vögeln vom Gipfel des Bergs, als er herumgewirbelt wurde; sie rieben sich aneinander, entzündeten sich, und Feuer umlohte den Berg. Immer wieder flammte es auf wie mit Blitzen und stand in schwarzblauer Wolke, es verzehrte Elefanten und Löwen, die nach allen Seiten herausflohen, und alle anderen Geschöpfe von vielen

Rechte Seite: Die Quirlung des Milchmeeres, mit der Schildkröte (Vi$i?us zweiter Inkarnation) als Fundament für den Quirlstab - den Berg Mandara. Mit Hilfe der Weltschlange - als Quirlstrick - wird das Meer von den Göttern (rechts) und den Dämonen (links) gequirlt. Oben der Elefant Airävata und die Pferdegottheit Uccailjsravas.

174

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

Arten, die ihr Leben verloren. Als es verzeh­ nicht nur der Amfta, der die Götter unsterb­ rend nach vielen Seiten griff, löschte es Indra lich werden ließ, sondern auch das Gift Kälarings mit Wasser, das er aus Wolken strömen küta. Aber §iva bannte die Gefahr: ließ. Da flössen Säfte von vielerlei Art in die »Am Milchmeer angelangt, sah sich der Gro­ Flut, Harze der Riesenbäume und viele Säfte ße Gott nach Kälaküta, dem großen Gifte, von Kräutern. Und die Milch solcher Säfte, um. Er trat an einen schattigen Fleck und die in sich die Kraft des Unsterblichkeitstran­ trank es aus der linken Hand. Indra und alle kes bargen, schenkte den Göttern Unsterb­ Götter, »Goldauge« und die Widergötter lichkeit, daß ihre Haut wie Gold glänzte. sangen und tanzten, als er das Gift trank; sie Aber des Meeres Milch, die Flut, die in ihm erhoben gewaltige Löwenschreie und priesen war, wandelte sich, mit den anderen Säften den Herrn der Götter und waren froh. Als vermischt, von Milch zu Butter. Da sprachen das Gift die Kehle des schlürfenden Gottes die Götter zu Brahma, der da saß: »Wir sind erreichte, sprach der weltentfaltende Brahma gewaltig müde, Brahma, und der Trank der samt den Göttern, sprach Bali samt den Wi­ Unsterblichkeit kommt nicht hervor; außer dergöttern zu §iva: »Der Hals deines Leibes Vi$nu sind alle Götter und Dämonen müde, schimmert weiß in lichtem Schein wie Blüten und allzulange währt auch das Quirlen des von Jasmin - laß dazu das schwarze Gift in Weltmeers.« deiner Kehle wie einen Schwarm dunkel­ Da sagte Brahma zu Vi$pu: »Gib du ihnen blauer Bienen glänzen!« Kmft, du bist die höchste Rettung.« - Und So sprachen sie, und der »Friedebringer« gab Vi$nu sprach: »Kraft schenke ich allen, die ihnen zur Antwort: »So sei es!« - Er hielt das sich zu diesem Werke angeschickt haben; Gift in seiner Kehle fest, davon ward sie rührt den Mandara Schritt um Schritt und blauschwarz, und davon heißt er Nilakanfha, laßt ihn kreisen!« - Alle vernahmen sein .»Blauhals«. Wort, da wurden sie stark und regten vereint Soweit die Übertragung Heinrich Zimmers die Flut des Weltmeers gewaltig auf. Da erhob sich klaren Glanzes, weißgewandet aus den Puränas, die auch einen Eindruck und leuchtend wie hundert Sonnen, der von der Sprachkraft dieser Mythen gibt. Mond aus dem Meere. Ihm nach erstand §ri - Aus dem Milchmeer entsteht die sichtbare Glück und Schönheit -, sie trug ein Gewand Artenvielfalt, die in potentia im Wasser ent­ licht wie zerlassene Butter; und die Göttin halten ist. Aus jenem Meer treten auch eine des Rauschtranks erstand und ein lichtes Anzahl besonderer Tiere, Pflanzen und Pferd. Und es erstand das Juwel Kaustubha, Gottheiten hervor, darunter die Kuh des das im Trank der Unsterblichkeit seinen Ur­ Überflusses (Surabhi), der Urvater der Pfer­ sprung hat, in Strahlen aufblühend, und der de (Uccaibsravas), der Elefant Airävata, der Parijatawunderbaum mit Büscheln geöffneter Pärijäta-Baum, die göttlichen Nymphen Blüten, von dessen Zweigen die Seligen Er­ (Apsaras), die Göttin —> Sri und der Schama­ ne der Götter, Dhanvantari, der in einer füllung aller Wünsche pflücken.« Aus der Quirlung des Milchmeeres entstand goldenen Schale das Amfta hält.

176

Tiere im Hinduismus

3.1 Tiere im Hinduismus Tiere stehen im Hinduismus in enger Verbin­ dung zur Götterwelt. Die frühesten Zeugnis­ se von Tierdarstellungen findet man auf den Siegeln der Induskultur (Harappä-Kultur). Alle abgebildeten Tiere wie Einhorn, Rind, Büffel, Zebra, Rhinozeros, Tiger, Elefant, Krokodil und Antilope tragen im späteren Hinduismus einen symbolhaften Charakter. In Indien wurden zur Zeit der Veden die Tiere vergöttlicht. In Opferkulten spielten sie eine außerordentlich große Rolle (s. Kap. 8.7). Die Klassifizierung der Tiere geschah einerseits nach der Art des Nutzens, den sie den Menschen brachten, und andererseits nach dem Symbol, mit dem sie belegt wur­ den. Die großen Säugetiere wurden in dome­ stizierte Tiere (Pasu), in nahrungliefernde Tiere, die man jagte (Mrga), und in wilde Tiere (Vyäla) unterteilt. Zu der Gruppe der Pasu gehörten die Opfertiere des vedischen Indiens wie Kühe, Pferde, Schafe, Ziegen und letztlich auch Menschen (s. Kap. 8.7). Eine andere Klassifizierung strebt eine Ein­ teilung an nach der Art und Weise, wie die Tiere geboren wurden. So gibt es lebend geborene, aus dem Ei geborene Tiere, Wür­ mer, aus Exkrementen entstandene Lebewe­ sen, Insekten und aus dem Wasser entstande­ nes Leben. Tiere werden oft mit Göttern gleichgesetzt, weil sie, wie die Götter auch, gegensätzliche Aspekte symbolisieren. Sie können nützlich oder schädlich oder, auf die Aspekte der Götter übertragen, mildtätig oder zerstöre­ risch sein. Mit diesen Aspekten passen sie sich harmonisch in den ewigen Lebenskreis­ lauf von Entstehen und Vergehen ein. Des weiteren sind Tiere Fruchtbarkeitsträ­ ger. So wird in der Kuh und im Stier das androgyne Urwesen gesehen. Tiere, die eine bestimmte Kraft verkörpern, werden mit den

Göttern gleichgesetzt und verehrt. Das Göt­ ter- oder Tierbild kann zur theriomorphen Skulptur verschmelzen. Beispielsweise ist In­ dra häufig ein Stier, Aditi eine Kuh, Rudra und die Maruts können Eber sein. Die Göt­ ter selbst nehmen Tiergestalt an, um die Erde vor anders kaum bezwingbaren Dämonen zu ffetteU. In Vi$nus Inkarnationen als Fisch, Schildkröte, Eber und Menschlöwe (s.Kap. 2.3.3-2.3.6) spiegeln sich vielleicht totemistische Anschauungen der Ureinwohner In­ diens wider. Aber auch Dämonen können sich in Tiere verwandeln, um noch stärker und mächtiger zu werden. Der die Welt be­ drohende Dämon Mahi$a konnte in seiner Büffelgestalt nur von der Göttin —» Mahi$äsuramardim besiegt werden, die damit alles Le­ ben vor der Vernichtung bewahrte. Tiere sind in der Ikonographie ein nicht weg­ zudenkendes Stilelement: als Emblem auf den Attributen der Götter, als Darstellung auf den Sockeln oder als Begleitfiguren der Götter. Ein jedes Tier hat seine eigene Sym­ bolkraft. Viele sind mit magischen Vorstel­ lungen behaftet, so etwa die kosmische Schildkröte, die Vögel als göttliche Boten oder Ziegen als Sinnbild für die undifferen­ zierte Natur.

3.1.1 Die Tragtiere (Vähana) der Götter Ein sicheres Erkennungsmerkmal bei der Be­ stimmung einer Gottheit ist neben Attribu­ ten, Emblemen und Handgesten das Tier, mit dem die Gottheit häufig zusammen dar­ gestellt wird. Eine enge Beziehung zwischen menschlicher und tierischer Gestalt ist cha­ rakteristisch für die indische Ikonographie. Das Tier kann neben oder hinter der Gottheit

177

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

repräsentiert sein, die Gottheit kann auf dem Tier reiten oder thronen. Die Sockel, auf denen Gottheiten stehend oder sitzend dar­ gestellt werden, weisen häufig als Dekoration das Bild des Tieres auf, mit dem die Gottheit in Verbindung gebracht wird (s. Kap. 8.2). Die Tragtiere sind den hinduistischen Göt­ tern wie folgt zugeordnet: Gans (Hamsa) - Brahmä und seiner Gemah­ lin Sarasvati Stier (Nandi) - Siva Garuda - Vi$nu und Lak$ml Löwe (Simha) - Göttinnen wie Durgä und Pärvati, sowie ihren mannigfaltigen Erschei­ nungsbildern Esel (Gardabha) - unglückbringenden und krankheitsverursachenden Göttinnen wie Cämundä und Sítala Ratte - Ganesa Tiger — der furchtbaren Göttin Käli Pfau - Skanda (Kärttikeya) Hund - furchtbaren Erscheinungsbildern von Siva, Rudra-Siva und seinen Emanatio­ nen (Bhairava) Papagei - Käma, dem Gott der Liebe, und

gelegentlich auch Göttinnen Seeungeheuer (Makara) - Flußgöttinnen. Die vedischen Götter im Hinduismus er­ scheinen mit folgenden Tragtieren: Elefant - Indra, König der Götter Seeungeheuer - Varuna, der Wassergott Schildkröte - die Erdgöttin und Flußgöttin Yamunä Widder - Agni, der Feuergott Antilope - Väyu, der Gott des Windes Büffel - Yama, der Gott des Todes Pferd - Sürya, der Sonnengott Ziege - Pü$an, der Gott der Dämmerung 4/fe - Vasanta, die Personifikation des Früh­ lings Mensch - der unglückbringende Gott Nairrta und Kubera, der Hüter über die Schätze der Erde. Zudem gibt es eine Reihe von Tieren, die in Verbindung mit Göttern gebracht werden, aber nicht zu den Tragtieren zählen. Vor allem sei darunter die Schlange genannt (s. Kap. 3.1.2.3). Das nach unten gesetzte Tiersinnbild wird als den Gott tragend gedeutet oder ist vor einen

Links: Das Seeungeheuer, der Makara, als Tragtier von Flußgöttern und von Varuna, dem vedischen Wassergott. Rechts: Die Ratte, das Tragtier des elefantenköpfigen Gottes Ganesa.

178

Tiere im Hinduismus

himmlischen Wagen gespannt. Bei der Dar­ stellung von Gott und Tier handelt es sich um die Sichtbarmachung von Energie und Charakter der betreffenden Gottheit. Bei der Auswahl der Träger entscheidet nicht die körperliche Fähigkeit darüber, ob das Tier die Gottheit tragen kann, sondern ob die dem Tier nachgesagte Eigenschaft zu der des Gottes paßt. So wird beispielsweise der kor­ pulente, elefantenköpfige Ganesa von einer Ratte getragen. Gapesa ist der »Herr und Überwinder aller Hindernisse« und stürmt vorwärts wie ein Elefant durch den Dschun­ gel. Aber auch die Ratte ist ein Überwinder von Hindernissen und darum das geeignete, wenn auch leiblich nicht sehr passende Reit­ tier für diesen Gott. Der Elefant prescht durch die Wildnis, überwindet alles, was sich ihm in den Weg stellt, trampelt Büsche nie­ der, reißt Bäume um und durchwatet Flüsse und Seen. Die Ratte verschafft sich Zugang zu jedem verriegelten Kornspeicher. So ver­ körpern beide, der Gott und das Tier, die Kraft und die Zielstrebigkeit, den Weg zur geistigen Erlösung zu gehen, gleich welcher Art die auftretenden Hindernisse auch sein mögen. Kubera, der Wächter über die Schätze der Erde und Oberherr aller Genien, wird häufig auf einem sich duckenden Mann stehend ab­ gebildet. Sein gewöhnlicher Beiname lautet Naravähana, »der, dessen Reittier ein Mann ist«. Kubera verkörpert Fruchtbarkeit, Reichtum und Wohlergehen. Er wird haupt­ sächlich mit der Erde, den Bergen, Edelstei­ nen und Bodenschätzen in Verbindung ge­ bracht; Dingen, an denen der Mensch eben­ falls ein außerordentliches Interesse hat, und die er zu nutzen weiß. Der menschliche Trä­ ger unter seinen Füßen unterscheidet Kubera von allen anderen übermenschlichen Köni­ gen und Fürsten.

3.1.2 Tiergötter Die Bezeichnung Tiergottheit trifft beson­ ders dann zu, wenn in dem Tier eine selb­ ständige Gottheit gesehen wird. Vögel, An­ tilopen, Krokodile und andere Tiere beglei­ ten häufig die Götter und besitzen eine symbolische Bedeutung, die das additive Götterbild in seiner umfassenden Aussage­ kraft vervollständigt, doch können sie nicht als Tiergottheiten angesehen werden. Affe, Adler, Elefant und Schlange werden im Ge­ gensatz zu allen anderen Tieren als halb­ menschliche, halb-tierische Gottheiten auch losgelöst von den großen Göttern verehrt und haben somit in der Ikonographie einen eigenen Stellenwert. Der elefantenköpfige Gott Ganesa, die popu­ lärste Gottheit Indiens, nimmt eine Sonder­ stellung ein. Die Anhänger dieses Gottes bil­ den sogar eine eigene Sekte. Ganesa hat da­ mit im Bewußtsein der Inder seinen Bezug zum Elefanten verloren, er besitzt sein eige­ nes Tragtier, die Ratte, und kann nicht mehr mit Tiergöttern wie beispielsweise Garuda oder Hanumän gleichgesetzt werden.

3.1.2.1 Garuda, der mythische Adler und Tragtier von Visnu Um diesen halbgöttlichen Vogel, der ikonographisch in Menschengestalt mit einem kräf­ tigen Schnabel statt einem Mund und mit den Krallen und Schwingen eines Adlers darge­ stellt wird, sind im Laufe von Jahrhunderten eine Vielzahl von Legenden entstanden, die sich mit der Entstehung dieses Halbgottes beschäftigen. Garuda wurde als Sohn des Weisen Kasyapa und der Vinatä geboren. Kasyapa hatte aber auch Söhne mit Kadrü, die Schlangen (Nägas), zu deren Todfeind der Halbbruder Ga179

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

ruda werden sollte. Die beiden Frauen von Kasyapa, Vinatä und Kadrü, standen sich äußerst feindselig gegenüber; um Vinatä, die Mutter von Garuda, aus dem Weg zu schaf­ fen, ließ Kadrü ihre Nebenbuhlerin einker­ kern. Garuda, der vergeblich versucht hatte, seine Mutter zu befreien, beschloß, Kadrü umzustimmen und versprach ihr eine Kanne des lebensspendenden Elixiers Amfta, das aus der Quirlung des Milchmeeres gewonnen worden war. Dieses Elixier, das unerreichbar für Kadrü im Himmel Indras aufbewahrt wurde, war so begehrt, daß Kadrü sich auf den Handel mit Garuda einließ. Garuda ge­ lang es auch, das Amrta zu stehlen, doch wurde er daraufhin von Indra verfolgt. In einem Zweikampf, den der mächtige Gott Indra nicht zu seinen Gunsten entscheiden konnte, in dem er aber die mit Amrta gefüllte Kanne wieder in seinen Besitz zurückerhielt, war auch der König der Schlangen zugegen. Er wartete nur darauf, einen Tropfen des Lebenselixiers zu erhaschen. Das gelang ihm, als Indra etwas davon auf einen Halm des scharfkantigen Kusagrases verschüttete. Der Schlangenkönig leckte daran, erhielt die Un­

180

sterblichkeit, doch wurde seine Zunge durch das Gras gespalten. Der erzürnte Garuda gab sein Ansinnen auf und rächte sich statt dessen an den tausend Söhnen von Kadrü. Er tötete die Schlangen, konnte sie aber nicht gänzlich vernichten, da der König durch den Tropfen Amfta unsterblich geworden war. Garuda hat in den Legenden viele Namen: Er wird als Nektardieb (Amrtahavana), als Herr der Lüfte (Gaganesvara), als König der Vögel (Khagesvara) oder Vernichter der Schlangen (Nägäntaka) bezeichnet. In der Mythologie symbolisiert Garuda als König der Vögel den Wind und die Sonne. Er ist schnell wie der Wind oder wie das Licht. Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit gelangt er von einer in eine andere Welt. Er versinn­ bildlicht deshalb auch die esoterischen Weis­ heiten der Veden, denn ein Mensch ist unter Zuhilfenahme der magischen Worte nicht an eine Welt gebunden, sondern soll sich mit Lichtgeschwindigkeit an jeden Ort begeben können. Garuda wird häufig in Vi$nu-Tempeln in anbetender Haltung kniend dargestellt. Zu erkennen ist die zwei- oder vierarmige Gott-

Tiere im Hinduismus

heit entweder an ihrer theriomorphen Ge­ stalt, oder, wenn sie ganz anthropomorph erscheint, an den Schwingen, den Adlerkral­ len oder dem Schnabel. In vierarmigen Dar­ stellungen halten die beiden oberen Hände die Attribute Schirm und Nektarschale, wäh­ rend die unteren zur Geste der Verehrung zusammengelegt sind. In den zweiarmigen Skulpturen hält Garuda oft mit einer Hand den Körper einer Schlange umfaßt und trägt dann grundsätzlich Schwingen. Seine Krone und eine lange Girlande weisen ihn als Halb­ gott aus.

3.1.2.2 Hanumän, der Affengott Der Affe ist ein Bewohner des Waldes. Er wird in Indien als Verkörperung des Gehor­ sams und als tapferer Krieger verehrt. In

einem Affenkult, der seinen Ursprung in prä­ arischer Zeit hat, wird der Affe als Schutz­ gottheit von Siedlungen angesehen. Südindi­ sche Dschungelbauern werden als Vänaras (»Bewohner des Waldes«), was gleichbedeu­ tend ist mit dem Wort Affe, bezeichnet. Die Vänaras stellten im Altertum die mutigen Krieger der königlichen Armeen unter ihrem legendären Anführer Sugriva, der mit einem Sohn des Sonnenkönigs Sürya identifiziert wird und der göttliche Affenkönig ist. Einer seiner Ratgeber war Hanumän (auch Hanumat oder Hanumant), seinerseits der Sohn des Windgottes —> Väyu und der Anjanä. Das Rämäyana erzählt die Legende von Räma, der göttlichen Verkörperung des Rechts und einer Inkarnation von Vi$nu. Rämas Ge­ mahlin Sltä, die Schutzgöttin des Ackerbaus, wurde von dem Dämonenkönig Rävana ge­ raubt. Rävana personifiziert die dämonen-

Hanumän, der Affengott und Held aus dem Rämäyana; in der Mitte auf einem Amulett.

181

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

hafte Lust und residiert mit viel Prunk in Lahkäpura auf der Insel Lanka (heutiges SriLanka). Erst mit Hilfe Hanumäns und seiner Affenarmee gelang es Räma, seine Gemahlin Sltä aus der Gewalt Rävanas zu befreien und nach Indien zurückzubringen. Vänaras werden theriomorph mit Affenköp­ fen und Schwänzen dargestellt. Die meisten Skulpturen zeigen Hanumän selbst. In den zweiarmigen Darstellungen hält der Affen­ könig die Hände zur Geste der Verehrung erhoben oder er hebt eine Hand vor seinen Mund, was stillschweigenden Gehorsam symbolisieren soll. Hanumäns mögliche Attribute sind Keule, Bogen oder Donnerkeil (Vajra). Manchmal hält er auch einen pyramidenförmigen Ge­ genstand in einer Hand, der die Spitze eines mythologischen Berges mit dem Namen Mahodaya versinnbildlicht. Eine Legende er­ zählt, daß Hanumän beauftragt war, für den verwundeten Räma und für seine Gefolg­ schaft Heilkräuter von diesem Berg zu be­ schaffen. Da er aber nicht in der Lage war, die Heilkräuter an Ort und Stelle zu bestim­ men, beschloß Hanumän pflichtschuldig, den ganzen Berg mitzunehmen, damit Räma die benötigten Heilkräuter selbst aussuchen könne. Nach erfolgreicher Heilung der Wunden durch die Kräuter brachte Hanu­ män den Berg an seinen ursprünglichen Ort zurück. Diese Legende soll sicherlich auf die unermeßliche Kraft hinweisen, die dem Kö­ nig der Affen nachgesagt wird. Diese Kraft ist notwendig, um den mächtigen Dämonen­ könig Rävana im Kampf zu besiegen; sie ist ihrem Wesen nach spirituell, und sie drückt sich ebenso aus in dem Sprung Hanumäns Sprung nach Lahkä, über das Meer. Der Affe ist auch das Tragtier von Vasanta, der Personifikation des Frühlings. Jedoch sind Darstellungen von Vasanta mit seinem Tragtier ausgesprochen selten. 182

.3.1.2.3 Nagas, die Schlangen und Schlangengötter Zu den ältesten bekannten Kulten Indiens gehört die Verehrung von Schlangen. Schlan­ gen sind Schutzgenien vor allem über Was­ serstellen, Seen, Flüsse und Bäche. Regional werden sie als Lokalgottheiten bis zum heuti­ gen Tage verehrt. Eine Schlange symbolisiert den ewigen Kreislauf der Zeit. Sie ist in der Lage, ihre Haut und damit den Anschein der Sterblich­ keit abzustreifen. In der Mythologie erhielt die Schlange ihre Unsterblichkeit, als sie von dem lebenspendenden Nektar (Amrta) leckte (s.Kap. 3.1.2.1). Die halb göttlichen, halb dämonischen Nägas sind Nachkommen der Näga-Könige Väsuki, Tak$aka und §e$a und Söhne von Kadrü, der Gemahlin des Weisen Kasyapa. Sie bevöl-

Verehrungssteine (Nägakals) mit Schlangenmotiven. Oben Mitte: Zwei Schlangen zu einem Knoten, der Unendlichkeit versinnbildlicht, verschlungen. Unten rechts: Ein Schlangenkönig.

Tiere im Hinduismus

kern die Wasserparadiese und wachen ge­ meinsam mit den Erdgenien (Yak$as) über die Schätze der Erde. Die Welt/uht auf den Schlangenköpfen von Väsuki. Wenn sich der Schlangenkönig bewegt, verursacht er da­ durch ein Erdbeben. Es gibt kaum einen indischen Mythos, in dem die Nägas nicht eine wichtige Rolle spielen. Näga ist eine allgemeine Bezeichnung für halbgöttliche Wesen, die oft theriomorph als schöne Jünglinge mit Kronen und Schmuck reich ausgestattet beschrieben und dargestellt werden. Ihnen wird übernatürliche Kraft, Potenz, Schläue und Weisheit nachgesagt. In anthropomorpher Darstellung tragen sie als erkennbares Attribut eine Gebetskette und ein Wassergefäß. Mehrarmigen Skulpturen von Nägas können die Attribute Lotus, Mör­ ser, Pflugschar und Schneckenschale beigege­ ben sein.

Nägas in Gestalt von Schlangen sind grund­ sätzlich Kobras. Bekannt sind drei-, sieben-, neun- oder zehnköpfige Darstellungen. Oft sind sie als Schutzschirm einer Gottheit an­ zusehen, wenn sich ihre Hauben über dem Kopf der Gottheit ausbreiten. Die Kobras (Nägas) werden vor allem in Südindien als Fruchtbarkeitsträger verehrt. Man findet un­ zählige Darstellungen auf Steinsockeln, den sogenannten Nägakals, unter Bäumen oder an Wasserstellen. Aufgrund ihres gefährli­ chen, zerstörerischen Aspekts müssen den Nägas Opfer dargebracht werden, um ihre schädliche Neigung zu bannen. Schlangen bilden in der Ikonographie häufig den Schmuck der Götter. Vor allem Siva und Durgä tragen häufig den Schlangenohrring (Nägakundala), eine Schlangenschlinge (Nägapäsa) oder eine Schlangenopferschnur (Nägayajnopavita) (s. Kap. 7.3).

Links: Der Asurakönig Bali, der von Vi$nu in die Unterwelt verbannt wurde. Rechts: Die fünfköpfige Schlange als schützende Haube über dem Kopf von Vi$iju (oben) und ein Schlangenfürst in der Geste der Verehrung (unten).

183

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

3.1.2.4 Surabhi und Nandi, die heiligen Rinder

Nach dem Tod der Menschen ziehen Kühe die Verstorbenen über den Fluß zur Unter­ welt (Vaitarani), in der es von Krokodilen Als Sinnbild der Nahrungspenderin ist die wimmelt, und verhelfen ihnen damit zu Kuh heilig und darf nicht getötet werden. einem neuen Dasein. Das männliche Rind, Surabhi ist ein Name der mythischen Kuh der Stier (Vv?an), versinnbildlicht Mann­ des Überflusses. Sie trat als erster Schatz der barkeit. Unterschieden werden weiße und Götter aus der Quirlung des Milchmeeres schwarze Stiere. Der weiße Stier ist emblehervor und wird als Tochter von Dak$a ange­ matisch für Siva, Mahesvari, Pärvati und die sehen. Als wunscherfüllende Kuh heißt sie sieben Mütter, und der schwarze Stier für Kämadhenu. Sie ist das Symbol der ewigen den Gott des Todes (Yama). Die vier Beine Fortpflanzung und Neuentstehung in der des Stiers symbolisieren Wahrheit, Reinheit, Natur. Außerdem ist Surabhi die Urahnin Mitleid und Freigiebigkeit. Man glaubt, daß aller Rinder, die Mutter aller Kühe. Alles, das Berühren des Stierschwanzes von Un­ was sie ausscheidet, ist heilig und bewirkt reinheiten befreit. rituelle Reinheit. Ihre Milch verjüngt die Der weiße Stier mit schwarzem Schwanz, das Menschen um Jahre, ihr Urin und ihre Ex­ Tragtier von Siva, heißt Nandi (»der Glücklikremente sind Heilmittel oder gelten als Vor­ che«). In frühester Zeit wurde in Nandi die beugung gegen viele Krankheiten. Darge­ theriomorphe Gestalt Sivas gesehen. Allein stellt als wunderschöne Frau mit dem Kopf der Hufabdruck von Nandi (Nandipäda) ist einer Kuh und den Attributen Wassergefäß heilig und gilt als eines der glückverheißen­ und Grasbüschel, wird Surabhi von Gläubi­ den Zeichen (s. Kap. 1.1 und 8.6). Nandi gen, die sich Wohlstand und Gesundheit er­ wird stehend oder liegend dargestellt. Er hoffen, angebetet. Surabhi lebt in Kr$nas Pa­ symbolisiert die Eigenschaften der Starken radies (Goloka) am Fuße des Berges Meru. und ermahnt zu moralischen und religiösen

Nandi, der weiße Stier und Tragtier von Siva.

184

Die Bedeutung der Tierdarstellungen

Pflichten und zur Einhaltung von Gerechtig­ keit und Gesetzen. Da alle Menschen nach indischen Vorstellungen durch triebhaftes Handeln gelenkt werden und Siva als der größte aller Asketen Herr über die Triebe geworden ist, wurde es ihm vergönnt, auf Nandi zu reiten. Als nicht-brahmanische Gottheit war Nandi im Altertum jedoch der Herr der Freude (Nandikesvara) und wurde

als Mensch mit einem Stierkopf dargestellt. Die Freude, das heißt Tanz und Musik, wa­ ren die Urkraft der Schöpfung, was später auf Siva als Najaräja übertragen wurde. So­ mit ist in Nandi sicherlich der doppelte Aspekt des Schädlichen und des Nützlichen zu sehen, genau wie dies auch für Siva in vielen seiner Darstellungen gilt.

3.2 Die Bedeutung der Tierdarstellungen 3.2.1 Pferd Das weiße Pferd (Turaga) ist neben der Kuh (Surabhl) eines der Tiere, das aus der Quirlung des Milchmeeres hervorgegangen ist. In den Veden erhielt das Pferd individuelle Gestalt und wurde hochverehrt. Der Sonnenwagen des Sonnengottes (Sürya) wird von Pferden gezogen. Vi$nu nahm sich den Schimmel aus dem Milchmeer. Das langohri­ ge Pferd Uccaihsravas wurde neben dem Ele­ fanten (Airävata) das Reittier von Indra und wurde als der mythische König und Urvater aller pferdeähnlichen Tiere verehrt. Den pferdeköpfigen Vi$nu identifiziert man mit Uccaibsrava, und Vi$nu wird in der zehnten, künftigen Inkarnation (Kalki) als Pferd die Welt vor dem Untergang retten. Darstellungen von Menschen mit Pferdeköp­ fen sind ausgesprochen selten und wenn, dann nur bei den Asvins bekannt. Die Asvins (»Besitzer von Pferden«) sind zwei vorvedische Götter, die als die Schamanen aller Göt­ ter angesehen werden. Sie sind in die Ge­ heimnisse der Natur eingeweiht, kennen die Heilkräfte der Pflanzen, und in späterer Zeit wird ihnen die Bewachung des Nektars der Unsterblichkeit (Amfta), der aus der Quirlung des Milchmeeres gewonnen worden war, aufgetragen.

Turaga, das Pferd, einer der Schätze, die aus der Quirlung des Milchmeeres gewonnen wurden.

185

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

Haya und Väjin, mögliche Sammelbegriffe für Pferde, beziehen sich symbolisch auf Weisheit und Stärke. Haya steht in Verbin­ dung mit der Sonne und versinnbildlicht Kö­ nigtum, Macht und Schutz. Väjin, »die Stär­ ke«, bedeutet hier vor allem Schnelligkeit, Tapferkeit und Männlichkeit, die heroischen Eigenschaften von Königen und Kriegern. Somit ist das Pferd als Symbol immer da zu finden, wo solche Eigenschaften dargestellt werden.

3.2.2 Elefant (Gaja) Der Elefant ist das Tier der Könige par excellence. Er versinnbildlicht Macht und Stärke, Ausgeglichenheit, Ruhe und Reichtum. Im Altertum war es Königen allein gestattet, Elefanten zu halten. Der Elefant ist auch ein Fruchtbarkeitsträger. Ein weißer Elefant mit vier Stoßzähnen mit dem Namen Airävata trat aus der Quirlung des Milchmeeres hervor. Poetisch wird Airä­ vata mit Regenwolken verglichen, die über die Erde dahinziehen und der Natur das le­

bensnotwendige Naß liefern. Durch die An­ wesenheit von Elefanten sollen nach indi­ schem Glauben Regenwolken angezogen werden. Die Göttin —»£ri-Lak$mi ist eng mit der Elefantenverehrung verbunden. In der Ikonographie sitzt sie oft zwischen zwei Ele­ fanten, die in ihren erhobenen Rüsseln Was­ sergefäße halten und das Wasser über die Göttin gießen. Zwischen den Nägakulten und der Elefan­ tensymbolik besteht eine gewisse Beziehung. Die Schlangen sind Wächter über die Schätze der Erde, vor allem aber über das Wasser. Der Elefant soll in seinem Ursprung selbst einmal ein Näga, ein Schlangenkönig gewe­ sen sein, worauf die Symbolik des Rüssels noch hinweisen mag. Eine Vielzahl von mythologischen Wesen, die die für Menschen unerreichbaren Regio­ nen der göttlichen Paradiese bevölkern, ge­ hen in ihrem Aussehen eine Verbindung mit dem Elefanten ein. So gibt es Fabelwesen, die den Kopf eines Elefanten tragen; hierzu ge­ hört der elefantenköpfige —> Ganesa, der zu einer der populärsten Gottheiten Indiens ge­ worden ist.

Gaja, der Elefant, das königliche Tier und Tragtier eines Feldherrn.

186

Die Bedeutung der Tierdarstellungen

3.2.3 Löwe (Simha) Auch der Löwe ist ein königliches Tier, ob­ wohl in ihm nicht wie im westlichen Denken der König der Tiere gesehen wird. Den Titei »König der Tiere« kann in der indischen Anschauung eher die Antilope oder das Einhorn beanspruchen, da es für die Natur schlechthin steht. Die Kraft und Macht allein, die dem Löwen zugesprochen wird, reicht nicht aus, in ihm das größte aller Tiere zu sehen.

Der Löwenthron ist ein charakteristisches Zeichen von —»Jnäna-Dak$inä-Mürti und auch der —» Durgä. Die vier Beine des Throns stehen für die vier Pfeiler der Weltregionen (s.Kap. 8.2), und der gesamte Thron versinnbildlicht unbesieg­ baren Mut. Die dem Löwen nachgesagte Kraft wird vor allem deutlich durch Vi$nu, der in seiner vierten Inkarnation als —»Narasimha die Ge­ stalt dieses Tieres annahm, um einen über­ mächtig gewordenen Dämonen zu vernich-

Der Löwe (von links nach rechts) als Begleittier auf dem Sockel einer Götterskulptur, als vierte Inkarnation Vijijus und als Dämon von einer Gottheit bezwungen.

187

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

ten. Im Blutrausch wurde Narasimha (»Mensch-Löwe«) jedoch selbst zum Dämon und drohte nun seinerseits die Welt zu zer­ stören. Er konnte nur durch eine furchtbare Emanation Sivas in seiner unkontrollierba­ ren, blutigen Ekstase gehindert werden. Der Löwe versinnbildlicht auch Schutz und wird somit bevorzugt in Form einer Löwen­ maske (Kirttimukha) als Gürtelschnalle ge­ tragen oder erscheint fast immer als dekorati­ ves Stilelement auf Torbögen und Tempelgie­ beln (s. Kap. 8.3).

Die Antilope als Begleittier einer Gottheit.

3.2.4 Antilope (Mrga) Die Antilope ist ein Symbol, das schon auf den Siegeln der Industal-Kultur auftaucht. Sie ist der Herr der Tiere und verkörpert die Natur schlechthin. In der Personifikation der Göttin Santi ist die Antilope das Symbol des Friedens. Der himmlische Wagen des Mond­ gottes Candra wird von einer weißen Anti­ lope gezogen. Sie zählt auch zu den charakte­ ristischen Attributen von Siva (s. Kap. 6).

3.2.3 Büffel (Mahisa) Der Büffel als Tragtier von Yama, dem Herrn über die Unterwelt, ist das Symbol für Tod. Dem Tier wird eine unsägliche Kraft zugesprochen, es gilt als angriffslustig und starrköpfig, Eigenschaften, die im Westen eher auf den Stier zutreffen. Dämonen, die im Kampf mit den Göttern standen, nahmen häufig die Gestalt von Büf­ feln an. In der Büffelverkörperung gelang es ihnen, die Götter zu besiegen, zu vertreiben und sich selbst in den himmlischen Paradie­ sen niederzulassen. Die Legende berichtet, daß nur die Göttin Durgä, in ihrer Form als —> Mahi$äsuramardini, in der Lage war, den

188

Oben: Büffel und Büffeldämon (links) und die Unglück verheißende Göttin mit ihrem Tragtier, dem Büffel (rechts). Mitte: Der besiegte Büffeldämon Mahi$a als Sockel für eine Göttin. Unten: Mahi$a, der Büffel, das Tragtier von Yama, dem Gott des Todes, und bevorzug­ te Gestalt von Dämonen im Kampf mit den Göttern.

Die Bedeutung der Tierdarstellungen

Bitten der Götter nachzukommen, den Büf­ feldämon zu schlagen. Ein enthaupteter Büf­ fel, auf dem eine Gottheit steht, symbolisiert den Sieg über das Dämonische.

3.2.6 Ziege (Ajä) So wie in der Antilope sahen die Inder in frühester Zeit auch in der Ziege die undiffe­ renzierte Natur. Die Ziege wurde später zum Tragtier von -^Isäna und verkörpert einen Aspekt der Göttin —> Pärvatl. Der Ziegenbock ist das Tragtier von —> Agni, —>Kubera und —>Varuna. Der Wagen des vedischen Gottes Pü$an, Gemahl der Süryä, ist von Ziegen gezogen.

3.2.7 Hund, Schakal und Wolf

Ajä, die Ziege, in der Darstellung eines verehrenden Halbgottes.

Der Hund gilt als unrein, was ihn zu einem ungeeigneten Begleiter der meisten Gotthei­ ten macht. Der Hund war schon im frühen Altertum domestiziert und hatte die Funk­ tion eines Wachhundes. Zwei Höllenhunde, Sabala und Syäma, bewachen den Eingang zur Unterwelt, das Reich von Yama, dem Gott des Todes. Sie sind Sprößlinge von Saramä, der Hündin Indras, die die Funktion des Boten und Wächtertiers innehat und als Mutter aller hundeähnlichen Tiere angesehen wird. Die Höllenhunde werden oft vieräugig dargestellt. Siva hat in einigen seiner frühen Formen, die an seine Identität mit dem Sturmgott Rudra erinnern und ihn als asketischen, umherwan­ dernden, verehrungswürdigen Bettler zeigen, ein Rudel Hunde in seiner Begleitung. Mei­ stens wird der Hund ikonographisch auf den Hinterpfoten stehend dargestellt. Er leckt an der herabhängenden rechten Hand der Gott­ heit.

189

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

Der Schakal (Sfgäla) ist das Tragtier von —»Kali. In der Nacht von Kr$nas Geburt nahm die Göttin —>Durgä die Form eines Schakals an, um ihn vor dem mörderischen König —> Kamsa, einem ehemaligen Dämon, der als tyrannischer König von Mathura wie­ derverkörpert wurde, zu retten. Der Wolf (Vrka) ist ein Tier, das in Verbin­ dung zu —► Siva-Bhairava und zur Göttin —» Gauri steht.

3.2.8 Mungo (Nakula) Der Mungo ist vergleichbar mit einem Füll­ horn. Er wird beschrieben und dargestellt, als speie er laufend Juwelen und Münzen. Damit liegt es nahe, daß der Mungo das geeignete Begleittier von —»Kubera ist, dem König der Genien, einem halbgöttlichen Dä­ mon, der als Gott des Reichtums angesehen wird. Die Wächter über die Reichtümer der Erde sind die Schlangen, die wiederum von dem Mungo bewacht werden, denn er ist neben dem Adler (Garuda) der ärgste Feind der Schlangen. Kubera wird fast nie ohne seinen Mungo, entweder in einer Hand oder an seinem Thron hockend, dargestellt.

3.2.10 Skorpion (Vrscika) Der Skorpion taucht manchmal als Schmuck­ ornament auf, beispielsweise als Kette von §iva in seiner Form als —»Vi$apraharanamürti, der das Gift, das aus der Quirlung des Milchmeeres entstanden ist, geschluckt hat und damit die Menschen vor dem Gifttod bewahrte. Stärker als die Schlange versinn­ bildlicht der Skorpion das Gift. Er warnt aber auch vor übermäßiger Liebe und Sinnes­ lust, da diese die Gefahr von auszehrender Krankheit und Elend in sich bergen.

3.2.11 Schildkröte (Kurma) In kosmogonischen Mythen ist die Schild­ kröte eng verbunden mit —»Prajäpati, dem Schöpfer der Natur. Sie versinnbildlicht den Weltenbau. Die kosmische Schildkröte ist ein Element im Schöpfungsprozeß. Prajäpati nahm die Gestalt einer Schildkröte an, als er die Lebewesen schuf.

3.2.9 Eber und Schwein (Varäha) Bildlich dargestellt wird vor allem das Wild­ schwein. Es ist hauptsächlich das Tier der Göttin —» Gauri, und es versinnbildlicht den Ackerbau. Die Stoßzähne des Ebers können als Symbol für den Pflug angesehen werden. Das Verspeisen von Wildschweinfleisch ist ritualistisch. Vi$nu nahm in einer seiner In­ karnationen die Gestalt eines Ebers an (s. Kap. 2.3.5), rettete so die Erdgöttin, die in den Wasserfluten zu ertrinken drohte, und hob sie zurück auf die Erde.

190

Links: Die Schildkröte Kürma, auf der die Welt ruht. Rechts: Die Schildkröte als Tragtier von Gottheiten.

Die Bedeutung der Tierdarstellungen

Der untere Panzer symbolisiert die Erde, der obere den Himmel. Der Körper dazwischen steht für Atmosphäre. Bei der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) diente die Schild­ kröte als Fundament für den Quirlstab. Ihre Ergebenheit und Bescheidenheit wird als Ide­ al für die Menschen angesehen, die sich diszi­ pliniert, zurückhaltend und ruhig geben sollten. Auch Vi$nu nahm in einer seiner Inkarnatio­ nen die Gestalt der Schildkröte an (—» Kürmävatära). Die Schildkröte ist das Tragtier der Erdgöttin -^Pfthivi und der Flußgöttinnen, vor allem der —»Yamunä.

3.2.12 Fisch (Matsya)

Der Fisch ist neben der Schildkröte das Trag­ tier der Flußgöttinnen —» Gahgä, —» Sarasvati, —»Yamunä. Somit symbolisiert der Fisch die heiligen Flüsse Indiens und alles Leben, das aus dem Wasser entsteht. Eine Reihe von Lebewesen, die mythologischen eingeschlos­ sen, sind sogenannte »wassergeborene« Le­ bewesen. Halb Fisch, halb Mensch oder Tier, verkörpern »Fischelefanten«, »Fisch­ pferde« und auch Meerjungfrauen das Prin­ zip, daß alles Leben aus dem Wasser kommt. Zwei Fische gehören zu den acht glückver­ heißenden Zeichen (s. Kap. 8.6).

3.2.13 Reptilien

In seiner ersten Inkarnation verkörperte Vi$nu einen Fisch und rettete die Welt (—»Matsyavatära). Die Rolle des Fisches als Retter wird auch deutlich in der Legende von Vaivasvata, dem indischen Noah, der durch einen gehörnten Fisch gerettet wurde.

Die Fähigkeit des Chamäleons, seine Farbe zu verändern, hat Poeten und Künstler seit altersher inspiriert. Im Chamäleon, aber auch im Gecko, sieht man etwas Propheti­ sches. Damit gehören diese Reptilien zu den magischen Tieren. In dem Fluß, der die Unterwelt von den

Oben: Der Fisch als Begleittier von Fruchtbarkeitsgöt­ tinnen (links) und als glückverheißendes Zeichen (rechts). Darunter: Jalebha, wassergeborene Tiere, ein Elefant und ein Büffel mit Fischkörpern.

Das Krokodil als Begleit- und Tragtier von Gottheiten und Prototyp des mythischen Makara.

191

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

Regionen der Lebenden trennt, wimmelt es von Krokodilen. Nur mit Hilfe der heiligen Kuh (Surabhl) können die Verstorbenen den scharfen Zähnen der reißenden Reptilien ent­ kommen. Krokodile werden auch in heiligen Seen gehalten. Die ikonographische Umsetzung der vor al­ lem mythischen Reptilien zeigt sich in dem Makara, einer Art Seeungeheuer, dem Trag­ tier von Flußgöttinnen wie der —> Gahgä und des Wassergottes —> Varuna (s. Kap. 3.3).

3.2.14 Vögel Vögel sind Überbringer von Nachrichten, oder sie kündigen Ereignisse an und nehmen damit die Stellung magischer Wesen in der Symbolik des Tierreiches ein. Es entspricht altem Glauben, daß die Vögel über die für den Menschen unergründbaren Geheimnisse des Lebens wachen. Sie allein haben Zugang zu den Gegenden, in denen die Götter leben. Die Götter wiederum halten sich die Vögel als Boten und lassen durch sie den Menschen Nachrichten in Form von Omen zukommen. So entwickelte sich in Indien über die Jahr-

Der Papagei, das Tragtier von Kama, dem Gott der Liebe.

192

hunderte eine Geheimwissenschaft, die sich mit dem Verhalten und den Stimmen der Vögel eingehend befaßt hat. In der Ikonographie trägt ein Vogel sehr zum Gesamtaussagewert einer Skulptur bei. Ein Vogelpaar beispielsweise im Hintergrund eines Götterpaares weist darauf hin, daß die beiden in liebevoller Hingabe einander nä­ herkommen. Ein Papagei oder eine Krähe verleiht dem Bild symbolisch Unsterblich­ keit. Der wichtigste aller Vögel, der mythische Adler —> Garuda, der die Stellung eines halb­ göttlichen Wesens eingenommen hat und auch anthropomorph dargestellt wird, ist be­ reits unter »Tiergötter« (s. Kap. 3.1.2) be­ handelt.

3.2.14.1 Krähe, Eule und Taube Die Krähe, die Eule und die Taube sind Vögel, deren Erscheinen auf ein böses Omen hinweist. Die Krähe (Käka), das Tragtier des unglückbringenden Planetengottes Saturn (—»Sani) und Emblem der Unglück verhei­ ßenden Göttin —»Jye$thä, versinnbildlicht die Seelen der Verstorbenen. Böse Mächte werden durch die Eule (Ulüka) verkörpert. Der Vogel ist emblematisch für die unglück­ bringenden Göttinnen —»Nirrti und —>Cämundä und für den Planetengott —»Rähu. Dämonen, die Eulengestalt haben und Ulükhales genannt werden, haben in der Ikono­ graphie ein abstoßendes Erscheinungsbild. Sie werden mit tiefliegenden Augen, aus dem Mund hängenden Zungen und den Attribu­ ten Mörserkeule und Gefäß dargestellt. Die Taube (Kapota) ist der Bote der Göttin Nirfti. Die Taube soll Unglück, Elend, Lei­ den und Vergehen übermitteln. Hört man eine Taube in der Nähe eines Feuers gurren, weist das auf ein Todes-Omen hin.

Die Bedeutung der TierdarStellungen

3.2.14.2 Die Gans (Hamsa)

3.2.14.3 Der Hahn (Kukkutyi)

Aus der Gruppe der Wasservögel sind vor allem die Gans, der Schwan und der Kranich zu nennen. In Haipsa, der Gans oder dem Schwan, wird das kreative Prinzip der Schöpfung gesehen. Somit ist Haipsa das Tragtier von Brahma, SarasvatI, Brahmänl, Candra und Varuna. Haipsa ist der kosmi­ sche Atem, der Lebensspender. »Haip« be­ deutet ausatmen und »Sa« einatmen. Einund Ausatmen stehen für das Ausgehen der Lebenskraft vom kosmischen Ursprung (Brahman) und die Rückkehr dorthin. Gänse werden häufig fliegend dargestellt, wobei der ruhige, ausgeglichene Flug als meditative Kraft eines Yogin, der auf dem Wege zur höchsten aller Erkenntnisstufen ist, angese­ hen wird. Ein Mensch, der frei von den Fesseln des Daseins ist, wird Paramahaipsa genannt, denn auch die Gans ist frei von Begrenzungen: Sie ist sowohl auf der Erde wie auch auf dem Wasser und hoch oben in den Lüften heimisch, gleich dem Yogin, den nichts an einem Ort festhält. Gänse, die mit der Knospe eines Lotus im Schnabel dargestellt werden, sind Fruchtbar­ keitsträger und schenken den Menschen neu­ es Leben. Die Lotusknospen stammen aus den heiligen Seen der himmlischen Regionen am Fuße des.heiligen Berges Meru. Sie wer­ den über fjir Menschen unvorstellbar große Strecken iri: die besiedelten Gebiete gebracht, wo sie die Erde segnen, zum Wohle aller Lebewesen. Der Lotus (Padma) gehört damit zu den heiligsten Pflanzen (s. Kap. 3.5.2). Im Gegensatz zur Gans ist der Kranich (Bagalä) ein unbeständiges Tier. Er erinnert die Menschen daran, nachzudenken und in sich zu gehen, um sich vor allzu eiligen Schlüssen, die man bereuen könnte, zu bewahren. Somit verkörpert der Kranich auch eine Tugend, die der Vorsicht.

Der Hahn ist ein für den Kriegsgott Skanda charakteristisches Tier. Oft ist er auf dem Banner, einem der Attribute des Gottes, sichtbar, oder er wird den Skandaskulpturen als Attribut beigegeben. Er versinnbildlicht die aufgehende Sonne und steht für das Reich der Zeit.

3.2.14.4 Der Pfau (May üra) Der Urahn des Pfaus ist der mythische Vogel —»Garuda. Aus einer seiner Federn soll der Pfau entstanden sein. Er versinnbildlicht Un­ sterblichkeit und ist somit eng verbunden mit der ewig jugendlichen Gottheit —> Kärttikeya und mit den dieser Gruppe zugehörigen Gottheiten. Da der Kriegsgott Skanda mit Kärttikeya identisch ist, ist der Pfau das Tragtier beider Gottheiten, die als Söhne von Siva die Sym­ bolik des Pfaus auch auf ihre Vatergottheit übertragen haben. Die Federn des Pfaus sind somit auch Siva geweiht.

Der Pfau, das Tragtier von Skanda, dem Kriegsgott.

193

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

33 Fabelwesen Die Paradiese, Himmel oder Wohnsitze der Götter beheimaten eine Reihe von mythi­ schen Lebewesen, die die Phantasie der Men­ schen geschaffen hat. Keines der Fabelwesen ist eindeutig mit einem bestimmten Tier zu identifizieren, und doch tragen sie alle die Eigenschaften von irdischen Lebewesen. Einige der Fabelwesen sind halb Mensch und halb Tier, andere wiederum haben den Rumpf eines bestimmten Tieres und tragen den Kopf eines anderen. Das am häufigsten in der Ikonographie auf­ tauchende Fabelwesen ist das Tragtier der Flußgöttinnen, der Makara, eine Art Seeun­ geheuer, das die Züge von Fischen, Schild­

a

b

kröten, Krokodilen und Elefanten trägt. Es symbolisiert die Lebenskraft des Wassers und verkörpert alle Aspekte der Tiere, die in ihm vereint sind. Auf architektonischen Stil­ elementen, sei es an Torbögen, Säulen, Sokkeln und auf Friesen, ist der Makara häufig repräsentiert. Oft ranken unterschiedliche Pflanzen aus seinem weit geöffneten Maul. Wenn ein Gnom oder Erddämon auf dem Makara reitet, wird das Wasser symbolisch von den Menschen für den Ackerbau ge­ nutzt. Gnome zwischen den Ranken werden häufig so dargestellt, als zögen sie dem Seeungeheuer das pflanzliche Leben aus dem Maul. Dieses Bild kann dahingehend gedeu­ tet werden, daß die Menschen das Bestreben haben, sich Erde und Wasser untertan zu

c

d

Oben: Makaras als Fruchtbarkeitsträger. Ihren Mäulern entspringt pflanzliches und tierisches Leben. Darunter: a) Makara, das mythische Seeungeheuer; b) Narasimha, der Menschlöwe; c) Gajasimha, der Elefantenlöwe; d) Gajavnabha, Büffel und Elefant mit einem Kopf, das Sinnbild für die Verschmelzung der scheinbaren Antagonis­ men aus Entstehung und Zerstörung.

194

Fabelwesen

machen. Doch ist auch Vorsicht angesagt, denn der Makara ist der personifizierte Schatz des —» Kubera, Haupt der Geister der Tiefe und Gott des Überflusses. Gut und Böse liegen bei dem Seeungeheuer dicht bei­ einander, und jeglicher Übermut könnte die Götter verstimmen. Wenn verdeutlicht werden soll, daß letztlich alle Tiere aus dem Wasser kommen, spricht man von sogenannten wassergeborenen Tie­ ren (Jalebha). In der Ikonographie tauchen als dekoratives Ornament zuweilen Tiere wie Pferde, Elefanten und Rinder mit Fisch­ schwänzen auf. Besonders der Wasserelefant hat symbolische Bedeutung, da ja auch der Elefant selbst eng mit dem Wasser als lebens­ spendende Kraft verknüpft ist. Wassertiere

symbolisieren schlechthin das Wasser, als Ursprung allen Lebens (s. Kap. 3.2.12). Andere Tierkompositionen zeigen halb Elefant und halb Löwe (Gajasimha), halb Mensch und halb Tier (z. B. mit Elefanten­ kopf, Gaja-viräla, oder mit Löwenkopf, Simha-viräla) oder den Rumpf eines Tieres mit dem Kopf eines Menschen (Nara-viräla). Das furchterregendste unter den Fabelwesen ist der £arabha, ein wildes, reißendes Untier, halb Mensch, halb Tier, oft mit einem oder drei Hörnern, sechs oder acht Beinen und mit Pfeilen statt einer Mähne. Der Sarabha symbolisiert Ekstase und Tod. Siva nahm diese Gestalt an, um den Menschlöwen (—»Narasimha) zu töten, als der den sivaitischen Gläubigen —»Hiranyakasipu von sei­ nem Opfer abhielt. Zur Freude und Unterhaltung der Götter tragen musizierende und tanzende Fabelwe­ sen bei, zu denen die —»Kinnaras gehören: mythische Lebewesen mit dem Körper eines Vogels und dem Kopf eines Menschen. In ihrem Symbolgehalt muß die Komposi­ tion aus Stier und Elefant (Gajavf?abha) von den Fabelwesen abgegrenzt werden. Die Darstellung des Gajavr$abha ist eine künstle­ rische Spielerei, in der die beiden Tiere sich gegenüberstehen, aber die Köpfe beider iden­ tisch sind. Doch besitzen der Elefant und der Büffel widerstreitende Eigenschaften. Der Elefant ist ein lebenspendendes Tier, das eng mit dem Näga-Kult, den fruchtbarkeitspen­ denden Schlangen und den »wassergebore­ nen« Tieren in Verbindung steht, während der Büffel das Begleittier von Yama, dem Gott des Todes, ist und zu den bevorzugten Dämonen zählt. Somit kann in der Darstel­ lung des Gajavr$abha auch der Versuch gese­ hen werden, den Gegensätzen, die allen Da­ seinserscheinungen innewohnen, sichtbaren Ausdruck zu verleihen.

Vyälaka, der gehörnte Löwe.

195

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

3.4 Pflanzliches Leben und Bäume Pflanzliches Leben, Gräser, Blumen, Sträucher und Bäume, ob wild gedeihend oder kultiviert, sind ebenso Bestandteil der Ver­ ehrung wie Götter, Tiere oder Naturerschei­ nungen. Sie tragen einen gleich starken Sym­ bolgehalt, womit sie zu einem nicht zu über­ sehenden Bestandteil des Gesamtgötterbildes und dessen Verständnisses werden. Die Baum- und Schlangenverehrung gehört mit zu den ältesten Kulten der Inder. Die über den gesamten Subkontinent verbreitete Ver­ ehrung von Pflanzen, insbesondere von Bäu­ men, als Sitz der Götter und Vegetationsge­ nien, geht auf alte autochthone Vegetations­ kulte zurück. Diese Kulte haben sich tief im Bewußtsein der Menschen festgesetzt und sind bis zum heutigen Tag Bestandteil des religiösen Denkens und Handelns. Einen Baum nach den vorgeschriebenen Riten zu pflanzen, verheißt eine Wiederverkörperung im Himmel der höchsten Götter, befreit Ahnen aus möglichen leidvollen Daseins­ formen und verhilft den Nachkommen zu einem besseren Leben. Die hinduistische Kosmographie bezeichnet die von ihr angenommenen Ringkontinente zum Teil nach den Namen von Bäumen, so den inneren Kontinent Jambudvipa nach dem Rosenapfelbaum (Jambu). Neun verschiedene Pflanzen werden als die neun Aspekte der Göttin Durgä angesehen, die in diesen Pflanzen als Brahmänl, Kälikä, Durgä, Kärttiki, Siva, Ruktadantika, Sokarahita, Cämundä und Lak$ml, wohnt. Die Ver­ ehrung der Göttinnen in ihrer Pflanzenform soll nach hinduistischem Glauben die Men­ schen beschützen. Eine besondere Pflanze, die in vedischen Riten immer wieder vorkommt, konnte botanisch bisher nicht bestimmt werden. Die Pflanze und vor allem ihr gelber Saft heißen

196

Soma. Soma ist der Nektar der Unsterblich­ keit und das Getränk der Götter. Der Saft hatte allem Anschein nach die Wirkung einer Droge, von der man glaubte, daß ihr Genuß den Menschen gottähnlich werden und ihm die gleiche Inspiration zuteil werden ließ, die notwendig war, um die heiligen Hymnen der Veden zu verfassen. Soma symbolisierte die flüssigen Bestandteile des Universums und wurde in späterer Zeit dem Mond (Candra) zugeschrieben. Der Gott oder Herr des Mondes (-^Somadeva) wurde damit auch zum Herrn der Pflanzen.

Pflanzliches Leben und Bäume

3.4.1 Bäume (Vrk$a) Unterschieden werden Bäume, die im göttli­ chen Paradies (Svarga) und solche, die auf der Erde wachsen. Die fünf Bäume des Paradie­ ses sind Mandara, Pärijäta, §ami, Haricandana (Sandelholzbaum) und besonders der wunscherfüllende Baum Kalpavfk§a. Im Altertum zur Zeit der Veden wurde der Wald als Ganzes personifiziert (Arani) und die un­ differenzierte Baumgottheit unter dem Na­ men Vanaspati verehrt. Später erhielt ein je­ der Gott eine Zuordnung zu einem bestimm­ ten Baum, was durch eine Legende, nach der die Göttin Pärvati die Götter in Bäume ver­ wandelte, noch bekräftigt wurde. Damit wird deutlich, daß die Fülle der im späteren Hinduismus hinzugekommenen Gottheiten den Baumkult nicht abgelöst haben. Éiva wurde zum Vatabaum, Vi$nu zum Asvatthabaum, Brahmä zum Plak$abaum, Agni zum áamibaum, und Indra wurde in die Vajrlstaude (Euphorbia antiquorum) verwandelt.

3.4.1.1 Der Feigenbaum Die Botanik unterscheidet auf dem indischen Subkontinent bis zu 600 Arten der Gattung Ficus. Ob die jeweilige Sanskritbezeichnung für einen Feigenbaum mit der botanischen Bezeichnung immer identisch ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Der heilige Baum, unter dem Buddha seine Erleuchtung hatte, der deshalb Bodhi-(»Erleuchtung«)Baum heißt und von den Buddhisten an der heiligen Stätte Bodh-Gayä in Bihär verehrt wird, gilt allgemein als der Ficus religiosa. Hinter dieser botanischen Gattungsbezeich­ nung verbirgt sich der sogenannte PippalaBaum, der auf Sanskrit Asvattha heißt und vor allem Vi$nu zugeordnet ist. Der Ficus

religiosa ist der Lebensbaum par excellence, von dem gesagt wird, daß sein Stamm in Gott wurzelt. In der Mythologie lassen sich unter diesem Baum die Apsaras, die himmlischen Nymphen, nieder und erfüllen die Luft mit dem Klang ihrer Zimbeln und Lauten, was ein beliebtes Motiv in der Ikonographie vor allem auf Felsreliefs darstellt. Eine weitere Gattung des Feigenbaums ist der Vi$nu geweihte Nyagrodha (Ficus indica), der mit seinen Luftwurzeln ein Gebiet von mehreren hundert Quadratmetern beset­ zen kann. Volkstümlich wird dieser etwas gespenstige Baum als Banyan-Baum bezeich­ net. Die Fläche, die von den Luftwurzeln erreicht wird, gehört zum Bezirk der furcht­ baren Göttin Kali. Aus dem Holz des Banyan-Baumes werden Opferschalen herge­ stellt. Ein weiterer Vi$pu geweihter Baum der Gat­ tung Ficus ist der Udumbara-Baum (Ficus glomerata). Seine Früchte sollen die Eigen­ schaften aller anderen Früchte und das Holz seines Stammes die Eigenschaften aller ande­ ren Hölzer vereinen, deshalb ist dieser Baum das Sinnbild für Speise und Kraft.

3.4.1.2 Der Holzapfelbaum Im Holzapfelbaum (Aegle marmelos), der volkstümlich Bilva heißt und nach seinen Früchten benannt ist, wird die Pflanzenform Sivas gesehen. Die Bilvafrucht (Holzapfel), die eine hervorragende Heilwirkung bei Ma­ gen- und Darmerkrankungen hat, soll den Phallus (Lihga) von §iva versinnbildlichen. Siva wird manchmal mit einem Stab, an des­ sen oberem Ende eine Bilvafrucht befestigt ist, dargestellt (Bilvandanda).

197

Die Qutrlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

3.4.1.3 Der Korallenbaum

3.5 Pflanzen

Einer der fünf Bäume, die aus der Quirlung des Milchmeeres hervorgegangen sind, ist der Korallenbaum oder Pärijäta (Erythrina indica). Seine dreigeteilten Blätter symbolisieren die göttliche Dreiheit aus Brahma, §iva und Vi$riu. Dieser Baum zählt auch zu den fünf Bäumen des Paradieses. Kf§na soll ihn ge­ raubt und dorthin gebracht haben. Seither erfüllt der Duft seiner Blüten die himmli­ schen Lüfte.

Zu den heiligen Pflanzen, mit denen Götter in Verbindung gebracht und mit denen sie manchmal ikonographisch dargestellt wer­ den, gehören Gräser, Schlingpflanzen und Gewürze. Das Basilikum, Tulas! (Ocimum sanctum), ist eine pflanzliche Manifestation des Vi$nu und ist der Göttin Lak$mi geweiht. Personi­ fiziert wird die Pflanze durch die Göttin Tulasldevl. Sie sitzt wie Lak$m! meist auf einem Lotusthron, ist vierarmig und trägt als Attribut einen blauen und einen weißen Lo­ tus, während die anderen Hände die Geste der Schutzverheißung und Wunschgewäh­ rung zeigen. Sie trägt eine Krone und ist prachtvoll mit Schmuck ausgestattet. Die Pflanze oder die Schutzgöttin im Hause soll die Boten des Todesgottes Yama, vertreiben. Der Saft der Pflanze wird nach einem Schlan­ genbiß gegen die Wirkung des Giftes auf die Wunde aufgetragen. Das Kusdgras (Desmostachya bipinnata) ist den Indern heilig. Ein Büschel des KusaGrases ist ein Attribut des Brahma und auch der personifizierten Kuh des Überflusses

3.4.1.4 Der Asoka-Baum Der Asoka-Baum (Saraca indica) ist §iva ge­ weiht. Man glaubt, daß er erst blüht, wenn ein schönes, jungfräuliches Mädchen seinen Stamm mit einem Bein berührt hat. Der Bo­ gen von —»Käma, dem Gott der Liebe, be­ steht aus den Blüten des Asoka-Baumes, und deshalb werden sie bevorzugt diesem Gott geopfert. Asoka ist in Indien ein beliebter Name, den auch einer der größten Herrscher (273-232 v. Chr.) der Maurya-Zeit trug.

Die wunscherfüllende Ranke in Gestalt eines göttlichen Wesens.

198

Pflanzen

(Surabhi). Als Attribut Brahmas heißt das Gras Kürca und bei Surabhl wird es Tpja genannt. Man glaubt, daß das Gras das Böse abwehrt, wenn man es gegen die Seite des Körpers hält. Die Schlange (—»Näga) leckte einen Tropfen des lebenspendenden Elixiers Arnfta, das aus der Quirlung des Milchmeeres gewonnen wurde, und schnitt sich dabei an seinem scharfkantigen Halm die Zunge. Schlinggewächse, beliebte Stilornamente in der Ikonographie, verbinden Menschen, Götter, Tiere und Pflanzen miteinander und stellen die Lebenskraft dar, die von allen Lebewesen gleichermaßen geteilt wird. Die Bezeichnung für die Pflanze ist Latä. In ihr sehen die Inder auch die Klinge eines Schwertes oder die Umrisse einer Frauenfi­ gur. Die lange, alles verbindende Schling­ pflanze (Kalpalatä) soll bis in den Himmel ragen, wo sie weiterwächst und Kalpavalli genannt wird, da sie dort wunscherfüllende Eigenschaften hat. Unter den Gewürzen hat vor allem das gelbe Safran (Haridrä) (Cucurma longa) als Opfer für den vierarmigen, dreiäugigen -^Ganesa als Haridräganapati eine Bedeutung.

Blumen- und Pflanzenmotive.

3.5.1 Blumen und Blüten Blüten sind ein beliebtes Opfer für die Göt­ ter. Nach feststehenden Anordnungen wer­ den sie von den Gläubigen auf die Blumen­ altäre vor die Skulptur der Gottheit gelegt oder, in Form von Ketten aneinandergereiht, den Skulpturen umgehängt, womit große Teile des Götterbildes verdeckt werden. Obwohl bestimmte Blüten, vor allem der Lotus und die Lilie, bevorzugt geopfert wer­ den, gibt es bis auf eine Ausnahme keine feststehenden Regeln dafür, welche Blüte für welche Gottheit passend ist. Die Ausnahme macht die Ketaki-Blüte, die niemals §iva ge­ opfert werden darf. Dieses Verbot geht zu­ rück auf die Legende, in der erzählt wird, daß Brahma den Anfang und das Ende des Phallus (Lihga) des §iva zu ergründen suchte. Brahma nahm die Gestalt der Gans an und flog nach oben, ohne je das Ende zu errei­ chen. Unterwegs fiel ihm eine Ketaki-Blüte entgegen, die auf dem Kopfe Sivas wuchs. Brahma kehrte zurück und log, daß er das Ende erreicht habe und somit mächtiger als §iva sei. Diese Legende wird durch den Lingodbhava-Mürti dargestellt. Die weiße Wasserlilie (Kalhära) ist emblematisch für die Form von -^Ürdhva-Ganapati. Wasserlilien werden aber auch dem Gott des Mondes (Candra) geopfert. Die sichtbare Manifestation von Amfta, dem Lebenselixier, das aus der Quirlung des Milchmeeres gewonnen wurde, ist die Ku$fha-Blüte. Sie ist die Blüte der Unsterblich­ keit und wächst im Himmel unter dem gro­ ßen Lebensbaum (Asvattha-Baum). Brahma gab dem Gott des Überflusses, Kubera, einen magischen Himmelswagen, der aus Blüten besteht und von Gänsen (Harpsa) gezogen wird. Dieser Wagen wurde vom Dämonenkönig Rävana gestohlen und nach Rävanas Tod von Räma und Sitä benutzt.

199

Die Quirlung des Milchmeeres und die Manifestation der Natur

3.5.2 Der Lotus (Padma) Wenn man in religiösem Sinne von Blüten spricht, meint man damit vor allem die Lotusblüte (Padma). In der Ikonographie werden verschiedene Arten des Lotus (Nymphäaceen) wiedergegeben. Der am häufigsten dargestellte Lotus ist der Indische Lotus (Nelumbo nucifera), dessen rote oder weiße Blüten von langen Stielen getragen werden. Die Symbolik des Lotus bezieht sich auf den gesamten Aufbau der Wasserpflanze. Der Stengel kommt aus dem Wasser, was symbo­ lisieren soll, daß alles Leben aus dem Wasser entsteht; auf der Wasseroberfläche ruhen die Blätter der Pflanze und versinnbildlichen die

Erde, und aus Erde und Wasser entsteht Fruchtbarkeit, die sich in der prachtvollen Blüte entfaltet. Auf der Blüte steht oder thront meistens eine Gottheit, somit ist die Gottheit aus der Lotusblüte geboren. Die Blüte steht für den Urleib und den Mutter­ schoß. Sie ist die Yoni, aus deren Tiefe sich der Lihga erhebt (s. Kap. 8.4). Die Blüten­ knospe versinnbildlicht Jungfräulichkeit, aufgeblüht steht sie für die Sonne. Lotus ist gleichbedeutend mit Schönheit und Frische in der sich ewig erneuernden Schöpfung. Der Lotus dient den Göttern nicht nur als Thron (Padmäsana) oder Sockel (s. Kap. 8.2), sondern ist auch ein Attribut vieler Götter und Göttinnen.

Oben: Ein Lotusblütenstand; eine Lotusknospe, das Symbol für Reinheit und Jungfräulichkeit; ein voll aufgeblühter Lotus als Symbol für den Mutterschoß und die Sonne. Unten: Der Lotus als Sitz für die Götter. Auf dem Lotus thronen ist gleichbedeutend für die Geburt aus dem Lotus.

200

Flüsse und Berge

3.6 Flüsse und Berge Die Kräfte des Weltüberflusses zeigen sich in den majestätischen Wasserläufen und den Bergmassiven des Himälaya. Die Regionen, die für Menschen nur schwer oder gar nicht erreichbar waren, wurden seit altersher als Ursprung und als Wohnsitz der Götter ver­ ehrt und erhielten in der Mythologie große symbolische Bedeutung. Die mächtigen Berge dienten den Göttern und Dämonen als Wurfgeschosse und sym­ bolisieren die Unbeugsamkeit der Natur. Flüsse wurden volkstümlich zu weiblichen Gottheiten, die Leben und Nahrung schen­ ken. Die Bergregionen mit ihren Seen und Quellen inspirierten die Dichter, Philoso­ phen und Künstler. Man erkannte darin das Paradies, das von einer schillernden Fülle von Naturgenien bevölkert ist. In vielen Reliefs und unzähligen Stilelementen der Tempelarchitektur breitet sich das Spektrum des paradiesischen Lebens aus.

3.6.1 Die Flußgöttinnen (Nadidevatä) Ikonographisch können die Personifikatio­ nen der Flüsse, die Flußgöttinnen (Nadide­ vatä), nur schwer von der Göttin —> $ri-Lak$ml unterschieden werden. Sie nehmen - wie auch die Schlangenfürsten (Nägaräjas) - oft eine Wächterrolle ein. Begleitet von Wasser­ vögeln stehen sie auf Schildkröten (Kürma), Seeungeheuern (Makara) oder Lotussen (Padma) in Haltungen der glühenden Hin­ gabe. Die indische Mythologie lehrt, daß die Erde einst trocken und unbewohnbar war. Die halbgöttlichen Weisen des Himälaya (R$is) mit Bhagiratha an ihrer Spitze baten den himmlischen Fluß Gahgä auf die Erde zu

kommen und sie mit seinem Naß zu segnen. Die Göttin Gahgä, die aus dem Fuß Vi$pus hervortritt, in den Mond und in die Sternenkreise fließt, änderte ihren Lauf und ergoß sich über den Berg Meru, den heiligen Berg des Himälaya. Da die Wassermassen jedoch die Erde hinwegzuspülen drohten, übernahm es der große Asket des Berges Meru (Siva), die ungestüme Kraft des Wassers zu zähmen. Sein geflochtenes, hoch auf dem Haupt auf­ getürmtes Haar fing die herabfallenden Kas­ kaden auf und verzögerte sie, so daß sie im mäanderhaften Lauf durch das Haarlabyrinth ihre Kraft verloren. Die Wasser flössen sanft vom Himälaya herab, um schließlich maje­ stätisch in die indische Ebene zu strömen und der Erde und all ihren Geschöpfen den le­ benspendenden Segen zu schenken. Tropfen des erzürnten Flusses ließen dabei die heili­ gen Seen entstehen. Der aus den Haaren Sivas befreite Fluß teilte sich schließlich in sieben Ströme, die zu den heiligen Flüssen Indiens zählen, und in denen die Inder Göt­ tinnen verehren. Zu ihnen gehörten vor allem die Gahgä (Ganges), die Sarasvati (Sindhu) und die Yamunä. Im Bild der Flußgöttin spiegelt sich der erdgebundene Aspekt des Lebens der Hindubauern und ihre gläubige Verbindung mit den göttlichen Kräften der Natur wider.

3.6.1.1 Gangä, Sarasvati und Yamunä Die erste Reihe der drei majestätischen Was­ serläufe des Ganges wird durch diese drei Flußgöttinnen symbolisiert. Vor allem Gahgä ist die Mutter, die Wohl­ stand verleiht und die Erlösung gewährt. Als Göttin ist sie das Urbild aller indischen Flüs­ se. Sie personifiziert Gesundheit und Über­ fluß, was durch ihren prachtvollen Schmuck

201

Die Quirlung des Milcbmeeres und die Manifestation der Natur

und die Ornamente an Gürtel und Lenden­ tuch deutlich wird. Die Göttin repräsentiert Freude an diesem Leben und Hoffnung für das nächste. Der Verehrung von Gahgä kommt man besonders nahe, wenn man in dem Fluß badet, sich von seinen Sünden reinigt und die Asche der Verstorbenen sei­ nem Wasser anvertraut. Damit gewährt die Göttin den Verstorbenen eine Wiedergeburt unter den Göttern in einem Reich himmli­ scher Seligkeit. Gahgä wird häufig so dargestellt, daß der untere Teil ihres Körpers das Sinnbild von Wasser annimmt. Sie steht meistens auf einem Seeungeheuer (Makara) oder auf einer Schildkröte (Kürma), manchmal jedoch auch auf einem Lotus (Padma). Die zwei- oder vierarmigen Skulpturen tragen als typische Attribute ein Wassergefäß, einen Wedel und einen Lotus. Da Gahgä auch als Wasserform von Siva angesehen wird, kann die Göttin auf der rechten Seite von Siva —»Nataräjas Haarkro­ ne abgebildet sein. SarasvatI (»die Fließende«) war in den Veden der Name eines Flusses in Nordwestindien. Heute endet dieser Fluß in einem wüstenarti­ gen Gebiet, und das Flußbett liegt trocken. Mit dem Versiegen des Flusses änderte sich auch die Verehrung von SarasvatI. Im heuti­ gen Hinduismus wird die Göttin als Gefähr­ tin Brahmäs und Gemahlin Vi$nus ange­ sehen. Der Yumna (Yamunä) ist ein Nebenfluß des Ganges. Die Personifikation dieses Flusses ist weitestgehend mit Gahgä identisch. Die Attribute der Göttin Yamunä sind Wassergefäß, Wedel und Lotus. Manchmal wird Yamunä mit Yami, der Schwester von Yama, dem Gott des Todes, identifiziert. In dieser Darstellung ist sie an dem Attribut Schädel­ schale zu erkennen.

202

Die Flußgöttin Ganga mit dem Attribut der Vase, die das lebenspendende Elixier aus dem Milchmeer enthält.

Flüsse und Berge

3.6.2 Berge Die Bergwelt des Himälaya ist mythologisch das Paradies der Geister und Ahnen. Der goldene Berg Meru ist der Mittelpunkt der Erdscheibe und der Sternenbewegung. Kailäsa, der Sitz von Siva, wird dichterisch mit Mahämeru bezeichnet. In der bildlichen Dar­ stellung befindet sich Siva immer dann auf Kailäsa, wenn er von halbgöttlichen Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten (Pramathas, Yak$as und Guhyakas) umgeben ist. Zu den Motiven, die Siva auf seinem Berg zeigen, zählen vor allem seine Darstellungen als —»Kailäsanätha zusammen mit seiner —> Sakti PärvatI als Überwinder des Dämonenkönigs

Rävana, den er unter dem Berg gefangenhält. Der Berg allein ist auch das Sinnbild für das Lihga (s. Kap. 1.1). Der Berg Mandara diente den Göttern bei der Quirlung des Milchmeeres als Quirl­ stock. Vi$nu in seiner Schildkröteninkarna­ tion (—» Kürmävatära) beschwerte mit diesem Berg den Rumpf des toten Dämons Madhukaitabha, um Erde und Götter vor ihm zu schützen. Umgeben vom Milchmeer liegt in der mythi­ schen Darstellung am Fuße des Meru der Berg mit dem Namen Trikuta. Er besitzt drei Gipfel, die aus Eisen, Silber und Gold beste­ hen sollen.

203

Kapitel 4 Die Körperhaltung der Götter

Die besondere Anmut der bildlichen Umset­ zung des Götterverständnisses wird durch die Darstellung unterschiedlicher Körperhal­ tungen erzielt. Obwohl eine Skulptur sich durch relativ breite Schultern und kräftige, lange Arme auszeichnet, verliert die Statue nichts von ihrer Grazie. Posituren werden durch die Haltung des gesamten Körpers ausgedrückt; durch seine Schwingungen oder Biegungen (Bhahga), dutch die Haltung der Beine bei sitzenden Figuren (Asanas) und durch die Haltung der Arme und Gesten der Hände (Mudräs und Hastas, s. Kap. 5). Allgemein werden 84 verschiedene Posituren unterschieden, von denen aber nur relativ wenige ikonographisch Berücksichtigung finden. Die Aufzählungen der Posen sind zudem in den ikonographisch relevanten Texten uneinheitlich, so daß in der Beschrei­

bung von Beispielen der bekannten Skulptu­ ren ausgegangen werden soll. Die Posen ge­ ben Auskunft darüber, was eine Gottheit gerade tut, ob sie beispielsweise meditiert, ruht oder sich vergnügt. Außerdem sind die Posen typisch für den jeweils dargestellten Aspekt der Gottheit und zeigen damit an, in welcher Stimmung - ob heroisch oder wild, haßvoll oder berückend - sie sich befindet. So wie Kopfbedeckungen (s. Kap. 7.1), At­ tribute (s. Kap. 6) und Tragtiere (s. Kap. 3.1.1) können auch Körperhaltungen als Hilfsmittel zur genauen Bestimmung einer Gottheit angesehen werden. Im folgenden werden die Grundhaltungen in der ikonographischen Darstellung - differenziert nach ste­ henden, sitzenden, liegenden, tanzenden und fliegenden Körperhaltungen - beschrieben und in ihrer Bedeutung erläutert.

4.1 Sthänaka-Mürtis - Skulpturen in aufrecht stehender Haltung Der Körper der Gottheit wird entweder starr aufrecht stehend oder mit leichten Biegungen oder Schwingungen (Bhahga) dargestellt. Man unterscheidet dabei eine, zwei oder drei Schwingungen, wobei die Schwingungen die

Anmut des Götterbildes erheblich unterstrei­ chen. Je stärker eine Körperschwingung aus­ geprägt ist, desto eher geht die Haltung in eine der vielen Tanzposen über.

205

Die Körperhaltung der Götter

4.1.1 Sthanu, die Pose der »Säule«, und Samapäda Wenn eine Gottheit unbeweglich, starr und aufrecht steht, wobei das gesamte Körperge­ wicht auf beide Beine gleichmäßig verteilt ist, heißt die Pose Sthanu (»wie eine Säule«). Sthänu ist auch ein Beiname von Siva, wenn er als der Größte unter den Asketen darge­ stellt wird und wie eine Säule so lange re­ gungslos steht, bis sich das Universum aufge­ löst hat und alles wieder neu entstehen kann. Andere Gottheiten, die mit beiden Beinen gleichmäßig belastet und mit dem Körper in der Mittelachse ausbalanciert dargestellt wer­ den, stehen in der Pose des Samapäda oder Samabhanga (»ohne Biegung«). Diese Pose kann als die Grundhaltung aller anderen ste­ henden Posen angesehen werden.

4.1.2 Abbariga, die leicht geschwungene, stehende Pose Bei dieser Pose liegt das Körpergewicht un­ gleich verteilt mehr auf einem der Beine. Die Knie sind jedoch durchgedrückt und der Körper ist leicht zur Seite geneigt. Diese Körperhaltung gehört zu den kontemplati­ ven Posen der aufrecht stehenden Götter­ bilder.

206

Sthänaka-Mürtis - Skulpturen in aufrecht stehender Haltung

4.1.3 Dvibhanga und Tribhanga, zwei- und dreifach geschwungene Posen

Die geschwungene Pose, Bhanga.

Wenn sich das Körpergewicht auf eines der beiden Beine verlagert und das andere im Knie angewinkelt ist, zeigt sich die Gottheit in einer geneigten, wohlgesonnenen Stim­ mung. Das durchgedrückte Bein wird dabei als Standbein und das angewinkelte als Spiel­ bein bezeichnet. Der Körper zeigt zwei oder drei der Mittelachse entgegengesetzte Beu­ gungen und Schwingungen an: von den Fü­ ßen bis zur Hüfte, von der Hüfte zur Schul­ ter und von der Schulter bis zur Krone. Eine dynamisch betonte Variante des Tribhahga bildet die Pose des Atibhanga (»heftige Bewegung«). Der Körper ist von der Hüfte bis zur Schulter sehr stark gebeugt. Die Pose deutet heftige Bewegung, Gewaltsamkeit oder dynamische Handlung an. Charakteri­ stisch ist die Pose für einige der zerstörenden Aspekte Sivas und Devis.

4.1.4 Ardhasamasthänaka Pädasvastika, die Posen mit gekreuzten Beinen

Die Pose mit gekreuzten Beinen, Pädasvastika.

Die Haltung des Stand- und Spielbeins bei den geraden und geschwungenen Darstellun­ gen kann variieren, wenn sich die Beine kreu­ zen, wobei das Standbein fest auf dem Boden steht und das Spielbein das Standbein kreuzt und nur mit den Zehen den Boden berührt. Diese Pose zeigt zusätzlich zu der schon gegebenen Anmut ein hohes Maß an Ruhe und Entspannung an und erinnert daran, daß die Gottheit sich gleichzeitig mit einem Arm beispielsweise an einer Säule oder an dem Tragtier abstützt. In dieser Pose werden vor allem Kfjna beim Flötenspiel (—»Venugopäla) und §iva als —> Vr§abhäntika abgebildet.

207

Die Körperhaltung der Götter

4.1.5 Alidhapada - Die Pose des Bogenschützen Die Pose des Bogenschützen, bei der ein Bein vor das andere gesetzt und der Körper seit­ wärts ausgerichtet ist, wird mit Alidhapada oder Älidham bezeichnet. Das linke Bein steht dabei zurück und das rechte ist im Knie angewinkelt und vorgebeugt. Die Füße bei­ der Beine stehen fest auf dem Boden auf. Charakteristisch für diese Pose sind die Dar­ stellung Sivas als Zerstörer der drei Städte (—»Tripuräntaka) und die Skulpturen der weiblichen Torwächter, darunter —»Mahälak$mi und —» Mahämäyä. Die Posen von —»Räma und —»Lak$mapa erinnern häufig an die Alldhapada-Pose, ob­ wohl das rechte Bein kaum gebeugt und nur wenig vor das linke gesetzt ist. Wenn statt des rechten das linke Bein vorge­ stellt ist, dann wird die Pose mit Pratyälldham bezeichnet. Dieser kleine Unterschied symbolisiert Angriffslust und Wut. Die Göt­ tinnen —» Mahi$äsuramardinl und —» Katyayani-Durgä sowie die —»Daityas (Dämonen) zeigen sich gelegentlich in dieser Pose.

Die Pose des Bogenschützen, Alidhapada.

4.2 Asanas - Skulpturen in sitzender Körperhaltung Bei der Aufzählung der Sitzposen erwähnen die Texte sowohl Posen, die als Yogasitze für Asketen gedacht sind, wie auch solche, in denen die Gottheiten dargestellt werden. Der Begriff Asana bezieht sich einerseits auf die Sitzhaltung und andererseits auf den Sitz, den Sockel, oder das Tragtier, auf dem die Gottheit sitzt. Somit kann die Bezeichnung

208

>Padmäsana< (»Lotussitz«) die Haltung inein­ ander verschränkter Beine eines Yogi und den Lotussockel einer Skulptur bezeichnen. Im folgenden sollen die unterschiedlichen Sitzhaltungen beschrieben und erläutert wer­ den, während die Sockel für Statuen in Kapi­ tel 8.2 behandelt werden.

Asanas - Skulpturen in sitzender Körperhaltung

4.2.1 Padmäsana, die Körperhaltung in der meditativen Versenkung

Die Sitzpose der Versenkung, Padmäsana.

Beim Padmäsana, dem »Lotussitz«, liegen beide Beine auf dem Sockel auf und sind so gekreuzt, daß die Zehenspitzen die Innensei­ ten der Oberschenkel berühren und die Fuß­ sohlen nach oben weisen. Dabei müssen die Knie den Sockel berühren. Eine Gottheit, die so sitzend dargestellt wird, befindet sich in tiefer Meditation. Diese Sitzhaltung, die für Gautama Buddha typisch ist, heißt in der buddhistischen Ikonographie Dhyänäsana (»Meditationshaltung«) oder Vajräsana (»Diamantsitz«).

4.2.2 Yogäsana, der Sitz der Yogis

Der Sitz der Yogis und die Variante Utküfakäsana.

Beim Sitz der Yogis sind die Beine gekreuzt und die Füße berühren den Sockel. Die Knie sind dabei leicht angehoben und werden durch ein Band (Yogapatta) gestützt. Diese relativ selten dargestellte Sitzhaltung findet man vor allem bei —»R$is und bei Erschei­ nungsbildern der Götter als Asketen. Eine Variante dieser Sitzpose ist erkennbar, wenn das rechte Bein mit dem leicht angeho­ benen Knie auf dem Sockel aufliegt, während das linke vom Sockel herabhängt. Diese Sitz­ pose wird dann mit Utkü$akäsana bezeich­ net. Die Gottheiten —»Yoga-Dak$inä-Mürti und —»Yoga-Narasimha werden ebenfalls in dieser für einen Yogi charakteristischen Sitz­ pose dargestellt.

209

Die Körperhaltung der Götter

4.2.3 Virasana, der Sitz der Helden Dieser meditative Sitz unterscheidet sich nur geringfügig von dem des Padmäsana. Die an den Körper herangezogenen Beine sind nicht miteinander verschränkt, sondern liegen auf­ einander. Der rechte Fuß weist mit der Fuß­ sohle nach oben und der linke ruht unter dem Unterschenkel des rechten Beines. In einer Variante liegt nur ein Bein auf dem Sockel auf, während das andere herabhängt und den Boden berührt. Wenn die Zehenspitzen den Oberschenkel des vom Sockel herabhängen­ den Beines nicht berühren, heißt der Sitz Ardhaparyahka. Mit Virasana oder Guptäsana wird der gleiche Sitz bezeichnet, wenn der Fuß des auf dem Sockel ruhenden Beines auf dem Oberschenkel des nach unten hängen­ den Beines aufliegt. Diese Pose ist charakteri­ stisch für eine Gottheit, die sich im Kampf gegen die Dämonen als Held erwiesen hat.

4.2.4 Pralambapadasana, der »europäische« Sitz Eine weitere Sitzpose der Kontemplation wird durch eine Beinhaltung gekennzeichnet, die an das Sitzen auf einem Stuhl erinnert. Beide Beine hängen vom Sockel, auf dem die Gottheit thront, herab, und die Füße stehen auf dem Boden auf.

210

Der europäische Sitz, Pralambapadasana.

Äsanas - Skulpturen in sitzender Körperhaltung

4.2.5 Der Sitz des Königs und der Zwanglosigkeit Königliche Posen sind solche, in denen sich der Körper im Gegensatz zu den Medita­ tionsposen entspannen kann. Die Sitzposen der Zwanglosigkeit strahlen Entspannung und Anmut aus. So werden Götter darge­ stellt, wenn sie mit ihren Gemahlinnen zu­ sammensitzen oder sich (beispielsweise) an einer Tanzdarbietung erfreuen. Gemeinsam haben diese Sitzposen, daß beide Beine in unterschiedlicher Haltung gezeigt werden und daß das Gewicht des Oberkör­ pers oft durch einen der Arme nach hinten gegen den Sockel abgestützt wird.

4.2.5.1 Lilasana und Rajahlasana — der »Spielsitz«

Der Sitz der Zwanglosigkeit, Räjalilasana.

Bei dem sehr verspielt wirkenden Liläsana (»Spielsitz«) befinden sich beide Beine auf dem Sockel oder Thron. Das rechte Bein steht auf dem Sockel bei erhobenem Knie, auf dem sich der rechte Unterarm abstützt. Das linke Bein liegt auf dem Sockel auf und ist im Knie nur leicht angewinkelt. Der Kör­ per, der durch das erhobene rechte Bein nach hinten gedrückt wird, verlagert sein Gewicht auf den linken durchgedrückten Arm, der es nach hinten mit der Handfläche auf dem Sockel abfängt. In einer Variante liegt das linke Bein nicht auf dem Sockel, sondern hängt herab, wobei der Fuß den Boden berührt. In dieser Darstel­ lung wird die Sitzpose mit Räjalilasana (»kö­ niglicher Spielsitz«) bezeichnet.

211

Die Körperhaltung der Götter

4.3. Sayanamürtis - Skulpturen in liegender Körperhaltung In der hinduistischen Ikonographie wird eine Gottheit nur selten liegend dargestellt. Gott­ heiten werden als beständig aktiv verstanden, und wenn sie einmal ruhen, dann nur zum Zweck des kontemplativen Schlafes. Darstel­ lungen von Dämonen, die unter den Füßen von Göttern liegen, oder von Gläubigen und Heiligen, die in den Skulpturen auf dem Bo­ den liegend die Götter verehren, fallen iko-

nographisch nicht unter die SayanamürtiPosen. Das wichtigste Beispiel zeigt Vi$pu in der ruhenden Pose auf der Weltschlange (s. Kap. 2.3.1.1). Die Schlange, die die liegende Gott­ heit trägt, schwimmt auf dem uferlosen kos­ mischen Meer (Anantasäyana) oder ruht auf der kosmischen Schildkröte (Kürma). In der letztgenannten Variante wartet Vi$nu auf das Ende eines Weltenzeitalters.

4.4 Nrttamurtis — Skulpturen in der Körperhaltung des Tanzes Als Tänzer unter den Gottheiten ist uns vor allem Siva vertraut. Tanz wird als eine Art Magie angesehen. Die Persönlichkeit des Tänzers verändert sich während des Tanzes, wobei übernatürliche Kräfte frei werden. Tanz ist der Prototyp der universellen kreati­ ven Aktivität. Nichts ist statisch, alles verän­ dert sich in ewig wiederkehrenden Sequen­ zen von Entstehen und Vergehen. Die Götter der Veden sollen die Welt durch eine Art Tanz geschaffen haben. Das nicht-statische Prinzip wird durch Siva als »kosmischer Tän­ zer« (—>Na|aräja) bildlich gemacht. Tanz ist in Indien eine wichtige Form der Verehrung, da der Tänzer glaubt, einer Gottheit durch Trance und Ekstase näherzukommen. Die unterschiedlichen Tanzposen, die gleich­ zeitig die Gottheiten in bestimmten Erschei­ nungsbildern darstellen, werden in Kapitel 2.4.4 ihrem Symbolgehalt entsprechend ge­ deutet. Es sind für Siva die Lalita-Tanzhaltung, der Kapsama-Tanz, der Tanz in der Laläfa-tilaka-Haltung, die Catura-Tanzform und die Talasamsphofita-Tanzhaltung. Cha­ rakteristisch ist die Tanzpose auch für —> Kf§na. Er tanzt auf dem Kopf der Schlange den Käjiyadamana-Tanz und als Kind den Navanita-nfttamürti-Tanz.

212

In einer etwas schwerfälligen Tanzpose wird der elefantenköpfige —* Ganesa gezeigt. Lediglich das linke Bein ist leicht gebeugt und vom Boden angehoben.

Tanzpose Nrttamürti.

Die Körperhaltung von himmlischen Wesen (Fliegende Posituren)

4.5 Die Körperhaltung von himmlischen Wesen (Fliegende Posituren) In den Reliefs, die mythische Szenen zeigen, tauchen oft Stilfiguren von Nymphen (—> Apsaras) und Musikanten (—> Gandharvas), von Fabelwesen und Geistern auf. Da diese an­ mutigen Gestalten, die mit Engeln vergleich­ bar sind, nicht mit Flügeln dargestellt wer­ den, wird ihre Fähigkeit, zu schweben oder zu fliegen, durch die Körperhaltung ausge­

drückt. Das wird vor allem durch die Bein­ stellung erreicht, die mit Längalaka (»Pflug­ scharpose«) bezeichnet wird. Der Körper liegt fast waagrecht im freien Raum, der Oberkörper ist von der Hüfte an nach oben aufgerichtet und die Beine im Knie so ange­ winkelt, daß die Unterschenkel nach oben weisen.

213

I I

Kapitel 5 Mudräs und Hastas, die Gestensprache der Götter Mudrä im eigentlichen Sinne bedeutet so viel wie >Zeichen< oder >SiegelGeben< bei dieser Geste im Vordergrund, dann heißt die Handhaltung Dänamudrä, was so viel wie >Geste des Gebens< bedeutet.

5.1.3 Gin-Mudrä oder Vyäkhyänamudrä, die Geste der Lehrverkündung Die Hand ist bei diesem Mudrä entweder erhoben, oder sie weist nach unten. Daumen und Zeigefinger bilden dabei einen Ring, während die anderen Finger ausgestreckt sind. Die Hand ist meist auf Brusthöhe ange­ hoben. Diese Geste zeigt, daß die Gottheit mit besonderer Weisheit ausgestattet ist. Sie symbolisiert die Urteils- und Beweiskraft der Gottheit. Wird die Hand dem Betrachter entgegengestreckt (Vyäkhyäna-Mudrä), dann will die Gottheit den Verehrer belehren oder unterrichten. Vor allem bei buddhisti­ schen Skulpturen heißt diese Geste Vitarkamudrä, und die sich bei Daumen und Zeige­ finger berührenden Fingerspitzen symboli­ sieren das Rad der Lehre.

Die Geste der Weisung, Süci-Hasta.

5.1.4 Jnäna-Mudra, die Geste der Weisheit

5.1.5 Suci-Hasta, die »Nadelgeste« oder Geste der Weisung

Diese Geste richtet sich nicht wie bei der vorgenannten an den Gläubigen, sondern be­ zeichnet eine Eigenschaft der Gottheit. Ob­ wohl sie mit dem Vyäkhyäna-Mudrä ver­ wandt ist, kann man sie leicht unterscheiden. Der Ring aus Daumen und Finger wird meist durch den Mittelfinger gebildet und die Hand liegt bei dieser Darstellung vor der Brust in Höhe des Herzens.

Der ausgestreckte, nach unten weisende Zei­ gefinger zeigt auf einen imaginären Gegen­ stand, den ein Gläubiger sich selbst vorstel­ len muß. Das Losgelöstsein von Gegenständ­ lichkeit symbolisiert im allgemeinen das Uni­ versum. Im einzelnen steht die Geste auch für den Stoßzahn eines Elefanten und kann Sünde, die Zahl hundert oder auch Verwun­ derung symbolisieren.

Die Geste der Lehrverkündung, Cin-Mudrá.

217

Mudräs und Hastas, die Gestensprache der Götter

5.1.6 Tarjam-Mudra, die Geste der Drohung Der ausgestreckte Zeigefinger weist nach oben und drückt Warnung oder Belehrung aus. Dieses relativ seltene Mudrä wird vor allem von den elf Rudras und den neun Durgäs gezeigt.

5.1.7 Mukula-Mudrä, die Geste der Jungfräulichkeit

Die Geste der Drohung, Tarjanî-Mudra.

Die Fingerspitzen und die Spitze des Dau­ mens liegen bei dieser Geste zusammen. Die Hand ist erhoben und weist nach vorne. Die Geste symbolisiert Jungfräulichkeit und steht für Yoni, das Symbol für Mutterschoß oder Blütenknospe (s. Kap. 8.4).

5.1.8 Vismaya-Mudrä, die Geste der Verwunderung Eine Gottheit, die dieses Mudrä zeigt, drückt Erstaunen oder Verwunderung aus. Der Un­ terarm und die Hände sind seitlich von der Brust erhoben, und die Finger sind leicht gekrümmt. Dieses relativ seltene Mudrä zeigt eine Gottheit nur, wenn sie in einer Gruppe als den anderen Gottheiten untergeordnet verstanden werden soll.

Die Geste der Verwunderung, Vismaya-Mudrä.

5.2 Zweihändige Mudräs Im folgenden werden die Handgesten, die nur mit beiden Händen vereint ausgeführt werden können, näher beschrieben. Auch die buddhistische Ikonographie kennt neben den einhändigen solche zweihändigen Mudräs,

218

beispielsweise die Geste des Rad-Drehens (Dharmacakra-Mudrä), bei der sich beide Hände vor der Brust befinden und die Rechte mit Zeigefinger und Daumen einen Finger der Linken berührt.

Zweihändige Mudräs

5.2.1 Anjali-Mudrä und Namaskära-Mudrä, die Gesten der Anbetung und des Grußes Bei der Geste der Anbetung (Anjali-Mudrä) sind beide Hände locker vor der Brust zu­ sammengelegt, wobei die Fingerspitzen sich berühren und die Handflächen einen kleinen Hohlraum bilden. Wenn die Hände vor der Stirn gehalten werden, führen sie die Geste des Grußes oder der Anbetung (NamaskäraMudrä) aus. Dieses Mudrä ist insofern cha­ rakteristisch, als sich untergeordnete Gott­ heiten oder Heilige in die Hierarchie des Götterpantheons einordnen lassen. Eine Gottheit, die allein oder in einer Gruppe mit anderen dargestellt wird und dieses Mudrä zeigt, wird von den Gläubigen als »unterge­ ordnet« angesehen. Dennoch ist die Einord­ nung einer Gottheit wegen der unterschiedli­ chen Bewertung in den einzelnen Sekten nicht ohne weiteres vorzunehmen. Eine Variation des Anjali-Mudräs bildet das Ardhänjali-Mudrä, obwohl beide in ihrer Symbolik identisch sind. Statt beider Hände wird bei dieser Geste lediglich eine Hand vor die Brust gehalten.

Die Gesten der Anbetung und des Grußes, AnjaliMudrä und Namaskära-Mudrä.

5.2.2 Yoga-Mudrä und DhyänaMudrä, die Handhaltung bei der Meditation Die rechte Hand liegt in der Innenfläche der linken Hand. Die so aufeinanderliegenden Hände ruhen im Schoß auf den Beinen, die im Meditationssitz verschränkt sind. Diese Handhaltung bei der tiefen Meditation oder geistigen Versenkung ist nur in Verbindung mit dem Meditationssitz (Padmäsana, Yogäsana) möglich.

5.2.3 Kasyapa-Mudra, die Geste der geschlechtlichen Vereinigung Die Finger beider Hände sind bei dieser Ge­ ste ineinander verflochten und werden vor der Brust erhoben gezeigt. Dadurch wird geschlechtliche Vereinigung von Lihga und Yoni (s. Kap. 8.4) symbolisiert.

219

Mudräs und Hastas, die Gestensprache der Götter

5.3 Kombinierte Arm- und Handhaltungen (Hasta) Das Hasta, was soviel wie »Arm« oder »Un­ terarm« bedeutet, bezeichnet im Gegensatz zum Mudrä eine komplexe Arm- und Hand­ haltung. Für bestimmte Handhaltungen wie die Abhaya-Geste (Kap. 5.1.1), die VaradaGeste (Kap. 5.1.2) oder auch die spezielle

»Nadelgeste« (Kap. 5.1.5) werden sowohl die Bezeichnungen Hasta wie Mudrä ge­ braucht. In der buddhistischen Ikonographie hat die Gestik des Hasta, im Gegensatz zu der des Mudrä, keinen besonderen Stellen­ wert.

5.3.1 Gaja-Hasta(» Elefantengeste« ) und Danda-Hasta (»Stockgeste«) Der linke oder rechte Arm wird bei dieser Armhaltung quer vor der Brust ausgestreckt. Die Hand ist abgewinkelt und weist nach unten. Diese Pose, die vor allem für die Darstellung des tanzenden 6iva (—»Nataraja) charakteristisch ist, soll an den Rüssel eines Elefanten oder an einen Stock erinnern. Eine Gottheit mit dieser Armhaltung drückt Macht und Stärke aus.

Elefantengeste und Stockgeste, Gaja-Hasta und DaijdaHasta.

5.3.2 Aräla-Mudrä oder PatäkäHasta (»Flügelgeste«) Der Arm ist bei dieser Haltung waagerecht von der Schulter ausgestreckt. So wie die Gaja-Hasta und Danda-Hasta drückt auch diese Haltung Kraft aus, wobei sich die Kraft symbolisch auf die Schwingen eines Vogels oder auf die Flamme eines Feuers bezieht.

5.3.3 Hastasvastika (»Hakenkreuzarm« ) Wenn eine Gottheit mit gekreuzten Armen vor der Brust dargestellt wird, dann drückt sie tiefe religiöse Hingabe aus und ist anderen Gottheiten untergeordnet.

220

Hakenkreuzarm, Hastasvastika.

Armhaltungen ohne symbolische Bedeutung

5.4 Armhaltungen ohne symbolische Bedeutung Im folgenden sind einige Armhaltungen auf­ geführt, die weniger für sich bedeutungsvoll sind, sondern eher den Gesamteindruck des

Götterbildnisses abrunden bzw. akzentu­ ieren.

5.4.1 Katyvalambita-Hasta oder katisamsthita-Hasta, die Armhaltung der "Zwanglosigkeit Diese Armhaltung, bei der sich die linke Hand an der Hüfte (Kap) oder am Ober­ schenkel einer stehenden Gottheit abstützt, hat etwas Zwangloses an sich. Man findet die Haltung häufig, wenn eine Gottheit mit einer ihrer Hände ohne Attribut dargestellt wird. Charakteristisch ist diese Armhaltung für den Kriegsgott Skanda, für Lak$ml, die Ge­ mahlin Vi$nus und manchmal auch für Vi§nu selbst.

Die Armhaltung der Zwanglosigkeit, KafyavalambitaHasta.

5.4.2 Lola-Hasta Besonders anmutig wirkt diese Armhaltung. Ein Arm, der kein Attribut trägt, hängt lokker mit leicht abgewinkelter Hand seitlich herab. Typisch ist diese Haltung für Göttin­ nen bei südindischen Bronzeskulpturen.

5.4.3 Nidräta-Hasta Diese Armhaltung von sitzenden oder thro­ nenden Gottheiten bedeutet soviel wie »schlafender Arm«. Der Oberkörper ist leicht zur Seite geneigt, und sein Gewicht wird vom Arm und von der Hand, die flach auf dem Sockel aufliegt, abgefangen.

Der schlafende Arm, Nidräta-Hasta.

221

Mudräs und Hastas, die Gestensprache der Götter

5.5 Die Handhaltungen beim Tragen von Attributen Die Attribute und Waffen in den Händen der Götter werden mit unterschiedlichen Hand­ oder Fingerhaltungen getragen. Die Gestik spielt dabei keine gesonderte Rolle, da es in der Darstellung allein auf die Symbolik der

Attribute (s. Kap. 6) ankommt. Einige der Handhaltungen sind jedoch so typisch, daß auf die Darstellung des Attributs verzichtet wurde, und die Geste die Bedeutung des Attributes angenommen hat.

5.5.1 Kataka-Hasta und Simha karna-Mudrä, das Halten der Lotusblüte Kafaka-Hasta, die »Krebshand«, ist typisch für das Halten von Blüten. Gläubige fühlen sich durch diese Geste aufgefordert, der Gottheit ein Blumenopfer direkt in die Hand zu geben. Charakteristisch ist diese Handhal­ tung für Göttinnen und für Vi$nu. Die Sirphakarna-(»Löwenohr«)Handhaltung, die mit der Kataka-Hasta identisch ist, hat noch eine zusätzliche Bedeutung, da sie an die Haltung der rechten Hand beim Bogenschießen erin­ nert. Die Gottheiten —> Räma und —> Lak$mana werden häufig mit dieser Handhaltung dargestellt, damit sich der Gläubige ihre sieg­ reiche Natur vergegenwärtigen kann.

Die Krebshand oder die Geste der Lotusblüte, KaçakaHasta.

5.5.2 Damaru-Hasta, das Halten der Trommel Das wichtige und symbolstarke Attribut der Trommel (Damaru, s. Kap. 6) wird entweder zwischen dem ausgestreckten Zeigefinger und dem kleinen Finger, oder in einem Ring aus Mittelfinger und Daumen getragen. 222

Das Halten der Trommel, Damaru-Hasta.

Die Handhaltungen beim Tragen von Attributen

5.5.3 Ardhacandra-Hasta, das Tragen des Feuers

Das Tragen des Feuers, Ardhacandra-Hasta.

Feuer wird als Attribut (s. Kap. 6) entweder mit oder ohne Feuerschale auf der seitlich ausgestreckten, offenen Handfläche der Gottheit getragen. Diese Handhaltung ist charakteristisch für Skulpturen, die von An­ hängern der sivaitischen Sekte verehrt werden.

5.5.4 Kartari-Hasta, das Halten von Attributen Die Attribute, besonders Waffen wie Keule (Gada), Antilope (Mrga) und Diskus (Cakra), werden häufig zwischen dem ausge­ streckten Zeige- und Mittelfinger gehalten. Die ausgestreckten Finger ohne Attribut symbolisieren das Geweih eines Rehs und stehen für die Gegensätzlichkeit aller Dinge.

5.5.5 Candrakäla, die Geste des Sichelmondes

Das Halten von Attributen, Kartari-Hasta.

Da der Sichelmond (Candra) ein charakteri­ stisches Emblem von 6iva, aber nie ein Attri­ but in den Händen der Gottheit ist, wird mit dieser Geste der Sichelmond angedeutet. Der Sichelmond wird als zwischen dem ausge­ streckten kleinen Finger und dem Daumen stehend gedacht. Die Geste kann aber auch für die Stoßzähne eines Ebers stehen.

223

Kapitel 6 Die Attribute der Götter

In der Umsetzung ihrer Gottesvorstellung genügte es den Indern nicht, die Gottheit in Menschengestalt darzustellen, sondern es sollten auch die Kräfte der Götter evident werden. Zu den Machtbereichen der Götter gehört die Herrschaft über Geburt und Tod, Schöpfung und Zerstörung. Sie sind es, die den Kampf gegen das Böse austragen und den Menschen vor Augen führen, was sie an das Leben bindet; sie wachen über Recht und Ordnung, beschützen oder bestrafen und sind dennoch, genauso wie Menschen und andere Lebewesen, Bestandteil der Natur. Um all dem sichtbaren Ausdruck zu verlei­ hen, bediente man sich einer Fülle von Attri­ buten, die die Kräfte der Gottheiten oder die Gottheiten selbst versinnbildlichen sollten. Wenn eine Gottheit anthropomorph darge­ stellt wird, sind ihr Objekte an die Hand gegeben, die in Bildersprache bezeugen, was die Gottheit darstellt, und welchen Machtbe­ reich sie innehat. Die zahlreichen Attribute, die den Gottheiten beigegeben sind - wie der Hirtenstab zum Hirten gehört, so die Schüs­ sel zum Apostel Petrus oder der Dreizack zu Siva -, haben eine so starke Symbolik, daß sie über die Eigenschaften der Götter klare Aus­ kunft geben. Man bedenke dabei, daß eine Gottheit nicht nur ein oder zwei Attribute bei sich trägt, sondern bei der Vielzahl der Arme und Hände bis zu 20 solcher Attribute besitzen kann. Symbole für göttliche Macht oder übernatür­ liche Erscheinungen hatten die Menschen

schon geschaffen, bevor Gottheiten in Form von Statuen verehrt wurden. Einige dieser Symbole, wie beispielsweise das Hakenkreuz (Svastika), lassen sich nicht in die Reihe der Attribute einordnen, weil unter Attribut im ikonographischen Sinne grundsätzlich das verstanden wird, was einem anthropomorphen oder auch theriomorphen Götterbild als Beigabe hinzugefügt wird, was die Götter also in den Händen halten. Symbole, die in bildlicher Darstellung ihre Bedeutung auch dann zur Geltung bringen, wenn sie als Ornament, Stilelement oder Zei­ chen auf einer Fahne abgebildet sind, werden als Emblem bezeichnet. So wie im christli­ chen Abendland der Ölzweig für Frieden steht, sind Embleme wie Lotus (Padma), Rad (Cakra) und Stachelstock (Ahkusa) gleichbe­ deutend mit Fruchtbarkeit, Recht und Akti­ vität. Embleme können in der Ikonographie als Schmuck der Götter, als Verzierung auf Sockeln, im Nimbus (Prabhämandala) oder auf der Krone, die die Götter tragen, erschei­ nen. Dadurch wird dann dem gesamten Sinn­ bild aus Gesten (Mudräs), Körperhaltungen und Attributen eine weitere Information über die Eigenschaft oder den Aktionsradius der Gottheit hinzugefügt. Zu unterscheiden von Emblemen und Attri­ buten sind die Insignien, wie beispielsweise die Krone einer Gottheit. Insignien dienen dazu, eine Gottheit an die richtige Stelle in der hierarchischen Ordnung der Götterwelt einzugliedern, sie verleihen ihr Würde und 225

Die Attribute der Götter

Ansehen oder symbolisieren kaiserliche Macht. Das richtige Erkennen eines Attributs ist einer der Schlüssel zur Bestimmung von Gottheiten, die Deutung ihrer Symbolik lie­ fert das Verständnis für ihre Eigenschaften und Machtbereiche. Der Gläubige wendet sich in seiner Verehrung derjenigen Gottheit zu, die ein Attribut trägt, mit dem er sich selber ausstatten möchte, um ein bestimmtes

Ziel zu erreichen. Attribute können charak­ teristisch für nur eine Gottheit sein oder, wie es häufiger der Fall ist, einer Vielzahl von Gottheiten zugeordnet werden. Um die Darstellung der zahlreichen Attribu­ te übersichtlich zu machen und ein Nach­ schlagen zu erleichtern, sind die Stichworte zu den Attributen ihrer deutschen Bezeich­ nung entsprechend im folgenden alphabe­ tisch geordnet.

Antilope (Mrga)

Axt (Parasu)

Die Antilope, die zuweilen auch als Reh oder Gazelle erkannt und benannt wird, ist ein charakteristisches Attribut der südindischen §iva-Skulptur. Siva trägt sie in der linken oberen Hand. Die Induskultur sah in der Antilope das mächtigste Tier der Wildnis. Es repräsentierte die Kraft der Natur (s. Kap. 3.2.4). In vedischen Zeiten war das Anti­ lopenfell wichtiger Bestandteil eines jeden religiösen Rituals. In späteren Zeiten wurde die Antilope emblematisch für Siva und seine §akti im furchtbaren Aspekt (—»Kali). Daß diese Gottheiten die Antilope als Attribut tragen, soll anzeigen, daß sie die Herrschaft über die Natur und deren Kräfte ausüben.

Die Waffen Axt und Keule haben nicht nur häufig eine frappante Ähnlichkeit in der bild­ lichen Darstellung, sondern auch eine fast identische Symbolik. Sie stellen die Ent­ machtung der Dunkelheit durch den betref­ fenden Gott dar. Die Waffe besiegt die Igno­ ranz und durchtrennt die Fesseln, die den Menschen an das Dasein binden. Die Axt als charakteristisches Attribut von Siva ist ein Zeichen seiner großen göttlichen Macht und Stärke. Die Streitaxt war die bevorzugte Waffe der Kriegerkaste, und es ist daher nicht verwun­ derlich, sie in einer der Hände des Kriegsgot­ tes —* Skanda wiederzufinden.

Links: Mrga, die Antilope. Rechts: Parasu, die Axt, in verschiedenen Ausführungen.

226

Die Attribute der Götter

Die typische Axt als Attribut ist sowohl an der Klinge als auch an dem unterschiedlich langen Griff zu erkennen. Eine typische Handgeste zum Halten dieses Attributs ist das Mudrä mit den beiden ausgestreckten Zeigefingern. Die Klinge weist meist vom Körper der Gottheit weg. Eine Besonderheit stellt ein Attribut dar, bei dem lediglich eine Klinge ohne Griff zu er­ kennen ist. Es handelt sich um einen Meißel (Tahka). Charakteristisch ist dieses Attribut für Siva in seiner androgynen Form Ardhanärisvara) oder für den Gott in Gruppen­ darstellungen zusammen mit seiner Gemah­ lin Pärvati und ihrer beider Sohn Subrahmanya (—»Somäskanda-Mürti).

Banner (Dhvaja) Das Banner als Attribut in den Händen der Götter zählt zu den Waffen. Die vedische Gottheit Indra und der Kriegsgott Skanda halten ein dunkelblaues Banner an einem gel­ ben Fahnenmast. Schon allein die Verehrung dieses Banners verheißt Glück und Wohl­ stand. Auf dem Banner von Siva, Vi$nu und anderer Gottheiten ist häufig das Tragtier der Gott­ heit als Emblem abgebildet. Die Rauchsäule oder Rauchfahne (Dhümäketu) symbolisiert die Gottheit des Feuers (Agni). Der Rauch ist ein Zeichen für Zerstörung und Tod. Banner, Fahne und Säule sind in der Ikono­ graphie synonyme Begriffe. Die Opfersäule in Tempeln hat die Gestalt eines Flaggenma­ stes und symbolisiert die Feuersäule, das flammende Lihga der Gottheit (s. Kap. 8.7). In nahezu jedem Tempel ist eine solche Säule vor dem Allerheiligsten zu finden. Sie soll so hoch sein, daß sie die Decke des Tempels

Dhvaja, das Banner.

berührt, womit angedeutet wird, daß die Säule sich in der Unendlichkeit des Raumes ausdehnt. Das Banner gehört auch zu den acht glück­ verheißenden Zeichen (s. Kap. 8.6).

Bogen (Dhanu) Der Bogen taucht als Attribut meist gemein­ sam mit dem Pfeil auf. Pfeil und Bogen sind vor allem die —»Waffen des —»Kama, des Gottes der Liebe. Sein Bogen ist aus Blüten oder Zucker, und die —» Pfeile besitzen Blü­ tenspitzen. Der Bogen selbst gilt als weib­ lich, während der Pfeil männlich ist.

227

Die Attribute der Götter

Buch (Pustaka) Ein Buch, d. h. eine Sammlung von Palm­ blättern, auf die im Altertum geschrieben wurde, ist als Attribut charakteristisch für Brahma, seine Gemahlin Sarasvati und Vi$nu. Es steht für Weisheit und soll den Text der Veden beinhalten. Das Buch wird entweder direkt in den Hän­ den der Gottheiten gehalten oder es liegt auf einem Lotus und ist dann als Attribut nicht so leicht zu erkennen. Da das gesprochene und geschriebene Wort auch als Ursprung aller Daseinsformen angesehen wird, ist der Lotus, der den Mutterschoß symbolisiert, eine logische Ergänzung zum Attribut Buch.

Pustaka, das Buch

Cakra Das Cakra, Attribut von Vi$riu, hat entweder die Bedeutung eines Rades, Kreises oder eines Diskus’. Ursprünglich ist das Cakra ein Sonnensymbol. Die Sonne zieht über den Himmel und versinnbildlicht Entstehen und Vergehen in einem ewig wiederkehrenden Kreislauf. Verglichen wird die Sonne mit dem himmlischen Wagen des Weltenherr­ schers (Cakravartin), dessen Kennzeichen das Rad ist. Als Kreis stellt das Rad den Lebenszyklus aus Geburt und Tod dar und beinhaltet sämtliche Aspekte, die den Göt­ tern innewohnen. Der Lebenskreislauf ist die nie abgeschlossene Schöpfung, die Evolu­ tion. Die solare Natur Vi$nus wird neben dem Attribut des Rades auch deutlich durch das Attribut Lotus. Im Buddhismus steht das Rad für die Lehrverkündung des Buddha. Bildlich dargestellt sieht das Cakra einem sechs- oder achtspeichigen Rad oder einem lotusgestaltigen Diskus ähnlich. Aus scharfkantigem Eisen wird das Cakra zu einem Wurfgeschoß und gilt als gefürchtete

228

Cakra, das Rad und der Diskus.

Waffe in der Hand des Gottes. Die Waffe symbolisiert Macht und Schutz. Das Cakra ist eines der Attribute, die auch vermensch­ licht dargestellt werden. So kann Vi$nu statt des Rades oder Diskus’ auch den dickbäuchi­ gen Waffengott Cakrapuru$a (—> Waffen) als Attribut tragen.

Die Attribute der Götter

Diskus Das Attribut Vi$nus, das Rad als Waffe. —> Cakra.

Dolch (Churi) Der Dolch ist nichts weiter als ein kurzes -> Schwert (Khadga) und somit ein Opferin­ strument. Charakteristisch ist dieses Attribut für Göttinnen in ihren fürchterlichen Er­ scheinungsbildern, wie —> Kali, —» Cämundä und Durgä.

Donnerkeil (Vajra) Zu den ältesten Waffen gehört neben dem Knochen der Donnerkeil (Vajra). Die deut­ sche Bezeichnung Donnerkeil geht auf die vergleichbare Bedeutung mit der Waffe des griechischen Gottes Zeus zurück. Man kann die Waffe jedoch auch als Wurfkeule ansehen. Ursprünglich ist der Vajra, der in Verbin­ dung mit Namen und in Formeln ein Symbol für etwas Unbesiegbares und Unzerstörbares ist, das charakteristische Attribut des göttli­ chen Heerführers der vedischen Arier, —> In­ dra. Vajra (»der Harte, Starke, Diamantene«) wurde später auch zum Attribut von Siva, wobei er sich dann von der Symbolik des —> Dreizacks kaum unterscheidet. In der ikonographischen Umsetzung hat der Vajra über die Jahrhunderte viele Formen angenommen. Die frühesten Darstellungen in der Hand des Gottes Indra zeigten ihn ähnlich geformt wie einen Faustkeil. Später wurde er zur scharfkantigen, ein-, drei-, vier-, sieben- oder achtzackigen Waffe. Als ma­ gisches Symbol spricht man dem Vajra allge­ mein dämonenvertreibende Eigenschaften zu.

229

Die Attribute der Götter

Dreizack (Trisula) Das charakteristischste Attribut der nordin­ dischen Sivadarstellung ist der Dreizack (Trisüla). Die rückwärtig erhobenen Hände zei­ gen neben dem Dreizack die Schlange, wäh­ rend in Südindien die Attribute Streitaxt und Antilope für §iva charakteristisch sind. Ähnlich wie der Donnerkeil (Vajra) hat auch der Dreizack große symbolische und magi­ sche Bedeutung. Beide Attribute finden als Kultgegenstände in exorzistischen Ritualen Anwendung. Bei —>§iva und bei allen zu seinem Bereich gehörenden Gottheiten ist der Dreizack ent­ weder eine Waffe oder eine Standarte. Die drei Spitzen versinnbildlichen die Eigen­ schaften der Gottheit als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer. Auf einem langen Stab senk­ recht gehalten kommt dem Dreizack die Symbolik der Achse des Universums zu.

Trisula, der Dreizack.

Feder (Mayurapattra) Pfauenfedern sind emblematisch für —»§iva und zu seinem Bereich gehörende Gottheiten wie —>Skanda und —>Sridevi. Die Federn oder ein Strauß aus Federn symbolisieren, wie auch der Vogel selbst, Unsterblichkeit. Wenn §iva seinen Morgen- und Abendlicht­ tanz vollführt, ist die Pfauenfeder ein mög­ liches Attribut der Gottheit.

Mayurapattra, die Feder.

Flöte (Venu) Die Bambusflöte ist ein Instrument, das von Hirten gespielt wird. In der Darstellung Kv$nas als Hirte (—> Venugopäla) spielt Kv$na die Querflöte. Emblematisch ist dieses Attri­ but nur für Kr$na und für einige seiner Er­ scheinungsbilder. 230

Veiju, die Flöte.

Die Attribute der Götter

Früchte (Phala) Als Attribut sind Früchte neben anderen —» Speisen charakteristisch für den elefanten­ köpfigen Gott —»Gapesa, der vor allem in seiner Darstellung als Kind (—> Bäla-Gaijapati) bevorzugt als »Leckermäulchen« dargestellt wird. Die Früchte, die diese Gottheit trägt, sind vor allem die Banane (Kadala), die Brotfrucht (Panasaphala) und der Granatap­ fel (Dädimaphala). Früchte, die reich an Ker­ nen sind, wie beispielsweise der Granatapfel, werden als Fruchtbarkeitssymbol angesehen. Der Rosenapfel (Jambu), eine Frucht des Ro­ senapfelbaumes (Eugenia jambolana), ist emblematisch für —»Taruna-Gapapati. Der Holzapfel (Sriphala), die Frucht des Bilva-Baumes (s. Kap. 3.4.1.2), symbolisiert den Phallus (Lihga) von Siva. In einigen Dar­ stellungen kann Skanda, der Gott des Krie­ ges, der als Sohn von &va und Pärvati ange­ sehen wird, in seiner Form als Kind in der —> Somäskanda-Mürti-Gruppe mit dem Holzapfel als Attribut ausgestattet sein. So­ wohl für Skanda das Kind als auch für —> Bäla-Ganapati gilt die Mangofrucht (Ämraphala) als Attribut. Nun ist es aber in der Ikono­ graphie ohnehin schwierig, die einzelnen Früchte in ihrer Darstellung voneinander zu unterscheiden, so daß das Attribut der Kin­ derdarstellungen allgemein als Frucht (Phala) bezeichnet wird. Ein besonderes Symbol für Fruchtbarkeit ist die Kokosnuß (Närikela). Die Frucht ist emblematisch für die Göttin —> Lak$ml, obwohl sie in nur extrem seltenen Darstellungen die Nuß als Attribut trägt. Die Kokosnuß zerfällt in zwei Hälften, eine weibliche und eine männliche, wobei die Schale mit den drei kleinen Punkten, aus denen der Sproß der neuen Pflanze hervor­ tritt, als die ritualistisch wertvolle, weibliche Hälfte angesehen wird.

Phala, die Frucht.

Gebetskette (Aksamäla) Die Gebetskette, Gebetsschnur oder der Ro­ senkranz ist vor allem ein Attribut des Brahma und seiner Gemahlin —» Sarasvatl. Meist besteht sie aus 50 aneinandergereihten Beeren oder Samen des Rudräk$abaumes (Eleocarpus ganitrus). Die Beeren, die in der Kette einen geschlossenen Kreis bilden, ver­ sinnbildlichen den ewigen Zyklus der Zeit und unterstreichen den geistigen Aspekt Brahmas. Die Gebetskette kann als Attribut in den Händen anderer Gottheiten wie §iva, Agni und Umä auch aus anderen Materialien bestehen. Bekannt sind Ketten aus Perlen, Knochenscheiben und sogar aus Schädeln. Die Art der Kette ist dem jeweils dargestell­ ten Aspekt der Gottheit, die das Attribut trägt, angepaßt.

Aksamäla, die Gebetskette.

231

Die Attribute der Götter

Gefäße - Schüssel und Schale (Pätra), Vase (Kalasa) und Kanne (Kamandalu)

Schalen oder Schüsseln (Pätra): Bei den Schüsseln, deren Inhalt nicht Wasser ist, unterscheidet man solche, die das Attri­ but des bettelnden Asketen sind, und solche, in denen sich Opfergaben befinden. Aspekte von Gottheiten wie Brahmä, Siva und Ganesa als bettelnde Asketen tragen als Attribut die Almosenschale (Bhik$äpätra). In der ikonographischen Darstellung kann diese Schale leicht mit der Schädelschale verwech­ selt werden, die jedoch eine ganz andere Symbolik beinhaltet (—> Schädel). &va als tan­ zender —»Na^araja hält in einer seiner Hände das Opferfeuer (Agni). Oft flammt dieses Feuer aus einer Schale (Vahnikunda = »Feu­ erschüssel«) hervor. Das Attribut der Erd­ göttin Bhümidevi ist die Schüssel mit Gemü­ se (Sasyapätra). Der vedische Feuergott Agni trägt in seiner Schale das heilige Wasser, das ihn in die Lage versetzt, zerstörerische Feuer zu löschen. Balaräma benutzt seine Schale mit Wasser als Trinkgefäß.

Die Gefäße, die die Götter als Attribute in den Händen halten, lassen sich aufgrund drei äußerer Merkmale unterscheiden: Pätra — ein flaches, nach oben offenes Gefäß in Form einer Schale oder Schüssel für heili­ ges Wasser, Nahrung oder Gemüse. Kalasa - eine Vase als bauchiges Gefäß mit hohem Hals zum Aufnehmen von Wasser. Kamandalu - ein Wassergefäß mit einem Ausgießer für Wasser. Das Gefäß, gleich welcher Art, hat seit dem frühesten Altertum eine tiefe Symbolik. Ur­ sprünglich wurde in dem Gefäß (Kalasa) das Universum erkannt, und später wurde es mit dem Mandala (s. Kap. 1.1) gleichgesetzt. Das Mapdala symbolisiert den Kosmos und das Wasser, es ist Meditationshilfe und gilt als Wohnort der Götter. Wasser bedeutet Fruchtbarkeit und Reichtum und wird durch Vasen (Kalasa) das Gefäß versinnbildlicht. Einige Götter, In Vasen, die als Attribut seltener Vorkom­ die Wohlstand und Wohlergehen verkör­ men, ist meistens der Nektar des ewigen pern, und zu denen der Gott des Reichtums, Kubera, der vedische Gott Varupa, der ele­ fantenköpfige Gott Ganesa und einige der dämonenhaften Yak$as zählen, tragen den Beinamen Tundila, was soviel wie »der mit einem Bauch wie ein Gefäß« bedeutet. Das Wassergefäß (Kumbha) wird seit jeher mit der Muttergöttin in Verbindung ge­ bracht. Es stellt den Mutterschoß und damit den Ursprung des Lebens und die Fruchtbar­ keit dar. Wassergefäße sind ein unverzichtbares Hilfs­ mittel bei Opferritualen. Mit Hilfe einer Wasserschüssel oder des Mandala (Kalasa), das für Wasser steht, wird beispielsweise die Gottheit §iva angerufen. Kalasa, die Vase und Pätra, die Schüssel.

232

Die Attribute der Götter

Lebens (Amfta), die Speise der Götter ent­ halten. Mit dem Zaubertrank Amfta kann man den Tod überwinden. Dieser Nektar wurde aus dem Milchmeer (s. Kap. 3) gewon­ nen. Das natürliche Gefäß für Amrta ist der Mond. Diejenigen unter den Verstorbenen, die als Geister umherirren (Pitfs, —>Pita), erhalten ihre Nahrung aus dem Mond, der sich durch den Vorgang des Abnehmens und Zunehmens laufend wieder auffüllt. Die Vase als Attribut wird von Brahma, von Siva als Lehrer (—> Dak$inamürti) und von der Ge­ fährtin Vi$pus, der Göttin Lak$mi, getra­ gen. Die Vase, die Weisheit und Unsterblich­ keit symbolisiert, zählt auch zu den acht glückverheißenden Zeichen (s. Kap. 8.6).

Zu ihnen zählen Brahma, Siva, der vedische Gott des Wassers, Varuiia, die Flußgöttinnen Sarasvati und Gahgä und die furchtbare Erscheinung der Göttin als Bhadra-KälL

Glocke (Ghantä)

Kannen (Kamar}dalu) In den Kannen, die meist mit einem Ausgie­ ßer versehen sind, befindet sich Wasser oder der Nektar des ewigen Lebens (Arnfta). Be­ sonders Gottheiten in ihren Aspekten als Bettler, Asketen oder Heiler tragen dieses Attribut.

Im Glockenklang sollen die Klänge aller Mu­ sikinstrumente vereint sein. Ebenso wie der Trommelschlag bezeichnet der Klang der Glocke Schöpfung oder die ursprüngliche, mystische Lautform - die vor allem durch Siva verkörpert ist. Die Glocke ist einer der Gegenstände, die bei einem Opfer nicht feh­ len dürfen. In der Ikonographie ist sie in der genannten Symbolik ein Attribut Sivas und seiner Gefährtin Kali. Die Glocke gehört auch zu den Waffen; mit dem Glockenklang versetzt —»Durgä ihre Feinde in Angst und Schrecken. Die Glocke an Sivas Bein in seiner Darstel­ lung als umherwandernder Bettler (—»Bhik$ätana-Mürti) kündigt sein Kommen an, wenn er in bewohnte Gegenden gelangt.

Kamaij Sürya, hat eine symbolische Bedeutung, vgl. Kap. 3.5.2. Aufgrund der unterschiedlichen Vorstel­ lungskreise erfährt die Lotusblüte als Attri­ but gesonderte Zuordnung zu bestimmten Gottheiten. Als Wasserpflanze symbolisiert sie die Fruchtbarkeit des Wassers und den Mutterschoß und ist emblematisch für Göt­ tinnendarstellungen. Der aufgeblühte Lotus gleicht einer Sonne, denn nachts schließen sich die Blütenblätter, und bei Regen bleiben sie auch am Tage gänzlich geschlossen. So liegt es nahe, den Lotus als Attribut dem Sonnengott Sürya zuzuordnen. Süryadarstellungen in Nordindien zeigen die Gottheit mit weitgeöffneten Blüten in beiden Händen, während sie in südindischen Darstellungen als Knospe geschlossen bleiben. Manchmal wird auch Vi$nu in seinem Erscheinungsbild als Äditiya-Vi$nu mit einem Lotus darge­ stellt. Die Lotusblüte ist außerdem ein Glückssym­ bol und erscheint als Emblem der Göttin der Schönheit und des Glücks (—>Sri-Lak$mI). Südindische Vi$nuskulpturen zeigen den Gott häufig mit Sri oder mit der Göttin der Erde, —»BhümidevI, an seiner Seite. Lak$ml steht immer mit einem Lotus zur Rechten des Gottes, während BhümidevI mit einer Was­ serlilie links von Vi$nu abgebildet wird.

Padma, der Lotus.

Meißel (Tarika) Das Attribut von Subrahmanya, einem Er­ scheinungsbild des Kriegsgottes —»Skanda, sieht dem Kreuzmeißel von Steinmetzen meist sehr ähnlich. In den Händen von Siva und Durgä kann der Meißel auch als Axt angesehen werden. 236

Tanka, der Meißel.

Die Attribute der Götter

Mörser (Musala)

Musala, der Mörser.

Der Mörser, der in seiner bildlichen Darstel­ lung nur schwer von einer Keule unterschie­ den werden kann, steht in enger Verbindung zur Landwirtschaft, da mit ihm das Korn zu Mehl gestampft wird. Neben dem Pflug ist der Mörser charakteristisch für —*■ Balaräma, den älteren Bruder von Kr§na. Diese beiden Attribute sind stets auch bei der theriomorphen Darstellung von —> Vi$nu als 6e$a, dem König der Schlangen, zu finden. Als Waffe ist der Mörser eine Keule in den Händen der Göttin —»Cämundä und bei einigen freund­ lichen Erscheinungsbildern.

Mungo (Nakula) Der Mungo ist das Begleittier von —> Kubera, dem Gott des Überflusses. In einigen Dar­ stellungen hält Kubera den Mungo in seiner linken Hand; deshalb kann man dieses Tier auch als Attribut Kuberas ansehen. Zur Symbolik des Mungo s. Kap. 3.2.8.

Muschel (§ankha)

Sankha, die Muschel.

Die Muschel gehört zu den mit einer sehr differenzierten, vielfältigen Symbolik ausge­ statteten Attributen der Götter. Obwohl seit alters her verschiedene Muscheln oder Mu­ schelteile zu Schmuck verarbeitet werden oder als Gefäß für Trankopfer dienen, ist es eine bestimmte Muschel, der große Vereh­ rung zuteil wird. Es ist dies die Charonia tritonis oder die kleinere Turbinelia pyrum. Von der Seite gesehen, erinnert die Öffnung der Muschel an das weibliche Geschlechtsor­ gan, deshalb wird sie bei Fruchtbarkeitskul­ ten verehrt. Oft wird sie als Kultobjekt ge­ schmückt, mit prachtvollem Stoff »beklei-

237

Die Attribute der Götter

det« und mit Perlenketten behängt. Der obe­ re Teil wird mit Metallbesatzstücken verse­ hen, die einen Löwenkopf tragen. In den Händen der Götter, vor allem als Attribut von —*Vi$nu, ist die Muschel eine Waffe. Entfernt man die Spitze der Muschel und legt damit das spiralförmige Innenleben frei, kann die Muschel wie eine Trompete geblasen werden und erinnert dann an das Tritonium der Römer. Vi$nu soll sie im Kampf gegen die Dämonen eingesetzt haben, die bei ihrem Klang in Mark und Bein erzit­ terten. Noch heute wird die Muschel zu Be­ ginn eines jeden Rituals geblasen, um böse Dämonen zu vertreiben. Ein Dämon namens Pähcajanya soll die Veden gestohlen und auf dem Meeresboden versteckt haben. Vi$pu je­ doch besiegte diesen Dämon, als er in seiner Fischinkarnation (—»Matsyävatära) erschien, er konnte die heiligen Texte für die Men­ schen zurückgewinnen. Die Muschel als Attribut von Vi$nu wird deshalb auch mit dem Namen des Dämons Pähcajanya be­ zeichnet. Es gibt rechtsdrehende und linksdrehende Muscheln. Solche, die im Uhrzeigersinn auf­ gebaut sind, findet man häufig, während die anderen selten Vorkommen und einen ganz besonderen Wert darstellen. Die Windung der Muschel symbolisiert den endlosen Raum, der sich aufgrund der Erd­ drehung im Uhrzeigersinn ausdehnt. Bei linksdrehenden Muscheln ist dieses Natur­ prinzip auf den Kopf gestellt, und die Mu­ schel wird zum Attribut Sivas. Die beiden Hauptattribute Vi$nus, der Dis­ kus (Cakra) und die Muschel (Sankha), ste­ hen für die beiden Aspekte der Gottheit. Vi$nu kann seinen Attributen jederzeit menschliche Gestalt verleihen, so daß sie zu unabhängigen Gottheiten werden. Sie heißen dann Cakrapuru$a und $ankhapuru$a (—»Waffen).

238

Die Muschel in der Verkörperung eines gut­ artigen Dämons im Gefolge des Gottes des Überflusses (—»Kubera) ist eine der acht Schätze des Lebens (Sankhanidhi, s. Kap. 8.5). Der Gnom 6ankhanidhi, der neben dem Lotusschatz (Padmanidhi) der bedeutendste der Schätze ist, wird dickbäuchig mit der Muschel als Kopfbedeckung dargestellt. Die Muschel (Sankha) ist auch eines der acht glückverheißenden Zeichen (A$tamahgala, s. Kap. 8.6).

Pfeil und Bogen (Bäna-Dhanus) Pfeil und Bogen haben zwar eine getrennte Symbolik, da beide Attribute jedoch häufig gleichzeitig in den Händen einer Gottheit dargestellt werden, kann der Symbolgehalt ineinander übergehen. Ein einzelner Pfeil bringt ursprünglich Tod und Krankheit. Diese negativen Eigenschaf­ ten sollen aber von den Schamanen der Göt­ ter (Asvins) neutralisiert worden sein. Mit dem Pfeil wird das männliche Geschlechtsor­ gan gleichgesetzt, der Pfeil ist somit identisch mit dem Lihga Sivas. Pfeile werden in Ritua­ len, die männliche Nachkommenschaft be­ günstigen sollen, verwendet. Lihga oder Pfeil versinnbildlichen männliche Energie. Dem Bogen hingegen wird eine weibliche Symbolik nachgesagt. Er versinnbildlicht Herrschaft. Besonders zu erwähnen ist der magische Bogen der vedischen Gottheit In­ dra. Personifiziert heißt der Bogen Vijaya (»Sieg«) und versinnbildlicht in der Mytholo­ gie auch den Regenbogen. Auch die Bögen anderer Götter tragen eigene Namen, wenn sie personifiziert werden. Der Bogen von Vi$nu heißt Särhga oder Cäpa, der von Siva wird als Pinäka bezeichnet - ein Bogen aus einer siebenköpfigen Schlange. Ikonographische Umsetzungen dieser Bögen sind jedoch sehr selten.

Die Attribute der Götter

Dhanus, der Bogen, und Bätja, der Pfeil.

Pfeil und Bogen zusammen stehen für die zwei Aspekte der menschlichen Existenz. Der Bogen symbolisiert den Todestrieb und der Pfeil den Liebestrieb. Die fünf Blumen­ pfeile —> Kämas, des Gottes der Liebe, bezie­ hen sich auf die fünf Sinne des Menschen. Der Köcher, in dem die Pfeile aufbewahrt werden, gilt in der Symbolik als Speicher für gute und schlechte Taten. Uber diese Symbolik hinaus sind Pfeil und Bogen auch eine gefürchtete Waffe in den Händen der Götter. §iva beispielsweise zer­ störte mit einem einzigen Pfeil die als unbe­ siegbar geltenden drei Paläste der Dämonen­ götter (s. Kap. 2.4.7.7). Als Waffe sind Pfeil und Bogen charakteri­ stisch für den Kriegsgott Skanda, für Brah­ ma, Indra, Ganesa und einige der zerstöreri­ schen Aspekte von Göttern und Göttinnen, wie beispielsweise —> Mahi$äsuramardinl, —> Kahkäla-Mürti und —> Candesvara.

Pflug (Hala, Sira, Längala) Als Gegenstand, der in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielt, ist der Pflug ein Attribut des Gottes —» Balaräma, Bruder des Kf$na und Teilinkarnation von Vi$nu. Bala­ räma ist die Schutzgottheit der Äcker. Das Attribut Pflug steht in enger Beziehung zum Mörser. In zerstörerischen Darstellungen kann der Pflug auch als Waffe angesehen werden. Der elefantenköpfige —> Ganesa trägt als Attribut in einer seiner Hände seinen abgebrochenen Stoßzahn, was in Südindien ein Zeichen dafür ist, daß er ihn als Gott der Fruchtbarkeit, d. h. als Pflug benutzt hat.

Rad —» Cakra Rosenkranz —> Gebetskette

239

Die Attribute der Götter

Schädel, Schädelschale, Schädel­ kette, Schädelkeule Der Schädel symbolisiert Tod und das Ende allen Lebens. Mehrere Schädel aneinanderge­ reiht, wie es bei einem Schädelkranz oder einer Schädelkette der Fall ist, verweisen dar­ auf, daß nichts im Leben fortwährend be­ steht, sondern alles einem ewigen Vergehen und Neuentstehen unterworfen ist. Wenn —*§iva am Ende des Universums, das er zerstört hat, auf der Asche der Welt steht, trägt er eine Schädelkette um den Hals und deutet damit an, daß neues Leben entstehen wird. In seiner Vielfalt - als Attribut von Gotthei­ ten, Emblem auf Sockeln oder als Schmuck wird der Schädel im weitesten Sinne dem sivaitischen Kult zugeordnet. Eine Extrem­ form zeigte sich in dem südindisch-mittelal­ terlichen Kult der sogenannten Schädelträger (Käpälika), die als Erkennungszeichen einen Schädelstab, ein kristallenes —» Lihga um den Hals und Büßerflechten mit einem Sichel­ mond-Ornament trugen. Sie verehrten als höchste Gottheit die Emanation §ivas unter dem Namen Bhairava (»der Schreckliche«). Das Symbol der Vergänglichkeit in Form einer Kette aus Menschenschädeln (Kapälamälä), eines Schädelkranzes (Pancakapäla) auf dem Kopf oder einer Opferschnur aus Schädeln wird von den fürchterlichen Aspek­ ten Sivas als Bhairava und —» Kahkäla-Mürti und von den Göttinnen —»Durgä und —» Cämuijdä getragen. Der Schädelkranz aus fünf Schädeln ist auch für eine bestimmte Form des elefantenköpfigen Ganesa (Heruka) emblematisch. In diesen Darstellungen tragen die Götter häufig auch in einer ihrer Hände das Attribut Schädelschale (Kapäla). Die Schale besteht aus der oberen Hälfte eines menschlichen Schädels.

240

Wenn die Göttin —» Kali in einer ihrer Hände einen abgeschlagenen Kopf hält, wird sie als Bezwingerin der Dämonen dargestellt, da es sich bei dem Kopf um einen Dämonenschä­ del (Räk$asamupda) handelt. In der Kno­ chenkeule (Khatvähga, —»Keule) sehen die Inder eine der ältesten Waffen. Der Unter­ armknochen oder Schienbeinknochen galt auch als Zauberstab. Besetzt mit einem Schä­ del wird er zur Schädelkeule oder, wenn der Griff aus Holz ist, zum Schädelstab. Der Schädelstab ist ein Attribut der Asketen und Yogins. In der ikonographischen Darstellung ist er häufig mit einer Schlange verziert, die sich um den langen Holzgriff windet und aus einer der Augenhöhlen des Schädels drohend hervortritt.

Schale —» Gefäße

Schild (Khetaka) Zur perfekten Kampfausrüstung der Götter gehört der Schild. Er wehrt feindliche Pfeile und Keulenschläge ab und ist deshalb ein Attribut der Götter, die gleichgestellten Feinden im Kampf gegenüberstehen. Der Kriegsgott —»Skanda wird meistens mit einem Schild dargestellt, ebenso die furchterregen­

Die Attribute der Götter

den Aspekte von §iva als —> Bhairava und die der Göttinnen —»Cämundä, —»Durgä und Mahi$äsuramardini. Götter, die mit unbe­ siegbaren Waffen ausgerüstet sind, brauchen den Schutz des Schildes nicht. So trägt auch die Darstellung von Siva als Vernichter der Städte der Asuradämonen (—»TripuräntakaMürti) keinen Schild, denn seinem Pfeil ha­ ben die Feinde nichts entgegenzusetzen. Die Schilde der Götter sind oft reich verziert und mit Emblemen und Symbolen ausgestat­ tet, mit Gesichtern oder Figuren versehen, die das zu erwartende Schicksal des Feindes darstellen oder die Eigenschaften des Krie­ gers hervorheben.

und verheißt Freude und Glück. Somit ge­ hört er auch zu den acht glückverheißenden Zeichen (s. Kap. 8.6). Das größte Glück und ein Leben ohne Angst und Trauer wird dem Gläubigen im Paradies Vi$rius (Vaikuntha) zuteil, das durch den Schirm versinnbildlicht wird. Die Schutzfunktion des Schirmes wird auch durch die Haube der Kobra, die sich über den Kopf einer Gottheit ausbreitet, versinn­ bildlicht (s. Kap. 3.1.2.3).

Schlange —» Kobra

Schlinge (Päsa)

Schirm (Cattra)

Götter und Göttinnen, die eine Schlinge in den Händen halten, sind mit einer Waffe ausgestattet, die jede Art von Verblendung und Bösem fesselt. Die Schlinge kann eine Falle, Fessel oder ein Lasso sein, denen die Unwissenheit nicht zu entkommen vermag.

Der Schirm ist ein Attribut, das relativ selten vorkommt. Die großen Götter des heutigen Hinduismus werden nicht mit dem alten Insignium für königliche Macht abgebildet. Die vedischen Gottheiten —»Varuna, als Hüter der westlichen Region, und der Sonnengott —» Sürya sind zuweilen mit einem Schirm als Attribut oder Emblem dargestellt. Dies gilt insbesondere für Varuna, da er als der erste gekrönte König angesehen wird. Der Schirm symbolisiert außerdem Schutz

Die Schüssel oder Schale als Attribut der Götter —> Gefäße. Die Schädeldecke als Schale und die Bedeu­ tung von Knochen und Schädel —> Schädel.

Cattra, der Schirm.

Päsa, die Schlinge.

Schüssel, Schale (Pätra)

241

Die Attribute der Götter

Schwert (Khadga) Brahma schuf das Schwert als göttliches We­ sen und gab es der vedischen Gottheit Rudra als Waffe. Als die vedischen Götter mit dem Glauben des puränischen Hinduismus ver­ schmolzen, übergab Rudra die Waffe Vi$pu, obwohl die Gottheit Siva mit Rudra in Ver­ bindung gebracht wird. So bedient sich auch Siva in einigen seiner Formen dieser—»Waffe, die nicht das typische Kampfinstrument, sondern eher Kultobjekt ist. Das Schwert als Attribut der Götter ist ein großes Opfermesser, es symbolisiert Weis­ heit, die Kraft der Zerstörung und den Sieg über die Ignoranz. Brahmas fünfter Kopf wurde von Siva mit einem Schwert abge­ schlagen als Strafe für die Anmaßung Brah­ mas zu glauben, er sei der größte aller Götter. Schwerter werden je nach ihrer Größe und ihrem Aussehen als glückverheißend oder unglückbringend angesehen. Die Klinge, die entweder ein- oder zweischneidig ist, sollte die Form eines Bambusblattes haben. Vi$nus Schwert, genannt Nandaka, verbreitet keine

Furcht, sondern schenkt Freude. Es ist gleichzeitig einer der neun Schätze (nidhi) des Gottes des Reichtums (—»Kubera). Das Schwert gehört zu den Waffen, die ikonographisch auch als göttliches Wesen anthropomorph (—»Äyudhapuru$a) darge­ stellt werden.

Speer (Sakti, $üla) Die Waffe des Feuergottes —» Agni, vor allem aber die des Kriegsgottes —»Skanda, ist der Speer. Nicht immer läßt sich der Speer vom —»Dreizack (Trisüla), dem Attribut Sivas, trennen. Es ist überliefert, daß der Erbauer des Uni­ versums (Visvakarma) den Speer als unbe­ siegbare Waffe geschaffen haben soll. Bevor dieser jedoch in den Besitz der Götter ge­ langte, wurde er von Prinzen entwendet und als göttliche Macht verehrt. Unter den zahlreichen Waffen der großen Göttin —»Mahi$äsuramardinl befindet sich unter anderem ein Speer. Nach tantrischen Vorstellungen symbolisiert der Speer das erigierte Glied.

Süla, der Speer.

242

Die Attribute der Götter

Speise, Süßigkeit (Laddu, Modaka) Die Speise, meistens ballförmig, ist ein Attri­ but von —» Ganesa, die der Gott entweder in seinem Rüssel hält, oder die in einer Schale liegt, in die Ganesa seinen Rüssel hineinlegt. Die Bezeichnung Laddu kennzeichnet einen Brei oder eine feste Süßspeise aus Getreide­ mehl, das stark gesüßt und mit Gewürzen angereichert in ausgelassener Butter (Ghee) gesotten wird. Unter Modaka versteht man in erster Linie einen Reiskuchen, aber im ikonographischen Sinne auch jegliche Art von Speisen als Attribut von Gapesa. (—» Früchte)

Ferner ist der Spiegel charakteristisch für die fürchterlichen Formen der Göttinnen, wie etwa —» Mahi$äsuramardinl und —» Durgä. Der Spiegel ist aus hochglanzpoliertem Me­ tall und wird ohne oder mit Griff dargestellt. Südindische Göttinnendarstellungen verzich­ ten häufig auf das Attribut und geben der Skulptur statt dessen eine Lotusknospe bei, was der Symbolik des Spiegels entspricht. Eine Lotusknospe kann aber auch Jungfräu­ lichkeit versinnbildlichen.

Stab (Danda)

Der Spiegel ist ein charakteristisches Attribut von Göttinnen. Er stellt den nicht manifesten Aspekt des —» §iva dar und steht allgemein für Weisheit, aber auch für Eitelkeit. §iva in seiner androgynen Form (Ardhanärisvara) hält in seiner linken weiblichen Hälfte in einer Hand einen Spiegel.

Der Stab ist im Gegensatz zur —»Keule (Gada) ein Attribut, das die Funktion der Bestrafung besitzt. Der Stab (Danda) wird ursprünglich mit dem Gott des Todes und der Unterwelt (—» Yama) gleichgesetzt. Deshalb trägt Yama auch den Beinamen Dhapdadhara, was soviel wie »der Träger des Stabes« (Stockes oder Prügels) bedeutet. Somit ist der Stab in der Vorstel­ lung der Inder eine charakteristische Waffe der Unterwelt, der sogenannten südlichen

Darparia, der Spiegel.

Dai)Cämundä zeigen häufig den Stachel­ stock in einer ihrer Hände. Der Stachelstock ist eines der acht glückverheißenden Zeichen (A$tamahgala, s. Kap. 8.6).

Trommel (Damaru) Die sanduhrförmige Trommel ist ein Attri­ but Sivas, besonders in Skulpturen, in denen er als kosmischer Tänzer dargestellt wird (—»Nataräja). Einerseits symbolisieren die beiden Seiten der Trommel Lihga und Yoni, genau wie die zwei Dreiecke eines mysti­ schen Diagrammes (s. Kap. 1.1), andererseits steht der Trommelschlag für den Rhythmus zum Zeitpunkt der Entstehung des Univer­ sums. Die Trommel stellt gewissermaßen den Urlaut dar, der alles Entstehen und Vergehen in Gang bringt. Da, wo sich die Dreiecke treffen, beginnt Schöpfung; wo sie sich tren­ nen, zerfällt alles Leben.

Vajra —> Donnerkeil Vase —> Gefäße

Vma, die indische Zither Eines der ältesten Musikinstrumente Indiens, das man schon auf den Siegeln des Industals abgebildet findet, ist die Vinä. Das Instru­ ment, das in seiner frühesten Form einer Bogenharfe ähnlich sieht, hat über die Jahr­ hunderte einen starken Wandel erfahren, so daß die ikonographisch dargestellten Attri­ bute in den Händen der Götter nicht mit der heute in Südindien bekannten Vinä verwech­ selt werden dürfen. Die Vinä des Mittelalters ist eine Stabzither mit unterschiedlich vielen Saiten. Emblematisch ist sie als Attribut vor

allem für die Göttin —> SarasvatI und für Siva in seiner Form als Herr der Musik (—»Vinädharadak$inä-Mürti). Auch einige der güti­ gen Aspekte der großen Göttin Devi können dieses Attribut tragen.

Waffen, Personifikation der Waffen (Ayudhapurusa oder Sastradevatä) So kriegerisch wie die Auseinandersetzungen zwischen Urbevölkerung und den arischen Einwanderern vor mehr als tausend Jahren vor Christus in Indien waren, bevor es zu einer Verschmelzung der Glaubensrichtun­ gen in einem Götterpantheon kam, so blutig wurde teilweise auch der Kampf der Götter dargestellt. Die Arier besaßen Waffen, die denen der Ureinwohner Indiens überlegen waren. Die Waffen wurden vergöttlicht und teilweise sogar als göttliche Wesen anthropomorph dargestellt. Nach dem Sieg des puränischen Hinduismus über die Systeme der -Veden halten die hinduistischen Götter die Waffen der ehemals überlegenen Feinde in den Händen. Der Symbolcharakter ist der Sieg über Unwissenheit und Ignoranz. Einige der Waffen in den Händen der Götter wer­ den als Teilinkarnationen versinnbildlicht und verehrt. Sie spielen in Zeremonien und Ritualen eine maßgebliche Rolle und werden zum Schutz vor Gefahren angebetet. Personifizierte Waffen (Äyudhapuru$a oder Sastradevatä), also »Waffengötter« sind weiblich, männlich oder geschlechtsneutral. Waffengöttinnen wird in der Bezeichnung das Wort Devi (»Göttin«) angehängt und männlichen Göttern das Wort Puru$a (»Mann«). So wird aus der Keule (Gada) die Göttin Gadädevi und aus dem Diskus (Cakra) die Gottheit Cakrapuru$a. In der ikonographischen Darstellung zeigen sich die Waffengötter meist zweiarmig. Sie

245

Die Attribute der Götter

tragen eine Topfkrone und falten die Hände zum Mudrä der Verehrung. Die anthropomorph dargestellten Waffen­ götter sind vor allem an den Waffen zu er­ kennen, die hinter ihnen abgebildet sind, oder die sie als Kopfbedeckung tragen. Cakrapuru$a - Er versinnbildlicht den Dis­ kus von Vi$nu. Als Attribut kann der Diskus als Symbol oder als kleiner dickbäuchiger Gnom in den Händen Vi$nus dargestellt werden. Sakti - der Speer. Sie ist auch die weibliche Energie eines Gottes. Allein dargestellt er­ scheint der personifizierte Speer (Sakti) als Göttin in Begleitung eines Wolfes (Vfka). Dat}dapuru$a - ein furchterregender Gott, der den Stab (Prügel, Dapda) der Bestrafung symbolisiert. Khadgapuru$a - der Schwertgott. Päsa - die Schlinge, die ihre Feinde fesselt, wird durch die siebenköpfige Kobra versinn­ bildlicht. Dhvaja - das Banner, das in der Schlacht hochgehalten wird, wird durch einen kräfti­ gen Mann mit offenem Mund dargestellt. Trisüla - der Dreizack, die Waffe Sivas, wird in Texten als wohlproportionierte, gutausse­ hende Gottheit beschrieben. Ferner sind Darstellungen von Personifika­ tionen der Muschel (Sankha), der Axt, der Steinschleuder und des Pfeils und Bogens bekannt. Der Bogen (Dhanus) ist weiblich. Die Göttin trägt die Waffe als Kopfbedeckung. Der Pfeil ist männlich oder wird geschlechtsneutral be­ schrieben und dementsprechend dargestellt. Es gibt eine Reihe weiterer Waffen, die zu den Attributen der Gottheiten zählen und einzeln beschrieben und erläutert werden (siehe unter den Stichworten Axt, Keule, Äyudhapuruja, Waffengötter. Oben: Cakrapuru?a. Speer, Prügel, Schild, Stab, Dolch). unten: Gadädevi, die Keulengöttin.

246

Die Attribute der Götter

Wedel (Camara)

Camara, der Wedel.

Die zu einem Büschel zusammengebundenen Haare des Yak-Rindes werden zu einem We­ del. Dieses Attribut, das charakteristisch für Wächtergottheiten ist, wird als Yakwedel zum Vertreiben von Ungeziefer angesehen, denn der Schwanz des Rindes vertreibt auch die lästigen Fliegen. Die Flußgöttinnen —»Gahgä und —»Yamunä tragen den Wedel als eines ihrer typischsten Attribute. Andere Göttinnen, die den Wedel tragen, sind durch das Attribut als den sie begleitenden Göttern untergeordnet gekenn­ zeichnet. Da der Wedel aber auch zu den Attributen Vi$nus gehört, zählt er zu den Insignien des Königtums und zu den glück­ verheißenden Zeichen (s. Kap. 8.6). Vi$nus Wedel symbolisiert das ewige Gesetz (Dharma).

Zither —»Vipä

247

Kapitel 7 Die Ausstattung der Götter

7.1 Kopfbedeckungen: Kronen und Haartrachten Die Kopfbedeckungen, Kronen und Haar­ trachten sind im Laufe der Entwicklung des Kultbildes der hinduistischen Gottheiten zu einem festen Bestandteil der Ikonographie geworden. Ihre Merkmale sind so typisch, daß sie die Bestimmung einer Gottheit schon allein aufgrund der Beschaffenheit der Kopf­ bedeckung zulassen. Grob zu unterscheiden sind Kronen (Mukuta) und Haartrachten (Dhammilla), wobei oft, abgesehen von den feststehenden Merk­ malen, eine Haartracht nur schwer von einer Krone abgegrenzt werden kann, da die Haar­ trachten so kunstvoll und reich verziert hoch aufgesteckt sind, daß sie einer Krone sehr

ähnlich sind. Diese kronenförmigen Frisuren gehören deshalb auch nicht zu den Haar­ trachten, sondern zu der Gruppe der Kronen selbst. Die großen Götter der hinduistischen —» Trimürti tragen im Gegensatz zu den unterge­ ordneten Gottheiten, Heiligen, Asketen, Ge­ nien und Dämonen eine reich verzierte Adels- oder Haarkrone. Werden die Götter in bestimmten Aspekten oder Formen darge­ stellt, tragen sie eine für diese Darstellung typische Kopfbedeckung. Das trifft beson­ ders für Siva zu, der als größter aller Götter, als furchtbarer Zerstörer, als Tänzer, als As­ ket oder Bettler dargestellt werden kann.

Von links nach rechts: Die Haarkrone des androgynen Siva (rechts Mann, links Frau); Die Krone der Götter (Mukufa); Reich geschmückte Haartracht (Dhammilla).

249

Die Ausstattung der Götter

7.1.1 Turbane (Sirastraka) und Kronen (Mukufa) Stilfiguren und ältere Darstellungen von Dä­ monen (Yak$as, Nägas), von himmlischen Wesen (Vidyädharas) und von Begleitfiguren im Gefolge der Götter tragen häufig eine Art Turban aus Stoff oder aus dem kunstvoll geflochtenen Haar. Der Turban (Sirastraka) ist vorne zu einem Knoten zusammengebun­ den und häufig mit einem Ornament, einem Edelstein oder einem Emblem (s.Kap. 8.5) geschmückt. Die Fülle des Turbans wird noch durch Kranzgewinde oder andere Or­ namente verstärkt.

7.1.2 Kinta-Mukuta - die Adels­ krone der Götter Ursprünglich ist die Adelskrone ein Kenn­ zeichen für einen Cakravartin (»Weltenherr­ scher«). Über mehrere Jahrhunderte hinweg wurde die Adelskrone in der Ikonographie weiterentwickelt. Ausgehend von einer Kopfbedeckung, die einer Königskrone ähn­ lich war, wurde sie immer höher, bis sie das Aussehen der für —> Vi$nu charakteristischen Adelskrone erreichte und sich damit eindeu­ tig von den Kopfbedeckungen Brahmäs und Sivas abhob. Die Adelskrone tragen zudem alle Götter, die mit Vi$nu in Verbindung gebracht werden, sowie —»Sürya, der Son­ nengott. Die Krone ist ausgesprochen reich verziert. Ihre konische Form endet in einer Spitze oder einem Knauf. Der untere und obere Teil der Krone wird oft durch Bänder betont. Auf der Vorderseite der Krone sind meist Orna­ mente zu erkennen, die charakteristisch für

250

Kopfbedeckungen: Kronen und Haartrachten

die Gottheit sind. Dazu gehören vor allem das Emblem Cakra (Rad), ein oder mehrere Edelsteine, aber gelegentlich auch eine Schlange, wie es bei Darstellungen von —» Balaräma der Fall sein kann. Wenn Göttinnen eine Adelskrone tragen (so z.B. —»Lak$ml, die Gemahlin Vi$nus, oder auch die Gemah­ lin von Siva, —> PärvatI, so wird damit ange­ deutet, daß sie im Rang mit den großen Göttern gleichstehen. Ansonsten zählen Göttinnen zu den untergeordneten Gotthei­ ten und tragen die für sie typische Topfkrone (Karanda-Mukufa).

7.1.3 Karanda-Mukutadie Topfkrone

Die Topfkrone, Kararxfa-Mukuia. Unten: die Topfkrone der Göttin von hinten gesehen.

Diese Krone ist normalerweise kleiner als die prachtvolle Adelskrone. Sie läuft nach oben spitz zu und ist in mehrere Teile unterglie­ dert, was an aufeinandergestellte Töpfe, Kör­ be oder Schalen unterschiedlicher Größe erinnert. Diese Krone kann sowohl von männlichen als auch weiblichen Gottheiten getragen wer­ den, ohne daß die Form geschlechtsspezi­ fisch ist. Alle Gottheiten, die diese Krone tragen, nehmen in der Hierarchie des Götter­ pantheon eine untergeordnete Stellung ein. Die Göttinnen tragen sie, wenn sie als Ge­ mahlinnen an der Seite der männlichen Göt­ ter dargestellt werden. Allein oder als höch­ ste Gottheit dargestellt, tragen sie entweder die Adelskrone (Kirifa-Mukuta) oder die Haarkrone (Jatä-Mukuja). Charakteristisch ist die Topfkrone auch für den Kriegsgott Skanda, wenn er in der Darstellung als Subrahmapya zusammen mit seinen Eltern §iva und PärvatI erscheint (—»Somäskanda-Mürti).

251

Die Ausstattung der Götter

7.1.4 Jata-Muku^a — die Haarkrone Siva und Brahma tragen die für Asketen cha­ rakteristische Haarkrone, die aus den kunst­ voll zusammengebundenen Haarflechten (—> Haartrachten) besteht. Die Form der Haarkrone erinnert sehr stark an die der Adelskrone, zumal sie ebenso reich verziert ist. Typisch und damit ein wichtiges Erken­ nungsmerkmal sind jedoch die oben zusam­ mengebundenen, herabhängenden Haar­ flechten. Die Haarkronen von Siva und Brahma lassen sich dadurch voneinander unterscheiden, daß Siva als charakteristisches Emblem eine Mondsichel auf der linken Seite der Krone und oft auch eine Schlange auf der rechten Seite trägt. Die Haarkrone Brahmäs ist ledig­ lich mit Edelsteinen verziert.

Die Haarkrone, Jafä-Mukufa.

252

In der Darstellung Sivas in furchtbaren Aspekten kann die Haarkrone zudem mit Schädelschmuck verziert sein. Keine Haar­ krone trägt Siva indes, wenn er als Yogin oder Asket dargestellt wird. Die Büßerflech­ ten hängen dann auf unterschiedliche Art und Weise vom Kopf herab (--> Haar­ trachten).

7.1.5 Waffen als Kopfbedeckungen von Gottheiten Eine Besonderheit in der Reihe der Kopfbe­ deckungen zeigen die Gottheiten, die die Waffen der Götter (Ayudhapuru$a) personi­ fizieren (s. Kap. 6). Sie tragen dann häufig die Waffe als charakteristisches Merkmal auf dem Kopf. Als Beispiel sei hier lediglich die Personifizierung von Vi$nus Keule, Kaumodakl, angeführt.

Haartrachten (Dhammilla) und Haare (Jat;ä, Kesa)

7.2 Haartrachten (Dhammilla) and Haare (Jata, Kesa) Bei den verschiedenen Haartrachten der Göt­ ter und Göttinnen werden solche mit langem Haar (Kesa) und andere mit Zöpfen bzw. Flechten (Jap) unterschieden. Zu den Haartrachten zählen jedoch im ikonographischen Sinne nicht die Haarkronen (—> Kronen, Jap-Mukup), die durch die kunstvoll nach oben gesteckten reichlich mit Schmuck verzierten Flechten den Kronen (Mukup) im Aussehen sehr nahe kommen. Auch wenn statt der Haarflechten (Ja£ä) das lange glatte Haar (Kesa) auf diese Art und Weise kunstvoll hochgesteckt ist, spricht man nicht von einer Haartracht, sondern von einer Haarkrone (Kesamukup). Langes Haar (Kesa) ist entweder glatt ge­

kämmt oder zu einem Zopf gedreht, jedoch nicht geflochten. Die Flechten, die bei einem Asketen als Büßerflechten oder Flechtenbür­ de bezeichnet werden und keine Haarkrone bilden, symbolisieren die Abgeschiedenheit von allen weltlichen Dingen. Im volkstümli­ chen Glauben kann ein Mensch, der aske­ tisch lebt, über Nacht eine solche Büßer­ flechte bekommen. Das Haar verdreht sich zu einer langen Strähne und verfilzt. Vor allem Frauen, denen übernatürliche Kräfte nachgesagt werden, wollen von der Gottheit, vor allem von einem furchtbaren Aspekt Sivas, besessen sein. Sie schneiden dann diese Büßerflechte ab und verehren sie statt des Bildes der Gottheit.

7.2.1 Gekämmtes und frisiertes Haar

7.2.2 Abstehendes Haar

Göttinnen und deren Gefolgschaft tragen eine einfache Haartracht (Dhammilla), wenn ihnen keine gesonderte Verehrung zuteil wird. Das lange Haar (Kesa) ist dabei glattge­ kämmt und wird meist hinten oder seitlich, manchmal auch oben zu einem großen Kno­ ten zusammengebunden.

Diese Haartracht ist charakteristisch für eini­ ge der furchtbaren Aspekte von Göttern und Göttinnen. Man unterscheidet dabei zwi­ schen Haar und Flechten, die vom Kopf abstehen (Kesamaptjala oder Japmandala). In den Darstellungen des §iva —»Dak$inäMürti steht das Haar nicht stark vom Kopf ab, sondern die Büßerflechten hängen eher

Von links nach rechts: Das zum Haarknoten frisierte Haar, Dhammilla; das flammende Haar, Jvälakesa; hochabste­ hende Büßerflechten, Jafärnaudala.

253

Die Ausstattung der Götter

Jafabhara, die wehenden Büßerflechten des tanzenden Siva.

seitlich herab. Diese Haartracht wird mit Flechtenbürde (Jatäbhära) bezeichnet. Die wehenden Flechten des tanzenden §iva als -^•Nafaräja nehmen eine gesonderte Stellung in den Haartrachten des Jatäbhära ein, da sie waagrecht zu beiden Seiten des Hauptes ab­ stehen und damit die dynamische Bewegung des Tanzes unterstreichen. Die abstehenden Büßerflechten sind bei Sivadarstellungen häufig mit Schlangen verziert. Wenn die Haare vom Haupt einer Gottheit nach oben stehen und wie die Flammen eines Feuers züngeln, spricht man von dem Jvälakesa (»flammendes Haar«). Charakteristisch ist diese Haartracht für —> Agni, die Emanantionen von §iva und einige sivaitische Göttin­ nen in ihrem furchtbaren Aspekt, so bei­ spielsweise —> Kali und —» Cämundä.

7.2.3 Hochfrisierte Haartrachten (Kesabandha und Ja^äbandha) Diese Haartracht, die einer Krone (Kesamukuta und Jafärnukufa) ähnlich sieht, ist cha­ rakteristisch für Göttinnen. Das Haar (Kesa) oder die Haarflechten (Jatä) werden oben zu einem großen Knoten zusammengebunden (Bhanda) und teils mit Schmuck verziert. Die Haartracht ist jedoch nicht so hoch wie die Haarkrone (Mukuta).

7.2.4 Spiralförmige Haartrachten (Kaparda) Einer der vielen Beinamen Sivas, »Kaparda«, bezieht sich auf eine Haartracht, bei der ähn­ lich wie das Gehäuse einer Muschel die Bü-

Von links nach rechts: Jafäbhara, herabhängende Büßerflechten von Siva; Kesa Magdala, vom Kopf abstehende Haarflechten bei der Göttin Cämugdä; die Kesabandha-Frisur von hinten und von vorn.

254

Haartrachten (Dhammilla) und Haare (Jat;ä, Kesa)

ßerflechten spiralförmig nach oben gelegt sind. Zur Bedeutung der Muschel siehe Ka­ pitel 6.

7.2.5 Die Haartracht von Dämonen (Yak$as and Nägas) Als Stilfiguren vor allem in Reliefdarstellun­ gen können Dämonen (s. Kap. 2.11) eine Haartracht tragen, die dem Aussehen eines Turbans (Sirastraka) sehr nahe kommt.

Die Haartracht von Dämonen.

7.3 Schmack Schmuck ist in der Ikonographie einer jeden »männlichen« und am linken Ohr einen Götter-, Geister- oder Dämonendarstellung »weiblichen« Ohrring, um seine ewig androein nicht wegzudenkender Bestandteil. In gyne Form zu unterstreichen. seinem Ursprung wird Schmuck nicht als Die Menschen haben die Gottheiten an den Dekoration, sondern als Amulett verstanden, Körperpartien geschmückt, an denen sie das die Körperpartie, an der er getragen selbst auch Schmuck tragen. Dennoch hat wird, schützt. Schmuck hat - analog zur das Tragen von Schmuck bei Göttern eine Gottesvorstellung - unterschiedliche Aspek­ viel weitergehende Symbolik. Allein schon te. Er kann auf den Betrachter anziehend die Materialien des für die Götter verwende­ oder abstoßend wirken. Dieses Prinzip wird ten Schmuckes entstammen zum Großteil besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß nicht den Schmucktruhen der von Kopf bis Ohrringe aus Edelsteinen oder aus einem Fuß geschmückten indischen Dame. Je nach Leichnam bestehen können, oder daß es dem darzustellenden Aspekt der Gottheit ist Halsketten aus Blüten oder Edelsteinen und ihr Schmuck aus Perlen, Edelsteinen, Gold, andere aus Menschenschädeln gibt. Aus die­ Silber, Blüten, Holz, Knochen, Schädeln, ser Sichtweise hilft der Schmuck neben ande­ Zähnen, Beeren, Schlangen, Skorpionen und ren Bestandteilen einer Skulptur bei der Be­ besonderen Emblemen und Zeichen, die ih­ stimmung der Aspekte und Formen der dar­ ren Talisman- oder Amulettcharakter beibe­ gestellten Gottheit. halten haben. Schmuck wird als Diadem, Schmuck ist im weitesten Sinne nicht ge­ Ohrring, Armring und Armreifen, Fußring schlechtsspezifisch. Sowohl Götter wie auch und -kettchen und als Halsschmuck in Form Göttinnen können identischen Schmuck tra­ von Ketten und Reifen mit und ohne Anhän­ gen, obwohl bestimmten Schmuckstücken, ger getragen. z. B. Ohrringen, entweder männliche oder Den Ketten kommt eine besondere Bedeu­ weibliche Eigenschaften zukommen. So trägt tung zu, da sie als Schmuckkette um den beispielsweise Siva am rechten Ohr einen Hals oder als lange Opferschnur (Yajnopavi-

255

Die Ausstattung der Götter

ta) um den Körper getragen und teils auch mit den Händen gehalten werden. Die Op­ ferschnüre werden in diesem Kapitel unter Punkt 7.5 gesondert behandelt. Auch solche Ornamente, die nicht als getrenntes Schmuckstück wie Ringe und Ketten angesehen werden können, sondern Bestandteil von Kronen oder Kleidung sind, finden unter den jeweiligen Punkten dieses Kapitels gesondert Berücksichtigung.

7.3.1 Halsketten und Girlanden (Mälä) Der Begriff »Mälä« bezieht sich allgemein auf jede Art von Kette. Damit kann ein Hals­ schmuck, eine Gebetskette (Ak$amälä, s. Kap. 6), eine Girlande, eine Opferschnur (Yajnopavita, s. Kap. 7.5) oder ein Kranz ge­ meint sein. Als Schmuckstück wäre an dieser Stelle besonders die Halskette der Göttinnen zu betrachten. Je nachdem, welchen Aspekt eine Göttin darstellt, ob sie wohlwollend oder furchtbar ist, trägt sie einen entspre­ chenden Halsschmuck. Auch ob sie in einer Eigenskulptur oder in der Gruppe verehrt wird, ist für die Ausstattung mit Schmuck von Bedeutung. Besonders festlich gekleidet und geschmückt ist die Göttin beispielsweise in der Hochzeitsdarstellung mit §iva (—> Kalyänasundari-Mürti). Verkörpert sie jedoch den furchtbaren Aspekt der —»Cämumjä, dann flößt sie ihren Feinden nicht nur durch ihre aus den Mundwinkeln ragenden Fang­ zähne, ihre flammenden Haare, sondern auch durch den Leichnam, der in ihrem Ohr­ läppchen hängt, und durch die Halskette oder Opferschnur aus Menschenschädeln Angst und Schrecken ein. Typisch für die wohlwollenden Aspekte der Göttin sind Perlenketten mit großen goldein­ gefaßten Edelsteinen (Phalakahära). Die Ket-

256

Eine Perlengirlande und verschiedene Halsketten.

Schmuck

ten sind in frühen Darstellungen relativ kurz, so daß sie nicht die Brüste erreichen. Später, vor allem nach der ikonographischen Ent­ wicklung in der Guptazeit, wurden die Ket­ ten länger und hingen entweder über den Brüsten, oder sie verlaufen zwischen ihnen und enden oft über dem Bauch mit einem Anhänger (Lambaka). Die lange Kette ist dabei ein besonders schönes Stilelement, das eines der Schönheitsideale, nämlich das der prallen Brüste, unterstreicht, indem die be­ weglichen Glieder der Kette die Form der Brüste nachvollziehen. Ketten, die nur aus Perlen bestehen, werden Mälä genannt. Auch sie sind wie die Phalakahära kurz oder lang. Wird die Kette lang dargestellt, so heißt das im ikonographischen Sprachgebrauch Stanähara. Sehr lange Perlen, Ketten oder Perlen­ girlanden, die bis zur Hüfte hinunterreichen können und der Opferschnur sehr ähnlich sind, werden mit Mauktikajälakara be­ zeichnet. Ähnlich wie die lange Perlengirlande können solche Ketten auch aus zusammengesteckten Blüten (Vanamalä) oder aus aufgezogenen Edelsteinen (Ratnamälä) bestehen. Die Blu­ mengirlande von Vi$nu stellt die Natur dar. Oft wird sie mit einer Hand gehalten und umfaßt den gesamten Körper fest wie in einem Kreis. Auch die Göttinnen können eine solche Vanamalä tragen. Erwähnt wurde schon der Schmuck aus an­ einandergereihten Schädeln, der als Halskette ein charakteristischer Schmuck von Éiva in seinen furchtbaren Aspekten und von der Göttin —» Cämundä und —» Kali ist. Die Ket­ te von Siva in seinem Erscheinungsbild als —»Kankäla-Mürti heißt Kankäla. Über die Symbolik von Knochen und Schädeln siehe Kapitel 6, >Knochen Kf§na. Der Rie­ men kann bei Ganesa auch eine Schlange sein, spiegelbildlich zu dem Sarpakucabandha, dem furchtbaren Aspekt von Göttinnen. Das Band um die Brust des tanzenden §iva als —»Nataräja heißt Uras-Sütra.

7.5 Die Opferschnur (Yajnopavita)

Leibriemen des tanzenden Siva, Uras-Sütra.

Alle Götter und Göttinnen tragen um den Oberkörper eine Schnur (Yajnopavita), die von der linken Schulter über die Brust und dann unter dem rechten Arm über den Rük-

263

Die Ausstattung der Götter

Yajnopavita, die Opferschnur.

Verschiedene Opferschnüre. Von oben nach unten: Ajinayajnopavita, aus Antilopenleder; Vastrayajnopavita, aus Stoff; Opferschnur aus Schädeln mit Brustband aus einer Kobra.

264

ken zurück nach oben zur Schulter verläuft. Diese Opferschnur wird einem jeden männli­ chen Hindu der oberen drei Kasten im Alter zwischen acht und zwölf Jahren in einem Initiationsritual verliehen. Die aus drei Baumwollschnüren bestehende Opferschnur symbolisiert die drei Grundeigenschaften der ursprünglichen Materie (Gunas), soll den Geist stärken und Triebe unter Kontrolle halten. Nach dem Ritual tritt ein Hindu in eine neue Phase seines Lebens, er hat sozusa­ gen eine zweite Geburt, die Geburt des Gei­ stes, erlebt. In der ikonographischen Darstellung kann die Opferschnur aus unterschiedlichen Mate­ rialien sein, so z. B. aus Antilopenleder (Aji­ nayajnopavita) oder aus Stoff (Vastrayajhopavita). Die Opferschnüre entsprechen dem jeweils dargestellten Aspekt und der Kleidung der Gottheiten. Reich verziert oder gar mit Ju­ welen besetzt ist sie, wenn die Gottheit sich festlich zeigt. Für Siva als nahezu nackter Yogin ist die für diese Gottheit charakteristi­ sche Kobra als Opferschnur (Sarpayajnopavlta) typisch. Desgleichen trägt auch der ele­ fantenköpfige Ganesa oft eine Schlangen­ opferschnur (Vvälayajhopavita). Göttinnen werden häufig mit Opferschnüren aus Blüten dargestellt. Der furchtbare Aspekt eines Got­ tes oder einer Göttin zeigt sich ganz beson­ ders, wenn die Opferschnur emblematisch wird und eine lange Kette aus Menschenschä­ deln bildet. Eine Extremform der Opferschnur bildet eine lange Girlande aus Perlen (Muktayajnopavlta), die praktisch um den ganzen Körper verläuft und von der Schulter bis unter das Knie reichen kann. Oft wird das Gewicht der Opferschnur von einer Hand der Gottheit gehalten.

Kapitel 8 Die Zeichen- und Symbolsprache

8.1 Das Auge der Weisheit Ein senkrechtes oder waagerechtes Zeichen auf der Stirn zeigt eine Gottheit in einem Aspekt, in dem das sogenannte »dritte Auge« eine Rolle spielt. Die drei Augen Sivas sym­ bolisieren Sonne, Mond und Feuer. Diese drei unterschiedlichen Lichtquellen erleuch­ ten die Erde, das Universum und die himmli­ schen Regionen. Mit diesen drei Augen aus­ gestattet, bindet Siva nichts an Zeit und Raum, er durchschaut damit alles. Er sieht Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit zur selben Zeit. Das dritte Auge wird normaler­ weise senkrecht dargestellt. Es ist das Auge der transzendentalen Weisheit. Es wird auch als das Auge des »unverhüllten Sehens« be­ zeichnet und ist hauptsächlich nach innen gerichtet, so daß die Gottheit sich in ewiger

Kontemplation befindet. Wenn es jedoch nach außen schaut, dann wirkt es zerstöre­ risch. Siva verbrannte mit diesem Stirnauge den Gott der Liebe, Käma, als dieser Sivas Sinne auf -^Pärvati lenken wollte (s. Kap. 2.4.7.10). Der Aspekt der Zerstörung hat jedoch auch die Bedeutung von Transforma­ tion, indem sie die Dualität der Erscheinun­ gen aufhebt. Anhänger der sivaitischen Glau­ bensrichtung versehen ihre Stirn mit einem roten Punkt, der das dritte Auge Sivas dar­ stellen soll. Das dritte Auge Sivas wird Jnänanetra (»Auge der Weisheit«) genannt. Zuweilen wird auch der vedische Gott Indra mit einem Stirnauge dargestellt. Im Gegen­ satz zu Sivas Auge liegt es bei Indra jedoch immer waagerecht.

8.'2 Der Sitz der Götter Eine Gottheit wird nie ohne Sockel, Thron oder Tragtier dargestellt, gleich welche Posi­ tur sie eingenommen hat, ob sie nun steht, sitzt, tanzt oder liegt. Eine Ausnahme bilden die Reliefdarstellungen von himmlischen Wesen, die in der sogenannten »fliegenden Positur« repräsentiert werden, und Darstel­ lungen von Dämonen oder Genien, die die Gottheiten begleiten oder von ihnen im Kampf besiegt werden. Maßgebend ist, daß Götter den Boden nicht wie die Menschen

mit den Fußsohlen berühren, was andeuten soll, daß sie von der Unterwerfung an weltli­ che Daseinserscheinungen entbunden sind und nur noch dem Gesetz der kosmischen Zyklen gehorchen müssen. Der Sitz der Götter wird allgemein mit Äsana oder Pifha bezeichnet. Äsana bedeutet je­ doch auch die Sitzart der Gottheit und gehört damit eher in den Bereich der Posituren (s. Kap. 4). Für den errichteten Sitz oder Sockel ist das Wort Pitha oder Bhadrapqha

265

Die Zeichen- und Symbolsprache

(»verehrungswürdiger Sitz«) gebräuchlicher. Der Sitz, Sockel oder Thron einer Gottheit gilt als heilig. Die Gottheit wird als in dem Sockel wohnend gedacht, und deshalb gehört der Sitz auch zu den acht glückverheißenden Zeichen (s. Kap. 8.6). Wenn aus der Darstel­ lungsart des Sockels eindeutig hervorgeht, welcher Gottheit er zugeordnet werden kann, kommt die Verehrung des Sitzes der Verehrung der Skulptur gleich. Eindeutige Zuordnungen lassen sich vor al­ lem bei den Tragtieren (s. Kap. 3.1.1) als Sitz der Götter vornehmen. Das gleiche trifft zu, wenn der Sockel mit Symbolen, Emblemen oder der Darstellung des Tragtieres verziert ist. Einen relativ ausgefallenen Sockel bildet der sogenannte Pretäsana (»Leichen-, Gei­ ster- oder Ahnensitz«). Der Pretäsana be­ zeichnet sowohl die starre Rückenlage des meditierenden Yogin, wie auch die Darstel­ lung der auf einem toten Körper sitzenden Göttin —»Cämundä. Ebenso verhält es sich bei anderen Podesten, wie beispielsweise dem Kürmäsana (»Schildkrötensitz«), der eine bestimmte Yogapositur bedeutet, und bei der Schildkröte (Kürma), die der Gottheit (vor allem den Flußgöttinnen) als Sitz dient. Die Sockel der Götterskulpturen besitzen eine große symbolische Bedeutung. Der häu­ figste und gleichzeitig der heiligste ist der Lotussockel (Padmäsana, Padmapqha, Pithapadma oder Kamaläsana), der keiner be­ stimmten Gottheit zugeordnet werden kann und somit nicht zu den charakteristischen Bestimmungsmerkmalen einer Gottheit zählt. In der Form der Podeste spielt die Zahlenund Geometriespekulation, die der gesamten Götterskulptur zugrunde liegt (s. Kap. 1.1), eine große Rolle. So kann der Padmäsana oval, rund, quadratisch oder rechteckig sein. Besonders, wenn er sechzehneckig ist, ver­ heißt er Glück, denn die Zahl sechzehn steht

266

Der Lotussockel.

Der Sitz der Götter

en: Lotussockel; Mitte: Das Seeungeheuer Makara Tragtier; unten: der Elefant als Tragtier.

für Vollkommenheit. Ein solcher Lotussokkel wird auch Visvapadmäsana genannt und symbolisiert das Universum. Der Lotussokkel ist leicht an den eingearbeiteten Lotusblättern in einfacher oder doppelter Reihe zu erkennen. Da der Lotus auch für Yoni (»Mutterschoß«) steht, ist er einer der vereh­ rungswürdigsten Sockel, denn aus dem Mut­ terschoß entsteht alles Leben, auch das der Götter. Die Geometrie des Sockels zeigt an, was eine Gottheit gerade tut, und hilft dem Gläubigen, die Skulptur in eine bestimmte Klasse innerhalb der Gruppe der fünf unter­ schiedlichen Andachtsbilder einzuordnen. Man unterscheidet die im Tempel feststehen­ den Skulpturen (Dhruvabera), die für die Verehrung durch den Gläubigen bestimmten Skulpturen (Arcäbera), die zum Baden be­ stimmten Skulpturen (Snäpanabera), die für das Fest vorgesehenen Skulpturen (Autsavabera) und die opferempfangenden Skulpturen (Balibera). Der sechseckige Sitz ist charakte­ ristisch für Arcäberas und Baliberas, der qua­ dratische Sitz für Snäpanaberas, auf einem dreieckigen Sitz wird die Gottheit entspannt als Zuschauer von Vergnügungen gedacht, der achteckige Sockel trägt Skulpturen, die bei Initiationsriten eine Rolle spielen, und der runde oder ovale Sitz ist der typische Meditationsthron einer Gottheit. Wenn eine Gottheit nicht in eine der genann­ ten Gruppen eingeordnet werden soll, kann der Sockel auch aus mehreren geometrischen Grundrissen bestehen. Das typischste Bei­ spiel dafür ist der Bhadraplfha (»verehrungs­ würdige Sockel«), der aus einem unteren quadratischen und einem daraufgesetzten runden Lotus besteht. Eingearbeitete Schlaufen an den vier unteren Ecken eines quadratischen oder rechteckigen Podestes sind notwendig für sogenannte Cala-Skulpturen (»bewegliche Skulpturen«), die bei Prozessionen mitgeführt werden. Durch

267

Die Zeichen- und Symbolsprache

die Schlaufen werden Tragstäbe geschoben, so daß die Götterskulptur wie eine Sänfte getragen werden kann. Zu den Sockeln, auf denen Tierabbildungen zu erkennen sind, gehören vor allem der Mtgasimhäsana (»Antilopen-Löwensitz«) und der Hayasimhäsana (»Pferde-Löwensitz«). Diese Tiere (s. Kap. 3.2) ergänzen die Gesamtsymbolik der dargestellten Gottheit.

Der runde oder rechteckige Löwenthron (Simhäsana) bildet das charakteristische Po­ dest für die Darstellung eines Herrschers oder einer Gottheit mit Herrschereigenschaf­ ten. Die Beine des Throns sind in Gestalt von Löwenbeinen. Charakteristisch ist der Sim­ häsana für die Göttin —> Durgä und für $iva in seinem Erscheinungsbild als —»JnänaDak$inä-Mürti.

8.3 Bogen, Kreis, Nimbus Viele der hinduistischen Götterskulpturen sind von einem Nimbus (Prabhämandala) umgeben. Mandalas sind kreisförmige Dia­ gramme, denen große magische Wirkung nachgesagt wird (s. Kap. 1.1). Viele der hin­ duistischen Tempel selbst bilden von oben gesehen ein Mandala. Runde oder ovale Bö­ gen um Skulpturen, über geweihten Stätten, über Symbolen, in denen das Göttliche oder die Gottheiten selbst gesehen werden, sowie Bögen als Tore, Eingänge und Portale verhei­ ßen Schutz. Sie versinnbildlichen die Schwel­ le zwischen Erde und Himmel und kenn­ zeichnen den Weg des Menschen zu Gott. Bögen müssen immer reich verziert sein. Auf ihnen sind Symbole, Tiere, Gefäße, Pflanzen und Götter abgebildet. Eine beliebte Verzie­ rung, die Glück verheißt, ist die Darstellung von —> Gaja-Lak$mi, der Göttin, die von Ele­ fanten gebadet wird. Ein weiteres beliebtes Motiv bildet eine Maske (KIrtimukha). Klrtimukha bedeutet soviel wie »Gesicht des Ruhms«. Die magische, schützende Maske zeigt meistens einen Löwen und wird deshalb auch Siiphamukha (»Löwengesicht«) ge­ nannt. Dem Löwen, einem der Sonne nahe­ stehenden Tier, werden lebenspendende Kräfte nachgesagt. Das Simhamukha findet man häufig auf den Giebeln von Tempeln,

268

die áiva geweiht sind, als Motiv auf Gürtel­ schnallen von Göttern und Göttinnen, auf Tempelwänden und auf dem Nimbus von Statuen (Prabhämapjalas) sowie auf Torbö­ gen (Prabhätorapas). Das Löwengesicht steht sowohl mit §iva als auch mit Vi$pu in enger Verbindung. Bei $iva versinnbildlicht es die Sonne, die Zeit, den Tod und das kosmische Feuer, das alles verschlingen wird. Somit ist das Simhamukha für den sivaitischen Glau­ bensanhänger ein Symbol für höchste Reali­ tät, und in ihm wird der furchtbare, zerstöre­ rische Aspekt von Siva selbst gesehen. Vi$pu erscheint in seiner vierten Inkarnation als Menschlöwe (s. Kap. 2.3.6), um den Dämon Hirapyakasipu zu töten. Bei Portalen und Torbögen geht das Löwen­ gesicht eine symbolhafte Vereinigung mit der beliebten Darstellung des Makara (Seeunge­ heuer) ein. Zwischen den geöffneten Mäulern der Tiere entfaltet sich pflanzliches und tieri­ sches Leben. Damit wird die Aussage des Maníjala, das Wasser und Feuer (Kosmos) symbolisiert, ikonographisch ergänzt und wesentlich erweitert. Der Makara versinn­ bildlicht das Wasser und ist im Torbogen das nach unten gesetzte Sinnbild, während der Löwe das Feuer oder den Kosmos symboli­ siert und den Bogen in der Mitte nach oben

Der Schutz des Bogens

Oben: ein reich mit Symbolen verzierter Torbogen (Prabhätoraija) mit Löwenmaske (Kirttimukha) und Seeunge­ heuern (Makaras). Mitte: Ein Prabhämandala, Nimbus einer Sivaskulptur. Der Bogen versinnbildlicht die heilige Silbe AUM. Unten: Das >Löwengesicht< (Sirphamukha), das Symbol für Sonne, Zeit und Tod.

269

Die Zeichen- und Symbolsprache

hin abschließt. Das sichtbare Leben aus Ran­ ken, Blüten, Gnomen und Fabelwesen »fließt« sowohl in die eine als auch in die andere Richtung, also von oben nach unten und von unten nach oben, wodurch sich der ewige Kreislauf schließt. Der Nimbus (Prabhämandala, Prabhävali oder Bhämarujala) um eine Götterskulptur kann dem Torbogen (Prabhätorana) ähneln oder auch die Symbolik eines flammenden Lichtkreises haben. Die Vermutung liegt nahe, daß der Nimbus ursprünglich die Sym­ bolik eines schützenden Baumes besaß, des­ sen Blätter, Flammen gleich, mit der Kraft des Kosmos identifiziert werden konnten, so daß der Nimbus in der Ikonographie zu einem flammenden Kreis wurde. In dem Nimbus, der die Sivaskulptur des —»Nataräja, den kosmischen Tänzer, um­ gibt, wird auch die bildnerische Umsetzung der heiligen Silbe AUM (OM) gesehen. AUM ist der Ursprung aller heiligen For­ meln mit magischer Wirkung (Mantra), mit deren Hilfe man eine Gottheit anruft. Der erste Buchstabe im Sanskrit-Alphabet ist A. Er symbolisiert den Anfang der Weisheit. In der Kombination mit den Buchstaben U und M verbindet er sich zu einem Klangsymbol (OM), das für die Ganzheit des Seins und für das Bewußtsein steht. Die drei Buchstaben kennzeichnen auch die drei großen hinduistischen Götter, wobei A für Brahma, U für Vi$nu und M für §iva stehen. Ein Kreis um den Kopf einer Gottheit wird als Sirascakra bezeichnet und könnte als Hei­ ligenschein bezeichnet werden. Der Kreis ist entweder unverziert oder symbolisiert einen weit aufgeblühten Lotus, wobei dann die Lotusblätter zu erkennen sind. Das Sirascakra kann aber auch die Form eines Rades mit acht Speichen haben, wobei dann die Spei­ chen die Ausdehnung der acht Weltregionen kennzeichnen.

270

Der reich verzierte Teil eines Toreingangs zu einem Tempel.

Das Schöpfungsprinzip der Zeugung

8.4 Das Schöpfungsprinzip der Zeugung Linga (Phallus) und Yoni (Mutterschoß) ste­ hen für das Zeugungsprinzip. Schon in prävedischer Zeit wurden Fruchtbarkeitsgötter in einem Fruchtbarkeitskult durch ithyphallische Darstellungen verehrt. Die Arier ha­ ben diesen Kult in späterer Zeit von den Ureinwohnern Indiens übernommen. Im Rgveda werden Phallusgottheiten erwähnt. Die Linga-Yoni-Verehrung blieb auch noch bestehen, als §iva mit diesem Kult identifi­ ziert wurde. Im indischen Glauben geht die menschliche sexuelle Kraft auf einen transzendentalen Ur­ sprung zurück. Das Linga symbolisiert rei­ nes Bewußtsein und die Yoni den Ursprung der Schöpfung. Bei Darstellungen des Linga zusammen mit der Yoni ist ein Teil des Linga sichtbar und wird als unverschleierte Gött­ lichkeit verehrt. Der Teil, der in der Yoni verborgen ist, symbolisiert die durch Igno­ ranz verschleierte Göttlichkeit. Man unterscheidet von der Natur und von Menschen geschaffene Lihgas. Weiße, eiför­ mige Steine, die in Flüssen gefunden werden,

trägt man als Talisman (s.Kap. 1.1) bei sich. Auch Berge können als Linga angesehen und verehrt werden. Die von Menschen geschaffenen Lihgas (Mänu$alihga) unterscheiden sich in der Form des Lihgakopfes. Es gibt schirmförmige, gur­ ken-, ei-, halbmond-, und tropfenförmige Lihgas. Grundsätzlich wird heute jedes Linga mit Siva gleichgesetzt. Besonders zu erkennen sind solche §iva-Linga, wenn auf ihnen die Statue oder der Kopf Sivas abgebildet ist. Einige Lihgas werden mit einer sie umschlin­ genden Schlange oder einer Haube bestehend aus einer fünfköpfigen Schlange dargestellt. Das Linga kann auch das Attribut von Göt­ tinnen sein. —»Lak$mi trägt manchmal ein Linga mit Yoni in der Hand. Für —>Mahälak$ml und —> Bhütamätä ist ein kleines, auf der Kopfbedeckung abgebildetes Linga emblematisch. Ein Dreieck (Yantra, s.Kap. 1.1) symboli­ siert das Weibliche oder Männliche. Wenn die Spitze des Dreiecks nach oben weist, ist damit Linga gemeint, und das Dreieck mit der Spitze nach unten symbolisiert Yoni.

Linga-Yoni-Symbole. Links ein Mukhaliriga in einer Yoni im sivaitischen Kult. Die Yoni wird von einer Schlange (Näga) eingefaßt, und vor dem Lihga-Yoni-Altar ist Nandi, Sivas weißer Stier, dargestellt.

271

Die Zeichen- und Symbolsprache

8.5 Juwelen (Ratna) und Schätze (Nidhi) Durch die Quirlung des Milchmeeres (Samudramathana, s. Kap. 3) wurden neben dem ewiges Leben spendenden Elixier (Ampta) eine Reihe anderer Schätze gehoben, von de­ nen jeder eine eigene tiefe Symbolik beinhal­ tet. Naturkräfte und die Gesetze der Natur waren in Indien stets höchstes Gebot. Sie galten höher als jegliche menschliche oder göttliche Erkenntnis, und wer versuchte, sich gegen den kosmischen Willen zu stellen, mußte erfahren, daß solche Kräfte negativ wirksam werden können. Um den Kräften sichtbaren Ausdruck zu verleihen und sie sich stets zu vergegenwärtigen, identifizierte man sie mit bestimmten konkreten Naturer­ scheinungen. Unter ihnen befinden sich die mythischen Schätze der Erde (Nidhis), die von den —> Yak$as und ihrem Herrn —» Kubera, dem Gott des Reichtums und Überflus­ ses, bewacht werden, und eine große Anzahl Juwelen (Edelsteine), die als Schmuck und Amulett getragen oder in Gefäßen aufbe­ wahrt werden. Nun fällt es ausgesprochen schwer, die ur­ sprüngliche Symbolik der Schätze und Edel­ steine zu beschreiben, da es dem Inder ge­ nügt, sie zu benennen und sich ihre magische Wirkung zu vergegenwärtigen. Vor allem die Schätze Kuberas stehen für die Natur schlechthin, und jegliche Ausbeutung der Natur zur Bereicherung des Menschen wird für den gläubigen Hindu den Zorn der Erd­ genien hervorrufen. Edelsteine werden in Gefäßen aufbewahrt, wobei das Gefäß die Symbolik des Mutter­ schoßes hat (s. Kap. 6, Gefäße). Der wichtig­ ste Edelstein, der nicht identifiziert werden kann, wird Kaustubha genannt. Der Kaustubha trat neben zwölf anderen Steinen bei der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) hervor. Er ist vor allem auf der Brust Vi$nus

272

zu finden und bildet somit neben dem Srivatsa, dem Glückszeichen (s. Kap. 8.6), ein charakteristisches Erkennungsmerkmal des Gottes. Neun Steine (Navaratna), die in unterschied­ lichen Quellen mit unterschiedlichen Mine­ ralien identifiziert werden, stehen für die neun Planeten (s. Kap. 2.9) und sind somit den Planetengöttern zuzuordnen. Eine allge­ mein gültige Auflistung nennt die Perle für den Mond, den Rubin für die Sonne, den Topaz für Jupiter, den Diamant für Venus, den Smaragd für Merkur, die Koralle für Mars, den Saphir für Saturn, das Katzenauge oder den Mondstein für den zunehmenden Mond (Rähu) und den Sardonyx für den abnehmenden Mond (Ketu).

Ein Opfergefäß mit reicher Verzierung und Motiven aus der Mythologie.

Juwelen (Ratna) und Schätze (Nidhi)

Juwelen werden von Göttern und Göttinnen als Schmuck und als Amulett getragen. Der Edelstein, den man auswählt, muß jedoch zu den Eigenschaften des Trägers passen und soll, wenn die Wahl falsch getroffen wurde, negative Wirkungen herbeiführen können. Für bestimmte Zwecke wird ein Edelstein zwar benannt, kann aber nicht immer mit einem bestimmten Mineral identifiziert wer­ den. So ist der Mani eine magische Perle oder ein Edelstein, der als Amulett getragen jedes Verlangen in Erfüllung gehen lassen soll. Der Cintämani ist ein Edelstein, der, in der Hand gehalten oder am Körper getragen, Wünsche in Erfüllung gehen läßt. Der Cintämani ist auch einer der sieben Juwelen (Saptaratna) eines Weltenherrschers (Cakravartin). Unter den sieben Juwelen ist jedoch der Cintämani als einziger ein Edelstein. Die anderen »Ju­ welen« sind der Diskus (Rad, Cakra, s. Kap. 6), der Elefant, das Pferd, die Ge­ mahlin, der Minister und der General. Dar­ stellungen, die eine Gottheit als Cakravartin zeigen, sollten diese sieben Juwelen bein­ halten. Ein weiterer Edelstein, der Arkapu$pa, was soviel wie »Strahlenblume« bedeutet und vielleicht mit dem Sternsaphir oder Sternru­ bin identifiziert werden kann, ist ein charak­ teristischer Stein auf der Haarkrone Sivas. Göttinnen tragen häufig einen Juwel auf dem oberen Teil der Stirn. An diesem sogenann­ ten Capilätilakamani, dem »Stirnzeichen­ edelstein«, sind Juwelenkettchen befestigt, die in zwei großen Schlaufen verlaufend das Haar in der Mitte des Hauptes scheiteln. Sowohl Götter als auch Göttinnen tragen manchmal einen großen Edelstein auf dem Kopf oder als Spitze einer Krone. Dieser Stein wird Cüdämani genannt, und ihm wird eine große Kraft, die er auf die Gottheit überträgt, nachgesagt. Die acht oder neun Schätze der Natur, die als

Edelsteine oder als mythische Schätze in einem Gefäß aufbewahrt und von —> Kubera bewacht werden, nennt man Nidhis. Nidhi bedeutet ursprünglich Gefäß oder Behälter, was wiederum die Identifikation mit dem Mutterschoß zuläßt. Zu den acht mythischen Schätzen Kuberas, die nur mit Hilfe von Spekulationen identifiziert werden können und dem Hindu in Form eines Gefäßes oder Reliefs, als Stilelemente auf Friesen, Säulen und Torbögen abgebildet, heilig sind, zählen vor allem die beiden personifizierten Nidhis, der Lotusschatz (Padmanidhi) und der Mu­ schelschatz (Sankhanidhi). Padmanidhi und Sankhanidhi sind Genien im Gefolge des Gottes Kubera und werden so­ mit den Yak$as zugeordnet. Als charakteri­ stisches Erkennungsmerkmal tragen die dick­ bäuchigen, gnomenhaften Genien den jewei­ ligen Schatz, Lotus und Muschel, als Kopf­ bedeckung. Die anderen Nidhis sind Mahäpadma (»großer Lotus«), Makara (»Seeunge­ heuer«), Kaccapa (»Schildkröte«), Mukunda, Nandaka und Nila. Mahäpadma ist auch der Name einer der sieben Schlangen (Nägas), der Wächter über das Wasser, die personifi­ ziert mit Gebetskette und Wassergefäß dar­ gestellt werden, wodurch ihre schöpferische Kraft zum Ausdruck kommt - nach hinduistischem Glauben entsteht alles Leben aus dem Wasser. Auch der Makara, das Seeungeheuer und Tragtier von Flußgöttinnen (s. Kap. 3.6.1) und von —>Varuna, dem vedischen Wasser­ gott, läßt die Vermutung zu, daß das Wasser ein wichtiger Schatz von Kubera ist. Kaccapa bezeichnet als Schatz die Schildkrö­ te (Kürma). Kürma ist der Lebenssame und steht durch die Symbolik des oberen und unteren Panzers für Himmel und Erde (s. Kap. 3.2.11). Die Schätze Mukunda und Nandaka konnten bisher nicht identifiziert werden. Nandaka

273

Die Zeichen- und Symbolsprache

ist jedoch auch der Name von Katjas Schwert, das Weisheit symbolisiert. Da Kv$na das Schwert von dem vedischen Gott des Feuers, —> Agni, erhielt, mag die Vermu­ tung, daß es sich bei dem Schatz Nandaka um Feuer handelt, naheliegen.

Der Schatz, der mit Nila bezeichnet wird, bedeutet die Farbe »blau«. In der hinduistischen Farbsymbolik bezeichnet blau die Er­ de, weiß das Wasser, rot das Feuer, gelb den Wind und schwarz die Luft.

8.6 Das Srivatsa und die acht glückverheißenden Zeichen Grundsätzlich kann jede Einzelheit der kör­ perlichen Darstellung von Gottheiten als Zei­ chen oder Symbol (Lak$ana) gedeutet wer­ den. Götter unterscheiden sich in ihrem ikonographischen Erscheinungsbild durch fest­ gelegte äußerliche Erkennungsmerkmale, die sowohl in ikonographischen als auch ikonometrischen Werken der indischen religiösen Literatur sehr ausführlich benannt und be­ schrieben werden. So deuten beispielsweise die leicht nach unten geschlagenen Augenli­ der von Göttern auf innere Ruhe und Ausge­ glichenheit. Zeichen oder Merkmale auf dem Körper, sowohl bei Menschen als auch bei Göttern, können glückverheißend oder un­ heilbringend sein. Dabei spielen wiederum Zahlen-, Formen- oder Farbspekulationen eine große Rolle.

Als eines der glückverheißendsten Zeichen muß das Srivatsa auf der Brust Vi$nus ange­ sehen werden. Während der Quirlung des Milchmeeres (s. Kap. 3) soll ein Tropfen auf die Brust von Siva gespritzt sein, der gleich darauf die Gestalt der Göttin Lak$ml an­ nahm. Somit ist das Glückszeichen oft auch mit menschlichem Kopf dargestellt, auf der Brust von Vi$pu hat es jedoch meist einen eher stilisierten Charakter bis hin zum Drei­ eck. Andere Zeichen, die dem des Srivatsa gleichkommen, sind das Kreuz, eine Blume oder eine gegen den Uhrzeigersinn gedrehte Haarlocke. Ein solches Zeichen bei einem Menschen zeichnet die Person als hochste­ hend, mächtig, königlich oder gar göttlich aus. Menschen, die keine glückverheißenden Zei-

Links: Srivatsa, das glückverheißende Zeichen; rechts: Srivatsa als Fruchtbarkeitssymbol mit Lotussen und flankie­ renden Fischschwänzen.

274

Das Srivatsa und die acht glückverheißenden Zeichen

gw

1» gg|R

\ |a

5ssy

// yA

Y i

Qj

JH

Jpj ^unnno 1*11 irjniu 0 nlihlP^

Shii^$

lW

/ /

o

©

Ä

))

©

EE

Efc

o



V

A

©

s

e

©

HK

fr "■

©

(i

ö

BK

HM

HF

—0—

0



0

V

0

9

ö

©

Vi$nu, in der die Gottheit vier Götter in einem ver­ eint Chäya - der Schatten Samjnäs 141, 157 Chinnamastä - »Die Geköpfte«, Darstellung von Durgä ohne Kopf 123 Citragupta - Name des Buchhalters des Todesgottes Yama 147, 148 Citraratha - der König der Gandharvas, Musiker der Götter 163 Däirii(s) — Dämonin, die sich von Menschen­ fleisch ernährt Daitya - Dämon, Feind der Götter, vgl. Asura 156, 158, 160, 208 Dak$a - Personifikation der Macht des Rituals, Vater von SatI und Schwiegervater von §iva 84, 110, 118, 141, 158, 166, 167, 184; Abb.: 111 Daksinä-Mürti - eine friedliche Gestalt von Siva als großer Yogin 86, 91, 94, 107, 253; Abb.: 94 Dänava - Sohn von Sri 160 Dandi- Torwächter von Sürya 143, 244 Dandapurusa - Waffengott 246 Danturä - »die starke Zähne Besitzende«, Name von Cämundä 126, 127 Dasävatära — die zehn Inkarnationen Vi$nus 65-84

Dattatreya - ein Brahmane als Manifestation von Vi$nu oder der hinduistischen Triade 64 f. Desika-Subrahmanya - Subrahmanya, der Sohn Sivas, als Lehrer seines Vaters 138 f. Deva - allgemeine Bezeichnung für eine Gottheit 141 Devaki - Gemahlin von Vasudeva und Mut­ ter von Kv$na und Balaräma 80 Devar$i - Bezeichnung für einen heiligen Weisen, R$i 158 Devasenä - eine Göttin als Verkörperung der göttlichen Armee, eine der Gemahlinnen des Skanda 136, 137 Devasenäpati - Skanda als Gemahl der Devasenä 137 Devatä - Bezeichnung für eine untergeord­ nete Gottheit 22 f. Devi — ursprünglich die Göttin als Mutter­ gottheit schlechthin, später Sammelname für Göttinnen 21, 40, 41, 50, 51, 97, 112-117, 165, 207, 245; Abb.: 113 Dhanvantari - der Schamane der Götter 176 Dhärani - »Erde«, eine Göttin, Inkarnation von Lak$ml 129 Dharmaräja - »König der Lehre«, Name von Yama 147 Dhätar - »Schöpfer«, Name von Brahmä und einer der Ädityas 53 Dhruva - Polarstern, personifiziert als In­ karnation von Vi$nu 62 Dhümävati - »die Rauchige«, eine zu den sieben Mahävidyäs zählende Göttin 123 Dhumornä - Gemahlin von Yama 148 Digdevis — die Gefährtinnen der Hüter der Weltregionen, Dikpälas 143 Dikpälas - die Hüter oder Wächter der Welt­ regionen (auch Dikpälakas, Lokapälas) 143, 167; Abb.: 144 Durgä - »die schwer Zugängliche«, eine Göttin und Sakti von Siva 44, 49, 87, 114, 118, 119, 120, 122, 123, 124, 127, 129, 159, 165, 178, 183, 187, 188, 196, 218,

283

Anhang

229, 235, 240, 241, 243, 268; Abb.: 14, 20, 120, 123 Du$ana - Dämonenfürst im Gefolge Rävanas 78 Dvärapäla - Torwächterskulpturen an Tem­ peln 167; Abb.: 168 Dvärapälikä - Torwächterin 168 Dyaus - »Himmelsvater«, die Verkörperung des Himmels 115, 140, 145 Dyäväprthim - frühes androgynes Prinzip aus Dyaus und PrthivI, den Eltern der Götter 115, 140

Ekadanta — »der Einzahnige«, Beiname Ganesas 132 Ekamukhlihga - ein Lihga mit dem Gesicht Sivas Abb.: 109 Ekapäda-Mürti - »der Einfüßige«, Erschei­ nungsbild von Siva mit Vi$nu und Brahma in einer Gestalt 52

Gada - Dämon, der von Vi§nu getötet wurde 234 Gadädevi - Keulengöttin, personifizierte Waffe 245; Abb.: 246 Gaja — königlicher Elefant 186; Abb.: 186, 187 Gaja-Lak$mi - Lak$mi flankiert von zwei Elefanten 130, 186, 268; Abb.: 129 Gajasimha - Fabeltier, halb Elefant, halb Löwe 195; Abb.: 194 Gajäsura - der Elefantendämon, der von Siva getötet wurde 105 Gajäsura-Mürti - furchtbares Erscheinungs­ bild von Siva als Vernichter des Elefanten­ dämons Gajäsura 105 f.; Abb.: 105 Gaja-Viräla - das grausige Ungeheuer, Särdüla, mit einem Elefantenkopf 195 Gajavrsabha - Komposition aus Elefant und Stier 195; Abb.: 194 Gajendra - der König der Elefanten 63

284

Gana - »Truppen«, »Schar«, halbgöttliche Wesen im Gefolge von Siva und Rudra 107, 131, 164 Ganapati - »der Herr der Ganas«, Name von Ganesa 131, 133, 134 Gandharva(s) — Fabelwesen, Musiker der Götter, die zusammen mit den Apsaras die himmlischen Regionen bevölkern 150, 155, 163, 165, 213; Abb.: 163 Ganesa - der elefantenköpfige Gott, Sohn des Siva 21, 44, 49, 76, 109, 112, 130-135, 136, 164, 178, 179, 186, 199, 212, 232, 234, 239, 240, 243, 244, 258, 263, 264; Abb.: 20, 21, 131, 132, 134, 135 Gahgä - Flußgöttin und personifizierter Strom Ganges 28, 87, 103 f., 128, 135, 149, 191, 192, 201 f., 233; Abb.: 104, 202 Gangädhara-Mürti — das Erscheinungsbild Sivas, der Gahgä mit seinem Haar auffängt 103 f.; Abb.: 104 Gardabha - Esel, das Tragtier der unglück­ verheißenden und krankheitsverursachen­ den Göttinnen Alak$mi (Jye$thä), Kälarätri, Nirfti und Sitalä 178 Garuda - König der Vögel und Tragtier von Vi$nu 17, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 82, 158, 174, 178, 179-181, 192, 193, 260, 269; Abb.: 14, 57, 180 Gauri - »die Weißliche«, freundliches Er­ scheinungsbild von Pärvati 114, 119, 121, 127, 190 Gäyatri —> Sävitri Grrija-Narasimha - »der in den Bergen ge­ borene Mensch-Löwe«, Erscheinungsbild von Vi$nu in seiner dritten Inkarnation 71; Abb.: 71 Govinda - »der Hirte«, Name des Gottes Siva 58 Grämadevatä(s) - Schutzgötter von Dörfern und Städten 22, 44, 167 Grämanis — göttliche Wagenlenker 155 Guha-Subrahmanya - »der Höhlengott«, Erscheinungsbild von Skanda 136

Register

Gubyaka — halb-dämonische Wesen, die die Schätze von Kubera bewachen 150, 163, 203 Haimavati - »die Tochter des Himälaya«, Name der Göttin Pärvati 114 Hamsa - die göttliche Gans, Tragtier Brah­ mas 53, 108, 128, 178, 193, 199; Abb.: 14 Hanumän — der Affenkönig, Anführer des Affenheeres im Feldzug gegen Rävana 17, 76, 77, 79, 150, 179, 181 f.; Abb.: 181 Hara — einer der elf Rudras und ein Name von Siva 51 f., 64, 85, 87 Harasiddhi - Erscheinungsbild der Durgä 122 Hari — Name von Vi$nu 51 f., 64 Hari-Hara-Mürti - Vi$nu und Siva in einer Skulptur 52 Häriti - Gemahlin von Kubera 151 Hayagriva - Erscheinungsbild von Vi$nu mit einem Pferdekopf 64 Heramba - fünfköpfiges, achtarmiges Er­ scheinungsbild von Ganesa 135 Himavat - die Personifikation des Himälaya, Vater von Pärvati und Gangä 84, 102, 114, 165 Hiranyagarbba - »das goldene Ei«, als Welt­ ursprung ein Synonym für Brahmä 49, 53, 127, 173 Hiranyakasipu — »der Goldgekleidete«, ein Daitya-König 68, 71, 73, 111, 195, 268; Abb.: 72 Hiranyäksa - ein Daitya, Bruder von Hiranyakasipu 71

Indra - der Kriegsgott der Arier, der höchste der vedischen Götter 42, 50, 75, 80, 87, 102, 117, 135, 136, 143, 145 f„ 174, 176, 177, 178, 180, 189, 197, 227, 229, 238, 239, 244, 257, 265; Abb.: 14, 144, 145, 156 Indräni - Gemahlin von Indra 117, 146; Abb.: 145

Isä(na) - Name von Siva als Weltenhüter 143, 152 f„ 189; Abb.: 144 Itfadevatä — eine von einem Gläubigen ge­ wählte Gottheit 23 Isvara - »der Herr der Herrscher«, Bezeich­ nung für den höchsten Gott, repräsentiert durch Siva 49, 85, 86 Jagadambä - »Mutter der Welt« (auch Jagadambi oder Jaganmätä), ein Aspekt der DevI 113 Jalandharavadha-Mürti - Erscheinungsbild von Siva als Vernichter des Asuras Jalandhara 108 Jaläsäyana — »der auf dem Wasser Liegende«, Erscheinungsbild von —> Vi$nu auf der Weltenschlange Jämadagnya - Vater des Parasu-Räma 75 Jaya - einer der Torwächter Vi$nus 71,167 Jaya-Durgä - »die siegreiche Durgä«, Er­ scheinungsbild von Durgä 122 Jesus - 66 Jnäna-Daksinä-Mürti - Siva als Gelehrter, Lehrer der höchsten Weisheit 94 f., 187, 268 Jnänasambandha - ein sivaitischer Heiliger des siebten Jahrhunderts n. Chr. 170 Jvaradeva - Gott des Fiebers 165 Jyetfhä - Göttin des Unglücks, Schwester von Lak$ml 130, 192 Jyotir-Linga - Siva als flammende Lichtsäule 108 Kadrü - Gemahlin des R$i Kasyapa und Mutter der Nägas 179, 180, 182 Kaikeyi — Mutter des Bharata 76 Kailäsanatha - Darstellung Sivas und der Pärvati auf dem Berg Kailäsa 118, 203 Kaitabha - Dämon, der aus Vi$nus Ohr kam 60, 118 Kala - die Personifikation der Zeit und des Todes 106, 123, 148

285

Anhang

Käla-Bbadrä - Aspekt der Sakti von Siva 118 Kälaharamürti —> Käläri-Mürti Kälarätri - Göttin der Zerstörung, Name von Kali oder Durgä 165 f. Käläri-Mürti — Siva als Züchtiger des Gottes des Todes 106; Abb.: 106 Kalärudra - Siva als Weltzerstörer 49 Kälesvara - »Herr über die Zeit«, Name Sivas 166 Käli — furchtbares Erscheinungsbild der Göt­ tin 9, 42, 108, 114, 118, 123, 124 f., 126, 127, 165, 178, 190, 197, 226, 229, 233, 234, 240, 254; Abb.: 14, 124, 125 Kälikä - Erscheinungsbild von Cämundä 196 Käliya - Schlangenkönig 80 Kalki - die zehnte oder Pferde-Inkarnation von Vi$nu 64, 83 f., 129, 185 Kalyänasundara-Mürti - Hochzeitsdarstel­ lung von Siva und Pärvati 102 f., 136, 256 Käma - der Gott der Liebe 63, 106 f., 165, 167, 178, 192, 198, 227, 239, 265; Abb.: 63, 165 Kamalä - »Lotus«, Name der Lak$ml 123, 129 Kamaläsana - »der aus dem Lotus Entstan­ dene«, Name Brahmas 53 Kämäntaka-Mürti - Siva als Vernichter des Gottes der Liebe, Käma 63, 106 f. Kamsa - König und ehemaliger Dämon 80, 190 Kankäla-Mürti - furchtbares Erscheinungs­ bild Sivas 93, 239, 240, 257; Abb.: 93 Kannapa - Heiliger, Begleiter Sivas und der Pärvati 39 f., 168, 169 Kapälesvara - »Herr der Schädel«, Name Sivas 87 Kapälika - »Schädelträger«, Name Sivas und Rudras 107, 240 Kärttikeya - Sohn von Siva, der Kriegsgott Skanda 133, 135 f., 178, 193 Kärttiki — Gemahlin von Kärttikeya 196 Kasyapa - einer der sieben R$is 57, 158, 179, 180, 182

286

Katisama - Erscheinungsbild von Siva als Tänzer 95 Kätyäyani — Aspekt von Durgä 208 Kauberi- Gemahlin von Kubera 151 Kaumäri — Gemahlin von Skanda 117; Abb.: 116 Kausalyä - Mutter des Räma 76 Kesava - »der Langhaarige«, Name Sivas 58 Ketu — Planetengott und Dämon 155, 272 Kevalacandrasekhara-Mürti - freundliches Erscheinungsbild von Siva 88 Khadgapuru$a - Schwertgott 246 Khara — Dämonenfürst im Gefolge Rävanas 77, 78 Kinnara(s) - Fabelwesen, Musikanten der Götter 163, 195 Kinnari(s) - Gemahlinnen der Kinnaras 163; Abb.: 163 Krauncabhettä - Erscheinungsform des Kriegsgottes Skanda 137 Kr$na - die echte Inkarnation Vi$nus, der sehr populäre Hirtengott 19, 28, 57, 58, 66, 75, 76, 80-83, 129, 138, 165, 171, 184, 190, 212, 230, 263, 274; Abb.: 19, 25, 81, 82 Kr$nä — Gemahlin von Kf$na 81 Krsodari - furchtbares Erscheinungsbild der Göttin 127 Krttikä(s) - Planetengöttinnen (Plejaden), die Skanda als Kleinkind stillten 136 K$amä - eine der acht Mütter 127, 166 K$emahkari - Erscheinungsbild der Durgä 122 K$etrapäla - Schutzgottheit der Felder, iden­ tifiziert mit Bhairava 110 Kubera - (auch Kuvera), Gott des Reich­ tums, der Herr der Yak$as 101, 143, 150 f., 163, 178, 179, 189, 190, 195, 199, 232, 237, 238, 272, 273; Abb.: 144, 151, 164 Kuladevatä(s) - Hausgötter 22, 44, 167 Kumära —» Skanda Kumärila - Heiliger 17

Register

Kumbhakarna - ein Dämon, Räk$asa, Bru­ der von Rävana 76 Kumbhändas - dämonisches Gefolge des Rudra 84 Kundalini — die höchste Göttin im SäktaKult 117 f. Kürma - die kosmische Schildkröte 68, 173, 190 f„ 202, 212, 273; Abb.: 175, 190 Kürmävatära - Schildkröteninkarnation Vi§nus 66, 68, 173, 191, 203; Abb.: 175 Kusmandi - Gestalt der Durgä 120 Kuvera Kubera Laksmana - Bruder von Räma 76, 77, 79, 208, 222; Abb.: 77 Laksmi - Göttin der Erde, Schönheit und des Glücks, Gemahlin von Vi$nu 19, 50, 58, 59, 61 f., 81, 102, 119, 123, 127 f., 130, 133, 167, 178, 196, 198, 221, 231, 233, 251, 271, 274; Abb.: 61, 62, 129 Laksmi-Ganapati - Darstellung Ganesas zu­ sammen mit Lak$ml 133 Laksmi-Näräyana - Vi$nu zusammen mit Lak$mi 61 f.; Abb.: 61 Lalätatilankam — Erscheinungsbild des tan­ zenden Siva 97 - Tanzform von Siva 95 Lalitä - Erscheinungsbild von PärvatI 118 Lihga - phallisches Symbol des Siva 20, 39, 40, 43, 87, 88, 99, 100, 105, 106, 108, 109, 127, 168, 169, 197, 199, 203, 219, 227, 231, 238, 240, 245, 271; Abb.: 43, 106, 109, 271, 277 Lihgodbbava-Mürti - Siva als flammende Lichtsäule 53, 108 f., 199 Lokapäla(s) - Weltenhüter 56, 103, 143

Madanagopäla —» Venugopäla Madhu - Dämon, der aus Vi$nus Ohr kam 58, 60, 118 Madhukaitabha - Dämon 203 Madhva — Begründer einer vi$nuitischen Sekte 171

Madirä - Gemahlin von Varuna, Göttin des Weines, —» Värunanl Mahädeva - »Großer Gott«, Beiname Sivas 85, 117 Mahädevi - »Große Göttin«, Name der Göttin als höchstes Wesen im Säkta-Kult 105 Mahä-Gar}apati - Erscheinungsbild von Ganesa mit seiner Gemahlin 133 Mahägauri - ein Aspekt der Durgä 120 Mahäkäla - furchtbares Erscheinungsbild von Siva als Herr der Ewigkeit, oder Herr über die Zeit 87, 93 Mahäkäli- furchtbares Erscheinungsbild der Göttin als Herrin über die Zeit 123, 124, 125, 234 Mahälak$mi - die heilige Muttergöttin und Gemahlin von Vi$nu 127, 130, 208, 271 Mahämäri - »großer Tod«, die Göttin als Verkörperung der Cholera 112 Mahämäyä - ein mütterlicher Aspekt von PärvatI 121, 208 Mahänäga(s) - die sieben Schlangengötter: Ananta, Tak$aka, Karkotaka, Padma, Mahäbja, Sankha und Kulika 182 f. Mahar$i(s) - die sieben großen Heiligen oder Weisen (R$is) des Himälaya 158 Mahäsakti - »große Sakti«, der mütterliche Aspekt der Göttin in der Säkta-Verehrung 105 Mahäsena - »Großer General«, Name Skandas136 Mahävalli - die Gemahlin von Skanda 137 Mahävidyä(s') - zehn tantrische Saktis: Käll, Tärä, $odasl, Bhuvanesvari, BhairavI, Chinnamastä, DhümävatI, Bagalä, Mätahgl, Kamalä (Lak$mi) 166 Mahäyogin - Siva als Asket 87, 94 Mahesamürti —» Mahädeva Mahesvara Mahädeva Mahesvari - Gemahlin von Mahesvara 112, 117, 184; Abb.: 117 Mahi$a - Büffeldämon 121 f., 177;Abb.: 188

287

Anhang

Mahisasuramardini - Durga als Vernichterin des Büffeldämons 121 f., 177, 188, 208, 239, 241, 242, 243; Abb. 122, 188 Makara - göttliches Seeungeheuer 63, 143, 149, 178, 191, 194 f., 201, 202, 268, 273; Abb.: 144, 149, 178, 194,267 Mänäkala - »der große Tod« 85 Mandanagopäla - Erscheinungsbild von Kr$na 82 Mänikkaväcakar - sivaitischer Heiliger 20, 170; Abb.: 169 Manmatha - Vi§nu als Gott der Liebe 63; Abb.: 63 Mann - der indische Noah 66, 68 Markandeya - ein Heiliger 60 Marutgana - vedische Sturmgötter 84, 150, 177 Maruts —» Marutgana Matañgi - Göttin der königlichen Herrschaft 123 Mätara(s) - die heiligen Mütter (auch Mätf(s) oder Mätfkä(s)) 116 f. Matsyävatära - die Fischinkarnation Vi$nus 66-68, 191, 238; Abb.: 67 Maya - Architekt des Asuras 85 Mäyädevi - die Göttin des Mäyä und Name von Pärvati und Durgä 86 Menä - eine Nymphe und Gemahlin von Himavat, der Personifikation des Himälaya 118 Mitra - einer der Ädityas, der vedischen Sonnengötter 50, 141 Mohirii - weibliches Erscheinungsbild von Vi$nu 52, 64, 160; Abb.: 64 Mukhaliñga - »Gesichtslihga«, Erschei­ nungsbild Sivas als Liñga 109; Abb.: 109 Munda - General des Asura Sumbha 124, 126 Mürtyastaka - die acht Formen von Siva: Bhava, Sarva, Isana, Pasupati, Ugra, Rudra, Bhima und Mahädeva 85, 87 Murugan - tamilischer Name für Kärttikeya (Subrahmanya) 136

288

Nadidevatä - »Flußgöttinnen« 201 Näga - Kobras, Schlangen, Schlangenköni­ ge: Väsuki, Tak$aka, Se$a 15, 139, 155, 157, 161, 179, 182 f., 186, 190, 195, 199, 201, 250, 257, 273; Abb.: 182, 183 Nägi- Schlangengöttinnen (Näginl) 183, 263 Nammälvar - tamilischer Dichter und Heili­ ger 169, 170 Nanda — Stiefvater Kv$nas 80 Nandä — Erscheinungsbild der Pärvati 118 Nandi — (Nandin), »der Glückliche«, der weiße Stier Sivas 88, 89, 92, 95, 184 f.; Abb.: 14, 20, 88, 94, 184 Nandini - die Kuh des Überflusses 184 f. Nandisa - die vermenschlichte Gestalt von Nandi 184 f. Närada - einer der sieben R§is 80 Nara-Näräyana - zwei große R?is, Verkör­ perungen von Vi$nu 157 Narasimha - die Mensch-Löweninkarnation Vi?rius 66, 71 f., 111, 117, 187 f., 195; Abb.: 71, 72, 187, 194 Naraviräla — Komposition aus Tierrumpf und Menschenkopf 195 Näräyana - Vi§nu auf der Weltenschlange 49, 53, 57, 59 f., 83, 84, 108, 127, 212; Abb.: 26, 60 Nafaräja - §iva als der kosmische Tänzer 87, 96 f., 185, 202, 212, 220, 232, 245, 254, 263, 270; Abb.: 96 Nafesa —»Na^aräja Navadurgä - die neun Durgäs 122 Navagraha - die neun Planeten 153 Navanitanrtta-Krsna - Kf$na als tanzendes Kind Abb.: 82 Navasakti(s) - die neun Saktis oder Mütter (Mätaras) 117 Nidrä - die Göttin des Schlafs 167 Nilakanthi - Erscheinungsbild der Durgä 122 Nirrta - Gott des Unglücks 150, 178 Nirrti - vedische Göttin des Unglücks 143, 149 f., 152, 192; Abb.: 144, 150

Register

Nrtesvara —»Nataraja Nrtta-Ganapati - Ganesa als Tänzer 135; Abb.: 135 Nrttamürti - Tanzdarstellungen von Gott­ heiten, besonders von Siva 95

Padmanäbha — »Gott mit dem Lotusnabel«, Name für Vi$nu 58 Pancajanya - ein Meeresdämon, der von K.f$na getötet wurde 238 Pancamukha-Linga — fünfköpfiges Sivaliriga 109 Pancamukha-Paramesvara — fünfköpfiges Erscheinungsbild von Siva 98 Pancamukha-Vinäyaka — fünfköpfiges Er­ scheinungsbild von Ganesa 135 Paramasakti - Bezeichnung für die Göttin als höchstes Prinzip 113 Parasu-Räma — »Räma mit der Axt«, Inkar­ nation von Vi$nu 58, 66, 75, 132 Para-Väsudeva - Kfjna als die höchste Gott­ heit 80 Pärvati — Gemahlin von Siva und Tochter von Himavat, der Personifikation des Himälaya 20, 40, 61, 63, 80, 83, 84, 99, 100, 101, 102 f., 104, 106, 107, 108, 109, 114, 118 f., 120, 127, 130, 131, 132, 135, 138, 139, 165, 178, 184, 189, 197, 203, 231, 235, 251, 265; Abb.: 90, 101, 103, 118 Pavana - Personifikation des Windes und Name des vedischen Windgottes Väyu 143 Pingala-Ganapati - Erscheinungsbild von Ganesa mit seiner Gemahlin Lak$mi 133 Pita(s) - (Pitarafs], Pity[s]), »Ahnen«, die Vorfahren der Götter, Menschen und Gei­ ster 157, 161, 233 Prado$a-Mürti —» Älingana-Mürti Pradyumna - Wiederverkörperung von Käma und Sohn von Kf?na und Rukmini 58, 63, 107, 165 Prahläda - Sohn des Dämons Hiranyakasipu 73

Prajäpati - »Herr der Geschöpfe«, abstrakte Gottesvorstellung des Schöpfers, die mit Brahma identifiziert wird 15, 49, 55 f., 128, 140, 158, 173, 190 Prakäsa - ein Aspekt von Siva mit erigiertem Glied und Durgä auf seinem Schoß 87 Pralayavaräha - Erscheinungsbild der Eber­ inkarnation Vi$nus 70 Pramatha(s) - Dämonen im Gefolge Sivas und Ganesas 203 Prasanna-Ganapati - freundliches Erschei­ nungsbild von Ganesa 130 Pratyü$ä - Göttin als Personifikation der Dämmerung und Begleiterin des Sonnen­ gottes Sürya 167 Priti - »Lust, Liebe«, Gemahlin des Gottes der Liebe, Käma 63, 167; Abb.: 63 Prthivi - Göttin als Personifikation der Erde 68, 80, 115, 129, 140, 145, 191 Pü$an - eine vedische Sonnengottheit 141, 178, 189 Putfi - »Wachstum«, eine Erdgöttin und Gemahlin von Vi$nu 58, 167

Rädhä — Kuhhirtin und Gemahlin von Kr$na 19,81, 171; Abb.: 19 Rähu - Dämon als Personifikation der Sonnen- und Mondfinsternis 155, 174, 192, 272 Räjar$i - königliche Weise 158 Rak$ahiga — Dämonenkönig Abb.: 14 Räk$asa(s) - (Räk$a[s]), Dämonen, Feinde der Menschen 150, 155, 161 Räksoghna-Mürti — Siva als Vernichter von Räk$asas —> Yama Rakta-Cämundä — »Blut Cämundä«, furcht­ bares Erscheinungsbild der Göttin 124 Raktadanti — »die Rotzahnige«, Name für Kali 118, 124 Raktavija - ein Asura, der mit Cämundä kämpfte 124 Räma - Held des Rämäyana und siebte In­ karnation von Vi$nu 19, 20, 28, 57, 58, 66,

289

Anhang

75-80, 115, 161, 181 f., 199, 208, 222; Abb.: 25, 76 Rämänuja - Begründer einer vi$nuitischen Sekte (1050 n. Chr.) 20 Rati - »Verlangen, Lust«, Gemahlin von Käma, dem Gott der Liebe 63, 107, 167; Abb.: 63, 166 Ratri - Göttin der Nacht 112 Raudri - furchtbares Erscheinungsbild der Göttin 123 Rävana - König von Lanka (heutiges Sri Lanka), Dämon aus dem Rämäyana, der von Räma und Hanumän besiegt wurde 28, 66, 76 f„ 79, 118, 151, 161, 181 f., 199, 203 Rävanänugraha-Mürti - freundliches Er­ scheinungsbild von Siva, der den Dämon Rävana beschenkt 101; Abb.: 101 Ravi — einer der zwölf Adityas, der vedischen Sonnengottheiten 155 Revati - Gemahlin von Balaräma 80 Ripumäri-Durgä - Erscheinungsbild der Göttin Durgä 122 Rohini - Göttin als Personifikation der auf­ gehenden Sonne —> U$as, Sürya und Sävitri Rsi(s') - Ahnen, die heiligen Weisen des Himälaya und Vorfahren der Menschen 55 f„ 87, 94, 96, 99, 103, 104, 106, 107, 108, 129, 150, 155, 156, 157 f., 209; Abb.: 157, 158 R$ipatni(s) - die Gemahlinnen der R$is 157 Rudra - vedische, verehrungsunwürdige Gottheit, die später mit Siva identifiziert wurde 84, 85, 91, 107, 110, 112, 118, 127, 131, 141, 155, 177, 178, 189, 218, 242 Rudra Camundä - Erscheinungsbild der Göttin Camundä 127 Rudracarcikä - Erscheinungsbild der Göttin Camundä 126 Rudrärhsa-Durgä - Erscheinungsbild der Göttin Durgä 122 Rudräni - Gemahlin des Rudra 84

290

Rukmini - Gemahlin des Kfsna, die ihm den Pradyumna gebar 63, 81, 129 Ruktadantika - Erscheinungsbild der Göttin Durgä 196 Rüpa-vidyä - Erscheinungsbild der Göttin Camundä 127

Sadäsiva - »der ewige Siva«, Siva als höchste Gottheit 98, 109 Säkambhari - pflanzliche Form der Göttin Durgä 120 Sakti - die weibliche Kraft und Lebensener­ gie; auch die Göttin als kreativer Aspekt eines männlichen Gottes 20, 21, 99, 112, 116, 117 f., 120, 121, 125, 128, 133 Saktidhara Erscheinungsbild von Subrahmany a 135 Sämba - Sohn von Kr$na 80 Sambhu - freundlicher, lebensspendender Aspekt von Siva 85 Sarhbära-Mürti(s) - zerstörerische Erschei­ nungsbilder von Siva 87 Samhärasakti - die Göttin als Personifikation von Sivas zerstörerischer Kraft 123 Samhäratändava — Bezeichnung für die zer­ störerische Kraft des Tanzes von —> Siva Samjnä - Tochter des Visvakarman 141, 142, Sandhyä - »Zwielicht«, Tochter Brahmäs 167 Sani - der Planetengott Saturn 132, 192 Sahkara - »der Heilbringende«, freundlicher Aspekt Sivas 85 Sahkaräcärya - bedeutender Hinduphilo­ soph (788-820 n.Chr.) 17, 20, 21, 22, 86, 170 f. Sanmukha — Erscheinungsbild von —»Skanda, dem Kriegsgott Sannyäsin - Bezeichnung eines Brahmanen in einer hohen Erkenntnisstufe 170 f., 244; Abb.: 24, 27, 171 Santäna-Gopäla - Kf$na als Kind auf dem Schoß von Yasodä 83

Register

Saptamätara(s) - (Saptamätfkafs]), die sieben Sifyabhävamürti - Siva als Schüler seines Mütter 107, 115, 116 f., 184; Abb.: 116 Sohnes Subrahmanya (Desika-SubrahSaptarsi(s) - die sieben Weisen des Himälaya manya) 139 157 Sitä - »Ackerfurche«, Gemahlin von Räma Saptavaramaya - Siva als Personifikation der und Göttin der Erde, Fruchtbarkeitsgöttin sieben Noten in der indischen Musik 95 75, 76, 77, 79 f., 115, 129, 151, 181 f., Sarabha - (Éarabhesa-Mürti), furchtbare 199; Abb.: 25, 79, 115 Sitalä - Göttin der Pocken, eine der sieben Emanation von Siva 111, 195 Sarasvati - Flußgöttin und Göttin der schö­ Mütter (Saptamätaras) 115, 116, 130, 178 nen Künste, Gemahlin von Brahma und Siva - der Zerstörer in der hinduistischen Vi$nu 50, 53, 54, 64, 127, 128 f., 167, 178, Dreiheit 9, 17, 20, 21, 28, 40, 42, 43, 44, 191, 193, 201 f., 231, 233, 235, 245; 49, 50, 51, 52, 53, 55, 63, 84-112, 116, Abb.: 128 117, 118, 120, 121, 122, 123, 124, 128, Sarvabhütadamani — furchtbares Erschei­ 130-132, 134, 135, 136, 137, 138, 139, nungsbild der Göttin 127 141, 145, 150 f., 153, 159, 164, 165, 166, Sarvamangalä - freundliches Erscheinungs­ 167, 176, 178, 183, 184 f„ 188, 190, 193, bild von Pärvati 119 195, 197, 198, 199, 201, 203, 206, 207, Sastradevatä —> Äyudhapuru$a 208, 212, 223, 226, 227, 229, 231, 232, Sati- Gemahlin des Siva 84, 106, 118 233, 234, 235, 238, 239, 240, 242, 243, Satrughna - Halbbruder des Räma 76 244, 249, 250, 252, 254, 255, 257, 258, Satyabhämä — Erdgöttin 81 259, 260, 262, 264, 265, 268, 270, 271, Saumya-Mürti - die freundlichen Erschei­ 273; Abb.: 14, 20, 85, 88, 89, 90, 91, 92, nungsbilder Sivas 88, 91 93, 94, 96, 97, 99, 100, 101, 103, 104, 105, Savitr - (Savitar), vedische Sonnengottheit 106, 109, 110, 111 Sivaduta - »Sivas Bote«, Begleiter Sivas 93 141 Sävitri- Tochter Brahmas 53, 54, 56, 105 Sivagana(s') - dämonische Gefolgschaft Sivas Send - Göttin des Schlachtfelds 167 107, 131, 164 Senäpati - »Feldherr«, Aspekt von Skanda Skanda - Sohn Sivas, der Gott des Krieges 137 (Subrahamanya, Kärttikeya) 49, 83, 91, Sesa - (Ädise$a, Ananta), der Schlangenkönig 107, 112, 117, 135-139, 156, 167, 178, 118,182, 237 193, 221, 226, 227, 230, 231, 234, 236, Siddha-Cämundä - furchtbares Erschei­ 239, 240, 242, 244, 251; Abb.: 14, 20 nungsbild der Göttin 127 $odarsi - Göttin der Begierde, eine der Siddha-Yogesvarl —» Cämundä Mahävidyäs 123 Siddhi - »Vollendung«, Gemahlin von Sokarahita - Erscheinungsbild der Göttin Ganesa 130, 133, 136; Abb.: 21 Durgä 196 Simba - der göttliche Löwe 178, 187 f., 195; Soma — Gott des Mondes, der später Candra Abb.: 187, 195 genannt wurde (Somadeva) 143, 152, 155, Sirnhamukha - »Löwengesicht« 268; 156, 196 Abb.: 269 Somäskanda-Mürti — Siva gemeinsam mit sei­ Sinivali - Mondgöttin, Personifikation des ner Gemahlin Pärvati und ihrem Sohn Neumondes 58, 112 Skanda 83, 91, 138, 227, 231, 251

291

Anhang

Sn - (Sridevi), »Glück, Schönheit, Reich­ tum«, Gemahlin von Vi$nu 58, 59, 73, 81, 129 f„ 167, 176, 201,230, 236 Sridhara - »Träger des Sri«, Name Vi§nus 58

Sthauna-Narasimha - Erscheinungsbild der Mensch-Löweninkarnation Vi$nus 71, 73 Sthopati - »Herr des Ostens«, Sohn der Prajäpati 56 Subrahmanya - Sohn Sivas und Gott des Krieges (Skanda) 135 f., 227, 236 Sudeha - Torwächter des Gottes Skanda 167 Sugriva - Sohn des Sonnengottes Sürya 77, 181 Sukra - ein R§i und Planetengott Venus 156 Sumbha - Dämonenkönig 123, 126 Sumiträ - Mutter der Zwillinge Lak$mana und Satrugljna 76 Sumukha - Torwächter des Gottes Skanda 167 Sundara-Mürti - sivaitischer Heiliger 170 Sürya - der Sonnengott 22, 44, 49, 50, 109, 140, 141-143, 146, 147, 155, 156, 178, 181, 185, 189, 236, 241, 244, 250, 262; Abb.: 142 Sürya-Näräyana - Vi$nu als Sonnengott 141

Tak$aka - ein Schlangenkönig (Naga) 182 Talasamsphotitam - Tanzdarstellung Sivas 97; Abb.: 97 Tärä - Emanation der Göttin Käll 123, 155, 156 Täraka - ein Dämon (Daitya), Sohn von Hiranyäk$a 135, 136,137 Tärakäri - Erscheinungsbild von Skanda als Vernichter des Dämons Täraka 137; Abb.: 137 Taruna-Ganapati - der jugendliche Ganesa 134, 231 Tirruppänälvär - vi$nuitischer Heiliger 169, 170 Tirujhänasambhanda - sivaitischer Heiliger 171; Abb.: 171

292

Totalä- Erscheinungsbild von Gauri 119 Trailokyamohana 62 Trimürti - die hinduistische Dreiheit aus Brahmä, Vi$nu und Siva 15, 22, 50-52, 53, 64 f., 85, 98, 112, 120, 139, 159, 165, 198, 249 Tripurä - Erscheinungsbild von Gauri 121 Tripurä - Bhairavi - Aspekt von Pärvati als Gemahlin von Tripuräntaka-Mürti 119 Tripuräntaka-Mürti — Erscheinungsbild Sivas als Zerstörer der drei Städte der Asuras 85, 104 f., 121, 208, 241; Abb.: 105 Tripura-Sundari - freundliches Erschei­ nungsbild der Göttin 121 Trisüla - Gottheit des Dreizacks 246 Trivikrama - die riesenhafte Gestalt der Zwerginkarnation (Vämanävatara) Vi§nus 58, 73, 74 f.; Abb.: 74 Turaga - das weiße Pferd 185; Abb.: 185 Tvatfr - vedische Sonnengottheit 141 Ucchitfa-Ganapati - Erscheinungsbild des brünstigen Ganesa 133 Ugra-Mürti — Bezeichnung für furchtbare Erscheinungsbilder Sivas 88, 91, 93 Ugra-Narasimha —»Narasirhha Umä - Gemahlin Sivas 89, 90, 91, 114 f., 231; Abb.: 89, 90, 114 Umä-Mahesvara - (auch Hara-Gauri), Er­ scheinungsbild Sivas mit Umä auf seinem Schoß 90; Abb.: 90 Umä-Sahita-Mürti - Siva mit Umä 89; Abb.: 89 Urdkva-Ganapati - Ganesa, der seine Ge­ mahlin (Sakti) umarmt 133, 199 U$as - die Göttin der Morgenröte, Gemahlin von Sürya 112, 140 Usrä - Göttin des Tagesanbruchs 167

Väc - Göttin der Sprache, identifiziert mit Sarasvati 128, 129, 167

Vaikanfhanätha - »Herr des Himmels«, Vi$nu auf der Schlange Ananta 62 Vaisnavi - Erscheinungsbild von Lak$mi als Gemahlin Vi$nus 117, 129; Abb.: 116 Vali - Sohn des Indra 77 Välmiki - Heiliger, Verfasser des Rämäyana 79 Valli- Gemahlin von Skanda 136, 137 Vallikalyänasandara-Mürti - Darstellung der Hochzeit von Skanda und Valli 136, 138 Vämä — furchtbares Erscheinungsbild der Göttin (Devi) 123 Vämana - »der Zwerg«, Name Vi$nus 58, 74 Vämanävatara - die Zwerginkarnation, Vi$nus fünfte Inkarnation 66, 73-75; Abb.: 74 Vana-Dargä - die »Wald-Durgä«, Erschei­ nungsbild der Durgä 122 Vanaras - »Affen«, Angehörige der Affen­ armee von Sugriva und Hanumän 181 Varadaräja - Vi$nu als gütige, wunscherfül­ lende Gottheit 63 Varähävatära - die Eberinkarnation, Vi$nus dritte Inkarnation 66, 68-70, 108, 117; Abb.: 69, 70 Värähi - die Göttin als Gemahlin von Varähävatära 117 Varitfha — ein R§i 165 Varana - der vedische Gott des Wassers 42, 50, 140, 141, 143, 149, 155, 174, 178, 189, 192, 193, 232, 241, 273;/ibb.: 144, 149 Väruni - (Varunäni), die Göttin des Weins und Gemahlin oder Tochter von Varuna 149 Vasanta - Personifikation des Frühlings 63, 167, 178, 182 Vasa - Halbgott, die acht Vasus Väsadeva - Vater von Ky$na 66, 80 Väsaki - ein Schlangenkönig (Näga) 173, 182, 183 Vaya - der vedische Gott des Windes 50, 77,

140, 143, 150, 171, 178, 181 f„ 244; Abb.: 144 Venagopäla - Kr$na als flötespielender Hirte 82 f„ 207, 230; Abb.: 82 Vidyädhara(s) - himmlische Wesen 163 Vighnesa - (Vighnesvara), »Herr der Hinder­ nisse«, Erscheinungsbild von Ganesa 130, 133 f.; Abb.: 134 Vijaya - Torwächter Vi§nus 71, 167 Vinädhara-Daksinä-Marti - Siva als Meister der Musik 95, 153, 245 Vinatä - Gemahlin des mythischen R$i Kasyapa und Mutter von Garufa 179, 180 Vinäyaka — früher Name des Gottes Ganesa 130, 131 Virabhadra - »der Siegreiche«, furchtbare Emanation Sivas 111, 117, 234; Abb.: 111 Visaprah arana-Marti - Erscheinungsbild von Siva, der das Gift des Milchozeans schluckt 176, 190 Vi$na — der Erhalter in der hinduistischen Dreiheit 9, 17, 19, 20, 22, 43, 44, 49, 51, 52, 53, 57-84, 85, 8 7, 98, 105, 108, 109, Hl, 112, 117, 118, 119, 121, 128, 130, 139, 141, 145, 155, 158, 159, 160, 174, 175, 176, 177, 179, 183, 185, 191, 197, 198, 201, 202, 203, 221, 222, 229, 234, 236, 237, 238, 242, 244, 247, 250, 257, 261, 268, 270, 274; Abb.: 14, 2 6, 57 , 59, 60, 61, 62, 63, 64, 67, 69, 70, 71, 73, 74, 76, 77, 81, 82 Vi$nuvanugraha-Marti - freundliches Er­ scheinungsbild Vi$nus 102 Visvakarman - der Baumeister des Univer­ sums, identifiziert mit Brahmä 53, 55 f., 141, 151,234, 242 Visvämitra - ein Rsi des Himälaya, Fürspre­ cher Rämas 76 Vivasvän - vedische Sonnengottheit 141 Vrtta - Dämon der Dürre 145 Vr$abhäntika - Erscheinungsbild Sivas mit seinem Stier Nandi 89, 207; Abb.: 88

293

Anhang

Vyäkhyäna-Mürti - Siva als Lehrverkünder 94 Abb.: 94

Yänaka-Narasirhha - Erscheinungsbild von Vi$nus Mensch-Löwen-Inkarnation 71, 73 Yasodä - Stiefmutter Ktsnas 80, 83

Yajnavarahä - Vi$nus Eberinkarnation 70 Yak$a - halbgöttliche, halbdämonische Genien und Wächter der Erde 15, 63, 139, 143, 150, 163 £., 165, 167, 183, 203, 232, 250, 257, 272; Abb.: 164 Yakfi - (Yak$ini), die Gemahlin eines Yak$a 163 Yama - der Gott des Todes 50, 105, 106, 117, 142, 143, 147 f., 157, 178, 184, 188, 195, 198, 243, 244; Abb.: 106, 144, 148 Yarrii - Schwester von Yama und eine der sieben Mütter (Saptamätaras) 117,142,202 Yamunä - Flußgöttin, die mit YamI identifi­ ziert wurde 142, 149, 178, 191, 201 f., 247

Yoga-Dak$inä-Mürti - Siva als Lehrer des Yoga 95, 209

Yoga-Narasimha - Erscheinungsbild der Mensch-Löwen-Inkarnation Vi$nus 209

Yoga-Nidra - Vi$nu in kontemplativem Schlaf 59, 174 Yogesvari - furchtbares Erscheinungsbild der Göttin (Devi) 127 Yogini(s) - Hexen, Gefolge von Siva und Durgä 120 Yoni - das weibliche Geschlechtssymbol 40, 43, 87, 99, 200, 218, 219, 245, 267, 271; Abb.: 43, 271

Eckard Schleberger, geb. 1950, z. 2t. Berater für Entwicklungshilfe in Nami­ bia, lebte von 1972 bis 1981 in Sri Lanka (Ceylon), unterrichtete an der Univer­ sity of Sri Lanka und am Goethe-Institut-Colombo. Über zehn Jahre betrieb er Vorstudien zu dieser »Ikonographie der Hindugötter« und zeichnete an die 300 Bilder zum Text.

TT