Der mittellose Geldschuldner: Unmöglichkeit zur Leistung und Verzug des Zahlungsverpflichteten [1 ed.] 9783428481613, 9783428081615

150 80 32MB

German Pages 304

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Der mittellose Geldschuldner: Unmöglichkeit zur Leistung und Verzug des Zahlungsverpflichteten [1 ed.]
 9783428481613, 9783428081615

Citation preview

MARTIN AllRENS

Der mittellose Geldschuldner

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 63

Der mittellose Geldschuldner Unmöglichkeit zur Leistung und Verzug des Zahlungsverpflichteten

Von

Martin Ahrens

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Ahrens, Martin:

Der mittellose Geldschuldner : Unmöglichkeit zur Leistung und Verzug des Zahlungsverpflichteten I von Martin Ahrens. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zur Rechtsgeschichte ; H. 63) Zugl.: Hannover, Univ., Diss., 1991/92 ISBN 3-428-08161-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-08161-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken ·

Vorwort Die vorliegende UntersuchWlg ist im Wintersemester 1991192 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover als Dissertation angenommen worden. Zur Drucklegoog wurde sie geringfiigig überarbeitet. Die neuen Entwick1Wtgen in RechtsprechWlg Wld Literatur sind bis Herbst 1993 eingearbeitet. Ein besonderes Anliegen ist mir, Herrn Prof. Dr. Gottfried Schiemann herzlich fiir die Unterstützung Wld die Geduld zu danken, mit der er die Arl>eit betreut hat. Herrn Prof. Dr. Joachim Rückert schulde ich Dank d.afiir, daß er die UntersuchWlg durch Rat tu1d Materialien gefördert sowie die ZweitbegutachtWlg übernommen hat. Meine Dankbarkeit gilt aber auch dem Arl>eitsumfe1d an der Universität Lüneburg. Als Mitarbeiter von Herrn Prof. Dr. Jürgen Sirnon habe ich umfassende freWtdschaftliche FörderWtg erfahren Wld von dem Fachbereich Wirtschafts- tu1d Sozialwissenschaften nicht zuletzt einen Druckkostenzuschuß erhalten. Stellvertretend für die FreWtde Wld Kollegen, welche die Arl>eit begleitet haben, nenne ich hier Herrn Dr. Andreas Schwartze, LL.M., auf dessen tulermüdliche Gesprächsbereitschaft tu1d HilfestellWlg ich bis zur letzten Minute vertrauen konnte. Herr stud. rer. oec. Stephan Eichner tu1d natürlich Frau Angelika Willkommen haben ebenfalls zum Gelingen der Schrift beigetragen. Thnen allen bin ich verpflichtet. Lüneburg, im September 1993

Martin Ahrens

Inhaltsverzeichnis Ebdeitung

15

I.

Der mittellose Geldschuldner im Privatrecht. ......................................................................

15

II.

Abgrenzung des Themas ......................................................................................................

17

1. Geldschuld ......................................................................................................................

17

2. Mittellosigkeit ............................................................................................................... .

19

111.

3. Unverschuldete Störung eines Schuldverhältnisses.......................................................

19

Gang der Untersuchung und Methodisches.........................................................................

21

l.Kapitel Entwicklung und Geltung der Unmöglichkeitsregeln für die nicht erfiillte Geldschuld

22 22

I.

Vorbemerkung......................................................................................................................

II.

Die Nichterfilllung der Geldschuld insbesondere im älteren gemeinen Recht... .................

23

l. Entwicklungen seit der römischen Klassik .. ........................................... ... .... .. .. ............

23

2. Älteres gemeines Recht..................................................................................................

111.

26

Der Begriff der unmügligk.eit .................................................................................

26

b) Genus perire non potest... ........................................................................................

28

a)

3. Vor einem neuen Zeitalter..............................................................................................

29

Vemunftrecht und ALR - das Konzept der nachträglichen Unmöglichkeit........................

30

l. Die Entstehung des Begriffs der nachträglichen Unmöglichkeit...................................

30

a) Grundlagen..............................................................................................................

30

b)

Die Formulierung der nachträglichen Unmöglichkeit durch Pufendorf................

31

2. Weitere Entwicklungen..................................................................................................

34

a)

Finanzielle Leistungsschwäche als nachträgliche Unmöglichkeit.........................

34

b) Subjektive und objektive Elemente der nachträglichen Unmöglichkeit................

36

c)

Zur Bedeutung der vernunftrechtlichen Entwürfe..................................................

37

3. Die nachträgliche Unmöglichkeit im ALR....................................................................

38

a)

Der Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit................................................

39

b) Zur Systematik der Regelungen ...... .... .............. .. .. ... .. ............................................

40

c)

42

Unmöglichkeit und Geldschuld- der Weg ins 19. Jahrhundert.............................

8

Inhaltsverzeichnis

IV.

Die Pandektistik - Veränderungen der Unmöglichkeitslehre ..............................................

44

2. Die Grundlagen in der gemeinrechtlichen Lehre von den Obligationsverletzungen.... .

45

3. Der Einfluß der gemeinrechtlichen Lehre auf die Unmöglichkeitsdoktrin ...................

47

a)

V.

VI.

VII.

Erste Ansätze einer pandektistischen Unmöglichkeitslehre ...................................

47

b) Objektive Elemente der Unmöglichkeit.................................................................

48

c)

51

Wille und Unmöglichkeit........................................................................................

4. Der erweiterte Tatbestand der Unmöglichkeit...............................................................

53

5. Ergebnisse der frühen Pandektistik................................................................................

54

Die Ausbildung des Systems durch Friedrich Carl von Savigny ...................................... ..

56

1. Grundlagen seiner Unmöglichkeitslehre........................................................................

56

2. Ursachen der Unmöglichkeit..........................................................................................

61

3. Subjektive und objektive Unmöglichkeit.......................................................................

62

a)

Erfiillungsmöglichkeit und willentlich herbeigefiihrte Unmöglichkeit..................

63

b)

Entstehungsgründe im Verzug................................................................................

64

c)

Das Willensurteil bei der Unmöglichkeit ...............................................................

65

d)

Unerschwingliche Handlungen und Geldschulden.................................................

68

e)

Weitere Entwicklungen...........................................................................................

70

4. Subjektivität und Objektivität in der Obligation................................... .......................

71

5. Die Theorie der Unmöglichkeit.....................................................................................

74

Friedrich Mommsens Modifikation der Unmöglichkeitslehre............................................ .

75

1. Befreiende subjektive Unmöglichkeit... ........................................................................ .

75

2. Der Tatbestand der subjektiven Unmöglichkeit............................................................

76

3. Unmöglichkeit und Verschulden....................................................................................

78

4. Subjektive Unmöglichkeit bei Genus- und Geldschuldnern..........................................

81

a)

Die faktische Disposition von Gattungsschuldnern................................................

81

b)

Die Rechtsstellung des Geldschuldners ............ .................... .................... ...... ........

83

5. Mommsens Konzeption der Unmöglichkeit...................................................................

85

Kritik und Bewährung .... .... ................................................ ...................................... ...........

86

I. Windscheids Interpretation der subjektiven Unmöglichkeit..........................................

86

a)

Entlastung des Geldschuldners ...............................................................................

86

b)

Befreiender Geldrnangel .........................................................................................

88

c)

Wirkungen..............................................................................................................

89

2. Die systematische Kritik ................................................................................................

89

Unmöglichkeit in der Haftungslehre von Alois Brinz............................................

90

b) Gustav Hartmanns Formel der Erfiillungsschwierigkeiten....................................

92

a)

Andere Autoren.......................................................................................................

95

Am Vorabend der Kodifikation ...........................................................................................

96

c) VIII.

44

I. Die Zeit des Übergangs ................................................................................................ ..

9

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel

Das Unvennögen des Geldschuldners im BGB

99

I.

Zur Ausgangslage .................. ......................................... ................ .. .. ....... ..... .....................

99

IL

Die Entstehung des BGB .....................................................................................................

100

1. Der Vorentwurf zum Obligationenrecht.... .............................. ....................... ...............

102

2. Die Beratungen in der 1. Kommission..........................................................................

107

.. ......................

107

b) Unbeachtlichkeit finanzieller Leistungsschwierigkeiten ...... ..... ...................... ......

108

c)

Wege der Begriffsbildung.......................................................................................

111

d)

Die Kritik am 1. Entwurf........................................................................................

113

a)

III.

DieStreichungdes§ 11 Abs.l TE-OR22..........................

3. Die Stellungnahme des Reichsjustizamts.......................................................................

114

4. Die 2. Kommission.........................................................................................................

115

Neuerliche Modifikation der subjektiven Unmöglichkeit............................... Das Resultat: Keine subjektive Unmöglichkeit des Geldschuldners .............

118

c)

Die Redaktionskommission ...............................................................................

120

5. Der Bundesrat... .............................................................................................................

121

6. Ergebnis .........................................................................................................................

122

Das Unvermögen des Geldschuldners als Grenze der Leistungspflicht .............. .

124

I. Grundlagen ................................................................................................. .

124

2. Die Geldleistungsverpflichtung...................................... ..................................

127

..................................................

a)

Geldschuld und Beschaffungspflicht.............

b)

Leistungspflicht und Schuldgegenstand ............................................................... .

3. Herausgabeansprüche auf Geld......................... IV.

115

a) b)

....................... .....................

128 129 132

Der Tatbestand des Unvermögens ... ...................................................................................

133

1. Zahlungsunfahigkeit als Unvermögen........................................................

135

2. Quantitative Bestimmungskriterien...............................................................................

136

3. Das Leistungsunvermögen des Geldschuldners als regulärer Fall des § 275

V.

Abs. 2 BGB .................................................................................................. .................

138

4. Unvermögen und Leistungserschwemis.................................................... ....................

139

5. Der Ruingedanke.......

..............................................

141

a)

Ruingefahr als wirtschaftliche Unmöglichkeit.......................................................

.........................

141

b)

Der Ruingedanke in einer verfassungskonformen Interpretation des Unvermögens ....................................................................................................................

143

6. Verhaltenspflichten und Unvermögen........................................................ ...................

144

7. Unvermögen im Wirtschaftsverkehr ..............................................................................

146

Rechtsfolgen des Unvermögens ...........................................................................................

149

1. Leistungspflicht und § 279 BGB .................................... ..............................................

150

2. Die Leistungspflicht und die Prinzipien der Vermögenshaftung...................... a)

Die Doppelfunktion des Haftungsbegriffs..............................................................

1~3

154

10

VI.

Inhaltsverzeiclmis b) Der materiellrechtliche Gehalt der Zwangsvollstreckungsregeln ..........

155

c)

Die Funktion des Konkursrechts ............................................................

160

3. Die Haftung....................................................................................................................

161

Der Abschluß.......................................................................................................................

163

l. Kein Unvermögen des Geldschuldners ..........................................................................

163

2. Nachträgliche Leistungsunmöglichkeit .........................................................................

165

3.Kapitel Die Entwicklung der subjektiven Vei"LIIgsvoraussetzungen für den mittellosen Geldschuldner I.

Einfiihrung ................. .............. .................... .......... ...... ... ........ ........... ...... ....... ....... .......... ....

li.

Die subjektiven Voraussetzungen der mora debitoris in der Rechtsentwicklung bis 168

1. Römisches Recht ....................... .......................................................................... ...........

168

2. Kanonisten und Legisten ................................................................................................

171

3. Älteres gemeines Recht..................................................................................................

176

4. Die Folgen kriegerischer Ereignisse fiir die Interpretation der mora ............................

178

5. Vernunftrecht und ALR . .. .. ....................... ............................... ......... .... ........... ......... .....

180

Lehren des rationalen Vemunftrechts.....................................................................

180

b) Das preußische Allgemeine Landrecht...................................................................

181

Die Auseinandersetzung der Pandektenwissenschaft mit dem Culpaerfordemis im Verzug.................................................................................................................................

IV.

V.

167

zum älteren gemeinen Recht................................................................................................

a) III.

167

182

1. Die Erschütterung der Culpalehre........... ................................. ...... ....... .................. ... ....

183

2. Willensunabhängige Begründungen der mora debitoris................................................

184

3. ModifiZierte Formen der Culpahaftung .........................................................................

186

4. Das allgemeine Culpaerfordernis...................................................................................

188

5. Die absolute Verschuldenslehre .....................................................................................

190

Der Wandel in den Verzugsvoraussetzungen bei Geldschulden.........................................

192

l. Die Aussage des Venuleius-Textes D. 45, 1, 137,4 [...................................................

193

2. Unvermögen, subjektive Unmöglichkeit und Verzug....................................................

195

a) 1bibauts Thesen über das subjektive Unvermögen................................................

195

b)

Verbindungslinien zur Unmöglichkeitslehre .... .. .. ........................................ ..........

197

c)

Rückwirkungen der subjektiven Unmöglichkeit auf den Verzug..........................

199

3. Die neue Gestalt der Verzugslehre.................................................................................

201

Der Stand der Verzugsdoktrin am Ende des 19. Jahrhunderts............................................

203

Inhaltsverzeichnis

11

4. Kapitel

Die EntschulcUgung des mittellosen Geldschuleinen gemäß § 285 BGB I.

II.

III.

205

Die Entstehung der Vorschrift..............................................................................................

205

1. Der Vorentwurf..............................................................................................................

205

2. Die Beratungen des I. Entwurfs .... ................. ...... .. ........................ ....... ..... ........ ...........

208

a)

Die 1. Kommission.................................................................................................

208

b)

Kritik und weitere Beratung .. .. .. .. .. .. .. .. .. ............................... ..................................

210

3. Die 2. Kommission..................... ....................................................................................

211

4. Die Resultate des Gesetzgebungsverfahrens........................ ..........................................

214

Leistungsfreiheit als Folge des§ 2858GB.........................................................................

215

I. Grundlagen des§ 2858GB...........................................................................................

216

2. Einflüsse des Unmöglichkeitsrechts ...............................................................................

218

3. Durchsetzung der Leistungspflicht.................................................................................

223

a)

Das Verhältnis zwischen§ 2838GB und§ 2858GB..........................................

223

b)

Der Anspruch aufProzeßzinsen .............................................................................

227

c)

Leistungserbringung und Entschuldigung..............................................................

227

Freistellung von den Haftungsfolgen des Verzugs gemäߧ 2858GB...............................

228

1. Haftungsgrundsätze........................................................................................................

228

2. Leistungspflicht und Verschuldenshaftung....................................................................

230

a) Verpflichtungsumfang und Haftung..........................................................................

230

b) Erfiillungsgarantie... ... ............. .............................................. .....................................

231

3. Einschränkung des § 285 8GB durch besondere Haftungsregeln ................................ a)

Haftungsbegründung aus § 279 8GB....................................................................

232 232

b) Zwangsvollstreckungs- und Konkursrecht .............................................................

235

c)

Spezielle Pflichten...................................................................................................

236

d)

Die Einstandspflicht des Geldschuldners................................................................

236

IV.

Die Entschuldigung des mittellosen Geldschuldners vom Verzug- ein Zwischen-

V.

Zur Abgrenzung: Die positive Forderungsverletzung eines mittellosen Geld-

bericht ........................... ........... .. ... ...... ................ ...... .......................... ............ ..... .............. schuldners.............................................................................................................................

240 243

5. Kapitel

Ökonomische Überlegungen zur Venchuldenshaftung beim Zahlungsverzug I.

246

Zur Methodik ....... ...... ... .. ....... ..... ...... ...... ............... ......... .................... ................ .................

246

1. Ökonomisch-teleologische Interpretation des Rechts ....................................................

246

12

lnhaltsverzeiclmis 2. Ökonomische Analyse des Rechts..................................................................................

248

II.

Grundlagen der Haftungsuntersuchung ........ ..................................................................... .

250

l. Funktionen einer Haftungsregel fiir nicht erfiillte Geldschulden..................................

250

III.

IV.

2. Analysegruppen..............................................................................................................

253

Einzeluntersuchung der Haftungsvoraussetzungen.... .. .... .................................... ....... ........

254

l. Schuldner und Gläubiger der Geldleistung sind Untemelunen ... .. ................. ...............

254

2. Untemelunen als Zahlungspflichtige- Konsumenten als Zahlungsernpfanger .............

261

3. Konsumenten als Zahlungspflichtige- Untemelunen als Zahlungsernpfllnger .............

262

4. Schuldner und Gläubiger der Geldleistung sind Konsumenten.................. ...................

272

Folgerungen fiir die Verschuldenshaftung beim Zahlungsverzug.......................................

272

Ergebnisse Unmöglichkeit zur Leistung und Verzug des Zahlungsverpflichteten

274

QueUen- und Literaturverzeichnis..............................................................................................

280

I.

Ungedruckte Quellen ................. ...... ................................. .... ................................... ............

280

II.

Gedruckte Quellen und Literatur.........................................................................................

280

Abkünungsveneichnis

Abkürzungen werden in der bei Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtsspcache, 4. Aufl., Berlin!New York 1993, angefilhrten Bedeutung verwendet. Das nachfolgende Verzeichnis umfaßt allein die in dem genannten Werk nicht erläuterten Abkürzungen.

Abth.

AK (mit Bearbeiter)

Bde.

BGB-KE bzw. Cent. D.

d. T. Dec. EI

EI- RJA E I - VorlZust

E I - ZustRedKom EH E II rev etc. FG FS Hbd. Hg. i.E. i. S.

i. S. V. insb. JCP JNPÖ KritV

Abtheilung Alternativkomrnentar, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, bearbeitet von Gert Brüggerneier u.a., Neuwied und Darmstadt 1979 ff. Bände Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach den Beschlüssen der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts ( 1992) beziehungsweise Centuria Digesten des Titels Decisio Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches fiir das Deutsche Reich, Erste Lesung ( 1888, 1. Entwurf) BGB - Entwurf in der Paragraphenzählung des E I nach den Beschlüssen der Vorkommission des Reichsjustizamts (1891- 1893) BGB - Entwurf in der Paragraphenzählung des E I nach der "Vorläufigen Zusammenstellung der Beschlüsse der Kommission fiir die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs" von Planck (1891- 1895) BGB - Entwurf in der Paragraphenzählung des E I nach der Zusammenstellung der Beschlüsse der Redaktions-Kommission der 2. Kommission (1891- 1895) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs fiir das Deutsche Reich, nach den Beschlüssen der Redaktionskommission, Zweite Lesung (1894, 1895; sogenannter 2. Entwurf) Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs fiir das Deutsche Reich, Zweite Lesung (1895, sogenannte Bundesratsvorlage) et cetera Festgabe Festschrift Halbband Herausgeber im Ergebnis im Sinne im Sinnevon insbesondere Journal ofConsumer Policy Jahrbuch fiir Neue Politische Ökonomie Kritische Vierteljahresschrift fiir Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

14 L.

Lib. MEW MF MünchKonun (mit Bearbeiter) MünzG

N.

ÖBA Obs. pFV RGRK (mit Bearbeiter)

RheinZ Rn. SC.

ss

TE-OR Tom. TR u. a. u. ö. u. v. a. VHVO Vol. WS

z. T.

ZustOR

AbkOIZllngsverzeichnis Lex Liber Karl Marx, Friedeich Engels, Werke, Berlin 1981 Ministerium der Finanzen MOnebener Konunentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Kurt Rebrnann, Franz Jürgen Säcker (Hg.), 2. Aufl., München 1984 ff. Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen vorn 8.7.1950, BGBI. I, S. 323 Note österreichisches Bank-Archiv Observatio positive Forderungsverletzung Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, Konunentar, 9. Aufl., Berlin 1939, 12. Aufl., Berlin, New York 1974 ff. Rheinische Zeitschrift filr Zivil- und Prozeßrecht Randnununer scilicet, kennzeichnet einen Einschub in ein Zitat Sonunersernester Teilentwurfzum Obligationenrecht Tomus Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenes unter anderem und öfter und viele andere Verordnung über die Vertragshilfe des Richters aus Anlaß des Krieges vorn 30. 11.1939, RGBI. I, S. 2329 Volurne Wintersernester zum Teil Zusammenstellung der sachlich beschlossenen Bestinunungen des Obligationenrechts nach den Beschlüssen des Redaktionsausschusses der l. Kornmission(l882 -1884)

Einleitung I. Der mittellose Geldschuldner im Privatrecht Geld muß man haben1• Auf diese Formel kann die Verantwortung des Geldschuldners für seine eigene Leistungsfähigkeit reduziert werden. Ein Zahlungsverpflichteter soll vollständig und rechtzeitig leisten oder haften. Es herrscht allgernein die Überzeugung, daß auch ein mittelloser Geldschuldner für jede Unregelmäßigkeit bei der Erfiillung einzustehen hat. Er muß dann entweder für sein Unvermögen oder seinen SchuldneiVerzug haften. Allerdings wird fiir Geldleistungspflichten zwischen beiden Regelungen nur unzureichend unterschieden2• Dunkel bleibt, wie die finanzielle Situation, die zu einem Unvermögen fiihrt, von der bei einem SchuldneiVerzug bestehenden Sachlage zu unterscheiden ist. Trotzdem hat diese Ungenauigkeit bisher nur wenig Anstoß erregt. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Selbst eine unverschuldete finanzielle Notlage soll den Zahlungspflichtigen nicht vor der Haftung schützen. In den Haftungsfolgen stimmen aber beide Tatbestände weitgehend überein. Weil der Geldschuldner auch fiir die ihm unverschuldet fehlende Leistungsfähigkeit verantwortlich gernacht wird, ist diese wohl wichtigste Störungsursache einer Zahlungsverpflichtung von dem sonst im sogenannten Leistungsstörungsrecht geltenden Verschuldeosprinzip ausgenommen. Wenn die privatrechtliehen Konsequenzen der Mittellosigkeit eines Geldleistungspßichtigen bestimmt werden sollen, sind vor allem zwei Fragen zu klären: Wie können also die beiden Tatbestände Verzug sowie Unvermögen unterschieden werden, d.h. unter welchen Bedingungen ist der Schuldner aus einem Unvermögen oder aus einem Verzug verantwortlich zu machen? Weiter ist zu entscheiden, ob der Geldschuldner den allgerneinen subjektiven EinstandsvorSo lautet etwa der Titel eines Beitrags vonMedicus, AcP 188 (1988), S. 489; außerdem etwa Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 216; Hörmann, Verbraucher und Schulden, S. 83; Henke, Die sog. Relativität des Schuldverhältnisses, S. 84; Tinte/not, ZIP 1989, S. 150 Fn. 55; Grunsky, JuS 1989, S. 595; Roth, H., JZ 1990, S. 381 ; Schwintowski, JA 1990, S. 103 f. ; AK!Dubischar, § 279 Rn. 6; Gröner!Köhler, Verbraucherschutzrecht in der Marktwirtschaft, S. 58 f.; Großfeld!Lühn, WM 1991, S. 2015; Honsell, FS Lange, S. 510, 519; s.a. Köndgen, NJW 1991, S. 2018. Kritik an der Formulierung übt Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu § 244 C 30. 2 Häufig werden die Begriffe Unvermögen und Zahlungsverzug eines mittellosen Geldschuldners synonym verwendet, vgl. BAGE 10, 176 (181); Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 3, S. 134 Fn. 82; Paech, Der Leistungsverzug, S. 98. Differenziert wird etwa von Staudinger!K. Schmidt, Vorbem zu§ 244 C 29 ff.;Medicus, AcP 188 (1988), S. 490 f.

16

Einleitung

aussetzungenunterliegt oder ob fiir ihn besondere Regeln über seine Verantwortlichkeit gelten. Obwohl Zahlungspflichten alltäglich verletzt werden, ist dieser Sachverhalt nicht eigens im BGB geregeW Von den§§ 270 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291, 301 BGB etwa werden zwar einzelne Folgen fiir unregelmäßig abgewickelte Geldleistungspflichten angeordnet. Einen allgemeinen Tatbestand tragen sie indessen nicht. Ebenso schweigt sich das Gesetz über den Einfluß der Vermögenslage des Verpflichteten auf das Schuldverhältnis weitgehend aus. Soweit einzelne Wirkungen eines Vermögensverfalls doch normiert sind, so in den§§ 321, 528, 610 BGB, sollen sie als Ausnahmeregeln nicht verallgemeinert werden dürfen4. Die Verantwortung des Schuldners fiir seine eigene Leistungsfähigkeit ist aber auch nicht positiv festgeschrieben worden. Beide Grundsatzfragen, nach dem Haftungstatbestand und den subjektiven Haftungsvoraussetzungen, sind ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung geblieben. Sie müssen daher aus dem Zusammenhang der Kodifikation beantwortet werden. Für einen mittellosen Zahlungsverpflichteten gelten prinzipiell die im allgemeinen Schuldrecht des BGB normierten Störungstypen, die Unmöglichkeit und der Schuldnerverzug. Nun liegt es nahe, von unzulänglichen finanziellen Mitteln des Geldschuldners auf ein Unvermögen im Sinne des § 275 Abs. 2 BGB zu schließen5. Diese Vorschrift betrifft solche gravierenden Störungen des obligatorischen Pflichtenprogranuns, wie eine in natura vom Schuldner nicht zu erbringende Sache. Ihre Anwendung auf Geldschulden wirft allerdings zahlreiche Zweifelsfragen auf. Ungeklärt ist nicht allein, in welcher konkreten finanziellen Situation hier ein Unvermögen angenommen werden darf, sondern auch, welcher Einfluß künftigen Verdienstchancen beizumessen ist. Zudem soll die Rechtsfolge des § 275 Abs. 1, 2 BGB stets ausgeschlossen sein, der Geldschuldner also keinesfalls von seiner Zahlungsverpflichtung befreit werden. Dazu wird eine "rechtliche Sonderbehandlung" (Medicus) des Geldschuldners gefordert. Teils wird dies aus übergeordneten Prinzipien6, teils aus § 279 BGB7 abgeleitet. Zweck einer Haftung des zur Leistung unvermögenden Schuldners ist, das Schuldverhältnis mit anderen Mitteln 3 In den Motiven, Bd. II, S. 12 f, ist zu lesen: "Die Geldschuld, d.h. die Verbindlichkeit eine Geldsunune zu bezahlen, erfordert wegen ihrer Eigenthümlichkeit besondere Vorschriften. Zu solchen ist jedoch auf dem Boden des durch die Reichsmünzgesetzgebung eingefiihrten gesetzlichen Währungssystemes nur in sehr beschränktem Maße Raum und Bedürfuis". 4 Motive, Bd. II, S. 199, 315. Z.B. BGHZ 28, 123 (128); BGH DB 1968, 2210; Endemann, F, Bürgerliches Recht, Bd. I, S. 554 Fn. 12; Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältniss, S. 218; Nussbaum, Das Geld, S. 73; Kleineidam, Urunöglichkeit und Unvermögen, S. 17 f; Fischer, FS von Arnsberg, S. 29; so ausdrücklich Fikentscher, Schuldrecht, 7. Aufl, § 29 I 2; Roth, G. H. . JuS 1968, S. 105; Evans-von Krbek, AcP 177 (1977), S. 46 f 6 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 21 I d; Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu § 244 C29m.w.N. 1 So insbesondere die Rechtsprechung seit RGZ 75, 335 (337); BGHZ 7, 346 (354); 63, 132 (139); 83, 293 (300) und daneben etwa Roth, G. H., JuS 1968, S. I 05 f

II. Abgrenzung des Themas

17

fortzusetzen8 . Gegenüber einem Geldschuldner versagt freilich diese Vorstellung. Der Gläubiger wäre doch wieder in Geld zu entschädigen, §§ 249 Satz 1, 251 Abs. 1 BGB. Mit den gleichen Erwägungen, die zu einer Verantwortung fiir das Unvermögen fiihren, wird die Verzugshaftung des nicht leistungsfähigen Zahlungsverpflichteten begründet. Er darf sich also nicht auf seine unverschuldete Mittellosigkeit als Entschuldigungsgrund im Sinne von § 285 BGB berufen. Dogmatisch ist diese Situation wenig befriedigend. Die Tatbestandsbegründung und die Ausnahmen zu den §§ 275 Abs. 2, 285 BGB werfen zahlreiche Fragen auf Außerdem werden die Haftungsfolgen häufig nur unzureichend unterschieden. Zwar weisen die Verzugshaftung und die Haftung fiir ein Unvermögen ähnliche Strukturen auf, doch bestehen im Detail erhebliche Abweichungen. Allein der Schuldnerverzug begründet den Mindestschadensersatzanspruch aus § 288 Abs. 1 BGB. Schon die Einstandspflicht fiir den Verzögerungsschaden erfordert grundsätzlich eine Mahnung. Der Schadensersatz wegen Nichterfiillung gemäß § 326 Abs. 1 BGB setzt darüber hinaus im allgemeinen eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung voraus. Weitgehend unbestimmt ist, wann infolge eines Unvermögens auf diese Voraussetzungen verzichtet werden kann. All dies erfordert eine genauere Klärung.

II. Abgrenzung des Themas 1. Geldschuld Geld ist das häufigste Objekt von Leistungspflichten9• In den Austauschverträgen ist zumeist eine Zahlungsverpflichtung bestimmt. Es können aber auch zwei Geldleistungspflichten im Synallagma stehen, wie bei dem verzinslichen Darlehen10. Als Ersatzleistung wird regelmäßig Geld geschuldet, §§ 249 Satz 2 ff., 844 f, 847 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es existieren außerdem sachen-, farnilien- und erbrechtliche Zahlungsverpflichtungen, z.B. §§ 912 Abs. 2, 917 Abs. 2, 1612 Abs. 1, 1934 d BGB. Für die Bestimmung des Schuldinhalts ist in diesen Fällen das gemeinsame Leistungsobjekt Geld maßgeblich, Geldschulden sind die durch eine Geldleistung zu erfiillenden Verpflichtungen. Die stoffliche Form des Zahlungsmittels ist dabei nachrangig, denn das Geld wird hier gerade nicht aufgrund konkreter gegenständlicher Qualitäten geschuldet. Der Verpflichtete kann also seine Schuld

Esser!Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, § 7 I. Von Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 7. 10 Dies gilt grundsätzlich auch für den Versicherungsvertrag, sofern dort der Geldleistungstheorie gefolgt wird. 9

2 Ahrens

18

Einleitung

durch beliebige Geldzeichen erfiillen11 • Das Gläubigerinteresse ist nicht auf spezifische Rechnungseinheiten gerichtet. Der Schuldner soll dem Berechtigten einen unkörperlichen Vermögenswert verschaffen12• Die hier bedeutsame Dimension der Geldschuld ist die der Wertverschaffimgsverpflichtung13• Vor allem ist zu untersuchen, ob diese besondere Verpflichtung, die den Kern der Geldschuld bildet, eine eigenständige Behandlung der unregelmäßig erfiillten Schuldverhältnisse erfordert. Von der so bestimmten Geldschuld sind die in den §§ 244 f BGB erfaßten Fremdwährungs- und Geldsortenschulden zu unterscheiden. Die Fremdwährungsschuld nach § 244 BGB ist eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld14 . Die echte bzw. eigentliche Geldsortenschuld des § 245 BGB ist dagegen eine in bestimmter Münze zu erfiillende Stück- oder Gattungsschuld15• Beide Schuldtypen werden durch ihre jeweiligen Besonderheiten gegenüber der Geldschuld geprägt. Sie können deshalb unberücksichtigt bleiben. Den Prinzipien der Wertverschaffimgsverpflichtung folgt auch nicht die Wertersatzpflicht des redlichen Bereicherungsschuldners, da sie nach § 818 Abs. 2, 3 BGB beschränkt ist. Die auf Geld gerichteten Herausgabepflichten aus den §§ 667 i.V.m. 675, 681 Satz 2 BGB16 sowie aus§ 281 BGB 17 können nicht so eindeutig zugeordnet werden. Auch die Verpflichtung des unredlichen Bereicherungsschuldners gemäß den §§ 819, 818 Abs. 4 BGB 18 ist nicht ohne weiteres als Geldschuld in dem soeben beschriebenen Sinn zu verstehen. Bei diesen Verpflichtungen ist fraglich, ob eine reine Wertverschaffung oder aber die Herausgabe eines bestimmten Betrags geschuldet ist. An solchen Grenzfallen kann aber möglicherweise die Überzeugungskraft der verschiedenen Lösungen zu dem Umfang der Leistungspflicht überprüft werden. Sie sind deshalb von der Geldschuld zu unterscheiden, aber mit in die Arbeit einzubeziehen.

11

s. 323.

In den Grenzen des Annalunezwangs durch § 3 Abs. I MünzG vom 15.7.1950, BGBI I,

12 Larenz. Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 12 III; SoergeliJeichmann, § 244 Rn. 4; Staudinger!Weber, 11. Auf!., Vorbem zu §§ 244, 245 Rn. 37. 13 Von Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. II; SoergeliJeichmann, § 244 Rn. 4; s.a. Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 441 . Von einer W ertverschaffungsschuld sind die engeren Begriffe der Geldsummen- und der Geldwertschuld zu unterscheiden, vgl. etwa Soergeliieichmann, § 244 Rn. 6; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 12 VI. 14 Maier-Reimer, NJW 1985, S. 2049. 15 Staudinger/K. Schmidt, Vorbem zu§ 244 C 6. 16 Staudinger!K. Schmidt, Vorbem zu § 244 C 3, spricht sich filr eine differenzierte Betrachtungsweise, AK/Brüggemeier, vor §§ 244, 245 Rn. 14, fiir eine Behandlung nach den Geldschuldregeln aus. 17 Soergei/Wiedemann, § 281 Rn. 40 Fn. 20. 18 Vgl. BGHZ 83,293 (298 ff.).

II. Abgrenzung des Themas

19

2. Mittellosigkeit

Einem mittellosen Geldschuldner fehlt das Leistungssubstrat Er kann die Verpflichtung weder aus seinem Vermögen noch den laufenden Einkünften erfiillen. Im Gegensatz etwa zu dem konkursrechtlichen Begriff der Zahlungsunfähigkeit19 enthält der Begriff der Mittellosigkeit keine quantitative Festlegung. Er beschreibt alle Formen des Geldmangels: unzulängliche Barmittel, fehlendes Vermögen oder mangelnden Kredit, den vorübergehenden finanziellen Engpaß wie den dauerhaften Ruin. Weil die Mittellosigkeit gegenüber allen Erscheinungsformen einer unzureichenden finanziellen Ausstattung offen ist, kann sie sämtliche Störungen bezeichnen. Ihr Begriff ist deshalb nicht von vornherein auf einen bestimmten Tatbestand festgelegt. 3. Unverschuldete Störung eines Schuldverhältnisses

Zum Thema sind allein die privatrechtliehen Konsequenzen einer unverschuldeten Mittellosigkeit gesetzt. Es soll eine materiellrechtliche Grundlegung über die maßgeblichen Regeln gegeben werden, die trotz des allgemeinen Konsenses über die Folgen fiir den Zahlungsverpflichteten fehlt. Die öffentlichrechtlichen Wirkungen und damit auch die zivilprozessualen Konsequenzen bleiben unberücksichtigt20. Jedenfalls sollen weder die sozial- noch die vollstreckungs- oder konkursrechtlichen Folgen untersucht werden. Dies schließt freilich nicht aus, ihnen materielle Wirkungen im bürgerlichen Recht beizumessen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die von dem Verpflichteten nicht verschuldeten Leistungshindernisse. Für die Einordnung in die Systematik der sogenannten Leistungsstörungstatbestände können zwar auch schuldhaft herbeigeführte Umstände berücksichtigt werden. Die unverschuldeten Störungsursachen haben aber besonders gravierende Folgen, §§ 275,285 BGB. An ihnen können daher die Konsequenzen der tatbestandliehen Zuordnung und die Erforderlichkeit von Sonderregeln am überzeugendsten belegt werden. Allerdings spricht das Gesetz nicht von den verschuldeten, sondern den zu vertretenden Umständen. Solange nicht positiv erwiesen ist, daß der Geldschuldner auch fiir andere als schuldhaft herbeigefiilute Umstände verantwortlich ist, wird hier auf das Verschulden abgestellt. Unverschuldet herbeigeführte Mittellosigkeit bedeutet dann, daß weder der Zahlungsverpflichtete selber schuldhaß im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB gegen die Leistungspflicht verstoßen hat noch ihm fremdes Verschulden im Sinne des § 278 BGB zugerechnet werden darf. 19 Nach § I 02 KO gilt als Zahlungsunfähigkeit das auf einem nicht nur vorübergehenden Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners, seine sofort zu erfilllenden Geldschulden noch im wesentlichen zu berichtigen, zuletzt BGH NJW 1985, 1785; außerdem BGH NJW 1992, 1960, zu § 30 KO. 20 Den Zivilprozeß als öffentlichrechtliches Verhältnis bestimmen Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, § l VI, Stein!Jonas!Schumann. ZPO, Ein!. I, Rn. 95.

20

Einleitung

Die Untersuchung ist im Unmöglichkeitsrecht auf das nachträgliche Unvermögen zu beschränken. Für das Ziel dieser Abhandlung kann eine objektive Unmöglichkeit ausgeschlossen werden. Solange überhaupt eine Rechts- und Wirtschaftsordnung existiert, wird es die Institution Geld geben und die Leistung objektiv möglich sein21 . Vorstellbar sind zwar Situationen, in denen das Geldsystem außer Funktion gerät, wie etwa nach dem letzten Weltkrieg, doch ist dann zugleich die bürgerliche Rechtsordnung in Frage gestellt22. Um diese Orientierung am Unvermögen anzuzeigen, verweist der Untertitel der Arbeit nicht auf die Unmöglichkeit der Leistung, sondern auf die Unmöglichkeit zur Leistung. Der Tatbestand des anfänglichen Unvermögens ist hingegen nicht von vornherein bedeutungslos. Zu denken ist an Geldschulden, die mit der Entstehung des Schuldverhältnisses fällig werden, etwa gesetzliche Geldleistungspflichten. Bei solchen Zahlungspflichten ist ein anfangliebes Hindernis vorstellbar. Bei Geldleistungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt werden müssen, beispielsweise aus Dauerschuldverhältnissen, liegt freilich eine anfangliehe Störung nicht schon vor, falls die Leistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erbracht werden kann. Ein anfängliches Unvermögen ist erst dann gerechtfertigt, wenn die Umstände, die der Leistung zu ihrer Zeit entgegenstehen, die Erfiillung schon bei der Entstehung des Schuldverhältnisses verhinderten23. Selbst wenn in diesen Grenzen ein ursprüngliches Unvermögen des Geldschuldners vorstellbar ist, können hier solche anfangliehen Hindernisse unbeachtet bleiben. Für den Begriff des Unvermögens ergeben sich daraus keine Unterschiede. Über die Haftungsvoraussetzungen des anfangliehen Unvermögens wird zwar eine intensive Auseinandersetzung gefiihrt24, doch besitzt sie keine spezielle Bedeutung fiir den Geldschuldner. Weist das Leistungshindernis die fiir ein Unvermögen erforderliche Qualität nicht auf, so kann der Schuldner die Leistung pflichtwidrig verzögert haben und in den Schuldnerverzug geraten sein. Nur am Rande ist dann noch der Frage nachzugehen, ob einem nicht leistenden mittellosen Zahlungsverpflichteten auch eine positive Forderungsverletzung vorgeworfen werden darf Eine Geschäftsgrundlagenstörung des Schuldverhältnisses kann dagegen unberücksichtigt bleiben. Regelmäßig erfordert dieser Tatbestand besondere Umstände, die über die Voraussetzung einer unverschuldeten Mittellosigkeit hinausgehen.

21 RGZ 6, 125 (127), wobei mit befreiender Unmöglichkeit die objektive Unmöglichkeit gerneint ist. Kisch. Die Wirkungen der nachträglich eintretenden Unmöglichkeit, S. 109; Fischer, FS von Amsberg, S. 29; Roth, G. H., JuS 1968, S. 105;Medicus, AcP 188 (1988), S. 490; Eckert, WM 1990, S. 86; Staudinger/Werner, 11. Aufl., Vorbern zu§§ 244, 245 Rn. 49, m.w.N. 22 Vgl. aber SeuffA 61, Nr. 197, bei einer täglich zu verdoppelnden Vertragsstrafe nahm das OLG Kassel, infolge der sich schon nach 2 Monaten summierenden Zahlungsbeträge, eine gemäß § 306 BGB zu beurteilende objektive Unmöglichkeit an. 23 Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 29 I 4. 24 BGHZ 11, 16 (22); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 8 II; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 29 II 2; Gudian, NJW 1971, S. 1239 ff.; Eichenhofer, JuS 1989, S. 777 ff., alle m.w.N.

III. Gang der Untersuchung

21

111. Gang der Untersuchung und Methodisches Finanzielle Notlagen sind zeitlose Erscheinungen. Seit langem ist deshalb die Rechtsordnung aufgefordert, Lösungen fur den juristischen Gehalt dieses Problems zu bieten. Die Rechtshistorie eröffnet daher einen ersten Zutritt zu dem Thema, welche privatrechtliehen Wirkungen der unverschuldeten Mittellosigkeit eines Zahlungsverpflichteten beizumessen sind. In dieser Untersuchung soll die Entstehung der sogenannten Leistungsstörungsregeln aus dem speziellen Blickwinkel der Geldschuld nachgezeichnet werden. Hier interessieren vor allem die Lösungswege in der Pandektenwissenschaft und die Entstehung des BGB. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend unter den heutigen Geltungsbedingungen überprüft. Mit dem Unvermögen werden gravierende Störungen im Schuldverhältnis bezeichnet. Als spezielle Vorschriften verdrängen seine Regeln andere Störungstatbestände und schließen insbesondere auch einen Verzug aus25. Daher ist das Unvermögen des Zahlungsverpflichteten vorrangig zu untersuchen. Die Behandlung des unverschuldet mittellosen Geldleistungspflichtigen seit dem älteren gemeinen Recht bis zum späten Nachmittag der Pandektistik und die Genese des Unvermögens werden im 1. Kapitel ausgebreitet. Im 2. Kapitel wird auf der Grundlage der Entstehungsgeschichte des BGB die aktuelle Rechtslage entwickelt. Dabei steht im Mittelpunkt, ob die gesetzliche Regelung des Unvermögens die Interessenkollision zwischen dem Geldgläubiger und seinem Schuldner angemessen löst. Die beiden anschließenden Kapitel behandeln den Schuldnerverzug. Ihre Anlage entspricht jener der vorigen Kapitel. Das 3. Kapitel hat die unverschuldete Mittellosigkeit als Entschuldigungsgrund vom Verzug sowie seine unter der Einwirkung des Unvermögens veränderte Interpretation vor allem in der Pandektenwissenschaft zum Gegenstand. In dem folgenden 4. Kapitel werden insbesondere die Bedingungen und die Folgen einer Exkulpation erörtert. Die Dogmengeschichte bereitet das Fundament fiir das geltende Recht vor. Jede Entscheidung über das heutige Recht ist aber mit verschiedenen wirtschaftlich motivierten Interessenlagen konfrontiert. Im 5. Kapitel werden deshalb die Folgen einer unverschuldeten Mittellosigkeit des Zahlungsverpflichteten mit dem Instrumentarium der modernen juristisch-ökonomischen Theorie untersucht. Die aus den ersten vier Kapiteln gewonnene Haftungsregel wird damit ebenfalls einer ökonomischen Beurteilung unterworfen. Dadurch soll die teleologische Interpretation um eine zusätzliche Perspektive erweitert werden. Über die Ergebnisse der Arbeit wird dann in der abschließenden Zusammenfassung nochmals Rechenschaft abgelegt.

25

RGZ 97,6 (9 ().

1. Kapitel Entwicklung und Geltung der Unmöglichkeitsregeln mr die nicht erfüllte Geldschuld I. Vorbemerkung Die Urunöglichkeit der Leistung ist ein prägender Begriff des BGB. Mit dem Tatbestand der Urunöglichkeit werden die gewichtigsten Leistungshindernisse erfaßt. Andere Regelungen über nicht ordnungsgemäß erfiillte Schuldverhältnisse werden also verdrängt. Ist einem mittellosen Geldschuldner die Leistung objektiv oder subjektiv unmöglich, so kann er nicht zugleich mit dieser Leistung in den Schuldnerverzug geraten sein. Vorrangig ist deshalb zu klären, ob eine Urunöglichkeit bzw. ein Unvermögen des Zahlungsverpflichteten eintreten kann. Daran lassen jedoch Tatbestand wie Rechtsfolgen der Urunöglichkeit Zweifel entstehen. Zum Verständnis dieser Thematik können gerade die Quellen beitragen, die das geltende Recht gespeist haben. Sie ermöglichen ein Verständnis des inneren Wesens der Regelungen, das nicht allein ihrer äußeren Form verpflichtet ist. Über die rechtliche Lösung des Interessenkonflikts zwischen Zahlungsverpflichtetem und -empfänger sind aber auch zahlreiche wissenschaftliche Überzeugungen ererbt, die unter Umständen die Wahrheit verdecken. Von den geschichtlichen Wurzeln dürfen deshalb nur die lebendig gehaltenen Zusammenhänge berücksichtigt werden. Überholte, abgestorbene Elemente des Rechtsbewußtseins sind abzustoßen1. Historische Forschung hat daher nicht allein nach verschütteten Pfaden der Erkenntnis zu suchen, sondern muß außerdem Irrwege als solche kennzeichnen. Seit den großen Arbeiten von Jakobs'l und Wollschlägef3 sind die grundlegenden Verläufe in der Entwicklungsgeschichte der Urunöglichkeitsregeln, aber auch viele Details, bekannt. Weiteres Licht in eine Reihe von Einzelfragen haben verschiedene andere Schriften gebrachr. Trotzdem liegt die Genesis der Prinzipien über die Angelehnt an die programmatischen Sätze von Savigny, System, Bd. I, Vorrede, insb. S. XIV f. Dem Einwand vonMarx. MEW I, S. 78, durch ein übersteigertes Quellenstudium gleichsam einem Schiffer zuzumuten, nicht auf dem Strom, sondern der Quelle zu fahren, fehlt deshalb die Berechtigung. 2 Unmöglichkeit und Nichterfullung. 3 Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre. 4 Z.B. Arp, Anfängliche Unmöglichkeit; Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen; Würthwein, Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen im Gemeinen Recht des 19. Jahrhun-

II. Älteres gemeines Recht

23

nicht erfiillte Geldschuld noch weitgehend im Dunkeln. Aus ihrem Entwicklungsgang sind Aufschlüsse über die Abstinenz des BGB bei den Vorschriften fiir unregelmäßig abgewickelte Zahlungsverpflichtungen und über die dort intendierten Folgen zu erwarten. Zuvorderst betrifft dies die Überlegung, welche Bedeutung das Unvermögen fiir Geldschulden besitzt. Sodann ist zu entscheiden, ob eine und gegebenenfalls welche Sonderbehandlung fiir sie erforderlich ist. Im römischen Obligationenrecht war ein selbständiger Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit unbekannt. Erst vor ca. 300 Jahren ist eine umfassende Regelung als nachträgliche Unmöglichkeit ausgebildet worden. Nach einer Phase des langsamen Wachstums ist dann die Unmöglichkeitslehre von der Pandektenwissenschaft entfaltet worden. In diesem Zeitabschnitt wurden auch die Begriffe der subjektiven Unmöglichkeit sowie des Unvermögens formuliert. Schnell reifte nunmehr auch die Ausnahme fiir die Geldschuld von der befreienden Wirkung einer nicht willentlich herbeigeführten Unmöglichkeit heran. Bislang ist dieser argumentative Reichtum des 19. Jahrhunderts keinesfalls vollständig erschlossen. Das Bemühen, die in diesem Zeitraum gelegten Grundlagen des heutigen Rechts zu gewinnen, bestimmt über das hier verfolgte rechtshistorische Interesse. Die dort geführten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die casus- bzw. Unmöglichkeitslehre stehen im Mittelpunkt dieses und parallel dazu die bei der mora debitoris oder dem Schuldnerverzug diskutierten Fragen im Zentrum des 3. Kapitels. Um einen Zugang fiir die Untersuchung der pandektistischen Konzeption zu erschließen, werden die Entwicklungsverläufe seit dem älteren gemeinen Recht in einigen großen Linien berichtet. Zuvor wird aber kurz dargestellt, zu welchen Konsequenzen die heute im BGB als nachträgliche Unmöglichkeit bezeichneten Obligationsstörungen im römischen Recht führten.

II. Die NichterftiUung der Geldschuld insbesondere im älteren gemeinen Recht 1. Entwicklungen seit der römischen Klassik In der römischen Antike ist fiir die verschiedenen Leistungsinhalte und Obligationen ein kompliziertes Regelungsgebäude errichtet worden. Auch die Obligationsverletzungen boten ein vielfach nach Klagetypen und Fallgruppen abgestuftes Bild. Ein wichtiges Unterscheidungskriterium eröffnete der strengere oder freiere Charakter der Obligation. Für strenge Verpflichtungen (iudicia stricti iuris) waren die rechtlich zu berücksichtigenden Verletzungsgründe auf ein Minimum reduziert. derts; aber auch Harting, Die "positiven Vertragsverletzungen" in der neuerendeutschen Privatrechtsgeschichte. Die Arbeit von Knorr, Die Entwicklung der Unmöglichkeitslehre im gemeinen Recht, beschränkt sich im wesentlichen auf eine Kompilation von Literaturstellen.

24

Kap. l: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

Bei strengrechtlichen Zahlungsverpflichtungen konnten die allein beachtlichen Störungen nicht eintreten. Das klassische Recht zeichnete sich fiir diese nicht erfiUlten Geldschulden durch die denkbar einfachste Lösung aus: Eine Obligationsverletzung war tatbestandlieh ausgeschlossen5 . Stets hatte der Geldschuldner die Obligation, aber auch nicht mehr, zu erfiUlen. Alleinaufgrund einer strengrechtlichen Zahlungsverpflichtung konnte noch keine Schadensersatz- bzw. Interesseleistung erlangt werden. Dazu bedurfte es einer gesonderten Vereinbanmg6. Im Gerichtsverfahren entschied der unterschiedliche Freiheitsgrad in einer Obligation über die Beurteilungsmöglichkeiten des Richters. Ihm fehlte bei den Klagen strengen Rechts (actiones stricti iuris) nahezu jeder Entscheidungsspielraum. Wurde aus einer derartigen Obligation über einen bestimmten Gegenstand prozessiert (intentio certa), so durfte der Richter lediglich ein Urteil fällen, welches den Gegenstand dem Kläger zusprach oder die Klage insgesamt abwies. Allerdings konnten im klassischen Formularprozeß Sachleistungsansprüche nicht zwangsweise realisiert werden, denn es galt das Prinzip der Geldkondemnation (condemnatio pecuniaria), wonach Leistungsurteile stets auf eine Geldsumme lauten mußten7 . Für die strengen Klagen auf dare oder reddere einer individualisierten Sache hätte daher jeder Sachuntergang zu einer Klageabweisung fUhren müssen, weil das dare oportere der Klageformel nicht mehr erfiUlt werden konnte. Sogar bei einer willentlichen Zerstörung des Leistungsgegenstandes durch den Schuldner wäre diese Konsequenz unausweichlich gewesen8• Um der zwingenden Folge einer Klageabweisung zu entgehen, fingierten schon die veteres die Fortexistenz der untergegangenen Sache. Falls der Gläubiger auf Veranlassung des Schuldners nicht zum Ziel gelangen konnte9, si per debitorem stetit, quominus solverat10, verfuhren sie so, als ob die Sache noch real vorhanden sei. Hierbei wurden zwei Fallgestaltungen berücksichtigt, ein Sachuntergang während des Verzugs oder aufgrundeines vorwertbaren Verhaltens des Schuldners. Als Folge dachten sie sich eine "Verewigung" der Obligation (perpetuatio obligationis) 11 , weshalb der Schuldner ungeachtet des Speziesuntergangs12 verurteilt werden konnte.

5 Girardlvon Mayr, Geschichte und System des römischen Rechtes, S. 703; Siber, Römisches Recht, Bd. II, S. 240; Harting, Die "positiven Vertragsverletzungen", S. 14 Fn. 13; Wo/lsch/ager, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 38; Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterflillung, S. 188. 6 Kaser, Römisches Privatrecht, § 37 I l. 7 Kaser, Das römische Ziviiprozessrecht, § 54 IV 1. 8 Rabe/, FS Bekker, S. 193 ff.; Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. l, § 115 II l. Auch die aus rechtlichen Gründen nicht erbringbaren Leistungen, wie die Übereignung einer res extra commerciurn, fiihrten zu diesen Konsequenzen. Insgesamt zum folgenden Feenstra, in: Daube Noster, S. 77 f 9 Gradenwitz, ZRG Rom.Abt. 34 (1913), S. 262; Genzmer, ZRG Rom.Abt. 44 (1924), S. 118. 10 Genzmer, ZRG Rom.Abt. 44 (1924), S. 101. 11 Kaser, Römisches Privatrecht, § 37 I 2; ders., Das römische Privatrecht, Bd. l, §§ 119 I, II, 115; Rabe!, FS Bekker, S. 193 ff. ; ders., Grundzüge des römischen Privatrechts, S. 132; Siber, Römisches Recht, Bd. II, S. 250 f. ; Kunke//Honse/1, Römisches Recht, § 96 II; Zimmermann. R., The Law

I I. Älteres gemeines Recht

25

In die beschriebene Systematik fiigten sich auch die strengrechtlichen Geldleistungsklagen ein. Gegenüber den sonstigen strengrechtlichen Obligationen etwa auf dare einer certa res war die auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtete Obligation bzw. Klage (wie die actio certae creditae pecuniae) sogar noch enger gefaßt13• Solange überhaupt irgendwelche Geldstücke existierten, blieben rechtserhebliche Störungen ausgeschlossen. Im klassischen römischen Recht war damit fiir strenge Zahlungsverpflichtungen ein der objektiven Unmöglichkeit gleichender Obligationsverletzungstatbestand überflüssig. Finanzielle Leistungshindernisse entlasteten den Geldschuldner nicht.

In der heutigen Rechtslage klingen diese römischen Rechtsprinzipien zum Teil noch an. Die Ursprünge der Regelungen des BGB über die objektive Unmöglichkeit sind bei den Störungen der strengrechtlichen actio certi und der perpetuatio obligationis zu verorten14. Als Muster fiir eine Leistungsunmöglichkeit des Zahlungsverpflichteten nach dem heutigen bürgerlichen Recht dürfen die strengrechtlichen Obligationen jedoch wohl nicht herangezogen werden. Die folgenden Epochen bewahrten das komplexe Rechtssystem der römischen Klassik nur teilweise. Im nachklassischen und oströmischen Recht wurden wesentliche Elemente des Obligationenrechts einschließlich der Verletzungstatbestände aufgegeben. Die Funktion des Sachuntergangs als wichtigster Obligationsaufhebungsgrund wurde aber im wesentlichen konserviert, weshalb dem mittellosen Geldschuldner auch in nachklassischer und späterer Zeit eine Entlastung aufgrund der Nichterfiillungsregeln versagt blieb 15• Der Terminus impossibilis erhielt aber seit dem Vulgarrecht auch eine Bedeutung fiir persönliche Hinderungsgründe und Zahlungsunfahigkeit16 • Im Mittelalter wurde fiir die Obligationen auf dare im allgemeinen die Sachkondernnation eröffnet. Den Obligationen auf facere und tradere schrieb man dagegen grundsätzlich noch die Geldkondemnation zu, nemo potest praecise cogi ad factwn 17. Die Realkondemnation fiihrte noch zu einer weiteren Konsequenz. Erstmals mußte bestimmt werden, wie es sich auf den Erfiillungsanspruch auswirkt, wenn der Schuldner nicht mehr in natura leisten kann. Wenn der Leistungsgegenstand zerstört worden war (interitus rei debitae), ofübligations, S. 785 f; kritisch aber Medicus, ZRG Rom. Abt. 86 (1969), S. 69 ff; Jakobs, Urunöglichkeit und Nichterfullung, S. 179 ff 12 Im weiteren Verlauf der rechtlichen Entwicklung wurde die Obligation auch bei Sachbeschädigungen perpetuiert, Genzmer. ZRG Rom.Abt. 44 (1924), S. 103 ff 13 Girardlvon Mayr, Geschichte und System des römischen Rechtes, S. 535; Kaser, Das römische Privatrecht, Bd. I,§ 115 III 1; Zimmermann. R., The Law ofübligations, S. 788; zum Rechtsgrund der Klage Siber, Römisches Recht, Bd. II, S. 214. 14 Rabe/, FS Bekker, S. 198; ders., RheinZ 3, S. 469; Wieacker, FS Nipperdey, S. 802; Feenstra, in: Daube Noster, S. 78. 15 Kaser, Das römische Privatrecht, 2. Bd, § 259 I; im vulgaren Recht wurde die Perpetuation als unnötige Rechtsfigur nicht mehr verstanden, vgl. Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. I 04 f 16 Levy, Weströmisches Vulgarrecht, S. 24; Wollschläger, Die Entstehung der Urunöglichkeitslehre, S. 20 f; ders., Sympotica Franz Wieacker, S. 167 f 17 Dilcher, ZRG Rom.Abt. 78 (1961), S. 306; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I,§ 84 II 1; differenzierend Nehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), S. 535 ff

26

Kap. I: Urunöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

sollte die Primärobligation erlöschen18• Zwingend war dies freilich nicht, denn die Obligation hätte auch auf eine vergleichbare Sache als Ersatz gerichtet werden können.

2. Alteres gemeines Recht

Die subjektive Komponente in dem Störungsgrund trat seit dem 17. Jahrhundert inuner stärker hervor. Johann Brunnemann (1608- 1672) erläuterte19 : "hnpossibile est autem, quod mihi non tantum, sed et aliis est impossibile."

Im Lexicon iuridicum aus dem Jahre 1594 wurde als impossibilis conditio bezeichnet20: "Cui natura impedimento est, quo minus existat... Cui contraria possibilis, ... pro impossibilibus habenlur, quae factu difficilia sunl."

Die auf den Schuldner bezogene persönliche Bedeutungsebene des quae factu difficilia sunt läßt sich nicht verkennen. a) Der Begriff der unmügligkeit Ein halbes Jahrhundert später trat im Gefolge des Dreißigjährigen Krieges eine neue Funktion der Unmöglichkeit hinzu. 1638 bezeichnete Zorer in seiner Abhandlung über die Kriegsfolgen den Vermögensverfall eines Schuldners als "scheinbare unmügligkeit"21 • Zwei Jahre später sprach auchAssum22 von Schuldnern, denen "die Bezah!Wlg Ihrer Schulden wegen des haaren Geh-Mangels ganz unmüglich"

geworden sei. Die Unmügligkeit wurde mit Armut und Not gleichgesetzt23 . Manz (1606- 1677) schrieb in seiner 1642 erschienenen, gegen Zorer, Assum und andere den Schuldner mildtätig behandelnde Autoren gewendeten Streitschrift "Belli civilis inter rigorosos creditores et calamitosos debitores" über impotentia vel

18 19

Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen, S. 185 li Brunnemann, Corrunentarius, 6. Aufl., 1714, besorgt von Samuel Stryk, ad D. 45, 1, 137,

impossibilitas. 20 Lexicon iuridicum, sub impossibilis conditio. 21 Zorer, Rechtinessiges Bedencken, Quaest. I, N. 177. 22 Assum, Telum necessitatis, S. 9. 23 Ebenda, S. 38, 41.

II. Älteres gemeines Recht

27

impossibilitas24• In der 3 Jahre später erschienenen deutschen Übersetzung hieß es2s: "Ja ob gleich ... den Schuldnern die bezahlung ihrer schulden wegen deß paaren Geh-mangels ganz WllllÖglich wäre, so ist doch die Abtrettung der versclnibenen hypothec nicht W11Döglich."

Trotz seines einschränkenden Nachsatzes berichtete Manz jedoch über weitreichende Konsequenzen einer Umnögligkeit26 : "So wirdt ja auch die Umnögligkeit I als ein rechlmässige wxl treffentliehe w=:h I den Schuldiner entschuldigen wxl entheben."

Die für anfängliche Hindernisse geltende Ce/sus-Regel D. 50, 17, 185, impossibilium non est obligatio, wurde von ihm auf Fälle nachträglicher Störungen übertragen27 und sollte von der mora exkulpieren. Die Urunöglichkeit trat nunmehr in dem Gewand eines Entschuldigungsgrundes vom Verzug aufl8 : "Impossibiliwn non est obligatio, wxl die impossibilitet und W11Dügligkeit ver=ht ein extra ordinari unnd sonderbares Recht .. Ein Pact oder geding einer sach so an ihr selbst WliDüglich I ist nicht gültig I und Unmüglichkeit entschuldiget von aller zusag... Also entschuldiget auch die WliDüglichkeit I welche durch keinen rnemchlichen fleiß hat können praecaviert unnd verhuettet werden I von dem sawnbsaal."

Als mora oder saumbsaal wußte Manz solche Situationen zu bezeichnen, in denen es bei dem Schuldner und seiner Willkür gestanden habe, daß er bezahle, während er entschuldigt werde, wenn es nicht an ihm gelegen habe29 . Weil der Verzugstatbestand auf die Willensrichtung und Fähigkeiten des Schuldners abstellte, erhielt die Urunüglichkeit die gleiche Bedeutung. Urunüglich war das, was außerhalb der Willkür des debitors stand. Manz entwarf zwar noch keinen eigenständigen Entlastungstatbestand der nachträglichen Urunöglichkeit, denn er beschränkte die Folgen auf die Verzugswirkungen. Zudem wäre ein solches Ergebnis mit seiner eigenen zurückhaltenden bis ablehnenden Position gegenüber einem extensiven Schuldnerschutz unvereinbar gewesen. Der von ihm referierte Entschuldigungsgrund der unmügligkeit bereitete diese Entwicklungen jedoch vor. 24 Manz, Belli civilis, Partis II, S. 33, N. 18 ff. 25 Ders., Zinß Schannützel (1645), S. 56 N. 26, der in dem Werk vor allem die Rolle eines Berichterstatters über die von beiden Seiten vorgetragenen Argumente übernalun. Manz selber stand einer Entlastung des Schuldners distanziert gegenüber, vgl. S. 192 N. 1, S. 237 N. 121. 26 Ebenda, S. 93 N. 20. 27 Vgl. ebenda, S. 95 N. 28, "fiirnemblich difficultet nach geflogener handJung unnd contract." 28 Ebenda, S. 94 N. 21 - 23, Manz spricht hier von den zugunsten der Schuldner, die in Bedrängnis geraten waren, angefiihrten Gründen. S.a. Assum, Telum necessitatis, S. 38, "Unmügligkeit entschuldigt von aller Zusag, ... Impossibilitas igitur a Mora excusat." Eine ganz andere Frage war, ob auch die Folge der Obligationsnichtigkeit übertragen werden sollte. Hierauf ist bei den Wirkungen einer Entschuldigung vom Verzug zurückzukommen. 29 Manz, Zinß Schannützel, S. 92 N. 12. ÄhnlichAssum, Telum necessitatis, S. 35 f.

28

Kap. I: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

David Mevius (1609 - 1670) erkannte die Unmöglichkeit als Entschuldigungsgrund ebenfalls an30 : "Impossibilia vero tempori condonantur, nec in obligationem veniunt, uti supra probatwn, utique etiam difficilia ista eximenda sunt a praestandi vinculo. Quibus hoc etiam concedictur ac JCtis quod excusationem praebent a mora."

Auch die Interpretation des impossibilis empfing Mitte des 18. Jahrhunderts eine derartige Aussage. Impossibile wurde nicht allein genannt, was nicht geschehen könne, sondern auch, was schwerlich praestiert werden könne3 1. Dreierlei sollte dafiir in Betracht kommen. Eine Sache könne der Natur nach unmöglich sein, etwas könne unmöglich zu tun sein, weil es schon geschehen sei, oder etwas könne wegen eines Gesetzes unmöglich sein32 . Der Ausdruck unmöglich kehrte hierin wieder, um dem naturalistischen Gehalt der Unmöglichkeit Ausdruck zu verleihen. Zugleich erfaßte dieser Tatbestand auch Leistungsschwierigkeiten. Das Unmögliche hatte eine weitgespannte, auf die Handlungsmöglichkeiten des Schuldners bezogene Bedeutung. b) Genus perire non potest Für die Erfiillung von Genusschulden galten ähnliche Grundsätze. Bis zum endgültigen Untergang der Sache konnte der Gläubiger bei ihnen die Naturalerfiillung durchsetzen. Um einen Sachuntergang zu begründen, mußte allerdings der Vielzahl möglicher Leistungsgegenstände Rechnung getragen werden. Dafiir wurde verlangt, daß entweder sämtliche zur Gattung gehörenden Gegenstände zerstört sind oder eine einzelne zur Erfiillung bestimmte Sache im Anschluß an einen Gläubigerverzug untergegangen ist. Abgesehen von diesem Fall der mora accipiendi, konnte die Genusobligation nur selten durch einen Hinderungsgrund aufgehoben werden. Azo (um 1150 - vor 1235) prägte für diese Sachlage die Formel "genus perire non potest"33 . Seit dem älteren gemeinen Recht wurde mit dieser Sentenz beschrieben, daß weder Gattungs-34 noch Geldschuldner35 durch ein begrenztes Leistungshindernis von ihrer Leistungspflicht befreit werden. Der Parömie wurde jedoch kein konstitutiver Inhalt beigemessen. Sie mußte also keinen rechtlichen Fortbestand der Gattungtrotz gattungsvernichtender Umstände gewährleisten36. Mit der Maxime wurde die Folge beschrieben, daß der Untergang 30

Mevius, Discussio levaminum (1718, I. Aufl. 1653), Cap. 1., N. 130 f Hermann, Deutliche Erklärung (1741), S. 411. 32 Ebenda, S. 411. 33 Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen, S. 278. 34 Mevius. Discussio levaminum (1718), Cap. I, N. 64; s.a. Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht, S. 25. 35 Manz. Zinß Scharmützel, S. 57 N. 35; s.a. Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen, S. 279 f 36 Sie begründete deshalb keine Fiktion, so aber Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 43. 31

II. Älteres gemeines Recht

29

eines einzelnen Gattungsstücks noch nicht obligationsaufhebend wirkt. Einem Denken, das darin geschult ist, die Grenzen der Leistungsverpflichtung zu untersuchen, erscheint ein solcher Satz selbstverständlich. In einer Situation, in der die Dimension einer NaturalerfiUlung gerade erst gewonnen wurde, mußte aber eine solche Erklärung eine positive Funktion besitzen, denn es wurden Zweifel über die beachtlichen Ursachen beseitigt. Die Anwendung der Parömie auf die Geldschuld zeigt, daß auch fiir die Geldleistung eine eigenständige ErfiUiungspflicht erkannt und eine Antwort gerade auf eine Obligationsstörung gesucht wurde. Sie lautete, fiir Geldschulden ist ein befreiend wirkender Nichterfilllungstatbestand praktisch auszuschließen, weil ein Untergang sämtlicher Leistungsgegenstände hier nicht in Betrachtkommt

3. Vor einem neuen Zeitalter

Die vergangeneo Epochen kannten jeweils Umstände, aufgrund derer ein Schuldner die Obligation nicht erfiUlen oder nicht haften mußte. Vielfach waren sie an dem Leitbild einer untergegangenen Sache orientiert. Auf den Geldschuldner konnte eine solche naturalistische Vorstellung nicht übertragen werden. Seit der römischen Antike galt fiir ihn eine besonders strenge Verantwortung. Über alle Wandlungen hinweg blieb es im wesentlichen bei dieser Konsequenz. Verschiedene Entwicklungen waren aber bis zum usus modemus pandectanun in Gang gesetzt, die auch fiir den Geldschuldner Wirkungen zeigten. Geld hatte seine Funktion als alleiniger Haftungsinhalt in der Exekution verloren. Mit der begrenzt zugelassenen Realvollstreckung trat die NaturalerfiUlung als Inhalt einer besonderen Pflicht hervor. Infolgedessen war erstmals zu bestimmen, unter welchen Umständen diese primäre Pflicht entfallen konnte. Weil die verpflichtenden Elemente der Geldobligation erkannt wurden, mußte auch fiir sie die Leistungsgrenze konkretisiert werden, wofiir die Aussage genus perire non potest gewonnen wurde. Parallel dazu büßte die Obligation einen Teil ihres strengen Charakters als Gläubigerrecht ein, denn Elementen des kanonistischen Schuldnerschutzes wurde ebenfalls die Bahn gebrochen. Diese Mosaiksteine fügten sich noch nicht zu einem geschlossenen Bild zusammen. Sie bereiteten aber die kommenden Veränderungen vor.

30

Kap. 1: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfllllte Geldschuld

111. Vernunftrecht und ALR- das Konzept der nachträglichen Unmöglichkeit 1. Die Entstehung des Begrifft der nachträglichen Unmöglichkeit Das vernunftgemäße Naturrecht der Aufklärung löste sich von der kasuistischkonkreten Vorstellung über die obligationsaufhebenden Umstände. Es wurde ein rechtlicher Begriff der nachträglichen Unmöglichkeit entwickelt und in einen allgemeinen und umfassenden Befreiungstatbestand eingekleidet. Diese Regel galt fiir sämtliche Obligationsgegenstände. Erstmals wurde die Mittellosigkeit des Geldschuldners in den Kreis der allgemeinen entlastenden Leistungshindernisse eingefiihrt. Zudem war bis zum usus modernus nach den subjektiven Prinzipien von dolus, culpa, casus und mora fiir Obligationsverletzungen gehaftet worden. Auch auf die Haftung sollte die Unmöglichkeit Einfluß gewinnen. a) Grundlagen Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch ein verändertes Obligationenverständnis37. Auf der Grundlage der aristotelischen Ethik und beeinflußt von scholastischen Lehren wurde im Vernunftrecht eine an der Willensfreiheit orientierte Vorstellung von der Obligation entwickelt. Allein eine freie Willensbetätigung sollte zu einer zurechenbaren Handlung und einem bindenden Versprechen fiihren38 . Nach der aristotelischen Lehre konnte eine Handlung lediglich dann gelobt oder getadelt werden, wenn sie auf einer freiwilligen Entscheidung beruhte. Dem Menschen sollte es aber versagt sein, sich fiir etwas Unmögliches zu entscheiden39. Eine unausführbare Handlung könne weder positiv noch negativ beurteilt werden. Treffe der Mensch auf etwas Unmögliches, so nehme er davon Abstand. BereitsAristote/es (384 v. Chr.- 322 v. Chr.) sah in einem nicht zu beschaffenden Geldbetrag das Exempel einer unmöglichen Handlung, von der ohne negative Folgen Abstand genommen werden konnte: ''Und wem der Mensch auf etwas Unmögliches stößt, nimmt er von seinem Vorhaben Abstand, z.B. werm er dazu Geld braucht, dieses aber WllllÖglich helbeigeschafft werden kann. fucheint aber das Vorbaben als möglich, so nimmt er die Sache in die Hand Möglich ist das, was wir durch eigene Kraft vollbringen können"40. 37 Zu seinem Ursprung Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 249 ff., 257, 284. 38 Vgl. Wollschläger, Sympotica Franz Wieacker, S. 156 ff.; ders., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 77 ff., 82 ff., dort auch zum folgenden. Außerdem Arp. Anfangliehe Unmöglichkeit, s. 127. 39 Nikomachische Ethik III 4 = p 1111 b 20 - 25: oo Es gibt nämlich kein Sichentscheiden fiir das Unmögliche, und wollte jemand sagen, er habe sich doch dafiir entschieden, so ist er offenbar schwach im Geiste. Unsere Wünsche dagegen können sich durchaus auf das Unmögliche richten. oo 40 Nikomachische Ethik 111 5 = p 1112 b 24-30.

III. Vernunftrecht und ALR

31

Die Kanonisten hoben sodann die Bedeutung des Bindungswillens fiir den Vertragszusanunenhang hervor. Aus den Grenzen dieses Willens erklärten sie, inwieweit das durch einen Eid bekräftigte feierliche Versprechen den Erklärenden vor Gott band41 • Auf diese Überlegungen gründeten die Vertreter des rationalen Naturrechts die von ihnen entwickelten Nichterfiillungsregeln42 • Der niederländische Humanist Hugo Grotius (1583 - 1645) schloß sich in seiner Versprechenslehre eng an die scholastischen Prinzipien an43 • Allein solche Handlungen, die der Versprechende bewirken konnte, betrachtete er als Gegenstand eines wirksamen Versprechens44. Daran fehlte es bei einer zerstörten bzw. verlorengegangenen Sache oder bei einer unmöglichen Handlung. War der Versprechende an dem Leistungshindernis schuldlos, so sollte darin keine Obligationsverletzung liegen. Der andere Teil konnte jedoch entweder die aestimatio erlangen oder von seiner Leistungspflicht befreit werden45 : "Ist die Befolgung eines Ver.;prechens unmöglich geworden, weil die Sache unlergegangen oder abhanden gekormmnen ist oder weil ein späterer Zustand die Handlung unmöglich gemacht hat, so wird zwar der Friede dadurch nicht gebrochen; ... aber der andere hat die Wahl, ob er auf eine vielleicht später mögliche Erfiillung warten oder eine Entschädigung verlangen oder von dem Gegenversprechen in bezug auf diesen Punkt nach dem Verhältnis des Wertes befreit sein will."

Aus der Willenssphäre des Versprechenden entwickelte Grotius den Unmöglichkeitsbegriff. Seine weitere Deutung blieb indessen fallgruppenorientiert und maß dem Tatbestand lediglich begrenzte Folgen bei. Einen allgemeinen und abstrakten Rechtsbegriff der Unmöglichkeit hatte Grotius damit noch nicht geschaffen. b) Die Formulierung der nachträglichen Unmöglichkeit durch Pufendorf Den Schritt zu einem umfassenden Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit vollzog Samue/ Pufendorf (1632 - 1694) in seinem 1672 erschienenen Werk "De iure naturae et gentium". In der Willens- und Versprechenslehre stellte er

41 Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I, § 79 VII, VIII; Wollschläger, Sympotica Franz Wieacker, S. 160 ff.; ders., Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 82; Caytas, Der unerflillbare Vertrag, S. 12. 42 Arp, Aniangliche Unmöglichkeit, S. 129 f., weist auf einen Einfluß dieser Strömungen schon auf die Kommentatoren hin. 43 Disselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, S. 44 ff.; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. I, § 31 III; s.a. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 284 ff. 44 Grotius, Deiure belli ac pacis, II 11 § 8.1; II 13 § 8; s.a. dens., Inleidinge tot de Hollandsehe Rechts-Geleerdheid, III 1 ( 19). 45 Ders., De iure belli ac pacis, III 20 § 37. Übersetzt von Schätze/, Drei Bücher vom Recht des Krieges und des Friedens.

32

Kap. I: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

einen systematischen Zusammenhang zur nachträglichen Unmöglichkeit hef"6. Der Schuldner sollte sich durch sein Versprechen allein zu solchen Handlungen binden können, die in seinem freien Willen standen. Der Versprechende war deshalb nur in den Grenzen seiner physischen und moralischen Fähigkeiten zu einer Sachleistung oder einer Handlung verpflichtet. In diesem Willensbezug bestand die einzige Übereinstimmung mit der unmügligkeit als Exkusationsgrund von der mora. Zu Leistungen und Handlungen, die seine Kräfte überstiegen, war der debitor nicht verpflichtet-47• Dazu stellte Pufondorf fest: "Impossibilium nullam dari obligationem"48. Aus den Leistungsgrenzen des Schuldners erklärte Pufondorf aber nicht nur diesen bereits bekannten Tatbestand der anfänglichen Unmöglichkeit. Sie veranlaßten ihn zu der neuen Distinktion einer im Zeitpunkt des Versprechens bzw. Vertragsschlusses erbringbaren, danach jedoch unmöglich gewordenen Leistung (post impossibilis facta). Eine zufällige, unverschuldete Unmöglichkeit sollte den nicht erfiillten Vertrag erlöschen lassen (pactum evanescit). In diesem Fall war die bereits entrichtete Gegenleistung zurückzuerstatten oder zu ersetzen. Ihr stellte Samuel Pufondorf die schuldhaft oder gar arglistig herbeigeführte Unmöglichkeit gegenüber. Ein arglistig handelnder Schuldner sollte zur höchsten Leistungsanstrengung verpflichtet sein sowie ergänzend bestraft werden49 : "Enimvero quando res eo tempore, quo promissio aut pactum suscipiebatur, praestitu fuit possibilis, post impossibilis facta, dispiciendum, utrum casu fortuitu, et citra culpam, an vero ex culpa, aut dolo hoc obtigerit Priori casu evanescit pactwn, ubi res adhuc sit integra. Ubi quid praestitum ab altero iam fuit, id restituendum, aut aequipollens reponendum. .. Ubi vero dolo quis sibi ipse vires implendi ademit, ad swnmum conatum tenetur, et velut in suplementum malo quoque potest multari."

Pufondorf leitete die anfängliche und die nachträgliche Unmöglichkeit aus einem einheitlichen Gedanken ab. Deshalb beeinflußte die Regelung der anfänglichen Unmöglichkeit die des nachträglichen Störungstatbestands. Außerdem übertrug er auch die Rechtsfolge der Obligationsnichtigkeit einer anfänglichen Unmöglichkeit auf die nachträgliche Obligationsverletzung. Mit dem Begriff der Unmöglichkeit beschrieb Pufondorf sehr plastisch die übermächtigen Hindernisse, die einer freien Entscheidung des Schuldners entgegenstanden. Es mußte überzeugen, daß eine Obligation nicht mehr erfiillt werden konnte, wenn dem Schuldner die erforderliche Erfiillungshandlung unmöglich war. Für alle rechtlich bedeutsamen Leistungshindernisse wies der Ausdruck ein allgemeingültiges Prinzip auf Über den Speziesuntergang und die erweiternden Anwendungsbeispiele hinaus, die doch stets nur einzelne Fallgruppen beschrieben, gelangte Pufondorf zu einer abstrakten Kennzeichnung der Obligationsverletzungen. 46

Bereits 1638 verwendete Zorer, Rechtmessiges Bedencken, Quaest. l, N. 177, zur KennzeichVermögensverfalls den Begrilf"scheinbare unmügligkeit". De iure naturae et gentium ( 1759), III 7 § I . Ebenda, § 2. Ebenda, § 3.

nun~ eines

4

48 49

III. Vernunftrecht und ALR

33

Allein aus dem Begriff heraus konnte allerdings nicht erklärt werden, wie das Gewicht des Störungsgrunds zu bestimmen war. Als Maß stellte Samue/ Pufendorf auf die persönliche Betahi.gung des Leistungspflichtigen ab. Ihm galten solche Handlungen als unmöglich, die der Schuldner aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten nicht ausfuhren konnte. Für eine Unterscheidung nach einzelnen Leistungsgegenständen und Obligationen blieb dabei kein Raum. Auch bei Zahlungsverpflichtungen konnte der Schuldner an die Grenze seiner Leistungsfahigkeit stoßen. Rechtlich mußte sie in gleicher Weise wie bei anderen Schuldgegenständen beiiicksichtigt werden. Als unüberwindbares Hindernis fuhrte die Zahlungsunfähigkeit des Verpflichteten zu einer Unmöglichkeit, die ihn von seiner Verpflichtung entband50. Das Beispiel des Aristoteles fand damit seine juristische Entsprechung. Der Satz des "genus perirenon potest" war hinfällig geworden. Auch bei den Rechtsfolgen löste sich Pufendorf weitgehend von den römischrechtlichen Vorlagen. Wie die anfangliehe hob auch die nachträgliche Unmöglichkeit den Vertrag auf. Den anderen Teil hielt er aber fiir berechtigt, seine bereits erbrachte Gegenleistung zuliick oder einen Ersatz fiir sie zu verlangen. Das wichtige periculum emptoris lehnte er ab51 • Zugleich hob er die Trennung zwischen den subjektiven Haftungs- und den äußerlich feststellbaren Befreiungstatbeständen etwa bei einem Sachuntergang auf. Ein einheitlicher Tatbestand konnte die Befreiung wie die Haftung rechtfertigen.

PuJendorf hat damit einen weiteren grundlegenden Wechsel vollzogen. Unter dem scholastischen Einfluß war die Haftung fiir Obligationsverletzungen an der Verantwortung fiir den Nächsten und den durch die Kriterien von dolus, culpa und casus gekennzeichneten unterschiedlichen Graden vorzuwerfender Verstöße ausgerichtet worden. Nach Pufendorf sollte dagegen der durch die eigenen Fähigkeiten begrenzte Wille des Schuldners, die Obligation zu erfiillen, über die Haftung entscheiden. Allerdings durfte sich der Versprechende nicht willentlich seiner Fähigkeiten begeben haben. Als Unmöglichkeit bezeichnete Pufendorf die Grenzen eines solchen willensgeleiteten Verhaltens. Über die allgemeinen Haftungsfolgen äußerte sich PuJendorf jedoch nur wenig bestimmt. Er schrieb sie lediglich fiir den dolos handelnden Schuldner vor. Zu erklären ist dies, weil er die gemeinrechtlichen Haftungs- bzw. Befreiungskriterien von dolus, culpa und casus weder vollständig aufgegeben noch endgültig mit dem neuen Rechtsgrund der Unmöglichkeit versöhnt hatte. Die Unmöglichkeit hob die Obligation auf, die andererseits noch als Haftungsgrundlage benötigt wurde. Diesen Gegensatz konnte Pufendorf nicht endgültig erklären. Auch wenn er das allgemeine Schädigungsverbot anfiihrte52 und eine Ausgleichspflicht fiir die NichterfiU50 Worauf Pufendorfin Oe iure naturae et gentium, III 7 § 3, verweist. 51 Ebenda, V 5 § 3; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 311; Wollschläger, Die Entstehung der Unrnöglichkeitslehre, S. 84. 52 Ebenda III 1 § I; zum allgemeinen Schädigungsverbot vgl. Schiemann, JuS 1989, S. 345, und hier S. 349. 3 Ahrens

34

Kap. I: Urunöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

lung bestehender Verbindlichkeiten aufstellte, blieben doch Unklarheiten bestehen53: "Danmurn etsi proprie ad rerurn laesionem pertinere videatur, ita tarnen late a nobis heic accipitur, ut notet onmem laesionem, oorruptionem, diminutionem, aut sublationem ejus quod noslrum jam est; aut interoeptionem ejus, quod ex jure perl"ecto debebamus habere; sive it dalum sit a natura, sive acadente facto lrumano aut lege atlributwn; aut denique omissionem ac denegationem alicujus praestationis, quam a1tec nobis ex obligatione perl"ecta tenebatur."

Mit den gemeinrechtlichen Normen wurde die Obligationsstörung anband der Willensrichtung des Schuldners beurteilt. Über den Störungstatbestand der Unmöglichkeit entschied dagegen die Intensität einer Willensbeeinträchtigung. Es hätte daher gerade über die Konkurrenzsituation zwischen diesen beiden Regelungskomplexen bei einem nicht absichtlich aber doch vorwertbar herbeigeführten Hindernis entschieden werden müssen. Zu dem Verhältnis von Willensrichtung und dem Grad der Hinderung bezog Pufondorf jedoch keine Stellung. Angeführt wurde von ihm fiir die Haftung nur der eine Fall, in dem der Verpflichtete aus eigener Macht das Leistungshindernis herbeigefuhrt hatte. Trotz der Obligationsstörung sollte sich der Schuldner dann nicht auf seine fehlende Entscheidungsfreiheit berufen dürfen. In welchen Situationen der Versprechende aber aus eigener Macht ein Hindernis herbeigefuhrt hatte, in den gemeinrechtlichen Kriterien formuliert, ob allein bei dolus oder auch bei culpa, blieb offen. 2. Weitere Entwicklungen

a) Finanzielle Leistungsschwäche als nachträgliche Unmöglichkeit Zum Ende des 18. Jahrhunderts formulierte Johann Ludwig &hmidt (1726 1792) ebenfalls einen umfassenden Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit als Rechtsgrund einer Obligationsverletzung. Die durch Pufondorf vermittelte willenstheoretische Tradition floß auch in &hmidts Unmöglichkeitsbegriff ein. Schon sein Obligationsverständnis legt dafiir Beweis ab. Allein freie Handlungen bildeten danach den Gegenstand von Verbindlichkeiten. Dem Versprechenden sollten solche Handlungen unmöglich sein, die er weder ausfuhren noch unterlassen konnte, weil sie nicht in seiner Freiheit lagen54 : "Bei dem Menschen ist etwas unmöglich, welches zu thun, oder zu lassen, nicht in seinem Vermögen steht.. Dieses kann sich zutragen, weil es entweder die Kräfte der Natur übersteigt, oder weil ihm ein zu befolgen-

des Gesetz solches veri>ietet. Daher kommt die physikalische Wld moralische Unmöglichkeit. Alle Veri>ind-

lichkeiten betreffen freye Handlungen. Was einer aber weder thun, noch lassen kann, das hängt nicht von seiner Fre)'heit ab. Ist ihm also unmöglich." 53

De officio horninis et civis (1737), I 6 § 5. Schmidt, J. L., Hinterlassene Abhandlungen, Nr. CXVIII, § 2, die 1795, also drei Jahre nach seinem Tod, veröffentlicht worden sind. 54

III. Vernunftrecht und ALR

35

Gestützt auf den fiir die anfängliche Unmöglichkeit geltenden Satz "impossibiliwn nulla obligatio est" sollte einer Klage die Einrede der Unmöglichkeit auch bei nachfolgenden Leistungshindernissen entgegengehalten werden können55 . Diese Einrede stand einem Beklagten lediglich bei einer wahren und von ihm nicht zu verantwortenden Unmöglichkeit zu. Falls er die Unmöglichkeit verschuldet hatte, sollte er wegen eines "Mißbrauchs seiner Freyheit" auf Schadensersatz haften56• Seinen Unmöglichkeitsbegriff erläuterte Schmidt anband eines Beispiels aus der gerichtlichen Praxis. Als forensisch erfahrener Beisitzer eines Schöffenstuhls sowie später des Hofgerichts57 wird er eine typische und besonders aussagekräftige Entscheidung vorgestellt haben. Der Rechtsstreit betraf eine Kirchenbaubeitragspflicht, über die zwei Gemeinden einen Vergleich abgeschlossen hatten. Danach war die Zahlungsverpflichtung auf die Mitglieder beider Gemeinden einheitlich nach der Zahl der Häuser verteilt worden. Die sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie etwa in der Größe der Häuser zum Ausdruck kamen, waren unberücksichtigt geblieben58 : "Allein es wurde dafiir gebalten, daß der Bey1rag zu geistlichen Anlagen, wenn selbiger auch gleich der Seelenpflege halber zu geschehen pflegte, gleichwohl nicht größer als es der Kirchenglieder Vennögenskräfte gestatteten, billig gefordert werden körmte; indem niemand zu etwas, das ilnn zu effiillen lUlOIÖglich wäre, verbindlich seyn und darzu angehalten werden körmte... Es wurde daher, nach geschehener Einlassung, auf Beweiß und Gegenbeweiß gesprochen und hnploranten bey dem ilmen zuerlcannten Beweiß besonders den Punkt mit darzuthun auferlegt, daß nach dem Vergleich vom Jahr 1708 die Umstände sich dergestah geändert hätten, daß ilmen die Aufuringang der beregten geistlichen Anlagen nach der Häuserzahl ganz lUlOIÖglich falle."

Jedes übermächtige Hindernis konnte der Obligation entgegengesetzt werden, soweit es die Willensfreiheit und willentliches Handeln ausschloß. Deshalb wurde die nachträgliche Unmöglichkeit selbst mit einer fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit begründet. Diese Vorstellung wurde in verschiedene Gedankengänge eingekleidet59 : "Zu der physischen Umnöglichkeit des Schuldigen rechne man nicht allein seine Geistes- und KörperKräfte, sondern auch sein äußeres Vennögen; zu der moralischen Umnöglichkeit desselben alle schlechte, dem Zweke der Güte, also dem Memchheitszweke und dessen möglicher Förderung zuwiderlaufende handlangen, die zum Herbeyschaffen des Ersatzes unwngänglich bey dem Schuldigen etfordert würden."

55 Ebenda, § I, in den zum Beleg angefiihrten Beispielen beschrieb Schmidt nachträgliche Obligationsverletzungen. 56 Ebenda, § 2 f. 57 Stintzing!Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 3. Abt., I. Hbd., Noten, S. 20!;Meusel, Lexikon, Bd. 12, S. 285. 58 Schmidt, J. L., Hinterlassene Abhandlungen, Nr. CXVIII, § 4. 59 Abicht, Neues System ( 1792), § 142.4.

36

Kap. I: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

Im Rahmen der Angabe an Zahhmgsstatt führte der Nettelbladt-Schüler Dabe-

low (1768 - 1830) a~:

"Die gedachte Aulhebung;;art der Verbindlichkeit fmdet ... in allen Fällen Statt, wenn der Schuldner darthun kann, daß es ihm unmöglich ist, mit dem in der Verbindlichk.eit begriffenen Gegenstande selbst, solche zu tilgen besonders wenn derselbe baares Geld seyn sollte, solches aufZutreiben."

Mit dieser Begründung schränkte er den Vorrang der Naturalerfiillung ein, denn der Schuldner sollte, wie Dabelow anschließend erläuterte, in einer derartigen Situation andere bewegliche oder unbewegliche Gegenstände leisten dürfen. Zu der weitergehenden Überlegung, ob die gesamte Obligation entfallen kann, drang er freilich nicht mehr vor. b) Subjektive und objektive Elemente der nachträglichen Unmöglichkeit Die willenstheoretischen Grundlagen der Unmöglichkeitslehre wurden von vielen Autoren vorgetragen61 . Verschiedene Rechtslehrer übernahrnen auch den Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit. Martini (1726 - 1800) etwa verwies auf den nachträglichen Störungseintritt, wenn der Versprechendeschuldhaft seine Leistungskräfte verloren habe. Dieser sei dann verpflichtet, auf jede denkbare Weise Ersatz zu leisten62. Vielfach wurde jedoch der Terminus Unmöglichkeit angefuhrt, ohne dabei zu differenzieren, ob er für anfangliehe oder nachträgliche Hindernisse gelten sollte63. Allgemein sollte aus einer Unmöglichkeit die Obligationsnichtigkeit resultieren64. Die Unmöglichkeit wurde als Leistungsfähigkeit rein subjektiv bestimmt und allein an den Möglichkeiten des Schuldners orientieft65. Häufig unterblieb allerdings eine Erläuterung ihres Begriffs, wodurch die Unmöglichkeit einen weithin unbestimmten Charakter trug. Meist wurden jedoch die Prinzipien über die Obligationsverletzungen aus den tradierten Haftungs- und Befreiungsvorschriften abgeleitet.

60 Dabelow, System der heutigen Civilrechtsgelahrtheit (1794), I. Theil, § 734 (Hervorhebung im Original). 61 Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts (I 790), § 229; Daries, Institutiones iurisprudentiae universalis (1757), § 424 Cor., § 824 111; Nettelbladt, Iurisprudentiae naturalis (1767), § 117. 62 Martini, Lehrbegriffe des Natur-, Staats- und Völkerrechts (1787/88), Bd. 1!, § 161; Höpf ner, Naturrecht (1785), § 75, denn er begründete sowohl eine Ersatzverpflichtung, wenn etwas versprochen wurde, von dem schon zum Zeitpunkt des Versprechens bekannt war, daß es nicht geleistet werden könne, als auch dann, wenn schuldhaft die Erfiillung des Vertrages unmöglich gemacht worden ist. 63 Hoffbauer, Naturrecht (1793), § 181; Schmalz, Das Recht der Natur (1795), Teil 1, §§ I 19 f; Hufeland, Lehrsätze des Naturrechts, §§ 228 f; Klein, Grundsätze der natürlichen Rechtswissenschaft ( 1797), § 191. 64 Vgl. Würthwein, Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, S. 43. 65 Vgl. Abicht, Neues System, §§ 142.4, 148, der bei erwerbbaren Gütern die persönlichen Kräfte (zur Leistung) verlangte.

Ill. Vernunftrecht und ALR

37

Infolge dieses Nebeneinanders beider Rechtsfiguren beeinflußten die dominierenden gemeinrechtlichen Regelungen über den dolus, die culpa und den casus auch die Interpretation der nachträglichen Unmöglichkeit. Heineccius (1681 1741) rechtfertigte mit der Obligationsnichtigkeit bei anfänglich unmöglichen Leistungen diese Folge fiir die nachträgliche Unmöglichkeit. Letztere beschränkte er jedoch auf den Speziesuntergang und maß damit diesem Begriff keinen über die gemeinrechtliche Regelung hinausgehenden Anwendungsbereich bei. Wer schuldhaftgehandelt habe oder bei wem die Sache während des Verzugs untergegangen sei, der werde durch die Unmöglichkeit nicht befreit und habe die Gefahr zu tragen66 : "... qui speciern promiserit, illa casu pereunte, Iiberetur,... neminern excuset impossibilitas, qui in culpa vel mora est: facile palet, periculum rei promissae ferre, qui in mora vel culpa est".

Trotz Unmöglichkeit wurde bei einer verschuldeten Störung die Obligation vielfach fiir wirksam gehalten und die Haftung aus einer Verletzung vertraglicher Treuepflichten abgeleitet67 • Soweit Christian Wolf! (1679 - 1754) die Bezeichnung Unmöglichkeit verwendete, ließ er sie nicht als umfassenden Aufhebungstatbestand gelten. Er fiihrte in dem Ausdruck nur die herkömmlichen gemeinrechtlichen Entlastungsprinzipien fort. Vor allem der Zufallsuntergang sollte das Versprechen erlöschen lassen, ohne eine Schadensersatzpflicht zu begründen68 . Bei ihm deutete sich aber ein Wechsel an, auf welche Weise die Unmöglichkeit erklärt wurde. Der Versprechende sollte weiterhin nur zu freiwilligen Handlungen verpflichtet sein. Als anfänglich unmöglich bezeichnete Wolf! Handlungen, welche die Kräfte des Verpflichteten überstiegen69. Außerdem betrachtete er aber solche Handlungen als unmöglich, die den Gesetzen der Logik widersprechen70 . Diesen logischen Bezug stellte auch Hellfo/d (1717- 1782) her. Der Versprechende werde in Widersprüche verwickelt, wenn eine Verpflichtung auf etwas Unmögliches gerichtet seF1• Die Obligation sollte deshalb bei einer nachträglichen Unmöglichkeit aufgehoben werden. Bei dolus, culpa oder casus habe der Schuldner auf das Interesse zu haften72 • Die Leistungskräfte bestimmten über die Obligationsstörung. c) Zur Bedeutung der vernunftrechtlichen Entwürfe Im 17. und 18. Jahrhundert formulierte die Rechtslehre den neuen Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit. Als Element der Versprechenslehre erklärte er, 66 67 68

69 70 71

72

Heineccius, Eiementa iuris naturae et gentium (1737), § 417, s.a. § 397. Würthwein, Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, S. 46. Institutiones iuris naturae et gentiUJn, § 420. Ebenda, § 411. Philosophia prima sive ontologia, §§ 79, 101. Iurisprudentia forensis (1766), § 7. Ebenda, § 316, § 317.

38

Kap. I: Urunöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

wann eine vernunftmäßige Willensbetätigung an der fehlenden Willensfreiheit scheitern mußte. Jede Willensbeeinträchtigung konnte in dem allumfassenden Tatbestand berücksichtigt werden. Einen anderen Baustein ftir diese Theorie lieferten auch die erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten. Ausgehend von naturrechtliehen Überlegungen war im holländischen Recht die Realexekution auch bei obligationes faciendi anerkannt worden73 • "Hodie in onmibus faciendi obligationibus praecise ad factwn oogi potest neq solvendo interesse liberatur promissor, qui faciendi facultatem habet".

Von dort kommend, setzte sich der umfassende Naturalerfiillungsanspruch auch im deutschen Naturrecht durch74. Drängender noch als bisher mußten deshalb die Grenzen der Vollstreckbarkeit berücksichtigt werden. Handlungspflichten erforderten aber ganz andere Entpflichtungsregeln als Sachverfolgungsansprüche. Die sich auftuende Lücke fiillte das handlungstheoretische Modell der Unmöglichkeit. Die extreme Welle der Willensdominanz im Tatbestand der Unmöglichkeit ebbte bald schon ab. Objektivierbare Grenzen, wie die Gesetze der Logik, traten an die Stelle der eingeschränkten Willensfreiheit. Das Handlungsunvermögen verlor als Befreiungstatbestand an Bedeutung. Die ungelöste Haftungsfrage und die Konkurrenz mit den gemeinrechtlichen Haftungsregeln taten ein übriges, um die Übemalune der neuen Vorstellungen zu behindern. Thre revolutionäre Aussage ftir Geldschulden, eine Entlastung bei finanzieller Leistungsschwäche zu ermöglichen, büßte die Unmöglichkeitslehre weitgehend ein. Zum Ende des 18. Jahrhunderts blieben nur wenig mehr als vereinzelte Erinnerungen an diese Konsequenz: Es gab zwar noch Ansätze, wie die Ausfiihrungen von Johann Ludwig &hmidt und Christoph Christian Dabelow belegen, die Unmöglichkeit auf unzureichende finanzielle Mittel zu erstrecken. Meist wurden jedoch andere Interpretationen gewählt. Die in dem willenstheoretischen Konzept verorteten Ursprünge der nachträglichen UnmöglichkeiC5 haben den Begriff allein in seiner Entstehungsphase, danach jedoch nicht mehr zu prägen vermocht.

3. Die nachträgliche Unmöglichkeit im ALR Zum ersten Mal wurde eine nachträglich unmöglich gewordene Erfiillung im ALR gesetzlich geregelt. Unter den Gründen, die einen Vertrag aufheben, führte das Gesetz auch diesen Tatbestand an. Nach verschiedenen Schuldgegenständen 73 Hugo Grotius hatte dies als naturrechtliehen Grundsatz anerkannt, vgl. Inleidinge tot de Hollandsehe Rechts-Geleerdheid, III, 3 ( 41 ); s.a. Groenewegen, Tractatus de legibus abrogatis ( 1649), Dig. Lib. XLII, Tit. I, I. 13, § 1; Nehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), S. .54.5, 547; allgemein Zimmermann, JZ 1990, S. 831. 74 Vgl. Würthwein, Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, S. 30; differenzierendNehlsen-von Stryk, AcP 193 (1993), S. 548 ff. 75 Wollschläger, Die Entstehung der Urunöglichkeitslehre, S. 82 ff., 92 und 118.

IIl. Vemuoftrecht und ALR

39

wurde nicht differenziert. Weder fiir Geld- noch fiir Gattungsobligationen ist also die ErfiillWlgsunmöglichkeit eigens normiert worden. Thre Rechtsfolgen bei diesen Schuldtypen müssen deshalb aus dem allgemeinen Verständnis der nachträglichen Unmöglichkeit entwickelt werden. a) Der Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit Sachlich mußte im ALR das materielle Recht an die erweiterten Befugnisse zur RealvollstreckWlg angepaßt werden. In ALR I 5 § 276, AGO I 24 §§ 48 ff., war dem Gläubiger das Recht eingeräwnt worden, HandlWlgspflichten gerichtlich durchzusetzen. Bedingt durch die veränderte Rechtslage mußten die befreienden oder haftungsbegründenden ObligationsstörWtgen mofassend bezeichnet werden. Eine solche KennzeichnWlg ermöglichte der Tatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit, ALR I 5 §§ 364ff. Wld I 11 §§ 879, 88476• Als Korrektiv der Vollstreckbarkeit vor allem von Handlungspflichten erfaßte die Unmöglichkeit einen weiteren Bereich als nur den SachWltergang. Diesem wnfassenderen Bezug stand aber eine engere FassWtg des Begriffs der Unmöglichkeit gegenüber. Verschiedene Fallgestaltungen wurden von den nicht erfüllbaren Leistungen ausgenommen. Dem Anwendungsfeld der Unmöglichkeit waren dadurch auch Grenzen gesetzt. Die nachträgliche Unmöglichkeit regelte ALR I 5 §§ 360- 376. Schon§ 374 versagte eine Befreiung, falls lediglich die ErfiillWlgsart erschwert, nicht aber unmöglich geworden ist. Auch veränderte Umstände sollten keine Unmöglichkeit begründen Wld den Schuldner nicht befreien, §§ 377- 384 d. T. Für die ErfiillWlgsverweigerWtg enthielten die§§ 393 - 413 eigene Bestimmungen. Neben anfänglich unmöglichen Handlungen oder Leistungen wurden WlZUlässige Vertragsgegenstände besonders geregelt. Dies betraf etwa Verträge über HandlWlgen oder Sachen eines Dritten sowie dem Verkehr entzogene Gegenstände oder Wterlaubte Handlungen, ALR I 5 §§ 40 ff Allein die fehlenden persönlichen Fähigkeiten des Schuldners sollten jedoch noch keine Unmöglichkeit begründen. Dies ist aus der RegelWlg von ALR I 5 § 374 zu folgern. War die ErfiillWlg nicht unmöglich geworden, sondern lediglich die ErfiillWlgsart erschwert, so sollte der Verpflichtete nicht entlastet werden. Ein in der Person des Schuldners bestehendes Hindernis rechtfertigte nach Kleins Auffassung noch keine Obligationsaufhebung77 : "Ist die Erflllllmg IUIIIIÖglich, ... 2) nur in der bestimmten Art. Das Hindernis entsteht: a) in der Person oder

durch Schuld eines Contrahenten; alsdann kamt der andere Theil eine ähnliche Erfil~ wählen, und muß von dem entschädigt werden, an welchem es liegt, daß die Erfilllung des V~ auf die bestimmte 76 Harting, Die "positiven Vertragsverletzungen", S. 84; zum weiteren Zusanunenhang vgl. Himmelschein, AcP 135 (1932), S. 258 f; Bielitz. Praktischer Kommentar (1823), weist bei I 5 §§ 360- 376 und bei§ 364 daraufhin, daß bei Verträgen über Handlungen diese Vorschriften nicht gelten. 77

Klein, System des Preussischen Civilrechts ( 1801), § 125.

40

Kap. I: Unmöglichkeitsregeln und die nicht effilllte Geldschuld

Art nicht erfolgen kann(§. 369- 372. h t). b) durch bloßen Zufall(§. 373. h t). Die Entschädigung fallt weg, aber auch die Bereicherung."

Der Unmöglichkeitsbegriff des ALR ist damit von dem subjektiv auf die Willensfreiheit des Versprechenden abstellenden naturrechtliehen Verständnis gelöst. Trotzdem schloß eine fehlende Leistungsfähigkeit des Schuldners die nachträgliche Unmöglichkeit nicht grundsätzlich aus. Eine Leistungsunfähigkeit mußte aber nach dem ALR aufgrund eines objektiven Verhaltensmaßstabs festgestellt werden können, wie § 376 belegt. Eindeutige Abgrenzungskriterien existierten jedoch nichC8 . b) Zur Systematik der Regelungen Als Rechtsfolge der zufälligen bzw. durch unabwendbare Gewalt und Übermacht herbeigefiihrten Unmöglichkeit wurde gemäß ALR I 5 § 364 der Vertrag aufgehoben. Bereits erbrachte Leistungen mußten zwückgegeben werden, ALR I 5 §§ 361, 365. Die Verpflichtungen waren wechselseitig miteinander verbunden79 An der Spitze der Vorschriften über die nachträgliche Unmöglichkeit wurde jedoch die Haftungsregelung konstituiert. Nach ALR I 5 § 360 sollte der Versprechende gemäß den §§ 277 ff. d. T. haften, falls er durch eigene Schuld nicht geben oder leisten konnte. Diese Vorschrift regelte die Einstandspflicht fiir eine verschuldete Unmöglichkeit, obwohl dieser Ausdruck noch nicht verwendet wurde8°. In dem Abschnitt über die Aufhebung der Verträge wegen einer Unmöglichkeit der Erfiillung mußte die zentrale Norm über die Obligationsaufhebung, die erst in § 364 geregelt ist, gegenüber einer Haftungsanordung zwücktreten. Aus dem Norminhalt ist noch nicht einsichtig, warum gerade die Haftungsvorschrift so sehr hervorgehoben wird. Der Haftungstatbestand des § 360 wiederholte, was in den §§ 277 ff. d. T. fiir Obligationsverletzungen bereits allgemein und umfassend geregelt worden war. Auch das Bestreben nach einer vollständigen Kodifizierung der unterschiedlichen Verschuldensgrade erklärt dieses Verhältnis nicht. In der exponierten Stellung der Haftungsregel kommt ein Entwicklungssprung des Gesetzes zum Ausdruck. Was früher eigens gegenüber der Aufhebungsregel konstruiert werden mußte, erscheint nunmehr als systematisch selbstverständliche Konsequenz: die Haftung fiir verschuldete Unmöglichkeit. Um den Kontrast zu der infolge einer (zufälligen) Unmöglichkeit nichtigen Obligation zu überwinden, 78 Bornemann, Systematische Darstellung des preussischen Civilrechts, Bd. 2 (1834), S. 629 f , überantwortet die Entscheidung, ob eine Unmöglichkeit der Erfiillung oder der Erfiillungsart vorliegt, also das Beispiel filr die Bedeutung der persönlichen Fähigkeiten, dem richterlichen Ermessen, weil es dafilr an festen Regeln fehle. 19 Diese Regelungen sind als vertragliche Rückforderungstatbestände bezeichnet und aus der condictio causa data causa non secuta abgeleitet worden, vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 106 ff. 80 Vgl. Gräjfu.a., Ergänzungen und Erläuterungen (1843), I 5 360; Bielitz, Praktischer Kommentar, I 5 § 360.

III. Vernunftrecht und ALR

41

mußte die Ersatzverpflichtung nicht vorangestellt werden. Überzeugender wäre möglicherweise die umgekehrte Abfolge gewesen. Sie hätte eher den Gedanken transportieren können, daß der Schuldner trotz Aufhebung bei einer zufälligen Unmöglichkeit haften muß. Die Positionierung wird jedoch verständlich, wenn die Regelung einen sachlichen Unterschied gegenüber den nachfolgenden Bestinunungen zum Ausdruck bringen sollte. Das trennende Element der unterschiedlichen Rechtsfolgen, einerseits Haftung andererseits Obligationsaufhebung, mußte dann schwerer als das gemeinsame Merkmal der Unmöglichkeit wiegen. Betont wurde nicht der einheitliche Tatbestand der Unmöglichkeit, sondern der vorweggestellte Haftungsgegenüber dem nachfolgenden Entlastungstatbestand. Gerade weil die Ersatzverpflichtung zu Beginn der Unmöglichkeitsvorschriften in § 360 wiederholt wird, obwohl sie bereits im umfassenden Sinn fiir ein Verschulden bei der Erfiillung eines Vertrags in den §§ 277 ff. d. T. bestimmt worden war, muß dieser Bestimmung eine über die Verweisung auf die dort vorfindliehen Haftungstatbestände hinausgehende Bedeutung beigemessen werden. Eine solche Systematik ist erforderlich, wenn zwar die Unmöglichkeit eine Veränderung des Pflichteninhalts zur Folge hatte, sie allein aber noch nicht zum Ausdruck brachte, welche Änderung eingetreten ist. lnfolge einer Unmöglichkeit sollte sich der Obligationsinhalt stets wandeln. Die vorangestellte Haftungsbestimmung weist dann auf, daß nicht die Unmöglichkeit als solche, sondern erst die Zurechnung über die jeweilige Rechtsfolge von Haftung oder Obligationsaufhebung entscheiden sollte'!': "Ist die Umnöglichkeit eine Folge der culpa, so handeh es sich nur wn die Entschädi~e. Ist sie dagegen eine Folge des casus, so handeh es sich wn die (eigentlich allein hierher gehörige) Frage von der Aufhebung des Vertrages."

Eine derartige Interpretation liegt gerade bei einem Unmöglichkeitstatbestand nahe, der als Reaktion auf eine umfassende Sachkondemnation eingefiihrt wurde. Durch eine Unmöglichkeit der Erfiillung wird die Naturalleistungsverpflichtung berührt. Ob aber daraus eine Freistellung oder eine Ersatzverpflichtung resultiert, bedurfte einer gesonderten Entscheidung. Hat der Versprechende nach ALR I 5 § 360 fiir die Unmöglichkeit zu haften, so blieb er dem anderen verpflichtet82• Bei einer verschuldeten Obligationsstörung entfiel also die Bindung nicht vollständig. Als Folge der nachträglichen Unmöglichkeit sollte dagegen nach § 364 der Vertrag aufgehoben werden. Die Haftung wurde der Obligationsaufhebung vorangestellt, damit letztere nicht in eine Einstandspflicht hineingedacht werden konnte. Die

81 82

Hey demann, Einleitung in das System des Preußischen Civilrechts, Bd. 1 ( 1861 ), S. 265. Bornemann, Systematische Darstellung des preussischen Civilrechts, S. 626 f

42

Kap. 1: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

Haftung ist deshalb nicht aus einer neuen Obligation, sondern aus der in veränderter Form fortbestehenden ursprünglichen Vetpflichtung herzuleiten83• Entscheidendes Kriteriwn dafiir, ob der Vetpflichtete vollkommen freigestellt werden oder ob er dem anderen haften sollte, war die persönliche Zurechnung als zufälliges oder von dem Vetpflichteten respektive Berechtigten zu verantwortendes Ereignis. Deswegen wurde auch die Rechtsfolgenanordnung nach dem Gegensatzpaar "reiner Zufall" und "nicht reiner Zufall" entschieden. Zu weit geht es allerdings, allein dem Zufall Bedeutung fiir die Veränderung der Obligation beizumessen, einer Unmöglichkeit, die nicht auf einem Zufall beruht, aber jeglichen Einfluß abzusprechen84. Eine solche Entwertung der Unmöglichkeit wird ihrer Stellung im Gesetz nicht gerecht. Die Unmöglichkeit der Leistung ist der Grund, der im Unterschied zu sonstigen zufällig veränderten Umständen eine Aufhebung des Vertrags rechtfertigt. So ist die Regelung auch nicht mehr mit der casus-Lehre vergleichbar. Die subjektiven Zurechnungskriterien entscheiden zwar über die Freistellung, doch begründete bereits die nach objektiven Merkmalen bestimmte Unmöglichkeit eine Veränderung der Erfiillungsvetpflichtung. c) Unmöglichkeit und Geldschuld- der Weg ins 19. Jahrhundert Über eine unmögliche Geldleistung ließ das Gesetz nichts verlauten. Mit ihrem gegenständlichen Bereich erfaßte die Unmöglichkeit im ALR nach den allgemeinen Prinzipien auch die Zahlungsverpflichtungen. Jede Leistung einschließlich der Geldleistung konnte unmöglich werden. Gegenüber den vernunftrechtlichen Anfangsgründen des Instituts hatte sich indessen der Aussagegehalt der Unmöglichkeit gewandelt. Ursprünglich war dem Schuldner jedes einer freien Willensentschließung unzugängliche Verhalten unmöglich. Zwangsläufig mußte der Schuldner bei jeder persönlichen Beeinträchtigung ohne Ausnahme von der Obligation entbunden werden. 1m ALR sollte die nachträgliche Unmöglichkeit entsprechend den objektiven Verhaltensanforderungen bestimmt werden. Auf diese Weise wurde der Tatbestand intetpretatorisch geöffnet. Unterschiedliche Standards konnten eine Unmöglichkeit begründen, wie sich bei der Geldschuld erweisen sollte. Finanzielle Leistungsschwierigkeiten konnten als Unmöglichkeit die Obligation aufheben, wenn die durchschnittlichen Anforderungen keine uneingeschränkte Leistungsfahigkeit erforderten. Ebenso konnte aber auch eine tatbestandliehe Unmöglichkeit, die zu einer Vertragsaufhebung ftihrt, abgelehnt werden. Noch in 83 Förster/Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. 1, S. 531, fiihrten 1892 aus, daß sich eine verschuldete Unmöglichkeit nur verändernd auf das Schuldverhältnis auswirke, während die objektive Unmöglichkeit sonst den Vertrag aufhebe; a.A Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 112. 84 Koch. Allgemeines Landrecht filr die preußischen Staaten (1852), 1 5 § 360 N. 87 und§ 277 N. 31. Ergänzend hält er jedoch den Hinweis filr geboten, daß diese Vorschriften den §§ 277 ff. nicht entgegenstehen sollen. Dies läßt erkennen, daß auch er den aus seiner Auffassung resultierenden Konflikt zwischen den §§ 277 ff. und § 360 verspürt hat, ihn jedoch sachlich nicht auflöst; s.a. dens., Das Recht der Forderungen, Bd. 2 (1840), § 136.

III. Vernunftrecht und ALR

43

der Mitte des 19. Jahrhunderts kam dieser Gegensatz in der Rechtsprechung zmn Tragen. Als Appellationsinstanz ging das Kammergericht noch von einer auf Geldmangel beruhenden Unmöglichkeit aus. Das preußische Obertribunal stellte dagegen in seinem Urteil aus dem Jahre 1858 fesfl 5 : "Die angenomnene Umnöglichkeit ... liegt allein in dem Mangel der dazu erforderlichen Geldmittel... Auf einen solchen Fall passen die Vorsclriften von der Umnöglichkeit der Erfilllung durch Zufall oder Ußab. wendbare Gewalt, mit welchen das Gesetz die Au1hebung des Vertrages verlmüpft, §§ 364. 373. a.a.O., überhaupt nicht & treten die Grundsätze § 270. I. 5., §§ 360. 393. ebendaselb& und§ 231. I. 11. des Allgemeinen I...arxkechts ein"

Von dieser Lösung wurde auch in der Literatur nicht mehr abgewichen. Eine unverschuldete Mittellosigkeit sollte nach preußischem Recht weder bei Geld- noch anderen Obligationen eine befreiende Unmöglichkeit begründen86 : "Die (subjective) Zahl~ähigkeit des Verpflichtelen steti jedoch der (objektiven) Unmöglichkeit der Erfullung nicht gleich - eine Leistung wird durch den Mangel der erforderlichen Geldmittel noch nicht unmöglich."

Mit seinen Vorschriften über die Unmöglichkeit der Erfiillung hat das preußische ALR einen mehrfachen Brückenschlag vollzogen. Sein Unmöglichkeitsbegriff leitete von einem individuell-handlungstheoretischen Modell zu einem objektivierten Verhaltensmaßstab über. Spätere Formen einer Objektivierung der Obligationsstörungen fanden darin ihre erste Vorbereitung. Vor allem aber wurde die Kluft zwischen dem vernunftrechtlichen obligationsaufhebenden Tatbestand der Unmöglichkeit und den gemeinrechtlichen Haftungsregeln überwunden. ln seinen offenen und den verdeckten Aussagen über die verschuldete Unmöglichkeit gab das ALR vielfachen Anstoß fiir künftige Entwicklungen. Auf dem so vorbereiteten Weg schritten die Pandektisten trotzmancher Vorbehalte gegen das Gesetz fort.

85 86

Striethorst 27, 372 (374). Heydemann, Einleitung in das System des Preußischen Civilrechts, Bd. 1 (1861), S. 267, unter Hinweis aufStriethorst 27, S. 372- 374 sowie 137. §. 4 de V.O. und Savigny, Obligationenrecht, Bd. I, S. 384 ff.; außerdem Koch. Allgemeines Landrecht filr die preußischen Staaten, 6. Aufl., 1874, I 5 § 360 Anm. 58; Förster!Eccius, Preußisches Privatrecht, Bd. I, S. 389, 530 Fn. 20; Dernburg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts, Das Obligationenrecht ( 1882), § 23, der dort in Anm. 2 auf die subjektive Unmöglichkeit und D. 45, 1, 137, 4 verwies.

44

Kap. 1: Urunöglichkeitsregeln und die nicht erfiillte Geldschuld

IV. Die Pandektistik- Veränderungen der Unmöglichkeitslehre 1. Die Zeit des Übergangs Die vernunftrechtliche Wissenschaft hatte den neuen Haftungs- und Befreiungstatbestand der nachträglichen Unmöglichkeit formuliert. In der täglichen Praxis und der Wissenschaft konnte sich dieser Begriff etablieren. Gerade als Haftungsregeln besaßen jedoch die hergebrachten Tatbestände von dolus, culpa und casus nach wie vor eine starke Anziehungskraft. So wurden in der Zeit des rationalen Naturrechts nicht verpflichtungsgemäß erfiillte Obligationen nach zwei unterschiedlichen Systematiken beurteiltl7, die auf verschiedenen theoretischen Grundlagen beruhten. Aus den beiden nebeneinander geltenden Instituten bestand die Erbschaft, die die Erneuerer der Rechtswissenschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts antraten. In ihrer Lehre über die Obligationsstörungen setzte sich dann aber der Rechtsbegriff der Unmöglichkeit immer weiter durch. Er trat in der Pandektenwissenschaft weitgehend an die Stelle von dolus, culpa und casus. Bei den Rechtsfolgen fiihrte dies jedoch zu keinen grundlegenden Divergenzen gegenüber den gemeinrechtlichen Maximen. Bei einer Übernahme der auf Pufendorf zurückgehenden vernunftrechtlichen Konstruktion hätte damit auch fiir die Geldschuld eine befreiend wirkende Unmöglichkeit anerkannt werden müssen. Ganz überwiegend wurde eine solche Konsequenz jedoch nicht gezogen. Im Gegenteil schloß man fiir Zahlungsverpflichtete entweder den Tatbestand der Unmöglichkeit oder zumindest deren entlastende Rechtsfolge aus. In dieser juristischen Konzeption spiegelte sich wohl auch ein Teil der philosophischen Vorstellungen der Zeit wieder, in der die menschliche Entscheidungsfreiheit neu bestimmt wurde. Immanuel Kant (1724 - 1804) hatte die aus dem kategorischen Imperativ resultierenden Anforderungen an den Menschen u.a. mit dem Beispiel erläutert, daß sich jemand durch Not gedrungen sieht, Geld zu borgen. Ohne festes Rückzahlungsversprechen werde ihm nichts geliehen, doch weiß er, daß er das Geld nicht zurückzahlen können wird. Bei der Überlegung, ob ein solches Versprechen als allgemeine Maxime vorstellbar sei, fiihrte Kant aus88 : "Denn die Allgemeinheit eines Gesetzes, daß jeder, nachdem er in Not zu sein glaubt, versprechen kötme, was ilnn einlalh mit dem Vor.;atz, es nicht zu hahen, würde das Versprechen und den Zweck. den man damit haben mag, selbst urunöglich machen, indem niemand glauben würde, daß ilnn etwas ver.;prochen sei."

Der Verantwortung fiir die Folgen einer Handlung wird hier gerade mit dem Beispiel von geliehenem Geld Bahn gebrochen. Die Freiheit der Entscheidung 87 88

Vgl. Würthwein, Zur Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, S. 98. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 44.

IV. Die Pandektistik

45

bedingt fur den pflichtbewußten Menschen, sein Versprechen einzuhalten und den anderen in seiner materiellen Sicherheit nicht zu gefährden. Nach Kant ist sich der Mensch allerdings der Folgen seiner Handlungen bewußt. Dies unterscheidet seine Ausfuhnmgen von der juristischen Dogmatik, die auch eine unvollständige Folgenorientierung bewältigen muß. 2. Die Grundlagen in der gemeinrechtlichen Lehre von den Obligationsverletzungen Am Anfang des 19. Jahrhunderts löste sich die Rechtswissenschaft unter dem beherrschenden Einfluß der historischen Rechtsschule überwiegend von dem rationalistischen Naturrecht des Vemunftzeitaltersll9 • Methodisch suchte diese Schule die geschichtlichen Elemente des Rechts in eine eigenständige systematische Ordnung zu bringen90. Ihre Besinnung auf die historischen, und das heißt hier römischen Grundlagen des Rechts fiihrte jedoch nicht dazu, die in der Antike unbekannte Kategorie der nachträglichen Unmöglichkeit zu verabschieden. Überhaupt verzichtete die historische Rechtsschule häufig darauf, über die begrifilichen Grundlagen ihres Lehrgebäudes, etwa in dem Ausdruck impossibilis, Rechenschaft abzulegen91 • Dadurch gelangte die Pandektenwissenschaft zu einem geradezu widersprüchlichen Resultat. Ihre Rückkehr zu den klassischen Grundlagen des Rechts trug entscheidend dazu bei, die dem römischen Recht entstanunenden Haftungs- und Befreiungsbegriffe aufzugeben und durch die neue Bezeichnung der nachträglichen Unmöglichkeit zu ersetzen.

Die aufblühende Pandektenwissenschaft setzte sich mit den Bedingungen und Folgen von Obligationsverletzungen intensiv auseinander. Dabei belebte sie zunächst die Lehre von der culpa neu92 • Die Vielzahl der diskutierten Probleme und Ansichten verstellte jedoch eher den Blick auf tragfähige Lösungen. Zu diesen Unsicherheiten trugen auch die mehrdeutigen Inhalte der römischen Terminologie bei. Entsprechend der gemeinrechtlichen Tradition wurden dolus und culpa regelmäßig als eigene subjektiv ausgerichtete Haftungsgrundlagen angesehen93• Als

89 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 351 ff.; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, § 7 II 2 a. 90 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 353 ff. ; Coing, Europäisches Privatrecht, Bd. II, § 7 II I. 91 Vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 125. 92 Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen, S. I 02. 93 Höpfner, Theoretisch-practischer Cornmentar (1787), § 756; Unterholzner!Huschke, Quellenmäßige Zusammenstellung (1840), Bd. I , S. 278; Wening-lngenheim, Lehrbuch des Gemeinen Civilrechtes, Bd. I , § 239 ff.; Mackeldey, Lehrbuch der Institutionen des heutigen römischen Privatrechts (1814), § 516; ders., Lehrbuch des heutigen römischen Rechts ( 1831), Bd. I,§ 343; Thibautl Buchholz, System des Pandektenrechts, Bd. I , 9. Aufl., 1846, § 167; Keller/ Friedberg, Pandekten, Bd. I (1866), § 248.

46

Kap. 1: Urunöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

casus bezeichnete die Lehre meistens willensunabhängi.ge, d.h. nicht vorhersehbare oder unabwendbare Geschehen94 : "Zufall (casus fol1ui1us ...) ist ein vom mellSCblichen Willen unabhängiges Ereigniß, überhaupt alles, was durch menschlichen Verstand entweder- gar nicht vO!herzusehen ist, oder, was vorhergesehen, doch nicht

abgewendet werden kann"

Manche bezeichneten jedoch auch den zufälligen Schaden mit diesem Ausdruck95. Schließlich wurde in ihm auch der Inbegriff aller in Beziehung auf einen Gegenstand in Betracht kommenden Verhältnisse und Umstände oder die Beschaffenheit bzw. der Zustand eines Objekts gesehen96 • Nach der Maxime "casus ... a nullo praestantur"97 sollten diese Ereignisse den Schuldner entlasten. Die wichtigsten Beispielsfalle gaben die Obligationen über Sachleistungen, bei denen regelmäßig auf den interitus rei debitae als Ursache verwiesen wurde98• Nur vereinzelt wurden auch andere Obligationsarten erwähnt. Eine Ausnahme bildete der Hinweis auf dencasusbei einem versprochenen Facturn99 : "Wenn Jemand ein Factwn versprochen hat, Wld ein Casus passiret: so trifft er denjenigen, in dessen Person er sich zuträgt: das heißt wenn ich a) ein Factwn verspreche, Wld durch einen Unglücksfall verhindert werde es zu leisten: so kann ich den ausbedungen Lolm nicht fordern. Z. B. wenn der Laquai, die Magd krank wird: so hört während der Krankheit Kost Wld Lolm auf. b) Wenn ich ein Factwn versprochen habe, Wld

dazu bereit bin; der andere aber durch Unglücksfall gehindert wird, es sich leisten zu lassen: so kann ich den ausbedungenen Lolm verlangen Z. B. dem Kutscher, dem Laufer, dem Friseur gebührt Kost und Lohn, wenn gleich der Herr krankheitswegen ihre Dienste nicht brauchte."

Die aus dem eingetretenen Zufall (casus) resultierende Vermögenseinbuße wurde in der Regel als Gefahr (periculum) bezeichnet100• Mehrere Arten von Gefahren 94 Bucher, Das Recht der Forderungen (1830), § 47; ähnlich Wening-Ingenheim, Lehrbuch des Gemeinen Civilrechtes, § 201;Mackeldey, Lehrbuch des heutigen römischen Rechts,§ 341; Schilling, Lehrbuch rur Institutionen und Geschichte des römischen Privatrechts, Bd. 3 (1846), § 234; Glück, Ausruhrliehe Erläuterung der Pandecten, 4. Theil, 1. Abth. (1796), § 321; Keller/ Friedberg, Pandekten, § 250, bezeichnen ihn als Negation, Unterholzner!Huschke, Quellenmäßige Zusammenstellung, S. 284, als Tatbestand fehlender Zurechnung. 95 Goose, Jahrbücher f d. Dogmatik 9 (1870), S. 199, erklärt, "casus ist also der Schaden- oder ... die Urunöglichkeit, welche dem Schuldner nicht imputiert werden kann". Später in diesem Sinn auch Fischer, JherJb 37 (1897), S. 266 f 96 Böcking, Pandekten, Bd. 1 (1853), § 102 Fn. 3. 97 D. 50, 17, 23. 98 Höpfner, Theoretisch-practischer Commentar (1787), § 761; ders., 7. Auf!., 1803, § 984; H ofacker, Principia iuris civilis, Tom. IIl ( 1803), § 4106; H aubold, lnstitutionum iuris romani privati (1814), § 785; Bucher, Das Recht der Forderungen, § 165; Glück, Ausruhrliehe Erläuterung der Pandecten, 4. Theil, I. Abth., § 326 b. 99 H öpfner, Theoretisch-practischer Commentar ( 1787), § 761. Ausruhrlieh zur Entwicklung der Gefahrtragungslehre bei Dienstverträgen Rückert, ZNR 1984, S. 50 ff. 100 Wening-Ingenheim, Lehrbuch des Gemeinen Civilrechtes, Bd. 1, § 201; Mackeldey, Lehrbuch der Institutionen des heutigen Römischen Privatrechts, § 517; ders., Lehrbuch des heutigen römischen Rechts, § 341; Schilling, Lehrbuch fiir Institutionen und Geschichte des römischen

IV. Die Pandektistik

47

wurden unterschieden101 und die Folgen den Parteien auf verschiedene Weise zugereclmet102• Es konnte aber auch eine casus-Haftung vereinbart werden103• Vielfach wurde ein besonderer Haftungstatbestand angenommen, wenn ein zufälliges Ereignis durch eine schuldhafte Handlung herbeigefuhrt worden war (casus mixtus)104. Im Anschluß an die gerneinrechtliche Doktrin hatte sich eine unübersichtliche, durch vielfache begrifiliche Übersclmeidungen und sachliche Abweichungen geprägte Situation ergeben. Inhaltlich vollzog die Rechtslehre eine Dreiteilung. Über Haftung oder Entlastung entschieden die subjektiven Tatbestände von dolus, culpa undcasusmit ihrenjeweiligen Abwandlungen. Als Grund, der den Versprechenden von der Obligation freistellte, wurde meist der interitus rei debitae genannt. Der nicht mehr erbringbare Leistungsgegenstand gab das prägnanteste Beispiel für den casus ab. Diese naturalistische Vorstellung wurde mit dem fehlenden Vorwurf zu einem Befreiungstatbestand verflochten. Eine Synthese aus seinen gegenständlichen und psychologischen Elementen gelang indessen nicht. Beide blieben selbständige Bestandteile einer Regel. Die Folgen einer solchen Obligationsstörung wurden sodann unter dem Stichwort des periculum erörtert.

3. Der Einfluß der gemeinrechtlichen Lehre aufdie Unmöglichkeitsdoktrin a) Erste Ansätze einer pandektistischen Unmöglichkeitslehre Die vielgestaltigen und widersprüchlichen Distinktionen der hergebrachten rechtlichen Kategorien mußten das Bedürfnis nach einem einheitlichen Ordnungskriterium wecken. Dies bot der kaum vorbelastete, sich zugleich durch eine produktive Offenheit auszeiclmende Begriff der nachträglichen Unmöglichkeit an. Dieser Terminus wies zwar ebenfalls ein gewisses Bedeutungsspektnun auf Im Vergleich zu den sich in einer verwirrenden Vielfalt darbietenden gerneinrechtlichen Normen wogen jedoch die daraus resultierenden Schwierigkeiten wenig. Privatrechts, § 234; Hasse, Die culpa des römischen Rechts, I. Aufl., S. 378, 380, neiUlt das periculum einen schwankenden und wenig befestigten Begriff, fiir das es keine spezielle Bedeutung gebe, s.a. S. 425; Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2 (1847), S. 466 Fn. 45, weist ebenfalls auf den schwankenden Gebrauch des Ausdrucks hin. Nach Keller! Friedberg, Pandekten, § 250.6, soll die Bezeichnung periculum auch auf dolus und culpa zu beziehen sein. 101 Zumeist periculum interitus aber auch periculum deteriorationisoder periculum furti vel dejectionis, vg). Unterholzner!Huschke, Quellenmäßige Zusammenstellung, Bd. 1, S. 284; Hepp, Die Zurechnung (1838), S. 52; auch Thibaut/Buchholz, System des Pandektenrechts, Bd. 1, 9. Aufl., 1846, § 405. 102 Seuffert, J. A., Lehrbuch des praktischen Pandektenrechts, Bd. 2, 1. Aufl., 1825, § 277; Hepp, Die Zurechnung, S. 41 ff. 103 Keller!Friedberg, Pandekten, § 250.5; Schilling, Lehrbuch fiir Institutionen und Geschichte des römischen Privatrechts, Bd. 3, § 234; Bucher, Das Recht der Forderungen, § 47. 104 Höpfner, Theoretisch-practischer Commentar, § 754; Bucher, Das Recht der Forderungen,

§47.

48

Kap. 1: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

Zudem war der Boden fiir die Unmöglichkeitslehre vorbereitet, weil es sich nicht um eine vollständig neue Konzeption handelte. Das Wissen um diese vernunftrechtliche Schöpfung war durch die Naturrechtslehrbücher105 sowie das in Preußen geltende Landrecht und die über diesen Stoff stattfindenden Vorlesungen106 erhalten geblieben. Bereits Glück (1755 - 1831) untersuchte in seinem Pandektenkommentar die Folgen eines unmöglich zu erfiillenden Versprechens. Hierzu stellte er fest: "... der Prornißor (wird) von der Edllllung seines Versprechens dispensiert, wenn die Sache ohne seine Schuld in einen solchen Zustand gerathen, daß die Edllllung des Versprechens ganz wmöglich ist"107. "Soll die Unmöglichkeit die aus dem Vertrage entstehende Verbindlichkeit ganz aufheben, so daß gar keine Klage wider den Promissor statt findet; so muß er an dieser Unmöglichkeit, sein Ver.;prechen zu erfiillen, nicht schuld seyn. Denn wenn dieses ist, und Promittent hat sich aus Vorsatz, oder durch eine solche Nachläßigkeit, die er ru vertreten hat, selbst ausser Stand gesetzt, sein Vmprechen zu erfiillen, so haftet er zur Schadenser.;etzu und Leistung des Interesse, wenn er gleich jetzt in einer Unmöglichkeit sich befindet"' 08.

Seit der 1805 erschienenen 2. Auflage seines Lehrbuchs bezog sich auch Thibaut (1772 - 1840) in der Lehre vorn Zufall auf die Unmöglichkeit der Leistung. Die Ausfiihrungen der ersten Auflage ergänzte er dort um den Zusatz, der Verpflichtete habe zu beweisen, daß die Unmöglichkeit der Leistung nicht durch sein freies Factum eingetreten seil09. Im Anschluß an Heises 1807 publiziertes System des gemeinen Civilrechts fand die nachträgliche Unmöglichkeit weithin Eingang in die Pandektenkompendien und Lehrbücher110. b) Objektive Elemente der Unmöglichkeit Als nachträgliche Unmöglichkeit wurde vor allem die gestörte Sachherrschaft mit dem Beispiel der untergegangenen Sache111 behandelt. Der Sachuntergang stand im Mittelpunkt der erörterten Fallbeispiele112 • Vereinzelt wurde er sogar als 105 106

Z. 8 . Schilling, Lehrbuch des Naturrechts, 1. Abt. ( 1859), §§ 123, 144 ff Vgl. Scherner, Rücktrittsrecht wegen Nichterfiillung, S. 142 f. Seit 1819 wurden auch von Savigny Vorlesungen über diesen Stoff gehalten, vgl. Strauch, FG E. von Hippe!, S. 245, wobei Savigny unter dem Stichwort "Veränderungen der Obligation" auch ALR I 5 behandelte, vgl. ebenda, s. 263. 107 Glück, Ausfuhrliehe Erläuterung der Pandecten, 4. Theil, I. Abth. (1796), § 316 bei Fn. 75. 108 Ebenda, § 317. 109 Vgl. System des Pandekten-Rechts, 2. Aufl., Bd. 1, § 175 a.E., mit der 1. Aufl., 1803, § 157. 110 Heise, Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, 3. Buch, 4. Kapitel, §§ 108 f. ; vgl. weiter Schwarz, A ., ZRG Rom.Abt. 42 (1921), S. 581 f. ; Stintzing!Landsberg, Geschichte der Deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 3, Hbd. 2, Text, S. 96; zur Übernahme durch Savigny s. Lenel, ZRG Rom. Abt. 36 (1915), S. 116 u.ö.; Rückert, Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedlich Carl von Savigny, S. 111. 111 Harting, Die "positiven Vertragsverletzungen", S. 97. 112 Glück, Ausfuhrliehe Erläuterung der Pandecten, 4. Theil, I. Abth., § 316; Wening-Jngenheim, Lehrbuch des Gemeinen Civilrechtes, Bd. 1, § 201; Seuffert, J. A., Lehrbuch des praktischen Pandektenrechts, Bd. 2, 1. Aufl., 1825, § 285; Sintenis, Das practische gemeine Civilrecht, Bd. 2

IV. Die Pandektistik

49

alleiniges Exempel fiir die Unmöglichkeit angefiihrt113. Die nachträgliche Unmöglichkeit nahm die Stelle des interitus rei debitae ein114: "Hat dagegen irgend ein Zufall die Leistung WIJII()glich gemacht, so wird on, indem eine solche subjektive Unmöglichkeit gar nicht beachtet wird Übrigens kann die Gränze zwischen dieser Unerreichbark.eit wid der bloßen Schwierigkeit, welche von der Erfiillung keinesweges befreyt, freylich nicht durch allgemeine Regeln, sondern nur im einzelnen Fall durch richterliches Ermessen bestimm1 werden."

Unerschwingliche Ereignisse begründeten also keine unmöglichen Bedingungen. In ihren Wirkungen glich Savigny sie jedoch diesen an. Die Ursache fiir die Unerschwinglichkeit einer Handlung mußte aus den allgerneinen Verhältnissen resultieren. Eine Erfiillung durfte nicht völlig undenkbar sein. Sie sollte jedoch, wie die Freilassung eines Sklaven gegen Zahlung von 5 Mio. Thalern, als "wahre" Unmöglichkeit gelten können. Das gleiche treffe auf die Bedingung zu, einem Testator binnen drei Tagen nach seinem Tod ein Denkmal zu errichten. Es sei zwar möglich, sich ihre Erfiillung vorzustellen, denn der Erbe könne im voraus davon erfahren und Vorbereitungen getroffen haben. Dabei handele es sich aber um ein höchst ungewöhnliches Zusammentreffen von Umständen, die zu einer unerreichbaren Bedingung fiihrten. Im Gegensatz dazu sollte eine bloße Schwierigkeit und die in den besonderen persönlichen Verhältnissen einer einzelnen Person begründeten Hindernisse unbeachtlich bleiben170 . Zwischen der Schwierig168

s. 311. 169

Pandekten Gröning, S. 362; weitere Beispiele Pandekten Deiters, S. 520; Pandekten Bonn,

System, Bd. 3, S. 164 f System, Bd. 3, S. 164 ff.; s.a. S. 166 Fn. (t), wo Savigny wiederholte, daß nur eine unerschwinglich hohe Summe der Unmöglichkeit gleichstehe. 170

60

Kap. 1: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

keit und der Unerschwinglichkeit könne nicht nach allgemeinen Regeln, sondern allein entsprechend dem richterlichen Judiz abgegrenzt werden. Der finanzielle Aufwand fiir eine Handlung konnte sich also auf die Obligation auswirken. Bei originären Zahlungsverpflichtungen verfolgte Savigny diesen Gedankengang indessen nicht weiter. Er erklärte seinen Lesern nicht, ob sich auch bei Geldobligationen der Aufwand in rechtlich erheblicher Weise verändern und folglich eine den unerschwinglichen Handlungen vergleichbare Sachlage eintreten könne. Zudem ließ seine Darstellung unerschwinglicher Leistungen unbeantwortet, in welcher realen Situation fehlende Geldmittel den Schuldner befreien sollten. Als Beispiele nannte er sich kaum ein zweites Mal ereignende Sachverhalte. Falls seiner Unterscheidung jedoch ein allgemeiner Sinn beigemessen werden sollte, hatte ihr Wert jenseits von völlig ungewöhnlichen Gestaltungen zu liegen. Sie mußte tatsächlich vorkommende Situationen beschreiben, mochten diese auch selten sein. Im Obligationenrecht verwies F C. von Savigny grundsätzlich auf diese Ausfiihrungen171. Seine weiteren Überlegungen sind jedoch durch gewisse Akzentverschiebungen gekennzeichnet. Bei Sachen, die nie existierten oder zu existieren aufgehört hatten, nahm er eine natürliche Unmöglichkeit an. Die Obligationsverletzung sollte hier auf natürlichen Gründen beruhen. Eine rechtliche Unmöglichkeit begründete er, falls die zu übereignenden Sachen bereits im Eigentum des Gläubigers standen172 • Im Anschluß daran formulierte er die Unterscheidung zwischen der objektiven, sich aus der Natur der Handlung ergebenden, und der allein in den persönlichen Verhältnissen des Schuldners begründeten subjektiven Unmöglichkeit aus. Letztere rechnete er dem Schuldner nicht als Unmöglichkeit an. Von den nachteiligen Folgen einer unerfiillten Obligation sollte sie den Verpflichteten nicht befreien, was Savigny gerade bei der Geldleistung bestätigt fand 173 : "Die unzweifelhafteste Anwendung dieses letzten Falles findet sich bei dem Schuldner einer Geldsunune, welcher weder selbst Geld hat, noch durch seinen Credit Geld herbei schaffen kann Denn Geld ist überall vorhanden, und es liegt bloß an den per.!iinlichen Verhältnissen dieses Schuldners, wenn er das Geld nicht verschaffen kann, das er zu bezahlen schuldig ist."

Zur Begründung fiir seine Erklärung verwies er auf die Unterscheidung des

Venuleius zwischen der unbeachtlichen diflicultas dandi und dem zu berück-

sichtigenden impedimentum naturale174.

Obligationenrecht, Bd. I, S. 382 f Fn. (a). Ebenda, S. 383. Ebenda, S. 384 f Ebenda, S. 385 f Auf diese Bezeichnungen hatte Savigny schon in den Vorlesungen verwiesen, etwa Pandekten Blulnne, S. 239. 1824/25 sprach er von der facultas personae, Pandekten Bonn, S. 308. 171

172 173 174

V. F.C. von Savigny

61

2. Ursachen der Unmöglichkeit Die objektive oder casuelle Urunöglichkeit leitete Friedrich Carl von Savigny aus natürlichen Gründen ab. In seinen Vorlesungen sprach er deshalb von Naturbegebenheiten175, Naturereignissen176, Naturursachen177 oder Notwendigkeiten von objektiver Natur178• In den Publikationen fiihrte er als Ursachen der Urunöglichkeit natürliche Umstände (natürliche Urunöglichkeit) und Rechtsgründe (rechtliche Urunöglichkeit) an. Die natürliche Urunöglichkeit untergliederte er einerseits in die nach den Naturgesetzen nicht mögliche Erfiillung. Solche Umstände bezeichnete er als absolut urunöglich, wofiir der Verkauf eines Hippocentaurus exemplarisch sein sollte. Andererseits nannte er die durch zufällige Umstände ausgeschlossene Erfiillung, die zu einer relativen Urunöglichkeit fiihre. Beispielhaft sollte ein zu übereignendes, aber verstorbenes Lebewesen sein179• Daneben wurden von ihm aber auch andere Leistungshindernisse aufgezeigt. Teilweise titulierte er sie als Urunöglichkeit, wie etwa die der Leistung entgegenstehenden rechtlichen Gründe. Teilweise stellte er sie der Urunöglichkeit in den Wirkungen gleich, so bei rechtswidrigen bzw. unsittlichen Handlungen. Den Ausgangspunkt bildeten fiir Savigny die nach den Naturgesetzen nicht vorkommenden Ereignisse. Von ihnen aus distinguierte er die verschiedenen Fallgestaltungen. Die fehlende Sachherrschaft begründete auch fiir das Haupt der historischen Rechtsschule das eigentliche Fundament der objektiven Urunöglichkeit und damit der gesamten Urunöglichkeitslehre. Die mit Naturbegebenheit etc. beschriebenen Ausgangsfälle belegen, daß er eine Aufgabe der Urunöglichkeit darin sah, die realen Seinsbedingungen rechtlich wiederzuspiegeln. Aus diesen natürlichen Umständen entwickelte er fiir die Unmöglichkeit ein übergreifendes Prinzip. Die Fallgruppen der Urunöglichkeit überschritten die Grenzen des der tatsächlichen Existenz verhafteten, als die juristischen Schranken der Leistungspflicht in die Betrachtung einbezogen wurden. Die tatsächlichen Erscheinungen der Obligationsstörung mochten Savignys Überlegungen veranlaßt haben. Solange sie der Vorstellung einer in natura ausgeschlossenen Erfiillung verhaftet blieben, konnten sie jedoch die veränderten rechtlichen Verhältnisse nicht umfassend beschreiben. Das juristische Interesse an einer Obligationsstörung mußte über die tatsächlichen Bedingungen einer Leistungserbringung hinaus reichen. Auch bei anderen Hindernissen war über ihre möglichen Folgen wie Leistungsfreiheit, Surrogation und Erbringung der Gegenleistung zu entscheiden. Soweit das Erkenntnisinteresse von den Rechtsfolgen gesteuert wurde, erschien es unzureichend, den Tatbestand der Unmöglichkeit auf die fehlende Sachherrschaft oder natürliche Ereignisse zu reduzieren. Von diesen 175 176 177 178 179

Pandekten Blulune, S. 238. Pandekten Göttingen, S. 163; s.a. Pandekten Deiters, S. 394. Pandekten Bonn, S. 307. Pandekten Kuckuck, S. 255. Vgl. Obligationenrecht, Bd. I, S. 383 Fn. (c), mit System, Bd. 3, S. 164.

62

Kap. I: Unmöglichkeitsregeln und die nicht erfilllte Geldschuld

äußeren Erscheinungsformen der Leistungshindernisse löste sich Savigny, um erhebliche von unerheblichen Obligationsstörungen zu unterscheiden. Im Verlauf der Beschäftigung mit der Unmöglichkeit stellte er den Willensbezug immer weiter in den Vordergrund. 3. Subjektive und objektive Unmöglichkeit

Von den natürlichen Leistungshindernissen mußten zunächst die Leistungsschwierigkeiten unterschieden werden. Dem impedimentum naturale stand die di:fficultas dandi entgegen. Im System nannte Savigny zwei Arten unerschwinglicher Bedingungen. Eine Bedingung konnte aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder der besonderen einer einzelnen Person unerreichbar sein. Letztere bezeichnete er als subjektiv unmöglich 180• Ausfuhrlieh erörterte er Beispielsfälle fiir die erste Gruppe, bei der die unerschwingliche Bedingung der wahren Unmöglichkeit gleich stehen sollte. Auf die quellenmäßige Begründung der Folgen einer lediglich individuellen Schwierigkeit in D. 45, 1, 137, 4 stützte sich Savigny zunächst nur subsidiär181 . Dies wandelte sich im Obligationenrecht Hier rückte das plastische Begriffspaar der subjektiven/objektiven Unmöglichkeit als zentraler Gegensatz in den Mittelpunkt der Darstellung. Diese Differenzierung stellte Savigny jetzt besonders heraus182 : "Eine beoondm; wichtige Unler.icheidung ist aber noch die folgende. Die Unmöglichkeit kann gegründet se)'Tl entweder in der Natur der Handlung an sich, oder in den besonderen persönlichen Verllältnissen des

Schuldners. Nur die erste Art der Unmöglichkeit (die objective) ... wird als Unmöglichkeit aneri