Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung

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Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung

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Ordnung der Wirtschaft Schriftenreihe Herausgegeben von Franz Vöhm, Walter Eucken, Hans Großmann-Doerth

Heftl Franz Vöhm

Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und

rechtsschöpferische Leistung

1937 Verlag Von W.Kohlhammer s Stuttgart und Berlin

Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung

Von

Dr.Franz Böhm Dozent an der Universität Jena Staatsanwalt

Nebst Einleitung der Herausgeber

Verlag Von W.Kohlhammer s Stuttgart und Berlin 1937

Druck von B. Kohlhaurmer in Stuttgart

Jnhaltsverzeichnis Seite

Unsere Aufgabe (Geleitwort der Herausgeber zur Schriftenreihe ,,Ord .

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Einleitung: Das Problem. (Die politische Mersterungdes sozialen Alltags durch Ordnung) . . l. Das Erbe des bürgerlichen Zeitalters . 2. Die Aufgabe der Gegenwart und die Möglichkeiten ihrer Lösung 3. Der Gefamtplan der Schriftenreihe 4. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit im Gesamtplan der Schriftenreihe . Erster Abschnitt: Die Ordnung der Wirtschaft als allgemein-politisches Problem. (Einordnung einer dynamischen Wirtschaft in die Gesamtordnung des nationalen Lebens) .

l. Die zwiespältigen Wirkungen der freien Verkebrswirtschaft , Die geschichtlichen Wirtschaftsverfassungen

So

a) Die älteren Wirtschaftsordnungen b) Der Lösungsversuch der klassischen Nationalökonomie.

c) Die Planwirtschaft . Die politische Tragweite des Aberganges zur freien Verkehrswirtschaft .

.

.

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.



nung der Wirtschaft«)

11

16 16 21 22 26 35 39

a) Die Einführung der Gewerbefreiheit als Akt der wirtsch a f t s p o li t i s ch e n Verfassungsgesetzgebung

.

.

39

b) Die Einführung der Gewerbefreiheit als Akt der v o l k s -

Ul

u n d st a a t s p o l it i s ch e n Verfassungsgesetzgebung . Die politischen und sozialen Wirkungen einer dynamischen Wirtschaftsverfassung

40 44

. Die Mittel der Meisterung der politischen und sozialen Begleiterscheinungen einer dynamischen Wirtschaftsordnung

48

Zweiter Abschnitt: Die Ordnung der Wirtschaft als wirtschaftspolitisches und wirtschaftsverfassnngsrechtliches Problem .

54

Erster Teil: überblick über den Inhalt und die Vedentung des Begriffs: Wirtschaftsverfassung

54

Seite

. Wirtschaftsverfassung als normative Ordnung der Volkswirt54 58 61 64 72

Ulpbscsakxd

schaft

. Wirtschaftsverfassung und politische Verfassung . .Wirtschaftsverfassung und Gewohnheitsrecht . Wirtschaftsverfassung und tatsächlicher Zustand der Wirtschaft

. Wirtschaftsverfassung und Naturordnung

.

Zweiter Teil: Die geltende Gesamtverfassung der 75 75 79 79 80 84

deutschen Wirtschaft 1. Uberblick 2. Die drei Teilverfassungen der Wirtschaftsordnung

a) Die Ernährungswirtschaft. b) Arbeitswirtschaft

.

c) Die gewerbliche Wirtschaft . Gesamtwirtschaftsverfassung nnd wirtschaftsverfassungsrechtlicher

Ausnahmezustand.

88

.Vegrenzung der Untersuchung auf die Teilverfassung der gewerblichen Wirtschaft

Dritter Teil: Wirtschaft

Die Verfassung

der

89

gewerblichen 92

A. Plan der Darstellung 1. Gesamtordnung und wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundgesetze Z. Der verfassungsrechtliche Aufbau der gewerblichen Wirtschaft

3. Die wichtigsten Fragen des gewerblichen Verfassungsrechts .

92 92 95 103

.Das Necht der freien Verkehrsordnung (Wett-

.

. Die wirtschaftliche Freiheit, ihr Sinn und ihre Grenzen .

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Z-«

.

.Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ihres Funktionierens .

VIII-ON

bewerbsordnung).

. Wettbewerb . . Wettbewerbsrechtliche Einzelfragen

.

.

. .

. Die suggestive Neklame bei Massenvertrieb von Konsumgütern . . . . . . Einzelfragen des Tausch-— und Gesellschaftsrechts . . . . Die Unterstützung der Ordnung der freien Verkehrswirtschaft durch die staatliche Währungs-— und Kreditpolitik

.Das Kartellproblem.

1. Die Problematik des Markteinflusses. . 2. Die Möglichkeit der Entstehung von Markteinfluß . . 3. Wirtschaftsverfassungsrechtliche und wirtschaftspolitische Veurteilung der Marktpolitik der Kartelle

Vl

104 104 109 120 128 134 136 137 138 138 141 145

Seite

4. Die Möglichkeiten der Beseitigung des privaten Markteinflusses . .

146

5. Die Eignung von Wettbewerb und Staatsaufsicht zum Behuf

der Beseitigung des privaten Markteinflusses

.

.

148

6. Die rechtspolitische Behandlung des Kartellproblems inder

Vergangenheit . . 7. Die private Macht als wirtschaftsverfassungsrechtliches, rechtspolitisches und allgemeinpolitisches Problem

.

.DiestaatlicheLenkungde rMärkte. . 1. Vorbemerkung . . . 2. Die sachlichen Grundsätze der Marktlenkung . . 3. Die technischen Methoden der staatlichen Preissteuerung . 4. Die Mittel zur Sicherung des Marktgehorsams . . 5. Die Organisation der staatlichen Marktkontrolle

150 155

161 161 161 169 174 177

Unsere Ausgabe Die Klagen darüber, daß Nechtswissenschaft und Nationalökonomie hinter den Ereignissen herhinken, daß sie nicht gestalten helfen, daß sie keine geistigen Mächte mehr seien, sind heute überaus ver-

breitet. Eine solche Kritik nicht beachten, heißt den Ernst der Lage gründlich verkennen. Denn es ist w a h r, daß in Deutschland beide Wissenschaften die grundsätzlichen Entscheidungen rechts- und wirtschaftspolitischer Art nicht mehr wesentlich beeinflussen. Wer behauptet, das sei immer so gewesen, irrt. Nechtswissenschaft und Nationalökonomie waren gestaltende Mächte, welche z. B. den Neubau der Rechts- und Wirtschaftsordnung, wie er sich seit Ende des 18. Jahrhunderts in allen Kulturstaaten vollzog, stark beeinflußten. Erst im Verlauf des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts haben sie ihre Führerstelle im öffentlichen Leben allmählich verloren.

Die Folg en dieser Entthronung beider Wissenschaften waren — darüber kann kein Zweifel mehr sein — außerordentlich schädlich. Die Männer der Wissenschaft sind durch ihren Beruf und ihre Position außerhalb der wirtschaftlichen Interessen die einzigen ob-

jektiven, unabhängigen Natgeber, die der staatlichen Wirtschaftspolitik und der öffentlichen Meinung einen zutreffenden Einblick in die schwierigen Zusammenhänge des Wirtschaftslebens geben und damit die Grundlage für die wirtschaftspolitische Urteilsbildung liefern können. Sie sind auch die einzigen, welche auf Grund einer

genauen Kenntnis dieser Zusammenhänge, die durch dauernd neue theoretische Durchdringung sich ständig erweitert und verfeinert, sich ein sachliches, von eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen

unabhängiges Urteil über zweckmäßige wirtschaftliche Maßnahmen bilden und solche in Vorschlag bringen können. Böhm

A

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Berzichtet die Wissenschaft auf diese Nolle oder wird sie ihr aberkannt, dann treten andere, weniger berufene Natgeber an ihre Stelle — die Interessenten. Sie sind sicherlich sachverständig für die technischen Details ihres Berufszweiges, aber sie sind ebenso sicher nicht sachverständig und können es nicht sein in der Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge; und sie sind außerdem durch ihre wirtschaftliche Interessenlage gebunden, was in aller Negel unbewußt dazu führt, daß sie das Wohlergehen ihres Berufszweiges mit dem der Gesamtwirtschaft verwechseln. Hört der Staat auf s i e, dann treten an Stelle von wirtschaftspolitischen und rechtlichen Entscheidungen, die auf einer genauen Kenntnis der großen ordnenden Prinzipien des Wirtschaftslebens beruhen, sich in diese Gesamtordnung einfügen und von ihr aus ihren Sinn erhalten,

Entscheidungen, die dem Systemgedanken der gegebenen Wirtschaft entgegenlaufen und aus einer geregelten Ordnung ein Chaos zu

machen tendieren — ein Prozeß, der in den einzelnen Schriften dieser Neihe von verschiedenen Seiten beleuchtet werden wird. »Was wir heute überall auf der Welt erleben«, schrieb A. Forstmann 1935, ,,ist nichts weiter als eine kaum überbietbare Bankerotterklärung der Methode, volkswirtschaftliche Probleme größten Ausmaßes aus der Froschperspektive privatwirtschaftlicher Erfahrungen« lösen zu wollen. Die Herausgeber halten es deshalb nicht nur im Interesse der Wissenschaft, sondern weit mehr noch im Interesse des Wirtschaftslebens der deutschen Nation für die dringendste Aufgabe, die den Vertretern der Nechtswissenschaft und der Nationalökonomie gestellt ist, daran mitzuarbeiten, daß die beiden Disziplinen wieder den ihnen gebührenden Platz im Leben der Nation einnehmen. Mit dazu beizutragen, ist ein Ziel dieser Schriftenreihe. Wie aber kann dieses Ziel erreicht werden? Was muß getan werden, um die beiden Wissenschaften wieder zu gestaltenden Mächten zu machen? —- Die eigentliche Antwort enthalten die Untersuchungen der Neihe selbst; denn niemals kann das wissenschaftliche Programm ersetzen, was nur die Arbeit am Gegenstand zu leisten vermag. Was in diesen einleitenden Worten gesagt werden kann, betrifft weniger den I n h alt der Arbeit als vielmehr die geistige Haltung, mit der an diese Aufgabe herangegangen werden muß. Wollen wir aber über sie klar werden, dann müssen wir uns VlII

zunächst die Ursachen der Entthronung von Nechtswissenschaft und Nationalökonomie als führende Mächte im Leben der deutschen Nation vergegenwärtigen.

Nechtswissenschaft und Nationalökonomie wurden während des 19. Jahrhunderts in Deutschland von derjenigen geistigen Bewegung ergriffen, die stark das gesamte wissenschaftliche und außerwissenschaftliche Denken durchdrang: vom Hist o rism u s. An Gegenströmungen hat es auch in Deutschland nicht gefehlt, aber er hat sich bis heute behauptet. Der Historismus ist weit mehr als eine wissen-

schaftliche Ansicht; er bezeichnet eine bestimmte wissenschaftliche Haltung. Nomantik und historische Schule haben in beiden Wissenschaften den Glauben an ein natürliches System des Nechts und der Wirtschaft zerstört. In ihrem durchaus-berechtigten Streben, die Nealität und das Leben selbst zu erfassen, mußten sie auf die Veränderlichkeit aller menschlichen Institutionen, der menschlichen Vorstellungen und Ideen stoßen. Der Entwicklungsgedanke durchdrang auch diese Wissenschaften. Daß ein solches Erfassen von Necht und von Wirtschaft in ihrem geschichtlichen Werden den Horizont der Wissenschaft mächtig erweiterte, soll keineswegs bestritten werden.

Hier liegt ein unbestreitbares Verdienst von Männern wie Savigny, List und andern. Aber die historische Bewegung brachte beide Wissenschaften auch in schwere Gefahren, die sich anfänglich schwach, später stark geltend machten und ihre Stellung, ja ihre Existenz ernsthaft bedrohen. Sie verloren sozusagen den archimedischen Punkt, von dem aus die Wirklichkeit erfaßt werden kann. Das Necht wächst ,,mit dem Volke fort«, sagte Savigny, ,,bildet sich aus mit demselben und stirbt endlich ab, so wie das Volk seine Eigentümlichkeit verliert«. ,,Durch innere, stillwirkende Kräfte, nicht durch die Willkür eines Gesetzgebers« solle das Necht fortgebildet werden, so meinte er und sprach damit seiner Zeit und eigentlich jeder Zeit den Beruf zur Gesetzgebung ab. Dieses Vertrauen aus die inneren, stillwirkenden Kräfte schien harmlos zu sein, in Wahrheit erwies es sich — wie die folgende Entwicklung lehrte — als

überaus gefährlich: Nelativismus und Fatalismus wucherten aus ihm empor und bestimmten die rechtspolitische Haltung vieler Generationen deutscher Iuristen bis zum heutigen Tage. IX

N e l a t i v i s in u s : Der juristische Historismus verlor allmählich jeden Halt, er sah nur noch den geschichtlichen Wechsel des Nechtsstoffes und gelangte schließlich zu der Auffassung, daß die Rechtsidee dem Nechtsstoff ohne weiteres folge. So wurde auch die Nechtsidee relativiert und büßte damit ihre Würde ein. Die inneren, stillwirkenden Kräfte, welchen nach Savignys Ansicht die Nechtsbildung zukommen sollte, haben im Laufe des 19.Iahrhunderts

ihren Charakter gründlich geändert: Massive, wirtschaftliche Machtgruppen größten Ausmaßes entstanden und gestalteten Necht in höchst einseitiger Weise. Man denke etwa an die Schaffung von Lieferungs- und Zahlungsbedingungen durch derartige Macht-

gruppen, die wichtige Teile des geltenden Schuldrechts für weite Gebiete der Wirtschaft außer Kraft setzten. Nechtswissenschaft und Nechtsprechung ließen sich —- von wenigen Ausnahmen abgesehen —

diese überaus schädliche Entwicklung gefallen. Dieses selbstgeschaffene Necht der Wirtschaft schien aus der geschichtlichen Entwicklung mit Notwendigkeit herauszuwachsenz es wurde und wird von gewandten und sachkundigen Geschäftsjuristen vertreten. Wie konnte eine Iurisprudenz, welche nur die geschichtliche Entwicklung verabsolutierte und welche im übrigen keine grundsätzlichen Normen mehr kannte, derartige Mißbildungen als solche erkennen? Alle echte Nechtskritik der Wissenschaft mußte bei einem derartigen Nelativismus verkümmern. Damit berühren wir bereits die andere Gefahr, welcher die

historische und auch die rechtssoziologische Schule erlagen: den Fatalismus. Savigny hatte in seinem Kampf gegen naturrechtliche Anschauungen immer wieder behauptet, daß die Auffassungen und der Wille des Iuristen an die Anschauungen und

Lebensverhältnisse seines Volkes und seines Zeitalters gebunden seien. Die Geschichte lehrt, daß er hiermit teilweise, aber eben nur teilweise recht hatte. In Niedergangszeiten der Iurisprudenz — wie

etwa im römischen Neich nach Diokletian — haben die Juristen in der Tat keine schöpferische Kraft gezeigt; in ihren starken Epochen indessen —wie in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten — waren es gerade die römischen Iuristen, welche die Rechtsanschauungen und die Nechtsinstitutionen ihres Zeitalters und ihres Volkes g est a lt et e n und damit auch seine Lebensverhältnisse tiefgreifend

beeinflußten. Savignys juristischer Fatalismus entsprach aber dem X

Geiste seiner Zeit und des folgenden Jahrhunderts. Insbesondere die w i r t s ch a f t lich e n Tatsachen erschienen den Iuristen dieser Epoche als u n a b ä n d e r l i ch e Tatsachen, denen sich das Recht anzupassen habe. Auf Grund der vorherrschenden Anschauung, daß »das jeweilige Privatrecht als die Ordnung der privaten Beziehungen der Staatsbürger zueinander stets den Geist der jeweiligen

sozialen und wirtschaftlichen Seinslage darstellt« (Geiler), kann die rechtspolitische Aufgabe der Wissenschaft lediglich darin bestehen, jeweils die neueste soziale und wirtschaftliche Seinslage festzustellen und Vorschläge zur Anpassung des Nechts an diese Seinslage zu machen. Der Iurist vermag bei einer solchen fatalistischen Haltung den wirtschaftlichen Verhältnissen nur zu folgen, er fühlt nicht die Kraft, sie zu gestalten. Die Bildung von Kartellen z. B. wurde vom Neichsgericht seit der richtunggebenden und verhängnisvollen Entscheidung vom 4. 2. 1897 als eine unabänderliche Tatsache hinge-

nommen und gar nicht der Versuch gemacht, durch eine entschiedene KartellsNechtsprechung die Ordnungsgedanken der Gewerbeordnung zur Geltung zu bringen. Oder man denke an das Aktienrecht, wo es wirtschaftlichen Machtgruppen gelang, zwingendes staatliches Necht praktisch auszuschalten. Nur weil Nechtswissenschaft und Nechtsprechung von der Sorge erfüllt waren, stets die faktische wirt-

schaftliche Entwicklung als Fatum hinzunehmen, konnte diese Zersetzung des Aktienrechts erfolgen, deren schlimme Folgen das deutsche Volk dann zu tragen hatte.

»Der Kapitalismus hat zu allen Zeiten Mittel und Wege gefunden, um de lege, praeter legem Und contra legem sich durchzusetzen.« Mit diesen Worten hat Werner Sombart —- wie so oft —einer weitverbreiteten Zeitstimmung Ausdruck gegeben. Er sprach als Nationalökonom. Denn auch in der N at i o n a l ö k o n o m i e hat sich bekanntlich das historistische Denken in Deutschland durchgesetzt und hat ebenfalls eine fatalistisch-relativistische Haltung vieler Gelehrtengenerationen erzeugt. Genauer gesehen gab und gibt es innerhalb der historistischen Nationalökonomie eine Gruppe, die sich stärker durch den Fatalismus bestimmen läßt, und eine z w e i t e,

die mehr durch den Nelativismus gekennzeichnet ist — zwei Gruppen allerdings, die sich in vielen Punkten berühren. XI

Die erstere hat ihre stärksten Impulse durch Marx empfangen, wenn sie auch keineswegs auf Marx zurückgeht. Marx glaubte an ein Entwicklungsgesetz der heutigen Gesellschaft. Bei ihm mischen sich Historismus und Naturalismus. »Auch wenn eine Gesellschaft dem Naturgesetz ihrer Bewegung auf die Spur gekommen ist«, sagt er im Vorwort zum »Kapital«, ,,— und es ist der letzte Endzweck dieses Werks, das ökonomische Bewegungsgesetz der modernen Gesellschaft zu enthüllen — kann sie naturgemäße Entwicklungsphasen weder überspringen noch wegdekretieren. Aber sie kann die Geburtswehen abkürzen und mildern«. Die mit Notwendigkeit im Kapitalismus wirkenden Entwicklungstendenzen festzustellen, ihre Durchsetzung zu erleichtern und damit den Todesgang des Kapitalismus abzu-

kürzen — mehr vermögen weder Wissenschaft noch Politik. Es war nicht Marx allein,

der

einem solchen fatalistischen

Entwick-

lungs- oder Untergangsglauben in weiten Kreisen zum Siege verhalf. Noch heute ist er für viele die selbstverständliche Grundlage ihrer Haltung — bis hin zum ,,Tat-Kreis«, von dem vor 1933 so starke Wirkungen auf die jüngere Generation ausgingen. Die Symptome des Neuen, das zum Durchbruch drängt, frühzeitig zu erkennen, danach die Zukunft zu erwarten, und dieser Zukunft — mag sie auch unerfreulich aussehen — vorzuarbeiten, wird hier als einzige Aufgabe anerkannt. Aus dieser fatalistifchen Geschichtsauffassung ergibt sich die Haltung der müden Nesignation, die allerdings oft die

heroische Geste liebt. »Voraussehen, welchen Weg das Schicksal für sie gewählt hat«, bleibt zum Beispiel für Spengler die letzte große Aufgabe der abendländischen Kultur. Fatalismus und Skepsis liegen stets nahe beieinander. Zwecklos oder närrisch er-

scheint es bei solcher Grundhaltung, sich dem ehernen Gang der Ereignisse entgegenzustellen oder sich für eine I d e e einzusetzen. Wir sind Historiker genug, um den historistischen Fatalismus als das zu nehmen, was er ist: als das Schwächezeichen gewisser Intellektueller. Weil ihr Geist sich unsicher fühlt, bringen sie nicht mehr die Kraft auf, an die Gestaltung der Dinge heranzugehen und ziehen sich deshalb in die Nolle des Beobachters zurück. Zur Begründung ihrer Haltung arbeiten sie regelmäßig mit historischen Konstruktionen und Doktrinen, die in höchstem Maße unrealistisch sind. Verkannt wird vor allem die ungeheure Vielheit der geschichtsbildenden Kräfte, und so ist es kein Zufall, daß sich die ProXII

gnosen der Fatalisten, auf die sie ihr ganzes Denken und Wollen

richten, fast immer als unrichtig erweisen. Ganz unzulässige Vereinfachungen des Geschichtsbildes vollzieht schon Marx, der nur dadurch zu feiner fatalistischen Entwicklungslehre kommen konnte, daß er die

technisch-ökonomische Entwicklung als allein bestimmend für das gesamte geschichtliche Werden ansah, so daß alles soziale, politische,

geistige Leben als ,,Uberbau« erscheint. Damit hat Marx ebenfalls weit über den Kreis seiner nächsten Anhänger hinaus gewirkt: »Nun müssen wir uns klar machen, daß im allgemeinen politische Ereignisse

für den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung nicht bestimmend sind, daß aber im besonderen die Entwicklung des Kapitalismus von den großen politischen Nevolutionen der letzten Iahrhunderte so gut wie völlig unabhängig is « (Sombart). Zweifellos ist die These historisch falsch. Sie verrät eine Blindheit gegenüber der Wucht politisch-staatlicher Tatsachen, die in Erstaunen setzt. In Zeiten Napoleons, Steins, Bismarcks z. B. bis zum großen Krieg, zu den Friedensverträgen, die ihn abschlossen und zu den neuesten staatlichen Strukturwandlungen haben die außen- und innenpoliti-

schen Ereignisse den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung entscheidend bestimmt. Aber es bedarf einer undoktrinären, wahrhaft universalen Geschichtsbetrachtung, um die Wechselwirkungen staatlicher und wirtschaftlicher Geschehnisse richtig zu sehen und zu bemerken, daß sie in den verschiedenen Ländern und Zeiten sich ver-

schiedenartig gestalten — je nach der Stärke der Kräfte, die auf staatlichspolitischer Seite und auf Seite der Wirtschaft tätig waren und sind. Alles das vermag ein willkürlich vereinfachender Historismus nicht wahrzunehmen. Sein Fatalismus läßt sich zwar nicht

aus der geschichtlichen Erfahrung begründen. Aber er schwächt die Kraft der Wissenschaft, eine Lebensmacht zu sein. Wie kann der Geist die Tatsachen gestalten, wenn er sich

selbst vor dem Gang der Tatsachen verneigt? Der deutsche nationalökonomische Historismus hat — darauf deuteten wir schon hin — auch einen anderen, stärkeren Stamm ent-

wickelt, den wir kurz den relativistischen nannten. An der Spitze dieser Gruppe stand Sch moller, der das wirtschaftliche Denken

weiter und wichtiger Teile des deutschen Volkes bis heute — unmittelbar und durch seine Schüler — nachhaltig beeinflußt hat. Schmoller trieb Wirtschafts- und vor allem Sozialpolitik, er XIII

w o l l t e die Nationalökonomie zu einer ,,moral-politischen Wissenschaft« machen, er nahm Stellung zur Arbeiterfrage, zur Reform der Gewerbeordnung, zur Wohnungsfrage, zur Schutzzollfrage und dergleichen. Er glaubte nicht an einen zwangsläufigen Ablauf der Geschichte, in die niemand erfolgreich eingreifen kann, und er rief

oft und gern nach dem Staat. Trotzdem gab er seiner Zeit keineswegs das, was sie brauchte.

Schmoller ist wesentlich daran mitschuldig, daß in Deutschland die Nationalökonomie ihre frühere Kraft verlor, wahrhaft gestaltend zu wirken. Wir haben uns zu fragen, woran das lag. E r st e n s : Als im Iahre 1872 Schmoller und seine Freunde angesichts der Zuspitzung der Arbeiterfrage ihr sozialpolitisches Programm in Eisenach entwickelten, da war es noch der große Zug der g r u n d s ä tz l i ch e n Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen, der ihnen Kraft und Einfluß sicherte. Hier wurde die Sozialverfassung als Ganzes zur Diskussion gestellt. Aber dieser Mut grundsätzlichen Fragens ging rasch verloren. Man lese etwa Schmollers Rede über die Reform der Gewerbeordnung vom Iahre 1877, in der er sich insbesondere mit der freien Konkurrenz auseinandersetzte. Nur ja keine grundsätzliche Entscheidung, sondern Entscheidung von Punkt zu Punkt —- das ist dort seine Hauptsorge. Ietzt erschien ihm grundsätzliches Denken doktrinär, eine Verwechselung, die schweren Schaden stiftete. Die ungeheuere Mannigfaltigkeit des historischen Werdens und der historischen Tatsachen beeindruckte ihn so stark, daß er als Relativist glaubte, jeder Gesamtentscheidung ausweichen zu müssen. Auch hierin steht er in seiner

und in der heutigen Zeit keineswegs allein. Fast überall wurde allmählich grundsätzliches Denken durch p u n k t u e l l e s F r a g e n und Denken verdrängt. Damit glaubten Schmoller und seine Anhänger eine realistische Haltung einzunehmen und einer Realpolitik die Wege zu ebnen. In Wahrheit zerstörten sie die Grundlage, von der aus die Nationalökonomie realpolitisch zu den großen Fragen praktischer Wirtschaftspolitik Stellung nehmen kann. Bereits die Problemstellung ist regelmäßig zu eng. Kennzeichnend ist z. B. die Haltung, welche Schmoller und seine Schule zu den Monopolbildungen einnahmen, die seit den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts die deutsche Volkswirtschaft in wachsendem Maße XIV

durchzogen.

Die

grundsätzliche

und

gleichzeitig

praktisch

ent-

scheidende Frage, ob durch die Monopolbildungen nicht die Gesamtordnung der Wirtschaft zerstört wird, wurde nur gestreift, nicht ernsthaft gestellt. Hätte man es getan, so hätte man erkannt, was die Durchsetzung der Wirtschaft mit privaten Machtgruppen bedeutet, man hätte brauchbare, wirtschaftspolitische Maßnahmen vorschlagen, die ganze Diskussion auf ein

anderes Niveau heben und viele schwere Schäden, die sich später herausstellten, voraussehen können.

Dann hätte die Wissenschaft

in diesem Punkte ihre Pflicht erfüllt. Aber die historische Schule beugte sich in echt relativistischem Opportunismus vor der Tatsache der Monopole, vermied es, das Kernproblem auszuwerfen und blieb an der Oberfläche haften. So ist es kein Zufall, daß das letzte halbe Jahrhundert in Deutschland zwar reich an Monopolbildungen, aber arm an brauchbaren, tiefgreifenden Auseinandersetzungen mit dem Monopolproblem seitens der Wissenschaft ist. Die Energie der Problemstellung ist es gerade, was die Wissenschaft vom Alltagsdenken wesentlich unterscheidet; dadurch, daß die historische Schule das grundsätzliche Fragen verlernte, vermochte sie auch nicht mehr wesentlich über die Alltagserfahrung herauszukom-

men. Zweitens: Jn seinem Streben, die geschichtliche Realität in ihrem fortwährenden Wechsel unmittelbar zu erfassen und sie nie aus dem Auge zu verlieren, wußte Schmoller nichts mit dem abstrakten Denkapparat der nationalökonomischen Theorie anzufangen. Er sah nicht, daß ohne dessen Verwendung keine w a h r e n Erkenntnisse über die Zusammenhänge der wirtschaftlichen Wirklichkeit erzielbar sind. Zwar gibt es mehrere, häufig zitierte Worte von ihm, aus denen

seine Hochachtung vor der theoretischen Forschung hervorgeht. Aber auf solche Erklärungen kommt es nicht an, sondern allein auf die Forschung selbst. Das Verhängnisvolle war aber, daß unter seiner Führung die deutschen Nationalökonomen verlernten, die Theorie

zu gebrauchen, sie zu verbessern und nationalökonomische Analysen durchzuführen. Deshalb verlernten sie auch, die wirtschaftliche Realität in ihren Zusammenhängen zu verstehen. Das heißt: sie wurden

wirklichkeitsfremd und begingen gerade denjenigen Fehler, den sie am meisten verabscheuten. Denn die Wirklichkeit ist nicht ein Haufen nebeneinanderstehender Tatbestände. Und so bildete sich ein Typ XV

des deutschen Nationalökonomen heraus, der noch heute weit verbreitet ist: Er strebt zur wirtschaftlichen Wirklichkeit hin, aber er kennt sie nicht; er hat Respekt vor theoretischer Forschung, aber er kann selbst nichts mit ihr anfangen; er will die Wirtschaft gestalten helfen, aber er kann es nicht, weil er die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht durchschaut. Eine solche Nationalökonomie mußte vor allen großen, wirtschaftspolitischen Problemen versagen: etwa vor der deutschen Jnflation oder der Transferfrage. « Die Nationalökonomie Schmollerscher Prägung hat die Tatsache, daß sie alles in allem mit der allgemeinen Relativierung den Boden unter den Füßen verlor, nicht stark empfunden. Bewußt oder unbewußt gewährte ihr der weit verbreitete Glaube an den

allgemeinen F o rts ch ritt eine Stütze. Es war kein Zufall, daß Schmoller sein größtes Werk, die Allgemeine Volkswirtschaftslehre, mit einem feierlichen Bekenntnis zum allgemeinen Fortschrittsglauben abschloß. »Der Mensch ist körperlich, geistig und moralisch unendlich fortgeschritten«, sagte er und zeigte damit, wie sehr er als Kind seiner Zeit die dämonischen Leidenschaften und egoistischen Instinkte der Menschen, mit denen jede Wirtschaftspolitik zu rechnen hat, unterschätzte. Epochen des Ver-falls würden — so meinte er — auch in Zukunft nur von vorübergehender Dauer sein. Die Gefahren des Chaos sah er nicht. Aus diesem Fortschrittsglauben, nach dem die tatsächliche Entwicklung der Wirtschaftsordnung und des Wirtschaftsablaufs mit Notwendigkeit schließlich doch zum Besseren führt, erklärt sich letzten Endes aller Opportunismus. In beiden Wissenschaften — in Iurisprudenz und Nationalökonomie — vollzog und vollzieht sich also in Deutschland ein ähn-

liches Schauspiel: Sie verlieren mit vordringender Historisierung ihren Halt, Rechtsidee und Wahrheitsidee werden relativiert, den

wechselnden Tatsachen und Meinungen passen sie sich bereitwillig an. Iede von ihnen hört damit auf, eine geistige und sittliche Macht zu sein. Sie werden zu Trabanten. Um so erfolgreicher konnten wirtschaftliche Machtgruppen ihre Interessen zur Geltung bringen. Die Auffassungen der Wissenschaft pflegen allmählich über die Universitäten in weitere Kreise der Richter, Verwaltungsbeamten usw. zu dringen, die nun auch von der XVI

opportunistischen, ungrundsätzlichen Haltung der Gelehrten ergriffen

wurden. Nur soweit in beiden Wissenschaften dem Historismus Widerstand geleistet wurde, bewahrten sie Selbstsicherheit und Kraft. Das muß um so schärfer betont werden, als die Kritik, die neuestens an beiden Wissenschaften in Deutschland geübt wird, zum Teil aus dem Geiste des Historismus heraus erfolgt und deshalb

wertlos ist. Durch die kritische Auseinandersetzung ist die Aufgabe bezeichnet, die vor uns liegt. Wir brauchen nur unsere Kritik ins Positive zu wenden, um die Linie klarzulegen, in der wir arbeiten müssen, wenn

wir Rechtswissenschaft und Nationalökonomie den ihnen gebührenden Platz wieder erobern wollen. Erste n s : Daß rationales Denken und schöpferifches Handeln unvereinbare Gegensätze seien, daß das Denken die Energie und damit den Erfolg der Tat hemme, ist eine Uberzeugung, die seit Nietzsches Lehre vom Herrenmenschen und dessen schöpferischen Urinstinkten in weite Kreise gedrungen ist. ,,Jmmer wissenlos«, wie auch gewissenlos wünscht sich Nietzsche den heldisch Handelnden.

Blind gegen rationale Erwägung soll er sich dem Dämon seiner Leidenschaft überlassen. Die ganze Antithese ist schief, sie findet in der Geschichte keine Bestätigung, sie muß verhängnisvoll wirken. Ein Friedrich der Große hätte den Gedanken, der Staatsmann oder Feld-

herr könne die Dinge zu klar sehen, als völlig absurd abgewiesen. Ihn beunruhigte es, wenn er sie nicht klar g e n u g erfassen und die Zusammenhänge nicht zuverlässig durchdenken konnte. Alle Großen der politischen und militärischen Weltgeschichte haben sich ebenso verhalten. Dadurch gerade wurden sie groß, daß ihre irrationale Kraft des Wollens und ihre Kraft der Vernunft z us a m m e n Schwierigkeiten bewältigte, die unüberwindbar schienen. Nur der

innerlich Schwache sieht in der Ratio eine Bedrohung, wird durch sie unsicher und zwiespältig, stürzt sich aus Angst vor der nüchternen Welt der Tatsachen und der Vernunft in den Rausch des Irrationalen, in fiebernde Begeisterung. Der Starke aber fühlt einen Kraft z u w a ch s, wo immer er die Vernunft verwenden kann: Bei Erhellung des Dunkels, das den Handelnden umgibt, und bei Einsatz XVII

seiner Machtmittel. — Aus dieser Uberzeugung heraus, die sich auf die geschichtliche Erfahrung stützt, wollen wir die wissenschaftliche Vernunft, wie sie in der Iurisprudenz und in der Nationalökonomie

zur Entfaltung kommt, zum Aufbau und zur Neugestaltung der Wirtschaftsverfassung zur Wirkung bringen. Z w e i t e n s : Dem Historismus, der —- wie näher geschildert — mit seiner relativistischen Unverbindlichkeit Schiffbruch litt, setzen wir das g r u n d s ä tz lich e Denken gegenüber. Es besteht darin, die Einzelfragen der Wirtschaft als Teilerscheinungen einer höheren Einheit zu sehen. Da sämtliche Gebiete der Wirtschaft aufs engste miteinander verknüpft sind, ist diese grundsätzliche Betrachtung die einzige, die der Sache gerecht wird. Die Behandlung aller konkreten rechts- und wirtschaftspolitischen Fragen muß an der J d e e d er

Wirtschaftsverfassung ausgerichtet sein. Dadurch wird die relativistische Haltlosigkeit und das fatalistische Hinnehmen der Fakten überwunden.

Drittens: Radikale Ablehnung des Historismus, der in keiner Form zu retten ist, heißt nicht, daß wir die geschichtlichen Sachverhalte mißachten. Gerade dadurch, daß wir mit grundsätzlichen Fragen an sie herantreten, werden wir die Geschichte besser verstehen, werden tiefer dringen und aus ihr mehr lernen, als es der

Historismus tat. Die geschichtliche Erfahrung — besonders der Gegenwart, der letzten Jahrzehnte und der letzten Jahrhunderte-— ist

die Grundlage, von der wir auszugehen haben. »Von den Herren, die von der Geschichte nichts wissen wollen, wird die Geschichte auch nichts wissen wollen« (H. Grimm.) Durch den Nebel frei schwebender Ideologien hindurch muß zu den Tatbeständen und zu den Erfordernissen der Sache s e l b st vorgestoßen werden. Ideologien von Wirtschaftspropheten, Dogmen, die den Tatsachen Gewalt antun, genialische Gedankengebäude, die sich der denkerischen Kontrolle entziehen, sind ebenso

unbrauchbar wie die Ideologien von Interessenten, mit denen sie sich nicht selten berühren. Alle Begriffsspekulationen, die sowohl in der Rechtswissenschaft wie in der Nationalökonomie gerade heute eine große Rolle spielen, wirken verhängnisvoll, weil sie zu Doktrinarismus und Wirklichkeitsfremdheit verführen. Nicht juristische XVIII

oder wirtschaftliche Begriffe, sondern T ats a ch e n sind zu untersuchen. Konkrete Probleme sind es, die bewältigt werden müssen. Die Angst vor der Realität, über die Bismarck spottete, muß gerade auf unserem Felde überwunden werden. Wirklichkeitsnah — und grundsätzlich zugleich; nur aus dieser Spannung heraus können die Probleme der Wirtschaftsverfassung erfaßt und einer

Lösung zugeführt werden. V i e rte n s : Die Wirtschaftsverfassung ist als eine politische Gesamtentscheidung über die Ordnung des nationalen Wirtschafts-

lebens zu verstehen. Nur die Ausrichtung an dieser Idee gibt die Handhabe, wirklich zuverlässige und schlüssige Grundsätze für die Auslegung vieler Teile des öffentlichen oder privaten Rechts zu

gewinnen. Dies gilt nicht bloß für die grundlegenden Gesetze, sondern insbesondere auch für Spezialgesetze wirtschaftlichen Charakters. Bisher ist z. B. die Konkursordnung vorwiegend unter prozeß-

rechtlichen Gesichtspunkten behandelt worden. Aber dieser Blickpunkt ist zweifellos einseitig und erschließt keineswegs den vollen

Sinn des Gesetzes. Es ist vielmehr durchaus notwendig, das Konkursrecht als Teil der Wirtschaftsverfassung zu verstehen. Und zwar als einen wichtigen Teil; denn das Konkursrecht bestimmt, wann nnd wie Unternehmungen aus der bestehenden Verkehrswirtschaft aus-

scheiden. Nur wer die Ordnungsprinzipien dieser Wirtschaft begriffen hat, kann auch das Konkursrecht richtig verstehen, dessen Bestimmungen und dessen Handhabung wiederum ungemein wichtig für das Funktionieren der gesamten Wirtschaftsverfassung und die

Produktionslenkung sind. Gerade auch der praktische Iurist darf diese wirtschaftsverfassungsrechtlicheErfassung d e s Re chts nie ignorieren. Für das Schuldrecht, das Sachenrecht, das Familienrecht, das Arbeitsrecht, das Verwaltungsrecht und alle anderen Rechtsgebiete gilt — mutatis mutandis — das

gleiche. Ebenso muß sich auch die Rechtspolitik bei der gesetzgeberischen Weitergestaltung des Rechts stets die Grundgedanken der Wirtschaftsverfassung gegenwärtig halten. Die Aufgabe aber, die Rechtsordnung als Wirtschaftsverfassung zu begreifen und zu formen, ist nur lösbar, wenn sich der Jurist der

Ergebnisse wirtschaftswissenschaftlicher Forschung bedient. Wenn es z. B. der praktische oder wissenschaftliche Jurist mit einer Frage XIX

des unlauteren Wettbewerbs zu tun hat, so genügt es keineswegs, daß er den ethischen Auffassungen des Kaufmannsstandes nach-— spürt und ausgehend von dem »Anstandsgefühl aller billig und ge-

recht Denkenden« die eine Gruppe von Wirtschaftskampfmitteln für gerade noch erlaubt, die andere für eben noch rechtswidrig erklärt. Vielmehr ist gerade hier das wirtschaftsverfassungsrechtliche Durchdenken des Problems dringend nötig, denn der freie Wettbewerb ist ein wesentliches Ordnungsprinzip der heutigen deutschen Wirt-

schaft. Der freie Wettbewerb darf nicht etwa unter fälschlicher Berufung auf angebliche Unlauterkeit unterbunden werden, er darf ande-

rerseits aber auch nicht in wirklich unlauteren Wettbewerb entarten. Wie die Grenze zwischen unlauterem und erlaubtem Wettbewerb

zu ziehen ist, wo freier Wettbewerb vorliegt, wo nicht, wo beschränkter Wettbewerb, wann Leistungswettbewerb und wann Behinderungswettbewerb gegeben ist, wann Preisunterbietungen dem Ordnungsprinzip widersprechen, wann nicht — kann nur auf Grund

der Untersuchungen der verschiedenen Marktverfassungen entschieden werden, welche die Wirtschaftswissenschaft durchführt. Das Zusammenwirken beider Wissenschaften, das in dieser Hinsicht noch sehr viel zu wünschen übrig läßt, ist schlechthin notwendig. Die Klagen über die Spezialisierung der Einzelwissenschaften richten sich gegen die Wissenschaften von gestern. Uberall sind starke Kräfte am Werk, welche diese Spezialisierung überwinden. Und zwar ist es die Arbeit an den Problemen selbst — nicht freischwebende, methodologische Reflexion —, welche die Einzelwissenschaften wieder auf einer neuen Ebene verbindet. Heute stehen nicht mehr Physik, Chemie, Mineralogie, Physiologie und andere Naturwissen-

schaften nebeneinander, sondern die Arbeit am Problem zwang die Physiologen, Methoden und Ergebnisse der Chemie, die Mineralogen und Chemiker, physikalische Methoden zu verwenden. Auch im weiten Raum der Geisteswissenschaften vollzieht sich allenthalben ein Annäherungsprozeß der Einzelwissenschaften. Die Zerspaltung der Geschichtswissenschaften in politische. Wirtschafts-, Geistes-, Kirchen-, Kunsthistorie erwies sich als unhaltbar. Je tiefer die Forschung wieder geschichtliche Probleme anfaßt, um so stärker wird sie zu universaler Geschichtsbetrach-—tung gedrängt. Rechts- und Wirtschaftswissenschaft stehen ebenfalls an verschiedenen Stellen unter dem Zeichen des Annäherungsprozesses. XX

Auch diejenigen Probleme, um die sich die Arbeiten unserer Reihe drehen, erfordern Einsatz der Denkmethoden und Forschungsergebnisse b e i d e r Wissenschaften. Nicht in dem Sinne, daß wir — um mit Kant zu sprechen — ,,ihre Grenzen ineinanderlaufen« lassen. Kant hatte ganz recht, wenn er hiervon ,,nicht eine Vermehrung,

sondern Verunstaltung der Wissenschaften« erwartete. Jede muß ihre Eigenart behalten, wenn sie etwas leisten soll. Aber wo die Sache den Einsatz von beiden verlangt, muß es geschehen. Auch hierdurch hoffen wir Herausgeber, das Wort der echten Wissenschaft kräftiger zur Geltung zu bringen. FranzBöhm

WalterEucken

HansGroßmannsDoerth

XXI

Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische

Leistung.

Böhm

1

Einleitung.

Das Problem. (Die politische Meisterung des sozialen Alltags durch Ordnung.) 1. Das Erbe des bürgerlichen Zeitalters. Die großen Aufgaben unserer Zeit haben in der Geschichte kein Beispiel. Wohl hat sich schon manche Epoche vor die Notwendigkeit gestellt gesehen, zerfahrene Zustände neu zu ordnen, zersplitterte Kräfte zu sammeln, zu einer entschlosseneren und gläubigeren Anschauung der Dinge vorzudringen. Aber noch niemals hat eine

neue Zeit beim Eintritt in den Kreis ihrer Aufgaben eine so von Grund auf veränderte Welt geerbt, wie sie das 19. Jahrhundert dem heute lebenden Geschlecht hinterlassen hat. Wären die vergangenen anderthalb Jahrhunderte eine Zeit des

bloßen Zerfalls gewesen, so würde die Aufgabe des Wiederaufbauens heute leichter sein als sie ist, und wir würden bei dem Versuch, der Verhältnisse wieder Herr zu werden, in den Erfahrungen

der Geschichte eine gewisse Stütze haben. Nun ist zwar richtig, daß das bürgerliche Zeitalter in mehr als einer Beziehung auflösend gewirkt hat: es sind Ordnungen gelockert, Bindungen gelöst und Gemeinschaftskräfte zerstört worden. Aber gleichzeitig hat diese Epoche neue, eigenartige, kühn und gedankenreich entworfene

Ordnungen geschaffen, mit Hilfe dieser Ordnungen angestaute, reiche Kräfte von erstaunlicher Stärke entfesselt und eine neue Ge-

meinschaft zum mindesten angestrebt. Die Folgen dieses geschichtlichen Experiments waren von umwälzender Tragweite: Kein Stein der alten Staats- und Sozialverfassungen ist auf dem anderen ge-

blieben, das Leben der modernen Völker ist bis in die Alltags3

gewohnheiten des kleinsten Berufstätigen hinein vollkommen umgestaltet worden. Die auffallendste Erscheinung des 19. Jahrhunderts war die gewaltige Energiesteigerung des sozialen Allt a g s le b e n s. Sie war nicht etwa eine zufällige Nebenwirkung der neuen Politik, sondern ihr g e w o l l t e s E r g e b n i s und die erwartete Folge einer ihrer revolutionärsten Maßnahmen, nämlich der Befreiung der Einzelpersönlichkeit. Die Hoffnung, daß sich die individuellen Produktivkräfte in der Freiheit

vervielfachen würden, hat sich in der Tat erfüllt. Dagegen ist eine andere Hoffnung in der Folgezeit zwar nicht völlig, aber doch sehr weitgehend enttäuscht worden, nämlich die Hoffnung, die man auf gewisse O r d n u n g s m e t h o d e n setzte, deren Bestimmung es sein sollte, die befreiten Jndividualkräfte zu vernünftigem Gesamteinsatz zusammenzufassen und sie auf eine

höhere, einheitliche Idee auszurichten. Die meisten Einrichtungen, die in den Verfassungen zu diesem Behufe vorgesehen waren, und desgleichen sehr viele Maßnahmen, die in derselben Absicht von den Regierungen getroffen wurden, erwiesen sich später gegenüber der Eigenmächtigkeit des entfesselten und in Bewegung geratenen sozialen Lebensstroms als zu schwach; statt diesen Strom in das gewollte Bett abzudrängen, wurden sie von ihm zerbrochen, mitgerissen und

fortgespült. Daß gerade der Ordnungsversuch in so bedenklichem Umfang scheiterte, ist die Tragik der bürgerlichen Geschichtsepoche. Denn im Programm der Revolution bildeten das Befreiungsvorhaben und das Ordnungsvorhaben eine Einheit; es trifft nicht zu, wenn

man die Freiheit als ihr alleiniges Ziel bezeichnet. Ihre Absicht war vielmehr, eine Ordnung in der Freiheit zu errichten,

und entgegen den Auffassungen des polizeilichen Obrigkeitsstaates, die diese Möglichkeit leugneten, den Nachweis zu erbringen, daß auch in einem System individueller Freiheit eine straffe soziale

Ordnung möglich sei. Die Staatsdenker der Zeit haben auf die Erforschung der Methoden, mittels derer freie Willen plangerecht ge-

lenkt und beeinflußt werden könnten, scharfsinnige und sorgfältige Gedankenarbeit verwendet. Ja noch mehr, die Ergebnisse dieser Denkarbeit waren nicht nur originell und neuartig, sondern auch von größter praktischer Beachtlichkeit und Bedeutung. Es wurden 4

ganz neue Wege und Möglichkeiten des Regierens gewiesen und

bis in die technischen Einzelheiten hinein so klar durchdacht, daß es getrost der praktischen Ausführung überlassen werden konnte, sie auszugestalten und politisch wirksam zu machen. Wenn dann später trotzdem so erhebliche Mißerfolge zu verzeichnen waren, so lag das

weniger an den Ideen, als an der Durchführung. Was die Ideen — wenn man von ihrer weltanschaulichen Begründung absieht und

sie lediglich als praktische Vorschläge von bestimmtem technisch-konstruktivem Jnhalt auffaßt — auszeichnet und was sie auch für die Gegenwart noch wertvoll und beherzigenswert macht, das ist ihr Grundgedanke und vor allem die Tatsache, daß bei diesen Lösungsversuchen die entscheidende Schwierigkeit des Problems sehr klar erkannt worden ist. Die Schwierigkeit aber, um die es sich hier handelt, besteht darin, daß sich die Bewegungsfreiheit der Persönlichkeit nicht mit allen Ordnungssystemen verträgt; am wenigsten aber mit demjenigen Ordnungsprinzip, das bis dahin das herrschende Prinzip war, nämlich mit dem P r i n z i p d e r befehlsmäßigen, unmittelbar lenkenden Reglem e n t i e r u n g. Es mußte daher eine grundsätzlich anders geartete Ordnungsmethode gefunden werden, sollten nicht die Frei-

heiten wieder vernichtet werden oder in der Freiheit chaotische Zustände entstehen. So kam man denn auf den Gedanken, d e n b e -

freiten einzelnen durch eine bestimmte rechtliche oder tatsächliche Gestaltung der Außenwelt, durch ein mittelbar wirkendes, wohldurchdachtes System von psychologischer Förderung und von psychologischen Widerständen sozusagen unmerklich und geräuschlos zu lenken. Es war die Idee der pfleghaften, mittelbaren Ordnung, von der man sich die politische Beherrschung und Lenkung des Spiels entfesselter individueller Kräfte versprach. Dieses Prinzip war in der Politik an sich nicht neu: es war das Prinzip der Staatsraison, wie es auf dem Gebiete der Außenpolitik und auf dem Gebiete des inneren

Machtkampfes zwischen Königtum (Landesfürstentum) und den ständischen Feudalgewalten insbesondere in der Zeit vor, während und nach dem Dreißigjährigen 5

Krieg zur Virtuosität ausgebildet worden war. Neu aber war einmal die Ubertragung dieses Prinzips auf das bislang vernachlässigte Gebiet der sozialen Alltagso r d n u n g, und ferner die wohlwollende, sozusagen gärtnerische Gesinnung, die den harten und menschenverachtenden Zynismus des politischen Renaissaneezeitalters ablöste. Eine gewisse realistische Schlauheit freilich blieb nach wie vor im Spiele: sie kam insbesondere da zum Durchbruch, wo man sich, wie dies bei der Regelung sehr vieler Beziehungen geschah, der List der Jdee bediente, d. h. des Gedankens, den Menschen an Hand seiner auf den eigenen Vorteil und auf den Augenblick abgestimmten Triebe nach einem höheren Ziele hinzulenken, das er subjektiv weder zu sehen noch, wenn er es sah, anzustreben brauchte.

K r ä f t e e n tf es s e l u n g durch Spielraumerweiterung und Spielraumbefreiung, mittelbare und pfleghafte Ordn u n g des freien Kräftespiels mittels grundsatzgetreuer, systematischer und durchdachter politischer Lenkungsmethoden und beides zu dem Zweck, den sozialen Alltag im Dienst der nationalen Lebenssteigerung zu aktivieren, — dies ist die politische Konzeption des bürgerlichen Zeitalters und seiner Revolution.

Im Rahmen dieses Gesamtplans war der Akt d e r B e freiung gesetzestechnisch am einfachsten zu bewerkstelligen. Immerhin bedurfte es einer gewaltigen revolutionären Anstrengung, um die Widerstände zu brechen, die sich gerade dieser Jdee entgegenstemmten.

Nach dem Siege der Freiheit aber begann die sachlich schwierigere Etappe des revolutionären Unterfangens. Denn nunmehr galt es, den Akt d e r O r d n u n g zu vollziehen. Hier aber versagte zum Unglück der Nationen die schöpferische Gestaltungskraft der Epigonen schon sehr bald, und zwar mit fortschreitender Zeit in zunehmendem Maße. So gelang die Bändigung der Freiheit nur höchst unvollkommen. Das Werk blieb ein Torso; als Torso ist es auf uns gekommen. Was für das gesamte politische und soziale Leben gilt, das trifft im besonderen auch für die Entwicklung der m o d e r n e n W i r t s ch a f t, also der erstaunlichsten und geschichtlich eigenartigsten Schöpfung des bürgerlichen Zeitalters zu. Auch hier ist die eine 6

Seite des politischen Vorhabens von vollem Erfolg gekrönt worden, nämlich der Versuch, die wirtschaftlichen Energien der einzelnen durch Befreiung und Spielraumerweiterung in ungeahntem Maß zu steigern und zu verlebendigen. Aber auch hier erwies sich das Gegengewicht, nämlich das Element der Ordnung, als zu schwach. Insbesondere von dem Zeitpunkt an, in dem sich geballte Massenkräfte und unvorhergesehene soziale Machtbildungen bemerkbar machten, begann die Ordnung abzubröckeln und schließlich zu zerbrechen. 2. Die Aufgabe der Gegenwart und die Möglichkeiten ihrer Lösung. So stehen wir heute vor der Aufgabe, eine Wirtschaft zu ordnen, die sich von der Wirtschaft aller Zeiten und aller Völker in ihren Grundzügen aufs nachdrücklichste unterscheidet. Vor einer Aufgabe, die im Verlauf der bisherigen Geschichte noch nicht gelöst worden ist, ja von der es vielen zweifelhaft erscheint, ob sie überhaupt lösbar ist. Denn mag man auch die Grundgedanken des bürgerlichen Lösungsversuchs als beachtenswert und wegweisend anerkennen, die praktische zureichende Durchführung ist uns die abgelaufene Ge-

schichtsepoche jedenfalls schuldig geblieben. Nach wie vor stehen wir deshalb auch heute noch vor der Frage, ob sich ein System verwirk-

lichen läßt, das auf den Grundgedanken der Befreiung der Jndividualkräfte und ihrer mittelbaren Lenkung durch eine psychologisch

durchdachte Rechtsordnung und ihre grundsatzgetreue Handhabung aufbaut. Vermag ein solches System eine wahre Ordnung des Wirtschaftslebens herbeiführen, d. h. eine Ordnung, die nicht nur eine technische, sondern auch eine sittliche Ordnung ist? Denn dies darf niemals außer acht gelassen werden, daß ohne Entfaltung sittlichen Lebens eine jede Gemeinschaft zugrunde geht und daß, wo der

Grundgedanke einer Ordnung die sittlichen Kräfte des Volkes nicht anspricht, eine zweckmäßige und vernünftige Organisation allein

den Zerfall nicht abwenden kann. Sollte sich bei einer gewissenhaften Untersuchung dieser Frage herausstellen, daß ein System von Freiheit und mittelbarer Lenkung auch dann nicht vollziehbar ist, wenn man das Element der Lenkung wesentlich verstärkt und ausbaut, dann bleibt allerdings nur ein einziges Auskunftsmittel übrig, nämlich 7

der entschlossene und radikale Ubergang zu einer grundsätzlich anders gestalteten Wirtschaftsverfassung. U n d z w a r zu e i n e r W i r t schaftsverfassung, bei der die Gesamtwirtschaft inallen ihrenTeilenunmittelbar befehlsmäßig, zentral und nach einem einheitlichen Gesamtplan unter Beseitigung der rechtlichen Unter-— nehmerfreiheit von der politischen Führung gelenkt wird. Es ist denkbar, daß es mit der Zeit gelingt, auch ein solches planwirtschaftliches System technisch so zu verfeinern,

daß der Gesamtwirtschaft ein gewisses Maß von persönlicher betriebsgestaltender Initiative zur Verfügung steht; aber darüber muß man sich im klaren sein, daß es in einer solchen Ordnung ohne

stärkste Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit und ohne erheblichen Ausbau des bürokratischen Apparats nicht abgeht. Alle jene vielgestaltigen und häufigen Vorschläge, die dies nicht wahr-

haben wollen, die einen Mittelweg zwischen Freiheit und Bindung für möglich halten und durchweg auf die Empfehlung irgendeiner

Spielart von dezentralisierter Selbstverwaltung hinauslaufen, stellen-. sich, sobald man sie durchdenkt, als schwächliche, gefährliche und leichtfertige Fluchtversuche in der Richtung des geringsten Widerstands dar. Es wird im zweiten Teil dieser Arbeit noch von der merkwürdigen Erscheinung die Rede sein, daß kein einziger unter den Autoren, die dergleichen befürworten, bisher auch nur den Versuch gemacht hat, die sachlichen Grundsätze herauszuarbeiten, nach

denen sich die pluralistische Marktpolitik der Selbstverwaltungsgruppen auf einen bestimmten, vernünftigen Gesamtplan einspielen soll. Vielmehr wird alles Heil entweder von einem neuen Typus des wirtschaftenden Menschen oder von einer erst noch heranzubildenden Führerschicht erwartet: Der neue Mensch oder der neue Führer sollen dann zum Heil der Gesamtwirtschaft diejenigen Maßnahmen treffen, die den Verfassern jener Vorschläge selbst nicht eingefallen sind. Wir sehen somit, daß die Fragestellung, mit der die abgelaufene Geschichtsepoche an das Problem der Wirtschaftsgestaltung herangetreten ist, noch heute nichts von ihrer Wichtigkeit und Zeitnähe eingebüßt hat, daß vielmehr der geschichtliche Zwang zur Inanspruchnahme befreiter Kräfte und zu ihrer vernünftigen, plangerechten Führung in der Gegenwart fortbesteht. Wir sind daher ge8

nötigt, aufs gewissenhafteste zu untersuchen, inwieweit das Scheitern des Ordnungsversuchs an der Idee und inwieweit es nur an der

Ausführung der Idee gelegen hat. Lag es an der Idee, so muß die neue Wirtschaft in einer Form gestaltet werden, die einen Verzicht auf die optimale Nutzung der persönlichen Einzelkräfte notwendig in sich schließt, d. h. es muß dann im Interesse der Ordnung und der politischen, befehlsmäßigen Beherrschbarkeit des wirtschaftlichen Gesamtvorgangs der Energiestrom mehr oder

weniger abgedrosselt werden. Daß eine solche Lösung, die mit einem sehr erheblichen Reibungskoeffizienten zu rechnen haben

wird

—-

man

denke

nur

an

die Schwierigkeiten

der

Kostenrechnungs- und Kalkulationskontrollel —, daß eine solche Lösung nicht nur technisch unbefriedigend ist, sondern wegen der notwendigen Uberführung selbständiger, nur dem Erfolg verantwortlicher Unternehmer in eine abhängige, beamtenähnliche Stellung

auch ernste Gefahren sozialer Art mit sich bringt (Auslese!), leuchtet ein und ist von der Wirtschaftspolitik des heutigen Deutschland klar erkannt worden. Weder eine Rückbildung des Wirtschaftlichen

auf eine solche Stufe, wie sie gegeben sein müßte, wenn die Anwendung der Ordnungsgrundsätze der mittelalterlichen Stadt- und Zunftwirtschaft in modernisierter Form in Frage kommen sollte, noch eine Hinwendung zu der Methode zentralistischer Planwirt-

schaft in riesenhaftem Ausmaß, wie sie am radikalsten vom russischen Kommunismus angestrebt wird, liegt in der Richtung unseres politischen Wollens. Um so mehr haben wir alle Veranlassung, unsere ganze Aufmerksamkeit auf diejenigen Ordnungsgrundsätze zu richten,

die auch verhältnismäßig selbständigen und freien Mitwirkenden gegenüber Erfolg versprechen, also insbesondere auf den Grundsatz der mittelbaren Lenkung. Warum hat sich dieser Grundsatz bisher nur unvollkommen bewährt? Wie läßt er sich ausbauen

und verstärken? Unter welchen äußeren Voraussetzungen vermag er eine zureichende Ordnung der Wirtschaft zu gewährleisten? Können diese Voraussetzungen da, wo sie in der Gegenwart nicht mehr ge-

geben sind, wieder geschaffen werden? In welchem Umfang und mittels welcher Maßnahmen? Wie läßt sich in einer relativ freien Wirtschaftsverfassung der Gemeinsinn der wirtschaftenden Volksgenossen steigern und dem materialistischen Individualismus ent-

gegenwirken? Wie gliedert sich eine solche Wirtschaftsverfassung in 9

den gesamten Reichs- und Staatsaufbau ein? Welche sonstigen Grundsätze sollen von »der staatlichen Wirtschaftspolitik da beobachtet werden, wo die Methode der mittelbaren Wirtschaftslenkung heute nicht mehr anwendbar ist, und wo daher nur die unmittelbare

befehlsmäßige Anordnung zu Gebote steht? Wie ist zu verfahren, damit sich die mittelbar geordneten und die unmittelbar vom Staat

gelenkten Sektoren der Gesamtwirtschaft nicht im Raume stoßen, daß sie sich nicht nach gegensätzlichen, sondern nach einheitlichen Gesichtspunkten entwickeln? Z. Der Gesamtplan der Schriftenreihe. Die Schriftenreihe, die mit der vorliegenden Arbeit eröffnet wird, hat sich die Aufgabe gesetzt, gerade diese Fragen systematisch zu

bearbeiten. Es soll in der Form von Einzeluntersuchungen, die sich mit allen wichtigeren Teilgebieten und Teilproblemen der Gesamtwirt-

schaft befassen werden, sozusagen eine Generalinventur unserer derzeitigen Wirtschaftsverfassung durchgeführt werden. Die Einheit unter den Einzelbeiträgen wird dadurch gewährleistet sein, daß die

Verfasser über die tragenden Grundsätze einer Meinung sind. Diese gemeinsame Uberzeugung erstreckt sich insbesondere auf folgende Punkte: Das wichtigste Erfordernis jeder Wirtschaftsordnung, die diesen Namen verdient, ist, daß die politische Führung Herr der Gesamtwirtschaft im ganzen wie in ihren

Teilen sein muß; es ist notwendig, daß die staatliche Wirtschaftspolitik das wirtschaftliche Geschehen geistig und machtmäßig in den Griff bekommt. Dies ist aber nur möglich, wenn die Wirtschaft durch-

sichtig und streng geordnet ist und wenn diese Ordnung, die eine rechtliche und politische Ordnung ist, vom Staat mit sachlichem Verständnis gehandhabt, von der Nation geistig erfaßt und erlebt und von den wirtschaftenden Volksgenossen mit Hingabe und Disziplin befolgt wird. Für die Ordnungsmittel und die Führungsbehelfe gilt daher der Satz, daß sie sa ch lich g e e i g n et sein müssen, eine solche Ordnung zu erzeugen, und daß sie ferner stark genug bemessen sein müssen, damit es der politischen Führung ermöglicht wird, ihre Herrschaft über die Wirtschaft zu behaupten. 10

Ein weiteres, ebenso wichtiges Erfordernis einer guten Wirtschaftsordnung ist, daß sie die in den Volksgenossen angelegten Produktivkräfte anregt und sie so vollkommen wie nur irgend möglich für die Gesamtheit nutzbar macht. Dies kann aber nur dadurch geschehen, daß dem einzelnen angemessene

Bewegungsspielräume

zur Verfügung gestellt werden, damit er in der Lage ist, seine wirtschaftlichen Fähigkeiten selbstverantwortlich zu entfalten. Diese

Bewegungsspielräume sollten daher so breit bemessen werden, wie es die Idee der geschlossenen und straffen Gesamtordnung nur irgend zuläßt. Es ist also n ich t derjenigen Ordnungsmethode der Vorzug zu geben, nach der sich am bequemsten regieren und am leichtesten ein Uberblick über die Gesamtwirtschaft erzielen läßt, sondern derjenigen, die den höchsten sozialen, politischen und wirtschaftlichen Nutzeffekt verspricht und trotzdem noch eine politische Gesamtlenkung und eine Orientierung über das wirtschaftliche Gesamtgeschehen zuläßt. Unter diesen Gesichtspunkten werden sowohl die Struktur der

Gesamtordnung wie die Einrichtung und Verfassung der einzelnen Teilgebiete und Teilmärkte zu durchdenken sein. 4. Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit im Gefauitplan

der Schriftenreihe. Im Rahmen dieses Gesamtplanes der Schriftenreihe fällt der einleitenden Veröffentlichung die Sonderaufgabe zu, das Problem der Wirtschaftsordnung vom rechtswissenschaftlichen Standpunkt aus zu umreißen. Die juristische Betrachtungsweise begreift die Wirtschaftsordnung als eine Re ch t s v e r f a s s u n g; dies hat den großen Vorzug, daß bei der Darstellung der p olit i s ch e C h a r a k t e r der Wirtschaftsordnung anschaulich zutage tritt und der Primat der Politik außer jeden Zweifel gerückt wird. Und zwar auch da, wo sich die Politik bei der Ausgestaltung und Handhabung einer bestimmten Ordnung gewisse Eigenschaften der Menschen und Dinge zunutze macht, wo sie sogenannte »Eigen-

gesetzlichkeiten« des Stoffs und der Mittel in Rechnung stellt, wie dies ja auch ein Künstler oder ein Jngenieur tut. Gerade die juri11

stische Betrachtung dürfte geeignet sein, Klarheit in die vielumstrittene Frage zu bringen, was es mit den Eigengesetzlichkeiten der

Wirtschaft auf sich hat, und dem Mißbrauch entgegenzuwirken, der von seiten der Interessengruppen im Dienste des wirtschaftlichen Eigennutzes mit dem Argument der Eigengesetzlichkeit getrieben wird.

Ein weiterer Vorzug der rechtswissenschaftlichen Untersuchungsmethode besteht darin, daß sich der Jurist nicht damit begnügen darf, festzustellen, w e l ch e V o r a u s se tz u n g e n von seiten der Politik bereitgestellt werden müssen, damit sich ein bestimmtes Wirtschaftssystem in gewollter Folgerichtigkeit vollziehen kann, sondern daß er sein Augenmerk vor allem auch der weiteren Frage zuzu-

wenden gezwungen ist, wie diese Voraussetzungen (also z. B. der Leistungswettbewerb oder eine wirksame staatliche Kartellaufsicht) in die Wirklichkeit umgesetzt werden können, mit welchen Widerständen und Ausartungen hier zu rechnen ist und wie solchen Neigungen entgegengewirkt werden kann.

Endlich steht die Rechtswissenschaft unter der Nötigung, eine T e i l v e rfa s s u n g, wie es die Wirtschaftsordnung ist, in d e n Zusammenhang der politischen Gesamtverfass u n g e i n z u f ü g e n und die Brücke von der Wirtschaftspolitik zur nationalen Gesamtpolitik zu schlagen. Bei dieser Eingliederung handelt es sich nicht nur um eine verfassungstechnische Frage, insbesondere nicht etwa um eine Frage der Abgrenzung. Denn es gilt nicht abzugrenzen, sondern einzubauen und zusammenzufassen, und

zwar zusammenzufassen nicht nur im konstruktiv-technischen, sondern im geistig-weltanschaulichen Sinne. Die Ordnung der Wirtschaft in ihrer Eigenschaft als Ordnung eines Ausschnitts aus dem politischen und kulturellen Gemeinschaftsleben der Nation muß so beschaffen sein, daß sie — vom Alltag her — z u r S t e i gerung des gesamtpolitischen Lebensgefühls und zur Vervollkommnung der nationalen Einheit

beiträgt. Sonst unterhöhlt der wirtschaftliche Alltag mit seinen täglichen Versuchungen und seiner kräftezermürbenden Inanspruchnahme der einzelnen die politische Spannkraft, das Gemeingefühl und die höheren Eigenschaften und Bedürfnisse, von deren Erweckung und Pflege das gesteigerte Leben eines Volkes abhängt. So fällt denn der Rechtswissenschaft die Aufgabe zu, die Frage 12

der Ordnung der Wirtschaft dem allgemeinen Verständn i s nahe zu bringen, d. h. vor allem, sie aus dem Bann der fach-

wissenschaftlichen Spezialisierung zu befreien. An ihr liegt es, die geistigen Brücken zu schlagen zwischen Wirtschaft und Politik, zwi-

schen den theoretischen Systemen und ihrer praktisch-politischen Verwirklichung, zwischen Wirtschaftsverfassung und Gesamtverfassung, zwischen dem wirtschaftlichen Alltag und dem geistig-politischen Leben der Nation. Wenn man es einst der gelehrten Iurisprudenz vorgeworfen hat, daß sie das volkstümliche Rechtsempfinden zerstört

und die Rechtskenntnis zur Geheimwissenschaft einer Berufskaste gemacht habe, so ist ihr heute die Gelegenheit geboten, diese geschichtliche Sünde wieder gut zu machen. Mehr und mehr wächst ihr nämlich die Aufgabe zu, die Vorstellungswelten der sachlichen Spezialgebiete —- man denke nur an Pädagogik, Hygiene, Bevölkerungspolitik, Rassebiologie, Soziologie, Nationalökonomie — für das politische Verständnis sozusagen zu verdolmetschen und ein un-

endlich kompliziert und undurchsichtig gewordenes Sozialgeschehen auch dem unverbildeten Sinn unter einem einleuchtenden Gesichtspunkt zu veranschaulichen. Denn es ist ihres Amtes, alles, was überhaupt in das Recht hineinragt und vom Recht erfaßt ist, von der

Rechtsidee aus und in seinem politischen Gesamtzusamm e n h a n g zu betrachten, also sozusagen die Kompositionsidee herauszukristallisieren, die der Partitur des sozialen und politi-

schen Lebens zugrunde liegt, und dergestalt das geistige Band wieder sichtbar zu machen, das die tausendfältigen Einzelbeziehungen zu einer höheren Einheit zusammenfaßt.

Die Aufgabe des Brückenschlags bringt es mit sich, daß sich der Iurist sehr nachhaltig in benachbarten Wissensgebieten umzusehen

hat. Wer die Verbindung zwischen Alltag und Politik deutlich machenwill,dermußsichimprivatenRechtundimöffentlich e n R e cht auskennen, denn nur so kann es ihm gelingen, das

System des privaten Rechts als einen Teil der öffentlichen Rechtsverfassung zu begreifen und darzustellen. Und wer es unternimmt, die wirtschaftlichen Ordnungssysteme als Rechtsordnungen nachzuweisen, der muß sich mit der nationalökonomischen Theorie vertraut machen. Er darf ferner, um das Verhalten von einzelnen und Gruppen im sozialen Alltag ermessen zu können,

an den Erkenntnissen der Psychologie und Soziologie 13

nicht vorbeigehen. Vor allem aber sollte er in der G es chichte zuhause sein, um die historisch-politische Erbschaft analysieren zu können, von der die großen Aufgaben der Gegenwart geformt werden. Und endlich muß er über ein W eltbild verfügen, das im Herzen der Nation Widerhall findet, das er mit ihr teilt und das ihn instand setzt, sein Wissen fruchtbar zu machen. Es bedarf wohl keines Hinweises, daß bei dem Entwicklungsstande des allgemeinen und des spezialisierten Wissens unserer Tage kein lebender Jurist sich vermessen darf, zu behaupten, daß er auch nur annähernd über so weitreichende Kenntnisse verfüge. Es bleibt ihm daher, wenn er das Gebot der umfassenden Beheimatung in all

diesen Wissens- und Lebensgebieten anerkennt, nur die Wahl, entweder von seiner Aufgabe abzustehen,oder aber auf denjenigen Gebieten, in denen er wissenschaftlich nicht selbst arbeitet, sich ohne eingehende Kenntnis der speziellen Fachliteratur auf diejenigen

Forschungsergebnisse zu stützen, die Gemeingut einer breiteren Offentlichkeit geworden sind. Welchen Weg er wählt, das hängt in erster Linie von der Dringlichkeit der wissenschaftlichen Aufgabe ab. Daß aber die Aufgabe, des wirtschaftlichen Lebens geistig, kulturell und politisch Herr zu werden, eine Aufgabe von allerhöchster Wichtigkeit und Dringlichkeit ist, davon ist heute nicht nur der Fachmann, sondern die Allgemeinheit überzeugt. Damit ist aber auch der Weg bestimmt und der Entschluß eines wissenschaftlichen Autors, die Grenzen seiner kenntnismäßigen Zuständigkeit zu überschreiten, gerechtfertigt. Selbstverständliches Gebot wissenschaftlicher Ehrlichkeit ist es aber, daß der Verfasser klarlegt, in welchem Umfang er die fachwissenschaftliche Verantwortung für seine Darlegungen zu tragen vermag und wo dies nicht der Fall ist. Die vorliegende Arbeit ist eine rechtswissenschaftliche, die in erheblichem Ausmaß an die Ergebnisse der Wirtschaftstheorie anknüpft; soweit sie sich in diesem Rahmen hält — und das ist insbesondere im zweiten Abschnitt der Fall —, muß sie sich ohne Vorbehalt der fachwissenschaftlichen Kritik stellen. Im ersten Abschnitt dagegen wird das Problem der Wirtschaftsverfassung in einem sehr viel breiteren politischen, geschichtlichen und geistesgeschichtlichen Zusammenhang dargestellt werden müssen. Dies aber ist ein Unterfangen, dem nur der geschulte Historiker voll gerecht werden kann. 14

Der Verfasser muß offen bekennen, daß er hier nur einen andeu-

tenden Entwurf bietet, der aber gewagt werden muß. Mit diesem Eingeständnis verfolgt der Verfasser nicht die Absicht, seine geschichtlichen Ausführungen vor der Kritik in Sicherheit zu bringen. Diese Kritik soll vielmehr auf den Plan gerufen und die Geschichtswissenschaft auf eine politisch-rechtliche Fragestellung hingelenkt werden, die bisher von der juristischen Theorie noch

nicht mit hinreichender Schärfe herausgearbeitet worden ist. Es ist die Hoffnung des Verfassers, daß sich die historische Kritik nicht damit begnügt, die etwa unterlaufenen Einseitigkeiten und über-— spitzten Verallgemeinerungen festzustellen, sondern daß sie ihrerseits das Problem aufgreift und sich an dem wissenschaftlichen

Brückenbau beteiligt, den die unvermeidbare Spezialisierung der Fachgebiete notwendig gemacht hat. Die Fragestellung aber, mit der die vorliegende Arbeit an die Geschichte herantritt, ist folgende: Wie haben sich die modernen Völker im Lauf ihrer geschichtlichen Entwicklung mit der A ufg a b e,

den sozialen Alltag politisch zu erfassen, ihn in die politische Gesamtverfassung einzubeziehen, zurechtgefunden, wann ist diese Aufgabe zum erstenmal klar als Problem erfaßt worden, wie sahen die verschiedenen Lösungs-

versuche aus und welche Erfahrungen sind mit ihnen gemacht worden? Dabei wird es notwendig sein, zwischen den p r aktis ch -

politischen Konstruktionsgedanken, die von der Aufgabe her nahegelegt worden sind, und den id e o l o gis ch e n B e g r ü n d u n g e n dieser Gedanken, die ihren Ursprung aus einem weltanschaulichen Dogma herleiten, zu unterscheiden. Denn so aus-

schlaggebend die politische Weltanschauung für die Auffassung der Aufgaben und für die Wahl der Wege zu allen Zeiten ist, so zeigt sich doch nicht selten, daß die praktischen Ideen die Weltanschauung, die sie hervorgebracht hat, überleben, daß ihnen auch eine andere weltanschauliche Begründung untergeschoben werden kann, ja daß sie dieser Neubegründung sogar bedürfen, weil ihnen eine höhere

Weisheit innewohnt als den philosophischen Spekulationen, die zur Zeit ihrer Geburt Mode waren.

15

Erster Abschnitt.

Die Ordnung der Wirtschaft als allgemein-politisches Problem. (Einordnung einer dynamischen Wirtschaft in die Gesamtordnung desnationalen Lebens.) 1. Die zwiespältigen Wirkungen der freien Verkehrswirtschaft.

Keine Schöpfung des bürgerlichen Zeitalters hat so umgestaltend und umwälzend in die äußeren Lebensverhältnisse der Völker und

in den beruflichen und konsumtiven Alltag des einzelnen eingegriffen wie die m o d e rn e W i r t s ch a f t; in keiner anderen Gestalt sind der Idee der Freiheit so sichtbare, realistische, in die Breite wirkende Erfolge beschieden gewesen wie in der Gestalt der Gew e r b e f r e i h e i t. Denn daß die Einführung der Gewerbefreiheit die vom Merkantilismus angebahnte moderne Entwicklung der Wirtschaft mächtig vorwärtsgetrieben, daß erst sie es ermöglicht hat, den technischen Fortschritt für die Zwecke der Güterproduktion und der Güterverteilung allgemein zu nutzen, lehrt ein Blick

auf die Geschichte: Mögen wir Staaten oder Provinzen oder gar nur vereinzelte Wirtschaftszweige, etwa die Textilindustrie, ins Auge fassen: überall setzt, man kann beinahe sagen: an dem Tage, an dem durch Gesetz die überkommenen Schranken der gewerblichen Bewegungsfreiheit niedergelegt wurden, eine entscheidende Ver-

wandlung des sozialen Alltags ein. Und wie sieht diese Verwandlung aus?: Die wirtschaftlichen Energien vervielfachen sich, entdeckte Naturkräfte und Naturprozesse werden, kaum daß der Forscher seine Arbeit abgeschlossen hat, mit beispielloser Nachhaltigkeit im Dienst der Bedarfsbefriedigung genutzt, das Verfahren der Arbeitsteilung und Arbeitszerlegung erfährt eine erstaunliche Ausbildung, die menschliche Arbeitskraft wird 16

in nie erlebter Weise angespannt, es gelingt wie mit einem Schlage, nahzu alle in Privatbesitz befindlichen Geld- und Sachgütervorräte, soweit sie nicht zum konsumtiven Verbrauch oder Gebrauch bestimmt sind, für die Zwecke der Gütererzeugung und Güterverteilung zu

erfassen, es spielt sich endlich, trotz Tder Unübersehbarkeit des riesenhaft anwachsenden Gesamtprozesses und trotz der nahezu schrankenlosen Bewegungs- und Entschlußfreiheit der Beteiligten, ein verhältnismäßig präzises und zweckmäßiges Ineinandergreifen der

Einzeltätigkeiten und Einzelfunktionen ein. Und dies alles fast iohne Zwang, ohne zentralen Plan, ohne befehlsmäßige Führung,

runter sparsamstem Einsatz sichtbarer Ordnungsbehelfel I). Das Ergebnis der veränderten Form wirtschaftlichen Zusammenwirkens war, daß sich bei den Nationen, die sich dieses Systems bedienten, trotz einer Vermehrung der Bevölkerungszahl um das

Drei- bis Vierfache, »der Lebensstandard der breiten Schichten, und zwar insbesondere der ärmeren im Vergleich zu früher verbesserte, obwohl sich damals eine sehr viel kleinere Zahl von Menschen in den Ertrag des gleichen Bodens und der nationalen Gesamterzeugung zu teilen hatte. Dies ist wirtschaftlich ein staunenswerter, nicht

swegzuleugnender Erfolg und spricht eindeutig für die Leistungsfähigkeit des wirtschaftlichen Systems, mit dessen Hilfe er erzielt ivorden ist. Man sollte glauben, daß sich eine so erfolgreiche Ordnung der

allgemeinen Anerkennung erfreut hätte, daß die Völker es sich hätten angelegen sein lassen, sie auszubauen, die Unebenheiten und

Mißstände der Anlaufszeit zu überwinden, die beherrschenden Ordnungsideen in immer größerer Klarheit herauszuarbeiten und sie

ihrem politischen Bewußtsein einzuverleiben. Wir sehen aber, daß dies in Wirklichkeit nicht der Fall war.

Wohl hat man, rein tatsächlich, die Produktivität des freien Wirtschaftssystems ausgebeutet und sich die materiellen Vorteile, die es 1) Mit dieser Darstellung soll der Anteil, den andere Faktoren (Konfo-

lidierung der Staatsautorität, bewußte staatliche Wirtschaftspflege und Wirtschaftsförderung im 16., 17. und 18. Jahrhundert, vor allem aber die Erschließung riesiger überseeischer Absatz- und Kolonialgebiete) an dem wirtschaftlichen Aufschwung des 19. Jahrhunderts gehabt hat, nicht in Abrede gestellt werden. Aber auch diese günstigen Vorbedingungen sind durch die Einführung der Gewerbefreiheit wirtschaftspolitisch zweifellos ganz erheblich aktiviert worden. Böhm

2

17

bot, wohl gefallen lassen. Auch hat man zuweilen einem Gefühl des Stolzes und der Genugtuung Ausdruck verliehen, wenn man

sich den technischen Fortschritt vergegenwärtigte, der sich unter ldem Einfluß der modernen Wirtschaftsentwicklung vollzogen hatte. Das hinderte aber nicht, daß die gleiche Ordnung schon sehr bald, man kann geradezu sagen, vom Tage ihrer Einführung an zum Gegenstand allseitiger Kritik gemacht wurde. Und was für einer Kritik! Eine angestaute Erbitterung ohnegleichen, eine nicht selten gerader abgründige und haßerfüllte Abneigung, im besten Falle ein zuni Verzicht auf Änderungswünsche geneigtes, aber doch deutlich genug empfunsdenes und bekiindetes Mißbehagen machte sich hier in Argumenten von verschiedenster Herkunft und von widerspruchvollsteni Inhalt Luft. Der Meinungsstreit um das freie Wirtschaftssystem ist im übrigen von allem Anfang an dadurch in eine schiefe Richtung gedrängt

worden, daß weder die Anhänger noch die Gegner in diesem System eine politische und verfassungsrechtliche Ordnung bestimmten und grundsätzlichen Inhalts erblickten. Obwohl es in der Geschichte der Staats- unid Sozialverfassungen kaum eine andere Ordnung von so geschlossener Systematik und solcher Eindeutigkeit und Folgerichtigkeit des Inhalts geben dürfte wie die Ordnung der freien Verkehrswirtschaft, sah die öffentliche Meinung in ihrer Einführung nicht einen Akt positiver Gestaltung, sondern vielmehr einen Akt der Auflösung. Nicht die Tatsache der gewerblichen O r d n un g, sondern die Tatsache der gewerblichen F r e i h e it war es, die in die Augen fiel, und deshalb wurde denn auch der Streit in der Folge nicht

um die praktischen Vorteile und Nachteile des konkreten Ordnungsgedankens des Systems, sondern vielmehr um den Segen und den Fluch der wirtschaftlichen Freiheit geführt. Alle Anklagen richten sich denn auch dagegen, daß der Staat mit »dem Ubergang zu einer

freien Wirtschaftspolitik die Freiheit entfesselt habe. Man erblickte den Sinn dieser Politik geradezu darin,

daß der Staat damit

auf die Idee der Ordnung überhaupt verzichtet und sdie Lenkung des Wirtschaftsprozesses im ganzen dem privatwirtschaftlichen Erwerbstrieb der losgelassenen Individuen überantwortet habe. Also Abdankung der Politik, soweit der Bereich der Wirtschaft in Frage kam, und statt dessen ein leichtferiges und bequemes Vertrauen der18

Staatsführung auf das wohltätige Walten einer prästabilierten Harmonie! Soweit sich ldie Polemik gegen die neue Ordnung von diesem Gedanken leiten ließ, beruhte sie auf einem Irrtum. Daneben aber stützten sich die Angriffe auch auf T a t s a ch e n und B e o b a ch tu n g e n. Die Anklagen, die auf dieser soliden Grundlage erhoben wurden, verdienen ernste Beachtung. Sie waren von der schwersten Art. Man machte geltend, daß die Wirtschaftsfreiheit die soziale und

politische Moral der Völker untergraben und es dahin gebracht habe, daß »der Gemeinschaftsgeist durch rücksichtslose Gewinnsucht und das Prinzip des sozialen Zusammenwirkens durch die Methode des Kampfes aller gegen alle ersetzt worden sei. Immer mehr sei an die Stelle der großen politischen und sittlichen Ziele das Streben nach materiellem Wohlstand und Fortschritt getreten. Der Ubergang von organisch gewachsenen Ordnungen zum Prinzip abstrakter Reglementierung habe zu einem rapiden Zerfall echter Gemein-

schaftskultur geführt. Die Folge der wirtschaftlichen Befreiung des Einzelnen sei die politische und soziale Emanzipation des Individuums von der Gemeinschaft gewesen; ein rücksichtsloser Egoismus habe sich mit der Kraft einer wahren Seuche verbreitet. Das natür-

liche Verhältnis zwischen Einzelnem und Gemeinschaft sei auf den Kopf gestellt worden, seitdem das Individuum begonnen habe, sich

als Selbstzweck zu empfinden. Man hat diese Vorwürfe in den Schlagworten: Materialismus, Rationalismus und Individualismus zusammengefaßt. Und wenn man auch nicht so weit ging, zu behaupten, daß diese unheilvolle Entwicklung ausschließlich auf Idie freie Wirtschaftsverfassung zurückzuführen sei, so hat man doch mit Entschiedenheit den Standpunkt vertreten, daß die Gewerbefreiheit die äußeren Vorbedingun-

gen geschaffen habe, ohne die sich jene Ubelstände niemals so schnell und in so verhängnisvoller Massenwirkung hätten ausbreiten können-.

Daß diese Anklagen zum großen Teil richtig sind und auf einer zutreffenden Würdigung der psychologischen Zusammenhänge be-

ruhen, wird kaum in Abrede gestellt werden können. In der Tat findet materialistisches, rationalistisches und individualistisches Denken in einer freien Wirtschaft nur allzu günstigen Nährboden. Im

übrigen ist tatsächlich bei der Einführung der Gewerbefreiheit ein 19

radikaler Bruch mit jahrhundertalten Grundsätzen sozialer Ordnung

vollzogen worden, der Erschütterungen schwerster Art mit Notwendigkeit nach sich ziehen mußte.

Wir sehen uns also von allem Anfang an der Tatsache gegenüber, daß die moderne Wirtschaftsverfassung eine d o p p e l t e Wirku n g gehabt hat. Auf ihrem engeren Gebiete war sie erfolgreicher als jede frühere Wirtschaftsordnung der bekannten Geschichte; niemals hat das wirtschaftliche Zusammenwirken der Volksgenossen auch nur annähernd einen so hohen Grad von Produktivität erreicht. Ienseits ihrer Spezialaufgabe dagegen hat die gleiche Ordnung auf das politische, kulturelle und geistige Leben Wirkungen ausgeübt, die fürs erste fast durchweg ungünstig waren. Wenigstens ist es den Völkern und ihren Regierungen im Verlauf eines Jahrhunderts nicht gelungen, die von Grund auf veränderten und revolutionierten äußeren Verhältnisse durch die Kraft einer höheren Jdee politisch zu meistern. Diese doppelte Wirkung der Gewerbefreiheit hat zur Folge gehabt, daß sich die öffentliche Aufmerksamkeit schon sehr frühzeitig von der wirtschaftlichen Seite des Problems abwandte und in steigendem Maße mit den kulturellen und politischen Erscheinungen befaßte, die den wirtschaftlichen Vorgang begleiteten. Die Sozialpolitik verdrängte die Wirtschaftspolitik mit dem Ergebnis, daß die technische Pflege des Systems vernachlässigt wurde. So bildeten sich im Gebäude der Wirtschaft Sprünge und Risse heraus; die Organisation des wirtschaftlichen Zusammenwirkens krankte immer mehr an inneren Widersprüchen und an unverständiger Handhabung oder Nichtanwendung ihrer Grundsätze. Die Folgen dieser Fehlentwicklung wirken auch heute noch nach. Also nicht genug damit, daß es nicht gelang, die neue Wirtschaft in das Staatsleben einzuordnen, man vermochte nicht einmal die volkswirtschaft-

lichen Vorteile festzuhalten, die das neue System bot. So lastet heute auf der Frage der Wirtschaftsordnung eine doppelte Sorge: die Sorge um die Flurbereinigung, Wiederherstellung und Konstruktionsverbesserung einer produktiven Wirtschaftsverfassung, und die Sorge um die politische Meisterung der außerwirtschaftlichen Wirkungen einer solchen Verfassung. Die vorliegende Arbeit behandelt in ihrem ersten Abschnitt das 20

allgemein politische, in ihrem zweiten Abschnitt das speziell wirtschaftspolitische und wirtschaftsverfassungsrechtliche Problem. Die Aufgabe, den wirtschaftlichen Alltag einer modernen Nation mit einer wirklich leistungsfähigen, produktiven, durchsichtigen Ordnung

auszustatten, die sich in die politische Gesamtordnung einfügt und dem Gedanken, eine von Jndividual- und Gruppeninteressen in Bewegung versetzte und durch Interessengegensätze in sich gespaltene

Gesellschaft zu einer wahren Volksgemeinschaft zusammenzuschweißen und die Zentrifugalkraft der Interessen durch die Einheit einer politisch-sittlichen Idee zu überwinden, keine unüberwindlichen Schwie-

rigkeiten in den Weg legt, sondern ihm unterstützend entgegenkommt —- -diese große, von der Geschichte selbst gestellte Aufgabe kann nur gelöst werden, wenn man die wirtschaftspolitische und die politische Seite des Problems gleichzeitig in Angriff nimmt. Obwohl in der folgenden Darstellung die politische Problematik an den Anfang gestellt wird, muß betont werden, daß die Gesamtlösung von einer eindeutigen Entscheidung über die spezielle, d. h. über die wirtschaftspolitische Ordnung ausgehen muß. So lange man nicht weiß, nach welchen Grundsätzen die Wirtschaft aufgebaut werden soll, kann man die Aufgabe, die Wirtschaft in den Staat einzuordnen, nicht mit Erfolg in Angriff nehmen. Nur eine in sich geordnete Wirtschaft kann politisch gemeistert werden.

2. Die geschichtlichen Wirtschaftsverfassungen Wenn wir die doppelte Wirkung der modernen Verkehrswirtschaft und ihre Ursachen verstehen wollen, so werden wir am ehesten zu schlüssigen Ergebnissen kommen, wenn wir der modernen Wirtschaft die Ordnungen gegenüberstellen, die vor der Einführung der Gewerbefreiheit die Organisation des wirtschaftlichen Lebens zum Ziele hatten. Worin besteht der wesentliche Unterschied? Welches waren die Ziele der alten Ordnungen und welche Aufgabe hat sich die freie Verkehrswirtschaft gesetzt? Man sollte denken, daß die Aufgabe, die einer Wirtschaftsverfassung gestellt ist, immer die gleiche bleibt: Aufgebot aller produktiven menschlichen Kräfte und Fähigkeiten zu möglichst ertragreicher wirt-

schaftlicher Zusammenarbeit, Förderung aller Kenntnisse über wirtschaftlich wertbare Naturkräfte und über die Möglichkeiten ihrer Indienststellung zum Zwecke der Ertragssteigerung, Ordnung end21

lich dieser Zusammenarbeit unter dem Gesichtspunkt der höchstmöglichen Ergiebigkeit des sozialen Gesamtarbeitsprozesses für die Allgemeinheit.

In Wirklichkeit aber hat sich seit dem Zerfall des römischen Reiches erst die Wirtschaftsverfassung der Verkehrswirtschaft wieder bewußt diese Aufgabe gesetzt; sie ist seit dem Beginn des Mittelalters die erste Wirtschaftsordnung, die den g a n z e n Aufbau der Wirtschaft von dieser ihrer eigentlichen Aufgabe her zu organisieren unternimmt. Die ihr vorausgehenden Ordnungen, insbesondere aber die Ordnungen der mittelalterlichen Stadtwirtschaft rückten einen ganz anderen Gesichtspunkt in den Vordergrund. Nämlich den Gesichtspunkt der Stabilität der sozialen Verhältnisse. a) Die älteren Wirtschaftsordnungen. Seßhafte Völker haben von Hause aus nicht die Neigung, sich zu verändern. Sie entwickeln sdie Formen ihres politischen Gemeinschaftslebens von unten, von den kleinsten Einheiten her. In der Familie, der Sippe, der Stammes- und Dorfgemeinschaft bildet sich das geschichts- und staatsgestaltende Vermögen vor. Alle vor- und frühgeschichtlichen Epochen großer Nationen zeichnen sich durch eine große und mit Feierlichkeit umkleidete Strenge der Formen und Grundsätze aus, die das Leben der engeren Gemeinschaften beherrschen. Es besteht in diesen Zeiträumen der Entwicklung geradezu eine unüberwindliche, im politischen Instinkt begründete Abneigung dagegen, diese Formen und Grundsätze preiszugeben, sie veränderten äußeren Verhältnissen und etwa auftauchenden neuen Aufgaben

anzupassen. Jedes Hinaustreten in eine erweiterte Größenstufe der politisch-sozialen Einheit wird als ein kritisches Wagnis erster Ordnung empfunden; mit Sorgfalt und Eifer ist man bestrebt, das Gefüge und den Bestand der gewohnten Gemeinschaften in die erweiterte Gestalt des nationalen Daseins hinüberzuretten. Dies gilt vor allem in bezug auf die Gestaltung des wirtschaftlichen Alltags; nicht Ertragssteigerung, nicht Entwicklung ergiebigerer Arbeitsmethoden ist die Parole, sondern strengste Erhaltung der gewohnten Arbeitsformen. Alles frühe Recht ist verkehrsfeindlich. Arbeitsteilung und Tausch stoßen auf den denkbar größten inneren Widerstand. Diese Kraft sder Beharrung, die hier im Dienste der inneren Konsolidierung steht und ohne die sich das, was wir den Charakter

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eines Volkes, seine geschichts- und staatenbildende moralische Konsistenz nennen können, nicht zu festigen und auszubilden vermöchte,

bleibt auch nach dem Eintritt in die große Geschichte in hohem Grade wirksam. Man baut von unten nach oben, überweist der kleinsten politischen Einheit den größten Aufgabenkreis und beschränkt die höhere Einheit grundsätzlich auf solche Aufgaben, die von der engeren Einheit nicht gelöst werden können. Auch dies gilt nirgends

so sehr wie auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Alltags. Ie weiter nun die Entwicklung fortschreitet, je größere Ansprüche

die höheren politischen Aufgaben auch an die wirtschaftliche Kraft der engeren politischen Gemeinschaften stellen, desto heftiger sieht sich die traditionelle Ordnung des wirtschaftlichen Alltags von den unablässigen Veränderungen »der Außenweltfaktoren bekannt. Immer häufiger werden diese Ordnungen praktisch gesprengt; es tritt denn ein vorübergehender Zustand ein, während dessen neue Gewerbetreibende zuströmen, alte verdrängt werden, und auch die Art

und Struktur der Gewerbe sich ändert. Aber sobald ein solcher Anpassungsakt die Umrisse eines neuen gewerblichen Aufbaus erkennen läßt, setzen auch schon die Bestrebungen wieder ein, den nunmehr erreichten status quo durch neue Ordnungen rechtlich zu stabilisieren und gegen fernere Veränderungen zu schützen.

Mit der Ausbildung und Konsolidierung der höheren politischen Zentralgewalten (Königtum, Landesfürstentum) begann eine neue Epoche auch für die Wirtschaftsgeschichte. In sdem Maße, als der öffentliche Friede gesichert, die Verkehrswege verbessert und das

Münzwesen vereinheitlicht wurde, drängte der Tauschverkehr über die lokalen Grenzen der alten Selbstverwaltungseinheiten hinaus.

Damit aber kündigte sich der Zerfall der alten Ordnungen an. Immer zahlreichere Aufgaben, die früher zur Zuständigkeit der engeren Gemeinschaften gehört hatten, wurden nunmehr von den Zentral-

gewalten mit Beschlag belegt. Die Folge war, daß das öffentliche Leben in diesen begrenzten Einheiten zu versiegen begann. Die Bindungen, die früher einen politischen Sinn und eine erzieherische Funktion gehabt hatten, streiften ihren für die Gemeinschaft nützlichen Charakter ab und erstarrten zu partikularistischen Feudal-— und

Monopolprivilegien. Insbesondere die gewerblichen Bindungen kamen schließlich nur noch den materiellen Jnterssen einer bestimmten Schicht kleiner und mittlerer Gewerbetreibensden zugute. 23

Dazu kam nun aber noch ein völlig neuartiger Entwicklungsvorgang. Während nämlich das kleingewerbliche Leben in einem Prozeß steriler Gruppenversippung begriffen war und sich immer mehr in einen wahren Wust berufsständischer und lokalpolizeilicher Vorschriften verstrickt sah, schufen die Zentralregierungen, teils mit Hilfe privilegierter Privatunternehmer, teils unmittelbar im Wege der Errichtung von Staatsbetrieben von oben her die Anfänge einer großbetrieblichen Jndustriewirtschaft. Bei diesem Vorgang, der die moderne Wirtschaftsgeschichte einleitete und von größter Bedeutung war, handelte es sich aber noch nicht um die Errichtung einer in sich geschlossenen Wirtschaftsverfassung, sondern um ein verwaltungs-—

mäßiges Eingreifen von Fall zu Fall, wie es gerade der Reformeifer von Fürsten und Ministern mit sich brachte. Es waren wirtschaftsfördernde, nicht wirtschaftsordnende Maßnahmen. Im übrigen war auch dieser wirtschaftliche Oberbau nach den Grundsätzen des Privilegienwesens aufgebaut und sah sich außerdem in seiner Entwicklung durch die politische Zersplitterung der inneren Märkte, vor allem aber durch ein heillos verwickeltes Finanz-, Steuer- und Zollwesen gehemmt. So fand also das System der Gewerbefreiheit bei seiner Einführung nur noch abgestorbene Trümmer und lebensunfähige Reste der alten Ordnungen vor. Fassen wir die Grundidee dieser alten Ordnungen nochmals in wenig Worten zusammen, so können wir sagen: Diese Grundidee zielt ab auf einen Schutz des jeweiligen gewerblichen status quo gegen alle Veränderungen, die von außen und innen her die überkommene

Struktur der Produktion und Verteilung zu sprengen und zur Anpassung an neue Bedürfnisse und Aufgaben zu zwingen drohten. Es waren Ordnungen, die bewußt aus Gründen des politischen Instinkts den Gesichtspunkt der Produktivitätssteigerung beiseite schoben und die Tendenzen der Beharrung gegen die Forderungen des wirtschaftlichen Fortschritts in Schutz nahmen. Die Pflege des Gemeingeistes erforderte Beständigkeit des sozialen Allta g s und Unveränderlichkeit der engeren sozialen, politischen und berufsständischen Gemeinschaften, Gebräuche und Gewohnheiten. Die Pflege und Förderung des allgemeinen materiellen Wohlstands dagegen erfordert Beweglichkeit des sozialen All24

ta g s und elastische Wandelbarkeit aller Gemeinschaftsformen, Betätigungen, Produktions-

und Verteilungsmethoden. In

diesem

Widerstreit zwischen zwei politischen Bedürfnissen ergriffen die alten Ordnungen unbedenklich und mit Nachdruck die Partei des ersteren. Es handelt sich bei ihnen also nicht um Organisationen des wirt-

schaftlichen Zusammenwirkens der Wirtschaftsbeteiligten zum Behufe der Produktivitätssteigerung und optimalen Bedarfsversor-

gung, sondern im Gegenteil um Veranstaltungen einer solidarischen Abwehr des wirtschaftlichen Fortschritts und der wirtschaftlichen An-

passung zugunsten einer politischen Sozialverfassung, die dem Bedürfnis nach engster Anlehnung und stärkster Bindung des Einzelnen an die engeren politischen und sozialen Gemeinschaften Genüge tat.

Wenn man so oft behaupten hört, diese Ordnungen hätten in ihrer Blütezeit auch den wirtschaftlichen Ansprüchen voll zu entsprechen vermocht, so ist das nur bedingt richtig. Äußeren Veränderungen von erheblicherem Ausmaß, wie z. B. einer fühlbaren Vermehrung oder Verminderung der Bevölkerung, waren diese Ordnungen zu

keiner Zeit gewachsen. Die entsetzlichsten Notlagen, Notlagen von zuweilen sehr langer Dauer blieben denn auch nicht aus. Im übrigen setzte sich in solchen Perioden »der Zwang zur Veränderung und

Anpassung contra legem durch; den gesetzlosen Perioden war es vorbehalten, den Ubergang vom gewohnten zum neuen Zustand zu

bewerkstelligen. Die wirtschaftliche Entwicklung während des ganzen Mittelalters bis zur Einführung der Gewerbefreiheit war somit gekennzeichnet durch einen steten Wechsel von regelmäßig länger dauernden Zu-

ständen der Bindung und politischen Sicherung des status quo und vorübergehenden Zuständen, bei denen die alten Ordnungen praktisch außer Wirksamkeit gesetzt, die neuen noch nicht geschaffen waren. Man fühlt sich versucht, an das landschaftliche Bild zu denken, das der Oberlauf der Flüsse in den Alpen darbietet. Die Höhenunterschiede werden nicht in einheitlichem Gefälle überwunden, sondern Talstufen von ebener Beschaffenheit wechseln ab mit steilen Felsschwellen, über die die Alpengewässer in dramatischen Fällen und Stromschnellen der nächsten Talstufe zustürzen, wo sie sich dann aufs neue beruhigen. 25

h) Der Lösungsversuch der klassischen Nationalökonomie Genau das entgegengesetzte Prinzip liegt den modernen Wirtschaftsverfassungen zugrunde, die mit alleiniger Ausnahme der russischen trotz aller Modifizierungen noch immer auf den von der sogenannten klassischen Schule der Nationalökonomie herausgearbeiteten Ordnungsgrundsätzen beruhen. Dieser neuartigen Gattung von Wirtschaftsordnungen war der Boden seit langem vorbereitet durch den Wandel in der innenpolitischen Gestalt der Völker, insbesondere durch die Erstarkung der zentralen Staatsgewalten, durch die Veränderungen im Heereswesen und in der staatlichen Finanzgebarung, sodann aber auch durch das Zeitalter der Erfin-

dungen und Entdeckungen, die Entwicklung der Schiffahrt, die Erschließung neuer Erdteile und unermeßlicher Kolonialgebiete. Selbst wenn diese politische Periode nicht begleitet gewesen wäre von jener geistig-weltanschaulichen Bewegung, die wir als Renaissanee und Humanismus, im späteren Verlauf als Aufklärung und Liberalismus, mit einem Wort als Säkularisierung oder Verweltlichung des politischen und sozialen Denkens bezeichnen, würde die Macht der Verhältnisse — man denke u. a. an die gewaltige Bevölkerungsvermehrung, die im Verlauf der letzten anderthalb Jahrhunderte

allenthalben einsetzte! — den Ubergang zu einer wirtschaftlich orientierten, dem Gebot des Wechsels angepaßten dynamischen Wirtschaftsordnung erzwungen haben. Die Art aber, mit der die neuen Ideen denkerisch ausgearbeitet, vorbereitet und zu einem geschlossenen System vereinigt wurden, verdient die allerhöchste Bewunderung 2). Dies gilt allerdings nicht für die praktische und politische

Durchführung des Systems, nicht für seine verfassungsrechtliche Ausgestaltung und erst recht nicht für die Fortbildung durch Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und Wirtschaftspolitik; aber auch nicht für die Haltung der Völker während der Dauer seiner Geltung. Hier ist ein großes Erbe, eine schöpferische politische Idee 2) Damit sollen die großen Mängel der klassischen Theorie, vor allem aber die noch größeren Mängel der wirtschaftspolitischen Vorschläge der Kassiker nicht in Abrede gestellt werden.

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von außerordentlicher Entwicklungsfähigkeit durch Epigonenhände

schlecht verwaltet worden. Die klassische Nationalökonomie ging von der wirts chaftlich e n A u f g a b e aus, die den entwickelten Nationen gestellt ist: Höchstmögliche Produktivitätssteigerung zum Behufe bestmöglicher Bedarfsversorgung wachsender Bevölkerungsmassen. Diesem Ziel hat nach ihrer Auffassung die Volkswirtschaft zu dienen. Die Me-

thoden, die zur gesetzlichen Einführung empfohlen wurden, waren ausschließlich auf ihre sachliche Eignung, die Produktivität der Gesamtwirtschaft zu steigern, hin geprüft und ausgewählt worden. Das wissenschaftliche Vorgehen war rein realistischz spekulative Ideen, wie z. B. die zu jener Zeit so verbreiteten Auffassungen über den sittlichen und politischen Wert der Freiheit, spielen nicht die entscheidende Rolle. Die wirtschaftliche Freiheit hatte in den Augen der Klassiker den Vorzug, daß sie den einzelnen instand setzte, schnell zu handeln und sein Verhalten wechselnden Ansprüchen anzupassen.

Die Aufgabe, den einzelnen zu veranlassen, von dieser Freiheit einen im Allgemeininteresse liegenden Gebrauch zu machen, wurde von der klassischen Lehre nicht der Freiheit überlassen, sondern diese

Aufgabe hatten gewisse Kontrolleinrichtungen — nämlich vor allem die Konkurrenz und ein strenges Schuldrecht —- zu versehen, die in

bezug auf praktische Wirksamkeit, Schärfe und Mitleidlosigkeit des Zwangs nichts zu wünschen übrig lassen, vorausgesetzt, daß sie mit

strenger Folgerichtigkeit gehandhabt und jeweils auf den neuesten Stand der technischen Durchbildung gebracht werden. Dieser Beschränkung auf die engere Aufgabe ist der klassischen Lehre und später der modernen Wirtschaftstheorie häufig verübelt worden. Sehr zu Unrecht. Denn es ist schlechterdings unmöglich, die Ordnung eines bestimmten Lebensgebietes anders als von der speziellen Aufgabe her in Angriff zu nehmen, die es hier zu lösen gilt. Wenn es sich um andere Tätigkeitsbereiche handelt, so findet es ja auch jedermann natürlich, wenn so verfahren wird. Nie-

mand verargt es z. B. der verantwortlichen Führung des Heereswesens, wenn sie bei der Organisation der Militärverfassung keinen anderen Gesichtspunkt kennt als den, die militärische Kraft der Nation auf den höchsterreichbaren Grad zu steigern. Die Veranstaltung eines sportlichen Wettkampfs wird mit Recht als unsachlich bezeichnet, wenn sie Zwecke verfolgt, die mit dem Ziel, den Ablauf eines 27

freien Messens körperlicher Kräfte und Geschicklichkeit zu sichern, nicht in Einklang stehen. Bei der Prüfung der Frage, welche Mittel und Methoden sich zum Behuf der Ordnung eines möglichst produktiven Zusammenwirkens empfehlen mochten, schlug die klassische Lehre folgendes Verfahren ein. Zunächst einmal vermied sie es, an die alten Ordnungen anzuknüpfen; mit Recht, denn diese Ordnungen hatten sich ja ein ganz anderes Ziel gesetzt. Um so mehr interessierte man sich für die-

jenigen Abläufe des volkswirtschaftlichen Geschehens, die sich zu allen Zeiten außerhalb und unterhalb jener Ordnungen abgespielt hatten.

Wie schon oben erwähnt worden ist, vollzogen sich ja auch in den zurückliegenden Epochen sder Wirtschaftsgeschichte die wirklich ent-—

scheidenden Veränderungen und Anpassungsvorgänge fast durchweg praeter oder contra lege-m. Denn die älteren Ordnungen erfaßten die Wirtschaft nur in ihrem Ruhezustand, dagegen nicht in den immer wieder ruckweise eintretenden Zuständen der Bewegung. Aller Fortschritt in den Produktionsmethoden, jede entscheidende Anpassung an wesentliche Veränderungen der Außenwelt war somit sozusagen in anarchischer Weise erzielt worden. Diese anarchischen Zwischenzustände erfüllten also eine wichtige Funktion: Sie eigneten sich in hervorragender Weise dazu, einen infolge äußerer Veränderungen gestörten wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand in einen neuen, diesmal den Ansprüchen der Umwelt angepaßten Gleichgewichtsziistand überzuleiten. Ohne Zutun eines bewußt ordnenden Willens wurde eine neue Lage geschaffen, und zwar eine Lage, an die sich ohne weiteres anknüpfen ließ, wenn es galt, eine neue statische Gemeinschaftsordnung durch rechtliche Satzung zu begründen und zu sichern. Aus dieser Tatsache läßt sich aber eine wichtige Folgerung ziehen: Wenn nämlich jene unorganisierten und mit dem Inhalt der alten Ordnungen in Widerspruch stehenden Uberleitungsprozesse jeweils einen tatsächlichen Anpassungserfolg aufzuweisen hatten, also zu einem zweckmäßigen Ergebnis führten, dann mußten die an diesem

Prozeß beteiligten Gewerbetreibensden doch wohl in vernünft i g e r W e i s e zusammengewirkt haben, und wenn ihnen dies selbst nicht zum Bewußtsein gekommen war, dann mußte immerhin irgend 28

eine Kraft am Werke gewesen sein, die dafür sorgte, daß jeder das Nötige und Richtige tat. Hier setzte nun die wissenschaftliche Forschungsarbeit der klassischen Nationalökonomie ein: sie unternahm es, jenen ordnenden Kräften nachzuspüren und Klarheit in die Zusammenhänge eines sozialen

Vorgangs zu bringen, der sich offensichtlich in einer gewissen Ordnung abspielte, ohne daß eine führende politische Stelle das Ganze leitete und ohne daß eine bewußt auf den Gesamterfolg gerichtete Verbindung zwischen den Beteiligten vorlag. Diesen Untersuchungen kam es nun in hohem Grade zugute, daß ihr Gegenstand Vorgänge des wirtschaftlichen Alltag sle bens waren, d. h. Vorgänge, die sich, seitdem es eine

arbeitsteilige Tauschwirtschaft gibt, Tag für Tag zu unzähligen Malen abspielten3). Es stand also ein unerschöpfliches Beobachtungsmaterial zu Gebote, das es gestattete, festzustellen, wie die

Menschen im wirtschaftlichen Verkehr miteinander auf bestimmte Gegebenheiten (wie z. B. auf eine Verknappung oder einen Uberfluß an Gütern) zu reagieren pflegen, wenn ihnen keine bestimmten Vor-

schriften in bezug auf ihr Verhalten gemacht werden. Bei der Untersuchung dieser Erscheinungen zeigte sich, daß die Reaktionen einen großen Grad von Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit aufweisen und daß sich an der Eigenart dieser Reaktionen Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch bis zum heutigen Tage im großen und gan-

zen nichts geändert hat. Geändert hat sich vielmehr nur die Einstellung des Rechts, der Sitte und der politischen Ordnungen zu diesen Reaktionen: in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle er-

blickte die Gemeinschaftsordnung ihre Aufgabe darin, regelnd und abändernd in die psychologischen Abläufe einzugreifen; in gewissem Umfange gewährte man ihnen aber auch freien Lauf und in Zeiten

stürmischer Veränderungen überließ man ihnen, wie gesagt, mehr oder weniger notgedrungen die gesamte Anpassung und Neugestaltung des gewerblichen Lebens.

Welcher Art sind nun diese psychologischen Reaktionen? Bei der Prüfung dieser Fragen stieß man zunächst einmal auf die Fähigkeit des Einzelmenschen, für seine Ernährung und physische Erhaltung weitgehend selbst 3) Siehe W. Eucken, Kapitaltheoretische Untersuchungen, Jena 1934, Einleitung.

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zu so r g e n. Die meisten Menschen sind geeignet und bereit, die Sorge für ihre materielle Selbstbehauptung selbst zu übernehmen und die Gemeinschaft von dieser Sorge zu entlasten. Welche Erleichterung diese Fähigkeit und diese Bereitschaft ihrer Einzelglieder für die politische Gemeinschaft bedeutet, liegt auf der Hand. Die Menschen sind aber nicht nur bereit, für sich selbst zu sorgen, sondern sie sind auch bereit, zu diesem Behuf aus freien Stücken sich gegenseitig in die Hand zu arbeiten und zusammenzuwirken. Und zwar nicht nur in der Form selbstloser Hilfeleistung in Fällen der Not, sondern auch und vornehmlich in der Weise, daß je d er dem anderen für seine Hilfeleistung mit einer äquivalenten Gegenleistung aufwartet.

Wer et-

was braucht, was er nicht hat, was aber ein anderer besitzt und für seine Person entbehren kann, fühlt sich aus naheliegenden Gründen veranlaßt, darüber nachzudenken, was jener andere etwa brau-

chen könnte, und zu versuchen, ihm das benötigte Gut zu verschaffen. Auf diese Weise vermag jeder den andern zu bewegen, dasjenige herauszugeben, was er braucht, und zwar im Austausch gegen etwas, das der andere braucht.

So stieß man auf das Prinzip des Tausches und erkannte in ihm eine organisierende Kraft ersten Ranges. Zugleich aber erkannte man, daß das Prinzip des Tausches für sich allein eine große Schwäche hat. Wenn nämlich gewisse lebens-«notwendige Güter in der Hand tatsächlich oder rechtlich bevorzugter E i n z e l n e r vereinigt sind, dann sind diese Bevorzugten in der Lage, das Ausmaß der Gegenleistungen einseitig zu bestimmen, für die sie bereit sind, das betreffende Gut anderen zu überlassen. Unddiese Macht findet ihre objektive Grenze einzig in der tatsächlichen Ausbeutungsfähigkeit der Gegenseite. Gegen diesen Mißbrauch des Tauschprinzips steht der Gemeinschaft zunächst einmal natürlich die Möglichkeit zu Gebote, dem Bevorzugten das Selbstbestimmungsrecht zu nehmen und ihm rechtens vorzuschreiben, an wen er die betreffenden Güter abzugeben hat und was er dafür verlangen darf. Von dieser Möglichkeit haben die alten Ordnungen in größtem Umfang Gebrauch gemacht. Dafür, daß sie zum Schutze der einmal vorhandenen Gewerbetreibenden Vorzugsstellungen schufen, begrenz30

ten sie andererseits die tauschrechtliche Bewegungsfreiheit der Bevorzugten und setzten das Entgelt für ihre Leistungen fest. Die Höhe dieser Entgelte wurde dabei so bemessen, daß die Kosten vergütet und darüber hinaus ein Gewinn ermöglicht wurde, der gerade

ausreichte, dem Gewerbetreibenden die »bürgerliche Nahrung« zu sichern.

Diese Möglichkeit ist aber nicht die einzige. Es gibt noch eine andere und zwar besteht sie darin, daß die Gemeinschaft es gar nicht erst zu einer monopolistischen Vorzugsstellung einzelner kommen läßt, sondern jeden Gewerbetreibenden dem freien Wettbewerb aller übrigen Gemeinschaftsgenossen aussetzt. Diese werden nämlich, sobald sie sehen, daß einer von ihnen für bestimmte Güter besonders hohe Entgelte erzielt, darauf bedacht sein, die gleichen Güter herzustellen und anzubieten. Dadurch wird dann die Ubermacht des Angebots gebrochen; die Nachfragenden werden in die Möglichkeit versetzt, die konkurrierenden Anbieter gegeneinander auszuspielen und denjenigen zu bevorzugen, der die entgegenkommendsten Gegenfor-

derungen stellt. Werden bei diesem Vorgang zu viele Gewerbegenossen in den betreffenden Produktionszweig hineingelockt, dann werden die Preise so niedrig werden, daß eine Anzahl der konkur-

rierenden Anbieter nicht mehr in der Lage ist, den Aufwand zu decken, den sie zur Bereitstellung ihrer Leistungen haben machen

müssen. Diese werden dann gezwungen, sich eine andere, lohnendere Beschäftigung zu suchen. Schließlich spielt sich der Preis auf derjenigen Höhe ein, die das natürliche Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage widerspiegelt. So stieß man also auf ein zweites ordnendes Prinzip, auf das Prinzip des Wettbewerbs zwischen frei wirtschaftenden Gewerbegenossen. Im Zusammenhang mit dem Taiischprinzip vermag dann das Wettbewerbsprinzip die Organisation selbst einer hochentwickelten und komplizierten Volkswirtschaft sehr weitgehend

ohne weitere obrigkeitliche Einwirkung zu leisten. Die Funktion des Wettbewerbs ist eine vielfache: Er vernichtet, erstens, jede einseitige Ubermacht, sei es der Angebots-, sei es der Nachfrageseite, über die gegenüberstehende Marktpartei und stellt zwischen dem Bedürfnis der Nachfragenden und 31

den berechtigten Interessen der Produzierenden ein g e r e ch te s t) Gleichgewicht her. Er gewährleistet, zweitens, auf der Angebotsseite eine zuv er lässige Auslese der Tüchtigsten. Er bewirkt, drittens, daß die Wirtschaft auf jede Veränderung der Außenweltsfaktoren, die das einmal eingespielte Marktgleichgewicht stört, unverzüglich und m it hö ch ster Empfindlichkeit reagiert, indem er einen Anpassungsprozeß in Lauf setzt, der nicht eher zur Ruhe kommt, bis der neue, von der veränderten Lage erforderte Gleichgewichtszustand erreicht ist. Er bewirkt endlich, viertens, daß auf der Angebotsseite dauernd das Bestreben lebendig bleibt, die eigene p r o d u k t i v e L e i stungsfähigkeit zu verbessern. Diese Funktion des Wettbewerbs ist von großer Wichtigkeit und weist zudem eine besondere

Eigentümlichkeit auf. Iede entscheidende Verbesserung der Produktions- und Verteilungsmethoden stellt nämlich ihrem Wesen nach

eine Außenweltsveränderung, d. h. aber eine Störung des eingespielten Gleichgewichts dar. Sie hat also zur Folge, daß jener im vorigen Absatz erwähnte Anpassungsprozeß in Gang gebracht wird. Nun ist es zwar sonst im allgemeinen

nicht die Aufgabe der Wirtschaftsordnung, Gleichgewichtsstörungen zu inszenieren, sondern vielmehr, den geordneten Ablauf von Gleichgewichtsherstellungen zu gewährleisten, wenn das Gleichgewicht v o n

außen her gestört worden ist. Die Veränderungen, denen sich die Wirtschaft jeweils anzupassen hat, sollen nämlich von außen, nicht von innen, d. h. von derWirtschaft her kommen. Es ist nicht die Aufgabe der Gewerbetreibenden, etwa den Bedarf zu beein-

flussen, sondern sie sollen vielmehr lediglich einen Bedarf befriedigen, der von anderen, hauptsächlich von physischen, kiiltiirelleii und po4) Es muß hier hervorgehoben werden, daß die Bedürfnisse der Nachfragens den natürlich in hohem Grade von der Einkommensverteilung be-

einflußt werden. anieweit die Regelung der Einkommensverteilung in einer freien Verkehrswirtschaft den Anspruch erheben kann, ,,gerecht« zu sein, wird

an anderer Stelle untersucht werden. Jn dem hier zu erörternden Zusammenhang war lediglich festzustellen, daß das Wettbewerbsprinzip insofern eine

Gerechtigkeitsfunktion hat, als es dazu bestimmt ist, den Einfluß willkürlicher monopolistischer Ausbeutung einseitiger Marktmachtstellungen zu be-

feitigen.

32

litischen Faktoren bestimmt wird. Ebensowenig ist es die Aufgabe der Gewerbetreibenden, auf die politischen Entschließungen der Völker und Regierungen Einfluß zu nehmen, um zu erreichen, daß sie

ihre gewohnten Leistungen absetzen können, sondern sie haben sich umgekehrt jeder politischen Entschließung mit ihrer Tätigkeit entsprechend anzupassen. Dieser Grundsatz von der rein dienenden Funktion der Wirtschaft wird aber, wie gesagt, in einer vereinzelten Beziehung durchbrochen: Der Anstoß zur wirtschaftlichen Verwirklichung des technischen und organisatorischen Fortschritts darf und soll von den Gewerbetreibenden selbst ausgehen. Ihnen liegt die Aufgabe ob, unter den von

der Technik geschaffenen Möglichkeiten eine zweckdienliche Auswahl zu treffen und neue Verfahren auf eigenes Risiko praktisch durchzuführen.

Nun verhält es sich natürlich nicht so, daß die Möglichkeit, Wettbewerb herzustellen, immer und überall gegeben wäre. Manche, und dann meistens sehr wichtige Wirtschaftsfunktionen setzen entweder die Monopolisierung in einer einzigen Hand voraus, wie z. B. die Geldschöpfung 5), oder drängen zu Betriebsformen, die infolge ihrer Größe, Eigenart und geringen Anzahl den Unternehmern mono-

polistischen oder monopoloiden Markteinfluß in die Hand spielen (— man denke etwa an die Elektrizitätswirtschaft —).

Hier

bleibt dann als einzige Möglichkeit die Beschränkung der tauschwirtschaftlichen Bewegungsfreiheit, Kontrahierungszwang, behördliche Kontrolle der Produktion, der Verteilung und insbesondere der

Preise und Geschäftsbedingungen bzw. die Ubertragung der gesamten Funktion auf die öffentliche Hand übrig (Beispiel: Kohlen«syndikat, Privatversicherung, Energiewirtschaft, Reichsbahn, Reichspost).

W o jeweils die Grenzen für die praktisch erfolgreiche Anwendbarkeit des Konkurrenzprinzips liegen, kann nur auf Grund sorgfältiger Beobachtungen und Marktanalysen festgestellt werden. Davon wird im zweiten Abschnitt noch ausführlich die Rede sein. Nachdem einmal die objektive Entdeckung der organisierenden Kraft des Tausches und des Wettbewerbs gemacht worden war,

war der Schritt nicht mehr weit, den Staaten zu empfehlen, sich 5) Siehe Heft 2 dieser Schriftenreihe:

»Das Grundproblem der Geld-

verfassung« von Friedrich Lutz 1936. Bishm

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dieser Einrichtungen, die den politischen Gemeinschaften vor ihrer wissenschaftlichen Entdeckung so oft, gleichsam illegal,- zuhilfe gekommen waren, nunmehr in

bewußter politischer Ab-

s i cht zu bedienen: Gebt den einzelnen so viel Freiheit, daß sie sich in größter Beweglichkeit jeder Veränderung der Außenwelt durch Umstellung ihrer Wirtschaftsmethoden, durch Zu- und Abstrom in und aus den einzelnen Gewerbezweigen anzupassen vermögen, schafft

den Anreiz, daß jeder einzelne für seine Person an der Verbesserung der wirtschaftlichen Arbeitsweise interessiert bleibt, sorgt aber gleichzeitig durch ein vorzüglich ausgebildetes Tauschrecht, durch eine

strenge Vertragsmoral, vor allem aber durch die auf dem Leistungsgedanken aufbauende Veranstaltung und Uberwachung eines allgemeinen Wettbewerbs für eine straffe Ordnung und Kontrolle der in dauernder Bewegung sich vollziehenden Wirtschaftsabläufel Was sich in dieser Form nicht ordnen läßt, das unterstelle der Staat seiner unmittelbaren wirtschaftspolitischen Befehlsgewalt und Fürsorge! Im übrigen unterstütze der Staat den folgerichtigen und geordneten Ablauf seiner dergestalt organisierten Gesamtwirtschaft durch die Sorge für gutes Geld, durch die Bereitstellung einer leistungsfähigen Justiz, durch Sicherung der militärischen und politischen Stärke nach außen und endlich durch die Pflege eines guten Schulwesensl

Dies waren in großen Zügen die politischen Ratschläge, in denen die klassische Lehre die Ergebnisse ihres Denkens zusammenfaßte und denen dann in der Folge ja auch alle modernen Wirtschaftsnationen durch die Einführung der Gewerbefreiheit entsprochen haben. Wie man sieht, läuft dieser Ratschlag auf eine einfache Umkehr der bisherigen Ordnungsgrundsätze hinaus: Was in der Vergangenheit die Ausnahme war, nämlich der Fall des volkswirtschaftlichen Bewegungszustandes, sollte nunmehr zur Regel erhoben, was sich bisher unterhalb und außerhalb der Deckung des Rechts und

abseits jeder bewußten Einwirkung des politischen Willens abgespielt hatte, sollte sich nunmehr kraft verfassungsrechtlicher Willensentscheidung der politischen Gemeins chaft im hellen Licht des Tages und des Bewußtseins vollziehen dürfen, ja, im Grunde, vollziehen müssen. Und was bis-

her die Regel war, nämlich die beabsichtigte, künstliche Stabilisierung eines einmal eingespielten gewerblichen Aufbaus, seine politische 84

Sicherung gegen Veränderungen von außen und innen, das sollte

in Zukunft überhaupt (weil der historischen Aufgabe und dem sittlichen Gebot der nationalen Selbstbehauptung und Selbstentfaltung widerstreitend)

vermieden werden, es sei denn, daß überragende

Interessen der Allgemeinheit den vorübergehenden oder dauernden Schutz bestimmter Berufe oder Lebensformen gebieterisch erfordern sollten.

Mit diesem Programm trat zum erstenmal seit dem Zerfall der antiken Staaten eine wirtschaftspolitische Idee in geschichtliche Erscheinung, die den Namen einer Wirtschaftsordnung wirklich verdiente. Denn bei den mittelalterlichen und nachmittelalterlichen Verfassungen stand die Rücksicht auf die eigentliche wirtschaftliche Aufgabe jedenfalls nicht im Vordergrund der Gesichtspunkte; vielmehr wurde diese Rücksicht auch da, wo sie (wie z. B. in der merkantilistischen Zeit), eine beachtlichere Rolle spielte, von dem Bedürfnis nach sozialer Statik modifiziert. Iede echte Wirtschaftsordnung aber, die ihrer produktiven Aufgabe gerecht werden will, muß mindestens in solchen Zeiten eine d y n a m i s ch e O r d n u n g sein, in denen sich die äußeren Verhältnisse in starkem Fluß befinden und in denen sich das technische und organisatorische Können noch leb-

haft weiterentwickelt. Niemand aber wird unserer Zeit die Beweglichkeit absprechen.

Insbesondere stehen wir, was die technischen

Verbesserungsmöglichkeiten betrifft, noch lange nicht am Ende der Entdeckungen. Sowohl im Reich der Natur wie im Bereich der menschlichen Leistungsfähigkeit, Organisationskraft und des menschlichen Erkenntnisvermögens dürfen wir mit dem Vorhandensein sehr erheblicher, heute noch unbekannter und ungenützter Reserven rechnen. c) Die Planwirtschaft. Seit der Einführung der freien Verkehrswirtschaft ist nun allerdings noch ein weiterer Typus von Wirtschaftsverfassung ersonnen

und in der Zwischenzeit von Sowjetrußland auch praktisch eingeführt worden, nämlich der Typus der zentral gesteuerten V o l k s w i r t s ch a ft in monumentalem, den Wirtschaftsraum

großer Staaten umfassenden Ausmaß. Auch dieser Typus gehört der Gattung der dynamischen Ordnungen an. Im Gegensatz zur freien Verkehrswirtschaft verzichtet indessen das zentral gesteuerte Wirtschaftssystem bewußt darauf, sich der Initiative des einzelnen 35

Beteiligten zum Behuf der Aufspürung und Verwirklichung von Anpassungs- und Fortschrittsmöglichkeiten zu bedienen. Sie entzieht ihm nicht nur den Auftrag sondern auch die Mittel dazu (Eigentum und Vertragsfreiheit), entbindet ihn dafür aber auf der anderen Seite auch vom Erfolgsrisiko. Für die Anpassung und den Fortschritt der Wirtschaft hat vielmehr ausschließlich ein p o l i t i s ch e s Z e n t r a l g e h i r n zu sorgen; alle Leiter einzelner Wirtschaftszweige, Konzerne und Einzelbetriebe bis zum letzten Arbeiter

hinunter sind nur abhängige Funktionäre, die die Weisungen der

Zentralinstanz in die Praxis umzusetzen haben. Ein solches System setzt voraus, daß nach einem im voraus ent-

worfenen Feldzugsplan, auf Grund von zentralen Zukunftsschätzungen gehandelt wird. Da sich nun aber die zukünftige Entwicklung nie mit Sicherheit voraussehen läßt, so lastet auf jeder Einzelentscheidung ein gewaltiges spekulatives Risiko, und zwar lastet es auf der gesamten Volkswirtschaft im ganzen. D. h. jeder Fehlschlag hat zur Folge, daß sich die über das ganze Reichsgebiet hin angeordnete Jnvestition in ihrem ganzen Umfang als Fehlinvestition erweist. Diese Fehlinvestition muß dann durch neue Gesamtordnungen liquidiert werden, die vielleicht abermals Fehlinvestitionen zur Folge haben.

Die freie Verkehrswirtschaft sieht demgegeniiber eine grund sätzliche Dezentralisation des Investitionsrisiko s vor. D. h. hier gibt es keinen zentralen Feldzugsplan, sondern

jeder einzelne Unternehmer tastet sich auf eigene Rechnung und Gefahr in die Zukunft vor. Hat er richtig geschätzt, so erzielt er Gewinn, hat er sich aber verrechnet, so verliert er Vermögen und unter Umständen die wirtschaftliche Existenz. Natürlich bedeuten auch die

privatwirtschaftlichen Fehlinvestitionen der Einzelunternehmer eine Vergeudung von Volksvermögen und einen gesamtwirtschaftlichen Schaden. Aber es ist doch immer nur ein Teil von Gewerbetreibenden, der sich auf falschem Wege befindet, während andere eine für die Gesamtentwicklung nützliche Richtung einschlagen und so wichtigste Pionierarbeit leisten. Dazu kommt, daß jeder einzelne Unternehmer zu jeder Zeit durch eigenen Erfolg in dem Festhalten der günstigen Richtung bestärkt, durch eigenen Mißerfolg aber zur Abkehr vom falschen Wege veranlaßt wird. Und nicht nur dies: der Erfolg des einen lockt zugleich viele andere auf die richtige Bahn, und der 36

Mißerfolg des zweiten schreckt viele anderen ab, den gleichen Irrtum zu begehen. Der so vielfach beanstandete Unternehmergewinn, auch in Form gesellschaftsrechtlicher Gewinnbeteiligung (z. B. Dividende), hat also eine volkswirtschaftlich ungemein wichtige Funktion zu verrichten: Diese Gewinne (und ebenso natürlich auch die Verluste) sind Wegweiser für die Einsatzrichtung von Arbeit, Phantasie und Sachgütern.

In einer freien Verkehrswirtschaft wird also das Gesamtrisiko vermittels der Methode der Risikoverteilung auf unzählige Einzelschultern verteilt. Dadurch wird das Risiko, das die Volkswirtschaft

im ganzen, d. h. die Gemeinschaft, zu tragen hat, ganz erheblich abgeschwächt, und außerdem wird erreicht, daß das Vorfeld des allgemeinen Feldzuges in die Zukunft von zahllosen auf eigene Faust

vorfühlenden Wirtschaftspatrouillen ganz anders auf seine latenten Möglichkeiten und Chancen hin abgetastet wird, als dies einer zentralen wirtschaftspolitischen Führungsinstanz jemals möglich sein wird, und mögen auch die Erfahrungen von Jahrhunderten in ihren

Aktenschränken aufgestapelt sein. Der Ablauf einer freien Verkehrswirtschaft bietet also zu jeder Zeit das Bild einer improvisierten Theateraufführung, bei der

Millionen Schauspieler, gute und schlechte, tätig sind. Nur das Ziel der Handlung, das happy end, steht fest; Sache der einzelnen ist es, den dramatischen Verlauf durch geistesgegenwärtige Einfälle in seinen Einzelheiten zu konkretisieren. — Diejenigen,

die mit ihren Jmprovisationen dem Ziel des Schauspiels am nächsten kommen, werden vom Erfolg automatisch in den Vordergrund der Bühne gezogen, die Mitläufer fristen im Hintergrund ein bescheidenes Dasein, das niemanden stört, während endlich diejenigen, die dem Plan der Handlung entgegendeklamieren, früher oder später

in der Versenkung verschwinden, vorausgesetzt, daß eine unerbittliche Vertragsmoral, eine schnell und gut arbeitende Ziviljustiz und ein strenges Konkursrecht dafür sorgen, daß dieser Versenkungsmecha-

nismus auch tatsächlich funktioniert 6). 6) Grundsätzlich, verfassungsrechtlich verfehlt war auch aus diesem Grunde die Schaffung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung: die vielgenannte »Wohltat der Haftungsbeschränkung« bedeutet, volkswirtschaftlich betrachtet,

Risikoüberwälzung auf die Gläubiger. Siehe hierzu G r o ß m a n n - D o e r t h,

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Jn einer Planwirtschaft dagegen muß nicht nur der dramatische Handlungsverlauf zuvor von der Zentralinstanz bis in die letzten Einzelheiten entworfen und festgelegt werden, sondern es muß auch jedem einzelnen der zahllosen Ausführenden seine Rolle wörtlich vorgeschrieben sein. Hier ist dann natürlich auch nur der Erfolg oder der Mißerfolg der g a n z e n Aufführung möglich, wobei freilich ein geradezu beängstigender Wahrscheinlichkeitsgrad für den Durchfall oder doch für den teilweisen Mißerfolg spricht. Es ist also ein großer, allerdings ungemein verbreiteter Irrtum, wenn man annimmt, eine Planwirtschaft verbürge einen ruhigeren Ablauf der Wirtschaft und weise einen höheren Grad von Ordnungsgehalt auf als eine freie Verkehrswirtschaft, die man in diesem Zu-

sammenhang mit Vorliebe als eine »anarchische« Form des Wirtschaftens bezeichnet. Das gerade Gegenteil ist richtig. Die Planwirtschaft ist die riskanteste und spekulativste Wirtschaftsverfassung, die jemals erdacht worden ist. Schon die Entstehungsgeschichte dieses Gedankens ist aufschlußreich. Keine der planwirtschaftsfreundlichen Richtungen hat es nämlich bisher für nötig gefunden, sich das wissenschaftliche Vorgehen der Klassiker zum Beispiel zu nehmen und von der Beobachtung der tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhänge auszugehen. An die Stelle der unvoreingenommenen Aufgeschlossenheit eines praktisch gerichteten Geistes, der eine Aufgabe vor sich sieht und nun mit Ernst und Sachkunde die Natur und Beschaffenheit der möglicherweise in Betracht kommenden Mittel und der vermutlich zu überwindenden

Widerstände prüft, tritt die Spekulation des Doktrinärs und das Analogieverfahren des oberfläch-

lichen Arbeiters. So übertrug man etwa einfach das Befehlsprinzip der militärischen Verfassung samt allen Grundsätzen der Strategie und Taktik auf das Gebiet der Volkswirtschaft, während andere eine nur in den Maßstäben vergrößerte und in der Technik modernisierte Kopie der mittelalterlichen Stadtwirtschaft als geeignete Verfassungsform für die Wirtschaft der Zukunft empfahlen. »Es ist leicht, mit dem populären Winde in die Kriegstrompete zu Gutachten über »die Form des Gesetzes betr. die Gesellschaft mit beschränkter Haftung« zum 5. Deutschen Juristentag in der Tschechoslowakei, 1931. Vgl. ferner neuestens Klausing, Einleitung zu der Textausgabe des GmbHG des Carl HeymannsVerlages, 3.Aufl. 1936, S. 49 ff.

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stoßen und es dem Musketier, der auf dem Schlachtfeld verblutet, zu überlassen, ob sein System Ruhm erficht oder nicht«, so pflegte

Bismarck über Projekte von ähnlicher Beschaffenheit zu denken. 3. Die politische Tragweite des Libergangs zur freien Verkehrswirtsehaft. Nachdem wir uns in großen Zügen mit dem Inhalt und den Grundgedanken der freien Wirtschaftsverfassung vertraut gemacht und die Unterschiede, die zwischen diesem System und den alten Ordnungen sowie der Idee der Planwirtschaft bestehen, vergegenwärtigt haben, sind wir in der Lage, nunmehr zu der Betrachtung der außerwirtschaftlichen, volks- und kulturpolitischen Wirkungen fortzuschreiten, die die Einführung der Gewerbefreiheit gehabt hat.

a) Die Einführung der Gewerbefreiheit als Akt der wirtschaftspolitischen Verfassungsgesetzgebung. Zunächst einmal ist darüber Klarheit geschaffen worden, daß es sich bei dem Akt der Einführung dieser Ordnung nicht etwa, wie die Rechtslehre bis zum heutigen Tage anzunehmen gewohnt ist, bloß

um ein rechtliches Negativum, d.h. bloß um die Beseitikung der überkommenen Rechtsordnungen und Bindungen handelt. Es ist nicht etwa die Absicht gewesen, den ordnungslosen Zustand, der in der Vergangenheit immer nur vorübergehend eintrat, nunmehr zum Dauerzustand zu erheben und den politischen Willen zur

Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens der Nationen endgültig aus dem Wirtschaftsprozeß zu verdrängen. Denn das Verdienst der klassischen Schule bestand ja gerade darin, daß sie den O r d n u n g s ch a r a k t e r dieser nur scheinbar ordnungslosen Wirt-

schaftsabläufe erkannte und in ihren Einzelzusammenhängen nachwies. Zwar hielt man es nicht für erforderlich, daß der gesamtwirtschaftliche Sinn dieser Ordnung und der politisch-rechtliche Charakter ihrer Struktur von den am Wirtschaftsprozeß beteiligten Unternehmern, Konsumenten, Sparern und Arbeitern begriffen wurde. Der Staat aber, die Wissenschaft und die im öffentlichen Leben stehenden Persönlichkeiten sollten sich die vollkommenste Klarheit über diese Zusammenhänge aneignen. Von der Gesetzgebung wurde verlangt, daß sie sich zum Schutz der entdeckten Ordnungsgrundsätze 39

die Pflege des wirtschaftlichen Tausch- und Verkehrsrechts, insbesondere aber die Durchführung und Sicherung eines lauteren Wettbewerbs angelegen sein ließ. Daß man sich im übrigen zunächst mit verhältnismäßig primitiven Vorkehrungen begnügte und den Hauptnachdruck auf die Beseitigung der überkommenen Bindungen und Privilegien legte, im übrigen aber glaubte, mit den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Vertrags- und Vermögensrechts und

mit den Vorschriften über unerlaubte Handlungen aiiszukommen, lag einmal in dem optiniistischen Geist und der dem Staat wenig wohlgesinnten Einstellung jener Zeit, sodann aber auch und zur Hauptsache in dem Viangel an Erfahrungen begründet. Ieder Beginn eines Versuchs fällt zunächst einmal etwas roh und plump

aus. Jn dieser Beziehung verhält es sich mit politischen Systemen nicht anders wie mit technischen Maschinenkonstruktionen. Alles kommt darauf an, dasz wenigstens einmal ein Anfang gemacht und

eine grundsätzliche Entscheidung getroffen wird; für den Ausbau und die Verfeinerung mögen dann die kommenden Zeiten sorgen 7).

Die Einführung der Gewerbefreiheit bedeutete also eine grundsätzliche wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtents ch eid un g: d. h. die Wirtschaft erhielt damit eine neue

politische Verfassung von positiv bestimmtem Inhalt. Wenn sich in früheren Zeiten ein freier Tauschverkehr in freiem Wettbewerb nur faktisch und immer nur vorübergehend durchzu-

setzen vermochte, so trat nunmehr hinter diese faktischen Organisationsprinzipien der politische Wille des Staates und vertraute ihnen in klarer theoretischer Einsicht in ihre organisierende Kraft die Ordnung der nationalen Wirtschaft an. h) Die Einführung der Gewerbefreiheit als Akt der volks- und staatspolitischen Verfassungsgesetzgebung.

Die verfassungsrechtliche Gesamtentscheidung war in erster Linie eine wirtschaftspolitisch e Entscheidung. Sie hatte die 7) Die moderne Nationalökonomie hat allerdings die Erkenntnisse der Klassiker nicht nur stark weiterentwickelt, sondern in einer ganzen Reihe von Beziehungen auch revidiert und richtig gestellt. Die Wirtschaftsgesetzgebung Wirtschaftspolitik, vor allem aber die Rechtsprechung haben indessen in der Folge von den neu gewonnenen Einsichten nur sehr unvollkommen Gebrauch gemacht.

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Ordnung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens der Volksgenossen,

d. h. also die Ordnung eines begrenzten Teilausschnittes aus dem Gesamtbereich der politischen Aufgaben der Volksgemeinschaft zum Gegenstand. Uber die Ordnung anderer Aufgabengebiete, insbesondere aber über Art und Inhalt des politischen Gesamtaufbaus, der

Staatsverfassung im herkömmlichen Sinne des Wortes sollte damit zunächst einmal keine Entscheidung getroffen werden.

Es zeigte sich aber, daß diese wirtschaftspolitische Gesamtentscheidung gleichzeitig doch auch eine allgemein politische Entscheidung, und zwar eine politische Entscheidung von großer Tragweite in sich

schloß. Wie bei der Betrachtung der alten Ordnungen festgestellt wurde, lag diesen Ordnungen ein ganz bestimmter politischer Gedanke zugrunde, nämlich der Gedanke, die gewohnten Formen des Zusammenwirkens in engeren Gemeinschaften und die Gemeinschaften selbst gegen den von innen und außen her drohenden Wechsel zu schützen. Und zwar deshalb, weil die Ausbildung von Gemeingeist und politischem Gemeinschaftsbewußtsein mindestens in dem frühen Stadium der geschichtlichen Entwicklung festgefiigter und beharrender Gemeinschaftsgebilde von geringem Umfang bedarf, die das gesamte Dasein

des einzelnen erfassen. Diese Notwendigkeit wird von Völkern, die mit staatenbildender Kraft ausgestattet sind, offenbar mit der Stärke eines unwiderstehlichen Lebensinstinkts empfunden. Keine Hungersnot, kein Massensterben vermag sie zu bestimmen, von ihren Traditionen abzulassen und sich eine bewegliche Verfassung zu geben. Und wenn sie durch den Zwang der Verhältnisse genötigt werden, sich

vorübergehend in freieren Formen den veränderten äußeren Bedingungen anzupassen, so wird dies eben als ein unvermeidlicher.Schicksalsschlag hingenommen, der die Gemeinschaft betroffen hat wie etwa eine Seuche, Krieg oder Plünderung; aber der einzige Gedanke der vorübergehend Zersprengten ist, sobald als möglich zu festen Ordnungen zurückzukehren Die Idee, um einer stetigeii

Verbesserung ihrer materiellen Bedarfsversorgung willen bewußt in aufgelockerter Dauerbeweglichkeit zu verbleiben, würde als frevel-

hafte Versündigung gegen die eigene sittliche Bestimmung voll Empörung abgewiesen werden. 41

Eine politische Entscheidung, die die Gewerbefreiheit zum Grundsatz erhebt, wendet sich damit also zugleich bewußt von jener politischen Haltung ab, die um der Pflege von Gemeingeist willen die äußere Beharrung der sozialen Lebensformen und der Struktur des sozialen Aufbaus wünscht. Unter diese Periode der innenpolitischen Entwicklung wird nunmehr ein radikaler Schlußstrich gezogen. Es wird der Schritt gewagt, den einzelnen endgültig und grundsätzlich

aus der Zucht und Schule der engeren, statisch verfaßten Gemeinschasten zu entlassen, ihn auf eigene Füße zu stellen und ihm zuzumuten, sich ohne nähere Anlehnung auf dem schwankenden Boden eines in Dauerbewegung befindlichen sozialen Alltags fortzubewegen, ohne die Fühlung mit der zur Nation erweiterten politischen Gesamtgemeinschaft zu verlieren. Es ist den Generationen, die den Ubergang zur Gewerbefreiheit

vollzogen haben, wohl kaum zum Bewußtsein gekommen, wie lebenbedrohend für den inneren Bestand der Völker dieses Experiment in politischer Hinsicht war. Noch weniger stand ihnen vor Augen, daß der Versuch, den künftigen Aufbau der politischen Gemeinschaft auf der Grundlage eines in Dauerbewegung versetzten sozialen Alltags zu wagen, zuvor noch niemals in der Geschichte unternommen worden war. Die Regierungen hatten zwar, belehrt durch die klassische Okonomie, eine ziemlich in die Einzelheiten gehende Vorstellung von den zu erwartenden w i r t s ch a f t l i ch e n Wirkungen dieses Versuchs, und diese Vorstellungen haben sich dann in der Folge wenigstens in einigen Beziehungen als zutreffend erwiesen. In die-

ser speziellen, mehr technischen Hinsicht war der Schritt wohl vorbereitet, ja vielleicht — trotz mannigfaltiger Irrtümer und Unebenheiten — besser vorbereitet als jemals eine andere Verfassungsände-

rung. Aber eine klare Vorstellung von den politischen und s o z i a le n Folgen eines solchen Ubergangs von dem Prinzip der Statik zum Prinzip der Dynamik des innenpolitischen Gemeinschaftslebens war in gar keiner Weise vorhanden. Wir stehen also hier vor einer politischen Verfassungsänderung von gar nicht zu übersehender geschichtlicher Tragweite, die ohne jegliche politische Vorbereitung und Vorsorge für die Zeit der Uberleitung ins Werk gesetzt wurde. Ohne zu begreifen, was sich da ereignete, ließen sich die Regierungen die verselbständigten und mit so großen Blankovollmachten ausgestatteten einzelnen ins Unge42

wisse entgleiten. Zwar waren die alten, bis dahin noch vorhandenen engeren berufsständischen und lokalen Gemeinschaften, die nunmehr

mit einem Schlage beseitigten Bindungen wirtschaftlicher Art schon längst keine wahre politische Heimat mehr für die einzelnen; ihre geschichtliche Rolle war ausgespielt, die Entwicklung des staatlichen Lebens, der Technik, der Konsumbedürfnisse und der Produktionsmöglichkeiten hatte ihren alten Aufgabenkreis ausgehöhlt; das ehemals so erfüllte Leben war aus ihnen gewichen. Aber sie gewährten doch immerhin noch eine Art Anlehnung und wenigstens das

Bewußtsein, einer engeren Gemeinschaft anzugehören. Vor allem aber waren sie immer noch auf das Prinzip der Statik gegründet. Mit ihrer Beseitigung aber wurden die einzelnen sozusagen ins

Freie gestoßen und in der Isolierung einem ungewissen Schicksal preisgegeben. Von seiten des Staates streckte sich ihnen keine helfende oder auch nur wegweisende Hand entgegen; mochten sie mit ihrer Gewerbefreiheit, mit ihrem von der Rechtsordnung verbrieften

Privateigentum, mit ihrem Recht, Verträge beliebigen Inhalts mit beliebigen Rechtsgenossen abzuschließen, zusehen, wie sie sich auf eigene Faust zu einer neuen Form von innenpolitischer Gemeinschaft hintasteten. Wenn man sich nachträglich die Tragweite dieses revolutionierenden Ereignisses zu vergegenwärtigen versucht, so vermag man es nicht zu fassen, wie unvorbereitet man sich in dieses Wagnis hineinbegab.

Und doch ist es psychologisch erklärlich, daß eine Zeit, die sich in absterbenden politischen Formen verstrickt sieht und ihre eigene Aufgaben mehr ahnt als erkennt, zunächst einmal ihre ganze Kraft auf

die Abstreifung und Bekämpfung der sinnlos gewordenen alten Ordnungsfragmente verwendet, daß sie alles Heil in der Vernichtung der Schranken erblickt, die dem neuen Werden im Wege stehen, und

daß sie in naivem Optimismus die Zuversicht hegt, jenseits dieser Schranken unmittelbar das gelobte Land vorzufinden. Immerhin aber war es verhängnisvoll, daß unter den nicht wenigen, zum Teil bedeutenden politischen und staatsphilosophischen Denkern, die insbesondere das 18. Jahrhundert hervorgebracht hat, kein wahrhaft

realistischer Kopf war. Auf dem Felde der inneren Politik ist kein Klassiker entstanden; hier haben theoretische Wegbereiter, wie sie

der Wirtschaftspolitik in Adam Smith und der Kunst der Heerführung in Clausewitz beschieden gewesen sind, durchaus gefehlt. 43

Der : iangel an politischem Bewußtsein, den die Schöpfer der neuen Ordnung in bezug auf ihre Tragweite an den Tag gelegt haben, nimmt aber dieser Ordnung nicht ihren objektiven Charakter einer politischen, verfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung, dessen Inhalt für die spätere Auslegung und Handhabung bestimmend und bindend ist, bis eine entgegengesetzte Entscheidung das Steuer herumwirft und einen anderen Typus von Ordnung setzt. Die Vorstellung, daß stillwirkende nachträgliche Veränderungen und eine beharrliche Inkonsequenz der politischen Maßnahmen und der Rechtsauslegung von sich aus eine Entscheidung von so säkularer Tragweite außer Kraft zu setzen und zu verändern vermöchten, ist ein

Irrtum. Politische Gesamtentscheidungen, die die Verfassung eines sozialen Teilbereichs im ganzen wenigstens dem Typus nach festlegen, können ohne Mitwirkung eines politischen Willens, der b e wu ßt eine abändernde politische Entscheidung trifft, rechtlich nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden. Diese neue Entscheidung braucht natürlich nicht in den für Verfassungsänderungen oder für Gesetze vorgesehenen Formen getroffen zu werden, sondern kann z. B. auch

auf revolutionäre Weise zustandekommen, — aber g e t r o ff e n werden muß sie auf alle Fälle, denn Verfassungen sind Willensakte. 4. Die politischen und sozialen Wirkungen einer dynamifchen Wirtschaftsverfassung. Die politischen Wirkungen der freien Verkehrswirtschaft, die sich so störend bemerkbar gemacht haben, lassen sich fast insgesamt auf die Tatsache zurückführen, daß die freie Wirtschaftsordnung eine dyn amis ch e Ordnung ist. Es leuchtet ein, daß sich mit einem in grundsätzliche Dauerbewegung versetzten sozialen Alltagsgeschehen

Bindungen und Gemeinschaftsformen von ausgesprochen statischem Charakter schlechterdings nicht vertragen. Der bewegte Untergrund erfordert vielmehr eine lockere, elastische, auf Anpassung abgestellte Organisation des sozialen Lebens und der innenpolitischen Gliederung. Jeder einzelne muß über ein recht erhebliches Maß von Bewegungsfreiheit verfügen, um je nach Bedarf seine wirtschaftsberufliche Tätigkeit verändern, neue Beziehungen herstellen und alte lösen zu können. Dies gilt insbesondere für den Verkehr der wirtschaftlich Selbständigen untereinander und mit den letzten Abneh44

mern, während die Beziehungen zwischen Unternehmern und Ar-

beitern auch in einer bewegten Ordnung den Charakter einer engeren Bindung nicht nur zulassen, sondern erfordern, unbeschadet der Tatsache, daß auch hier in bezug auf die Höhe des Arbeitsentgelts

ein gewisser und in bezug auf die Art der Beschäftigung und auf die Zusammensetzung der Belegschaft ein hoher Grad von Beweglichkeit gewährleistet sein muß. Es ist notwendig, sich immer wieder daran zu erinnern, daß in einer modernen Verkehrswirtschaft jeder,

auch der kleinste Selbständige Pionierfunktion zu versehen hat, daß diese Pionierfunktion ein politischer Auftrag ist und seiner Natur nach weitgehende Blankovollmachten und ein hohes Maß von Ellen-

bogen- und Entscheidungsfreiheit erfordert. Die Verselbständigung des einzelnen im Dienst der Erzielung eines gesteigerten Gemein-

schaftserfolgs vollzieht sich ja auch auf nalen Lebens, insbesondere im Bereich wirkens, also im klassischen Bereich Unterordnung unter den Befehl. Auch

anderen Gebieten des natiodes militärischen Zusammender straffsten Disziplin und hier ist man von dem Einsatz

geschlossener Massen längst zu gelockerten Formen des Angriffs und der Verteidigung übergegangen, zu Formen, die den einzelnen Soldaten sehr weitgehend auf sich selbst stellen und ihm gerade in den entscheidendsten und kritischsten Gefechtsmomenten zumuten, bei ab-

gerissener Fühlung mit den Nebenleuten und bei Ausfall des Führers eine selbständige Entscheidung zu treffen und das sachlich Gebotene auf eigene Faust und Verantwortung zu tun.

In der Wirtschaft ist dieser Selbständigkeit und Beweglichkeit des einzelnen Gewerbetreibenden ein noch viel größerer Spielraum eingeräumt; hier fehlt, wie wir gesehen haben, jeder zentrale konkret ausgearbeitete Marsch- und Gefechtsbefehl und jede das tägliche Verhalten des einzelnen bestimmende Befehlsinstanz.

Die-

jenige Nation, deren Angehörige von diesem Spielraum den verständigsten und entschlossensten Gebrauch machen, ihr Verhalten am einsichtsvollsten mit dem politischen Sinn des freien Systems in Einklang bringen, wird vor den anderen einen Vorsprung nicht nur an Wohlstand, sondern auch an politischer Selbstbehauptungs-

und Verteidigungskraft erzielen. Nun liegt aber auf der Hand, daß jede Auflockerung von Gemeinschaftsformen dem Bedürfnis nach enger, menschlicher Verbundenheit, nach fester Eingliederung in einen übersehbaren politischen Auf45

bau, nach Geborgenheit und sozialer Lebenswärme diejenigen Stützen entzieht, denen Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch die Vestimmung zugefallen war, den einzelnen an die politische Gemein-

schaft, ihre Aufgaben und ihr Schicksal zu ketten. Der einzelne, von Alters her gewohnt, als Glied irgend eines engeren, festgefügs ten Unterverbandes am politischen Leben der höheren nationalen Einheit teilzunehmen, sieht sich plötzlich in seiner Isolierung sozusagen reichsunmittelbar dem politischen Zentralsystem gegenübergestellt. Die vermittelnden Gruppen sind weggefallen, sein politischer Auftrag erfließt ihm unmittelbar aus der allgemeinen und höchsten Gesamtordnung selbst. Er befindet sich an der Front, aber nicht im Kompagnie- oder Regimentsverband, sondern sozusagen in direkter Unterordnung unter die oberste Heeresleitung. Ihm selbst ist es überlassen, sich diejenigen auszusuchen, mit denen er in provisorischem Zusammenwirken von Fall zu Fall seiner Pionieraufgabe in jeder neuen Lage am besten zu entsprechen vermag. Dieses unmittelbare Spannungsverhältnis zwischen Einzelpersönlichkeit und Gesamtordnung ist nun naturgemäß von höchst abstrakter, rationaler, unanschaulicher Beschaffenheit und die Beziehungen zwischen den jeweils Zusammenwirkenden von sachlicher Kühle. Das Mittel, das in einer so organisierten Volkswirtschaft vorgesehen ist, um das Verhalten des selbständigen einzelnen mit den überpersönlichen Erfordernissen der Gesamtordnung in Einklang zu bringen, nämlich die Methode der unmittelbaren Beteiligung am Erfolg und der Belastung mit dem unmittelbaren Risiko des Mißerfolgs, tut ein übriges, um den wirtschaftenden Volksgenossen politisch und sozial zu isolieren und zu individualisieren. Denn er richtet nunmehr seinen Blick in erster Linie auf den eigenen materiellen Vorteil und muß dies sogar tun, weil ihm nur der persönliche Erfolg oder Mißerfolg die Richtung nach dem Erfordernis des Gemeinwohls weist. Damit aber läuft er Gefahr, seine Beteiligung an dein wirtschaftspolitischen Gemeinschaftswerk nur noch als Mittel zum Zweck der persönlichen Gewinnerzielung zu sehen. Jn einem solchen trotz seiner politischen Zweckmäßigkeit und Produktivität raffinierten und komplizierten Sozialmechanismus leidet daher das lebendige Gemeinschaftsbedürfnis Not. Sobald es aber

in einer politischen Gemeinschaft dahin gekommen ist, daß dieses Bedürfnis keine Befriedigung mehr findet, so entstehen mit der 46

Folgerichtigkeit eines Naturgesetzes soziale Spannungen, Klassengegensätze, Spaltungen in Gruppeninteressen, kurz innerpolitische Dauerkrisen und eine zu explosiver Entladung geeignete Ansammlung

von sozialer Erbitterung. Gelingt es dem Staat und seiner politischen Führung nicht, hier Abhilfe zu schaffen und den einzelnen in einer seine Erlebniskraft und Phantasie in Anspruch nehmenden Nachhaltigkeit in das nationale Geschehen einzubeziehen, ihm die Idee der höheren Einheit und den Inhalt der zu bewältigenden Gemeinschaftsaufgaben mit lebendiger Anschaulichkeit nahezubringen, so wird das soziale Anlehnungsbedürfnis bei

außerstaatlichen und gegenstaatlichen Gruppenund

Parteibestrebungen

seine

Befriedigung

such en. Der von der Gemeinschaft unerwidert gelassene Drang nach Zusammenschluß und Hingabe stellt sich dann Kräften und Tendenzen partikularistischer, gruppen- und klassenegoistischer oder doktrinärer Art zur Verfügung, die mit dieser Gefolgschaft alsbald

Mißbrauch treiben und eine gegen die Interessen der Gesamtgemeinschaft gerichtete Tätigkeit entfalten. Dieser Prozeß der Vermassung, Parteiung, Sprachenverwirrung, Auflösung und Gruppenfehde hat denn auch in der Tat stattgefunden und im Verlauf der modernen Wirtschaftsentwicklung —- und zwar im Kausalzusammenhang mit ihr —- ein geradezu verhängnis-

volles Ausmaß erreicht. Wir können es uns versagen, an dieser Stelle die Einzelphasen jenes Vorgangs und den Inhalt der Anklagen zu wiederholen, die

während seines Verlaufs gegen die Wirtschaftsverfassung und ihre einzelnen Einrichtungen erhoben worden sind. Sie sind allge-

mein bekannt: Anarchie, Ausbeutungspolitik, Kampf Aller gegen Alle, Ellenbogenbrutalität, Glorifizierung des wirtschaftlichen Egoismus, Zerfall aller echten Gemeinschaftskultur, Massenballung statt Gemeinschaft — dies ist nur eine unvollkommene Auslese aus der Uberfülle der Vorwürfe und — leider! — auch der Erscheinungen 8). 8) Man wird zugeben müssen, daß die politische Einstellung vor allem der

angelsächsischen Klassiker zum Staat, ihr Vertrauen auf die rein negativen und passiven Methoden der Beseitigung von Bindungen und Privilegien

und einer möglichst weitgehenden Zurückhaltung des Staates dieser Fehlentwicklung ideologischen Vorschub geleistet hat. Einer ihrer verhängnisvollsten Fehler war, daß sie glaubten, die wirtschaftliche Freiheit werde von selbst

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5. Die Mittel der Meisterung der politischen und sozialen Begleiterscheinungen einer dynamischen Wirtschaftsordnung

Wir haben uns nun zu fragen, welche Möglichkeiten zu Gebote stehen, diese außerwirtschaftlichen Gefahrenwirkungen einer auf die zum geordneten Wettbewerb führen. Es hing das mit ihrem naturwissenschaftlich beeinflußten Weltbild zusammen: Sie huldigten der Auffassung, daß die Natur den Menschen in einer listigen und geistreichen Art so eingerichtet habe, daß er, ob er nun wolle oder nicht, mit seinesgleichen sozial zusammenwirken müsse. Aus diesem sinnvollen Plan der Natur könne er sich nicht einmal da herauslösen, wo er nach eigennützigen Motiven handle; die

Gelegenheit zu gemeinschädlichen Ausschreitungen des Egoismus —- diese Möglichkeit gaben die Klassiker natürlich zu — könne eine gute Gesetzgebung und eine geschulte öffentliche Meinung (s. die »Theorie der moralischen Ge-

fühle« von Adam Smith) mit hinreichender Wirksamkeit verbauen. Alles übel, die tatsächliche Unordnung in der sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit wurde indessen nicht so sehr auf die Wucherungeii der Jchsucht der einzelnen als vielmehr darauf zurückgeführt, daß die Staatsmänner und die Regierungen in ihrem rechthaberischen Dünkel mit dilettantischen Maß-

nahmen die weisen Absichten der natürlichen Ordnung durchkreuzten. Man kann diese Auffassung vielleicht dahin zusammenfassen: Die Natur treibt eine viel bessere Politik als die Staatslenker. Wir wissen heute, wie unrichtig diese Auffassung bei aller Realistik der Einzelentdeckungen war, wie sehr sie den Anteil des bewußten politischen Wil-

lens unterschätzte. Jnsbefondere haben wir inzwischen ausgiebig Gelegenheit gehabt, die Erfahrung zu machen, daß die sich selbst überlassene wirtschaftliche Freiheit nur in sehr unvollkommenem Ausmaß Ordnung, im übrigen aber wildgewachsene Privatmacht erzeugt, die die Freiheit der einzelnen wieder beseitigt oder doch sehr ernstlich beeinträchtigt.

Eine Privatmacht, die

ihre Märkte auf eigene Faust und ohne Rücksicht auf die Gesamtordnung der Wirtschaft, die sie gar nicht zu überblicken mag, bindet, nur geleitet von deni kurzsichtigen Gruppeninteresse eines vereinzelten Wirtschaftszweigs, das sich im notwendigen Gegensatz zu den Gruppeninteressen mindestens eines Teils der übrigen Wirtschaft befindet. Diese Erfahrung hat uns die Augen geöffnet für die überragende Bedeu-

tung und für die Notwendigkeit einer starken und von Grundsätzen geleiteten staatlichen Wirtschafts-— und Rechtspolitik. Die Erkenntnisse der Klassiker in ihrer durch die moderne Nationalökonomie teils fortgebildeten, teils richtiggestellten, teils grundsätzlich iiberholten Gestalt haben für uns Heutige nur noch den Wert, daß sie ein sehr viel verfeinertes und wirksameres

Regieren gestatten, als es zur Zeit des Merkantismus möglich war. Dieser Wert ist allerdings sehr beträchtlich und von höchster historisch-politischer Bedeutung. Von den zeitgebundenen Ausgangsideologien der klassischen Schule müssen wir uns dagegen durchaus frei machen.

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Erzielung höchster Produktivität abgestellten, dynamischen, modernen

Wirtschaftsverfassung zu bannen und die politische Aufgabe zu meistern, einen in Freiheit verfaßten Wirtschaftsprozeß mit Gemeingeist und sozialer Gesinnung zu erfüllen, ihn in schöpferischer

Weise einzugliedern in die politische Gesamtverfassung der Nation. Bei der Prüfung dieser Möglichkeiten müssen wir uns indessen

von vornherein über zwei Tatsachen im klaren sein: Nämlich einmal darüber, daß die festgestellten Gefahrenwirkungen von je d e r d y -

n a misch e n Wirtschaftsordnung ausgehen, daß sie also nicht die typischen Begleiterscheinungen etwa bloß der freien Verkehrs-

wirtschaft sind. Wir dürfen uns daher von der Einführung einer anderen dynamischen Verfassungsart, also etwa einer Planwirtschaft, nicht den Erfolg versprechen, daß jene Wirkungen ausbleiben werden oder daß die politische Aufgabe durch einen solchen Akt fühlbar erleichtert wird.

Zweitens aber müssen wir uns damit abfinden, daß unter den heutigen Umständen die Rückkehr zu einer statischen Verfassung des Wirtschaftslebens ausgeschlos-

se n ist. Und zwar deshalb, weil dieser Schritt nur mit dem Verzicht auf politische Selbstbehauptung des deutschen Volkes unter der Reihe der großen Nationen erkauft werden könnte. Ferner

weil die in einer solchen Umkehr liegende Waffenstreckung vor einer großen geschichtlichen Aufgabe (= Fähigkeit, eine produktive Wirtschaft politisch zu ertragen) mit dem Ehrgefühl eines selbstbewußten Volkes nicht vereinbar sein würde. Und endlich deshalb, weil mit der Stabilisierung des derzeitigen status quo unserer Wirtschaft derjenige politische Erfolg gar nicht erzielt werden könnte, der allein

ein solches Opfer an Macht und Zukunftsaussichten zu rechtfertigen vermöchte, nämlich die Wiederherstellung eines echten, von Kraft und Gemeingeist erfüllten, auf dem Gedanken der dezentralisierten Selbstverwaltung gegründeten politischen Reichsaufbaus. Denn die derzeitige Struktur der deutschen Volkswirtschaft ist — wenn wir für den Augenblick einmal von ihren sehr erheblichen technischen Schönheitsfehlern absehen — wirtschaftspolitisch nur sinnvoll, wenn wir sie als augenblickliche Phase eines in ständiger

Umwandlung begriffenen dynamischen Entwickl u n g s p r o z e s s e s begreifen. In staats- und volkspolitischer

Hinsicht ist sie jedoch durchaus ungeeignet, die soziale Böhni

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Grundlage für den Aufbau einer statischen Ge-

meinschaftsordnung abzugeben. Eine Wirtschaft von dieser Art ist politisch schon schwer zu meistern, solange sie ihre wirtschaftspolitische Funktion, den Wohlstand zu mehren, noch zu erfüllen vermag. Jst sie dazu nicht mehr imstande, dann bleibt sehr wenig übrig, was aus sonstigen Gründen etwa noch der Erhaltung wert sein könnte. Die politische Entscheidung des nationalsozialistischen Staates ist denn auch mit eindeutiger Bestimmtheit zugunsten einer produktiven W i r t s ch a ft g e f a l l e n. Die größtmögliche Anspannung aller produktiven Kräfte im Dienst der nationalen Ertragssteigerung ist zur programmatischen Forderung erhoben worden. Diese Entscheidung schließt aber zugleich die Entscheidung zugunsten einer dyna-

mischen Wirtschaftsverfassung in sich. Durch diese wirtschaftspolitische Stellungnahme ist gleichzeitig auch die Marschroute für die Behandlung der politischen Seite des Problems festgelegt worden. Welche Maßnahmen hier auch ergriffen werden mögen, sie müssen jeden-

falls mit dem wirtschaftspolitischen Entschluß zugunsten der Dynamik des Wirtschaftsprozesses in Einklang stehen. Damit aber ergeben sich für das politische Vorgehen folgende Gesichtspunkte: Erstens muß die wirtschaftspolitisch gewünschte Dauerbewegung des wirtschaftlichen Alltags auch p olitisch g ew ollt und in Rechnung gestellt werden. Das bedeutet, daß alle sozialen Bindungen, alle Organisationen, alle Einrichtungen, die von der politischen Führung etwa vorgesehen werden, um dem Gemeinschaftswillen der Volksgenossen eine Stätte gedeihlicher Betätigung zu schaffen und die Kraft der Anteilnahme am öffentlichen Leben in den einzelnen zu aktivieren, derart gewählt werden, daß sie die Eig-

nung besitzen, die Beweglichkeit der Wirtschaftenden sicherzustellen und zu fördern. Es muß ferner dafür gesorgt werden, daß die Bewegungsfreiheit von den einzelnen nicht nur als ein Recht, sondern

als soziale und politische Pflicht, sich in Bewegung zu versetzen und in Bewegung zu bleiben,

empfunden wird. Hier aber müssen wir aus den Erfahrungen der Vergangenheit eine Lehre ziehen!

In den hinter uns liegenden

Epochen der freien Verkehrswirtschaft hat sich nämlich gezeigt, daß 50

die Zumutung, sich in Bewegung zu versetzen und in Bewegung zu bleiben, auf einen geradezu elementaren psycho-

logischen Widerstand gestoßen ist. Es ist der Beharrungstrieb, es ist die Abneigung vor Veränderun-

gen, es ist die Furcht vor der Härte des Ausleseverfahrens und vor dem unablässigen Bedrohtsein der

wirtschaftsberuflichen Existenz, die sich der Bewegung entgegenstemmt und unablässig das einzige Ziel der Sich e r h e i t d e s D as e i n s ins Auge faßt. Diese Empfindungen beherrschen

stets einen beachtlichen Teil der Gewerbetreibenden 9). Leider haben nun in der Vergangenheit Politik, Gesetzgebung, Verwaltungs- und Gerichtspraxis dem passiven und aktiven Wider-— stand dieser Beharrungskräfte in recht erheblichem Umfang nachgegeben, und zwar nicht etwa auf Grund einer planmäßigen Uber-

legung, sondern aus Schwäche und Mangel an Instinkt. Noch mehr aber als durch diese Siege über eine Staatsgewalt, die die ihr anvertrauten Stellungen so schwach verteidigte, sahen sich die bewegungsfeindlichen Interessen durch den nachhaltigen Beifall ermuntert, den jeder Versuch, der wirtschaftlichen Bewegung, insbesondere aber dem Wettbewerb Einhalt zu gebieten, bei einer gegen die herrschende

Wirtschaftsordnung feindselig eingestellten öffentlichen Meinung fand.

Hier wird es also einer gewaltigen nationalen Erziehungsarbeit bedürfen, wenn es gelingen soll, den Widerstand des Beharrungswillens zu brechen und eine Wirtschaftsmoral zu erzeugen, die das Gesetz der energischen Bewegung bejaht und den Bestrebungen des Staates, die Bewegung im Fluß zu halten, zu Hilfe kommt.

Es ist notwendig, sich klar zu machen, daß das politische Bewußtsein den Wandel von der Statik zur Dynamik des sozialen Alltags bis zum heutigen Tage noch nicht vollzogen hat. Gewerbefreiheit und Konkurrenz haben freilich die Wirtschaft zu stürmischer Vor9) Auf die Gefahren, die der modernen Wirtschaft von dem Beharrungsstreben der Gruppen und Verbände her drohen, ist in den letzten Jahren mit zunehmender Rachdringlichkeit von den verschiedensten Seiten hingewiesen worden. Es ist kein Zweifel, daß auch in einer breiteren Offentlichkeit das Problem allmählich erkannt wird. Die große Tagespresse hat hier aufkläs

rend gewirkt. An dieser Stelle sei vor allem auf die Artikel von Dr. Nonnenbruch im Völkischen Beobachter (so insbesondere VB 332 vom 19. 8. 1936)

und von Dr. Miksch (LM) in der Frankfurter Zeitung hingewiesen.

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wärtsbewegung gezwungen; das Denken aber ist noch immer von den Vorstellungen bestimmt, die v o r dem Ubergang zu dynamischen

Wirtschaftsverfassungen herrschend waren. Ehe nicht das Gebot des Sich-Bewegens als p o l i tis ch e I d e e erkannt und erfaßt wird, wird das auch schwerlich anders werden. Nichts aber ist schlimmer als ein Zustand, bei dem sich zwar die D in g e bewegen (und kraft politischer Entscheidung auch bewegen sollen), der W i l l e der Beteiligten aber sich gegen die Bewegung auflehnt, selbstverständlich ohne ihr im ganzen Einhalt gebieten zu können. Das Ergebnis ist dann nämlich nicht Ruhe und Stabilität, sondern ein g e h e m mter, seiner Ordnung, seiner Autorität und seiner politischen Beherrschbarkeit beraubter Beweg u n g s p r o z e ß, durchsetzt von privaten Machtbildungen und sonstigen sinnwidrigen Verfilzungserscheinungen und gekennzeichnet

durch schlechtes Funktionieren, Rückgang der Produktivität und ungerechte, zweckwidrige Verteilung des Produzierten. Welche Maßnahmen — abgesehen von der Erziehung der Volksgenossen und der Schaffung einer mit dem Bewegungsprinzip in Einklang stehenden sozialen Gliederung —- von seiten der politischen Führung sonst noch getroffen werden könnten, um eine moderne, in

gelockerten Formen zusammenwirkende Wirtschaftsnation zu einer wahren Volks und Schicksalsgemeinschaft zusammenzuschweißen,

bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Hier sind Versuche in größtem Stil und von unabsehbarer geschichtlicher Bedeutung in

vollem Gange; die Zeiten, in denen der Staat in dieser Hinsicht die Dinge treiben ließ und die historische Aufgabe nicht sah, sind vorüber.

Aber noch ein letztes Erfordernis bleibt zu betonen. Wenn das Werk gelingen soll, so ist vor allem ganz unerläßlich, daß die interne

Wirtschaftsordnung als solche von den Unvollkommenheiten ihrer Entstehungszeit gereinigt, von den Verfälschungen und Verwässerungen, die im späteren Verlauf ihrer Geltung stattgefunden haben, befreit, durch zusätzliche Ordnungsmethoden verstärkt und im ganzen

auf denjenigen Stand technischer Vollkommenheit gebracht wird, der nach Maßgabe der Erfahrungen der Vergangenheit und der inzwischen wesentlich verfeinerten und erweiterten theoretischen Er-

kenntnisse praktisch erreichbar ist. Dieser spezifisch wirtschaftspolitischen und wirtschaftsverfassungsrechtlichen Seite des Problems 52

wird der nächste Abschnitt gewidmet sein. Es sei indessen noch angemerkt, daß auch dieser Versuch der U n te r st ü tz u n g d u r ch allgemeine politische Maßnahmen und insbesondere durch politische Erziehung und Aufklärung der Allgemeinheit bedarf. Vor allem ist es von größter Wichtigkeit, daß die Ordnung der Wirtschaft als das erkannt wird, was sie ist, nämlich als eine politische Verfassung des nationalen

Wirtschaftslebens von öffentlich-rechtlichem C h a r a k t e r, als inhaltlich bestimmte, feierliche Entscheidung eines bewußten politischen Willens. Und es wird ferner angestrebt werden müssen, daß die Kenntnis wenigstens der beherrschenden Grundgedanken dieser politischen Ordnung zum festen geistigen Besitztum der N a t i o n w i r d. Denn die Erfahrung hat gelehrt, daß es keineswegs ausreicht, wenn allein die politische Führung und die Wissenschaft eine Anschauung von dem Sinn und Inhalt des Gesamt-

systems hat, die übrigen Beteiligten aber bloß von ihrem Erwerbstrieb auf den richtigen Weg gelenkt werden, ohne daß sie eine Ahnung davon haben, daß und warum ihr Verhalten im Interesse des Ganzen liegt. Auch die privatwirtschaftliche Betätigung ist Teilnahme an einer Gemeinschaftsaufgabe; diese Gemeinschaftsaufgabe selbst ist aber politischer Natur. Sie kann nur gelöst werden, wenn eine Nation das lebendige Bewußtsein davon hat, an einer

geschichtlichen Aufgabe mitzuwirken, die den Einsatz von Gemeinsinn, politisch-schöpferischem Vermögen und leidenschaftlicher innerer Anteilnahme erfordert. Wo aber eine geschichtliche Aufgabe in öffentlichem Geiste ergriffen wird, da ist die Voraussetzung dafür geschaffen, daß sich echte Gemeinschaft bilden kann. Und zwar auch unter erschwerten Verhältnissen, in gelockerten Formen sozialen Zusammenwirkens und auf dem unsicheren Grund eines heftig be-

wegten wirtschaftlichen Alltags.

53

Zweiter Abschnitt.

Die Ordnung der Wirtschaft als wirtschaftspolitisches und wirtschaftsverfassungsrechtliches Problem. I.Teil.

Liberblick über den Inhalt und die Bedeutung des Begriffs: Wirtschaftsverfassung. 1. Wirtschaftsverfassung als normative Ordnung der Volkswirtschaft

Jn jeder politischen Gemeinschaft, auch der primitivsten, ist zu jeder Zeit eine bestimmte tatsächliche Art des Wirtschaftens üblich,s von der wir sagen können, daß sie für diese Gemeinschaft in dieser Zeit kennzeichnend sei. Ein solches, bloß tatsächliches Ublichsein gewisser wirtschaftlicher Formen und Verhaltensweisen ist nun aber noch keine Wirtschaftsverfassungz und zwar auch dann nicht, wenn sich das wirtschaftliche Zusammenwirken der Gemeinschaftsglieder in einer geordneten und zweckmäßigen Weise vollzieht. Von einer Wirtschaftsverfassung können wir vielmehr erst dann sprechen, wenn innerhalb einer Gemeinschaft eine bestimmte Methode

und Form des Wirtschaftens kraft politischer Willensentscheidung zum Gebot erhoben wird. D. h. es muß in der Gemeinschaft eine Vorstellung davon lebendig sein, wie gewirtschaftet werden soll, und es muß eine Entscheid un g getroffen worden sein, die diese Vorstellung zum geltenden wirtschafts- bzw. sozialpolitischen System erhoben hat.

Eine Wirtschaftsvetfassung ist also kein Inbegriff von Wirtschaftstatsachen, sondern ein I n b e g r i ff v o n N o r m e n. Und zwar von Normen, deren Zweck es ist, das wirtschaftliche Verhalten 54

der einzelnen und Gruppen in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen, vor allem aber (— sobald sich einmal eine arbeitsteilige

Wirtschaft entwickelt hat —) das Z us a m m e n w i r k e n der einzelnen und der zusammengesetzten Einheiten untereinander zu

ord nen. Wer daher feststellen will, ob in einer bestimmten Geschichtsepoche eine Wirtschaftsverfassung vorhanden war und wie sie ausgesehen hat, der darf sich nicht damit begnügen, zu ermitteln,

wie die Menschen damals tatsächlich gewirtschaftet haben (— bei dem Rückschluß von dem tatsächlichen Zustand des Wirtschaftslebens auf seine Ordnung ist große Vorsicht geboten —), sondern er muß vor allem nach Rechtsdenkmälern und Quellen suchen, die darüber

Auskunft geben, ob innerhalb der Gemeinschaft eine r e ch t s v e r bindliche Entscheidung zugunsten einer bestimm-

ten Art des Wirtschaftens stattgefunden und wie das Bild ausgesehen hat, das sich der politische Wille von dem wünschenswerten Ablauf des wirtschaftlichenGeschehens gemacht hat. I n h alt l i ch kann eine Wirtschaftsverfassung sehr primitiv, sie kann auch in sich widerspruchsvoll und unvernünftig sein. Der Be-

griff der Wirtschaftsverfassung setzt auch nicht voraus, daß ihr Ziel das Ziel der Wirtschaftsförderung sei. Auch statische Ordnungen,

Ordnungen, die das Wirtschaftsleben streng auf der traditionellen Stufe festhalten und jeden Fortschritt verbieten, sind Wirtschafts-— verfassungen. Es genügt, wenn Normen vorhanden sind, die das wirtschaftliche Verhalten r e g e l n. Aber auch an das Tatbestandsmerkmal der »politischen Ents ch e i d u n g« dürfen, soweit historische Ordnungen in Frage stehen, nicht allzu strenge, insbesondere nicht moderne Maßstäbe angelegt

worden. Die Formen, in denen sich verfassungsgestaltende Entscheidungen bei den politischen Gemeinschaften früherer Geschichtsabschnitte durchzusetzen pflegten, waren ganz andere, vor allem viel fließendere als diejenigen, deren sich das moderne Rechts- und Verfassungsleben bedient. Und die Vorstellungen über den im Gesamtinteresse zu wünschenden Wirtschaftsablauf entsprechen in solchen

Zeiten keineswegs dem, was wir heute ein wirtschaftspolitisches oder sozialpolitisches »System« nennen. So schwer es aber nun auch sein mag, festzustellen, ob in den

Frühperioden der Wirtschaftsgeschichte innerhalb einer bestimmten politischen Gemeinschaft eine Wirtschaftsverfassung gegolten und 55

wie sie ausgesehen hat, so einfach ist es, diese Feststellung für die

Zeit der modernen Wirtschaftsentwicklung zu treffen. Und wenn man begründete Zweifel daran haben kann, ob es wissenschaftlich

überhaupt fruchtbar und zulässig ist, mit Begriffen, die wie der Begriff der »Verfassung« oder der Begriff der »politischen Entscheidung« bis an den Rand mit modernen Vorstellungen angefüllt sind, an die Betrachtung weit zurückliegender Zeiten heranzugehen, so wird doch niemand in Abrede stellen wollen, daß diese Begriffe nebst anderen, die von der neueren Staatsrechtslehre herausgearbeitet

worden sind, die Einsicht in die rechtliche Struktur einer modernen Wirtschaftsordnung wesentlich erleichtern, ja daß sie für diese Einsicht unentbehrlich sind. Von Wirtschaftsordnung in modernem Sinne aber können wir von dem Augenblick an sprechen, in dem ein

Staat dazu übergeht, eine bewußte Wirtschaftspolitik sy st e m a t i s ch e r A r t zu treiben, spätestens aber von dem Augen-

blick an, in dem er eine d y n a m i s ch e O r d n u n g einführt. Von Stund an gewinnt dann nämlich der Begriff ,,Wirtschaftsverfassung« schärfere Umrisse und einen bestimmteren Inhalt. Es mag merkwürdig erscheinen, ist aber so: je mehr das wirtschaftliche Leben in Fluß kommt, desto stabiler müssen seine Ordnungen werden. Es verhält sich ähnlich wie bei einer Maschine: je komplizierter sie ist, je beschleunigter ihre Teile sich bewegen, desto präziser muß die

Konstruktion sein. Fließende Ubergänge zwischen verschiedenen Ordnungssystemen, Gewohnheitsrechtsbildungen contra oder praeter

legem, inhaltliche Unbestimmtheit des wirtschaftspolitischen Ziels und der Methoden vertragen sich schlechterdings nicht mit den sachlichen Ansprüchen der Aufgabe, ein in Bewegung befindliches, arbeitsteiliges, in der Fülle seiner Erscheinungen tatbestandsmäßig

nicht mehr zu übersehendes volkswirtschaftliches Gesamtgeschehen nach einer operativen Jdee verfahrensmäßig zu organisieren. Ordnungen, die diesen Ansprüchen genügen wollen, können nur noch das Ergebnis eines bewußten und wachen politischen Willens, einer sachkundigen, autoritativen Füh-

r u n g s e n t s ch e i d u n g sein; für ein stilles Wachsen, für ein ordnendes Gestalten der Dinge aus dem Schoße der Wirtschaft

selbst heraus, also gleichsam von unten her, ist hier kein Raum mehr. Soziale Turmbauten von so gewaltigem Ausmaß und so beschleunigtem Arbeitstempo haben unweigerlich die heilloseste Sprachenver: 56

wirrung zur Folge, wenn nicht die Ordnungsidee, die hier allein noch das Element der Einheit zu repräsentieren vermag, das Ganze bis in seine letzten Einzelheiten durchleuchtet, wenn diese Ordnungsidee nicht auf den Satz gegründet ist: alles hört auf mein Kommandol Diese Straffheit wird von vielen beklagt, von ehrlichen Jdealisten nicht weniger wie von sehr realistisch denkenden Interessenten, ist aber schlechthin unerläßlich. So muß denn an eine moderne Wirtschaftsverfassung der Anspruch gestellt werden, daß sie erstens eine klare und eindeutige

bewußte politischeWillensentscheidungzurGrundlage hat, daß diese Willensentscheidung, zweitens, in unmißverständlicher V e r k ü n d u n g s f o r m zur Geltung erhoben worden ist und daß sie, drittens, inhaltlich eine echte Entscheidung zugunsten eines in sich geschlossenen, e in d e u t i g e n w i r t schaftspolitischen Ordnungssystems ist. D. h. es muß sich hier um einen konkreten Lösungsversuch organisatorischer Art handeln, bei dem zum Behuf der Verwirklichung eines eindeutig aufgestellten Ziels ganz bestimmte autoritativ geltende Methoden eingesetzt werden. Das gewählte System kann natürlich auch zusammengesetzter Natur und von Ausnahmen durchbrochen sein. In diesem Falle müssen dann aber die Ausnahmen streng lokalisiert und die Gesichtspunkte, nach denen die eine oder die andere

Methode verwendet werden soll, klar herausgearbeitet sein; es muß ferner Vorsorge getroffen sein, daß das Gesamtsystem trotz seiner

kombinierten Beschaffenheit unter einer einheitlichen obersten Idee steht, die die Geschlossenheit und Folgerichtigkeit des Ganzen verbürgt.

Dagegen schaffen solche Entscheidungen, die einer inhaltlich bestimmten Stellungnahme a u s w e ich e n und den Wirtschaftsprozeß

ohne klares Ziel und ohne technische Ordnung lassen, keine Wirtschaftsverfassung. Eine solche Entscheidung gilt zwar auch; sie erzeugt aber bloß einen R e ch t s z u st a n d und zwar

einen Rechtszustand, bei dem in einem mehr oder weniger erheblichen Umfang das, was faktisch in der Wirtschaft geschieht, in be-

quemem, ideenlosem Gewährenlassen als zu Recht geschehend anerkannt wird. Dieser Rechtszustand bleibt aber der Wirtschaft gerade dasjenige schuldig, was den eigentlichen Kern einer Wirtschaftsver57

fassung ausmacht, nämlich die das faktische Geschehen in eine politisch gewollte Richtung lenkende Norm. 2. Wirtschaftsverfafsung und politische Verfassung. Diese Feststellungen lassen schon erkennen, daß zwischen den Ansprüchen, die an eine Wirtschaftsverfassung zu stellen sind, und den Forderungen, denen eine politische Gesamtverfassung zu entsprechen hat, eine sehr erhebliche Verschiedenheit besteht. Und zwar liegt der Unterschied in erster Linie darin begründet, daß Wirtschaftsverfassungen in ganz anderem Grade P r ä z i s i o n s instrumente sein müssen als dies bei Staatsverfassungen notwendig, ja auch nur zulässig und wünschbar ist. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, daß der Anteil des te ch n i s ch e n Elements bei Wirtschaftsverfassungen ungleich viel größer und entscheidender ist als bei politischen Verfassungen. Die großen politischen Entscheidungen einer Volks- und Staatsverfassung sind im Grunde s ittlicher Natur: hier werden die großen Marschziele der Nation auf lange Sicht aufgerichtet und auch bei der Aufstellung der organisatorischen Grundsätze wird nicht so sehr Bedacht auf die technische Zweckmäßigkeit als vielmehr auf ihre Ubereinstimmung mit dem Geist, mit dem Genius der Nation genommen, der im letzten

Grunde den Ausschlag darüber gibt, in welcher Form und in welcher Gesinnung die einzelnen Aufgaben in Angriff genommen und gelöst werden sollen. Dieser entscheidende Anteil des Sittlichen schließt es daher sehr weitgehend aus, daß Staatsverfassungen »gemacht« und beliebig ,,erlassen« werden. Es ist ein großes Verdienst der modernen Staatsrechtslehre, daß sie dies erkannt, den Verfassungsbegriff vertieft und ihn aus seiner Verstrickung in ein allzu formales Legalitätsdenken befreit hat. Es ist damit der Anteil klar geworden, den die

in einem Volke — kraft blutbestimmter Anlage und geschichtlichgeistigen Gemeinschaftserlebnisses über große Zeiträume (Uberlieferung) — lebendige Rechtsüberzeugung und besondere Art des Urteilens über Gut und Böse an der G e l t u n g s k r a f t einer Verfassung hat. Autokratisch aufgezwungene Verfassungen, die im Widerspruch zu der besonderen Eigenart des sittlichen Volksempfindens, zum besseren Selbst der Nation stehen (Fremdverfassungen), 58

unterliegen denn auch regelmäßig vom Tage ihrer Einführung an einem Umwandlungs- und Ausscheidungsprozeß; sie vermögen sich, solange die innere Kraft des Volkes noch ungebrochen ist, gegenüber dem Willen zur »Eigenverfassung« auf die Dauer nicht zu behaupten.

Bei Wirtschaftsverfassungen verhält es sich in dieser Hinsicht wesentlich anders. Die Aufgabe, die wirtschaftliche Produktivität eines Landes zu steigern, ist eine vorwiegend p r a k t i s ch - t e ch -

n i s ch e Aufgabe. Selbstverständlich kommt den sittlichen Kräften für die Lösung dieser Aufgabe eine hervorragende Bedeutung zu und die Wirtschaftsordnungen müssen denn auch darauf bedacht

sein, diese Kräfte aufzubieten. Aber so wenig der Mut und die Disziplin eines Heeres für sich allein den Sieg im Kriege verbürgen, so wenig reichen der gute Wille und die hochstehende soziale

Moral einer Wirtschaftsgemeinschaft zur Lösung der volkswirtschaftlichen Aufgabe aus. Es muß hier die zw e ckm äßig e Vernünftigkeit der organisatorischen Grundsätze des Zusammenwirkens hinzutreten, das Ganze muß ein ,,System« haben, und zwar ein konkretes, in sich folgerichtiges, auf einen bestimmten Feldzugsplan, auf einer bestimmten technischen Konstruktionsidee gegründetes System. Dieser konkreten, technischen Ordnung kommt auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens die gleiche Bedeutung zu wie den taktischen Grundsätzen und der strategischen Heerführung im Kriege. Und wie im Kriege die beste Moral der

Truppe notleidet, wenn das Heer unentschlossen und schlecht geführt wird, ebenso wird die soziale Moral des wirtschaftlichen Alltagslebens durch eine in sich widerspruchsvolle, technisch unzulängliche

oder auch nur unpraktische Wirtschaftsordnung zerrüttet. Das technisch-organisatorische Element ist also etwas Z us ätz lich e s, das zur Entscheidung über die sittlich-politischen Leitgrundsätze hinzutreten muß, damit eine wirtschaftspolitische Blankettentscheidung zu einer echten Wirtschaftsverfassung vervollständigt wird. Wenn also ein Volk die ihm entsprechende politische Verfassungsform gefunden hat, so besitzt es damit noch keine konkrete

Wirtschaftsverfassung, sondern es sieht sich erst vor eine bestimmte Au s w a hl zwischen mehreren möglichen Wirtschaftsordnungen gestellt. Die Entscheidung zugunsten einer von ihnen oder zugunsten eines kombinierten Systems bestimmt sich sodann in erster Linie nach 59

Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten; infolgedessen kommt hier dem S a ch v e r st a n d derjenigen, die über eine große wirtschaftspolitische Erfahrung verfügen, und der t h e o r et i s ch e n D e n k a r b e it geschulter Geister eine viel ausschlaggebendere Bedeutung zu als bei dem Zustandekommen politischer Verfassungen. Nun verhält es sich natürlich nicht so, daß eine Wirtschaftsverfassung nur von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten bestimmt wäre. Die sittlichen Ideale, die in einem Volk lebendig sind, setzen vielmehr stets den reinen Zweckmäßigkeitserwägungen mehr oder weniger bestimmte Grenzen. Jnsofern legen denn auch die politischen Verfassungen mit ihren geistig-moralischen Marschzielen den Spielraum, innerhalb dessen sich die technischen Wirtschaftsordnungen zu bewegen haben, schon im vorhinein weitgehend fest, d. h.: wie auch

immer die Wirtschaftsverfassung im einzelnen ausgestaltet sein mag, sie muß auf jeden Fall mit der geltenden politischen Verfassung im Einklang stehen. Unter den zu Gebote stehenden technischen Möglichkeiten der rechtlichen Organisation einer Volkswirtschaft wird möglicherweise die eine oder andere schon durch die politische Verfassungsentscheidung ausgeschieden sein. Sie kommt dann nicht mehr in Betracht, mag sie im übrigen so zweckmäßig sein, wie sie will. Diese Erkenntnis aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß im

Rahmen einer bestimmten politischen Verfassung regelmäßig noch eine A u s w a hl zwischen mehreren wirtschaftspolitischen Ordnungssystemen möglich bleibt, bei der dann die Rücksicht auf die praktisch beste und technisch zweckmäßigste Aufgabenlösung der ausschlaggebende Entscheidungsgesichtspunkt ist. Es ist also nicht möglich, aus den Fundamentalgrundsätzen einer politischen Verfassung, z. B. aus den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des nationalsozialistischen Staates eine ganz bestimmte Wirtschaftsordnung sozusagen im Wege der Auslegung herauszudestillieren, sondern wir

können nur in großen Zügen die Leitsätze feststellen, denen eine nationalsozialistische Wirtschaftsordnung u n t e r a l le n U m st ä n d e n entsprechen muß, d. h. wir können sagen, wie eine Wirt-

schaftsordnung im nationalsozialistischen Staate nicht aussehen darf. Auf diese Weise aber gewinnen wir fürs erste nur ein w i r t s ch a f t srechtliches Verfassungsblankett, noch nicht aber eine konkrete Wirtschaftsverfassung. Damit aus dem Verfassungsblankett eine Verfassung werde, ist erforderlich, daß eine z w e it e, zu s ä tz 60

lich e E n t s ch e i d u n g gefällt wird, die unter den mehreren, mit

der Gesamtverfassung verträglichen technischen Lösungsmöglichkeiten zugunsten eines bestimmten Systems die Wahl trifft. Diese Wahl ist inzwischen von der Führung des Reichs in der Weise getroffen worden, daß die Gesamtentscheidung zugunsten einer d y n am i s ch e n Wirtschaftsverfassung gefallen ist (— nur

an einer Stelle findet sich eine Durchbrechung des dynamischen Prinzips durch eine streng umgrenzte statische Ausnahmeregelung zu-

gunsten der bäuerlichen Betriebsform —), und daß zum Behufe der technischen Ordnung der dynamischen Wirtschaftsabläufe nebeneinander zwei Steuerungsmethoden zur Verfügung gestellt sind, nämlich einmal die Methode der mittelbaren Marktleiikung durch ein rechtlich geordnetes Tausch- und Wettbewerbsverfahren und zweitens die Methode der

unmittelbaren staatlichen Marktlenkung im Wege methodischer Befehlserteilung. Uber den Einsatz der Methoden entscheidet der Staat, und zwar setzt er das Wettbewerbsprinzip in der Weise ein, daß er auf einem bestimmten Markt von seinem Recht zu unmittelbarer Lenkung keinen Gebrauch macht. Diese elastische Regelung macht es der wirtschaftlichen Führung des Reiches möglich, von der mittelbaren wie von der unmittelbaren

Lenkungsmethode je nach Bedarf, Zweckmäßigkeit und politischer Absicht im Wege verwaltungsmäßiger Anordnungen Gebrauch zu machen. Es steht ihr frei, hierin so weit zu gehen, wie ihr beliebt,

z. B. also die Methode der Lenkung durch Wettbewerb auch vollständig abzubauen und später wieder zu ihr zurückzukehren, wenn

es ihr im Interesse der Sache geboten erscheint. Erst eine feierliche und grundsätzliche Absage an das Wettbewerbsprinzip würde als Abänderung der heute geltenden Wirtschaftsverfassung aufgefaßt werden müssen, denn damit würde dann allerdings der einen der beiden heute verfassungsrechtlich vorgesehenen Ordnungsmethoden die rechtliche Anerkennung für die Zukunft entzogen werden. 3. Wirtschaftsverfassung und Gewohnheitsrecht. Der Ubergang der Völker zu dynamischen Wirtschaftsordnungen hat, wie schon aufgezeigt worden ist, sehr weitreichende rechtliche

Folgen gehabt: Der Begriff der Wirtschaftsverfassung hat im Vergleich zu früheren Perioden der europäischen Wirtschaftsgeschichte 61

einen strengeren, strafferen und bestimmteren Inhalt gewonnen. Nirgends aber läßt sich dieser Inhaltswandel anschaulicher und deutlicher aufzeigen als bei der Darstellung des grundlegend veränderten — und zwar verminderten — Einflusses, der der Gewohnheitsrechtsbildung im modernen wirtschaftsvers fassungsrechtlichen Leben zukommt. Solange die Wirtschaftsordnungen st a t i s ch e r Natur sind, solange sind sie gewohnheitsrechtlichen Abänderungen ihres Inhalts aus folgendem Grunde in hohem Grade zugänglich: Diese Ordnungen sind vornehmlich auf den Schutz des zu einer bestimmten Zeit gegebenen Zuschnitts der Betriebsweise und einer bestimmten gewerblichen Gliederung abgestellt. Dieser politische Grundgedanke wird nun aber dadurch noch keineswegs durchbrochen, daß neue Betriebsmethoden,

neue Unternehmungsarten, neue Berufsgruppen des gleichen statischen Schutzes teilhaftig werden. Eine solche Ausdehnung des Schutzes auf neue Gebilde kann in der Weise vorgenommen werden, daß eine bewußte gesetzliche Entscheidung z. B. durch Abänderung der städtischen Statuten getroffen wird. Ein solches modernes Verfahren war aber nicht die Regel und ist auch nicht erforderlich. Vielmehr ist es durchaus möglich und entsprach auch den tatsächlichen Gepflogenheiten, daß sich neue Formen des betrieblichen Wirtschaftens zunächst einmal gegen den Widerstand des

Uberkommenen tatsächlich durchsetzen und daß sich die politische Gemeinschaft schließlich mit ihrem Vorhandensein abfindet. Hier vollzieht sich also ein dauerndes, unmerkliches Hineinwachsen neuer Bildungen in die Legitimität, so daß man niemals mit Zuverlässigkeit angeben kann, w ann nun eigentlich die poli-

tische Entscheidung vollgültig zustandegekommen ist. Sobald man jedoch zur Einführung d y n a m i s ch e r Wirtschaftsordnungen schreitet, hat es mit einem solchen Rechtsveränderungsprozeß im Wege rein passiver gewohnheitsmäßiger Duldung des

Faktischen eine ganz andere Bewandtnis. Denn die Verfassung dynamischer Ordnungen knüpft überhaupt nicht an Z u st ä n d e an, sondern regelt B e w e g u n g s v o r g ä n g e, und zwar regelt sie

diese Vorgänge dadurch, daß sie ein V e r f a h r e n vorsieht, nach dem sich die Bewegung zu vollziehen hat. Jeder Zustand, der sich

im Verlaufe eines rechtlich geregelten Bewegungsprozesses herausbildet, wird daher von einer dynamischen Ordnung nur insoweit ge62

schützt, als er in seiner Eigenschaft als augenblickliche Phase des gewollten Bewegungsvorgangs einen Sinn hat. Niemals kann

er bloß deshalb, weil er nun einmal da ist, den Anspruch erwerben, dazubleiben, denn die Erlangung eines solchen Schutzes würde nicht mehr, wie dies bei der Geltung grundsätzlich statischer Ordnungen der Fall ist, im Einklang mit dem obersten politischen Prinzip der Wirtschaftsverfassung stehen, sondern eine D u r ch b r e ch u n g

d i es e r O r d n u n g bedeuten. Solche Durchbrechungen aber bedürfen, um in rechtliche Geltung erwachsen zu können, der b e w u ß tenAnerkennungim Wege einerpolitischen Entscheidung der Staatsgewalt. Es genügt nicht, daß der faktischen Daseinsliebe industrieller Gruppen etwa eine Rechtsprechung

zu Hilfe kommt, die den Sinn der Ordnung nicht versteht, oder daß eine öffentliche Meinung, die in statische Gedankengänge zurückfällt, Ansprüche solcher Art ein halbes Jahrhundert lang anzuerkennen

geneigt ist. Auch hier macht sich der te ch nis ch e Charakter moderner Wirtschaftsverfassungen wieder in hohem Grade bemerkbar. Es ist nämlich gar nicht möglich, in einer grundsätzlich dynamischen

Wirtschaft statischen Schutz einzelner Gewerbezweige in der Weise zu gewährleisten, daß man einfach zuläßt, daß diese Gewerbezweige

z. B. ihre Preise stabilisieren oder sonstige Abreden über die Handhabung der Erzeugung oder des Absatzes treffen. Durch solche

Maßnahmen wird lediglich der geordnete Ablauf des dynamischen Wirtschaftsgeschehens in dilettantischer Weise gestört, ohne daß der beabsichtigte Zweck erreicht wird. Ein solches Verfahren steht auf gleicher Stufe wie etwa Bedienungsfehler nachlässiger Mechaniker bei der Ingangsetzung oder Inganghaltung einer Präzisionsmaschine. Es kann daher auch niemals dadurch wirtschaftsverfassungsrechtlich legalisiert werden, daß die Aufsicht diese Bedienungsfehler aus Unverständnis durchgehen läßt und daß dieser Schleudrian schließlich zur festen Gewohnheit wird. Und zwar deshalb

nicht, weil solche Bedienungsfehler mit d e r K o n st r u k t i o n s idee des Ganzen in einem unvereinbaren Widerspr u ch steh e n. Nur der Gesetzgeber oder, im Rahmen der Ge-

setze, die oberste wirtschaftspolitische Staatsexekutive haben bei Geltung dynamischer Ordnungen das Recht, Verfassungsdurchbrechungen zu rechtlicher Geltung zu erheben, sei es in sinnvoller, sei es in sinnwidriger Durchführung. Allen übrigen Beteiligten aber, den 63

Wirtschaftenden sowohl wie der Rechtsprechung und den nachgeord-

neten staatlichen, gemeindlichen und berufsständischen Verwaltungsinstanzen ist im Rahmen einer dynamischen Ordnung eine rein d i e n e n d e F u n k t i o n zugewiesen; Handlungen, die die wirtschaftsverfassungsrechtliche Gesamtentscheidung in Mitleidenschaft ziehen, stehen ihnen nicht zu. Sie vermögen sich aus eigener Kraft aus dieser dienenden Funktion nicht zu erheben, jedenfalls nicht unter Zuhilfenahme des Elements der G e w o h n h e i t. Denn während bei der echten Gewohnheitsbildung contra legem der Zeitablauf eine Norm erzeugt, die materiell als gerecht empfunden werden

kan n und deshalb vom Rechtsbewußtsein der Volksgemeinschaft gebilligt wird, vermag bei technischen Verstößen gegen eine in sich vernünftige und einheitliche Konstruktions- und Verfahrensidee die Gewohnheit das Rechtsbewußtsein nicht umzubilden, sondern nur

einzuschläfern: In dem Augenblick, in dem der Verstoß als solcher technisch e r k a n n t wird, m u ß das gesunde Rechtsbewußtsein rebellieren, denn technische Funktionsstörungen sind im politisch-verfassungsrechtlichen Leben immer auch die Quelle unbehebbarer Ungerechtigkeiten. Der Sinn der geltenden Ordnung muß sich also jedesmal in dem Augenblick wieder herstellen, in dem eine gewohnheitsmäßig eingespielte Sinnwidrigkeit den Beteiligten zum Bew ußts ein kommt. Wir haben somit festzustellen, daß Gewohnheitsrechtsbildungen contra oder praeter legem, soweit sie einen

Verstoß gegen die oberste verfassungsrechtliche Ordnungsidee enthalten, nicht wohl denkbar sind, und zwar deshalb nicht, weil system-

widrige Gewohnheiten im Rahmen eines rechtlich geordneten dynamischen Lebensprozesses nicht die Fähigkeit besitzen, vom Rechts-

bewußtsein gebilligt zu werden. Dies gilt natürlich nicht für die Gewohnheitsrechtsbildung secun-

dum Iegem Diese Art der Gewohnheitsrechtsbildung ist nicht nur möglich, sondern man kann geradezu sagen: in je bedeutenderem Aus-

maße sie stattfindet, um so höher steht die wirtschaftsverfassungsrechtliche Kultur eines Volkes. 4. Wirtschaftsverfassung und tatsächlicher Zustand der Wirtschaft. Sobald bei irgendeiner politischen Gemeinschaft eine Wirtschaftsverfassung, sei es im allgemeinen, sei es im spezifisch modernen Sinn g i l t, da ist es unerläßlich, klar zu unterscheiden zwischen dem 64-

«Wirtschaftszustand, der t a t s ä ch lich b est e h t, und dem Wirtschaftszustand, der nach dem Willen der WirtschaftsverfassungbesiehensolL Die Bestimmung einer Wirtschaftsverfassung ist es, das Wirtschaftsgeschehen nach einem ihr vorschwebenden Bilde zu beeinflus-

sen. Sie hat ein I deal aufzurichten, und zwar wird sie dieses Ideal zweckmäßigerweise so wählen, daß es. sowohl sachlich vernünftig wie praktisch verwirklichbar ist. Wenn wir nun annehmen, daß die Wirtschaftsverfassung ihre Aufgabe, ein sachlich vernünftiges und praktisch erreichbares Ideal aufzustellen, aufs beste gelöst hat, wenn wir ferner annehmen, daß

die politische Führung mit Kraft und Geschick alle Mittel eingesetzt hat, um den Geboten der Wirtschaftsverfassung Gehorsam zu verschaffen, und daß endlich die Rechtsmoral und politische Disziplin in der betreffenden Volksgemeinschaft hoch stehen, so wird — selbst unter diesen glücklichen Vorbedingungen — der tatsächliche Zustand, wenn auch vielleicht nur um ein geringes, hinter dem gewollten Zustand zurückbleiben.

Der Abstand zwischen dem tatsächlichen und dem verfassungsentsprechenden Zustand kann aber auch sehr erheblich werden. Liegt dieser Fall vor, so ist man heute, namentlich in Wirtschaftskreisen,

geneigt, die Schuld einseitig bei der Wirtschaftsverfassung zu suchen und anzunehmen, daß das von der Rechtsordnung autoritär aufgerichtete Idealbild entweder wirtschaftspolitisch unvernünftig oder praktisch undurchführbar oder aber beides zugleich sei. Infolgedessen tritt man an den Staat mit der Forderung heran, d i e V e r -

fassung dem faktischen Zustand der Dinge anzup as s e n. Dieser faktische Zustand, so meint man, habe jedenfalls den Nachweis erbracht, realisierbar zu sein. Darüber, ob er auch eine wahre und vernünftige Ordnung zu gewährleisten vermöge,

zerbricht man sich nicht weiter den Kopf. Im Notfall sind jadann auch immer Gutachter zur Hand, die den Nachweis erbringen, daß

das Tatsächliche auch das Richtige ist. Mit unbefangener Naivität ergreift man also in dem Konflikt zwischen dem gebotenen und dem

faktischen Zustand die Partei des Faktischen und mutet dem Staate zu, im Wege einseitigen Nachgebens seine Ordnung dem faktischen Zustand anzunähern und auf diese ebenso reibungslose wie bequeme Vöhm

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Weise die gestörte Ubereinstimmung zwischen Sein und Sollen wiederherzustellen Diese überaus weitverbreitete Auffassung vom naturgegebenen Vorrang des Faktischen ist selbstverständlich falsch. Denn erstens

ist nicht gesagt, daß überall da, wo ein erheblicher Abstand zwischen Ordnung und tatsächlichem Geschehen besteht, nun auch erwiesen wäre, daß die Ordnung unvernünftig oder praktisch nicht realisierbar

ist. Es kann vielmehr trotzdem eine gute und praktische Ordnung vorhanden sein; aber vielleicht war die rechtstechnische Ausgestaltung zu primitiv oder die politische Führung hat es bei der Durchführung

an Tatkraft, Einsicht und Willensstärke fehlen lassen, oder die Rechtsprechung hat den Sinn des Systems nicht verstanden und entscheidende Normen falsch ausgelegt, oder die wirtschaftliche und rechtliche

Moral der Wirtschaftenden war nicht auf der Höhe. Ganz abgesehen von der Möglichkeit, daß die Schuld weder bei der Wirtschaftsordnung, noch bei ihrer Handhabung durch den Staat, noch bei den Wirtschaftenden liegt, sondern auf politische Ursachen (Krieg, Blockade, Zerfall der Staatsgewalt, Zersplitterung des politischen Willens, soziale Krisen) zurückzuführen ist. Aber auch darin, wenn es in einem gegebenen Fall feststeht, daß die Wirtschaftsordnung erhebliche Mängel aufweist, so ist damit, zweitens, noch keineswegs gesagt, daß nun ausgerechnet der faktische

Zustand, der sich im Widerspruch zu der mangelhaften Ordnung eingespielt hat, die q u a l it at i v e E i g n u n g besitzt, als organi-

sierende Gestaltung des Wirtschaftsprozesses anerkannt zu werden.

In diesem Zustand mag vielleicht manche gute privatwirtschaftliche Leistung zustandegebracht worden sein; ob sich aber das eigenmächtige Einspielen der privatwirtschaftlichen Kräfte zu einem vernünftigen v o l k s w i r t s ch a f t l i ch e n System ergänzt, das steht doch sehr dahin und bedarf in jedem Falle einer sorgfältigen Prüfung.

Und zwar einer Prüfung, die dem tatsächlichen Geschehen mit K r i tik gegenübertritt und ihre kritischen Maßstäbe a u s s ch l i e ß lich

einer auf das Ganze der Volkswirtschaft gerichten Ordnungsidee entnimmt. Bei dem Hinweis auf die Spannung, die zwischen Wirtschaftsverfassung und tatsächlichem Zustand des Wirtschaftsgeschehens bestehen kann, und bei der Schilderung der unrichtigen Einstellung zur rechtlichen Behandlung dieses Problems, wie sie sich in der 66

Offentlichkeit häufig findet, haben wir aus Gründen der besseren

Veranschaulichung zunächst einmal unterstellt, daß diese Spannung zwischen Sein und Sollen in der Diskussion tatsächlich erkannt worden ist, und daß der Fehler bloß darin bestanden hat, daß man dem Faktischen den Vorrang zubilligte und vom Staate verlangte, er

solle seine Ordnung dem tatsächlichen Zustand anpassen Diese Unterstellung steht nun aber mit den Tatsachen keineswegs in Einklang; wie haben vielmehr festzustellen, daß die Fehlmeinung, gegen die hier angekämpft werden muß, in Wirklichkeit weit irriger und verhängnisvoller ist.

Der wahre Sachverhalt liegt nämlich so, daß man eine Spannung zwischen den Geboten der Wirtschaftsverfassung und der tatsächlichen Entwicklung des Wirtschaftslebens vielfach überhaupt gar nicht mehr sieht. Dies ist allerdings nur bei der Auslegung der freien Wirtschaftsverfassung der Fall. Wo der Staat das Prinzip der freien Verkehrswirtschaft beseitigt und eine a u t o r i t ä r e M a r k t r e g e l u n g oder Marktkontrolle angeordnet hat, ist man sich natürlich über die Rechtswidrigkeit eines mit den gesetzlichen oder verwaltungsmäßigen Geboten in Widerspruch stehenden tatsächlichen Verhaltens der Wirtschaftenden im klaren Uberall da jedoch, wo das Recht der freien Marktwirtschaft gilt, ist man

geneigt, den tatsächlichen Zustand der Wirtschaft für den von der Verfassung gebilligten Zustand zu halten, und zwar deshalb, weil

man es geradezu für das Kennzeichen einer freien Wirtschaftsverfassung hält, daß sie auf wirtschaftsregelnde Normen ü b e r h a u pt v e r z i ch t e t und jedes denkbare Ergebnis des freien

Zusammenspiels als rechtlich gewünschtes Ergebnis anerkennt. Man verkennt freilich nicht, daß auch in einer freien Wirtschaft nicht alles erlaubt ist: offene Gewalt, Raub, Betrug, Erpressung, Verletzung des Eigentums und anderer geschützter Rechte darf nicht stattfinden, die gesetzlichen Bestimmungen über Sonntagsruhe, über die Echtheit von Nahrungsmitteln, über genehmigungspflichtige Anlagen, Wandergewerbeschein usw. müssen eingehalten, Verträge erfüllt und

im rechtsgeschäftlichen Verkehr die Gebote der guten Sitten beachtet werden. Aber dies alles gebietet nicht die Wirtschaftsordnung, sondern das allgemeine Recht und zwar aus Gesichtspunkten die

den Schutz des inneren Friedens, der Gesundheit, der Sittlichkeit und der sonstigen sozialen und individuellen Rechtsgüter bezwecken 67

Innerhalb dieser Grenzen aber herrscht, so glaubt man, volle Frei-

heit des wirtschaftlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Entschließung. Denn für die Ordnung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens aller freien Beteiligten sorge nicht das Recht, sondern eine Art von außerrechtlicher, natürlicher E i g e n g es e tz lich ke i t. Solange man noch im Banne naturrechtlicher Vorstellungen des 18. Jahrhunderts stand, glaubte man an eine prästabilierte Harmonie zwischen Selbstinteresse und Allgemeininteresse und war der Auffassung, daß die Natur in ihrer zweckvollen Weisheit, wenn man sie nur gewähren lasse, auch eine sehr komplizierte Volkswirtschaft weit besser und vollkommener regle, als dies Menschenwitz und bewußte Reglementierung seitens der Regierenden vermöge.

Im Lauf der modernen Entwicklung ist aber dieser Harmonie- und Naturglaube schon längst in den Hintergrund gedrängt worden von einer anderen Vorstellung, nämlich von dem Glauben an die Uberlegenheit der privatwirtschaftlichen Praxis über den doktrinären wirtschaftspolitischen Dilettantismus von Staatsbeamten, Politikern und Professoren Die ,,Wirtschaft« — davon ist man auch heute noch in den weitesten Kreisen felsenfest überzeugt — ist klüger als der grüne Tisch. Und darin eben erblickt man den Vorzug der freien Wirtschaftsordnung, daß sie dies erkannt und sich deshalb freigehalten habe von dem nutzlosen Bestreben, die Wirtschaft durch Aufstellung von Normen ordnen zu wollen Freie Verkehrswirtschaft bedeutet nach dieser Auffassung Freiheit der Wirtschaft vom Staat, ja noch mehr, Freiheit der Wirtschaft von wirtschaftslenkenden Rechtsgeboten und Rechtseinrichtungen überhaupt. Soweit man die freie Verkehrswirtschaft überhaupt als Rechtsverfassung der Wirtschaft erkennt und anerkennt, — eine solche Vorstellung ist freilich noch keineswegs geläufig —, ist man der Auffassung, daß sich ihr verfassungsrechtlicher Gebotsinhalt auf den Satz beschränkt: alles tatsächliche Wirtschaftsgeschehen, das sich im Rahmen der allgemeinen Gesetze und der guten

Sitten entfaltet,istverfassungsrechtlich in Ordnung. Die freie Konkurrenz z. B. ist für die Anhänger dieser Auffassung nicht etwa ein Rechtsprinzip, sondern lediglich einer unter

mehreren faktischen Marktzuständen; als solcher hat sie keinerlei

Vorrang vor anderen Marktzuständen. zu. beanspruchen, die sich 68

innerhalb der freien Privatwirtschaft durchzusetzen vermögen, sondern ist diesen anderen Marktzuständen völlig gleichgeordnet. In welchem Umfang Konkurrenz stattfindet, darüber entscheiden also nicht der Staatswille und die Wirtschaftsverfassung, sondern die privaten Marktbeteiligten Wie immer diese Entscheidung und der praktische Kampf zwischen den mehreren Marktzuständen ausfallen mag: das Ergebnis ist in jedem denkbaren Fall gedeckt durch die freie Wirtschaftsverfassung. Es ist praktisch, sich die Konsequenzen dieser Auffassung san einem bestimmten Beispiel zu veranschaulichen Man denke etwa an die P re i s b i l d u n g. Nach der landläufigen Auffassung ist es das Kennzeichen der freien Wirtschaftsordnung, daß sie die Preisbildung dem Markte überläßt, so daß also jeder denkbare Marktpreis verfassungsmäßig korrekt ist, der sich ohne Zutun einer Behörde gebildet hat. Ein solcher Preis ist jeder Kritik entzogen, denn er ist in Freiheit erzeugt. Nun vollzieht sich aber die Marktpreisbildung jeweils in ganz verschiedener Weise, je nachdem, ob sich beide Tauschseiten im Zustand freien Wettbewerbs befinden, oder ob ein Angebots- oder ein Nachfragemonopol vorliegt, wobei die monopolisierte Seite der anderen einseitig den Preis aufnötigt, oder ob beide Marktseiten monopolisiert sind, wobei dann (nach überstandener

Machtprobe) der Marktpreis im Verhandlungswege vereinbart wird, oder ob sich einige wenige Großunternehmen, von denen ein jedes einen sehr erheblichen Teil des Gesamtangebots in seiner Hand vereinigt, konkurrierend gegenüberstehen, wobei sie sich bald im

Kampf um die totale Monopolstellung gegenseitig durch Kampfpreise zu ruinieren trachten, bald im Interesse einer solidarischen

Monopolpolitik miteinander verständigen, oder ob sonst ein Fall der sog. ·,,beschränkten Konkurrenz« (Zwischenlage, Oligopol), sei es auf der Angebots-, sei es auf der Nachfrageseite, sei es

auf beiden Marktseiten, vorliegt. In all diesen Fällen bilden sich ganz verschiedene Preise und die wirtschaftliche Entwicklung nimmt infolgedessen jeweils einen ganz anderen Verlauf. Für die Gestaltung des gesamten volkswirtschaftlichen Geschehens macht es also

einen sehr großen Unterschied aus, ob alle Märkte wettbewerbsorganisiert sind oder ob dies immer nur bei einem Teil der Fall ist, während sich die übrigen entweder im Zustand der ein- oder zweiseitig beschränkten Konkurrenz, des ein: oder zweiseitigen Monopols 69

oder des Vernichtungskampfes zwischen monopolanstrebenden Großunternehmungen oder endlich des Schädigungskampfes zwischen

Kartellen und Außenseitern befinden Eine Wirtschaftsverfassung, die alle diese Preisbildungsprozesse duldet, die lediglich dafür sorgt, daß sich der Staat nicht einmische, überantwortet die Ordnung der Volkswirtschaft schlechthin dem Zufall. Es ist unmöglich, über die Richtung, die eine derart verfaßte Gesamtwirtschaft nehmen wird, irgend etwas auch nur annähernd Zutreffendes auszusagen Das Ergebnis eines solchen, auf jeden ordnenden, organisierenden

Einfluß verzichtenden laissez faire, laissez aller ist eine völlig unbekannte Größe. Das Motto, unter dem diese Sorte von Wirtschaftsfreiheit steht, läßt sich nur dahin formulieren: Was geschieht, weiß man nicht, aber das Dümmste ist das wahrscheinlichste. Bei einer solchen Auslegung des Prinzips der Wirtschaftsfreis heit besteht der hauptsächlichste Irrtum darin, daß man dem freien Unternehmer (oder Abnehmer) nicht nur privatwirtschaftlichen, sondern auch volkswirtschaftlichen Sachverstand andichtet. Diesen letzteren Sachverstand besitzt aber der einzelne Wirtschaftsbeteiligte niemals schon kraft seiner privatwirtschaftlichen Erfahrung und Vernunft, sondern, wenn überhaupt, dann immer nur kraft einer

gründlichen und allseitigen wirtschaftstheoretischen und politischen Schulung. Nach der Konstruktionsidee der richtig verstandenen freien Wirtschaftsverfassung kommt der privatwirtschaftliche Sachverstand des einzelnen Unternehmers der Gesamtwirtschast n u r unter der Voraussetzung zugute, daß sich der Markt, auf

dem der Unternehmer tätig ist, im Zustande der doppelseitigen Konkurrenz befindet und daß der Wettbewerb unter

Einhaltung

der

Spielregel

(Leistungs-

prinzip l) ausgetragen wird. Wo diese Voraussetzung fehlt, besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern ein sehr hoher Grad

von Wahrscheinlichkeit, daß der Unternehmer bei sachverständiger Wahrnehmung seiner privatwirtschaftlichen Interessen dem Wohl der Gesamtwirtschaft zuwiderhandelt. Eine Ubereinstimmung zwischen privatwirtschaftlichem und volkswirtschaftlichem Interesse kann dann nämlich nur in dem Fall vorliegen, daß die Machtstellung des Unternehmers (Abnehmers) auf dem Markte gerade so groß ist, um es ihm zu gestatten, den infolge gestörter 70

Konkurrenz gedrückten (oder übermäßig erhöhten) Preis auf dasjenige Niveau hinauszubringen (oder herabzuzwingen), das sich bei i d e a l e r K o n k u r r e n z einspielen würde. Niemand wird behaupten wollen, daß eine solche Konstellation etwas anderes sein kann als der b a re Z u f a l l, und niemand wird bestreiten können,

daß der Wahrscheinlichkeitsgrad, der zugunsten der Vermutung des Eintritts eines solchen Zufalls besteht, niemals erheblich über den Nullpunkt liegen kann. Wir haben es also bei jener ordnungsindifferenten Auffassung der Wirtschaftsfreiheit mit einer v e r h ä n g n i s v o l l e n V e r kennung des positiven Gebotsinhalts einer freien

Wirtschaftsverfassung zu tun. Die allgemein politischen und spezifisch wirtschaftspolitischen Schadenswirkungen dieses Irrtums sind für die Gegenwart deshalb besonders ernst zu nehmen, weil erstens die Rechtsprechung seit den 80er Jahren des

letzten Jahrhunderts sich dieser Fehlmeinung angeschlossen hat und inzwischen auch die G es e tz g e b u n g (insbesondere die Kartellverordnung mit ihrer Anerkennung der Zulässigkeit privater Kartellvereinbarungen) an einigen Punkten vor ihr zurückgewichen ist, und weil zweitens die heute geltende Gesamtwirt-

sch a f t s v e r f a s s u n g die freie Marktverfassung immer noch als einen verfassungsrechtlichen B e st a n d t e i l vorsieht. Daraus

ergibt sich für uns mit gebieterischer Notwendigkeit die Pflicht, den normativen Charakter der freien Marktverfassung in höchstmöglicher Reinheit wiederherzusst e l l e n und alles aufzubieten, um auch da, wo die Märkte frei sind, dem Kultus des Faktischen entgegenzutreten

und dem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Denken zum Sieg zu verhelfen Denn eine kombinierte Wirtschaftsverfassung ist auf den Ordnungscharakter e i n e s j e d e n ihr e r B e st a n d te i le angewiesen; auch die mittelbare Len-

kungsmethode (Wettbewerbsprinzip) muß in der Hand des Staates ein Präzisionsinstrument sein. Auf dem Untergrunde einer verwässerten, ihrer normativ ordnenden Kraft beraubten freien Wirtschaft läßt sich eine erfolgreiche staatliche Wirtschaftspolitik nicht aufbauen

Die Folgen jener geschilderten Fehlmeinung waren nun aber nicht nur volkswirtschaftlicher Art, sondern haben das politische 71

und rechtliche Denken einer ganzen Epoche in Mitleidenschaft gezogen. Es kann auf den Charakter einer Zeit nicht ohne nachteiligen Einfluß bleiben, wenn auf einem so wichtigen Gebiete des sozialen Gemeinschaftslebens dem nackten Tatsachenverlauf eine Verehrung gezollt wird, die praktisch auf eine Abdankung der Rechtsidee überhaupt hinausläuft. Zunächst waren es die Anhänger der freien

Wirtschaft, die sich nach Kräften bemühten, das System der wirtschaftlichen Freiheit von jeder sozialen, politischen und rechtlichen Hypothek zu befreien und mit dem Freiheitsgedanken den Ordnungsgedanken totzuschlagen Und später waren es die Gegner der freien Verkehrswirtschaft, die nichts Besseres zu tun wußten, als dafür zu sorgen, daß diese Wirtschaftsordnung auf ihre verfälschteste und verwässertste Bedeutung festgenagelt blieb. Die Wirkungen dieser Sinnentleerung sind auch heute noch nicht überwunden;

auch in unseren Tagen sind zahlreiche Volksgenossen geneigt, der freien Wettbewerbswirtschaft trotz ihrer verfassungsrechtlichen Geltung innerhalb breiter Bezirke der Gesamtwirtschaft jeden Ordnungscharakter abzusprechen Sie vermögen nur denjenigen Teil der heutigen Gesamtverfassung als Ordnung anzuerkennen, der die unmittelbare, befehlsmäßige Lenkung der Märkte durch Staat oder berufsständische Wirtschaftsverbände vorsieht, und halten ein schließlich die ganze Volkswirtschaft umgreifendes Vordringen der unmittelbaren Lenkungsmethode für die einzige Möglichkeit, den Ordnungsgedanken zu verwirklichen Daß diese Auffassung irrig ist, wie eine richtig verstandene Wettbewerbswirtschaft wirtschaftsverfassungsrechtlich aussieht und unter welchen Voraussetzungen die mittelbare Lenkungsmethode auch heute noch auf einer Reihe von. Märkten zum Erfolg zu führen vermag, wird in Teil II und III

dieses Abschnitts ausgeführt werden. 5. Wirtschaftsverfassung und Raturordnung. Fragen wir, wie es zu dieser rechts- und ordnungsindifferenten Geisteshaltung gegenüber allen Fragen der Volkswirtschaft hat« kommen können, so müssen wir uns noch einmal der Tatsache erinnern, daß die Ordnung der freien Verkehrswirt-

s ch aft die erste und einzige Wirtschaftsverfassung war, die einen solchen Zerfallsprozeß des Rechtsdenkens und Rechtsempfindens nach sich gezogen hat. Woran lag das? Wir haben gesehen, daß die 72

klassische Schule eine O r d n u n g der Wirtschaft anstrebte und die Fr e i h eit der Wirtschaft nicht um der Freiheit willen forderte, sondern deshalb, weil die Freiheit eine starke D e z e n t r a l i s a tion der wirtschaftlichen Initiative und einen hohen Grad von Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit ermöglicht. Und selbst trotz dieser Vorzüge würde sie die Freiheit nicht gefordert haben, wenn sie nicht geglaubt hätte, in den Einrichtungen des Tausches und des Wettbewerbs Behelfe entdeckt zu haben, denen man die Aufgabe, eine freie Wirtschaft zu o r d n e n, anvertrauen konnte.

Tatsächlich lag den Klassikern der Kultus des Faktischen, wie er sich in der Folgezeit ausgebildet hat, durchaus fern Trotzdem sind sie aber an dieser schädlichen Entwicklung nicht ganz unschuldig.

Und zwar deshalb nicht, weil sie in der von ihnen so scharf gesehenen Ordnung einer freien Tausch- und Wettbewerbswirtschaft nicht eine politische Rechtsverfassung, sondern, dem naturwissenschaftlichen Denken der Zeit entsprechend, eine N a tu r o r d nung erblickten Es waren nach ihrer Auffassung ps ycholo-

gische Zwangsläufigkeiten, normale, von der Natur im Menschen angelegte triebmäßige Reaktionen, die ein geordnetes wirtschaftliches Zusammenwirken freier Individuen ohne Zutun der Politik und des Gemeingeistes zustande brachten Der Staat hatte

diese Naturordnung lediglich durch n e g a t i v e M a ß n a h m e n in Lauf zu setzen, nämlich dadurch, daß er die bisherigen öffentlichen

Wirtschaftsverfassungen b es e i t i g t e und es sich selbst zum Prinzip machte, keine neue derartige Wirtschaftsverfassung einzuführen Daß an diesem bewußten Anknüpfen an psychologische Zusammenhänge positiv die Setzung einer neuen politischen R e ch t s v e r f a s s u n g lag, wurde von der klassischen Lehre

nicht gesehen Auch wenn einmal davon die Rede war, der Staat solle die »Naturordnung zur Staatsordnung« erheben, so lag es

dem Denken der damaligen Zeit doch sehr fern, aus einem solchen Gedanken die weitreichenden juristischen Folgerungen zu ziehen, die

das heutige rechtswissenschaftliche Denken aus dem Verfassungsbegriff ableitet. Die Vorstellung, daß es die Natur sei, die ohne Zuhilfenahme von Normen eine freie Wirtschaft technisch in Ordnung bringe, 73

hat zweifellos viel zur Verwirrung der Geister beigetragen, vor allem deshalb, weil sich bei den Klassikern mit der Verehrung der

Natur eine sehr weitgehende Skepsis gegenüber der Weisheit von Staatsmännern und politischen »Pläneschmieden« verband. Aber auch s a ch lich beruht die Auffassung, daß der Ablauf einer arbeitsteiligen Tausch- und Konkurrenzwirtschaft, so wie er sich den

Klassikern darstellte, ein Naturprozeß wäre, der ohne Zutun von Rechtsnormen und politischen Maßnahmen und Veranstaltungen zustandekommen könnte, auf einem großen Irrtum. Das unhistorische Denken des 18. Jahrhunderts verkannte völlig, welche langdauernden und verwickelten entwicklungsgeschichtlichen Perioden Völker durchlaufen müssen, bis auch nur ein primitiver regelmäßiger Tauschverkehr auf der Grundlage einer sehr bescheidenen Arbeitsteilung unter ihren Angehörigen möglich wird. Wie gefestigt muß hier das politische Gemeinschaftsband, wie entwickelt das Recht sein! Man denke ferner an die Ausbildung des Geldwesens, des Marktverkehrs, ganz zu geschweigen von dem politischen und rechtstechnischen Apparat, der eingesetzt werden muß, damit sich die Einrichtung der Wertpapiere, des Börsenhandels, des Bankwesens der modernen Verkehrsmöglichkeiten, der Versicherung, der Maß- und Gewichtseinheit, des Kreditverkehrs, der Justiz, des Zwangs- und Vollstreckungswesens usw. entfalten kann. Das alles erscheint »natürlich« allenfalls für denjenigen, der vom Rathause kommt und nachträglich den praktischen Sinn erkennt, den diese Erzeugnisse einer hochentwickelten politischen und rechtlichen Technik haben oder doch haben können. Jn Wirklichkeit aber steht der Anteil, den das Recht und der politische Wille in einer durch die Jahrhunderte sich hinziehenden Ausbildung an allen diesen Voraussetzungen einer

modernen Verkehrswirtschaft hat, so außerhalb allem Verhältnis zu dem Anteil, der den natürlich-psychologischen Reaktionen des einzelnen menschlichen Lebewesens zur Umwelt zukommt, daß man eine freie Wirtschaftsverfassung mit viel größerem Recht als das Musterbeispiel eines politisch-rechtlichen Kunstprodukts bezeichnen könnte.

Wohin man kommt, wenn man nach der Einführung eines so raffi-

nierten und geistvoll erdachten wirtschaftspolitischen Systems die Hände in den Schoß legt und den Dingen im Vertrauen auf die Weisheit der Natur freien Lauf läßt, haben wir erlebt. 74

II.Teil.

Die geltende Gesamtverfassung der deutschen Wirtschaft. 1. Uberblich Die heute geltende Gesamtverfassung der deutschen Volkswirtschaft ist eine kombinierte Verfassung. Sie bedient sich nämlich zum Behuf der Ordnung des wirtschaftlichen Zusammenwirkens aller Beteiligten zw e i e r Marktsteuerungsmethoden, näm-

lich des Wettbewerbs und des autoritären Befehls. Die Besonderheit der kombinierten Verfassung besteht allerdings nicht darin, daß sie neben dem Wettbewerb noch die Möglichkeit des unmittelbaren Staatseingriffs vorsieht, denn auf diese Möglichkeit kann selbst das System der radikalsten Gewerbefreiheit nicht verzichten Während aber eine freie Wirtschaftsordnung den Einsatz der unmittelbaren Methode e r s ch w e r t , indem sie für jeden konkreten Fall ihres Einsatzes die feierliche Form eines G e s e tz e s vorschreibt, stellt die zusammengesetzte Verfassung des

heutigen Rechts beide Steuerungsmethoden in der Weise zur Wahl, daß die Führung der staatlichen Wirtschaftspolitik das Recht hat, im Wege einfacher Verwaltungsanordnung jeden beliebigen Markt unmittelbar befehlsmäßig zu lenken, sobald sie es

sachlich für geboten hält. Die Einheit des Gesamtsystems ist formal dadurch gewährleistet, daß es d er S t a at ist, der darüber entscheidet, welche

von beiden Methoden auf jedem einzelnen Markt einzusetzen ist. M aterie ll kann die Einheit allerdings nur in der Weise ver-

wirklicht werden, daß der Staat bei der Durchführung seiner Wirtschaftspolitik eine einheitliche Linie verfolgt. Solange er sich daher der Methode der mittelbaren Lenkung durch Wettbewerb in erheblichem Ausmaß bedient, muß er zum Behuf der Wahrung

der Einheit die Handhabung der anderen, unmittelbaren Methode (Staatsbefehl) auf die Bewegung der freien Märkte a b st i m m e n. Tut er dies nicht, so bringt er die Gesamtwirtschaft in Unordnung. Das gleiche ist der Fall, wenn der Wettbewerb da, wo er eingesetzt ist, nicht funktioniert. Unbedeutende Jnkongruenzen mögen hin-

gehen und sind nie ganz zu vermeiden Dagegen ziehen erheblichere Ordnungsstörungen, mögen sie nun von den freien oder von den 75

staatlich gesteuerten Märkten ausgehen, unweigerlich die Ordnung des Gesamtprozesses in Mitleidenschaft. Und zwar in einer nicht mehr übersehbaren Weise. Die Weiterbildung einer modernen Wirtschaft erfordert daher eine immer größere Präzision

desOrdnungsmechanismus:jemehrsich die Steuerungstechnik vervollkommnet, desto verhängnisvoller wirken sich selbst relativ geringfügige Bedienungsfehler aus. Diese Tatsache, d. h. die Tatsache, daß das Funktionieren einer hochentwickelten Wirtschaftsverfassung von der Geschlossenheit und Durchsichtigkeit ihrer technischen Ordnung abhängt, zwingt den Staat dazu, alle Macht und Autorität, die ganze Kraft des politischen Willens im Dienste

d e r K l a r h e i t s i d e e einzusetzen: Der Sinn des Ganzen muß bis in die entlegensten Teilregelungen hinein mit kristallklarer Durchsichtigkeit zutagetreten; denn jede Trübung schafft Schattenstellen und Schlupfwinkel. Solange die Ordnung getrübt ist, hilft deshalb auch kein Exempelstatuieren in Einzelfällen; eine Wirtschaftspolitik, die sich das Ziel setzt, der Entartungen des wirtschaftlichen Egoismus Herr zu werden, muß ihren Kampf in erster Linien gegen alle Entwicklungstendenzen und alle literarischen Bestrebungen führen, die geeignet sind, Verwirrung zu stiften und die Orientierung des einzelnen

zu erschweren Das Mittel der Aufklärung, der Erziehung, der Unterrichtung wird aus diesem Grunde ein immer wichtigeres Instrument in der Hand der staatlichen Wirtschaftsführung Nur auf diese Weise kann den störenden Einflüssen, die von verworrenen Wirtschaftsideologien und von den literarischen Arbeiten der im

Dienst von Gruppeninteressen stehenden Vernebelungstaktiker ausgehen, erfolgreich entgegengewirkt werden.

Der kombinierte Charakter der geltenden Wirtschaftsverfassung erschöpft sich indessen noch nicht in diesem Dualismus der Markt-

steuerungsmethoden Die Gesamtordnung ist vielmehr auch noch in dem Sinne eine zusammengesetzte Ordnung, als die Gesamtwirtschaft verfassungsrechtlich in d r ei g r o ß e T e i l b e z i r k e zer-

legt ist, von denen ein jederseine eigene Teilverfassung erhalten hat. Die drei Bezirke sind: E r n ä h r u n g s w i r t s ch a f t, Arbeitswirtschaft und gewerbliche Wirtschaft. Ein weiterer, wenn auch vergleichsweise kleiner Teil der Gesamtwirtschaft ragt überdies noch in einen vierten Verfassungsbezirk, nämlich in denjenigen der K u l t u r v e r f as s u n g (Neichskultur76

kammer) hinein und untersteht insoweit wiederum einem besonderen Recht. Wir können ihn hier beiseite lassen, obwohl er bei einer gründlichen Darstellung der Gesamtwirtschaftsverfassung nicht übergangen werden dürfte. Die Teilverfassungen ihrerseits unterscheiden sich untereinander einmal insofern, als bei jeder von ihnen die beiden Steuerungsmethoden (Wettbewerb und Staatslenkung) in einem anderen Mi-

schungsverhältnis miteinander kombiniert sind: in der Ernährungsund Arbeitswirtschaft z. B. ist der Wettbewerb sehr weitgehend zurückgedrängt Die Teilordnungen tragen in dieser Beziehung den besonderen marktmäßigen Bedingungen Rechnung, unter denen sich der Wirtschaftsverkehr der von ihnen beherrschten Bezirke abspielt. Der entscheidende Unterschied liegt aber nicht hier, sondern besteht darin, daß im Bereich der Ernährungswirtschaft und des Arbeitslebens jeweils noch eine zusätzliche politische Aufga b e von größter Tragweite zu lösen ist. Und zwar im Bereich der Landwirtschaft der Schutz und die Pflege des Baue r n t u m s; zu diesem Behufe enthält die Ernährungsverfassung im Rahmen ihres im übrigen dynamischen Charakters ein stati-

s ch e s E l e m e n t. Im Bereich der Arbeitswirtschaft aber ist die Uberwindung der Klassenspaltung und des marktmäßigen Interessengegensatzes zu leisten; deshalb tritt hier neben die Pflicht zur lauteren Betätigung im Wettbewerb und zum Gehorsam gegenüber dem lohnregelnden Staatsbefehl als eine zusätzliche Rechtspflicht die soziale Ehrenpflicht. Wer den korrekten Marktlohn oder den vorgeschriebenen Tariflohn zahlt und die übrigen arbeitsrechtlichen Vorschriften gewissenhaft befolgt, hat im Bereich der Arbeitswirtschaft seine Pflicht gegenüber der Volksgemeinschaft noch keineswegs erfüllt. Er muß vielmehr in den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit n o ch ein ü brig e s

tu n und zwar fr e i w i l l i g. Es wird ihm zugemutet, daß er sich die Beschaffenheit und Art seiner Mehrleistung und die Mittel zu ihrer Verwirklichung s e l b st a u s d e n k t. Auch diese drei Teilverfassungen müssen sich untereinander zu einer

höheren, sinnvollen Einheit, zur G e s a m t w i r t s ch a f t s v e r fass u n g ergänzen Die Möglichkeit, daß sich die Teilordnungen auseinanderleben, liegt hier deshalb näher, weil im normalen Be-

hördenaufbau (— vom Ausnahmerecht des Vierjahresplans sei hier 77

zunächst einmal abgesehen —) eine politische Sonderinstanz, der die

Führung der Gesamtwirtschaftspolitik des Reichs ressortmäßig übertragen wäre, nicht vorgesehen ist. Die Führung

der Ernährungswirtschaft steht dem Reichsernährungsminister, die Führung der Arbeitswirtschaft dem Reichsarbeitsminister zu. In die Führung der gewerblichen Wirtschaft teilen sich der Reichs-

wirtschaftsminister, das Auswärtige Amt (Abschluß von Handelsverträgen), der Propagandaminister (Kulturgewerbe und Wirtschaftswerbung), Verkehrs-, Post- und Luftfahrtministerium (Binnenschiffahrtss und Luftverkehr) sowie die Beschaffungsämter der zivilen und militärischen Ressorts. Eine das Ganze der nationalen Wirtschaft umspannende wirtschaftslenkende Tätigkeit ist ferner der Re ich s b a nk (Währungs- und Kreditpolitik) und dem R e ich sfin a n z m i n ist e r (Finanzpolitik) vorbehalten Es ist die Aufgabe der obersten Reichsführung selbst, die sachliche Ubereinstimmung der Maßnahmen dieser vielen Staatsressorts herzustellen Nun leuchtet ein, daß die Durchführung einer solchen Oberaufsicht, wenn sie bis in die wichtigen Einzelheiten hinein wirk-

sam sein sollten, wiederum einen eigenen Behördenstab im Rahmen der Reichskanzlei erforderte. Solange eine solche Organisation noch nicht aufgebaut ist, wird sich die oberste Reichsführung darauf beschränken, allgemeine Richtlinien aufzustellen und in Fällen akuter Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Instanzen autoritär zu entscheiden Im übrigen muß die Einheit der Gesamtwirtschaftspolitik dadurch gesichert werden, daß die einzelnen Ressorts unmittelbar enge Fühlung miteinander halten. Das wichtigste aber ist, daß sich mit der Zeit immer konkretere sachliche L e its ä tz e ausbilden, die für a l l e beteiligten Stellen verbindlich sind. Denn der Gesichtspunkt der Einheit ist für die politische Steuerung einer modernen Wirtschaft von ganz überragender Be-

deutung, die überhaupt nicht überschätzt werden kann. Dies gilt auch für den Anteil, den das Iustizministerium bei der Vorbereitung wirtschaftlich wichtiger Gesetze (Aktienreforml Patentrechtl Schiedsgerichts- und Konkurswesenl) und die R e ch ts p r echung bei der Auslegung des geltenden Wirtschaftsverfassungss rechts (Fragen der privaten Marktbindungen, Wettbewerbsrecht,

Formularbedingungen, Verwirkung, Umgehung der Pfandkechtgbestimmungen durch Sicherungsübereignung und Sicherungszession, 78

Mißbrauch der Gesellschaftsformen im Konzern- und Verschachtelungswesen usw.) an der Handhabung, Ausgestaltung und Fortbildung der Wirtschaftsverfassung nimmt. Für den Fortgang unserer Untersuchungen ist es angebracht, zu-

nächst im Wege der summarischen Beschreibung der drei großen Teilverfassungen (Ernährungswirtschaft, Arbeitswirtschaft, gewerbliche Wirtschaft) einen allgemeinen U b e r b l i ck ü b e r d i e G e samtwirtschaftsverfassung zu vermitteln An diesen

Uberblick wird sich sodann eine Spezialuntersuchung über die rechtliche Struktur der Teilverfassung der gewerblichen Wirtschaft anschließen 2. Die drei Teilverfassungen der Wirtschaftsordnung a) Die Ernährungswirtschaft. Die Ernährungswirtschaft ist eine im großen und ganzen zentral gesteuerte Wirtschaft. Sie eignet sich für diese Form der Ordnung, weil bei ihr ein im hohen Grade konstanter Bedarf

einer betrieblichen Eigenart des Produktionsapparats gegenübersteht, die von Natur aus nur beschränkt beweglich ist. Diese, in

der sachlichen Struktur des Wirtschaftsgebiets begründete abgeschwächte Dynamik bedarf des Schutzes gegen die nervösen Pendel-

ausschläge eines freien, ausschließlich wettbewerbsorientierten Marktverkehrs. Ein solcher Schutz kann aber nur durch den regulierenden Eingriff der wirtschaftspolitischen Leitung in die Marktfreiheit gewährleistet werden. Der Gedanke der zentralen Lenkung ist aber organisatorisch nicht streng durchgeführt; vielmehr bedient sich das Reichsernährungsministerium in hohem Grade der Unterstützung durch relativ selb-

ständig gestellte Selbstverwaltungsverbände. Die Methoden der freien Verkehrswirtschaft sind weitgehend ausgeschaltet worden und werden, wo ihnen zur Zeit noch ein gewisser Spielraum eingeräumt

ist, methodisch durch das Prinzip einer politisch gesteuerten Marktordnung ersetzt. Dieses durchaus auf den Produktivitätsgedanken ausgerichtete Gesamtsystem, bei dem die Beweglichkeit und die Anpassung an die jeweils wechselnden Aufgaben durch wirtschaftspolitische Autoritätsakte gewährleistet werden, weist aber daneben noch einen stati79

s ch e n Bestandteil auf. Ein bestimmter Betriebstypus, nämlich die bäuerliche Hofwirtschaft, wird aus a u ß e r w i r t s ch aft lich e n Gründen in seinem Bestand und in seiner strukturellen Eigentümlichkeit gegen jede Bedrohung seiner Existenz von der Volksgemeinschaft —- selbst unter Opfern — geschützt. Wenn sich z. B. herausstellen sollte, daß andere Unternehmungsformen, z. B. Großgüter oder Großfarmereibetriebe (Jmport aus Ubersee), die Versorgung der Nation mit Lebensmitteln besser zu bewerkstelligen vermögen als die Erbhöfe, so wird der Allgemeinheit trotzdem das Opfer zugemutet, sich mit den Leistungen der bäuerlichen Hofwirtschaft zu

begnügen Der außerwirtschaftliche Grund dieses Schutzsystems ist der, daß der Bauernhof außer seiner wirtschaftlichen Funktion noch andere Aufgaben für die Volksgemeinschaft zu erfüllen hat. Vor allem die Aufgabe, einen unter günstigen gesundheitlichen und moralischen Bedingungen aufwachsenden Menschenschlag heranzubilden, erbgefunden Nachwuchs zu sichern und Lebensformen zu bewahren, die den Menschen mit seinem Heimatboden verwachsen lassen und geeignet sind, eine charaktervolle, auf Treue, Arbeitsamkeit, Familiensinn und nachbarlichsgenossenschaftlichen Gemeinschaftsgeist gegründete Einstellung zum Leben zu befördern b) Arbeitswirtschaft. Die Arb eits wirts ch aft untersteht in ihrem ganzen Umfang dem dynamischen Prinzip. Förderung der nationalen Produktivität ist der leitende Grundsatz. Zu diesem Behufe ist eine Ordnung geschaffen worden, die im Vergleich zu der Arbeitsverfassung der Nachkriegszeit einen wesentlichen höheren Grad von Elastizität und Anpassungskraft aufweist. Zur Erreichung dieser Beweglichkeit sind zwei Ordnungsmethoden vorgesehen: die freie Lohnbildung und die staatliche Festsetzung von Löhnen und Arbeitsbedingungen Nach der Anlage des Gesetzes zum Schutz der nationalen Arbeit ist das freie Einspielen der Löhne die Regel (Lohnfestsetzung in Einzelarbeitsvertrag oder in der Betriebsordnung) und die staatliche Manipulation die Ausnahme. Die radi-

kale und sofortige Durchführung dieser Auflockerungsabsicht würde indessen zu wirtschaftlich und sozial unerträglichen Folgen geführt

haben Es sind infolgedessen die in den bei der Einführung des Gesetzes geltenden Tarifverträgen vereinbarten Löhne fast durch80

weg durch entsprechende Tarifordnungen bestätigt worden, so daß die staatliche Festsetzung des Lohnniveaus zur Zeit die Regel ist,

und zwar eine von Ausnahmen so gut wie überhaupt nicht durchbrochene Regel. Das Dilemma, vor das sich der Verfassungsgesetzgeber hier gestellt sieht, besteht darin, daß zwar im Interesse einer produktiven

Volkswirtschaft ein elastisches Lohnniveau geboten ist, daß es aber schwierig ist, den freien Wettbewerb auf beiden Seiten mit gleicher Kraft in Wirksamkeit zu setzen Denn die Arbeiter befinden sich auch bei voller Freizügigkeit in einer nachteiligen Lage; sie selbst sind dem Wettbewerb in viel schärferem Grade ausgesetzt als die Unternehmer (Nachfrageseite). Es ist dies eine Folge der Tatsache, daß sehr oft schon der einzelne Unternehmer ein örtliches Nachfragemonopol besitzt, daß ferner die Unternehmerseite zahlenmäßig viel schwächer besetzt ist, so daß eine gewisse Verständigung über solidarisches Marktverhalten auch ohne Organisation relativ leicht herbeigeführt werden kann, daß ferner die Unternehmer kraft ihres vermögensmäßigen Vorsprungs leichter ,,warten« können als die vermögenslosen isolierten Arbeiter, was bei Verhandlungen über Entgelte immer einen Vorsprung sichert, und daß endlich die Arbeiter trotz rechtlicher Frei-

zügigkeit (—— wiederum infolge ihrer Vermögenslosigkeit —) weitgehend an ihren Wohnbezirk gebunden und daher schwer beweglich sind. Trotz aller technischen Verbesserungen der Arbeitsvermittlung

und Verkehrseinrichtungen (Fahrräderl) ist es bisher nicht gelungen, die Vorbedingungen für ein einigermaßen ausreichendes Marktgleich-

gewicht zu schaffen Das freie Wirtschaftssystem kann aber nur funktionieren, wenn diese Vorbedingungen gegeben sind. Fehlen sie, so hat die ein e Marktseite ein monopolistisches Ubergewicht und ist

in der Lage, dem anderen Teil ihre Bedingungen zu diktieren In der Vergangenheit hat man versucht, diesem Ubelstande dadurch abzuhelfen, daß man beide Marktfronten verbandsmäßig monopolisierte. DerLohnmußteimWege

von Verhandlungen zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft ausgehandelt werden. Dieses System hatte zur Folge, daß die Löhne erstarrten und daß das zufällige Machtverhältnis, nicht aber wirt-

schaftliche Vernunft und Rücksicht auf die höchstmögliche Produktivität der Volkswirtschaft das tatsächliche Lohnniveau von Fall zu Fall bestimmte. Hatte die Ara des Laissez faire das LohnBuhm

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niveau zum einseitigen Nachteil der Arbeiter heruntergedrückt,

so zeigtigte das System des kollektiven Arbeitsrechts vielfach umgekehrt, insbesondere in Zeiten absinkender Konjunktur, eine Uberhöhung der Löhne. Die Folgen hatte wiederum die Arbeiterschaft, diesmal in Gestalt von Massenarbeitslosigkeit zu tragen, die zu einer Dauererscheinung wurde und selbst in Zeiten guterKonjunktur nicht mehr völlig verschwand 10). Noch viel verhängnisvoller als die wirtschaftlichen waren die politischen Folgen des kollektiven Systems. War die Klassenspaltung zur Zeit des Laissez faire durch Ausbreitung der unternehmerischen Marktüberlegenheit fa k t i s ch heraufbeschworen worden, so wurde sie nunmehr auch noch r e ch t l i ch legalisiert. Das

tauschwirtschaftlich entgegengesetzte Marktinteresse beider Fronten wurde zum Organisationsprinzip erhoben; jede Tarifverhandlung steigerte die gegenseitige Erbitterung Im besten Falle verbündeten sich beide Parteien gegen einen Dritten, nämlich gegen die Abnehmer des betreffenden Gewerbeerzeugnisses: Die Unternehmer

schlossen sich zu einem Kartell zusammen, erhöhten die Preise und ließen die Arbeiter in Form erhöhter Löhne am Monopolgewinn teilnehmen Die Folgen hatten Unternehmer und Arbeiter anderer

Produktionszweige zu tragen Die heutige Ordnung überträgt die Lohnfestsetzung, soweit sie in freier Weise nicht befriedigend zustande kommt, einer st a at l i ch e n I n st a n z, dem Treuhänder der Arbeit. Der Treuhänder hat hier-

bei einen gerechten Ausgleich anzustreben und vor allem die Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft ins Auge zu fassen Neben dieser Regelung der m arktp olitisch e n Seite der Arbeitswirtschaft sieht aber das Gesetz zum Schutz der nationalen Arbeit auch noch eine völlig neuartige Lösung des s o z i alp olitis ch en Pro blem s vor. In den Grundzügen stellt sie sich folgendermaßen dar: Arbeiter und Unternehmer werden in jedem Einzelbetrieb zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßt, und

zwar dergestalt, daß der Unternehmer mit der verantwortlichen und 10) Jn einer dynamischen, arbeitsteiligen Wirtschaft ist schon aus technischen Gründen das Vorhandensein eines gewissen Prozentsatzes an sich einsatzs fähiger Arbeitsloser (vorübergehend Arbeitsloser) nicht zu vermeiden Jm Falle der Lohnerstarrung und Lohnüberhöhung steigt aber dieser Prozentsatz über das unvermeidliche Mindestmaß.

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autoritären Führung des Betriebs betraut ist. Seine Arbeiter bilden die Gefolgschaft Beide Träger der Betriebsgemeinschaft sind verbunden durch die g e m e i n s a m e A u f g a b e, das Unterneh-

men zum Nutzen der Volkswirtschaft auf die höchste Höhe produktiver Leistungsfähigkeit zu bringen. Die Wege, auf denen das zu

geschehen hat, bestimmen sich nicht nach der Arbeitsverfassung, sondern nach der Verfassung der gewerblichen Wirtschaft bzw. der Ernährungswirtschaft.

Bei dieser Zusammenarbeit ist der Führer des Betriebs der Gefolgschaft zur Fürs o r g e, die Gefolgschaft dem Führer des Betriebs zur Treue verpflichtet. Die gegenseitige Treupflicht ist zum Gebot der sozialen Ehre erhoben Die soziale Ehrenpflicht erfordert von den Beteiligten eine ganz bestimmte innere Einstellung zu den Aufgaben, denen das Unternehmen in der Volkswirtschaft zu dienen hat, und zu dem Sinn des gegenseitigen Verhältnisses Und zwar eine Einstellung, die es als ihr Ziel auf-

faßt, den Geist der Klassenspaltung und des tauschwirtschaftlichen Interessengegensatzes durch Solidarität und Hingabe an die gemeinsame Aufgabe zu überwinden und eine neue Kultur der sozialen Beziehungen heraufzuführen Das bedeutet, daß auf beiden Seiten positive Bemühungen aufgewendet werden müssen, um aus einer

betrieblichen Organisation eine echte politische und soziale Gemeinschaft zu machen, und daß zu diesem Behufe von beiden Seiten Opfer an realisierbaren Augenblicksinteress e n gebracht werden müssen Die Aufforderung, aus freien Stücken im Dienste einer großen politischen Idee Opfer u. a. auch an Rentabilitätsinteressen zu bringen, richtet sich vor allem an erfolg r e ich e Unternehmer, d. h. an solche, die infolge Wettbewerbsvorsprungs vor dem Grenzunternehmer eine D i ff e r e n z i a lr e n t e

erzielen Während also in den freien Bezirken der Wirtschaft die Einrichtung des W e t t b e w e r b s (und in den vom Staat gelenkten Bezirken der St a a t s b e f e h l) für die Ausrichtung des privatwirtschaftlichen Verhaltens auf das Gemeinwohl sorgen und der einzelne Unternehmer im übrigen, d. h. innerhalb des durch den

Wettbewerb gezogenen Rahmens, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, für die Steigerung der privatwirtschaftlichen Rentabilität seines Unternehmens bemüht zu sein, sieht die Ordnung der Arbeit eine freiwillige, selbstbestimmte, von der Rücksicht auf den 83

individuellen Vorteil und der Unterwerfung unter konkrete Anordnungen losgelöste, unmittelbar sozial orientierte Teilnahme der Unternehmer am Zustandebringen des Gemeinschaftserfolges (Steigerung der nationalen Arbeitskraft und Arbeitsfreude, Pflege der Betriebsgemeinschaft) vor. Die Ubersehbarkeit der in einem Betrieb vereinigten Arbeitsgemeinschaft schafft für diese Art selbstverwaltungsmäßiger, genossenschaftlicher Mitwirkung an der Verwirklichung einer großen nationalen Aufgabe die günstigsten objektiven

Voraussetzungen Die Bedeutung dieses Lösungsversuchs der sozialen Frage und des Grundgedankens der sozialen Ehrenpflicht braucht wohl nicht besonders betont zu werden. Es leuchtet ein, daß der Erfolg, der dieser Idee durch freiwillige Anspannung aller Kräfte von seiten der Wirtschaft errungen wird, einen Prüfstein bildet für die politische und soziale Tauglichkeit der geltenden Gesamtwirtschaftsverfassung und ihrer Sorge für die Erhaltung eines freien, selbstverantwortlichen Unternehmertums c) Die gewerbliche Wirtschaft. Die gewerbliche Wirtschaft ist der einzige Teilbereich der Gesamtwirtschaft, der im nationalsozialistischen Staat keiner umfassenden verfassungsrechtlichen Neuordnung unterzogen worden ist. Zwar hat die gewerbliche Wirtschaft durch das Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft vom 27. 2. 1934 und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Durchführungsverordnungen eine berufsständische Gliederung erhalten Aber diese Gesetzgebung hat nichts an den bestehenden marktordnenden Normen

geändert. Es ist den Verbändsen sogar jede Einflußnahme auf die Marktgestaltung untersagt. Die berufsständischen Organisationen der Wirtschaft haben sich den Ordnungsgrundsätzen der Wirtschaftsverfassung unterzuordnen; sie sind Diener, nicht Träger der Wirtschaftsordnung Das Recht der Marktgestaltung selbst knüpft im wesentlichen an die schon vorgebildeten Ordnungsbehelfe an: Der Wettbewerb ist beibehalten, daneben aber gilt auch das Prinzip der staatlichen Marktkontrolle, wie es in der Kartellverordnung und der Kartellnotverordnung zur Verfügung gestellt worden war. Die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Hauptgesetze (Gewerbeordnung, Wettbewerbs84

gesetz, des Tausch-, Gesellschafts- und Sachenrecht des BGB. und HGB., ferner KartellVO. und KartellNotVO.) bleiben weiterhin in Kraft. Die neuen Gesetze bilden dieses Marktrecht fort. Und zwar setzt die nationalsozialistische Gesetzgebung den Hebel gleichzeitig in

beiden Richtungen an: Auf der einen Seite ist die Lockerungsmethode des Wettbewerbs weiter ausgebildet und ausgestaltet worden, so durch das Gesetz über Wirtschaftswerbung vom 12. 9. 1933 und die Verordnung des Preiskommissars über Wettbewerb vom 21. 12. 1934. Und was auf der andern Seite die Methode der unmittelbar staatlichen Marktkontrolle betrifft, so wurde nicht nur

ihr Anwendungsgebiet ganz entscheidend erweitert, sondern sie wurde zur Methode der aktiven staatlichen Marktsteuerung ausgebaut, und zwar vor allem durch das Gesetz zur Änderung der Kartellverordnung vom 15. Juli 1933 und das Zwangskartellgesetz

vom gleichen Tage. Für den fernerstehenden Betrachter scheint es sich bei dieser neuesten Rechtsentwicklung lediglich um eine gesetzliche Ausfeilungsund Fortbildungsarbeit von vornehmlich technischem Charakter zu

handeln Dieser Eindruck ist indessen nicht ganz zutreffend. Und zwar deshalb nicht, weil einem der neuerdings erlassenen Gesetze,

nämlich dem Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 19. 7. 1933 eine den Rahmen der bloßen Weiterbildung sprengende Bedeutung zu-

k o m m t. Durch dieses Gesetz nämlich ist die bis· dahin geltende Wirtschaftsverfassung in ihrem Gesamtsystem a b g e ä n d e rt wor-

den. Während nach altem Recht die Befugnis des Staates, im V e r w a l t u n g s w e g e in die privatwirtschaftliche Freiheit einzugreifen, von dem Vorhandensein kartellmäßiger B in d u n g e n abhängig gemacht war und auch in diesem Falle

nur Platz griff, wenn das Marktverhalten der privaten Marktregelungsverbände die Gesamtwirtschaft oder das Gemein-

w o h l g e f ä h r d et e n, im übrigen aber jeder Eingriff in freie Märkte eines b es o n d e r e n G es e tz e s bedurfte, hat das Zwangs-

kartellgesetz die generelle Ermächtigung der politischen Führung zu verwaltungsmäßigen markt-

stauenden Autoritätsakten erteilt und die Inanspruchnahme der dort vorgesehenen Eingriffsbefugnisse in d a s fr e i e wirtschaftspolitischeErmessen derzuständigen Staats85

ressorts gestellt. Erst dieses Gesetz hat also den im alten Verfassungsrecht bloß andeutungsweise vorgebildeten G e d a n k e n e i n e r kombinierten Wirtschaftsverfassung verwirklicht und das Recht der freien Verkehrswirtschaft, d. h. des Prinzips der mittelbaren Marktlenkung durch Wettbewerb aus seiner die Gesamt-

verfassung beherrschenden Stellung verdrängt. Heute ist das Recht der freien Verkehrswirtschaft zu einem b l o ß e n V e r f a s s u n g sbestandteil herabgedrückt und die Gleichberechtigung der unmittelbar vom Staate betätigten autoritären Marktsteuerungsmethode verfassungsgesetzlich festgelegt worden. Beide Methoden

stehen nunmehr der staatlichen Wirtschaftspolitik n a ch freier Wahl zur Verfügung; die zuständigen Ressorts, d. h. auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft der R e i ch s w i r t s ch a f t s m i n i st e r (RWiM.) kann nach Belieben das eine oder das andere einsetzen Technisch erfolgt der E i n s a tz d e r u n m i t t e l baren Marktsteuerungsmethode in der Weise, daß der RWiM. von seiner in der Kartellverordnung oder dem Zwangskartellgesetz vorgesehenen Befugnis durch Erlaß einer konkreten marktregelnden Anordnung Gebrauch macht, während d i e m i t t e lbare Methode dadurch in Kraft gesetzt wird, daß der RWiM. entweder einen bislang freien Markt im Wege der N i ch t inanspruchnahme seiner unmittelbaren Lenkungsbefugnisse fr e iläßt oder aber einen bislang staatlich oder privatim gebundenen Markt durch Außerkraftsetzung seiner marktregelnden Anordnungen oder durch Nichterneuerung zeitlich befristeter Anordnungen oder endlich durch Auflösung von privaten Kartellen w i e d er in den Zustand der Wettbewerbsfreiheit überführt. In der öffentlichen Meinung freilich hat diese Verfassungsänderung nicht annähernd einen so starken politischen Eindruck her-· vorgerufen wie etwa die Neuordnung der Ernährungswirtschaft oder der nationalen Arbeit. Es bestand denn auch in der Tat ein Unterschied. Zunächst in der äußeren Form: Die Neuordnung der Ernährungswirtschaft und des Arbeitsrechts ist in Gesetzen geschaffen worden, die für jeden erkennbar das Ganze des betreffenden Teil-

gebietes der Gesamtwirtschafts- und Sozialverfassung umspannen und den Charakter der politisch-richtungsweisenden Gesamtentscheis dung offen zur Schau tragen Die Abänderung der gewerblichen Wirtschaftsordnung dagegen ergibt sich lediglich als die vielleicht 86

vom Staat nicht einmal klar erkannte wirtschaftsverfassungsrechtliche Konsequenz des Erlasses eines Spezialgessetzes. Der hauptsächlichste Unterschied aber ist rein inhaltlich er Art. Der Aufbau der Ernährungs- und Arbeitswirtschaft sind politische Lösungsversuche großen Stils, sind gesetzgeberische Akte von einheitlichem Guß; ihre Grundgedanken stehen im betonten Gegensatz zu dem Geist und dein

Inhalt der in der Vergangenheit geltenden Organisationsgrundsätze und verkörpern politische Postulate der nationalsozialistischen Welt-—

anschauung Mit der Entscheidung zugunsten einer kombinierten Verfassung der gewerblichen Wirtschaft dagegen hat der neue Staat zunächst nur die Folgerung aus einer schon längst angebahnten wirtschaftsverfassungsrechtlichen Entwicklung gezogen; diese Entscheidung trägt daher fürs erste mehr den Stempel einer Zweckmäßigkeitsentscheidung Man wird ohne weiteres annehmen dürfen, daß

sich der nationalsozialistische Staat nicht mit dem gleichen politischen Nachdruck auf diese Ordnung hat festlegen wollen, wie dies auf dem Gebiet des Neuaufbaus der Ernährungs- und Arbeitswirtschaft der Fall gewesen ist. Die geltende gewerbliche Wirtschaftsverfassung ist dementsprechend mehr eine V e r f a s s u n g auf P r o b e ; die Staatsführung hat sich hier die endgültige Entscheidung noch vor-

behalten Ihr Ausfall wird in erster Linie von der Bewährung des vorgesehenen Systems abhängen Dieser Bewährungsprobe ist in erster Linie die Methode der Wettbewerbswirt-

s ch aft unterworfen; in welchem Umfang der Staat sich ihrer in Zukunft zu bedienen vermag, hängt in sehr hohem Grade davon ab,

daß es gelingt, ihre wirtschaftsordnende und wirtschaftsorganisierende Kraft im Wege der Verfeinerung ihrer Technik und der Autoritätsverfestigung ihrer verfassungsrechtlichen Ordnungsgedanken zu steigern Entscheidend für das Gelingen ist in erster Linie die tätige

Mitwirkung der freien Wirtschaftenden selbst. Es gilt hier, was der Reichskommissar für die Preisbildung, Joseph Wagner, in seiner Weimarer Rede vom 13. 11. 1936 gesagt hat: »Das Maß des Eingreifens kann entscheidend bestimmt werden durch die Kreise der Wirtschaft selber. Je disziplinierter sie in ihrer Gesamtheit ist, und den Forderungen der Staatsführung Rechnung trägt, um so mehr

kann sie auf sich selber gestellt den Verlauf des wirtschaftlichen Geschehens bestimmen« 87

3. Gesamtwirtschaftsverfafsung und wirtfchaftsverfafsungsrechtlicher Ausnahmezustand. Dynamische Wirtschaftsordnungen sollen das geordnete Zusammenwirken aller Beteiligten auch in lebhaft bewegten Zeiten gewährleisten Es können indessen außergewöhnliche Ereignisse eintreten, die nur mit außergewöhnlichen Viitteln wirtschaftspolitischgemeistert werden können. Wird die gesamte Volkswirtschaft z. V. durch Krieg, Blockade, Währungszerfall, außenpolitische Spannungen, Devisennot, Boykottmaßnahmen anderer Nationalwirtschaften vor einmalige Aufgaben besonderer Art gestellt, die eine beschleunigte, planmäßige Lösung erfordern, so erweist es sich in der Regel als notwendig, das no rmale Verf as s u n g s r e cht für die Zeitdauer des Ausnahmezustandes weitgehend zu su s p e n d i e r e n und eine Staatsstelle mit a u ß e r gewöhnlichen diktatorischen Vollmachten zum Behuf der autoritären Durchführung der notwendigen Maßnahmen auszustatten. Ein solcher wirtschaftsverfassungsrechtlicher Ausnahmezustand bestand während der Kriegs- und Demobilmachungszeit bis ungefähr 1923. Er wurde neuerdings mit der Einführung der Devisenzwangsbewirtschaftung und des allgemeinen Preisüberwachungsrechts (1931) aufs neue, wenn auch zunächst in abgeschwächter Form verwirklicht. Seit Oktober 1936 (Erster Erlaß des Ministerpräsidenten Generaloberst Göring über die Durchführung des Vierjahresplans vom 23. Oktober, Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplanes vom 29. Oktober [RGBl. 1 S. 927]) ist die deutsche Wirt-— schaft wieder unter Ausnahmeverfassungsrecht von denkbar umfassender und straffer Art gestellt worden. In rechtlicher Hinsicht unterscheiden sich Ausnahmeverordnungen von den auf Dauer angelegten Normalverfassungen dadurch, daß sie zur Lösung einer bestimmten, ihrer Natur nach vorübergehenden Aufgabenkonstellation eingesetzt

werden. Sie stellen mithin keine Verfassungsänderung dar; soweit die bevollmächtigte Stelle von ihren Eingriffsbefugnissen keinen Gebrauch macht, gilt nach wie vor normales Wirtschaftsverfassungsrecht. Das Problem, vor das sich die Staatsführung in solchen Fällen gestellt sieht, besteht fast immer darin, daß die politische Lage den Einsatz des gerade vorhandenen Produktions- und 88

Verteilungsapparats in einer nicht vorhergesehenen und nach mensch-

lichem Ermessen nur vorübergehend notwendigen Richtung erfordert, daß man daher eine zu weitgehende Umstellung auf die be-

fristeten Bedürfnisse nicht wünscht und die Erschütterungen, insbesondere des Preisgefüges, wie sie der normale Anpassungsprozeß

mit sich bringen müßte, zu vermeiden bestrebt ist. Man muß dann auf andere Weise als durch Anwendung preispolitischer Maßnahmen die notwendige Umstellung der Produzierenden und Verteilenden auf die Erfordernisse des Sonderzieles herbeizuführen suchen,

wobei kein anderes Mittel zur Verfügung steht als der autoritäre Befehl und das disziplinierte Aufgebot. In juristischer Hinsicht läßt sich über die Struktur von Ausnahmeverordnungen allgemein nur aussagen, daß sic- gekennzeichnet ist durch das Vorhandensein

sehr umfassender diktatorischer Vollmachten und durch ihre Bindung an einen begrenzten, konkreten Zweck von vorübergehender Dauer. Uber die möglichen und historisch ausgebildeten Methoden lohnte

sich eine eingehende wissenschaftliche Untersuchung Die vorliegende Arbeit muß sich jedoch, schon aus Raumgründen, auf die Darstellung der D a u e r v e r f a s s u n g beschränken Es muß daher her-— vorgehoben werden, daß die folgenden Ausführungen das Recht des Vierjahresplanes nicht mitbehandeln, daß also, soweit hier von der

»geltenden« Wirtschaftsverfassung die Rede ist, vom Leser immer beachtet werden muß, daß dieses geltende Verfassungsrecht zur Zeit in sehr erheblichem Umfang suspendiert ist. Da aber das Verständnis einer Ausnahmeordnung die Kenntnis der geltenden allgemeinen Wirtschaftsverfassung zur Voraussetzung hat, so kann erwartet werden, daß eine Darstellung des in weitesten Kreisen, insbesondere in den Kreisen der Iuristen, aber auch in den Kreisen der Wirtschaft selbst weithin unbekannten normalen Wirtschaftsverfassungsrechts geeignet ist, auch das Verständnis für die wirtschaftspolitische Ziel-

setzung des Vierjahresplans und für die zu seiner Durchführung eingesetzten Methoden zu fördern

4. Begrenzung der Untersuchung auf die Teilverfassung der gewerblichen Wirtschaft.

Wenn im folgenden von den Ordnungen der Ernährungs- und Arbeitswirtschaft abgesehen und die Untersuchung ausschließlich auf 89

die Teilverfassung der gewerblichen Wirtschaft begrenzt wird, so sind dafür folgende Gründe ausschlaggebend gewesen Erstens finden sich die beiden Marktsteuerungsmethoden des gewerblichen Verfassungsrechts auch bei den anderen Teilverfassungen Desgleichen bauen diese anderen Teilverfassungen auf den gleichen fundamentalen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (Eigentum, Erbrecht, Vertragsfreiheit, Verkehrsrecht) auf, die ebenfalls wesent-

liche Bestandteile des gewerblichen Wirtschaftsvetfassungsrechts sind. Die Teilverfassungen setzen daher die Kenntnis und die Existenz dieses Rechts voraus und können ohne diese Kenntnis nicht verstanden werden. Ihre besondere Eigenart wird erst auf dem Hintergrund des gewerblichen Wirtschaftsverfassungsrechts deutlich. Zweitens können insbesondere die Ziele der Arbeitsverfassung gar nicht verwirklicht werden, wenn und solange nicht die Ordnung der gewerblichen Wirtschaft tadelfrei funktioniert. In der gewerblichen Wirtschaft werden die Erträge erzielt, die zum Behuf der Arbeiterentlohnung verteilt werden können: je produktiver die Wirtschaft arbeitet, desto höher wird der Lebensstandard der beteiligten Arbeitsgenossen sein. Außerdem ist den Betriebsgemeinschaften des

Arbeitsordnungsgesetzes die Aufgabe gestellt, die »Betriebszwecke« zu fördern, d. h. die volkswirtschaftliche Leistungskraft ihres Einzelbetriebs durch privatwirtschaftlich richtiges Verhalten auf den höchsterreichbaren Stand zu bringen. Welche Anstrengungen hier zu machen sind, bestimmt nicht die Arbeitsverfassung, sondern die Verfassung der gewerblichen Wirtschaft. Das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit verweist also an einen der allerwichtigsten Punkte auf das Recht der gewerblichen Wirtschaftsordnung Drittens aber ist die Verfassung der gewerblichen Wirtschaft —im Gegensatz zu den beiden anderen Teilordnungen — das Ergebnis einer langen verfassungsgeschichtlichen Entwicklung Seine Rechtsquellen datieren zum Teil aus der zweiten Hälfte des 19. bzw. aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts (Gewerbeordnung, bürgerliches und Handelsrecht, Prozeß- und Konkursrecht, Wettbewerbsgesetz), wobei zu beachten ist, daß alle diese Gesetze ihre Vorläufer in noch weit älteren Gesetzen ganz ähnlicher Beschaffenheit gehabt haben Der neue Staat hat an diese Entwicklung angeknüpft, hat einerseits das Wettbewerbsrecht ergänzt und aktiviert, vor allem aber das Recht der unmittelbaren Staatslenkung entschei-

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dend gefördert und den Methodendualismus erst voll verwirklicht Eine Zusammenfassung der Leitgedanken in einem besonderen Ge-

setz ist aber — wiederum im Gegensatz zu der gesetzgeberischen Behandlung der Ernährungs- und Arbeitswirtschaft — bisher nicht erfolgt. Infolgedessen erscheint die Ordnung der gewerblichen Wirtschaft heute den meisten Volkskreisen einschließlich der juristischen und ökonomischen Fachleute als ein uneinheitliches, provisorisches Verfassungsgebilde. Man ist überhaupt nicht gewohnt, sich das Wirt-

schaftsleben als von einer Rechtsverfassung beherrscht vorzustellen Infolgedessen ist denn auch die Unksenntnis über den rechtlichen Jnhalt und Aufbau der gewerblichen Wirtschaftsordnung allgemein und beängstigend: es rächt sich hier die schwere Unterlassungssünde der rechtswissenschaftlichen Forschung, die einen so wichtigen Bereich des Rechtslebens über ein Jahrhundert lang hartnäckig vernachlässigt hat. Um so notwendiger ist es, dieses Versäumnis heute nachzuholen Denn da Wirtschaftsverfassungen mit ihrem hohen Gehalt

an technischen Elementen wenig geeignet sind, das Gefühl und die Phantasie anzusprechen, da sie infolgedessen schlecht »integrieren«, d. h. nur schwer ins politische Volksbewußtsein eingehen, so kommt dem verstandesmäßigen Begreifen und dem wachen Bewußtsein eine besonders große Bedeutung zu. Wir haben an anderer Stelle gezeigt, in wie hohem Grade eine dynamische Verfassung mit dem

passiven Widerstand des Beharrungstriebes zu rechnen hat. Dieser passive Widerstand wird aber durch Unverstand und Kenntnislosigkeit vervielfacht. Die Wirtschaft bietet dann den Anblick eines Bewegungsprozesses, der mit Beteiligten durchgeführt wird, von denen sich die meisten innerlich gegen das Bewegtwerden sträuben und sich an allem, was der Beharrung günstig zu sein scheint, mit äußerster

Hartnäckigkeit anzuklammern suchen Die Unterrichtung und Aufklärung über den Sinn des verfassungsrechtlichen Bewegungsgebots

dürfte daher eines der geeignetsten Mittel sein, den inneren Widerstand zu brechen.

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111.Teil. Die Verfassung der gewerblichen Wirtschaft.

A. Plan der Darstellung 1. Gesamtordnung und wirtschaftsverfassungss rechtliche Grundgesetze. Wer es versuchen wollte, den verfassungsrechtlichen Aufbau der gewerblichen Wirtschaft mit einiger Vollständigkeit darzustellen, der müßte im Grunde das gesamte geltende Recht in seine Betrachtung einbeziehen Denn nicht nur die ganz grundlegenden und entscheidenden Rechtsgrundsätze, die wie etwa die Grundprinzipien des Staatsverfassungsrechts oder der Sozialverfassung (Familie, Eigentum, Erbrecht, Vertragsfreiheit, Gewerbefreiheit nebst den Beschränkungen dieser Freiheiten,Wettbewerb und staatliche Marktlenkung) das politische und soziale Gesicht einer Volksgemeinschaft maßgebend bestimmen, sondern auch die im Range nachgeordneten Normen des Staats-, Verwaltungs-, Steuer-, Währungs-, Zivil-, Handels-, Prozeß- und Strafrechts sind zugleich Bausteine der Wirtschaftsverfassung Die Art und Weise, in der rechtens Eigentum erworben, übertragen und verloren werden

kann, der Umfang des Besitzschutzes, die Entscheidung darüber, inwieweit der gutgläubige Rechtsverkehr auf Kosten der wirklich Berechtigten geschützt sein soll, die Einrichtung des Grundbuchs, die

Regeln über die Auseinandersetzung zwischen Rechtsgenossen, die einen ungültigen Vertrag abgeschlossen und schon ganz oder teilweise erfüllt haben, das Recht des Schadensersatzes, der Wertpapiere, des Mobiliar- und Grundpfandes, die Einrichtung des Grundbuchs, die Beweislastverteilung im Prozeß, die Bestimmungen über die Wirkung der Rechtshängigkeit oder der Rechtskraft, — kurz alle die

unzähligen und mannigfachen Vorkehrungen, Einrichtungen und Entscheidungen der Rechtsordnung v e r t e i l e n in g a n z b e -

st i m m t e r W e i s e M a cht unter den Rechtsgenossen, glätten die Wege für gewisse Bestrebungen oder errichten Hindernisse für andere, regen an oder schrecken ab. Sie alle üben also einen le n kenden Einfluß auf das Tun und Lassen der einzelnen und

ihre engeren und weiteren Verbände aus. Die Mittel, deren sich das Recht zum Behufe dieser Lenkung bedient, weisen alle d e n k baren Schattierungen von Gradstärke aus: manche 92.

Vorgänge sind dem Recht völlig gleichgültig (z. B. ob jemand sein Versprechen einlöst, einen Freund an der Bahn abzuholen, oder nicht), bei anderen ergreift es nur andeutungsweise Partei (das Eheversprechen, das bei der Verlobung gegeben wird, ist rechtsgültig, aber nicht klagbar), wieder bei anderen tritt es dem Versprechensempfänger energischer zur Seite, aber nur, wenn er Klage erhebt,

und bei einer letzten Gruppe schaltet es endlich das Verfügungsrecht der unmittelbar Beteiligten überhaupt aus und legt die Durch-

führung seiner Gebote unmittelbar in die Hand des Staates. Es gibt schlechterdings im ganzen Bereich des sozialen Geschehens nichts, das nicht der Parteinahme des Rechts unterliegt, denn selbst in dem Desinteressement des Rechts liegt eine Parteinahme im Sinne der Duldung, verbunden mit der Verweigerung jedes positiven Schutzes. Diese in so mannigfaltigen Abschattierungen zum Ausdruck gebrachte Stellungnahme der Rechtsordnung vermittelt nicht nur ein Bild von dem, was s ein s oll, sondern sie äußert auch im höchsten

Grade faktische, realistische Wirkungen auf die Entschließungen der Rechsgenossen dergestalt, daß das, was tatsächlich ist, anders ist, als es ohne Rechtsordnung sein würde. Der Eingriff des Rechts in das tatsächliche Geschehen und in die Motivationen der Handelnden erfolgt auf Grund einer J d e e, einer V o rst e llun g von dem, was geschehen und wie gehandelt werden, bzw. was nicht geschehen und wie nicht gehandelt werden

soll. Diese Vorstellung können wir als Partitur der soziale n S y m p h o n i e bezeichnen Solange man sich den Inhalt und den Sinn dieser Partitur, dieser Kompositionsidee nicht anschaulich macht, solange kann man auch Rechtssätze selbst von untergeordneter Art nicht zutreffend auslegen Auch der Wirtschaftsverfassung liegt eine solche Partitur zugrunde. Da nun aber die Aufführung der wirtschaftlichen Symphonie im Rahmen der politisch-sozialen Gesamtsymphonie stattfindet, so leuchtet ein, daß schlechthin alle Rechtsgebote und Rechtseinrichtungen d. h. auch solche, die in keiner Weise eine wirtschaftsregelnde Absicht verfolgen, auf das wirtschaftliche Handeln

der Rechtsgenossen motivierend einwirken und insofern e b e n falls Bestandteile der Wirtschaftsverfassung

sind. Wer also die gesamte Jnstrumentation der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Symphonie darstellen und ausdeuten wollte, der

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wäre gezwungen, den Einfluß mindestens aller w i ch t i g e r e n Institutionen des geltenden Rechts in seine Betrachtungen einzubeziehen

Aber damit nicht genug Der Staat bedient sich, —wie wir gesehen haben, zum Behuf der Lenkung der gewerblichen Wirtschaft nicht nur des Mittels indirekter psychologischer Einflußnahme durch Machtverteilung unter Zurverfügungstellung seiner Gerichtsbarkeit

und seines Vollstreckungsapparates, sondern er greift auch unmittelbar mit Gebot, Verbot, Befehl und Zwang in das wirtschaftliche Geschehen ein. Es würde nun nicht genügen, lediglich die Gesetze zu besprechen, die dem Staat solche unmittelbaren Eingriffsbefugnisse gewähren, sondern es müßte des ferneren dargestellt werden, nach w e l ch e n G es i ch t s p u n k t e n er diese Eingriffsbefugnisse handhabt, d. h. es würde notwendig sein, auch die gesamten wichti-

geren Grundsätze der wirtschaftspolitischen Verwaltungspraxis zu erörtern

Es versteht sich von selbst, daß es nicht die Absicht einer summarischen Darstellung wie der vorliegenden sein kann, ein solches Kolossalgemälde der gewerblichen Wirtschaftsverfassung zu entrollen Wir sind vielmehr gezwungen, nur die a l le r e l e m e n t a r st e n

Entscheidungs- und Leitgrundsätze der geltenden Ordnung sichtbar zu machen und zu diesem Behufe unter den zahllosen Gesetzen und Rechtsnormen, denen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftsordnende Funktionen zukommen, diejenigen heraus-

zugreifen, in denen die Entscheidung des Staates zugunsten des positiv gewählten technisch-wirtschaftspolitischen Systems, d. h. die Entscheidung zugunsten bestimmter Methoden der Marktsteuerung in feierlicher Form zum Ausdruck kommt. Wir können diese Gesetze als wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundgesetze be-— zeichnen Von dem Leitgedanken dieser Grundgesetze aus ist die Partitur

der gewerblichen Wirtschaftsverfassung in großen Zügen zu entwickeln Die Bedeutung der in den übrigen Gesetzen verstreuten und in der Verwaltungspraxis herausgearbeiteten Ordnungsgrundsätze wird dagegen nur nach Bedarf und nur streiflichtartig zu beleuchten sein. 94

2. Der verfassungsrechtliche Aufbau der gewerblichen Wirtschaft. Als Grundgesetze der geltenden Wirtschaftsverfassung kommen in Betracht: 1. die G e ·w e r b e o r d n u n g von 1869 in ihrer heutigen Fassung; 2. die Kartellverordnung vom 2. November 1923 in ihrer durch das Gesetz von 15. Juli 1933 verschärften Gestalt und

3. das stangskartellgesetz vom 15. Juli 1933. Jn diesen drei Gesetzen sind die beiden Ordnungsmethoden (Wettbewerb und unmittelbarer Staatsbefehl) zu verfassungsrechtlicher Geltung erhoben und ihr Verhältnis zueinander geregelt. Betrachten wir das in diesen Gesetzen niedergelegte Recht im Zusammenhang, so bietet der verfassungsmäßige Aufbau der gewerblichen Wirtschaft folgendes Bild: a) (K a r t e l l a ufsich t.) Für den Fall, daß sich freie Unternehmer zu marktregelnden Vereinigungen (Kartellen usw.) zusammengeschlossen haben oder daß sie durch Anordnung des Reichswirtschaftsministers zwangsweise zu solchen Vereinigungen zusam-

mengeschlossen worden sind (§ 1 des ZwKartGes Abs. 1 und 2), tritt die vom Reichswirtschaftsminister zu handhabende R e i ch s -

aufs icht (Kartellaufsicht) in Kraft. Dieses Recht des Staates ist in der Kartellverordnung vom 23.11.1923festgelegt. Der Reichswirtschaftsminister kann, wenn ein Kartellvertrag oder ein Kartellbeschluß oder die bestimmte Art der Durchführung eines Kartellbeschlusses die Gesamtwirtschaft oder das G e m e i n w o h l g e f ä h r d e t , folgende Maßnahmen ergreifen (§ 4 Abs. 1 Ziff. 1—3 KartVO.): aa) Völlige oder teilweise Nichtigkeitserklärung des Vertrags oder Beschlusses (d. h. insoweit Wiederherstellung des Wettbewerbs); bb) U n t e r s a g u n g der bestimmten Art der Durchführung eines Kartellbeschlusses;

ce) Anordnung des jederzeitigen fristlosen Kündigungs- bzw. Rücktrittsrechts der an dem beanstandeten Vertrag oder Beschluß Beteiligten (Lockerung der Verbandsfestigkeit); dd) Anordnung der abschriftlichen Einreichung aller zur Durch95

führung des Vertrags oder Beschlusses getroffenen Vereinbarungen und Verfügungen U). b) (Positive staatliche Marktlenkung) Besteht auf einem Markt freier Wettbewerb oder ein Kampfzustand zwischen einem Kartell und seinen Außenseitern oder ist der Markt privatim vollständig kartelliert, so hat der Reichswirtschaftsminister das Recht, diese Märkte einer autoritativen Marktregelung zu unterstellen Dieses Recht hat seine gesetzliche Grund-

lage im Zwangskartellgesetz vom 15. 7. 1933. Das Einschreiten des Wirtschaftsministers ist an keine weitere Voraussetzung gebunden als an die, daß es »unter Würdigung der Belange der Unternehmungen sowie der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls geboten erscheint«. (§ 1 Abs. 1 ZwKG.) Der Reichswirtschaftsminister hat bei der Verwirklichung der Marktregelung folgendes Verfahren einzuschlagen:

aa) Er hat zunächst die Unternehmungen zu Syndikaten, Kartellen, Konventionen oder ähnlichen Abmachungen zusammenzuschließen bzw. — im Falle des Bestehens eines privaten Kartells — die Außenseiter an dieses Kartell anzuschließen; (§ 1 Abs. 1 ZwKG.). Diese Zusammenschlüsse unterstehen dann sowohl dem Recht der Kartellverordnung wie der b e sonderen Aufsicht des RWiM. auf Grund d e s § 3 Z w K G. bb) Er kann das Marktverhalten dieser Zusammenschlüsse selbst oder durch Beauftragte in b elie b i ge r W eise beeinflussen und bestimmen Seine Eingriffsrechte sind formal unbegrenzt (§ 3 ZwKG.). c) (Abgesch-wächte staatliche Marktregulierung) Für den Fall, daß ein Wirtschaftszweig übersetzt ist, kann der

RWiM. auch ohne zwangsweise Zusammenfass u n g d e r U n t e r n e h m e r in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit einzeln e r Unternehmer eingreifen, wenn es die besonderen Bedürfnisse eines bestimmten Wirtschaftszweigs unter Würdigung der Belange der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls geboten 11) Von § 10 KartVO. kann hier im Hinblick auf seine geringe praktische Wirksamkeit abgesehen werden. Von §§ 8 und 9 KartVO. wird in anderem Zusammenhang die Rede sein.

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erscheinen lassen«. Auch dieses Recht ist im Zwangskartellgesetz vor-

gesehen und zwar in § 5. Zu diesem Behufe stehen dem RWi9N. folgende Maßnahmen zu Gebote: aa) Er kann innerhalb des betreffenden Wirtschaftszweigs die Errichtung neuer Unternehmungen die Erweiterung des Geschäftsbetriebs und die Erweiterung der Leistungsfähigkeit bestehender Unternehmungen generell verbieten oder von seiner Genehmigung abhängig machen (§ 5 Abs. 1 S. 1 ZwKG.). bb) Er kann den Umfang der Ausnutzung, d. h. den Beschäftigungsgrad bestehender Betriebe regeln (§ 5 Abs. 1 S. 2 ZwKGes.). d) (Mittelbare Marktlenkung durch Wettb ew er b.) Soweit der Reichswirtschaftsminister von seinen Befugnissen keinen Gebrauch macht und keine Regelung trifft, gilt

das Recht der freien Verkehrswirtschaft (Gewerbeordnung, Wettbewerbsgesetz usw.).

e) (Das Ineinandergreifen der zwei Lenkungsm e t h o d e n.) Jn diesem gesetzlichen Aufbau tritt d a s N e b e n einanderbestehen zweier Marktordnungsmethoden

klar zutage. Der Staat ist auf Grund der geltenden Gesetze (—— also auch ohne Beanspruchung außergewöhnlicher Vollmachten wie sie z. B. das Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplans erteilt —)

heute in der Lage, jeden beliebigen Markt dem Wettbewerb zu entziehen und seiner unmittelbaren Lenkung zu unterstellen Desgleichen kann er umgekehrt jeden von ihm kontrollierten oder gelenkten Markt

wieder in den Zustand des Wettbewerbs überführen soweit die objektiven Voraussetzungen für das Zustandekommen von Wettbewerb vorliegen

So unverkennbar nun aber auch der Grundsatz der Vereinigung zweier Lenkungsmethoden in der Hand des Staates in seinen Grundzügen verwirklicht ist, so sehr stören noch eine Reihe von technischen

Schönheitsfehlern Unvollkommenheiten und Widersprüchen der gesetzlichen Ausgestaltung, die eine Folge des Umstandes sind, daß sich

die verfassungsgeschichtliche Entwicklung in mehreren Stufen vollzogen hat und heute Gesetze aus allen diesen historischen Schichten

nebeneinanderstehen Döhm

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So bleibt es z. B. zu beanstanden wenn für den Fall, daß ein monopolistisches Einzelunternehmen den Markt beherrscht — also für denjenigen Fall, der das Eingreifen des Staates am dringendsten gebietet —, keine gesetzliche Vorsorge getroffen ist.

Hier bedarf es in der Tat auch heute noch für jeden einzelnen Fall, in dem der Staat in die Preis-, Produktions- oder Absatzpolitik eines privaten Monopolbetriebes eingreifen will, eines b es onderen Ges etzes. Die einzige Bestimmung, die auf Einzelmonopole anwendbar ist, § 10 der KartellVO., ist praktisch ohne Belang, denn sie gestattet keinen Eingriff in die Preis- und Produktionspolitik. Diesem Schönheitsfehler ist indessen leicht abzuhelfen; für die Gegenwart ist die Frage außerdem deshalb nicht aktuell, weil erstens die tatsächlichen Einzelmonopole fast durchweg einer sondergesetzlichen Regelung unterworfen sind (— man denke etwa an das Energiewirtschaftsgesetz —), und weil zweitens das zurzeit geltende wirt-

schaftliche N o t r e cht (insbesondere das Preisüberwachungsrecht des Vierjahresplans) dem Staat alle notwendigen Eingriffsbehelfe auch für diesen Fall zur Verfügung stellt. Ernster ist die Unzulänglichkeit des staatlichen Kartellüberwachungsrechts zu beurteilen Zwar kann sich hier der Staat dadurch helfen, daß er das private Kartell zu einem Zwangs-

kartell macht und diesem Verbande sodann sein Marktverhalten uneingeengt durch die Schranken der Kartellverordnung autoritär vorschreibt. Solange er dies aber nicht tut, genießen die privaten Markt-

zusammenschlüsse im Rahmen der Gesamtwirtschaftsverfassung eine höchst bedenkliche rechtliche Ausnahme- und Vorzugsstellung, die ihnen um so weniger zukommt, als die von ihnen

befolgte Art der Marktsteuerung weder mit dem Ordnungsgrundsatz der freien Marktwirtschaft, noch auch mit dem Ordnungsgrundsatz der unmittelbaren staatlichen Marktlenkung in Einklang gebracht werden kann. Durch die gesetzliche Anerkennung privatvertraglicher Marktbindungen und die unzureichende Ausgestaltung der staatlichen Kartellaufsichtsbefugnisse ist daher ein Rechts-

zustand geschaffen worden, der es den Unternehmern gestattet, sich dem Ordnungsprinzip der Konkurrenz nach privatem Gutdünken eigenmächtig zu entziehen, während der Staat in die Marktpolitik dieser Kartelle und Vereinigungen erst dann eingreifen darf, wenn diese

Marktpolitik die Gesamtwirtschaft oder das Gemeinwohl geradezu 98

g e f ä h r d e t. Er muß also ein bloß unerwünschtes Marktverhalten, solange es noch nicht die Gradstärke einer G e f ä h r d u n g der

Volkswirtschaft erreicht hat, hinnehmen Die Unternehmer sind befugt, den freien Wettbewerb auch da auszuschalten wo er eine tadelfreie Ordnung des Marktes gewährleistet, und sie sind weiter befugt, an Stelle des ausgeschaltenen verfassungsrechtlich vorgesehe-

nen Marktsteuerungsprinzips eine p r i v a t e M a r k t p o l i t i k zu setzen die volkswirtschaftlich ungünstiger sein darf als der Wettbewerbszustand, solange das Mißverhältnis nur nicht allzu krasse

Ausmaße annimmt. Aber auch da, wo die Kartellverordnung den Staatseingriff zuläßt, sind dem Staat nur n e g a t i v e Eingriffsmethoden zur Verfügung gestellt, d. h. der Reichswirtschaftsminister

darf das Kartell nur auflösen oder lockern oder einen bestimmten Kartellbeschluß für n i ch t i g erkläre n oder dessen Durchführung verbieten

Dagegen steht ihm kein Recht zu,

Kartellverträge und Kartellbeschlüsse durch Befehl a b z u ä n d e r n und sich des Zusammenschlusses zur Durchführung seiner staatlichen Markt- und Wirtschaftspolitik positiv zu bedienen Auch hier kann man freilich geltend machen daß sowohl der Umweg über das Zwangskartellgesetz wie die Inanspruchnahme des zur

Zeit geltenden Notrechts dem Staat jede gewünschte Art des Vorgehens ermöglicht. Das ist wohl richtig, ändert aber nichts an der Tatsache, daß das für die Behandlung privater Kartelle vorgesehene N o r m alr e cht eine mit der Gesamtanlage der Wirt-

schaftsverfassung und mit der Stellung des Staates im Rahmen dieser Verfassung unverträgliche S ch w ä ch e u n d U n z u l ä n g lichkeit des staatlichen Aufsichtsrechts vorsieht, die nur historisch zu verstehen ist. Das Schlimmste an dieser unzureichenden Regelung ist, daß durch sie der Auffassung Vorschub geleistet wird, als ob dem Marktverhalten privater, nur nach privatwirt-

schaftlichen Rentabilitätsrücksichten sich bewegender Kartelle, Preisbindungssysteme und ähnlicher Organisationen e i n e r h ö h te r Grad von volkswirtschaftlicher Nützlichkeit innewohne, der eine privilegierende Ausnahmebehandlung rechtfertige;

Diese Auffassung ist falsch 12). Sie ist aber jahrzehntelang von allen 12) Reuerdings hatRonnenbruch in seinem Buch »Die dynamische W i r t s ch a f t«, München 1936, eine vielleicht etwas zugespitzt formulierte, sachlich aber zweifellos zutreffende Analyse gegeben wenn er schreibt (S. 127):

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Seiten auch vom Staate, genährt worden und hat sich daher außerordentlich fest in das allgemeine Bewußtsein eingeprägt. Außerdem steht zu erwarten, daß die propagandistische Geschicklichkeit der Wirtschaftsverbände, denen ein großer Apparat von Fachzeitschrifs ten und Branchezeitungen zu Gebote steht, sowie der den Kartellen

nahestehenden volkswirtschaftlichen und juristischen Schriftsteller die günstige Gesetzeskonstellation in sehr wirksamer Weise publizistisch zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung auswerten wird 13). Hier tut daher eine weithin sichtbare gesetzliche Richtigstellung not, die das Kartellaufsichtsrecht des Staates, sowohl was die Voraussetzungen des Eingreifens, als auch was die Mittel des Eingriffs betrifft, dem Recht des Zwangskartellgesetzes anpaßt. Ein weiterer stark ins Gewicht fallender Mangel ist die r e ch t s technische Unvollkommenheit des geltenden W e t t b e w e r b s r e ch t s einschließlich seiner zivil-, handels- und prozeßrechtlichen Grundlagen Die hauptsächlichen Fehler liegen in folgendem:

Erstens ist es noch nicht ins allgemeine Rechtsbewußtsein übergegangen, daß der Wettbewerb ein von der Rechtsordnung veranstaltetes Ausleseverfahren ist, daseine strenge Spielu n d K a m p f r e g e l besitzt. Der Hauptgrundsatz der Kampfregel muß bei sinngemäßer Auslegung lauten: Im gewerblichen Wettbewerb darf nur die echte privatwirtschaftliche L e ist u n g s k r a ft zum Behuf der Uberflügelung der Mitbewerber eingesetzt werden und diese Leistungskraft darf n u r m it s o l ch e n Mitteln gesteigert werden, die nach Maßgabe der gelten»Jn seiner Beziehung zur Technik hat der Kapitalismus sich gewandelt. Als er gesund war, war der Kapitalismus ein Antreiber der technischen Entwick-

lung Der Kapitalismus ging zugrunde, als er »Sicherung der Wirtschaft« vor der technischen Weiterentwicklung wurde. Das Kapitalinteresse war nicht

mehr unbedingt das der technischen Weiterentwicklung, deshalb suchte es einen Kompromiß mit der technischen Weiterentwicklung zu schließen Die Kartelle, Syndikate usw. sind die Ergebnisse dieses Kompromisses. Der Kapitalismus benutzt noch die modernen kapitalistischen Einrichtungen sichert sich aber

gleichzeitig gegen sie. — Der entscheidende Wendepunkt im Verhältnis der Wirtschaft zur Technik fällt in das Jahr 1890. Da entstanden die Kartelle, Syndikate und Trusts —«. 13) Jn wie hohem Grade dies tatsächlich geschieht, weiß jeder Kenner der Kartelliteratur.

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den Gesetze und der guten Sitten zulässig sind. Dagegen ist jede unmittelbar schädigende Einwirkung auf die Leistungskraft der Mitbewerber, insbesondere jedes Abdrängen von ihren Bezugs- und Kreditquellen durchaus kampfregelwidrig § l UWG. bringt indessen diesen Gedanken nicht zum Ausdruck. Nach der heute noch immer herrschenden Auffassung kommt es nicht auf die Vereinbarkeit der gewählten Kampfes w eis e mit dem Leistungsprinzip, sondern bloß auf den Umstand an, daß das gewählte Kampfmittel vom Standpunkt des geltenden allgemeinen Rechts und der guten Sitten nicht zu beanstanden ist 14).

Zweitens ist das Leistungsprinzip bei der wichtigsten Form des Wettbewerbs, nämlich bei der Form des P r e i s wettbewerbs, rechtlich noch immer durchaus unzulänglich gesichert. Dieser Mangel kann durch eine bloße Verbesserung des materiellen Wettbewerbsrechts nicht behoben werden, und zwar deshalb nicht, weil

hier die Inanspruchnahme des zivilprozessuale n V e r f a h r e n s nicht zum Ziele führen kann. Denn es wirkt erstens nicht schnell genug und ermöglicht außerdem, solange das Gericht nicht ex officio unabhängige Betriebsprüfer in den Betrieb des Beklagten schicken kann, keine ausreichende Wahrheits-

ermittlung Hier muß vielmehr die wirtschaftspolitische Staatsexekutive eine st a r k e H i l f s st e l l u n g beziehen: die Mittel der Markterziehung, der staatlichen Marktbeobachtung,

der staatlichen Kostennachprüfung und des unmittelbar verwaltungsmäßigen Eingriffs in die Verhal-

tensweise von Einzelunternehmern die spielregelwidrigen Preis-— wettbewerb treiben müssen aufgeboten und ausgestaltet werden.

Denn auch das Recht der freien Marktwirtschaft anerkennt die Freiheit nur im Rahmen der Ordnung Bei einem 14) Gegen diese wirtschaftsverfassungsrechtlich völlig indifferente Rechtsauss legung haben in der Zeit vor 1930 im Grunde nur zwei Schriftsteller angekämpft, nämlich Adolf Lobe in seinem Werk: Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Leipzig 1907, der den Gedanken des organisierten

Wettbewerbs und des Leistungsprinzips, und Alexander Elfter (in vielen Schriften), der den Wahrheitsgedanken in den Vordergrund rückte und damit zu ähnlichen Ergebnissen gelangte. Erst das Urteil des Reichsgerichts vom 18. 12. 1931 in dem berühmt gewordenen Tankstellenprozeß (RGZ. 134 S. 342) hat den Anstoß zu einer entscheidenden Verfeinerung der

Lehre vom Wettbewerb gegeben

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Konflikt zwischen Freiheit und Ordnung kommt dem Gesichtspunkt der Ordnung u n b e d in g t e r V o r r a n g zu; jeder Freiheitsmißbrauch zieht unweigerlich st a a t l ich e n Z w a n g nach sich. DasZwangselement bedarf aberauch im Bereich der freien Marktwirtschaft der Verschärfung Das gleiche gilt für das Gebiet des Reklamewettbewerbs, der ja inzwischen durch das Gesetz über Wirtschaftswerb u n g einer verschärften Staatskontrolle unterworfen worden ist. Drittens muß der P f l i ch t ch a r a k t e r des Wettbewerbs sehr viel stärker betont werden. Es muß die Anerkennung des Rechtssatzes zur Selbstverständlichkeit werden, daß es da, wo sich der Staat der unmittelbaren Marktlenkung nicht bedient, Pflicht aller Beteiligten ist, sich dem Wettbewerb zu unterziehen Für vertragliche Wettbewerbsbeschränkungen ist nur insofern Raum, als durch solche Vereinbarungen für die Beteiligten keinerlei Möglichkeit geschaffen wird, den Markt zu beeinflussen Die Teilnehmer an einem freien Marktverkehr sind jedenfalls nicht berechtigt, auf Kosten anderer Wirtschaftsgruppen unter sich gegenseitig kollegiale Rücksicht zu nehmen und sich über eine Abschwächung des gegenseitigen Leistungskampfes zu verständigen sondern es ist umgekehrt ihre Pflicht der Gesamtwirtschaft gegenüber, in den angespanntesten Leistungswettbewerb miteinander zu treten

Viertens sind gewisse Fehlentwicklungen auf dem Gebiete des Zivil- und Handelsrechts zu kassieren So der Mißbrauch mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der zur Ausbildung des Formularbedingungswesens (Allgemeine Geschäftsbedingungen Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft) mit einseitigen Verschiebungen der Pflichten Rechte und Risiken geführt hat, so die Aushöhlung des Rechtsgedankens der unbeschränkten Unternehmerhaf-

tung, wie sie am krassesten durch die Zulassung der Ges. m. b. H. als Gesellschaftsform des Handelsrechts und ihren Mißbrauch durch die Praxis befördert worden ist, so die Verdrängung des kreditwirtschaftlich so wichtigen und gesunden F a u st p f a n d g e d a n k e n s durch die Umgehungsformen der S ich e r u n g s ü b e r e i g n u n g und die übermäßige Inanspruchnahme der Mög-—

lichkeit des Verkaufs unter E i g e n t u m s v o r b e h a l t. Ahn102

lich verhält es sich mit der Verdrängung der staatlichen Gerichtsbarkeit durch private Schiedsgerichte und mit derAuflockerung des Konkursrechts durch die Einführung von Vergleichsverfahren 3. Die wichtigsten Fragen des gewerblichen Verfassungsrechts. So erheblich und zahlreich aber auch die Mängel der rechtstechnischen Durchführung des verfassungsrechtlich anerkannten wirtschaftspolitischen Systems auch sein mögen, über die G r u n d i d e e der getroffenen wirtschaftspolitischen Gesamtentscheidung: Dynamische Wirtschaft mit zwei sich ergänzenden Methoden der Markt-

steuerung hat die geltende Wirtschaftsordnung jedenfalls v o l le K la r h e it geschaffen Die Marschrichtung ist also gegeben: alles übrige ist Aufgabe der ausbauenden Systemverf e in e r u n g durch Gesetz, Rechtsauslegung, Wirtschaftspolitik,

Wissenschaft, Aufklärung, Erziehung und Wirtschaftspraxis. Von dieser ausbauenden Tätigkeit hängt nun freilich letzten Endes Erfolg oder Mißerfolg der wirtschaftspolitischen Grundentscheidung ab. Was in dieser Hinsicht in der Vergangenheit geleistet ist, was uns in Form von Gesetzen Verordnungen Gerichtsentscheidungen wissenschaftlichen Arbeiten und Reformvorschlägen vor Augen steht, ist nur ein erster Anfang, sind bald schüchterne, bald entschlossenere,

im ganzen ziemlich unsystematische, meist von der Not konkreter Augenblickstatbestände beeinflußte Tastversuche. Hier gilt es daher, in großem Stil an die Arbeit zu gehen Drei umfassende Fragen sind es, die hier in erster Linie der systematischen Klärung bedürfen: Erstens d i e F r a g e n a ch d e r wirtschaftsverfassungsrechtlichen Struktur der freien Verkehrswirtschaft, d. h. der mittelbaren Lenkungsmethode und nach ihrem Ausbau mit dem Ziel

höchster Steigerung ihrer marktordnenden Kraft. Zweitens die Frage nach den G r u n d s ä tz e n , nach denen die unmittelbare staatliche Marktsteuerung zweckmäßigerweise zu handhaben sein wird, und nach den Mitte ln, die zur erfolgreichen Meisterung der vielgestaltigen Aufgaben, die

hier der staatlichen Wirtschaftspolitik gestellt sind, zu Gebote stehen Und dritten s die Frage nach den Gesichtspunkten nach denen 103

die Entscheidung darüber getroffen wird, ob die einzelnen Märkte der Lenkung entweder durch die mittelbare oder aber durch die unmittelbare Methode zu unterstellen sind. Diese letzte Frage ist gleichbedeutend mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine aufs vollkommenste ausgestaltete Konkurrenzwirtschaft noch die F ä h i g ke it z u r z u r e i ch e nden produktiven Ordnung der Märkte besitzt. Alle Wirtschaftszweige, bei denen diese Voraussetzungen fehlen, sind u n t e r alle n U m st ä n d e n in den Bezirk der unmittelbaren staatlichen Marktsteuerung einzubeziehen. Die Wirtschaftsverfassung kann hier, wenn sie der staatlichen Wirtschaftspolitik eine solche Mehrbelastung zumuten will und die praktische Möglichkeit besteht, daß der Staat die ihm zugewiesenen Aufgaben zureichend zu lösen vermag, allerdings auch w eiter gehen und Märkte, die sich durch Wettbewerb zureichend ordnen ließen in den Bereich der unmittel-

baren Staatslenkung eingliedern Sie darf aber nicht w e n i g e r w eit gehen, d. h. sie darf nicht zulassen daß irgendein beachtliche-

res Marktgebiet ohne jede leistungsfähige Ordnung bleibt. Die folgenden Ausführungen wenden sich nunmehr der Behandlung dieser drei Fragen zu. B. Das Recht der freien Verkehrswirtschaft (Wettbewerbsordnung). 1. Die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ihres Funktionierens.

Von freier Wirtschaft sprechen wir, wenn dem einzelnen Volksgenossen der Zugang zu jedem beliebigen Gewerbe und die Methode des Wirtschaftens freigestellt ist, wenn Freizügigkeit herrscht,

Privateigentum besteht und Vertragsfreiheit gewährleistet ist. Damit in einer solchen freien Wirtschaft ein geordnetes, vernünftiges Zusammenwirken der einzelnen zum Wohl der Gesamtheit stattfinde, bedarf es verfassungsrechtlicher Einrichtung e n, die dafür sorgen, daß die einzelnen von ihrer so außerordent-

lich weit bemessenen Bewegungsfreiheit zu jeder Zeit denjenigen Gebrauch machen — und keinen andern —, der dem Interesse der Gesamtheit am besten entspricht. Diese Einrichtungen müssen daher

so beschaffen sein, daß sich erstens die einzelnen mit ihrer Hilfe 104

darüber unterrichten können, w e l ch e Handlungsweise das Gesamtwohl von ihnen in jedem Augenblick erwartet, und daß sie zweitens einen widersetzlichen Willen der einzelnen mit zu-

reichender Zuverlässigkeit zu brechen vermögen Solche Einrichtungen nennen wir Ordnungseinrichtungenz sie haben eine

orientierende und eine willensbeugende Funktion Das Prinzip größtmöglicher Bewegungsfreiheit zum Behuf der Entfaltung von privatwirtschaftlicher Initiative erfordert nun aber, daß der willensbeugende und willensbestimmende Zwang

kein unmittelbarer Rechtszwang, sondern bloß psych o l o g i s ch e N ö t i g u n g ist. Eine solche psychologische Nötigung kann nun aber nur in der Weise wirksam gemacht werden, daß dafür gesorgt wird, daß volkswirtschaftlich richtiges Verhalten privatwirtschaftliche Vorteile, volkswirtschaftlich unrichtiges Verhalten privatwirtschaftliche Nachteile nach sich zieht. Die einzigen Einrichtungen die diesen Ansprüchen praktisch zu genügen vermögen, denen sowohl die orientierende wie eine zureichende, rein psychologisch wirkende willensbestimmende Funktion

zukommt, sind der Tausch und der Wettbewerb und zwar in ihr e r V e r b u n d e n h e i t. Der Grundgedanke der freien Wirtschaftsverfassung besteht also darin, daß der Staat erstens n u r den Tausch (bzw. den freiwilligen Vertragsschluß) als Mittel, die wirtschaftliche Mitwirkung anderer zu erlangen zuläßt, d. h. daß er

G e w a lt (Raub, Erpressung, Nötigung), E i g e n in a cht (Diebstahl, Unterschlagung) und L ist (Betrug) als Wirkungsmethoden ausschließt, und daß er z w e i t e n s unter den Anbietenden und

Nachfragenden aller erdenklichen Wirtschaftsleistungen Wettbewerb veranstaltet. Damit die Ordnungseinrichtungen Tausch und Wettbewerb ihre

orientierende und psychologisch willensbestimmende Funktion mit hinreichender Wirksamkeit zu erfüllen vermögen, ist zweierlei notwendig:

Erstens müssen die rein tatsächlichen Voraussetzungen dafür gegeben sein, daß überhaupt Wettbewerb e n t st e h e n k a n n. Diese Voraussetzungen liegen aber nur da

vor, wo auf b e i d e n Marktseiten (Angebot u n d Nachfrage) viele Unternehmer bzw. Kunden vorhanden sind, v on d enen 105

keiner für sich allein einen ins Gewicht fallen-

den Einfluß auf die Gestaltung der Marktbedingungen und der Marktpreise besitzt. Fehlt diese Voraussetzung, liegt z. B. ein A n g e b o t s - oder ein N a ch fr a g e m o n o p o l vor, oder beides, oder ist ein Fall der sogenannten beschränkten Konkurrenz (Oligopol), d. h. der

Besetzung einer Tauschseite mit wenigen Großlieferanten oder Großkunden oder mit einem marktbeeinflussenden Großlieferanten (Großkunden) und einigen kleinen so kann das System der freien Marktwirtschaft nicht funktionieren Diese Märkte sind daher der unmittelbaren Marktlenkung durch den Staat zu unterstellen Liegen jedoch diese Voraussetzungen vor, so muß, zweitens, zur Sicherung geregelter Tausch- und Wettbewerbsabläufe an einigen und

zwar

entscheidenden

Stellen

auch

unmittelbarer

R e ch t s z w a n g eingesetzt werden. Dieser Rechtszwang ist in folgenden Beziehungen schlechthin unerläßlich: a) Zwang zur Vertragserfüllung (pacta sunt servanda)

b) Der Grundsatz der unbeschränkten Haftung für Geschäftsschulden c) Zwang zur Führung des Wettbewerbs ausschließlich auf der Grundlage des Leistungsprinzips.

d) Verbot, sich, solange man wirtschaftlich tätig

ist, der

Abschluß

Teilnahme

am

marktregelnder

Wettbewerb

durch

Vereinbarungen zu

entziehen

Nehmen wir an, auf irgendeinem Markte seien zahlreiche Unternehmungen von verschiedener Betriebsgröße und Kostenstruktur (aber ohne Markteinfluß) als Anbieter tätig und es stünden ihnen ebenfalls zahlreiche Abnehmer in größter Beweglichkeit gegenüber, so ka n n sich zwischen den Beteiligten ein Wettbewerb einspielen der sich dem idealen Wettbewerbszustand annähert, wie ihn die Wirtschaftswissenschaft als eine von mehreren möglichen Marktkonstellationen ihren Untersuchungen zugrunde legt und dem sie einen

besonders hohen Grad von Elastizität und volkswirtschaftlicher Produktivität nachrühmt. Aber er kann sich n u r d a n n einspielen wenn der soeben erwähnte Rechtszwang gesetzlich vorgesehen u n d 106

praktisch wirksam ist. Eine Rechtsordnung und Rechtshandhabung, die es geschehen läßt, daß eine laxe Vertragsmoral um sich greift, daß die Unternehmer ihr Risiko auf die Gläubiger abwälzen daß im Wirtschaftskampf mit anderen Einsätzen als mit dem Einsatz der echten Leistungskraft im Rahmen der Gesetze und der guten Sitten gefochten wird und daß die Anbieter oder die Abnehmer oder beide Marktseiten sich zu marktbeeinflussenden Organisationen zu-

sammenschließen — eine solche Rechtsordnung und Rechtshandhabung kann nicht damit rechnen daß sich ein dem Idealzustand angenäherter Wettbewerbsprozeß entfalten wird. Wettbewerb bei gelockerter Vertrags- und Haftungsmoral, jede Art von Nichtleistungskampf und unlauterem Wettbewerb, sowie endlich jede Art von privaten Marktbindungen erzeugen M a r k t z u st ä n d e , bei denen die Ordnungseinrichtungen der freien

Marktverfassung mehr oder weniger versagen, bei denen diese Einrichtungen ihre psychologisch orientierende und willensbeugende Funktion

ein b üß en Die Wirtschaft ist dann zwar fre i, d. h. frei vom marktlenkenden Staatsbefehl, aber sie ist n i cht g e o r d n e t, d. h. es besteht dann keinerlei begründete Vermutung dafür, daß die an einem solchen Marktverkehr beteiligten Wirtschaftsgenossen von ihrer Handlungs-, Vertrags- und Eigentumsfreiheit einen volkswirtschaftlich nützlichen Gebrauch machen werden. Und zwar besteht diese Vermutung deshalb nicht mehr, weil bei einer vom Recht so

sehr vernachlässigten Wirtschaft auch mit volkswirtschaftsschädlichem Verhalten Gewinn erzielt werden kann und volkswirtschaftlich rich-

tiges Verhalten unter Umständen mit privatwirtschaftlichem Verlust bestraft wird. Der psychologische Zusammenhang zwischen privatwirtschaftlichem Erfolgsinteresse und volkswirtschaftlichem Nutzen ist gelockert und unterbrochen Eine solche Organisation des Marktverkehrs ist wirtschaftspolitisch liederlich, ungerecht, unmoralisch und politisch verhängnisvoll und gemeinschaftsauflösend. Niemand darf sich wundern wenn ein dergestalt anarchischer Alltag wirtschaftliche

und politische Krisen Gruppenfehde und Klassenhaß, Ausartungen des Individual- und Kollektivegoismus, kurz den Zerfall der Rechts-

und Gemeinschaftskultur sowie schwere technische Störungen der Wirtschaftsabläufe zur Folge hat. Ie mehr aber der Rechtszwang wirksam wird, desto sicherer wird 107

der Wettbewerb seine heilsamen und volkswirtschaftlich vorteilhaften Wirkungen äußern Es wird dann nicht nur verhindert, daß die ehr-

lichen und tüchtigen Unternehmer durch gewissenlose Elemente mit laxer Rechts- und Gemeinschaftsmoral um ihren verdienten Lohn

gebracht und schließlich durch die nackte Not, ihre wirtschaftliche Existenz zu verteidigen selbst auf die falsche Bahn genötigt werden,

sondern es erweist sich in diesem Falle selbst für die skrupellosen Egoisten als vorteilhaft, ihren eigenen Nutzen im Wege echter Leistungssteigerung zu suchen, weil jeder andere Weg mit größeren Risiken verknüpft ist. Ie besser also die Ordnungseinrichtungen funktionieren desto umfassender kann die Handlungs-,

die Vertrags- und die Eigentumsfreiheit sein. Der große Vorteil einer breiten Zone privatwirtschaftlicher Bewegungsfreiheit für die Volksgemeinschaft liegt darin, daß für die Initiative des einzelnen in der Richtung auf das Nützliche und Gute ein großer Spielraum geschaffen wird. Da jedoch jede Freiheit zum Guten und Nützlichen stets auch die Freiheit zum Schädlichen und Schlechten mit umfaßt, so hängt die Möglichkeit, Freiheit zu gewähren notwendig von der effektiven psychologischen W i r k samkeit der Ordnungseinrichtungen ab. In dem Maße, in dem solche Einrichtungen den Weg zum Freiheitsmißbrauch tatsächlich verbauen, in dem Maße darf auch Freiheit gewährt werden in dem Maße kommt die Freiheit des einzelnen der Gesamtheit zugute. Dieser Gesichtspunkt ist im Rahmen der geltenden kombinierten

Wirschaftsverfassung der schlechthin ausschlaggebende G e si ch t s p u n kt für die Abgrenzung der mittelbar durch Wettbewerb von den unmittelbar durch Staatsbefehl zu steuernden Märkten: Nur soweit der Wettbewerb zur Ordnung

führt, kann private wirtschaftliche Freiheit gewährt werden; soweit dies nicht der Fall ist, darf die Wirtschaft nicht frei sein. Für die folgenden Untersuchungen über die rechtliche Struktur der freien Verkehrswirtschaft (also des einen der beiden in der Ge-

samtverfassung vorgesehenen Marktordnungsprinzipien) soll zunächst einmal unterstellt werden, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines tadelfrei funktionierenden Wettbewerbs gegeben sind. Es bleibt also fürs erste lediglich zu 108

untersuchen welche Maßnahmen von Seiten der G es e tz g e b u n g und der staatlichen Wirtschaftspolitik vorzukehren sind und wie das geltende oder das wünschbare Recht von den G e -

richten und Verwaltungsbehörden auszulegen ist, damit die Gunst der Tatsachen auch praktisch zum Wohl der Gesamtwirtschaft genutzt und ein effektiv tadelfreies Funktionieren des

Wettbewerbs sichergestellt wird. Eine freie Verkehrswirtschaft stellt, wenn sie reibungslos arbeiten

soll, an die Rechtsordnung zwei Ansprüche: Es muß e r st e n s ein bedeutendes Maß von privatwirtschaftlicher Bewegungsfreiheit gewährt und es müssen zweitens die erwähnten O r d n u n g s e in r i ch tu n g e n bereitgestellt werden. Beide Grundelemente, die Freiheit und die Ordnung, bedürfen einer näheren Betrachtung 2. Die wirtschaftliche Freiheit, ihr Sinn und ihre Grenzen

Das System der freien Verkehrswirtschaft setzt die Freiheit in zweierlei Gestalt ein: Einmal in der Gestalt der Konsumtionsfreiheit und zweitens in der Gestalt der Gewerbefreiheit. Der Konsumtionsfreiheit ist die Aufgabe zugedacht, der Produktion und Verteilung den A u f t r a g zu erteilen w a s produziert und wie das Produzierte verteilt werden soll.

Die G e w e r b e f r e i h e it wiederum soll die mit der Produktion und Verteilung befaßten Wirtschaftstätigen instand setzen den erteilten Auftrag in der wirtschaftlichsten Weise, d. h. mit dem geringsten Aufwand und Reibungsverlust auszuführen zu diesem Behufe alle technischen und organisatorischen Möglichkeiten auszuspähen und sich außerdem auf das elastischste den ständigen Ver-

änderungen des Auftrags selbst sowie den sonstigen Außenweltsfaktoren anzupassen Die Konsumtionsfreiheit enthält also ein H e r r s ch a f t s - bzw. ein autonomes Bestimmungsrecht: Der Konsum entscheidet über die Tätigkeit und den Aufbau des wirtschaftlichen Produktions- und Verteilungsapparats Demgegenüber steht die Gewerbefreiheit ausschließlich in der 109

Botmäßigkeit des D i e n st g e d a n k e n s. Der Produzent hat kein Recht, vom Konsum zu verlangen daß dieser abnehme, was er zu produzieren gesonnen ist. Sondern es verhält sich umgekehrt: er

hat zu produzieren was der Konsum braucht, vorausgesetzt, daß der Konsum — auf längere Sicht gesehen — seine Kosten ersetzt und ihm dadurch die Möglichkeit gibt, dem Wunsch des Konsums nachzukommen

Von diesen beiden Freiheiten ist die Gewerbefreiheit sehr viel schärferen Angriffen ausgesetzt gewesen als die Konsumfreiheit. Jn Wirklichkeit aber ist die Konsumfreiheit die problematischere. Bei genauerem Zusehen ergibt sich denn auch, daß eine Reihe von Argumenten die gegen die Gewerbefreiheit vorgebracht worden sind, im Grunde gegen die Konsumfreiheit zielen

Namentlich solche Gegner der Gewerbefreiheit, die eine Wiederherstellung zunftähnlicher Marktbindungen bei weitgehender Selbst-

verwaltungsautonomie berufsständisch organisierter Wirtschaftsgruppen anstreben wünschen nicht so sehr den Konsum gegen die Un-

vollkommenheiten einer freien Wettbewerbswirtschaft, als vielmehr die einmal vorhandenen Unternehmer gegen die Launen des Konsums und gegen die Schwankungen des Bedarfs zu schützen Die Bindungen denen nach dem Programm dieser Richtungen das Gewerbe unterworfen werden sollen sind nur ein technischer Umweg zur Beseitigung der Konsumfreiheit: Der Konsument ist es, der durch solche Maßnahmen an bestimmte Produzenten Verteiler und Produkte gebunden werden soll. a) Die Konsumtionsfreiheit (Freiheit der Einko m m e n s v e r w e n d u n g). Problematisch ist die Konsumtionsfreiheit aus zweierlei Gründen von denen der eine vornehmlich

kultur- und erziehungspolitischer, der andere mehr wirtschafts- und sozialpolitischer Art ist. In kulturpolitifcher Hinsicht besteht die Problematik des Prinzips der Konsumtionsfreiheit darin, daß es den ta t s ä ch lich e n B e d a rf le g a lis i e r t. D. h. eine Rechtsordnung, die grundsätzlich Konsumfreiheit gewährt, anerkennt damit den tatsächlichen Bedarf unzähliger Konsumenten als den vom Standpunkt der

Volksgemeinschaft wünschenswerten Bedarf. Gegen eine solche Unterstellung ist nun allerdings insoweit, als es sich um den lebensnotwendigen individuellen 110

M i nd e st b e d a r f (Wohnung, Kleidung, Nahrung, notwendigen Verkehr) handelt, nicht viel einzuwenden Und was den not-

wendigen und wünschenswerten Kollektivbedarf der politischen Gemeinschaft anbetrifft, so haben hier der Staat und die übrigen öffentlich-rechtlichen Verbände die Möglichkeit, diesen Konsum u n : mittelbar zu betätigen indem sie aus dem Einkommen der

Volksgenossen Steuern abzweigen und mit diesen Erträgen militärische Rüstungen soziale Einrichtungen Schulen usw. beschaffen und unterhalten Auch hier besteht dann Ubereinstimmung zwischen der Richtung des faktisch betätigten und des politisch gewollten Bedarfs. Soweit aber vom individuellen Mindestbedarf und dem von der politischen Führung unmittelbar zur Geltung gebrachten Ge-

meinschaftsbedarf die individuelle Kaufkraft nicht voll in Anspruch genommen wird, soweit also Kaufkraft zur Befriedung zus ätzlicher Individualbedürfnisse übrig bleibt — und dies ist in sehr großem Ausmaß der Fall —, insoweit ergibt sich die immerhin sehr ernst zu nehmende Frage, ob und mit welchem Grad

von Wahrscheinlichkeit noch unterstellt werden darf, daß der tatsächliche Bedarf auch der wünschbare Bedarf sei. Ist es zulässig, ist es mit unseren heutigen Auffassungen von der Bestimmung der einzelnen im Rahmen einer Volksgemeinschaft vereinbar, dem einzelnen die freie Bestimmung darüber zu überlassen wie er den-

jenigen Teil seiner Kaufkraft verwendet, der zur Befriedigung höherer Lebensbedürfnisse zur Verfügung steht? Wie wir auch immer diese Frage beantworten mögen: soviel steht jedenfalls ohne weiteres fest, nämlich daß es der Volksgemeinschaft nicht gleichgültig sein kann, wie diese Beträge von den Einzelnen verwendet werden. Und zwar ist die Volksgemeinschaft an zweierlei interessiert: einmal daran, daß nicht die gesamte zusätzliche

Kaufkraft zum Konsum verwendet, sondern daß ein m ö glichst g r o ß e r T e il g e s p a rt wird. Und zweitens daran, daß, soweit sie zum Konsum verwendet wird, dieser Konsum derart ist, daß-

er zur Lebens- und Kraftsteigerung der Gesamt-,g e m e i n s ch a ft b e i t r ä g t. Gesundheitsschädlicher, kulturwidri7 ger, die Sittlichkeit gefährdender, ja auch bloß gedankenloser und

nervöser Bedarf verdient vom Standpunkt der Gemeinschaft nicht« Förderung, sondern Bekämpfung Wenn nun die - politische Führung einer modernen Wirtschafts-111

nation trotz des dringlichen Interesses der Gemeinschaft an einem

vernünftigen Einsatz der zusätzlichen Jndividualkaufkraft wenig unternimmt, wenn sie sich einfach mit der Gewährung einer sehr

weitgehenden Konsumfreiheit begnügt, also etwa lediglich den Verkehr mit besonders gefährlichen und bedenklichen Gütern (Rauschgiften Waffen Schundliteratur usw.) verbietet oder einschränkt, im übrigen aber den Dingen ihren Lauf läßt, so ist keinerlei Gewähr dafür gegeben daß der einzelne die im Interesse der Gesamtheit gebotene Grenze zwischen Konsum und Spartätigkeit richtig zieht und daß er bei seinem Konsum aus freien Stücken die notwendige Rücksicht auf die höheren Gesichtspunkte nimmt, die hier von so

großer und allgemeiner Bedeutung sind. Wenn dem aber so ist, so erwächst daraus für die politische Gemeinschaft die Notwendigkeit,

aufdieEinkommensverwendung der VolksgenossenEinflu ß zu nehmen und durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die Neigung zum Sparen den erforderlichen Auftrieb und daß die rein individuelle Bedürfnisskala des einzelnen unter der Einwirkung des Gemeinschaftsgedankens eine Abänderung erfährt. Zum Behuf dieser Einflußnahme stehen (— theoretisch —) folgende Mittel zur Verfügung: Erstens Mittel, die u n m i t te l bar gegenüber dem Konsumenten angewendet werden, und zweitens Mittel, die sich an die Adresse des Erzeu-

g e r s u n d V e r t e i l e r s wenden, bei denen also der angestrebte Erfolg auf einem Umweg erzielt wird. Zu der ersten Gruppe gehören der Konsum- bzw. Sparzw an g und die unmittelbare psychologische Konsum b e e i n f l us s u n g , daneben außerdem die schon oben erwähnte Methode der B e st e u e r u n g (oder öffentlichen Sammlung), wobei dann der Staat oder eine sonstige Körperschaft des öffentlichen Rechts die abgezweigten Einkommensteile zur unmittelbaren Beschaffung und Verteilung der betreffenden Güter verwendet (Winterhilfe, nationale Feste, NS.-Gemein-

schaft »Kraft durch Freude«). Der Konsums bzw. Sparzw an g ist hierbei die einschneidenste Methode: Dein einzelnen wird durch Gesetz befohlen einen bestimmten Teil seines Einkommens in bestimmter Weise zu verwenden oder ihn zu sparen. Unmittelbar-er Konsumzwang findet sich heute kaum irgendwo; der Sparzwang

allerdings ist — wenn auch allerdings nicht im unmittelbaren Jnteresse der Kapitalbildung — auf dem Gebiete der Sozialversicherung 112

in ziemlich erheblichem Umfang ausgebildet. Ebenfalls Zwangscharakter weisen die an die Produzenten bzw. an die Verteiler gerichteten Gebote und Verbote auf, die im Interesse der Volksgesundheit oder der Sittlichkeit oder der öffentlichen Sicherheit oder der politischen Einheit oder des kulturellen Geschmacks die Erzeugung oder den Vertrieb gewisser Güter verbieten oder Erschwerungen unterwerfen oder einer Kontrolle unterstellen Man denke z. B. an das Arzneiwesen an die Vorschriften des Nahrungsmittelsgesetzes, des Schankstättengesetzes, an die Beschränkungen denen das sogenannte Vergnügungsgewerbe unterworfen ist, desgleichen

an die Uberwachung des Reklamewesens (Schutz der Landschaft, Verbot des Mißbrauchs nationaler Symbole) oder an die Zensur des Lichtspielgewerbes. Einer dritten Gruppe von bedarfslenkenden Maßnahmen kann man diejenigen beirechnen die auf dem Prin-

zip psychologischer, erziehender Einflußnahme a u f b est i m m t e G e w e r b e (Buchhandel, Musikalienhandel, Kunsthandel, Presse-, Theater- und Lichtspielwesen) beruhen Diese Gewerbe sind heute

in der Reichskulturkammer vereinigt und unmittelbar in den Dienst der Kulturförderung gestellt. Das weitaus wichtigste Mittel aber ist die unmittelbare psychologische Erziehung des

Ko ns um s se l bst. Diese Erziehung ist identisch mit der politischen Erziehung zur Volksgemeinschaft. Ihr Ziel ist eine Veredelung der Bedürfnisse unter tätiger Mitwirkung der Geführten selbst. Das Geheimnis und die Stärke aller erzieherischer, d. h. nicht

mit den Mitteln des unmittelbaren Befehls, sondern nur mit den Mitteln der Beeinflussung wirkender Maßnahmen beruht darin, daß die führende Tätigkeit von oben nach unten hier nur den Zweck verfolgt, die in einem Volk angelegten höheren und erhaltenden Neigungen und Bedürfnisse zu w e ck e n, d. h. aber einen s ch ö p f e rischen Prozeß von unten nach oben in Gang zu bringen. Ein weiterer, spezifisch wirtschaftspolitischer Vorteil dieser erzieherischen Beeinflussungsmethode besteht darin, daß sie sich mit

der Einrichtung der Konsumfreiheit wie der Pro-— duktions- und Verteilungsfreiheit aufs beste v e r tr ä g t, daß sie also auf den ganzen behördlichen und polizei-

lichen Apparat unmittelbarer Markteingriffe mit seinen unberechenbaren Reibungsverlusten und inneren Widerständen verzichten kann. Die Möglichkeiten die dem heutigen Staate im Bereich der B d· hin

8

113

Erziehung zu Gebote stehen, kommen somit auch der staatlichen Wirtschaftspolitik in höchstem Grade zugute. Denn erst dadurch wird die wirtschaftliche Führung instandgesetzt, sich der unschätzbaren Vorteile, die das mittelbare Marktlenkungssystem (Einsatz des Wettbewerbs) bietet, in umfassendem Ausmaß zu bedienen ohne be-

fürchten zu müssen daß der Einsatz dieser Methode zu jenen kulturellen Schadenswirkungen führt, die insbesondere von einer sich selbst überlassenen Konsumfreiheit auszugehen drohen Es bleibt nunmehr noch die spezifisch

wirtschafts-

und sozialpolitische Problematik der Konsumfreiheit zu erörtern Diese Problematik wird dadurch hervorgerufen, daß der faktische Bedarf des einzelnen von seiner K a u f k r a ft ab-

hängt, die Kaufkraft aber wiederum von seinem Einkommen Die geltende Wirtschaftsordnung aber sieht nicht nur eine, sondern mehrere Einkommensquellen vor (Arbeitseinkom-

men Unternehmergewinn, Kapitaleinkommen), und diese Einrichtung hat wiederum eine starke Einkommensverschieden-

heit zur Folge. Es ist dies eine Auswirkung der Eigentumsverfassung Der tatsächliche Konsum einer Volksgemeinschaft, die unter einer Wirtschaftsverfassung mit Eigentumsfreiheit und mehreren Einkommensquellen lebt, setzt sich somit aus dem K o n s u m v e r -

schieden begüterter Volksschichten zusammen; ein Teil der nationalen Produktion und Verteilung arbeitet überwiegend oder ausschließlich für die Befriedigung von Bedürfnissen wohlhabender oder reicher Volksgenossen Ein Staat, der sich diese Einkommensverschiedenheit in völlig unbehinderter und unbeeinflußter Konsumfreiheit ausleben läßt, setzt die Nation der G efahr

der Klassenentfremdung und des sozialen Unfriedens aus. Nun haben die Einrichtungen des Eigentums, des Erbrechts und der zusätzlichen Einkommensquellen aus Unternehmererfolg und Kapitaleinsatz, volkswirtschaftlich gesehen, für die Gesamtnation d. h. für die nationale Produktivität und Wohlstandssteigerung eine sehr g r o ß e u n d fö r d e r n d e Bedeutung Sie üben nämlich auf den einzelnen Volksgenossen einen starken Anreiz

aus, die seiner Herrschaftssphäre angehörenden Güter p f l e glich z u b e h a n d e l n, sie im Interesse seiner Nachkommen zu m e h r e n 114

(zu sp a r e n), durch privatwirtschaftliche Betätigung im Wege volkswirtschaftlich richtigen Verhaltens U n t e r n e h m e r g e winn e zu erzielen und durch Zur-Verfügung-Stellung von Geld und Sachgütern (S p a r e n im Gegensatz zu H o r t e n) für den

Produktions- und Verteilungsprozeß Z i n s e r t r ä g e (Kapitalrente) herauszuwirtschaften Der einzelne sieht sich zu diesem Behuf veranlaßt, die M ä r k t e zu b e o b a ch t e n, die Möglichkeiten zur Verwertung technischer Erfindungen und organisatorischer Verbesserungen abzutasten und seine unternehmerischen Fähigkeiten bzw.

seine Ersparnisse da einzusetzen wo sie tatsächlich jeweils am nötigsten gebraucht werden. Jnsofern kommt dem Privateigentum, dem

Erbrecht, der Einrichtung des Unternehmer- und Kapitaleinkommens eine wirtschaftspolitische Lockwirkung zu, die da, wo sie den Willen der einzelnen in die volkswirtschaftlich erwünschte Richtung lenkt, den wirtschaftslenkenden Staatsbefehl und marktsteuernde Reglementierungen überflüssig macht.

Diese nützlichen Wirkungen verblassen aber, sobald die Früchte aus Eigentum, Erbrecht, Unternehmertätigkeit und Kapitaleinsatz eingeheimst sind und nunmehr von den sozial bevorzugten Schichten in be-

trächtlichem Ausmaß k o n s u m t i v v e r w e n d et werden. Dieser konsumtive Einsatz von Reichtum ka n n der Kultur einer Nation in hohem Grade zugute kommen; irgendeine G e w ä h r dafür, daß er dies auch wirklich tut, besteht aber keineswegs. Sich e r dagegen ist eines, nämlich daß er die Verschiedenheit der Einkomm en der Volksgemeinschaft und insbesondere den unbegüterten

Schichten sehr nachhaltig zur Anschauung bringt. Nun wird aber nicht so sehr die Tatsache dieser Verschiedenheit als vielmehr ihr Ausmaß namentlich von solchen Teilen

des Volkes, die bei schwererer Arbeit in Not und Sorge leben als U n g e r e ch t i g k e it empfunden und ist auch, wenn man den Maßstab von Einsatz und Lohn ja selbst, wenn man den Maßstab von verursachender Wirkung am Erfolg anlegt, eine Ungerechtigkeit. Die Wirtschaftsverfassung bemißt ihre Entlohnungen weder nach dem Schweiß, der aufgewendet worden ist, noch nach dem Anteil, den die Arbeit der Gefolgschaftsleute, die Führungskunst des Unternehmers, der Kapitaleinsatz des Sparers

am Gesamterfolg gehabt hat, sondern sie bemißt sie einfach nach Maßgabe der volkswirtschaftlichen Dringlich115

keitderverschiedenen Funktionen Ungelernte Arbeit ist leicht zu haben; viel schwerer ist es schon, Eigentümer zu veranlassen ihr Hab und Gut der Wirtschaft datleheusweise Wtrauen wo es sehr leicht verlorengeheu oder zusammenschmelzeu kann,

imdamschwersteuistes,Leutezufiude-r,diebereitsiud,ohuejeden Rechtsanspruch auf festbemesseueu Zins, Gehalt und W timgihrerVermögeuseiulageueiuriskautesUuteruehmeuzuleiten odersichaueiuemsolchquutetuehmenzubeteiligen Danunaber die Volkswirtschaft unbedingt darauf angewiesen ist, daß alle diese Funktionen tatsächlich ausgeübt werden, so bleibt einer Wirtschaftsverfassuug die auf Sozialisietuug des Eigentums und auf Anordnung von direktem Zwang, soweit wie irgend möglich, verzichten will, nichts anderes übrig, als die Entgeltschaucen fiit jede einzelne Funktion so zu bemessen daß sie ihre psychologische Lockwirkung mit dem denkbar höchsten Zuverlässigkeitsgrad auszuüben vermögen Ein solches Entgeltssyftem gerecht zu nennen würde eiue etwas kühne Auslegung des Gerechtigkeitsbegriffs sein. DafüraberistesdnwoesiudemgewolltenSiuuefimktionieth iu hohem Grade praktisch und für das Wohl der Gesamtheit nützlich, da es immeuse Verwaltimgskosten spart und dem Volkswohlstaud zugute kommt. Es liegt mai im Interesse einer politischen Gemeinschaft, daß es gelingt, die sozial verstimmeuden und das Rechtsgefühl verleitendeu Wirkungen die ein solches Eirrkommeusvekteiluugssystem haben

kann, nach Möglichkeit zu überwinden oder doch abzuschwächen Die Maßnahmen, die zu diesem Behuf ergriffen werden, müssen indessen

io gewählt sein, daß sie das eivchvlogische Funktionieren des Sestems nicht beeinträchtigen- Das uächftliegeude und technisch bequemste Mittel, nämlich eine stark progressiv gestaffelte Einkommens- und Vermögenng hat sich als das schlechteste uud schädlichste erwiesen: Es legt das zuverlässige Arbeiten der Wirt-

lcheitMessvug lehrt, schürt-tm die Spartätigkeit (chitelbildvug) eilt- hcsk keine politisch etziehetische WWS Und zwingt die stack-

rsche Distichon-politik zi- versteckte-i Emgkiiieu aus«-ca Sappe-

tioueu usw.), die ohne ein solches Steuersystem nicht erforderlich sein würde-r Das Nebenemaudetbefteheu vou freier Wirtschafts-

orduuuguudeiuerFiuauzpolitEdiediehöhekenEiukouuueuuad Vermögen wogftieuett, ist geradezu ein Mustekbeifpiel sük politische 116

Inkonsequenz: Auf der einen Seite werden von der Wirtschaftsverfassung Einkommensquellen und Einkommenschancen zur Verfügung gestellt, die mit Vorbedacht so bemessen sind, daß die Gemeinschaft mit Zuverlässigkeit auf die freiwillige Ausübung aller notwendigen Funktionen rechnen kann, und auf der andern Seite werden von der Finanzpolitik die Nelationen zwischen diesen Einkommensquellen und Einkommenschancen so verschoben daß damit die Ab-

sicht der Wirtschaftsordnung wieder vereitelt wird. Auch hier erweist sich als das einzig wirksame und zugleich mit der Konstruktionsidee eder Wirtschaftsverfassung durchaus verträgliche Mittel die Methode derpsychologischen Beeinfluss ung. Die Lösung auch dieses Problems ist also wiederum eine

Frage derpolitischenErziehung. Der Satz,daß Eigentum und höheres Einkommen politische Verpflichtungen auferlegt, muß lebendige Nechtsüberzeugung werden: Ie mehr jemand verdient, je wohlhabender jemand ist, desto weniger hat er das Necht, sich bei der Verwendung seines Einkommens lediglich von den Gesichtspunkten eines Privatmanns leiten zu lassen. Er muß sich vielmehr

bewußt sein, daß die politische Gemeinschaft in hohem Grade daran interessiert ist, wie hohe Einkommen verwendet werden.

Dieses

öffentliche Interesse zielt nach zwei oder besser nach drei Nichtungen.

Erstens eignen sich hohe Einkommen von Natur in besonders hohem

Grade zur Kapitalbildung, d. h. es ist erwünscht und läßt sich auch relativ leicht verwirklichen daß ein möglichst großer Teil gespart und zur Finanzierung volkswirtschaftlich vorteilhafter Produktionsumwege der Nationalwirtschaft zur Verfügung gestellt wird. Diese Sparmoral gehört zu den Voraussetzungen einer wohlfunktionierenden freien Verkehrswirtschaftz aus diesem Grunde hat sich denn ja auch der klassische ,,Kapitalismus« in Gebieten mit puritanischer Lebensauffassung am erfolgreichsten entfaltet. Die Abkehr von dieser Haltung, d. h. die Hinwendung zu größerer Genußfreude der wirtschaftlich führenden Schichten ist vom Standpunkt einer freien Verkehrswirtschaft gesehen immer schon eine Auflockerungss erscheinung.

Zweitens ist es von allergrößter Wichtigkeit, daß ein weiterer

Teil der höheren Einkommen insbesondere der Unternehmergewinne, aus freien Stücken und in freier, schöpferischer Initiative zu 117

ZweckenderSozialpolitikeingesetztwird. Der Sinn einer solchen Einkommensverwendung besteht nicht darin, daß sich die vermögenden Schichten durch bestimmte Opfer zugunsten der Unbemittelten sozusagen von dem sozialen Odium loskaufen das auf den höheren Einkommen lastet. Ein solcher ,,Sozialismus des schlechten Gewissens« ist in politischer und charakterlicher Hinsicht für alle

Beteiligten, d. h. sowohl für die Gebenden wie für die Nehmenden verderblich und unwürdig; er hinterläßt einen peinlichen Eindruck. Es handelt sich hier überhaupt nicht so sehr um ein Opfer, um eine Verzichtende Rücksichtnahme auf die Empfindungen anderer, als vielmehr um die Lösung einer Führungsaufgabe von geschichtlicher

Großartigkeit, die von den unternehmerischen Führern der Betriebe in ihrer Eigenschaft als den Arbeitsbeauftragten der Volksgemein-

schaft mit jener höheren Glut von politischer Leidenschaft und Tatenlust in Angriff genommen werden muß, die ihre Befriedigung nicht im privaten Lebensgenuß, sondern in der öffentlichen Wirksamkeit und im Nuhm findet. Es gibt für Schichten die zur Führung berufen sind, keine größere Sünde als die, daß sie ihrer Zeit die Führung schuldig bleiben. Nicht mit Unrecht hat man es nicht nur dem Unternehmertum, sondern dem Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts schlechthin zum Vorwurf gemacht, daß es sich mit der Entfaltung privater und begrenzt berufstechnischer Tugenden be-

genügte, darüber hinaus aber den mächtigen politischen Atem durchaus vermissen ließ, ohne den sich führende Schichten nicht in der Führung zu behaupten Vermögen. Es genügt nicht, daß das Unter-

nehmertum seine wirtschaftlichen Funktionen vorbildlich erfüllt, darüber hinaus einen gewissen sozialen Gemeinsinn betätigt und sich sodann wenn diese seine Leistungen in der foentlichkeit nicht nach Gebühr gewürdigt, sondern Vielleicht sogar mit gehässigen Angriffen

und Abneigung beantwortet werden, gekränkt und verletzt in sich zurückzieht und sich nur noch im gesellschaftlichen Verkehr mit Leidensgenossen wohlfühlt. Ein solche Haltung, bei der sich berufliche Gewissenhaftigkeit mit politischer Passivität verbindet, reicht nicht aus, wo es gilt, geschichtliche Führungsaufgaben zu lösen. Hier muß ein höherer Ehrgeiz im Spiele sein, nämlich der Ehrgeiz, Stunde und Auftrag wahrzunehmen die Führung in großartigerem Sinne zu ergreifen sich zum aktiven Träger der Entwicklung zu machen und der Zeit das Gepräge zu geben. Nur mit einer solchen Haltung 118

können die Aufgaben gemeistert werden, die das Gesetz zum Schutz der nationalen Arbeit und neuerdings auch das Gesetz über Aktien-

gesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vor allem aber die gewerbliche Wirtschaftsverfassung selbst dem Unternehmertum stellen.

Der dritte Anspruch, den die Gemeinschaft an die Verwendung höherer Einkommen stellt, ist wesentlich kultureller Art und betrifft den eigentlichen Konsum der begüterten Schichten Die-

ser Konsum ist r e p r ä se n t a t i v für die Kultur eines Volkes, er soll daher in repräsentativem Geist, im Dienst der Pflege höherer

und edlerer Lebensgüter, im Dienst vor allem einer sorgfältigen Erziehung des Nachwuchses betätigt werden. Auch hier vermag Zwang nichts, Beispiel und freiwilliges Höherstecken der Ziele alles zu erreichen 15). b) D i e G e w e r b e f r e i h e i t. Weit weniger problematisch als die Einrichtung der Konsumtionsfreiheit (besser der Freiheit der

Verwendung der Einkommen) ist die Einrichtung der G e w e r b e freiheit. Ihr Sinn ist, die im produktiven Wirtschaftsprozeß

Beteiligten instand zu setzen in größtmöglicher Beweglichkeit dem Auftrag gerecht zu werden, den der tatsächliche Konsum ihnen stellt. Jst dieser tatsächliche Konsum Ausdruck eines gesteigerten und veredelten Lebenswillens der Gemeinschaft, so erweist sich die Gewerbefreiheit als höchst nützliche Einrichtung überall da, wo der Wettbewerb als Ordnungs- und Auslesemethode zureichend funktioniert. Gewerbefreiheit und Wettbewerb gehören zusammen; in dem Maße,

in dem die Voraussetzungen für ein tadelfreies Arbeiten des Wettbewerbs entfallen muß der Staat die gewerbliche Freiheit der Unternehmer beschränken Aber auch imNahmen einer wohlfunktionierenden Wettbewerbswirtschaft ist die Gewerbefreiheit mannigfacher Beschränkungen und

Korrekturen bedürftig. Namentlich da, wo der le tz t e K o n s u ment die Aufgabe des Schiedsrichters im Wettbewerb versieht, vermag der Wettbewerb seine Auslese- und Ordnungsfunktion nicht

zuverlässig zu erfüllen. Hier hat es sich vielmehr als notwendig erwiesen gewisse gewerbepolizeiliche Eingriffsbe15) Siehe hierzu die Ausführungen von Gerhard Weißen »Die Lehre von den öffentlichen und sogenannten gemeinnützigen Wirtschaften« im Finanzarchiv 1936, S. 93 ff.

119

helfe hilfsweise zur Verfügung zu stellen: obrigkeitliche Entsetnung unzuverlässiger Elemente, Abhängigmachen der Zulassung zu

bestimmten Gewerben von deni Nachweis persönlicher Zuverlässigkeit oder sachlich-beruflicher Vorbildung (Handwerk!) oder vom Nachweis eines Bedürfnisses (Schankgewerbe) oder von amtlicher Approbation oder Vereidigung. Diese Eingriffe stehen, wenn sie

vernünftig gehandhabt werden, n ich t im Widerspruch zu dem Ordnungsgedanken einer freien Verkehrswirtschaft, wie ein überspitzter wirtschaftlicher Liberalisnius so hartnäckig angenommen hat, sondern sind vielmehr notwendig, um die Durchführung dieser Ordnungsgrundsätze technisch zu ergänzen und zu vervollkommnen

Ein näheres Eingehen auf diese Frage erübrigt sich hier. Es sei an dieser Stelle auf den Beitrag ,,Wirtschaftsrecht einschließlich Gewerberecht« von Großmann-Doerth im Handbuch der Verwaltungsakademie Band Il, Gruppe 2, Nr. 36 verwiesen 3. Der Wettbewerb.

Von allen Rechtseinrichtungen der freien Verkehrswirtschaft ist der W e t t b e w e r b die wichtigste. Denn der Wettbewerb ist das

Instrument, mittels dessen die wirtschaftspolitische Führung die freien Märkte steuert. Der Wettbewerb versieht diese Funktion allerdings nicht allein, sondern in Verbindung mit einemhochentwickelten Tauschrecht» Für die Zwecke der folgenden Untersuchungen soll jedoch fürs erste unterstellt werden, daß ein Tauschrecht vorhanden ist, das allen Ansprüchen genügt. Ferner sei daran erinnert, daß wir noch eine zweite Unterstellung gemacht haben: wir setzten voraus, daß die natürlichen Vorbedingungen für das Zustandekommen eines tadelfrei arbeitenden Wettbewerbs gegeben seien Unsere Untersuchung beschränkt sich also lediglich auf die Untersuchung der Frage, was von seiten der Rechtsordnung zu tun ist, um den Wettbewerb zu einein zuverlässigen Instrument der staatlichen Wirt-

schaftsfühthg zu machenZu dieser Frage ist zunächst zu bemerken daß der Wettbewerb kein Naturereignis, sondern eine Veranstaltung der Rechtsor d n un g ist. So wenig von selbst ein geregeltes Fußballwettspiel entsteht, wenn man 22 Menschen einen Lederball übergibt und es ihnen überläßt, was sie mit ihm anfangen wollen so wenig ent120

steht ein zur planvollen Steuerung der Piärkte geeigneter gewerblicher Wettbewerb, wenn man Gewerbefreiheit herstellt und den befreiten Unternehmern sagt: Seht zu, wie ihr zu Gewinn kommt,

ohne mit dem Staatsanwalt in Konflikt zu geraten Als Veranstaltung der Rechtsordnung ist der Wettbewerb eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, so wie auch das Eigentum eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist. Mit diesem öffentlich-rechtlichen Charakter der Institution steht es keineswegs in Widerspruch, wenn der rechtliche S ch u tz der Beteiligten gegen rechtswidrigen Wettbewerb weitgehend ins private Recht

verlegt ist. Juristisch stellt der Wettbewerb ein vom Recht nicht nur veranstaltetes, sondern auch g e r e g e l t e s V e r f a h r e n dar. Dieses Verfahren wird den Wirtschaftenden z u r V e rfü g u n g gestellt, d. h. die Teilnahme an ihm ist — rechtlich gesehen — eine

fr e i w i l l i g e. Das erscheint bedenklich, wenn man berücksichtigt, wie wichtig es für den Staat ist, daß sich innerhalb des Bereichs der freien Verkehrswirtschaft alle freien Unternehmer, ohne Ausnahme, und alle Nachfragenden ebenfalls ohne Ausnahme, am Wettbewerb beteiligen Trotzdem kann unter normalen Verhält-

nissen eine Rechtsordnung ohne Sorge an dem Grundsatz der Freiwilligkeit festhalten und zwar deswegen weil, wenn auf einem Markte auch nur ein einziger von vielen Unternehmern die übrigen durch Leistungseinsatz, bzw. nur ein einziger von vielen Nachfragenden die übrigen durch Einsatz von Kaufkraft überbietet, alle anderen z w a n g s l ä u f i g in den Wettbewerb hineingezogen

werden, wenn sie nicht empfindlichen Schaden erleiden wollen Aus dem gleichen Grunde kann es die Rechtsordnung der freien Entschließung aller Beteiligten überlassen ob und in welchem Ausmaße sie

ihre

Leistungsenergie anspannen

wollen

Denn sie müssen sich aufs äußerste anspannen wenn auch nur ein einziger von ihnen den Ehrgeiz hat, ,,immer der Erste zu sein«. D a ß sich immer solche einzelne finden werden kann nach den Er-

fahrungen des Lebens ebenfalls ohne Gefahr erheblicher Enttäuschung angenommen werden. Eine Einschränkung ist hier allerdings zu machen: Die geschilderte psychologische Zwangsläufigkeit besteht nämlich nur unter der Voraussetzung, daß jeder Beteiligte seine Entschlüsse über Teil121

nahme und Maß der Anstrengung ohne kollegiale Fühlu n g n a h m e mit den Mitbewerbern faßt. Dagegen muß jedes auf Freiwilligkeit beruhende System versagen, sobald sich die Be-

teiligten in der Absicht vereinigen das System durch Nichtinanspruchnahme oder durch Nichtaufwendung der vom Recht gewollten Anstrengungen zu durchkr e u z e n und la h m z u l e g e n Solche solidarischen Durchkreu-

zungsmanöver pflegt man auf anderen Rechtsgebieten als S a b o ta g e oder K o ni p l ott zu bezeichnen und ist nicht geneigt, der-

gleichen durchgehen zu lassen Im Bereich der Wettbewerbswirtschaft dagegen hat man zu wohlwollenderen Bezeichnungen gegriffen wie Kartelle, Marktregelung, genossenschaftliche Selbsthilfe zum Behuf der Gesundung der Märkte, Kinder der Not usw. und ist diesen systemdurchkreuzenden Veranstaltungen nicht nur nicht ent-

gegengetreten, sondern hat ihnen unter verfassungswidriger Rechtsauslegung einen geradezu privilegierenden Schutz zuteil werden lassen und sie als die Träger einer höheren und fortschrittlichen Form der Wirtschaftsentwicklung gepriesen Tiber den Volkswirtschaftlichen Wert oder Unwert solcher den Wettbewerb in fühlbarem Ausmaß ausschließender oder abschwächender Vereinbarungen wird noch

abzuhandeln sein;

an dieser

Stelle sei lediglich festgestellt, daß sie im offe n e n W i derspruch zu dem Recht einer freien Verkehrsund Wettbewerbswirtschaft stehen Mag auch die Teilnahme am Wettbewerb und die äußerste Anspannung der Kräfte im Wettbewerb keine R e ch t s p f licht sein, so ist sie doch eine sozial- und wirtschaftspolitische Ehrenpflicht, genau wie das Wahlrecht.

Der isolierte Pflicht-

Vergessene oder Pflichtsäumige kann getrost den sehr empfindlichen t a t s ä ch lich e n Folgen seines Verhaltens

überlassen

werden.

Aber eine im gegenseitigen Einverständnis betätigte s olid aris ch e E n t h a l t u n g von der im Sinne des Verfahrens gebotenen Teilnahme darf eine Wettbewerbsordnung, der es um ihre Auto-

rität zu tun ist, nicht dulden Verbote und Strafandrohungen reichen hier zum Schutz des Systems nicht aus; vielmehr muß auch an dieser Stelle wieder die politische Erziehung einsetzen und

dafür sorgen, daß sich bei den Beteiligten die Rechtsüberzeugung befestigt, daß die Rücksicht auf das Wohl der Gemeinschaft die 122

Teilnahme eines jeden am Wettbewerb und die äußerste Anstrengung im Wettbewerb erfordert, es sei denn, daß die staatliche Rechtsordnung selbst eine Ausnahme vorsieht.

Unterstellen wir — es ist dies die dritte Unterstellung —- daß ein solcher Geist unter den Beteiligten Vorhanden sei, so ist trotzdem noch nicht damit zu rechnen daß der freie Wettbewerb zur Ordnung der Märkte führt. Denn der Kampf um den wirtschaftlichen Erfolgsanteil und um die wirtschaftliche Existenz könnte auch bei gewissenhafter Beobachtung der Strafgesetze und der sonstigen Normen zwingenden Rechts mit Mitteln geführt werden, die ganz offensichtlich nicht eine Steigerung, sondern eine Störung und Min-

derung der volkswirtschaftlichen Produktivität zur Folge haben müßten Wo die Unternehmer gegenseitig Werkspionage treiben sich Arbeitskräfte, Lieferanten und Kreditquellen abspeiistig machen wo sie mit Täuschung des Publikums, mit Einschüchterung, mit Schädigung der Geschäftsbeziehungen der andern arbeiten wo sie die feineren d. h. mit dem Buchstaben der Gesetze noch gerade in Einklang zu bringenden Faustrechtsmethoden anwenden da kann

keine Ordnung der Märkte, sondern nur ein wertezerstörender, chaotischer Wirtschaftskrieg aller gegen alle entstehen Aus diesem Grunde muß die Rechtsverfassung dem Wettbewerb eine Ordnung setzen d. h. sie muß darüber bestimmen, welche Eins ä tz e erlaubt sind und welche nicht. Eine solche Ordnung nennen wir auf dem Gebiete des Sports und des Spiels eine Spielreg e l, und sdieser Begriff kennzeichnet denn auch aufs genaueste

den Charakter jener Vorschriften die die Ordnung des gewerblichen Kampfverlaufs zu gewährleisten bestimmt sind. Die Spielregel des gewerblichen Wettbewerbs läßt nur einen einzig en Einsatz zu. Und zwar den Einsatz derjenigen Ber ufs t u g e n d, auf deren Gestaltung und Förderung es einer dyna-

mischen auf das Ziel der Produktivitätssteigerung abgestellten Wirtschaftsverfassung a l l e in ankommt, nämlich die echte und durch ehrliche Anstrengung erworbene e i g e n e g e w e r b l ich e L e i st u n g s k r a f t. Das oberste und einzige Rechtsprinzip der Wettbewerbsordnung ist das L e i st u n g s p r i n z i p.

Das Gebot, den wirtschaftlichen Wettbewerb allein mit dem Einsatz der eigenen gewerblichen Leistungskraft zu führen ist ein 123

Rechtssatz-, d. h. ein Gesetz i. S. von Art. 2 EGBGB. Ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip im Wettbewerb ist daher ein Verstoß gegen ein Gesetz. Die Generalklausel des Wettbewerbsgesetzes bringt mit ihrer Bezugnahme auf die guten Sitten diesen

konkreten Rechtsgedanken nicht unmittelbar zum Ausdruck, steht ihm andererseits aber auch nicht im Wege. Der wirtschaftliche Wettbewerb ist nicht ein Kampf Mann gegen Mann sondern ein W ettla uf, d. h. die Leistungskraft der Beteiligten wird nicht, wie etwa beim Duell, Ring- oder Boxkampf oder beim Krieg in aufeinanderprallender, sondern in paral-

le l e r Richtung eingesetzt; der Sieg darf nicht durch LI b e r w ä l —tig e n sondern nur durch U b e rf l ü g e l n des Gegners erfochten werden (Parallelkampf). A l l e im Wettbewerb aufgewendeten Anstrengungen auch diejenigen der weniger erfolgreichen Konkur-

renten sollen der Gesamtwirtschaft ungeschmälert zugutekommen; mit diesem Ziel würde ein Kampfrecht, das die unmittelbar schädigende Einwirkung der kämpferischen Leistungskraft des einen auf die Leistungskraft des anderen zuließe, nicht in Einklang stehen Der gewerbliche Wettbewerb hat in bezug auf das Prinzip des Einsatzes der Kampfmittel (parallel, nicht entgegengerichtet) und auf das Kampfziel (Qberflügelung, nicht Niederwerfung und Vernichtung des Gegners) gar keine Ähnlichkeit mit dem Krieg, mit dem er so oft irrigerweise verglichen wird, sondern steht auf einer Linie mit den organisierten Ausleseveranstaltungen, deren

Zweck das Messen die Ermittlung unsd die Förderung jeweils ganz bestimmt bezeichneter Eigenschaften ist, also etwa mit einem Preis-

ausschreiben Staatsexamen oder Sportwettkampf. Wenn dieser Auffassung entgegengehalten wird, der wirtschaftliche Kampf sei in Wirklichkeit nicht so regelhaft 16), so begegnen wir hier wiederum jener in der wirtschaftsrechtlichen Diskussion so über-

aus häufigen Verwechslung von Ordnung und Zustand, von Norm und Tatbestand, von Sein und Sollen Daß im praktischen Wirt-

schaftskampf in recht erheblichem Ausmaß gegen das Leistungsprinzip verstoßen wird, muß jeder Beobachter der Verhältnisse zugeben 16) Siehe Klug, ,,Wettbewerb und Monopolkampf, eine kritische Betrachtung« in »Der deutsche Okonomist«, 1934, u. a. S. 1007. »Heute aber weicht

die tatsächliche Wettbewerbswirtschaft von der Vorstellung eines ,,normalen« Wettbewerbs ab«.

124

Die wirtschaftsverfassungsrechtliche Betrachtungsweise hat sich in-

dessen nicht mit der Untersuchung und Beschreibung des tatsächlichen Wettbewerbs, sondern mit der Ermittlung und Ausdeutung der r e cht lich e n O r d n u n g zu befassen der der gewerbliche Wettbewerb zu unterstellen ist, wenn das Ziel erreicht werden soll, mittels Wettbewerb eine freie Verkehrswirtschaft zu ordnen Ob es gelingt, dieser rechtlichen Ordnung Autorität zu verschaffen und

ihren Geboten Gehorsam zu erzwingen kann nicht auf dem Papier, sondern nur durch den praktischen Versuch entschieden werden. Der

Hinweis auf die Erfahrungen der Vergangenheit ist nicht beweiskräftig, denn in der Vergangenheit ist erstens der Sinn der Wettbewerbsordnung weder von der Rechtsprechung noch von der Pri-

Vatwirtschaft selbst begriffen worden und hat es zweitens der Staat Verabsäumt, den Leistungsgedanken ausreichend zu sichern So bildete sich ein mangelhaft geordneter Wettbewerb heraus; ein Prozeß der Verdrängung des Rechts durch das Leben wie er überall da stattfindet, wo der Gegenspieler der an sich ordnungsindifferenten und widerspruchsvollen faktischen Abläufe des sozialen Lebens, nämlich das Re cht, bzw. die p olitis ch e I d e e unzulänglich repräsentiert ist. Das Recht und die politische Idee aber sind ebenfalls reale, auf den Ablauf des Geschehens nachhaltig einwirkende Lebensmächte, sobald ein Wille hinter ihnen steht, der entschlossen ist, ihnen die erforderliche Geltung zu verschaffen Die wissenschaftliche Forschung kann ihrerseits diesen Willen aktivieren, mindestens aber unterstützen indem sie erstens die technischen Möglichkeiten untersucht, die zum Behuf der autoritären Verwirklichung des Leistungsprinzips unter allen erdenklichen Wettbewerbskonstellationen zu Gebote stehen, und indem sie zweitens mit großem Nachdruck auf die volkswirtschaftliche Problematik eines rechtlich unzureichend geordneten Wettbewerbs hinweist: Diese Problematik aber besteht darin daß ein unzureichend geord-

neter Wettbewerb kein geeignetes Instrument zur Lenkung der Märkte mehr ist; einem solchen Wettbewerb kommt keine orientierende und willensbeugende Funktion im Sinne der Wirtschaftsordnung zu. Der Staat steht dann also vor der Wahl, entweder den Versuch zu machen die Autorität der Kampfregel gegen alle psychologischen und technischen Widerstände zum Siege zu führen oder

aber den betreffenden Markt aus dem Recht der freien Verkehrs125

wirtschaft herauszunehmen und seiner unmittelbaren Befehlsgewalt zu unterstellen Ein nicht ,,regelhafter« Wettbewerb hat jedenfalls keinen Daseinsanspruch im Rahmen einer Wirtschaftsverfassung, die Anspruch darauf erhebt, eine Ordnung der Wirtschaft zu sein. Der eigentliche Grund, warum sich das Gefühl so vieler Schriftsteller gegen einen Vergleich zwischen gewerblichem Wettbewerb und einer geordneten Ausleseveranstaltung, also etwa einem sportlichen Wettkampf, auflehnt und mehr geneigt ist, eine Parallele

zwischen Wettbewerb und Krieg anzunehmen, scheint aber der zu sein, daß sich ihr Blick vornehmlich auf eine Eigenart des wirtschaftlichen Wettbewerbs richtet, die tatsächlich eher an den Krieg als an den Sport denken läßt. Diese Eigenart aber besteht darin,

daß auf dem erfolglosen Wettbewerb eine ungemein schwere Strafe steht: der Verlust der gewerblichen Existenz. Aber dieser Verlust ist nicht — wie im

Kriege der Verlust des Lebens oder die Niederlage eines Heeres — die Folge einer vernichtenden Einwirkung der gegnerischen Kraft,

sondern die Folge mangelnder Bewährung in einem freiwillig gewählten Beruf oder aber die Folge davon daß die Volkswirtschaft dieser freiwillig gewählten Berufstätigkeit in einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bedarf. In dieser H ö h e d e s W e t t e i n s atzes aber, in der Ubernahme einer so großen Gefahr liegt gerade dieMoralderfreienVerkehrs-wirtschaft; sie ist das Äquivalent der Freiheit, der Erfolgschaneen und der schöpferischen Befriedigung, die eine so große Fülle von Bewegungsfreiheit bietet. Ein Unternehmertum, das, solange es gut geht, auf seine Freiheit pocht und jeden Staatseingriff weit von sich weist, im Augenblick der Existenzgefährdung aber nach Subventionen nach Zollschutz, nach staatlicher Preisstabilisierung, staatlichen Errichtungsverboten oder kartellmäßiger Marktregelung ruft, ver-

kennt seine Aufgabe und seinen Dienst. Für das Recht freilich liegt in der mitleidlosen Schärfe der Strafe für erfolglosen Wettbewerb eine Gefahr: Ertrinkende pflegen sich nicht mehr an Normen und Regeln zu kehren sondern greifen in der Verzweiflung nach jedem Mittel, das noch Rettung verspricht. Es wird unlauterer Wettbewerb getrieben es werden Verträge gebrochen unsd Geschäftsfreunde getäuscht, es werden Ver-

mögenswerte in rechtswidriger Weise vor dem Zugriff der Gläubiger 126

in Sicherheit gebracht. Aber auch dies ist kein Anlaß für den Staat,

an der Durchführbarkeit seiner Rechtsordnung zu verzweifeln sondern er wird umgekehrt diese Gefahrenquelle mit besonderer Aufmerksamkeit ins Auge fassen und seine Mittel entsprechend verstärken

Eine weitere Eigentümlichkeit des wirtschaftlichen Wettbewerbs ist es, daß der Wettbewerbserfolg von jedem Beteiligten u n mit telbar in Form von Gewinn oder Verlust, also in Form von Einkommen oder Vermögenseinbußen realisiert wird, ohne daß eine

autoritär-schiedsgerichtliche Instanz eingeschaltet wäre, die ihrerseits die Gewinne oder Verluste zuspricht. Der eigentliche Schiedsrichter im gewerblichen Wettbewerb ist nämlich der K u n d e; er entscheidet über Erfolg und Mißerfolg. Und zwar entscheidet er über den Erfolg in der Weise, daß er erstens einmal unter den mehreren Angeboten die Wahl trifft und die Leistung nur e in e s der zahlreichen Bewerber in Anspruch nimmt und daß er zweitens für diese Leistung einen P r e i s zahlt, der die K o st e n des Anbieters mindestens Voll vergütet, oder besser, der diejenigen Kosten mindestens voll vergütet, die der Anbieter aufwenden muß, um die gleiche Leistung zu reproduzieren Und über

den Mißerfolg wird in der Weise entschieden daß der Kunde entweder der Leistung eines anderen Anbieters den Vorzug gibt oder aber für die Leistung einen unauskömmlichen Preis zahlt. Ausschlaggebend für Erfolg und Mißerfolg im ganzen ist natürlich nicht die Entscheidung des einzelnen Kunden in bezug auf ein vereinzeltes Geschäft, sondern die Summierung unzähliger Kundenentscheidungen bei unzähligen Geschäftsabschlüssen Angesichts dieser technischen Regelung der Kampfentscheidung geht demnach das Rechtsgebot des Leistungsprinzips dahin: jeder Beteiligte hat nach den Grundsätzen einer soliden kaufmännischen

Kalkulation sein Angebot in jedem Einzelfalle so zu stellen daß es ein wahrheitsgetreuer Ausdruck seiner echten gewerblichen Leistungskraft ist, jedenfalls nicht eine höhere Leistungskraft vortäuscht, und dadurch den Kunden in die Lage zu versetzen eine gerechte Kampfentscheidung zu treffen Diese Wahrheitspflicht schuldet er nicht dem Kunden sondern se in e n M i t b e w e r b e r n und zwar kraft gesetzlichen Gebots aus dem Wettbewerbsverhältnis.

Die Entscheidung des Kunden ist, sofern die Bewerber die Kampf127

regel eingehalten haben, u nsw i d e r r u f l i ch, d. h. jedenfalls nicht von seiten der Bewerber mehr anfechtbar, wobei es gleichgültig ist, ob der Kunde nun tatsächlich dem Leistungsfähigsten die Siegespalme zuerteilt hat oder nicht. Die Möglichkeit fehlerhafter Kunden-

entscheidungen wird also von der Wettbewerbsordnung in Kauf genommen Hierin liegt zweifellos eine gewisse Konstruktionsschwäche der Kampfverfassung. Man wird sie wohl niemals völlig beheben können, swohl aber kann es gelingen, das Ausmaß der in ihr begrün-

deter Fehlerquelle im Wege der Kundenerziehiing auf ein gewisses technisches Minimum einzusdämmen Hat aber der Bewerber, mit dem es zum Abschluß gekommen ist, gegen die Kampfregel verstoßen so haben die o r d e n t l i ch e n G e r i ch te auf Anruf »der Mitbewerber das durch den Vorstoß gestörte kämpferische Erfolgsverhältnis zwischen den Beteiligten wieder herzustellen und zwar in der Weise, daß sie den unlauteren Wettbewerber zu einer entsprechenden Schadensersatzleistung an die regelwidrig Uberflügelten verurteilen Außerdem können solche Unterneh-

mer, die nachhaltig gegen die Wettbewerbsordnung verstoßen gleich-— gültig, ob mit Erfolg oder nicht, zur Unterlassung verurteilt und unter

bestimmten erschwerenden Umständen auch kriminell bestraft werden. Diese staatliche Hilfsstellung ist, wie schon früher erwähnt, eines wirksamen Ausbaus in hohem Grade bedürftig. Das reine Iustizverfahren reicht namentlich in Fällen des unlauteren P r e i s wettbewerbs nicht aus; hier kann nur der v e r w a l t u n g s -

mäßige Eingriff zum Ziele führen. Dies ist, in großen Zügen der rechtliche Aufbau des Wettbewerbs-

verfahrens. In seinen konstruktiven Grundideen ist er einleuchtend und verständlich; indessen birgt seine praktische Verwirklichung eine Fülle der schwierigsten Probleme. Es würde unmöglich sein, im Rahmen einer Arbeit wie der vorliegenden auch nur eine andeutende Ubersicht über die hier zu lösenden Fragen zu geben

Dagegen soll im folgenden immerhin auf zwei der wichtigsten wettbewerbsrechtlichen Einzelfragen mit einigen Worten eingegangen werden.

4. Wettbewerbsrechtliche Einzelfragen a) Die Grenzen der zulässigen Preisunterbiet u n g. Die technisch schwierigste Frage des gesamten Wettbewerbs128

rechts ist die Sicherung eines mit dem Leistungsprinzip in Einklang stehenden Preis wettbewerbs. Diese Frage ist· von der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in der Vergangenheit außerordentlich vernachlässigt worden. Hier zeigte sich am deutlichsten die Unsicherheit und Schwäche einer rechtlichen Einstellung, die lediglich mit dem Maßstab der guten Sitten an die Tatbestände des Wirtschaftskampfs herantritt. Diese Einstellung hat nämlich dazu geführt, daß für die Auffassung der meisten Iuristen die Preisstellung an sich etwas rechtlich und moralisch völlig Indifferentes ist: wie ein Unternehmer seine Preise festsetzt, das ist in ihren Augen ein Vorgang, dem gegenüber Recht und gute Sitte ungefähr die gleiche Haltung einnehmen wie etwa gegenüber dem Anzünden einer Zigarette.

Wie das Recht und die guten Sitten beim Vorgang des Rauchens erst in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn jemand während einer

feierlichen Veranstaltung, im Nichtraucherabteil, beim Betreten einer Luftschiffhalle oder einer Pulverfabrik raucht, so entstehen nach der herrschenden Lehre auch bei der Preisstellung rechtliche Probleme erst dann wenn zu dem Element der Preisforderung — das, wie gesagt, für sich allein nach herrschender Auffassung rechtlich und

sittlich völlig farb- und geruchlos ist — noch andere zu s ä tz lich e Tatbestandselemente hinzutreten, wie z. B. die A u s b e u t u n g

d e r N o t l a g e, des Leichtsinns und der Unerfahrenheit des Partners in Verbindung mit dem Merkmal des a uffä l l i g e n Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung (Wucher, § 138 Abs. 2 BGB.), oder die Tatsache, daß die Preisstellung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (Uberschreitung gesetzlicher Höchstpreise, Unterschreitung gesetzlicher Mindestpreise) oder eine V e r t r a g s v e r l e tz u n g darstellt (Unterbietung von Kartellpreisen durch die Kartellmitglieder), oder daß sich der Unterbietende durch G es e tz e s v e r l e tz u n g (z. B. untertarifliche Ent-

lohnung seiner Arbeiter) oder V e r t r a g s u n t r e u e (schlechte Kreditmoral) oder Ausnützung fremden Vertrags-— bruchs = (sog. Schwarzbezug preisgebundener Markenartikel von vertragsbrüchigen Grossisten) in d i e L a g e v e r s e tz t, u n t e r b i et e n zu kö n n e n Der Hinzutritt dieser zusätzlichen Tat-

bestandselemente bietet dem Iuristen die von ihm sehr geschätzte Möglichkeit, zu Preisen rechtlich Stellung zu nehmen, ohne in

eine wirtschaftliche Beurteilung »der PreiskalBöhni

9

129

kulation eintreten zu müssen Die Erfahrung hat indessen gezeigt, daß man mit dieser Viethode der rechtlichen Behand-

lung des Preisproblems bei der Beurteilung von Wettbewerbstats beständen n i cht a u s k o m m t. So tritt neuerdings immer mehr die Frage in den Vordergrund, wann und unter welchen Umständen

ein Verkauf unter Selbstkosten den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs erfüllt. Geht man vom strengen Leistungsgesichtspunkt aus, so muß man zu dem Ergebnis kommen, daß je d er Preis, der die Selbstkosten (oder Reproduktionskosten) nicht deckt, wettbewerbswidrig ist. Da nun aber die Höhe der Selbstkosten u. a. vom Umsatz abhängt, der Umsatz aber eine zukünftige Größe ist, die sich nur spekulativ schätzen läßt, somuß natürlich jede Preisstellung als wettbewerbsrechtlich korrekt

anerkannt werden der eine nach soliden kaufmännischen Grundsätzen vertretbare Zukunftserwartung zugrundeliegt. Der Nachweis, daß dies nicht der Fall war, läßt sich nun aber sehr schwer erbringen Hier zeigen sich also aufs neue-

technische Grenzen der Möglichkeit, das Leistungsprinzip rechtlich zu sichern Dies fällt insbesondere da ins Gewicht, wo ein Gewerbezweig vornehmlich mit Klein- und Zwergbetrieben besetzt ist, deren Inhaber ,,nicht kalkulieren können«. Die Abhilfe ist im Wege der Erziehung zur richtigen Kalkulation zu versuchen; hier bietet sich für die berufsständischen Organisationen ein lohnendes Betätigungsfeld. Freilich muß streng darauf gesehen werden, daß diese Organisationen nicht mechanische Kalkulationsschemata

propagieren deren Anwendung zu einer kartellähnlichen Marktpreismanipulation führen würde ""). überhaupt muß an dieser Stelle einmal ausgesprochen werden, daß es sich nicht empfiehlt, den be-

rufsständischen Organisationen irgendwelche marktpolitischen Erziehungsbefugnisse einzuräumen solange die Organisationen und-

ihre Träger selbst noch nicht marktpolitisch und wirtschaftspolitisch erzogen sind. Sonst entwickeln sich die Organisationen zu Exponenten einer ,,kalten« Kartellierung, die jener verderblichen Auslegung des Grundsatzes: ,,Gemeinnutz geht vor Eigennutz« huldigen die da lautet: Gemeininteresse der Brauche geht vor Eigeninteresse 17) Siehe Verordnung des Reichskommissars für Preisüberwachung zur Förderung selbständiger Kostenberechnungen in der Wirtschaft vom 15. Nov. 1934 (RGBl. I S. 1186).

130

der einzelnen Unternehmung. Diese Ausdeutung findet derjenige, der sich dafür interessiert, in Müllensiefen-Dörinkel »Das neue Kartell-, Zwangs- und Preisüberwachungsrecht«, 2. Aufl., Berlin 1934, S. 10 mit entwaffnender Unbefangenheit vertreten Entgegen dieser durchaus zu mißbilligenden Auffassung hat das Reichswirt-

schaftsministerium bisher an dem Grundsatz festgehalten daß sich berufsständische Organisationen der gewerblichen Wirtschaft jeder Art von marktregelnder Tätigkeit zu enthalten haben

Für das Wettbewerbsrecht kommen demnach nur Fälle vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Unterkostenpreisstellung in Betracht. Wie steht es damit? Kann überhaupt und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen die bewußte Verlustpreisstellung swettbewerbsrechtlich geduldet werden? Der nackte Tatbestand liegt hier jedenfalls so, daß der mit Verlustpreisen arbeitende Unternehmer durch Angebote, die eine höhere als die wirk-

lich vorhandene Leistungskraft vorspiegeln leistungsfähigeren Mitbewerbern Kunden wegnimmt. Er hat zwar von einem solchen Gebahren selbst Schaden; das ändert aber nichts an der Tatsache, daß er anderen mittels einer gegen das Leistungsprinzip verstoßen-

den Handlung ebenfalls Schaden zugefügt hat. Trotzdem muß das Wettbewerbsrecht auch bewußte Verlustpreisstellungen innerhalb bestimmter Grenzen zulassen

Würde die

Rechtsordnung diese Durchbrechung des strengen Leistungsprinzips nicht gestatten so würde die Folge sein, daß jeder Unternehmer bei sinkenden Marktpreisen in dem Augenblick seinen Betrieb schließen müßte, in dem er bei der Anpassung an die Marktpreise nicht mehr auf seine Kosten kommt. Diese Konsequenz des Leistungsprinzips aber liegt nicht im praktischen Interesse der Volkswirtschaft. Es muß vielmehr den Unternehmern die Möglichkeit belassen werden,

sich, solange Aussicht auf eine Besserung der Marktlage oder die Möglichkeit einer rationelleren Kostengestaltung noch besteht, auch

im Wege der Verlustpreisstellung noch im Markte zu halten. Entfallen freilich diese Möglichkeiten so muß die Einstellung der betreffenden gewerblichen Tätigkeit, mindestens aber die Unterlassung fernerer Verlustpreisstellung (— was praktisch auf das gleiche hinauskommt —) verlangt werden. Schon aus dem Grunde, weil im Augenblick festgestellter Hoffnungslosigkeit durch jeden weiteren VerlustverkaufGläubigerinteressenundInteressen desSteuer131

fis k u s in Mitleidenschaft gezogen werden. Die VO. über Wettbewerb vom 21. 12. 1934 bestimmt denn auch, daß Unternehmer, die nach längerer Verlustpreisperiode in Konkurs gehen und nicht in der Lage sind, ihre Gläubiger zu befriedigen und Steuerrückstände zu zahlen mit einer Kriminalstrafe zu belegen sind. Diese Verordnung dürfte, obwohl sie den Tatbestand des unlauteren Verlustpreiswettbewerbs noch unvollkommen faßt, von großer Bedeutung für die künftige Rechtsentwicklung sein. Daß sie, als Strafgesetz, den Tatbestand eng faßt, ist einleuchtend: Die Tatsache, daß der Konkurs eingetreten ist, macht den Nachweis, daß das Unternehmen seine Verlustpreisstellung zu lange fortgesetzt hat, überflüssig; nach der Durchführung des Konkursverfahrens besteht ferner auch volle

Klarheit darüber, ob der Steuerfiskus oder Privatgläubiger zu Schaden gekommen sind. Die Beweislage ist also denkbar einfach. Die hauptsächlichste Bedeutung der Verordnung liegt aber darin,

daß hier zum erstenmal in maßgeblicher Weise die Durchführung einer Verlustpreispolitik unter Gefährdung von Gläubigeransprüchen und unter Verletzung von Steuerpflichten als ein Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs festgestellt w o r d e n i st. Die Wettbewerbsrechtsprechung der Z i v i l g e richte ist nun aber, seitdem der Grundsatz als solcher einmal ausgesprochen und gesetzlich niedergelegt worden ist, keineswegs an die nur für die strafrechtliche Beurteilung maßgebenden weiteren Tatbestandseinschränkungen (Eintritt des Konkurses, tatsächlicher Ausfall von Gläubigern) der Verordnung gebunden Sie ist vielmehr in der Lage, den gesetzgeberischen Grundgedanken weiterzuentwickeln und z. B. auch solche Unternehmungen zur Unterlassung oder zur

Schadensersatzleistung zu verurteilen die einen lang andauernden Verlustpreiswettbewerb auf dem einen Markt mit Betriebsgewinnen finanzieren die sie auf einem andern erzielen

Die ge-

rechte Durchführung des Leistungsprinzips erfordert, daß die Preise für jede einzelne Gattung von Leistungen solid kalkuliert werden, daß also eine Verlustpreisstellung bei einer einzelnen Gattung dann als unlauterer Wettbewerb angesprochen wird, wenn sie einen nur

auf diese Gattung spezialisierten Gewerbebetrieb zum Konkurs treiben würde.

Besonders schwierig ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des 132

Verlustpreiswettbewerbs da, wo auf dem gleichen Markte kapitalintensive Betriebe mit hohen fixen Kosten mit arbeitsintensiven Mittelund Kleinbetrieben konkurrieren. Hier liegen die Dinge häufig so, daß der kapitalintensive Betrieb nur bei Vollbeschäftigung der leistungsfähigere ist, bei absinkender Beschäftigung aber mit wesentlich höheren Kosten arbeitet als seine technisch weniger hochgerüsteten Konkurrenten Handelt es sich nun wie etwa bei der Zementindustrie,

um eine saisonempfindliche Produktion, so erweisen sich die arbeitsintensiven Betriebe infolge ihrer besseren Anpassungsfähigkeit an wechselnde Beschäftigungslagen auf lange Sicht gesehen sehr oft als die wirtschaftlich überlegene Unternehmungsform.

Würde es

gelingen, hier das Leistungsprinzip streng durchzuführen so würden sich also die arbeitsintensiveren Betriebsformen durchsetzen und die kapitalintensiven Großbetriebe sich aus dem Produktionszweig zurückziehen müssen In Wirklichkeit aber pflegen die Großbetriebe (auch bei Fortdauer der freien Konkurrenz) auf dem Markt zu bleiben, und zwar deshalb, weil sie im Falle ihres finanziellen Zusam-

menbruchs von Erwerben fortgeführt werden, die das Unternehmen zu einem Preise übernommen haben, bei dessen Bemessung die stehenden Anlagen praktisch mehr oder weniger vollständig abgeschrieben

sind. Für den neuen Unternehmer entfallen nun also die fixen Kosten sehr weitgehend; er kann deshalb zu sehr billigen Preisen noch mit Gewinn arbeiten Diese Preisstellung entspricht nun aber nicht dem Leistungsprinzip, denn sie ersetzt nicht die Kosten, die aufgewendet werden mußten um die Anlagen nach ihrer Abnützung zu

erneuern Es entsteht auf dem betreffenden Markte, solange sich ein solches Unternehmen noch am Wettbewerb beteiligt, ein Ausnahmezustand, der etwa einem über Iahre sich hinziehenden Ausverkauf ent-

spricht, und der den übrigen an sich leistungsfähigen Unternehmungen ein normales Arbeiten unmöglich macht. Eine einzige Kapitalfehls leitung beraubt also, weil sie nicht mit der erforderlichen Radikalis tät und Härte liquidiert worden ist, den Wettbewerb auf diesem Markt vielleicht noch jahrzehntelang seiner orientierenden und wirtschaftsordnenden Funktion Die Rentabilitätslage der beteiligten Betriebe vermittelt ein durchaus unzutreffendes Bild von ihrer

wirklichen Leistungsfähigkeit; sie schreckt leistungsfähige Betriebsformen ab und verleitet zu neuen Fehlinvestitionen Auf der andern Seite aber würde der Zwang zur Verschrottung der Anlagen 133

des störenden Unternehmens, der die Folge einer strengen Durchführung des Leistungsprinzips sein würde, die Volkswirtschaft des Vorteils berauben sich die technische Produktionskraft eines großen, nun eben einmal doch vorhandenen Betriebs zunutze zu machen solange er noch genutzt werden kann.

Bei richtiger rechtlicher Konstruktion müßte die Wirtschaftsordnung einen Fall wie diesen etwa so regeln daß sie zunächst einmal

die Unverträglichkeit der Fortführung eines solchen Betriebs mit dem Leistungspinzip mit größter Entschiedenheit klarstellte, daneben aber der wirtschaftspolitischen Führung das Recht einräumt, die Fortführung des Betriebs trotzdem anzuordnen und zu überwachen Macht die Führung von diesem Recht Gebrauch, dann ist die Wettbewerbsordnung auf dem in Frage kommenden Markt suspendiert; er untersteht dem marktsteuernden Befehl des Staats, der in diesem Fall für eine angemessene Schonung der übrigen Betriebe zu sorgen und durch ein Verbot der Neuerrichtung von Großbe-

triebsformen die Uberleitung des Markts in die Wettbewerbswirtschaft nach erfolgter Abnützung der Anlagen des fortgeführten Betriebs vorzubereiten hat.

Z. Die suggestive Reklame bei Massenvertrieb von Konsumgütern Ein erlaubtes und unerläßliches Mittel des Leistungswettbewerbs ist die anständige Werbung. Es ist ihr Zweck, die Aufmerksamkeit

des Verkehrs auf die Leistungen der konkurrierenden Unternehmer zu lenken und ihre Vorzüge ins Licht zu rücken Wirksame Werbung hat daneben in der Regel noch die Wirkung, daß sie Bedarf weckt, der ursprünglich-vom Bedürfnis der Nachfragenden her gesehen—— nicht vorhanden war. Die Unternehmer rechnen mit dieser Wirkung; sie wollen das Publikum zur Beschaffung dieser Güter an-

regen Diese Art von bedarfsermunternder Reklame war lange Zeit das Privileg des Einzelhandels (Schaufensterreklame, Sonderveranstals tungen Inserate) und des Vergnügungsgewerbes. Im Grunde ent-

hält sie schon eine Uberschreitung der unternehmerischen Zuständigkeit, denn die Wirtschaft hat eine rein dienende Aufgabe: sie soll

Bedarf, der von außen an sie herangetragen wird und ohne ihr Zutun zustandegekommen ist, befriedigen, aber nicht selbst Bedarf er134

zeugen, um ihre Leistungen an den Mann zu bringen. Nun würde

es natürlich ein vergebliches und auch törichtes Bemühen sein, wollte man versuchen die bedarfsanreizende Wirkung, die jeder Konsumentenwerbung nun eben einmal anhaftet, in pedantischer Weise zu unterbinden

In ein ganz anderes und sehr viel problematischeres Stadium ist aber die Frage des bedarfserweckenden Reklamewettbewerbs getreten seitdem große Produktionsunternehmungen dazu übergegangen

sind, unter Umgehung der einzelhändlerischen Werbung unmittelbar Konsumentenreklame

in monumentalem Aus-

maß zu treiben Die Suggestionswirkung, die von dieser Großreklame ausgeht, ist eine Massenwirkung; es wird hier den breitesten Volksschichten Bedarf —- meist nach Gütern des Massenluxus — eingeredet mit einer Intensität und Breitenwirkung, die das natürliche, von der Wirtschaftsordnung vorausgesetzte Verhältnis

vom produktionslenkenden Bedarf und dem Bedarf dienender Produktion umkehrt und die Produktion zum Herrn des Bedarfs

macht. Dem Staat kann die Macht, die hier von einzelnen Rechtsgenossen durch psychologische Massenbeeinflussung auf die Richtung des Bedarfs, auf Geschmack und Kultur breiter Schichten ausgeübt wird, nicht gleichgültig sein. Man könnte die Ansicht vertreten, daß hier das wettbewerbsrechtliche Leistungsprinzip nicht mehr gewahrt ist, und einer Rechtsauslegung das Wort reden die auf eine Unterbindung oder doch auch auf eine sehr erhebliche Abschwächung der Werbung mittels

Massensuggestion abzielt. Eine solche Auffassung aber, die den ordentlichen Gerichten die Zensur über die Werbepolitik von Großunternehmungen einräumt und zumutet, würde nicht von Erfolg gekrönt werden. Und zwar schon deshalb nicht, weil im Kampfe

zwischen Rechtsprechung und den sich dann entwickelnden neuen und verfeinerten Methoden der Massenwerbung die Rechtsprechung notwendig unterliegen müßte. Sehr viel praktischer ist die Lösung, die das Gesetz über die Wirtschaftswerbung vom 12. 9. 1933 gefun-

den hat, das das gesamte Werbewesen der K ontrolle einer p o l it i s ch e n I n st a n z, des Werberats der deutschen Wirtschaft unter der Oberaufsicht des Reichspropagandaministeriums unter Beteiligung des Reichswirtschaftsministeriums unterstellt. Denn die Massenreklame ist in der Tat ein politisches, und zwar nicht nur 135

ein wirtschaftspolitisches, sondern auch ein kultur- und staatspolitisches Problem. Auch hier wird vor allem das Mittel der politischen Erziehung einzusetzen sein, und zwar sowohl in der Richttung auf die Produktion wie in der Richtung auf den Konsum. Es muß ein Ziel der Volkserziehung sein, die Volksgenossen gegen

massenpsychologische Beeinflussung nach Möglichkeit zu immunisieren die selbständige Urteilskraft in den einzelnen zu stärken und sie über die Tragweite der Entscheidung bezüglich der Einkommensverwendung aufzuklären

In wirtschaftspolitischer und wirtschaftsverfassungsrechtlicher Hinsicht steht übrigens ein viel wirksameres Mittel zur Eindämmung der Massenreklame zu Gebote, als es selbst die Zensur der Wer-

bung ist. Nämlich die Beseitigung der Markenpreis-b i n d u n g. Hiervon wird noch die Rede sein. 6. Einzelfragen des Tausch- und Gesellschafts-s rechts.

Neben der Pflege des Wettbewerbsrechts kommt der Pflege eines verkehrsfördernden zweckmäßigen und auf gerechter Jnteressenabwä-gung gegründeten T a us ch r e ch t s die größte Bedeutung zu. Rechtspolitisch ist diese Frage allerdings deshalb bei weitem nicht« so dringlich wie die Frage der Erneuerung und Vertiefung des

Wettbewerbsrechts, weil hier Jahrtausende an der Ausbildung einesgeschmeidigen auf dem Prinzip der Tauschgerechtigkeit beruhenden Zivilrechts gearbeitet und ein selbst den gesteigerten Ansprüchen des modernen Wirtschaftsverkehrs sehr weitgehend genügendes Jnstrument der Marktordnung geschaffen haben

Dagegen haben sich auf E i n z e l g e b i et e n Rechtsentwicklungen angebahnt, die als problematisch und bedenklich bezeichnet werden müssen Es seien nur die wichtigsten erwähnt: 1. Das Recht der Formularbedingungen;2. das Recht der Sicherungsübereignung, der Sicherungszession und des Ver-

kaufs unter Eigentumsvorbehalt und 3. das Verbandsschiedsgerichtswesen Jm Bereich des Gesellschaftsrechts ist noch immer das Recht der Kapitalgesellschaften ein Gegenstand der Sorge. Nachdem neuerdings ein neues A k t i e n g es e tz, das die Form der Aktiengesellschaft für sehr große Unternehmungen vorbe136

hält, erlassen worden ist, dürfte nunmehr das Recht d er G es. m. b. H. in den Vordergrund des Interesses rücken da zu vermuten

ist, daß sich die Wirtschaft dieser rechtspolitisch höchst problemati-

schen Gesellschaftsform in verstärktem Ausmaß zuwenden wird.

Schließlich sei noch das V e r g le ich s r e cht erwähnt, das mit seiner Auflockerung des strengen Konkursrechtsgedankens dem tadelfreien Funktionieren der freien Verkehrswirtschaft zweifellos Abbruch getan hat.

·

Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Arbeit auf die erwähnten Fragen einzugehen Sie werden jedoch in Einzeldarstellungen der

Schriftenreihe eine eingehende Untersuchung erfahren 7. Die Unterstützung der Ordnung der freien Verkehrswirtschaft durch die staatliche Währungs-undKreditpolitik. Nichts hat den Glauben an die wirtschaftspolitische Brauchbarkeit der freien Wirtschaftsordnung und an die marktorganisierende Kraft des Wettbewerbs so sehr erschüttert wie die großen Krisen von denen die moderne Verkehrswirtschaft seit der Einführung freier Wirtschaftsverfassungen in gewissen Abständen heimgesucht worden

ist. Jn diesen Krisen sind jeweils auch sehr gut geleitete und leistungsfähige Unternehmungen zusammengebrochen es sind in großem Ausmaße volkswirtschaftliche Werte vernichtet worden, deren Vernichtung — auf lange Sicht gesehen — nicht notwendig gewesen wäre.

Die Beschäftigung mit dem Krisenproblem, sei es nun mit der Ursache der Krisen als einer immer wiederkehrenden Erscheinung überhaupt, sei es mit den konkreten Ursachen einzelner historischer

Krisen sowie mit den Möglichkeiten einer wirksamen Abhilfe hat die Aufmerksamkeit der Wirtschaftswissenschaft schon bald auf die Bedeutung der G e l d s e i t e des allgemeinen Wirtschaftsprozesses gelenkt. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit, die zunächst eine Geldinflation allergrößten Ausmaßes, verbunden mit einer Scheinkonjunktur, und später eine Deflationsperiode, verbunden mit einer Massenarbeitslosigkeit von noch nicht erlebtem Ausmaß mit sich gebracht hat, hat die Bedeutung der Währungs- und Kreditpolitik

für das Funktionieren einer freien Wirtschaft vor aller Augen offenbar gemacht. 137

In der Tat bedarf die Ordnung der freien Verkehrswirtschaft, wenn sie sich als Ordnung bewähren soll, der Unterstützung durch eine vorausschauende und grundsatzgetreue Geldpolitik in allerhöchstem Maße. Ohne diese Unterstützung führt der Wettbewerb, selbst bei vollkommenster rechtstechnischer Ausgestaltung, weder zur Auslese der Leistungsfähigsten noch zu einer stetig sich steigernden

Produktivität der Gesamtwirtschaft. Die Aufgaben, die hier zu lösen sind, und die Zusammenhänge zwischen Währungsverfassung, Kreditpolitik und Gesamtwirtschaftsverfassung sind in den Beiträgen von Friedrich Lutz »Das Grundproblem der Geldverfassung« und Hans Gestrich ,,Neue Kreditpolitik«, Heft 2 und 3 der Schriftenreihe aufgezeigt. C. Das Kartellproblein 1. Die Problematik des Markteinflusses Der Anwendbarkeit der Wettbewerbsordnung sind Grenzen gesetzt durch die tatsächlichen Marktverhältnisse. Es gibt, wie schon an

anderer Stelle hervorgehoben wurde, Marktkonstellationen bei deren Vorliegen die Konkurrenz nicht zur Ordnung führt. Dies ist immer dann der Fall, wenn auf einer Marktseite (oder auf beiden) Unternehmungen oder Großabnehmer vorhanden sind, die einen so großen Teil des Angebots oder der Nachfrage in ihrer Hand vereinigen daß ihr Marktverhalten die Marktlage, insbesondere die

Marktpreisbildung fühlbar beeinflußt. Sobald ein derartiger Markteinfluß einzelner Anbieter oder Abnehmer gegeben ist, entsteht eine Lage, die von der Wirtschaftsverfassung in Betracht zu ziehen ist und einer besonderen Regelung bedarf. Ihre Eigenart liegt in folgendem: Solange sich der Wettbewerb einwandfrei vollzieht, spielen sich die

Marktpreise und Marktbedingungen unter der Einwirkung eines einheitlichen von der Wirtschaftsordnung vorgesehenen und geregelten V e r f a h r e n s ein. Obwohl alle Marktbeteiligten in diesem Verfahren mitwirken so hat doch ihr Wille keinen Einfluß auf die Marktpreise, die sein Ergebnis sind. Ia, ihre Teilnahme am

Wettbewerb hat sogar stets — und zwar je lebhafter sie ist, um so

mehr — eine Wirkung auf den Preis, die derjenigen entgegengesetzt ist, die sie sich erstreben Der Anbieter wünscht hohe Preise; 138

indem er im Wettbewerb seine Leistungskraft anspannt, trägt er jedoch dazu bei, daß die Preise sinken Der Abnehmer wiederum ist an billigen Preisen interessiert; sobald er aber im Wettbewerb mit anderen Abnehmern bei der Nachfrage nach bestimmten Gütern seine Kaufkraft einsetzt, betätigt er ein Verhalten das geeignet ist, die Preise hinaufzuschrauben Die Tatsache, daß die Konkurrenz auf beiden Marktseiten stattfindet, wobei sich jede der anderen gegenüber im Entgegenkommen überbietet, hat die Wirkung, daß sich zwischen den Ergebnissen des Angebots- und des Nachfragewettbewerbs ein Gleichgewicht einpendelt, daß also ein Preisniveau entsteht, das

für jeden Beteiligten in jedem Augenblick S ch i cks al ist wie etwa das Wetter oder Ebbe und Flut. Die beteiligten Unternehmer und Nachfragenden haben diese Preise und Bedingungen hinzunehmen; sie sind an ihrem Zustandekommen sozusagen nur in sehr unbedeutendem Grade beteiligt, ihr Wille hat keinen Einfluß darauf. Die einzige Möglichkeit für den Einzelnen wirtschaftliche Erfolge zu erzielen besteht darin, daß er sich im Wege günstiger Kostengestaltung, d. h. aber durch Fleiß, Geschicklichkeit und Leistung einen Vorsprung vor dem Grenzbetrieb sichert. In einer ordnungsgemäß ablaufenden Wettbewerbswirtschaft gibt es also n ur Differenzialgewinne: Der Unternehmer hat nur Einfluß auf die Kostengestaltung, nicht auf den Preis; der Preis ist für ihn Schicksal. Da somit nur der eine der beiden Faktoren (Preis und Kosten), von deren Verhältnis zueinander Gewinn oder Verlust bestimmt werden, der willensmäßigen Einwirkung des Unternehmers zugänglich ist, so wird durch die Wettbewerbsordnung die ganze unternehmerische

Energie und Initiative auf die Kostenbeeinflussung hingelenkt: Eben dies aber ist die Absicht und der politische Sinn der Wettbewerbsverfassung; in dem Einsatz dieser psychologischen Nötigung beruht ihr ganzes Geheimnis.

Die Berechnung des Gesetzgebers wird daher durchkreuzt und zunichtegemacht, sobald es auch nur einem einzigen Marktbeteiligten gelingt, Einfluß auf den a n d e r e n Faktor, nämlich den P r e i s fa k t o r zu gewinnen. Jst dieser Beteiligte ein Unternehmer (Aubieter), so hat er nunmehr zwei Hebel in der Hand, mittels deren er seinen Gewinn vergrößern kann: Herabsetzung der Kosten un d Heraufsetzung der Preise. Von seinem Standpunkt aus gesehen hat die Bedienung des zweiten Hebels einen unschätzbaren 139

Vorzug: sie erfordert nicht die mindeste Anstrengung, nicht das min-

deste Opfer. Jst der Beteiligte ein Abnehmer, der zuvor überhaupt keinen Hebel hatte, sondern nur vor der Wahl stand, zu den gegebenen Marktpreisen entweder zu kaufen oder nicht zu kaufen bzw. mehr

oder weniger zu kaufen so wird er dadurch, daß er Zutritt zum Preishebel erhält, in die Lage versetzt, billiger und infolgedessen wenn er will, mehr kaufen zu können, als er bei allseitig freier Konkurrenz zu kaufen imstande sein würde.

Macht ein Beteiligter von der ihm zugefallenen Möglichkeit der Preisbeeinflussung Gebrauch — und es müßte seltsam zugehen wenn er dies nicht versuchte — so ist der Vorteil, den er dadurch er-

zielt,nichtdurch Einsatz von Leistung,sondern durch Einsatz von Macht erworben Und zwar ist er aus fremde K o st e n erworben Dadurch aber wird zunächst einmal das V e r -

te i l u n g s s y st e m der freien Verkehrswirtschaft durchbrochen: Bei einwandfrei ablaufendem Wettbewerb wird E in k o m m e n nur aus Funktionen verdient; der Besitzer von Markteinfluß aber vermehrt sein Einkommen a u f K o st e n a n d e r e r E i n k o m m e n er nimmt kurzerhand fremde Einkommensteile weg,

und zwar auf Grund keines anderen Erwerbstitels als der nackten Tatsache, daß er dazu machtmäßig in der Lage ist. Dieser faustrechtmäßige Sachverhalt würde schon für sich allein das Eingreifen des Gesetzgebers nicht nur rechtfertigen sondern gebieterisch erfordern Es kommt aber noch dazu, daß die Gewinnerzielung aus Macht,

auch wenn sie nur an einer einzigen Stelle der Wirtschaft vorkommt, sowohl auf dem betreffenden Markt als auch — in unberechenbarer Fernwirkung auf anderen Märkten — die u n t e r r i ch te n d e und willenslenkende Funktion des freien Marktp r e i s e s ganz entscheidend lahmlegt. Die sachlich vernünftige

Handhabung des Kosten- bzw. Leistungshebels sichert dann denjenigen Unternehmern anderer Wirtschaftszweige, denen der Monopolist Kaufkraft wegnimmt, oder die durch den Preisdruck eines monopolistischen Abnehmers um ihren Gewinn gebracht werden, nicht mehr den verdienten Vorsprung vor dem« Grenzbetrieb und bringt Grenzbetriebe, die sich bei geordneter Konkurrenz gerade noch behaupten könnten, zum Erliegen Es entsteht ein falsches Rentabilitätsbild mit der Wirkung, daß echter Leistungswille abgeschreckt und die unternehmerische Energie in die Richtung des Wunsches 140

nach Machterwerb abgelenkt wird. Die Folge ist, daß das privatwirtschaftliche Ertragsftreben nicht mehr mit der gleichen Zuverlässigkeit an der volkswirtschaftlichen Produktionssteigerung inter-

essiert ist. Wo der Erfolg auch ohne produktive Anstrengung zu haben ist und wo produktive Anstrengung nicht mehr auf Erfolg rechnen kann, da versagt der Segen der wirtschaftlichen Freiheit.

Dies ist der zweite und wichtigere Grund, der die wirtschaftspolitische Staatsführung zum Eingriff in die Marktfreiheit zwingt. Sobald also an irgendeiner Stelle der Wirtschaft der Wettbewerb versagt, sieht sich der Staat vor die Notwendigkeit gestellt, den privaten Einfluß auf den Preishebel unverzüglich zu annullieren und

dafür zu sorgen, daß die Marktpreise ihre produktivitätsanregende, unterrichtende und willenslenkende Funktion wieder gewinnen und

daß das von der Wirtschaftsordnung vorgesehenen System der Einkommensverteilung wieder hergestellt wird. Die Marktpreise sind Instrumente der Wirtschaftsordnung und infolgedessen wirtschaftspolitischeEinrichtungen öffentlich-rechtl i ch e n C h a r a k t e r s. Im Rahmen des Marktpreissystems mag der Einzelne seine Preise bemessen wie er will; macht er es falsch, so wird er die Folgen schon spüren Aber an die Marktpreisgestaltung selbst darf die Wirtschaftsordnung private Hände nicht rühren lassen Die Bildung von Marktpreisen ist der wirtschaftspolitischen Führung vorzubehalten die kein anderes Interesse kennt als die Pflege der nationalen Wirtschaft im ganzen Sie kann zu diesem Behufe entweder ein marktpreiserzeugendes V e r f a h r e n, den Wettbewerb, einsetzen oder sie muß ihn autoritär, durch B e f e hl anordnen Es ist bis zum heutigen Tag noch kein dritter Weg, der zur Ordnung und zur Einheit führen könnte, aufgezeigt

worden. Solange dies aber noch nicht geschehen ist, solange ist jede Auslieferung des Marktbeeinflussungsrechts an einzelne Marktbeteiligte oder Gruppen von solchen mit partikularen Gewinn-

interessen soweit sie sich irgend abwenden läßt, entweder Leichtsinn oder Schwäche. 2. Die Möglichkeiten der Entstehung von Markteinfluß. "Markteinfluß einzelner kann dadurch entstehen daß Unternehmer oder Abnehmer vermöge ihrer im Rahmen der freien Wirtschaft 141

W»' Mystik-W Große-W · indenMarkti einfluß hineinwachsen bzw. daß die Kaufkraft des Bedarfs daß,-irdiesz.V. beiderVersorgrmguritGasundElektrizitat derFallifhtechnifcheGründesLeitnngsnetzhdenVedarfaneinen eiqelnenklnteruehserbinden

MWPWMÆHUUQD lich durchaus einwandfreier Weise aus der freien

WWIÆWMUHHIWMW anchdasSpfteIzerftörtwird Esbleibthiernichtsanderesübrig alsdaßderStaatdenbetreffendenBeteiligtendasfreieuvirtfchafv licheSelbftbestiumtmgsrrcht nis-it nnd sie feiner mittelbaren Marktanfsichtnuterftellt AufsanchenMärktenkanneranchvers

suchen durch fördernde, insbesondere verkehrsfötderndeEins

wirkung nnd W (Straßen- und Kaualban Siedlungsi politiknfn.)dieVo-ransfeunngeuderKonkr-reenzfoznfagenkiusti

til-MeluMarlteinflnß kann aber auch in der Weise entstehen- daß sich WoduAbnehmerinderAbsicht zusamt-schließen den Wettbewerb untereinander gay oder in gewissen RichtungMWWAufteilungderKnudfchathnsi

ritt-g des W Its-) Mel-schelm- tssd eitskollektiven EinflußaufdreGestaltnngdrrMpp sinnen- HiernächstakfoderMarkteinflußnichtisIugrderw MWütfchaftsentwitllunngonderuhieriftervielsehrdas Ergebnis eines auf Erzielung von Markt-acht

gerichteten Willens und einer planmäßigen Organisation- Es handelt ßch also u- einen W Angriff auf die öffentliche Ordnung der Wett-

bewerbswirtschafh dessen Ziel die Durchkreuzuug des geltenden Narktordnuugsverfahrens und feinebfeunngdntchpartiknlarqinprinatwirtschasts lichem Geiste und i- Dieustr von materiellen Gruppeninterefsen betrieb-e Marktpolitik if·

ObundinselcheIWWWerfulgwich N- M is MADE M sk- Vecch- Haltung die Iirtfchaftspolitifche U-

Staatsführung

und

die

Rechtsprechung diesen Angriffen aufdieöffentliche Ordnung gegenüber einnehmen Einem entschlossenen Widerstand der berufenen Hüter der Wirtschaftsverfassung gegenüber vermögen sich private Marktregelungsbestrebungen nur dann durchzusetzen wenn dieVeteiligten ihr Programm auch ohne rechtlichen Schutz durchzuführen imstande find Contlmuaii agreement-, Frühstückskartelle). Dies ist aber nur auf solchen Märkten möglich, auf denen entweder die Angebots- oder die Nachfrageseite mit w e n i g e n großen Betrieben besetzt sind, deren Führer in zwanglofer Weise miteinander Dauerfühlung zu unterhalten vermögen, d. h. aber auf Märkten die auch ohne Verabredung der Beteiligten durch den Wettbewerb wahrscheinlich nicht zureichend würden ge-

ordnet werden können Hier hilft nur die Unterstelluiig des Gesamtmarktsunterdieautoritäre Staatslenkung AufallenanderenMärktenaberkannkollektiverMarkteinflnß

gegen det- Mschlpffmv WMMD des pvlitiichm Führung M

gegen-die beharrlicheVerweigerungvonRechtsschntz durchdieGes richtenichterworben werden.

Die Staatsfühng steht also bei der Frage, wie solche Kartellbestrebnngenzubehandelnsind,vorderWahlzwischenradikaler Abwehr, passiver Duldung in allen möglichen Abtönnngen

und positiver Förderung unter Zurverfügungstellung des denkbarvollkommensten Rechtsschntzes.

MMMMXMWWJIMWWJOW

siesichvvtdieweitetewgeltellthsvelchmllwlwasievie

kollellivaarttgeblldeinFreiheitgewähmlassen oderaberder autoritären Staatslenkung unterwerfen soll. Duldung bzw. För-

MPMMWMWWWJW mabermivermeidlicheinenMatktznstaud, derjedeieinheits lichen antoritärenOrdnnngeatbehrt: PartikularePrivatgewalten gestalten die Marktbedingungen nach partikularenPrivatintereffeu; zanahrnehnmigderJnteressen derGefamtwirtfchaftsindfiewedergewilltsdenudieMarkts

iuteressengegrüudetwvrdenunddediennfichzudiefemVehufeines M(EüifatzmMacht), dasmNaturuuraufKoftenvon Marktinteressen anderer-Wirth W werden kann —wchßndsiezanahrneh-uugderGefa-tinteressenauchuui 143

ordnungsgemäß sich vollziehenden Größenentwicklung in den Markt-

einfluß hinein w a chse n, bzw. daß die Kaufkraft des Bedarfs nur wenige oder gar nur ein einziges Unternehmen alimentiert oder daß, wie dies z. B. bei der Versorgung mit Gas und Elektrizität

der Fall ist, technische Gründe (Leitungsnetz!) den Bedarf an einen einzelnen Unternehmer binden. Diese Entwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß sie in r e chtlich durchaus einwandfreier Weise aus der freien Berkehrswirtschaft selbst erwächst und daß sie infolgedessen mit rechtlichen Mitteln nicht unterbunden werden kann, ohne daß zugleich auch das System zerstört wird. Es bleibt hier nichts anderes übrig, als daß der Staat den betreffenden Beteiligten das freie wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht nimmt und sie seiner unmittelbaren Marktaufsicht unterstellt. Auf manchen Märkten kann er auch versuchen, durch fördernde, insbesondere v e r k e h r s fördernde Einwirkung und Maßnahmen (Straßen- und Kanalbau, Siedlungspolitik usw.) die Voraussetzungen der Konkurrenz sozusagen künst-

lich herzustellen. Markteinfluß kann aber auch in der Weise entstehen, daß sich Unternehmer oder Abnehmer in der A bs i cht zusammenschließen,

den Wettbewerb untereinander ganz oder in gewissen Richtungen (Preise, Konditionen, Qualitäten, Aufteilung der Kundschaft, Ausnützung des Beschäftigungsgrads usw.) auszuschalten und einen

kollektiven Einfluß auf die Gestaltung der Märkte zu gewinnen. Hier wächst also der Markteinfluß nicht im Zuge der normalen Wirtschaftsentwicklung zu, sondern hier ist er vielmehr das Ergebnis eines auf Erzielung von Marktmacht gerichteten Willens und einer planmäßigen Or-

g a n i s a t i o n. Es handelt sich also um einen wohlüberlegten Angriff auf die öffentliche Ordnung der Wettbewerbswirtschaft, dessen Ziel die Durchkreuzung

des geltenden Marktordnungsverfahrens und seine Ersetzung durch partikulare, in privatwirtschaftlichem Geiste und im Dienste von materiellen Gruppeninteressen betriebene Marktpolitik ist. Ob und in welchem Ausmaß derartige Bestrebungen ersolgreich sind, hängt in erster Linie davon ab, w e l ch e FJ a l tu n g d i e wirtschaftspolitische Staatsführung und die 142

N e ch t s p r e ch u n g diesen Angriffen auf die öffentliche Ordnung gegenüber e in n e h m e n. Einem entschlossenen Widerstand der berufenen Hüter der Wirtschaftsverfassung gegenüber vermögen sich private Marktregelungsbestrebungen nur dann durchzusehen, wenn die Beteiligten ihr Programm auch o h n e r e ch t lich e n S ch u tz durchzuführen imstande sind (gentleman agreements, Frühstückskartelle). Dies ist aber nur auf solchen Märkten möglich, auf denen entweder die Angebots- oder die Nachfrageseite mit wenigen

g r o ß e n B e t r i e b e n besetzt sind, deren Führer in zwangloser Weise miteinander D a u e r f ü h l u n g zu unterhalten vermögen,

d. h. aber auf Märkten, die auch ohne Verabredung der Beteiligten durch den Wettbewerb wahrscheinlich nicht zureichend würden geordnet werden können. Hier hilft nur die Unterstellung des Gesamtmarkts unter die autoritäre Staatslenkung Auf allen anderen Märkten aber kann kollektiver Markteinfluß gegen den entschlossenen Widerstand der politischen Führung und gegen ldie beharrliche Verweigerung von Rechtsschutz durch die Gerichte nicht erworben werden.

Die Staatsführung steht also bei der Frage, wie solche Kartellbestrebungen zu behandeln sind, vor der Wahl zwischen r a dika l er A b w e h r, passiver D u l d u n g in allen möglichen Abtönungen und p o s it i v e r F ö r d e r u n g unter Zurverfügungstellung des denkbar vollkommensten Nechtsschutzes Vermag sie sich zur radikalen Abwehr nicht zu entschließen, so sieht

sie sich vor die weitere Frage gestellt, in welchem Umfang sie die kollektiven Marktgebilde in Freiheit gewähren lassen oder aber der autoritären Staatslenkung unterwerfen soll. Duldung bzw. Förderung plus weitgehender marktpolitischer Freiheitsgewährung schafft nun aber unvermeidlich einen Marktzustand, der jeder einheitlichen, autoritären Ordnung entbehrt: P a r t i k u l a r e P r i v a t -

g e w a l t e n gestalten die Marktbedingungen nach p a r t i k u larenPrivatinteressenz zurWahrnehmung der Interessen der Gesamtwirtschaft sind sie w e d e r g e w i l lt — denn die Markt-

organisationen sind ja zur Förderung von partikularen Gruppenmarkt-

interessen gegründet worden und bedienen sich zu diesem Behuf eines Mittels (Einsatz von Macht), das von Natur nur auf Kosten von Marktinteressen anderer Wirtschaftszweige betätigt werden kann

— noch sind sie zur Wahrnehmung der Gesamtinteressen a u ch n u r 143

die kraft Berufs dem Einfluß stärkster Sonderinteressen ausgesetzt sind, überhaupt jemals zur Ordnung eines solchen Präzisionsinstrus mentes, wie es die moderne Volkswirtschaft ist, führen kann, wird

man sich durchaus im Recht befinden, wenn man die Vertreter der gegenteiligen Auffassung für beweispflichtig hält und ohne nochmaliges Eingehen auf oft widerlegte Argumente abwartet, bis ein solcher Beweis erbracht wird. Versucht man sich rückschauend ein Urteil darüber zu bilden, in welchem Geist bisher private Marktbeeinflussung geübt worden ist, so wird man sagen müssen, daß der herrschende Geist der Geist desstatischen Beharrungs- und Schutzbedürfnisses gewesen ist. Die Politik der Kartelle war eine Politik der Verfilzung, eine Politik der künstlichen Abkapselung gegen die Wir-kungen und Ansprüche eines dynamischen Wirtschaftsgeschehens,. eine Politik der Existenzsicherung und der Erhaltung des status quo. Sie hatte, da sie die Bewegung des Wirtschaftsprozesses im ganzen natürlich nicht zu hemmen vermochte, die Wirkung, daß andere Märkte in einen um so heftigeren Bewegungszustand versetzt wurden und daß auf dem eigenen Markt der Beschäftigungsgrad um sostärker ins Schwanken geriet, je starrer man an stabilen Preisen festhielt. Es bedarf keiner Betonung, daß statische Tendenzen, die sich in eigenmächtiger Weise durchsetzen, eine dynamische Ordnung immer und notwendig stören, ganz abgesehen von der Ungerechtigkeit, die darin liegt, daß einigen bevorzugten Gewerbezweigen, die leicht kar-

tellierbar sind und Schlüsselstellungen innehaben, gestattet wird, sichdem allgemeinen Zwang zur Dynamik und zur täglichen Erkämpfung

des Lebensrechts mittels Leistung auf Kosten der übrigen zu entziehen. 4. Die Möglichkeiten der Beseitigung des privaten Markteinflusses.

Zwei Wege stehen der wirtschaftspolitischen Führung zu Gebote, den privaten Markteinfluß zu brechen und die kartellmäßig gebundenen Märkte wieder in die Einheit der strengen Gesamtordnung einzubeziehen: erstens die W i e d e r h e r st e l l u n g d e r

Wettbewerbsordnung (Beseitigung des privaten Marktbindungsrechts, Auflösung der bestehenden Kartelle und

Bindungssysteme) und zweitens die U n t e r st e l l u n g der privaten Kartelle unter die autoritäre Staatslenkung146

Der erste Weg ist nur da gangbar, wo die natürlichen Voraussetzungen der Wettbewerbsordnung vorliegen; wo dies nicht der Fall ist, bleibt nur der zweite übrig. Fraglich kann indessen sein, ob es sich da, wo die Herstellung des Wettbewerbs objektiv möglich wäre, e m p f i e h l t, von diesem Mittel Gebrauch zu machen, ober ob es zweckmäßiger ist, das Recht zum Zusammenschluß bestehen zu lassen und die schon vorhandenen Kartelle zu erhalten, dafür aber das Mittel der Staatskontrolle

einzusetzen. Hierzu ist zu sagen, daß die Methode der staatlichen Marktlenkung nur dann gewählt werden sollte, wenn ihre Anwendung praktisch den gleichen Ordnungsersolg verspricht, wie der Wettbewerb. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der Staat in der Lage ist, sich eine vollkommene Kenntnis der Kostenstruktur aller beteiligten Betriebe, der Bedarsslage, des Standes der technischen Möglichkeiten usw. zu verschaffen, in dieser Beziehung dauernd auf dem laufenden zu bleiben und seinen jeweiligen Entscheidungen die denkbar größte Autorität — auch gegen Umgehungsversuche! — zu sichern. Es leuchtet ein, daß die praktische Verwirklichung dieser Möglichkeit in erster Linie eine P e r s o n a l f r a g e ist. Der Staat braucht hierzu erstens sehr viele und zweitens hochqualifizierte Beamte,

vom Chef der Aufsichtsinstanz angefangen bis hinunter zum letzten Betriebsprüfer. Wo der Staat einen Markt lenken will, da muß er diesen Markt bis in die kleinsten Einzelheiten hinein in den G r iff bekommen, damit er erstens richtig, zweitens schnell und drittens mit dem n ö t i g e n R a ch d r u ck befehlen kann. Begnügt er sich dagegen damit, bloß so obenhin über den Wassern zu schweben, hie und da eine Stichprobe zu machen, in Fällen drastischer Mißbräuche von Kartellmacht oder krassen Ungehorsams ein Exempel zu statuieren, dann ist die Methode der Staatslenkung verglichen

mit der Methode des Wettbewerbseinsatzes nicht die stärkere, sondern die schwächere Form der Ordnung. Die Folge ist, daß eine Flucht der Wirtschaft aus der

Konkurrenz in die Staatsaufsicht einsetzt, weil es sich unter der Staatsaufsicht bequemer lebt als unter der Konkurrenz M). 18) Der Staat kann jederzeit kontrollieren, ob es ihm gelungen ist,« auf den von ihm kontrollierten Märkten eine strenge Ordnung zu verwirklichen

147

5. Die Eignung von Wettbewerb und Staatsaufsicht zum Behuf der Beseitigung des privaten Markteinflusses Wenn die Verwirklichung einer straffen Marktordnung durch den Einsatz des Staatsbefehls eine Personalfrage ist, dann leuchtet ein, welches Interesse der Staat daran hat, daß s o w e n i g M ä rkte wie irgend möglich dieser Art der Lenkung bed ü rft i g sin d. Er hat es nun allerdings nicht in der Hand, dieses objektive Bedürfnis da aus der Welt zu schaffen, wo die natür-

lichen Voraussetzungen der Wettbewerbsordnung nicht gegeben sind und auch nicht geschaffen werden können. Wohl aber ist er in der Lage, die freie Konkurrenz da wiederherzustellen, wo sie auf kü n st lich e Weise, im Wege von Vereinbarungen und Ausübung von Monopolzwang auf Außenseiter beseitigt oder begrenzt, d. h. um ihre Ordnungsfunktion gebracht worden ist. Und zwar dadurch, daß

er privaten Marktbindungen j e d e n R e ch t s s ch u tz entzieht und das mit dem wettbewerbsrechtlichen Leistungsgedanken in krassem

Widerspruch stehende Faustrecht des Monopolkampfs (Vernichtungspreiskampf, Sperren und Bohkott jeder Art) b es eitigt. Auf diese Weise kann er wirksam dafür sorgen, daß alle Märkte, die sich für die Ordnung durch Wettbewerb eignen, tat s ä ch l i ch in den Bereich der Wettbewerbsverfassung hineingezwungen werden und daß n ur solch e M ärkte, die durch Wettbewerb nicht geordnet werden können, oder die der Staat aus be-

sonderen Gründen aus der Wettbewerbswirtschaft herausnehmen will, die marktordnende Tätigkeit des Staats in Anspruch nehmen. Je weniger Märkte der Staat unmittelbar zu steuern hat, desto wirksamer kann er in diesem begrenzten Bereiche seiner sachlichen oder nicht: Solange von der Möglichkeit der Kartellierung trotz bestehender

Kartellaussicht in großem Umfang Gebrauch gemacht wird, solange die freiwillige Auflösung von Kartellbindungen selten ist, solange Berge von Anträgen auf Zwangskartellierung auf dem Tisch des Wirtschaftsministers sich türmen, solange hat der Staat den Beweis in Händen, daß sein Aufsichtsrecht eine sch w a ch e und deshalb von den an Marktmacht interessierten Teilen der Privatwirtschaft geschätzte Form der Ordnung ist.

148

Aufgabe entsprechen 19). Diese Märkte kann er dann aufs sorgfältig—— ste beobachten, er kann seine Kräfte mit Aussicht auf Erfolg auf die Selbstkostenprüfung der vorhandenen Betriebe ansetzen, kann die erforderliche Dauerfühlung mit den beteiligten Unternehmern pflegen, kann die Wirkung seiner Anordnungen verfolgen, kann richtige

und schnelle Entscheidungen treffen, diesen Entscheidungen gehörigen Gehorsam erzwingen, Umgehungen vereiteln, erziehende Tätigkeit

ausüben und wird so mit der Zeit unschätzbare Erfahrungen sammeln und einen vorzüglichen Stamm geschulter Mitarbeiter heranziehen. Die gründliche Durchforschung und Lenkung auch nur eines einzigen wichtigeren Marktes ist für die Autorität der Wirtschaftsverfassung ungleich wertvoller, als eine unvollkommene, bloß routine-

mäßige Aufsichtsführung über eine Unzahl von der Staatskontrolle unterstehenden Märkten. Jede Vervollkommnung der Staatslenkungsmethode kommt aber zugleich dem Funktionieren der Wettbewerbs-

ordnung auf den übrigen Märkten zugute; jedes fühlbare Versagen der Staatslenkung auf ihrem Gebiet verursacht immer auch Störungen in den freien Bezirken der Wirtschaft. Je mehr sich die beiden

Ordnungsmethoden gegenseitig ergänzen, je kleiner die Markträume werden, die von keiner der beiden Methoden wirksam erfaßt werden

können, desto besser arbeitet die Gesamtwirtschaftsverfassung im

19) Ebenso Nonneubiuch, »Die dynamische Wirtschaft-« S. 59. »Die Wirtschaft muß frei sein, dem Volke am besten zu dienen.

Diese Freiheit

der Wirtschaft ist etwas ganz anderes als die alte kapitalistische Willkür. Die kapitalistische Freiheit der Wirtschaft war die Freiheit zu interessenmäßigen

Bindungen, die Freiheit zur Verschwörung gegen das Wohl des Volkes. Sie war die Freiheit gegenüber der Politik und zugleich die Freiheit, die

Politik interessenmäßig zu benutzen. Die Wirtschaft soll nicht frei gegenüber der Politik sein, sondern die Freiheit der Wirtschaft soll bedeuten, daß die in einer guten Ordnung schwingende Wirtschaft die Politik nicht zum Angriff herausfordert. Die nationalsozialistische Freiheit der Wirtschaft ist ökonomische Politik: Die Politik muß haushalten mit ihren Energien, damit sie dort, wo sie Energien gebraucht, sie auch hat. Die Wirtschaft soll keine

politischen Energien beanspruchen, die an anderer Stelle einzusetzen sind. Kurz: es soll anders sein als im Weltkriege. Da hatte der Staat mit seiner

Politik in die Wirtschaft eingreifen müssen und hatte politische Energien für die Wirtschaft aufwenden müssen, die er

anderweitig besser hätte ein-

setzen können. Die Wirtschaft soll frei sein, damit sie die Politik nicht belastet und hindert. Sie soll frei sein, damit sie selbstverständlich und nebensächlich wird.«

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Ganzenl Das letzte Ziel muß die möglichst v o l l st ä nd i g e Ausmerzung aller ordnungslosen Märkte sein. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn der Staat neben der Methode der unmittelbaren Marktlenkung die Methode der mittelbaren Lenkung (Wettbewerb) im alle r g r ö ß te n M a ß st a b einsetzt und durch den entschlossenen Gebrauch und die technische Verfeinerung beider Methoden unter möglichster Beschränkung des unmittelbar zu lenkenden Wirtschaftsbereichs d e m p r i v a te n

Machteinfluß jeden Betätigungsspielraum unm ö g l ich m a ch t. Die Erscheinung der privaten Macht muß aus der Wirtschaft verschwinden. Für die Freiheit der Kartellbildung und jeder anderen Form von privater Marktbindung ist im System der geltenden Wirtschaftsverfassung kein Raum. Die Befürchtung aber, daß sich bei einer solchen marktbindungsfeindlichen Einstellung der Wirtschaftspolitik statt der Kartelle die kapitalistischen Formen der Marktbeeinflussung (Konzerne und Trusts) durchsetzen und ausbilden werden, kann durch den wirksamen Ausbau der unmittelbaren Staatslenkungsmethode zunichte ge-

macht werden. Wenn im Bereich der staatlichen Marktlenkung der gleiche scharfe Wind weht wie im Bereich des Wettbewerbs, dann wird der Besitz von monopolistischer Marktmacht seinen Zauber für die Privatwirtschaft bald einbüßen. Der Unternehmer wird dann die Freiheitsfülle, die ihm im Falle seiner entschlossenen Beteiligung am Leistungswettbewerb von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellt wird, wieder schätzen lernen. 6.Die rechtspolitische Behandlung des Kartellproblems in der Vergangenheit Es kann hier auf die historische Entwicklung des Kartellwesens in Deutschland nicht näher eingegangen werden. Soviel steht jedenfalls fest, daß sich weder der Abschluß marktregelnder Verträge noch die Methoden des Monopolkampfs (Kampf zwischen Kartell und Außenseitern) mit dem Recht der Gewerbeordnung, das bis zum Erlaß der Kartellverordnung auf diese Tatbestände anzuwenden war, vereinbaren ließen. Die Entscheidungen des Reichsgerichts, die zum erstenmal Kartellverträge (und damit auch die Markenpreisbindungssysteme) und den äußeren Kartellzwang (Sperren) für zulässig erklärten, so insbesondere die Urteile vom 4. Febr. 1897 150

lNGZ 38 S. 155 und vom 25. Juni 1890 RG8. 28 S. 244, und die dann für die ganze Folgezeit bis 1923 (und darüber hinaus) maß-

gebend blieben, beruhten auf Rechtsirrtum und waren unrichtig. Die Urteilsbegründung der zuerst genannten Entscheidung (RGZ. .38 S.155), die sich mit dem Sinn der Gewerbeordnung sehr viel

ernster auseinandersetzt als alle später-en Urteile, enthält eine so entscheidende und für dise volkswirtschaftliche Allgemeinbildung der 80er und 90er Jahre so aufschlußreiche Verkennnung der Ordnungsgedanken einer Wettbewerbswirtschaft, daß es sich lohnt, den Satz, der die Entscheidung in wirtschaftspolitischer Hinsicht trägt, im iWortlaut wiederzugeben Er lautet: ,,Sinken in einem Gewerbezweig die Preise allzutief herab und wird hierdurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich gemacht oder gefährdet, so ist die dann eintretende Krisis nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Volkswirtschaft im allgemeinen verderblich, und es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß nicht dauernd unangemessene Preise in einem Gewerbezweig bestehen.«

Würde das Reichsgericht den Sinn der Wettbewerbsordnung richtig verstanden haben — wozu es, wie ein Blick auf die in der Begründung zitierte Literatur zeigt, die Gelegenheit gehabt hat —, so hätte jene Stelle so lauten müssen: ,,Sinken in einem Gewerbezweig die Preise allzu tief hinab und wird hierdurch der gedeihliche Betrieb des Gewerbes unmöglich ge-

macht oder gefährdet, so liegt darin bei einwandfreier Führung des Wettbewerbs der Beweis, daß der betreffende Gewerbezweig entweder übersetzt oder überhaupt überflüssig ist. Die dann eintretende Krisis ist allerdings für einzelne, vielleicht für alle Unternehmer des Gewerbezweigs verderblich, im Interesse der Volkswirtschaft aber

unerläßlich, wenn die Erzeugung mit dem Bedarf wieder in Einklang gebracht werden soll. Es liegt daher im Interesse der Gesamtheit, daß, sofern die Staatspolitik nicht aus wohlerwogenen Gründen mit hoheitlichen Maßnahmen »den freien Marktverlauf abändert, volkswirtschaftlich überflüssige Gewerbe mittels eines dauernden Tiefstands der Preise aus der Wirtschaft entfernt, übersetzte Gewerbe mittels vorübergehenden Preistiefstandes bereinigt, zu schwach besetzte Gewerbe mittels hoher Preise mit gesteigerter

Anziehungskraft ausgestattet werden«

In rechtlicher Hinsicht vertritt die Entscheidung die Ansicht, daß 151

die Gewerbeordnung die Gewerbefreiheit nicht nur im Interesse des einzelnen, sondern auch im Interesse sder Gesamtheit eingeführt habe, daß daher ein vertraglicher Verzicht auf die volle Gewerbe-

freiheit dann rechtswidrig sei, wenn dadurch die Absicht des Gesetzes durchkreuzt werde. Diese Absicht werde aber dann nicht durchkreuzt, wenn die Gewerbefreiheit, statt der Gesamtheit zu nützen,

ihr schade. Und nun kommt der oben zitierte Satz, der eine marktwirtschaftliche Konstellation der freien Wirtschaft schildert, die nachAuffassung des Reichsgerichts für die ,,Volkswirtschaft allgemein verderblich« ist. Man hätte nun annehmen sollen, daß das Reichsgericht dem Verbande der sächsischen Holzschliff-Fabrikanten den Nachweis zugemutet hätte, daß bei seiner Gründung in der Tat eine so verderbliche Marktkonstellation vorgelegen habe, und ferner den Nachweis, daß

seine eigene Marktpolitik einen volkswirtschaftlich besseren Marktzustand gewährleiste als die vom Gesetz vorgesehene Gewerbefreiheit Dies ist aber keineswegs geschehen. Das Reichsgericht hat es für ausreichend erklärt, daß die kartellierten Unternehmer s u b j e ktiv von der Unzuträglichkeit der Konkurrenz und von der volkswirtschaftlichen Uberlegenheit ihrer eigenen Marktpolitik überzeugt waren und sind. Aber nicht einmal den Nachweis eines solchen guten Glaubens haben die Verbände zu erbringen, sondern ihr guter Glaube wird vom Reichsgericht kurzerhand unterstellt und der Beweis des Gegenteils dem Prozeßgegner zugemutet! Damit war denn das verfassungsrechtliche Grundprinzip der Gewerbeordnung a uf d e r g a n z e n L i n i e preisgegeben, und zwar nicht auf Grund einer Auslegung dieses Gesetzes, sondern auf Grund einer wirtschaftspolitischen Kritik des Reichsgerichts an seiner Eignung, die Wirtschaft zu ordnen. Das oberste

Gericht stellte eine Rechtsvermutung zuungunsten der volkswirtschaftlichen Rützlichkeit der Gewerbeordnung und eine Rechtsvermutung zugunsten der volkswirtschaftlichen Rützlichkeit solcher privatvertraglichen Maßnahmen auf, die die Absicht der Gewerbeordnung durchkreuzen. Man wird in der Rechtsgeschichte aller Zeiten gründlich Umschau halten müssen, um einen ähnlich schwerwiegenden Fall richterlicher

Verfassungsdurchbrechung zu entdecken. Und zwar einer Verfassungsdurchbrechung, bei der den der Verfassung Zuwiderhandelnden 152

keinerlei Garantien zur Sicherung volkswirtschaftlichen Wohlverhaltens auferlegt, sondern ein rundes Blankett für ihr freies Ermessen ausgestellt wurde.

Trotz dieser verhängnisvollen Entscheidung würden sich die Kartelle niemals in dieser Breitenwirkung haben durchsetzen können, wie dies nachher tatsächlich geschehen ist, wenn sie von der Rechtspre-

chung wenigstens gezwungen worden wären, sich im Kampf gegen ihre Außenseiter an die strengen Regeln des Leistungswettbewerbs zu halten. Aber nicht einmal dies geschah. Das Reichsgericht verstattete ihnen vielmehr die Anwendung drastischer Formen des u n mittelbaren Schädigungskampfes (Sperren, Boykott), dessen Prinzip nicht auf der U b erflüg elun g des Gegners mittels besserer eigener Leistung, sondern auf der Sch ä dig un g des Gegners mittels Störung und Untergrabung seiner Geschäftsbeziehungen, d. h. mittels Maßnahmen, die die Leistungskraft des Gegners verschlechtern und schwächen, beruhen. Es wurde also den Kartellen und sonstigen Monopolgebilden für die Zwecke der gewaltsamen Beseitigung von Wettbewerb ein K a m p f p r i v i l e g in die Hand gespielt, denn ohne Besitz von Marktmacht oder ohne Anlehnungsmöglichkeit an Bundesgenossen, die ihrerseits im Besitz von

Marktmacht sind, ist die Anwendung solcher Methoden nicht möglich. Man sieht, wie zufällig und unüberlegt die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, daß die Kartelle sich entwickeln konnten. Sie verdanken ihre Blüte und ihre reale Lebenskraft einem Mißverständnis der Iudikatur, das allerdings von der öffentlichen Meinung und

der staatlichen Wirtschaftspolitik durchaus geteilt wurde. Einem Mißverständnis in bezug auf den Sinn der Gewerbeordnung und auf

die leitenden Grundsätze des Wettbewerbsrechts. Weder die rechtliche noch die wirtschaftspolitische Tragweite dieser gerichtlichen Entscheidungen ist dem Reichsgericht, der Rechtslehre, der Wirtschaftswissenschaft und der öffentlichen Meinung zum Bewußtsein gekommen. Man war des besten Glaubens, sich im vollen Einklang mit dem Recht der Gewerbe- und Wettbewerbsordnung zu befinden; die Skrupel, die das Reichsgericht bei seinen ersten Entscheidungen etwa noch empfunden haben mochte, verschwanden in der Folgezeit bald.

Jn diesen Rechtszustand schlug erst die Kartellverordnung vom 2. 11. 1923 eine Bresche. Sie le g a l i s i e r t e allerdings zunächst 153

einmal die Kartellvereinbarungen, unterstellte sie aber der Aufsicht des Reiches. Die Ausübung der wichtigsten Formen des Kartellzwangs wurde der Präventivzensur des Vorsitzenden des Kartellgerichts unterworfen und außerdem die Kündigung von Kartell-

verträgen etwas erleichtert. Die Einrichtung der Staatsaufsicht wurde von den Kartellen und ihren Anhängern zunächst als eine Deklassierung, als ein empörender Eingriff in die Unternehmerfreiheit empfunden und erbittert

bekämpft. Das änderte sich, als das Reichswirtschaftsministerium begann, sich im Dienste der Bekämpfung von Kartellmißständen in immer erhöhterem Ausmaß der Begünstigung des Wettbewerbsgedankens und der Beförderung der Wettbewerbsenergie zu bedienen, also insbesondere von den in der Kartellverordnung zur Ver-

fügung gestellten Marktauflockerungsbefugnissen Gebrauch zu machen. Mit einem Schlage wandte sich die Erbitterung gegen die Einrichtung des Wettbewerbs, die man als ,,manchesterlich«, ,,liberalistisch«, ,,reaktionär« bezeichnete und der gegenüber man das Prinzip der privaten Marktbindung als eine höhere Form volkswirtschaft-

licher Entwicklung pries. Inzwischen hatten die Kartelle ferner auch die Wahrnehmung gemacht, daß die Staatsaufsicht nicht sonderlich weh tat, und aus beiden Erfahrungen den Schluß gezogen, daß es taktisch klüger sein würde, sich der in der Offentlichkeit populären

Einrichtung der Staatskontrolle nicht länger zu widersetzen, dafür aber um so nachhaltiger die Methode der Marktauflockerung zu be-

kämpfen. Auf dem Salzburger Iuristentag 1928 trat dieser Umschwung in der taktischen Haltung offen zutage: Die den Kartellen nahestehenden Kreise befürworteten sogar eine Verstärkung der staatlichen Aufsichtsrechte, beantragten dafür aber eine Beseitigung der Präventivzensur für Sperren und die Zurückverlegung des Kündigungsrechts aus der Kartellverordnung ins bürgerliche Recht. Hier setzte also schon die volle Flucht der Wirtschaft aus dem Wettbewerb in den Bereich der Staatsaufsicht ein.

Heute ist das Kartellrecht verschärft, das Zwangskartellgesetz geschaffen und —- seit der Verordnung vom 11. Dezember 1934 (RGBl.1 S.1248) — die Neugründung von Kartellen und die Neueinführung von Markenpreisbindungen sowie die Veränderung von kartellmäßigen Marktmaßnahmen zum Nachteil der andern

Seite von der Einwilligung des Preiskommissars abhängig gemacht 154

worden. Dies ist vorläufig das Ende der privaten Kartellierungsfreiheit. Noch immer aber besteht die Kartellverordnung mit ihrer Legalisierung der privaten Kartellverträge und ihrer unzureichenden

Ausgestaltung des staatlichen Aufsichtsrechts Hier wird ein gesetzlicher Akt, der unter dieses Kapitel wirtschaftsverfassungsrechtlicher Fehlentwicklung einen weithin sichtbaren Schlußstrich zieht, nicht

vermieden werden können, jedenfalls nicht vermieden werden sollen. 7. Die private Macht als wirtschaftsverfassungsrechtliches, rechtspolitisches und allgemeinpolitisches Problem. Die de lege lata noch immer bestehende Anerkennung der Rechtsbeständigkeit und Rechtsschutzwürdigkeit privater Marktvereinbarungen und die Ausstattung dieser Organisationen mit dem Recht, im Kampf gegen ihre Außenseiter wettbewerbswidrige und wertevernichtende Kampfmethoden — wenn auch unter Staatszensur — anzuwenden, ist im Rahmen unserer heutigen Wirtschaftsverfassung

ein Fremdkörper. Für die Aufrechterhaltung dieses Rechtszustandes lassen sich seit dem Erlaß des Zwangskartellgesetzes und der erwähnten VO. vom 11. 12. 1934 keine einleuchtenden Gründe mehr vorbringen. Würde die Kartellierungs- und Marktbindungsfreiheit wieder hergestellt, dafür aber das Aufsichtsrecht des Staates ausreichend verstärkt, so würde alsbald die Flucht aus dem Wettbewerb in die

Staatsaufsicht wieder einsetzen, d. h. es würden eine Reihe von an sich wettbewerbsgeeigneten Märkten gebunden werden und damit notwendig in die Sphäre der staatlichen Marktlenkung hineingeraten mit der Wirkung, daß der Aufgabenbereich der staatlichen Marktlenkung künstlich aufgebläht würde. Der Staat würde jeweils nur einen kleinen Teil dieser Märkte wirklich zureichend beobachten und autoritativ lenken können und müßte sich in bezug auf die übrigen mit einer mehr dilatorischen Handhabung seines Aufsichtsrechts be-

gnügen. Dadurch würde die Anziehungskraft der Staatsaufsichtssphäre für die Privatwirtschaft weiterhin auf Kosten der Wettbewerbsordnung verstärkt werden. Das Endresultat: Wiederauferstehung der privaten Macht unter staatlichem Protektorat. Die Marktpolitik würde praktisch von den Kartellen gemacht werden und gemacht 155

werden müssen, aus dem einfachen Grunde, weil der Staat einfach nicht in der Lage sein würde, sie unter solchen Umständen selbst zu machen oder auch nur wirksam zu kontrollieren.

Eine solche Entwicklung wäre um so verhängnisvoller, als es erfahrungsgemäß außerordentlich schwierig und mitunter volkswirtschaftlich bedenklich ist, sie zu kassieren. Man kann ein Kartell, das vielleicht ein Jahrzehnt lang bestanden hat, auf dessen Existenz sich der Verkehr aller möglichen anderen Märkte eingestellt hat, nicht von heute auf morgen auflösen, auch wenn es sachlich zweckmäßig sein würde, ohne daß Erschütterungen und unliebsame Fernwirkungen hervorgeruer werden. Und wenn sich solche Befürchtungen in der Regel auch als übertrieben herausgestellt haben, so fällt doch der

wirtschaftspolitischen Führung der Entschluß zur Auflösung erfahrungsgemäß schwer. Es ist also zweckmäßiger, es erst gar nicht dahin kommen zu lassen. Der Staat hat kein Interesse daran, sich von der Wirtschaft Märkte in die Aufsichtssphäre hineinschieben lassen, zu deren amtlicher Steuerung ein sachliches Bedürfnis nicht vorliegen würde, wenn die Unternehmer sich dazu ermannen könnten, die Konkurrenz durchzuhalten Es ist vielmehr von größter Wichtigkeit, daß der Staat die Grenze zwischen dem Zuständigkeitsbereich der Wettbewerbsordnung und dem Zuständigkeitsbereich seiner unmittelbaren Lenkungsmethode selbst zieht. Für die Ordnung der Ge-

samtwirtschaft kann nichts erwünschter sein, als wenn der Bereich, innerhalb dessen der Staat unmittelbar das Marktgeschehen bestimmt, so klein wie möglich ist, wenn sich also der Wettbewerb in einem möglichst breiten Bezirk der Gesamtwirtschaft als ordnende Kraft bewährt. Dieser Satz gilt mindestens für die A n laufzeit der staatlichen Marktbetätigung. Ver-

fügt der Staat erst einmal über einen geschulten Apparat, sind erst einmal die sachlichen Grundsätze für die Handhabung der staatlichen Marktlenkung gehörig herausgearbeitet und die Mittel zu ihrer Durchführung erprobt worden, stehen erst einmal Erfahrungen in reicher Fülle zu Gebote, dann kann auch ein übergreifen der un-

mittelbaren Lenkungsmethode in Marktbereiche, die heute zweckmäßiger dem Wettbewerb zu überlassen sind, erwogen werden. So-

lange indessen der wirtschaftspolitischen Führung ein so leistungsfähiges und einsatzbereites Instrument noch nicht zu Gebote steht, 156

empfiehlt es sich, die Wettbewerbsordnung aufs schärfste anzuspannen und sich ihrer vor allem zur Säuberung der Wirtschaft von der

privaten Macht zu bedienen. Daß das Problem der privaten Macht nicht nur ein wirtschaftspolitisches, sondern darüber hinaus auch noch ein allgemeinpolitisches

und rechtliches Problem ist, bedarf wohl kaum eines Hinweises. Macht läßt sich niemals auf das Gebiet beschränken, in dem sie entstanden ist. Macht hat auch immer die Neigung, sich alle Attribute anzueignen, die ihrer höchsten Stufe eigentümlich sind: Rechtsetzung, Rechtsprechung, Polizeigewalt und Propaganda. Diese Entwicklung hat auch bei der privaten Marktmacht stattgefunden: Man denke an die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Verkehr einseitig

durch Kartelle, Markenartikelfabrikanten und sonstigen Trägern einer monopolartigen Vorzugsstellung aufgezwungen worden sind. Man denke an das Verbandsschiedsgerichtswesen, an die durch

Schiedsklauseln der Formularbedingungen eingesetzte Schiedsgerichtsbarkeit und an die weitgehenden Liberwachungs- und Revisionsbes fugnisse, denen sich Mitglieder und Abnehmer, in seltenen Fällen auch Lieferanten von Kartellen unterwerfen müssen. Man denke endlich an die nachhaltige und einseitige Beeinflussung der öffentlichen

Meinung, wie sie von den Marktverbänden und den ihnen nahestehenden Schriftstellern ausgeübt worden ist 20). Alle diese Erscheinungen haben ernste Gefahren für das Rechtsleben der Nation mit sich gebracht. So war die Folge der Entwicklung von Verbandsgeschäftsbedingungen u. a. eine b e i s p i e llose Rechtszersplitterung auf dem Gebiete des bürger20) Wenn hier und an anderen Stellen dieser Schrift die Aufmerksamkeit der Offentlichkeit auf die Gefahren des Jnteressentenschrifttums, der Interessentenpropaganda und der Interessentenkommentaren gelenkt wird, so soll den dabei beteiligten Persönlichkeiten nicht der Vorwurf subjektiv bewußter Irreführung der öffentlichen Meinung gemacht werden. Immerhin zeichnen

sich eine Reihe von Angriffen, die in der Vergangenheit z. B. gegen das Kartellgericht und gegen die Politik der staatlichen Kartellaufsicht erhoben worden sind, durch eine bedauerliche Unsachlichkeit des Urteils und objektive Unrichtigs

keit der Tatsachendarstellung aus, obwohl mindestens ein Teil ihrer Verfasser zweifellos die Gelegenheit gehabt haben dürfte, sich über den wahren Sachverhalt und über den sachlichen Ernst der Problemlage zu unterrichten.

157

lichen und des Handelsrechts, eine Rechtszersplitterung, die heute noch viel größer ist als sie zur Zeit des Deutschen Bundes oder nach der Gründung des Reichs vor Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches war. Für die Kaufverträge, die heute ein einziger Händler mit Lieferanten verschiedener Branchen abschließt, gilt nur in verschwindendem Umfang staatliches Recht, dafür aber das denkbar buntscheckigste »Recht« unzähliger Verbände und einflußreicher Einzelfirmen. Am bedenklichsten aber ist der Inhalt dieses Rechts. Während nämlich zu der Zeit der politischen Rechtszersplitterung die Regelungen des Kaufs- und Kreditrechts im Allgemeinen Landrecht, im gemeinen Recht, im Recht des code civile und in den übrigen Landesrechten durchweg von dem Bestreben diktiert waren, einen g e r e ch t e n A u s g l e i ch der Interessen zu gewährleisten (Gefahrübergang, Mängelhaftung, Folgen des Verzugs, der Unmöglichkeit der Leistung usw.), herrscht bei den Verfassern der Geschäftsbedingungen von Marktverbänden usw. die Tendenz vor, die Verteilung der Rechte und Pflichten zugunsten der e i n e n Marktseite einseitig abzuändern. Es wird also nicht Recht, sondern Unrecht geschaffen. Die Vereinbarung von S ch i e d s g e r i ch te n wurde

vielfach

offenbar

auch

aus

dem

Grunde

getroffen,

um eine unerwünschte Auslegung des Formularrechts durch staatliche Gerichte zu verhindern. Die außerordentliche Ausbreitung der Schiedsgerichtsbarkeit hatte ferner die Wirkung, daß die Staatsjustiz in immer größerem Ausmaß von Tatbeständen kartell- und marktrechtlicher Art abgedrängt wurde. Die Durchführung von schiedsgerichtlichen Verfahren über Verstöße gegen Kartellverpflichtungen nahm zudem häufig rein st r a f p r o zes s ualen Charakter an: Unter der Form von Schadensersatzund Vertragsstrafenprozessen spielte sich in Wahrheit eine private Kriminaljustiz ab. Und was endlich die p r o p a g a n d ist is ch e

Verbreitung von einseitig kartellfreundlichen Argumenten und Ideologien betrifft, so sei hier nur auf die Tatsache hingewiesen, daß fast alle Kommentare über die modernen Kartell- und Preisüberwachungsgesetze aus der Feder von Juristen stammen, die solchen Wirtschaftsgruppen nahestehen, zu deren Kontrolle diese Gesetze erlassen worden sind und die in-

158

folgedessen ein Interesse an ihrer möglichst geringen Wirksamkeit haben. Auf dem Umweg über diese Kommentare fließen dann die dort vertretenen einseitigen Rechtsauffassungen in die Urteilsbegründungen der staatlichen Gerichte, die nur verhältnismäßig selten mit wichtigen Tatbeständen kartell- und monopolrechtlicher Art befaßt werden, also aus eigener praktischer Erfahrung über eine zureichende Kenntnis der Marktzusammenhänge nicht verfügen und daher leicht den einseitigen Argumentationen dieser meist sehr kenntnisreich und klar geschriebenen Kommentare erliegen. Nun mag man vielleicht geneigt sein, zu fragen, warum denn nicht auch unabhängige Gelehrte

sich der Kommentierung marktregelnder Gesetze annehmen. Aber auch dies hat einen einleuchtenden Grund: Die rechtswissenschaftliche Spezialisierung auf Fragen des Kartell- und Marktbindungsrechts erfordert erstens praktische Erfahrung und zweitens die Möglichkeit, Einblick in die Interna des Verbandslebens zu gewinnen. In bezug auf beides haben naturgemäß die Verbandsjuristen vor den unabhängigen, d. h. den beteiligten Interessenten fernstehenden Schriftstellern einen gar nicht einzuholenden Vorsprung. Gerade das wich-

tigste und aufschlußreichste Material ist für niemanden zugänglich, der nicht das Vertrauen der Verbände besitzt. Damit ist aber noch eine zweite Frage von großer Bedeutung berührt, nämlich die Frage

der P r o z e ß s a ch v e r st ä n d i g e n. Kartellprozesse liegen selten so einfach, daß sie ohne Zuziehung von Sachverständigen entschieden werden könnten. Dies gilt vor allem dann, wenn Preis- und Kalkulationsfragen eine rechtserhebliche Rolle spielen. Soll das Urteil des Sachverständigen von sachlichem Gewicht sein, so muß er über eine gewisse Branchekunde verfügen; er wird also in der Regel in

dem betreffenden Gewerbezweig selbst wirtschaftlich tätig sein. Sobald nun aber der Markt von einem Verband oder von Großunternehmungen entscheidend beherrscht oder beeinflußt wird, so ist die Erstattung eines wirklich unabhängigen Gutachtens dann, wenn sein Inhalt den Interessen des Verbands oder Großunternehmens ab-

träglich ist, mit wirtschaftlichen Gefahren für den Sachverständigen verknüpft; wenigstens wird er selbst geneigt sein, solche Gefahren zu befürchten.

Dies alles sind allgemein-soziale, allgemein-rechtliche, allgemeinpolitische Nebenwirkungen der privaten Marktmacht, und zwar logische, natürliche und daher unvermeidliche Nebenwirkungen Es ist 159

vielleicht möglich, die eine oder andere dieser Nebenwirkungen (z. V. die Ausbildung einer privaten Gerichtsbarkeit und Rechtssetzung) wirksam einzudämmenz nicht aber ist es möglich, die Ausstrahlungen einmal vorhandener Macht im ganzen zu verhindern. Will man daher den für die Gemeinschaft schädlichen Wirkungen der privaten

Macht mit Erfolg begegnen, so muß man den Kampf nicht gegen diese Wirkungen, sondern gegen ihre Ursache, d. h. gegen die Bildung von privater Macht selbst führen. Dies kann, wie schon dargelegt, nur auf zweierlei Wegen geschehen: entweder man entmachtet die Privatwirtschaft (durch

Einsatz von Wettbewerb) oder man e n t p r i v atisi e rt d i e w i r t s ch a f t l i ch e M a ch t (durch Einsatz der autoritären staatlichen Marktsteuerung). Denn nicht die T a t s a ch e der Marktmacht

ist ein Ubel (—— obwohl ihre Handhabung immer schwierig ist und obwohl die Versuchung zu ihrer Ausdeutung und zu dilettantischem

Marktverhalten immer vorliegt —), sondern vor allem der Umstand, daß sich die Marktmacht in p r i v at e n H ä n d e n befindet und in privatwirtschaftlichem Geiste, im Dienste des privatwirtschaftlichen Rentabilitätsgesichtspunktes und unter dem Gesichtswinkel begrenzt partikularer Gruppeninteressen gehandhabt wird. Der Staat kann sder Privatwirtschaft keinen größeren Dienst erweisen als den, daß er die Voraussetzungen dafür schafft, daß privatwirtschaftliches Handeln und Wollen sich frei und unbelastet von sozialem Odium überall da entfalten kann, wo es zu volkswirtschaftlichem Erfolg führt. Zu diesem Behufe aber muß er die Privatwirtschaft rücksichtslos aus der Marktmacht, die, wie alle soziale Macht p o l i t i s ch e r Natur ist und infolgedessen zur Domäne der Staatsgewalt gehört, hinausdrängen. Nur so entsteht eine reinliche Trennung zwischen

den Aufgaben des Staats und den Aufgaben des Unternehmertums Denn der privatwirtschaftliche Verkehr kann sich zum Nutzen der Gesamtwirtschaft nur da entwickeln, w o e r u n t e r d e m G e s e tz von Marktpreisen und Marktbedingungen lebt, auf deren Zustandekommen er keinen unmittelbaren willensmäßigen Einfluß hat.

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D. Die staatliche Lenkung der Märkte. 1. Vorbemerkung. Es gibt, wie schon an anderer Stelle dargetan worden ist, Marktverhältnisse, bei deren Vorliegen der Wettbewerb nicht zur Ordnung führt. Die Märkte, bei denen dies der Fall ist, sind der unmittelbaren autoritären Lenkung des Staates zu

unterstellen. Innerhalb des autoritär zu lenkenden Bereichs der Gesamtwirtschaft hat der Staat die Aufgabe, eine g u t e und p r o d u k t i v e O r d n u n g der Märkte zu verwirklichen, die mindestens ebenso straff und leistungsfähig ist wie die Wettbewerbsordnung und d i e sich mit der Wettbewerbsordnung zu einer in sich folgerichtigen, einheitlichen und systematisch geschlossenen Gesamtordnung der Wirtschaft ergänzt

Von dieser Ausgabe her wird der Inhalt der marktlenkenden Staatstätigkeit, die Auswahl der Mittel, der Grad und die

Methoden des Zwangs und der organisatorische Aufbau des Apparats bestimmt.

Demzufolge hat die Darstellung folgende Fragen zu erörtern: a) die Frage, welche sachlichen Grundsätze für die Handhabung der autoritären Marktlenkung zu entwickeln sind, b) die Frage, welche technischen Marktlenkungsmethoden zu Gebote stehen,

e) die Frage, mittels welcher Maßnahmen den staatlichen Marktanordnungen Gehorsam zu sich e r n ist, und endlich d) die Frage, welcher organisatorischen Einrichtun-

gen und Hilfskräfte der Staat bedarf, um seine Aufgabe mit Erfolg durchführen zu können. 2.Die sachlichen Grundsätze der Marktlenkung Die folgenden Ausführungen befassen sich nicht mit den Grundsätzen der staatlichen Wirtschaftslenkung, die da in Frage kommen, wo der Staat bestimmte Wirtschaftszweige aus nationalen G r ü n d e n entwickeln, fördern oder zurückdrängen will, wo es also

seine Absicht ist, der normalen Entwicklung, wie sie sich u n t e r d e r Böhm

11

161

Einwirkung des tatsächlichen, wenn auch von der politischen Führung erzieherisch beeinflußten B e d a r f s vollziehen würde, sozusagen in den Arm zu fallen und seine Anordnungen

ohne Rücksicht auf Rentabilitätsgesichtspunkte (die in diesem Falle dann erst eine Sorge zweiten Grasdes sind) zu treffen. Es soll vielmehr lediglich von der normalen Konstellation ausgegangen werden, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der Staat bei der Handhabung seines Marktgestaltungsrechts kein a n d e res Ergebnis anstrebt als die Verwirklichung derjenigen Ordnung der Wirtschaftsabläufe, die

sich bei der Anwendung des Wettbewerbs eingesp i e l t h a b e n w ü r d e, die sich aber deshalb nicht einspielen kann, weil der Wettbewerb eben aus bestimmten Gründen praktisch

nicht anwendbar ist. Es handelt sich also hier nur um die Betrachtung derjenigen autoritativen Marktlenkungstätigkeit, die der Staat

lediglich deshalb —- also sozusagen notgedrungen — auf sich nimmt, weil eben auf dem betreffenden Markt die mittelbare Lenkungsmethode (der Wettbewerb) nicht zum Erfolg führt. Der Staat handelt hier als Platzhalter des Wettbewerbs und macht sich aus diesem Grunde eine Handhabung des Marktlenkungsrechts zur Pflicht, die es ihm gestattet, den betreffenden Markt ohne jede Erschütterung wieder in iden Wettbewerbszustand zu überführen, sobald die sachlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme gegeben sind.

Damit ist aber schon ein außerordentlich wichtiger sachlicher Grundsatz für den Inhalt und die Richtung der marktlenkenden

Staatstätigkeit gewonnen: Der Staat hat die R o l le u n d Funktion des Wettbewerbs zu übernehmen, d. h.

er hat die Marktpreise und Marktbedingungen so festzusetzen, wie sie sich unter »der Voraussetzung eines i d e a l e n W e t t b e w e r b sv e r l a u f s eingependelt haben würden. Damit bekommt nicht nur« die praktische Politik, sondern auch die Wissenschaft festen Boden unter die Füße: Es bleibt nämlich jetzt nur noch zu ermitteln, nach welchen sachlichen Gesetzmäßigkeiten der freie Marktpreis der Konkurrenzwirtschaft zustandekommt, und welche Möglichkeiten bestehen,

diesen Preisbildungsprozeß da hypothetisch nachzukonstruieren, wo er sich in der Wirklichkeit eben nicht abspielt und infolgedessen auch nicht beobachtet werden kann. 162

Die Festsetzung der Marktbedingungen nach dem Prinzip des »als ob« ist technisch noch verhältnismäßig einfach, wenn es sich um die Frage der Qualitäten und der Geschäftsbeding un g e n handelt. Dem Versuch, die Leistungsgüte zu steigern, kommen die Ergebnisse der Physik, der Chemie, des Ingenieurwesens, der kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Organisationskunst zugute; hier steht dem marktlenkenden Staatsressort ein großes Erfahrungsmaterial zur Verfügung; auch die Kostenfrage bietet keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Und was die G e s ch ä f t s b e d i n g u n g e n anbetrifft, so hat hier die wirtschaftspolitische Füh-

rung einen festen Anhaltspunkt in den d i s p o s it i v e n V o r schriften des bürgerlichen Verkehrsrechts. Für die Regelung der Z ahlun g sziel e freilich müssen Grundsätze neu entwickelt werden, die im Privatrecht selbst noch nicht vorgebildet sind. Dafür aber kann man hier von der Erwägung ausgehen, daß die Umschlagsgeschwinsdigkeit der Abnehmerstufe den Maßstab für die normale Dauer des Lieferantenkredits abgibt. Sehr viel - schwieriger aber ist das P r e i s p r o b l e m. Von seiner richtigen Lösung hängt der Grad der Ordnung ab, der in dem vom Staate beherrschten Marktbereich erzielt wird. Dieser Frage wird daher die hauptsächlichste Sorge der Staatsführung gewidmet werden müssen. Es sollen deshalb auch im folgenden vor allem die Grundsätze angedeutet werden, die für die Preispolitik in Betracht kommen können. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, daß der Staatslenkung

vornehmlich solche Produktionszweige unterstellt sein werden, die mit nur sehr wenigen kapitalintensiven Großbetrieben, vielleicht nur

mit einem einzigen besetzt sind, denen also gerade derjenige Vorzug mangelt, der die mit zahlreichen, zum Teil mit arbeitsintensiven Betrieben besetzten Märkte der Konkurrenzwirtschaft auszeichnet, nämlich

der Vorzug einer elastischen Anpassung an Bedarfsschwankungen. Es ist das Problem der fixen Kosten, das den Versuch, die Preisgestaltung gebundener Märkte dem Rhythmus des Gesamtpreissystems anzupassen, einen erheblichen Widerstand in den Weg stellt. Drei Eigentümlichkeiten zeichnen den Marktpreis der Konkurrenzwirtschaft aus: Er enthält, erstens, k e i n e n M o n o p o lz u s ch la g : Unternehmergewinn kann hier ausschließlich in der Weise 163

erzielt werden, daß der einzelne einen kostenmäßigen Vorsprung vor

dem Grenzbetrieb erzielt, d. h. also durch Leistung. Iede Möglichkeit, den Gewinn durch Einsatz von M a ch t, d. h. durch eine willensmäßig verfügte B e st e u e r u n g der Abnehmerkaufkraft zu steigern, entfällt hier 21). Zweitens ist der freie Marktpreis in h ö ch stem G r a d e beweglich, beschleunigt also den Vorgang der Anpassung der Produktion an jede Veränderung der Richtung und Intensität des kaufkräftigen Bedarfs. Und endlich hat der freie Marktpreis die Eigenschaft, daß er bei einmal eingespieltem Gleichgewicht zwischen beiden Marktseiten die Tendenz hat, den Unternehmergewinn auch der Vorsprungsbetriebe allmählich aufzuzehren, d. h.: Es besteht dann ein starker psychologischer Zwang für die weniger erfolgreichen Unternehmer bis hinab zum Grenzunternehmer, das Leistungs-

niveau des besten Betriebs zu erreichen. Diese Eigenschaft des Marktpreises sorgt also dafür, daß letzten Endes die Vorteile des technischen Fortschritts, die zunächst einmal demjenigen Unternehmer zufallen, der sich ihrer zum erstenmal bedient, mit der

Zeit in Form verbilligter Preise dem Bedarf zugutekommen. Zugleich ist diese, für die Unternehmer lästige Erscheinung die mächtigste Anregerin weiteren technischen Forts ch ritt s. Wenn wir es oben als die Aufgabe der staatlichen Marktlenkung bezeichnet haben, die Preise nach Möglichkeit so festzusetzen, wie sie sich unter der Voraussetzung idealer Konkurrenz einspielen würden, so können wir uns nunmehr genauer fassen und sagen: Die Preise werden zweckmäßigerweise so anzuordnen sein, daß sie kein e n M o n o p o l z us ch la g enthalten, sie werden ferner, je nach den Schwankungen des Bedarfs, entsprechend zu e r h ö h e n b z w. zu ermäßigen sein und es muß endlich ein stetig wirkender Druck auf die Preise ausgeübt werden,·der mit der Zeit

den Bedarf in den vollen Genuß des technischen Fortschritts setzt und einen möglichst wirksamen Anreiz zur Erzielung weiteren Fortschritts schafft. 21) Um ganz genau zu sein: Die Möglichkeit der Besteuerung von Abnehmertaufkraft besteht in der Konkurrenzwirtfchaft immer nur einzelnen Abnehmern gegenüber, die aus individuellen Gründen im einen oder anderen Falle auf die Lieferung eines bestimmten Anbieters angewiesen sind;

sie besteht aber nicht generell der anderen Marktseite im ganzen gegenüber.

164

Durch die Erfüllung des ersten Erfordernisses soll vor allem erreicht werden, daß das Hineinwachsen eines Marktes in die Staatskontrolle für die betreffenden Unternehmer keine einko mmensmäßige Vorzugsstellung gegenüber den in der Konkurrenz lebenden Unternehmern mit sich bringt. Denn dieser Prozeß des Herauswachsens aus der Wettbewerbswirtschaft soll ja auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen nicht zu beseitigende technische oder verkehrsmäßige Vorbedingungen jenen Prozeß sachlich erzwingen; dagegen besteht ein elementares Interesse der

staatlichen Wirtschaftspolitik daran, daß kein einziger Markt sich dem Wettbewerb entzieht, der an sich durch Wettbewerb geordnet werden könnte. Es darf also von dem staatlich gelenkten Bereich der Gesamtwirtschaft kein e r le i L o ck w i r k u n g ausgehen: diesseits wie jenseits der Freiheitsgrenze muß der gleiche scharfe Wind wehen. Sehr schwierig ist natürlich die Frage, w i e dieser Grundsatz verwirklicht werden soll. Man wird hier zweckmäßigerweise von den Kosten des vollbeschäftigten Produktionsapparats auszugehen haben, die aber nicht ohne weiteres in

ihrer tatsächlichen Höhe berücksichtigt werden dürfen, sondern sich u. U. einen Abstrich gefallen lassen müssen, wenn sich bei der Selbstkostennachprüfung herausstellt, daß die Kostenstruktur der vorhandenen Betriebe wirtschaftlich nicht auf der Höhe ist. Ebenfalls problematisch ist die praktische Durchführung der P r e i s e l a st i z i t ä t. Hier macht sich die Frage der fixen Kosten am eindringlichsten bemerkbar. Wo sehr große Betriebseinheiten mit kostspieligen stehenden Anlagen zur vorteilhaftesten Bedarfsversorgung notwendig sind, da fehlt die Möglichkeit, Bedarfsschwan-

kungen in der Weise Rechnung zu tragen, daß bei Bedarfsrückgang unter der Wirkung der Preisermäßigung eine Reihe von Betrieben unter das Niveau des Grenzbetriebs absinken (also Kapital ab-

schreiben müssen), während im umgekehrten Fall unrentable Betriebe wieder rentabel werden, bzw. ein Anreiz zur Errichtung neuer Betriebe gegeben ist. Denn hier bleibt zunächst einmal der Produktionsapparat so, wie er ist, vorhanden, und muß in vollem Umfang unterhalten werden, gleichgültig, ob er voll beschäftigt ist oder nicht. Wird der Preis so festgesetzt, daß, wenn die vorhandene Kaufkraft gerade ausreicht, um die Anlagen voll zu beschäftigen, die Selbstkosten voll 165

gedeckt werden, dann würde also jeder Bedarfsrückgang zu Lasten der Unternehmer, jede zusätzliche Bedarfssteigerung über den zu-

grunde gelegten Normalstand hinaus zu Nutzen der Unternehmer gehen, d. h. der Staat müßte in Fällen des Unterbedarfs den Preis entsprechend herabsetzen, in Fällen des Qberbedarfs aber ihn entsprechend erhöhen, wobei im ersten Fall die Unternehmer den Verlust zu tragen, im zweiten den Gewinn zu beanspruchen haben würden. Bei der Ermittlung des jeweiligen Ausmaßes der Preissenkung bzw. der Preisheraufsetzung müßte der Staat dann so verfahren, daß bei der Senkung das geringste Maß von Verlust und bei der Erhöhung das höchste Maß von Gewinn ermöglicht wird, ohne daß aber in jedem der beiden Fälle ein monopolistischer Preiszuschlag stattfindet. D. h. der Staat müßte bei seiner Preisfestsetzung der optimalen Preiskurve folgen, die in jeder Beschäftigungsphase das günstigste Verhältnis zwischen Kosten und Ertrag widerspiegelt Da nun bei kapitalintensiven Betrieben jeder Beschäftigungsrückgang die Kosten je Einheit steigert, ein Herabgehen der Preise aber bis auf ein Niveau, das die Vollbeschäftigung wieder herstellen würde, für die Unternehmer ebenfalls mit Verlusten verknüpft ist, so muß diejenige Vermittlung zwischen beiden Abeln gesucht werden, die den geringsten Gesamtverlust ergibt. Hierbei

muß natürlich experimentiert werden, weil sich die Wirkung von Preisherabsetzungen auf die Nachfrage nie mit völliger Sicherheit vorherberechnen läßt. Jst der Grad der Vollbeschäftigung bei Fest-— setzung des für diesen Fall vorgesehenen Preises (der gerade die Kosten ersetzt) erreicht und tritt danach zusätzliche Nachfrage in Erscheinung, so ist die Bemessung der Preiserhöhungen so zu treffen, daß die zusätzliche Nachfrage gerade wieder verschwindet. Dieses Experimentieren ist leichter als das Experimentieren mit dem Instru-

ment der Preisherabsetzung, weil sich hier der Eintritt des beabsichtigten Erfolges ziemlich genau kontrollieren läßt. · Die hier geschilderte Handhabung der staatlichen Preissteuerung muß nun aber für den Fall, daß ein gewisser Grad von Verlust oder von Gewinn zu einer D auerers ch ein un g wird, ergänzt werden

durch Maßnahmen einer staatlich bestimmten I n v est i t i o n s p o l itik. Denn der Eintritt eines solchen Dauerzustandes ist- ein Beweis

dafür, daß der vorhandene Produktionsapparat — im Verlustfalle«—übersetzt bzw. —- im Gewinnfall — volkswirtschaftlich zu klein ist. 166

Die Duldung des Dauerzustands würde in diesen Fällen also wieder

auf die Zubilligung monopolistischer Vorteile — sei ses in Form von Monopolgewinnen, sei es in Form monopolistisch abgeschwächter Verluste — hinauslaufen Der Staat muß also — im Tibersetzungsfalle —- eine T o t a l a b s ch r e i b u n g des überflüssigen Teils der Anlagen (Verschrottung) und — im Untersetzungsfalle — die Errichtung neuer Anlagen erzwingen Diese Politik (bzw. jede beliebige andere) müßte ohne jede Rücksicht darauf durchgeführt werden, ob die Unternehmungen im Eigentum Privater oder im Eigentum des Staats bzw. anderer öffentlicher Korporationen (Gemeinden usw.) stehen D. h. es müßte dafür ge-

sorgt werden, daß die Kosten einer fehlerhaften Investitionspolitik grundsätzlich von den Kapitaleignern (also entweder von den Privatunternehmern und —- subsidiär —- von ihren Gläubigern oder von

den öffentlichen Unternehmensinhabern, d. h. also von den Steuerzahlern) getragen werden müssen, niemals aber im Wege einer

monopolistischen Preispolitik auf die Abnehmer überwälzt werden dürfen

Dies ist nun zwar leicht gesagt, aber sehr schwer durchzuführen Und zwar nicht nur infolge der technischen Schwierigkeit einer richtigen Preisbemessung bzw. einer richtigen Investitionspolitik, sondern auch deshalb, weil sich natürlich — im Falle des Privateigentums —die Unternehmer und — im Falle des Staats- bzw. Gemeindeeigentums — die Finanzminister und Oberbürgermeister mit großem

Energieaufwand einer solchen Politik widersetzen würden Sie würden die ihnen zugemuteten Vermögensopfer nicht als selbstverschuldet oder als in ihr Risiko fallend anerkennen, sondern sich darauf berufen, daß ihnen ja die Preise, bzw. die Abschreibungen oder die Neuinvestitionen vom Staat vorgeschrieben worden seien, daß der Staat daher für alles verantwortlich sei. Dies ist nun allerdings ein fehlerhaftes Argument. Denn auch in der Konkurrenzwirtschaft

werden die Preise, Abschreibungen und Neuinvestitionen v o n außen her erzwungen, nämlich vom Markt, auf den der

einzelne keinen Einfluß hat. Aber damit gibt man sich sehr viel leichter zufrieden, denn der Markt ist keine autoritäre Befehlsinstanz,

sondern S ch i cks a l und h ö h e r e G e w a l t. Ins Unvermeidliche sich zu schicken, dazu ist man bereit, aber wesentlich anders liegt der

Fall, wenn an die Stelle des echten Marktschicksals eine Behörde 167

tritt, die mit einem Stab von dem Irrtum unterworfenen Beamten ihrerseits Schicksal s pielt. Es gehört jedenfalls — auf Seiten des Staates — ein außerordentlich großes Maß von Härte und Folgerichtigkeit dazu, hier fest zu bleiben und die wirtschaftenden öffentlichen Ressorts wie die Privatwirtschaft daran zu gewöhnen, daß hier keine Ausnahmen gemacht werden. Wie auf allen Gebieten des politischen Lebens hängt also auch hier der Erfolg nicht allein von der sachlichen Richtigkeit der getroffenen Entscheidungen, sondern auch von der W i l l e n s st ärke ab, mit der sie durchgeführt werden.

Diese Willensstärke ist hier aber einer sehr verführerischen und deshalb sehr starken Versuchung ausgesetzt, nämlich der Versuchung, die Opfer, die man von einer begrenzten Gruppe bekannter und ein-

flußreicher Persönlichkeiten verlangen muß, sozusagen auf kaltem Wege der ,,unbekannten Menge« der Abnehmer in Form von monopolitischen Preiszuschlägen 22) zuzumuten Die Abnehmer gewöhnen sich jedenfalls leichter an überhöhte Preise und pflegen sie sehr viel resignierter hinzunehmen, als Unternehmer und Staatsbetriebe mit Verlustpreisen, Abschreibungs- und Investitionsbefehlen sich abzufinden geneigt sind. Diejenigen Wirtschaftszweige aber, denen die durch die Monopolpreise einzelner (aber meist sehr wichtiger) Märkte zusätzlich beanspruchte Kaufkraft verlorengeht, sind in der Regel gar nicht mehr in der Lage, den Kausalzusammenhang zwischen ihrem eigenen (unverschuldeten) Beschäftigungsrückgang und jenerMonopolpreispolitik festzustellen oder auch nur zu erkennen Die-

wirtschaftspolitische Führung erspart sich jedenfalls sehr viel Mühe, unangenehme Auseinandersetzungen und den Vorwurf, Schaden angestiftet zu haben, wenn sie dem Drängen des betreffenden Wirtschaftszweigs nachgibt und davon absieht, die an sich sachlich gebotenen monopolzuschlagsfreien Preise bzw. die notwendige Abschreibungen bzw. Neuinvestitionen anzuordnen Eine solche Politik auf Kosten der Gesamtwirtschaft läßt sich sehr geräuschlos durchführen und liegt daher zweifellos in der Linie des geringsten

Widerstands. 22) Es handelt sich dabei keineswegs immer nur um die Bewilligung von Preiserhöhungen, sondern ebensooft um die Unterlassung von Preisherabsetzungen Wenn alles beim alten bleibt, ist der geringste Widerstand zu erwarten

168

Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß an Stelle der hier vorgeschlagenen Grundsätze der staatlichen Marktlenkung auch andere

entwickelt werden können, die ebenfalls eine folgerichtige und der Gesamtwirtschaft förderliche Politik ermöglichen Hier winken der Wirtschaftswissenschaft und der Betriebswirtschaftslehre wichtige und lohnende Aufgaben Welche Lösung aber auch immer gewählt wird, sie wird jedenfalls einheitlich sein und mit nachhaltiger Folgerichtigkeit durchgeführt werden müssen

Zu der Frage, in welcher Weise die staatliche Preissteuerung durch allmählichen Druck auf die Unternehmergewinne ein-en hinreichenden psychologischen Zwang zur Durchführung technischer und

organisatorischer Verbesserungen auszuüben vermag, sei noch folgendes angemerkt: Führt ein Unternehmen in einem der Staatskontrolle unterstellten Wirtschaftszweig eine Betriebsverbesserung durch, so würde es nicht empfehlenswert sein, den Marktpreis s o fort in einer der Kostenverbilligung entsprechenden Weise zu senken Und zwar deshalb nicht, weil die Möglichkeit, durch technischorganisatorische Leistungssteigerung einen D i ff e r e n z i a l g e g e winn zu erzielen, einen Anreiz darstellt, der ja auch auf den

freien Märkten zum Nutzen der Volkswirtschaft wirksam ist und daher auch auf den kontrollierten Märkten nach Möglichkeit erhalten

werden sollte. Dieser Differenzialgewinn darf indessen nicht zu einer gesicherten Dauerrente werden, sondern müßte, wie dies in der Wettbewerbswirtschaft unter der Einwirkung des Konkurrenzdruckes geschieht, durch allmähliche Preissenkung abgebaut werden. Der Staat wird hier also zweckmäßigerweise ebenso verfahren, wie er es bei dem behutsamen Abbau von Erziehungszöllen tut.

3. Die technischen Methoden der staatlichen Preissteuerung

Staatliche Marktlenkung setzt staatliche M a r k t b e o b a ch tu n g und staatliche Kalkulationskontrolle voraus. Ohne genaue und zuverlässige Unterlagen vermag sich die wirtschaftspolitische Führung weder ein klares Bild darüber zu machen, ob und wann ein Wirtschaftszweig aus der Konkurrenz herauszunehmen und der

unmittelbaren Staatslenkung zu unterwerfen ist, noch kann sie einen volkswirtschaftlich richtigen Marktbefehl erteilen Alle Maßnahmen bedürfen daher der gründlichen Vorbereitung durch Marktbeobach169

tung und Betriebsrevisionen Die Marktbeobachtung muß übrigens auch, mindestens stichprobenweise — abgesehen von der allgemein statistischen Ermittlung der Marktbewegungen, wie sie das Statistische Reichsamt vornimmt —- auf freie Märkte ausgedehnt werden, namentlich auf solche, bei denen die Vermutung naheliegt, daß sich Wettbewerbsmißbräuche eingeschlichen haben Selbst Betriebsprüfungen dürften sich hier in dringenden Fällen empfehlen Steht die Kontrollbedürftigkeit eines Marktes infolge Versagens

der Wettbewerbsordnung fest, so bieten sich der Staatsführung in der Regel mehrere technische Möglichkeiten zur a u t o r it ä r e n S t e u e r u n g dar. Die unmittelbar staatliche Preisfestsetzung, der unmittelbare Investitions- und Abschreibungszwang ist lediglich die ultima ratio, die nur da angewendet

werden sollte, wo die elastischeren und mittelbareren Methoden keinen Erfolg mehr versprechen Dies wird nun allerdings immer der Fall sein, wo ein vollständiges Monopol eines Einzelunternehmens oder eines Konzerns gegeben ist. Fehlt hier auch noch jegliche Surrogatkonkurrenz, so bleibt allerdings nichts anderes übrig, als die volle, unmittelbare, autoritäre Marktlenkung

Anders jedoch liegen die Verhältnisse in der Regel da, wo mehrere Betriebe den Markt bedienen, von denen entweder alle oder ein Teil

über beachtlichen Markteinfluß verfügen (sog. Zwischenlagen, Oligopole, beschränkte Konkurrenz). Hier würde die freie Konkurrenz entweder zum Vernichtungspreiskampf (Monopolkampf) oder aber zur marktmäßigen Fühlungnahme zwi-

schen den Beteiligten (gentleman agreement) führen. Die Aufgabe des Staates ist es, beide Möglichkeiten zu unterbinden und solche Maßnahmen zu treffen, die auch hier eine dem idealen Konkurrenz-

ablauf möglichst angenäherte Marktgestaltung gewährleisten Ein Mittel, diesen Erfolg herbeizuführen, ist der Erlaß von K a l ku l a t i o n s r i ch t l i n i e n und die Uberwachung ihrer Einhaltung-, d. h. die Staatsführung kann hier, anstatt die Preise zu binden, nach Durchführung einer umfassenden Selbstkostenprüfung verbindliche Anweisungen für die Preisberechnung der Einzelbetriebe erlassen und auf diese Weise eine geregelte Konkurrenz zwischen den mehreren Unternehmungen veranstalten

Eine solche

Methode wird mit großer Wahrscheinlichkeit wenigstens den vom Monopolstreben der einzelnen diktierten Verlustpreiskampf aus170

schalten Ob es freilich gelingt, ohne Anwendung von unmittelbarem

Zwang auch die formlose und geheime Verständigung zwischen den Beteiligten zu unterbinden, ist schon sehr viel fraglichen Unter Umständen werden hier die billiger arbeitenden Betriebe autoritär zu Preissenkungen angehalten werden müssen, damit die Betriebe mit den höheren Kosten zu entsprechender Leistungsanspannung genötigt werden, deren Durchführung man dann wiederum ihrer eigenen

Initiative überlassen kann. Es kann hier davon abgesehen werden, die Frage der Behandlung der »beschränkten Konkurrenz« und der technischen Möglichkeiten die auf diesem Felde zu Gebote stehen, näher zu erörtern Dafür

sei an dieser Stelle auf die Arbeiten von Leonhard Miks ch hingewiesen (,,Kalkulationskartelle — wozu?« in ,,Wirtschaft und Arbeit«, Dezember 1936, Heft 11, S. 320 ff., »Was kann das Kalkulationskartell leisten?«, Handelsteil der Frankfurter Zeitung vom 11. Oktober 1936 u. a.), in denen neuerdings die Problematik der

Zwischenlagen aufgezeigt und grundsätzlich beleuchtet worden ist 23). Die Darstellung der möglichen Methoden staatlicher Marktlenkung kann nicht abgeschlossen werden, ohne daß noch eine sehr grund-

legende Frage berührt wird, nämlich die Frage, ob und in welchen Fällen es sich empfiehlt, daß der Staat zu dem radikalsten Eingriff

in die Unternehmerfreiheit schreitet und die Betriebe im ganzen in Eigenregie übernimmt (Vollsozialisierung). Zunächst ist hierzu zu bemerken, daß der Satz, der Staat solle

über der Wirtschaft stehen, aber nicht selbst wirtschaften, zwar ein Leitprinzip ist, das sich die Reichsführung zur Richtschnur ihres Ver-

hältnisses zur Wirtschaft gemacht hat, nicht aber ein Dogma, das den Staat daran zu hindern vermöchte, das Mittel der Sozialisierung da anzuwenden, wo sich sein Einsatz im gegebenen Falle sachlich empfiehlt. Das Argument, das zugunsten der Sozialisierung am häufigsten

ins Treffen geführt wird, lautet dahin, daß der Staat da, wo er schon einmal den Markt befehlsmäßig regle, auch das Kapitalrisiko tragen solle. Daß dieses Argument unzutreffend ist, wurde schon

an anderer Stelle dargetan Denn der Staat lenkt ja die freien Märkte ebenfalls, wenn auch nicht durch unmittelbare Befehls23) Im Rahmen der vorliegenden Schriftenreihe wird ein besonderes Heft der Problematik der beschränkten Konkurrenz gewidmet sein.

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erteilung, so doch durch die Veranstaltung und Uberwachung des Leistungswettbewerbs Eine andere Meinung macht zugunsten der Vollsozialisierung geltend, daß das Verhältnis zwischen der preisfestsetzenden und selbst in die Investitionspolitik eingreifenden Staatsgewalt und den noch immer im Eigentum der Anlagen befindlichen Unternehmern notwendig ein gespanntes sein werde, daß

der Staat hier angesichts der außergewöhnlichen Schwierigkeit der Uberwachung mit einer ständigen Durchkreuzung seiner Absichten,

mit einem praktisch gar nicht zu beseitigenden passiven Widerstand zu rechnen haben werde. Daß diese Gefahr vorliegt, läßt sich allerdings nicht abstreiten Wohl aber muß in Abrede gestellt werden,

daß sie nicht in schöpferischer Weise überwunden werden könnte. Eine folgerichtige, volkswirtschaftlich richtige staatliche Marktlenkungspolitik, hinter der ein unbeugsamer Wille steht, wird in zunehmen-

dem Grade an Autorität selbst bei denjenigen Unternehmern gewinnen, denen Opfer zugemutet werden, die sie auch im Wettbewerb zu bringen haben würden, und die ihnen infolgedessen nur so lange

als unverständliche und unbillige Opfer erscheinen, als die Erringung einer privaten Monopolstellung noch als ein legales Mittel zur Erzielung von Rentabilität oder zur Abwendung von Verlusten gilt. Hat sich die richtige Auffassung erst einmal durchgesetzt, ist die Idee der Wirtschaftsverfassung Allgemeingut geworden, hat es die staatliche Marktlenkung erst einmal verstanden, das Vertrauen der Urteilsfähigen in die Sachlichkeit, Gründlichkeit und volkswirtschaft-

liche Richtigkeit ihrer Maßnahmen zu gewinnen, dann wird sich auch ein reibungsloses und fruchtbares Zusammenarbeiten zwischen den mit der Marktlenkung betrauten Staatsressorts und Unternehmern einspielen Wo diese Erwartung enttäuscht wird, bleibt dann immer noch der Weg der Sozialisierung. Der Vorteil der Sozialisierungsmethode besteht darin, daß der Staat in eigenen, von Beamten geleiteten Betrieben die genaue Durchführung seiner Befehle sehr viel leichter sichern kann. Allerdings bedarf es auch hier einer genauen Betriebskontrolle, denn die

Leiter von Staatsbetrieben sind erfahrungsgemäß Monopolpreisen so wenig abgeneigt, wie private Unternehmer. Der Ehrgeiz, mit Gewinnabschlüssen aufzuwarten, vor allem aber die Abneigung

gegen Berlustabschlüsse, ist bei ihnen nicht weniger ausgeprägt, selbst wenn sie nicht auf Tantiemen gesetzt sind. Ebenso ungern wie private 172

Unternehmer werden auch sie sich zu Sonderabschreibungen verstehen. Die Gefahr des psychologischen Widerstands gegen die Maßnahmen der staatlichen Marktpolitik liegt also auch hier vor. Während aber

private Unternehmer bei einer etwaigen Betätigung dieses Widerstands lediglich in der sachlichen Schwierigkeit einen Bundesgenossen haben, vor die sich der Staat bei der Durchführung der Aufsicht und der Handhabung der Marktlenkung gestellt sieht, im übrigen aber nicht auf Schonung rechnen dürfen, wenn der Staat seiner Aufgabe Herr wird, erwächst den Leitern von Staatsbetrieben ein überaus mächtiger Helfer in dem fiskalischen Interesse

d e s Sta ats selbst. Denn nicht nur die Leiter dieser Betriebe, sondern auch die Finanzminister und Bürgermeister sind an Monopolgewinnen interessiert und werden daher nicht selten geneigt sein, die fiskalischen Gesichtspunkte ihrer Ressorts den von der wirtschaftspolitischen Führung betätigten Marktlenkungsgrundsätzen mit großer Entschiedenheit entgegenzusetzen Darin liegt sicherlich eine der Hauptgefahren der Sozialisierung von Betrieben, daß nämlich der Staat selbst in seiner Eigenschaft als Inhaber werbender Unternehmungen an einer Preis- und Marktpolitik interessiert ist, die er mit Recht mißbilligen und bekämpfen würde, sobald sie von der Privatwirtschaft angestrebt werden würde. Der Umstand, daß der Staat seine Einkünfte im Interesse der Volksgemeinschaft unmittelbar verwendet, ist nur geeignet, den Konflikt zwischen seinen wirt-

schaftspolitischen Aufgaben und seinen Finanzinteressen noch zu verschärfen Die Versuchung, einen etwaigen Markteinfluß tatsächlich geltend zu machen, tritt an den Staat namentlich dann heran,

wenn bei Einhaltung der strengen Marktordnungsgrundsätze empfindliche Verluste zu besorgen sein würden Wenn daher im Dienst der staatlichen Marktsteuerungspolitik zu dem Mittel der Sozialisterung und Eigenbewirtschastung gegriffen wird, dann empfiehlt es

sich jedenfalls, die Betriebsführung ausschließlich dem Wirtschaftsministerium zu unterstellen und jeden Einfluß der Finanzressorts auf die Preispolitik fernzuhalten Anders natürlich, wenn die Sozialisierung durchgeführt wird in der Absicht, ein st a a tlich e s Fin a n z m o n o p ol zu errichten, d. h. also dem Staat eine Ein-

kommensquelle zu eröffnen In solchen Fällen sollte man aber den Weg einschlagen, den fiskalischen Charakter dieses Vorgangs durch ein G es etz (und zwar in jedem Einzelfall) vor der Offentlichkeit 173

klarzustellen Denn es sollte nirgends ein Zweifel daran bestehen, in welcher Eigenschaft sich der Staat als Unternehmer betätigt, ob in seiner Eigenschaft als Vollstrecker der Wirtschaftsverfassung oder in seiner Eigenschaft als Träger der Finanzhoheit. Wird diese Grenze verwischt, so entsteht im Bereich der staatlichen Marktsteuerung die gleiche Undurchsichtigkeit, die im Bereich der freien Marktwirtschaft durch das Auskommen der privaten Kartelle und Marktbindungen zum schweren Nachteil der Volkswirtschaft geschaffen worden ist. Nichts aber ist für die Herstellung einer wahrhaft geordneten Wirtschaft so notwendig wie K l a r h e i t. Ferner ist erforderlich eine beispielhafte Haltung des Staate s überall da, wo er selbst eine Tätigkeit ausübt, die seiner eigenen

wirtschaftspolitischen Kontrolle untersteht! 4. Die Mittel zur Sicherung des Marktgehorsams. Hat sich der Staat im Wege einer bis ins einzelne gehenden Beobachtung über einen bestimmten Markt unterrichtet, durch Betriebsprüfungen klaren Einblick in die Kostenstruktur der einzelnen

Unternehmungen gewonnen und sodann eine bestimmte, sachlich richtige und zweckmäßige Marktanordnung getroffen, so hat er schon eine Leistung verrichtet, die in jedem Einzelfall die größte Bewunderung verdient. Denn jede dieser drei Einzeletappen (Marktanalyse, Kostenanalyse und Urteilsbildung über das, was geschehen soll) bietet ganz außerordentliche sachliche Schwierigkeiten, deren Uberwindung an die Arbeitskraft, an das theoretische Wissen, an den praktischen

Blick und nicht zuletzt an den Charakter, die Willenskraft und die Verantwortungsfreudigkeit der beteiligten Beamten bis zum letzten

Betriebsprüfer hinunter die höchsten Anforderungen stellt. Ist aber die Anordnung einmal getroffen, so schließt sich nunmehr ein wei-

terer Abschnitt der Staatstätigkeit an, der mindestens ebensoviele Schwierigkeiten mit sich bringt, nämlich die Sorge für eine

sinngemäße und disziplinierte Durchführung der erteilten Marktbefehle.

Die Schwierigkeiten, die hier austreten, haben ihre Wurzel darin, daß der Unternehmungsleiter, an den die Weisung ergeht, n ä h e r

b ei d en Din g en ist als der überwachende Beamte. Er ist es, der im Betriebe steht, der täglich seine Dispositionen zu treffen hat, der 174

die Buchführung beherrscht, der, ohne erst Rückfragen nach oben stellen zu können, ohne Unterlaß eine Reihe verantwortungsvollster Entschlüsse fassen muß. Ist er mit der Entscheidung der marktlenkenden Instanz einverstanden, hat er sich« ihren Sinn zu eigen ge-

macht oder ist er wenigstens gewillt, sich dem Befehl in größter Disziplin zu unterwerfen, hält er von sich aus Fühlung mit der Behörde, so ist die Handhabung der Kontrolle leicht; bei solchem Ablauf wird das Problem der staatlichen Marktlenkung gefördert, werden von allen Beteiligten wichtige Erfahrungen gemacht und Erkenntnisse gewonnen Verhält es sich aber anders, bildet sich die

so naheliegende Animosität zwischen dein Unternehmensleiter und dem ,,grünen Tisch« heraus, so wird der Unternehmer, eben weil

er im Betrieb steht, tausendfache Gelegenheit finden, der Entscheidung in einer kaum sichtbaren, aber nichtsdestoweniger sehr wirkungsvollen

Weise entgegenzuhandeln und die praktischen Abläufe in eine Richtung zu lenken, die mit dem Sinn der staatlichen Entscheidung nicht mehr verträglich ist. Hier muß also eine in ihren Mitteln sehr stark

ausgerüstete Uberwachungstätigkeit einsetzen, die den Prüfungsapparat der Behörden in übermäßiger Weise in Anspruch nimmt, für

die Unternehmensleitung eine Reihe von Unbequemlichkeiten und Belästigungen mit sich bringt und die trotzdem bei aller Beschleunigung doch immer oder fast immer zu spät kommen wird. Die Mittel, die zu diesem Behufe einzusetzen sind, müssen so gewählt werden, daß entweder die aktive Mitarbeit des Unternehmers schließlich doch erreicht oder aber der widerspenstige Unternehmerwille überhaupt ausgeschaltet wird. Ein Verhältnis hartnäckigen passiven Widerstands zwischen befehlender und ausführender Instanz ist im Bereich der staatlichen Marktpolitik unerträglich und

kann nicht geduldet werden, denn solange diese Reibung andauert, ist der von der Führung angestrebte Marktzustand praktisch nicht zuverwirklichen

Trotzdem darf eine solche Situation nicht nach polizeilichen Gesichtspunkten behandelt werden. Der Tätigkeitsbereich von Unternehmern, die der unmittelbaren staatlichen Marktlenkung unter-

stehen, wird in der Regel ein sehr großer und verantwortungsvoller Tätigkeitsbereich sein; seine Bewältigung erfordert stark ausgeprägte Persönlichkeiten, ausgezeichnet durch Selbstbewußtsein Selbständigkeit des Urteils, Festigkeit des Willens und eigene Ideen Im 175

Vordergrund aller Uberwachungsbestrebungen wird daher das Mittel der lebendigen und vertrauensvollen F ü h l u n g n a h m e stehen müssen Hierbei muß aber eines betont werden: Es ist mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß die Gefahr des Mißverstehens, mit der hier zu rechnen ist, nicht so sehr von der Seite der Beamten, die sich in die Lage der Unternehmer

nicht hineinzufühlen vermögen, als von der Seite der Unternehmer droht, denen es vermutlich sehr schwer fallen wird, sich von der Notwendigkeit einer strengen Ordnung der Wirtschaft und insbesondere einer folgerichtigen und einschneidenden staatlichen Marktlenkung zu überzeugen Denn in der Vergangenheit hat der Staat die Zügel schleifen lassen, hat weder für eine straffe Durchführung des Leistungswettbewerbs gesorgt noch eine wirklich durchgreifende Staats-

aufsicht herausgebildet und dadurch — unter Preisgabe entscheidender Gemeinschafts- und Ordnungsinteressen — das Unternehmertum an eine Auslegung des Begriffs der wirtschaftlichen Freiheit gewöhnt, die nunmehr in einer für die Privatwirtschaft schmerzhaften Weise wieder richtiggestellt werden muß. Es kommt also vor allen Dingen darauf an, daß den Unternehmern das Staatsinteresse klar und überzeugend, zugleich aber mit nachdrücklicher Festigkeit anschaulich gemacht wird. Ein Zuwenig an Energie würde hier sehr viel schädlicher sein als ein Zuviel. Die Erfahrung hat übrigens gelehrt, daß gerade diejenigen Männer der wirtschaftlichen Praxis, die gewohnt sind, das Interesse ihrer Unternehmungen mit dem größten Erfolg wahrzunehmen, das meiste Verständnis dafür haben, wenn auch das Staatsinteresse mit Nachdruck und unbeugsamer Willenskraft vertreten wird, und zwar auch da, wo es ihren eigenen Augenblicks-

interessen entgegengerichtet ist und ihnen Opfer zumutet. Es wird sich daher für das mit der Marktlenkung betraute Staatsressort empfehlen, wenn irgend möglich die unmittelbare Verbindung mit den

Unternehmern selbst zu suchen und die Vermittlung abhängiger beamteter Verbandsleiter und Syndizi so wenig wie möglich in Anspruch zu nehmen, da diese in der Regel nicht genug Autorität besitzen, um im Wege von Zugeständnissen über die Interessen ihrer Auftraggeber verfügen zu können. Die Verhältnisse liegen übrigens

nicht bei allen Wirtschaftszweigen gleich; es kommt hier alles auf die Persönlichkeiten an. Ohne Personenkenntnis läßt sich eine staatliche Marktpolitik nicht durchführen 176

Wo aber der Widerstand im Wege der persönlichen Fühlungnahme nicht gebrochen werden kann, da muß ohne viel Federlesen

Ernst gemacht werden. An Zwangsmitteln muß hier der Staat über schlechthin alle erdenklichen Möglichkeiten verfügen, die Aussicht auf

Erfolg versprechen bis zur zwangsmäßigen Ersetzung des Unternehmungsleiters und seiner Mitarbeiter durch staatliche Kommissare, ja bis zur Zwangsenteignung. 5. Die Organisation derstaatlichen Marktkontrolle. Zur Durchführung seiner höchst schwierigen Aufgaben beobachtender, mittelbar fördernder, unmittelbar lenkender und kontrollieren-

der Art, die ihm im Rahmen der geltenden Wirtschaftsverfassung gestellt sind, bedarf der Staat eines leistungsfähigen Apparats, eines ausreichenden festen Stammes hochqualifizierter, theoretisch

durchgebildeter und praktisch erfahrener Kräfte. Dieser Apparat ist erst noch zu schaffen da sich die Frage des organisatorischen Aufbaus der staatlichen Marktaufsicht noch im Versuchsstadium befindet und da seit 1923, dem Iahr des Erlasses der Kartellverordnung, wiederholt grundsätzliche Umgruppierungen stattgefunden haben, so daß es zur Ausbildung einer Tradition bis heute noch nicht hat kommen können. Zunächst war es das Kartellreferat des Reichswirtschaftsministe-

riums, dem die Handhabung der Kartell- und Monopolaufsicht übertragen war. Es war mit einem leitenden Beamten und einer Reihe

von spezialisierten Referenten besetzt; außerdem verfügte es über einen zwar kleinen für das praktische Bedürfnis keineswegs ausreichenden, aber doch immerhin zur gründlichen Untersuchung vereinzelter Wirtschaftszweige geeigneten Stab betriebswirtschaftlich

geschulter Betriebsprüfer. Als dann später die Stelle des Preiskommissars geschaffen und bei ihrer zweiten Wiederbesetzung im Jahre 1933 mit umfassenden Vollmachten ausgestattet wurde, ging die Aufgabe der inneren Marktüberwachung in immer breiterem Ausmaß auf diese Behörde über. Nachdem durch die Verordnung über Preis-

bindungen und gegen Verteuerung der Bedarfsdeckung vom 11. Dezember 1934 (RGBl. I S.1248) die Neugründung von Kartellen und Preiserhöhungen bestehender Kartelle von der Einwilligung des Preiskommissars abhängig gemacht worden waren Böhm

12

177

und infolge dieser Maßnahmen die Kartellüberwachungstätigkeit des Reichswirtschaftsministeriums auf die Behandlung von Beschwerden untergeordneter Art sich beschränken konnte, wurde das Kartellreferat aufgelöst und die Erledigung der laufenden Aufgaben den Fachreferenten des Reichswirtschaftsministeriums übertragen Eine neue Etappe begann, als am 29. Oktober 1936 durch das Gesetz zur Durchführung des Vierjahresplans vom 29. Oktober 1936 (RGBl. 1 S. 927) ein Reichskommissar für die Preis b ild un g bestellt und mit praktisch unbegrenzten Vollmachten ausgestattet

wurde; seine Aufgabe ist von weit umfassenderer Art als es die Aufgabe der früheren Preiskommissare war. Es handelt sich nicht mehr um Preisüberwachung, sondern um aktive ,,Wirtschaftsbeeinflussung, Lenkung und Führung, die, aus nationalsozialistischem Geiste geboren die Fähigkeit in sich birgt, das Leben so zu meistern, wie es

sich nun einmal bietet« 24). Zwei Wochen nach dem Erlaß dieses Gesetzes übertrug der Reichswirtschaftsminister seine ihm verbliebenen Befugnisse zur Uberwachung der Kartelle (KartVO. vom 2. Nov.

1923) und der Zwangskartelle (ZwKartGes. vom 15. Iuli 1933 § 3) durch Erlaß vom 12. November 1936 auf die berufsständischen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft, und zwar auf die beiden Gruppen Industrie und Handel. Somit besteht zur Zeit auf dem Gebiet der Marktüberwachung folgende Aufgabenteilung: Dem R e i ch s w i r t s ch a f t s m i n i —sterium unmittelbar obliegt die Errichtung von Zwangs-

kartellen (§ 1 ZwKartGes.) und die Anordnung von Errichtungsverboten (§ 5 ZwKartGes.); die Gruppen I n d u st r i e u n d H a n d e l üben unter der Oberaufsicht des Wirtschaftsministers die Kartellüberwachung aus; die gesamte übrige Marktüberwachung ist dem Reichsko m m iss a r übertragen der seinerseits dem B e a u f t r a g te n

fü r d e n V i e r j a h r e s p l a n, Generaloberst Göring, verantwortlich ist. Damit aber steht fest, daß auf absehbare Zeit die Organisation der staatlichen Marktlenkung zur Zuständigkeit des Reichskommissars für Preisbildung gehört; er ist die einzige Stelle, die über die zur Durchführung dieser Aufgabe erforderlichen Vollmachten verfügt und 24) Rede d. Reichskommissars Wagner vor der Presse am 1. Dezember 1936.

178

der die Aufgabe selbst im ganzen übertragen ist. Wie auch immer nach der Durchführung des Vierjahresplans die Zuständigkeiten neu verteilt werden mögen, gleichgültig, ob das Kommissariat ein selbständiges

Reichsressort bleibt oder in das Reichswirtschaftsministerium eingegliedert wird, soviel ist sicher, daß der Aufgabenkreis als solcher samt den Vollmachten als Dauereinrichtung der Wirtschaftsverfass sung erhalten bleiben wird. Der weitere Ausbau der staatlichen Marktlenkung wird es ferner mit sich bringen, daß die mit dieser

Aufgabe betraute Stellenotgedrungen auch die Befugnisse, die das Zwangskartellgesetz verleiht, und endlich auch die Reste der Kartellüberwachungsbefugnisse an sich ziehen muß. Es bedarf dies nicht

einmal eines formellen gesetzgeberischen Aktes; die Vollmachten des § 2 des Gesetzes vom 29. Oktober 1936 decken a l l e Maßnahmen, »die zur Sicherung volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise und Maßnahmen« erforderlich sind. Die Bildung und Auflösung von Zwangs-kartellen, die Anordnung von Errichtungsverboten die Uberwachung und Beeinflussung privater Kartelle gehört sachlich zur Zuständigkeit derjenigen Stelle, die für die staatliche Marktlenkung bestellt und verantwortlich ist. Das gleiche gilt für den

Einsatz, die Uberwachung und die Pflege des Wettbewerbs sowie für die Fortbildung und Verschärfung des Wettbewerbsrechts. Mit der seit Oktober 1936 bestehenden gesetzlichen Regelung ist den Ansprüchen Genüge geschehen die vom Blickpunkt der Gesamtwirtschaftsverfassung her an die Organisation der mit der staatlichen Marktlenkung zu beauftragenden Instanz gestellt werden müssen Diese Ansprüche aber, die sich aus der Aufgabe selbst ergeben sind folgende. Erstens: Die staatliche Marktlenkung muß in e in e r Hand zusammengefaßt werden. Zweitens: Die Aufgabe der Marktlenkung kann nicht einer Stelle anvertraut werden, deren Haupttätigkeit auf einem anderen Gebiet liegt; sie muß vielmehr den a u s -

schließlichen Tätigkeitsbereich der betreffenden Stelle bilden Drittens: Die zur Marktlenkung berufene Stelle muß mit den umfassendsten Vollmachten und mit der denkbar höchsten Autorität ausgestattet werden. Die letzte Forderung, die noch zu stellen wäre, ist zwar zur Zeit noch nicht behördenorganisatorisch, wohl aber

de facto durch die Einheit der politischen Reichsführung verwirklicht, nämlich die Forderung, daß die marktlenkende Tätigkeit in engster Fühlungnahme mit der Gesamtwirtschafts179

p o litik d e s R e ich e s (Währungs-, Kredit-, Handels- und

Verkehrspolitik) ausgeübt wird. Nur eine Organisation die diesen Ansprüchen genügt, schafft die

Gewähr dafür, daß das Interesse der Gesamtwirtschaft gegen die gar nicht hoch genug zu veranschlagenden Widerstände von Gruppenund Einzelinteressen gegen das im wirtschaftlichen Alltag so verhängnisvoll wirksame Beharrungsstreben gegen das Umsichgreifen gesamtwirtschaftsschädlicher Gewohnheiten Nachlässigkeiten und

Verfilzungserscheinungen jeder Art mit der notwendigen Schlagkraft, Willensstärke, Autorität, Folgerichtigkeit und Grundsatztreue wahrgenommen wird. Im Hinblick auf die gegenwärtige wirtschaftspolitische Konstellation (Durchführung des Vierjahresplans) bleibt zu der Frage der allgemeinen Organisation noch eines zu bemerken: Der Vierjahres-

plan stellt die staatliche Marktlenkungspolitik vor eine Reihe höchst wichtiger S o n d e r a u f g a b e n. Ihre Lösung gehört schon nicht mehr zur Pflege der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Normalords nung, sondern istim Rahmen desAusnahmeverfassungss r e ch t s zu vollziehen Daneben aber bietet gerade das Vorhandensein eines wirtschaftsverfassungsrechtlichen Ausnahmezustands und

einer die Kraft und die leidenschaftliche Anteilnahme der ganzen Nation aufbietenden gewaltigen einmaligen Aufgabe eine unvergleichliche Gelegenheit, den Aufbau der auf die Dauer berechneten normale-n Wirtschaftsverfassung mit Macht in Angriff zu nehmen und hier die Entwicklung mit einer viel größeren Wucht vorwärtszutreiben als es

in Zeiten des normal ablaufenden wirtschaftlichen Alltags möglich sein würde. Heute kann das Ziel angestrebt werden, die Wirtschaftsverfassung in einem kühnen Anlauf so in den Sattel zu setzen und

im Bewußtsein der Nation zu festigen daß nach der Durchführung der im Vierjahresplan vorgesehenen Sonderaufgaben sehr vieles

zur selbstverständlichen Gewohnheit geworden sein wird, was sich in normalen Zeiten nicht ohne heftige Kämpfe gegen überlieferte Vor-

stellungen und eingefressene Mißbräuche hätte durchsetzen lassen Die Pflege der Dauerwirtschaftsverfassung wird dazu führen, daß sich im Rahmen des behördlichen Aufbaus der Marktlenkungsinstanz eine Gliederung und Aufgabenteilung herausbildet, die nach der Durchführung des Vierjahresplans der Wirtschaftspolitik des 180

Reiches als ein geeignetes Instrument zur ferneren Ausübung der Marktkontrolle zur Verfügung steht und von ihr ohne weiteres übernommen werden kann. Wie sich diese Behördenorganisation im

einzelnen gestalten wird, wird sich in erster Linie nach den Aufgaben richten die sich im Laufe der nächsten Zeitspanne herandrängen

Die Hauptsache ist hier die Auswahl der Persönlichkeiten und die Verwertung der Erfahrungen Immerhin lassen sich aber heute schon einige konkretere Richt-

linien abzeichnen die sich nach den Erfahrungen der Vergangenheit und im Hinblick auf die Durchführung solcher Aufgaben, die sich heute schon mit Sicherheit erkennen lassen als praktisch erweisen dürften

Im folgenden sei versucht, nach zwei Richtungen hin in technische Einzelheiten der behördlichen Organisation einzudringen a) Die Organisation des Selbstkostenprüfungswes ens. Um in die Marktpreisbildung mit sachlichem Erfolg eingreifen zu können, um hier volkswirtschaftlich das Richtige zu treffen und Preise festzusetzen die sich als geeignete Orientierungstafeln für das privatwirtschaftlich:technische Verhalten der Marktbeteiligten erweisen muß die staatliche Marktlenkung sich ein zuverlässiges Bild von der Kostenstruktur der betreffenden Wirtschaftszweige verschaffen Dies ist aber ohne den Einsatz eines vorzüglich geschulten Stabes von betriebswirtschaftlich ausgebildeten

Wirtschaftsprüfern unmöglich. Die hier zu Gebote stehenden Kräfte kommen entweder von den Universitäten oder aus der Praxis, wo sie entweder als selbständige Wirtschaftsprüfer oder als Angestellte privatwirtschaftlicher Unternehmungen Wirtschaftsverbände oder Treuhandgesellschaften tätig waren. Wie immer aber ihre Herkunft sein möge, ihr bisheriger Tätigkeitsbereich war jedenfalls ein anderer als es derjenige ist, der sie nun erwartet. Vor allem aber ist der Blickp unkt ein anderer. Es ist wohl möglich, daß man sie zunächst einmal einsetzt, da ja vermutlich Not an Mann sein wird. Zu befriedigenden Ergebnissen wird man aber nur kommen, wenn man für eine umfassende und einheitliche Schu-

lun g dieser Kräfte sorgt und Einrichtungen trifft, die diese Ausbildung gewährleisten Hierzu gehört zunächst einmal, daß an einer zentralen Stelle, die mit den fähigsten Persönlichkeiten zu besetzen ist, die s a ch l i ch e n G r u n d s ä tz e ausgearbeitet werden, nach denen die Betriebsrevisionen vorzunehmen und die Ergebnisse der 181

Prüfungen auszuwerten sind. Dieser Stelle sind grundsätzlich alle

Prüfungsberichte in Abschrift zuzuleiten; eine kritische Uberprüfung solcher Prüfungsberichte müßte mindestens stichprobenweise, und zwar so häufig wie möglich vorgenommen werden. Auch die Vers haltungsmaßregeln für die Durchführung von Revisionen (z. B. für die Fälle, in denen der Prüfer auf passiven Widerstand stößt) wür-

den hier auszuarbeiten und nach Maßgabe der Erfahrungen zu verfeinern sein. Daneben dürfte die Veranstaltung von Schulungskursen — auch für die nicht betriebswirtschaftlich vorgebildeten Referenten —, die Abkommandierung von Prüfern des Außendienstes in die Zentrale und umgekehrt, die Teilnahme von Beamten der

Zentralstelle an wichtigen Revisionsfahrten unerläßlich sein. Schlechthin notwendig aber ist, daß diejenigen Referenten die auf Grund durchgeführter Betriebsrevisionen die Marktentscheidung zu treffen oder doch vorzubereiten haben, die Prüfungsberichte mit Sachkunde und kritischem Urteil zu lesen verstehen. Schließlich noch ein Wort zu der rangmäßigen Einklassifizierung der Betriebsprüfer. Wer die verantwortungsvolle Arbeit staatlicher Betriebs- und Preisprüfer nicht aus eigener Anschauung oder aus dienstlicher Erfahrung kennt, vermag sich kaum eine zutreffende Vorstellung von den theoretischen und praktischen Schwierigkeiten zu machen die hier zu bewältigen sind, und erst recht nicht von dem Maß an geistigen Fähigkeiten und charakterlichen Eigenschaften die dieser Dienst erfordert. Der gute Betriebsprüfer, der von der staatlichen

Marktlenkungsinstanz in die Unternehmungen geschickt wird, hat dort neben anderem auch eine höchst wichtige pädagogische und reprä-

sentative Mission zu erfüllen; schon aus diesem Grunde ist es unmöglich, die Betriebsprüfer in einen subalternen Dienstrang einzuklassifizieren sie beispielsweise, sobald sie ihre Prüfungs- und Lehrzeit mit Erfolg abgeleistet haben, noch weiterhin in der Stellung des auf Privatdienstvertrag mit jederzeitiger Kündigungsfrist angestellten Hilssarbeiters zu belassen Der Erfolg einer solchen Personalpolitik wird nur sein, daß alle fähigen Köpfe mit hohen Gehältern von der Privatwirtschaft wegengagiert werden. Berück-

sichtigt man, welchen unschätzbaren Wert ein Stamm fähiger und mit ihrer hohen Aufgabe verwachsener Betriebsprüfer für die staat-

liche Marktlenkungspolitik darstellt, wieviel von der Qualität gerade 182

dieser Arbeit abhängt, zieht man ferner in Rechnung, welchen groben und feinen Versuchungen welchen heiklen und peinlichen Lagen

diese Träger staatlicher Interessen ausgesetzt sind, dann kann nicht zweifelhaft sein, daß dem guten Betriebsprüfer die höhere Beamtenlaufbahn mit unbeschränkten Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen ist und daß die erforderlichen Etatstellen unter allen Umständen geschaffen werden müssen Nirgends ist das Iuristenmonopol unangebrachter und schädlicher als hier. b) Die Organisation der wissenschaftlichen Bearbeitung der mit der staatlichen Marktlenkung in Zusammenhang stehenden Fragen Der Grundsatz

der Einheit und Folgerichtigkeit der Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftspolitik gebietet aber auch, daß über den in der praktischverantwortlichen Behördenarbeit stehenden Referenten eine Organisation errichtet wird, deren Aufgabe es ist, die o b ersten s a ch lich e n G r u n d s ä tz e für die Marktbeobachtung, für die Vorbereitung und Durchführung von Marktentscheidungen und für die Gesichtspunkte, nach denen diese Marktentscheidungen zu treffen sind, auszuarbeiten die Erfahrungen zu sammeln, die Verbindung

zur wissenschaftlichen Forschung aufrechtzuerhalten die Propagandaund Erziehungsarbeit vorzubereiten Ohne eine solche Generalstabsarbeit und ohne eine Organisation die ausschließlich mit ihr betraut ist, läßt sich eine moderne Wirtschaftsverfassung nicht

in die praktische Wirklichkeit überführen. Der unabhängigen Wissenschaft stehen zu diesem Behufe das lebendige Anschauungsmaterial und die täglich im Dienstbetrieb anfallenden praktischen Erfahrungen nicht in zureichendem Maße zur Verfügung; außerdem ist es nicht möglich, die Universitätsgelehrten die ja ihren eigenen Aufgaben-

kreis haben, schlagartig auf bestimmte Aufgaben anzusetzen Die staatliche Wirtschaftspolitik bedarf aber eines ihren Bedürfnissen und Winken unbedingt zu Gebote stehenden Instruments von hoher

wissenschaftlicher Qualität, wie es sich ja das Heer in der Einrichtung des Generalstabes schon längst und mit über alle Zweifel erhabenem geschichtlichen Erfolg geschaffen hat. Diese Einrichtung verspricht auch um deswillen einen großen Nutzen weil es auf diese Weise möglich wird, den fähigeren Beamten die Gelegenheit zu theoretischer Fortbildung zu geben und

sie auf diese Weise in den höheren Gesichtspunkten und in einer 183

bedeutenderen ich möchte sagen, feierlicheren und kräftigeren Anschauung ihrer Aufgaben zu bestärken deren niemand mehr bedarf

als derjenige, der sich tagaus, tagein mit Fragen des wirtschaftlichen Alltags und mit dem Kleinkrieg gegen privatwirtschaftliche Indivi-

dual- und Gruppeninteressen zu befassen hat. Bei unserer Erziehungsweise erhält der Einzelne seine Universitätserziehung und

theoretische Ausbildung in einem Alter, in dem er, abgesehen vom Arbeits- und Militärdienst, nichts kennen gelernt hat, als die Schul-

bank. Und später wird er, wenn er fähig ist, in ein Ubermaß von Arbeit hineingestellt, das ihm nicht die Zeit läßt, sich auf die große Linie zu besinnen und sein Tagewerk in einem höheren Zusammenhange zu überdenken So wird er zum gewandten Routinier und

kann bei aller Gewissenhaftigkeit das Gefühl nicht loswerden daß er im Grund Pfuscharbeit leistet. Die Abkommandierung in die

mit der theoretischen und grundsätzlichen Verarbeitung der Tageserfahrungen betrauten Organisation dürfte in hohem Grade geeignet sein, diesem Ubelstande abzuhelfen Und umgekehrt wird durch die

Rücküberführung von Angehörigen dieser Organisation in den Außendienst oder ihre Betrauung mit der Durchführung von praktisch-marktpolitischen Sonderaufgaben dafür Sorge getragen werden können, daß in diesem Gremium die Berührung mit den Wider-

ständen des praktischen Lebens und die lebendige Anschauung der Dinge nicht verlorengeht. c) Der Grundsatz der Entscheidungsbegründung. Wenn die Einheit der wirtschaftspolitischen Linie innerhalb des Gesamtressorts wirklich nachhaltig gewährleistet sein soll,

dann empfiehlt sich noch eine weitere Vorkehrung. Nämlich die strikte Anordnung, daß jede marktlenkende Verfügung, mag sie auch noch so untergeordneter Art sein, mit einer e r s ch ö p f e n d e n und schlüssigen schriftlichen Begründung zu versehen ist, aus der insbesondere die Entscheidungsgrundlagen die Entscheidungsvorbereitungen und die für die Entscheidung maßgebenden Grundsätze ersichtlich sein müssen Eine solche Anordnung hat erstens pädagogischen Wert für den betreffenden Beamten selbst, der so gezwungen wird, sorgfältig und gründlich zu arbeiten Zweitens erleichtert sie die Kontrolle und die Durchführung der einheitlichen

Linie für die oberste Leitung des Ressorts. Drittens bilden solche

Entscheidungen ein wertvolles Material für die Wissenschaft und 184

für die mit der Herausarbeitung der obersten Grundsätze betrauten Instanz. Viertens und endlich aber sind solche wohlbegrünsdeten Entscheidungen soweit sie veröffentlicht werden können, in hohem Grade geeignet, die Privatwirtschaft über die Handhabung der staatlichen Marktkontrolle zu unterrichten ihr Vertrauen in die sach-

liche Gründlichkeit, Folgerichtigkeit, Unbeugsamkeit und Stetigkeit der amtlichen Wirtschaftspolitik zu stärken ihr Urteil zu bilden und

ihre privatwirtschaftlichen Maßnahmen in die richtige Bahn zu lenken Nirgends ist die Durchsichtigkeit des Gesamtgeschehens und der Gesamtordnung von so großer Wichtigkeit für den gedeihlichen

Ablauf eines Sozialprozesses wie auf dem Gebiete der arbeitsteiligen kaum übersehbaren modernen Wirtschaft, die sich in der Atmosphäre des Alltags, der Nüchternheit und der Augenblicksinteressen abspielt. Hier sollte deshalb nichts versäumt werden, was geeignet sein könnte, die hinter der Wirrnis der Dinge wirksame politische Ordnungsidee aufleuchten zu lassen und sie den an der

Peripherie des Geschehens tätigen Beteiligten nahezubringen. d) Die Heranziehung der berufsständischen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft. Es bleibt nunmehr noch übrig, die Aufgabe zu umreißen, die den berufsständischen Organisationen der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen

einer dynamischen Wirtschaftsordnung zukommt. Hier ist zunächst zu sagen, daß jede berufsständische Gliederung die Gefahr in sich birgt, zum Ansatzpunkt st a t i s ch e r B e h a r :

rungsbestrebungen und partikularer Gruppenbemühungen um eine garantierte Lebenssicher u n g zu werden. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich nich t, die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft mit den Aufgaben der

staatlichenMarktlenkung unmittelbar verantwortlichzu betrauen solange nicht eine sehr gründliche Erziehungsarbeit vorhergegangen ist, die jede derartige Neigung zur Statik endgültig ausgerodet hat. Die wirtschaftspolitische Führung hat denn auch bis-

her den Organisationen jede marktregelnde Tätigkeit nachdrücklich untersagt und dieses Verbot erst kürzlich wieder in der Anordnung vom 12. November 1936 bei Anlaß der Ubertragung der Kartellaufsichtsbefugnisse auf die Gruppen Industrie und Handel mit erneuter Betonung wiederholt. Um so intensiver können die Organisationen in den Dienst der 185

Erziehungstätigkeit und der Uberwachung von Anordnungen der staatlichen Marktlenkung gestellt werden. Es wird ihre Aufgabe sein, das Verständnis der Wirtschaftsordnung in allen Kreisen der Wirtschaft zu wecken und lebendig zu halten. Vor allem wird es ihrer entschlossensten Mitwirkung bedürfen, wenn es gelingen soll, mit den Irrtümern aufzuräumen die heute noch einer richtigen Auffassung

des Wettbewerbs im Wege stehen Hier gilt es, die Unternehmer darüber aufzuklären daß Wettbewerb eine öffentlich-rechtliche Veranstaltung ist, die vom Staat zum Behuf der Ordnung der Märkte eingesetzt wird, daß es eine politisch-soziale Pflicht jedes einzelnen

gegenüber der Gemeinschaft ist, sich mit dem Aufgebot seiner vollen Leistungsenergie an diesem Wettbewerb zu beteiligen und daß daher eine gegenseitige Rücksichtnahme der konkurrierenden Unternehmer untereinander einen Akt der M a r k t s a b o t a g e und der A u f l e h n u n g darstellt. Ebenso notwendig ist es, daß die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft die staatliche Marktpolitik bei der Durchführung ihrer unmittelbaren Anordnungen aufs nachhaltigste unterstützen Mit dem gleichen Nachdruck, mit dem sie den vorbildlichen Wettbewerbsgeist und die Wettbewerbsdisziplin auf

den freien Märkten zu pflegen haben, müssen sie da, wo der Staat den Markt autoritär steuert, ihre Mitglieder zu bedingungsloser Unterordnung und Gefolgschaft erziehen Und mit derselben Tatkraft, mit der im Bereich der freien Märkte der Neigung zu kartellmäßiger Verständigung entgegenzutreten ist, muß im Bereich der

staatlichen Marktkontrolle jene Art von Scheingehorsam bekämpft werden, die jeden Befehl gerade so weit befolgt, daß ein offener Verstoß gegen den Buchstaben nicht nachgewiesen werden kann. Die früheren Spitzenorganisationen der Wirtschaft und ihre Untergliederungen waren weit davon entfernt, ihre Aufgabe in einer solchen Unterstützung des Staates und der Interessen der Gemein-

schaft zu erblicken Sie huldigten einer wirtschaftspolitischen Einstellung, für die der Wettbewerb eine ebenso unbehagliche Einrichtung war wie der unmittelbare Staatsbefehl; in dem grundsatzlosen Wirtschaftsdenken das die letzten fünf Jahrzehnte der Wirtschaftsgeschichte kennzeichnet, hielten sie das Zustandekommen privater

Marktverständigungen zwischen den Unternehmern von Fall zu Fall für die zweckmäßigste und wünschenswerteste Lösung aller Schwie-

rigkeiten Sie deckten dementsprechend mit ihrem Einfluß sowohl 186

die zunehmende Kartellierungsneigung der Privatwirtschaft als auch die feineren Formen der Widersetzlichkeit gegen staatliche Marktanordnungen Die neuen Organisationen des berufsständischen Aufbaus werden sich von dieser Tradition gründlich und radikal frei-

zumachen haben Ihre Aufgabe besteht nicht darin, die partikularen Sonderinteressen von Berufsgruppen der Gesamtheit gegenüber wahrzunehmen sondern umgekehrt darin, ihre Mitglieder mit den Bedürfnissen der Volksgemeinschaft und des Staates vertraut zu machen den Gemeinsinn zu wecken und zu pflegen und dafür zu

sorgen, daß sich im wirtschaftlichen Alltagsleben ein aufs Offenbliche gerichteter, politischer Geist in höherem Sinne entwickelt.

Unter den Juristen unserer Tage ist es eine weitverbreitete Auffassung, daß eine solche innere Wandlung, eine solche vollständige

Umkehr von der Mentalität des Jnteressenverbandes zur echten berufsständischen Gesinnung mit Hilfe einer einfachen rechtsdogmatischen Zauberformel, sozusagen einer Art von juristischer Taufe, bewerkstelligt werden könne. Dadurch, daß man — so etwa ist die

Ansicht — die alten Interessenverbände samt ihren Untergliederungen aus der Sphäre des privaten in die Sphäre des öffentlichen Rechts erhoben, sie zu Trägern der öffentlichen Ordnung gemacht und mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut habe, sei schon alles geschehen was habe geschehen können, habe sich die innere

Wandlung bereits vollzogen sei der Phönix des echten Berufsstandes schon aus der Asche der alten Interessenorganisation erstanden Eine geheimnisvolle Kehrtwendung habe stattgefunden: Die gegen den Staat aufmarschierten alten Verbände hätten sich

mit einem Schlage in Reih und Glied in die Marschkolonne der politisch erneuerten Volksgemeinschaft eingeordnet. Sie seien daher unverzüglich zu Trägern der neuen Wirtschaftsordnung zu machen und zu diesem Behufe mit den umfassendsten Vollmachten auszustatten. Dadurch werde zugleich der Staatsapparat entlastet; die wirtschaftspolitische Führung des Reiches könne sich nunmehr auf

die Erteilung der wichtigsten obersten Direktiven beschränken Diese Auffassung wird der Problematik und dem Ernst der Aufgabe in keiner Weise gerecht. Es ist hier der gleiche leichtsinnige und wirklichkeitsfremde Optimismus im Spiele, den die Anhänger dieser Meinung mit Recht dem wirtschaftlichen Liberalismus mit seinem Harmonieglauben und seiner Uberschätzung des Jndividuums 187

zum Vorwurf machen

Vor allem wird verkannt, daß die heu-

tigen Berufsstände noch in gar keiner Weise zu einer zutreffenden Vorstellung von dem Inhalt, dem Sinn und den leitenden Grundgedanken der geltenden Wirtschaftsverfassung vorgedrungen sind.

Die alte Grundsatzlosigkeit des wirtschaftspolitischen Denkens herrscht mindestens in technischer Beziehung noch durchaus vor. Wie soll-

ten auch die gleichen Persönlichkeiten die in diesem Denken groß geworden sind, sich von einem auf den andern Tag eine Einsicht angeeignet haben die sich in ganz wenigen führenden Männern der staatlichen Wirtschaftspolitik gerade auszubilden im Begriffe ist? Nicht die Berufsstände haben die Wirtschaftsverfassung zu schaffen sondern die Wirtschaftsverfassung hat sich die Berufsstände heranzubilden

Das bedarf einer gewaltigen Erziehungsarbeit, die so,

wie heute die Dinge liegen, nur von der wirtschaftspolitischen kann

Staatsführung

geleistet

werden

Selbst wenn alle in den berufsständischen Organisationen tätigen Kräfte vom besten Willen erfüllt wären, könnte man diesen Organisationen den Aufbau der neuen Ordnung nicht anvertrauen Und zwar aus mehreren Gründen nicht. Erstens ist es unmöglich, die Gruppen in dem marktpolitisch völlig uneinexerzierten Zustand, in dem sie sich heute noch befinden, auf eigene Faust und mit weit-

gesteckten Vollmachten ins Gefecht zu schicken Zweitens erfordert die Zerfahrenheit des überkommenen wirtschaftsrechtlichen Zustandes

gebieterisch eine denkbar straffe Konzentration und

Zentralisation der wirtschaftspolitischen Führung. Diese Führungsaufgabe kann nur von einer Stelle bewältigt werden, die für das Schicksal und das Gedeihen des G a n z e n der Volkswirtschaft verantwortlich ist und die zu diesem Behufe dem Widerstreit der wirtschaftlichen Einzel- und Gruppeninteressen so vollkommen wie möglich entzogen werden muß. Schon die Fachreferate des Wirtschaftsministeriums, denen die Betreuung einzelner Wirtschaftszweige obliegt, sind für die Zwecke der Markt-

steuerung und Kartellkontrolle zu eng mit Sonderbedürfnissen begrenzter Teile der Gesamtwirtschaft befaßt und daher immer in Gefahr, zentrale Fragen der allgemeinen Wirtschaftspolitik in perspektivischer Verzeichnung zu sehen In viel höherem Grade ist dies natürlich bei den Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft HB

selbst der Fall. Es ist ihr Vorzug, daß sie näher bei den Dingen sind und innerhalb ihres Tätigkeitsbereiches die Wirklichkeit stärker erleben als dies der obersten Führung möglich ist. Aber gerade deshalb sollte man ihnen auch nur solche Aufgaben übertragen die eben diese lebendige Fühlung mit bestimmten Teilbereichen des sozialen Lebens voraussetzen nicht aber solche, bei deren Bearbeitung ihnen zugemutet wird, sich zu bemühen die Sorgen und Lebens-

bedürfnisse von Gruppen die ihnen fernstehen ebenso stark zu empfinden wie ihre eigenen d. h. aber, ihre eigenen Sorgen und Lebensbedürfnisse mit kritischer Selbstüberwindung und aus überlegener Entfernung zu betrachten

189

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Akademie für Lan esforschung und Reichsplanung Leinen NM. 12.-. Pfister, Bernhard, Dozent Dr., Sozialpolitik als Krisenpolitik. 1936. VIII und 283 S. Gr.80. Brosch. NM. 9.—. — Die Entwicklung der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosigkeit in England. 1936. VIII und 195 S. 80. Brosch. RM. 7.80. Preiser, Erich, Dr., Privatdozent an der Universität Tübingen,·Die württeuis

betgifche Wirtschaft als Vorbild. Untersuchungen der Arbeitsgruppe OstpreußensWürttemberg 1937. V und 100 S. 80.

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Stiegen Wilhelm, Professor Dr., Schmalenbachs dynamische Bilanz. 1936. VIII und 136 S. 80.

Schlechtriem, lieben Wo

Leinen NM. 6.80.

us, Dr., Die Abschreibung im Rechnungsweer der gemeindungsunternehmen Jn Vorbereitung

Skalweit Stephan Dr., Die Berliner Wirtschaftslrise von 1763 und ihre Hintergründe. 1937.

Jn Vorbereitung

Steuer, Günther, Dr., Studien über die theoretischen Grundlagen der Zinslehre bei Thomas von Aquin 1936. 128 S. 80. Brosch. RM. 5.80. Treue, Wilhelm,

1815—1825.

Dr., Wirtschaftszustände und Wirtschaftspolitik in Preußen

In Vorbereitung

Walsdorfs, Heinz, Dr., Die ländliche Wohnungsfrage in Ostpreußen als poli-

tisches und methodologifches Iroblem Herausgegeben von der Akademie für Landesforschung und Rei splanung In Vorbereitung

Walther, Andreas, Professor Dr., Neue Wege zur Großftadtsanierung 1936. 31 S. und 4 Tafeln 80. Brosch. RM. 1.50.

Weisser, Gerhard, Dr., Wirtschaftspolitik als Wissenschaft Erkenntniskritische Grundfragen der praktischen Nationalökonomie 1934. VlII und 172 S. 80. Brosch. NM. 9.—.

soll, Walter, Dr., Das Kostenproblem in der Wirtschaftstheorie. 1936. VI und 158 S. 80. Brosch. NM. 7.—.

Einige juristische Neuersiheinungen und neue Tertausgaben Nachtrag zu beiden Ausgaben von NeinhardsMüller, Zwangsverfteigerungsgeseg 1937. 92 S. Gr.80.

Bros . NM 6.—.

Preise: Kommentar zum swangsversteigeriingsgesetz, 3.X4.Ausl. mit Nachtrag 1937. Brosch. RM. 51.—, Halbleder RM. 55.—. Handausgabe zum Zwangsversteigerungsgesetz, 8.Ausl. mit Nachtrag 1937. Leinen NM. 20.-. Soergel, H. Th» Hofrat Dr., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Unter Mitarbeit von Dr. Ehard, Sen.Präs., München; Dr. Gerold, OLG.Rat, Dresden; Dr. Günther, NG.Rat, Leipzig; Hafner, Sen.Präs., Düsseldorf; Hahne, Sen.Präs., Köln;

Dr. Jlling, LG.Dir., Leipzig;

Dr. Scherling

Sen.Präs., Hamm. 6.Aufl. 1937. 3 Bände in Lexikonformat XlI und 750, XVI und 808 und XVI und 1100 S. Halbleder NM. 90.——.

(Später wird noch ein rund 500 Seiten umfassender Negisterband zum Preis von etwa RM.15.— erscheinen) Aktiengesetz. Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf

Aktien vom 30. Januar 1937. Textausgabe mit Einführungsgesetz und Begründung Eingeleitet und mit einem Schlagwortverzeichnis versehen von Dr. O. Küch, Reichswirtschaftskammer. 1937. XI und 354 S. 160. Leinen RM. 2.70, Kart. RM.1.80.

Gewerblicher

Nechtsschug

Patent-,

Gebrauchsmuster-,

Warenzeichens,

Ge-

schmacksmustergesetz nebst den dazugehörigen Nebengesetzen VerordnungenBekanntmachungen usw. und den Jnternationalen Abkommen — Text-

ausgabe mit einer Einleitung von Rechtsanwalt Dr. Erich Nistoin 1936. VIII und 214 und 108 S. Kl.80.

Kart. NM. 3.—.

Textausgabe der Urheberrechtsgesetze. Literarisches, künstlerisches Urheberrecht und Verlagsgesetz nebst den dazugehörigen Nebengesetzen Verordnungen usw.

und den Jnternationalen Abkommen Zusammengestellt und eingeleitet von Rechtsanwalt Dr. Grich Nistoin 1936. VIII und 136 S. Kl.80. Brosch. RM. 2.90.

Textfammlun zum Wettbewerbsrecht einschließlich des Ausbaus der deutschen Wirtscha t. Zusammengestellt und eingeleitet von Dr. Erich Ristow, Rechts-·

anwalt in Berlin 1937. XII und 413 S. 160.

Brosch. RM. 6.—.

W.Kohlhammer - Verlag s Stuttgart und Berlin