Der Körper in der analytischen Therapie von Kindern und Jugendlichen [1 ed.] 9783666451980, 9783525451984

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Der Körper in der analytischen Therapie von Kindern und Jugendlichen [1 ed.]
 9783666451980, 9783525451984

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Jochen Willerscheidt

Der Körper in der analytischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

V

Herausgegeben von Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Jochen Willerscheidt

Der Körper in der analytischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit einer Abbildung Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-45198-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Umschlagabbildung: Paul Klee, Zwiesprache, 1938/akg‐images © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort zum Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Theoretische Grundlagen für eine körperorientierte Kinderund Jugendlichenpsychoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.1 Das Bewegungskonzept der Individualpsychologie . . . . . . 15 2.2 Der Beitrag der empirischen Säuglingsforschung . . . . . . . 19 2.3 Implizites Beziehungswissen und das Unbewusste . . . . . . 24 2.4 Das Paradigma der Intersubjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3 Entwicklungspsychologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.1 Von der Entwicklung des Körpererlebens und den Ursprüngen des Körperbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.2 Die erste psychosomatische Triangulierung . . . . . . . . . . . . 33 3.3 Die zweite psychosomatische Triangulierung . . . . . . . . . . . 35 4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.1 Das Körperbild und die Körperbild-Liste . . . . . . . . . . . . . . 38 4.2 Körperlesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5 Praxeologische Aspekte in einer körper­nahen Kinderund Jugendlichenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1 Haltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1.1 Präsentisches Verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1.2 Die Winnicott’sche Trias körperbezogen . . . . . . . . . . 41 5

5.1.3 Interventionen oszillieren zwischen prozeduralhandelndem und verbalem Modus . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.1.4 Abstinenz und Spontaneität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.1.5 Körperinszenierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.2 Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.2.1 Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung im Konzept der Mit-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5.2.2 Intuitive Handlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.3 Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.3.1 Augenblicke der Begegnung (Now-Moments) und Werksatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.3.2 Berührungsdialoge und Enactments als »korrektive emotionale Erfahrung« . . . . . . . . . . . . . . 58 5.3.3 Elternkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 6 Therapieziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 7 Aus- und Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 8 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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Inhalt

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrund­lagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich. Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 70 bis 80 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen. Themenschwerpunkte sind unter anderem: Ȥ Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung. Ȥ Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel Übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internet7

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basierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze. Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen. Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen. Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Soziale Arbeit, Arbeit mit Geflüchteten und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Familien, Gruppen, Eltern-­SäuglingsKleinkind-Psychotherapie. Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog ­befördern kann. Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

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Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Die Interaktion mit Kindern ohne ein konkretes Tätigwerden und körperliches Sicheinlassen des Therapeuten, der Therapeutin ist kaum vorstellbar. Vor diesem Hintergrund baut der Autor ein individualpsychologisches Konzept der »Bewegung« zur theoretischen Fundierung von »Handlungsdialogen« aus. Die Bewegungsfähigkeit und -tätigkeit als zentrales Lebenselement ist durch Intentionalität, zwischenmenschliche Bezogenheit und eine Oszillation zwischen Form­ erhaltung und Formauflösung im repräsentionalen Erleben gekennzeichnet. Beiträge der Säuglingsforschung werden herangezogen, die in Form von Lichtenbergs »motivationalem System« das Bewegungskonzept untermauern. Auch die Theorie der multiplen Codierungen auf subsymbolischer, nonverbal-symbolischer und verbal-symbolischer Ebene nach W. Bucci wirft ein Licht auf die Entstehung von Gedächtnisspuren in Handlungsdialogen. Schließlich spielt die intersubjektive Orientierung als eine Bedürfnislage beim Kind eine zentrale Rolle im innerpsychischen Bereich der Motivationen. Ein eigenes Kapitel ist der Entwicklungspsychologie von Körpererleben und Körperbild gewidmet. Der Körperaneignung des Kindes im Kontext liebevoller Beziehungen als erster psychosomatischer Triangulierung und den adoleszenten Veränderungen im Sinne einer zweiten psychosomatischen Triangulierung wird Rechnung getragen. Die Diagnostik des Körperbildes und das »Körperlesen« leiten zu praxeologischen Aspekten einer körperbezogenen Kinder- und Jugendpsychoanalyse über. Eine wache Präsenz des Therapeuten im schützenden Rahmen ist gefordert. Die therapeutischen Interventionen oszillieren zwischen prozedural-handelndem und verbalem 9

Modus. Der Möglichkeitsraum des Spiels eröffnet dem Kind korrektive emotionale Erfahrungen. Neue Beziehungsmuster können erprobt werden. Spontaneität und Abstinenz des Therapeuten, der Therapeutin müssen durchaus kein Gegensatzpaar darstellen. Eindrucksvolle Fallbeispiele machen den theoretischen Rahmen lebendig. Ein Buch, das einen Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis der analytischen Kinder- und Jugendpsychotherapie ermöglicht. Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch

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Vorwort zum Band

1 Einleitung

Wenn man die wissenschaftliche Literatur zur analytischen Kinderund Jugendlichenpsychotherapie (aKJP) sichtet, wird man zur Bedeutung der körperlichen Dimension im analytischen Prozess wenig Hinweise finden. In meiner supervisorischen Tätigkeit am Alfred-­ Adler-Institut (AAI) in Köln schilderten mir Ausbildungskandidatinnen und -kandidaten häufig Szenen aus ihren Fällen, wie sie vor allem von Kindern körperlich involviert wurden. Auch im Laufe meiner psychoanalytischen Praxis vermerkte ich zunehmend, wie ich im therapeutischen Prozess körperlich intervenierte. Dies geschah anfangs unreflektiert, aber oft begleitet von einem Gefühl der Stimmigkeit und einer zustimmenden Resonanz durch meine Patienten und Patientinnen. Mit meinem Buch hoffe ich, diese Lücke in der Fachliteratur zur Kinder- und Jugendlichenpsychoanalyse zu schließen. In einem ersten Praxisbeispiel gebe ich eine Fallepisode aus der Intervision wieder, die veranschaulicht, wie körperliche Begegnungsmomente für die Entwicklung des Patienten genutzt werden können. Anschließend schildere ich die konzeptuelle Einbettung meines Entwurfes einer körperbezogenen Kinder- und Jugendlichenpsychoanalyse. Es folgen praxeologische Aspekte und erste Gedanken zur Weiterbildung. Zunächst beschreibt mein Kollege Jörg Dohn1 die zentrale Bedeutung des Körperdialogs in einer therapeutischen Beziehungsepisode:

1 Aus dem Kurzprotokoll einer Fallvorstellung in der Intervisionsgruppe. 11

»Es handelt sich um den Beginn der 45. Stunde einer einstündigen analytischen Psychotherapie mit einem zwölfjährigen Jungen, der von den Eltern wegen Essproblemen vorgestellt wurde. Er wuchs in dem Spannungsfeld einer kühl wirkenden Mutter auf, die ihn nicht stillte, um sehr bald wieder arbeiten zu gehen, und die ihm dann aus beruflichen Gründen wenig zur Verfügung stand, sowie eines sehr anspruchsvollen, fordernden und ihn oft entwertenden Vaters. Die Eltern trennten sich, als S. dreieinhalb Jahre alt war, und reden seitdem und bis heute sehr wenig miteinander. Mein Patient hatte zu der Zeit der 45. Sitzung mehr Vertrauen in mich gefasst. Wir hatten viel über seine Angst vor dem Vater gesprochen, hatten dabei auch bereits mit Stofftieren gespielt und gekämpft, wobei wir auch in Körperkontakt gekommen waren. Seine Konflikte und seine depressiven Reaktionen setzten sich in den Sitzungen immer deutlicher in Szene und konnten herausgearbeitet werden. Es wurde nun auch für S. spürbar: Wenn er aus sich herausgeht, muss er befürchten, von seinen Objekten in seiner seelischen Existenz annulliert zu werden. Wenn er seine vitalen Tendenzen aus Angst vor den antizipierten Verletzungen immer weiter selbst unterdrückt, geht er sich immer weiter selbst verloren. Über eine lange Zeit begann S. seine Sitzungen mit Schweigen, wobei er dabei unter einen starken Druck geriet. Wenn ich ihn darauf ansprach, zeigte er eine Verzweiflung und begann verkrampft zu weinen, was er wiederum verbal nicht erklären konnte. Dieser Situation wich er dann im Laufe der Therapie aus, indem er mich, kaum dass wir Platz genommen hatten, mit schräg gelegtem Kopf und Hündchenblick fragte: ›Spielst du ein Spiel mit mir?‹ Mir wurde sehr schnell deutlich, dass er erwartete, in seinem Wunsch zurückgewiesen zu werden. Hier schien er mit mir, der ihm ja ausdrücklich gesagt hatte, dass er in seiner Sitzung alles bestimmen könne, einen Ausweg aus seiner Ambivalenz zu probieren, mit der er seine Angst vor Zurückweisung bewegen konnte. In der 45. Stunde reagierte ich auf seine ritualisierte Frage, indem ich so tat, als ob ich eingeschlafen wäre, und dabei laut schnarchte. 12

Einleitung

S. sprang aus seinem Sessel heraus, griff nach einem Kissen und warf es auf mich. Dann kam er näher und schlug mich mit einem Kissen. Ich schützte mich und merkte in der Gegenübertragung, dass ich froh darüber war, dass er seine vitalen und aggressiven Lebensbewegungen aus der leiblichen Erstarrung lösen konnte. Umso erstaunter war ich, als S. mir, der ich immer noch im Sessel saß, plötzlich in den Arm sprang und sich an mich kuschelte. Ich nahm einen kurzen Gewissenskonflikt in der Gegenübertragung wahr, ob dies so nicht zu nah sei, gewann dann aber schnell meine Sicherheit zurück. Ich hielt S. nun wie ein Baby im Arm und streichelte seinen Kopf. S. machte dabei Babylaute und brachte damit dann auch zum Ausdruck, dass das Baby Hunger habe. Ich fütterte ihn spielerisch mit Babybrei, den er aber sofort wieder ausspuckte. Ich dachte daran, dass er sich realiter häufiger erbrach, wenn er den Geschmack eines Essens oder einer Sauce nicht mochte oder sich gezwungen fühlte, in einem Restaurant etwas zu essen. Auch meine Versuche, das Baby mit Brokkoli, Kartoffeln oder Ähnlichem zu füttern, verfehlten den Geschmack des Kindes, das das Essen immer wieder ausspie. Das Kind schien dann in meinen Armen zu wachsen und begann zu sprechen und mir mitzuteilen, was es haben wolle, nämlich Frikandeln, die es in der Realität am liebsten und in großen Mengen isst. Ich sprach vor mich hin, dass ich doch dem Kind keine Frikandeln füttern könne, das sei ja kein ›gutes Essen‹, und wollte ihn stillen. Daraufhin intervenierte er und sagte, dass ich doch nicht die Mama sei, ich hätte doch graue Haare. Ich sagte, dass ich schon die Mutter sein könnte, und tat so, als ob ich ihn stillte, woraufhin er die Milch ausspuckte. ›Ich mag keine Milch!‹, schrie das Baby, wobei S. dann lachend hinzufügte: ›In Wirklichkeit schon!‹ Ich hielt S. weiterhin in meinen Armen und sagte dann: ›Ach, wenn das Kind Frikandeln mag, dann ist das doch gut‹, und tat so, als ob ich ihm klein gemachte Frikandeln füttern würde, was er zufrieden entgegennahm. Er blieb noch einige Zeit in meinen Armen und genoss offenbar, wenn ich ihm mit meiner Hand über die Schulter oder den Kopf Einleitung

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streichelte. Ich hatte in der Gegenübertagung das Gefühl von etwas Stimmigem. In den nachfolgenden Sitzungen erlebte ich den Patienten zugewandter und gelockert. Sein starres Anfangsritual löste sich auf und der Druck seiner Abwehr und Selbstsicherung ließ spürbar nach. S. erzählte nun leichter über sein Erleben, wobei er auch seine Konflikte mit seinem Vater sowie seine erlebten Ängste deutlicher benennen konnte. In der Gegenübertragung hatte ich den Eindruck, ihn nun anders anzublicken; es kam mir so vor, als ob ich ihm vorher nicht wirklich in die Augen geschaut, sondern oft durch ihn hindurchgeblickt hätte. S. wirkte präsenter und greifbarer auf mich. Außerdem spürte ich mit Erstaunen, dass sich mein Wohlwollen sowie auch meine Zuneigung zu S. weiter vertieft hatten. Die Szene, die ihm einen Spielraum geboten hatte, rückte in den nachfolgenden Sitzungen immer mal wieder in den Vordergrund. Wir lachten einige Mal darüber, und es konnte für S. deutlicher werden, welche Reichweite seine Essproblematik für ihn hat. In der gemeinsamen Bearbeitung hatte die Szene sich dahingehend ausgeformt, dass es S. gelingen kann, dafür zu sorgen, das für ihn Richtige zu bekommen, auch wenn das bedeuten kann, eine Auseinandersetzung einzugehen.«

In dieser Fallepisode steckt viel Bewegung. Der Umgang mit den jeweiligen Bewegungsimpulsen nimmt großen Raum in dieser Therapieszene ein und sie ergeben eine Bedeutung, wenn man sie als eine Handlungseinheit (Handlungsdialog) betrachtet. Ungewohnt erscheint auf den ersten Blick, wie das Thema Berührung in den Therapieprozess integriert wird. Die Spontaneität im interaktionalen Geschehen weist auf das Feld des impliziten Beziehungswissens hin. Der Kinderanalytiker tritt authentisch auf, was uns später zum intersubjektiven Paradigmenwechsel führt.

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Einleitung

2 Theoretische Grundlagen für eine körperorientierte Kinder- und Jugendlichenpsychoanalyse

Im deutschsprachigen Raum hat insbesondere Westram (2009, 2013) mit ihrem Beitrag zur leibfundierten Weiterentwicklung der psychoanalytischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen die analytische Landschaft in der aKJP bereichert. Sie bestätigt die Erfahrungen des analytischen Kinder- und Jugendlichentherapeuten Jörg Dohn in seiner eingangs geschilderten Fallepisode, dass »die Interaktion mit Kindern ohne ein konkretes Tätigwerden und körperliches Sich-Einlassen der Therapeutin kaum vorstellbar ist« (Westram, 2013, S. 130).

2.1 Das Bewegungskonzept der Individualpsychologie Bereits in Dohns Fallbeispiel prägt der handelnde Dialog zwischen Kinderanalytiker und Patient die therapeutische Szene. Sowohl der Kinderanalytiker als auch sein Patient sind in Bewegung. Nehme ich den Handlungsdialog als konstituierendes Element im Kinder- und jugendtherapeutischen Praxisalltag, dann eignet sich das Konzept der Bewegung als zentrales Bild einer körperorientierten Kinder- und Jugendlichenpsychoanalyse. »Der wichtigste Charakter des Lebens ist Bewegung. Das sagt nicht, dass das Lebewesen nicht im Ruhezustand sein kann, aber Bewegungsfähigkeit ist dem Leben eigen. Wir können auch das seelische Leben nur als Bewegung feststellen. Alle Erscheinungen, die wir auf das Seelenleben beziehen, können wir so in räumlicher und zeitlicher Anschauung betrachten« (Adler, 1932/2010, S. 533 f.). Der philosophische Ansatz der Amerikanerin Maxine Sheets-­ Johnstone bestätigt Adlers Sicht, das Leben als Bewegung zu erfassen. 15

In ihrer philosophischen Anthropologie schreibt sie: »In the beginning is – and was – movement, sheer movement« (2009, S. 60). Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden sich bei Heisterkamp (1990) und Eife (2013). Schon 1990 markierte Heisterkamp den leider wenig beachteten Entwicklungsansatz des Adler’schen Werkes, das Seelische von seinen Bewegungsformen her zu verstehen: »Man kann also den zentralen psychischen Gegenstand, den Adler in den letzten Jahren seines Wirkens zu konzipieren versuchte, von der Grundannahme einer umfassenden Lebensbewegung verstehen. Sie gestaltet sich in jedem Moment seelischen Existierens um (Salber, 1969/1989). Daraus folgere ich heute: […] Bedürfnisse, Affekte, Gefühle, Einfälle, […] Phantasien oder auch leibliche Ausdrucksformen wie mimische und gestische Ausdrucksbewegungen, […] Somatisierungen, Körperhaltungen, […] sind Ausdrucksformen dieser umfassenden Lebensbewegung« (Heisterkamp, 1990, S. 86). Downing (1996), ein Vertreter der tiefenpsychologisch fundierten Körperpsychotherapie, spricht sogar von einer prägenden Rolle der frühkindlichen Bewegung bei der Repräsentanzenbildung. In seinem Konzept drückt sich die Lebens-Bewegung in affektmotorischen Schemata aus. Die Bewegung des Säuglings sucht eine Verbindung zum anderen Objekt (Verbindungsschemata). Bewegungsmuster, mit denen Abstand geschaffen wird oder Grenzen gesetzt werden sollen, nennt er Differenzierungsschemata. Zum Aufbau eines Intersubjektiven Feldes entwickelt das Kind sowohl Verbindungs- als auch Differenzierungsmuster der Bewegung. Begreife ich die »Bewegung« als das zentrale Bild oder neuen Ordnungsträger (Giesers u. Pohlmann, 2010) der Individualpsychologie, dann lassen sich drei wesentliche Merkmale der Bewegung als strukturierende Gliedzüge ableiten, die in den Ansatz einer analytischen Körpertherapie für Kinder und Jugendliche integriert werden können. 1) Intentionalität Es ist das Verdienst Adlers, erstmals im psychoanalytischen Wien die teils unbewusste Intentionalität der Lebensbewegung akzentuiert zu 16

Theoretische Grundlagen

haben: »Der auffallendste Charakterzug einer jeden Bewegung ist, dass sie ohne Ziel nicht zustande kommen kann. Wir werden annehmen müssen, dass jede seelische Ausdrucksform nach einem Ziel gerichtet ist« (Adler, 1932/2010, S. 534). Will man im »Moving-along« (Stern, 2005) des therapeutischen Prozesses Ziele, Intentionen des Kindes oder Jugendlichen identifizieren, möchte ich auf ein besonderes Merkmal von Lebensbewegungen eingehen. Um den intentionalen Zustand des Anderen auf der Grundlage seiner Worte und seines Verhaltens in Worte zu fassen, muss ich ein »Unschärfe-Axiom« zugrunde legen. Das Lesen der Absichten des Anderen beschreibt Stern als einen »tastenden Versuch«. Dieses Phänomen einer »intentionale Unschärfe« (Stern et al., 2012) begegnete mir gelegentlich zu Beginn der Sitzungen: Boris betritt als Erster den Therapieraum, nachdem ich ihn draußen begrüßt habe. Meist stellt er eine Thermoskanne mit Tee auf den Tisch, die er eigentlich nie während der Sitzung benutzt. Nun schlendert er scheinbar ziellos durch den Raum und schaut sich um. Ich weiß meistens nicht, wohin ich mich setzen soll (Couch, Sessel oder Stühle). Alle übrigen Kinder und Jugendlichen haben bevorzugte Plätze – er scheinbar nicht. Ich bin irritiert und es hat den Anschein, als laufe ich hinter ihm her. »Die Antenne hängt schief!«, bemerkt er kritisch. Nun glaube ich, sein scheinbar zielloses Umhergehen im Raum verstehen zu können. »Du schaust erst einmal nach, was sich verändert hat?«, vermute ich. »Und die Pfeile [vom Dartspiel] sind auch wieder alle da!« Mit dieser Äußerung fühle ich mich in meiner Annahme bestätigt und werde etwas sicherer: »Ja, manches hat sich verändert, aber vieles ist in der Woche auch gleich geblieben.« – Nun steuert er auf die Couch zu und lässt sich hineinfallen.

Mit Sterns Worten möchte ich diese kurze Interaktionseinheit zu Beginn der therapeutischen Sitzung als »relationale Schritte« einer Reihe von verbalen bzw. nonverbalen Aktionen beschreiben: »Zwar sind Aktionen beobachtbar, aber die mit ihnen verbundenen IntenDas Bewegungskonzept der Individualpsychologie

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tionen oder die ihnen assoziierte[n] Bedeutung[en] müssen rückgeschlossen werden« (Stern et al., 2012, S. 116). Erst als ich Boris’ Intention spontan erahnte, indem ich Vermutungen über sein scheinbar zielloses Umhergehen im Therapieraum äußerte, legte sich meine unangenehme Irritation. Dieser Erschließungs- und Bewertungsprozess geht unablässig auf einer impliziten Ebene vonstatten. 2) Bezogenheit – der relationale Aspekt der Individualpsychologie Seelische Bewegungen existieren nach Adlers Anschauung nicht isoliert. Verknüpft man dieses Axiom mit der basalen Erfahrung einer grundsätzlichen Bezogenheit des menschlichen Wesens, dann kann man daraus schlussfolgern, »dass Bewegung der manifeste Ausdruck für diese immanente Bezogenheit ist« (Geißler u. Heisterkamp, 2013, S. 37). So ist eine jede Selbstbewegung nur in ihrer Bezogenheit auf andere Menschen zu erfassen und kann deshalb nur kontextbezogen, in ihrem sozialen bzw. intersubjektiven Zusammenhang, betrachtet werden. Diese Sichtweise Adlers entspricht der bahnbrechenden Grundkonzeption der heutigen relationalen Psychoanalyse. 3) Oszillation der Lebensbewegungen zwischen Formerhaltung und Formauflösung Die Formbildung einer Lebensbewegung geschieht unter anderem innerhalb symbolisierender Prozesse. Auch für die amerikanische Philosophin Susanne Langer (1965) ist die symbolschaffende Tendenz ein zentrales Anliegen des Menschen. Erfahrungen und körpernahes Erleben können im intersubjektiven Mutter-Kind-Dialog symbolisiert werden. Charakteristikum des symbolisierenden Prozesses ist seine formative Wirkung auf die pulsierende Lebensbewegung. Erstarrt die Lebensbewegung, etwa aufgrund von traumatischen Erfahrungen oder einer feindseligen Familienatmosphäre, wird dieses flüssige Wechselspiel zwischen dem Erhalten und Auflösen einer seelischen Form im Lebensstil – mit Adlers Worten – eingefroren. Der Formbildungs- und Umwandlungsprozess oszilliert nicht mehr stö18

Theoretische Grundlagen

rungsfrei, sobald ängstliche Phantasien von Beschämung, Zurückweisung aus früheren Beziehungserfahrungen in der Umwandlungsphase auftauchen. »Die Bewegung zur eigenen Individuation ›erstarrt‹« (Poettgen-Havekost, 2007, S. 239), um panische Ängste vor Objektund Kontrollverlust abzuwehren. In einer wohlwollenden und spannungserträglichen Familienatmosphäre kann ein Kind den flexiblen Modus der Selbst- und Beziehungsregulation für sich entwickeln. Wenn es auf seine Entwicklungsbedürfnisse hin überwiegend eine förderliche Resonanz seiner Umwelt erfährt, kann das Kind Kontakt zur gesamten Bandbreite der Gefühle seiner Lebensbewegung herstellen.

2.2 Der Beitrag der empirischen Säuglingsforschung Einen weiteren Beitrag zur Theorie einer körperbezogenen Psychoanalyse mit Kindern und Jugendlichen findet man in den Arbeiten der empirischen Säuglingsforschung. Nach Schore (2007) orientiert sich Psychotherapie an Entwicklungsbedürfnissen und ist angewandte Entwicklungspsychologie. Basale Entwicklungsbedürfnisse hat der amerikanische Psychoanalytiker und Säuglingsforscher Joseph D. Lichtenberg in seiner Theorie der motivationalen Systeme zusammengefasst, die aus seiner umfangreichen Beschäftigung mit der Säuglingsforschung entstand und eine wesentliche Erweiterung der klassischen psychoanalytischen, eher dualistisch angelegten Motivationstheorien bedeutet. Seine Ausführungen »Psychoanalyse und Säuglingsforschung« (1991), »Psychoanalysis and Motivation« (1989) und die beiden Werke »Das Selbst und die motivationalen Systeme« (Lichtenberg, Lachmann u. Fosshage, 2000) sowie »Psychoanalysis and Motivational Systems, A New Look« (Lichtenberg, Lachmann u. Fosshage, 2011) geben einen umfangreichen Überblick über seine aus der psychoanalytischen Säuglings- und Kleinkindforschung abgeleiteten Forschungserkenntnisse. Menschliches Verhalten und Erleben kann nach Lichtenbergs Ausgangspunkt nur auf der Grundlage Der Beitrag der empirischen Säuglingsforschung

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einer pluralistischen Motivationslehre hinreichend erfasst werden. Dabei knüpfte Lichtenberg (1989, 1991) an eine Vielfalt empirischer Belege an und erweiterte sein motivationales System von zunächst fünf auf sieben basale motivationale Bedürfnisse (Lichtenberg et al., 2000; Lichtenberg et al., 2011). In seiner siebengliedrigen Motivationstheorie – ergänzt von Sterns basalem Motiv nach intersubjektiver Orientierung – werden körperliche Phänomene in vielerlei Hinsicht aufgegriffen: Körperliche Bedürfnisse und deren psychische Regulation Über emotionale Signale (Schreien, Weinen) fordert ein Säugling seine Umgebung auf, ihm bei der Regulierung seiner körperlichen Bedürfnisse zu helfen. Innere psychosomatisch erlebte Nöte wie Hunger, Durst, Müdigkeit oder ein spannungsreich erlebter Verdauungsprozess können fremdreguliert werden, insofern sich die primäre Bezugsperson feinabgestimmt auf die emotionalen Signale einlässt. Gelingen es der frühen Bezugsperson und dem Säugling, diese grundlegenden physischen Bedürfnisse innerhalb eines niedrigen bis mittleren Spannungsniveaus gemeinsam zu regulieren, stellen sich beim Säugling zunehmendes Wohlbefinden und bei beiden ein freudvolles Gefühl ein. Schon 1976 betonte Anna Freud den Zusammenhang zwischen der lustvollen Befriedigung von Körperbedürfnissen und einem ersten auftauchenden »Ichbegriff des Neugeborenen« (Freud u. Bergmann, 1976, S. 93). Bedürfnis nach Bindung Im Bindungsbedürfnis drückt sich eine sich entfaltende Erfahrung der basalen Bezogenheit aus. Durch die Bezogenheit auf andere ist das Selbst lebenslang in intersubjektive Felder eingebunden (Kahlenberg, 2016). Im Zustand innerer Not sendet das Kind emotionale Signale an seine Umgebung. Macht das Kind überwiegend die Erfahrung, dass seine emotionalen Notsignale verstanden und entsprechend beantwortet werden, wird es eine sichere Bindung aufbauen können. Dabei exploriert das Kind das Gesicht der Mutter nach emotionalen Hin20

Theoretische Grundlagen

weisen zur Einschätzung und Bewältigung seiner inneren Notlage. Je zuverlässiger die primäre Bezugsperson auf die körperlichen Bedürfnisse des Säuglings eingeht, desto deutlicher entwickelt das Kind eine unbewusste Erwartungshaltung hinsichtlich seiner Sicherheit. Diesen ersehnten affektiven Zustand des Not wendenden Zusammenseins mit der frühen Bezugsperson versucht das Kind zunehmend selbst zu initiieren. So hilft ihm der spielerische Umgang mit Übergangsobjekten (z. B. Kuscheltieren), die eigene seelische Not (Trennung) selbst zu regulieren. Dann kann Trennung – motiviert von Neugier – auch mit lustvollen und freudvollen Entdeckungen und Erfahrungen verbunden sein, sich unabhängig vom Anderen bewegen zu können. Bedürfnis nach Zugehörigkeit Sobald Kinder ihre Eltern und Geschwister nicht nur als Individuen betrachten, sondern als Einheit sehen – als Familie –, artikuliert sich nach Lichtenberg das basale, vorgeprägte Muster der Zugehörigkeit. Eine der ersten Manifestationen des Zugehörigkeitsbedürfnisses fand Lichtenberg in der mikroanalytischen Interaktionsforschung von Fivaz-Depeursinge und Corboz-Warnery (2001). Kinder suchen schon mit drei Monaten während ihrer unmittelbaren Bindungsinteraktion mit einem Elternteil von selbst Blickkontakt zum anderen Elternteil. Bedürfnis nach Selbstbehauptung und Exploration Schon früh verspüren Säuglinge den inneren Drang, ihre Umwelt neugierig und interessiert mit wachem Blick wahrzunehmen. Der Affektzustand des Interesses organisiert dieses motivationale Bedürfnissystem. Solange keine existenziellen körperlichen oder Bindungsbedürfnisse im Vordergrund des Erlebens stehen, nimmt sich das Baby zunehmend selbst als Urheber von Erfahrungen wahr. Gefühle der Wirksamkeit und Freude stellen sich ein. Wenn das Kind unmittelbar erlebt, wie sein spontanes Verhalten in einem kontingenten Verhältnis zu einem Ereignis in der Außenwelt steht, erlebt es Freude an seiner Wirksamkeit. Zunehmend kann es diese KontingenzerDer Beitrag der empirischen Säuglingsforschung

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fahrung selbst in Gang bringen. Hier liegen die frühen Wurzeln des Kernselbsterlebens und des Selbstwirksamkeitsempfindens. Angenehme Gefühle von Effektivität und Kompetenz stabilisieren dieses Bedürfnissystem. Einmal als Schema stabilisiert, verknüpft sich das exploratorisch-assertive Bedürfnis mit anderen Grundbedürfnissen. Bedürfnis nach Fürsorge (»caregiving«) Zahn-Waxler (1979, 1982, 1990, zit. nach Lichtenberg et al., 2000, S. 246) entdeckte bei ihren Forschungen, dass Kleinkinder beginnend mit dem Alter von etwa 18 Monaten sensibel für die seelische Not anderer werden und häufig versuchen, die seelische Not anderer zu lindern. »Diese Beobachtung legt nahe, dass altruistische Anteilnahme an der seelischen Not anderer ein angeborenes, emergentes (spontan auftauchendes) Potential ist, das die Fähigkeit zur Empathie als Basis für Bindungserfahrungen beisteuert« (Lichtenberg et al., 2000, S. 246). Folgt man Dornes (2002) in seiner Nachzeichnung von Stein Bråtens Theorie des »virtuellen Anderen«, kann die Grundlage für ein basal angelegtes Fürsorgemotiv schon früher gelegt sein. Nach Dornes können wir von einem basalen Bedürfnis zur Fürsorge ausgehen, da die Fähigkeit, »an den Bewegungen/Aktivitäten des Anderen gefühlsmäßig zu partizipieren«, (2002, S. 320) angeboren ist. Denn eine Handlung wahrzunehmen, führt zur gleichen neuronalen Erregung wie die Durchführung dieser beobachteten Handlung. Ausführlich dargelegt hat Dornes diesen Ansatz an der Übertragung der Nachahmung des Säuglings auf die täglichen Fütterungssituationen: »Man könnte sagen, dass das re-enactment des Gefüttertwerdens im Füttern, das der Säugling vollzieht, wenn er seine Mutter mit dem Löffel füttert, eine Wiederholung ist. Das re-enactment des Fütterns ist die Wiederholung eines vorher gespürten co-enactments […]. Durch die bloße Beobachtung einer Handlung entsteht ein nicht-sensorisches Bewegungsgefühl und dieses Gefühl gleicht demjenigen, das der Andere bei der Ausführung der Bewegung hat. Deshalb spricht Bråten von einem virtuellen co-enactment […] oder einer körperli22

Theoretische Grundlagen

chen Simulation der Bewegung […], in der der Säugling sich fühlt, als ob er der Koautor der Bewegung des Anderen sei. Diese Teilnahme an der Fürsorge des Anderen aus beiden Perspektiven – der des Adressaten von Pflegehandlungen und der des virtuellen Koakteurs – stiftet ein körperlich verankertes Gemeinschaftsgefühl, das wahrscheinlich die erste Form von Intersubjektivität ist« (Dornes, 2002, S. 318). Bedürfnis nach aversiven/evasiven Reaktionen Sobald der Säugling in seiner Bezogenheit auf andere von inneren oder äußeren Reizen überflutet wird, verfügt er über ein angeborenes Muster, um sein auftauchendes Selbstempfinden zu schützen. So können Säuglinge als erste evasive Reaktion den Kopf abwenden und als erste Ausdrucksform ihres aversiven Bedürfnisses schreien und strampeln. Wenn auf körperliche Bedürfnisse (z. B. Hunger, Ruhe) nicht fein abgestimmt eingegangen wird oder wenn dem Säugling von seinen primären Bezugspersonen ein empathisches Verhalten versagt wird, wird sein aversives/evasives Bedürfnis aktiviert. Bedürfnis nach Sensualität und Sexualität Neben Atmen, Essen, Trinken und Sexualität gehört berührt zu werden zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Nach Ansicht des Psychosomatikers und Psychoanalytikers Joraschky (2013) resultiert das grundlegende Selbstgefühl aus Berührungserfahrungen. Lichtenbergs empirische Bestätigung eines sensuellen motivationalen Bedürfnisses bestätigen Adlers 1908 geäußerte Hypothese eines angeborenen Zärtlichkeitsbedürfnisses (Adler, 1908/2007, S. 77–81). Nach Lichtenberg sind die Übergänge vom sensuellen zum sexuellen motivationalen System fließend. Angenehme sensuelle Körpererfahrungen, die mit auftauchenden Schamaffekten einhergehen, wecken sexuelle Bedürfnisse. Die Beziehung zwischen den einzelnen Bedürfnissystemen ist hierarchisch geordnet. Nach Lichtenberg et al. (2000) können innere Auseinandersetzungen als sehr spannungsintensiv erlebt werden. Sie werden als innerpsychische Konflikte erlebt. Zutage tretende Affekte sind der Indikator für das vorherrschende Grundbedürfnis. Der Beitrag der empirischen Säuglingsforschung

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Bedürfnis nach Intersubjektivität Daniel Stern (2005, S. 109 ff.) nimmt in einem Bedürfnis nach Intersubjektivität ein weiteres basales, primäres Motivationssystem an, das auch in der analytischen Praxis zum Ausdruck kommt: Patienten möchten vom Therapeuten wahrgenommen werden und ihn wissen lassen, wie sie sich in ihrer Haut fühlen. Stern beschreibt das auch an einem Fallbeispiel. Auch wenn sich in einer Kinderanalyse immer wieder die Frage nach der Befriedigung oder Nichtbefriedigung körpernaher Bedürfnisse stellt, beispielsweise der Wunsch des Kindes nach einer Massage, verweist die intersubjektive Perspektive noch auf einen weiteren Aspekt: Die therapeutische Interaktion ist darüber hinaus um das Ringen des Kindes oder Jugendlichen nach einer Anerkennung seiner Bedürfnisse und assoziierter Gefühlszustände geprägt (­Dornes, 1998). So könnte auf den Wunsch eines jugendlichen Patienten, vom Therapeuten am Rücken massiert zu werden, mit folgenden Worten sinngemäß eingegangen werden: »Nun, ich spüre in deinem Wunsch nach Massage eine starke Sehnsucht nach körperlicher Nähe, Geborgenheit und Zärtlichkeit, und ich akzeptiere, wie du diesen Wunsch äußerst.« Ob im Anschluss an eine Bedürfnisanerkennung eine Massage im Sinne einer Berührungsprobe angeboten wird, hängt von der aktuellen Übertragung-­GegenübertragungsSituation ab.

2.3 Implizites Beziehungswissen und das Unbewusste Frühe sozioemotionale Erfahrungen des Kindes über die Resonanz der Umwelt auf seine Grundbedürfnisse (siehe Kapitel 2.2) werden nach Schore (2007) rechtshemisphärisch verarbeitet. Da die rechte Gehirnhälfte vor der linken reift, wird das frühe Beziehungswissen im implizit-prozeduralen Erinnerungssystem gespeichert. Implizites Beziehungswissen kann nach Stern (2005) daher nur handelnd, 24

Theoretische Grundlagen

also prozedural, »erinnert« und kommuniziert werden (siehe Enactment, Kapitel 5.3.2). Elementare Erfahrungen über das Leben und die Welt erwerben Kinder, bevor sie die symbolische Welt der Wörter kennenlernen: »Ohne von den Kompliziertheiten der Wörter abgelenkt zu werden, aber unterstützt durch die Musik der Sprache (Stern, 1993), haben sie genügend Zeit, um zu lernen, wie die menschliche Welt tatsächlich funktioniert« (Stern, 2005, S. 124). Nur ein Bruchteil der impliziten Erfahrung wird nach Stern im Verlauf der kindlichen Entwicklung explizit. Implizites Beziehungswissen umfasst neben der nonverbalen Kommunikation und Körperausdrucksformen auch »Affekte und Wörter – jene Wörter zumindest, die zwischen den Zeilen stehen« (S. 124). Um sich der Frage anzunähern, wie implizites und explizites Wissen im Gedächtnissystem repräsentiert werden, greift Stern auf die differenzierte Unterteilung von Bucci (1997) zurück. Implizites Beziehungswissen wird mit einer subsymbolischen Repräsentation von frühem Erlebtem in Verbindung gebracht. Dieser Begriff entstammt der multiplen Codierungstheorie von Wilma Bucci (1997) und soll wegen seiner Bedeutung für eine körperorientierte Psychoanalyse mit Kindern und Jugendlichen näher betrachtet werden. Bucci unterscheidet zwischen einer subsymbolischen, nonverbal-symbolischen und einer verbal-symbolischen Repräsentationsform des Erfahrens und Erlebens. Ȥ Sie spricht vom subsymbolischen Schema, wenn die Erlebensver­ arbeitung körpernah geschieht. In den Handlungsdialogen einer Kinderanalyse tauchen vor allem Erfahrungen aus dieser Repräsentationsform auf (siehe Fallbeispiel in Kapitel 1 und 5.3.2). Ȥ Im symbolisch-nonverbalen System wird das Erlebte auf der Ebene der Bildsprache verarbeitet. Ȥ Auf der Ebene des symbolisch-verbalen Systems ist die Welt der Wörter und Sprache angesiedelt. Von einer ganzheitlichen Betrachtung aus gesehen können also Affekte, als Ausdrucksform der Lebensbewegung, einen subsymImplizites Beziehungswissen und das Unbewusste

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bolischen Körperausdruck haben (ein unangenehmer Druck in der Magengegend als somatischer Marker) sowie nonverbal-symbolische Elemente (ich habe einen Kloß im Magen) und auch verbal-symbolische Aspekte (ich habe Angst). Erfahrungen werden nach Bucci in allen drei Repräsentationsformen vermischt zusammengestellt, um schließlich zu »Emotionsschemata« zu werden. Wenn Bucci (2002) das emotionale Schema als »das Wissen um das eigene Selbst in Beziehung zur interpersonalen Welt« beschreibt, klingt das nach einem intersubjektiven Ansatz. Ist die Verbindung zwischen den drei Repräsentationsformen unterbrochen, spricht Bucci von Dissoziation. Auf dem Verständnishintergrund der Theorie einer multiplen Codierung kindlichen Erlebens können psychosomatische Phänomene als unterschiedliche Formen der Dissoziation verstanden werden (siehe Fallbeispiel in Kapitel 5.1.5). Implizites Beziehungswissen ist nicht bewusst, da es sich vor dem Einsetzen des symbolisierenden Entwicklungsprozesses aufbaut. Seine Inhalte wurden also nicht durch Abwehrprozesse verdrängt. Verdrängtes Unbewusstes wird als das »dynamisch Unbewusste« vom Bewusstsein ferngehalten. Ein Großteil unserer täglichen sozialen Interaktionen baut jedoch auf dem impliziten Beziehungswissen auf. In der Kinderanalyse ermöglichen kurative therapeutische Einflüsse durch das »äußere Objekt« (Therapeut) dem Patienten, Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Repräsentationsebenen des Erlebens herzustellen. Im folgenden Schaubild werden bisher erwähnte und noch folgende Zusammenhänge übersichtlich dargestellt (Abbildung 1). Impulse aus den sieben motivationalen Bereichen suchen im intersubjektiven Feld mit einer Bindungsperson nach Anerkennung. Die Haltung der Bindungsperson umschreibt Winnicott mit der Trias einer »primären Mütterlichkeit«. Die aktuelle Vater- und Bindungsforschung ergänzt bezüglich des Körperkontaktes weitere vaterspezifische Aspekte zu Holding und Handling (siehe Kapitel 5.1.2). In einem kokreativen Prozess gelingt es dem Kind, unterstützt von 26

Theoretische Grundlagen

Implizites Beziehungswissen und das Unbewusste

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Korrektive emotionale Erfahrung

N

O

I

T

A

M

R

O

F

S

N

A

R

T

Emergent Self

Interaktive, körpernahe Ebene

Core Self

Intersubjektive Ebene

Subjective Self

Verbal Self

Narrative Self

Körperselbst

Selbst

Inneres Objekt

Körperbild/Selbstbild

Psychosomatische Basisorganisation (Impulse aus sieben Bedürfnissystemen)

Subsymbolische R. als implizites Beziehungswissen, Körperinszenierungen, Enactments

Nonverbalsymbolische R. in Bildern, Musik, Poesie: »präsentische« Symbolisierung (S. Langer)

Verbal-symbolische R.: »diskursive« Symbolisierung (S. Langer)

Repräsentation (R.) des Erlebens

Abbildung 1: Äußeres Objekt und die Repräsentation des Erlebens

Intuitive kurative Handlungs­ impulse

 innicott’sche W Trias der »Primären Mütterlichkeit« – Holding – Handling – Objectpresenting

Äußeres Objekt

Äußeres Objekt – Körperbild/Selbstbild – Repräsentation

intuitiven kurativen Handlungsimpulsen der Umwelt, seine auftauchenden Bedürfnis- und Triebimpulse (Emergent Self) zu transformieren. Ohne die sprachliche Ebene erreicht zu haben, gelangen diese Erfahrungen ins implizite Beziehungswissen des Kindes. Im Gedächtnis werden sie subsymbolisch repräsentiert. Haltende, herausfordernde und begrenzende Spielarten des Körperkontaktes liefern dem Kind Bausteine für sein Körperselbst und konturieren das Kernselbst. Hierzu Abram: »Holding and handling contribute to the infant living in his body« (1996, S. 203). Viele Erfahrungen des Kindes mit einem wohlwollenden, beruhigenden Objekt werden innerpsychisch als ein gutes inneres Objekt abgebildet. Die Repräsentanz dieser Erfahrungen ermöglicht dem Kind, sich seinem Körper in wohlwollender Weise zuzuwenden und mit ihm umzugehen. Auf ähnliche Weise vollziehen sich die Veränderungen im therapeutischen Prozess körpernah auf der impliziten Ebene, also im subsymbolischen Bereich. Das kognitive Erfassen und das Empfundene sprachlich zum Ausdruck zu bringen kommt erst sekundär dazu, bewirkt aber nicht unbedingt die Veränderung. Dornes (2002) schließt sich der Annahme an, dass primäre Selbstzustände, als subsymbolische Repräsentationsform, die gespiegelt werden, in sekundäre, nun symbolische Selbstzustände transformiert werden. Bei diesem innerseelischen Vorgang spricht Bucci (1997) von einer referenziellen Aktivität. Bei einer Trennung (Dissoziation) des subsymbolischen Bereichs des gespeicherten Erlebens von den übrigen Repräsentationsformen »verwickelt« uns der Patient in ein Enactment, in dem wir »mitspielen«, ohne von vornherein zu wissen, was der Sinn des Ganzen ist (siehe Kapitel 5.3.2). Folgen wir unseren intuitiven Handlungsphantasien, können wir das »Acting-up« des Patienten in eine für ihn förderliche Entwicklung lenken (siehe Kapitel 5.2.2).

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Theoretische Grundlagen

2.4  Das Paradigma der Intersubjektivität Wie bereits erwähnt (Kapitel 2.2, S. 24), weist Stern dem Bedürfnis nach einer intersubjektiven Orientierung eine zentrale Position im innerpsychischen Bereich der Motivationen zu. Er bezieht sich auf Bråten, wenn er die Ursprünge des intersubjektiven Bedürfnisses beschreibt. Bråtens Theorie fokussiert sich auf die Erwartung von Interaktionsmustern und die Frage, wie Bewegungen wahrgenommen und nachgeahmt werden. Diese Schritte ermöglichen dem Beobachter die Chance, mit einem Gefühl versorgt zu werden, wie sich die Ausführung dieser Bewegung anfühlt. Nach Stern wurde dieser körpernahe Aspekt von Intersubjektivität bislang vernachlässigt. Denn er beinhaltet den Aspekt, dass wir qua neuronaler und muskulärer Resonanz einen Zugang zu Empfindungen des Anderen haben, wenn diese Empfindungen auf Bewegungen bzw. zielgerichteten Handlungen beruhen. Stern folgert weiterhin, dass wir diese Empfindungen dann in uns reproduzieren und sie dadurch mit dem Anderen teilen können. Ein beeindruckendes Fallbeispiel, wie deutlich das intersubjektive Bedürfnis, innerseelisches Empfinden mit einem anderen Menschen zu teilen, als Enactment in einer Therapiestunde auftauchen kann, beschreibt Seiler (2014, S. 90). »In einem dieser Momente teilte mir Max plötzlich mit (vielleicht auch aus dem Empfinden heraus, dass er mich nicht beteiligt und berührt genug erlebte), dass er beabsichtige, sich im Sommer des kommenden Jahres bei der Abschlussfahrt mit seiner Schulklasse zu suizidieren. Diese Mitteilung in ihrer Ernsthaftigkeit und innerhalb der spezifisch dichten Atmosphäre der Stunde traf mich wie ein Schlag – vielleicht vergleichbar mit dem Schock, den Max beim Anblick der toten Mutter erlebte. Ich spürte, wie ich kraftlos wurde, in meinen Sessel versank, Angst bekam und am liebsten sofort um Hilfe gerufen hätte – dies allerdings weniger wegen des Patienten, sondern vielmehr, um meinen eigenen Zustand zu containen. Ich Das Paradigma der Intersubjektivität

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spürte den starken Drang, mich wie ein aufgescheuchter Elternteil an den Patienten zu hängen und ihn versichern zu lassen, dass er dies nicht wirklich tun würde. Obwohl ich diesen Impuls noch kontrollieren konnte, registrierte ich, wie sich meine Atmung schwer und nervös veränderte und meine Stimme anfing zu zittern. Ich war rat- und hilflos und merkte, wie mir meine bisher ruhige innere Haltung zunehmend entglitt. Gleichzeitig war mir unmittelbar klar, dass ich auf die Mitteilung des Patienten irgendwie reagieren musste. Ich sagte daher mit stockender und vibrierender Stimme, dass ich nicht möchte, dass Max sich selbst töte, und ich maßlos traurig wäre, wenn er dies dennoch tun würde – Sätze, die sich zwar auf der Basis meines fragmentierten Zustands gleichsam von selbst formuliert hatten, die aber das Einzige waren, was ich in diesem Moment wirklich empfinden konnte. Die Stunde ging dann zu Ende, wir besprachen die Möglichkeit, wie Max mich bei Bedarf in den Ferien kontaktieren könne, und verabschiedeten uns. Wir taten dies mit einem Händedruck und mit Blicken, die – nach meinem Eindruck – das gesamte Spektrum und sämtliche Nuancen der Emotionen umfassten, die Max und ich in den letzten Minuten erlebt hatten. Den affektiven Inhalt dieser letzten kurzen nonverbalen Interaktion zu erfassen, überfordert fast die Möglichkeiten, die uns sprachlich zur Verfügung stehen – es sei denn, wir bemühen lyrische Vergleiche und selbstredende Metaphern, die in ihrer Offenheit, Ungenauigkeit und Unbestimmtheit das Unsagbare derart gewahr werden lassen, dass es nicht mehr in Worten ausgedrückt werden muss.«

Max’ Bedürfnis, seine innere Welt mit seinem Kinderanalytiker zu teilen, konnte nicht explizit im verbalen Modus kommuniziert werden. Der bindungstraumatisierte Jugendliche kommunizierte seinen innerseelischen Zustand subsymbolisch in einem Enactment. So konnte sein Therapeut annähernd spüren, »was Elemente seines Selbstzustands zu diesem Zeitpunkt waren. Und für die kommende Zukunft konnte er phantasieren, dass sein Suizid während der bevorstehenden Klassenfahrt seine unbewusste Intention verwirklichen würde, 30

Theoretische Grundlagen

die Mitschüler für den Rest ihres Lebens zu traumatisieren und sie fühlen zu lassen, was er selbst erlebt hatte: die vollkommen unvorbereitete Konfrontation mit dem Tod« (Seiler, 2014, S. 91). Eindrucksvoll schildert Seiler, wie er von seinem jugendlichen Patienten als Verwandlungsobjekt verwendet wurde, und bestätigt indirekt auch Sterns Auffassung, dass das intersubjektive Bedürfnis ein basales Motivationssystem ist. Mit Sterns Worten könnte ich fortfahren: »Zumindest einen Moment lang erblicken und fühlen zwei Menschen ungefähr dieselbe mentale Landschaft« (Stern, 2005, S. 88). Max und sein Therapeut erlebten einen intersubjektiv erzeugten Gegenwartsmoment.

Das Paradigma der Intersubjektivität

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3  Entwicklungspsychologische Aspekte

Unter entwicklungspsychologischem Gesichtspunkt versteht Hurry (2002, 2005) die Rolle des Therapeuten nicht nur als Übertragungsobjekt. Kinder und Jugendliche benutzen den Therapeuten, die Therapeutin auch als Entwicklungsobjekt, um wichtige emotionale Erfahrungen zu machen und alternative oder ergänzende Modelle eines »Selbst-bezogen-auf-andere« (Antoch, 2006) zu erfahren und als gutes inneres Objekt internalisieren zu können. Die Veränderungen des körperlichen Erlebens und seiner Bedeutung für das Selbstgefühl geschehen nach dem intersubjektiven Verständnis der menschlichen Entwicklung immer in wechselnden Formen des Bezogenseins mit anderen Menschen. Griesers entwicklungspsychologisches Modell der Triangulierung erscheint mir einen passenden Rahmen abzugeben, um diese Veränderungen zu beschreiben. In allen Lebensphasen geht es nach Grieser (2011, S. 99) um »eine dialektische Bewegung zwischen den beiden Polen Bindung und Trennung, woraus als Drittes die Entwicklung resultiert. Die Schritte in der Entwicklung des Einzelnen wie der Familie gehen immer damit einher, dass etwas Neues, Drittes auftaucht, das sowohl als störend oder bedrohlich als auch als hilfreich und befreiend erlebt werden kann. Man kann die ganze Lebensgeschichte eines Menschen als Abfolge von Triangulierungssituationen betrachten […]. Diese dialektische Abfolge von Verschmelzung und Ablösung, von Nähe und Distanz ermöglicht Wachstum und eröffnet Raum für Neues.« Besonders in den Zeiten der ersten und zweiten psychosomatischen Triangulierung zeigt sich die Entwicklung des Kindes bzw. 32

Jugendlichen körpernah. Ausgangspunkt für diese Triangulierungsschritte ist das sich verändernde Körpererleben des Kindes oder Jugendlichen.

3.1 Von der Entwicklung des Körpererlebens und den Ursprüngen des Körperbildes Das subjektive Körpererleben wird in seinen verschiedenen Facetten zur terminologischen Klarheit von Röhricht mit dem Oberbegriff des Körperbildes zusammengefasst. Es »symbolisiert […] die […] persönliche Bezugnahme auf den Körper« (2009, S. 33). Er versteht von dieser Definition ausgehend das Körperbild als Aspekt des Selbstkonzeptes. Die Entwicklung des Körperbildes läuft parallel zu den Erfahrungen, die ein Kind im Umgang mit seinen basalen Bedürfnissen nach Lichtenberg erlebt (siehe Kapitel 2.2). Ziel der Therapie ist es, die Körperakzeptanz als Grunddimension für das Selbstgefühl zu verbessern.

3.2  Die erste psychosomatische Triangulierung Eine erste ausführliche Beschreibung, wie sich das Körperbild bei Kindern und Jugendlichen verändert, findet sich in der OPD-KJ-2. Auf dem Hintergrund von Griesers Konzept der »Triangulierung in der Entwicklung« (2011) fokussiert der Arbeitskreis OPD-KJ-2 die Entwicklungsaufgabe der psychosomatischen Triangulierung: »Das Kind eignet sich seinen Körper an und erlebt ihn als zu sich selber gehörend, wobei es die Phase des eigenen Körpers als Teil der Mutter überwindet« (2013, S. 49). Bereits Anna Freud erwähnte, dass diese körpernahen Entwicklungsschritte dem Bedürfnis des Kindes, seinen »Körper in eigene Verwaltung zu nehmen« (Freud u. Bergmann, 1976, S. 93), entsprechen. Kutter beschreibt als Ziel der ersten psychosomatischen TrianDie erste psychosomatische Triangulierung

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gulierung »daß sich das Baby den Körper in wachsender Selbstbestimmung zunehmend aneignet und als ihm gehörend in Besitz nimmt« (2001, S. 153). Damit dieser Entwicklungsschritt gelingen kann, muss die primäre Bezugsperson ihre in fürsorglicher Versorgung geprägte Fremdregulation der basalen Bedürfnisse schrittweise dem Kind überlassen. Hierbei hilft es ihr, die aufkeimenden Selbstregulationsbemühungen ihres Kindes aufzugreifen und zu verstärken, sodass das Kind zunehmend die Kontrolle über seinen Körper übernimmt. In diesem interaktionellen Geschehen konstruiert das Kind alle Wahrnehmungen aus seinem Körper mit den körperbezogenen intersubjektiven Erfahrungen auf schöpferische Weise in ein Körperbild. Dieses Körperbild wird zunächst subsymbolisch repräsentiert (siehe Bucci) und fließt in Affektbereitschaften und körperlichen Ausdrucksformen (siehe Adler) in die Kommunikation ein. Mithilfe intersubjektiver Prozesse kann sich das Körperbild zum Symbolischen weiterentwickeln. Die Aneignung des eigenen Körpers kann von der Bezugsperson gefördert werden, indem sie angemessen auf die Affektäußerungen des Kindes eingeht und eine Balance findet zwischen einem Zuviel und Zuwenig an mütterlicher Kontrolle über die kindlichen körperlichen Bedürfnisse. Sobald die Bezugsperson aus ihrer adultomorphen Sicht entscheidet, wann ihr Kind Hunger hat, friert oder schlafen sollte, können diese jeweiligen Körperregionen nicht vom Kind als zu sich gehörend ins Körperbild integriert werden. Das mehr über- oder unterstimulierte Organsystem bleibt fortan weiter mit den fremdregulatorischen Handlungen der Bezugsperson verwoben. Beim Kind kann dies zu einer Fixierung auf dieses Organsystem führen. Hier haben wir es aus adlerianischer Sicht mit einem intersubjektiv herbeigeführten Organminderwertigkeitsgefühl zu tun. »Erst dann kann davon gesprochen werden, dass das Körperbild des Kindes zu einem Körper-Selbst und damit zu einem Subsystem des eigenen Selbst geworden ist« (Grieser, 2011, S. 131).

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Entwicklungspsychologische Aspekte

3.3  Die zweite psychosomatische Triangulierung Zu den zentralen psychodynamischen Themen des Jugendalters werden in der psychoanalytischen Literatur unter anderem die Ausbildung eines Ich-Ideals (Laufer u. Laufer, 1984), die zentrale Onaniephantasie (Laufer, 1996), die Schamkrise (Streeck-Fischer, 2014) und die geschlechtsspezifische Identitätsfindung (Hopf, 2014; Seiffge-Krenke, 2012, 2017) beschrieben. Viele dieser Entwicklungskonflikte werden körpernah erlebt und beschreibbar. Folge ich der psychoanalytischen Theorie der Lebensspanne (Poscheschnik u. Traxl, 2016), spielen körperliche Veränderungen in der Latenz eine eher zu vernachlässigende Rolle, obschon Hopf (2014) darauf verweist, dass die Latenz keine beruhigte Phase darstellt. Die Zunahme der externalisierenden Störungen und eine zunehmende Sexualisierung versteht Hopf als Abwehr von depressiven Affekten (2014, S. 149 ff.). In der Pubertät/Adoleszenz verändert sich der Körper des Kindes dann dramatisch. Tyson und Tyson heben hervor: »Die Beschäftigung mit dem eigenen Körperbild bleibt das gesamte Leben über ein zentraler Aspekt des Selbsterlebens« (1997, S. 128). Auf die unterschiedlichen Probleme bei der Integration des veränderten Körpers in das jugendliche Körperbild verweist Seiffge-Krenke (2012, 2017). Auch Streeck-Fischer umschreibt die Akzeptanz des veränderten Körperbildes als ein mehr oder weniger großes Problem für die Heranwachsenden: »Jugendliche können mit übertriebener Beachtung des eigenen Körpers auf der einen Seite und Verleugnung und Missachtung der körperlichen Bedingungen auf der anderen Seite reagieren« (2014, S. 17). Gelingt es dem Jugendlichen nicht, den sexuell veränderten Körper in sein Selbstbild zu integrieren, und kann er weder auf eine sichere familiäre Bindungsbeziehung noch auf die Solidarität einer Peergroup zurückgreifen, droht nach Laufer und Laufer (1984) ein Entwicklungszusammenbruch. Die von Laufer und Laufer (1984) beschriebene Adoleszenzkrise nimmt zu, wenn die Spiegelfunktion der Eltern an Bedeutung für Die zweite psychosomatische Triangulierung

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den Jugendlichen verliert und die Anbindung an eine Gleichaltrigengruppe noch nicht stabil ist. Dann »greifen die Jugendlichen auf ihren Körper als Objekt zurück« (Grieser, 2011, S. 175), um das intersubjektive Vakuum notdürftig zu kompensieren (siehe Fallbeispiel in Kapitel 5.1.5). Nach Streeck-Fischer (2014) durchleben Jugendliche im Verlauf der Bildung ihrer persönlichen Identität eine mehr oder weniger dramatische »Schamkrise«. Mit diesem Begriff beschreibt sie die Diskrepanz zwischen dem aktuell wahrgenommenen oder gespiegelten Körperbild und dem phantasierten, vorgestellten grandiosen körpernahen Wunschbild. So kann ein Piercing, der Ohrring oder ein Tattoo eine Rekonstruktion des aufgelösten kindlichen Körperbildes einleiten. In dieser Übergangsphase wird der Körper zur Selbstwertregulation verwendet. Im Laufe der zweiten psychosomatischen Triangulierung »stellen nicht mehr die Eltern das primäre Referenzsystem für das Erleben des eigenen Körpers dar, sondern die Gleichaltrigen außerhalb der Familie« (Grieser, 2011, S. 175). Das Bedürfnis nach der Zugehörigkeit zu einer Peergroup wird zunächst als befreiendes Glücks­ gefühl erlebt. Körperlich fundierte Begrüßungsrituale drücken aus, von den anderen angenommen zu sein. Der Anschluss an eine Peergroup kann dem Jugendlichen dazu verhelfen, seine durch die körperlichen Veränderungen ausgelösten Affekte auszuhalten und zu verarbeiten. Unterstützt wird der Jugendliche in diesem Adaptionsprozess, wenn er auf gute innere Bilder (inneres Objekt) über den Umgang mit dem eigenen Körper aus der triadischen Konstellation »Kind – Körper – Eltern« zurückgreifen kann. Innerhalb der Peergroup unterstützt der soziale Vergleich unter den Jugendlichen die »Identitätskonturierung« (Seiffge-Krenke, 2012) und die Weiterentwicklung des Körperselbst. Allerdings, je nachdem, wie unvollendet die erste psychosomatische Triangulierung mit den frühen Bezugspersonen vollzogen wurde, gestaltet sich das Dazu­ gehörenwollen auch in Form einer »bedingungslosen konformistischen Unterwerfung« (Grieser, 2011, S. 176). 36

Entwicklungspsychologische Aspekte

Im weiteren Verlauf der Identitätsfindung werden die Ansprüche der Peergroup kritisch überprüft, sodass ein eigener Stil mit entsprechenden körperlichen Ausdrucksformen entwickelt werden kann. Dieser Prozess macht deutlich, dass sich Identität hauptsächlich aus Beziehungen entwickelt. Identität »ist also relational« (Seiffge-Krenke, 2017, S. 142). Sich von der Peergroup erneut distanzieren zu können, gelingt nur über eine gute verinnerlichte Bindung an die Eltern. Wobei es wichtig ist, dass die primären Bezugspersonen wesentliche Züge der psychosomatischen Triangulierung ihres Kindes akzeptieren können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich das Kind bzw. der Jugendliche in zwei Triangulierungsschritten seines Körpers bemächtigt. Zunächst befreit es sich von der elterlichen Bewertung des Erlebens seines eigenen Körpers. Dann differenziert es sein Körpererleben von der Definition der Gleichaltrigen, um zu seiner Identität zu finden. Der adoleszente Triangulierungsschritt gelingt umso einfacher, je besser dem Kind ermöglicht wurde, seinen körperlichen Bedürfnissen während der ersten psychosomatischen Triangulierung selbstregulativ nachzugehen.

Die zweite psychosomatische Triangulierung

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4 Diagnostik

4.1  Das Körperbild und die Körperbild-Liste Um das Körperbild – als körpernahen Ausdruck des Kernselbsterlebens – erfassen zu können und einen Zugang zum prozeduralen Gedächtnis des Patienten zu finden, sind unter anderem projektive Verfahren entwickelt worden (Joraschky, Loew u. Röhricht, 2009). So wurde beispielsweise der Körperskulpturtest (KST) in Kombination mit der Körperbild-Liste (KB-L) von Küchenhoff und Agarwalla (2013) zu einem diagnostischen Instrument entwickelt, um das Körperbild erwachsener Patienten erfassen zu können. Für jugendliche Patientinnen und Patienten, die sich in der mittleren Adoleszenz und der Spätadoleszenzphase befinden, erscheint der KST in Verbindung mit der KB-L altersmäßig noch passend zu sein. Auch für Kinder ist das Modellieren ihres unbewussten Körperbildes im KST attraktiv und altersentsprechend. Für die Auswertung der Skulptur müsste die Körperbild-Liste in ihren vier strukturellen Hauptdimensionen jedoch angepasst werden.

4.2 Körperlesen Neben G. Worm (2007a, 2007b) hat A. Sassenfeld (2012) auf die Chance verwiesen, die implizite Körper-zu-Körper-Interaktion für die therapeutische Beziehung aufzugreifen. In körpertherapeutischen Kreisen hat sich der Begriff des Körperlesens für diese nonverbale bidirektionale Kommunikation eingebürgert. 38

Praxeologisch hilfreich ist es, beim Körperlesen spezifische Körperbewegungen des Patienten oder auch seine generelle Körperhaltung einzunehmen bzw. nachzuahmen. Sodann können auftretende Empfindungen, Phantasien und Gefühle als ein wirkungsvolles empathisches Nacherleben »am eigenen Leib« vom Therapeuten genutzt werden. Er kann die nicht ausgesprochenen oder nicht verbalisierbaren Empfindungen oder Gefühlszustände für die seelischen Transformationsprozesse des Patienten aufgreifen. Ware (2014, S. 82) schlussfolgert: »Gegebenenfalls kann ich zugleich dem Patienten implizit, averbal signalisieren, dass ich ihn und seinen Gemütszustand wirklich und nicht nur seine Worte verstehe. […] Aufgabe des Therapeuten ist es, den affektiven Inhalt der intentionalen leiblichen Sprache zu erkennen und in der Bedeutung für den Therapieprozess zu reflektieren […] sowie nach und nach dieses dem Therapiepartner aufzudecken und durch gemeinsames Verstehen zugänglich zu machen. Das heißt Erkennen, Deuten und Durcharbeiten der Übertragung/ Gegenübertragung.«

Körperlesen

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5 Praxeologische Aspekte in einer körper­ nahen Kinder- und Jugendlichenanalyse

5.1 Haltung Der schützende Rahmen ermöglicht es der Kinderanalytikerin oder dem Kinderanalytiker, eine Haltung der wachen Präsenz – orientiert an Zwiebels Beschreibung des präsenten Analytikers (2013, S. 94 ff.) – zu etablieren, um offen zu sein für das Unbewusste des Patienten. Während Erwachsene diesen offenen Raum auf verbaler Ebene eher mit ihren freien Assoziationen füllen, äußern Kinder ihre Einfälle eher als Spielidee oder Handlungseinheiten. Wie der Therapeut damit umgeht, welche expliziten bzw. impliziten Beziehungsregeln von ihm vorgegeben oder erarbeitet werden, bezeichnet Ware als »intersubjektive analytische Haltung« (2014, S. 85). Darin schlägt sich das jeweilige implizite Beziehungswissen der Interaktionspartner nieder. »Beide Partner bringen ihr eigenes implizites Beziehungswissen (die Summe ihrer prägenden Erfahrungen in Beziehungen) und das daraus entstehende emotionale und somatopsychische Verhaltensrepertoire mit in die Beziehung« (S. 85). 5.1.1  Präsentisches Verstehen Erkenne ich im Handlungsdialog das konstituierende Moment der individualpsychologisch ausgerichteten Kinder- und Jugendlichenanalyse und möchte ich verstehend intervenieren, dann muss ich meine »intersubjektive analytische Haltung« (Ware) um das Konzept des präsentischen Verstehens ergänzen. Präsentisches Verstehen eignet sich für Geuter als »grundlegende[r] Begriff für eine erlebnisbezogene Körperpsychotherapie« (2015, S. 318). Damit unterscheidet 40

er diese Form als »implizite[s] Selbstverstehen« (Heisterkamp, 2002) vom repräsentischen Verstehen, bei dem nachträglich das unmittelbare Erleben reflektiert und in Worte gefasst wird. Heisterkamp versteht unter dem präsentischen Verstehen ein unmittelbares Verstehen, bei dem sich im spontanen Handlungsdialog für den Patienten eine unmittelbar entwicklungsfördernde Erfahrung ereignet. Das präsentische Verstehen führt uns zu zwei Kernkonzepten des körperorientierten therapeutischen Prozesses mit Kindern und Jugendlichen: der körperlich verstandenen Weiterführung der ­Winnicott’schen Trias (siehe Abbildung 1, S. 27) und dem Mit-Bewegungskonzept nach Heisterkamp. 5.1.2  Die Winnicott’sche Trias körperbezogen Winnicott bereicherte unser analytisches Verständnis vom therapeutischen Prozess aufgrund seiner mehr als vierzigjährigen Beschäftigung mit der Mutter-Kind-Beziehung. Wenn Winnicott die Haltung einer primären Mütterlichkeit beschreibt, greift er frühe Formen des präsentischen Verstehens einer Mutter mit ihrem neugeborenen Kind auf. Für Winnicott wurde »die Mutter-Kind-Beziehung, bei der die Kommunikation relativ averbal bleibt, zum Paradigma für den analytischen Prozess« (Phillips, 2007, S. 173). Wenn ich nun die »mütterliche Funktion«, wie Winnicott sie versteht, als Hintergrundfolie für die Haltung des Kinderanalytikers oder der Kinderanalytikerin nehme, ist eine Auseinandersetzung mit der Winnicott’schen Trias hilfreich. »Winnicott breaks down the mother’s natural functions into three areas: holding, handling and object presenting« (Abram, 1996, S. 203). Bevor ich alle drei Aspekte nun für eine körperorientierte analytische Behandlung interpretiere, möchte ich auf eine körpernahe prozedural-handelnde Intervention Winnicotts, die er 1969 veröffentlichte, hinweisen: »Ich verwende ein Beispiel aus der Analyse einer vierzigjährigen Frau (verheiratet, zwei Kinder), die in einer sechs Jahre langen Analyse bei Haltung

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einer Kollegin keine ausreichende Heilung erreichen konnte. Ich war mir mit der Kollegin einig, dass es wichtig wäre herauszufinden, ob durch die Analyse bei einem männlichen Therapeuten weitere Heilung möglich wäre, und so begannen wir eine zweite Behandlung. Das Detail, das ich beschreiben möchte, hat mit dem unbedingten Bedürfnis der Patientin nach körperlichem Kontakt mit mir zu tun, das sie von Zeit zu Zeit äußerte (vor diesem Schritt war sie bei der Therapeutin zurückgeschreckt aus Angst vor Homosexualität). Wir probierten verschiedene Arten von Berührung aus, vornehmlich aus dem Bereich frühkindlicher Stillzeit. Es waren Episoden von großer Heftigkeit, die dazu führten. Manchmal kam es dann dazu, dass ich den Kopf der Patientin in meinen Händen hielt. Ohne dass wir es bewusst reflektierten, entwickelte die Patientin dabei kaum merklich einen recht schnellen Schaukelrhythmus von etwa siebzig pro Minute (was in etwa dem Herzschlag entspricht). Es kostete mich einige Mühe, mich diesem Rhythmus anzupassen, doch so erlebten wir in dieser leichten, aber permanenten Schaukelbewegung eine Wechselseitigkeit. Wir kommunizierten ohne Worte miteinander. Diese Art der Kommunikation verlangte der Patientin nicht mehr Reife ab, als sie in dem Stadium der Abhängigkeit hatte, auf das sie in der Analyse regrediert war. Diese Erfahrung, oft wiederholt, war entscheidend für den Verlauf der Therapie, und den Nachdruck, mit dem die Patientin uns zu diesen Begegnungen gebracht hatte, konnten wir erst jetzt als Vorbereitung und komplexen Test hinsichtlich der Kapazität des Analytikers begreifen, dieser frühen Abhängigkeit und ihren Kommunikationsformen hilfreich zu begegnen. Diese gemeinsame Schaukelbewegung illustriert das, worauf ich mich bei der frühen Phase der Fürsorge für einen Säugling beziehe. Dabei meine ich nicht die spezifischen instinktiven Bedürfnisse des Säuglings, sondern in erster Linie die Körper-zu-Körper-Kommunikation zwischen Mutter und Baby. Dieses Thema kann leicht weiter ausgearbeitet werden, und die signifikanten Phänomene dafür sind die zentralen Lebensäußerungen wie Herzschlag, Atmung, Wärme und 42

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Bewegung, die die Notwendigkeit für eine Änderung der körperlichen Position o. Ä. anzeigen« (»Mother-Infant Experience«, Winnicott, 1969, S. 258, zit. nach Abram, 1996, S. 75 f., Übers. C. Geruschkat).

Auf der Grundlage dieses Fallbeispiels erscheint mir die Trias der »primären Mütterlichkeit« in einer etwas anderen Reihenfolge im psychotherapeutischen Prozess: 1. In seiner Holding-Funktion bietet der Therapeut seinem Patienten einen sicheren und zuverlässigen Raum an. Sie umfasst auch taktile beruhigende Interventionen, die von Naumann-Lenzen (2017, S. 243 ff.) auch als Bottom-top-Vorgehensweise bezeichnet wird. 2. Mit seiner Haltung des Object-Presenting, später ausdifferenziert innerhalb Heisterkamps Konzept der Mit-Bewegung, bietet sich der Therapeut seinem Patienten als präsentisches Objekt an. Im Object-Presenting stellt sich der Kinderanalytiker – analog zur mütterlichen Fürsorge – innerlich darauf ein, die schöpferischen Impulse oder emotionalen Signale seines Patienten aufzugreifen und gegebenenfalls in einer körperorientierten Handlung zu beantworten. Ware (2017, persönliche Mitteilung) versteht unter Object-Presenting die innere Beziehungsaktivität des Therapeuten oder wie bereits erwähnt eine intersubjektive analytische Haltung. In Winnicotts Worten orientiert sich der Therapeut an der Körper-zu-Körper-Kommunikation zwischen Mutter und Baby. Aus dieser Haltung können 3. konkrete Ausformungen einer wachstumsfördernden Intervention im Sinne des körpernahen Handling dem Patienten zur Verfügung gestellt werden. Die Interventionen des Analytikers befinden sich dann im prozedural-handelnden Modus. Die britische Psychoanalytikerin Jan Abram, langjährige Vorsitzende der Squiggle Foundation, kommentierte Winnicotts körpernahes Handling mit folgenden Worten: »1969 glaubte Winnicott, der wie viele andere Kliniker mit extrem deprivierten und regredierten Patienten arbeitete, er passe sich an ein notwendiges Haltung

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Bedürfnis an, und darum berührte er die Patientin aus seinem Beispiel auf eine Weise, die ihm äußerst angemessen erschien« (1996, S. 77, Übers. C. Geruschkat). 5.1.3 Interventionen oszillieren zwischen prozeduralhandelndem und verbalem Modus In seinem Fallbeispiel zeigte Winnicott, wie er mit einem körpernahen Handling vorübergehend von der verbalen Interventionsform zugunsten einer Intervention im prozedural-handelnden Modus wechselte. Im kinderanalytischen Therapieprozess, der überwiegend auf der nonverbal-symbolischen Ebene stattfindet (siehe Kapitel 2.1), gewinnt das spielerische (prozedurale) Handeln an Bedeutung. Seiler (2014) verwies auf die weitverbreitete Meinung unter Kindertherapeutinnen und -therapeuten, wonach das therapeutische Spiel – was auch immer als Handlungsdialog verstanden wird – »lediglich als Transporter von Inhalten, die gedeutet werden müssen«, aufgefasst wurde. Im Vordergrund der Kinderanalyse standen »die Bewusstmachung von Konflikten, Verbalisierung und kognitive Einsichten« (Seiler, 2014, S. 72). Als die Kinderanalyse zunehmend entwicklungsbezogen verstanden wurde (Hurry, 2002; Emde, 2011), konnte der Kinderanalytiker neben seiner Rolle als Übertragungsobjekt nun als Real- und vor allem als Entwicklungsobjekt gesehen werden. Fasst man den psychoanalytischen Prozess als einen Entwicklungsprozess für den kindlichen bzw. jugendlichen Patienten auf, erlebt der Patient oder die Patientin im eröffneten Möglichkeitsraum korrektive emotionale Erfahrungen und kann neue Beziehungsmuster ausprobieren. Sein implizites, prozedurales Wissen kann das Kind oder der Jugendliche nur im Spiel, im Handeln, kommunizieren. Lachmann weist auf die Notwendigkeit hin, »prozeduralen, nur auf der Handlungsebene als Enactment darstellbaren Erinnerungen im analytischen Prozess auch auf der Handlungsebene zu begegnen« (Lachmann, 2010, S. 91). Herberth und Oelmann begreifen es als die Aufgabe des Kinderanalytikers im Beziehungsprozess, seine »kon44

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textuelle Sensitivität« (2012, S. 95) einzubringen. Ähnlich wie Beebe und Lachmann (2004) beschreiben Herberth und Oelmann die Leitmetapher für eine psychoanalytische Beziehung: »Wir können im analytischen Prozess ähnliche konstitutive Elemente annehmen wie in der präverbalen Mutter-Kind-Kommunikation des ersten Lebensjahres […]: andauernde Regulation, Unterbrechung und Wiederherstellung, gesteigerte affektive Momente. Es sind diese beiden Elemente, Unterbrechung/Wiederherstellung und gesteigerte affektive Momente, die wir als handlungsleitend beim Wechsel des kommunikativen Modus (symbolisch-verbal versus handlungs- und körperorientiert) ansehen« (2004, S. 95). In jüngster Zeit leistete auch der analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Michael Naumann-Lenzen einen Beitrag zur Integration des prozedural-handelnden Modus in ein analytisches Interventionskonzept: »Deshalb wird inzwischen verstärkt die Frage erörtert, ob es nicht an der Zeit sei, systematisch über die Integration körpernaher bottom-top-Interventionen in der ›sprechenden‹ Psycho­therapie nachzudenken (punktuell geschieht dies schon seit Langem)« (2017, S. 244). Mithilfe körpernaher Bottom-top-Interventionen intendiert der Kinderanalytiker, Aspekte des dynamischen und des unvalidierten Unbewussten (siehe Kapitel 2.3) in die therapeutische Bearbeitung zu bringen. Ausgehend von der ersten systematischen Zusammenstellung durch Moser (2001) für erwachsene Patientinnen und Patienten sind nach meiner Erfahrung folgende körpernahe Interventionen im therapeutischen Prozess mit Kindern und Jugendlichen hilfreich: Ȥ Berührung des Kopfes, Streicheln über den Kopf; Ȥ den Arm um die Schulter legen; Ȥ Hand-zu-Hand-Berührung, Hand halten; Ȥ den Elternkörper als Kletterbaum zur Verfügung stellen; Ȥ kämpferische, kraftvolle Auseinandersetzung mit Batakas bzw. Kissen anbieten; Ȥ auf den Schoß nehmen; Ȥ Experimentieren mit dem Blickkontakt; Haltung

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Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ Ȥ

Experimentieren mit der Körpernähe auf der Couch; Kampfspiele mit Schultern, der Stierkampf; Rücken an Rücken sitzen; das Halten des Kopfes; Explorieren der Rückenlandschaft.

Auf einige Interventionsformen wird in den Fallbeispielen im Kontext einer Übertragungs-Gegenübertragungs-Analyse eingegangen. 5.1.4 Abstinenz und Spontaneität Wenn sich der Kinderanalytiker beim kokreierten Handlungsdialog im körpernahen prozedural-handelnden Modus einbringt, muss er sich bei seiner Spontaneität auf seine Erfahrungen des präsentischen Verstehens verlassen können, da Kinderanalytiker in ihren Behandlungen ja permanent handeln. Wie können wir nun mit unserem körperbezogenen/leibfundierten Ansatz die analytische Vorstellung von Abstinenz und Neutralität beschreiben? Spontanes Handeln ereignet sich als verbale, gestische oder mimische Ausdrucksform der Lebensbewegung des Analytikers unmittelbar und intuitiv. Bislang wurden Interventionen des Analytikers, in denen er sich spontan äußerte oder seine Haltung spontan mimisch-gestisch zum Ausdruck brachte, als Gegenübertragungsagieren bezeichnet und damit als Verletzung seiner abstinenten Haltung gesehen. Unter dem Einfluss des intersubjektiven Ansatzes in der Psychoanalyse und neuerer Beiträge der Neurowissenschaften zur Bedeutung unbewusster Prozeduren (Schore, 2012) wird die spontane Intervention des Analytikers, der Analytikerin in einem anderen Licht gesehen. Innerhalb von Momenten der Begegnung innerhalb der Therapie, in denen der Therapeut mit einer subjektiv gefärbten, begrenzt authentischen Antwort auf der prozeduralen Ebene auf seinen Patienten eingeht, wirken Patient wie auch Analytiker rechtshemisphärisch auf den Bereich des impliziten Beziehungswissens des jeweils anderen ein. »Now-Moments«, wie sie in Kapitel 5.3.1 näher beschrieben werden, leben von der spontanen Interventionsbereitschaft des Ana46

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lytikers. In folgendem Fallbeispiel wird aufgezeigt, wie die spontane Interventionsbereitschaft durchaus aus einer abstinenten Haltung des Kinderanalytikers hervorgeht. Fallepisode: »Berühren und verführen« (Rabea, acht Jahre) In diesem Therapieabschnitt (80.–107. Stunde) häufen sich die Versteckspiele im Dunkeln. Bezogen auf Rabeas traumatischen Trennungserfahrungen erlebe ich ihr vorheriges Versteckspiel im Hellen wie einen Versuch, kurzzeitige Trennungen auszuhalten und sich genussvoll finden zu lassen. Nun wird ihr Lieblingsspiel mit herabgelassenen Rollläden variiert. Bevor Rabea sich auf Dunkelspiele mit mir einlässt, testet sie erneut meine abstinente Haltung. Zunächst soll ich einen Räuber spielen, der eine Frau als Geisel nimmt. Im aufgebauten Zelt wird die Geisel in Gestalt einer lebensgroßen Puppe mit Handschellen gefesselt. Dann soll ich in der Rolle eines Polizisten »Frau Kölner« im Zelt entdecken, ohne zu ahnen, dass sie eine Geisel ist. Rabea liegt neben der gefesselten Puppe mit einer Stoffschlange als Freundin. Wenn sie einen Fuß rausstrecke, könne der Polizist heimlich ins Zelt hineinkommen. Der Polizist vernimmt das mitgeteilte Zeichen, öffnet das Zelt und entdeckt »Frau Kölner«. Er solle sie jetzt begrapschen. Keiner der Anwesenden im Zelt würde es merken. Der Polizist berührt die gefesselte Puppe am Fuß. Plötzlich merke ich einen Widerwillen in mir aufsteigen, diese Rolle weiterzuspielen. Ich finde es abscheulich, mich in eine Missbrauchsszene verwickeln zu lassen. Ohne weitere Rollenanweisungen abzuwarten, kündige ich an, der Polizist ziehe sich jetzt zurück, weil er es pervers findet, eine gefesselte Frau zu streicheln. Rabea beendet anschließend das Rollenspiel, ohne dass ich in der Rolle des Polizisten rettend einwirken kann. Sie teilt mir abschließend mit, heute gern ein Tier (aus der Sandspielsammlung) mit nach Hause nehmen zu wollen.

Es war Lichtenberg (2008), der in seinem Beitrag »Sensuality and sexuality across the divide of shame« einen Hinweis vermittelte, wie Haltung

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körperlich-sinnliches Erleben von der Sexualität differenziert werden kann. Auf die Fallepisode bezogen konnte mein auftauchendes Schamgefühl als emotionales Signal für diese Grenzerfahrung auf der operativen Ebene benutzt werden. Meine Weigerung, in diesem Fesselungsarrangement eine zärtliche Berührung zuzulassen, war Ausdruck meiner intuitiven Behandlungspraxis und vermittelte Rabea die implizite Beziehungserfahrung, mit einem Erwachsenen in einem Raum zu sein, der die Generationsgrenze respektiert. So kann in einer intersubjektiv ausgerichteten Kinderanalyse die Abstinenzforderung integriert werden, wenn man neben den ethischen Prinzipien dem Therapeuten in seinem Behandlungsstil einen Spielraum für seine theoretische Orientierung und seine persönliche Umsetzung gibt. In der Fallepisode von Dohn (Kapitel 1) hätte das Versagen der berührenden Intervention des Therapeuten möglicherweise zu einer Wiederholung der kühlen, zärtlichkeitsabweisenden Familienatmosphäre im therapeutischen Setting führen können. Eine körperliche Berührung zu verweigern kann je nach Kontext auch retraumatisierend auf den Patienten oder die Patientin wirken. Auch Lang-Langer spricht von einer »Gratwanderung zwischen Abstinenz und Agieren […]. Hierbei ist der Therapeut ganz auf seine Intuition und seinen inneren Spielraum angewiesen. […] Solange ein innerer Spielraum existiert, muss man sich über den Fortgang der Behandlung keine Sorgen machen« (2014, S. 37). Dohn beschreibt den inneren Spielraum mit den Worten: »Er blieb noch einige Zeit in meinen Armen und genoss offenbar, wenn ich ihm mit meiner Hand über die Schulter oder den Kopf streichelte. Ich hatte in der Gegenübertragung das Gefühl von etwas Stimmigem [Hervorhebung J. W.]« (siehe Kapitel 1). 5.1.5 Körperinszenierungen In präsentischen Momenten des Therapieprozesses kommt vorzugsweise implizites Wissen zum Einsatz. Implizites Wissen ist ein intuitives vorsprachlich erworbenes Wissen, das zum Teil nur körpernah verarbeitet wurde. Wenn es in den Therapieprozess einfließt, 48

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inszeniert sich das körpernahe implizite Wissen unter anderem als Körperinszenierungen. Küchenhoff (Küchenhoff u. Agarwalla, 2013) versteht diese Inszenierungen von Körperbildelementen als Ausdruck einer Beziehungsproblematik im subsymbolischen Kommunikationsmodus (siehe Kapitel 2.3). Im Verhalten zum eigenen Körper wird eine problematische Selbst-Objekt-Beziehung ausgedrückt, die im alltäglichen Beziehungserleben nicht wahrgenommen oder verdrängt wird. »Die eine Beziehungsgestalt wird im Verhältnis zum eigenen Körper ausgelebt, wobei der eigene Körper natürlich der eigene ist, zugleich aber objektal benutzt wird« (Küchenhoff u. ­Agarwalla, 2013, S. 27). Fallbeispiel: Boris und die verbundenen Finger Der schwer traumatisierte 15-jährige Boris nimmt mittlerweile im dritten Jahr an einer Übertragungsfokussierten Psychotherapie teil. Konflikte können selten im verbalen Modus kommuniziert werden. Zu einer Sitzung erscheint er mit verbundenen Fingern. Bei einem darauf folgenden ausführlichen Familiengespräch äußert sich der Pflegevater zu den näheren Umständen: Nachdem er auf Boris’ Handy jugendgefährdende Bilder entdeckt hatte, löschte er die verbotenen Dateien ohne Zustimmung des Jungen. Seitdem hat Boris eine neurotische Ticstörung entwickelt, indem er sich die Haut am Nagelbett sämtlicher Finger zwanghaft abknibbelt.

Boris konnte seinen heftigen Beziehungskonflikt mit dem Pflegevater aus Angst vor Bindungsverlust nicht direkt ansprechen. Am eigenen Körper inszenierte er seit diesem Wochenende diesen massiven Konflikt. Im therapeutischen Prozess bearbeitete ich diese Körperinszenierung auf der verbalen Ebene, nachdem Boris eine körperliche Berührungsprobe seiner verletzten Hand ablehnte. Gemeinsam mit der pflegerisch-fürsorglichen Wundversorgung durch seine Pflegemutter heilten die Wunden langsam ab. Indem sie seine selbstverletzten Finger regelmäßig eincremte, entwickelte sie eine Haltung, wie sie Winnicott als »primäre Mütterlichkeit« beschrieb. Haltung

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5.2 Beziehung Auf dem Hintergrund einer »intersubjektiv analytischen Haltung« arbeitet der Kinder- und Jugendlichenpsychoanalytiker schwerpunktmäßig in der aktuellen Beziehung zu seinen Patienten. Wir gehen davon aus, dass jede Beziehungsgestaltung mehr oder weniger von unbewussten Erfahrungen und daraus resultierenden Erwartungen (Übertragung) geprägt ist. Im impliziten Beziehungswissen werden wiederkehrende Beziehungserfahrungen des Kindes mit seinen wichtigsten Bezugspersonen gespeichert, die sich in Form von Schemata oder eines Lebensstils kristallisieren. Als »Subjekt-Objekt-Affekt-Schemata« (Stern, 1994) werden sie auf der intrapsychischen Ebene verinnerlicht. Diese intrapsychischen Beziehungsrepräsentanzen können mithilfe von projektiven Verfahren, beispielsweise dem Projektiven Diagnostikum zum Beziehungserleben von Kindern (Sticker, Willerscheidt u. Fooken, im Druck), als Beziehungsphantasien (Jungclaussen, 2013) kommunizierbar gemacht werden. In der therapeutischen Beziehung werden sie als Übertragung reaktiviert und spiegeln die unbewusste Beziehungserwartung unserer kindlichen und jugendlichen Patientinnen und Patienten wider. Darüber hinaus wird das aktuelle Beziehungsgeschehen in der Therapie auch als Antwort auf das aktuelle Beziehungsangebot der Therapeutin oder des Therapeuten geprägt. 5.2.1 Umgang mit Übertragung und Gegenübertragung im Konzept der Mit-Bewegung Die psychodynamische Vorstellung von Übertragung und Gegenübertragung wird in ihrer Bedeutung für eine körperbezogene Kinderund Jugendlichenpsychoanalyse in Heisterkamps praxeologischem Ansatz der Mit-Bewegung ausdifferenziert. »Die für das psychotherapeutische Werk typische Mit-Bewegung bleibt in der Wirklichkeitsgestaltung des Patienten zentriert bzw. schwingt mit den Lebensbewegungen des Patienten mit« (Geißler u. Heisterkamp, 2013, S. 81). Die 50

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Fuge zwischen »Mit« und »Bewegung« betont die Wesensmerkmale tiefenpsychologischer Behandlung: Ȥ sich mit dem Erleben des Patienten zu bewegen und offen zu bleiben für das sich dabei entwickelnde interpersonale Geschehen; der Kinderanalytiker sollte bereit sein, sich vom Patienten in eine interpersonale Handlungseinheit verwickeln zu lassen – was auch die Bereitschaft einschließt, sich auf Berührungsdialoge einzulassen; Ȥ die Körperempfindungen in der Gegenübertragung können ein »Moment mal!« signalisieren. Sie ermöglichen einen Zugang zu subsymbolisch repräsentierten Erfahrungen unserer Patienten (Volz-Boers, 2007). Im Unterschied zur körperorientierten Erwachsenenanalyse sind die Szenenwechsel in der Kinderanalyse so rasant, dass unklare Stellen des Verlaufsgeschehens nicht immer markiert und zerdehnt werden können; körpernahe Interventionen vollziehen sich eher intuitiv und weniger bewusst (siehe Intuitive Parenting; Papoušek u. Papoušek, 1987). Nach meiner Erfahrung bieten auch immer wiederkehrende Szenen im szenischen oder symbolischen Spiel die Möglichkeit, diese Augenblicke festzuhalten, aufzugreifen und verbal oder operativ im spielerischen Dialog zu bearbeiten; Ȥ das Bemühen, sich auf dem Hintergrund der körperlichen Ausdrucksformen in die Lage des Patienten einzufühlen. Dabei kann der Kinderanalytiker, die Kinderanalytikerin die Sehnsucht oder das Bedürfnis des Kindes, seine Angst vor einer Wiederholung von Ablehnung und seine schöpferische Leistung, eine notgeborene Form der Selbstunterdrückung (Abwehr/Sicherungstendenz) zu kreieren, als psychodynamisches Dreieck nachspüren; Ȥ die Kompetenz des Therapeuten, seine Körperempfindungen wahrzunehmen und zu spüren; es liegt in der Verantwortung des Therapeuten, dass sein Erleben nicht verloren geht; Ȥ die Selbsterfahrung, um zwischen beiden Wahrnehmungen unterscheiden zu können. Der Kinderanalytiker differenziert seine copathisch erspürte Eigenbewegung von der empathisch erfassBeziehung

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ten Selbstbewegung des Patienten und gelangt somit zum nächsten Schritt; Ȥ die Kunst, das eigene Erleben psychotherapeutisch zu transformieren, also in entwicklungsförderliche, zum Teil körpernahe Interventionen zum Wohl des Patienten oder der Patientin umzuwandeln. Hier operationalisiert sich Winnicotts Konzept des »Handling«. Diese Kennzeichen richten quasi eine psychoanalytische »Werkstatt« ein und sind die psychotherapeutischen »Arbeitsprinzipien« (Geißler u. Heisterkamp, 2013, S. 81 ff.). Die grundlegende Frage jeder Behandlungsanalyse lautet: Wie kann es gelingen, mit einer spezifischen körpernahen Intervention die Struktur der Mit-Bewegung aufzubauen, zu erhalten oder wiederherzustellen – oder verändert sich das therapeutische Beziehungsgefüge in das Muster einer Benötigung? Der therapeutische Raum verändert sich fortlaufend und befindet sich in ständiger Fluktuation. Es kann zu gegenseitigen Fehlabstimmungen im therapeutischen Kontakt kommen, die dann eine Unterbrechung des Mit-Bewegungsprozesses zur Folge haben können. Stern beschreibt diese empathischen Unterbrechungen als eine Folge der »intentionalen Unschärfe« in menschlichen Beziehungen (Stern et al., 2012; siehe Kapitel 2.1). Hier von therapeutischen Fehlern zu sprechen greift zu kurz! Sich mit dem kindlichen bzw. jugendlichen Patienten zu bewegen, heißt, sich aufeinander einzulassen, »in einer ewigen Abfolge von gegenseitiger Feinabstimmung (›tuning‹), Verstehen und Missverstehen, Empathie und Empathiebruch, Empathiebruch und Wiederherstellung« (Westram, 2009, S. 12). Durch die Wiederherstellung der wechselseitigen Abstimmung (Mismatch-Repair) können sich Patient und Therapeut wirkmächtig erleben. Das Kind oder der Jugendliche gelangt zu einem wichtigen Gefühl intersubjektiver Effektivität (Streeck-Fischer, 2014). Nach Schore (2005) und Beebe und Lachmann (2004) ermöglichen diese Elemente nicht nur das Gelingen jeglicher menschlichen Beziehung, 52

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sondern kennzeichnen auch die erste Phase der Mit-Bewegung im therapeutischen Prozess. Für den körpernahen Ansatz der »Mit-Bewegung« in der Kinder- und Jugendlichenanalyse fügt das Übertragungsverständnis von ­Jaenicke (2007) und Ornstein (2007) noch einen wesentlichen Aspekt hinzu. Ornstein beschreibt eine »duale Natur der Übertragungs­ prozesse« sowohl für Patient als auch Therapeut. Westram (2009, S. 17) schlussfolgert: »Insofern also jede Gegenübertragungsreaktion immer auch einen intuitiven kurativen Handlungsimpuls erfassen kann, ist das intuitive Handlungswissen der Therapeutin, so wie es sich unmittelbar auf der makro- wie auf der mikrointeraktiven Ebene manifestiert, als höchst bedeutsamer Faktor des Gegenübertragungsgeschehens zu werten.« Beebe und Lachmann (2004) schlussfolgern aus ihren entwicklungspsychologischen und klinischen Untersuchungen, dass der »Modus des Miteinander« (zit. nach Westram, 2009, S. 14) einen zentralen Wirkfaktor in der Therapie darstellt. 5.2.2  Intuitive Handlungskompetenz Von Papoušek und Papoušek (1987) wurde der Begriff des »Intuitive Parenting« verwendet, der eine Vielzahl elterlicher Kompetenzen umschreibt, feinfühlig auf die kindlichen Bedürfnisse einzugehen. Westram (2009) bezieht sich auf diese Wirkfaktoren für eine gelingende Entwicklungsförderung, wenn sie die basalen Merkmale einer intuitiven Handlungskompetenz der Kinderanalytikerin formuliert. Im eingangs geschilderten Fallbeispiel schildert der Kinderanalytiker eine konkrete Ausformung der intuitiven Elternschaft während einer Modellszene (Lichtenberg) mit seinem Patienten S.: »Er blieb noch einige Zeit in meinen Armen und genoss offenbar, wenn ich ihm mit meiner Hand über die Schulter oder den Kopf streichelte. Ich hatte in der Gegenübertragung das Gefühl von etwas Stimmigem.« Bei der intuitiven Handlungskompetenz steht für ihn das konkrete prozedurale Handlungsangebot an den Patienten im Vordergrund. Neben seiner Bedeutung als Übertragungsobjekt gewinnt der KinderBeziehung

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analytiker als erfahrungsmodifizierendes Entwicklungsobjekt für S. an Bedeutung. Aus seinem impliziten Beziehungswissen ergab sich die spontane Interaktion innerhalb des Therapieprozesses.

5.3 Prozess Im analytischen Prozess reinszeniert sich die blockierte Lebensbewegung in der Übertragung zum Kinderanalytiker. In der Erwartungshaltung gegenüber dem Analytiker organisiert sich unbewusst das implizite Beziehungswissen des Patienten. Die wiederholten Erfahrungen des Patienten in seiner Kindheit, dass die eigenen unbewussten Bedürfniserwartungen (siehe Lichtenberg, Kapitel 2.2) von früheren Bezugspersonen enttäuscht bzw. verletzt oder zurückgewiesen wurden, bilden die Grundlage, den Kinderanalytiker, die Kinderanalytikerin in einen förderlichen oder malignen Beziehungsprozess zu verwickeln (siehe Enactment, Kapitel 5.3.2). Aufgrund seiner eigenen Übertragungsneigung (siehe Eigenbewegung), insbesondere bei heftigen Affekten, kokonstruiert der Analytiker mit seinem Patienten eine gemeinsame Szene. Auf dem Hintergrund seiner therapeutischen Haltung, wie in Kapitel 5.1 beschrieben, richtet der Kinderanalytiker seine therapeutische Werkstatt ein und wirkt transformierend auf die Erwartungsneigung seines Patienten. 5.3.1 Augenblicke der Begegnung (Now-Moments) und Werksatmosphäre Aber nicht nur das Erfassen des seelischen Bewegungsmusters interessiert den Praktiker, sondern auch die Frage, wie er im kindertherapeutischen Prozess Gestaltungs- und Wandlungshilfen für blockierte Lebensbewegung geben kann. Mit Stern würde ich antworten: auf der »lokalen Ebene«. Oder anders ausgedrückt: im therapeutischen »Hier und Jetzt«. Im aktuellen Handlungsdialog zwischen Klient und Therapeut rücken auf der »lokalen Ebene« die Interaktionen der impliziten 54

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Domäne in den Vordergrund. Geißler und Heisterkamp (2013, S. 41) betonen, »dass die implizite Domäne wesentlich umfangreicher ist als die explizite – im kommunikativen Austausch [des therapeutischen Handlungsdialogs, J. W.] macht sie fast 90 % der Informationen aus«. Auf dem Hintergrund ihrer eigenen impliziten Beziehungserfahrung entwerfen, gestalten und verändern Kinderanalytiker und Patient ihre jeweilige Form des Zusammenseins mit dem Anderen. Um diese therapeutischen Veränderungsprozesse beschreiben zu können, unterscheidet Stern (2005) die gegenwärtigen Momente in Jetzt-Momente (Present-Moment oder Now-Moment) und Begegnungsmomente (Moment-of-Meeting). Beide spezifischen Gegenwartsmomente sind eingebettet in die therapeutische Arbeit, die Stern als gemeinsames Vorangehen (Moving-along) bezeichnet. Während des Moving-along kann es zu affektiver Aufladung einiger Gegenwartsmomente kommen. Eine optimale Regulierung scheint schwierig und die Situation kann aus dem Ruder geraten. Psychoanalytiker für Kinder und Jugendliche kennen viele solcher interaktiven Prozesse, die dann in den Brennpunkt des Mit-Bewegungsprozesses gelangen. Wenn sich Now-Moments ereignen, werden Unsicherheiten geweckt. Während des Now-Moment wird das gewohnte Miteinander-aktiv-Zusammensein durcheinandergebracht und kann Ausgangspunkt zu einem neuen intersubjektiven Kontext zwischen Therapeut und Patient werden. Der Therapeut antwortet in dieser spezifischen therapeutischen Kommunikation intuitiv – wie in Kapitel 5.2.2 beschrieben –, und in sein Handeln fließt sein nicht bewusstes implizites Beziehungswissen ein. Um sich im kindlichen Spiel auf die unbewusste Intentionalität des Klienten einzustimmen, operiert die Kinderanalytikerin, der Kinderanalytiker im Improvisationsmodus. Im ersten Fallbeispiel reagierte der Kinderanalytiker auf die ritualisierte Frage seines Patienten, indem er so tat, als ob er eingeschlafen wäre, und dabei laut schnarchte. Was sich im therapeutischen Kontakt abspielt, vollzieht sich in kleinen, unvorhersehbaren Etappen. Dieses wechselseitige Sich-aufProzess

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einander-Feinabstimmen prägt diesen improvisierten Beziehungsprozess, der sich zudem durch das Phänomen der »intentionalen Unschärfe« (Stern) charakterisiert. Wie im Fallbeispiel mit Boris (siehe Kapitel 2.1) beschrieben, kann nachvollzogen werden, dass sich ein Therapieprozess in zahlreiche, oft unvorhersehbare Mikroepisoden aufgliedert. Meist erschließt sich die Intentionalität des Patienten im präsentischen Verstehen. Erst als ich Boris’ Intention spontan erahnte, indem ich mein präsentisches Verstehen seines scheinbar ziellosen Umhergehens auf die verbale Ebene transformierte, legte sich meine unangenehme Irritation. Intuitiv verzichtete ich in dieser Anfangsszene der Therapiestunde auf meine übliche Aufforderung des Klienten, sich einen Platz auszusuchen. Aber indem es mir gelang, diese Ungenauigkeit in unserem Interaktionsprozess auszuhalten, konnte etwas Neues entstehen. Gelingt es dem Therapeuten, diese unsicheren therapeutischen Momente zu halten (siehe Holding-Aspekt der Winnicott’schen Trias), können Begegnungsmomente auftauchen, wie sie sich zwischen Boris und seinem Therapeuten ereigneten. Sie werden gemeinsam konstruiert und setzen voraus, dass jeder Beteiligte etwas Kreatives, Einzigartiges beiträgt. Legen wir zugrunde, dass der größte Teil einer therapeutischen Kommunikation auf der impliziten Ebene vonstattengeht und der Therapeut seine Interaktion zum Klienten intuitiv reguliert, wird die Bedeutung der Moments-of-Meeting hinsichtlich der Gestaltung der kindlichen Lebensbewegung deutlich: Deutungen im herkömmlichen Sinn und Begegnungsmomente sind »zwei komplementäre mutativ wirkende Prozesse« (Stern et al., 2012, S. 49). Sie wirken zusammen, verflechten sich, wobei sowohl die zu deutende Übertragungsbeziehung als auch der Begegnungsmoment abwechselnd in den Fokus des analytischen Prozesses treten kann. Sowohl die analytische Deutung einer Beziehungsepisode auf dem Hintergrund der Übertragung-Gegenübertragungs-Dynamik als auch die »Augenblicke der Begegnung« sind Wirkfaktoren einer Therapie. Auf ein wirkungsvolles mutatives Phänomen weist Dohn in seiner in Kapitel 1 geschilderten Fallepisode hin, wenn er seinen jugend56

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lichen Patienten nach seiner körpernahen Intervention lebendiger im therapeutischen Kontakt schildert. Mit seiner Untersuchung der Behandlungsatmosphäre macht Heisterkamp (2007) auf ein weiteres wesentliches mutatives Phänomen aufmerksam. Insbesondere die »Momente geteilter Freude«, die Momente des Ankommens und des Willkommenseins, wie sie uns Heisterkamp (2012) in seiner Analyse bei Ernest Freud schildert, sind atmosphärisch indirekt spürbar. Auch in Dohns Behandlungsepisode bleiben die atmosphärischen Wirkungszusammenhänge im Hintergrund des Moving-along weiterhin wirksam, wenn sein Patient zum ersten Mal lachend, also spielerisch, über seine Essproblematik sprechen kann. Auch in meiner kinderanalytischen Arbeit mit Boris ist mir nach einem Jahr intensiver Auseinandersetzung auf der Nähe-DistanzAchse unserer Beziehung ein Moment in Erinnerung geblieben, der für mich einen schönen Ausdruck unserer kokreierten Werksatmosphäre darstellt: Meist zieht sich die Verabschiedung nach einer Stunde lange hin. Boris »trödelt«. Er scheint die therapeutische Stunde noch weiter auskosten zu wollen. Aber diesmal vollzieht sich der Abschied »normal«. Er zieht seine Jacke an und schaut durchs Fenster, ob seine Stiefmutter schon auf ihn wartet. Ein Händedruck gehörte selten zu unserem Abschiedsritus. Sanft lege ich kurz meine Hand auf seine Schulter, als ob ich ihn noch spürbar in seine familiäre Welt hinüberbegleiten wollte. Unerwartet wendet er den Kopf zu mir und schaut mich mit einem sanften Blick an. In diesem Blick artikulierte sich für mich seine leibliche Lebensbewegung. Sein starres, eingefrorenes Bewegungsmuster des zähen Ringens um den Abschied schien sich für diesen Moment aufgelockert zu haben. Dieser kurze Blickkontakt hat sich als bedeutsamer Gegenwartsmoment tief in meine Erinnerungen an Boris eingeprägt. Eine Erinnerung an diesen Moment wirkt auch wiederum atmosphärisch, wenn ich ihn zu jeder neuen Sitzung begrüße und mich an diesen Blickkontakt erinnere: Er ist bei mir willkommen! Prozess

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In Verabschiedungs- und Ankunftsszenen können, wie am Fallbeispiel mit Boris dokumentiert, unmittelbare Wandlungserfahrungen geschehen, die auf einem präsentischen Verstehen (siehe Kapitel 5.1.1) des aktuellen Handlungsdialogs aufbauen. 5.3.2 Berührungsdialoge und Enactments als »korrektive emotionale Erfahrung« Das Unbewusste ist immer aus Handlungen entstanden. Von daher hat es in Handlungseinheiten mehr Möglichkeiten, sich zu artikulieren. Aus der Perspektive einer intersubjektiven bzw. relationalen Psychoanalyse ergeben sich in der spontanen Interaktion zwischen Psychotherapeut und Patient häufig authentische Begegnungen. In einem früheren Aufsatz (Willerscheidt, 2015) habe ich den Handlungsdialog als konstituierendes Element in der analytischen Kindertherapie gesehen. Aufgrund der wechselseitigen aktiven Teilnahme ereignen sich beständig Enactments, die in der Stern’schen Konzeptfassung große Ähnlichkeiten mit Now-Moments (Begegnungsmomenten) haben. Insbesondere in der kinderanalytischen Arbeit können Berührungsdialoge als Now-Moment vom Therapeuten für eine förderliche Intervention genutzt werden. Unterstützt wird dieser Ansatz vom Dresdener Psychosomatiker Peter Joraschky (2013, S. 19): »Das grundlegende Selbstgefühl resultiert aus Berührungs­ erfahrungen«. Auch der Säuglingsforscher und Psychoanalytiker Lichtenberg wies schon 1991 (S. 41) auf die Rolle des frühen Berührungsdialogs hin, wie eine primäre Bezugsperson den Säugling fremdregulativ unterstützt: »Im Zusammenspiel zwischen Mutter und Säugling gibt es Berührungen, Schmeicheleien, Halten und schweifende Bewegungen; dabei sind Hauterotik und Gefühle von taktiler Ausgeglichenheit am ganzen Körper ein wichtiges Mittel, mit dessen Hilfe Pflege durch geteilte Lust den Grad der Wachheit im State der Wachheit justieren kann.« In kindertherapeutischen Prozessen, wie in der folgenden Fallepisode des 14-jährigen Boris, können körperliche Berührungen in Form eines »kurativen Handlungsimpulses« ihren Platz haben: 58

Praxeologische Aspekte

Boris wird wie immer zu seiner wöchentlichen Therapiesitzung von seiner Stiefmutter mit dem Auto gebracht. Ich hole ihn am Tor ab und wir gehen gemeinsam zum Therapieraum. Boris betritt den Raum und lässt für mich überraschend die Tür wieder ins Schloss fallen. Ich öffne die Tür erneut, um in den Therapieraum zu gelangen, als mir entgegengeschleudert wird: »Der Stuhl ist besetzt!«, und er knallt das Spieltelefon auf den von mir meist benutzten Sessel. Ich bin zunächst konsterniert, wie vor den Kopf geschlagen, in meiner Gegenübertragung fühle ich mich unerwünscht und keinen Platz hier zu haben. Ich grüble nach, ob bei der Begrüßung schon eine Unterbrechung meines empathischen Kontaktes zu ihm stattgefunden hat, finde jedoch keinen Hinweis. Moduliert bringe ich meine Überraschung und meinen Ärger ins Gespräch, biete aber auch meine Deutung an: »So kann es einem gehen, wenn man unerwünscht ist und seinen Platz nicht findet.« Boris reagiert nicht sichtlich auf meine Deutung. Ich entscheide mich, zunächst stehen zu bleiben und etwas auf und ab zu gehen und nicht die Herausforderung einer Platzeroberung anzunehmen. Auf seinem Gesicht sehe ich, wie verblüfft er zu sein scheint. Dann steht er auf und erzählt mir von seinem Handy. Dabei stehen wir uns nah gegenüber. Ich kann seinen Körpergeruch wahrnehmen und stellte erstaunt fest, dass ich es angenehm finde, ihn zu riechen. Während er übers Handy spricht, entspannen sich seine Gesichtszüge, er spricht in einer angenehmen Sprachmelodie. Phantasien tauchen bei mir auf: Ein kleines Kind erzählt seinem Papa oder seiner Mama von einem fesselnden Erlebnis. Intuitiv hebe ich meine Hände, wie zum Abklatschen. Boris folgt der Bewegung meiner Hände, und unsere Hände berühren sich kurz sanft. Ich wippe mit dem Oberkörper leicht vor und zurück und Boris bleibt synchron mit den Händen in der leichten Wippbewegung. Währenddessen erzählt er weiter von seinem Handy, das ihn sichtlich fasziniert. Dann fordert er mich auf, sich neben ihn auf die Couch zu setzen. Hier will er mir sein Handy vorführen. Mit flinken Fingerbewegungen Prozess

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manövriert er durch die Tastatur und zeigt mir ein runtergeladenes Kurzvideo. Dann bricht das Interesse an der Handydemonstration ab. Er sei jetzt müde und er hockt sich auf die Couch. Meinem Impuls folgend, schlage ich vor, meinen Arm um ihn zu legen. Aber er schnarrt mich an: »Nicht anfassen!« Ich wähle meine Sitzposition auf der Couch dann gemäß seinem Wunsch mit etwas Abstand aus. Plötzlich lehnt er sich ohne Blickkontakt kurz mit seinem Kopf an meine Schulter an und verharrt dort eine Weile. Ich empfinde die Berührung als angenehm und lasse sie zu. Keiner von uns spricht ein Wort, bis Boris sich wieder aufrichtet und mir unbedingt einen Leuchtkugelschreiber zeigen will. Er wolle ihn zerlegen und wieder zusammenbauen. Ich halte die Luft an, denn es klappt nicht beim ersten Mal. Beim vierten Versuch ist der Kuli wieder komplett und funktionstüchtig.

In der Türszene zu Anfang der Therapiesitzung »verwendet« (siehe Konzept der Objektverwendung von Winnicott) mich Boris unbewusst in seinem Enactment »Du bist draußen – nicht erwünscht«. Für eine übertragungsanaloge Bearbeitung dieser Szene versuchte ich zunächst eine verbale Deutung, die von ihm wie meist verwundert und geringschätzig zur Kenntnis genommen wird. Boris’ Widerstand konnte im verbalen Kommunikationsmodus nicht aufgelöst werden. Im weiteren Verlauf initiiere ich einen Berührungsdialog, der an ein frühes Kinderspiel erinnert. Der sich entwickelnde Dialog der Hände ist gelegentlich begleitet von einer zarten Berührung der Fingerkuppen und scheint die implizite Botschaft zu enthalten: Ich, als erwachsener Therapeut, stelle mich behutsam und respektvoll in meiner »Mitbewegung« auf deine »Eigenbewegung« ein. Auch wenn die angebotene Körperberührung auf der Couch von Boris abgelehnt wurde, sehe ich in der vorgeschlagenen Berührung keine Abstinenzverletzung, sondern das Angebot einer Probehandlung. In meiner Gegenübertragung tauchte spontan der Impuls auf, ermuntert durch das zärtliche Fingerspiel, seinem Bindungsbedürfnis über das Berührungsangebot eine basale Erfahrung zu ermöglichen. 60

Praxeologische Aspekte

Abstinenz verstehe ich im Sinne von Herberth und Oelmann als »respektvolle, nicht intrusive Begleitung bei der Selbstsuche und der Selbstfindung des Patienten« (2012, S. 95). In der eben geschilderten Fallepisode operationalisierte ich diese respektvolle, nicht intrusive Begleitung in der Modellierung meiner Sitzposition zu ihm. So erfährt Boris in dieser Mikroepisode ebenfalls eine Anerkennung seines aversiven Impulses »Nicht anfassen!«. Mit einem weiteren Fallbeispiel möchte ich erneut auf die Bedeutung des spontanen Handelns und der inhärenten kurativen Handlungsimpulse hinweisen. War es in der frühen psychoanalytischen Literatur üblich, vom Prinzip Deutung als basalem Wirkfaktor auszugehen, wird gegenwärtig das Prinzip Beziehung ergänzend erwähnt. In der analytischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist es sinnvoll, insbesondere das Prinzip Handlung einzubeziehen. Schon Ermanns (1993, S. 65) Formulierung, Deutungsarbeit sei Dialoghandeln, liegt die Idee zugrunde, dass Sprechen und Handeln zusammengehören. Aus einer supervidierten analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie möchte ich einen Begegnungsmoment beschreiben, der veranschaulicht, wie eine Verstrickung während des Enactments mithilfe eines intuitiven kurativen Handlungsimpulses (siehe Kapitel 5.2.1) zu einer Begegnungssuche genutzt werden kann. Anschließend erfolgt eine analytische Betrachtung dieses Enactments. Fallepisode: »Ein Poltergeist« Die Therapeutin sitzt mit einer 13-jährigen Patientin am Tisch. Die Patientin holt eine Playmobil-Kanone heraus und zielt auf die Therapeutin. »Moment mal, ich hole mal eben den Mülleimer. Dann kannst du da hineinschießen. Ich will ja nicht getroffen werden. Das tut nämlich richtig weh.« Die Jugendliche geht auf die Intervention der Therapeutin ein und zielt auf den Mülleimer. Der Therapeutin bereitet das laute Aufprallgeräusch Unbehagen und sie interveniert weiter im Sinne einer fremdregulatorischen Steuerung: »Oder darf ich mir mal deine Mütze Prozess

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ausleihen? – Dann kann ich die Kanonenkugel fangen.« Die Augen der Patientin leuchten auf. Einige Male fängt die Therapeutin die Kugel auf, manchmal gelingt es nicht. Dann möchte die Patientin ihre Mütze zurückhaben. Sie zieht die Mütze über ihren Kopf und verharrt. Die Therapeutin fragt sie spontan: »Wer bist du?« – Zunächst erhält sie keine Antwort. Die Therapeutin ergänzt ihre Frage: »Oder was bist du?« »Ein Poltergeist«, antwortet die Klientin. »Bist du böse oder gut?« – Keine Reaktion. »Oder beides?« Da nickt die Patientin ihr zu. »Was brauchst du zum Poltern?« – Die Klientin zuckt mit ihren Achseln. »Kann ich dir was Gutes tun als Poltergeist?« – Die Patientin beendet die Sequenz und zieht die Mütze vom Kopf.

In der ersten Phase des Enactments taucht eine für die Therapeutin unerwartete Szene auf, die sie überrascht: Sie wird von ihrer Patientin mit einer Playmobil-Kanone beschossen. Ob dieser Handlungsdialog entgleist, wie es die Patientin vermutlich in frühen Mutter-Kind-Interaktionen erfahren hat, hängt von der Reaktion der Kinderanalytikerin ab. Intuitiv greift sie diese leichte Provokation kreativ auf und signalisiert in ihrer operativen Teilhabe (Heisterkamp, 2002), wie sie den Impuls der Patientin verwenden will und wie sie sich gleichzeitig um ihre Selbstsicherung kümmert. Über das unbewusste Mitspielen macht die Psychoanalytikerin in ihrer Gegenübertragung die wichtige Erfahrung, wie hilflos ausgeliefert sich ihre 13-jährige Patientin vermutlich dem verbalen »Beschuss« ihrer frühen Bezugspersonen gefühlt haben muss. Sie bringt dies jedoch nicht auf die verbale Ebene, sondern verbleibt im subsymbolischen Modus (siehe Kapitel 2.3). Zu oft hat sie nach verbalen Interventionen erlebt, wie ihre Klientin auf der verbal-symbolischen Ebene »dicht machte«. Um den therapeutischen Prozess weiterführen zu können, gelingt es ihr, durch einen schöpferischen spontanen Impuls (Ausleihen der Mütze) den Engpass zu vermeiden. 62

Praxeologische Aspekte

Verbale Reflexionen runden diesen Handlungsdialog als entwicklungsförderlichen Mikroprozess ab. Die Kinderanalytikerin stellt der Patientin eine Gegenübertragungsphantasie zur Verfügung. Mit dem Bild eines »Poltergeistes« kann sich die Patientin identifizieren, und über den spiegelnden Kommentar, dass der Poltergeist zwei Seiten haben könne, nämlich gut und böse, bietet die Therapeutin eine korrektive Erfahrung, um die Ambivalenzspannung des 13-jährigen Mädchens zu mildern. Die Klientin beendet das Enactment, weil sie sich im Sinne einer impliziten operativen Behandlung gehalten und verstanden fühlt. 5.3.3 Elternkörper Auf dem Hintergrund einer intersubjektiv ausgerichteten analytischen Haltung ähnelt Mosers Konzept des »Elternkörpers« Winnicotts Vorstellungen vom Handling als einer körperorientierten Handlung. Während der Berührungskontakte mit dem »Elternkörper« in der Therapie kann das Kind eine hilfreiche implizite Lernerfahrung machen: Dein Körper ist in Ordnung, deine körperliche Nähe ist angenehm. Im eingangs aufgeführten Fallbeispiel schildert der Therapeut, wie der zwölfjährige Patient in seine Arme springt und sich zärtlich an ihn kuschelt. Nach einer ersten Verunsicherung (siehe Kapitel 5.3.1) übernimmt der Kinderanalytiker die Rolle der sehnsüchtig erwarteten frühen Bezugsperson und hält den Zwölfjährigen wie ein Baby in seinen Armen. Als er seinem Patienten über den Kopf streichelt, vermittelt er ihm mit dieser basalen körperlichen Interaktion (»Elternkörper«) eine wesentliche korrektive emotionale Erfahrung. Nach Moser (2001) können Berührungskontakte mit dem »Elternkörper« als verkörperte Resonanz ein entwicklungsförderndes Klima ermöglichen und die Bindungssicherheit unterstützen. Im Zusammenspiel dieses stabilisierenden therapeutischen Elements mit Differenz- bzw. Diskontinuitätserfahrungen, angeregt von einer reflektierten Nutzung der Eigenbewegung des Therapeuten, können sich für das Kind neue Entwicklungsräume öffnen (vgl. Moser, 2001, S. 101). Prozess

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6 Therapieziel

Bei der Behandlung beschäftigen wir uns immer mit der Transformation blockierter Selbstbewegungen. Bislang nicht integrierte Aspekte der basalen motivationalen Bedürfnisse werden mittels vieler korrektiver emotionaler Erfahrungen ins Selbsterleben integriert und steigern das Wohlbefinden des Patienten. Subjektiv fühlt sich der Patient, die Patientin zunehmend lebendig. Eng verknüpft mit dem Begriff der Lebendigkeit ist das Konzept der Selbstregulierung. Die Bedürfnisse der inneren Welt im Austausch mit der Umwelt zufriedenstellend regulieren zu können, differenziert die Selbstregulation »als eine Einheit von Autoregulation und Koregulation« (Geuter, 2015, S. 324). Wie im eingangs geschilderten Fallbeispiel (Kapitel 1) angedeutet, wird im Lauf der Behandlung angestrebt, dass der Patient gute Objekterfahrungen bezüglich eines wohltuenden Umgangs mit dem eigenen Körper internalisiert (siehe Abbildung 1 in Kapitel 2.3). Wenn der Kinderanalytiker seinem oben erwähnten zwölfjährigen Patienten in einem Begegnungsmoment einen zärtlichen Kontakt mit seinem Elternkörper ermöglicht, erkennt er das Zärtlichkeitsbedürfnis (Adler, 1908/2007) des Jungen an. Eingebettet in das Wandlungsgeschehen des Enactments verformt sich dieser zärtliche Moment nicht zu einer Ersatzbefriedigung. Zur Differenzierung zwischen dem Eingehen auf basale Bedürfnisse und Ersatzbefriedigungen oder Wünschen geht Worm in ihrem Beitrag »Der Körper lügt nicht« (2007a) ausführlich ein. Werden während der analytischen Behandlung die spontanen Bedürfnisimpulse des Kindes oder Jugendlichen anerkannt, kann die Selbstbewegung des Patienten zunehmend im Modus des flexiblen Lebensstils unbefangen zwischen den Polen »Formannehmen« und »Umwandlung zulassen« oszillieren (siehe Kapitel 2.1). 64

7  Aus- und Weiterbildung

Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene handeln fortwährend in ihren Behandlungen. Für die Aus- und Weiterbildung stellt sich daher die Frage, wie sie ein intuitives Gespür für diese Handlungsszenen entwickeln können, um sie präsentisch zu begreifen. Wie kann es gelingen, die intuitive Handlungskompetenz, das implizite Beziehungswissen eines körpernah arbeitenden Psychoanalytikers für Kinder und Jugendliche zu schulen? Zwei Gelegenheiten bieten sich an: 1. innerhalb der Selbsterfahrung während und nach der Ausbildung; 2. mit dem Konzept der »Nachbildenden Supervision« innerhalb kasuistisch-technischer Seminare (KTS) in der Ausbildung. Zu 1.) Aus dem Weg meiner eigenen Selbsterfahrung möchte ich ein Beispiel einbringen, das ich wie ein inneres Objektbild in mir trage. Diese intensive Selbsterfahrung fokussiert sich auf das Thema Aggression: »Während einer analytischen Einzelsitzung kristallisierte sich ein Vater-Sohn-Konflikt heraus. Auf dem Hintergrund einer intensiven Mutterbindung warf ich meinem Vater vor, als triangulierender Dritter nicht ausreichend zur Verfügung gestanden zu haben. Ich verspürte plötzlich eine massive Enttäuschungswut, die mein damaliger analytischer Körpertherapeut aufgriff, indem er mir eine Probehandlung vorschlug. Er stellte sich mit einem Schutzschild, wie man sie beim Kickboxen nutzt, vor mich, während ich mit einem Bataka erst vorsichtig, dann immer heftiger draufschlug. An seine begleitenden Sätze kann ich mich zwar nicht mehr erinnern, sehe aber immer noch geschützt hinter dem Schutzschild sein mir zuge65

wandtes Gesicht. Meinen mittlerweile aggressiven Schlägen konnte er gut standhalten. Ich beendete die Übung, indem ich erschöpft den Schläger beiseitelegte und ihn dankbar anschaute. Meinem Vater habe ich nie in eine solche Auseinandersetzung verwickelt. Rückblickend erlebe ich diese therapeutischen Momente wie eine korrektive emotionale Erfahrung: Meine Wut und Aggressionen zerstören nicht mein geschätztes Gegenüber. Er überlebte! Mein Therapeut stellte sich mit seinem Körper zur Verfügung, im Sinne eines – wie ich es verstehe – basalen körpernahen Object-Presenting (Winnicott). Dankbar fragte ich ihn, ob ich ihn umarmen dürfte. Nach dieser innigen Umarmung reflektierten wir unsere gemeinsame Szene. Bis heute kann ich aus dieser Erinnerung folgendes bedeutsames Standbild visualisieren: Ich schaue aus der Position des Dritten, schräg hinter meiner Person aufgestellt, in das unerschütterte Gesicht meines Therapeuten« (­Willerscheidt, 2017a, S. 10). Zu 2.) Zunächst möchte ich auf Mosers Konzept der inszenierenden Supervision (»Supervision als Rollenspiel«, 2007) verweisen. Angeregt durch ein Seminar bei Fürstenau lernte Moser das analytische Rollenspiel als Supervisionsmethode kennen und nutzte es, um die Übertragung-Gegenübertragungs-Situation direkter erlebbar zu machen. Als ein weiteres Mitglied des Steißlinger Kreises2 hat ­Heisterkamp 2016 sein Modell der »Nachbildenden Supervision« vorgestellt. Nach eigener Erfahrung ist es im Rahmen der Ausbildung nicht nur im kasuistisch-technischen Seminar anwendbar, sondern auch in der nach den Richtlinien möglichen Gruppensupervision für die Ausbildung zum Psychoanalytiker oder zur Psychoanalytikerin für Kinder und Jugendliche.

2 »[…] eine in methodischer Hinsicht ursprünglich gemischte Kollegengruppe mit einer Majorität an Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern. Dieser Kreis gilt seither als wichtigstes ›Labor‹ für die methodische Entwicklung der psychodynamischen Körperpsychotherapie« (Geißler, 2017, S. 15; Weiteres siehe dort). 66

Aus- und Weiterbildung

8 Schlussbemerkung

In einigen der aufgeführten Fallbeispiele kann nachvollzogen werden, wie korrektive emotionale Erfahrungen – eingebettet in einen Berührungsdialog zwischen Therapeut und Patient – die Entwicklung der Patienten förderlich beeinflussen. Da ein besseres Selbsterleben unserer Patienten sich auch in einem veränderten Körpererleben ausdrückt (Joraschky u. Pöhlmann, 2010), können Untersuchungen zur Wechselbeziehung zwischen Selbsterleben und subjektivem Körperbild als Wirkungsnachweis für körperorientierte Interventionen herangezogen werden. Die strukturbezogene Körperbilddiagnostik (Küchenhoff u. Agarwalla, 2013) verknüpft Teilbereiche der Strukturachse der OPD-KJ-2 mit dem Körperlichen. Das projektive Verfahren zur Messung des Körperbildes (von Arnim, Joraschky u. Lausberg, 2007) wäre zur Wirksamkeitsüberprüfung einer psychodynamischen Körperpsychotherapie bei Kindern und Jugendlichen geeignet. Es könnte die subjektive Erfahrung bestätigen, dass körperliche und inszenierende Interventionen im Sinne der Mit-Bewegung den therapeutischen Prozess bereichern, vertiefen und unsere Patientinnen und Patienten dem Therapieziel einer Transformierung der blockierten Selbstbewegung näherbringen.

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