Der Alexanderzug: Teil 2 [Reprint 2021 ed.] 9783112526163, 9783112526156

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Der Alexanderzug: Teil 2 [Reprint 2021 ed.]
 9783112526163, 9783112526156

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ARRIAN

DER ALEXANDERZUG INDISCHE GESCHICHTE

ARRIAN

DER ALEXANDERZUG INDISCHE GESCHICHTE GRIECHISCH UND DEUTSCH VON GERHARD WIRTH UND OSKAR VON HINÜBER Zweiter Teil

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1985

Verkauf dieses Exemplars nur in der Deutschen Demokratischen Republik und in den anderen sozialistischen Ländern gestattet

Dem griechischen Text liegt folgende in der „Bibliotheca Teubneriana' 1 erschienene Edition zugrunde : Flavius Arrianus. Opera quae exstant omnia, edd. A. G. Roos f e t G. Wirth, Vol. I : Alexandri Anabasis, 2. Auflage Leipzig 1967, Vol. I I : S c r i p t a m i n o r a et fragmenta, 2. Auflage Leipzig 1967. Der Abdruck des Textes erfolgt mit Genehmigung des B S B B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig.

Lizenzausgabe der Artemis VerlagsGmbH, München und Zürich Lizenznummer: 202 • 100/145/84 Printed in the German Democratic Republic Herstellung: IV/2/14 V E B Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 4450 Gräfenhainichen • 5844 Einband und Schutzumschlag: Karl Salzbrunn LSV 0226 Bestellnummer: 753 640 0 (6540/I-II)

ANHANG

ZU D E R ALEXANDERZUG

EINFÜHRUNG

Die Geschichte Alexanders des Großen ist eines der treffendsten Beispiele historischer Wechselwirkung v o n Zeitsituation, Umweltvoraussetzungen u n d Persönlichkeit. D e n n in einer I n t e n s i t ä t u n d Deutlichkeit wie im Verlaufe der Weltgeschichte k a u m noch einmal treffen in ihr diese K o m ponenten aufeinander u n d verdichten sich im L a u f e weniger J a h r e in scheinbar unwiderlegbarer K a u s a l i t ä t . 1 Die aus dieser Durchdringung resultierenden Verknotungen lassen sich offensichtlich nicht lösen, obwohl m a n sie, jede E p o c h e in ihrer Weise, zu erkennen g l a u b t e : Differenzen innerhalb der Forschung, seit Droysen Alexander der Sphäre des Märchenh a f t e n entrückte, wurden daher immer als zweitrangig gegenüber dem P h ä n o m e n selbst angesehen. Bereits f ü r die zeitgenössische, j a die antike Geschichtsschreibung ü b e r h a u p t erscheint Alexander in den zwölf J a h r e n seiner H e r r s c h a f t als Mittelpunkt des Weltgeschehens schlechthin; d a ß selbst in einschlägigen Überblicksdarstellungen etwa Diodors oder J u s t i n s andere Schauplätze f ü r diesen Zeitraum gleichsam ausgeklammert sind, ist bezeichnend. Seit je h a t Alexander als die letzte Steigerung all dessen gegolten, was im Griechentum beschlossen lag. 2 N i c h t nur, d a ß sich diese K r ä f t e im Guten wie im Bösen im Menschen, in der Persönlichkeit zu verkörpern schienen u n d die Zeitgenossen selbst der nächsten U m g e b u n g verwirrten, die E r o b e r u n g des Persischen Reiches wie die anderen, bei Alexanders Tod k a u m bereits begonnenen U n t e r n e h m u n 1 Zur Alexanderproblematik s. bes. die Arbeiten von Anidreotti, Walser u n d Seibert, Alexander, dazu Schacher meyr, Alexander S. 609ff. F ü r ältere Arbeiten wird hier wie f ü r den K o m m e n t a r z u m Text auf das Literaturverzeichnis verwiesen. 2 S. dazu Capelle S. 8.

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gen oder vorerst u n k l a r definierten Absichten, sie bedeuten Verwirklichung dessen, was die griechische Welt seit je sich e r t r ä u m t h a t t e . So vermögen denn seine Nachfolger mühelos das von i h m Begonnene in ihrer Weise fortzusetzen; Anfangsschwierigkeiten oder besondere Mühe darin, sich in eine neue Gedankenwelt einzuleben, gibt es f ü r sie k a u m . Nicht zuletzt von hier aus erklärt sich auch, d a ß die v o n i h m initiierte H e r r s c h a f t s f o r m einer übernationalen Monarchie z u m Vorbild f ü r spätere J a h r h u n d e r t e werden k o n n t e 3 u n d die Vorstellung v o n Alexander, d e m Weltherrscher, bis ins Mittelalter 4 hinein immer wieder auft a u c h t , auch wenn die Wirklichkeit vom ersten Tage an zu ständig neuen Auslegungen u n d Variationen zwang. Geboren als Sproß eines Herrscherhauses, das in merkwürdiger Weise B a r b a r e n t u m u n d zugleich den Anspruch auf Zugehörigkeit zu den griechischen Heroendynastien in sich verkörperte, sprengte er d a m i t von vornherein die Grenzen einer alten, die bisherige Geschichte bestimmenden Grundvorstellung. Die Nachrichten über f r ü h deutliche persönliche B e g a b u n g 5 u n d b e w u ß t e F ö r d e r u n g seines T a l e n t e s 6 können schon seinen späteren Leistungen nach keineswegs Fiktion oder Folgerung ex eventu sein. So ist es denn nicht zu verwundern, wenn sich neben der Fähigkeit, selbst katastrophale militärische wie politische Situationen zu meistern, das offensichtlich bewußte Hineinwachsen in eine Konzeption erkennen läßt, die zwar von griechischen Ideen ausgeht, diese letztlich aber doch n u r als Voraussetzung u n d S p r u n g b r e t t b e n u t z t . Sein Zug gegen Persien, mag anfangs U n t e r n e h m e n in eigener Sache zur R e t t u n g der durch Philipp I I . gewonnenen Position gewesen sein, u n d wieweit er 334 bereits die Unter3 S. dazu bes. Tarn, Alexander t h e Great I 145. 4 S. dazu G. Cary, The Medieval Alexander; F . Pfister, Alexander der Große in den Offenbarungen der Griechen, J u d e n , Mohammedaner u n d Christen, j e t z t i n : Kleine Schriften z u m Alexanderroman, Meisenheim 1976, 301 ff. 6 Dazu allgemein P l u t a r c h , Alexander 1—8. 6 Zur Lehrtätigkeit des Aristoteles s. Berve, Alexanderreich I I nr. 135; W. Jaeger, Aristoteles 2 , Berlin 1955, passim.

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werfung des riesigen Territoriums dieses Reiches v o r h a t t e , ist k a u m mehr zu erkennen. 7 Wichtiger f ü r sein wirkliches Bild scheinen die Versuche wirtschaftlicher, sozialer u n d selbst ethnischer Durchdringung, n a c h d e m er sich einmal zu dieser U n t e r w e r f u n g h a t t e entschließen müssen. Absiedlung von Griechen u n d planvolle, auf lange Sicht abzielende Völkervermischung, 8 die sich zwangsläufig hieraus ergaben, stehen in einer Linie m i t der Gewinnung bisher f ü h r e n d e r Schichten noch während der P h a s e der Eroberung. D a ß das N o v u m solcher Synthese nicht weiter verwirklicht wurde, ist Folge äußerer, tragischer U m s t ä n d e . Z u s a m m e n mit einem neuen Weltbild indes h e b t sie fast alle antiken Menschheitsvorstellungen auf u n d bereitet deren Ausweitung ins Zeitlose vor, ein Prozeß, der noch J a h r h u n d e r t e dauerte. D a z u k o m m t der Versuch engerer Verb i n d u n g bisher nicht n u r räumlich auseinanderliegender Territorien m i t Hilfe von Möglichkeiten, über die — zieht m a n dessen technische Möglichkeiten a b — im Wesen auch das 20. J a h r h u n d e r t k a u m hinausgekommen zu sein scheint. Sicher, f ü r all dies gab es einschlägige Erkenntnisse u n d Vorbilder nicht zuletzt in der Geschichte orientalischer Reiche vor i h m : Tatsache ist, d a ß er n a c h einer Zeit der Stagnation zugleich auch die Achämenidenpolitik zu neuem Leben erweckte u n d auf seine Weise deren Synthese mit der panhellenischen Ideologie 9 seiner Zeit vollzog. D a ß ein solcher Versuch der U m f o r m u n g u n d U m w e r t u n g gleichsam aller bisherigen historischen Wertbegriffe freilich die K r ä f t e eines Menschen überstieg, j a auch menschliche P l a n u n g u n d R a t i o n a l i t ä t überforderte, e r k a n n t e n die Zeitgenossen f r ü h . Alexanders Nachfolger haben, indirekt wohl ein erstes Zeichen hierfür, nicht weiter an der Ver7 Die Frage nach ursprünglicher Zielsetzung Alexanders ist nicht zu trennen von der Philipps; vgl. hierzu A n d r e o t t i a. a. O., zuletzt auch Schofman 1969. P l ä n e Philipps, die bis zur Zerstörung des Achämenidenreiches gingen, n i m m t Ellis, Philip I I , S. 227ff. an (vgl. auch 1977, S. 113). 8 Einschränkend allerdings Berve 1938, S. 135ff., vgl. auch H a m p l 1954, S. 91 ff., dazu Bosworth 1980. 9 S. dazu Dobesch, Der panhellenische Gedanke, passim.

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wirkliehung seiner Konzeption gearbeitet, 10 mochte jeder für sich in dem ihm möglichen beschränkten Umfange es auch versuchen, Begonnenes fortzusetzen. 11 So bleibt es letztlich denn eine ungelöste Frage, ob es ein erreichbares Ziel oder nur Utopie war, 12 was Alexander erstrebt hatte, oder ob sein Scheitern bei längerer Lebensdauer unvermeidlich gewesen wäre. Wohl beginnt jetzt die große Zeit der Griechen. Aber was wir unter dem Namen Hellenismus als Phänomen einer alle Lebensbereiche erfassenden Kulturentwicklung 13 zu bezeichnen gewohnt sind, war nach dem Erstarren jenes allein in Alexander sichtbaren Impulses nur allzufrüh verdammt, zum Wesensausdruck lediglich einer elitären und in den neu gewonnenen Ländern isolierten Oberschicht zu werden. Unter ihr führt die breite Masse einheimischer Völker ihr eigenes Dasein weiter, um sich im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr wieder von den für kurze Zeit gebotenen Möglichkeiten der durch Alexander angedeuteten neuen Entwicklung zu entfernen. 14 10 Zu den letzten Plänen s. Hampl 1953, S. 816ff.; Schachermeyr 1954, S. 118ff. Einen historischen Kern der vielfach bestrittenen letzten Pläne Alexanders nimmt E . Badian HSPh 1967, S. 183 an. 11 Bester Überblick bei W. W. Tarn, Hellenistic Civilization 3 , London 1952 (deutsch: Die Kultur der hellenistischen Welt, Darmstadt 1966). 12 Interessant hierzu der Science-Fiction-Versuch A. Toynbees in: Some Problems of Greek History, London 1965, 441 ff. 13 Dazu zuletzt C. Schneider, Kulturgeschichte des Hellenismus. 14 S. dazu S. Eddy, The King is Dead. Als im 2. J h . Rom zwangsläufig mit den hellenistischen Nachfolgestaaten des Alexanderreiches in Berührung kommt, scheint die hellenistische, hellenische oder hellenisierte Oberschicht weitgehend isoliert und im Rückgang begriffen (drastische Beispiele für Ägypten bei Ii. Braunert, Die Binnenwanderung. Studien zur Sozialgeschichte Ägyptens in der Ptolemäer- und Kaiserzeit, Bonn 1964). Darüber hinaus zeigen Nachrichten über einzelne Herrscherpersönlichkeiten eine auffallende Orientalisierung in Denk- und Lebensform, wohl als Ergebnis eines natürlichen Entwicklungsprozesses; zwischen der Notwendigkeit einer Selbstbehauptung durch

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N i c h t zuletzt das unverschuldete Schicksal seines E r b e s auch m u ß es mitbewirkt haben, d a ß f r ü h bereits selbst die Diskussion über seine Persönlichkeit in einem Mißklang zu enden scheint. 1 5 Nicht, d a ß m a n von mangelndem Blick f ü r seine B e d e u t u n g u n d die Einmaligkeit der durch ihn geschaffenen historischen Situationen sprechen k ö n n t e : An zeitgenössischen bzw. zeitlich n a h e n Autoren weist die F r a g m e n t s a m m l u n g J a c o b y s 36 N a m e n auf. 1 6 D a s zufällig so auf u n s Gekommene freilich zwingt zu dem Schluß, d a ß Zeitgenossen u n d Feldzugteilnehmer einfach vor einem Rätsel standen, als sie darangingen, ihre eigenen Erlebnisse niederzuschreiben u n d sie in Beziehung zu diesem P h ä n o m e n zu setzen, das sie alle bestimmte. Dies aber bedeutet, d a ß mehr als zwölf J a h r e gemeinsam erlebter u n d gemachter Geschichte nicht ausreichten, tieferes Verstehen f ü r Persönlichkeit u n d I n t e n t i o n e n Alexanders zu bewirken. U n d nicht zuletzt auch erklärt es, d a ß sich nicht lange nach seinem Tode alles an realistisch f a ß b a r e n Zügen des f r ü h e n Alexanderbildes wieder zu verflüchtigen scheint, so d a ß n u r Mythisches oder aber Ethisch-Modellhaftes bleibt. Dabei waren es wohl nicht zuletzt F o r m f r a g e n , die den meisten dieser Zeitgenossen die a d ä q u a t e Darstellung wenn nicht verwehrten, so doch erschwerten. Zwar h a t t e die griechische Historiographie bereits vor Alexander einen P u n k t in ihrer E n t w i c k l u n g erreicht, über den vorerst k a u m hinauszugelangen war. Mit immer neuen Sachbereichen h a t t e sie sich einer ständig wachsenden Zahl auch von Darstellungsformen bemächtigt, u n d nicht zu verkennen ist, daß auch der Kreis der an Historie Interessierten analog den u n s b e k a n n t e n geistesgeschichtlichen Kriterien f ü r das 5. u n d 4. J h . sich vergrößert h a b e n m u ß . Anpassung und einer wirklichen Hinneigung wird dabei nie ganz zu scheiden sein. Auf numerische wie politische Schwäche des griechischen Elementes lassen auch die U m stände von E n t s t e h u n g u n d E n t w i c k l u n g des Partherreiches schließen. 15 S. dazu L. Pearson, Lost Histories, bes. S. 1—21. 1 6 F G H nr. 117-153, Pearson S. VI. E i n e n Überblick gibt F . Weber, Alexander der Große im Urteil der Griechen u n d R ö m e r bis in die konstantinische Zeit, S. 7 ff.

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So waren zwischen den beiden Grundaxiomen für historische Forschung und Historiographie, wie sie sich in Herodot und Thukydides ausprägen 17 , Zwischenstufen und Varianten entstanden, neben bewußt als solcher konzipierter Universalhistorie 18 hatten sich Kategorien monographisch angeordneter oder persönlichkeitsbezogener Anschauungs- und Darstellungsweise herausgebildet. 19 Regional- und Lokalgeschichte 20 eröffneten zudem besonders im 4. J h . bereits der eigentlichen Altertumsforschung neue Wege. Ein Autor wie Ktesias von Knidos wiederum steht für eine Gattung Historiographie 21 , die, anders als zuvor, ferne Länder in den eigenen Betrachtungskreis zieht: Sie bedeutet trotz betonter Opposition zu Herodot im Detail und in Methodenfragen in gewisser Weise zugleich die natürliche Weiterentwicklung über diesen hinaus. Die Biographie wiederum hatte zwar den Bereich philosophisch orientierter Charakterdarstellung noch kaum verlassen. Fruchtbare Wechselbeziehungen zur Geschichtsschreibung indes kündigen sich auch hier etwa in den Arbeiten Xenophons an. 22 Freilich, all dies genügte offenbar nicht, nun auch für das Erlebnis der Alexandergeschichte verbindliche, den Ereignissen gerechte Formen finden zu lassen. Bereits für die Zeitgenossen scheint sich der Eindruck dieser Ereignisse überwiegend in einer auffallenden Vermischung von historischer Darstellung und Wundererzählung niedergeschlagen zu haben. Sicher, eine allgemeine Sensationsfreude mochte die Übertreibung auch des nebensächlichsten Details ins Überdimensionale fördern. 17 Allgemein mit vielen Anregungen auch für die auf Thukydides folgende Zeit K. v. Fritz, Die griechische Geschichtsschreibung, München 1967, bes. S. 67 ff. 18 Im 4. Jh. gilt dies für Duris, Ephoros und selbst für Kallisthenes (s. u.). 19 So etwa bei Theopomp von Chios. 20 Vgl. F. Jacoby, Atthis, Oxford 1949. Allgemeiner Überblick auch bei Schneider II, S. 439ff.; W.V.Christ, W. Schmid, G. Stählin, Geschichte der griechischen Literatur 6 , München 1919 (Nachdr. 1959), I I l,204ff. 21 FGH nr. 688. 22 Interessant hierzu Plut. AI. 1.

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Zur B a n a l i t ä t u n d Vordergründigkeit von Schilderung wie D e u t u n g k o m m t die bewußte Verzeichnung von T a t sachen, erklärlich aus Renommiersucht, als Konzession an den Publikumsgeschmack oder aber als propagandistische Manipulation. Bei alldem ist indes nicht zu übersehen, d a ß Alexander selbst a n solcher Verzeichnung seines Bildes nicht ganz unschuldig ist u n d zweifellos sich weitgehend auch über mögliche Folgen im klaren war. Bei seinem Aufbruch 334 h a t t e er es nötiger als je zuvor seit seinem Regierungsantritt, die Griechen v o n sich zu beeindrucken. D e n n es liegt nahe, d a ß er nach der Thebenaffäre 335 auch d u r c h die Verwirklichung der panhellenischen Rachekriegsidee niemand mehr über das Fragwürdige hinwegzutäuschen vermochte, das i h m selbst u n d der ü b e r n o m m e n e n Rolle a n h a f t e t e . So war es f ü r ihn d e n n geradezu lebensnotwendig, die besten verfügbaren Medien in seinen Dienst zu nehmen. Dies vornehmlich wird der Grund d a f ü r sein, d a ß er zur propagandistischen B e r i c h t e r s t a t t u n g Kallisthenes aus Olynth 2 3 , einen Neffen des Aristoteles 2 4 , seinem S t a b eingliederte, eine Schriftstellerpersönlichkeit, die sich durch bisherige Werke f ü r einen solchen Posten ausreichend qualifiziert h a t t e u n d offensichtlich gerade durch panhellenische Tendenzen in f r ü h e r e n W e r k e n bek a n n t geworden war. 2 5 Die Absicht einer solchen ersten Veröffentlichung 26 b e s t i m m t e r Versionen u n m i t t e l b a r nach den Ereignissen aber m u ß t e dazu f ü h r e n , d a ß auch die weitere Überlieferung f r ü h E l e m e n t e a u f n a h m , die, außer Kontrolle geraten, m i t der Zeit einen geradezu verheerenden E i n f l u ß ausübten. 2 7 Wohl besaß Alexander neben Kallisthenes u n d seiner Publizistik die I n s t r u m e n t e einer ob23 F G H nr. 124, zusammenfassend dazu Pearson, S. 22ff. 24 Dessen Urteil über Kallisthenes allerdings wirkt wenig vertrauenerweckend (vgl. T 5) f ü r Persönlichkeit u n d Rolle. 25 E r schrieb bezeichnenderweise u. a. 10 Bücher 'EXXrjvixd, vgl. T 27. 26 Vgl. T 26. Zum Interesse Alexanders an zeitgenössischen Veröffentlichungen seiner T a t e n s. auch Lukian, Quom. hist. conscr. 12; 40. 27 Zu Kallisthenes vgl. hier f r . 14; 31; 28; 30, darüber hinaus T 20; 21, bezeichnend auch Arr. 4,10,2.

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j e k t i v e n D a r s t e l l u n g , b e s o n d e r s e t w a in d e n f ü r die k ü n f tige R e i c h s o r g a n i s a t i o n w i c h t i g e n H i l f s m i t t e l n v o n K r i e g f ü h r u n g wie V e r w a l t u n g : N e b e n d e m offiziellen 2 8 J o u r n a l e t w a s t e h e n die A u f z e i c h n u n g e n d e s B e m a t i s t e n g r e m i u m s zur Vermessung von Wegstrecken u n d wohl auch Registrier u n g a n d e r e r A n g a b e n . 2 9 D a ß m a n n i c h t n u r die p e r s i s c h e n A r c h i v e zu solchen Z w e c k e n b e n u t z e n k o n n t e , s o n d e r n a u c h die auf A l e x a n d e r s B e f e h l d u r c h g e f ü h r t e n F o r s c h u n g s u n t e r n e h m e n s o r g f ä l t i g a r c h i v i e r t e , liegt n a h e : D e n N u t zen e n t s p r e c h e n d e r E i n r i c h t u n g e n m o c h t e A l e x a n d e r ber e i t s in M a k e d o n i e n u n d i n s b e s o n d e r e d u r c h A r i s t o t e l e s k e n n e n g e l e r n t h a b e n , u n d die p e r s i s c h e V e r w a l t u n g des A c h ä m e n i d e n r e i c h e s v o l l e n d s w a r o h n e sie n i c h t ausgek o m m e n . Indes — abgesehen von der Frage nach späterer P u b l i k a t i o n a u c h solcher Quellen u n d d e r d a m i t v e r b u n d e n e n K o r r e k t u r d e s B i s h e r i g e n —, w a s K a l l i s t h e n e s v o m e r s t e n T a g e d e s F e l d z u g e s a n b e g o n n e n zu h a b e n s c h e i n t , w a r die G e s t a l t u n g eines Bildes v o n P e r s ö n l i c h k e i t wie v o n E r e i g n i s s e n , d a s n a c h d e m W i l l e n A l e x a n d e r s selbst w e i t ü b e r die D i m e n s i o n e n d e s M e n s c h l i c h - N o r m a l e n h i n a u s ging. N a c h d e m a b e r dieses Bild e i n m a l u n t e r d e n G r i e c h e n verbreitet u n d der Publikumsgeschmack entsprechend v o r g e f o r m t w o r d e n w a r , m u ß t e es a n d e r e n A u t o r e n schwerfallen, die D i n g e w i e d e r z u r e c h t z u r ü c k e n . 3 0 Z u m i n d e s t h a t t e jeder entsprechende Versuch, u m ü b e r h a u p t wirks a m zu sein, sich i n d e n gleichen D i m e n s i o n e n zu b e w e g e n u n d d i e gleichen V e r f a h r e n s w e i s e n a n z u w e n d e n . D i e s a b e r k o n n t e sich e r n e u t w i e d e r u m n u r z u u n g u n s t e n d e r sachlichen Überlieferung auswirken. A n der Vorprägung dieses B i l d e s ä n d e r t a u c h n i c h t s , d a ß m a n K a l l i s t h e n e s s p ä t e r a u s s c h a l t e t e , n a c h d e m er sich o f f e n s i c h t l i c h in 28 F G H n r . 117, d a z u P e a r s o n 1955, S. 4 2 9 f f . , vgl. a u c h B e r v e , A l e x a n d e r r e i c h I , 43 ff. I n t e r e s s a n t d a z u P l u t . E u m . 2. 29 F G H n r . 1 1 9 - 1 2 3 ; vgl. B e r v e a. a. O. 80 D . h . soweit einzelne A u t o r e n h i e r a n ü b e r h a u p t i n t e r e s s i e r t w a r e n . D i e B e d e u t u n g d e s E r l e b n i s s e s l ä ß t e h e r auf d a s Gegenteil schließen, vgl. d a z u bes. R . W o l f , D i e Sold a t e n e r z ä h l u n g e n d e s K l e i t a r o h bei Q u i n t u s C u r t i u s R u f u s , Diss. W i e n 1964, p a s s i m .

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einer uns schwer verständlichen ideologischen Wendung von dem distanzierte, was er selbst begonnen h a t t e . 3 1 I n der T a t erscheint denn in den erhaltenen Fragmenten zeitgenössischer Historiker die natürliche Steigerung bzw. Weiterführung des von Kallisthenes Begonnenen unverkennbar. Nicht daß es sich lediglich um kritiklose Fortentwicklung einer in ihrer Publikumswirksamkeit erkannten Sensationsliteratur handelt: Die bedeutendsten Autoren dieser Gruppe entstammen dem Kreis unmittelbar um Alexander selbst und hatten sehr wohl die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu schauen. Onesikritos 3 2 war der Steuermann von Alexanders Flaggschiff gewesen und offensichtlich wegen seiner philosophischen Interessen 3 3 zu anderen Sonderaufgaben verwendet worden, Chares von Mitylene war Hofmeister, 3 4 Medeios von Larissa einer der nächsten Vertrauten besonders in den letzten Monaten und Tagen Alexanders, Polykleitos von L a r i s s a 3 5 wurde 324—323 mit seemännischen Aufgaben betraut. D a ß sie in die Fußstapfen des Kallisthenes treten und jenes überdimensionale Alexanderbild nach allen Seiten hin weiter ausformen, ist, zieht man einen guten Teil Rechtfertigungsabsicht, verklärender Erinnerung 3 6 und vielleicht 31 Material bei Berve, Alexanderreich I I nr. 408, dazu Hamilton, Plutarch Alexander, L l l l f . ; 100. Die Erzählung von Alexander und der Amazonenkönigin stammt offensichtlich nicht mehr von ihm (vgl. Plut. AI. 46). D a ß das Alexanderwerk des Kallisthenes Torso blieb, wurde durch die frühe Veröffentlichung und wohl weitgehend auch durch Authentizitätscharakter wieder ausgeglichen. Seine Version muß bei Alexanders Tod verbreitet gewesen sein (vgl. auch Bosworth 1970, S. 407ff.), doch wäre angesichts allgemeinen Interesses auch an spätere Ausgaben zu denken. D a ß sich der alexandrinische Alexanderroman auf Kallisthenes beruft, scheint in diesem Zusammenhang bezeichnend. 32 F G H nr. 134; Berve, Alexanderreich I I nr. 583. 33 S. dazu Pearson, Lost Histories, S. 83ff. 34 eioayyeXsvg (Plut. AI. 46), F G H nr. 125, dazu Berve, Alexanderreich I I nr. 8 2 0 ; Pearson S. 50. 35 F G H nr. 128, vgl. Pearson S. 68 ff. 36 Zum Indienerlebnis der Alexanderhistoriker und zu seinem Nachhall bezeichnend Strabo 2,70; 15,698.

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Hilflosigkeit ab, n u r d a r a u s zu verstehen, d a ß f ü r sie keine Möglichkeit mehr b e s t a n d , das P u b l i k u m in anderer Weise zu interessieren. Dazu gehört vielleicht noch eine andere E r w ä g u n g : Die A u t o r e n aus der nächsten U m g e b u n g Alexanders h a t t e n sich n a c h dessen Tod in die Welt der Diadochenstaaten einzuordnen, u m einen P l a t z zu finden, der ihrer bisherigen Stellung entsprach. 3 7 Tatsache aber ist, d a ß die Nachfolger Alexanders dessen begonnenes W e r k aufgegeben h a t t e n , weil sie a n seiner weiteren Realisierung zweifelten. W a s aber lag näher, als d a ß m a n d a n n schon u m der eigenen Rechtfertigung willen auch auf den historischen Alexander verzichtete u n d in direkter wie indirekter Sprachregelung die Weiterentwicklung jenes unwirklichen, überdimensionalen Bildes förderte? Alexander, die mythische Gestalt, der T r ä u m e r jenseits aller Wirklichkeit mit einem allein i h m zukommenden Charisma, selbst n u r k o n n t e es sein, der d a s Aufgeben seiner P l ä n e in den von ihm aufgezeigten Dimensionen legitimierte. 3 8 I n d i r e k t wird diese V e r m u t u n g d a n n durch ein zweites S y m p t o m bestätigt. Unsere Nachrichten aus zeitgenössischen Quellen sind fragmentarisch überliefert, so d a ß sich Absicht u n d I n h a l t bei keinem der einzelnen Werke mehr ganz erkennen lassen : Deutlich aber ist u n t e r diesen Autor e n f r ü h e s t e r Zeit eine Grundtendenz, die als alexanderfeindlich bezeichnet werden m u ß . Sie läßt sich z u m Teil sicher aus persönlichen Spannungen besonders angesichts der Ereignisse in den letzten Lebensjahren erklären: Die schlechten Beziehungen etwa zwischen Alexander einer-, der D y n a s t i e des A n t i p a t e r u n d den P e r i p a t e t i k e r n 3 9 an37 Hierzu H e u ß 1954. Z u m Alexanderbild der hellenistischen Zeit s. freilich E r r i n g t o n F H S. 137 ff. 88 Bezeichnend hier u. a. etwa d a s Schicksal Theopomps unter Ptolemaios I . ( F G H n r . 115, T. 8; f r . 255). 39 Zu A n t i p a t r o s s. Berve, Alexanderreich I I nr. 94; Schlüsselfigur solcher Verbindungen freilich scheint mehr noch sein Sohn Kassandros (nr. 414). Zu einem peripatetischen Alexanderbild s. H o f f m a n n , D a s literarische Port r ä t , bes. S. 2ff., Mederer S. 141 ff. Zweifel an E n t s t e h u n g eines bereits zeitgenössischen peripatetischen Alexander-

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derseits sind bekannt und erlauben Schlüsse auf analoge Bemühungen wohl auch an anderen Diadochenhöfen. 40 Diese alexanderfeindliche Darstellungsweise scheint früh ihre eigene Topik zu entwickeln. Von der überdimensionalen Märchengestalt ist der Weg nicht weit zu Alexander, dem Maßlosen, dem Grausamen, dem Wüterich, dem Weltunterdrücker und dem in seinen Zielen nicht mehr Verständlichen, dem Trunkenbold. Für Darlegung und Erörterung dieser Züge wird früh eine Reihe bestimmter Gelegenheiten und Ereignisse kanonisch/' 1 eine Zahl ständig wiederkehrender Schlagworte bestimmt die Diskussion/ 2 und die Frage, ob sich aus Alexanders Verhalten eine immer schon vorhandene Naturveranlagung 4 3 oder aber das bildes freilich äußern mit Recht Badian, Historia 1958, S. 426, und E. Mensching, Historia 12, 1963, 274ff. Hingegen könnte die sachliche Argumentation 7,12,5 gut auf eine der Quellen Arrians zurückgehen. Am Tode des Kallisthenes als Ursache oder auch nur Anlaß eines Bruches zwischen Aristoteles und Alexander lassen die abschätzigen Bemerkungen des Philosophen über den Neffen zweifeln, die, falls überhaupt historisch, nur mit diesem Ereignis in Zusammenhang zu bringen sind; die Briefstelle Plut. AI. 77,2 (dazu Hamilton, Plutarch Alexander, S. 214) hat demgegenüber wenig Gewicht als Dokumentation (vgl. auch die Skepsis Arrian 7,27,1). 40 Nahe liegt das Interesse bes. Kassanders an solcher Motivierung nach Ausrottung der Dynastie Alexanders. 41 So etwa innenpolitische Radikalität 336, Thebeneroberung 335, Vorgehen gegen die Griechen 336—334, Verhalten gegen die Familie des Dareios 333, Briefwechsel mit Dareios nach 333, Verhalten gegen Batis 332, Ammonszug 331, Aufenthalt in Babylon 331, Verhalten gegen den toten Dareios, Philotas-, Kleitos-, Kallisthenesaffäre, Rhoxaneheirat, Behandlung des gefangenen Bessos 329, Verhalten gegen Poros, Grausamkeit der Kämpfe in Indien usw. All dies wird durch einen Kranz von Anekdoten variiert und zum Ganzen verwoben. 42 S. dazu Hoffmann passim; vgl. zuletzt Tonnet S. 327 (Arbeit vorerst nur dact.). 43 So das stoische Alexanderbild in seinen Grundzügen, vgl. J . Stroux, Philologus 1933, 222ff.; R. Fears, The Stoic 46 a

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Ergebnis äußerer Einwirkung offenbare, 4 4 sichert dieser Art Überlieferung Interesse nicht n u r bei sensationsfreudigen Publikumskreisen, sondern auch in Philosophenund Rhetorenschulen. Daß nach solcher Zeichnung durch Augenzeugen spätere, den Ereignissen ferner stehende Autoren keinen Grund zur Korrektur mehr sahen, liegt auf der H a n d . Kennzeichnend f ü r dieses Weiterwuchern zeitgenössischer Tradition scheint der Überlieferungsstrang, der sich unter dem Namen des Kleitarch 45 noch bei Diodor, J u s t i n und Curtius verfolgen läßt, ohne daß freilich die sich wohl immer mehr komplizierenden Abhängigkeitsverhältnisse u n d Querverbindungen im einzelnen auseinanderzuhalten wären. Voraussetzungen dieser Art erklären auch den geringen Erfolg der bekannten Versuche, dieses negative Alexanderbild zu korrigieren. So verarbeitete Nearch, 4 6 Alexanders Flottenführer u n d seit der Jugendzeit einer der zuverlässigsten Vertrauten, Notizen über die von ihm geleiteten Unternehmungen zu einer Darstellung, 4 7 deren Alexanderbild in seiner zum Teil ergreifenden Menschlichkeit sich wesentlich vom Üblichen unterscheidet. 4 8 Aber nicht nur, View of the Career and Character of Alexander the Great, Philologus 118, 1974, 113ff. 44 So Alexander in peripatetischer Schau. I n späteren Darstellungen verfließen die verschiedenen Deutungsrichtungen ineinander. 45 F G H nr. 137. Zur Kleitarchtradition s. E . Schwartz, R E I I 914ff., F . Jacoby, R E X I 622ff., Pearson S. V I I I ; 153; 213 ff. Wichtige Materialsammlung noch immer bei A. Ruegg, Beiträge zur Erforschung der Quellenverhältnisse in der Alexandergeschichte des Curtius, Diss. Basel 1906. Der Versuch Tarns, Kleitarch zu einem späteren Skribenten (3. Jh.) zu machen, muß als gescheitert angesehen werden (II 16ff.); zur Chronologie neuerdings Badian, PACA 1965, 5ff., Seibert, Alexander, S. 16ff. 46 Berve, Alexanderreich I I nr. 544, zum literarischen Werk Nearchs Pearson S. 131 ff. 47 F G H nr. 133. 48 S. bes. fr. 1 ( = A r r . Indike), 35. Daß Nearch sich dabei der Hilfsmittel epischer Darstellung bedient, braucht an der Ehrlichkeit seiner Absichten nicht Zweifel zu erregen. Vgl. auch Montgomery S. 184.

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d a ß selbst er einige fragwürdige 49 Bemerkungen nicht unterdrücken k a n n , sein persönliches Schicksal n a c h Alexanders Tod scheint seine Isolation u n t e r den ihm anfangs gleichrangigen Diadochen zu bestätigen. Zu einer seinen Qualit ä t e n entsprechenden Rolle b r a c h t e er es nicht mehr. Aristobul von Kassadreia 6 0 n a h m a m Zuge als Techniker teil; die v o n i h m d u r c h g e f ü h r t e R e s t a u r a t i o n des Kyrosgrabes l ä ß t auf verhältnismäßig hohen R a n g im Stabe u n d persönliches Verhältnis zu Alexander selbst schließen. Schrieb er in der T a t erst m i t neunzig J a h r e n , 5 1 so liegt nahe, d a ß i h m diese Masse bereits erschienener einschlägiger Werke b e k a n n t war, ein Teil seiner naturwissenschaftlichen Hinweise 5 2 k ö n n t e als K o r r e k t u r entsprechender Angaben von anderer Seite verstanden werden. Deutlich aber sind seine Absichten bezüglich des Alexanderbildes: Seine allzu vordergründige Polemik gegen die alexanderfeindliche Überlieferung 5 3 besteht in Verharmlosung u n d Sichklammern ans Detail. Allein mit der Mentalität des A u t o r s ist sie k a u m zu erklären. Gerade aus ihr wird vielmehr zugleich die Schwierigkeit sichtbar, wenige J a h r zehnte n a c h Alexanders Tod eine bereits festgefahrene Überlieferung b e k ä m p f e n oder gar ein neues, scheinbar objektives Alexanderbild schaffen zu wollen. E i n W e r k ü b e r Alexander v e r f a ß t e auch Ptolemaios von Ägypten, 5 4 wie 49 fr. 1,20. 50 f r . 51 (Arrian u n d Strabo). 51 F G H nr. 139, dazu Berve, Alexanderreich I I , nr. 121, P e a r s o n S. 150ff. 62 L u k i a n Makrob. 22. 53 Sammlung bei F . Wenger, Die Alexandergeschichte des Aristobul von Kassandreia. 54 So fr. 2 (Timokleiaaffäre), fr. 7 (gordischer K n o t e n ) , f r . 8 (Bad im Kydnos), fr. 10 (Alexander u n d die persischen Königinnen), ähnlich fr. 11, fr. 21 (Zweifel a n Amazonengeschichte), f r . 22 (Vertrauen Alexanders in Philotas), f r . 29 (Reinwaschung Alexanders bei der Kleitosaffäre), fr. 31 (Beschuldigungen des Kallisthenes), fr. 33 (Schicksal des Kallisthenes), f r . 51 (Restauration des Kyrosgrabes), fr. 54 (Verhalten gegen Peithagoras), f r . 62 (Ursache von Alexanders Trinkfreudigkeit). D a m i t verbundene bewußte Opposition gegen andere Ü b e r t r e i b u n g e n

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Nearch einer der Zuverlässigsten aus Alexanders Umgebung, allerdings auch der erste, der noch am Totenbett Alexanders den Verzicht auf dessen Ziele verlangt hatte. 5 5 So war er von vornherein Partei, und wenn oben angestellte Vermutungen zutreffen, muß er zumindest eine Zeitlang das Heraufkommen alexanderfeindlicher Literatur mit gefördert haben. Die Anwesenheit Kleitarchs in Alexandria erhält auf diese Weise einen interessanten Hintergrund. 5 6 Es ist zu vermuten, daß Ptolemaios, Statthalter von Ägypten seit 323 und König seit 306, Muße zur Abfassung seiner Schrift nicht vor seiner freiwilligen Abdankung in den achtziger J a h r e n fand, 5 7 was ebenfalls eine Kenntnis der bisher erschienenen zeitgenössischen Alexanderliteratur voraussetzt. 5 8 Doch scheint die Abfassungszeit eine Frage von zweitrangiger Bedeutung: Die Prüfung des von Ptolemaios Hinterlassenen erst zeigt das eigentliche Dilemma. Wohl unterscheidet sich, soweit den fast ausschließlich Arrian entstammenden Fragmenten zu entnehmen ist, seine Darstellung durch die Nüchternheit und Sachlichkeit wohltuend von den Übertreibungen anderer Nachrichten frühester Zeit: Anlage und ausgesprochen militärische 5 9 Akzentuierung indes bedeuten zugeht aus fr. 38 (rä>v •öovXovfiEvmv /xeye-ßtüv ovdev läelv tprjoiv) und vielleicht einem Bericht über die Brahmanen (fr. 41) hervor. 55 FGH nr. 138, dazu Berve, Alexanderreich II, nr. 668; Strasburger, Ptolemaios und Alexander; Kornemann, Die Alexandergeschichte; Pearson, Lost Histories, S. 188ff. 56 G. Wirth 1967, S. 282ff.; Seibert, Ptolemaios, bes. S. 27 ff. Das gleiche könnte für Ephippos von Olynth gelten (FGH nr. 126). 57 Vgl. R E X X I I I 2 4 8 3 ; Badian, Studies, S. 256 ff.; Stadter, Arrian of Nicomedia, S. 69. Errington 1969, 244 will das Werk als Propagandaschrift des Ptolemaios deuten. Doch scheint eine solche Absicht vor Feldzugteilnehmern und Augenzeugen fraglich; sie lief Gefahr, die gegenteilige Wirkung auszulösen. 68 Vgl. fr. 20 (Arrian 5,14,5—15,2); daß er dabei gegen einen bestimmten Autor polemisiert, ist nicht gesagt (anders Kornemann S. 8). 59 Anders Pearson, Lost Histories, S. 172.

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gleich bewußte Einschränkung und zwingen bei einem Autor von seinem Rang geradezu zu dem Schluß, umfassende Korrektur oder wenigstens Diskussion bisher gültiger Tradition sei gar nicht beabsichtigt gewesen. Dem widerspricht nicht, daß Ptolemaios nicht vergißt, die eigenen Leistungen 60 gleichsam als Kopie des großen Vorbildes gebührend hervorzuheben bzw. die späteren politischen Gegner als fragwürdig hinzustellen. Hinweise auf die Persönlichkeit Alexanders sind denn ebensowenig zu erkennen wie solche auf Ziele und historische Bedeutung, und an den wichtigen Ereignissen, Auseinandersetzung mit dem Großkönig, Philotaskatastrophe, Kleitosermordung, Kallisthenesaffäre, wie auch den entscheidenden Schlachten fällt gerade die stereotyp-simplifizierende 61 Motivierung auf, so als seien auch sie in den Rahmen des ExemplarischPraktikablen eingeordnet. 62 Ob eine solche Art, die Dinge zu sehen, als Diskretion, nachträgliche Sentimentalität oder Flucht vor wirklicher Stellungnahme verstanden werden muß, wird im einzelnen unklar bleiben; Schlüsse auf das persönliche Verhältnis zwischen Autor und Objekt führen hier allzuleicht ins Ausweglose. Das auffallende Sichklammern an einen — von niemand bestrittenen — Detailaspekt aber läßt sich nur damit deuten, daß an einem wirklichen Alexanderbild und seiner Klärung Ptolemaios gar nichts lag. 63 So sind es letztlich zwei Elemente, die das Alexanderbild der frühesten Zeit und auch dessen weitere Entwicklung bestimmen: Märchenhaftigkeit und Feindschaft. Sie geben der Fülle mehr und mehr auseinanderklaffender Nachrichten und Spekulationen eine gewisse Einheit und bewirken, daß schon in der Zeit des Hellenismus, nicht lange nach den Ereignissen, Alexander aus dem Gesichtskreis ernsthafter, wissenschaftlicher Betrachtung schwindet. Nicht nur, daß fortan die Historiographie von dieser Grundlage aus60 S. dazu R E X X I I I 2481; Welles 1963; Errington 1969. 61 fr. 13 (Philotasaffäre), fr. 16-17 (Kallisthenesaffäre). 62 Ähnlich fr. 12 (Uxierunterwerfung). 63 Demgegenüber zeichnet Kornemann das Bild einer von lautersten Absichten erfüllten Schriftstellerpersönlichkeit. 47'

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zugehen h a t . K a u m zu verwundern ist die Rolle, die das P h ä n o m e n auch in anderen, damit verwandten Literaturgattungen spielt. Sieht man von künstlichen Erweiterungen ab, wie sie etwa die auf authentischen Wurzeln beruhenden B r i e f Sammlungen 6 4 bedeuten, die das bestehende Konglomerat i m B ö s e n wie i m Guten noch erweitern, die philosophische Spekulation, die sich früh m i t der Person Alexanders beschäftigt, verwendet ihn bezeichnenderweise fast ausschließlich als das abschreckende Beispiel zur Dokum e n t a t i o n ihres ethischen Schlagwortvokabulars. 6 5 Man wird sich hierbei keineswegs allein auf eine durch den T o d des Aristotelesneffen Kallisthenes ausgelöste peripatetische Schultradition als wichtiges Moment verlassen dürfen: W a s jedoch spätere Peripatetik, S t o a , K y n i k e r und selbst Skeptiker über Alexander zu sagen h a b e n , 6 6 bedeutet lediglich immer wieder versuchte Neuauflage der T o p i k jener frühen Sensationshistoriographie, nur jeweils in einen anderen Kausalitätszusammenhang gebracht. Dies wird nicht zuletzt m i t erklären, weshalb es trotz gewisser Unterschiede zwischen den einzelnen Schultraditionen von diesen keine zu einem geschlossenen Persönlichkeitsbild gebracht hat, vielleicht ein solches gar nicht beabsichtigte. 6 7 D a f ü r freilich, wie dieses Philosophenbild seinerseits die R h e t o r i k zu beeinflussen vermochte, u m von hier aus indirekt wiederum auf eine b e s t i m m t e A r t Historiographie zu wirken, ist die Darstellung der Ereignisse durch Hegesias von Magnesia ein drastisches Beispiel. 6 8 D a ß die F o l k lore, vielleicht selbst der Mythos der unterworfenen Völ6 4 S. dazu bes. Hamilton, P A C A 1961, 9 f f . ; R . Merkelbach, Die Quellen des griechischen Alexanderromans, Einleitung. 65 Übersicht bei H o f f m a n n a. a. 0 . , Zusammenstellung auch bei W e b e r S. 39 ff. 6 6 S. Heuß S. 74. Zur Teilnahme P y r r h o n s v. E l i s am Alexanderzug s. Diog. L a e r t . 9,61. 67 Cicero scheint sich bezüglich Alexanders im wesentlichen auf K l e i t a r c h verlassen zu haben (vgl. bes. Legg. 1,7; E p . ad fam. 2 , 1 0 , 3 ; B r u t . 4 2 ; differenziert hierzu Weippert S. 123ff.). 6 8 F G H nr. 142, fr. 5.

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ker, in der sich sehr bald die Reaktion gegen jene fremde, hellenistische Überlagerung äußert, das negative Bild aufnimmt, ist selbstverständlich. Man darf vermuten, daß neben eigenen Erlebnissen auch hier die Zeichnung durch Alexanders eigene Anhänger einen entscheidenden Anstoß gab. Der Alexanderroman etwa läßt sich als Zwischenglied in diesem Gefüge verstehen. Einmal kanonisch geworden und auf diese Weise von verschiedener Seite her vervollkommnet, waren diese Züge des AlexanderbildeB nicht mehr zu korrigieren. Trotz des Hervorblühens einer Reihe hilfswissenschaftlicher Disziplinen zur Historiographie überall in der hellenistischen Welt wissen wir von Benutzung etwa offiziellen Materials, der Ephemeriden und anderer Spezialliteratur, durch hellenistische Alexanderhistoriker nichts, und auch der, wenigstens im sachbezogenen Detail, verhältnismäßig objektive Ptolemaios scheint vor Arrian von niemandem als Vorlage verwendet worden zu sein. Daß ein Eratosthenes, 69 vielleicht als Nebenprodukt seiner Forschungen, zu einem anderen, positiven Bild kam und konsequent sich um eine Ehrenrettung bemüht zu haben scheint, macht ihm alle Ehre: Einen Erfolg hat seine Deutung offensichtlich nicht gehabt. So ist es denn nicht weiter zu verwundern, daß die ersten uns als Ganzes faßbaren Darstellungen, die Diodors und die Justins, 7 0 sich vom Üblichen kaum unterscheiden, ähnlich wie sie übrigens auch das Problem des Hellenismus mit keinem Worte berühren. Das Werk des Curtius Rufus, die zeitlich wohl nächstfolgende unserer Quellen, liefert an Material unendlich viel mehr und ist nicht ohne fundierte Tatsachenforschung durch den Autor 7 1 zu denken. Aber obwohl Curtius die erste uns zugängliche Alexandermonographie geliefert hat, gibt es keine gesicherte Nach69 Plut. De AI. Fort. 1,330A. Eine Renaissance gerade seiner Gedanken erklärt sich nicht zuletzt wohl aus der ideengeschichtlichen Entwicklung der römischen Kaiserzeit. Beeinflussung Arrians durch ihn vielleicht gerade deshalb wäre möglich. 70 Diodor X V I I - X V I I I , Justin X I - X I I . 71 S. dazu Tarn, Alexander the Great I I 91 ff.

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rieht über deren Abfassungszeit, 7 2 u n d schon d a m i t werden literarische G a t t u n g , Absicht u n d Charakter des Werkes fraglich. Sicher, der hier u n t e r n o m m e n e Versuch einer D e u t u n g m i t Hilfe psychologischer Motive ist, soweit ersichtlich, Neuansatz u n d d a m i t zugleich erster Versuch einer K o r r e k t u r der ganzen T r a d i t i o n : A n den entscheidenden Stellen jedoch bricht bei Curtius die eingewurzelte alexanderfeindliche D e u t u n g wieder durch u n d zwingt zur V e r m u t u n g , auch i h m könne es u m ein wirklich historisches Alexanderbild gar nicht gegangen sein. Dies sind Voraussetzung u n d literarischer H i n t e r g r u n d , von d e m aus Arrian u n d sein W e r k über Alexander verstanden werden müssen. D a ß im übrigen der historische Alexander, was immer m a n von i h m halten mochte, in den K ä m p f e n der ausgehenden hellenistischen Zeit eine gewisse Renaissance erlebte 7 3 u n d besonders in den Auseinandersetzungen der Griechen mit R o m etwas wie eine Alexanderidee m i t allgemein bewegender K r a f t geworden zu sein scheint, ist b e k a n n t . Aber auch dies t r u g wenig dazu bei, g u t z u m a c h e n , was ihr in der literarischen Uberlieferung schon geschadet worden war. Mochte sich ein Antiochos I I I . nach seinem Indienzug als Nachfolger fühlen, in Antiochos I V . n i m m t derartiges, übrigens unausgesprochen, bereits bizarre F o r m e n an. Bald wechseln die F r o n t e n : An die gegen die römische U n t e r d r ü c k u n g gericht e t e A l e x a n d e r p r o p a g a n d a eines M i t h r a d a t e s 7 4 schließen sich die nur allzugern aufgegriffenen Analogien n u n m e h r bei Pompeius, Crassus u n d möglicherweise selbst noch 72 An Versuchen zeitlicher E i n o r d n u n g zwischen d e m 1. u n d 4. J h . h a t es nicht gefehlt. Zusammenfassende Übersicht bei D. Korzeniewski, Die Zeit des Quintus Curtius R u f u s , Diss. Köln 1959; zur weiteren Diskussion s. R . Fears, Hermes 102, 1974, 623ff.; H . Graßl, Philologus 118, 1974, 160 f f . ; zuletzt R . Egge, U n t e r s u c h u n g e n zur P r i m ä r t r a d i t i o n bei Q. Curtius R u f u s , Diss. F r e i b u r g 1978; H . Bödefeld, U n t e r s u c h u n g e n zur Datierung des Q. Curtius R u f u s , Diss. Düsseldorf 1982. 73 Vgl. dazu Polybios, der sich 8,12,7 auch gegen moralische Verunglimpfung Alexanders wendet. 74 S. dazu H e u ß S. 79.

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Caesar in den letzten Tagen seines Lebens an. 7 5 F ü h l t sich Antonius in Alexandreia als der Vollender des von Alexander Begonnenen, so b e k ä m p f t ihn nicht zuletzt gerade deshalb Octavian als die Verkörperung östlicher Barbarei. Seine spätere Imperiumskonzeption ist n u r vor d e m H i n t e r g r u n d e eines b e w u ß t aufrechterhaltenen Gegensatzes zwischen Weltmonarchie im Sinne der Alexandertradition u n d römischem D e n k e n zu verstehen. D a ß ein Trogus Pompeius wie auch Diodor bei der Abfassung ihrer universalhistorischen Überblicksdarstellungen u n d gleichsam Neuinterpretation des alexanderfeindlichen Bildes sich in R o m , vielleicht sogar in nächster N ä h e des Princeps aufhalten, scheint bezeichnend. Sie stehen dabei in nächster Nähe eines Livius 7 6 mit seinen Zweifeln selbst an Alexanders F e l d h e r r n q u a l i t ä t e n u n d dessen Aussichten, in Italien allenfalls angestrebte Ziele zu erreichen. Persönliches Vor-, niemals aber politisches Leitbild ist Alexander auch in den folgenden J a h r h u n d e r t e n gewesen, selbst noch, als u n t e r T r a i a n u n d seinen nächsten Nachfolgern die Wirklichkeit diesem Leitbild ziemlich nahek o m m e n mochte. 7 7 Wohl ist im 1. u n d 2. J a h r h u n d e r t eine ständig fortschreitende, allgemeine Homogenisierung im I n n e r e n des Imperiumsgefüges nicht zu übersehen, die d a m i t dessen Charakter ganz im Sinne jener seinerzeit auch von Alexander beabsichtigten R i c h t u n g verä n d e r t . Auch die äußeren Grenzen dieses I m p e r i u m s im Westen schließen etwa das ein, was Alexander noch zu er76 S. dazu D. Michel, Alexander als Vorbild f ü r P o m peius, Caesar u n d Markus Antonius, Brüssel 1967; zu Caesar s. M. Geizer, Caesar, Politiker u n d S t a a t s m a n n 6 , Wiesbaden 1960, 299, zu Augustus K i e n a s t , Gymnasium 1969, 430 ff. Zusammenfassend jetzt die Arbeit W e i p p e r t s ; Material auch bei A. Brühl, Le Souvenir d'Alexandre le Grand et les R o m a i n s , M E F R 1930, 202ff.; G. W i r t h , F H S. 181. 76 9,18f. in unverkennbarer B e n u t z u n g alexanderfeindlicher Tradition, vgl. dazu H e u ß S. 80; W e i p p e r t S. lOff. 77 S. dazu R . Paribeni, O p t i m u s Princeps, R o m 1928, I I 280; M. H a m m o n d , The Antonine Monarchy, R o m 1954; G. W i r t h 1974.

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obern g e h o f f t haben mochte. D a s Verhältnis R o m s z u m östlichen N a c h b a r n , zu P a r t h e r n u n d später Sassaniden, jedoch ist durch einen Prozeß der Stabilisierung, 7 8 gegenseitiger Anerkennung, j a sich immer mehr festigender Vorstellung von zwei nebeneinander bestehenden, aufeinander angewiesenen Weltreichen gekennzeichnet. Dies aber l ä ß t vermuten, d a ß m a n n a c h wie vor, wenn auch von anderen Voraussetzungen aus als die Diadochen, Alexanders Zielsetzung als utopisch ansah. Trotz verschiedener Kriege u n d Eroberungen, selbst der parthischen H a u p t s t a d t Ktesiphon, h a t keiner der römischen Kaiser versucht, aus seiner Überlegenheit die Konsequenzen zu ziehen: Caracalla u n d vielleicht auch J u l i a n scheitern bei derartigen Absichten nicht zuletzt an der Opposition im eigenen Lager. So bleibt zu fragen, wie sich Arrian in diese Tradition einordnet. Wohl entspricht seine Art, die T a t e n Alexanders darzustellen, unseren eigenen Auffassungen von O b j e k t i v i t ä t u n d Wahrheitssuche mehr als die meisten antiken Darstellungen nicht n u r zur Alexandergeschichte. Seine L a u t e r k e i t als Mensch wie als Schriftsteller ist über allen Zweifel erhaben. Die Methode, mit der er an sein Werk herangeht, scheint angesichts dessen, was er an Überlieferungsgut vorfand, die einzige ü b e r h a u p t noch erfolgversprechende zu sein. Seine Verehrung 7 9 f ü r Alexander äußert sich in dem Bemühen, jenes Einmalige, alles Bisherige Übersteigende u n d deshalb der Verzerrung Ausgesetzte wieder auf die Maßstäbe des Normalen, P r a k t i kabel-Menschlichen zurückzuführen. 8 0 Zu diesem Zweck setzt er sich energisch mit der Fülle unglaubwürdiger, heterogener Nachrichten u n d Traditionszweige auseinander, wobei er immer wieder in seine Arbeitsweise Einblick gew ä h r t u n d seine Kriterien zur Schau stellt. 8 1 I n d e m er auf 78 Vgl. K . H . Ziegler, Die Beziehungen zwischen R o m u n d d e m Partherreich, Wiesbaden 1964; F . Dölger, Die „Familie der Könige" im Mittelalter, Hist. J a h r b . 60, 1940, 397ff. 79 S. 1 , 1 2 , 1 - 6 ; 7,28-30. 80 Zu Arrians Methoden s. Strasburger S. 8; K o r n e m a n n S. 16ff. 81 Von hier aus wird zu verstehen sein, d a ß er gelegentlich auch nicht m i t Tadel an Alexander zurückhält.

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diese Weise längst der f r u c h t b a r e n B e t r a c h t u n g Entzogenes wieder zugänglich m a c h t , gelingt es ihm in der T a t , die Möglichkeit neuer Problemstellung aufzuzeigen, auch wenn dies vielleicht gar nicht in seiner Absicht gelegen haben mag. 8 2 D a ß er in seiner Begeisterung m a n c h m a l über das Ziel hinausschießt, 8 3 ist i h m dabei so wenig anzulasten wie etwa die Tatsache, d a ß seiner D e u t u n g Alexanders die Wirksamkeit versagt blieb. Zu seinem Versuch befähigte ihn anders als die meisten seiner Vorgänger — sieht m a n von den Zeitgenossen Alexanders ab — eine ganze Reihe von Voraussetzungen, eigenen E r f a h r u n g e n u n d wohl auch persönlichen Fähigkeiten. U n d es ist sicher nicht bloße Euphorie, wenn er sich hierauf gelegentlich etwas viel zugute hält, 8 4 j a sich sogar dazu versteigt, sich als d a s Abbild seines Helden anzusehen bzw. in d e m von ihm plausibel Dargestellten die Bestätigung eigener E r f a h r u n g e n u n d Ansichten zu erbringen. 8 5 Die F r a g e n a c h dem Anliegen jedoch, das diesem neuen Alexanderbilde zugrunde liegt, ist nicht ohne weiteres zu b e a n t w o r t e n . Sicher war Arrian d a s im L a u f e der Zeit angewachsene Material über Alexander in v e r f ü g b a r e n Bibliotheken, etwa Athens, zugänglich. Welchen Symbolgehalt die Persönlichkeit Alexanders immer noch besaß, l ä ß t nicht zuletzt eine ganze Reihe Anekdoten etwa über Bekenntnisse u n d Urteile römischer Kaiser des J a h r h u n d e r t s vor Arrian einschließlich eines Augustus erkennen. 8 6 Inzwischen h a t t e n sich 82 Der programmatische Hinweis 1,12,3—4 zusammen mit d e m Homervergleich 1,12,1 läßt eigentlich auf andere Ziele schließen, als Arrian sie erreichte. 88 S. bes. 1,12,5; 7,30. 84 S. dazu A. B. Breebaart, Enigehistoriografische Aspekten, S. 32. Z u m Bilde des k o m p e t e n t e n Spezialisten s. Polyb. 3,4,13; Jos. Apion 1,55, möglicherweise m i t Beziehung auf Arrian auch Lukian, Quom. hist. conscr. 37. 85 S. dazu B r e e b a a r t S. 44 zur A r g u m e n t a t i o n Arrians 5,1,3; 7,12,5; 7 , 1 4 , 5 - 8 ; 7,1,1-3. Die Liste ließe sich u m alle Stellen erweitern, die derartige Reflexionen e n t h a l t e n . Eine interessante Analyse arbeitet Th. W i r t h h e r a u s : E p i k t e t — Arrian = Sokrates — Xenophon. 86 Vgl. e t w a zu Caesar Suet. Caes. 7; Marcus A n t o n i u s : P l u t . Marc. A n t . 34; Caligula: Suet. Cal. 4,52; N e r o : Suet.

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Der Alexanderzug

a u c h d a s l i t e r a r i s c h e G e n o s u n d die M e t h o d e n einer m i t d e n Mitteln historischer Darstellung arbeitenden F o r m der Biographie weiter vervollkommnet, wofür der unmittelb a r v o r A r r i a n l e b e n d e , i h m vielleicht n o c h persönlich b e k a n n t e P l u t a r c h Beispiel sein m a g . P l u t a r c h freilich ging es in e r s t e r L i n i e 8 7 u m E i n o r d n u n g A l e x a n d e r s in die R e i h e seiner R ö m e r u n d G r i e c h e n gegenü b e r s t e l l e n d e n B i o g r a p h i e n . A n g e s i c h t s d e s v e r f ü g b a r e n Mat e r i a l s n u n k o n n t e dies n u r b e d e u t e n , d a ß er sich sachwie q u e l l e n k r i t i s c h m i t d e n e i n a n d e r w i d e r s p r e c h e n d e n , ü b e r t r e i b e n d e n u n d a u s vielen G r ü n d e n f r a g w ü r d i g e n N a c h r i c h t e n seiner V o r l a g e n a u s e i n a n d e r s e t z t e , h i e r v o n d a s P a s s e n d e , d . h. P l a u s i b e l s t e , a u s w ä h l t e u n d zu e i n e m neuen Alexanderbild verwob. Man mag den hierfür notw e n d i g e n E k l e k t i z i s m u s als m e t h o d i s c h f r a g w ü r d i g a n s e h e n , u n d b e z e i c h n e n d e r w e i s e h a t die alte, 8 8 z u l e t z t d u r c h P o w e l l 8 9 v o r g e b r a c h t e T h e s e v o n B e n u t z u n g lediglich einer vorgefertigten Nachrichtensammlung endgültige Widerl e g u n g n o c h n i c h t g e f u n d e n , o b w o h l die Zitierweise P l u t a r c h s auf w e s e n t l i c h besser f u n d i e r t e K e n n t n i s s e schließen l ä ß t . 9 0 Alles i n a l l e m a b e r e r s c h e i n t e r d a m i t sachlich wie m e t h o d i s c h als ein V o r l ä u f e r A r r i a n s . W i c h t i g e r a b e r ist N e r o 6 , 1 9 ; T a c i t u s H i s t . 1,6; D i o Cass. 63,8; P l i n . N a t . H i s t . 34,69. Z u m p e r s ö n l i c h e n V e r h ä l t n i s d e s A u g u s t u s zu A l e x a n d e r s. H e u ß S. 8 3 f f . ; G. W i r t h F H S. 1 9 5 f f . I n t e r e s s a n t a u c h d e r H i n w e i s auf die B e d e u t u n g A l e x a n d e r s in d e r b i l d e n d e n K u n s t dieser Zeit bei B r ü h l S. 2 1 0 f f . 87 P l u t . AI. 1, W e b e r S. 71. 88 S. d a z u b e r e i t s A . F r a n k e l , D i e Quellen d e r A l e x a n d e r h i s t o r i k e r , S. 2 f f . 89 E . P o w e l l , T h e S o u r c e s of P l u t a r c h ' s A l e x a n d e r , J H S 59, 1939, 2 2 9 f f . 90 W e s e n t l i c h e W i d e r l e g u n g s k r i t e r i e n bei H a m i l t o n , P l u t a r c h A l e x a n d e r , S. X X X V I I , d a z u I . R a b e , Q u e l l e n k r i t i s c h e U n t e r s u c h u n g e n zu P l u t a r c h s A l e x a n d e r b i o g r a p h i e , Diss. H a m b u r g 1964. D a s V o r h a n d e n s e i n d e r a r t i g e r , v o n P l u t a r c h u n t e r a n d e r e m möglicherweise eingesehener S a m m l u n g e n l ä ß t P l u t . AI. 4 6 ; A r r i a n I n d . 3,1—8 v e r m u t e n (vgl. a u c h S t r a b o 15,690). Sie m ü s s e n n a c h b e s t i m m t e n s a c h l i c h e n K r i t e r i e n a n g e l e g t g e w e s e n sein u n d n e h m e n die S a m m e l w e r k e b y z a n t i n i s c h e r Zeit v o r w e g .

Einführung

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folgendes: E r muß seine Korrektur des herkömmlichen Alexanderbildes für aussichtsreich gehalten haben und sich dabei einer literarisch interessierten Öffentlichkeit sicher gewesen sein, die derartige Versuche mit Wohlwollen registrierte und von sich aus bemüht war, einen neuen Zugang auch zu Alexander zu finden. Wieweit die hier sich abzeichnende literarische Wende H a n d in H a n d mit der politischen Entwicklung geht bzw. aus dieser zu verstehen ist, wird sich im einzelnen nie mehr erkennen lassen. I n der gleichen Zeit, d. h. den ersten J a h r e n Traians, aber entstanden auch die Reden eines Dio Chrysostomos neoi ßaaiXeiag91: Was Alexander betrifft, so läßt sich aus ihnen das gleiche Bemühen erkennen. Zeitgenosse Traians 9 2 und unter ihm wie Hadrian im römischen Dienste bewährt 9 3 ist auch Arrian, Sohn eines mit dem römischen Bürgerrecht ausgezeichneten Bewohners von Nikomedia. Sein Lebenslauf scheint gekennzeichnet durch den für Mitglieder gehobener Schichten der Reichsbevölkerung üblichen Bildungsgang, den frühen E i n t r i t t in den Staatsdienst und die erfolgreiche Verwendung in militärischen wie administrativen Aufgaben. 130 bekleidet er als suffectus das Konsulat. Daß er die Gebiete des Imperiums kannte, ist selbstverständlich. W a s ihn jedoch von Kollegen und Standesgenossen unterscheidet, sind sein Bemühen u m Weiterbildung und seine geistigen Interessen, die zu literarischen Arbeiten verschiedener Art wie auch zu früher Bekanntheit, 9 4 vielleicht sogar Berühmt91 S. dazu Heuß S. 83ff. 92 S. dazu Breebaart S. 5ff., dazu bereits Schwartz R E I I 1230f. Vgl. auch Capelle S. 24ff. 93 Vgl. Dio Cass. 69,15; Dig. 49,14,2. Aufenthalt in Noricum und Pannonien läßt sich aus I n d . 4,15 erschließen. Zur kappadokischen Statthalterschaft s. CIL X 6006; zu Aufenthalt und Provinzverwaltung in der Baetica s. zuletzt Bosworth 1976; vgl. auch Commentary S. 32; Stadter, Arrian of Nicomedia S. 10, 91 ff., 195 ff. 94 Zusammenfassender Überblick bei Breebaart S. 8, dort weitere Literatur. Von diesen Werken müssen 8 Bücher Diatriben und 12 Bücher Homilien Epiktets früh veröffentlicht worden sein, während Periplus Maris Euxini, Schlachtordnung gegen die Alanen und Ars Tactica den

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Der A l e x a n d e r z u g

heit unter den Zeitgenossen führten. Seine Nachschrift der Vorträge seines Lehrers E p i k t e t m u ß in kürzester Zeit weite Verbreitung gefunden h a b e n ; 9 5 neben einer R e i h e von Arbeiten, die i m Zusammenhang m i t dienstlichen A u f g a b e n entstanden, fällt eine Anzahl handbuchartig angelegter, lehrhafter Schriften wohl a u s späterer Zeit auf. Dazu kommen noch eine offensichtlich breit angelegte Darstellung der Geschichte seiner H e i m a t , eine Geschichte der Kriege R o m s m i t P a r t h i e n sowie eine Geschichte der Diadochenzeit. Geringe Originalität scheint dabei durch Eifer u n d Beflissenheit kompensiert, 9 6 wobei f ü r eine Persönlichkeit von seiner M e n t a l i t ä t überdies A u f e n t h a l t und Ehren in Athen ein besonderes S t i m u l a n s Erfordernissen dienstlicher P r a x i s e n t s t a m m e n . W i e w e i t die Phot. cod. 58, 17a 25 e r w ä h n t e m i t genannter Schlachtordnung zusammenfällt, l ä ß t sich a u s den erhaltenen F r a g menten k a u m mehr e r k e n n e n ; h a n d e l t es sich u m einen Ü b e r b l i c k größeren U m f a n g e s , ließe sich die Abfassung auch wohl in späterer Zeit annehmen. Ein H a n d b u c h wie die Lehrschrift über die Hundezucht ähnlich wie die verh ä l t n i s m ä ß i g spät erwähnten Monographien über Timoleon, Dion von S y r a k u s und den R ä u b e r Tilliboros wird m a n ebenfalls a m ehesten in die Zeit des A t h e n a u f e n t h a l tes legen, während dessen A r r i a n 147/48 das Archontat bekleidete. Eine Zeit der Muße wird m a n auch für die 10 Bücher Diadochengeschichte, 8 Bücher Geschichte B i t h y n i e n s und 17 Bücher P a r t h i c a voraussetzen müssen. Alexandergeschichte und Indike h a l t e ich n a c h wie vor f ü r Spätwerke, entstanden nicht vor 165 (vgl. 1964; 1974); für letztere (vgl. A n a b a s i s 5,6; 6,16,2) als R e f e r a t zweier H a u p t q u e l l e n bedurfte es längerer Vorstudien nicht. Die Reihenfolge der W e r k e A r r i a n s bei Photios ergibt keine chronologischen A n h a l t s p u n k t e . Die A r g u m e n t e B . Bosworths für die A n a b a s i s als ein J u g e n d w e r k A r r i a n s (bes. 1972) überzeugen mich n i c h t ; v g l . zuletzt auch Stadter, Arrian of Nicomedia, passim, bes. S. 179. 96 S. dazu Arrians Brief an Gellius. I n i h m l ä ß t d a s . . . ó'f •ye ovÓÉ ivyyQÚfai g . . . muß es sich um Fragen der göttlichen Verehrung Alexanders in Griechenland handeln, die Arrian in seiner Quelle verzeichnet fand (vgl. Baisdon S. 385; Bickerman 1963, S. 75). Eine kaum zutreffende Deutung des . . . co? . . . bei Fredericksmeyer 1978, S. 5 . . . as sacred envoys . . ., vgl. dazu Badian 1981, S. 58. Sie paßt zu einschlägigen Nachrichten (vgl. Ael. 2,19; Plut. Mor. 219 E ; 842 D ; Din. 1,69; Polyb. 12,12, s. dazu bes. Taeger 1951, S. 241). Nahe liegt, daß auch die gleichsam zweite Welle griechischer Gesandtschaften nach den Anordnungen von 324 mit den kultischen auch politische Absichten verband. Nachrichten dieser Art scheinen denen von der Vorbereitung Athens für den bevorstehenden Freiheitskampf aller Griechen (vgl. dazu Badian 1961, bes. S. 36ff.; Lepore S. 161 ff.) zu widersprechen, über dessen mutmaßliche Aussichten man sich bei Lebzeiten Alexanders nach wie vor keinen Illusionen hingegeben haben kann. In der Tat ist eine beschwichtigende Verhaltensweise Athens etwa in der Harpalosaffäre bezeichnend; der Aufstand brach erst bei der Nachricht vom Tode Alexanders

Erläuterungen

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aus und verbreitete sieh nur zögernd (vgl. Diod. 18,11,1—2; Paus. 1,25,1, dazu Schmitt nr. 413). 98 Die Hintergründe sind unklar. Tarn, Military Development, S. 14 glaubt an Versagen der Phalanx als Waffe in den bisherigen Kämpfen, doch trifft dies so nicht zu. Eine Komponente von einer Verschmelzungspolitik nimmt zuletzt Milns F H S. 128 an, wie sie zu Epigonenausbildung und Eingliederung einzelner Perser in die Hetairenreiterei paßt. Doch wäre zugleich auch die Kampfesweise noch zu erwartender Züge zu berücksichtigen, für die in der Tat die bisherigen Organisationsformen nicht mehr geeignet waren. F ü r die erwähnten Dienstgrade gibt es keine Anhaltspunkte, sie könnten Entlehnung Arrians aus der römischen Armee sein (vgl. dazu etwa Arrian Tact. 42,1, dazu F. Kiechle, B R G K 45, 1964, 102). Zur Besoldung s. Berve, Alexanderreich I 195. H a t t e Alexander nach den Vereinbarungen von 336 jedem bundesgenössischen Soldaten täglich 1 Drachme zu zahlen, so wird Gleiches für Makedonen gelten: 200 Drachmen (nach dem attischen Münzfuß des 4. J h . ist 1 Stater = 20 Drachmen) können unmöglich der Jahressold eines Unterführers sein: Näher liegt, man hat den ptolemäischen Münzfuß (1 Stater = 60 Drachmen) zugrunde zu legen, was auf Ptolemaios als Quelle für die Stelle schließen läßt. Die Neueinteilung erfordert allein 6 600 makedonische Unterführer. 94 Vgl. Diod. 17,113,4; Plut. AI. 72,2. Das Ammonsheiligtum war demnach nicht der Verwaltung Ägyptens untergeordnet. So liegt nahe, daß sich die Priesterschaft nicht nur in kultischen Dingen direkt an Alexander wandte. 96 Zu Kleomenes s. Berve, Alexanderreich I I nr. 431; Seibert, Ptolemaios, S. 39 ff. Ein Zeitpunkt für die Übernahme der Satrapenfunktion ist nicht bekannt, auch lassen sich die Ursachen der vorgebrachten Beschwerden nicht einwandfrei bestimmen. Es wäre indes möglich, daß die Ps. Aristoteles Oec. I I 1352 hervorgehobenen Manipulationen mit den Getreidepreisen für Griechenland in einer Zeit allgemeiner Hungersnot (s. dazu GHI nr. 196) böses

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Der Alexanderzug

B l u t g e m a c h t u n d in d e r H e i m a t V e r b i t t e r u n g h e r v o r g e r u f e n h a t t e n . Mit d e r N o t w e n d i g k e i t , u n t e r allen U m s t ä n d e n Geld f ü r A l e x a n d e r zu b e s c h a f f e n , w a r e n solche Verh a l t e n s w e i s e n w o h l allein n i c h t zu m o t i v i e r e n . B e t r u g a u c h d e r S ö l d n e r in Ä g y p t e n u m d a s i h n e n Z u s t e h e n d e (Ps. A r i s t o t e l e s Oec. 1353 b 1—7) m a g d a r ü b e r h i n a u s a n g e s i c h t s allgemeiner S p a n n u n g e n im H a u p t q u a r t i e r als lästig empf u n d e n w o r d e n sein. E i n e n T a d e l h a t t e K l e o m e n e s z u m i n d e s t v e r d i e n t ; w e n n A r r i a n diesen m i t A l e x a n d e r s F o r d e r u n g n a c h d e m B a u v o n zwei H e i l i g t ü m e r n v e r b i n d e t , so w ä r e m ö g l i c h , d a ß b e i d e Teile d e s B r i e f e s auf e i n e n historis c h e n K e r n z u r ü c k g e h e n : L e t z t e r e s als S ü h n e h i n z u s t e l l e n s c h e i n t freilich ein a b s u r d e r G e d a n k e n g a n g , es sei d e n n , m a n w e r t e t in d e r T a t die Stelle als Z e i c h e n geistigen V e r f a l l s A l e x a n d e r s (in ä h n l i c h e m Z u s a m m e n h a n g so H a m i l t o n 1953, S. 157). A r r i a n m a g den Brief i n d e r v o r l i e g e n d e n F o r m in einer d e r s p ä t e r e n f i k t i v e n B e a r b e i t u n g e n v o r g e f u n d e n h a b e n (vgl. d a z u P e a r s o n 1955, S. 449, d e r die B e d e u t u n g d e r v o r l i e g e n d e n V e r s i o n g e r a d e f ü r P t o l e m a i o s betont). E i n e Absetzung des Kleomenes durch Alexander s c h e i n t i n d e s n i c h t g e p l a n t gewesen zu sein. Seine U n t e r o r d n u n g u n t e r d e n bei d e r R e i c h s t e i l u n g auf Ä g y p t e n o f f e n k u n d i g g l e i c h s a m begierigen P t o l e m a i o s k a n n freilich v o n v o r n h e r e i n v o n d i e s e m n u r als P r o v i s o r i u m b e a b s i c h t i g t gew e s e n sein, stellte d e r e i n h e i m i s c h e Grieche m i t seinen Verb i n d u n g e n d o c h eine s t ä n d i g e B e d r o h u n g des l a n d f r e m d e n D i a d o c h e n m i t s e i n e m a n f a n g s zweifellos k l e i n e n A n h a n g d a r . W i e w e i t die in d e n H ä n d e n des vnctQxog b e f i n d l i c h e n 8 0 0 0 T a l e n t e (Diod. 18,14,1) e i n e n V o r w a n d z u r B e s e i t i g u n g b o t e n , ist u n k l a r : H ä t t e es sich n u r u m die offiziellen Geld e r g e h a n d e l t , so w ä r e die T a t s a c h e vielleicht n i c h t eigens b e t o n t w o r d e n . So liegt n a h e , es m ü s s e sich u m ein A n a l o g o n zu H a r p a l o s h a n d e l n , d a s m a n möglicherweise e r s t k o n s t r u i e r t e . D e r Z e i t p u n k t d e r B e s e i t i g u n g ist u n b e k a n n t ; i m G e g e n s a t z z u r s p ä t e r e n D a t i e r u n g m ö c h t e ich a n n e h m e n , P t o l e m a i o s m ü s s e d a r a n gelegen h a b e n , sich a n g e s i c h t s zu e r w a r t e n d e r S c h w i e r i g k e i t e n f r ü h zu b e f r e i e n , w o b e i die e n t s p r e c h e n d e A k t i o n o b e n d r e i n a n g e t a n w a r , i h m bei G r i e c h e n , H ä n d l e r n wie S ö l d n e r n , u n d E i n h e i m i s c h e n , bes o n d e r s d e r P r i e s t e r s c h a f t , S y m p a t h i e zu v e r s c h a f f e n . E r -

Erläuterungen

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w ä h n t e r L e u c h t t u r m wurde erst von Ptolemaios I I . erbaut. 96 Aristobul F G H 139, fr. 58; Material bei Mederer S. 130ff. Zu 7,24,1 vgl. Dio. Cass. 75,3,1 ff. (Septimius Severus). 96' N a c h Diod. 17,116,3—4 n a h m Alexander ein B a d , vgl. dazu auch P l u t . AI. 73,5. E d d y S. 45; 110 weist m i t R e c h t darauf hin, d a ß die Variationen selbst dieses Berichtes (Der U n b e k a n n t e auf dem Thron, Die Ablegung königlicher Gewänder, D a s Anlegen des Diadems durch den F r e m d e n ) im wesentlichen auf orientalische E l e m e n t e zurückgehen u n d wohl bereits die zeitgenössische babylonische D e u t u n g der Ereignisse widerspiegeln; dies gilt selbst f ü r den in diesem Z u s a m m e n h a n g in die Darstellung der Ereignisse gebrachten Sarapis, gleichgültig, ob m a n I d e n t i t ä t m i t dem von Arrian 7,26,2 annehmen will oder nicht. D a ß der Stoff von den Zeitgenossen schnell ü b e r n o m m e n u n d in seinen Bestandteilen verwoben wurde, liegt nahe. S. dazu bes. Seibert, Alexander, S. 173 f. Eingehende P r ü f u n g des Materials bei Mederer S. 120ff. 97 Die Überlieferung bringt das letzte Gelage mit einer E i n l a d u n g des Medeios in V e r b i n d u n g ; zu Medeios von Larissa s. Berve, Alexanderreich I I nr. 521. Offensichtlich gehörte er zu den Gefährten der U m g e b u n g (vgl. Diod. 17,117,1; Ps. Kall. 1,14,5), denen Alexander sich erst nach einer langen Reihe allgemeiner oder persönlicher E n t t ä u schungen anschloß. Dies wie die Tatsache, d a ß Medeios nicht Makedone war, m a g das Bild seiner Schmeichlerrolle mit bedingt h a b e n (s. bes. P l u t . Mor. 65 C; dazu AI. 75,5). 98 Vgl. dazu F G H 117, K o m m e n t a r bei J a c o b y I l d 403ff., dazu P l u t . AI. 76—77, vgl. auch Berve, Alexanderreich I 5 0 f f . ; H a m i l t o n , P l u t a r c h Alexander, S. 59; 210; Seibert, Alexander, S. 5f. Zu O r t s a n g a b e n s . Schachermeyr, Alexander in Babylon, S. 65 ff. Überblick über die Diskussion s. zuletzt bei H a u b e n 1976, S. 94f. Die Tatsache, d a ß

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Der Alexanderzug

Nachrichten n u r aus den letzten Tagen Alexanders aus dem J o u r n a l auf u n s g e k o m m e n sind, g a b zu Z w e i f e l n a n E x i s t e n z u n d Ü b e r l i e f e r u n g eines a u t h e n t i s c h e n Originals A n l a ß . So n i m m t z. B . S a m u e l ( H i s t o r i a 14, 1965, l f f . ) b a b y lonische Q u e l l e n als G r u n d l a g e f ü r e i n e n h i e r b e n u t z t e n B e r i c h t ü b e r A l e x a n d e r s l e t z t e T a g e a n ; B o s w o r t h 1971, b e s . S. 118, d a z u F H S. 3 f f . , f ü h r t die E r s t e l l u n g v o n E p h e m e r i d e n auf d e n K r e i s d e r M ö r d e r z u r ü c k , die sich auf solche W e i s e ein Alibi zu v e r s c h a f f e n s u c h t e n . E i n T a g e buch des königlichen H o f e s m i t E i n t r a g u n g e n n a c h der A r t d e r h i e r v o r l i e g e n d e n w i r d a n z u n e h m e n sein, w o b e i n i c h t n u r a l t o r i e n t a l i s c h e o d e r p e r s i s c h e T r a d i t i o n zu v e r m u t e n ist (vgl. d a z u P e a r s o n 1955, b e s . S. 4 3 4 ; E . P o s n e r , A r c h i v e s i n t h e A n c i e n t W o r l d , C a m b r i d g e Mass. 1972, 126f.): F ü r den Fall, Arrian h a t E n t s p r e c h e n d e s einsehen k ö n n e n , b l e i b t i n d e s die F r a g e , o b er die originale F o r m o d e r b e r e i t s eine B e a r b e i t u n g b e n u t z t e , die n u r A u s z ü g e b r a c h t e ; die u n g e f ä h r e Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t P l u t a r c h b e s a g t wenig. V e r w e n d u n g d e s E p h e m e r i d e n t e x t e s d u r c h P t o l e m a i o s w ä r e m ö g l i c h : E i n e r solchen V e r s i o n als V o r l a g e A r r i a n s w i d e r s p r ä c h e n i c h t e i n m a l d a s . . . ov IIÖQOCO . . . 7,26,3; z u m P r o b l e m s. i m m e r n o c h W i l c k e n 1894, vgl. d a z u bes. R E V 2749 ( K a e r s t ) ; P f i s t e r 1961, S. 3 0 f . L e i t e r d e r königlichen K a n z l e i w a r E u m e n e s : So w ä r e a u c h d e n k b a r , d a ß er n o c h v o r seiner B e s t a l l u n g als S a t r a p eine K o p i e a n sich b r a c h t e , die s p ä t e r d u r c h H i e r o n y m u s a n die Ö f f e n t l i c h k e i t kam. 99 S t ä r k e u n d Z u s a m m e n s e t z u n g d e r A r m e e f ü r d e n A r a b i e n z u g s i n d n i c h t ü b e r l i e f e r t . D o c h w e i s t d a s nogeiag ( n i c h t oTgarsiag) d e r Stelle d a r a u f h i n , d a ß m a n die m i l i t ä r i s c h e n S c h w i e r i g k e i t e n n i c h t f ü r a l l z u g r o ß hielt. D e r A n teil o r i e n t a l i s c h e r V e r b ä n d e m a c h t d a s U n t e r n e h m e n i n d e s z u r B e w ä h r u n g s p r o b e f ü r d e n n e u e n , n i c h t ausschließlich auf m a k e d o n i s c h e n K r ä f t e n a u f g e b a u t e n H e e r e s a p parat. 100

Vgl. P l u t . 76,8.

101 P l u t a r c h k e n n t n u r P e i t h o n ( B e r v e , A l e x a n d e r r e i c h I I n r . 621) u n d Seleukos, A r r i a n e r w ä h n t P e r s ö n l i c h k e i t e n

Erläuterungen

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von zweitrangiger Bedeutung. Bei Demophon wird es sich um den Diod. 17,98,3 und Curt. 9,4 erwähnten Seher handeln, Kleomenes wird sonst nicht erwähnt, Menidas muß der kurz zuvor eingetroffene Hetaire sein. Attalos, falls es sich um den Phalanxkommandeur handelt (Berve a. a. O. nr. 181), ist Schwager des Perdikkas. 102 Übersicht über das Problem bei Hamilton, Plutarch Alexander, S. 212, vgl. dazu Vidman, bes. S. 18ff.; Schachermeyr, Alexander in Babylon, S. 25ff., dazu zuletzt Hutzel S. 282. Klarheit ist nicht zu gewinnen, Annahme auch einer bereits in der Antike falsch verstandenen Synkrisis von Ammon und Bel-Hammün führt zu nichts. Die ältere Vermutung, es müsse sich um eine Gleichsetzung des ägyptischen Gottes mit dem babylonischen Marduk handeln, so daß die Stelle sich leicht als Dokumentation ptolemäischer Religionspolitik deuten ließe (vgl. dazu Wilcken, UPZ S. 82, Pfister 1956, S. 16 [ = 1976, S. 312]), wurde von Welles 1962, S. 271 ff. durch die mit Zeugnissen erhärtete Ansicht zu widerlegen gesucht, Alexander müsse den Gott bereits in Ägypten kennengelernt und nach Babylon mitgenommen haben, wo er die Rolle eines Orakelgottes spielte. Fraglich bleibt in der Tat, welche Bedeutung Marduk 323 noch vor Errichtung seines Tempels in Babylon als Orakel gehabt haben konnte, scheint doch auch das Kultbild um diese Zeit noch keineswegs zurückgeführt worden zu sein. Dagegen nehmen F . Altheim und R . Stiehl, Die Araber in der Alten Welt I I , Berlin 1965, 9ff. (vgl. dazu auch R . Stiehl, H R 1964, 21ff.), ausgehend von einer in Hyrkanien gefundenen Inschrift des 3. J h . (Bull. Epigr. 1964, 529), östlichen Ursprung für die hier erwähnte Gottheit an (vgl. auch Plut. AI. 73,9). Bosworth 1971, S. 120 schließt auf eine Gleichsetzung von Osarapis und Marduk; auf eine spätere Veränderung des Textes angesichts besonderer Interessen alexandrinischer Leserschaft führt die Stelle P . M. Fräser, Opuscula Atheniensia 7, 1967, 23 ff. zurück. 102' Die Diskussion um das . . . OV TIOQQW . . . läßt verschiedene Interpretationen zu (vgl. Anm. 98). Deutet J a coby F G H I l d 507 die Formel als Hinweis auf den Schluß der die Vorlage Arrians darstellenden Werke („. . . nicht

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Der Alexanderzug

viel d a r ü b e r h i n a u s . . ."), so b e t o n t E . S c h w a r t z , R E I I 917, d e n h e r v o r g e h o b e n e n s a c h l i c h e n U n t e r s c h i e d („. . . n i c h t viel a n d e r s . . ."), vgl. d a z u K a e r s t 1897, a u c h P e a r son, 1955, b e s . S. 438, B o s w o r t h 1971, S. 117 u n d die d e u t s c h e n Ü b e r s e t z u n g e n (Cleß S. 128; Capelle S. 399); i h n e n s c h l i e ß t sich n a c h P r ü f u n g d e r Belegstellen (vgl. d a z u L i d d e l l - S c o t t , A G r e e k - E n g l i s h L e x i c o n S. 1532) v o r l i e g e n d e Ü b e r s e t z u n g a n . K l a r e E n t s c h e i d u n g ist u n m ö g l i c h ; i n d e s s c h e i n e n die K o n s e q u e n z e n a u s d e n G e g e n s ä t z e n v o n geringer Tragweite. 103 S. d a z u M e d e r e r S. 155ff., D i o d . 17,117,4; 18,1,4; C u r t . 10,5,5; J u s t . 12,15,6; P s . K a l l . 3,33,26. D a g e g e n freilich s c h e i n t d a s m e d i z i n i s c h n ü c h t e r n e Bild d e r E p h e m e r i d e n zu s p r e c h e n , d a s L e g e n d e n f r a g l i c h m a c h t . Eine R e i h e v o n Quellen e r w ä h n t die Ü b e r g a b e des Siegelringes a n P e r d i k k a s (vgl. d a z u M e d e r e r S. 157); die R o l l e d e s P e r d i k k a s in d e n u n m i t t e l b a r d a r a u f b e g i n n e n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g e n l ä ß t H i s t o r i z i t ä t dieses E r e i g n i s s e s v e r muten. 1 0 3 ' Z u d e n E r m o r d u n g s l e g e n d e n s. M e d e r e r S. 170 f f . ; H a m i l t o n , P l u t a r c h A l e x a n d e r , S. 2 1 3 f f . ; B o s w o r t h 1971, S. 114; H u t z e l S . 2 8 7 ; vgl. bes. D i o d . 17, 1 1 7 , 7 - 8 ; C u r t . 10,10,14—19. A n g e s i c h t s d e s b i s h e r E r r e i c h t e n , d e r n o c h i m m e r n i c h t g e s i c h e r t e n Z u k u n f t d e s W e l t r e i c h e s wie a u c h d e r e i n z e l n e r B e t r o f f e n e r , u n d d a z u g e h ö r t e n alle v o r u n d n a c h A l e x a n d e r s T o d A g i e r e n d e n , s c h e i n t eine O p p o s i t i o n m i t d e m Ziel e i n e r B e s e i t i g u n g A l e x a n d e r s f r a g l i c h , o b w o h l die L ö s u n g d e r d a m i t v e r b u n d e n e n F r a g e n i m K r e i s e d e r n ä c h s t e n U m g e b u n g d a n n a u f f a l l e n d schnell v o r sich g e h t . B r a u c h b a r e H i n w e i s e f e h l e n d e n n a u c h auf eine e r r e i c h t e S t u f e in e i n e r E n t w i c k l u n g z u m P a t h o l o g i s c h e n , die in d e r E r m o r d u n g A l e x a n d e r s allein n o c h e i n e n A u s w e g a u s d e r sich a n b a h n e n d e n K a t a s t r o p h e f ü r alle s e h e n ließ (vgl. d a z u freilich B a d i a n 1961; B o s w o r t h 1971). So ließe sich die Verg i f t u n g A l e x a n d e r s sehr w o h l als P r o p a g a n d a b e g r e i f e n , d e r sich n e b e n O l y m p i a s (vgl. D i o d . 19,11,6; P l u t . AI. 77) a u c h P e r d i k k a s u n d sein K r e i s b e d i e n t e n . I n d e n D i a d o c h e n k r i e g e n s p ä t e s t e n s m u ß die A u s r o t t u n g d e r A r g e a d e n f a m i l i e

Erläuterungen

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zwangsläufig d a n n auch die andere Seite zu Versuchen einer R e c h t f e r t i g u n g aus der Vergangenheit g e f ü h r t haben, indem m a n d e n Mord als B e f r e i u n g s t a t in A n s p r u c h n a h m : F ü r K a s s a n d e r scheint in diesem Z u s a m m e n h a n g bezeichnend die Verbindung von A n t i p a t r o s m i t einem Aristoteles als O b j e k t e n königlichen Hasses (vgl. dazu Seibert, Alexander, S. 72). E r s t e s Zeugnis f ü r Vergiftung bringt Onesikritos ( F G H 134; f r . 37); n a c h P l u t . Mor. 849 F e r w ä h n t e bereits H y p e r e i d e s die E r m o r d u n g durch A n t i p a t r o s . 104 Vgl. dazu Ps. Kall. 3,32; E p . Mett. 101, von Späteren noch Zonaras 4,14. Zur Selbstentrückung Alexanders vgl. Weinstock S. 356. 105 Zu Unterschieden in der Darstellung des Krankheitsverlaufes in den E p h e m e r i d e n s. J a c o b y a. a. O. N i m m t m a n die Angaben P l u t . AI. 76,9 ernst, würde dies nach Ber e c h n u n g Samuels, Ptolemaic Chronology, München 1962, 46ff., auf den 10. oder 11. J u n i 323 als Todestag schließen lassen. Alexanders G e b u r t würde d e m n a c h in den Oktober 356 fallen. Die möglichen natürlichen Todesursachen lassen sich k a u m e r m i t t e l n ; es m a g hier vieles zusammenk o m m e n . Neben lange J a h r e a n d a u e r n d e r physischer Ü b e r a n s t r e n g u n g u n d k a u m je ganz ausgeheilten Verw u n d u n g e n äußerer wie innerer Organe, zuletzt in der Mallerstadt, stehen die Folgen eines sich m i t den J a h r e n offensichtlich steigernden Alkoholgenusses (vgl. d a z u P . D. Metz, Gicht? 2 , S t u t t g a r t 1972, 6, der offensichtlich chronische H e p a t i t i s als Voraussetzung eines körperlichen Verfalls a n n i m m t , s. bes. S. 256). Auf typhoides Fieber schließt F . Destaing, L a Presse Medicale 53, 1970, 2391ff., auf Malaria G. Venzmer, K r a n k h e i t , Macht, Geschichte, S t u t t g a r t 1960, 34ff., ähnlich D. Kerner, Hessisches Ärzteb l a t t 26,1965, 556 ff. u n d : Forschung, Praxis, F o r t s c h r i t t 29, 1967, 581 ff. Schachermeyr, Alexander in B a b y l o n S. 69 n i m m t Malaria an, die in Leukämie überging u n d d a m i t schnell tödlich wurde. S. dazu Bertoletti S. 332, der geistige D e f o r m a t i o n Alexanders als Folge verschiedener K o p f verletzungen v e r m u t e t . Material bei Seibert, Alexander, S. 174. Goukowsky Diodore 276.

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Der Alexanderzug

106 Zusammenstellung eines Qualitätenkataloges, der zeitgenössische Anregungen aufnimmt und dabei Elemente auch des gängigen Kataloges allgemeiner Herrscher- und Heerführerqualitäten verwendet (vgl. etwa Dio Cass. 44,38, 6 zu Caesar; 73,15,1 zu Septimius Severus), letztlich aber von Arrian stammt. Bezeichnend für die Quellenbenutzung wird das Aristobulzitat 7,29,4 ( F G H 139, fr. 62) sein. Zu den Beurteilungskategorien vgl. bes. Theopomp F G H 115, fr. 10; 106; heranzuziehen für spätere Deutung wäre die Einleitung der Alexanderbiographie Plutarchs, dazu Dio v. P r . 2 , 7 8 ; 4,81. 1 0 6 ' Zu Alexanders Körperbau zusammenfassend M. Bieber passim, bes. Einleitung; Schwarzenberg bes. S. 109. Zu Lysipp vgl. bes. Berve, Alexanderreich I I nr. 4 8 2 ; Alexanders Lieblingsmaler war Apelles. 107 Vgl. dazu Berve, Alexanderreich I 85ff., Liste der offiziellen religiösen Handlungen auch bei Kornemann S. 220ff. Die Auffassung eigener Göttlichkeit steht dazu in keinem Widerspruch, vgl. dazu bes. Edmunds S. 368ff. Zur Enthaltsamkeit Alexanders s. bes. Plut. AI. 22. 108 Dies wohl Züge des vorwiegend ptolemäischen Alexanderbildes. 109 Vgl. dazu 4,8 die Argumentation Arrians zur Kleitosaffäre. 110

Vgl. dazu 3,3,1.

111 Zur persischen Gardetruppe s. 3,16,1. Alexander muß früh deren R e s t e als selbständige Einheit in die eigene Armee eingegliedert haben. Zum Hoftitel der ofiorißoi s. Atkinson Curtius 128; K i e n a s t , Philipp S. 2 5 9 ; für den vorliegenden Fall scheint sich Arrian auf die in das Agema eingetretenen Mitglieder des persischen Adels zu beziehen. 112 Aristobuls Auseinandersetzung bezieht sich auf eine bei Entstehung seines Werkes bereits entwickelte zeit-

Erläuterungen

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genössische Tradition, in der Alexanders Gelage als Sympt o m der Haltlosigkeit wie auch als Todesursache ihren festen Platz hatten (vgl. dazu Diod. 17,117,1; J u s t . 12,13,7; Ephippos F G H 126, fr. 1, s. auch P l u t . AI. 2 3 ; Mor. 337). Beisammensein solcher A r t war indes für Alexander der einzige Weg, in persönlicher Isolation die notwendigen menschlichen K o n t a k t e aufrechtzuerhalten: Wieweit denn auch in diesem Zusammenhang äußere Ursachen und innere Veranlagung die verhängnisvolle Entwicklung mitbedingten, ist schwer zu erkennen. Zur makedonischen Wurzel der Gelagefreudigkeit s. R . A. Tomlinson, Ancient Macedonia I 1970, 308 ff. 113 Auf eine politische Wertung Alexanders verzichtet Arrian, wie auch besondere, einer bestimmten Philosophenechule zuzuweisende Züge an seinem Alexanderbild fehlen. E s könnte sein, daß sich der Epiktetschüler von derartigen Spekulationen und Deutungen längst gelöst und dafür das Suchen nach der R e a l i t ä t in ihrem pragmatischen Zusammenhang zur Grundlage seines Interesses an Alexander gemacht hatte. Dies mußte ihn wohl zu Ptolemaios führen und könnte eigenem Naturell wie eigenen Erfahrungen am meisten entsprochen haben. Zur Auswertung dieses Alexanderbildes zur Gestaltung eines brauchbaren Herrscherideals für die eigene Zeit vgl. Heuß 1954 passim; G. Wirth, StudClas 16, 1974, 1 6 9 f f . ; F H 182ff

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