Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie: Eine rechtsdogmatische Untersuchung der Art. 249 Abs. 3 EGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV [1 ed.] 9783428525553, 9783428125555

Kai Heinrich Prokopf nimmt die nach nunmehr einem halben Jahrhundert immer noch bestehende Unsicherheit im Umgang mit ge

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Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie: Eine rechtsdogmatische Untersuchung der Art. 249 Abs. 3 EGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV [1 ed.]
 9783428525553, 9783428125555

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Schriften zum Europäischen Recht Band 128

Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie Eine rechtsdogmatische Untersuchung der Art. 249 Abs. 3 EGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV

Von Kai Heinrich Prokopf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KAI HEINRICH PROKOPF

Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 128

Das gemeinschaftsrechtliche Rechtsinstrument der Richtlinie Eine rechtsdogmatische Untersuchung der Art. 249 Abs. 3 EGV und Art. 161 Abs. 3 EAGV

Von Kai Heinrich Prokopf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2006/2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-12555-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2006 abgeschlossen und im Wintersemester 2006/2007 von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der PhilippsUniversität Marburg als Dissertation angenommen. Nach Abschluß der Arbeit erschienene neuere Auflagen der zitierten Literatur wurden weitestmöglich berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Gilbert Gornig, der, nach dem leider viel zu frühen Tode von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Blumenwitz, die Betreuung meines laufenden Promotionsvorhabens mit großer Selbstverständlichkeit übernahm und mir die gewünschte wissenschaftliche Freiheit bei der Anfertigung meiner Dissertationsschrift gewährte. In Dankbarkeit verbunden bin ich Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Blumenwitz, der mich zu meinem Promotionsvorhaben ermutigte und ohne dessen Unterstützung die vorliegende Arbeit überhaupt nicht entstanden wäre. Frau Prof. Dr. Monika Böhm gebührt mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht unerwähnt bleiben darf Prof Dr. Karl Albrecht Schachtschneider, der maßgeblich meinen akademischen Werdegang sowie wesentliche Teile dieser Arbeit beeinflußte und dessen der Wissenschaft verpflichtetes Wirken mir stets Vorbild und Ansporn war. Für die Aufnahme in diese Schriftenreihe danke ich Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera, Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Herrn Prof. Dr. Matthias Niedobitek und Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Sommermann. Dank gebührt zudem Herrn Dr. Thomas C. W. Beyer MdL für zahlreiche Diskussionen und wertvolle Anregungen. Ein herzliches Dankeschön geht auch an meinen langjährigen Studienkollegen StB Dr. Lothar Lammersen, M.A. (USA), für seine kritische Durchsicht dieser Arbeit. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern, Ellen und Edgar Prokopf, die mir meine Ausbildung ermöglichten und mich stets in jeglicher Hinsicht unterstützten. Ihnen gilt hierfür mein ganz besonderer Dank. Frankfurt am Main, im Mai 2007

Kai Heinrich Prokopf

Inhaltsübersicht Einleitung ..................................................................................................................

1

Erster Teil:

Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie......................................

9

Zweiter Teil:

Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Erlaß von Richtlinien .................................................................................................

26

Dritter Teil:

Verbindlichkeit und Regelungsintensität der Richtlinie .................

51

Vierter Teil:

Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung von Richtlinien.............................................................................................

86

Sperrwirkung der Richtlinie für die nationalen Rechtsetzungsorgane.................................................................................................

110

Sechster Teil:

Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts .................

120

SiebenterTeil:

Rechtliche Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien.......................................................................................

168

Fünfter Teil:

Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick................................................. 251 Literaturverzeichnis...................................................................................................

261

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen .............................................

295

Sachworverzeichnis...................................................................................................

305

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Einführung in die Problemstellung ...................................................................

1

II. Gang der Untersuchung ....................................................................................

6

Erster Teil Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie I. Einführung in die Rechtsnatur der Richtlinie ...................................................

9

II. Die „Empfehlung“ des EGKSV als Vorläuferin der Richtlinie der Römischen Verträge.............................................................................................................

10

III. Adressaten der Richtlinie..................................................................................

13

IV. Formvorschriften für Richtlinien ......................................................................

17

1. Äußere Gestaltung der Richtlinien ...............................................................

17

2. Begründungs- und Bezugnahmepflicht für Richtlinien................................

18

3. Veröffentlichung, Bekanntgabe und Inkrafttreten von Richtlinien...............

19

V. Abgrenzung der Richtlinie von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft..........

20

1. Bedeutung der Abgrenzung..........................................................................

20

2. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber der Verordnung................................

22

3. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber der Entscheidung .............................

23

4. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber Empfehlungen und Stellungnahmen...

24

Zweiter Teil Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Erlaß von Richtlinien I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien.....................................................

26

1. Prinzip der begrenzten Ermächtigung ..........................................................

26

XII

Inhaltsverzeichnis 2. Unmittelbare Ermächtigungen aus den Verträgen ........................................

29

a) Bestimmte Ermächtigungen.....................................................................

29

aa) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Verordnungen ......

29

bb) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Entscheidungen....

31

cc) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien ...........

32

dd) Ermächtigungen zum Erlaß mehrerer bestimmter Rechtsinstrumente ................................................................................................

33

b) Unbestimmte Ermächtigungen.................................................................

34

c) Art. 211 Spstr. 4 EGV und Art. 308 EGV als Kompetenzgrundlagen zum Erlaß von Richtlinien ...............................................................................

37

aa) Durchführungsbefugnisse der Kommission nach Art. 211 Spstr. 4 EGV...................................................................................................

38

bb) Lückenschließungskompetenz des Art. 308 EGV .............................

39

3. Ermächtigungen aufgrund des ungeschriebenen Gemeinschaftsrechts, insbesondere der „implied powers“-Lehre........................................................

44

II. Verfahren zum Erlaß von Richtlinien ...............................................................

45

1. Erlaß von Richtlinien durch den Rat oder durch den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam ..........................................................................

46

a) Anhörungsverfahren ................................................................................

46

b) Verfahren der Zusammenarbeit gemäß Art. 252 EGV .............................

48

c) Verfahren der Mitentscheidung gemäß Art. 251 EGV .............................

48

2. Erlaß von Richtlinien durch die Kommission ..............................................

49

a) Originäre Rechtsetzungsbefugnisse der Kommission..............................

49

b) Delegierte Rechtsetzungsbefugnisse........................................................

50

Dritter Teil Verbindlichkeit und Regelungsintensität der Richtlinie I. Einführung in die Problemstellung ...................................................................

51

II. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ........................................

52

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie .......................................................

54

1. Das Ausmaß der Verbindlichkeit des Richtlinieninhaltes im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten zugebilligte Wahlfreiheit der Form und der Mittel ....

56

a) Durchgehende oder teilweise Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts? ....

57

Inhaltsverzeichnis

XIII

b) Abgrenzung von „Ziel“ einerseits sowie von „Form“ und „Mittel“ andererseits ..................................................................................................

59

c) „Richtlinien-Ergebnisse“ als verbindliches Ziel ......................................

63

d) Zwischenergebnis und Schlußfolgerung ..................................................

65

2. Zulässige Regelungsintensität der Richtlinie ...............................................

66

a) Beschränkung der zulässigen Regelungsintensität durch die Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV ...............................................................

67

aa) Sinn und Zweck der Legaldefinition der Richtlinie...........................

67

bb) Begriff „Ziel“.....................................................................................

69

cc) Begriff „Richtlinie“ ...........................................................................

70

b) Systematische Überlegungen zur zulässigen Regelungsintensität ...........

72

c) Schranken aus dem historischen Willen der Vertragsschöpfer.................

72

d) Schonung der nationalen Parlamente als verfassungsrechtliche Schranke .............................................................................................................

74

e) Europäisches Gewohnheitsrecht .............................................................

76

f) Vergleich zur Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG..........

76

aa) Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung des Bundes gemäß Art. 75 GG .........................................................................................

77

bb) Verwertbarkeit der Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung für die gemeinschaftsrechtliche Richtliniengebung...........................

79

3. Rechtsfolgen im Falle der Mißachtung der zulässigen Regelungsintensität von Richtlinien...................................................................................................

83

IV. Ergebnis ............................................................................................................

84

Vierter Teil Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht..............................

86

1. Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts ..........................................................

86

2. Die Begriff „unmittelbare Geltung“, „unmittelbare Anwendbarkeit“ und „unmittelbare Wirkung“ von Gemeinschaftsrecht ...........................................

88

3. Unmittelbare Geltung und unmittelbare Anwendbarkeit im Hinblick auf Richtlinien....................................................................................................

90

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren ..............................................................

94

1. Richtlinie als staatengerichteter und ausführungsbedürftiger Rechtsakt......

94

XIV

Inhaltsverzeichnis 2. Umsetzung von Richtlinien ..........................................................................

96

a) Rechtsgrundlage der Umsetzungspflicht .................................................

96

b) Rechtsnatur des zur Ausführung einer Richtlinie erlassenen Rechts .......

97

c) Zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtete innerstaatliche Stellen ........

98

d) Form des innerstaatlichen Umsetzungsakts .............................................

101

aa) Allgemeine Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die nationalen Umsetzungsvorschriften ..............................................................

102

bb) Geeignetheit der verschiedenen Umsetzungsmaßnahmen im einzelnen .....................................................................................................

104

cc) Innerstaatliche Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien ...

109

Fünfter Teil Sperrwirkung der Richtlinie für die nationalen Rechtsetzungsorgane I. Begriff der „Sperrwirkung“ ..............................................................................

110

II. Rechtsfolgen bei Verletzung der Sperrwirkung von Richtlinien.......................

112

III. Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung..........................................................

117

Sechster Teil Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts I. Begriff der „richtlinienkonformen Auslegung“ ................................................

120

II. Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung........

122

1. Gemeinschaftsrechtliches Gebot der richtlinienkonformen Auslegung ....

122

2. Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts .......

126

3. Ergebnis .......................................................................................................

128

III. Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung ..............................

129

1. Richtlinienkonforme Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts........................

129

2. Richtlinienkonforme Auslegung kraft nationalen Rechts.............................

130

IV. Zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtete innerstaatliche Organe......

133

V. Die richtlinienkonforme Auslegung als Vorzugsregel....................................... 134 VI. Beginn der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ..................................

137

1. Richtlinienkonforme Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts........................

137

2. Richtlinienkonforme Auslegung kraft nationalen Rechts.............................

140

Inhaltsverzeichnis

XV

VII. Die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung ...........................................

141

VIII. Verhältnis von richtlinien- und verfassungskonformer Auslegung...................

146

IX. Sonderprobleme überschießender Richtlinienumsetzung – Quasi-richtlinienkonforme Auslegung.........................................................................................

148

1. Einführung in die Problematik .....................................................................

148

2. Gebot der einheitlichen Auslegung nationalen Rechts – Quasi-richtlinienkonforme Auslegung überschießenden Rechts.............................................

153

a) Kein gemeinschaftsrechtliches Gebot der einheitlichen Auslegung ........

154

b) Nationales Gebot der einheitlichen Auslegung ........................................

157

3. Vorabentscheidungsverfahren des Art. 234 EGV .........................................

162

a) Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens......................................

162

b) Vorlagepflicht letztinstanzlicher nationaler Gerichte nach Art. 234 Abs. 3 EGV..............................................................................................

167

Siebenter Teil Rechtliche Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien I. Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat .................................

168

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien als neu geschaffene Sanktionskategorie ............................................................................................................ 170 1. Einführung in die Problematik .....................................................................

170

2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien .............................................................................................

175

a) Unmittelbare Wirkung des primären Gemeinschaftsrechts......................

175

b) Unmittelbare Wirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Richtlinien.................................................................................. 177 3. Allgemeine Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien.....

182

a) Keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie..................................

184

b) Inhaltliche Unbedingtheit der Richtlinienbestimmung ............................

185

c) Hinreichende Genauigkeit der Richtlinienbestimmung ...........................

187

4. Tragweite der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien......................

188

a) Relevante Fallkonstellationen für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien .......................................................................................................... 188 b) Unmittelbare vertikale Wirkung von Richtlinien.....................................

189

XVI

Inhaltsverzeichnis c) Unmittelbare horizontale Wirkung von Richtlinien.................................

190

d) Richtlinien mit Doppelwirkungen............................................................

192

e) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien im Verhältnis zwischen zwei mitgliedstaatlichen Stellen ............................................................................

194

5. Zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien verpflichtete innerstaatliche Stellen ....................................................................................................

195

6. Anwendung unmittelbar wirkender Richtlinienbestimmungen ex officio ...

197

7. Direktwirkung von Richtlinien als Ergänzung des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 f. EGV.......................................................................

200

8. Verhältnis der Direktwirkung von Richtlinien zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts .................................................................

201

9. Zulässigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ...........................................................

202

a) Argumente für und gegen die Direktwirkung von Richtlinienbestimmungen ...........................................................................................................

203

aa) Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV.....................................................

203

(1) Konzeption der Richtlinie als zweistufiger Rechtsetzungsakt ....

203

(2) Mitgliedstaaten als alleinige Adressaten der Richtlinie ..............

205

(3) Einschränkung des den Mitgliedstaaten verbleibenden Durchführungsermessens......................................................................

206

(4) Umkehrschluß aus Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV .............................

206

bb) Vertragliche Unterscheidung zwischen Richtlinien und Verordnungen .....................................................................................................

207

cc) Prinzip der begrenzten Ermächtigung ...............................................

209

dd) Vertragsverletzungsverfahren der Art. 226 f. EGV als vertraglich vorgesehene Sanktion unzureichender Richtlinienumsetzung...........

210

ee) Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV ............................

210

ff) Sicherstellung der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) der Richtlinien..................................................................................................

211

gg) Förderung der Rechtseinheit innerhalb der Gemeinschaft.................

213

hh) Integrationsfördernde Wirkung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien.................................................................................................. 214 ii) Verbot des venire contra factum proprium ........................................

215

jj) Fehlendes Veröffentlichungsgebot für Richtlinien ............................

218

kk) Gebot der Rechtssicherheit................................................................

219

ll) Europäisches Gewohnheitsrecht........................................................

219

Inhaltsverzeichnis

XVII

b) Auslegung im engeren Sinne, richterliche Rechtsfortbildung oder Rechtsschöpfung?............................................................................................... 220 aa) Auslegung im engeren Sinne .............................................................

220

bb) Richterliche Rechtsfortbildung..........................................................

221

cc) Rechtsschöpfung................................................................................

223

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als weitere neu geschaffene Sanktionskategorie............................................................................................

225

1. Einführung in die Grundlagen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs...................................................................................................... 225 2. Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs .....

228

3. Auslegung im engeren Sinne, richterliche Rechtsfortbildung oder Rechtsschöpfung? ...................................................................................................

233

a) Auslegung im engeren Sinne ...................................................................

234

b) Richterliche Rechtsfortbildung ................................................................

236

c) Rechtsschöpfung......................................................................................

238

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen ...................

239

1. Gegenstand und Problematik der sog. Emmott’schen Fristenhemmung ......

239

2. Relativierung der Emmott’schen Fristenhemmung durch Folgeentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs........................................................

246

3. Grundsätzlich keine Durchbrechung nationaler Verfahrensvorschriften durch das Gemeinschaftsrecht................................................................................

247

Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick I. Zusammenfassung ............................................................................................

251

II. Gesamtbewertung .............................................................................................

255

III. Ausblick............................................................................................................

259

Literaturverzeichnis................................................................................................. 261 Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen ........................................ 2.95 Sachwortverzeichnis................................................................................................. 305

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

ABl.

Amtsblatt (der Europäischen Gemeinschaft)

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

Alt.

Alternative

a. N.

alte Nummerierung (vor dem Amsterdamer Vertrag)

Anl.

Anlage

Anm.

Anmerkung

Anm. d. Verf.

Anmerkung des Verfassers

AnwBl.

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

ARSP

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (Zeitschrift)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

AWD

Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (Zeitschrift)

Az.

Aktenzeichen

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Amtliche Sammlung)

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

bearb.

bearbeitet

ber.

berichtigt

Beschl.

Beschluß

BFH

Bundesfinanzhof

Abkürzungsverzeichnis

XIX

BFHE

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung)

BFH/NV

Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Nicht amtlich veröffentlichte Sammlung)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Amtliche Sammlung)

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung)

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

Bonner Komm.

Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Bonner Kommentar)

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

Bull.

Bulletin

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung)

BVerfGG

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung)

bzw.

beziehungsweise

CMLR

Common Market Law Review (Zeitschrift)

Co.

Compagnie

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe(n)

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStjG

Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e.V.

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DVBl.

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

XX

Abkürzungsverzeichnis

DWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

DZWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift)

EAG

Europäische Atomgemeinschaft

EAGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EFG

Entscheidungen der Finanzgerichte

EG

Europäische Gemeinschaft

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGKSV

Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Einl.

Einleitung

ELR

European Law Review (Zeitschrift)

Erl.

Erläuterung

erw.

erweiterte

EStG

Einkommensteuergesetz

et al.

et alii

EU

Europäische Union

EuG

Gericht erster Instanz

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

EuR

Europarecht (Zeitschrift)

EUV

Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EWGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FG

Finanzgericht

Abkürzungsverzeichnis

XXI

Fn.

Fußnote(n)

FS

Festschrift

GA

Generalanwalt

geänd.

geändert

GG

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

gl. A.

gleicher Ansicht

GMBl.

Gemeinsames Ministerialblatt

GO

Geschäftsordnung

GS

Gedächtnisschrift

Hervorh. d. Verf.

Hervorhebung des Verfassers

Hervorh. im Orig.

Hervorhebung im Original

HGB

Handelsgesetzbuch

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

Hs.

Halbsatz

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

HWiG

Haustürwiderrufsgesetz

i. d. F.

in der Fassung

i. d. R.

in der Regel

i. d. S.

in diesem Sinne

i. E.

im Ergebnis

i. e. S.

im engeren Sinne

insb.

insbesondere

i. S.

im Sinne

i. S. d.

im Sinne des, im Sinne der

IStR

Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)

i. S. v.

im Sinne von

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JIR

Jahrbuch des Internationalen Rechts

XXII

Abkürzungsverzeichnis

JöR

Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KEU

Kommentar zur Europäischen Union

krit.

kritisch

KSE

Kölner Schriften zum Europarecht

KStG

Körperschaftsteuergesetz

l. c.

loco citato

lit.

litera

m. a. W.

mit anderen Worten

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

m. E.

meines Erachtens

m. H.

mit Hinweisen

Mitarb.

Mitarbeit

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

m. N.

mit Nachweisen

m. w. H.

mit weiteren Hinweisen

Nachdr.

Nachdruck

neubearb.

neubearbeitete

n. F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

n. N.

neue Nummerierung (nach dem Amsterdamer Vertrag)

Nr.

Nummer

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

ÖJZ

Österreichische Juristen-Zeitung

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

OVGE

Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen und für die Länder Niedersachen und

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes RabelsZ

Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

Rev.

Revision

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

RL

Richtlinie

Rn.

Randnummer(n)

Rs.

Rechtssache(n)

Rz.

Randziffer(n), Randzeichen

S.

Seite(n), Satz, Sätze

sc.

scilicet

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Amtliche Sammlung)

sog.

sogenannte, sogenannter, sogenannten

Spstr.

Spiegelstrich

StGB

Strafgesetzbuch

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StudZR

Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg

StVj

Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift)

TA Luft

Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

u.

und

u.a.

und andere

UAbs.

Unterabsatz

überarb.

überarbeitete

Überbl

Überblick

UmwG

Umwandlungsgesetz

Univ.

Universität

unveränd.

unveränderte(r)

UR

Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift)

u. s. w.

und so weiter

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

u. U.

unter Umständen

v.

von, vom, vor

verb.

verbundene(n)

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

Vol.

Volume

Vorbem.

Vorbemerkung

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

Wahlper.

Wahlperiode

WiVerw

Wirtschaftsverwaltung (Zeitschrift)

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

WRV

Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung)

WVÜ

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

z. B.

zum Beispiel

ZEuP

Zeitschrift für Europäisches Privatrecht

ZfZ

Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

zit.

zitiert

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

zust.

zustimmend

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung I. Einführung in Problemstellung Mit Abschluß des EAGV und des EWGV am 25. März 1957 in Rom1 wurde die Richtlinie2 (Art. 249 Abs. 3 EGV3, Art. 161 Abs. 3 EAGV)4 als Rechtsin_____________ 1 Diese Verträge werden aufgrund ihrer Unterzeichnung in Rom auch als „Römische Verträge“ bezeichnet. Vgl. etwa C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1697); R. Riegel, Allgemeine Auslegungsgrundsätze und Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, BayVBl. 1974, S. 33 (33); auch Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 1 Rz. 21. 2 Obgleich der EGKSV den Begriff der „Richtlinie“ nicht kennt, können auch von der Hohen Behörde der EGKS Richtlinien erlassen werden, wie z. B. die Richtlinie für die Einreichung von Darlehensanträgen nach Art. 54 Abs. 1 EGKSV, ABl. 1961, S. 715. Diese Richtlinien stellen jedoch nach D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 2, Fn. 2, „Richtlinien im untechnischen Sinne“ dar; sie stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem in dieser Untersuchung behandelten Rechtsinstrument der Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV, Art. 161 Abs. 3 EAGV. 3 Durch den am 07.02.1992 unterzeichneten Vertrag von Maastricht (ABl. 1992 Nr. C 191/1) wurde aufgrund einer Reihe institutioneller Änderungen aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Europäische Gemeinschaft und damit einhergehend aus dem EWGV vom 25.03.1957 (BGBl. II Nr. 23 v. 19.08.1957, 766 ff., ber. in BGBl. II Nr. 35 v. 05.11.1957, 1678 ff. u. BGBl. II Nr. 3 v. 05.02.1958, 64) der EGV, der nunmehr durch den Vertrag von Amsterdam vom 02.10.1997 (BGBl. II 1998, 387 ff., ber. BGBl. II 1999, 416) entsprechend dessen Art. 12 umnumeriert wurde (vgl. Übereinstimmungstabelle, BGBl. II 1998, 419 ff.). Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit wird im folgenden – abgesehen von wörtlichen Zitaten – grundsätzlich ausschließlich die neue Numerierung verwendet. Ist hingegen die jeweilige Vertragsfassung für die zitierte Norm im Rahmen der vorliegenden Untersuchung von Bedeutung, wird der EWGV zitiert und hinsichtlich des EGV wird sodann expressis verbis zwischen der alten Numerierung und der neuen Numerierung unterschieden. 4 Da der EGV und der EAGV in weiten für die vorliegende Untersuchung relevanten Bereichen identische Regelungen enthalten, wird im folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die explizite Erwähnung der dem EGV entsprechenden Normen im EAGV – soweit nicht ausdrücklich auf beide Verträge bezug genommen wird – verzichtet, sofern sich daraus für das Ergebnis der Untersuchung keine Änderungen ergeben; die Ausführungen gelten daher für den EAGV mutatis mutandis. Wenngleich der Gerichtshof seit dem Vertrag von Amsterdam die Vorschriften des EGV nur noch mit der Angabe „EG“ anstelle von „EGV“ zitiert, um alte und neue Nu-

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Einleitung

strument des Europäischen Gemeinschaftsrechts ins Leben gerufen. 5 Sie verkörpert nach Hans Peter Ipsen „eine neuartige Kunstschöpfung des Gemeinschaftsrechts“6 und stellt „ein dem Gemeinschaftsrecht typisches, nationalen Handlungstypen nicht entsprechendes Instrument dar“7. Daher vermag es angesichts der Neuartigkeit des Rechtsinstruments der Richtlinie kaum zu verwundern, daß sie in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Römischen Verträge am 01. Januar 1958 nur sehr geringe Anwendung fand, wie sich eindrucksvoll an der Zahl der anfangs von der EWG erlassenen Richtlinien zeigt:8 So wurde 1958 keine Richtlinie erlassen, 1959 lediglich eine, 1960 zwei und 1961 erneut nur eine.9 Im Laufe der Jahre änderte sich dieses Bild aber und die Zahl der verabschiedeten Richtlinien stieg nahezu unaufhörlich, 10 so daß es sicherlich nicht verfehlt ist, „die Richtlinie (als) [Anm. d. Verf.] das zur Zeit wichtigste Instrument der Rechtsetzung der Gemeinschaft“11 zu bezeichnen. Da Richtlinien, um _____________ merierung unterscheiden zu können, wird dem in der vorliegenden Untersuchung nicht gefolgt, zumal sich diese Zitierweise auch im Schrifttum nur teilweise durchgesetzt hat. 5 Sowohl der EGV als auch der EAGV kennen die gemeinschaftliche Handlungsform der Richtlinie, die in beiden Verträgen identisch geregelt ist; der EGKSV kennt das Rechtsinstrument der Richtlinie hingegen nicht. Siehe dazu näher 1. Teil, II., S. 10 ff. 6 H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (69). 7 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 455. 8 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 12 f.; i. d. S. auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (62); H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (68, Fn. 5). 9 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 12 f., der einen Überblick über die bis zum 31.12.1966 ergangenen EWG-Richtlinien gibt und auf das eindrucksvolle Verhältnis der mehr als 800 EWG-Verordnungen zu den 60 erlassenen EWG-Richtlinien innerhalb jenes Zeitraums verweist. 10 Vgl. C. D. Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, S. 83 (83); M. Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, 1999, S. 12; M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 1; siehe dazu auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (1), der ausführt, daß „von den vielen Tausend der bisher erlassenen Richtlinien … schätzungsweise noch weit über 1000 eine aktuelle Bedeutung“ hätten „und fast jede Woche … neue Richtlinien hinzu(kämen)“; ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); U. Everling, Brauchen wir „Solange III“?, EuR 1990, S. 195 (212), spricht von „weit über tausend Richtlinien zur Rechtsangleichung“; siehe dazu auch K. Winkel, Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen der Praxis, ZG 1997, S. 113 (115). 11 M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (1); ebenso W. Blomeyer, Europäischer Gerichtshof und deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit im judiziellen Dialog, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 37 (40); ganz so V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1852); nicht ganz so weit geht U. Everling, Zur Aus-

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Wirkungen entfalten zu können, der Umsetzung in nationales Recht bedürfen, 12 werden sie auch für letzteres immer bedeutsamer. 13 Schon heute sind große Teile des deutschen Rechts auf Richtlinien zurückzuführen 14 und es ist zu erwarten, daß die Richtlinie im Zuge einer immer weiter fortschreitenden Rechtsangleichung – in absehbarer Zeit – keinesfalls an Bedeutung verlieren wird.15 _____________ legung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (376), wenn er die „Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft … als wichtigstes Instrument der Rechtsangleichung“ bezeichnet. 12 Dazu 4. Teil, II., S. 94 ff. 13 Vgl. etwa V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1849); ebenso A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1990, S. 1108 (1108); auch U. Everling, Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, NVwZ 1993, S. 209 (209); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (890). 14 Siehe hierzu W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (754); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (1); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); D. Ehlers, Die Einwirkung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (605); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1850); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955); siehe für den Bereich des Steuerrechts W. Meilicke, Zur Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung für das deutsche Steuerrecht, BB 1992, S. 969 (969); vgl. auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 5; W. Birkenfeld Verwaltungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht und Gemeinschaftsrecht, UR 1993, S. 271 (271); sehr deutlich äußert sich M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (2), zum Einfluß der Richtlinie auf das nationale Recht: „Ohne Zweifel führen diese (sc. die Richtlinien) [Anm. d. Verf.] zu den weitreichendsten Änderungen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten“; i. d. S. auch E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (378), der bereits im Jahre 1965 erkannte, „daß die Richtliniengebung der europäischen Gemeinschaften umwälzende Veränderungen des innerstaatlichen Rechts auslösen“ werde; dazu auch M. Bangemann, Vorwort, in: Brückner/ Przyklenk: Europa transparent 1991, S. (1991), S. 5, der − wiewohl bezogen auf das gesamte Gemeinschaftsrecht − darauf hinweist, „daß fast jedes zweite deutsche Gesetz seinen Ursprung in Brüssel“ habe; ebenso K. Stern, Wohin geht die Reise?, in: Die politische Meinung, Heft 335, 1997, S. 53 (57): „Das EG-Recht bestimmt mittlerweile mehr als die Hälfte des geltenden Rechts in Deutschland.“ Erinnert sei an dieser Stelle auch an die vielfach zitierte Prognose des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Delors im Europäischen Parlament am 4. Juli 1988, wonach im Jahre 1998 80% des Wirtschafts- und gegebenenfalls Steuer- und Sozialrechts gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs sein würden (vgl. Bull. der EG 1988, Nr. 7/8, S. 124). 15 Vgl. U. Schliesky, Die Vorwirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, DVBl. 2003, S. 631 (641), der die Prognose wagt, daß die Richtlinie Wissenschaft und Praxis noch lange beschäftigen werde.

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Einleitung

Entsprechend der anfänglich geringen praktischen Bedeutung der Richtlinie stand diese für lange Zeit im Schatten wissenschaftlicher Diskussion,16 trat aber, einhergehend mit der wachsenden Zahl verabschiedeter Richtlinien, aus diesem heraus und zählt mittlerweile zu den meistdiskutierten Problemen des Europarechts.17 Doch trotz der langjährigen, sehr lebhaften Diskussion über die Wirkungen von Richtlinien sind sie „bis heute weitgehend umstritten geblieben“18, und es besteht infolgedessen eine nicht übersehbare Unsicherheit im Umgang mit ihnen.19 Antonio D´Atena brachte diese Tatsache im Jahre 1986 auf den Punkt: „Es mag wie ein Paradoxon anmuten, aber trotz mehr als 25 Jahren theoretischer Reflexion über die EG-Richtlinie scheint das Nichtvorhandensein gesicherter Erkenntnisse die einzig gesicherte Erkenntnis zu sein. Innerhalb der Problematik der EGRichtlinien gibt es keinen Brennpunkt, der nicht die Juristen weit voneinander trennte.“20

_____________ 16 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, Einleitung; R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. XXII; dazu auch E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, 378 (378), der bereits im Jahre 1965 feststellte, „daß die Richtlinie bisher nur wenig durch Rechtsprechung und Schrifttum behandelt worden“ sei, daraus aber nicht geschlossen werden könne, „daß der Richtlinie eine geringere Bedeutung zukomm(e) als der Verordnung und Entscheidung“. 17

Vgl. etwa E. Steindorff, EG-Richtlinien und Illusionen, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1455 (1455): „Kaum ein Gebiet des Gemeinschaftsrechts hat darüber hinaus so viel Beachtung gefunden, wie die Richtlinien und ihre effektive Durchsetzung.“ Ebenso G. C. Rodríguez Iglesias/K. Riechenberg, Zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts (Ein Ersatz für die fehlende horizontale Wirkung?), in: FS für U. Everling, 1995, Bd. 2, S. 1213 (1213), die darauf hinweisen, daß „das Verhältnis von Richtlinien und nationalem Recht … seit etwa zehn Jahren im Mittelpunkt wissenschaftlicher Erörterungen zum Europarecht“ stehe; dazu auch 7. Teil, II. 1., S. 173, insb. Fn. 27. 18 W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 4; so auch M. Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, 1999, S. 11 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, Einleitung; R. Weymüller, Der Anwendungsvorrang von EG-Richtlinien − Eine Diskussion ohne Ende?, RIW 1991, S. 501 (501 f.), führt aus, daß „bei näherer Betrachtung der bisher vertretenen Auffassungen … die Schlußfolgerung nicht übertrieben sein (dürfte), daß hinsichtlich der Wirkung von Richtlinienbestimmungen nahezu alle denkbaren Meinungen vertreten worden“ seien; deutlich hinsichtlich der Richtlinienverbindlichkeit auch R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1974, S. XXII m. w. N., wonach „das bisherige Schrifttum … ein Bild der Verwirrung und Ratlosigkeit (biete), wie allgemein auch offen zugegeben“ werde; dazu auch 7. Teil, II. 1., S. 174, insb. Fn. 35. 19

Vgl. dazu etwa A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1990, S. 1108 (1108); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955). 20 A. D’Atena, Zur Problematik der EG-Richtlinien, 1986, S. 3; i. d. S. auch U. Probst, Zur unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, UR 1990, S. 302 (302).

I. Einführung in Problemstellung

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Die Berechtigung dieser Aussage hat nach nunmehr zwei Jahrzehnten trotz weiterer umfänglicher Rechtsprechung und Literatur in keinerlei Hinsicht an Gültigkeit verloren.21 Dementsprechend werden Richtlinien – nach einer möglicherweise in sämtlichen Mitgliedstaten erfolgenden Ratifizierung des Vertrags über eine Verfassung für Europa dann in Gestalt des Europäischen Rahmengesetzes22 – auch in Zukunft in beträchtlichem Umfang Gegenstand der Rechtsprechung sein. Aber auch die Wissenschaft ist aufgerufen, an der Klärung der Probleme im Zusammenhang mit der Richtlinie mitzuwirken und ihr zu einer dogmatisch tragfähigen Konzeption zu verhelfen. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Im Hinblick auf die zahlreichen Monographien, welche sich – ausschließlich oder zumindest vorwiegend – in den frühen Jahren mit der Richtlinie in toto 23 und später mit ausgewählten Problembereichen im Zusammenhang mit Richtlinien24 befassen, kann _____________ 21 Vgl. hierzu nur den Titel des Aufsatzes von M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (1). 22 In Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 3 des Vertrags über eine Verfassung für Europa tritt im Rahmen der Rechtsakte der Union an die Stelle der Richtlinie das Europäische Rahmengesetz, dessen Legaldefinition, ungeachtet von Abweichungen im Wortlaut, inhaltlich mit derjenigen der Richtlinie in Art. 249 Abs. 3 EGV, 161 Abs. 3 EAGV übereinstimmt. 23 Vgl. etwa D. Oldekop, Die Richtlinien der EWG, 1968; R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie − Verbindlichkeit, Ausführung und Rechtsschutz, 1973; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977; A. D’Atena, Zur Problematik der EG-Richtlinien, 1986; M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994.

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Vgl. etwa – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zur mitgliedstaatlichen Umsetzung von Richtlinien M. Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, 1999; zur richtlinienkonformen Auslegung W. Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung. − Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der EG-Richtlinie, 1994; A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994; M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001; M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG. – Dargestellt am Beispiel der überschießenden Richtlinienumsetzung, 2005; zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989; H. Galetke, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im Rahmen der Drittanfechtung, 1994; A. Zahradnik, Privatrechtsverhältnisse und EU-Recht, 1995; S. Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltschutzes, 1999; zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch F. Schockwieler, Die Haftung der Mitgliedstaaten bei vertragswidrigem Verhalten, 1993; A. Carsten, Die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für die Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, 1995; C. Albers, Die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für die Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, 1995; M. Cornils, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaf-

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Einleitung

allerdings in der vorliegenden Abhandlung, um deren Umfang nicht zu sprengen, eine intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen vertretenen Auffassungen nicht erfolgen, vielmehr soll ein verläßlicher Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Diskussion gegeben werden. Dabei soll versucht werden, die gemeinschaftsrechtliche Handlungsform der Richtlinie und die mit ihr zusammenhängenden zahlreichen Probleme möglichst umfassend und ausgewogen anhand der bisher veröffentlichten Rechtsprechung und Literatur darzustellen, kritisch zu würdigen, und, soweit als möglich, eigene Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

II. Gang der Untersuchung Die Vorgehensweise der vorliegenden Untersuchung zur Richtlinie im Europäischen Gemeinschaftsrecht stellt sich wie folgt dar: Zunächst soll im ersten Teil ein Überblick über das Wesen der Richtlinie gegeben werden, welcher als Grundlage für das Verständnis der weiteren Untersuchungen dient. Dabei wird nach einer kurzen Betrachtung der geschichtlichen Entstehung der Richtlinie auf ihre Rechtsgrundlagen im Europäischen Gemeinschaftsrecht sowie die Adressaten der Richtlinie eingegangen. Daran schließt sich eine Darstellung der Formvorschriften an, denen die Richtlinien nach den Gemeinschaftsverträgen unterliegen. Der erste Teil schließt mit einer Abgrenzung der Richtlinie von den anderen Rechtsakten der Gemeinschaft. Die gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigungen zum Erlaß der Richtlinie sowie das Verfahren des Richtlinienerlasses sind Gegenstand des zweiten Teils. Im Vordergrund der Betrachtung stehen dabei das Prinzip der begrenzten Er_____________ tungsanspruch. − Rechtsnatur und Legitimität eines richterrechtlichen Haftungsinstituts, 1995; M. Zenner, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für die Anwendung europarechtswidriger Rechtsnormen, 1995; J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995; Ch. Henrichs, Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verletzung von Gemeinschaftsrecht, 1995; U. Diehr, Der Staatshaftungsanspruch des Bürgers wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die öffentliche Gewalt, 1997; Th. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht. – Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der Staatshaftungsdoktrin des EuGH, 1997; S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht: ein Rückblick fünf Jahre nach Ergehen des Francovich-Urteils, 1997; J. W. Hidien, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der EU-Mitgliedstaaten, 1999; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien. – Von der unmittelbaren Wirkung bis zum Schadensersatzanspruch, 1999; K. Lembach, Grundlagen und Ausgestaltung gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung, 2003; H. Bertelmann, Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, 2005.

II. Gang der Untersuchung

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mächtigung und dessen Auswirkungen auf die einzelnen Kompetenzgrundlagen zum Erlaß von Gemeinschaftsrechtsakten, insbesondere von Richtlinien. Ein kurzer Überblick über die verschiedenen Verfahren zum Erlaß von Richtlinien beschließt den zweiten Teil. Der dritte Teil befaßt sich mit der Verbindlichkeit und Regelungsintensität der Richtlinie. Nach einem Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs wird zunächst das Ausmaß der Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts einer genaueren Untersuchung unterzogen. Die weiteren Überlegungen befassen sich dann mit der zulässigen Regelungsdichte der Richtlinien. In diesem Zusammenhang wird auch der Frage nachgegangen, ob bzw. inwieweit sich aus den Grundsätzen der deutschen Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG, wie sie maßgeblich vom Bundesverfassungsgericht entwickelt wurden, Erkenntnisse für die gemeinschaftsrechtliche Richtliniengebung gewinnen lassen. Abschließend werden die Rechtsfolgen dargestellt, die eine Mißachtung der zulässigen Regelungsintensität nach sich zieht. Im Rahmen des vierten Teils wird nach einer kurzen Erörterung des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht auf das zweistufige Rechtsetzungsverfahren der Richtlinie eingegangen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Problematik der ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien. Der fünfte Teil befaßt sich mit der Sperrwirkung von Richtlinien, den sich aus ihrer Verletzung ergebenden Rechtsfolgen sowie dem Zeitpunkt ihres Eintritts. Dem schließt sich im sechsten Teil eine eingehende Untersuchung der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts an. Dabei wird nach einer Betrachtung der Rechtsgrundlagen und des Anwendungsbereichs der richtlinienkonformen Auslegung auf die Problematik eingegangen, welchen innerstaatlichen Organen überhaupt eine derartige Verpflichtung obliegt. Nach einer Beantwortung der Frage, ob der richtlinienkonformen Auslegung Vorrang vor den anderen Auslegungsmethoden einzuräumen ist, werden sodann der Zeitpunkt, ab dem eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts besteht, sowie die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung erörtert. Dem folgt eine Klärung des Verhältnisses von richtlinienkonformer und verfassungskonformer Auslegung, bevor schließlich untersucht wird, ob das nationale Recht im Falle einer überschießenden Richtlinienumsetzung zwingend einheitlich auszulegen ist. Damit einhergehend wird schlußendlich der Fragestellung nachgegangen, ob die nationalen Gerichte im Bereich überschießend umgesetzten nationalen Rechts zum Zwecke einer quasi-richtlinienkonformen

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Einleitung

Auslegung zur Vorlage nach Art. 234 EGV berechtigt und gegebenenfalls sogar verpflichtet sind. Der siebente Teil befaßt sich schließlich mit den Rechtswirkungen der Richtlinien bei nicht ordnungsgemäßer Umsetzung. Einen Schwerpunkt bildet hier, nach einer kurzen Betrachtung des Vertragsverletzungsverfahrens, die Direktwirkung von Richtlinien. Dabei werden zunächst die allgemeinen Voraussetzungen und die Tragweite der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen betrachtet. Im Anschluß daran wird der Fragestellung nachgegangen, welche innerstaatlichen Stellen zur Anwendung unmittelbar wirksamer Richtlinienbestimmungen verpflichtet sind und ob diese Verpflichtung von Amts wegen oder nur auf Antrag besteht. Nach einer Klärung des Verhältnisses der Direktwirkung von Richtlinien zum Vertragsverletzungsverfahren und zur richtlinienkonformen Auslegung wird die Zulässigkeit der Judikatur des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien eingehend erörtert. Im weiteren wird die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch im Falle nicht ordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung in ihren Grundzügen dargestellt und auf ihre Zulässigkeit hin untersucht. Schlußendlich wird der Fragestellung nachgegangen, ob der Gerichtshof durch die sog. Emmott’sche Fristenhemmung – neben der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen und dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch – eine dritte Sanktionskategorie im Falle nicht ordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung geschaffen hat. Den Abschluß der vorliegenden Abhandlung bildet eine Zusammenfassung der gewonnenen Ergebnisse, gefolgt von einer kurzen Gesamtbewertung und einem ebensolchen Ausblick.

Erster Teil

Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie I. Einführung in die Rechtsnatur der Richtlinie Die Römischen Verträge enthalten in Art. 249 Abs. 2 bis 5 EGV und Art. 161 Abs. 2 bis 5 EAGV wortgleiche Bestimmungen über die Rechtsakte, welche die jeweils bezeichneten Organe „zur Durchführung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe dieses Vertrags erlassen“ (Art. 249 Abs. 1 EGV, Art. 161 Abs. 1 EAGV) dürfen.1 Danach stellen Richtlinien2 neben Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen sekundäres Gemeinschaftsrecht3 _____________ 1 Die Aufzählung der Rechtsakte in Art. 249 EGV ist nicht abschließend. Vgl. etwa U. Everling, Die ersten Rechtsetzungsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaften, BB 1959, S. 52 (53); ders., Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und Vereinbarungen des Rates oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 133 (134); H. von Meibom, Die Rechtsetzung durch die Organe der Europäischen Gemeinschaften, BB 1959, S. 127 (128); H.-W. Rengeling, Europäische Normgebung und ihre Umsetzung in nationales Recht, DVBl. 1995, S. 945 (947); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (393); E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/ Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 18; G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 14 ff.; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 30 ff.; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 1, 71, 74, 104; M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 1, 129 ff.; H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 3; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 1; M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (17); siehe ausführlich H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 47 ff. 2 Der Begriff „Richtlinien“ mag zwar an die internen Maßnahmen der Verwaltungsbehörden, wie sie aus dem deutschen Recht bekannt sind, erinnern, hat aber mit diesen nichts zu tun. Vgl. etwa F. Quack, in: C. Creifelds, Rechtswörterbuch, 2004, Stichwort: „Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft“, S. 1112; M. Zuleeg, Rechtswirkungen europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (468); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 3. 3 Im europäischen Gemeinschaftsrecht wird zwischen primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht unterschieden. Das „Primärrecht“ umfaßt die Gemeinschaftsverträge

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

dar.4 Eine Legaldefinition der Richtlinie enthält Art. 249 Abs. 3 EGV, die wie folgt lautet: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“

Wie bereits der Wortlaut deutlich zeigt, wird die Richtlinie zunächst an die Mitgliedstaaten gerichtet, welche diese dann unter Beachtung des verbindlich zu erreichenden Zieles in nationales Recht umzusetzen haben, wobei ihnen aber ein Gestaltungsspielraum bezüglich der Form- und der Mittelwahl eingeräumt wird. Die Richtlinie ist somit durch ein Zusammenwirken des Gemeinschaftsrechts mit dem nationalen Recht in Form eines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens gekennzeichnet.5

II. Die „Empfehlung“ des EGKSV als Vorläuferin der Richtlinie der Römischen Verträge In den Römischen Verträgen wurde erstmals der Begriff „Richtlinie“ für ein Rechtsinstrument des europäischen Gemeinschaftsrechts verwendet (Art. 249 Abs. 1 und 3 EGV, 161 Abs. 1 und 3 EAGV).6 Allerdings enthielt bereits der am 18. April 1951 geschlossene EGKSV7 eine der Richtlinie in ihrer materiel_____________ einschließlich aller dazu gehörenden Anlagen, Anhänge, Protokolle (Art. 84 EGKSV, Art. 311 EGV und Art. 207 EAGV) sowie deren nachträgliche Änderungen bzw. Ergänzungen, während man unter dem „Sekundärrecht“ das gesamte organgeschaffene Recht der Gemeinschaft auf Grundlage der Verträge versteht; vgl. dazu etwa E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 16; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 11 ff., 60 ff.; L.-J. Constantinesco, Die Eigentümlichkeiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, JuS 1965, S. 289 (290 ff.); E. Spetzler, Die Kollision des Europäischen Gemeinschaftsrechts mit nationalem Recht und deren Lösung, RIW 1990, S. 286 (286); D. Ehlers, DVBl. 1991, S. 605 (605 ff.); C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1698 f.); G. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (325). 4 Vgl. R. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 2, der hinsichtlich der fünf in Art. 249 EGV aufgezählten Rechtsakte vom sog. „Quintett der Römischen Verträge“ spricht. 5 Siehe hierzu ausführlich 4. Teil, II., S. 94 ff. 6 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 2; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 11. 7 Der EGKSV wird auch als „Pariser Vertrag“ oder als „Montanvertrag“ bezeichnet. Vgl. dazu M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 39.

II. Die „Empfehlung“ des EGKSV als Vorläuferin der Richtlinie

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len Ausgestaltung vergleichbare gemeinschaftsrechtliche Handlungsform, nämlich das Rechtsinstrument der „Empfehlung“, welches in Art. 14 Abs. 3 EGKSV wie folgt legal definiert ist: „Die Empfehlungen sind hinsichtlich der von ihnen bestimmten Ziele verbindlich, lassen jedoch denen, an die sie gerichtet sind, die Wahl der für die Erreichung dieser Ziele geeigneten Mittel.“

Diese „Empfehlung“ des EGKSV wird zutreffend als Vorläuferin der Richtlinie angesehen,8 was eine genauere Betrachtung der Empfehlung, ungeachtet dessen, daß am 23. Juli 2002 die nach Art. 97 EGKSV auf fünfzig Jahre beschränkte Geltungsdauer des EGKSV abgelaufen ist, erfordert. Bereits der Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 EGKSV zeigt, daß die Empfehlung des EGKSV der Richtlinie in weiten Bereichen ähnlich ist. So ist sie − wie auch die Richtlinie der Römischen Verträge − nur hinsichtlich des Zieles verbindlich und durch ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren charakterisiert. Doch trotz aller Gemeinsamkeiten unterscheiden sich Richtlinien in einigen Punkten von den Empfehlungen des EGKSV:9 Während die Empfehlungen der Montanunion gemäß Art. 14 Abs. 1 EGKSV lediglich von der Kommission 10 erlassen werden, können die Richtlinien des EAGV sowohl von der Kommission als auch vom Rat und diejenigen des EGV darüber hinaus vom Europäischen Parlament und dem Rat gemeinsam erlassen _____________ 8

Vgl. E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (378); ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWGRichtlinien, 1989, S. 5; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 31; H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (69, Fn. 12); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 11; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 4; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 34; siehe auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 3 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58). 9 Zu den im folgenden Text erörterten Unterschieden zwischen den Empfehlungen des Pariser Vertrags und den Richtlinien der Römischen Verträge siehe ausführlich D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 3; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58); auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 11. 10 Art. 14 Abs. 1 EGKSV spricht zwar noch von der „Hohen Behörde“, die jedoch nach Art. 7 Spstr. 1 EGKSV als „Kommission“ bezeichnet wird; die Bezeichnung im EGKSV erfolgt aber auch nach der Umbenennung der Organe der EGKS durch den EUV nicht einheitlich. Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 34, Fn. 5.

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

werden.11 Weiterhin können nur die Mitgliedstaaten Adressaten einer Richtlinie sein, Empfehlungen des Pariser Vertrags können hingegen auch an Private gerichtet werden, wie z. B. an Unternehmen.12 Letzteres kann einerseits aus der Legaldefinition des Art. 14 Abs. 3 EGKSV geschlossen werden, die keinen Adressaten bestimmt, läßt sich andererseits aber auch aus Vertragsbestimmungen wie Art. 60 § 2 lit. a) Hs. 2 EGKSV („so richtet sie (sc. die Kommission) [Anm. d. Verf.] an dieses Unternehmen die geeigneten Empfehlungen“) entnehmen. Ferner sieht Art. 14 Abs. 3 EGKSV vor, daß dem Adressaten nur die Wahl der geeigneten Mittel überlassen wird, während diesem bei den Richtlinien nach Art. 249 Abs. 3 EGV die Wahl der Form und der Mittel verbleibt. 13 _____________ 11

Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 357, die allerdings übersehen, daß nur bei den EG-Richtlinien das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam zum Erlaß von Rechtsakten ermächtigt werden, nicht hingegen bei den EAGRichtlinien (vgl. dies., l.c., Rn. 355), da lediglich Art. 249 Abs. 1 EGV – damals noch Art. 189 Abs. 1 EWGV – im Rahmen des EUV geändert wurde; siehe auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 3; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 11; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 34; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 129. 12 Vgl. R. Riegel, Allgemeine Auslegungsgrundsätze und Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, BayVBl. 1974, S. 33 (37); E.-W. Fuß, Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, NJW 1964, S. 327 (328); A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (572, Fn. 2); E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 53, 55; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 31; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 34 f.; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (599); Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rz. 562; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 358; E. Wohlfarth, Von der Befugnis der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Rechtsetzung, JIR 9 (1959/60), S. 12 (24); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 3; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 11; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 128, 130. 13 Vgl. B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 105; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 31, 260; R. Riegel, Allgemeine Auslegungsgrundsätze und Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, BayVBl. 1974, S. 33 (37); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 11; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 3; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 34.

III. Adressaten der Richtlinie

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Die andersartige Bezeichnung beider Rechtsinstrumente ist jedoch weniger auf die dargelegten Unterschiede zurückzuführen, als darauf, daß der Begriff der „Empfehlung“ auf die rechtliche Unverbindlichkeit des Rechtsakts hinweist.14 Da die Richtlinie aber − ebenso wie die Empfehlung des Montanvertrags − gerade durch ihre verbindliche Wirkung gekennzeichnet ist,15 nahm man ihr durch die geänderte Bezeichnung den Anschein der Unverbindlichkeit und verwendete im Rahmen der Römischen Verträge terminologisch zutreffend den Begriff der „Empfehlung“ nur noch für einen unverbindlichen Rechtsakt (Art. 249 Abs. 5 EGV).16

III. Adressaten der Richtlinie Der Formulierung „für jeden Mitgliedstaat, an den sie (sc. die Richtlinien) [Anm. d. Verf.] gerichtet werden“ (Art. 249 Abs. 3 EGV) läßt sich entnehmen, daß stets nur die Mitgliedstaaten Adressaten der Richtlinien sind. 17 Richtlinien _____________ 14

Bereits die Bezeichnung „Empfehlung“ für sich betrachtet ist irreführend, da sie auf etwas Unverbindliches hinweist. So auch R. L. Bindschedler, Rechtsfragen der europäischen Einigung, 1954, S. 242 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 4 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (59); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 4; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 35; M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (468); ders., Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 31; E. Wohlfarth, Von der Befugnis der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Rechtsetzung, JIR 9 (1959/60), S. 12 (24, Fn. 31); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 12. Die Verwirrung wird aber noch dadurch verstärkt, daß die „Empfehlung“ ein im Recht der Internationalen Organisationen bekanntes Institut darstellt, das rechtlich nicht verbindlich ist. Vgl. hierzu E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (378); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 4; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (58 f.); H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 217 f.; A. Oldenbourg, l.c., S. 4. 15 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 4; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (59). 16 Siehe A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 5; dazu auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 5 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (59); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 12. 17 Vgl. Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955); A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (573); W. Fuchs/A. Rapsch, Das deutsche Gentechnikrecht im Lichte quantitati-

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

können somit weder an andere Staaten, wie etwa die assoziierten Länder, noch an natürliche oder juristische Personen in den Mitgliedstaaten ergehen.18 Eine – vom Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV nicht erfaßte – Ausnahme bildet der durch den Amsterdamer Vertrag eingefügte Sonderfall einer an die Union gerichteten Richtlinie im Falle der Verweisungstechnik des Art. 286 Abs. 1 EGV; ausnahmsweise verpflichten hier die datenschutzrechtlichen Rechtsakte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Union selbst.19 Nach dem Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV sind sowohl allgemeine Richtlinien als auch individuelle Richtlinien zulässig:20 Während bei ersteren sämtliche Mitgliedstaaten Adressaten sind,21 wenden sich letztere nur an einzelne Mitgliedstaaten.22 Abweichend von dem bisher Gesagten weist Antonios Dendrinos darauf hin, daß aus der Formulierung „überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ (Art. 249 Abs. 3 EGV) zu schließen sei, „daß dem Adressatenkreis der Richtlinie nicht der Mitgliedstaat als solcher, sondern vielmehr alle innerstaatlichen Organe angehören, die im jeweiligen Mitgliedstaat ver-

_____________

ver Vorgaben europarechtlicher Provenienz, DÖV 1991, S. 873 (873); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 67; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (71 f.); L.-J. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 614, 619; G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 37. 18 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 67; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (72); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 20; A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (573). 19 Vgl. M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 132; auch W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 76; zu den sog. gemeinschaftsgerichteten Richtlinien ausführlich A. Haratsch, Verweisungstechnik und gemeinschaftsgerichtete EG-Richtlinie, EuR 2000, S. 42 (42 ff.). 20 Siehe dazu ausführlich G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 189 Rn. 37; vgl. auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 40; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 11 f.; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 13; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 36. 21 Siehe z. B. RL 69/60/EWG v. 18.2.1969, ABl. 1969 Nr. L 48/1; RL 75/362/EWG v. 16.6.1975, ABl. 1975 Nr. L 167/1; RL 89/48/EWG v. 21.12.1988, ABl. 1989 Nr. L 19/16, die an sämtliche Mitgliedstaaten gerichtet wurden. 22 Siehe z. B. RL 68/156/EWG v. 12.3.1968, ABl. 1968 Nr. L 74/6; RL 69/69/EWG v. 11.2.1969, ABl. 1969 Nr. L 52/6; RL 74/647/EWG v. 9.12.1974, ABl. 1974 Nr. L 352/41, die sich jeweils nur an einen Mitgliedstaat richteten, oder RL 63/600/EWG v. 15.10.1963, ABl. 1963, S. 2605, die sich an mehrere Mitgliedstaaten wendete.

III. Adressaten der Richtlinie

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fassungsrechtlich für die Ausführung der Richtlinie zuständig sind (Parlament, Regierung, Verwaltung, Gerichte).“23

Eine derartige Sichtweise läßt sich jedoch darauf zurückführen, daß nicht konsequent zwischen dem formellen Adressaten einer Richtlinie und denjenigen, die der Richtlinienbindung unterliegen, unterschieden wird. So wollte Antonios Dendrinos hier wohl nicht zum Ausdruck bringen, daß Richtlinien formell an die innerstaatlichen Stellen zu adressieren seien, sondern vielmehr, daß die innerstaatlichen Stellen durch die Richtlinien verpflichtet werden. 24 Eine gegenläufige Sichtweise wäre allerdings auch nicht zu halten, da bereits der Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV darauf hinweist, daß Richtlinien an die Mitgliedstaaten zu richten sind. Zudem stünde einer solchen Auffassung entgegen, daß die Gemeinschaftsorgane ihrer Verpflichtung zur Bezeichnung des Adressaten einer Richtlinie dadurch nachkommen, 25 daß sie im letzten Artikel einer Richtlinie26 nicht die innerstaatlichen Stellen, sondern die Mitgliedstaaten als Adressaten bezeichnen. Des weiteren ist es schwerlich vorstellbar, daß die Gemeinschaftsorgane bei Erlaß einer Richtlinie die in den einzelnen Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich jeweils zuständigen innerstaatlichen Stellen ermitteln und als Adressat der Richtlinie benennen, zumal hierbei nationales Recht ausgelegt und angewandt werden müßte; dies steht aber mangels einer vertraglichen Befugnis keinem Organ der Gemeinschaft zu,27 da diese gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGV nur nach Maßgabe der ihnen durch den Vertrag zugewiesenen Befugnisse handeln dürfen.28 Darüber hinaus würde eine unmittelbare Adressierung der Richtlinien an die innerstaatlichen Stellen unzulässigerweise in die _____________ 23 A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 12. 24 Dazu A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 280 ff., der von „der formellen Adressierung der Richtlinie an die Mitgliedstaaten“ (S. 280) spricht und dann ausführt, daß die Richtlinie „eine direkte Organverbindlichkeit für die jeweiligen nationalen Behörden“ (S. 282) entfalte; teils unterscheidet ders., l.c., S. 133, auch explizit zwischen „formellen Adressaten“ und „materiellen Adressaten“. 25 Eine solche Pflicht bejaht zu Recht A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (573); a. A. A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 418, der die Benennung der Adressaten nur als eine nicht zwingend erforderliche „Sollvorschrift“ betrachtet und diesen gegebenenfalls durch Auslegung ermitteln will. 26 Vgl. statt aller Art. 10 der RL 75/117/EWG v. 10.5.1975, ABl. 1975 Nr. L 45/19. 27 So auch W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1989, S. 36, der darauf hinweist, daß die gemeinschaftsrechtliche Prüfung der innerstaatlichen Zuständigkeit ein Eingriff in die innerstaatliche Autonomie sei, für den keine rechtliche Grundlage existiere. 28 Dazu 2. Teil, I. 1., S. 26 ff.

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

mitgliedstaatliche Organisationsgewalt eingreifen.29 Für eine ablehnende Haltung spricht auch, daß aus Sicht der Gemeinschaft der Mitgliedstaat und nicht das innerstaatlich zuständige Organ für die ordnungsgemäße Durchführung der Richtlinie verantwortlich und im Falle eines Rechtsstreits vor dem Gerichtshof die beklagte Partei ist. 30 Schlußendlich ist darauf hinzuweisen, daß aus der Bindung der innerstaatlichen Stellen durch die Richtlinie nicht darauf geschlossen werden kann, daß dann auch die innerstaatlichen Organe und nicht die Mitgliedstaaten Adressaten der Richtlinie seien, da die Adressateneigenschaft die Bindungswirkung der Richtlinie für innerstaatliche Stellen nicht ausschließt.31 Es bleibt daher festzuhalten, daß Richtlinien nicht an ein Organ eines Mitgliedstaats adressiert werden können, sondern stets nur an die Mitgliedstaaten selbst.32 Demzufolge stellen die als „Richtlinien“ bezeichneten Rechtshandlungen der Art. 133 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1, 300 Abs. 1 S. 2 EGV keine Richtlinien i. S. d. Art. 249 Abs. 3 EGV dar, weil hier nicht der Mitgliedstaat, sondern die Kommission Adressat des Rechtsakts ist.33 Aufgrund der allein zwischen Rat und Kom_____________ 29 Vgl. dazu auch U. Everling, Zur Erhebung von Statistiken durch Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, BB 1961, S. 420 (422), der hinsichtlich der VO Nr. 10 v. 25.8.1960, ABl. 1960, S. 1199, kritisiert: „Problematisch erscheint …, daß die Verordnung Nr. 10 nicht die Mitgliedstaaten allgemein als Adressaten ... ansieht, sondern die Statistischen Ämter (als innerstaatliche Stellen) [Anm. d. Verf.] unmittelbar anspricht. Damit wird in einem gewissen Umfang in die Organisationsgewalt der Mitgliedstaaten eingegriffen.“ Gleiches muß um so mehr für die Richtlinie gelten. 30 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 68 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (72). 31 Vgl. dazu M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (470 f.). 32 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 69; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (72); A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 31; ebenso E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (5), der die Organe als „Zurechnungsendpunkte“ des Richtlinienrechts bezeichnet, nicht aber als Adressaten, denn die Richtlinien seien an die Mitgliedstaaten adressierte Rechtsakte; auch R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 108, der den Mitgliedstaat ebenfalls als „formellen Adressaten“ der Richtlinie bezeichnet. 33 Vgl. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 7, Fn. 2; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 14, Fn. 45; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 32, 69; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (72); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 24, Fn. 82; A. D’Atena, Zur Problematik der EG-Richtlinien, 1986, S. 5, Fn. 3; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 126.

IV. Formvorschriften für Richtlinien

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mission entfalteten Rechtswirkungen stellen diese „Richtlinien“ lediglich eine Art interne Verwaltungsanweisung dar.34 Gleiches gilt für die ebenfalls nur an die Kommission gerichteten „Richtlinien“ des Art. 101 UAbs. 2 Hs. 1 EAGV; auch diese sind keine Richtlinien i. S. d. Art. 161 Abs. 3 EAGV.

IV. Formvorschriften für Richtlinien 1. Äußere Gestaltung der Richtlinien Sowohl der EGV als auch der EAGV enthalten − abgesehen von der Unterzeichnungspflicht für im Verfahren nach Art. 251 EGV angenommene Richtlinien durch den Präsidenten des Europäischen Rates und den Präsidenten des Rates (Art. 254 Abs. 1 EGV) − keine Vorschriften über die äußere Gestaltung von Richtlinien.35 _____________ 34

So D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 32; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (72). 35 Vgl. E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189, Rn. 35; ebenso S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (603); dazu auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 21. Derartige Bestimmungen waren für gemeinsam vom Rat und dem Europäischen Parlament erlassene Richtlinien sowie für Richtlinien des Rates in Art. 16 Abs. 1 und Abs. 3 i. V. m. Art. 13 f. der GO des Rates vom 7. Dezember 1993 (ABl. 1993 Nr. L 304/1) kodifiziert; sie stellten jedoch keine wesentlichen Formvorschriften i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV, 146 Abs. 2 EAGV dar (vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 391; ganz i. d. S. auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 83; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (73)), da die Geschäftsordnung nur intern wirkt (vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 21). Dabei ist aber zu beachten, daß Art. 16 Abs. 3 i. V. m. Art. 13 und 14 der GO des Rates auch Regelungen enthält, die über die Anforderungen der äußeren Gestaltung der Richtlinie hinausgehen, wie beispielsweise die mit einem genau vorgeschriebenen Wortlaut beginnende Begründung der Richtlinie gemäß Art. 16 Abs. 3 i. V. m. Art. 13 lit. d) GO des Rates. Demzufolge muß differenziert werden: Die Begründungspflicht als solche gemäß ihrer primärrechtlichen Verankerung in Art. 253 EGV, 162 EAGV ist sehr wohl eine wesentliche Formvorschrift i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV, 146 Abs. 2 EAGV, nicht aber der in der GO des Rates vorgeschriebene einleitende Wortlaut der Begründung. Für von der Kommission erlassene Richtlinien sah die GO der Kommission vom 17. Februar 1993 (ABl. 1993 Nr. L 230/16, geänd. durch Beschl. v. 8.3.1995, ABl. 1995 Nr. L 97/82) keine Regelungen über die äußere Gestaltung der Richtlinien vor; in der Praxis verfuhr jedoch auch diese entsprechend den für den Rat zu beachtenden Vorschriften (vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 22; siehe auch Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 8, der davon spricht, daß „sich in der Gemeinschaftspraxis gewohnheitsmäßig ganz allgemein eine feste äußere Form der

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

2. Begründungs- und Bezugnahmepflicht für Richtlinien Die Richtlinien sind gemäß Art. 253 EGV, 162 EAGV mit Gründen zu versehen und müssen auf die Vorschläge und Stellungnahmen Bezug nehmen, die nach dem jeweiligen Vertrag eingeholt werden müssen. 36 Diese den Gemeinschaftsorganen auferlegten Pflichten stellen wesentliche Formvorschriften i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV, 146 Abs. 2 EAGV dar, 37 deren Verletzung im Falle der Anfechtung der Richtlinie vor dem Gerichtshof zur Nichtigkeit ex tunc gemäß Art. 231 Abs. 1 EGV, 147 Abs. 1 EAGV führen kann. 38 Diese Begründungspflicht ist Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips39 und dient einerseits dazu, daß die Gemeinschaftsorgane zur Offenlegung ihrer Beweggründe für den Erlaß der Richtlinie veranlaßt und dadurch zu einer Art Selbstkontrolle gezwungen werden; andererseits soll sie aber auch die Klagemöglichkeit des von dem Rechtsakt Betroffenen erleichtern und den Gerichtshof bei der Ausübung der Rechtskontrolle unterstützen.40 An diese Begründungspflicht werden jedoch keine _____________ Rechtsakte etabliert“ habe.). Die Geschäftsordnung des Rates vom 22. Juli 2002 (ABl. Nr. L 230/7, ber. ABl. Nr. L 325/52 v. 30.11.2002) enthält abgesehen von der Unterzeichungspflicht nach Art. 15 GO keine Regelungen zur äußeren Form von Richtlinien. 36

Siehe H.-H. Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den europäischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 18 f.; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 190 Rn. 1. 37

Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 21; G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 253 Rn. 1; E. Grabitz, in: Grabitz/ Hilf, KEU, Art. 190 Rn. 1; T. Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im nationalen Recht, 1990, S. 9; dazu ausführlich H.-H. Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den europäischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 19 f., 203 ff. 38

Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 397; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 14; R. Bieber, in: Bieber/ Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 7 Rn. 48; H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 253 Rn. 1; T. Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im nationalen Recht, 1990, S. 112 ff. 39

Vgl. H.-H. Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den europäischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 44 ff.; i. d. S. auch G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 347 f.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 492; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 13; nach T. Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im nationalen Recht, 1990, S. 42, „kann die Begründungspflicht als allgemeines Rechtsprinzip bezeichnet werden, das das Europarecht prägt.“ 40

Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 21; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 1, der von der „Selbstkontrollfunktion“ und von der „Rechtskontrollfunktion“ spricht; dazu auch M. Schweit-

IV. Formvorschriften für Richtlinien

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strengen Anforderungen gestellt. So wird als ausreichend angesehen, wenn die wichtigsten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen dargelegt werden, auf denen die Richtlinie beruht und die zu ihrem Erlaß führten.41

3. Veröffentlichung, Bekanntgabe und Inkrafttreten von Richtlinien Während noch vor Inkrafttreten des EUV die Richtlinien gemäß Art. 191 Abs. 2 EWGV, 163 Abs. 2 EAGV nur an diejenigen Mitgliedstaaten, für die sie bestimmt waren, bekanntgegeben42 werden mußten, um wirksam zu werden, und keiner Veröffentlichung bedurften,43 muß seit Inkrafttreten des EUV zwischen den Richtlinien der EAG und solchen der EG unterschieden werden: _____________ zer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 394; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 493 ff.; R. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, Art. 253 Rn. 1; H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 253 Rn. 2; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (603); G. Le Tallec/C.-D. Ehlermann, Die Begründungspflicht für Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, AWD 1966, S. 149 (151 f.); ebenso EuGH v. 26.3.1987 – Rs. 45/86 (Kommission/Rat), Slg. 1987, 1493 (1519, Rn. 5); EuGH v. 7.2.1990 – Rs. C-213/87 (Gemeentje Amsterdam und VIA/ Kommission), Slg. 1990, I-221 (I-222). Siehe ausführlich zum Zweck der Begründungspflicht H.-H. Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den europäischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 44 ff.; auch T. Müller-Ibold, Die Begründungspflicht im europäischen Gemeinschaftsrecht und im nationalen Recht, 1990, S. 12 ff. 41 Vgl. R. Bieber, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 7 Rn. 48; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 13; i. d. S. auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 13 f.; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 21; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 41b; ders., in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 190 Rn. 4; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (603); G. Le Tallec/C.-D. Ehlermann, Die Begründungspflicht für Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, AWD 1966, S. 149 (152); so bereits EuGH v. 4.7.1963 – Rs. 24/62 (Deutschland/Kommission), Slg. 1963, 141 (146). Ausführlich zu den Anforderungen an die Begründung H.-H. Scheffler, Die Pflicht zur Begründung von Maßnahmen nach den europäischen Gemeinschaftsverträgen, 1974, S. 78 ff. 42 Ein Rechtsakt ist bekanntgegeben, wenn er ordnungsgemäß in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist. Vgl. etwa R. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, Art. 254 Rn. 7; ebenso Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 10; auch S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (603); H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 5 Rn. 88. 43 Vgl. E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 38 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 81; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 73.

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

Für die Richtlinien des EAGV hat sich durch den EUV nichts geändert. Sie sind gemäß Art. 163 Abs. 2 EAGV weiterhin an denjenigen bekanntzugeben, für den sie bestimmt sind, und werden durch diese Bekanntgabe auch wirksam;44 einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Gemeinschaft bedarf es nicht. Bei den Richtlinien des EGV muß aber seit Erlaß des Maastricht-Vertrags genau differenziert werden: Diejenigen Richtlinien, die nach dem Verfahren des Art. 251 EGV erlassen werden, sind gemäß Art. 254 Abs. 1 S. 1 EGV nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments und durch den Präsidenten des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen;45 sie treten gemäß Art. 254 Abs. 1 S. 2 EGV zu dem in der Rechtshandlung festgelegten Zeitpunkt in Kraft, ansonsten am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung. Abgesehen von der Unterzeichnungspflicht enthält Art. 254 Abs. 2 EGV entsprechende Regelungen für die Richtlinien des Rates und der Kommission sowie für diejenigen Richtlinien, die an alle Mitgliedstaaten gerichtet sind. Die anderen Richtlinien sind gemäß Art. 254 Abs. 3 EGV bekanntzugeben und treten mit dieser Bekanntgabe auch in Kraft. 46 Der Rat kann jedoch durch einstimmigen Beschluß nach Art. 18 Abs. 5 Spstr. 1 GO des Rates entscheiden, daß sie zu veröffentlichen sind; die Publikation vermag allerdings die Bekanntgabe nicht zu ersetzen.47

V. Abgrenzung der Richtlinie von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft 1. Bedeutung der Abgrenzung Eine Abgrenzung der Richtlinie von den anderen Rechtsinstrumenten des Europäischen Gemeinschaftsrechts ist aus dreierlei Gründen erforderlich:48 _____________ 44

Vgl. G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 254 Rn. 24; Th. Oppermann, Europarecht, 1. Aufl. 1991, Rz. 568, 570. 45 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 400. 46 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 405. 47 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 401. 48 Vgl. zu der im folgenden erörterten Bedeutung der Abgrenzung der Gemeinschaftsrechtsakte insb. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 192 ff.; siehe auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 121 f.; H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 13 f.; R. Wägenbaur, Ist die Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen nach Artikel 189 EWG-Vertrag hinfällig geworden?, DVBl. 1972, S. 244 (244), der die Unterscheidung zwischen den Rechtsakten sogar zu den „Strukturelementen des Vertrages“ zählt.

V. Abgrenzung der Richtlinie von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft

21

Erstens sind die Gemeinschaftsorgane zur Erfüllung ihrer vertraglich zugewiesenen Aufgaben in der Wahl des Rechtsinstruments, dessen sie sich zu bedienen gedenken, nicht frei, sondern nach dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung an die in den Verträgen vorgeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Handlungsformen gebunden.49 Zweitens müssen die Gemeinschaftsorgane nach Ernst-Werner Fuß beim Erlaß von Rechtsakten das „Prinzip der Formenklarheit und des sachgerechten Formengebrauchs“50 beachten. Dieses ist als Ausfluß des Postulats der Rechtssicherheit geboten und verlangt, daß „die Form bzw. die Bezeichnung eines Gemeinschaftsakts stets seinem materiellen Gehalt entspricht.“51 Drittens ist die Abgrenzung der Rechtsinstrumente notwendig, da der Rechtsschutz der Römischen Verträge für die einzelnen Handlungsformen unterschiedlich ausgestaltet ist. So besteht für natürliche und juristische Personen de lege lata keine Klagemöglichkeit nach Art. 230 EGV, 146 EAGV gegen eine Richtlinie,52 eine solche ist jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 230 Abs. 4 EGV, 146 Abs. 4 EAGV gegen Entscheidungen und Verordnungen gegeben.53 Zudem können Richtlinien nur in toto für nichtig erklärt werden; bei Verordnungen hingegen kann der Gerichtshof, soweit er dies für erforderlich erachtet, diejenigen Wir_____________ 49

Dazu ausführlich 2. Teil, I. 1., S. 26 ff. E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (381); ders., Rechtsschutz gegen deutsche Hoheitsakte zur Ausführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1966 S. 1782 (1785); siehe auch ders., Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, NJW 1964, S. 327 (330), wo er ausführt, daß „für den Erlaß von Organakten das Prinzip des sachgerechten Formengebrauchs“ gelte. 51 E.-W. Fuß, Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, NJW 1964, S. 327 (330). 52 Die wohl h. M. nimmt jedoch eine analoge Anwendung des Art. 230 Abs. 4 EGV im Falle von „Scheinrichtlinien“ an, da es schwer verständlich sei, eine verschleierte Entscheidung zwar überprüfen zu können, falls die Entscheidung als Teil einer Verordnung ergangen sei, demgegenüber aber die Überprüfung im Falle abzulehnen, daß diese Entscheidung in Form einer Richtlinie ergangen ist. Vgl. EuG v. 17.6.1998 – Rs. T-135/96 (UEAPME), Slg. 1998, II-2335 (II-2363 ff., Rn. 62 ff.); EuG v. 27.6.2000 – Rs. T-172/98 u. T-175/98 bis T-177/98 (Salamander/Parlament und Rat), Slg. 2000, II-2487 (II-2503 f., Rn. 25 ff.); M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 186; i. d. S. auch G. Gornig/Ch. Trüe, Die Rechtsprechung des EuGH und des EuG zum Europäischen Verwaltungsrecht – Teil 1, JZ 2000, S. 395 (401); krit. M. Borowski, Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV, EuR 2004, S. 879 (888 f.); ablehnend H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 299 f. 53 Vgl. R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 105. 50

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

kungen bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind (Art. 231 Abs. 2 EGV, 147 Abs. 2 EAGV).54 Schließlich ist die inzidente Normenkontrolle nach dem Wortlaut des Art. 241 EGV, 156 EAGV nur für Verordnungen vorgesehen; aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit wird jedoch eine analoge Anwendung des Art. 241 EGV − und damit auch des entsprechenden Art. 156 EAGV − für Richtlinien zu Recht gefordert.55

2. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber der Verordnung Gemäß Art. 249 Abs. 2 S. 1 EGV hat die Verordnung „allgemeine Geltung“. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs versteht man darunter, daß sie „auf bestimmte Sachverhalte anwendbar ist und Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umrissene Personengruppen zeitigt.“56 Die Verordnung richtet sich also an eine unbestimmte Vielzahl von Personen − Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsbürger − und unterscheidet sich insofern von der Richtlinie, deren Adressaten zwingend die Mitgliedstaaten sind.57 Des weiteren gilt die Verordnung nach Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“. Ihre Wirkung kann also nicht auf einzelne Mitgliedstaaten begrenzt werden, wie bei der Richtlinie, sondern erstreckt sich auf das gesamte Gemeinschaftsgebiet.58 Außerdem können Verordnungen ohne Umsetzung in nationales Recht unmittelbare Wirkungen erzeugen und sind als solche geeignet, Rechte und Pflichten für ein_____________ 54 In EuGH v. 7.7.1992 – Rs. C-295/90 (Parlament/Rat), Slg. 1992 I-4193 (I-4237, Rn. 27), hat der Gerichtshof im Falle einer wegen falscher Rechtsgrundlage für nichtig erklärten Richtlinie die Wirkungen in entsprechender Anwendung des Art. 231 Abs. 2 EGV „bis zum Inkrafttreten einer auf der zutreffenden Rechtsgrundlage erlassenen Richtlinie aufrechterhalten.“ Vgl. dazu auch H.-W. Neye, Kein neuer Stolperstein für die Europäische Aktiengesellschaft, ZGR 2002, S. 377 (379). 55 Vgl. etwa H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (84) m. w. N. 56 EuGH v. 5.5.1977 – Rs. 101/76 (Koninklijke Scholten Honig NV/Rat und Kommission), Slg. 1977, 797 (807, Rn. 20/22); so auch G. Schmidt, in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 29; E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (10); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 10. 57 Vgl. nur H. Freyer, Richtlinienspezifische Probleme am Beispiel der Produkthaftung, EuZW 1991, S. 49 (49). 58 Vgl. H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 31; i. d. S. auch S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (599); ebenso E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (10).

V. Abgrenzung der Richtlinie von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft

23

zelne zu begründen;59 sie sind demnach im Gegensatz zu Richtlinien nicht durch ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren charakterisiert.60 Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal bildet schließlich die Verbindlichkeit der Rechtsakte: So ist die Verordnung nach Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV „in allen Teilen verbindlich“, die Richtlinie hingegen nach Art. 249 Abs. 3 EGV nur „hinsichtlich des zu erreichenden Zieles“.61

3. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber der Entscheidung Die Entscheidung ist gemäß Art. 249 Abs. 4 EGV „in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet.“ Sie kann sich also sowohl an Mitgliedstaaten (Mitgliedstaat-Entscheidung) als auch an natürliche oder juristische Personen (Individual-Entscheidung) richten62 und unterscheidet sich hierin _____________ 59

So EuGH v. 7.3.1972 – Rs. 84/71 (Marimex/Italienischer Finanzminister), Slg. 1972, 89 (96, Rn. 5); ebenso S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (599). 60 Vgl. R. Wägenbaur, Ist die Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen nach Art. 189 EWG-Vertrag hinfällig geworden?, DVBl. 1972, S. 244 (244); ebenso U. Everling, Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380); siehe auch R. Breuer, EGRichtlinien und deutsches Wasserrecht, WiVerw 1990, S. 79 (96); C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908); S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (599); P.-Ch. Müller-Graff, Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil I, DRiZ 1996, S. 259 (266); i. d. S. auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 40; zum zweistufigen Rechtsetzungsverfahren bei Richtlinien siehe ausführlich 4. Teil, II., S. 94 ff. 61 Siehe H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 28 f.; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (598); C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908); R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 433; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 11. 62 Vgl. dazu D. Ehle, Inzidenter Rechtsschutz gegen Handlungen der Europäischen Gemeinschaftsorgane, MDR 1964, S. 719 (721); Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 95; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 458; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 47; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 11; ders., Anfänge einer europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum deutschen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (249); W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 132; auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 69. Die Begriffe „Mitgliedstaat-Entscheidung“ und „Individual-Entscheidung“ verwendet D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 197 ff.; ebenso N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 122 ff.; krit. dazu R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 50, der von „wenig glückli-

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1. Teil: Grundlegendes zum Wesen der Richtlinie

von der Richtlinie, deren Adressaten ausschließlich die Mitgliedstaaten sind.63 Demzufolge hat die Richtlinie mit der Mitgliedstaat-Entscheidung gemein, daß beide Rechtsakte an die Mitgliedstaaten ergehen und Wirkungen für einzelne erst nach erfolgter Umsetzung in nationales Recht begründet werden können. 64 Anders die Individual-Entscheidung, die sich nicht an die Mitgliedstaaten richtet und unmittelbar für diejenigen, an die sie adressiert ist, Rechte und Pflichten begründen kann.65 Schließlich unterscheiden sich Entscheidungen und Richtlinien durch den Umfang ihrer Verbindlichkeit, da Entscheidungen gemäß Art. 249 Abs. 4 EGV „in allen ihren Teilen verbindlich“ sind, während sich die Verbindlichkeit bei Richtlinien gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV auf das zu erreichende Ziel beschränkt.66

4. Abgrenzung der Richtlinie gegenüber Empfehlungen und Stellungnahmen Die Empfehlungen und Stellungnahmen grenzen sich von den Richtlinien dadurch ab, daß sie nach Art. 249 Abs. 5 EGV im Gegensatz zur Zielverbindlichkeit der Richtlinie „nicht verbindlich“ sind. 67 Ferner können sie neben den Mitgliedstaaten auch natürliche und juristische Personen zum Adressaten ha_____________ chen Formulierungen“ spricht, da sie darauf hindeuten könnten, daß Mitgliedstaat-Entscheidungen „aufgrund dieser Gegenüberstellung keinen Individualcharakter“ hätten und nicht deutlich machten, „daß diese Einteilung unter dem Gesichtspunkt des Adressaten“ erfolge. 63 Siehe H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 47; R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 49; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (600); E. Wohlfarth, Anfänge einer Europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum Europäischen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (249). 64 Ganz so R. Wägenbaur, Ist die Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen nach Art. 189 EWG-Vertrag hinfällig geworden?, DVBl. 1972, S. 244 (244); ebenso E. Wohlfarth, Anfänge einer Europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum Europäischen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (250). 65 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 198. 66 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 47 f.; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 125; R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 99. 67 Vgl. statt vieler N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 121, Fn. 567; R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 99; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (601).

V. Abgrenzung der Richtlinie von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft

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ben, wie aus dem mittlerweile aufgehobenen Art. 91 Abs. 1 UAbs. 1 EGV a. N. deutlich ersichtlich wurde; sie richten sich also nicht, wie Richtlinien, nur an die Mitgliedstaaten.68

_____________ 68

Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 380; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 104; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 79; G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 49.

Zweiter Teil

Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Erlaß von Richtlinien I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien 1. Prinzip der begrenzten Ermächtigung Ausgangspunkt der Erörterung der Rechtsgrundlagen zum Erlaß von Richtlinien bildet Art. 249 Abs. 1 EGV, der wie folgt lautet: „Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und nach Maßgabe dieses Vertrags erlassen das Europäische Parlament und der Rat gemeinsam, der Rat und die Kommission Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, sprechen Empfehlungen aus oder geben Stellungnahmen ab.“

Art. 161 Abs. 1 EAGV enthält eine entsprechende Regelung, die lediglich den Erlaß durch das Europäische Parlament und den Rat gemeinsam nicht vorsieht. Der Erlaß von Rechtsakten i. S. d. Art. 249 Abs. 2 bis 5 EGV setzt also zweierlei voraus: Einerseits müssen den in Art. 249 Abs. 1 EGV, Art. 161 Abs. 1 EGV bezeichneten Gemeinschaftsorganen Aufgaben übertragen sein, und andererseits muß der Vertrag Befugnisse zur Erledigung dieser Aufgaben bereitstellen. Demnach dürfen die Gemeinschaftsorgane Rechtsakte i. S. d. Art. 249 EGV, also auch die in Abs. 3 dieser Vorschrift genannten Richtlinien, lediglich dann erlassen, wenn die Verträge hierfür eine Kompetenzgrundlage vorsehen. 1 Den Organen der Gemeinschaft steht somit aus Art. 249 Abs. 1 EGV, Art. 161 Abs. 3 EAGV keine allgemeine Rechtsetzungsbefugnis zu, wonach sie allgemein ermächtigt wären, Rechtsakte i. S. d. Art. 249 Abs. 2 bis 5 EGV zu erlassen.2 _____________ 1

Vgl. statt vieler L.-J. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 616; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 9. 2

Vgl. etwa D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 28 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (65); A. Bleckmann,

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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Folglich stellen Art. 249 Abs. 1 EGV und Art. 161 Abs. 1 EAGV keine eigenständigen Kompetenznormen zum Erlaß der darin bezeichneten Rechtsakte dar.3 Da die Art. 202 und 211 EGV allein die Aufgaben des Rates 4 und der Kommission5 enthalten,6 läßt sich aus ihnen ebenso wie aus Art. 249 Abs. 1 EGV kein allgemeines Rechtsetzungsrecht herleiten.7 Gleiches gilt für Art. 189 EGV, der bereits seinem Wortlaut nach von dem Europäischen Parlament vertraglich zugewiesenen Befugnissen spricht.8 Zudem führt Ulrich Everling gegen eine allgemeine Rechtsetzungskompetenz zutreffend aus: „Die Mühe, die sich die Delegationen bei der Aushandlung des Vertrages gegeben haben, um in den einzelnen Bestimmungen festzulegen, welches Organ in welchen Fällen tätig werden soll, wäre überflüssig gewesen, wenn sie später eine ganz allgemeine Kompetenz hätten begründen wollen.“9

_____________ in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 380; H. von Meibom, Lückenfüllung bei den Europäischen Gemeinschaftsverträgen, NJW 1968, S. 2165 (2166); H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 289. 3

Vgl. R. Geiger, EG-Vertrag, Kommentar, Art. 189 Rn. 1; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/ Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 20; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 2; H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 2; H. Steiger, Staatlichkeit und Überstaatlichkeit, 1966, S. 76 f.; H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 69; i. d. S. auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 7; abwegig A. v. Mutius, Umweltverträglichkeitsprüfung im Raumordnungsverfahren, BayVBl. 1988, S. 641 (648), der ausführt, daß „Ermächtigungsgrundlage der Europäischen Gemeinschaften zum Erlaß von Richtlinien … Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.]“ sei. 4

Vgl. dazu M. Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 202 Rn. 1, 15 ff.; S. Breier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 202 Rn. 1. 5

Vgl. dazu W. Hummer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 155 Rn. 1 ff.

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Siehe H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 69, 73. 7 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 50; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 14. 8 Vgl. dazu R. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, Art. 189 Rn. 8 f.; auch S. Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 10. 9 U. Everling, Die ersten Rechtsetzungsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft, BB 1959, S. 52 (54), der diese Aussage auf Art. 249 EGV und Art. 161 EAGV bezieht. Sie besitzt jedoch auch hinsichtlich der anderen vertraglichen Bestimmungen der Art. 189, 202 und Art. 211 EGV uneingeschränkte Gültigkeit, da auch dort die Ausarbeitung detaillierter Kompetenzvorschriften im Falle einer allgemeinen Kompe-

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

Abzulehnen ist aus diesen Gründen die Ansicht von Johannes Bärmann, wonach Art. 249 EGV mit den Art. 202 und 211 EGV eine allgemeine Kompetenzgrundlage für den Erlaß von Rechtsakten − also auch von Richtlinien − darstellt; dies folgert er aus der allgemeinen Formulierung der Art. 202 und Art. 211 EGV sowie der allgemeinen Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundsätze des Vertrags gemäß Art. 10 EGV.10 Den Gemeinschaftsorganen kommt somit keine allgemeine Befugnis zur Rechtsetzung aus den Verträgen zu; sie unterliegen vielmehr dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung11,12 das als eine der „Schlüsselaussagen zur Kompetenzordnung des Vertrages“13 angesehen werden muß. Neben Art. 249 Abs. 1 EGV ist dieser Grundsatz für sämtliche Organe der Gemeinschaft in Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGV verankert, findet sich aber für das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission im einzelnen auch in den Art. 189, 202 und 211 EGV wieder.14 Für die EG allgemein wurde er im Rahmen des Vertrags von Maastricht _____________ tenz obsolet wären; vgl. dazu auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 23. 10 Vgl. J. Bärmann, Die Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsangleichung, JZ 1959, S. 553 (556). Siehe dazu auch R. Kraushaar, Zur Kompetenz der europäischen Gemeinschaften zum Erlaß von Verordnungen, DÖV 1959, S. 726 (727 ff.), der Art. 249 EGV als Kompetenznormen − wiewohl bezogen auf Verordnungen − ablehnt, jedoch Art. 211 EGV als Kompetenzgrundlage ansieht. 11 Zu abweichenden Bezeichnungen im Schrifttum krit. Th. C. W. Beyer, Die Ermächtigung der Europäischen Union und ihrer Gemeinschaften, Der Staat 1996, S. 189 (191 f.); auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 37 f., Fn. 21 dazu auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 4; A. von Bogdandy/M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 3b Rn. 3. 12 Zum Prinzip der begrenzten Ermächtigung siehe M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 335 ff.; G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 270 ff.; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 62 f.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 380 ff.; ausführlich H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Ermächtigung im Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip des EWG-Vertrages, 1991. 13 A. von Bogdandy/M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 3b Rn. 1; i. d. S. auch M. Zuleeg, Der Verfassungsgrundsatz der Demokratie und die Europäischen Gemeinschaften, Der Staat 1978, S. 27 (40), der „das Prinzip der begrenzten Handlungsermächtigungen“ als „Eckpfeiler der verfassungsrechtlichen Untermauerung des Integrationswerks“ bezeichnet; H. P. Ipsen, Die Rolle des Prozeßrichters in der Vorrang-Frage − Zur Bedeutung des II. Simmenthal-Urteils (Rs. 106/77) des Europäischen Gerichtshofs, EuR 1979, S. 223 (236), spricht von dem „für die Gemeinschaft maßgebliche(n) Prinzip der nur begrenzten Ermächtigung“. 14 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 29 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (65); dazu auch BVerfGE 89, 155 [192 f.].

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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in Art. 5 Abs. 1 EGV aufgenommen;15 eine entsprechende Vorschrift enthält Art. 5 EUV für die Gesamttätigkeit der EU.16

2. Unmittelbare Ermächtigungen aus den Verträgen Bei den sich unmittelbar aus den Gemeinschaftsverträgen ergebenden Rechtsgrundlagen zum Erlaß von Richtlinien kann zwischen „unbestimmten“ und „bestimmten“ Ermächtigungen differenziert werden. 17

a) Bestimmte Ermächtigungen Unter dem Terminus „bestimmte Ermächtigungen“ werden diejenigen Bestimmungen der Römischen Verträge erfaßt, die den in Art. 249 Abs. 1 EGV bzw. in Art. 161 Abs. 1 EAGV bezeichneten Organen der Gemeinschaft expressis verbis die Befugnis zum Erlaß eines oder mehrerer eindeutig bezeichneter Rechtsakte verleihen.18

aa) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Verordnungen In den Art. 39 Abs. 3 lit. d), 89 EGV19 werden die Gemeinschaftsorgane ermächtigt, „Durchführungsverordnungen“20 zu erlassen. Da ihnen nicht die Wahl _____________ 15

Vgl. O. Hahn/J.-D. Oberrath, Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 353 (353). 16 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 335. 17 Diese Unterscheidung treffen auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 31 ff.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (66 ff.); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 24 f.; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 50 ff.; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 14 f.; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 8; dazu auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 74 ff., der zwischen „ausdrücklichen“ und „unbestimmten“ Ermächtigungen differenziert. 18 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 31; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (66); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 24. 19 Im EAG enthält z. B. Art. 79 Abs. 3 EAGV eine ausschließliche Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

des Rechtsaktes überlassen wird, liegt hier eine bestimmte, auf Verordnungen beschränkte Ermächtigung vor. Fraglich ist jedoch, ob Rudolf Geiger zuzustimmen ist, wenn er ausführt: „Ermächtigt eine Kompetenznorm zum Erlaß einer Verordnung, so kann auch eine (bloße) Richtlinie ergehen.“21

Gleicher Ansicht ist Manfred Zuleeg, der, basierend auf einem argumentum a maiore ad minus, zu folgender Sichtweise gelangt: „Die Beschlußform der Verordnung gewährt die weitestgehenden Kompetenzen. Daher können die Gemeinschaftsorgane bei Verordnungsbefugnis alle anderen Rechtsakte erlassen.“22

Obwohl Manfred Zuleeg zuzustimmen ist, daß die Verordnung die stärkste gemeinschaftsrechtliche Handlungsform darstellt, muß einer solchen Argumentation entschieden widersprochen werden, denn der EGV enthält gerade keine dem Art. 14 Abs. 5 EGKSV entsprechende, eine solche Kompetenz vorsehende Regelung.23 Da Art. 14 EGKSV als Grundlage für die Ausgestaltung des Art. 249 EGV angesehen werden kann,24 liegt der Schluß nahe, daß Art. 14 Abs. 5 EGKSV bewußt nicht in den EGV übernommen wurde.25 Weiterhin läßt sich, unabhängig von einem auf Art. 14 Abs. 5 EGKSV gestützten argumentum e contrario, gegen ein argumentum a fortiori, wonach immer dann, wenn die Verträge zu einer umfassenderen und wirksameren Handlungsform ermächtigen, auch der _____________ 20

Unter „Durchführungsverordnungen“ i. S. d. Art. 39 Abs. 3 lit. d), 89 EGV sind − ungeachtet der abweichenden Bezeichnung − Verordnungen i. S. d. Art. 249 Abs. 2 EGV zu verstehen. Siehe dazu H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 36, 74 m. N.; ebenso H. Furler, Grundfragen des europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1965, S. 1401 (1401). 21 R. Geiger, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 3. 22 M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (14), der auch auf Art. 14 Abs. 5 EGKSV verweist (S. 14, Fn. 71); dazu auch G. Heß, Das Verordnungsrecht nach dem Vertrage über die Montanunion, 1962, S. 42, der annimmt daß im Recht der EGKS eine Ermächtigung zum Erlaß einer Empfehlung „nach dem Grundsatz ,quis potest plus, potest minus‘“ zugleich auch zum Erlaß einer Empfehlung ermächtige; dies gelte demgemäß auch, „wenn es nicht ausdrücklich durch Art. 14 V (EGKSV) [Anm. d. Verf.] anerkannt würde.“ 23 Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 24 f.; G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 21; auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 36; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (67). 24 Siehe dazu auch 1. Teil, II., S. 10 ff. 25 So auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 75; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 486.

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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Erlaß eines minder starken Rechtsaktes zulässig sein müsse, einwenden, daß der Vertrag in Art. 40 EGV ausdrücklich zum Erlaß von „Richtlinien oder Verordnungen“ ermächtigt und somit dem Gemeinschaftsorgan, das den betreffenden Rechtsakt erläßt, diesbezüglich ein Wahlrecht einräumt.26 Eine derartige Bestimmung wäre aber überflüssig, wenn eine Kompetenzgrundlage für Verordnungen die Befugnis zum Erlaß von Richtlinien umfassen würde. Schließlich ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Art. 39 Abs. 3 lit. d), 89 EGV, die expressis verbis lediglich den Erlaß von „Durchführungsverordnungen“ und eben nicht den Erlaß von Richtlinien erlauben, noch auf das Prinzip der begrenzten Ermächtigung zu verweisen, das neben dem Vorliegen einer Befugnis zur Rechtsetzung an sich den Gemeinschaftsorganen nur dann eine Wahlfreiheit zugesteht, „wenn nicht die einschlägige Kompetenzgrundlage die anzuwendende Handlungsform bestimmt;27 eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann Art. 14 Abs. 5 EGKSV für den Bereich der Römischen Verträge aber, wie gezeigt wurde, nicht begründen.28 Als Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß Richtlinien nicht aufgrund einer Kompetenzgrundlage ergehen können, die lediglich zum Erlaß von Verordnungen ermächtigt; die Römischen Verträge unterscheiden sich insoweit vom Pariser Vertrag, der hierzu eine ausdrückliche Befugnis erteilte.

bb) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Entscheidungen Soweit die Verträge die Gemeinschaftsorgane ausdrücklich nur zum Erlaß von an Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidungen 29 ermächtigen, kann aus denselben Gründen wie bei der ausschließlichen Rechtsetzungsbefugnis durch Verordnungen30 entgegen der Ansicht von Manfred Zuleeg31 keine Richtlinie ergehen. _____________ 26 Siehe D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 36; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (67); auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 75. 27 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 335. 28 So auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 75; auch E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 16; ebenso G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 21. 29 Siehe z. B. Art. 75 Abs. 4; 76 Abs. 2 UAbs. 2 EGV. 30 Dazu 1. Teil, V. 2., S. 22 f. 31 Vgl. M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (14), der ausführt: „Die Entscheidung an die Mitgliedstaaten kann in allen Teilen verbindlich sein, ist aber im übrigen wesensgleich

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

cc) Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien Unstrittig ist die Befugnis zum Richtlinienerlaß immer dann, wenn der Vertrag die Gemeinschaftsorgane ausdrücklich zum Erlaß von Richtlinien ermächtigt,32 wie dies in den meisten bestimmten Ermächtigungen erfolgt.33 Aber auch diese Kompetenzgrundlagen weisen den Organen der Gemeinschaft nur das Recht zur Rechtsetzung durch Richtlinien zu. Empfehlungen oder Stellungnahmen dürfen aufgrund dieser Ermächtigungen nicht ergehen. Für die Kommission ist dies nicht weiter von Bedeutung, weil sie ihre Empfehlungen oder Stellungnahmen stets auf Art. 211 Spstr. 2 EGV stützen kann,34 der Rat verfügt jedoch nicht über eine entsprechende Vorschrift.35 Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Grundsatz der begrenzten Ermächtigung nur auf die verbindlichen Rechtsakte der Verträge beschränkt sei und daher für Empfehlungen und Stellungnahmen nicht gelte,36 da bereits der Wortlaut des Art. 249 Abs. 1 EGV, _____________ mit der nur hinsichtlich des Zieles verbindlichen Richtlinie, sofern die Entscheidung verpflichtende Wirkung besitzt. Sie könnte daher durch eine Richtlinie ersetzt werden.“ Ganz so auch E. Bülow, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 15.7.1963, Rs. 25/62, AWD 1963, S. 244 (245). 32 Ausschließliche Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien enthält der EGV für den Rat bzw. den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam in den Art. 44 Abs. 1, 46 Abs. 2, 47 Abs. 1, 47 Abs. 2 S. 1 und 2, 52 Abs. 1, 94, 96 Abs. 2 S. 1, 132 Abs. 1 UAbs. 2, 137 Abs. 2 lit. b) EGV und für die Kommission in Art. 86 Abs. 2 EGV; der EAGV enthält derartige Regelungen für den Rat in den Art. 96 Abs. 2, 98 Abs. 2 EAGV und für die Kommission in den Art. 38 Abs. 2, 82 Abs. 3 S. 1 EAGV. 33 Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 24; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 14, 33; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (62 f., 66); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 14 f. 34 Vgl. dazu Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 102. 35 A. A. E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 15; auch M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (17, insb. Fn. 91), der ausführt, daß der Rat „für unverbindliche Rechtsakte … wohl keine besondere Kompetenznorm“ brauche, da „die Kommission gemäß Art. 145 EWGV, 124 EAGV immer dann Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben (könne), wenn sie es für erforderlich“ halte, woraus er folgert, daß dies „erst recht für den Rat gelten“ dürfe. 36 So aber A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 382. I. d. S. wohl auch Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 63, der zurückhaltender feststellt: „Der Grundsatz der begrenzten Einzelzuständigkeit ist in dem Sinne zu verstehen, dass die EG verbindliche Rechtsakte in den einzelnen Vertragsbereichen jeweils nur in denjenigen Rechtsformen … erlassen darf, die bei der betreffenden Einzelkompetenz zugelassen sind.“ Er schließt also nicht die Gültigkeit des Grundsatzes der begrenzten Ermächtigung für unverbindliche Rechtsakte per se aus. Hierfür spricht auch, daß ders., l.c., § 6 Rn. 102, distanziert auf die Gemeinschaftspraxis verweist: „Dem Rat ist eine vergleichbar weite

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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aber auch derjenige des Art. 211 Spstr. 3 EGV einer solchen Vertragsauslegung entgegensteht.

dd) Ermächtigungen zum Erlaß mehrerer bestimmter Rechtsinstrumente Der EGV beschränkt die Gemeinschaftsorgane im Rahmen der bestimmten Rechtsinstrumente nicht immer auf den Erlaß eines bestimmten Rechtsakts, sondern enthält auch Bestimmungen, in denen die erteilte Befugnis mehrere Handlungsformen umfaßt. So ermächtigt Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV den Rat zum Erlaß von „Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen“, die Art. 40 und 83 Abs. 1 EGV stellen dem Rat „Verordnungen oder Richtlinien“ zur Verfügung und gemäß Art. 119 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 EGV kann der Rat „Richtlinien oder Entscheidungen“ erlassen; die Kommission ist gemäß Art. 86 Abs. 3 EGV befugt, „Richtlinien oder Entscheidungen“ an die Mitgliedstaaten zu richten.37 Je nach Kompetenzgrundlage wird also dem Rat oder der Kommission ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Wahl der Rechtsinstrumente eingeräumt, die in der Ermächtigung bezeichnet sind. 38 Diese Ermessensausübung hat aufgrund der Bindung der Gemeinschaftsorgane an das rechtsstaatliche Gleichheitsgebot und das damit korrespondierende Willkürverbot pflichtgemäß zu erfolgen;39 sie kann, sofern ein Ermessensmißbrauch i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV _____________ Empfehlungsermächtigung zwar nicht verliehen, doch hält man ihn in der Gemeinschaftspraxis grundsätzlich über ausdrückliche Empfehlungszuständigkeiten hinaus für befugt, sich überall dort unverbindlich äußern zu können, wo ihm verbindliche Kompetenzen zugewiesen sind.“ Widersprüchlich E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 5, der einerseits davon spricht, daß „Rat und Kommission … ausschließlich dann in rechtlich verbindlicher Weise [Hervorh. d. Verf.] tätig werden (dürften), wenn hierfür eine Ermächtigung im V(ertrag) [Anm. d. Verf.] vorhanden“ sei, womit er andeutet, daß das Prinzip der begrenzten Ermächtigung auf verbindliche Rechtsakte begrenzt sei, andererseits aber hervorhebt, daß „hinsichtlich der unverbindlichen Rechtsakte … die Kommission gem. Art. 155 UAbs. 2 [= Art. 211 UAbs. 2 n. N.] allerdings keiner ausdrücklichen Ermächtigung“ bedürfe, woraus zu schließen ist, daß die unverbindlichen Rechtsakte vom Prinzip der begrenzten Ermächtigung nicht erfaßt werden. 37 Vgl. etwa D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 36 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (67, insb. Fn. 60). 38 Vgl. H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 77; ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 37; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (67); ganz i. d. S. auch R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 45 f. 39 Vgl. M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 78; auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 38; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (68).

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

vorliegt, zur Nichtigerklärung des Rechtsakts durch den Gerichtshof gemäß Art. 231 Abs. 1 EGV führen.40 Fraglich ist hingegen, ob die Gemeinschaftsorgane verpflichtet sind, „bei mehreren nach dem Vertrag möglichen Rechtsakten im Zweifel immer den Rechtsakt zu wählen, der die Adressaten am geringsten belastet und am wenigsten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingreift, d. h. an Stelle einer Verordnung eine Richtlinie zu erlassen (Prinzip des Interventionsminimismus).“41

Zu Recht weist Hans-Jürgen Rabe diesbezüglich darauf hin, daß jener Grundsatz im Montan-Vertrag vorwiegend auf Art. 5 S. 1 EGKSV gestützt werde;42 danach erfüllt „die Gemeinschaft … ihre Aufgabe unter den in diesem Vertrag vorgesehen Bedingungen durch begrenzte Eingriffe.“ Im EGV fehlt jedoch gerade eine solche Regelung, so daß das Gebot des interventionsminimalen Eingriffs lediglich als eine allgemeine Tendenz dieses Vertrags angesehen werden kann, das jedoch keinerlei rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen kann, denn eine Analogie scheidet aufgrund der wenigen Bestimmungen im EGV, die das Prinzip des Interventionsminimums stützen, aus.43

b) Unbestimmte Ermächtigungen Neben den bestimmten Ermächtigungen sehen die Verträge an zahlreichen Stellen auch „unbestimmte Ermächtigungen“ vor, d. h., die Organe der Gemein_____________ 40

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 38.

41

H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 78 m. N. 42 Vgl. H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 78 ff. 43 Gl. A. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 38 ff.; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 25, Fn. 88; R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWGVertrag, 1968, S. 46; H. Furler, Grundfragen des europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1965, S. 1401 (1403); siehe auch G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 21; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 16; i. d. S. auch BT-Drucks. Nr. 3440, 2. Wahlper. (1953), Anl. C, Erl. zu Art. 189, S. 150; i. d. S. wohl auch U. Everling, Die ersten Rechtsetzungsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft, BB 1959, S. 52 (53); a. A. M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (16), der aus der allgemeinen Tendenz des EGV zum Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs schließt, daß „sich ohne weiteres von einem allgemeinen Rechtsgedanken sprechen“ lasse, der Verbindlichkeit erlangen und in „schwerwiegenden Fällen“ zu einer Einengung der gemeinschaftlichen Kompetenz führen könne.

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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schaft werden mit einer Rechtsetzungsbefugnis ausgestattet, ohne daß ihnen die zu wählende Handlungsform eindeutig vorgeschrieben wird. 44 So wird der Rat nach Art. 42 EGV zum Erlaß von „Maßnahmen“ ermächtigt, während er gemäß Art. 12 Abs. 2 EGV „Regelungen“ und nach Art. 71 Abs. 1 lit. d) EGV „Vorschriften“ erlassen kann.45 Ausgehend von den bestimmten Ermächtigungen, die expressis verbis auf die Rechtsakte des Art. 249 EGV, also auch die Richtlinie, verweisen, spricht ein argumentum e contrario dafür, daß im Rahmen der unbestimmten Ermächtigungen gerade keine Rechtsakte i. S. d. Art. 249 EGV erlassen werden dürfen.46 Dennoch ist mit Hans-Jürgen Rabe davon auszugehen, daß „eine solche These … aber nicht sinnvoll wäre und … insbesondere der Aufzählung des Art. 189 [= Art. 249 n. N.] widersprechen“47 würde. Demnach ist auch im Falle einer unbestimmten Ermächtigung auf die Rechtsakte i. S. d. Art. 249 EGV zurückzugreifen, allerdings sind diese nicht abschließend,48 so daß die Gemeinschaftsorgane auch Rechtsakte sui generis49 erlassen können.50 _____________ 44

Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 8; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 54; H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 83; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 44; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (68). 45

Dazu näher H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 83; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 44; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 54; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 17. 46

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 45.

47

H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 84; dieser Argumentation folgt auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 45 f. 48

Dazu 1. Teil, I., S. 9, Fn. 1.

49

Unter „Rechtsakten sui generis“ sind alle in Art. 249 EGV nicht aufgeführte Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane zu verstehen. Siehe Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 105 ff.; U. Everling, Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und Vereinbarungen des Rates oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 133 (134); H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 47 ff.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 470; siehe dazu auch O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (393 f.). 50

Siehe U. Everling, Die ersten Rechtsetzungsakte der Organe der Europäischen Gemeinschaft, BB 1959, S. 52 (53); R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 44; dazu auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 46, der die allerdings Beschlüsse eigener Art mit verbindlicher Wirkung nur insoweit zulassen möchte, als dies der Vertrag zwingend erfordert.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

Die Frage, welche Handlungsform im einzelnen von den Gemeinschaftsorganen zu wählen ist, muß durch Auslegung der jeweiligen Kompetenzgrundlage ermittelt werden.51 Diese Interpretation muß vom Wortlaut der Vertragstexte ausgehen und anschließend in „eine Untersuchung der jeweiligen unbestimmten Ermächtigung auf ihren logischsystematischen Zusammenhang mit dem übrigen Vertragstext (münden) [Anm. d. Verf.], wobei gleichzeitig zu prüfen ist, welcher Rechtsakt oder welche Rechtsakte nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift Gegenstand der Ermächtigung sein kön1nen.“52

Auch Hans-Jürgen Rabe zieht die grammatikalische, die systematische, die entstehungsgeschichtliche und die teleologische Auslegung zur Klärung der zu wählenden Handlungsform heran, jedoch solle die Interpretation sukzessive in der angegebenen Reihenfolge durchgeführt werden, wobei der nächste Auslegungsgesichtspunkt immer nur dann anzuwenden sei, wenn der vorherige zu einem non liquet geführt habe.53 Dieser „stufenartig fortschreitenden Interpretation“54 muß jedoch insoweit widersprochen werden, als sie eine feste Rangordnung unter den Interpretationsgesichtspunkten unterstellt.55 Eine solche ist aber mit Manfred Zuleeg zu Recht abzulehnen, „da sie letztlich die Entscheidung für eine vorrangige Auslegungsmethode bedeutet und somit nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt.“56 _____________ 51

So etwa H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 54; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 16. 52

D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 49 m. H.

53

Siehe dazu H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 85 ff. 54

H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 93. 55

Eine Rangordnung der Interpretationsregeln nimmt wohl auch Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 18 ff., an. 56

M. Zuleeg, Die Auslegung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, EuR 1969, S. 97 (99); ebenso − wenn auch nicht explizit auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts bezogen, aber deshalb nicht minder gültig − K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 343 ff. m. w. N., der hervorhebt, daß zwischen den einzelnen Auslegungskriterien kein festes Rangverhältnis bestehe und daß der Ausleger die verschiedenen Auslegungsgesichtspunkte zu berücksichtigen habe und erst dann eine Entscheidung treffen dürfe, „wenn er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, zu einem methodisch gesicherten Ergebnis zu gelangen“ (S. 346); siehe ferner zur Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechts allgemein A. Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, S. 1177 (1177 ff.); auch ders., in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 537 ff.

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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Führt die Auslegung zu dem Ergebnis, daß mehrere Handlungsformen im Rahmen der Rechtsetzungsbefugnis zulässig sind, so kann das jeweils vertraglich ermächtigte Gemeinschaftsorgan nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen den relevanten Rechtsakten auswählen.57 Für die Ermessensausübung gelten die gleichen Erwägungen, wie bei bestimmten Ermächtigungen, die zum Erlaß mehrerer Rechtsakte ermächtigen58.59 Demzufolge können also unbestimmte Ermächtigungen unter den aufgezeigten Voraussetzungen durchaus auch zum Erlaß von Richtlinien ermächtigen.

c) Art. 211 Spstr. 4 EGV und Art. 308 EGV als Kompetenzgrundlagen zum Erlaß von Richtlinien Art. 211 Spstr. 4 EGV, 124 Spstr. 4 EAGV60 und Art. 308 EGV, 203 EAGV61 stellen mögliche Ermächtigungsnormen für den Erlaß von Richtlinien dar. Sie unterscheiden sich insofern von den anderen vertraglichen Kompetenzgrundlagen, als sie nicht auf ein bestimmtes Sachgebiet bezogen sind, sondern den gesamten Aufgabenbereich des Vertrags umfassen. 62 Sie werden daher im folgenden gesondert behandelt. _____________ 57 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 46 f.; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 55; H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 97. 58

Siehe 2. Teil, I. 2. a) dd), S. 33 f.

59

So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 47, Fn. 171.

60 Art. 211 Spstr. 4 EGV und Art. 124 Spstr. 4 EAGV stimmen, abgesehen von der unterschiedlich formulierten Zielsetzung der beiden Gemeinschaften, wörtlich überein. 61

Art. 308 EGV und Art. 203 EAGV stimmen mit Ausnahme des Merkmals „im Rahmen des Gemeinsamen Marktes“, welches in Art. 203 EAGV fehlt, wörtlich überein. Vgl. dazu E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 7; auch I. E. Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 308 Rn. 8. Diesem zusätzlichen Tatbestandsmerkmal wird jedoch von der wohl h. M. keine eigenständige Bedeutung zugemessen, weshalb es überflüssig sei, vgl. E. Grabitz, l.c., Art. 235 Rn. 55 ff., insb. 57; dazu auch R. Streinz, in: Streinz, EGV, Art. 308 Rn. 19. 62

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 52; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (69); ebenso U. Everling, Die allgemeine Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft zur Zielverwirklichung nach Art. 235 EWG-Vertrag, EuR Sonderheft 1976, S. 1 (4).

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

aa) Durchführungsbefugnisse der Kommission nach Art. 211 Spstr. 4 EGV Gemäß Art. 211 Spstr. 4 EGV übt die Kommission die Befugnisse aus, „die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt.“ Seit der EEA ist der Rat hierzu regelmäßig gemäß Art. 202 Spstr. 3 S. 1 EGV63 verpflichtet,64 kann sich jedoch nach S. 3 dieser Vorschrift „in spezifischen Fällen außerdem vorbehalten, Durchführungsbefugnisse selbst auszuüben“. Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen ist auf die Durchführung von Ratsvorschriften beschränkt, wobei der Begriff der „Durchführung“ dahingehend auszulegen ist, daß der Rat das Wesentliche regeln muß und der Kommission nur die abhängige Durchführung verbleiben darf. 65 Eine weitergehende Kompetenzübertragung des Rates ist nicht möglich 66 und wäre als Vertragsverstoß zu beurteilen. 67 Diese Durchführungsvorschriften können neben Entscheidungen und Verordnungen grundsätzlich auch zum Erlaß von Richtlinien ermächtigen. Den Erlaß von Durchführungsbestimmungen zum Sekundärrecht bezeichnet man auch in Abgrenzung zum primären und sekundären Gemeinschaftsrecht als „tertiäre Rechtssetzung der Gemeinschaftsorgane“ 68, da diese zeitlich, hierar_____________ 63

Durch die EEA wurde nur Art. 145 EWGV, der Art. 202 EGV n. N. entspricht, geändert, nicht hingegen der entsprechende Art. 115 EAGV. Daher besteht für den Rat im EAGV keine derartige Pflicht zur Delegation der Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften an die Kommission. Th. Bruha/W. Münch, Stärkung der Durchführungsbefugnisse der Kommission, NJW 1987, S. 542 (543), sprechen diesbezüglich von einem „Regel-Ausnahmeverhältnis“, das für den Bereich des EGV umgekehrt wurde. 64 Vgl. dazu H. J. Glaesner, Die Einheitliche Europäische Akte, EuR 1986, S. 119 (146); siehe auch M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 205, die vom „Prinzip der ‘Regeldelegation’“ sprechen; ebenso M. Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 202 Rn. 26, a. A. wohl P. Pescatore, Die „Einheitliche Europäische Akte“ − Eine ernste Gefahr für den Gemeinsamen Markt, EuR 1986, S. 153 (167), der ausführt, „daß die neue Bestimmung des Art. 145 [= Art. 202 n. N.] sowieso überflüssig“ sei. 65 I. d. S. auch G. Holch, Der Bundesrat zur Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften, EuR 1969, S. 213 (221); a. A. W. Hummer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 155 Rn. 50 m. w. N. Zu Recht weist W. Däubler, Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen im Recht der EWG, DVBl. 1966, S. 660 (661), darauf hin, daß sich die Grenze für das Vorliegen einer Durchführungsvorschrift „in abstracto nicht mit letzter Klarheit bestimmen“ lasse; ebenso Th. Bruha/W. Münch, Stärkung der Durchführungsbefugnisse der Kommission, NJW 1987, S. 542 (544). 66 Vgl. Th. Bruha/W. Münch, Stärkung der Durchführungsbefugnisse der Kommission, NJW 1987, S. 542 (544); auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 31; H.J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 108 f. 67 Vgl. W. Däubler, Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen im Recht der EWG, DVBl. 1966, S. 660 (661). 68 S. Magiera, Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im europäischen Integrationsprozeß, DÖV 1998, S. 173 (175); dazu auch M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 11; Th. Groß, Exekutive Vollzugsprogrammierung durch tertiäres Gemein-

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

39

chisch aber auch inhaltlich nachrangig gegenüber dem Sekundärrecht ist, das alle wesentlichen Elemente der betreffenden Materie selbst regeln muß.69 Bei dem Erlaß von Durchführungsvorschriften ist jedoch zu beachten, daß der Rat der Kommission Befugnisse „überträgt“ (Art. 202 Spstr. 3 S. 1, Art. 211 Spstr. 4 EGV). Er delegiert aber entgegen der Auffassung von Helmut Schmitt von Sydow70, Waldemar Hummer71 und Siegfried Breier72 keine Gemeinschaftsbefugnisse, sondern eigene Befugnisse, denn es gilt der Grundsatz nemo plus iuris in alium transferre potest quam ipse habet;73 diese Sichtweise findet ihre Bestätigung durch den eindeutigen Wortlaut des Vertrags.74 Demzufolge darf der Rat der Kommission nur solche Befugnisse zum Erlaß eines bestimmten Rechtsakts übertragen, die ihm auch selbst zustehen, d. h., der Rat kann beispielsweise die Kommission nicht zum Erlaß einer Richtlinie zur Durchführung einer von ihm erlassenen Verordnung ermächtigen, wenn ihm selbst überhaupt keine Richtlinienkompetenz zusteht. Die Kommission muß also stets beim Erlaß von Rechtsakten nach Art. 211 Spstr. 4 EGV prüfen, ob diese von einer vertraglichen Ermächtigung gedeckt sind. Im Rahmen dieser Rechtsetzungsbefugnis kann sie sodann nach den bereits erörterten Regeln für bestimmte und unbestimmte Ermächtigungsgrundlagen75 unter anderem auch Richtlinien erlassen.76

bb) Lückenschließungskompetenz des Art. 308 EGV Art. 308 EGV ermächtigt den Rat zum Erlaß von Rechtsakten, soweit der Vertrag die erforderlichen Befugnisse zur Verwirklichung der Vertragsziele 77 _____________ schaftsrecht?, DÖV 2004, S. 20 (20, 24), der von „tertiäre(m) Gemeinschaftsrecht“ (S. 20) spricht bzw. den Begriff des „Tertiärrechts“ (S. 24) als terminologisch aussagekräftig erachtet. 69 Vgl. S. Magiera, Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im europäischen Integrationsprozeß, DÖV 1998, S. 173 (175). 70 Vgl. H. Schmitt von Sydow, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 211 Rn. 78. 71 Vgl. W. Hummer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 155 Rn. 70. 72 Vgl. S. Breier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 145 Rn. 7. 73 Vgl. EuGH v. 13.6.1958 – Rs. 9/56 (Meroni/Hohe Behörde), Slg. 1958, 9 (40). 74 Dies gesteht auch W. Hummer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 155 Rn. 70, ein. 75 Siehe dazu 2. Teil, I. 2. a) und b), S. 29 ff. 76 I. E. auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 55 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (69 f.). 77 „Ziele“ i. S. d. Art. 308 EGV sind alle im Vertrag angesprochenen Aufgaben, insbesondere auch die des Art. 2 EGV und der Präambel; dazu auch H.-J. Rabe, Das Ver-

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

nicht vorsieht; er ist somit nur subsidiär anwendbar 78 und ermöglicht lediglich die Schließung von Kompetenzlücken im Rahmen der vertraglich vorgegebenen Ziele. 79 Eine Kompetenzlücke liegt vor, wenn der Vertrag der Gemeinschaft keine Ermächtigung zuweist, um „eines ihrer Ziele zu verwirklichen“ (Art. 308 EGV). Fraglich ist jedoch, ob Art. 308 EGV auch dann greift, wenn der Vertrag eine Befugnisnorm für die Gemeinschaftsorgane enthält, diese aber nicht zur Erreichung der vertraglichen Ziele ausreicht, wie beispielsweise im Falle, daß der Rat zur Verwirklichung der Vertragsziele eine Richtlinie erlassen möchte, obwohl der Vertrag lediglich zur Abgabe einer Stellungnahme berechtigt. Diese Frage wird von der h. L. bejaht80 und findet ihre Bestätigung auch in der Rechtspre_____________ ordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 154; H. von Meibom, Lückenfüllung bei den Europäischen Gemeinschaftsverträgen, NJW 1968, S. 2165 (2166); E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 235 Anm. 2; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 56 f.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 794; D. Schumacher, Die Ausfüllung von Kompetenzlücken im Verfassungsrecht der Europäischen Gemeinschaften, AWD 1970, S. 539 (543); anders R. H. Lauwaars, Art. 235 als Grundlage für die flankierenden Politiken im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion, EuR 1976, S. 100 (102), der die in der Präambel genannten Ziele nicht als „Ziele“ i. d. S. Art. 308 EGV versteht. 78 Vgl. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 435; Th. C. W. Beyer, Europa 1992: Gemeinschaftsrecht und Umweltschutz nach der Einheitlichen Europäischen Akte, JuS 1990, S. 962 (965); Ch. Tomuschat, Nein, und abermals Nein!, EuR 1985, S. 346 (348); R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1989, S. 577 (584); R. Streinz, in: Streinz, EGV, Art. 308 Rn. 5, 28. 79 Vgl. I. E. Schwartz, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 308 Rn. 12 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 59; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (70); a. A. E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 2 m. w. N.; R. Riegel, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften im Umweltschutz, BayVBl. 1979, S. 97 (99), der ausführt, daß „eine Begrenzung des Anwendungsbereiches auf eine reine Lückenklausel Sinn und Zweck dieser Bestimmung (sc. Art. 308 EGV) [Anm. d. Verf.] nicht gerecht“ werde. 80 Vgl. etwa E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 48 ff. m. w. N.; ebenso Ch. Tomuschat, Nein, und abermals Nein!, EuR 1985, S. 346 (348); G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 280 f.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 795; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 434; R. H. Lauwaars, Art. 235 als Grundlage für die flankierenden Politiken im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion, EuR 1976, S. 100 (106); auch M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (711 ff.); H.-P. Gericke, Allgemeine Rechtsetzungsbefugnisse nach Art. 235 EWG-Vertrag, 1970, S. 63 ff.; a. A. E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 235 Anm. 4; H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 154; D. Oldekop, Die

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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chung des Gerichtshofs.81 Zweifelsohne ist diese Sichtweise vom Wortlaut des Art. 308 EGV gedeckt, der von den „erforderlichen Befugnissen“ spricht und somit nicht ausschließt, daß der Vertrag bereits Befugnisse zur Zielverwirklichung enthält, die aber im konkreten Fall nicht als ausreichend anzusehen sind.82 Nach Eberhard Grabitz sprechen für diese Annahme ferner der teleologische Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft83 sowie ein systematisches Argument, wonach das Fehlen jeglicher Befugnisse nicht zu einer weitergehenden Kompetenz führen dürfe als in dem Falle, daß der Vertrag bereits eine Ermächtigung enthalte, da ansonsten „ein offensichtlich widersinniges Ergebnis“84 entstünde. Schließlich läßt sich für diese Sichtweise auch der abweichende Wortlaut der Schwestervorschrift des Art. 95 Abs. 1 EGKSV85 anführen, wonach Rechtsakte auf diese Vorschrift ausschließlich „in allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen“ gestützt werden können. 86 Dem läßt sich entgegnen, daß gerade die Systematik der Verträge gegen eine extensive Interpretation des Art. 308 EGV spricht, indem sie in einer Vielzahl von Bestimmungen den Gemeinschaftsorganen differenzierte Befugnisse zur _____________ Richtlinie der EWG, 1968, S. 57 f.; M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (19 f.); ders., Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (470); D. Schumacher, Die Ausfüllung von Kompetenzlücken im Verfassungsrecht der Europäischen Gemeinschaften, AWD 1970, S. 539 (543). 81 Siehe EuGH v. 12.7.1973 – Rs. 8/73 (Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson), Slg. 1973, 897 (907 f., Rn. 2 ff.), der bei alleiniger Richtlinienkompetenz auch eine Verordnung gemäß Art. 308 EGV zuläßt. 82 So auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 49. 83 Vgl. E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 50. 84 E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 51; ebenso Ch. Tomuschat, Nein, und abermals Nein!, EuR 1985, S. 346 (348). 85 Art. 95 Abs. 1 EGKSV kann als Vorläufer des Art. 308 EGV angesehen werden, letzterer wurde jedoch in den Römischen Verträgen neu gefaßt. Siehe dazu nur H. von Meibom, Lückenfüllung bei den Europäischen Gemeinschaftsverträgen, NJW 1968, S. 2165 (2168): „Art. 95 (EGKSV) [Anm. d. Verf.] war in den EWG-Verhandlungen bekannt. Es bestand in der mit der Ausarbeitung dieses Artikels befaßten Arbeitsgruppe die Auffassung, daß die Fassung des Art. 95 EGKSV nicht geeignet sei, in die neuen Verträge übernommen zu werden.“ 86 H.-P. Gericke, Allgemeine Rechtsetzungsbefugnisse nach Art. 235 EWG-Vertrag, 1970, S. 67 ff.; a. A. H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 154, der Art. 308 EGV jedoch trotz des abweichenden Wortlauts, ebenso wie Art. 95 Abs. 1 EGKSV, „nur zur Füllung einer echten Vertragslücke“ für anwendbar hält.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

Aufgabenerfüllung zuweist. Dieses wohlabgewogene Kompetenzsystem wäre nicht erforderlich, wenn nicht sogar widersinnig, falls Art. 308 EGV dem Rat eine Vorschrift zur Verfügung stellen wollte, die angesichts der weiten Zielformulierungen des EGV ungeachtet jeglicher bestimmten Ermächtigung im Vertrag einer „(kleinen) Generalermächtigung“87 gleichkäme,88 zumal die Prüfung der Erforderlichkeit gemäß Art. 220 EGV letztlich dem Gerichtshof obliegt, der aber wiederum − seiner teleologischen Auslegungsmaxime des „effet utile“ 89 folgend − hierfür keine allzu strengen Kriterien zugrunde legen wird; 90 ein Tätigwerden i. S. d. Art. 308 EGV wäre also letztlich „in das politische Gutdünken des Rates gestellt“91. Zudem weist die Ausstattung der Gemeinschaftsorgane mit unterschiedlichen Ermächtigungen zur Erfüllung der jeweiligen Auf_____________ 87

Vgl. dazu M. Schweitzer¸ Beteiligung der Bundesländer an der Gesetzgebung, BayVBl. 1992, S. 609 (609), der einprägsam hervorhebt, daß Art. 308 EGV „eine Art Kompetenzbedienungsladen für die EG eröffnet“ habe; siehe auch H. H. Rupp, Maastricht − eine neue Verfassung?, ZRP 1993, S. 211 (212), der ausführt, daß „die EG-Organe in der Ausnahmeermächtigung des Art. 235 EGV [= Art. 308 EGV n. N.] eine praktisch einsetzbare Ermächtigungs-Generalklausel sehen“ würden; R. Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, S. 817 (824) m. w. N.; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 235 Anm. 6, spricht sogar davon, daß Art. 308 EGV es den Organen der Gemeinschaft ermögliche, „eine nur von ihrem eigenen Gerichtshof kontrollierte Kompetenzkompetenz“ auszuüben. 88 Diese Gefahr erkennend, führt H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 214 f., aus: „Wenn die Verträge mit einer salvatorischen ‘sweeping clause’ (sc. Art. 308 EGV) [Anm. d. Verf.] den Räten ausdrücklich noch die Globalermächtigung geben, die sie ohnehin aufgrund zwischenstaatlicher Befugnisse besitzen, so erscheinen die minuziösen Detailregelungen und diesbezüglichen Untersuchungen ziemlich zweitrangig.“ A. A. H.-P. Gericke, Allgemeine Rechtsetzungsbefugnisse nach Art. 235 EWG-Vertrag, 1970, S. 70. 89 Siehe zum „effet utile“ Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 67, 69 f.; ausführlich R. Streinz, Der „effet utile“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1491 (1491 ff.). 90 Dazu U. Everling, Die allgemeine Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft zur Zielverwirklichung nach Art. 235 EWG-Vertrag, EuR Sonderheft 1976, S. 1 (12), der bezüglich des Art. 308 EGV bedenkenlos ausführt, daß „die Beurteilung der Erforderlichkeit ... im Ermessen und der politischen Verantwortung der Organe der Gemeinschaft“ liege und „eine gerichtliche Nachprüfung lediglich hinsichtlich der Ermessensgrenze in Betracht“ komme; krit. Ch. Tomuschat, Die Rechtsetzungsbefugnisse der EWG in Generalermächtigungen, insbesondere in Art. 235 EWGV, EuR Sonderheft 1976, S. 45 (48), der angesichts der Handhabung des Art. 308 EGV durch den Rat hervorhebt, daß „die Verwendungsfähigkeit des Art. 235 [= Art. 308 n. N.] als eine ausschließlich von politischer Opportunität bestimmte, einer gerichtlichen Nachprüfung nicht zugängliche Entscheidung … einer groben Fehleinschätzung der Rechtslage gleichkäme“. 91 H.-P. Gericke, Allgemeine Rechtsetzungsbefugnisse nach Art. 235 EWG-Vertrag, 1970, S. 70.

I. Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien

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gaben darauf hin, daß die Vertragsschöpfer bewußt keine weitergehenden Kompetenzen an die Gemeinschaft übertragen wollten, so daß die übertragenen Kompetenzen als abschließend anzusehen sind.92 Eine extensive Auslegung des Art. 308 EGV stellt somit eine materielle Vertragsänderung dar.93 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch „eine großzügige Handhabung des Art. 235 EWGV [= Art. 308 EGV n. N.] i. S. einer ,Vertragsabrundungskompetenz‘“ 94 nicht zulässig, eine „Auslegung von Befugnisnormen“ darf „in ihrem Ergebnis nicht einer Vertragserweiterung gleichkommen“, da sie ansonsten „für Deutschland keine Bindungswirkung entfalten“ 95 könnte. Daher zwingt allein der Gedanke der Rechtseinheit des Gemeinschaftsrechts zu einer restriktiven Interpretation des Art. 308 EGV.96 Schließlich sei darauf verwiesen, daß Manfred Zuleeg auch auf „Bedenken aus dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation“97 hinweist. Es bleibt somit festzustellen, daß Art. 308 EGV entgegen der h. L. und der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur dann als Kompetenzgrundlage für den Erlaß von Richtlinien herangezogen werden kann, wenn eine entsprechende Kompetenzgrundlage völlig fehlt. Ist jedoch eine vertragliche Befugnisnorm vorhanden, so können nur die dort bezeichneten Rechtsinstrumente erlassen werden; Art. 308 EGV ist insoweit nicht anwendbar. Unter den „geeigneten Vorschriften“ i. S. d. Art. 308 EGV sind alle Rechtsakte des Art. 249 EGV, also auch Richtlinien, sowie die Rechtsakte sui generis zu verstehen.98 Da Art. 308 EGV zu den unbestimmten Ermächtigungen _____________ 92

Siehe dazu H. von Meibom, Lückenfüllung bei den Europäischen Gemeinschaftsverträgen, NJW 1968, S. 2165 (2167): „In gewissen Fällen muß davon ausgegangen werden, daß die Vertragschließenden der Gemeinschaft nicht mehr Zuständigkeiten übertragen wollten, als dies im Vertrag zum Ausdruck kommt. Eine Erweiterung der Befugnisse der Gemeinschaft dürfte in solchen Fällen nur über eine Vertragsänderung nach Art. 236 EWGV [sic!] (= Art. 308 EGV) [Anm. d. Verf.] möglich sein.“ Gegen eine derartige Auslegung wendet sich H.-P. Gericke, Allgemeine Rechtsetzungsbefugnisse nach Art. 235 EWG-Vertrag, 1970, S. 70 f. 93 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 58; ganz i. d. S. auch E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 235 Anm. 4. 94 BVerfGE 89, 155 [210]. 95 BVerfGE 89, 155 [210]; dazu krit. I. Pernice/F. C. Mayer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 220 Rn. 22. 96 Zur Bedeutung der Einheit des Gemeinschaftsrechts siehe U. Everling, Zum Vorrang des EG-Rechts vor nationalem Recht, DVBl. 1985, S. 1201 (1206). 97 M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (470); dazu näher ders., Der Verfassungsgrundsatz der Demokratie und die Europäischen Gemeinschaften, Der Staat 1978, S. 27 (40 ff.). 98 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 58; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (70); i. d. S. auch E.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

zählt, sind die bereits für diese erörterten Grundsätze anzuwenden,99 d. h., der Rat hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welchen Rechtsakt er wählt.

3. Ermächtigungen aufgrund des ungeschriebenen Gemeinschaftsrechts, insbesondere der „implied powers“-Lehre Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besitzen die Gemeinschaften neben den geschriebenen Kompetenzen auch noch stillschweigende, ungeschriebene Zuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs, sog. „implied powers“. 100 Mit Gert Nicolaysen sind „implied powers als Zuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs … gegeben, wenn eine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß gleichzeitig eine andere, nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird.“101

Die „implied powers“-Lehre leitet also Kompetenzen nicht wie Art. 308 EGV aus den Vertragszielen, sondern aus bereits bestehenden Zuständigkeiten der Gemeinschaften ab.102 Obwohl ein Teil der Literatur die Doktrin von den „implied powers“ befürwortet103 und diese auch als Ermächtigungsgrundlage für den Er_____________ Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 235 Rn. 83; H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 155. 99 Dazu 2. Teil, I. 2. b). S. 34 ff. 100 Vgl. − wiewohl den EGKSV betreffend − EuGH v. 29.11.1956 – Rs. 8/55 (Fédération Charbonnière de Belgique/Hohe Behörde), Slg. 1955/56, 297 (312): „Der Gerichtshof hält, ohne sich dabei an eine extensive Auslegung zu begeben, die Anwendung einer sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen Recht allgemein anerkannten Auslegungsregel für zulässig, wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.“ I. d. S. auch EuGH v. 15.7.1960 – Rs. 20/59 (Italien/Hohe Behörde), Slg. 1960, 681 (708); EuGH v. 15.7.1960 – Rs. 25/59 (Niederlande/Hohe Behörde), Slg. 1960, 743 (781). 101 G. Nicolaysen, Zur Theorie von den implied powers in den Europäischen Gemeinschaften, EuR 1966, S. 129 (131); vgl. auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 6; eingehend L. Sloot, Die Lehre von den implied powers im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 2005, S. 8 f. 102 Vgl. G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 276; ders., Zur Theorie von den implied powers in den Europäischen Gemeinschaften, EuR 1966, S. 129 (132). 103 Vgl. statt vieler G. Nicolaysen, Zur Theorie von den implied powers in den Europäischen Gemeinschaften, EuR 1966, S. 129 (136 f.); ders., Europarecht I, 2002, S. 275 f.; M. Zuleeg, Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, JR 1973,

II. Verfahren zum Erlaß von Richtlinien

45

laß von Richtlinien ansieht,104 wird sie von einem anderen Teil im Schrifttum zu Recht abgelehnt.105 So sieht Hans-Jürgen Rabe den „Art. 235 [= Art. 308 n. N.] als Schlußstein des Kompetenzgewölbes der Gemeinschaft“ an, neben dem für die „implied powers“-Doktrin „kein Raum“ 106 sei. Dem ist zuzustimmen, da „implied powers“ das Kompetenzgefüge zwischen den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaften verschöben, den Gemeinschaftsorganen aber eine solche Kompetenz nicht zusteht, so daß eine Vertragserweiterung vielmehr einer Vertragsänderung nach Art. 48 Abs. 1 EUV bedarf. Es bleibt also festzuhalten, daß der Richtlinienerlaß ebensowenig wie der Erlaß anderer Rechtsinstrumente auf die Doktrin von den „implied powers“ gestützt werden kann. Der Vollständigkeit wegen ist anzumerken, daß nach der Auffassung von Dieter Oldekop auch das Gewohnheitsrecht als Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Richtlinien in Betracht zu ziehen sei, wenngleich er einräumt, daß diese Möglichkeit „weitgehend theoretisch bleiben“107 werde.

II. Verfahren zum Erlaß von Richtlinien Anders als das deutsche Grundgesetz, das mit den Art. 70 ff. GG einen eigenen Titel über die „Rechtsetzung des Bundes“ hat, enthalten sowohl der EGV als auch der EAGV keine entsprechenden Bestimmungen. 108 Beide Verträge se_____________ S. 441 (442); M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 62 ff.; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 6 ff.; W. Hummer, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 155 Rn. 34. 104 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 65; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (71); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 54. 105 Vgl. etwa P. Mittmann, Die Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, 2000, S. 133 ff.; auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 152. 106 H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 152; dazu auch ders., l.c., S. 138 ff., der einen ausführlichen Überblick über die Lehre von den „implied powers“ mit zahlreichen Nachweisen der im Schrifttum vertretenen Ansichten gibt; siehe auch P. Fischer/H. F. Köck/M. M. Karollus, Europarecht, 2002, Rn. 728, die implied powers für entbehrlich halten. 107 D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (71); ders., Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 66 f. 108 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 69.

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2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

hen für den Erlaß der Rechtsakte durch die vertraglich zuständigen Gemeinschaftsorgane kein einheitliches Verfahren vor. 109 Die jeweils anzuwendenden Verfahren finden sich in den einzelnen Ermächtigungsgrundlagen.110 Dabei treffen die Verträge hinsichtlich der Verfahren zum Erlaß von Richtlinien verschiedene Regelungen in bezug auf das erlassende Organ.111 Demzufolge muß im folgenden zwischen der Rechtsetzung durch den Rat bzw. den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam sowie der Rechtsetzung durch die Kommission unterschieden werden.

1. Erlaß der Richtlinien durch den Rat oder durch den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam Ist der Rat oder sind der Rat und das Europäische Parlament gemeinsam 112 für den Erlaß von Richtlinien zuständig, lassen sich drei Rechtsetzungsverfahren unterscheiden:

a) Anhörungsverfahren Eine Beschlußfassung des Rats im Rahmen des Anhörungsverfahrens 113, das teils auch als „herkömmliches Verfahren“ bezeichnet wird, 114 setzt grundsätzlich115 einen entsprechenden Vorschlag der Kommission voraus;116 letztere kann _____________ 109

Vgl. S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (602).

110

So N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 11.

111

Siehe A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 6; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 70. 112 Lediglich nach Art. 249 Abs. 1 EGV ist die Rechtsetzung durch den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam möglich; eine entsprechende Regelung sieht Art. 161 Abs. 1 EAGV jedoch nicht vor. 113 Vgl. zum Anhörungsverfahren etwa O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 353 (356); M. Gellermann, in: Streinz, EGV, vor Art. 250 Rn. 8 ff. 114

Vgl. etwa M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 79 f.; O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 353 (356). 115

Kein Vorschlag der Kommission ist ausnahmsweise erforderlich bei Art. 119 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 EGV. 116

Siehe für den Bereich der bestimmten Ermächtigungen Art. 37 Abs. 1 UAbs. 3, 46 Abs. 2 S. 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 83 Abs. 1, 94, 96 Abs. 1 S. 1, 132 Abs. 1 UAbs. 2

II. Verfahren zum Erlaß von Richtlinien

47

dazu jedoch nach Art. 208 EGV vom Rat und nach Art. 192 Abs. 2 EGV vom Europäischen Parlament aufgefordert werden.117 In zahlreichen Vorschriften des EGV und des EAGV wird ferner eine Anhörung des Europäischen Parlaments verlangt, 118 teils muß auch noch der Wirtschafts- und Sozialausschuß (Art. 257 ff. EGV) gehört werden,119 der gemäß Art. 7 Abs. 2 EGV lediglich eine beratende Funktion hat.120 Soweit die Verträge keine obligatorische Anhörung des Europäischen Parlaments vorsehen, findet in praxi dennoch eine fakultative Anhörung statt.121 Wird die obligatorische Anhörung des Europäischen Parlaments unterlassen, liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV vor, mit der Folge, daß der Rechtsakt im Falle der Anfechtung vor dem Gerichtshof nichtig ist (Art. 231 Abs. 1 EGV).122 Für die Verletzung der Anhörungspflicht des Wirtschafts- und Sozialausschusses muß gleiches gelten.123 _____________ EGV und, soweit nicht das Verfahren nach Art. 251 EGV zur Anwendung kommt, Art. 137 Abs. 2 S. 1 lit. b) EGV sowie Art. 96 Abs. 2, 98 Abs. 2 EAGV. 117 Vgl. S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (602). 118 Siehe für den Bereich der bestimmten Ermächtigungen des EGV Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3, 83 Abs. 1, 94 EGV. Im EAGV wird stets die Anhörung des Europäischen Parlamentes mit der des Wirtschafts- und Sozialausschusses gekoppelt, wie in Art. 96 Abs. 2, 98 Abs. 2 EAGV. 119 Siehe für den Bereich der bestimmten Ermächtigungen Art. 52 Abs. 1, 94 EGV und Art. 96 Abs. 2, 98 Abs. 2 EAGV. Die Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ist „in den in diesem Vertrag vorgesehenen Fällen“ verpflichtend (Art. 262 Abs. 1 S. 1 EGV, 170 Abs. 1 S. 1 EAGV). 120 Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 14. 121 Die Begriffe „obligatorische Anhörung“ und „fakultative Anhörung“ verwendet M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 231; ebenso H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 5 Rn. 72; M. Gellermann, in: Streinz, EGV, vor Art. 250 Rn. 9; S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (602), spricht von „obligatorische(r) Konsultation“ und „fakultative(r) Konsultation“. 122 Vgl. EuGH v. 29.10.1980 – Rs. 138/79 (Roquette Frères/Rat), Slg. 1980, 3333 (3360, Rn. 33); siehe auch Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 7; ebenso S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (602); M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 232; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 13; auch M. Gellermann, in: Streinz, EGV, vor Art. 250 Rn. 9; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 8. 123 So auch M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 299; Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 8 Rz. 7; i. d. S. auch H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 24 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 74.

48

2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

Für die Beschlußfassung verlangt der EGV je nach Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß von Richtlinien entweder die qualifizierte Mehrheit 124 oder sogar Einstimmigkeit125.

b) Verfahren der Zusammenarbeit gemäß Art. 252 EGV Teilweise verweist der EGV 126 in den Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien auf das Verfahren der Zusammenarbeit gemäß Art. 252 EGV 127.128 Danach ist das Europäische Parlament gemäß Art. 138b Abs. 1 EGV an dem Erlaß der Richtlinien durch die Ausübung seiner Befugnis im Rahmen des Art. 252 EGV beteiligt. Entscheidend ist dabei, daß das Parlament den auf Vorschlag der Kommission erarbeiteten gemeinsamen Standpunkt ablehnen kann und dadurch den Rat zwingt, einstimmig zu entscheiden, während dieser ansonsten mit qualifizierter Mehrheit entscheidet.

c) Verfahren der Mitentscheidung gemäß Art. 251 EGV Eine weitergehende Beteiligung an dem Erlaß von Gemeinschaftsrechtsakten wird dem Europäischen Parlament gemäß Art. 192 Abs. 1 EGV durch die Ausübung seiner Befugnisse im Rahmen des sog. Kodezisionsverfahrens gemäß Art. 251 EGV129 gewährt. Dieses Rechtsetzungsverfahren ist im _____________ 124 Siehe z. B. Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3, 52 Abs. 1, 83 Abs. 1, 96 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 119 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, 132 Abs. 1 UAbs. 2 EGV und Art. 96 Abs. 2, 98 Abs. 2 EAGV. 125 Im Bereich der bestimmten Ermächtigungen sieht Art. 94 EGV Einstimmigkeit vor. Darüber hinaus ist aber auch im Rahmen der unbestimmten Ermächtigungen teils eine einstimmige Entscheidung erforderlich, wie z. B. nach Art. 93, 308 EGV oder Art. 203 EAGV. 126

Der EAGV enthält kein dem Art. 252 EGV entsprechendes Verfahren.

127

Zum Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 EGV siehe ausführlich H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 252 Rn. 2 ff.; M. Gellermann, in: Streinz, EGV, vor Art. 250 Rn. 11, 12 f.; eine schematische Darstellung findet sich bei M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 386; R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 519. 128

Der EGV verweist innerhalb der bestimmten Ermächtigungen nicht mehr auf das Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 EGV. Allerdings können Richtlinien nach dem Verfahren des Art. 252 EGV im Rahmen der unbestimmten Ermächtigungen erlassen werden, wie z. B. nach Art. 106 Abs. 2 S. 2 EGV. 129

Zum Kodezisionsverfahren des Art. 251 EGV siehe H. Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Kommentar, Art. 251 Rn. 4 ff.; O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die

II. Verfahren zum Erlaß von Richtlinien

49

EGV130 in mehreren Ermächtigungen zum Erlaß von Richtlinien vorgeschrieben.131 Charakteristisch an diesem Verfahren ist, daß dem Europäischen Parlament die Möglichkeit eingeräumt wird, die vom Rat geplanten Rechtsakte − also auch Richtlinien − zu blockieren, d. h., es hat ein Vetorecht. Das Recht, einen Rechtsakt gegen den Willen des Rates durchzusetzen, besteht jedoch nicht.

2. Erlaß von Richtlinien durch die Kommission a) Originäre Rechtsetzungsbefugnisse der Kommission Sowohl der EGV als auch der EAGV sehen für die wenigen Fälle, in denen die Kommission zum Erlaß von Richtlinien ermächtigt ist,132 keine besonderen Verfahren vor.133 Soweit die Kommission zur Rechtsetzung befugt ist, verlangen die Römischen Verträge weder eine Beteiligung des Europäischen Parlamentes noch eine solche des Wirtschafts- und Sozialausschusses;134 auch der Rat ist in dieses Rechtsetzungsverfahren nicht involviert.135 Die Kommission faßt ihre Beschlüsse gemäß Art. 219 Abs. 1 EGV mit der Mehrheit der in Art. 213 EGV bestimmten Anzahl ihrer Mitglieder.

_____________ Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 353 (357 f.); M. Gellermann, in: Streinz, EGV, vor Art. 250 Rn. 11, 14 f.; H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 5 Rn. 75 ff.; ausführlich mit schematischer Darstellung F. von Burchardt, Vertrag über die Europäische Union: Auswirkungen auf die Rechtsetzungsverfahren nach dem EWGV, DÖV 1992, S. 1035 (1039 ff.); eine schematische Übersicht enthalten ferner M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 387; R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 519. 130

Der EAGV enthält kein dem Art. 251 EGV entsprechendes Verfahren.

131

Siehe z. B. im Bereich der bestimmten Ermächtigungen Art. 40, 44 Abs. 1, 46 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 2 EGV oder im Bereich der unbestimmten Ermächtigungen Art. 95 Abs. 1 S. 2, 153 Abs. 4 UAbs. 1, 175 Abs. 3 S. 1 EGV. 132

Siehe z. B. für den Bereich der bestimmten Ermächtigungen Art. 33 Abs. 7, 45 Abs. 2 UAbs. 4, 90 Abs. 3, 97 Abs. 2 EGV sowie Art. 38 Abs. 2, 82 Abs. 3 S. 1 EAGV. 133

Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 389.

134

Vgl. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 10; ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 76; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 15. 135

Vgl. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 15.

50

2. Teil: Ermächtigungsgrundlagen und Verfahren zum Richtlinienerlaß

b) Delegierte Rechtsetzungsbefugnisse Im Rahmen der Regeldelegation hat der Rat Ausschußverfahren eingeführt, durch die die Rechtsetzung der Kommission an die Beteiligung diverser Ausschüsse gebunden ist.136 Die „Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse (sc. der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse) [Anm. d. Verf.]“ hat der Rat gemäß Art. 202 Spstr. 3 S. 2 und 4 EGV durch den sog. „Comitologie“-Beschluß vom 13.07.1987137 geregelt.138

_____________ 136 Vgl. M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 390; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 15 ff.; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 10. 137 Beschl. 87/373/EWG v. 13.7.1987, ABl. 1987 Nr. L 197/33. 138 Vgl. dazu S. Magiera, Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im europäischen Integrationsprozeß, DÖV 1998, S. 173 (175); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 353 (356).

Dritter Teil

Verbindlichkeit und Regelungsintensität der Richtlinie I. Einführung in die Problemstellung Angesichts der Regelung des Art. 249 Abs. 3 EGV, wonach die Richtlinie „hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich“ ist, „jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ überläßt, stand die Frage nach der Verbindlichkeit und der Regelungsintensität der Richtlinie lange Zeit „nicht nur im Mittelpunkt der dogmatischen, sondern auch der politischen Auseinandersetzung“1. Dies zeigt sich deutlich an dem unter der Bezeichnung „Décalogue“ bekannt gewordenen Aide-mémoire des damaligen französischen Außenministers Couve de Murville, in dem es − wiewohl bezogen auf die Kommission, jedoch nicht minder gültig für den Rat2 − heißt: „Es muß zugegeben werden, daß die Kommission in der Praxis sehr häufig Richtlinien erläßt, in denen die anzuwendenden Regeln bis in alle Einzelheiten beschrieben werden. Den Staaten wird allein die Möglichkeit gelassen, die innerstaatliche Form, in die der Inhalt gekleidet wird, zu wählen und die zur Inkraftsetzung erforderlichen innerstaatlichen Maßnahmen zu ergreifen. Eine derartige Praxis seitens der Kommission stellt deutlich einen Versuch dar, die Materie, die derartige Richtlinien zum Gegenstand hatten, von der einzelstaatlichen zur gemeinschaftlichen Kompetenz hinübergleiten zu lassen. Derartige Abwege müssen ausgeschaltet werden.“3

Diese Kritik der französischen Regierung vermochte jedoch keine Änderung der Richtlinienpraxis herbeizuführen, 4 wie sich auch dem Schrifttum entnehmen _____________ 1 N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 47; i. d. S. auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 85 f.; dazu auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (74), der im Jahre 1972 hinsichtlich der Bindungswirkung der Richtlinien von der „bis in letzte Zeit wohl am meisten umstrittenen Problematik des Instrumentes Richtlinie“ spricht. 2 Ganz so auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 87. 3 Bull. der EWG 1966 Nr. 3, S. 6 f.; i. d. S. äußerte sich bereits Ch. Runge, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, JuS 1964, S. 391 (393 f.). 4 Vgl. statt vieler die RL 84/634/EWG v. 12.12.1984, ABl. 1984 Nr. L 331/33.

52

3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

läßt, das immer wieder − ungeachtet der rechtlichen Wertung − auf äußert detaillierte Richtlinienregelungen hinweist.5 Im folgenden wird nun der Fragestellung nachgegangen, ob eine derartige Gemeinschaftspraxis in Anbetracht der vertraglichen Konzeption der Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV als zulässig erachtet werden kann.

II. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Auf Antrag der italienischen Regierung befaßte sich der Gerichtshof 6 mit der von der Hohen Behörde erlassenen Entscheidung Nr. 18/597, die er für nichtig erklärte, da Art. 70 Abs. 3 EGKSV keine Entscheidungsbefugnis darstelle, son_____________ 5

Vgl. etwa D. Eckert, Die Angleichung des Lebensmittelrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, NJW 1967, S. 473 (474, 477); H. Siedentopf, Europäische Gemeinschaft und kommunale Beteiligung, DÖV 1988, S. 981 (986); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (389 f.); Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 50 f., 53; L.-J. Constantinesco, Die unmittelbare Anwendbarkeit von Gemeinschaftsnormen und der Rechtsschutz von Einzelpersonen in der EWG, 1969, S. 80, der darauf hinweist, daß „die Richtlinie … tatsächlich die Tendenz (habe), eine an die Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidung zu werden, wenn ihr Inhalt so genau (sei) und ins Einzelne geh(e), daß der den Mitgliedstaaten belassene Spielraum praktisch beseitigt (sei)“; R. Wägenbaur, Die Umsetzung von EG-Recht in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (311); C. Simanski, Noch einmal: Der Begriff „Forschung“ im Gentechnikrecht, NVwZ 1992, S. 352 (353); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955); J. Schwarze/U. Becker/Ch. Pollak, Die Implementation von Gemeinschaftsrecht, 1993, S. 33; R. Steinberg/B. Klößner, Zur unmittelbaren Wirkung von Umweltschutz-Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1994, S. 33 (35); K. Winkel, Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen in der Praxis, ZG 1997, S. 113 (119); M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 7; bezogen auf das Umsatzsteuerrecht weist H. J. Herrmann, Einwirkung von EGRichtlinien auf das nationale deutsche Umsatzsteuerrecht, RIW 1992, S. 566 (566), darauf hin, „daß die 6. EG-Richtlinie die Inhalte des nationalen Umsatzsteuerrechts − abgesehen von den Steuersätzen − fast vollständig“ vorgebe; ganz so auch W. Reiß, Kein Renditefonds, UR 2003, S. 428 (431), der, bezogen auf die Sechste Umsatzsteuerrichtlinie, von einer „detailversessenen Regelungswut, die so mitnichten durch den Harmonierungsauftrag des Art. 93 EG(V) geboten ist“, spricht; M. Groh, Bilanzrecht vor dem EuGH, DStR 1996, S. 1206 (1206); mit ausführlichen Beispielen N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 48 ff.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 87 ff.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (75 ff.); auch M. Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EGRichtlinien, 1999, S. 10. 6 EuGH v. 15.7.1960 – Rs. 20/59 (Italien/Hohe Behörde), Slg. 1960, S. 681 ff. 7 Entscheidung Nr. 18/59 v. 18.2.1959, ABl. 1959, S. 287.

II. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

53

dern nur zum Erlaß von Empfehlungen ermächtigen könne. Diesbezüglich führte der Gerichtshof aus: „In den Fällen, in denen ihr (sc. der Kommission) [Anm. d. Verf.] eine derartige Verordnungsgewalt nicht zugestanden, sondern den Mitgliedstaaten vorbehalten ist, darf die Hohe Behörde jedoch … lediglich zu einer Empfehlung greifen und ihnen nicht von vornherein die Wahl aufzwingen, die sie selbst unter den in Betracht kommenden Mitteln getroffen hat.“8

Aus diesem Satz folgert Manfred Zuleeg, daß der Gerichtshof den Unterschied zwischen Entscheidungen und Empfehlungen nach Art. 14 Abs. 2 und 3 EGKSV benutze, „um den Umfang der Kompetenz zu kennzeichnen.“9 Der Gerichtshof betone die in den verschiedenen Handlungsformen liegende „Kompetenzabstufung“10, treffe somit also mittels der unterschiedlichen Beschlussformen „eine Aussage über die Kompetenzgrenzen.“11 Dabei ist jedoch zu beachten, daß der Gerichtshof die oben bezeichnete Empfehlung nicht aufgrund ihrer Regelungsintensität aufhob, sondern weil der Hohen Behörde keine entsprechende Regelungsbefugnis zustand. Dennoch lag es nahe, anzunehmen, daß der Gerichtshof bei zukünftigen Urteilen auch über die Grenzen der Gewährleistung der Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten entscheiden würde. Dem war jedoch nicht so, wie sich den Ausführungen von Nikolaus Weber entnehmen läßt, der angesichts der Rechtssache 33/7012, in der sich der Gerichtshof mit der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie 68/3113 befaßte, darauf hinweist, daß dieser auf das Argument, die Wahl der Form und der Mittel müsse den Mitgliedstaaten überlassen werden, nicht eingegangen sei, sondern „es vermieden (habe), die Rechtmäßigkeit weiter Bereiche der Richtliniengebung der Gemeinschaftsorgane in Zweifel zu ziehen.“14 Demgemäß kann auch Arno Scherzberg zugestimmt werden, wenn er ausführt, daß der Gerichtshof sich zur Regelungsintensität von Richtlinien „bislang nicht ausdrücklich geäußert, jedoch inhalt_____________ 8

EuGH v. 15.7.1960 – Rs. 20/59 (Italien/Hohe Behörde), Slg. 1960, S. 681 (711); dazu krit. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 51, der den Rückgriff auf diese Unterscheidung als unnötig ansieht, da es ihrer für die Entscheidung nicht bedurft hätte. 9 M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 279. 10 M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (9 f.). 11 M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 280. 12 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 33/70 (S.A.C.E./Finanzministerium Italien), Slg. 1970, 1213 ff. 13 RL 68/31/EWG v. 22.12.1967, ABl. 1968 Nr. L 12/8. 14 N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 57.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

lich abschließende Vorgaben in Richtlinien in einer Reihe von Entscheidungen inzident gebilligt“15 habe. Teile des Schrifttums versuchen ein derartiges Ergebnis zusätzlich zu untermauern, indem sie auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen verweisen, wonach Richtlinien inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein müßten,16 und daraus folgern, daß diese Rechtsprechung unverständlich sei, falls die Richtlinie keine Detailregelungen enthalten dürfe.17 Diese Argumentation verkennt aber, daß bei der Direktwirkung von Richtlinien die einzelnen Bestimmungen einer Richtlinie Prüfungsgegenstand sind, während bei der Regelungsintensität einer Richtlinie auf diese in ihrer Gesamtheit abzustellen ist. 18 Daher läßt die Rechtsprechung zur Direktwirkung von Richtlinien keine Aussagen über die Detailliertheit von Richtlinien zu. Demnach bleibt festzuhalten, daß die Rechtsprechung des Gerichtshofs detaillierte Bestimmungen in Richtlinien zuläßt bzw. zumindest billigt.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie Anders als in der Rechtsprechung des Gerichtshofs fand im Schrifttum eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage der Verbindlichkeit und der zuläs_____________ 15

A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (574); i. d. S. auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 197; W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (3); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (35); Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (11); A. Bleckmann, Probleme der Auslegung von EWG-Richtlinien, RIW 1987, S. 929 (929, Fn. 2); A. Roßnagel, Lernfähiges Europarecht − am Beispiel des europäischen Umweltrechts, NVwZ 1997, S. 122 (125); U. Everling, Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380); R. Breuer, EGRichtlinien und deutsches Wasserrecht, WiVerw 1990, S. 79 (95); M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (473); U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (129); R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1989, S. 577 (582); A. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 1994, S. 49. 16 Dazu näher 7. Teil, II. 3., S. 182 ff. 17 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 22 f.; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 57; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 99. 18 Siehe dazu auch 7. Teil, II. 3., S. 183.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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sigen Regelungsintensität der Richtlinie statt,19 ohne die Problematik letztendlich befriedigend zu klären. Die Ursache für diese nach nunmehr fast einem halben Jahrhundert immer noch bestehende Unklarheit muß in der mangelnden Klärung des Regelungsinhaltes der „abstrakte(n) Formel“20 des Art. 249 Abs. 3 EGV gesehen werden.21 Nach dieser Legaldefinition besteht bisher nur insoweit Einigkeit, als sie einerseits eine unbedingte Verpflichtung für die Mitgliedstaaten zur innerstaatlichen Verwirklichung des in der Richtlinie angegebenen zu erreichenden Zieles enthält und andererseits den Mitgliedstaaten aber einen gewissen Entscheidungs- und Betätigungsspielraum in der Wahl der Form und der Mittel für die Zielerreichung einräumt. 22 Fraglich ist jedoch, wo die Grenzziehung zwischen Verpflichtung und Betätigungsfreiheit verläuft und wie der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten schließlich gewährleistet werden soll.23

_____________ 19

Einen ausführlichen Überblick über die im Schrifttum vertretenen Ansichten geben M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 261 ff.; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 57 ff.; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 92 ff.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (77 f.); aus jüngerer Zeit Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 51. 20 E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (380, Fn. 38). 21 Auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 98, betrachtet als eigentliche Ursache der bisherigen „Unsicherheit in der Beurteilung der zulässigen Regelungsintensität der Richtlinien …, daß es bisher noch nicht gelungen (sei), den Inhalt und die Bedeutung des Art. 189 Abs. 3 [= Art. 249 Abs. 3 n. N.] restlos zu klären.“ I. d. S. auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (79). 22

Vgl. R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 1 f. Soweit die Literatur zu anderen Ergebnissen gelangt, sind diese nicht auf ein anderes Verständnis der Legaldefinition der Richtlinie zurückzuführen, sondern auf Gründe, die außerhalb der Richtliniendefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV liegen; ganz i. d. S. H. P. Ipsen, RichtlinienErgebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (72), der ausführt: „Vor allem aber scheint sich diese einhellige Meinung auch deshalb unbehaglich zu fühlen, weil sie sich nicht mehr in Harmonie weiß mit der Legaldefinition des Art. 189 Abs. III [= Art. 249 Abs. III n. N.] und ihrem Element des Richtlinien-Zieles, wie sie es versteht.“ Nur so lassen sich auch die Ausführungen von R. Riegel, Umweltschutzaktivitäten der Europäischen Gemeinschaften auf dem Gebiete des Wasserrechts und deren Bedeutung für das innerstaatliche Recht, DVBl. 1977, S. 82 (84), verstehen, der davon spricht, daß „Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.], der an sich den innerstaatlichen Stellen ,die Wahl der Form und Mittel‘ bei der Umsetzung (überlasse), … durch die von der h. M. gebilligte Praxis … zu einer ‚Leerformel reduziert‘“ worden sei. 23

Vgl. R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 2.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

1. Das Ausmaß der Verbindlichkeit des Richtlinieninhaltes im Hinblick auf die den Mitgliedstaaten zugebilligte Wahlfreiheit der Form und der Mittel Wie sich Art. 249 Abs. 3 EGV entnehmen läßt, ist die Richtlinie nur „hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich“, während sie „die Wahl der Form und der Mittel“ den Mitgliedstaaten überläßt. Demzufolge wird der Umfang der Bindung und der Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten von der Legaldefinition selbst bestimmt und nicht etwa von der Richtlinie.24 Daher muß eine erlassene Richtlinie anhand der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV daraufhin überprüft werden können, inwieweit sie die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet ist, bindet und ob sie diesen die Wahl der Form und der Mittel überläßt. Erhält nun ein Mitgliedstaat eine Richtlinie, so muß er zuerst das zu erreichende Ziel der Richtlinie ermitteln, da er durch dieses gebunden ist, und kann im Anschluß daran die zur Zielerreichung geeignete Wahl der Form und der Mittel treffen.25 Fraglich ist jedoch, wie eine Richtlinie zu behandeln ist, wenn sie über das Ziel hinaus auch Form- und Mittelangaben enthält bzw. wenn das Ziel so detailliert vorgegeben wird, daß dem Mitgliedstaat letztlich keine Form- und Mittelwahl verbleibt. Daher wird im folgenden zunächst der Frage nachgegangen, ob die Richtlinie überhaupt Regelungen zu Form und Mittel enthalten darf. Ist sie zu verneinen, so muß die Richtlinie bereits aufgrund der Angaben von Form und Mittel als mit der Legaldefinition nicht vereinbar beurteilt werden;26 wird sie bejaht, bleibt zu untersuchen, wie das verbindlich zu erreichende Ziel _____________ 24 So auch U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696). 25 Denkbar wäre z. B. eine Richtlinie, die – idealiter – wie folgt lauten könnte:

Art. 1 [Regelungsziel]. (1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß in den in Absatz 2 bezeichneten Gewässern die Schwermetallbelastung den Grenzwert von 0,5 μg/m³ nicht überschreitet. (2) Gewässer im Sinne des Absatzes 1 sind: − alle Flüsse, − Seen, Teiche und ähnliche Gewässer, deren Wasservolumen 5.000 m³ übersteigt. Art. 2 [Adressat]. Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet. Anhand dieser Richtlinie könnte jeder Mitgliedstaat, das zu erreichende Ziel ermitteln, nämlich die Sicherstellung, daß der in der Richtlinie bezeichnete Grenzwert in den genannten Gewässern nicht überschritten wird. In der Form- und Mittelwahl wären die Mitgliedstaaten dabei frei. So könnten sie z. B. entsprechende Klärwerke einrichten oder die Zuleitung von Schadstoffen durch Auflagen begrenzen. 26 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 101; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (80 f.).

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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der Richtlinie von den unverbindlichen Form- und Mittelangaben abgegrenzt werden kann.27

a) Durchgehende oder teilweise Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts? Betrachtet man den ersten Halbsatz des Art. 249 Abs. 3 EGV, wonach „die Richtlinie … hinsichtlich [Hervorh. d. Verf.] des Zieles verbindlich“ ist, so legt diese Formulierung nahe, daß die Richtlinie nur teilweise verbindlich ist und neben dem verbindlichen Teil auch einen unverbindlichen enthält28 oder zumindest enthalten kann.29 Unterstützt wird diese Annahme der partiellen Verbindlichkeit der Richtlinie auch durch eine Gegenüberstellung des Art. 249 Abs. 3 EGV mit dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Absatz, in denen die Verordnung und die Entscheidung legaldefiniert werden: Während die letztgenannten „in allen ihren Teilen“ (argumentum ex Art. 249 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 EGV) verbindlich sind, erstreckt sich die Richtlinienverbindlichkeit nur auf das zu erreichende Ziel, woraus gefolgert werden könnte, daß die Richtlinie nach dem Willen der Vertragsschöpfer gerade nicht durchgehend verbindlich sein sollte.30 Aber auch dieser systematische Vergleich erscheint jedoch keineswegs zwingend.31 Gegen eine teilweise Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts ließe sich einwenden, daß die Formulierung „überläßt [Hervorh. d. Verf.] jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ (Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 _____________ 27

Siehe D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 100; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (80). 28 Vgl. U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696); i. d. S. auch M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (650), die von der „Zweiteilung der Richtlinie in einen verbindlichen und einen unverbindlichen Teil“ spricht. 29 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 102; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (81); M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (11). 30 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 102 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (81); M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 280 f.; i. d. S. auch ders., Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (471). 31 So auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 62 m. H.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

EGV) eher dafür spricht, daß sich der Richtlinieninhalt auf Zielangaben beschränken muß und keine Angaben hinsichtlich Form und Mittel enthalten darf, so daß die Richtlinie letztlich als durchgehend verbindlich anzusehen wäre, da sie nur das zu erreichende Ziel vorgibt. 32 Andererseits verlangt der zweite Halbsatz der Legaldefinition lediglich, daß „den innerstaatlichen Stellen die Wahl [Hervorh. d. Verf.] der Form und der Mittel“ überlassen wird, was auch möglich ist, wenn die Richtlinie diesbezüglich mehrere alternative Form- und Mittelangaben enthält.33 Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 EGV nötigt also nicht zu einer Auslegung, wonach die Richtlinie nur Zielangaben enthalten darf.34 Es bleibt daher festzuhalten, daß die Richtlinie aufgrund ihrer Legaldefinition nicht als durchgehend verbindlicher, auf die Angabe von Zielen beschränkter Rechtsakt angesehen werden muß, sondern durchaus auch unverbindliche Form_____________ 32

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 101; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (80); a. A. U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696). 33 Zu denken wäre hierbei z. B. an eine Richtlinie, die wie folgt aussehen könnte: Art. 1 [Regelungsziel]. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, daß innergemeinschaftliche Lieferungen im Ursprungsland nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Art. 2 [Vorschlag von Mitteln zur Erreichung des Regelungsziels]. Den Mitgliedstaaten bleibt freigestellt, ob sie zur Erreichung des in Absatz bezeichneten Regelungsziels die innergemeinschaftliche Lieferung im Ursprungsland als nicht steuerbar oder als steuerbar, aber steuerbefreit behandeln. Art. 3 [Adressat]. Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet. Obwohl nach dem Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 EGV sogar die Angabe von Form und Mittel als verbindlich angesehen werden könnte, sofern noch eine Wahl − der Begriff der „Wahl“ müßte allerdings enger verstanden werden − zwischen den Vorgaben des Richtliniengebers bestünde, muß dem widersprochen werden, da eine solche Auslegung nicht mit dem ersten Halbsatz dieser Vorschrift vereinbar wäre, welche die Richtlinienverbindlichkeit ausdrücklich auf das zu erreichende Ziel begrenzt. Bezogen auf obige beispielhafte Regelung würde dies bedeuten, daß die Nichtbelastung der innergemeinschaftlichen Lieferung im Ursprungsland auch durch andere als die unverbindlich vorgeschlagenen Mittel hergestellt werden könnte, wie z. B. in Form eines Vergütungsverfahrens für die entrichtete Umsatzsteuer, da auch dieses die Erreichung des angestrebten Ziels gewährleistet. 34 Siehe dazu N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 63, der ausführt: „Wenn die Wendung (sc. Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 EGV) [Anm. d. Verf.] auch nicht zu der Folgerung nötigt, daß Form und Mittelangaben in einer Richtlinie schlechthin unzulässig seien, so läßt sie doch erkennen, daß es nicht der Normalfall sein kann, daß den Mitgliedstaaten mittels der unverbindlichen Teile einer Richtlinie Form und Mittel ,vorgeschrieben‘ werden.“

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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und Mittelangaben enthalten kann; Art. 249 Abs. 3 EGV vermag letzteres zumindest nicht auszuschließen.35

b) Abgrenzung von „Ziel“ einerseits sowie von „Form“ und „Mittel“ andererseits Darf also die Richtlinie über das Ziel hinaus auch Form- und Mittelangaben enthalten, stellt sich die Frage, wie das Ziel als verbindliches Richtlinienelement von den unverbindlichen Bestandteilen des Richtlinieninhalts unterschieden werden kann.36 Dies ist aber nur durch eine Abgrenzung der Begriffe „Ziel“ einerseits sowie „Mittel“ und „Form“ andererseits möglich, es sei denn, daß der Richtliniengeber die Form- und Mittelangaben ausdrücklich als solche kennzeichnet und dadurch zu erkennen gibt, daß diese unverbindlich sind. Nach der Auffassung von Hans-Wolfgang Daig bereitet eine solche Abgrenzung keine Probleme, da das Ziel als „rechtlicher, wirtschaftlicher und/oder sozialer Gesamtzustand“ statisch zu verstehen sei, während Form und Mittel die Wege bezeichne, „auf denen diese Ergebnisse erreicht werden“37 könnten, wobei es sich einmal um die „Rechtstechnik“ und zum anderen um „die wirtschafts_____________ 35

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 103; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (81); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 17; U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696); i. d. S. auch H. v. Meibom, Die Rechtsetzung durch die Organe der Europäischen Gemeinschaften, BB 1959, S. 127 (129); a. A. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 62 ff. 36 Es muß darauf hingewiesen werden, daß, selbst wenn man zu der Überzeugung käme, daß die Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV als durchgehend verbindlicher Rechtsakt konzipiert ist, der nur aus Zielangaben besteht, auch dies voraussetzt, daß Ziel, Mittel und Form unterschieden werden können, da nämlich ansonsten nicht klar wäre, was letztlich in die Richtlinie aufgenommen werden dürfte. Ohne eine solche Abgrenzung wäre eine Sicherung der mitgliedstaatlichen Wahl der Form und der Mittel nicht möglich, da das verbindliche Ziel beliebig detailliert vorgeschrieben werden könnte und der Richtliniengeber somit frei darüber entscheiden könnte, inwieweit er den Mitgliedstaaten die ihnen vertraglich zustehende Wahlfreiheit zubilligt. Im Ergebnis ist also eine Abgrenzung von Ziel, Form und Mittel auch bei durchgehender Verbindlichkeit der Richtlinie erforderlich, um den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten zu erhalten; letzterer könnte ansonsten nur durch eine inhaltliche Kompetenzbeschränkung des Richtliniengebers gewährleistet werden; siehe dazu näher 3. Teil, III. 2., S. 66 ff. 37 H.-W. Daig, in: von der Groeben/Boeckh/Thiesing, EWGV, Kommentar, 1. Aufl. 1960, Vorbem. Art. 189, IV C. b), S. 196.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

und sozialpolitische Methode“38 handele; „dazu, was in dieser Hinsicht als Ziel, was als Mittel zu gelten“ habe, müsse „in erster Linie der gesunde Menschenverstand befragt werden“39. In Anlehnung an die Begrifflichkeiten von HansWolfgang Daig bezeichnet auch Heinhard Steiger die Ziele als „statisch“, während „die Formen und Mittel als Wege zu ihnen … dynamisch“ seien; die Richtlinie schreibe demnach einen „statischen Ruhezustand als zu erreichendes Ziel vor, während sie die dynamische Handlung, den Weg, dem Betroffenen“40 überlasse. Gegen eine derartige Erklärung der strittigen Begriffe wendet Joachim Kreplin zu Recht ein, daß sie kaum zur Klärung beitrügen; daran vermöge auch die Befragung des gesunden Menschenverstands nichts zu ändern, da durch sie „keine allgemein gültige Auslegung der strittigen Begriffe zu gewinnen“ 41 sei. Seines Erachtens habe sich „die Auslegung der Begriffe ,Form und Mittel‘ … danach zu richten, was im einzelnen Fall nicht notwendig in die Formulierung des ,Ziels‘ aufgenommen werden (müsse), um dieses zu erreichen.“ 42 Folglich be_____________ 38

H.-W. Daig, in: von der Groeben/Boeckh/Thiesing, EWGV, Kommentar, 1. Aufl. 1960, Vorbem. Art. 189, IV C. b), S. 197. 39 H.-W. Daig, in: von der Groeben/Boeckh/Thiesing, EWGV, Kommentar, 1. Aufl. 1960, Vorbem. Art. 189, IV C. b), S. 196. In der vierten Auflage dieses Kommentars hat sich hinsichtlich der zitierten Textstellen in der gemeinsamen Kommentierung von ders./G. Schmidt, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, Kommentar, 4. Aufl. 1991, Art. 189 Rn. 37, 39, keine Änderung der Begrifflichkeiten ergeben, jedoch unterbleibt der Rückgriff auf den gesunden Menschenverstand, der ehemals zur Unterscheidung von Ziel und Mittel dienen sollte; ebenso nun auch G. Schmidt, in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, 6. Aufl. Art. 249 Rn. 38, 40. 40 H. Steiger, Staatlichkeit und Überstaatlichkeit, 1966, S. 74. 41 J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (469); i. d. S. auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 110; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (84); M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 262, der ebenfalls die von Heinhard Steiger vertretene Ansicht ablehnt („Steine statt Brot gibt Steiger“) und hinsichtlich der Ausführungen von Hans-Wolfgang Daig zutreffend darauf verweist, daß sich anhand des gesunden Menschenverstands „keine Kriterien für eine Kompetenzbeschränkung des Richtliniengebers gewinnen“ ließen. Hierbei sei angemerkt, daß sowohl Manfred Zuleeg als auch Joachim Kreplin sich auf die Ausführungen von H.-W. Daig, in: von der Groeben/Boeckh, EWGV, Kommentar, Vorbem. III C. b) vor Art. 189 EWGV, 1. Aufl., S. 196 f., beziehen und nicht auf die in den Fn. 37 bis 39 bezeichnete Textquelle, was aber bedeutungslos ist, da es sich nur um verschiedene Auflagen des zitierten Kommentars handelt, die aber hinsichtlich des relevanten Textausschnitts nahezu identisch sind. 42 J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 100 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (469).

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

61

schränkt sich das Ziel auf diejenigen Angaben, die zu dessen Erreichung erforderlich sind; Form und Mittel ergeben sich als Residuum. Eine solche Interpretation führt aber zu einem circulus vitiosus, da die Bestimmung des Ziels − und somit auch der Form und der Mittel − voraussetzt, daß das Ziel bereits bekannt ist;43 dies ergibt sich daraus, daß ohne Kenntnis des Zieles auch nicht die zu seiner Erreichung erforderlichen Richtlinienangaben ermittelt werden können. Bodo Börner ist hingegen der Ansicht, daß „Ziel und Mittel nur relative Begriffe“ seien, so daß „in Wahrheit nur eine Kette von Vorstellungen“ vorliege, „von denen jede einzelne zugleich Ziel und Mittel“44 sei. 45 Daher müsse „Art. 189 Abs. III EWGV [= Art. 249 Abs. III EGV n. N.] mit dem Versuch, den Umfang der Richtlinienverbindlichkeit durch den Ausdruck ,Ziel‘ einzuschränken, scheitern“46. Auch Heinz Wagner hält „die Scheidung zwischen Ziel und Mittel als rechtliche Kriterien“47 für unmöglich. Ebenso kommt Dieter Oldekop im Rahmen seiner grundlegenden Untersuchung zu dem Ergebnis, daß eine Unterscheidung des Richtlinieninhaltes mittels der strittigen Begriffe „Ziel“, „Form“ und „Mittel“ nicht möglich sei: „Die Auslegung der Begriffe ,Ziel‘, ,Mittel‘ und ,Form‘ ermöglicht es nicht, Ziel-Elemente einerseits und Form- und/oder Mittel-Elemente andererseits innerhalb einer gegebenen Richtlinie voneinander abzugrenzen und damit zwischen verbindlichen und unverbindlichen Teilen zu unterscheiden. Diese Feststellung erklärt sich durch die Er-

_____________ 43 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 111, der zutreffend ausführt: „Ohne Aussagewert ist schließlich die von Kreplin verwendete Formel … Da Kreplin nicht sagt, was unter dem Begriff ‘Ziel’ zu verstehen sei, wird hier ein unbekannter Begriff durch einen anderen ebenso unbekannten definiert und so kein praktikables Ergebnis erzielt.“ Ebenso ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (84). 44 B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 100. 45 Diese These läßt sich anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen: Betrachtet man die RL 76/207/EWG v. 9.2.1976, ABl. 1976 Nr. L 39/40, so gibt diese in Art. 1 als Ziel die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich der Beschäftigung an; nach Art. 3 Abs. 2 lit. a) sollen die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck sicherstellen, daß die diskriminierenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden. Wie die Mitgliedstaaten diese Beseitigung vornehmen, wird ihnen von der Richtlinie nicht vorgeschrieben. Unklar bleibt hier, inwiefern die Richtlinie Ziele und Mittel vorgibt, wie sich z. B. deutlich an Art. 3 Abs. 2 lit. a) zeigt: Dieser ist einerseits Mittel im Hinblick auf das Ziel des Art. 1, andererseits aber auch selbst ein Ziel im Hinblick auf die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Beseitigung der diskriminierenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften. 46 B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 105. 47 H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 222, Fn. 23.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität kenntnis, daß die Begriffe ,Ziel‘ und ,Mittel‘ lediglich relative Kategorien sind, mit denen nicht eine feststehende Eigenart, sondern nur eine auswechselbare Funktion bezeichnet wird … Im Verhältnis zu dem relativen Gegensatz Mittel-Ziel stellt auch der Begriff ,Form‘ keine zur Abgrenzung geeignete Kategorie dar.“ 48

Die von Bodo Börner, Heinz Wagner und Dieter Oldekop vertretene Auffassung findet sich bei zahlreichen Autoren im Schrifttum wieder. 49 Gegen diese Sichtweise wendet Achim André ein, daß zwar „jedes Ziel auch Mittel sein und jedes Mittel auch ein Ziel darstellen“ könne, Ziel und Mittel aber dennoch keine austauschbaren Begriffe seien, sondern „immer in einer Zuordnungseinheit“50 stünden; so sei z. B. das Ziel A durch das Mittel B zu erreichen und nicht umgekehrt. Die Einführung der Zuordnungseinheit reiche jedoch nicht aus, um „Ziel und Mittel eindeutig voneinander zu trennen“51; hierzu müsse noch auf die „Abstraktionsstufe der Zielbeschreibung“ 52 abgestellt wer_____________ 48

D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 140; zust. R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 4; auch H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 17 f.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 422 ff.; a. A. W. Rohde-Liebenau, Rechtsetzung auf Grund EWG-Richtlinien und OECD-Beschlüssen, AWD 1970, S. 304 (306). 49 So etwa N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 60; A. D’Atena, Zur Problematik der EG-Richtlinien, 1986, S. 18 f.; R. Breuer, EG-Richtlinien und deutsches Wasserrecht, WiVerw 1990, S. 79 (95 f.); U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (127); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (652); E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (380); ganz i. d. S. auch H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 293; M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (11); dazu auch ders., Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 261, der zwar eine Unterscheidbarkeit von „Ziel“ und „Mittel“ entschieden ablehnt, sich dadurch jedoch in Widerspruch zu seinen nachfolgenden Ausführungen setzt, wo er Ziel und Mittel mittels der Rechtsfigur der „Natur der Sache“ (l.c., S. 282) abgrenzen möchte, um so „die wesentlichen Gesichtspunkte herauszufinden und von den unverbindlichen Einzelvorschlägen zu unterscheiden“ (l.c., S. 281). Auf diesen Widerspruch weist auch D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (88, Fn. 168), hin. 50 A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (194). 51 A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (195). 52 A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (196). Unter Abstraktionsstufe versteht Achim André die Bestimmtheit der Zielangabe. So liege z. B. bei folgendem (verkürzt wiedergegebenen) Beispielspaar eine unterschied-

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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den, die dem von den Gemeinschaftsorganen gewählten Wortmaterial zu entnehmen sei. Letztlich seien also „Ziel und Mittel … innerhalb einer Zuordnungseinheit begrifflich unterscheidbar und nicht austauschbar, wenn die Abstraktionsstufe der Zielangabe nicht gewechselt“53 werde. Der Aussage, daß Ziel und Mittel innerhalb einer Zuordnungseinheit nicht austauschbar seien, ist uneingeschränkt zuzustimmen, sie steht aber keineswegs in einem Widerspruch zu den von Achim André kritisierten Autoren54, da diese mit ihren Ausführungen lediglich darauf hinweisen, daß eine Richtlinie eine Kette von über- und untergeordneten Elementen enthalten kann, wobei das einzelne, je nach Betrachtungsweise, sowohl Ziel als auch Mittel sein kann, wodurch eine absolute Qualifizierung nicht möglich ist.55 Damit streiten sie aber nicht ab, daß innerhalb einer Zuordnungseinheit sehr wohl Aussagen über Ziel und Mittel möglich sind. Da der Abstraktionsgrad letztlich nicht ausschließen kann, daß eine Richtlinienbestimmung gleichzeitig Bestandteil zweier Zuordnungseinheiten ist, wobei sie innerhalb der einen als Mittel und innerhalb der anderen als Ziel anzusehen ist, kann auch er nicht zu einer eindeutigen, einander ausschließenden Abgrenzung von Ziel und Mittel innerhalb einer Richtlinie beitragen.56

c) „Richtlinien-Ergebnisse“ als verbindliches Ziel Ausgehend von der Erkenntnis, daß die „Deutungs- und Definitionsschwierigkeiten“ der Legaldefinition der Richtlinie auf die versuchte Unterscheidung zwischen dem verbindlichen Ziel einerseits, der mitgliedstaatlichen Wahl der Form und Mittel zu seiner Erreichung andererseits zurückzuführen ist, obgleich _____________ liche Abstraktionsstufe vor: „Ziel ist die Errichtung einer Brücke über den Fluß X; hierzu kann Stahl verwandt werden.“ bzw. „Ziel ist die Errichtung einer Stahlbrücke über den Fluß X.“ Während im ersten Fall die Verwendung von Stahl als Mittel anzusehen sei, sei sie im zweiten Fall Bestandteil des Ziels. 53

A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (196). 54

Vgl. A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (194): „Zur Erfassung des Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.] muß zunächst die von Börner, Wagner und Zuleeg vertretene Ansicht überwunden werden, daß Ziel und Mittel austauschbare Begriffe im Rahmen dieser Vorschrift seien.“ 55 Vgl. dazu D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 125, 132; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (87); B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 100. 56

Vgl. hierzu das Beispiel in Fn. 52. Ablehnend auch, jedoch mit anderer Begründung, D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (89 f.).

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

sowohl die Zielerreichung als auch die Form- und Mittelwahl − „jedenfalls wenn als ,Ziel‘ eines Rechtsaktes das verstanden wird, was bislang darunter begriffen wurde und gemeinhin sprachlich unter einem ,Ziel‘ verstanden wird“ 57 − „in der Frage ihrer ,Verbindlichkeit‘ keine kommensurablen Größen sind“ 58, versucht Hans Peter Ipsen diese im Wortlaut des Vertragstextes gesehenen Schwierigkeiten zu überwinden, indem er den „Ziel“-Begriff des Art. 249 Abs. 3 EGV einer näheren Überprüfung unterzieht, wobei er den deutschen Wortlaut „Ziel“ mit den anderen Vertragssprachen vergleicht. Aus dieser Textvergleichung sei zwingend zu folgern, daß unter „Ziel“ i. S. d. Art. 249 Abs. 3 EGV die „Ergebnisse“ eines Richtlinien-Rechtsakts zu verstehen seien, „eben die aus dem Inhalt der Richtlinie sich ergebenden Rechtswirkungen, denen der Mitgliedstaat in den von ihm zu wählenden Formen und mit den Mitteln seiner Wahl innerstaatliche Wirksamkeit zu verschaffen“59 habe. Demzufolge bestehe die Freiheit der Mitgliedstaaten … nur, soweit es die Richtlinie zulasse, mit der Folge, daß sich die Wahlbefugnis der Mitgliedstaaten auf den Umsetzungsakt beschränke und der Richtlinie im Falle einer detaillierten Ausgestaltung eine ,,,allteilige‘ Verbindlichkeit“60 beizumessen sei. Dieser Argumentation muß jedoch widersprochen werden, da sie bereits von ihrem Ansatzpunkt aus betrachtet nicht mit Art. 249 Abs. 3 EGV vereinbar ist, der eine Beschränkung der Verbindlichkeit der Richtlinie mittels der Begriffe Ziel sowie Form und Mittel beabsichtigt, um so den Mitgliedstaaten einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der zuletzt genannten zu belassen. Dieser kann aber nicht gewährleistet werden, da die Vorgabe des verbindlichen Zieles i. S. v. Richtlinien-Ergebnissen durch den Richtliniengeber die von der Legaldefinition vorgesehene Freiheit der Mitgliedstaaten beliebig einzuschränken vermag.61 Nur so erklärt sich schließlich auch, daß Hans Peter Ipsen die Wahl der Form und der Mittel auf den Umsetzungsakt − also bloß auf das Formale − begrenzt, wodurch er sich, wie Manfred Zuleeg zutreffend hervorhebt, „in Widerspruch zum Wortlaut der Legaldefinition in den rö_____________ 57

H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (70).

58

H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (70).

59

H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (74).

60

H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (80).

61

Siehe dazu D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (84), der zutreffend ausführt: „Ipsen’s [sic!] Ansicht versperrt a priori den Weg zu einer objektiven Abgrenzung, denn für die Qualifizierung einer Regelung als verbindliches Ziel wäre allein die subjektive Entscheidung des Richtliniengebers bestimmend. Damit wäre aber der eigentliche Sinn der Unterscheidung zwischen ,Ziel‘ , ,Form‘ und ,Mittel‘ − die unmittelbare Beschränkung der Richtlinien-Verbindlichkeit − ad absurdum geführt.“ Ganz i. d. S. bereits ders., Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 109.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

65

mischen Verträgen (setzt), die den Mitgliedstaaten ausdrücklich ,die Wahl der Form und der Mittel‘ zugestehen.“ 62 Da Rüdiger Schäfer auf dem von Hans Peter Ipsen gefundenen „logischabstrakte(n) Zielbegriff“ 63 aufbaut, dieser aber, wie gezeigt, nicht in der Lage ist, den Mitgliedstaaten die Wahl von Form und Mittel zu gewährleisten und somit nicht mit der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV in Einklang zu bringen ist, sind auch die Ergebnisse von Rüdiger Schäfer zur Verbindlichkeit von Richtlinienbestimmungen abzulehnen.64

d) Zwischenergebnis und Schlußfolgerung Die Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV schließt nicht aus, daß Richtlinien auch unverbindliche Form- und Mittelangaben enthalten. Um jedoch den Mitgliedstaaten einen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Form und Mittel zu belassen, muß der Inhalt einer Richtlinie eindeutig in verbindliche und unverbindliche Teile getrennt werden können. Eine solche Trennung setzt jedoch voraus, daß die Begriffe „Ziel“ einerseits und „Form“ und „Mittel“ andererseits _____________ 62

M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 267; so auch ders., Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (472): „Die Lehre von den Richtlinien-Ergebnissen rückt nur einen Teil der Bestimmung (sc. des Art. 249 Abs. 3 EGV) [Anm. d. Verf.] in den Vordergrund. Die Wahl der Mittel, die dem Mitgliedstaat zusteht, fällt unter den Tisch.“ Ebenso ders., Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (10): „Die Wahl der Mittel muß also einen materiellen Entscheidungsspielraum gewähren, sie kann sich nicht lediglich auf die Wahl der Form des Umsetzungsaktes beziehen.“ A. A. U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (129), der darlegt, daß „es letztlich als unwesentlich (erscheine), ob sich ein Mitgliedstaat nun vor die Wahl des ,Mittels‘ oder der ,Form‘ der Umsetzung gestellt“ sehe; ablehnend auch R. Riegel, Allgemeine Auslegungsgrundsätze und Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, BayVBl. 1974, S. 33 (38), der ausführt, „daß dem nationalen Gesetzgeber eine vor allem formelle Funktion zukomm(e).“ 63 64

R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 58.

Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, daß Rüdiger Schäfer seines Erachtens die Betätigungsfreiheit der Mitgliedstaaten wahrt, was aber, wie dargelegt, schon aufgrund des verwendeten logisch-abstrakten Ziel-Begriffs von Hans Peter Ipsen nicht möglich ist. Ablehnend auch H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 18 f., der die von Rüdiger Schäfer gewonnen Ergebnisse für nicht brauchbar hält, da sie keine hinreichend klaren Kriterien zur Trennung von verbindlichen und unverbindlichen Regelungen bereitstellen; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWGRichtlinien, 1989, S. 127.

66

3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

voneinander abgrenzbar sind, was aber nicht immer der Fall ist. Demzufolge läßt sich über die Verbindlichkeit einer Richtlinie keinerlei Aussage treffen. Eine Gewährleistung der mitgliedstaatlichen Wahlfreiheit hinsichtlich der Form und Mittel ist somit durch eine Beschränkung der Richtlinienverbindlichkeit ebenfalls nicht möglich. Auch Hans Peter Ipsens Lehre von den verbindlichen „Richtlinien-Ergebnissen“ bietet keinen brauchbaren Lösungsansatz für diese Problematik. Um diese „inneren Widersprüche“ 65 des Art. 249 Abs. 3 EGV aufzulösen, kann m. E. nur folgender Ausweg beschritten werden: Die Richtlinie ist nach dem Willen der Vertragsschöpfer grundsätzlich als verbindlicher Rechtsakt konzipiert, wenngleich die Verbindlichkeit auf das zu erreichende Ziel begrenzt ist.66 Da aber das Ziel innerhalb einer Richtlinie nicht eindeutig abgegrenzt werden kann, muß diese, um als funktionsfähiges Rechtsinstrument erhalten zu bleiben, als durchgehend verbindlicher Rechtsakt angesehen werden,67 dessen Verbindlichkeit sich auf alle Angaben innerhalb der Richtlinie erstreckt, die nicht ausdrücklich als unverbindlich gekennzeichnet sind, d. h., sämtliche Regelungen einer Richtlinie sind als verbindliche Zielangaben zu verstehen, es sei denn, daß die Richtlinie ausdrücklich etwas anderes regelt. Der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum muß vielmehr auf andere Art und Weise zu gewährleisten versucht werden.

2. Zulässige Regelungsintensität der Richtlinie Unabhängig von der Feststellung, daß die Richtlinie als durchgehend verbindlicher Rechtsakt angesehen werden muß, stellt sich die Frage nach der zulässigen Regelungsintensität der Richtlinie, d. h., wie detailliert die Richtlinie den Mitgliedstaaten das zu erreichende Ziel vorschreiben darf. 68 Diese Proble_____________ 65

K. Zweigert, Grundsatzfragen der europäischen Rechtsangleichung, ihrer Schöpfung und Sicherung, in: FS für H. Dölle, Bd. 2, 1963, S. 401 (413). 66 Ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 142; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (92). 67 So auch ausdrücklich D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 142; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (92); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 18. 68 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 19; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 143; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (92); auch H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 294.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

67

matik ist von entscheidender Bedeutung, da allein eine Beschränkung der Regelungsdichte der Richtlinie letztlich in der Lage ist, den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum zu erhalten. Fraglich erscheint jedoch, inwieweit die Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV überhaupt Aussagen über die zulässige Regelungsintensität der Richtlinien zuläßt.

a) Beschränkung der zulässigen Regelungsintensität durch die Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV aa) Sinn und Zweck der Legaldefinition der Richtlinie Betrachtet man nochmals die Regelung des Art. 249 Abs. 3 EGV, so regelt diese zwar primär die Verbindlichkeit der Richtlinie, sie kann jedoch nicht dahingehend ausgelegt werden, daß eine Richtlinie in ihrer Regelungsintensität frei sein müsse. Hierfür läßt sich vor allem der Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 EGV „überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ anführen, woraus deutlich ersichtlich wird, daß der Sinn und Zweck der Richtliniendefinition darin liegt, daß den Mitgliedstaaten ein gewisser Gestaltungsspielraum formeller als auch materieller Art verbleiben soll; dies muß bei der Auslegung des Art. 249 Abs. 3 EGV berücksichtigt werden. 69 Da aber, wie gezeigt wurde,70 eine Beschränkung der Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts nicht durchführbar und daher unbrauchbar für die Gewährleistung des mitgliedstaatlichen Entscheidungsspielraums ist, kann der besondere Charakter der gemeinschaftsrechtlichen Handlungsform Richtlinie nur durch eine beschränkte Regelungsintensität gewahrt werden, welche durchaus mit der Legaldefinition der Richtlinie vereinbar ist.71 Gegen eine solche Argumentation wendet sich Helmut-Ernst Schuster, der ausführt, daß die Vorschrift des Art. 249 Abs. 3 EGV zum zulässigen Inhalt einer Richtlinie nicht ausdrücklich Stellung beziehe, sondern daß mit ihr vielmehr der Versuch unternommen worden sei, eine beschränkte Verbindlichkeit der Richtlinie zu begründen, was aber wiederum gerade gegen eine Inhaltsbeschränkung spreche.72 Auch Ulrich Schatz kommt zu dem Ergebnis, daß Art. 249 Abs. 3 EGV nichts über den zulässigen Inhalt _____________ 69

So D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 146 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (93). 70 Siehe dazu 3. Teil, III. 1., S. 56 ff., insb. S. 65 f. 71 Siehe D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 142 ff.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (92 ff.); a. A. R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 8 ff. 72 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 19; i. d. S. auch R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 9 f.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

einer Richtlinie aussage, da er ausschließlich die Verbindlichkeit der Richtlinie regele.73 Zudem gehe die Vorschrift „nicht die Gemeinschaftsorgane (an), sondern, wie es im Text stehe, die Mitgliedstaaten und die innerstaatlichen Stellen“, was bedeute, daß die „Vorschrift … keine Beschränkung der Befugnisse der Gemeinschaft“74 enthalte. Dem muß jedoch widersprochen werden, da Art. 249 Abs. 3 EGV nicht nur Regelungen über die Verbindlichkeit von Richtlinien enthält, sondern vielmehr einen verbindlichen Rechtsakt konzipiert, der den innerstaatlichen Stellen einen gewissen Gestaltungsspielraum beläßt. Wenngleich dieser Spielraum der Mitgliedstaaten primär durch eine beschränkte Verbindlichkeit der Richtlinie gesichert werden sollte, so läßt dies nicht den Schluß zu, daß eine Inhaltsbeschränkung per se unzulässig sei. 75 Daher ist eine Auslegung, die allein die Richtlinienverbindlichkeit in den Vordergrund rückt, die aber nicht in der Lage ist, den Mitgliedstaaten die von der Legaldefinition zugebilligte Entscheidungsfreiheit zu gewährleisten, nicht mit der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV vereinbar, da sie die Richtlinie ihres eigentlichen Sinn und Zwecks berauben würde,76 wie sich deutlich an den Ausführungen von Helmut-Ernst Schuster zeigt, der die Richtlinie als durchgehend verbindlichen Rechtsakt mit freier Regelungsintensität betrachtet und demzufolge den mitgliedstaatlichen Entscheidungsspielraum letztlich allein in das Ermessen des Richtliniengebers stellt.77 Schließlich spricht auch die Tatsache, daß Art. 249 Abs. 3 EGV den Richtliniengeber nicht zur unmittelbaren Rechtsetzung in den Mitgliedstaaten ermächtigt, sondern die Einschaltung der mitgliedstaatlichen Rechtsetzungsorgane verlangt,78 dafür, daß letzteren eine materielle Regelungsbefugnis zugestanden werden muß, da anderenfalls ihr Mitwirken als sinnlos erschiene.79 _____________ 73

Vgl. U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696); R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 9. 74 U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1697). 75 Etwas anderes würde gelten, wenn die Legaldefinition der Richtlinie wie folgt lauten würde: „ Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich und hinsichtlich der erforderlichen Form und Mittel unverbindlich.“ Eine derartige Regelung würde eine Inhaltsbeschränkung der Richtlinie nicht gestatten. 76 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 146 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (93). 77 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 18 ff. 78 Siehe dazu näher 4. Teil, II., S. 94 ff. 79 So statt vieler M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 268, 283; ders., Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (10); E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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Es bleibt festzuhalten, daß der Sinn und Zweck der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV darin besteht, den Mitgliedstaaten einen Entscheidungsspielraum zu erhalten, und dieser angesichts der fehlgeschlagenen Verbindlichkeitsbeschränkung des Richtlinieninhalts nur durch eine beschränkte Regelungsintensität gewahrt werden kann.

bb) Begriff „Ziel“ Eine weitere Bestätigung der inhaltlichen Kompetenzbeschränkung des Richtliniengebers könnte sich aus der Verwendung des Begriffs „Ziel“ ergeben. Nach der Auffassung von Hans Peter Ipsen verbindet sich in der deutschen Gesetzgebungstechnik mit dem Begriff „,Ziel‘ die Vorstellung von Globalität, von Gesamtzusammenhang, jedenfalls von Nicht-Detailliertheit, von verbleibenden, flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten gesetzgeberischen Ermessens.“ 80 Auch Ulrich Schatz versteht unter Ziel im Sinne des Art. 249 Abs. 3 EGV „etwas Grundsätzliches und Allgemeines“81. Ein solches Verständnis des Begriffs „Ziel“ stünde der Detailliertheit von Richtlinien entgegen und spräche für eine Inhaltsbeschränkung der Richtlinie.82 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn ein Ziel kann sowohl allgemein als auch sehr detailliert umschrieben werden. 83 Zu_____________ (381); a. A. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 66 f., der die Einschaltung der nationalen Gesetzgebungsgewalt „als reine Verfahrensfrage“ (S. 67) betrachtet, „die keinen Schluß auf das Ausmaß der zulässigen Regelungsintensität einer Richtlinie“ (S. 67) zulasse. 80 H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (72 ff.), der nicht zuletzt deshalb den deutschen Begriff „Ziel“ i. S. d. Art. 249 Abs. 3 EGV als „Ergebnis“ bzw. „Resultat“ verstanden haben möchte, um „als Richtlinien-Ziel eben nicht globale, auf Gesamtzusammenhang abstellende und der Detaillierung im Grunde ungeeignete originäre Vertragskonzeptionen zu begreifen“ (S. 74) und somit zu einer freien Regelungsintensität der Richtlinie zu gelangen. Gegen Hans Peter Ipsens Ansicht wendet jedoch U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1695), zu Recht ein, daß diese Argumentation „noch der weiteren Begründung (bedürfe), um so mehr als gerade auch französische Autoren, die nicht unter dem Eindruck der deutschen Textfassung (stünden), sich gegen die Aufnahme ,detaillierter‘ Regelungen in Richtlinien ausgesprochen“ hätten. 81 U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1695), der daraus aber keine Inhaltsbeschränkung ableitet. 82 Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 20. 83 Vgl. H.-J. Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1963, S. 41 f.; U. Everling, Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Recht in der praktischen Rechtsanwendung, NJW 1967, S. 465 (467, Fn. 22); auch E. Wohlfarth,

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

dem scheidet eine Begrenzung des zulässigen Richtlinieninhalts schon deshalb aus, weil dies voraussetzen würde, daß die Begriffe „Ziel“, „Mittel“ und „Form“ eindeutig voneinander abgrenzbar sind, 84 was aber, wie bereits festgestellt wurde,85 nicht zutrifft. Demzufolge kann also der Terminus „Ziel“ keine inhaltliche Beschränkung des Richtlinieninhalts begründen.

cc) Begriff „Richtlinie“ Eine solche Kompetenzbeschränkung könnte sich aber aus dem Begriff „Richtlinie“ ergeben. Nach der Ansicht von Ernst-Werner Fuß „erlaub(e) die Bezeichnung ,Richtlinie‘ (directive, direttiva, richtlijn) auch keine sichere Bestimmung der zulässigen Regelungsintensität.“86 Dagegen muß aber eingewandt werden, daß bereits der allgemeine Sprachgebrauch unter dem Begriff „Richtlinie“ eine Regelung versteht, die den Adressaten zwar bindet, ihm aber eine gewisse Bewegungsfreiheit beläßt; der Terminus „Richtlinie“ wird sinngemäß als Grundsatz, Leitsatz, Richtschnur oder Leitlinie verstanden.87 Darüber hinaus weist Dieter Oldekop darauf hin, daß sich „diese Bedeutung des Wortes ,Richtlinie‘ … auch in der juristischen Terminologie“ wiederfinde, nämlich in „der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gemäß Art. 65 GG“88. _____________ in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 8; ders., Von der Befugnis der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Rechtsetzung, JIR 9 (1959/60), S. 12 (25 f.); grundlegend D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 112, 145 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (92 f.); i. d. S. auch E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (380); auch H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 23. 84

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 145 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (93). 85

Dazu näher 3. Teil, III. 1. b), S. 59 ff.

86

E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (380); ganz i. d. S. I. Pernice, Kriterien der normativen Umsetzung von Umweltrichtlinien der EG im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, EuR 1994, S. 325 (328), der ausführt, daß „der Begriff Richtlinie“ nicht ausschließe, „daß dieses Ziel als eine sehr detaillierte Regelung in Erscheinung“ trete. 87 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 154; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (95); ebenso F. Klein, in: von Mangoldt/Klein, GG, Kommentar, 2. Aufl. 1964, Art. 65 Anm. III 2a); ähnlich R. Thierfelder, Die Entscheidung im EWG-Vertrag, 1968, S. 99. 88 D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 154; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (95).

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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Dem kann uneingeschränkt zugestimmt werden. So stellt Rüdiger Schneider fest, „daß die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers schon vom Wortlaut her ein hohes Maß an inhaltlicher Weite und Offenheit aufweis(e)“ und „daß unter ,Richtlinien der Politik‘ im wesentlichen nur die grundlegenden, für die Durchsetzung bestimmter politischer Ziele wichtigen Leitentscheidungen zu verstehen“89 seien. Daher müßten „die Richtlinienentscheidungen des Kanzlers also auf Gebieten von substanziellem [sic!] politischen Gewicht den Bundesministern noch soviel Gestaltungsspielraum übrig lassen, daß dieser aufgrund eigener Entscheidung ausgefüllt werden“ 90 könne. Dieses Verständnis des Begriffs „Richtlinie“ ist auch für die Richtlinie des Art. 249 Abs. 3 EGV von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da davon ausgegangen werden kann, daß die Bezeichnung „Richtlinie“ als ein aus den nationalen Rechtsordnungen in bestimmtem Maße inhaltlich vorgeprägter Begriff verstanden werden muß. Diese innerstaatliche Vorprägung zeigt sich auch daran, daß der Terminus „Empfehlung“ des Pariser Vertrags aufgegeben wurde, um begriffliche Irreführungen hinsichtlich der Verbindlichkeit des Rechtsakts zu vermeiden, und durch den _____________ 89 H.-P. Schneider, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 65 Rz. 3. 90 H.-P. Schneider, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 65 Rz. 3; ebenso H. C. F. Liesegang, in: von Münch, GG, Kommentar, 2. Aufl., Art. 65 Rn. 7: „Aufgrund der allgemeinen Wortbedeutung kann dem Terminus ,Richtlinien‘ … entnommen werden“, daß „die Richtlinienentscheidung in der Regel Raum für weitere Ausgestaltung durch die B(undes) Min(ister) [Anm. d. Verf.] lassen“ muß; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Art. 65 Rn. 5: „Der Begriff der Richtlinie ist ersichtlich nicht nur dazu bestimmt, erhebliche Einflußmöglichkeiten des Bundeskanzlers auf die Ressortpolitik seiner Minister zu schaffen, sondern auch dazu, diese Einflußmöglichkeiten zugleich verfassungsrechtlich einzugrenzen“, es „soll jede Einflußnahme ausgeschlossen werden, die über den Rahmen einer bloßen Richtlinie hinausgeht.“ Deutlich Th. Maunz, Die Richtlinien der Politik im Verfassungsrecht − Inhalt und Anwendung des Begriffs, BayVBl. 1956, S. 260 (261): „Richtlinien müssen ihrem Wesen nach eine generelle Festlegung enthalten, die auf Ausfüllung durch Minister und Ministerien angelegt ist. … Einzelmaßnahmen, die nur für sich selbst stehen und mit der getroffenen Entscheidung abgeschlossen sind, können keine Richtlinien sein.“ Ebenso E. U. Junker, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, 1963, S. 58, der ausführt: „Die Richtlinienentscheidung muß Raum lassen für weitere Ausgestaltung, sie ist in ihrem Sinne nach ausfüllungsbedürftig, muß also auch ausfüllbar sein … Die Richtlinienentscheidung darf hier nur die Grundzüge festlegen; die Minister haben ein Recht darauf, daß der Kanzler ihnen die nähere Ausgestaltung überläßt.“ I. d. S. auch H. Karehnke, Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, Ressortprinzip und Kabinettsgrundsatz, DVBl. 1974, S. 101 (102, insb. Fn. 13); a. A. F. Knöpfle, Inhalt und Grenzen der „Richtlinien der Politik“ des Regierungschefs, DVBl. 1965, S. 857 (860), der darauf hinweist, daß „Direktiven oder Richtlinien … eine Vielzahl von Fällen oder einen einzigen betreffen und inhaltlich von einem weiten Rahmen bis zu detaillierten Anweisungen gehen (könnten), die dem Adressaten keinen Ermessensspielraum mehr“ ließen.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

innerstaatlich bekannten, Verbindlichkeit vermittelnden Terminus „Richtlinie“ in den Römischen Verträgen ersetzt wurde.91

b) Systematische Überlegungen zur zulässigen Regelungsintensität Des weiteren hebt Meinhard Hilf zutreffend hervor, daß sich „bereits aus der systematischen Stellung der Richtlinie im Vertrag an der Seite der Verordnung ableiten“ ließe, „daß den Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Gestaltungsspielraum verbleiben“ müsse, da nämlich die Verordnung „grundsätzlich Vollregelungen“92 enthalte. Ferner weist auch die Gegenüberstellung mit der an die Mitgliedstaaten gerichteten Entscheidung, die gemäß Art. 249 Abs. 4 EGV „in allen ihren Teilen … verbindlich“ ist, darauf hin, daß die Richtlinien nach Art. 249 Abs. 3 EGV eben nur „hinsichtlich des zu erreichenden Zieles“ verbindlich sind und daher den Mitgliedstaaten einen gewissen Entscheidungsspielraum belassen müssen.93

c) Schranken aus dem historischen Willen der Vertragsschöpfer Für eine Beschränkung des zulässigen Richtlinieninhalts spricht auch der Wille der Vertragsschöpfer, da die Richtlinie vorwiegend aus politischen Gründen geschaffen wurde, um den Mitgliedstaaten, insbesondere den nationalen Parlamenten, eine gewisse Wahlmöglichkeit zu retten.94 Mittels der Richtlinie wollte man also „die Hoheitsbefugnisse der Mitgliedstaaten schonen und ihnen einen gewissen Betätigungsspielraum belassen.“95 Gegen eine „Schonung der _____________ 91

So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 153; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (95). Zur andersartigen Bezeichnung der materiell nahezu übereinstimmenden Rechtsinstrumente der „Empfehlung“ des EGKSV und der „Richtlinie“ der Römischen Verträge siehe 1. Teil, II., S. 10 ff. 92 M. Hilf, EuR 1987, S. 1 (7); ganz i. d. S. auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 51. 93 Zur Abgrenzung von Richtlinien und Entscheidungen siehe ausführlich 1. Teil, V. 3., S. 23 f. 94 Vgl. B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 106; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 20; i. d. S. auch A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (574). 95 E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (379); ebenso J. Karl, Aktuelle Überlegungen zur Reform der EG-Gerichtsbarkeit, RIW 1991, S. 745 (747); V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993,

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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Parlamente“ wendet Joachim Kreplin ein, daß der EGV in erster Linie eine funktionsfähige Gemeinschaft schaffen wollte und nicht eine „Gemeinschaft, deren oberstes Ziel die Rücksichtnahme auf ihre Mitglieder“ sei; zudem stelle sich die Frage, ob ein solches Argument „nicht mehr ,Schonungselemente‘ als notwendig und als von den Parlamenten selbst gewünscht in den Sinn der Richtlinie hineinleg(e).“96 Dem schließt sich Nikolaus Weber uneingeschränkt an und betont darüber hinaus, daß „eine historisch-statische Auslegung der Legaldefinition dem weiteren Gelingen des Integrationsvorhabens schweren Schaden zufügen“ könne; daher dürfe „die Richtlinie eine inhaltlich abschließende Rechtsgestaltung enthalten.“97 Eine derartige Argumentation verkennt, daß die Richtlinie im Rahmen des EGV primär ein Instrument der Rechtsangleichung darstellt.98 Diese erfordert aber − im Gegensatz zur Rechtsvereinheitlichung 99 − keine volle Rechtseinheit.100 Daher wurde die „elastische Gestaltung (sc. der _____________ S. 206 (209); R. Pfeiffer, Probleme der Umsetzung der EG-Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im deutschen Recht, 1991, S. 61; i. d. S. wohl auch BTDrucks. Nr. 3440, 2. Wahlper. (1953), Anl. C, Erl. zu Art. 189, S. 150: „Durch das System der Richtlinien wird Rücksicht darauf genommen, daß die Organe der Gemeinschaft in die verschiedenen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten nicht weiter eingreifen als dies erforderlich ist, um die Ziele des Vertrages zu erreichen.“ Siehe auch A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (574). 96 J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 100 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (470). 97 N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 72. 98 Vgl. L.-J. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 611; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 19 ff.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (64); auch M. Lutter, Europäische Gerichtsbarkeit und nationale Gerichtsbarkeit, ZZP 1973, S. 107 (143, 148); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 20; S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (685); R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 27, 64 ff.; a. A. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 455, der die „Hauptfunktion (sc. der Richtlinie) [Anm. d. Verf.] … in der Aufgabe der Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung“ sieht. 99 Gerade aber dieser Gegensatz würde unzulässigerweise aufgehoben, wenn Richtlinien zur Rechtsangleichung bis in die letzten Einzelheiten Regelungen enthalten dürften, denn dann würde aus der vertraglich vorgesehenen Rechtsangleichung zwangsläufig eine Rechtsvereinheitlichung; siehe dazu H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 58, der dies erkennt und sogar für zulässig erachtet. 100 Vgl. H. Helm, Allgemeine Schranken für die Rechtsangleichung nach dem EWGVertrag, AWD 1968, S. 453 (453); ebenso K. Zweigert, Grundsatzfragen der Europäischen Rechtsangleichung, ihrer Schöpfung und Sicherung, in: FS für H. Dölle, Bd. 2, 1963, S. 401 (404); H. von der Groeben, Die Politik der Europäischen Kommission auf dem Gebiet der Rechtsangleichung, NJW 1970, S. 359 (361); R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 64.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

Richtlinie) … bewußt gewählt …, um den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die vereinheitlichten Normen nahtlos in ihrer Rechtsordnung zu übernehmen.“101 Es erscheint also durchaus zweifelhaft, ob eine funktionsfähige Gemeinschaft oder gar die europäische Integrationsbewegung gefährdet wäre, wenn die Richtlinie ihrer Legaldefinition entsprechend den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumte. Die These von der zu weit gehenden Schonung der Parlamente gegen deren eigenen Willen muß als abwegig bezeichnet werden,102 wie sich auch an der mangelhaften und zögerlichen Umsetzung der zumeist sehr detaillierten Richtlinien durch die Mitgliedstaaten zeigt.103 Im Ergebnis spricht also auch der historische Wille der Vertragsschöpfer für eine inhaltliche Beschränkung der Richtlinie, ohne daß dabei die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft gefährdet würde.

d) Schonung der nationalen Parlamente als verfassungsrechtliche Schranke Gegen die Zulässigkeit allzu detaillierter Richtlinien müssen weiterhin Bedenken erhoben werden, weil die innerstaatlichen Organe, die zur Umsetzung _____________ 101 G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (450); auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (2 f.); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 59; ähnlich G. Schmidt, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Kommentar, Art. 249 Rn. 40; selbst J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 100 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (470), muß im Rahmen seiner Ausführungen zur Rechtsangleichung zugeben, daß „der grundsätzliche Sinn der Richtlinie“ in der „Berücksichtigung der Besonderheiten in den einzelnen nationalen Ordnungen“ bestehe. 102 Siehe dazu U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (112), der darauf hinweist, „daß es für die nationalen Parlamente schwer hinnehmbar (sei), die von den Ministern im Rat beschlossenen Regelungen ohne eigenen Entscheidungsspielraum in nationales Recht umsetzen zu müssen.“ 103 Siehe dazu S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (685), der ausführt, daß sich die Mitgliedstaaten angesichts der immer detaillierter werdenden Richtlinien „den Richtlinienwirkungen dadurch zu entziehen (versuchten), daß sie die Richtlinien nicht, nicht fristgerecht oder nur unzulänglich umsetzten“; deutlich auch H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (72), der ebenfalls davon spricht, daß die nationalen Parlamente „zur ,Renitenz‘ verleitet werden könnten“; i. d. S. auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 268, 284; a. A. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 65, insb. Fn. 257.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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einer solchen Richtlinie zuständig wären, allen voran die nationalen Parlamente, zu reinen Befehlsempfängern degradiert würden.104 Dies wäre jedoch mit der Würde eines republikanischen Parlaments, in dem die Willensautonomie der Bürgerschaft durch die gewählten Abgeordneten vertreten wird,105 nicht vereinbar, denn die Aufgabe des Parlaments ist es, „das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit zu erkennen“ 106 und nicht der technische Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Richtlinienvorgaben oder gar nur „das ,Abschreiben‘ des Inhaltes (sc. einer Richtlinie) [Anm. d. Verf.] ohne eigenen Gestaltungsspielraum“107. Zudem wäre dem demokratischen Gedanken eher Rechnung getragen, wenn die nationalen Normsetzungsorgane über einen gewissen Entscheidungsspielraum an der Rechtsetzung durch Richtlinien beteiligt wären und nicht bloß als Vollzugsorgan der Gemeinschaft fungierten. 108 Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Mitgliedstaaten mittels nationaler Experten und der staatlichen Exekutive an den Beratungen zum Erlaß der Richtlinien be_____________ 104 So auch E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (381); M. Lutter, Die erste Angleichungs-Richtlinie zu Art. 54 Abs. 3 lit. g) EWGV und ihre Bedeutung für das geltende deutsche Unternehmensrecht, EuR 1969, S. 1 (11); D. Eckert, Die Angleichung des Lebensmittelrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, NJW 1967, S. 473 (477 f.); M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 268, 283; ebenso i. d. S. R. Steinberg/G. Britz, Die Energiepolitik im Spannungsfeld nationaler und europäischer Regelungskompetenzen, DÖV 1993, S. 313 (318); auch U. Everling, Die Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiete des Niederlassungsrechts, 29. Beiheft der ZHR, 1965, S. 60 (76). 105 Vgl. dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 647 ff. 106 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 648. 107 V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (207); deutlich auch E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (381). 108 Vgl. M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 269 f.; i. d. S. auch B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 106; dazu auch A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (576): „Soweit detaillierte Richtlinienvorgaben die Entscheidungsfreiheit der nationalen Parlamente beseitigen und sich diese ihrem Selbstverständnis zuwider zu bloßen Vollzugsorganen der Gemeinschaft herabgestuft sehen, kann der Einsatz der Richtlinie vor allem in Hinblick auf das Demokratiedefizit der Gemeinschaft überdies deren Akzeptanz in Frage stellen.“ Krit. äußert sich auch Ch. E. Hauschka, Grundprobleme der Privatrechtsfortbildung durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, JZ 1990, S. 521 (532), der ausführt, daß „die bis in Einzelheiten hineinreichende Rechtsangleichung durch Richtlinien … Funktionen einer allgemeinen Gesetzgebung“ aufweise, soweit aber „gesetzgeberische Funktionen wahrgenommen“ würden, müsse „auch die demokratische Legitimation hierfür geschaffen werden, wie sie derzeit nur unzureichend“ bestehe; siehe dazu auch M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (22).

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

teiligt sind und daß darüber hinaus in der Bundesrepublik Deutschland sogar die Legislativorgane informiert werden, 109 denn dies vermag vielleicht der nationalen Exekutive einen gewissen Handlungsspielraum zu sichern, nicht aber der nationalen Legislative. Gerade den nationalen Parlamenten sollte jedoch der Gestaltungsspielraum gesichert werden.110

e) Europäisches Gewohnheitsrecht Einen letzten Versuch, um die bis ins letzte Detail regelnden Richtlinien der Gemeinschaftspraxis zu rechtfertigen, unternimmt Albert Bleckmann, der derartige Richtlinien für zulässig erachtet, da es sich hierbei um europäisches Gewohnheitsrecht handele.111 Da jedoch für die Annahme von Gewohnheitsrecht sowohl die consuetudo als auch die opinio iuris et necessitatis erforderlich ist, letztere aber angesichts der umfangreichen Kritik an der Richtlinienpraxis der Gemeinschaftsorgane wohl noch nicht vorliegt, ist eine Bildung von europäischem Gewohnheitsrecht derzeit wohl noch abzulehnen.112

f) Vergleich zur Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG Vielfach wird im Schrifttum die Richtliniengesetzgebung des europäischen Gemeinschaftsrechts mit der Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG verglichen.113 Daher soll im folgenden untersucht werden, inwiefern die _____________ 109

So aber N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 71.

110

Vgl. B. Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 106; dies muß auch N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 71, einräumen. 111

Vgl. A. Bleckmann, Probleme der Auslegung von EWG-Richtlinien, RIW 1987, S. 929 (929); ders., Probleme der Auslegung europäischer Richtlinien, ZGR 1992, S. 364 (370); ders., Die Rechtsquellen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1993, S. 824 (827); ders., in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 429; auch Ch. Trüe, Auswirkungen der Bundesstaatlichkeit Deutschlands auf die Umsetzung von EG-Richtlinien und ihren Vollzug, EuR 1996, S. 176 (181, Fn. 14). 112

So auch M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (472, Fn. 29); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (654); ebenso J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 100 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (468); auch D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (76). 113

Vgl. etwa S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (685); G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (666); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 161 ff.; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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Grundsätze der Rahmengesetzgebungskompetenz auf die gemeinschaftsrechtliche Richtliniengebung übertragbar sind. Dazu werden zunächst die Grundsätze der Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG erörtert.

aa) Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung des Bundes gemäß Art. 75 GG Die Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG, die auf die sog. Grundsatzgesetzgebung der Art. 10 und 11 WRV zurückgeht, 114 stellt eine inhaltlich begrenzte Normsetzungsbefugnis des Bundes dar, d. h., dem Bund steht keine Befugnis zur Vollgesetzgebung zu, er muß sich statt dessen auf die Vorgabe von Rahmenvorschriften beschränken. 115 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts richtet sich „das Maß der zulässigen Regelung … ausschließlich nach dem in Art. 75 enthaltenen Rechtsbegriff der ,Rahmenvorschrift ‘“ 116, der jedoch trotz der abweichenden Bezeichnung gleichbedeutend mit dem Begriff „Grundsätze“ des Art. 10 WRV sei. 117 Gerhard Anschütz versteht Grundsätze in diesem Sinne als „allgemeine, leitende Rechtssätze, Richtlinien, welche der näheren Ausführung, der Ausgestaltung im einzelnen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Anpassung an die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, ebenso fähig wie bedürftig“118

_____________ (97 f.); M. Lutter, Die Angleichung des Gesellschaftsrechtes nach dem EWG-Vertrag, NJW 1966, S. 273 (274); W. Fuchs/A. Rapsch, Das deutsche Gentechnikrecht im Lichte quantitativer Vorgaben europarechtlicher Provenienz, DÖV 1991, S. 873 (873); H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 221 ff.; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 8; E. Wohlfarth, in: Wohlfarth/Everling/Glaesner/Sprung, EWGV, Kommentar, Art. 189 Anm. 8; ders., Anfänge einer Europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum Europäischen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (248). 114 Vgl. K. Müller, Zur Problematik der Rahmenvorschriften nach dem Grundgesetz, DÖV 1964, S. 332 (333); auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 2; H. Herrfarth, in: Dotzer/Vogel/Graßhof, Bonner Komm., Art. 75, I. 1.; W. Thiele, Zur Problematik der Rahmengesetzgebung, DVBl. 1964, S. 383 (383 f.) m. w. H. 115 Dazu auch G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, WRV, Kommentar, Art. 10, 11 Anm. 1, der bereits für die Grundsatzgesetzgebung der WRV ausführt, „daß das Reich insofern nur beschränkt zuständig (sei), als es sich damit begnügen (müsse), ,Grundsätze‘ festzustellen.“ 116 BVerfGE 4, 115 [127]. 117 Vgl. BVerfGE 4, 115 [128]; krit. dagegen K. Müller, Zur Problematik der Rahmenvorschriften nach dem Grundgesetz, DÖV 1964, S. 332 (333). 118 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, WRV, Kommentar, Art. 10, 11 Anm. 1.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

seien. Die abweichende Bezeichnung „Rahmenvorschrift“ sollte lediglich sicherstellen, daß der Bund nach Art. 75 GG „nicht nur Richtlinien für die Landesgesetzgebung, sondern auch unmittelbar geltende Rechtssätze“ 119 erlassen darf, d. h., der Bund kann „von der Möglichkeit der Rahmengesetzgebung … in zweierlei Form Gebrauch machen.“120 Ausgehend von diesem Grundverständnis des Begriffs der „Rahmenvorschrift“ führt das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung zur Rahmengesetzgebung des Bundes nach Art. 75 GG aus: „Der Bund darf nur einen Rahmen setzen. Rahmen aber bedeutet, daß das Bundesgesetz nicht für sich allein bestehen kann, sondern darauf angelegt sein muß, durch Landesgesetze ausgefüllt zu werden. … Wenn der Bundesgesetzgeber Rahmenvorschriften erläßt, muß er im Hinblick auf das zu ordnende Sachgebiet den Ländern etwas zu regeln übrig lassen. Das, was den Ländern zu regeln bleibt, muß von substantiellem Gewicht [Hervorh. d. Verf.] sein. … Rahmenvorschriften des Bundes müssen, wenn auch nicht in allen einzelnen Bestimmungen, so doch als Ganzes durch Landesgesetzgebung ausfüllungsfähig und ausfüllungsbedürftig [Hervorh. d. Verf.], jedenfalls auf eine solche Ausfüllung hin angelegt sein. … Soweit der Bundesgesetzgeber dem Landesgesetzgeber Richtlinien gibt, müssen diese Richtlinien Raum für freie gesetzgeberische Gestaltung [Hervorh. d. Verf.] lassen. … Bundesgesetze sind demnach nur dann Rahmengesetze gemäß Art. 75 GG, wenn sie nach Inhalt und Zweck der Ausfüllung durch freie Willensentscheidung des Landesgesetzgebers fähig und bedürftig in dem Sinne sind, daß erst mit dieser Ausfüllung das Gesetzgebungswerk über den zu ordnenden Gegenstand in sich geschlossen und vollziehbar wird.“121

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet darüber, ob der Bundesgesetzgeber die Schranken der Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG überschritten hat.122 Ist dies bei einer Regelung der Fall, so ist sie verfassungswidrig und kann für den Landesgesetzgeber keinerlei verbindliche Wirkung entfalten.123 Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994124 hat die Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 75 GG entscheidende Änderungen erfahren, die den „vielfältig zu detaillierten Regelungen, _____________ 119

BVerfGE 4, 115 [129].

120

BVerfGE 4, 115 [130].

121

BVerfGE 4, 115 [129 f.]; auch BVerfGE 111, 226 [257 ff., insb. 270].

122

Vgl. K. Müller, Zur Problematik der Rahmenvorschriften nach dem Grundgesetz, DÖV 1964, S. 332 (336 f.) m. w. N.; ebenso BVerfGE 4, 115 [128]; gl. A. Ph. Kunig, in: von Münch, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 11. 123

Vgl. BVerfGE 4, 115 [137 f.]; ebenso Ph. Kunig, in: von Münch, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 12. 124

BGBl. I 1994, S. 3146.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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häufig sogar ,verkappte(n)‘ Vollgesetzgebungen“ 125 durch den Bund, entgegenwirken sollen. So wurde der Abs. 1 − abgesehen von dem neu eingefügten Satz 2 − um den Zusatz „für die Gesetzgebung der Länder“ ergänzt, um der Vorschrift schärfere Konturen zu geben.126 Auch sind die Anforderungen für den Erlaß von Rahmengesetzen nach Art. 75 Abs. 1 GG, wonach solche nur unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG erlassen werden können, verschärft worden, da der gleichzeitig geänderte Art. 72 Abs. 2 GG nunmehr anstelle der sog. „Bedürfnisklausel“ die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung fordert.127 Weiterhin wurde der Abs. 2, wonach „Rahmenvorschriften … nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten“ dürfen, sowie der Abs. 3, der eine Vollzugspflicht der Länder enthält, neu hinzugefügt. Wie die Ergänzung des Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG zeigt, dürfen Rahmenvorschriften − abgesehen von der Ausnahmeregelung des Art. 75 Abs. 2 GG − nur noch an die Gesetzgebung der Länder adressiert werden. 128 Darüber hinaus folgert Rupert Scholz aus dem neu eingefügten Abs. 2, daß „sich die Rahmengesetzgebung im Grunde zu einer Art Richtliniengesetzgebung [Hervorh. d. Verf.] des Bundes verwandel(e)“, wobei der neue Abs. 3 der „entsprechenden Vollzugspflicht der Länder“129 Rechnung trage.

bb) Verwertbarkeit der Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung für die gemeinschaftsrechtliche Richtliniengebung An dieser Stelle stellt sich die Frage, inwieweit die aus der Untersuchung der deutschen Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG gewonnen Ergebnisse für die gemeinschaftsrechtliche Rechtsetzung durch Richtlinien verwertbar sind. Folgt _____________ 125

R. Scholz, Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, ZG 1994, S. 1 (13). 126 I. d. S. auch Ph. Kunig, in: von Münch, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 3. 127 Vgl. statt vieler J. Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 8 ff. 128 So auch R. Sannwald, Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen nach den Beschlüssen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, DÖV 1994, S. 629 (635). 129 R. Scholz, Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, ZG 1994, S. 1 (13); i. d. S. auch R. Sannwald, Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen nach den Beschlüssen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, DÖV 1994, S. 629 (635), der darlegt, daß „die Rahmenkompetenz des Bundes“ durch die Änderung des Art. 75 GG „eine schärfere Konturierung und nachhaltige Sicherung ihres Rahmencharakters, etwa in Anlehnung an die EG-Richtlinienkompetenz, erhalten“ solle; a. A. Ph. Kunig, in: von Münch, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 3.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

man der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur, so sind beide Rechtsetzungsverfahren nicht vergleichbar.130 So lehnt Rüdiger Schäfer die Anwendbarkeit der Grundsätze der Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG für die Inhaltsbeschränkung der Richtlinie ab, da „das Verhältnis der einzelnen Länder zum Bund nicht das gleiche (sei), wie das der Mitgliedstaaten zur Europäischen Gemeinschaft“131, denn die „staatliche Autonomie (sc. der Bundesländer) [Anm. d. Verf.] (sei) auf ein Minimum eingeschränkt worden“132, während „eine Bedrohung der grundsätzlichen staatlichen Selbständigkeit der Mitgliedsstaaten“133 nicht bestünde, woraus er folgert, daß die derart begründete Rahmengesetzgebung kein „Beschränkungsmaßstab“134 für die gemeinschaftsrechtliche Richtliniengebung darstellen könne. Dem kann aber bereits angesichts der Bedeutung des Europäischen Gemeinschaftsrechts für die Mitgliedstaaten,135 das mittlerweile schon in die mitgliedstaatliche Selbständigkeit eingreift, nicht gefolgt werden. Zudem muß hervorgehoben werden, daß beide Rechtsetzungsverfahren dem gleichen Zweck dienen, nämlich der inhaltlich beschränkten Rechtsetzung unter Erhaltung eines bestimmten Betätigungsspielraums für die Mitgliedsstaaten bzw. für die Bundesländer, und sich deren Vergleichbarkeit daher geradezu anbietet, wenn nicht sogar aufdrängt. 136 _____________ 130

Vgl. etwa U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art. 189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1696); D. Eckert, Die Angleichung des Lebensmittelrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, NJW 1967, S. 473 (477); W. Rohde-Liebenau, Rechtsetzung auf Grund EWG-Richtlinien und OECD-Beschlüssen, AWD 1970, S. 304 (305); R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 21 ff.; H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 21 f.; A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1109, Fn. 12); G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (666); deutlich H. P. Ipsen, RichtlinienErgebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (72, Fn. 19); krit. J. Kreplin, Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach Art. 100 EWG-Vertrag, NJW 1965, S. 467 (470, Fn. 17); M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 124; a. A. C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1700, Fn. 21); ebenso die in Fn. 142 zitierten Autoren. 131

R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 24.

132

R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 25.

133

R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 26.

134

R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 26.

135

Zur Bedeutung des Europäischen Gemeinschaftsrechts für die Mitgliedstaaten siehe Einleitung, I., S. 2 f. 136 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 161; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (97); gl. A. M. Zuleeg, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten, JöR n. F. 20 (1971), S. 1 (11).

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

81

Auch Ernst-Werner Fuß warnt vor einer unkritischen Anwendung der im deutschen Staatsrecht zur Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG entwickelten Lehre, „denn das Wort ,Rahmen‘ (lasse) ohne weiteres erkennen, daß die ,Rahmenvorschrift‘ noch etwas zur Ausfüllung des Rahmens übriglassen (müsse), was von dem Terminus ,Richtlinie‘ nicht gesagt werden“ 137

könne. Wie aber bereits dargelegt wurde, 138 ist dem nach der hier vertretenen Auffassung nicht zuzustimmen. Vielmehr stellt der Begriff „Richtlinie“ eine noch engere Begrenzung als der Begriff der „Rahmenvorschrift“ dar, da − wie gezeigt − unter letzteren neben Richtlinien für den Landesgesetzgeber auch unmittelbar verbindliche Rechtsvorschriften subsumiert werden können.139 Als weiterer Unterschied wird im Schrifttum darauf hingewiesen, daß Rahmenvorschriften für jedermann unmittelbar verbindlich sein könnten, wenngleich dies nach der Einfügung des Art. 75 Abs. 2 GG nur noch ausnahmsweise gilt,140 während Richtlinien keine unmittelbare Wirkungen für einzelne Bürger entfalten können; letzteres erweist sich jedoch als fragwürdig angesichts der im Schrifttum vielfach diskutierten und von der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigten unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien.141 Weiterhin wird hervorgehoben, daß die Rahmenvorschriften im Gegensatz zu den Richtlinien der Römischen Verträge keine Verpflichtung zur Rechtsetzung für die Länder begründen;142 dieser Unterschied ist aber seit der Einfügung des neuen Art. 75 Abs. 3 GG aufgehoben.143 Weitaus _____________ 137

E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (380). 138 Siehe dazu ausführlich 3. Teil, III. 2. a) cc) S. 70 f. 139 Siehe dazu 3. Teil, III. 2. f) aa), S. 77 ff., insb. S. 78. 140 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 162; deutlich Ph. Kunig, in: von Münch, GG, Kommentar, Art. 75 Rn. 9, der ausführt, daß „Rahmengesetzgebung nicht bloße ,Richtliniengesetzgebung‘ … sein sollte … (wie im Ausgangspunkt bei der Richtliniensetzung im Gemeinschaftsrecht)“, vielmehr werde „dem Bund die Möglichkeit eröffnet, bei der Inanspruchnahme der Rahmengesetzgebungsbefugnis Normen zu schaffen, die ,für jedermann unmittelbar verbindlich‘“ seien, woran auch die Änderung des Art. 75 GG „ prinzipiell nichts geändert “ habe. 141 Siehe zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ausführlich 7. Teil, II., S. 170 ff. 142 Vgl. H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (76); ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 162 f.; H.-E. Schuster, Die EWGRichtlinie, 1977, S. 21 f.; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 275; so auch − wiewohl bezogen auf die Empfehlung des EGKSV − G. Heß, Das Verordnungsrecht nach dem Vertrag über die Montanunion, 1962, S. 183. 143 Siehe R. Sannwald, Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen nach den Beschlüssen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, DÖV 1994, S. 629 (635), der sogar angesichts der neu geschaffenen Umsetzungspflicht

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

schwerer wiegt dagegen das Argument von Reinhard Riegel, wonach sich die Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung „wohl schon deshalb nicht auf die Richtlinien übertragen (ließen), weil (sie) den übrigen Mitgliedstaaten vom innerstaatlichen Recht her nicht bekannt“144 seien. Dem kann insoweit zugestimmt werden, als sich eine Beschränkung der Richtlinienkompetenz nicht allein aus einem Vergleich mit der deutschen Rahmengesetzgebungskompetenz rechtfertigen lässt. Dennoch vermag die für die Rahmengesetzgebung gefundene Lösung durchaus als Vorbild für eine gemeinschaftsrechtliche Lösung des Problems der zulässigen Regelungsdichte der Richtlinien dienen.145 Diese ist aber vom Gerichtshof zu entwickeln, denn allein diesem obliegt gemäß Art. 220 EGV die Wahrung des Gemeinschaftsrechts. Ob der Gerichtshof dabei den Grundsätzen der deutschen Rahmengesetzgebung folgt oder aber andere justitiable Kriterien entwickelt, die ihm einen Entscheidungsmaßstab liefern, um Richtlinien hinsichtlich der zulässigen Regelungsdichte auf ihre Vereinbarkeit mit ihrer Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV zu prüfen, bleibt ihm freigestellt. Wie berechtigt die Heranziehung der Grundsätze einer Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG zur Bestimmung der zulässigen Regelungsintensität von Richtlinien ist, zeigt sich in neuerdings auch daran, daß in Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 3 des Vertrags über eine Verfassung für Europa 146 im Rahmen der Rechtsakte der Union an die Stelle der Richtlinie das sog. „Europäische Rahmengesetz“ tritt, dessen Legaldefinition zwar nicht wörtlich, jedoch inhaltlich mit derjenigen der Richtlinie in Art. 249 Abs. 3 EGV übereinstimmt. 147 _____________ des Art. 75 Abs. 3 GG erwägt, ob nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unterlassenen oder mangelhaften Richtlinienumsetzung auch auf die Rahmengesetzgebung des Bundes Anwendung finden sollte. 144 R. Riegel, Allgemeine Auslegungsgrundsätze und Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, BayVBl. 1974, S. 33 (38); siehe dazu auch die Ausführungen von R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 23 f. m. N., der den Rückgriff auf die Grundsätze der deutschen Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG ablehnt, da die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsverhältnisse nach eigenen Rechtsmaßstäben und nicht nach staatsrechtlichen oder internationalen Rechtssätzen zu beurteilen sei; gl. A. A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 123. 145 So auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 274 f.; soweit ders., l.c., S. 281 f., jedoch ausführt, daß „die Formel des Bundesverfassungsgerichts für die Rahmengesetzgebung des Bundes … aber wegen ihrer allgemeinen Fassung noch konkretisierender Maßstäbe“ (S. 281) bedürfe, nämlich der „Rechtsfigur der Natur der Sache“ (S. 281), welche „stets durch eine Interessenabwägung zu ergänzen“ sei, kann dem nicht mehr gefolgt werden; krit. zur Rechtsfigur „Natur der Sache“ äußert sich auch A. André, Artikel 189 Abs. 3 EWGVertrag als politische Norm, EuR 1969, S. 191 (193 f.). 146 ABl. Nr. C 325 v. 24.12.2002. 147 Vgl. dazu W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 68.

III. Die vertragliche Konzeption der Richtlinie

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3. Rechtsfolgen im Falle der Mißachtung der zulässigen Regelungsintensität von Richtlinien Überschreitet eine Richtlinie die nach den vom Gerichtshof erarbeiteten Kriterien zu bestimmende zulässige Regelungsdichte, d. h., beläßt die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen ausreichenden Gestaltungsspielraum, so verstoßen die Gemeinschaftsorgane gegen Art. 249 Abs. 3 EGV, der ihnen nur eine beschränkte Normsetzungsbefugnis zugesteht; sie überschreiten demnach also ihre Kompetenzen.148 Eine solche Kompetenzverletzung stellt einen Klagegrund i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV dar; sie könnte sowohl unter den Tatbestand der „Unzuständigkeit“149 als auch unter den der „Verletzung dieses Vertrags“150 subsumiert werden.151 Der Gerichtshof muß eine derartige Richtlinie im Falle der Klageerhebung gemäß Art. 231 i. V. m. Art. 230 EGV für nichtig erklären.152 Abweichender Ansicht ist Manfred Zuleeg, der ausführt, daß der Inhalt einer ins einzelne ergehenden Richtlinie „der Verbindlichkeit (entbehre) [Anm. d. Verf.], soweit er über die Ziele hinausgeh(e)“ 153; sei „es nicht möglich, bei einer detaillierten Richtlinie die wesentlichen Gesichtspunkte herauszufinden und von den unverbindlichen Einzelvorschlägen zu unterscheiden, (bliebe) nur übrig, den gesamten Inhalt der Richtlinie als unverbindliches Modellgesetz zu betrachten.“154 Diese Ansicht verkennt, daß die Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 EGV gerade durch ihre Zielverbindlichkeit gekennzeichnet ist und, anders als die Empfehlung oder die Stellungnahme des Art. 249 Abs. 5 EGV, keinen unverbind_____________ 148 Vgl. H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 223. 149 Zum Tatbestandsmerkmal der „Unzuständigkeit“ siehe M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 484; G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 378. 150 Zum Tatbestandsmerkmal „Verletzung dieses Vertrags“ siehe M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 486; R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 597; G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 377 f. 151 So auch H. Wagner, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, KSE Bd. 5, 1965, S. 223; ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 160 f.; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (97); i. d. S. auch Ch. Runge, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, JuS 1964, S. 391 (394), der eine Nichtigkeitsklage wegen Unzuständigkeit gemäß Art. 230 EGV für möglich hält, sofern eine Richtlinie materiell eine Entscheidung darstellt. 152 Siehe E. Wohlfarth, Anfänge einer Europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum Europäischen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (250). 153 M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 283. 154 M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 281.

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3. Teil: Verbindlichkeit und Regelungsintensität

lichen Rechtsakt darstellt. Soweit Manfred Zuleeg unzutreffenderweise zwischen unverbindlichen und verbindlichen Richtlinienbestandteilen zu unterscheiden versucht, kann dem nicht zugestimmt werden, da eine solche Abgrenzung mangels der Unterscheidbarkeit der Begriffe „Ziel“, „Mittel“ und „Form“ nicht möglich ist,155 wie er selbst ausdrücklich hervorhebt. Seine Ausführungen sind demnach nicht widerspruchsfrei, wie bereits an anderer Stelle schon festgestellt wurde.156

IV. Ergebnis Entgegen der vom Gerichtshof gebilligten Gemeinschaftspraxis, wonach zumeist äußerst detaillierte Richtlinien erlassen werden, konzipiert Art. 249 Abs. 3 EGV die Richtlinie als einen Rechtsakt, der den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum in materieller als auch in formeller Hinsicht beläßt. Obwohl die Legaldefinition der Richtlinie diese mitgliedstaatliche Entscheidungsfreiheit vorrangig mittels der Abgrenzung zwischen den Begriffen „Ziel“ einerseits und „Form“ und „Mittel“ andererseits zu gewährleisten versucht, um so zwischen verbindlichen und unverbindlichen Richtlinienbestandteilen zu differenzieren, was aber anhand der Begrifflichkeiten nicht möglich ist, kann daraus nicht gefolgert werden, daß die Richtliniendefinition ohne Erkenntniswert sei. Vielmehr zwingt diese Erkenntnis um der Funktionsfähigkeit der Richtlinie willen dazu, die Richtlinie als durchgehend verbindlichen Rechtsakt anzusehen, dessen Regelungen lediglich dann unverbindlich sind, wenn sie als solche ausdrücklich gekennzeichnet sind. Darauf aufbauend zeigt eine genauere Untersuchung, daß anhand der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV sehr wohl eine Beschränkung des zulässigen Richtlinieninhaltes begründbar ist. Das Maß der zulässigen Regelungsdichte bestimmt sich vor allem nach dem Begriff „Richtlinie“. Die Frage, wie diese Grenze näher zu bestimmen ist, muß durch den Gerichtshof entschieden werden. Dabei böte sich eine Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG an, so daß die Richtlinien den Mitgliedstaaten etwas zu regeln übrig lassen müßten, das von substantiellem Gewicht ist. Überschreitet eine Richtlinie diese Schranke, so steht sie in Widerspruch mit der Legaldefinition der Richtlinie und kann im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 f. EGV vom Gerichtshof für nichtig erklärt werden. Soweit die Gemeinschaftsorgane Richtlinien erlassen möchten, die den Mitgliedstaaten von vornherein aufgrund ihres Regelungsgegenstandes keinen Spielraum für eigene Gestaltung mehr belassen, wie beispielsweise bei den Richtlinien zur Regelung der Sommer_____________ 155 156

Siehe dazu ausführlich 3. Teil, III. 1. b), S. 61 ff. Siehe dazu näher 3. Teil, III. 1. b), S. 62, Fn. 49.

IV. Ergebnis

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zeit157, verbietet sich ein Rückgriff auf das Rechtsinstrument der Richtlinie; sie müssen statt dessen auf andere Rechtsinstrumente, wie z. B. die Verordnung oder die Entscheidung, zurückgreifen, was allerdings wiederum nur möglich ist, sofern hierfür eine vertragliche Ermächtigung bereitsteht. Ansonsten verbleibt nur noch die Möglichkeit, daß über eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV eine Kompetenz zum Erlaß des entsprechenden Rechtsakts geschaffen wird.158

_____________ 157

Etwa RL 84/634/EWG v. 12.12.1984, ABl. 1984 Nr. L 331/33; RL 97/44/EG v. 22.7.1997, ABl. 1997 Nr. L 206/62. 158 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 160; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (97); fragwürdig erscheint hingegen die Ansicht von M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 285, der im Falle, daß „wirklich einmal eine loi uniforme nötig“ sein sollte, vorschlägt, daß „nach Art. 220 EWGV [= Art. 293 EGV n. N.] … der Weg über den Staatsvertrag einzuschlagen“ sei, obwohl das, wie er selbst einräumt, „nicht ausdrücklich aus der Bestimmung hervorgeh(e).“

Vierter Teil

Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Wie sich aus der Literatur entnehmen läßt, befindet sich die Richtlinie der Römischen Verträge in einer „Grenzzone“1 zwischen gemeinschaftsrechtlichem und innerstaatlichem Recht.2 Daher muß, um die Wirkungsweise der Richtlinien verstehen zu können, vorab das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht geklärt werden, was aber im Rahmen dieser Untersuchung nur in aller Kürze erfolgen kann.3

1. Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellen das „innerstaatliche Recht … und das Recht der Gemeinschaft zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen“4 dar. Die Gemeinschaftsverträge hätten „eine eigene _____________ 1 C. F. Ophüls, Die Geltungsnormen des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: FS für O. Riese, 1964, S. 1 (19). 2

Vgl. H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 3; ebenso R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (303); i. d. S. auch H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (67); ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 455; H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 288; ähnlich auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 9, der auf die „besondere Bedeutung“ des „Zusammenwirken(s) von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht“ bei Richtlinien hinweist. 3 4

I. d. S. auch H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 2.

EuGH v. 6.4.1962 – Rs. 13/61 (Kledingverkoopbedrijf de Geus en Uitdenbogerd/ Bosch u. van Rijn), Slg. 1962, S. 97 (110).

I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht

87

Rechtsordnung geschaffen, die bei Inkrafttreten in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden“5 sei; demnach fließe das von den Verträgen geschaffene Recht aus einer „autonomen Rechtsquelle“6. Diese dualistische Sichtweise7 ist jedoch mit Karl Albrecht Schachtschneider zugunsten einer ‚umgekehrt’ monistischen 8 abzulehnen, wonach das Gemeinschaftsrecht integraler Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist, es bildet mit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung eine einheitliche Rechtsordnung, 9 _____________ 5 EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 (1269); siehe dazu auch EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, 1 (24). 6 EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 (1270); ebenso EuGH v. 7.12.1970 – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide), Slg. 1970, 1125 (1135, Rn. 3); dem folgend BVerfGE 22, 293 [296]; 37, 271 [277 f.]. 7 Vgl. zum Dualismus und Monismus allgemein, aber auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Europarecht und nationalem Recht M. Schweitzer, Staatsrecht III, Rn. 23 ff., 42 ff.; auch A. v. Mutius, Umweltverträglichkeitsprüfung im Raumordnungsverfahren, BayVBl. 1988, S. 641 (647); ausführlich Ch. Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, 2003. 8

Vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 (110), der von ‚umgekehrtem Monismus’ spricht; ebenso ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrecht zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 17 (19); siehe dazu ausführlich Ch. Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, 2003, S. 18, 261 ff., 278 ff., 294, 327, 337. 9

Vgl. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, S. 751 (757), die ausführen, daß der „Vertrag über die Europäische Union nach Art. 23 I GG n. F. … Bestandteil des Grundgesetzes geworden“ sei und eine „dualistische Sicht, die das Gemeinschaftsrecht und die deutsche Rechtsordnung trenn(e), … mit Art. 23 GG schon gar nicht mehr vereinbar“ sei; ebenso K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: Schachtschneider/ Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 (97 f.); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71, 1997, S. 153 (163 ff.); ders., Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, in: M. Brunner (Hrsg.), Kartenhaus Europa?: Abkehr vom Zentralismus − Neuanfang durch Vielfalt, 1994, S. 117 (128); i. d. S. auch P. M. Huber, Europäisches Recht und nationales Verfassungsrecht, in: VVDStRL 60 (2001), S. 195 (211 ff.); ähnlich i. E. auch U. Schliesky, Die Vorwirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, DVBl. 2003, S. 631 (638 ff.), der zwar einerseits von „Gemeinschaftsrechtsordnung und nationaler Rechtsordnung“ (S. 640) spricht, aber hervorhebt, daß hierbei „nicht zwei impermeable Rechtskreise aufeinander(treffen)“, sondern vielmehr „– gerade mithilfe [sic!] von Vorschriften wie Art. 10 EGV oder auch Art. 23 Abs. 1 GG – eine wechselseitige Verzahnung und Beeinflussung statt(finde)“ (S. 638); a. A. W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzel-

88

4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

die aber hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten gemeinschaftlich gilt.10 Seine Verbindlichkeit in den Mitgliedstaaten ergibt sich aus dem Vertragswillen der Völker, d. h., der innerstaatliche Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts ist die Autonomie des Willens11 der als Staaten verfaßten Völker.12 Das Gemeinschaftsrecht entfaltet daher innerstaatliche Verbindlichkeit in Deutschland, weil Art. 23 Abs. 1 n. F., 24 Abs. 1 GG die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union bzw. auf die Europäischen Gemeinschaften als zwischenstaatliche Einrichtungen erlauben und diese Hoheitsrechte mittels der Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen übertragen worden sind.13

2. Die Begriffe „unmittelbare Geltung“, „unmittelbare Anwendbarkeit“ und „unmittelbare Wirkung“ von Gemeinschaftsrecht Eine Klärung der Begriffe „unmittelbare Geltung“, „unmittelbare Anwendbarkeit“ und „unmittelbare Wirkung“ ist erforderlich, um die Wirkungsweise des Gemeinschaftsrechts, in der vorliegenden Untersuchung aber insbesondere der Richtlinien, erklären und erfassen zu können. Als problematisch erweist es sich dabei, daß sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung bisher keine einheitliche Verwendung der Begrifflichkeiten erfolgt, was zu zahlrei_____________ ner?, DVBl. 1993, S. 129 (129); A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1109); D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (608). 10 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 (97 ff.); ders., Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, in: Brunner (Hrsg.), Kartenhaus Europa?: Abkehr vom Zentralismus − Neuanfang durch Vielfalt, 1994, S. 117 (129). 11 Zur Autonomie des Willens als Grundlage jeglicher freiheitlicher Gesetzgebung grundlegend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, 1994, S. 275 ff., 429 f., 494, 979 f. 12

Vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 (97 ff.); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71, 1997, S. 153 (165); ders., Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, in: Brunner (Hrsg.), Kartenhaus Europa?: Abkehr vom Zentralismus − Neuanfang durch Vielfalt, 1994, S. 117 (128 f.). 13

Vgl. W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1988, S. 63; auch P. M. Huber, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, in: VVDStRL 60 (2001), S. 195 (214 ff).

I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht

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chen Verwirrungen führt und dem Verständnis in jeglicher Hinsicht abträglich ist.14 In engem Zusammenhang mit dem Geltungsgrund des europäischen Gemeinschaftsrechts steht der völkerrechtliche Terminus der „unmittelbaren Geltung“, der die Verbindlichkeit völkerrechtlicher Verträge im innerstaatlichen Recht kennzeichnet.15 Mit Bengt Beutler werden in der vorliegenden Abhandlung „als unmittelbar geltend … völkerrechtliche Verträge bezeichnet, die ohne einen … Transformationsakt unmittelbar mit Vertragsabschluß wirksam sind und auch in den 16 vertragsschließenden Staaten gelten.“

Der Gerichtshof definiert den Terminus „unmittelbare Geltung“ hingegen in einem weiten Verständnis17 wie folgt: „Unmittelbare Geltung bedeutet …, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten müssen. Diese Bestimmungen sind somit unmittelbare Quelle von Rechten und Pflichten für

_____________ 14 Vgl. ausführlich E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 3 ff. m. w. N.; auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 14 ff.; A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 8; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 5; siehe dazu auch H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von Richtlinien, NJW 1990, S. 2420 (2420 f.), der darauf hinweist, daß „die Begriffe zum Teil synonym, zum Teil mit unterschiedlichem Gehalt verwandt werden“ (S. 2420) und daher, „um die Verwirrung in Grenzen zu halten, … die drei Begriffe synonym … verwenden“ (S. 2421) möchte; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 68 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 6 f.; ders./S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (768); siehe auch J. A. Winter, Direct applicability and direct effect two distinct und different concepts in community law, CMLR 1972, S. 425 (425 ff.). 15

Vgl. B. Beutler, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union − Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl. 1993, S. 60. 16 B. Beutler, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union − Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl. 1993, S. 60; auch H. D. Jarass/S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (768); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (956). 17 Ganz so auch W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (130, Fn. 4).

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien alle diejenigen, die sie betreffen, einerlei, ob es sich um die Mitgliedstaaten oder um solche Einzelpersonen handelt, die an Rechtsverhältnissen beteiligt sind, welche dem 18 Gemeinschaftsrecht unterliegen.“

Von dem Begriff „unmittelbare Geltung“ ist der Terminus der „unmittelbaren Anwendbarkeit“ abzugrenzen. Eine Rechtsnorm ist unmittelbar anwendbar, wenn sich der einzelne vor staatlichen Organen, insbesondere den Gerichten, auf sie berufen kann.19 Albert Bleckmann weist zu Recht darauf hin, daß die Auffassung, wonach der Terminus „unmittelbare Anwendbarkeit“ auf die Begründung individueller Rechte und Pflichten abstelle, die Problematik nur teilweise erfasse, da es auch Rechtssätze gebe, „welche die Gerichte anzuwenden (hätten), obwohl sie keine individuellen Rechte begründen“ würden, wie beispielsweise die „zahlreiche(n) Rechtssätze des Prozeßrechts“ 20. Der Begriff „unmittelbare Wirkung“ ist gleichbedeutend mit dem Terminus der „unmittelbaren Anwendbarkeit“ zu verstehen.21

3. Unmittelbare Geltung und unmittelbare Anwendbarkeit im Hinblick auf Richtlinien Nach der Klärung der Begrifflichkeiten stellt sich die Frage, ob die Richtlinien des Art. 249 Abs. 3 EGV unmittelbar gelten und ob sie unmittelbar anwendbar bzw. unmittelbar wirksam sind. _____________ 18

EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal), Slg. 1978, 629 (643 f., Rn. 14/16). 19

Vgl. B. Beutler, in: Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union − Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl. 1993, S. 60. 20 21

A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 1153.

Siehe Schlußanträge des GA G. Reischl v. 16.02.1978 in der Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal), Slg. 1978, 647 (657); auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 42; F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 25; a. A. G. Meier, Zur unmittelbaren Wirkung der EWG-Richtlinien, AWD 1971, S. 234 (235, insb. Fn. 12); ders., Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (325), der die unmittelbare Anwendbarkeit als Unterfall der unmittelbaren Wirkung ansieht; E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (9); dazu auch D. Triantafyllou, Zur Europäisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, DÖV 1997, S. 192 (193), der „zwischen unmittelbarer Anwendbarkeit (die nach Art. 189 [= Art. 249] den EG-Verordnungen zukommt) und unmittelbarer Wirkung (die anläßlich der EG-Richtlinien voll entwickelt wurde)“ unterscheidet.

I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht

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Ausgehend von der ,umgekehrt ‘ monistischen Sichtweise, welche den Willen der Völker als Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts betrachtet, 22 kann der Richtlinie ihre unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten nicht abgesprochen werden, denn auch sie wird mit ihrem Erlaß Teil der nationalen Rechtsordnung und erlangt damit innerstaatliche Geltung, ohne daß es eines Transformationsaktes bedarf.23 Dem kann, wie ein Blick auf den Wortlaut der verschiedenen sprachlichen Fassungen des Vertragstextes zeigt, nicht entgegengehalten werden, daß nach dem deutschen Vertragswortlaut lediglich Verordnungen unmittelbar gelten (Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV).24 So verwendet die französische Fassung den Begriff „application directe“ und die englische Fassung spricht gleichfalls von „directly applicable“, d. h., der deutschen Bestimmung „gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat“ entspricht in der Übersetzung der anderen Vertragssprachen „ist unmittelbar anwendbar in jedem Mitgliedstaat“.25 Bereits _____________ 22

Siehe dazu näher 4. Teil, I. 1., S. 86 ff., insb. S. 87 f.

23

So i. E. auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (2); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1110); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955 f.); E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 12; M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG 1994, S. 16; A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 11 f.; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 46, 62; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 105; i. d. S. auch W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (129 f.); Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 637 (643); zutreffend U. Schliesky, Die Vorwirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, DVBl. 2003 S. 631 (635 ff., insb. 638 f.); ebenso i. d. S. N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 95 f.; a. A. G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (453); J. Viebrock, Direktwirkung von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 555 (556); R. Herber, Hat der deutsche Richter das Bilanzrichtlinien-Gesetz an den ihm zugrundeliegenden EG-Richtlinien zu messen?, in: FS für G. Döllerer, 1988, S. 225 (229); E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 60; E.-W. Fuß, Rechtsschutz gegen deutsche Hoheitsakte zur Ausführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1966, S. 1782 (1785); E. Schober, Die EWG-Richtlinie 64/221 und § 10 des neuen Ausländergesetzes, NJW 1965, S. 2240 (2240); R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 444; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 12; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 174. 24 So aber A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 24; ebenso W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 184 ff. 25 Vgl. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1966, S. 47 ff.; ders., Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (8); A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 409; Ch. Langenfeld, Zur

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

daran zeigt sich, daß der Begriff „unmittelbare Geltung“ i. S. d. Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV in einem umfassenden Sinne zu verstehen ist. 26 Theodor Schilling bringt dies deutlich zum Ausdruck, wenn er von der „unmittelbaren Anwendbarkeit“ spricht, „als die man die ‘unmittelbare Geltung’ der Verordnung nach Art. 249 Abs. 2 EWGV im Hinblick auf die anderen Sprachfassungen (applicabilité directe, direct applicability etc.) wohl (auch) interpretieren“ 27 müsse. Zudem läßt sich auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs für eine solche Auslegungsweise anführen, da dieser nämlich aus der „unmittelbaren Geltung“ der Verordnung folgert, daß sie „unmittelbare Wirkungen (erzeuge) und … als solche geeignet (sei), für die einzelnen Rechte zu begründen, zu deren Schutz die nationalen Gerichte verpflichtet“28 seien. Albert Bleckmann ist sogar der Auf_____________ Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (956); dazu auch A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1110); M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 140; H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2421); auch ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 69; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 172; A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 11, insb. Fn. 27. 26 Ganz i. d. S. Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (956); ebenso Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 45; siehe auch H.-W. Daig, Die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zur unmittelbaren Wirkung von EWG-Bestimmungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsbürgern, EuR 1970, S. 1 (20), der − wiewohl ohne Textvergleichung − ausführt: „Daß nach Art. 189 [= Art. 249 n. N.] die Verordnungen ‘unmittelbar in jedem Mitgliedstaat’ gelten, besagt in erster Linie …, daß sie keiner Transformation in staatliches Recht bedürfen; allerdings ergibt sich aus jener außerdem, daß sich jeder, den es angeht, auf einen derartigen Rechtsakt berufen kann“. 27 Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 643 (649); deutlich E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1966, S. 48, der die Aussage des Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV nur darin sieht, „daß die Verordnung auch in jedem Mitgliedstaat ‘unmittelbar anwendbar’“ sei; i. d. S. auch E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 12, der hinsichtlich der Begriffe „application directe/direct applicability“ von „der − Geltung und Anwendbarkeit umfassenden − Bedeutung, die für Verordnungen gilt“, spricht; dieses Begriffsverständnis zeigt sich auch deutlich in den Ausführungen M. Seidel, Die Direkt- oder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts, NJW 1985, S. 517 (521): „Die Verordnung gilt gem. Art. 189 EWGVertrag [= Art. 249 EG-Vertrag n. N.] unmittelbar in der Weise, daß jeder Einzelne gegenüber jedermann diejenigen Rechte geltend machen kann, die sich aus der Verordnung für ihn ergeben.“ A. A. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 184 ff. 28 EuGH v. 14.12.1971 – Rs. 43/71 (Politi/Italien), Slg. 1971, 1039 (1049, Rn. 9); ebenso EuGH v. 10.10.1973 – Rs. 34/73 (Variola/Amministrazione italiana delle Finanze), Slg. 1973, 981 (990, Rn. 3); EuGH v. 17.5.1972 – Rs. 93/71 (Leonesio/Italienisches

I. Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht

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fassung, daß die „unmittelbare Anwendbarkeit“ der Verordnung, wie sie sich aus der französischen Textfassung des Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV ergibt, auch im deutschen Wortlaut zum Ausdruck komme, „denn die Verordnung (gelte) nur in jedem Mitgliedstaat und nicht für jeden Mitgliedstaat“29; anders verhalte sich dies bei der Richtlinie, die „‘für’ den Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, und nicht ,in‘ jedem Mitgliedstaat“ gelte, weshalb sie „also nicht unmittelbar anwendbar“30 sei. Obwohl Albert Bleckmann insoweit zuzustimmen ist, als er die Richtlinie für nicht unmittelbar anwendbar hält, vermag seine Begründung nicht zu überzeugen, denn auch die Richtlinien gelten als gemeinschaftlicher Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen unmittelbar in den Mitgliedstaaten und entfalten in diesen auch ihre Wirkungen.31 Diese Wirkungen sind aber − im Vergleich zur Verordnung − insoweit eingeschränkt, als sie sich ausschließlich an die Mitgliedstaaten wenden, denn nur für diese ist die Richtlinie verbindlich (argumentum ex Art. 249 Abs. 3 EGV); daher ist der Richtlinie zunächst die Einwirkung auf die Rechtsposition einzelner Gemeinschaftsbürger verwehrt.32 Demgemäß sind Richtlinien nach dem Vertragswortlaut grundsätzlich 33 nicht unmittelbar anwendbar, da der Mitgliedstaat, nicht aber der einzelne, Adressat der Richtlinie ist.34 Dieser kann sich somit nicht vor staatlichen Organen, insbe_____________ Ministerium für Landwirtschaft), Slg. 1972, 287 (294, Rn. 5/6); deutlich auch die Entscheidung des EuGH v. 31.1.1978 – Rs. 94/77 (Zerbone/Amministrazione delle Finanze dello Stato), Slg. 1978, 99 (115, Rn. 22/27), wonach die unmittelbare Geltung voraussetze, „daß die Verordnung in Kraft tritt und zugunsten oder zu Lasten der Rechtssubjekte Anwendung findet, ohne daß es irgendwelcher Maßnahmen zur Umwandlung in nationales Recht“ bedürfe; i. d. S. auch EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1626 (1641, Rn. 19), wo der Gerichtshof davon spricht, daß „Verordnungen unmittelbar gelten und infolgedessen schon wegen ihrer Rechtsnatur unmittelbare Wirkungen erzeugen könn(t)en“; ebenso EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (70, Rn. 21); siehe dazu auch 4. Teil, I. 2. S. 89 f., insb. Fn. 17. 29 A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 409. 30 A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 415. 31 Vgl. W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (129 f.). 32 Vgl. W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (130). 33 Zur Rechtsprechung des EuGH, wonach dieser den Richtlinien unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung beimißt, siehe ausführlich 7. Teil, II., S. 170 ff. 34 Siehe W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (130); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 178 f.; i. d. S. auch U. Everling, Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Recht in der praktischen Rechtsanwendung, NJW 1967, S. 465 (467); R. Riegel, Überlegungen zum Problem EG-Richtlinien und nationale Rahmenkompetenz, EuR 1976, S. 79 (81 f.); ebenso E. Bülow, Zur unmittelbaren Wirkung von Stillhalteverpflichtungen im EWG-Vertrag,

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

sondere den Gerichten, auf die Richtlinie berufen, wie es die unmittelbare Anwendbarkeit erfordert. Es bleibt somit festzuhalten, daß die Richtlinie mit ihrem Inkrafttreten zwar unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten erlangt, jedoch nicht unmittelbar anwendbar ist.

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren 1. Richtlinie als staatengerichteter und ausführungsbedürftiger Rechtsakt Wie sich dem Wortlaut der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV entnehmen läßt, ist die Richtlinie nach dem Willen der Vertragsschöpfer als zweistufiger Rechtsakt konzipiert: Auf der ersten Stufe wendet sich die Richtlinie nur an die Mitgliedstaaten und verpflichtet diese zur innerstaatlichen Verwirklichung des durch die Richtlinie verbindlich vorgegebenen Richtlinieninhalts, auf der zweiten Stufe erlassen die innerstaatlichen Stellen, soweit erforderlich, die nationalen Durchführungsvorschriften, welche den Richtlinieninhalt konkretisieren und die Rechtsstellung des einzelnen verändern, indem sie ihn berechtigen, aber auch verpflichten. 35 Aufgrund dieser Zweistufigkeit des Rechtsetzungsver_____________ AWD 1963, S. 162 (164), der darauf hinweist, daß für Richtlinien „eine Unmittelbarkeitswirkung … wohl abzulehnen sei, weil Richtlinien … nur für diejenigen verbindlich sind und damit Rechte und Pflichten nur für diejenigen auslösen können, für die sie bestimmt sind“; deutlich auch G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (445), der angesichts des Wortlauts des Art. 249 Abs. 3 EGV hervorhebt: „Klarer kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß Richtlinien − im deutlichen Unterschied zu Verordnungen − eine unmittelbare Wirkung nicht beigelegt ist. Diese Beschränkung hinsichtlich der Rechtswirkungen ist für die Richtlinie nach der Konzeption des Art. 189 [= Art. 249 n. N.] konstitutiv.“ Die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinien verneint auch E.-W. Fuß, Rechtsschutz gegen deutsche Hoheitsakte zur Ausführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1966, S. 1782 (1785); ebenso M. Gaudet, Rechtliche Aspekte der Niederlassungsfreiheit im Gemeinsamen Markt, ZHR 124 (1964), S. 66 (84); C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908). 35 Vgl. etwa A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 416; Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rz. 555; G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 331; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 94; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 5, 34; M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 9 f.; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 9; E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 51; C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Eu-

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

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fahrens wird die Richtliniengebung auch als eine „Art ‘indirekter Rechtsetzung’“36 oder „mittelbarer Rechtsetzung“37 bezeichnet. Hans Georg Fischer charakterisiert die Richtlinie als „staatengerichtete(n) und damit umsetzungsbedürftige(n) Rechtsakt“ 38. Während dem Begriff „staatengerichtet“ uneingeschränkt zugestimmt werden kann,39 bestehen gegenüber dem Begriff „umsetzungsbedürftig“ insoweit Bedenken, als dieser den Eindruck erweckt, als handele es sich bei der Richtlinie um eine Gemeinschaftsnorm, die in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar gelte und daher durch einen nationalen Gesetzgebungsakt in die nationale Rechtsordnung übernommen werden müsse.40 Einer derartigen „Umsetzung“ bedarf es aber bei Richtlinien gerade nicht; die Richtlinien stellen vielmehr nur „veranlassende Akte der Gemeinschaft“ 41 dar. Daher spricht Dieter Oldekop zutreffend von der „Richtlinie als ausführungsbedürftige(m) Rechtsakt“42. Da sich jedoch der Ausdruck „Umsetzung“ sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum eingebürgert hat und neuerdings auch _____________ ropäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1700); auch M. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (326 f.); R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (305); S. Magiera, Die Rechtsakte der EG-Organe, Jura 1989, S. 595 (599); C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908); U. Everling, Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380); W. DänzerVanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (2); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1852); K. Hailbronner, Europarechtliche Aspekte der Vergabe öffentlicher Aufträge, RIW 1992, S. 553 (556); V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (206). 36 E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (379); so auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 9 f. 37 C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1700). 38 H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (560); ebenso W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (129). 39 Die Bezeichnung „staatengerichtet“ verwendet auch G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 331; ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 125. 40 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 172; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (99). 41 C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1700); zust. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 172; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (99). 42 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 164.

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

im EGV, nämlich in dem neu gefassten Art. 137 Abs. 3 UAbs. 2 Hs. 1 EGV,43 seinen Niederschlag gefunden hat, soll er auch in der vorliegenden Untersuchung für die innerstaatliche Verwirklichung des verbindlich vorgegebenen Richtlinieninhalts, insbesondere durch den Erlaß mitgliedstaatlicher Rechtsvorschriften, verwendet werden.

2. Umsetzung der Richtlinien a) Rechtsgrundlage der Umsetzungspflicht Die Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien ergibt sich primärrechtlich unmittelbar aus der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV.44 In den Richtlinien selbst wird allerdings regelmäßig die Umsetzungsverpflichtung und die Frist, bis zu der die Richtlinienumsetzung zu erfolgen hat, die sog. Umsetzungsfrist, nochmals ausdrücklich festgelegt.45 _____________ 43 Bemerkenswert ist hierbei jedoch, daß Art. 137 Abs. 3 UAbs. 1 EGV von der „Durchführung von Richtlinien“ spricht, wodurch die unmittelbare Geltung der Richtlinien weitaus besser zum Ausdruck gebracht wird. 44 So auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 8 f., Fn. 8; A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (576, Fn. 40); i. d. S. auch M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 12; G. Odendahl, Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten gegenüber ihren Bürgern aufgrund unzureichender Umsetzung von Richtlinien, JA 1995, S. 13 (15); P. Baumeister, Legislativ- und Exekutivunrecht im Fall Brasserie du pêcheur, BayVBl. 2000, S. 225 (227), der die Umsetzungspflicht aus Art. 249 Abs. 3 EGV i. V. m der Richtlinie selbst ableitet; ähnlich auch R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 437; a. A. noch ders., Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 11, wo er die Umsetzungspflicht primärrechtlich aus Art. 10 Abs. 1 EGV ableitet, da selbst Art. 249 Abs. 3 EGV „nicht die Umsetzung (anordne), sondern … allein die Verbindlichkeit der Richtlinie für die Mitgliedstaaten“ bestimme; ders., Europarecht, 5. Aufl. 2001, Rn. 388; auch A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 441, der sowohl Art. 249 Abs. 3 EGV als auch Art. 10 Abs. 1 EGV als Rechtsgrundlage der Umsetzungsverpflichtung anführt; ebenso H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (75); R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (305); H.-W. Rengeling, Europäische Normgebung und ihre Umsetzung in nationales Recht, DVBl. 1995, S. 945 (948); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (390). 45 Vgl. R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, in: HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 11; ders., Europarecht, 2005, Rn. 437; H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 52;

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

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b) Rechtsnatur des zur Ausführung einer Richtlinie erlassenen Rechts Abgesehen von dem Fall, daß das Recht eines Mitgliedstaats bereits vor Erlaß einer Richtlinie mit den in dieser Richtlinie getroffenen Regelungen übereinstimmt, müssen die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinien rechtsetzend tätig werden,46 so daß nach erfolgter Richtlinienumsetzung das nationale Recht in Einklang mit den Anforderungen der jeweiligen Richtlinie steht.47 Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen der Richtlinie und den zu ihrer Umsetzung erlassenen Rechtsvorschriften stellt sich die Frage nach der Rechtsnatur des zur Ausführung der Richtlinie erlassenen Rechts. Dieses stellt seinem Wesen nach nationales Recht und kein Gemeinschaftsrecht dar, 48 wie sich schon daran zeigt, daß nicht der Gerichtshof, sondern die nationalen Gerichte über die Ausführungsmaßnahmen entscheiden, da dieser eben nur zur Wahrung des Gemeinschaftsrechts, nicht aber des nationalen Rechts, gemäß Art. 220 EGV berufen ist.49 Abzulehnen ist daher auch die Bezeichnung „tertiäre(s) Recht“50, wie sie Wolfram Rohde-Liebenau verwendet, da sie in Anbetracht der Unterschei_____________ vgl. etwa Art. 6 der RL 93/96/EWG v. 29.10.1993, ABl. 1993 Nr. L 317/59; Art. 5 der RL 90/364/EWG v. 28.6.1990, ABl. 1990 Nr. L 180/26; Art. 8 der RL 75/117/EWG v. 10.2.1975, ABl. 1975 Nr. L 45/19. 46

Vgl. V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1852). 47

Vgl. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 8.

48

Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 171; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (99); H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (78); I. E. Schwartz, Zur Konzeption der Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: FS für W. Hallstein, 1965, S. 474 (512); E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (382); M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (12); E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (13); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 24, 217; N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 92; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 444; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 1984, S. 649 (676); M. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (326); D. Schultz, Die ausgeführte Richtlinien im nationalen Recht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 677 (679); M. Schmidt, Privatrechtsangleichende EU-Richtlinien und nationale Auslegungsmethoden, RabelsZ 59 (1995), S. 569 (572). 49

So auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 326; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 217. 50 W. Rohde-Liebenau, Rechtsetzung auf Grund EWG-Richtlinien und OECD-Beschlüssen, AWD 1970, S. 304 (304).

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

dung zwischen primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht unweigerlich den Schluß nahelegt, daß es sich hier um eine dritte Art von Gemeinschaftsrecht handelt und eben nicht um nationales Recht.51 Zu Recht hebt daher Wolfgang Dänzer-Vanotti ausdrücklich hervor, daß Richtlinien „kein ‘tertiäres’ Gemeinschaftsrecht“52 seien.

c) Zur Umsetzung der Richtlinie verpflichtete innerstaatliche Stellen Die Umsetzung der Richtlinien in innerstaatliches Recht kann grundsätzlich durch die nationalen Parlamente oder durch die Regierung bzw. die Verwaltung erfolgen.53 Ob letztlich die Umsetzung im Wege des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens oder durch die Organe der staatlichen Exekutive erfolgt, bestimmt sich nach dem nationalen Verfassungsrecht der jeweiligen Mitgliedstaaten, an die die Richtlinie gerichtet ist.54 Besondere Probleme ergeben sich bei der Zuständigkeit zur Umsetzung der Richtlinien in Mitgliedstaaten mit dezentralisierter Gesetzgebungskompetenz, wie dem Bundesstaat Deutschland.55 Bedingt durch ihren förderativen Aufbau stellt sich daher in der Bundesrepublik Deutschland stets die Frage, ob die Richtlinien durch den Bund oder durch die _____________ 51

Zum Begriff des tertiären Gemeinschaftsrechts siehe 2. Teil, I. 1. c) aa), S. 38 f. W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (4); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (35); ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 93. 53 Vgl. E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (381). 54 Siehe E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (381); ders., Rechtsschutz gegen deutsche Hoheitsakte zur Ausführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1966, S. 1782 (1785); A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 13; R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (313); E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (13); M. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (330); W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1989, S. 39; M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 315, 330; L.-J. Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 622; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 441; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 170; ebenso i. d. S. A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 10. 55 Vgl. R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (313). 52

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

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Länder umzusetzen sind;56 diese ist nach nationalem Recht zu beurteilen.57 Obgleich das Grundgesetz keine ausdrücklichen Regelungen über die Zuständigkeit für die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht enthält,58 besteht Einigkeit darüber, dass auch für die mitgliedstaatliche Umsetzungsverpflichtung die Bestimmungen über die Gesetzgebungskompetenzen der Art 70 ff. GG heranzuziehen sind, wobei allerdings umstritten ist, ob diese unmittelbare Anwendung finden können59 oder nur entsprechend anzuwenden sind.60 Dies bedeutet, daß Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nach Art. 71 i. V. m. Art. 73 GG oder der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 72 i. V. m. Art. 74 f. GG in die Zuständigkeit des Bundes fallen und dieser somit zur Umsetzung der Richtlinien verpflichtet ist, während im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit nach Art. 70 Abs. 1 GG die Länder die Richtlinien umsetzen müssen.61 Soweit die Richtlinie Bereiche betrifft, die unter die Rahmen_____________ 56

Vgl. D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610). 57 Vgl. M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (14); ebenso P. Badura, Staatsrecht − Systematische Erläuterungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 1996, S. 467. 58 Vgl. D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610); ebenso W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1989, S. 39 f. 59 So M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 315 ff., der hinsichtlich der Kompetenzen zur Ausführung des Gemeinschaftsrechts unmittelbar auf den „Katalog der Art. 73 ff. GG“ (S. 315) zurückgreift; ebenso R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, in: HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 53; auch S. Hölscheidt, Zwangsgelder gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtbeachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, BayVBl. 1997, S. 459 (462); B. Stüer/H. Spreen, Defizite in der Umsetzung des Europarechts, VerwArch 96 (2005), S. 174 (175). 60 Vgl. W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1989, S. 46; zust. D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610); ebenso H.W. Rengeling, Europäische Normgebung und ihre Umsetzung in nationales Recht, DVBl. 1995, S. 945 (950); auch Ch. Haslach, Zuständigkeitskonflikte bei der Umsetzung von EG-Richtlinien?, DÖV 2004, S. 12 (13 ff.); Ch. Trüe, Auswirkungen der Bundesstaatlichkeit Deutschlands auf die Umsetzung von EG-Richtlinien und ihren Vollzug, EuR 1996, S. 179 (189 f.). 61 Vgl. D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610); K. Winkel, Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen in der Praxis, ZG 1997, S. 113 (116); i. d. S. auch H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 60 f.; siehe dazu auch E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (2 ff.), der ausführlich nachgewiesen hat, daß dem Bund im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder keine Rechtsetzungsbefugnis zur

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

gesetzgebungskompetenz des Art. 75 GG fallen, müssen grundsätzlich sowohl der Bund als auch die Länder tätig werden, 62 wobei jedoch Winfried Kössinger zutreffend darauf hinweist, daß „der Bund … nur bei sehr stark ausfüllungsbedürftigen, nicht aber bei bereits sehr detaillierten Regelungen der Gemeinschaft überhaupt noch zum Zuge kommen“ könne, da dieser nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich „keine abschließende Regelung vornehmen (dürfe), sondern den Ländern einen substantiellen Regelungsbereich überlassen“63 müsse. Falls die Länder der ihnen obliegenden Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung nicht nachkommen, fordert Eberhard Grabitz eine „Sicherungskompetenz des Bundes“64, indem der Bund aufgrund einer Verletzung des Prinzips der Bundestreue von seinem Recht zur Ausübung des Bundeszwangs nach Art. 37 Abs. 1 GG Gebrauch machen dürfe,65 wonach dem Bund die Möglichkeit zur Ersatz_____________ Durchführung von Gemeinschaftsrecht zusteht; ebenso i. d. S. R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (313 f.); ausführlich auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 314 ff. 62 Vgl. K. Winkel, Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen in der Praxis, ZG 1997, S. 113 (116); krit. R. Riegel, Überlegungen zum Problem EG-Richtlinien und nationale Rahmenkompetenz, EuR 1976, S. 79 (80 ff.); dazu ausführlich Ch. Haslach, Zuständigkeitskonflikte bei der Umsetzung von EG-Richtlinien?, DÖV 2004, S. 12 (15 ff., insb. 18 f.), der aufgrund des Art. 75 Abs. 2 GG eine überwiegende Alleinzuständigkeit der Länder annimmt. 63 W. Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat, 1989, S. 51; i. d. S. auch Ch. Haslach, Zuständigkeitskonflikte bei der Umsetzung von EG-Richtlinien?, DÖV 2004, S. 12 (18 f.); zur zulässigen Regelungsintensität der Richtlinien siehe ausführlich 3. Teil, III. 2., S. 66 ff. 64 E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (29); ähnlich – wenngleich krit. – B. Stüer/H. Spreen, Defizite in der Umsetzung des Europarechts, VerwArch 96 (2005), S. 174 (177 ff.); krit. R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1989, S. 577 (583), der gegen „eine Ersatzzuständigkeit des Bundes für den Fall der bewußten Untätigkeit eines Landes … aus Gründen der im Grundgesetz klar niedergelegten bundesstaatlichen Kompetenzaufteilung gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“ erhebt. 65 Vgl. E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (30 ff.); so auch ausdrücklich M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 320 m. w. H.; ebenso Ch. Trüe, Auswirkungen der Bundesstaatlichkeit Deutschlands auf die Umsetzung von EG-Richtlinien und ihren Vollzug, EuR 1996, S. 179 (193); B. Stüer/H. Spreen, Defizite in der Umsetzung des Europarechts, VerwArch 96 (2005), S. 174 (179 f.), die zwar den Bundeszwang nach Art. 37 GG für zulässig halten, diesen aber als wenig effektive, eher theoretische Option erachten, weshalb er in

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

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vornahme der eigentlich dem Land obliegenden Verpflichtung einschließlich des Erlasses von Gesetzen eingeräumt werde.66 Ausnahmsweise erlaubt der neu gefasste Art. 137 Abs. 3 UAbs. 1 EGV den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung von aufgrund des Art. 137 Abs. 2 EGV angenommenen Richtlinien zu übertragen, wobei aber der jeweilige Mitgliedstaat nach Art. 137 Abs. 3 UAbs. 2 EGV die ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung sicherstellen muß und hierfür auch die Verantwortung trägt.

d) Form des innerstaatlichen Umsetzungsakts Da „den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“ (Art. 249 Abs. 3 Hs. 2 EGV) überlassen wird, bleibt den Mitgliedstaaten die Form der Umsetzung freigestellt.67 Sie bestimmt sich grundsätzlich nach dem nationalen Verfassungsrecht.68 Entspricht das innerstaatliche Recht bereits den Vorgaben _____________ aller Regel ein untaugliches Mittel bleibe; a. A. D. H. Scheuing, Rechtsprobleme bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985, S. 229 (242), der das Recht zur Ausübung des Bundeszwangs aus einer Verletzung des Art. 24 Abs. 1 GG herleitet; noch weiter geht R. Riegel, Überlegungen zum Problem EG-Richtlinien und nationale Rahmenkompetenz, EuR 1976, S. 79 (87), der, ohne auf den Bundeszwang zurückzugreifen, ausführt: „In Art. 24 Abs. 1 GG sind mithin implizite [sic!] die Kompetenzen für den Bund enthalten, die zur Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen erforderlich sind“; ebenso ders., Gliedstaatkompetenzen im Bundesstaat und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DVBl. 1979, S. 245 (250), wo er „von einer aus Art. 24 Abs. 1 GG ableitbaren Ersatzkompetenz“ spricht. 66 Vgl. E. Grabitz, Die Rechtsetzungsbefugnis von Bund und Ländern bei der Durchführung von Gemeinschaftsrecht, AöR 111 (1986), S. 1 (32); ebenso A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 31 f.; auch D. H. Scheuing, Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985, S. 229 (242); R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (314), befürwortet die Ersatzvornahme „als ultima ratio“. 67 M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 20; ebenso R. Wägenbaur, Die Umsetzung des EG-Rechts in deutsches Recht und ihre gesetzgeberische Problematik, ZG 1988, S. 303 (314). 68 Siehe A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 13; auch M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 11; ebenso A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 441; i. d. S. auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 59; R. Breuer, EG-Richtlinien und deutsches Wasserrecht, WiVerw 1990, S. 79 (99).

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

der Richtlinie, ist eine Umsetzung nicht mehr nötig.69 Soweit das innerstaatliche Recht nicht bereits mit den Vorgaben der Richtlinie übereinstimmt und damit ein Tätigwerden des Mitgliedstaats erforderlich ist, kommen als Umsetzungsformen grundsätzlich Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften, Satzungen sowie die schlichte Verwaltungspraxis in Betracht.70

aa) Allgemeine Anforderungen des Gemeinschaftsrechts an die nationalen Umsetzungsvorschriften Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind jedoch dem mitgliedstaatlichen Ermessen hinsichtlich der Wahl des innerstaatlichen Umsetzungsakts gemeinschaftsrechtliche Grenzen gesetzt. 71 Demgemäß wird die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten begrenzt, indem der Gerichtshof fordert, daß die Umsetzung der Richtlinien grundsätzlich dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit (effet utile) des Gemeinschaftsrechts genügen muß, wie sich deutlich aus der Entscheidung „Royer“ entnehmen läßt: „Die den Mitgliedstaaten in Art. 189 [= Art. 249 n. N.] belassene Freiheit bezüglich der Wahl der Formen und Mittel bei der Durchführung der Richtlinien läßt ihre Verpflichtung unberührt, diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien am besten geeignet sind.“72

_____________ 69

Vgl. etwa V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1852); E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (646, Fn. 10). 70 Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 21; D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610). 71 Vgl. U. Everling, Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, NVwZ 1993, S. 209 (213 f.); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 21 f.; i. d. S. auch A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 13, der ausführt, daß „sich aus gemeinschaftlicher Sicht gewisse Mindestanforderungen aufstellen“ ließen. 72 EuGH v. 8.4.1976 – Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 (517, Rn. 74/75); ganz i. d. S. auch EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (Von Colson und Kaman/Land NordrheinWestfalen), Slg. 1984, 1891 (1906, Rn. 15); EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz/Deutsche Tradex), Slg. 1984, 1921 (1939, Rn. 15); siehe dazu auch Ch. Vedder, Die TA Luft vor dem EuGH − Richtliniendurchführung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, EWS 1991, S. 293 (294), der das Gebot der vollständigen und wirksamen Richt-

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Daraus kann aber keineswegs abgeleitet werden, daß Richtlinien stets durch formelle Gesetze umzusetzen sind, wie unmittelbar der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rs. 29/84 entnommen werden kann, wonach „die Umsetzung einer Richtlinie nicht notwendigerweise in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers“73 verlange. Welche Anforderungen sich aus dem Gemeinschaftsrecht und hierbei insbesondere aus dem Effektivitätsprinzip für die Ausführung von Richtlinien ergeben, konkretisiert der Gerichtshof in seiner in ständiger Rechtsprechung verwendeten „Formel vom ,allgemeinen rechtlichen Rahmen‘“ 74: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes … verlangt die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise, daß ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen [Hervorh. d. Verf.] genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet, daß − soweit die Richtlinie Ansprüche des einzelnen begründen soll − die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.“75

Aus diesem Urteil lassen sich folgende Anforderungen entnehmen, die die Umsetzungsmaßnahmen erfüllen müssen: Klarheit, Bestimmtheit, hinreichende Publizität und Verbindlichkeit;76 letztere ist für die gerichtliche Geltendmachung _____________ linienumsetzung als den „vom EuGH in st. Rspr. entwickelte(n) … oberste(n) Grundsatz“ bezeichnet. 73 EuGH v. 23.5.1985 – Rs. 29/84 (Kommission/Deutschland), Slg. 1985, 1661 (1673, Rn. 23). 74 Ch. Vedder, Die TA Luft vor dem EuGH − Richtliniendurchführung durch normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften?, EWS 1991, S. 293 (294). 75 EuGH v. 30.5.1991 – Rs. 361/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, S. I-2567 (I-2600 f., Rn. 15); ebenso EuGH v. 30.5.1991 – Rs. 59/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, S. I-2607 (I-2631, Rn. 18); EuGH v. 17.10.1991 – Rs. C-58/89 (Kommission/ Deutschland), Slg. 1991, I-4983 (I-5023, Rn. 13); ähnlich bereits EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-131/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-825 (I-867, Rn. 6); vgl. dazu auch U. Everling, Durchführung und Umsetzung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich des Umweltschutzes unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH, NVwZ 1993, S. 209 (213); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 22 ff. 76 Vgl. dazu auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 23 f., der über diese Anforderungen hinaus, „ohne daß der EuGH dies explizit ausführt, … auch dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis der Kontrollierbarkeit“ Bedeutung beimißt; so auch U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (132); ganz i. d. S.

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4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

der Rechte aus der Richtlinie erforderlich. Demzufolge mißt also der Gerichtshof neben dem Effektivitätsprinzip dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit im Rahmen der Umsetzung der Richtlinien einen hohen Stellenwert bei.77 Weiterhin fordert der Gerichtshof, daß der sog. „Nichtdiskriminierungsgrundsatz“78 nicht verletzt werden dürfe, wonach eine mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahme dieselbe Rechtsqualität aufweisen müsse, wie die Regelungen, die die von der Richtlinie erfaßten Bereichen vor der Umsetzung regelten.79

bb) Geeignetheit der verschiedenen Umsetzungsmaßnahmen im einzelnen Fraglich erscheint an dieser Stelle, inwieweit die aufgezeigten Umsetzungsformen den vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen an die Umsetzung der Richtlinien genügen. Während Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen, sofern sie hinreichend klar und bestimmt sind, regelmäßig die gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungs_____________ auch M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (12). 77 Ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 23. 78 Ch. Langenfeld/S. Schlemmer-Schulte, Die TA-Luft − kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien, EuZW 1991, S. 622 (624); ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 25. 79 Siehe EuGH v. 15.10.1986 – Rs. 168/85 (Kommission/Italien), Slg. 1986, 2945 (2961, Rn. 13), wo der Gerichtshof − wiewohl allgemein bezogen auf den gesamten EWGV, jedoch nicht minder gültig für die Richtlinien − ausführt: „Die Unvereinbarkeit von nationalem Recht mit dem EWG-Vertrag läßt sich, auch soweit dieser unmittelbar anwendbar ist, letztlich nur mit Hilfe verbindlichen innerstaatlichen Rechts ausräumen, das denselben rechtlichen Rang hat wie die zu ändernden Bestimmungen“; ganz i. d. S. auch − konkret bezogen auf Richtlinien − EuGH v. 6.5.1980 – Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 1473 (1486, Rn. 10); ebenso EuGH v. 3.3.1988 – Rs. 116/86 (Kommission/Italien), Slg. 1988, 1323 (1338, Rn. 14); vgl. auch M. Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 6. Aufl. 2005, § 6 Rn. 34; R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1989, S. 577 (582); A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1109); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955); dies./S. Schlemmer-Schulte, Die TA-Luft − kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien, EuZW 1991, S. 622 (624); D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610).

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

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erfordernisse erfüllen,80 lehnt der Gerichtshof eine schlichte Verwaltungspraxis grundsätzlich ab: „Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur Durchführung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten festgestellt hat, kann eine bloße Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, nicht als eine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung aus dem EWG-Vertrag angesehen werden.“81

Ebenfalls als nicht ausreichend beurteilt der Gerichtshof aufgrund der erforderlichen Rechtssicherheit ein „einfaches Rundschreiben, das die Verwaltung beliebig ändern kann“82. Weitaus problematischer stellt sich dagegen die Umsetzung von Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften dar. In Anlehnung an seine Rechtsprechung zur schlichten Verwaltungspraxis folgert der Gerichtshof, daß auch „Verwaltungsvorschriften, die naturgemäß abänderbar sind und nicht in angemessener Weise öffentlich bekanntgemacht werden“83, nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Richtlinienumsetzung genügten. Ohne auf die Kriterien der jederzeitigen Abänderbarkeit und der mangelnden Publizität zurückzugreifen, verneint der Gerichtshof in zwei Urteilen die Umsetzungstauglichkeit der norm_____________ 80 Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 56; Ch. Bönker, Die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, DVBl. 1992, S. 804 (810 f.); M. Reinhardt, Abschied von der Verwaltungsvorschrift im Wasserrecht?, DÖV 1992, S. 102 (104); M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 54; i. d. S. auch U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (135); Ch. Langenfeld/S. Schlemmer-Schulte, Die TA-Luft − kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien, EuZW 1991, S. 622 (624); auch R. Steinberg/U. Müller, Zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung unter besonderer Berücksichtigung der Umsetzungsverpflichtung der Bundesländer, NuR 1989, S. 277 (278), die eine Umsetzung auf normativer Ebene – Gesetz oder Verordnung – für erforderlich halten. 81 EuGH v. 15.10.1986 – Rs. 168/85 (Kommission/Italien), Slg. 1986, 2945 (2961, Rn. 13); ebenso EuGH v. 6.5.1980 – Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 1473 (1486, Rn. 11); EuGH v. 15.3.1983 – Rs. 145/82 (Kommission/Italien), Slg. 1983, 711 (718, Rn. 10); EuGH v. 3.3.1988 – Rs. 116/86 (Kommission/Italien), Slg. 1988, 1323 (1338, Rn. 15); EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-131/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-825 (I-879, Rn. 61); zust. statt vieler U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (135). 82 EuGH v. 2.12.1986 – Rs. 239/85 (Kommission/Belgien), Slg. 1986, 3645 (3659, Rn. 7); i. d. S. auch EuGH v. 2.5.1996 – Rs. C-311/95 (Kommission/Griechenland), Slg. 1996, 2433 (2438, Rn. 7). 83 EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-131/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-825 (I-881, Rn. 72).

106

4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

konkretisierenden Verwaltungsvorschrift84 TA Luft85, da diese keine zwingende Vorschrift sei und somit „dem Bestreben, es dem einzelnen zu ermöglichen, seine Rechte geltend zu machen …, nicht Genüge getan“ 86 sei.87 Diese Rechtsprechung wird im Schrifttum sehr unterschiedlich beurteilt:88 Während sich ein Teil der Autoren dafür ausspricht, daß jene Rechtsprechung „nachhaltig zu begrüßen“89 sei, erscheint sie anderen hingegen als „höchst fragwürdig“ 90. In Anbetracht des „Wyhl“-Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, wonach norm_____________ 84 Siehe zum Terminus der „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften“ und der Abgrenzung von den norminterpretierenden und den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (136 ff.); Ch. Langenfeld/S. Schlemmer-Schulte, Die TALuft − kein geeignetes Instrument zur Umsetzung von EG-Richtlinien, EuZW 1991, S. 622 (624 f.); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2004, § 24 Rn. 8 ff. 85 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 27.2.1986, GMBl. 1986, S. 95. 86 EuGH v. 30.5.1991 – Rs. C-361/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-2567 (I-2602, Rn. 20); auch EuGH v. 30.5.1991 – Rs. C-59/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-2607 (I-2632, Rn. 23). 87 Vgl. dazu Th. von Danwitz, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), S. 73 (82). 88 Einer ausführliche Auflistung von Stellungnahmen in der Literatur zu dieser Problematik gibt Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 55 f., Fn. 113. 89 Ch. Bönker, Die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, DVBl. 1992, S. 804 (810); ebenso R. Steiling, Mangelnde Umsetzung von EG-Richtlinien durch den Erlaß und die Anwendung der TA Luft, NVwZ 1992, S. 134 (137); deutlich auch H.-J. Koch, Luftreinhalterecht in der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1992, S. 124 (130); zust. auch A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (577); U. Everling, Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (385); W. Hoppe/O. Otting, Verwaltungsvorschriften als ausreichende Umsetzung von rechtlichen und technischen Vorgaben der Europäischen Union?, NuR 1998, S. 61 (62 ff.); M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 62; M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 142; wohl auch R. Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549 (568). 90 M. Reinhardt, Abschied von der Verwaltungsvorschrift im Wasserrecht?, DÖV 1992, S. 102 (106); ablehnend auch G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (658 f., insb. 659), der ausführt, „daß sogar nicht einmal immer die Form der Verwaltungsvorschrift zu wählen“ sei, auch die „Einzelentscheidungspraxis“ könne ausreichend sein; A. Weber, Zur Umsetzung von EG-Richtlinien im Umweltrecht, UPR 1992, S. 5 (8); krit. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 66 ff., der „die Argumentation des Gerichtshofs … (als) [Anm. d. Verf.] kaum tragfähig und nur wenig überzeugend“ (S. 70) bezeichnet; ebenfalls krit. J. Wolf, Die Kompetenz der Verwaltung zur „Normsetzung“ durch Verwaltungsvorschriften, DÖV 1992, S. 849 (858 ff.).

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

107

konkretisierende Verwaltungsvorschriften „für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich“91 sind, und des vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg in der Rechtssache „Buschhaus“ erlassenen Beschlusses vom 28. Februar 1985, indem dieses der TA Luft „eine über den Bereich der Verwaltung hinausgehende, auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung“92 beimißt, müssen die Entscheidungen des Gerichtshofs − unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden zwingenden Vorschrift − wohl eher kritisch beurteilt werden. Letztlich kann Martin Gellermann zugestimmt werden, der in seiner insoweit überzeugenden Untersuchung zu der Erkenntnis gelangt, „daß die Rechtsfigur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften geeignet“ sei, Richtlinien „in gemeinschaftsrechtskonformer Weise zu verwirklichen“93; norminterpretierende und ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften sieht er dagegen, bedingt durch deren mangelnde Bindungswirkung, als unzureichend für die Umsetzung von Richtlinien an. 94 Auch Ulrich Beyerlin kommt im Rahmen seiner Abhandlung zu übereinstimmenden Ergebnissen.95 Zur gemeinschaftsrechtskonformen Umsetzung von Richtlinien ist auch eine Satzung96 geeignet;97 dabei ist jedoch zu beachten, daß Satzungen ihrem Wesen nach nur im Bereich der Zuständigkeit von Selbstverwaltungsträgern Anwendung finden können.98 Ebenso eindeutig wie der Gerichtshof die Richtlinienumsetzung durch eine bloße Verwaltungspraxis ablehnt, entbindet auch die unter bestimmten Voraussetzungen anerkannte unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen99 von der Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV nicht, da sie _____________ 91

BVerwGE 72, 300 [320]. OVG Lüneburg, OVGE 38, 407 [409]. 93 M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 85. 94 Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 58. 95 Vgl. U. Beyerlin, Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften?, EuR 1987, S. 126 (135 ff., insb. 148). 96 Siehe zum Begriff der Satzung H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2004, § 4 Rn. 20. 97 Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 56 f., 86; M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 58; a. A. A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 214. 98 Vgl. Ch. Bönker, Die verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften, DVBl. 1992, S. 804 (810). 99 Zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien siehe ausführlich 7. Teil, II., S. 170 ff. 92

108

4. Teil: Wirkungsweise und innerstaatliche Verwirklichung der Richtlinien

nur eine „Mindestgarantie“ darstellt, die aber „keinem Mitgliedstaat als Rechtfertigung dienen“ kann, „daß er es versäumt hat, … geeignete Durchführungsmaßnahmen zu ergreifen.“100 Schließlich stellt auch eine richtlinienkonforme Auslegung101 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzungsmaßnahme dar und entbindet demnach nicht von der Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV, weil „eine etwa bestehende nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften in dem Sinne auslegt, der als den Anforderungen einer Richtlinie entsprechend angesehen wird, nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen kann, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen.“102

Die Auffassung des Gerichtshofs ist auch in der Literatur zu Recht auf breite Zustimmung gestoßen.103 _____________ 100 EuGH v. 6.5.1980 – Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 1473 (1487, Rn. 12); zust. U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (377) m. w. N.; ders., Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380); W. Reiß, Die nichtordnungsgemäße Umsetzung von EG-Steuerrichtlinien und ihre Folgen, StuW 1994, S. 323 (328); M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 15; A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 15; A. Furrer/A. Epiney, Staatlicher Haftung für quantifizierbare Wettbewerbsnachteile aus nicht umgesetzten Richtlinien, JZ 1995, S. 1025 (1029, Fn. 50); W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 82, 95; auch A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 36; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 10. 101 Dazu ausführlich 6. Teil, S. 120 ff. 102 EuGH v. 10.5.2001 – Rs. C-144/99 (Kommission/Niederlande), Slg. 2001, I-3541 (I-3566, Rn. 21). 103 Vgl. W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (871); Th. von Danwitz, Normkonkretisierende Veraltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), S. 73 (76 ff.); ebenso U. Everling, Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380); U. Ehricke, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts vor Ende der Umsetzungsfrist einer Richtlinie, EuZW 1999, S. 553 (558 f.); R. Pfeiffer, Probleme der Umsetzung der EG-Richtlinie 85/337 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im deutschen Recht, 1991, S. 63; Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (550); M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 249 Rn. 153; M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 Rn. 121; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 95; i. d. S. auch M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 7; ähnlich R. Breuer, EG-Richtlinien und deutsches

II. Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren

109

cc) Innerstaatliche Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien Außer durch die Erfordernisse des Gemeinschaftsrechts ist die Wahl der Form des Umsetzungsakts auch durch Beschränkungen des nationalen Verfassungsrechts begrenzt.104 In Deutschland ist hierbei der aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit abgeleitete Grundsatz des Gesetzesvorbehalts von besonderer Bedeutung,105 wonach die vollziehende Gewalt nur tätig werden darf, wenn ein formelles Gesetz sie mit einer Aufgabe betraut. 106 Ein Tätigwerden der Exekutive durch Rechtsverordnungen ist daher nur in den engen Voraussetzungen des Art. 80 GG möglich.107 Für Satzungen ist allerdings – wenngleich nicht unumstritten – Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, wonach Rechtsverordnungen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen, weder unmittelbar noch analog anwendbar, da sie, abgesehen von dem eindeutigen Wortlaut, im Gegensatz zu den Rechtsverordnungen nicht von staatlichen Exekutivorganen, sondern von demokratisch legitimierten Organen erlassenen werden.108

_____________ Wasserrecht, WiVerw 1990, S. 79 (99); a. A. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EGrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (218); H. Heinrichs, Umsetzung der EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch Auslegung, NJW 1995, S. 153 (154 f.). 104

Vgl. dazu D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610). 105

Vgl. D. Ehlers, Die Einwirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das Verwaltungsrecht, DVBl. 1991, S. 605 (610); A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (576); dazu auch A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 19 ff. 106

Vgl. etwa Ch. Degenhart, Staatsrecht I, 2006, Rn. 288 ff.

107

Vgl. K. Winkel, Die Umsetzung von EG-Richtlinien in deutsches Recht unter besonderer Berücksichtigung der Erfahrungen in der Praxis, ZG 1997, S. 113 (116); ebenso i. d. S. A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (576); a. A. D. H. Scheuing, Rechtsprobleme bei der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1985, S. 229 (234 f.), der ausführt, daß „Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG auf innerstaatliche Verhältnisse zugeschnitten“ sei, woraus er − entgegen dem Wortlaut − folgert, daß für die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts „das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 GG seine innere Berechtigung (verliere) und … deshalb großzügig gehandhabt werden“ solle; i. d. S. auch G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (449); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 85 f., Fn. 375. 108

Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2004, § 4 Rn. 22.

Fünfter Teil

Sperrwirkung der Richtlinie für die nationalen Rechtsetzungsorgane I. Begriff der „Sperrwirkung“ Die Richtlinie beinhaltet als staatengerichteter und ausführungsbedürftiger Rechtsakt einen Umsetzungsbefehl für die Mitgliedstaaten, den verbindlich vorgegebenen Richtlinieninhalt innerstaatlich zu verwirklichen.1 Diese zweistufige Rechtsetzung begründet einen Zusammenhang zwischen der Richtlinie und den zu ihrer Durchführung erlassenen Ausführungsnormen, so daß die Richtlinie auch nach erfolgter Umsetzung nicht obsolet wird.2 Demzufolge erlischt auch die Verpflichtung zur innerstaatlichen Verwirklichung des Richtlinienrechts nicht mit erfolgter Richtlinienumsetzung, sondern bleibt bis zur Aufhebung der Richtlinie latent erhalten.3 Daher stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten nach erfolgter Umsetzung der Richtlinie über die angepaßte Rechtsmaterie weiterhin frei verfügen können.4 Nach der zutreffenden h. L. muß den Mitgliedstaaten die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis über das in Ausführung einer Richtlinie erlassene Recht jedoch abgesprochen werden,5 denn _____________ 1

Siehe dazu näher 4. Teil, II., S. 94 ff. So G. Nicolaysen, Tabakrauch, Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz, EuR 1989, S. 215 (220); auch ders., Europarecht I, 2002, S. 339, der darauf hinweist, daß „die Richtlinie auch nach ihrer Durchführung als latenter Faktor von Bedeutung“ bleibe; M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (15), spricht davon, daß die Richtlinie „sozusagen im Hintergrund bestehen“ bleibe. 3 Siehe E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (643); i. d. S. auch A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1111). 4 Siehe A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218; ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 89; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (674). 5 Siehe statt vieler K.-V. Schiller, Anmerkung zum Beschluß des BVerwG vom 24.5.1984, 3 C 12.82, RIW 1985, S. 143 (145); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 175; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 2

I. Begriff der „Sperrwirkung“

111

„mit der positiven Verpflichtung der nationalen Legislative (oder gegebenenfalls der Exekutive), das innerstaatliche Recht der Richtlinie anzupassen, entgegenstehendes Recht also zu beseitigen oder entsprechendes neues Recht zu schaffen, korrespondiert die negative Pflicht, das so entstandene richtlinienkonforme Recht nicht durch spätere Rechtsetzungsakte so abzuändern, daß es in Widerspruch zu der zugrunde liegende [sic!] Richtlinie gerät.“6

Dieses Verbot, richtlinienkonformes nationales Recht nachträglich durch richtlinienwidrige mitgliedstaatliche Rechtsetzungsakte abzuändern, folgt inzidenter aus Art. 249 Abs. 3 EGV.7 Die Richtlinie entfaltet demgemäß eine „Sperrwirkung“8 in dem Sinne, daß die nationalen Rechtsetzungsorgane, solange die Richtlinie gilt, kein mitgliedstaatliches Recht erlassen dürfen, das mit dem verbindlichen Richtlinieninhalt unvereinbar ist.9 Spräche man der Richtlinie diese sper_____________ 21 (1972), S. 55 (100); D. Schultz, Die ausgeführte Richtlinie im nationalen Recht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 677 (679); M. Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 6 Rn. 35. 6

D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 175; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 89 f.; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (674). 7 So ausdrücklich M. Lutter, Zum Umfang der Bindung durch Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 765 (781); vgl. auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 176 f., der hervorhebt, daß die Unterlassungspflicht nicht aus Art. 10 Abs. 2 EGV folge, sondern sich „aus der jeweiligen Richtlinie selbst in Verbindung mit Art. 189 Abs. 3 EGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.]“ (S. 177) ergebe; auch ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); a. A. A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218, der die Unterlassungspflicht aus „Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.] i. V. m. der Unterlassungspflicht aus Art. 5 Abs. 2 EWGV [= Art. 10 Abs. 2 EGV]“ ableitet. 8

Der Begriff „Sperrwirkung“ geht auf L.-J. Constantinesco, Die Eigentümlichkeiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, JuS 1965, S. 289 (295), zurück. H. Kötz, Rechtsvereinheitlichung − Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S. 1 (10), spricht von einer „Veränderungssperre“. Mit dem Begriff „Sperrwirkung“ werden jedoch in der Literatur andere Wirkungen von Richtlinien bezeichnet, vgl. dazu A. S. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 25 f. 9 Vgl. etwa G. Winter, Die Sperrwirkung von Gemeinschaftssekundärrecht für einzelstaatliche Regelungen des Binnenmarktes mit besonderer Berücksichtigung von Art. 130 t EGV, DÖV 1998, S. 377 (379); Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 91; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 362; D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 175; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (578); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218; M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 89; Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (36); U.

112

5. Teil: Sperrwirkung der Richtlinie

rende Wirkung ab, so könnten die Mitgliedstaaten die Wirkungen einer Richtlinie stets unterlaufen, indem sie das nach erfolgter Umsetzung richtlinienkonforme nationale Recht durch entgegenstehendes nationales Recht nachträglich wieder aufheben könnten, wodurch die Richtlinie letztlich ihrer Funktion beraubt würde.10 Die Sperrwirkung von Richtlinien steht jedoch solchen nachträglichen Änderungen des mitgliedstaatlichen Rechts nicht entgegen, die mit der Richtlinie vereinbar sind, sie also in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigen.11

II. Rechtsfolgen bei Verletzung der Sperrwirkung von Richtlinien Obgleich die Sperrwirkung der Richtlinien dem Grunde nach anerkannt ist, besteht über die Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung in der Literatur keine Einigkeit.12 Heftig umstritten ist, ob die Sperrwirkung der Richtlinien im Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Recht derogierend wirkt oder ob sie lediglich eine obligatorische Unterlassungspflicht der Mitgliedstaaten begründet.13 _____________ Everling, Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: FS für R. Schmidt, 1976, S. 165 (174 f.); M. Lutter, Europäische Gerichtsbarkeit und nationale Gerichtsbarkeit, ZZP 1973, S. 107 (147); G. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (326); i. d. S. auch M. Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 6 Rn. 35; auch M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (675). 10 So auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 175; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); i. d. S. auch G. Meier, Gemeinschaftsrecht und mitgliedstaatliches Gemeinrecht, EuR 1970, S. 324 (331); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218 m. w. N.; ähnlich A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1111). 11 Siehe Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (7, 36); M. Lutter, Zum Umfang der Bindung durch Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 765 (781); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 177; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677). 12 Vgl. A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (675). 13 Vgl. dazu ausführlich M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 90 ff.; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 218; siehe auch D. Schultz, Die ausgeführte Richtlinie im nationalen Recht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 677 (679 f.).

II. Rechtsfolgen bei Verletzung der Sperrwirkung von Richtlinien

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So vertritt ein Teil des Schrifttums die Ansicht, daß die Sperrwirkung der Richtlinie dazu führe, daß die Rechtsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten im Bereich des von der Richtlinie erfaßten mitgliedstaatlichen Rechts beschränkt werde.14 Daraus wird gefolgert, daß die Mitgliedstaaten ultra vires handelten, soweit sie nachträglich nationale richtlinienwidrige Rechtsakte erließen, da die hierfür erforderliche Rechtsetzungsbefugnis auf die Gemeinschaft übergegangen sei.15 Demgemäß seien die nationalen richtlinienwidrigen Regelungen mangels mitgliedstaatlicher Normsetzungsbefugnis nichtig, so daß das alte innerstaatliche Recht weitergelte.16 Teilweise wird die Sperrwirkung, wenngleich an diese unterschiedliche Rechtsfolgen für das mitgliedstaatliche Recht geknüpft werden, auch mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts erklärt, an dem Richtlinien teilhätten.17 Nach der Auffassung von Albrecht Bach läßt sich die Sperr_____________ 14 Vgl. etwa M. Seidel, Ziele und Ausmaß der Rechtsangleichung in der EWG − Zur britischen Auffassung, EuR 1979, S. 171 (175); G. Nicolaysen, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I, 1977, S. 624 f.; Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (36); M. Haag, in: Bieber/ Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 6 Rn. 35; ebenso − wenn auch allgemein bezogen auf die Rechtsvereinheitlichung − H. Kötz, Rechtsvereinheitlichung − Nutzen, Kosten, Methoden, Ziele, RabelsZ 50 (1986), S. 1 (10); gl. A. wohl auch M. Lutter, Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts in Europa, EuR 1975, S. 44 (52 ff.), der zwar vorsichtiger formuliert, „daß in gleichem Umfange, wie Angleichung (sc. Rechtsangleichung) [Anm. d. Verf.]“ stattfinde, „die nationale materielle [Hervorh. d. Verf.] Gesetzgebungskompetenz auf die Gemeinschaft übergeh(e)“ (S. 52), aber an fortgeschrittenerer Stelle (S. 55) seiner Untersuchung ausführt: „Insoweit (sc. als die Rechtsvereinheitlichung erfolgt ist) [Anm. d. Verf.] ist die angeglichene Rechtsmaterie festgelegt. Das hat zur Folge, daß nur die Gemeinschaftsorgane, nicht aber die einzelnen Mitgliedsländer Änderungen an der einmal angeglichenen Rechtsmaterie vornehmen können: die [sic!] Gesetzgebungshoheit geht auch insoweit praktisch auf die Gemeinschaft über.“ 15 So Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (7, 36). 16 Vgl. Ch. W. A. Timmermans, Die europäische Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht, RabelsZ 48 (1984), S. 1 (36); so auch C. F. Ophüls, Quellen und Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1963, S. 1697 (1700). 17 Vgl. R. Riegel, Zum Verhältnis zwischen gemeinschaftsrechtlicher und innerstaatlicher Gerichtsbarkeit, NJW 1975, S. 1049 (1051); ebenso S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (685); siehe auch E. Grabitz, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 189 Rn. 57; M. Lutter, Europäische Gerichtsbarkeit und nationale Gerichtsbarkeit, ZZP 1973, S. 107 (147), mißt dem nachträglich erlassenen richtlinienwidrigen Recht eine neutralisierende Wirkung im Verhältnis zu dem früheren richtlinienkonformen Recht bei, d. h., das alte Recht ist aufgehoben und das neue Recht entfaltet keine Wirkung, so daß im Ergebnis die gleiche Situation besteht, „wie wenn die Richtlinie überhaupt noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden wäre“; ders., Die Entwicklung des Gesellschaftsrechts in Europa, EuR 1975, S. 1975, S. 42 (52); ders., Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 16; ähnlich A. Dendri-

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5. Teil: Sperrwirkung der Richtlinie

wirkung von Richtlinien unmittelbar aus der Simmenthal II-Entscheidung des Gerichtshofs entnehmen,18 worin dieser ausführt: „Darüber hinaus haben nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts … die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten nicht nur zur Folge, daß allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sondern auch − da diese … Rechtsakte vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaates bestehenden Rechtsordnung sind −, daß ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären.“19

Dabei verkennt Albrecht Bach jedoch, daß der Gerichtshof von einem weitem Begriff der „unmittelbaren Geltung“ ausgeht,20 was zur Folge hat, daß die Richtlinie nach diesem Verständnis des Gerichtshofs nicht zu den unmittelbar geltenden Rechtsakten gezählt werden kann, wie auch daran deutlich ersichtlich wird, daß Richtlinien eben nicht dazu führen, „daß allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird“21. Demzufolge kann dieser Entscheidung keinerlei unmittelbare Aussage über die Sperrwirkung der Richtlinien entnommen werden. Soweit den Richtlinien im Schrifttum, wie dargelegt wurde, eine derogierende Wirkung zugesprochen wird, muß dem widersprochen werden, denn die Mitgliedstaaten gehen durch den Erlaß der Richtlinie ihrer Rechtsetzungsbefugnis nicht verlustig, m. a. W., es findet kein Übergang der Rechtsetzungskompetenz von den Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft statt.22 Demzufolge handeln die Mitgliedstaaten durch eine nachträgliche Rechtsetzung in dem von der Richtlinie erfaßten Bereich nicht ultra vires. Vielmehr setzt, wie Martin Gellermann zutreffend ausführt, _____________ nos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 291, der ausführt, daß „der Vorrang des Gemeinschaftsrechts … eine Anwendungssperre des richtlinienwidrigen nationalen Rechts“ bewirke. 18 Vgl. A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1111). 19 EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal), Slg. 1978, S. 629 (644, Rn. 17/18). 20 Zum dem vom EuGH vertretenen weiteren Begriffsverständnis der „unmittelbare Geltung“ siehe 4. Teil, I. 2., S. 89 f. 21 EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal), Slg. 1978, S. 629 (644, Rn. 17/18). 22 Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 92 m. H.; auch M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677); ebenso A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (578).

II. Rechtsfolgen bei Verletzung der Sperrwirkung von Richtlinien

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„das Rechtsinstitut der Richtlinie … im Gegenteil gerade voraus, daß die Mitgliedstaaten ihre Rechtssetzungskompetenzen [sic!] behalten, da anderenfalls der von Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.] vorgesehene Umsetzungsprozeß nicht denkbar ist.“23

Da der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nach zutreffender Auffassung einen „Anwendungsvorrang“24 und keinen normhierarchischen Geltungsvorrang darstellt, d. h., gemeinschaftsrechtswidriges nationales Recht ist unanwendbar, aber nicht nichtig,25 läßt auch er sich nicht zur Begründung der Nichtigkeit des _____________ 23 M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 92; siehe dazu auch E. Spetzler, Die richtlinienkonforme Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, S. 579 (579), der hervorhebt, daß „die Richtlinienkompetenz des Art. 189 Abs. 3 EWG-Vertrag [= Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag n. N.] … das Gesetzgebungsrecht bei dem nationalen Gesetzgeber (belasse), indem es diesem oblieg(e), das ihm in der Richtlinie verbindlich vorgegebene Ziel durch nationalen Rechtsetzungsakt in unmittelbar geltendes Recht zu transformieren.“ 24 BVerfGE 75, 223 [244]. 25 Vgl. H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2421); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 3; auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 4; ders., Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 (958); M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 37 ff.; ebenso G. Gornig, Probleme der Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit für Rechtsanwälte in den Europäischen Gemeinschaften, NJW 1989, S. 1120 (1126); auch Th. C. W. Beyer/Th. M. J. Möllers, Die Europäisierung des Arbeitsrechts, JZ 1991, S. 24 (27); W. Veelken, Die Bedeutung des EG-Rechts für die nationale Rechtsanwendung, JuS 1993, S. 265 (267); ebenso U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 599 (628 ff.); grundlegend M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 61 ff., insb. S. 136 ff.; auch ders., Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, JR 1973, S. 441 (444); auch ders., Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht − wechselseitige Einwirkungen, in: VVDStRL 53 (1994), S. 154 (159 ff.); a. A. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1966, S. 98 ff., insb. S. 113; auch E.-W. Fuß, Die Verantwortung der nationalen Gerichte für die Wahrung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: GS für Ch. Sasse, Bd. 1, 1981, S. 171 (188 ff.), der ausdrücklich fordert, daß die „Gemeinschaftsrechtsordnung … eine materiell-rechtliche Kollisionsregel … entwickeln (müsse) [Anm. d. Verf.], die ihr im Normensystem der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen den Geltungsvorrang sicher(e).“ (S. 191); K. Zweigert, Der Einfluß des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, RabelsZ 28 (1964), S. 601 (638 f.); siehe dazu auch A. Weber, Rechtsfragen der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in der Bundesrepublik, 1987, S. 74, der anstelle des Anwendungsvorrangs einen „umfassendere(n) Geltungsvorrang“ fordert, der zu einer „Anwendungssperre der entgegenstehenden, nationalen Aus- oder Durchführungsvorschrift auch dann (führe), wenn diese im konkreten Anwendungsfall gegen höherrangi-

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5. Teil: Sperrwirkung der Richtlinie

nachträglich erlassenen richtlinienwidrigen nationalen Rechts heranziehen. 26 Selbst die Unanwendbarkeit des mitgliedstaatlichen Rechts aufgrund einer entgegenstehenden Richtlinie kann durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht begründet werden, da nämlich Richtlinien − abgesehen von dem Fall, daß diesen ausnahmsweise eine unmittelbare Wirkung zugesprochen wird27 − nicht unmittelbar anwendbar sind28 und deshalb nicht am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben.29 Die Richtlinie als solche führt also weder zur Nichtigkeit noch zur Unanwendbarkeit des nachträglich erlassenen richtlinienwidrigen innerstaatlichen Rechts, so daß eine derartige Wirkung lediglich noch von dem früheren richtlinienkonformen mitgliedstaatlichen Recht ausgehen könnte. Da es sich hierbei aber um das Verhältnis von früherem nationalem Recht zu späterem, ebenfalls nationalem Recht handelt, sind die im jeweiligen Mitgliedstaat geltenden Kollisionsregeln anzuwenden, d. h., es findet, sofern der frühere als auch der spätere Rechtsakt gleichrangig sind, der Grundsatz lex posterior derogat legi priori Anwendung.30 _____________ ges, nicht unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht“ verstießen; ebenso i. d. S. ders., Richterliche Kontrolle bei der Ausführung von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten, in: 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg − 1814 Oberappelationsgericht − Oberlandesgericht 1989, FS, 1989, S. 699 (701 ff.). 26 So auch A. Scherzberg, Mittelbare Rechtssetzung durch Gemeinschaftsrecht, Jura 1992, S. 572 (578). 27 Siehe dazu näher 7. Teil, II., S. 170 ff. 28 Siehe dazu 4. Teil, I. 3., S. 90 ff. 29 So auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (229, 232); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (52 ff.); U. Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, S. 947 (952); ebenso J. Viebrock, Direktwirkung von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 555 (556); M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (480); W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (132); W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 247 ff. m. w. H.; auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 97; i. d. S. auch M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (596); J. Hoffmann, Realkredit im Europäischen Verbraucherschutzrecht, ZIP 2002, S. 145 (152); H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-Rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (215 f.), der die Unanwendbarkeit, soweit die Richtlinien keine unmittelbare Wirkungen haben, „zumindest als außerordentlich zweifelhaft bezeichnet“. 30 Vgl. D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 176; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100); M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 327; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (676); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 93.

III. Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung

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Demgemäß stellt die Sperrwirkung der Richtlinien lediglich eine Unterlassungspflicht dar,31 die aber spätere nationale Rechtsakte, selbst wenn diese in Widerspruch zu einer Richtlinie stehen, nicht an ihrer wirksamen Entstehung und Anwendung hindern kann.32 Sofern ein Mitgliedstaat gegen diese Sperrwirkung der Richtlinie verstößt, kann deren Mißachtung einzig und allein durch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 226 f. EGV 33 vor dem Gerichtshof angegriffen werden.34

III. Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung Ähnlich umstritten wie die Rechtsfolgen der Sperrwirkung ist auch der Zeitpunkt, ab dem die Sperrwirkung der Richtlinie eintritt: So könnte einerseits der Erlaß der Richtlinie, andererseits aber auch erst der Ablauf der Umsetzungsfrist maßgeblich sein.35 Folgt man der wohl h. L., so entsteht die von der Richtlinie ausgehende Unterlassungsverpflichtung bereits mit Erlaß der Richtlinie.36 Als Begründung _____________ 31 So auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 97; M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677); D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 176; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (100). 32 Siehe E. Schober, Die EWG-Richtlinie 64/221 und § 10 des neuen Ausländergesetzes, NJW 1965, S. 2240 (2241); i. d. S. auch D. Schultz, Die ausgeführte Richtlinie im nationalen Recht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 677 (681); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677); vgl. auch M. Zuleeg, Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, JR 1973, S. 441 (448). 33 Zum Vertragsverletzungsverfahren siehe näher 7. Teil, I., S. 168 ff. 34 So auch E. Schober, Die EWG-Richtlinie 64/221 und § 10 des neuen Ausländergesetzes, NJW 1965, S. 2240 (2241); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 97, 102; M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (481); D. Schultz, Die ausgeführte Richtlinie im nationalen Recht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 677 (681); Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 91. 35 Vgl. dazu ausführlich U. Schliesky, Die Vorwirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, DVBl. 2003, S. 631 (631 ff.). 36

Vgl. M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (7); M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (677 f.); ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 177; siehe dazu auch F. G. Miller, Die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie zum großen Teil bereits seit 1.1.1979 in der Bundesrepublik geltendes Recht, DB 1979, S. 2051 (2053), der den Richtlinien „bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist … Sperrwirkung gegenüber späterem nationalen Recht, das

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5. Teil: Sperrwirkung der Richtlinie

wird vor allem angeführt, daß die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausführung der Richtlinie bereits mit Erlaß der Richtlinie und nicht erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist beginne.37 Dem muß jedoch entgegengehalten werden, daß die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Recht erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß den verbindlichen Vorgaben der Richtlinien angeglichen haben müssen. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu verändern, daß die Umsetzungsfrist nur den äußersten Zeitpunkt kennzeichnet, bis zu dem die Richtlinie spätestens ausgeführt werden muß. 38 Erst recht muß der Erlaß einer Richtlinie als maßgebender Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung angesehen werden, wenn man, was allerdings, wie bereits dargelegt,39 abzulehnen ist, Richtlinien eine derogative Wirkung zubilligt, da es nur schwerlich verständlich wäre, wenn bereits bestehende richtlinienwidrige Normen bis zum Ende der Umsetzungsfrist weiterhin anwendbar wären, während nationale Normen, die in Widerspruch zu einer bereits erlassenen Richtlinie stehen, unangewendet bleiben sollten.40 Daher kann Eckart Klein zugestimmt werden, wenn er darauf hinweist, daß eine „der Richtlinie entsprechende Rechtslage … von Gemeinschaftsrechts wegen erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist geschaffen sein (müsse). Erst ab diesem Zeitpunkt (seien) Sperrwirkungen … akzeptabel.“41

Es sei angemerkt, daß den Richtlinien allerdings für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten und dem Ablauf der Umsetzungsfrist, ähnlich wie bei einem völkerrechtlichen Vertrag nach Art. 18 WVÜ, insoweit eine Vorwirkung zugestanden werden muß, als sie einen Mitgliedstaat verpflichten, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck einer Richtlinie vereitelten, d. h., die Richtlinie steht solchen nationalen Rechtsetzungsakten entgegen, die von vornherein eine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht ausschlössen, sie verbietet aber keine richtlinienwidrigen Änderungen des nationalen Rechts, die bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist wieder aufgehoben _____________ ihnen inhaltlich widerspricht,“ einräumt, allerdings mit der Einschränkung, daß diese „den Mitgliedstaaten kein Ausführungsermessen“ belassen dürften. 37 Vgl. M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (678); auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 177. 38 So aber D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 177; ebenso M. Karoff, Richtlinie und Umsetzungspraxis, RabelsZ 48 (1984), S. 649 (678). 39 Siehe dazu 5. Teil, II., S. 112 ff. 40 Vgl. E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (646). 41 E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (646); i. d. S. auch R. Riegel, Zum Verhältnis zwischen gemeinschaftsrechtlicher und innerstaatlicher Gerichtsbarkeit, NJW 1975, S. 1049 (1051), der ausführt: „Vor Ablauf dieser Frist (sc. der Umsetzungsfrist) [Anm. d. Verf.] entfaltet die Richtlinie keine Sperrwirkung“.

III. Zeitpunkt des Eintritts der Sperrwirkung

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werden können und somit eine vertragskonforme Richtlinienumsetzung nicht vereiteln. Als Rechtsgrundlage dieser soeben beschriebenen Vorwirkung muß die Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV angesehen werden.42 Eine Verletzung dieser Vorwirkung führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der nationalen Rechtsetzungsakte, sondern stellt eine Vertragsverletzung dar, die gemäß Art. 226 f. EGV vor dem Gerichtshof angegriffen werden kann.

_____________ 42

Ganz i. d. S. auch E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (645), der eine derartige Verpflichtung allerdings unmittelbar aus Art. 10 EGV entnimmt.

Sechster Teil

Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts I. Begriff der „richtlinienkonformen Auslegung“ Während die Sperrwirkung der Richtlinie die jeweils innerstaatlich zuständigen Rechtsetzungsorgane betrifft,1 kommt der Richtlinie im Rahmen der Rechtsanwendung vorwiegend in ihrer Funktion als Auslegungsnorm Bedeutung zu. 2 Da mittlerweile große Teile des nationalen Rechts auf Richtlinien zurückzuführen sind,3 ist dessen Interpretation ohne Rücksicht auf die gemeinschaftsrechtliche Provenienz vielfach nicht mehr vorstellbar. 4 Daher vermag es kaum zu verwundern, daß die nationalen Gerichte die sog. „richtlinienkonforme Auslegung“5 _____________ 1

Siehe dazu näher 5. Teil, S. 110 ff.

2

Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 103. 3

Siehe dazu ausführlich Einleitung, I., S. 2 f.

4

Vgl. W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (1); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 103. 5

Der Terminus „richtlinienkonforme Auslegung“ ist im Schrifttum vorherrschend. Vgl. etwa W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (385 ff.); H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (211); W. Birkenfeld, Deutsches Umsatzsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht der EG, UR 1989, S. 329 (335); ebenso E. Spetzler, Anmerkung zum Urteil des FG München vom 13.9.1989, RIW 1989, S. 1003 (1004); auch S. Müller-Franken, Gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung, richtlinienkonforme Auslegung und Bestandskraft von Verwaltungsakten, DVBl. 1998, S. 758 (758 ff.); P.-Ch. Müller-Graff, Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil II, DRiZ 1996, S. 305 (312); P. Jann/B. Schima, Bemerkungen zum Gebot der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts, in: FS für G. C. Rodríguez Iglesias, 2003, S. 283 (283 ff.); M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 1 ff.; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 3 m. w. N.

I. Begriff der „richtlinienkonformen Auslegung“

121

praktizieren.6 Soweit in der Literatur die Termini „europarechtskonforme Auslegung“7, „EG-rechtskonforme Auslegung“8 und „gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung“9 verwandt werden, sind diese als Oberbegriffe der richtlinienkonformen Auslegung zu verstehen,10 die aber die Besonderheiten der Interpretation des mitgliedstaatlichen Rechts unter Zuhilfenahme von Richtlinien nicht hinreichend genau erfassen können.11 _____________ 6

Vgl. BVerfGE 75, 223 [237]; BAGE 61, 209 [214 ff.]; BFHE 132, 319 [321]; BGHZ 63, 261 [264]; BGHSt 37, 333 [336]; BVerwGE 57, 61 [64]; auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 103 m. w. N.; W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (1); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); siehe ausführlich zur richtlinienkonformen Auslegung in der Rechtsprechung deutscher Gerichte W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 77 ff. 7

A. Bleckmann, Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der EG-Richtlinien, RIW 1984, S. 774 (775). 8

H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 89; ebenso ders./S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (768). 9

M. Schmidt, Privatrechtsangleichende EU-Richtlinien und nationale Auslegungsmethoden, RabelsZ 59 (1995), S. 569 (582); ebenso M. Zuleeg, Gleicher Zugang von Männern und Frauen zu beruflicher Tätigkeit − Anmerkung zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen 14 und 79/83, RdA 1984, S. 325 (329); ders., Der Beitrag des Strafrechts zur europäischen Integration, JZ 1992, S. 761 (765). 10

Siehe W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 3; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 191; W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (874); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (180); vgl. dazu auch H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 89. 11

I. d. S. auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 3; deutlich U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (603), der hinsichtlich der Abgrenzung der Begriffe „richtlinienkonforme Auslegung“ und „gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung“ ausführt, daß es sich „in Wirklichkeit … um zwei zwar verwandte, dennoch aber streng voneinander zu trennende Auslegungsmethoden“ handele, die sich in ihrem Anwendungsbereich unterschieden: Während erstere „nur die Auslegung des nationalen Rechts im Hinblick auf jeweils eine spezielle nach Art. 189 III EGV [= Art. 249 III EGV n. N.] ergangene Richtlinie“ umfasse, meine zweitere „das am Sinn, Zweck und Ziel des gesamten EG-Rechts ausgerichtete Verständnis nationaler Normen.“ A. A. M. Schmidt, Privatrechtsangleichende EU-Richtlinien und nationale Auslegungsmethoden, RabelsZ 59 (1995), S. 569 (582, Fn. 72), der den „Begriff richtlinienkonforme Auslegung“ als „mißverständlich“ bezeichnet, „weil rechtsangleichende Richtlinien ihrerseits … im Einklang mit dem gesamten Gemeinschaftsrecht ausgelegt werden“ müßten, weshalb er den Begriff „gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung“ für terminologisch zutreffender hält.

122

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

II. Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung Obgleich das Schrifttum − soweit ersichtlich einhellig − die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung befürwortet,12 besteht keine Einigkeit darüber, was letztlich als Rechtsgrundlage dieser Verpflichtung der Mitgliedstaaten angesehen werden muß. Deshalb wird im folgenden das Gemeinschaftsrecht, aber auch das nationale Recht daraufhin untersucht, inwieweit es eine rechtliche Grundlage für die richtlinienkonforme Auslegung bereitstellt.

1. Gemeinschaftsrechtliches Gebot der richtlinien konformen Auslegung Die Rechtsgrundlage der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts ist nach der Ansicht von Eugen Spetzler im Vorrang des Gemeinschaftsrechts zu sehen: „Beim Widerstreit nicht unmittelbar wirkender Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane (Richtlinien-Vorschrift ohne unmittelbare Wirkung) mit einer nationalen Rechtsvorschrift ist dem Vorrang des Gemeinschaftsrechtsrechts durch richtlinienkonforme Auslegung Rechnung zu tragen.“13

Diese Sichtweise stellt auch den Ausgangspunkt von Hans D. Jarass’ Untersuchung dar, in der er die These aufstellt, daß die „rechtliche Begründung für die richtlinienkonforme Auslegung … ähnlich wie bei der verfassungskonformen Auslegung“, welche sich auf den „Vorrang des Verfassungsrechts und … die Schonung des Gesetzgebers“ stütze, im „Vorrang des EG-Rechts“ und der „Schonung des innerstaatlichen Gesetzgebers“14 gesehen werden könne. Letztlich lehnt er jedoch diese These ab, da die Richtlinien, soweit ihnen keine unmittelbare Wirkung zukomme, nicht am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teil_____________ 12

Vgl. statt vieler W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (1 f.); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (34); W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (180). 13

E. Spetzler, Die Kollision des Europäischen Gemeinschaftsrechts mit nationalem Recht und deren Lösung, RIW 1990, S. 286 (290); i. d. S. auch ders., Die richtlinienkonforme Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, S. 579 (580). 14

H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (215).

II. Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung

123

hätten.15 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aber auch die von Hans D. Jarass angesprochene Schonung des nationalen Gesetzgebers, auf die er in seinen weiteren Ausführungen nicht weiter eingeht, vermag keine Rechtsgrundlage für die richtlinienkonforme Auslegung darzustellen, denn anders als bei der verfassungskonformen Auslegung führt die Richtlinienwidrigkeit höchstens zur Unanwendbarkeit einer nationalen Norm, sofern die entsprechende Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltet,16 niemals aber kann die mitgliedstaatliche Regelung für nichtig erklärt werden, wie dies im Falle der Verfassungswidrigkeit geschieht, d. h., die nationale Norm bleibt als solche stets erhalten. Daher wählte der Gerichtshof wohl auch einen anderen Anknüpfungspunkt, um die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts gemeinschaftsrechtlich zu verankern.17 Während der Gerichtshof in den Entscheidungen „Haaga“18 und „Bonsignore/Stadt Köln“19 noch lediglich deshalb tätig wurde, weil ein nationales Gericht die Auslegung einer bestimmten Richtlinienregelung für erforderlich hielt, um eine gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung innerstaatlichen Rechts zu gewährleisten, der Gerichtshof sich also letztlich, wie Winfried Brechmann es anschaulich ausdrückt, allein „auf den Wunsch“20 des nach Art. 234 EGV vorlegenden nationalen Gerichts nach Auslegung berief, „ohne aber eine Pflicht hierzu (sc. zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts) [Anm. d. Verf.] ausdrücklich festzustellen“ 21, leitete der Gerichtshof erstmals in den Urteilen „von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen“ und „Harz/Deutsche Tradex“ eine allgemeine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts ab, wonach _____________ 15

Vgl. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (215 f.); ebenso H.-W. Rengeling, Europäische Normgebung und ihre Umsetzung in nationales Recht, DVBl. 1995, S. 945 (948); i. d. S. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 104, wenngleich er unzutreffenderweise vom „(Geltungs-)Vorrang“, den die Richtlinien nicht genössen, spricht; siehe dazu auch 5. Teil, II., S. 116. 16

Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinien siehe ausführlich 7. Teil, II., S. 170 ff. 17

Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 104; i. d. S. auch H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (216); siehe dazu ausführlich W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 31 ff. 18

Vgl. EuGH v. 12.11.1974 – Rs. 19/74 (Haaga), Slg. 1974, 1201 (1206, Rn. 3).

19

Vgl. EuGH v. 26.2.1975 – Rs. 67/74 (Bonsignore/Stadt Köln), Slg. 1975, 297 (306, Rn. 4). 20

W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 33.

21

W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 38.

124

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

„das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung der Richtlinie … erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen hat, um das in Artikel 189 Absatz 3 [= Art. 249 Absatz 3 n. N.] genannte Ziel zu erreichen.“22

Als Begründung für eine solche Pflicht der Mitgliedstaaten zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts beruft sich der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung auf „die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 EWG-Vertrag [= Art. 10 EG-Vertrag n. N.], alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner und besonderer Art zu treffen“23.

Wie sich aus den Ausführungen des Gerichtshofs entnehmen läßt, stützt dieser die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts gleichzeitig auf die Umsetzungspflicht des Art. 249 Abs. 3 EGV und die Pflicht zur Gemeinschaftstreue gemäß Art. 10 Abs. 1 EGV.24 Dem folgt ein breiter Teil _____________ 22

EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 (1909, Rn. 26); ebenso EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz/ Deutsche Tradex), Slg. 1984, 1921 (1942, Rn. 26); auch EuGH v. 15.5.1986 – Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, 1651 (1690, Rn. 53); EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986, Rn. 12); EuGH v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 (Beentjes/Niederländischer Staat), Slg. 1988, 4635 (4662, Rn. 39); EuGH v. 7.11.1989 – Rs. 125/88 (Strafverfahren gegen Nijman), Slg. 1989, 3533 (3546, Rn. 6). 23

Grundlegend EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 (1909, Rn. 26); ebenso EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz/Deutsche Tradex), Slg. 1984, 1921 (1942, Rn. 26); seither st. Rspr., vgl. EuGH v. 15.5.1986 – Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, 1651 (1690, Rn. 53); EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986, Rn. 12); EuGH v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 (Beentjes/ Niederländischer Staat), Slg. 1988, 4635 (4662, Rn. 39); EuGH v. 7.11.1989 – Rs. 125/88 (Strafverfahren gegen Nijman), Slg. 1989, 3533 (3546, Rn. 6); EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 (I-4159, Rn. 8); EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3357, Rn. 26); i. d. S. auch EuGH v. 26.9.1996 – Rs. C-168/95 (Strafverfahren gegen Luciano Arcaro), Slg. 1996, I-4705 (I-4730, Rn. 41). 24

Vgl. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 258; ebenso H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 89; W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (755); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (892).

II. Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung

125

des Schrifttums.25 Vielfach wird jedoch − teilweise sogar unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs − die richtlinienkonforme Auslegung auch ausschließlich26 oder zumindest vor allem27 auf Art. 10 EGV gestützt. Fraglich erscheint hingegen, ob ein Rückgriff auf die Pflicht zur Gemeinschaftstreue gemäß Art. 10 EGV überhaupt erforderlich ist. Wie Winfried Brechmann überzeugend nachgewiesen hat, gehört das gemeinschaftsrechtliche Gebot der richtlinienkonformen Auslegung unmittelbar zur Umsetzungsverpflichtung aus Art. 249 Abs. 3 EGV,28 da letztere für die Gerichte und Exekutivorgane die Rechtspflicht enthält, die von ihnen erlassenen „Rechtssätze an den Richtlinien zu orientieren und, wenn irgendwie möglich, ihren inhaltlichen Anforderungen zu ent_____________ 25

Vgl. etwa M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 68; M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (604); Th. C. W. Beyer/Th. M. J. Möllers, Die Europäisierung des Arbeitsrechts, JZ 1991, S. 24 (26); W.-H. Roth, „Video“-Nachlese oder das (immer noch) vergessene Gemeinschaftsrecht, ZIP 1992, S. 1054 (1056); H. Heinrichs, Umsetzung der EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch Auslegung, NJW 1995, S. 153 (154); S. Frisch, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 13.12.2001 – Rs. C-481/99, BKR 2002, S. 84 (85); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (182); M. Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 6 Rn. 36. 26

Vgl. etwa M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (268 ff.), der ausdrücklich hervorhebt, daß ein Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung nicht aus Art. 249 Abs. 3 EGV, sondern aus Art. 10 Abs. 2 EGV entnommen werden könne; ebenso W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (183, 185); Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 60 f.; M. Habersack/Ch. Mayer, Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“-Entscheidung des EuGH, WM 2002, S. 253 (255, Fn. 32); siehe auch A. Bleckmann, Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der EG-Richtlinien, RIW 1984, S. 774 (775); ebenso U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EGRichtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (101); A. Weber/U. Hellmann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz), NJW 1990, S. 1625 (1633); H. Freyer, Richtlinienspezifische Probleme am Beispiel der Produkthaftung, EuZW 1991, S. 49 (50); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854); K. Finke, Die Haftung der Mitgliedstaaten für die Verletzung von Gemeinschaftsrecht, DZWiR 1996, S. 361 (367); auch BVerfGE 75, 223 [237]. 27

Vgl. U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (380). 28

Vgl. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 257; i. d. S. auch W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 125; ähnlich C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (51, 62).

126

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

sprechen“29. Daher kann Art. 249 Abs. 3 EGV als speziellere Regelung gegenüber der allgemeinen Pflicht zur Gemeinschaftstreue des Art. 10 EGV angesehen werden und geht dieser nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali vor. 30 Dieser Sichtweise von Winfried Brechmann folgen auch Ulrich Ehricke31 und Stefan Grundmann32. Soweit Hans D. Jarass ausführt, daß „sich die richtlinienkonforme Auslegung nicht unmittelbar aus dem EG-Recht ableiten“ ließe, sondern „vielmehr … eine Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs“33 darstelle, ist dem nicht zuzustimmen, da die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung, wie gezeigt, unmittelbar Art. 249 Abs. 3 EGV entnommen werden kann. Daher sind auch die Ausführungen von Arno Scherzberg unzutreffend, wonach „die Rechtsprechung des Gerichtshofs (zur richtlinienkonformen Auslegung) [Anm. d. Verf.] … auf einer erneuten richterrechtlichen Ausweitung der innerstaatlichen Wirkkraft von Richtlinien beruh(e).“34

2. Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts Ungeachtet des gemeinschaftsrechtlichen Gebots der richtlinienkonformen Auslegung nach Art. 249 Abs. 3 EGV läßt sich auch aus dem nationalen Recht eine Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung ableiten.35 Dieser Verpflich_____________ 29

W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 256.

30

Vgl. W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 257; ebenso U. Schliesky, Die Vorwirkung von gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, DVBl. 2003, S. 631 (637); i. E. auch W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (385), der ausführt, daß „ein Rückgriff auf die Kooperationsverpflichtung des Art. 10 EG[V] nicht vonnöten“ sei. 31

Vgl. U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (614, Fn. 59). 32

Vgl. S. Grundmann, Richtlinienkonforme Auslegung im Bereich des Privatrechts, ZEuP 1996, S. 399 (407). 33

H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (216). 34

A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (232). 35

Siehe D. Kellersmann, Zur Diskussion um die Vorlagepflicht in bilanzsteuerlichen Fragen, StuB 2001, S. 122 (125); ebenso W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (385, 391); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 105, der von einer „Verdopplung ihres rechtlichen Grundes“ spricht; Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); H.-H. Heidner, Richtlinienkonforme Auslegung von Befreiungsvorschriften

II. Rechtsgrundlage der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung

127

tung liegt die Vermutung zugrunde, daß die nationalen Rechtsetzungsorgane, wenn sie Normen zur Richtlinienumsetzung erlassen, die betreffende Richtlinie vertragsgetreu umsetzen wollen.36 Daraus wiederum folgt, daß die Rechtsanwendungsorgane diesen Willen der nationalen Rechtsetzungsorgane bei der Auslegung des nationalen Rechts berücksichtigen müssen.37 Die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Umsetzungsvorschriften ergibt sich _____________ im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, S. 74 (75); i. d. S. auch J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (76). 36

Siehe H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 89 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 40 f.; ders., Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217); auch U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (101); ders., Rechtsvereinheitlichung durch Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, RabelsZ 50 (1986), S. 193 (224); ders., Zur Funktion des Gerichtshofs bei der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: FS für R. Lukes, 1989, S. 359 (364); E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (647); R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (403); P. Hommelhoff, Zivilrecht unter dem Einfluß europäischer Rechtsangleichung, AcP 192 (1992), S. 71 (95); U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (614); W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (391); R. Sack, Wettbewerbsrechtliche Folgen von Richtlinien der Europäischen Union, VersR 1994, S. 1383 (1384); S. Grundmann, Richtlinienkonforme Auslegung im Bereich des Privatrechts, ZEuP 1996, S. 399 (416); W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (181); W. Meilicke, „Verschleierte“ Sacheinlage und EWG-Vertrag, DB 1990, S. 1173 (1178); auch M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (598); ders., Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 19; G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (453); P.-Ch. Müller-Graff, Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil II, DRiZ, 1996, S. 305 (314); M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 167; i. d. S. auch BFHE 132, 319 [321]; BGHZ 63, 261 [264]; krit. gegenüber einer Vermutung für den Willen des Gesetzgebers zur richtlinienkonformen Umsetzung M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (267). 37 Vgl. BFHE 132, 319 [321]; auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (7); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (37); U. Everling, Rechtsvereinheitlichung durch Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, RabelsZ 50 (1986), S. 193 (224); ders., Möglichkeiten und Grenzen der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: FS für R. Schmidt, 1976, S. 165 (174); B. Langenheine in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 100 Rn. 71.

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6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

hier also nicht aus dem Gemeinschaftsrecht, sondern aus dem nationalen Recht;38 sie stützt sich allein auf den Willen des nationalen Normgebers.39 Demgemäß liegt eine Verpflichtung zur „richtlinienkonforme(n) Auslegung kraft nationalen Rechts“40 vor, deren Mißachtung lediglich als Verletzung des nationalen Rechts, nicht aber des Gemeinschaftsrechts, anzusehen ist.41

3. Ergebnis Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, begründet sich die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts einerseits in der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV, andererseits aber auch im nationalen Recht, wonach der vermutete Wille der nationalen Rechtsetzungsorgane zur vertragsgetreuen Umsetzung der Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht im Rahmen der Auslegung der nationalen Umsetzungsvorschriften zu beachten ist. In der – vornehmlich steuerrechtlichen – Literatur wird daher teilweise nach dem Geltungsgrund der richtlinienkonformen Auslegung zwischen der auf dem Gemeinschaftsrecht fußenden „,objektiven‘ Theorie“ 42 und der im nationalen _____________ 38

Vgl. H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 90; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 41; so auch Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964). 39 Vgl. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217); ebenso H.-H. Heidner, Richtlinienkonforme Auslegung von Befreiungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, S. 74 (75). 40 H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 41; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 90; so auch Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EGRichtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); ebenso U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (614); A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (231). 41 So auch H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (221); ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 106. 42 W. Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 38; ders., Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (183); ebenso U. Probst, Übereinstimmung zwischen Umsatzsteuergesetz und 6. EG-Richtlinie sowie richtlinienkonforme Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStjG 13 (1990), S. 137 (138).

III. Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung

129

Recht begründeten „,subjektiven‘ Theorie“ 43 bzw. „subjektiv-teleologischen Theorie“44 unterschieden.45

III. Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung Da sich der Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts je nach rechtlicher Begründung unterscheiden kann, muß im Rahmen der folgenden Untersuchung zwischen der richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts einerseits und derjenigen kraft nationalen Rechts andererseits streng unterschieden werden. 46

1. Richtlinienkonforme Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts Dem gemeinschaftsrechtlich begründeten Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegen zunächst diejenigen Vorschriften, die zur Ausführung einer Richtlinie ergangen sind. 47 Daß dies aber nur einen möglichen, hingegen nicht den einzigen Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts darstellt, hebt der Gerichtshof, nachdem er dies bereits in dem Urteil „Kolpinghuis Nijmegen“48 andeutete, in _____________ 43

W. Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 1993, S. 36; ebenso U. Probst, Übereinstimmung zwischen Umsatzsteuergesetz und 6. EG-Richtlinie sowie richtlinienkonforme Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStjG 13 (1990), S. 137 (138). 44 W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (181). 45 Krit. zu dieser Begrifflichkeit W. Dänzer-Vanotti, Methodenstreit um die den EGRichtlinien konforme Auslegung, DB 1994, S. 1052 (1054). 46 Vgl. H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 90; auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 41. 47 Siehe H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (220); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 92; M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 106; i. d. S. auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (4); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (35). 48 Vgl. EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986, Rn. 12), wo er ausführt, „daß das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch [Hervorh. d. Verf.] der Vorschriften eines speziell zur

130

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

der Entscheidung „Marleasing“ erstmals in aller Deutlichkeit hervor, indem er verlangt, „daß ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts − gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt [Hervorh. d. Verf.] − dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muß“49.

Demgemäß ist das gesamte in den Regelungsbereich einer Richtlinie fallende mitgliedstaatliche Recht richtlinienkonform auszulegen. Diese Auffassung stößt auch in der Literatur zu Recht auf breite Zustimmung.50

2. Richtlinienkonforme Auslegung kraft nationalen Rechts Soweit sich die richtlinienkonforme Auslegung aus dem nationalen Recht heraus begründet, ist ihr Anwendungsbereich im Gegensatz zur richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts eingeschränkter, da sie stets eine Vermutung für den Willen des nationalen Normgebers zur vertragsgetreuen Um_____________ Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht“ richtlinienkonform auszulegen habe. 49 EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 (I-4159, Rn. 8); ebenso EuGH v. 16.12.1993 – Rs. C-334/92 (Wagner Miret), Slg. 1993, I-6911 (I-6932, Rn. 20); EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3357, Rn. 26); auch EuGH v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96 (Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH/Bundesbaugesellschaft Berlin mbH), Slg. 1997, I-4961 (I-4997, Rn. 43). 50

Vgl. etwa A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1112); H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (220); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 92 f.; ders., Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1993, S. 1 (7); W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (4); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (35); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EGRichtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (15); A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (232); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 106; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 263; M. Schmidt, Privatrechtsangleichende EU-Richtlinien und nationale Auslegungsmethoden, RabelsZ 59 (1995), S. 569 (583); differenzierend die Schlußanträge des GA J. Mischo v. 17.3.1987 in der Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3976 (3978 f., Rn. 21 f.); ebenso die Schlußanträge des GA G. Slynn v. 18.9.1985 in der Rs. 152/84 (Marshall/Southhampton und South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 725 (732 f.); i. d. S. auch G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (453).

III. Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung

131

setzung einer Richtlinie erfordert. 51 Dementsprechend ist − abgesehen von dem wohl eher hypothetischen Fall, daß der nationale Normgeber ausdrücklich den Willen äußert, mit dem Erlaß einer Norm von den verbindlichen Vorgaben einer Richtlinie abzuweichen 52 − eine Verpflichtung zur „richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts bei Umsetzungsvorschriften regelmäßig anzunehmen.“53 Weitaus problematischer erscheint hingegen, ob dem nationalen Normgeber auch über die Ausführungsvorschriften hinaus der Wille zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht unterstellt werden kann. 54 Eine solche Vermutung lehnt Christine Langenfeld per se ab, indem sie ausführt, daß „eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts … im übrigen wohl nur ausdrücklich in bezug auf die zur Umsetzung ergangenen Normen angenommen werden“55 könne. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Hans D. Jarass, der ausführt, daß „insbesondere bei nationalem Recht, das vor der entsprechenden Richtlinie ergangen (sei), … dem Gesetzgeber wohl nur schwer der Wille unterstellt werden (könne), die ihm möglicherweise noch völlig unbekannte Richtlinie erfüllen zu wollen“56, er schließt aber letztlich eine derartige Annahme nicht grundsätzlich aus, sondern fordert vielmehr, daß, soweit es sich nicht um Umsetzungsvorschriften handelt, „geprüft werden (müsse), ob tatsächlich ein entsprechender Wille des nationalen Gesetzgebers gebilligt werden“ 57 könne. Die Auffassung von Hans D. Jarass verdient Zustimmung. So besteht auch eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung von nationalen Normen, die bereits vor Erlaß einer Richtlinie bestanden haben und vom nationalen Gesetzgeber absichtlich nicht verändert worden sind, weil er sie für richtlinienkonform gehalten hat, da in diesem Fall „von einer neuen gesetzgeberischen Regelungsabsicht“58 ausgegangen werden kann. Zu Recht _____________ 51

So auch W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (181 ff.). 52 Siehe dazu W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 269. 53

H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217). 54 Vgl. dazu H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217). 55 Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964). 56 H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217). 57 H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217). 58 W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 271; ähnlich auch die Auffassung von R. Herber, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 14.7.1994, Rs. C-91/92, ZEuP 1996, S. 121 (124); krit. W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung

132

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

weist Winfried Brechmann darauf hin, daß es „widersinnig (wäre), vom nationalen Gesetzgeber den Erlaß einer identischen Norm zu verlangen, nur um Klarheit über die Absicht der Umsetzungsverpflichtung zu erzielen.“ 59 Auch kann entgegen Wolfgang Schön eine richtlinienkonforme Auslegung kraft nationalen Rechts in einem solchen Unterlassungsfall nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, daß die gesetzgeberische Absicht schwer zu verifizieren sei,60 da bloße Schwierigkeiten bei der Feststellung eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens nichts am einzig und allein entscheidenden Vorliegen oder Nichtvorliegen eines solchen ändern können.61 Hinzu kommt, daß als Anhaltspunkt für diesen Willen zur vertragsgetreuen Umsetzung im Falle absichtlich unterlassener Umsetzung die in den meisten Richtlinien geforderte Mitteilung des Mitgliedstaats an die Kommission über die erfolgte Umsetzung der Richtlinie dienen könnte,62 worin der Mitgliedstaat gegebenenfalls erklärt, daß er einen Erlaß von Ausführungsvorschriften für nicht erforderlich halte, da das nationalen Recht bereits mit den Vorgaben der entsprechenden Richtlinie übereinstimme.63 _____________ und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (182 f.); krit. auch C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (50), der ausführt, daß die Annahme einer solchen Regelungsabsicht „in aller Regel eine reine Fiktion bedeuten (wird).“ 59 W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 271. 60 So W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (182 f.). 61 Eine vergleichbare Problematik stellt sich im übrigen im nationalen Recht beim konkreten Normenkontrollantrag nach Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG. Tauglicher Vorlagegegenstand sind hier allein formelle nachkonstitutionelle Gesetze, also solche formellen Gesetze, die nach dem Inkrafttreten des GG am 23.05.1949 (Art. 145 Abs. 2 GG) verkündet wurden. Als nachkonstitutionell anzusehen sind aber auch solche Gesetze, die der nachkonstitutionelle Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen und damit bestätigt hat. Daß ein solcher Bestätigungswille des Gesetzgebers möglicherweise nur schwer zu ermitteln ist, führt keineswegs dazu, daß vorkonstitutionelle Gesetze per se kein tauglicher Vorlagegegenstand sind, vielmehr ist auch hier darauf abzustellen, ob ein konkreter Bestätigungswille festgestellt werden kann oder nicht. Vgl. dazu B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 100 Rn. 8. 62 Vgl. etwa Art. 10 der RL 64/221/EWG v. 25.2.1964, ABl. 1964, S. 850; Art. 9 Abs. 2 der RL 73/148/EWG v. 21.5.1973, ABl. 1973 Nr. L 172/14; Art. 10 Abs. 2 der RL 75/34/EWG v. 17.12.1974, ABl. 1974 Nr. L 14/10; Art. 6 Abs. 1 S. 2 der RL 93/96/EWG v. 29.10.1993, ABl. 1993 Nr. L 317/59; siehe ausführlich zur Notifikationspflicht der Mitgliedstaaten H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 62 f. 63 I. d. S. auch R. Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549 (582 f.); a. A. C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für

IV. Zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtete innerstaatliche Organe

133

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß Ausführungsvorschriften kraft nationalen Rechts stets richtlinienkonform auszulegen sind, während eine solche Verpflichtung in anderen Fällen lediglich dann besteht, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die zweifelsfrei auf einen vertragsgetreuen Umsetzungswillen des nationalen Normsetzers schließen lassen.

IV. Zur richtlinienkonformen Auslegung verpflichtete innerstaatliche Organe Obwohl in den bisherigen Entscheidungen des Gerichtshofs zur richtlinienkonformen Interpretation stets die Auslegung des nationalen Rechts durch mitgliedstaatliche Gerichte den Entscheidungsgegenstand bildete, 64 hebt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung hervor, daß die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung „allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten oblieg(t), und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch [Hervorh. d. Verf.] den Gerichten.“65

Demnach trifft die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts die Exekutive ebenso wie die Gerichte. 66 Diese Verpflichtung be_____________ F. Bydlinski, 2002, S. 47 (50), wonach „der Gesetzgeber … seinen Willen in einer rechtsquellentheoretisch verbindlichen Weise nicht durch ein bloßes Unterlassen … zum Ausdruck bringen (könne), sondern nur im Rahmen eines Aktes des [sic!] Gesetzgebung, und an einem solchen fehl(e) es hier gerade.“ 64

So auch H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (219). 65

Grundlegend EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 (1909, Rn. 26); EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz/Deutsche Tradex), Slg. 1984, 1921 (1942, Rn. 26); seither st. Rspr., vgl. EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986, Rn. 12); EuGH v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 (Beentjes/Niederländischer Staat), Slg. 1988, 4635 (4662, Rn. 39); EuGH v. 7.11.1989 – Rs. 125/88 (Strafverfahren gegen Nijman), Slg. 1989, 3533 (3546, Rn. 6); EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 (I-4159, Rn. 8); EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3357, Rn. 26); EuGH v. 17.9.1997 – Rs. C-54/96 (Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH/Bundesbaugesellschaft Berlin mbH), Slg. 1997, I-4961 (I-4997, Rn. 43). 66

Vgl. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (219); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 93; auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 43; M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (277); so bereits R. Weymüller, Der Anwendungsvorrang von EG-Richtlinien − Eine

134

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

steht aber auch bei der Exekutive nur insoweit, als dies im Rahmen des ihr nach innerstaatlichem Recht zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs möglich ist. 67 Ungeachtet der Judikatur des Gerichtshofs zeigt sich jedoch, daß die Anerkennung des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung für die nationalen Gerichte unweigerlich mit einer ebensolchen Verpflichtung der Exekutive einhergehen muß, da ansonsten für die Exekutive andere rechtliche Maßstäbe gölten als für die Judikative, was bedingte, daß die Verwaltung u. U. eine Entscheidung treffen müßte, die von vornherein einer richterlichen Überprüfung durch die nationalen Gerichte nicht standhielte, da letztere zur richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts verpflichtet wären.68

V. Die richtlinienkonforme Auslegung als Vorzugsregel Vielfach wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, daß der gemeinschaftsrechtlich begründeten richtlinienkonformen Auslegung als eigenständiger Auslegungsmethode Vorrang vor den herkömmlichen Interpretationsregeln des nationalen Rechts zukomme.69 Demnach solle ihr Ergebnis allen anderen Auslegungsergebnissen vorgehen,70 was zur Folge hätte, daß der Kanon der herkömm_____________ Diskussion ohne Ende?, RIW 1991, S. 501 (502); dazu auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 262 f. 67

Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 105; siehe auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EGRichtlinien, Jura 1993, S. 225 (232). 68

So auch H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (219); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 93; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 43 f.; ganz i. d. S. auch W. Widmann, Zu den praktischen Folgen von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, aus denen sich der Anwendungsvorrang einer EG-Richtlinien-Bestimmung ergibt, UR 1990, S. 7 (8). 69

Vgl. statt vieler E. Spetzler, Die richtlinienkonforme Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, S. 579 (580); ders., Wirkung und Einfluß des Rechts der Europäischen Gemeinschaft auf das nationale Steuerrecht, DB 1993, S. 553 (554); W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (389, 392); M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (604 f.); S. Grundmann, Richtlinienkonforme Auslegung im Bereich des Privatrechts, ZEuP 1996, S. 399 (419 ff.); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (64 ff., 79); einen ausführlichen Überblick gibt W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 131 ff. 70

Vgl. M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (604); S. Grundmann, Richtlinienkonforme Auslegung im Bereich des Privatrechts, ZEuP 1996,

V. Die richtlinienkonforme Auslegung als Vorzugsregel

135

lichen Methoden außer Betracht bleiben müßte, wenn er zu richtlinienwidrigen Ergebnissen gelänge.71 Dieser Sichtweise liegt, wie Winfried Brechmann zutreffend herausgearbeitet hat, der logische Schluß vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts, welcher auch die Richtlinie umfasse, auf den Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung zugrunde.72 Da aber Richtlinien grundsätzlich nicht am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben,73 ist auch dem Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung jegliche Rechtsgrundlage entzogen. 74 Vielmehr stellt die richtlinienkonforme Interpretation eine Vorzugsregel dar, nach der im Rahmen der nationalen Auslegungskriterien von mehreren in Frage kommenden Auslegungsvarianten eine solche zu wählen ist, die mit der Richtlinie vereinbar ist.75 _____________ S. 399 (419 ff.); J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (67). 71

Krit. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 112, der zu Recht ausführt, daß diese Auffassung nicht zu überzeugen vermag. 72

Siehe W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 131 f.; i. d. S. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 112. 73

Siehe dazu 5. Teil, II., S. 116 m. N.

74

Siehe W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 247 ff.; ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 112; U. Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, S. 947 (952 f.); auch U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (617 f., 622 f.); i. d. S. auch W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (754 f.); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (8 f.); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (37 f.); ders., Methodenstreit um die den EG-Richtlinien konforme Auslegung, DB 1994, S. 1052 (1053); a. A. S. Grundmann, Richtlinienkonforme Auslegung im Bereich des Privatrechts, ZEuP 1996, S. 399 (412 ff.), der zwar einen absoluten Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung ablehnt, ihre Anwendung aber unter bestimmten Umständen auch in den Fällen fordert, in denen das nationale Recht keine Auslegungsspielräume eröffnet. 75

Vgl. A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, 521 (523, insb. Fn. 32); ebenso U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (616); W. Erbguth/F. Stollmann, Die Bindung der Verwaltung an die FFH-Richtlinie, DVBl. 1997, S. 453 (453); auch P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (891); E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (646, Fn. 28); i. d. S. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 113; W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (754); ebenso − wiewohl allgemein bezogen auf den „Grundsatz der gemein-

136

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Es ist daher Hans D. Jarass uneingeschränkt zuzustimmen, wenn er ausführt, daß „die mit Blick auf eine Richtlinie gewonnene Auslegung nationalen Rechts auch dann eine nach den nationalen Auslegungsregeln vertretbare Auslegung sein (müsse) [Anm. d. Verf.], wenn man die Richtlinie außer acht“76

lasse. Die richtlinienkonforme Auslegung stellt also keine eigenständige Auslegungsmethode mit rechtlichem Vorrang vor den herkömmlichen Auslegungskriterien des nationalen Rechts dar.77 Dies vermag jedoch nicht über ihr besonderes Gewicht im Rahmen der Auslegung des nationalen Rechts hinwegzutäuschen, weshalb der richtlinienkonformen Auslegung nach der zutreffenden Auffassung von Wolfgang Dänzer-Vanotti ein „wertmäßiger Vorrang“78 zuzuerkennen ist. _____________ schaftsrechtskonformen Auslegung“ − M. Zuleeg, Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Gemeinschaft, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 9 (23); dazu auch K. A. Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung, 1986, S. 20, der von einem umfassenden Prinzip − welches auch für die „europarechts-konforme Auslegung nationalen Rechts“ gelte − spricht, „das dahin lautet: Unter mehreren Auslegungen einer mehrdeutigen Norm scheiden diejenigen aus, bei welchen die Norm mit höherwertigem Recht kollidiert.“ 76

H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (218); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 95; auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 42; ders., Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 (958); auch W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (131). 77

So zu Recht W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (755); auch B. Jud, Die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation, ÖJZ 2003, S. 521 (524). 78

W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (755); i. d. S. auch ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (9), wo er ausführt, daß der richtlinienkonformen Auslegung ein „gewisser wertender Vorrang“ eingeräumt werde; ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (38); U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (612 ff.); ablehnend W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStjG 19 (1996), S. 167 (186 f.), der die Grenzen zulässiger Auslegung erst dann überschritten sieht, „wenn der mögliche Wortsinn verlassen oder zumindest dem gesetzgeberischen Zweck diametral entgegengewirkt wird.“

VI. Beginn der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung

137

VI. Beginn der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung Hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem eine Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts eintritt, muß – ebenso wie bei dem Anwendungsbereich der richtlinienkonformen Auslegung 79 – streng unterschieden werden, ob diese Verpflichtung kraft Gemeinschaftsrechts oder kraft nationalen Rechts besteht.80

1. Richtlinienkonforme Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts Als problematisch erweist sich bei der richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts die Frage, ob diese Pflicht bereits mit dem Erlaß der jeweiligen Richtlinie oder erst mit dem Ablauf der zu ihrer Umsetzung bestimmten Frist einsetzt.81 Folgt man der Rechtsprechung des Gerichtshofs, „so macht es … keinen Unterschied, ob die Umsetzungsfrist schon abgelaufen ist oder nicht.“ 82 Diese Auf_____________ 79

Siehe 6. Teil., III. S. 129 ff., insb. S. 129.

80

Vgl. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (221); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 90. 81

Vgl. etwa H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (220); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 92; auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 45; ebenso M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 109; U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (621); H.-H. Heidner, Richtlinienkonforme Auslegung von Befreiungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, S. 74 (76). 82

EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3987, Rn. 15); zust. C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908); krit. G. Ress, Die richtlinienkonforme „Interpretation“ innerstaatlichen Rechts, DÖV 1994, S. 489 (493, Fn. 45), der die Ausführungen des Gerichtshofs in der Rs. 80/86 „hinsichtlich des Zeitpunktes einer Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung“ für „nicht allgemeingültig“ ansieht, „weil sich der EuGH lediglich auf die dort zu beurteilende spezifische Fallkonstellation bezog“; a. A. V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854), der ausführt: „In diesem Sinne (sc. einer Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung vor Ablauf der Umsetzungsfrist) [Anm. d. Verf.] hat man das Kolpinghuis-Urteil verstanden, aber wohl mißverstanden.“

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6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

fassung findet auch in Literatur83 und Rechtsprechung84 beachtliche Zustimmung. Nichtsdestotrotz muß ihr widersprochen werden, denn die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung stützt sich gemeinschaftsrechtlich auf die Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV,85 welche aber erst verletzt sein kann, wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist. 86 Des weiteren wird im Schrifttum geltend gemacht, daß durch eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung vor Ablauf der Umsetzungsfrist „der Entscheidung des staatlichen Gesetzgebers über Form und Mittel der Umsetzung vorgegriffen“ 87 werde. Zudem würden „auf diese Art und Weise die Richtlinien zusätzlich den Verordnungen angenähert“88. Bestätigt wird die Ansicht, daß eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts erst mit Ablauf der _____________ 83

Vgl. etwa S. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (908); A. Zahradnik, Privatrechtsverhältnisse und EU-Recht, 1995, S. 31 f.; A. Rainer, Behaltefreist und Quellensteuerreduzierung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, EWS 1995, S. 137 (139); auch – unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früher vertretenen anderen Auffassung (vgl. R. Sack, Wettbewerbsrechtliche Folgen von Richtlinien der Europäischen Union, VersR 1994, S. 1383 (1384)) – R. Sack, Die Berücksichtigung der Richtlinie 97/55/EG über irreführende und vergleichende Werbung bei der Anwendung der §§ 1 und 3 UWG, WRP 1998, S. 241 (242 ff., insb. 242); S. Hope, Europarecht, 2004, Rn. 141; i. d. S. auch W.-H. Roth, „Video“-Nachlese oder das (immer noch) vergessene Gemeinschaftsrecht, ZIP 1992, S. 1054 (1057). 84

Vgl. etwa BAGE 105, 123 [131].

85

Siehe dazu näher 6. Teil, II. 1., S. 122 ff. insb. S. 125.

86

So auch H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (221); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 45; i. d. S. auch ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 92; auch M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 84 f.; U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (621 f.); ders., Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts vor Ende der Umsetzungsfrist einer Richtlinie, EuZW 1999, S. 553 (555 ff.); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (51); H.-H. Heidner, Richtlinienkonforme Auslegung von Befreiungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, S. 74 (76). 87

V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854); ebenso Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); auch U. Ehricke, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts vor Ende der Umsetzungsfrist einer Richtlinie, EuZW 1999, S. 553 (555); ebenso K. Hailbronner/G. Jochum, Europarecht, 2005, Rn. 545. 88

S. 92.

H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994,

VI. Beginn der Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung

139

Umsetzungsfrist entstehen kann, insbesondere durch die Argumentation von Meinhard Hilf: „Prägendes Erscheinungsbild der Richtlinie ist und bleibt die Zweistufigkeit der Rechtsetzung. Hiernach sollte der Rechtsverkehr erst mit Erlaß des nationalen Umsetzungsaktes mit den umfassenden Rechtswirkungen der Richtlinie rechnen müssen. Dies gilt auch für die richtlinienkonforme Auslegung.“89

Auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum verneint eine gemeinschaftsrechtlich begründete Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung vor Ablauf der Umsetzungsfrist.90 Nach einer in der Literatur91 aber auch in der Rechtsprechung92 teilweise vertretenen Auffassung bestehen keine Bedenken, wenn innerstaatliche Stellen, ungeachtet einer fehlenden Verpflichtung, eine richtlinienkonforme Auslegung vor _____________ 89

M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (15); i. d. S. auch E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (647). 90

Vgl. Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (964); A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1112); auch M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 84 ff.; H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 92; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 45; auch ders., Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (221); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854); U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (621 f.); E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (646); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (190); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 110; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 169 ff., 194 f.; M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (277); ders., in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 153; W. Weiß, Zur Wirkung von Richtlinien vor Ablauf der Umsetzungsfrist, DVBl. 1998, S. 568 (574); W.-H. Roth, „Video“-Nachlese oder das (immer noch) vergessene Gemeinschaftsrecht, ZIP 1992, S. 1054 (1056); ganz i. d. S. auch ders., Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (387); differenzierend M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (605). 91

Vgl. etwa R. Sack, Die Berücksichtigung der Richtlinie 97/55/EG über irreführende und vergleichende Werbung bei der Anwendung der §§ 1 und 3 UWG, WRP 1998, S. 241 (243 f.); W. F. Lindacher, Anmerkung zum Urteil des BGH v. 5.2.1998 – I ZR 211/95, DZWiR 1998, S. 514 (514 f.); M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 Rn. 119; ähnlich C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (75 f.). 92

Vgl. etwa BGHZ 138, 55 [59 ff.].

140

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Ablauf der Umsetzungsfrist praktizieren. Diese vermittelnde Auffassung verdient jedoch keine Zustimmung.93 Zwar ist mit Ulrich Everling einzuräumen, daß es „wenig sinnvoll (ist), eine an sich gebotene Auslegung eines geltenden Textes zurückzustellen. Jedenfalls wäre es eigenartig, wenn ein Gericht den Rückgriff auf die Richtlinie während der oft langen Dauer der Umsetzungsfrist ablehnen und wie bisher entscheiden würde, obwohl es erkennt, daß es seine Rechtsprechung von einem bestimmten Datum ab ändern muß.“94

Dennoch muß ein solches Ergebnis – wie auch Ulrich Everling selbst ausführt95 – hingenommen werden, da anderenfalls die eine richtlinienkonforme Auslegung praktizierenden innerstaatlichen Stellen der dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber nach Art. 249 Abs. 3 EGV vorbehaltenen Wahl von Form und Mittel vorgreifen könnten,96 es also zu einer unzulässigen Verlagerung dieser Wahlfreiheit bei der Umsetzung auf innerstaatlich gerade nicht zuständige Stellen käme.97

2. Richtlinienkonforme Auslegung kraft nationalen Rechts Anders als bei der richtlinienkonformen Auslegung kraft Gemeinschaftsrechts setzt die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung kraft nationalen Rechts bereits mit Erlaß der nationalen Umsetzungsvorschriften ein. 98 Soweit eine Ände_____________ 93

Ablehnend auch U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (383 f.); i. d. S. auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (232); krit. auch V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854). 94

U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (384); zust. R. Sack, Die Berücksichtigung der Richtlinie 97/55/EG über irreführende und vergleichende Werbung bei der Anwendung der §§ 1 und 3 UWG, WRP 1998, S. 241 (243). 95

U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (384). 96

Vgl. – wiewohl bezogen auf die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung – V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854). 97

Ganz i. d. S. auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (232). 98

Vgl. H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (221); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 45; auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 110; R. Sack, Wett-

VII. Die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung

141

rung der mitgliedstaatlichen Rechtsnormen in der Annahme, sie seien bereits richtlinienkonform, absichtlich unterlassen wurde, tritt die mitgliedstaatliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung erst mit der erkennbaren neuen gesetzgeberischen Regelungsabsicht ein.99

VII. Die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung Wie bereits angedeutet,100 ist eine richtlinienkonforme Interpretation nur im Rahmen der nationalen Auslegungsspielräume möglich.101 Dieser zwingend erforderliche Spielraum für die nationalen Rechtsanwendungsorgane stellt die wichtigste Einschränkung der richtlinienkonformen Auslegung dar; sie wird also primär durch die nationalen Auslegungsmethoden begrenzt.102 Diese Be_____________ bewerbsrechtliche Folgen von Richtlinien der Europäischen Union, VersR 1994, S. 1383 (1384); U. Ehricke, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts vor Ende der Umsetzungsfrist einer Richtlinie, EuZW 1999, S. 553 (559); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (75); ganz i. d. S. auch W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (387, 391); siehe auch W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (11); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (39). 99

Siehe dazu auch 6. Teil, II. 2., S. 126 ff.

100

Siehe dazu 6. Teil, V., S. 134 ff.

101

Vgl. statt vieler P.-Ch. Müller-Graff, Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil II, DRiZ 1996, S. 305 (313), der fordert, „daß eine einschlägige auslegungsfähige Norm des nationalen Rechts vorhanden sein“ müsse, da es anderenfalls „zu einer richtlinienkonformen Auslegung nicht kommen“ könne; i. d. S. auch J. Salzwedel, Probleme der Umsetzung europäischen Gemeinschaftsrechts in das Umwelt- und Technikrecht der Mitgliedstaaten, UPR 1989, S. 41 (42 f.). 102

Vgl. H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 93 ff.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 41 ff.; ders., Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (217 ff.); ders., Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 (957 f.); W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (131); ebenso i. d. S. J. Knoche, Der Begriff der „Forschung“ im Gentechnikrecht, NVwZ 1991, S. 964 (966); auch W. Widmann, Zu den praktischen Folgen von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, aus denen sich der Anwendungsvorrang einer EG-Richtlinien-Bestimmung ergibt, UR 1990, S. 7 (8), der eine richtlinienkonforme Auslegung ausschließt, wenn der eindeutige nationale Gesetzeswortlaut „mit herkömmlichen Methoden einer Auslegung i. S. des Richtlinientextes nicht zugänglich“ sei; i. d. S. auch − wenngleich nur bezogen auf die Gerichte, jedoch nicht minder gültig für die anderen Rechtsanwendungsorgane − W. Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Ausle-

142

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

schränkung findet auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ihre Bestätigung, wonach es Sache der nationalen Rechtsanwendungsorgane ist, „das zur Durchführung der Richtlinie erlassene Gesetz unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums [Hervorh. d. Verf.], den ihm das nationale Recht einräumt, in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden.“103

Wie sich den Ausführungen des Gerichtshofs entnehmen läßt, ist eine richtlinienkonforme Interpretation des innerstaatlichen Rechts nur insoweit geboten, als sie innerhalb der nach dem mitgliedstaatlichen Recht bestehenden Auslegungsspielräume möglich ist.104 Daher stellt sich die Frage, was als Grenze der Auslegungsfähigkeit einer nationalen Norm und somit auch der richtlinienkonformen Interpretation angesehen werden muß. Für die verfassungskonforme Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont: „Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzes in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfGE 18, 97 [111]); im Wege der Auslegung darf einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden.“105

_____________ gung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, S. 754 (754), der ausführt, daß die nationalen Gerichte „nicht unberücksichtigt lassen (dürften), wenn sich bei Anwendung der herkömmlichen Auslegungskriterien eindeutig (ergebe), daß dem Gesetzgeber die ordnungsmäßige Umsetzung der Richtlinie mißlungen“ sei; weitergehend A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (232), der darauf hinweist, daß der richtlinienkonformen Auslegung „lediglich durch die Auslegungsfähigkeit des nationalen Rechts (Grenzen) gesetzt“ seien. 103

EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 (von Colson und Kamann/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 (1909, Rn. 28); EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 (Harz/Deutsche Tradex), Slg. 1984, 1921 (1943, Rn. 28); i. d. S. auch EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 (I-4159, Rn. 8), worin der Gerichtshof fordert, „daß ein nationales Gericht, soweit es bei der Anwendung des nationalen Rechts … dieses Recht auszulegen hat, seine Auslegung soweit wie möglich [Hervorh. d. Verf.] am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten muß“, um zu einem richtlinienkonformen Ergebnis zu gelangen. 104

Vgl. etwa C. D. Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, S. 83 (86); ebenso U. Everling, Rechtsvereinheitlichung durch Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, RabelsZ 50 (1986), S. 193 (225). 105

BVerfGE 71, 81 [105]; vgl. dazu auch BVerfGE 8, 28 [34]; 35, 263 [280]; 54, 277 [299 f.].

VII. Die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung

143

Nichts anderes kann für die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts gelten,106 da sie ansonsten, wie Wolfgang Dänzer-Vanotti zutreffend feststellt, „zu einer Übernahme gesetzgeberischer Funktionen durch den Richter führen würde“, letztlich dürfe sich „der Richter nicht vom Rechtsdeuter zum Rechtsschöpfer entwickeln.“107 Zudem weist W. Christian Lohse zu Recht darauf hin, daß es sich bei einer „,richtlinienkonformen Auslegung‘“, die zwar zu einem „dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Ergebnis“ gelange, „welches aber vom Wortsinn der deutschen Regelung nicht mehr erfaßt“ werde, um keine Auslegung mehr handele, ,,denn wenn das Gemeinschaftsrecht jenseits des Wortsinns einer Vorschrift (gelte), dann (sei) es überflüssig, nicht anwendbare deutsche Rechtsnormen als Auslegungsvehikel zu bemühen.“108 _____________ 106

So auch BAGE 61, 209 [214]; ebenso H. D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (218), der sogar ausführt, daß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „noch mehr als für die verfassungskonforme Interpretation … für die richtlinienkonforme Interpretation“ gelte; i. d. S. auch ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 95; Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (965); a. A. U. Ehricke, Die richtlinienkonforme und die gemeinschaftskonforme Auslegung nationalen Rechts, RabelsZ 59 (1995), S. 598 (635 ff.); auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 291, der eine richtlinienkonforme Auslegung contra legem nicht für unzulässig hält; U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (381), hält „die Entstehungsgeschichte und de(n) Wille(n) des Gesetzgebers“ für „nicht maßgebend“, so daß „grundsätzlich nicht zu beanstanden“ sei, „wenn … nationalen Normen ein anderer oder zusätzlicher Sinn unterschoben“ werde; M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (275), betrachtet nur den Wortlaut als Grenze, über den Willen des Gesetzgebers müßten sich die nationalen Rechtsanwender hingegen infolge des Gebots der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung hinwegsetzen; krit. zur Wortlautgrenze der Gesetzesinterpretation O. Depenheuer, Der Wortlaut als Grenze, 1988, S. 38 ff.; auch W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (390), wonach sich die Zulässigkeit einer contra legem Auslegung nach nationalem Recht bestimmt; auch C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (81), der ausführt, daß durchschlagende Gründe dafür sprächen, das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung über die Grenzen des möglichen Wortsinns hinaus zu erstrecken. Einen ausführlichen Überblick über die in der Literatur zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts vertretenen Meinungen gibt W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 160 ff., 228 f., 237, 239 ff., 265 ff. 107

W. Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, ZfZ 1992, S. 34 (38); ders., Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, S. 1 (10). 108

W. Ch. Lohse, Anmerkung zu dem Urteil des FG München vom 13. September 1989 – 3 K 3030/86, DStR 1990, S. 145 (145).

144

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

An dieser Stelle sei angemerkt, daß sowohl in der Rechtsprechung des Gerichtshofs109 als auch im Schrifttum110 bereits deutliche Tendenzen festzustellen sind, auch diese Grenze der richtlinienkonformen Auslegung in Richtung einer – den möglichen Wortsinn oder gar den Gesetzeszweck übersteigenden – richtlinienkonformen Rechtsfortbildung auszudehnen. Neben der nationalen Auslegungsmethodik findet die richtlinienkonforme Auslegung nach dem Urteil des Gerichtshofs im Fall „Kolpinghuis Nijmegen“ „ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil des Gemeinschaftsrechts sind, und insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot.“111

Demgemäß müßten die mitgliedstaatlichen Gerichte, wie der Gerichtshof in derselben Entscheidung fortfährt, beachten, „daß eine Richtlinie jedoch nicht für sich allein und unabhängig von zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften die Wirkung haben k(ö)nn(e), die strafrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die gegen die Vorschriften der Richtlinie verstoßen, festzulegen oder zu verschärfen.“112

Die Auffassung des Gerichtshofs findet im Schrifttum breite Zustimmung. 113 _____________ 109

Vgl. EuGH v. 9.3.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Bernhard Pfeiffer, u. a.), Slg. 2004, I-8835 (I-8918, Rn. 115), wonach sich die richtlinienkonforme Auslegung nicht auf die Auslegung der betreffenden Bestimmungen beschränkt, „sondern verlangt, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden Ergebnis führt“. Ganz i. d. S. bereits EuGH v. 25.2.1999 – Rs. C-131/97 (Annalisa Carbonari, u. a.), Slg. 1999, I-1103 (I-1134, Rn. 49 f.). 110

Vgl. etwa C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (81 ff.); W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (393 ff.); Th. Möllers, Doppelte Rechtsfindung contra legem?, in: H. Schlosser (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch 1896 – 1996, 1997, S. 153 (174 ff.); ders., Doppelte Rechtsfindung contra legem?, EuR 1998, S. 20 (39 ff.); auch C. W. Hergenröder, Richtlinienwidriges Gesetz und richterliche Rechtsfortbildung, in: Sonderdruck FS für Wolfgang Zöllner, 1999, S. 1139 (1147 ff.); ganz i. d. S. auch Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (187). 111

EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986, Rn. 13). 112

EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3987, Rn. 14); so bereits EuGH v. 11.6.1987 – Rs. 14/86 (Pretore die Salò/Unbekannt), Slg. 1987, 2545 (2570, Rn. 19). 113

Vgl. etwa W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 275 ff.; R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorga-

VII. Die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung

145

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hingegen, daß der Gerichtshof der richtlinienkonformen Auslegung durch seinen Hinweis auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts, wozu insbesondere auch der Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot als Ausfluß aus dem Rechtsstaatsprinzip gehören, keine wirkliche Grenze zieht. Die richtlinienkonforme Auslegung wird vielmehr zumeist schon durch das nationale Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten begrenzt, das ebenfalls allgemeine Rechtsgrundsätze enthält, die mit denjenigen des Gemeinschaftsrechts weitgehend übereinstimmen. Letzteres ist darauf zurückzuführen, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts – ungeachtet der fehlenden Einigkeit hinsichtlich der genaueren methodischen Vorgehensweise zu deren Ermittlung 114 – aus dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten im Wege der Rechtsvergleichung gewonnen werden.115 Dies hat zur Folge, daß eine mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts unvereinbare Auslegung, zumeist auch mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht vereinbar ist. Entscheidend ist nunmehr, ob die klassischen Auslegungsregeln eine verfassungskonforme Interpretation ermöglichen. Ist dies nicht der Fall, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung ohnehin aus, weil die Rechtsnorm aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit nichtig 116 und daher für eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nicht _____________ ne, in: HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 14; ebenso H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann, Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 42; ders., Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, S. 211 (218); ders./S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (776); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1854); M. Zuleeg, Der Beitrag des Strafrechts zur europäischen Integration, JZ 1992, S. 761 (765); krit. W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (390 f.); i. d. S. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 111; a. A. wohl M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (275). 114

Siehe M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 15.

115

Vgl. etwa M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 1996, Rn. 15.

116

Verstößt eine Auslegung des nationalen Rechts gegen die Verfassung, so müssen die Gerichte gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG das Verfahren aussetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen. Da der vollziehenden Gewalt das konkrete Normenkontrollverfahren nicht zur Verfügung steht, muß sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken im Wege der Remonstration bis zum jeweils zuständigen Minister und damit an die Regierung herantragen, die gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG das abstrakte Normenkontrollverfahren einleiten kann. Das Bundesverfassungsgericht prüft sodann, ob die klassischen Auslegungsregeln eine verfassungskonforme Interpretation ermöglichen. Ist dies der Fall, so wird dieser der Vorzug gegeben, anderenfalls ist das Gesetz verfassungswidrig und muß für nichtig erklärt werden (§ 78 BVerfGG).

146

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

mehr existent ist. Kann hingegen die vermeintliche Unvereinbarkeit mittels einer verfassungskonformen Auslegung behoben werden, ist einer solchen grundsätzlich der Vorzug vor einer richtlinienkonformen Auslegung zu geben.117 Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts können daher nur dann eine richtlinienkonforme Auslegung tatsächlich begrenzen, wenn sie erstens weiter gehen als diejenigen allgemeinen Rechtsgrundsätze des nationalen Rechts118 und wenn zweitens die in Frage stehende nationale Rechtsnorm – gegebenenfalls nach erfolgter verfassungskonformer Auslegung – einen hinreichenden Beurteilungsspielraum für eine Auslegung im Sinne der betreffenden Richtlinie läßt. Bestätigt wird das zuvor gefundene Ergebnis auch durch die oben zitierte Entscheidung „Kolpinghuis Nijmegen“119, in der der Gerichtshof ausschließt, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit über die richtlinienkonforme Interpretation festgelegt oder auch nur erweitert werden darf.120 Eine derartige Interpretation wäre bereits nach nationalem Recht ausgeschlossen, da bereits der rechtsstaatliche Grundsatz nulla poena sine lege, der verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 2 GG und einfachgesetzlich in § 1 StGB kodifiziert ist, einer solchen Interpretation entgegenstünde.

VIII. Verhältnis von richtlinien- und verfassungskonformer Auslegung Kaum Beachtung hat in der Literatur bisher das Spannungsfeld zwischen richtlinienkonformer und verfassungskonformer Auslegung gefunden,121 also was passiert, wenn eine Rechtsnorm sowohl richtlinienkonform als auch verfassungskonform auslegbar ist und sich beide Auslegungsergebnisse widersprechen.122 Das bisherige geringe wissenschaftliche Interesse an der Lösung eines solchen Konflikts ist wohl vor allem durch die geringe praktische Relevanz dieser Konstellation bedingt, welche darauf zurückzuführen ist, daß es meist Auslegungen geben wird, die sich im Spannungsfeld des gemeinschaftsrechtlich und _____________ 117

Siehe dazu ausführlich 6. Teil, VIII., S. 146 ff.

118

In diesem Falle vermag die verfassungskonforme Auslegung allein den Verfassungs-, nicht aber den Gemeinschaftsrechtsverstoß zu beseitigen. 119

Vgl. EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3986 f., Rn. 13 f.). 120

Siehe dazu näher 6. Teil, VII., S. 144 ff.

121

So auch M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (277). 122

Vgl. U. Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, S. 947 (949).

VIII. Verhältnis von richtlinien- und verfassungskonformer Auslegung

147

verfassungsrechtlich Erlaubten bewegen.123 Der Ausnahmefall eines echten Konflikts ist daher bisher weder vom Europäischen Gerichtshof noch vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden.124 Nach der h. L. hat bei einem Konflikt von verfassungskonformer und richtlinienkonformer Auslegung letztere wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts den Vorrang.125 Dem ist allerdings zu widersprechen, da Richtlinien, wie bereits gezeigt,126 grundsätzlich nicht am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teilhaben.127 Im Konfliktfalle zwischen verfassungskonformer und richtlinienkonformer Auslegung ist daher die verfassungskonforme Interpretation entscheidend, da die auszulegende Norm anderenfalls nicht verfassungskonform und daher nichtig wäre, einer richtlinienkonformen Auslegung demnach ihr Substrat, sc. die auszulegende Rechtsnorm, entzogen wäre. Als problematisch erweist sich hingegen die Fallkonstellation, in der einer Richtlinie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausnahmsweise unmittelbare Wirkung zukommt,128 weil sie in diesem Falle theoretisch als unmittelbar anwendbare Rechtsnorm am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts teilhätte und daher auch einer verfassungskonformen Auslegung im Rahmen des Anwendungsvorrangs vorgehen könnte. Da aber die Direktwirkung von Richtlinien gegenüber der richtlinienkonformen Auslegung subsidiär ist,129 also gerade voraussetzt, daß eine richtlinienkonforme Auslegung nicht möglich ist, spricht vieles dafür, in einem solchen Falle keine richtlinienkonforme Auslegung zuzulassen und das von der Richtlinie angestrebte Ergebnis durch die unmittelbare Anwendung der betreffenden Richtlinienbestimmung herzustellen. Hierfür läßt _____________ 123

So zu Recht M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (278). 124

Vgl. M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (278). 125

Vgl. H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 307, Fn. 141; ebenso M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, S. 593 (606); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (183 f.); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (80); auch H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, Einl. Rn. 43. 126

Siehe dazu 5. Teil, II., S. 116 m. N.

127

Vgl. M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (280); ganz i. d. S. auch U. Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, S. 947 (952 f.). 128

Siehe dazu 7. Teil, II., S. 170 ff.

129

Siehe dazu 7. Teil, II. 8., S. 201 f.

148

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

sich vor allem auch anführen, daß die richtlinienkonforme Interpretation durchaus auch zu Lasten einzelner möglich ist und daher Ergebnisse zu begründen vermag, die mittels der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien nicht begründet werden könnten.130 Um zu verhindern, daß auf diese Weise, vermittelt durch die Direktwirkung einer Richtlinie, eine Belastung einzelner erfolgt, müßte die richtlinienkonforme Auslegung insoweit entsprechend eingeschränkt werden, was aber gekünstelt und mit dem Wesen der richtlinienkonformen Auslegung kaum vereinbar erscheint. Demnach bleibt festzuhalten, daß die verfassungskonforme Auslegung stets Vorrang vor der richtlinienkonformen Auslegung genießt, 131 die verfassungskonform ausgelegte Norm aber möglicherweise infolge einer unmittelbar wirkenden Richtlinienbestimmung aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts unanwendbar ist.

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung – Quasi-richtlinienkonforme Auslegung 1. Einführung in die Problematik Im Rahmen der stetig zunehmenden Rechtsangleichung in der Europäischen Union ist in den vergangenen Jahren immer häufiger zu beobachten, daß die nationalen Gesetzgeber zulässigerweise132 bei der Umsetzung von Richtlinien Regelungen erlassen, zu denen sie gemeinschaftsrechtlich eigentlich gar nicht verpflichtet gewesen sind.133 _____________ 130

Siehe dazu 7. Teil, II. 4. c), S. 190. I. d. S. auch M. Nettesheim, Auslegung und Fortbildung nationalen Rechts im Lichte des Gemeinschaftsrechts, AöR 119 (1994), S. 261 (278), der ausführt: „Es spricht vieles dafür, daß Art. 5 EWGV [= Art. 10 EGV n. N.] im Lichte der Loyalitätsverpflichtung der Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten so auszulegen ist, daß Gerichte zu verfassungswidrigen gemeinschaftskonformen Auslegungen nicht verpflichtet sind, selbst wenn dies die Folge hat, daß eine Umsetzung des Gemeinschaftsrechts nur im Wege der Verfassungsänderung möglich ist.“ 132 Vgl. M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151; auch Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (670 ff.); ausführlich M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 37 ff. 133 Vgl. etwa Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (656); P. Hommel131

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

149

So hat der deutsche Gesetzgeber die Verschmelzungsrichtlinie 134 und Spaltungsrichtlinie 135, die nur die Ausgestaltung von Verschmelzung (§§ 60 ff. UmwG) und Spaltung (§§ 141 ff. UmwG) unter ausschließlicher Beteiligung der Rechtsform der Aktiengesellschaft verlangen, durch das UmwG 1994 umgesetzt, das neben der Aktiengesellschaft auch anderen Rechtsträgern – wie z. B. der GmbH, Personenhandelsgesellschaften oder Partnerschaftsgesellschaften – die Durchführung dieser Strukturmaßnahmen eröffnet (§§ 3, 124 UmwG).136 Die Bilanzrichtlinie137 regelt in ihrem Anwendungsbereich lediglich das handelsrechtliche Bilanzrecht von Kapitalgesellschaften einschließlich der Kapitalgesellschaften & Co., bei denen alle persönlich haftenden Gesellschafter Kapitalgesellschaften sind. Der deutsche Gesetzgeber ist indes darüber hinausgegangen, indem er wesentliche Vorgaben der Bilanzrichtlinie auch in die für alle Kaufleute, also gleichfalls für Einzelkaufleute und nichtkapitalistisch strukturierte Personengesellschaften, geltenden allgemeinen Vorschriften des Handelsbilanzrechts (§§ 238 bis 265 HGB) aufgenommen hat.138 _____________ hoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (913 f.). 134

RL 78/855/EWG v. 9.10.1978, ABl. 1978, L 295/36.

135

RL 82/891/EWG v. 17.12.1982, ABl. 1982 L 378/47.

136

Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (914 f.); Y. Schnorbus, Grundlagen zur Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2321 f.); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (666); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (914); W.-H. Roth, Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (122); ders., Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (882); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 31 ff. 137

RL 78/660/EWG v. 25.7.1978, ABl. 1978 L 222/11 i. d. F. der RL 90/605/EWG v. 8.11.1990, ABl. 1990 L 317/60. 138

Vgl. J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (68 f.); Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (668); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (914); M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (915); J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 31.

150

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Die Auswirkungen der Bilanzrichtlinie sind aber nicht auf das deutsche Handelsbilanzrecht beschränkt, sondern betreffen vielmehr auch das deutsche Steuerrecht, das über den Grundsatz der Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 EStG (i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG) von dem gemeinschaftsrechtlich vorgeprägten Handelsbilanzrecht beeinflußt wird.139 Die steuerliche Gewinnermittlung liegt jedoch nicht im Anwendungsbereich der handelsrechtlichen Bilanzrichtlinie.140 Besondere Beachtung erlangte in jüngerer Zeit die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts erfolgte Übernahme des Haftungsmodells aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 141 als allgemeines deutsches Kaufgewährleistungsrecht (§§ 433 ff. BGB), das also auch dann Anwendung findet, wenn gerade kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt.142 Weitere Beispiele finden sich etwa in der Integration des auf Richtlinien beruhenden Verbrauchervertragsrechts – genannt sei hier nur das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften nach § 312 BGB – in das BGB,143 im Recht des Han_____________ 139

Vgl. Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (668); ebenso J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68); J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (69); N. Herzig/U. Rieck, Europäisierung der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung im Gefolge der Tomberger-Entscheidung, IStR 1998, S. 309 (317); ebenso W. Meilicke, Zur Vorlagepflicht des BFH in Bilanzierungsfragen von Personengesellschaften und Einzelunternehmen, BB 2001, S. 40 (41); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 35 f.; W. Hakenberg, Vorabentscheidungsverfahren und europäisches Privatrecht, RabelsZ 66 (2002), S. 367 (379); auch M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (915); F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1636 ff.), der insoweit von einer „doppelt überschießende(n) Umsetzung der Bilanzrichtlinie“ spricht (S. 1638). 140

Vgl. J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (69); Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (668). 141

RL 1999/44/EG v. 25.5.1999, ABl. Nr. L 171/12.

142

Vgl. Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (375); J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (914). 143

Vgl. J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich,

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

151

delsregisters (§ 15 Abs. 3 HGB)144 oder im Recht der Überweisung (§§ 676 ff. BGB).145 Während lange Zeit Fragen der defizitären Richtlinien im Vordergrund des Interesses standen,146 werden die freiwillige Rechtsangleichung durch nationale Umsetzungsmaßnahmen, die auch Sachverhalte erfassen, welche nicht in den (sachlichen, persönlichen oder geographischen)147 Anwendungsbereich der betreffenden Richtlinie fallen, sowie die sich daraus ergebenden Probleme erst seit einiger Zeit diskutiert.148 In der Rechtsprechung und der Literatur hat sich für die über eine Richtlinie hinausgehende mitgliedstaatliche Richtlinienumsetzung der Terminus „überschießende Umsetzung von Richtlinien“149 eingebür_____________ 2005, S. 67 (68) m. N.; M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 33 f. 144

Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (915) m. N.; auch W.-H. Roth, Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (122); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 30; ders., Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (881 f.). 145

W.-H. Roth, Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (122); ders., Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (882); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 33. 146

Siehe dazu ausführlich 7. Teil, II., III. und IV., S. 170 ff., 225 ff., 239 ff.

147

Vgl. J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (70 ff.), jeweils mit Beispielen. 148

Vgl. J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68); auch M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (914). 149

M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (913); auch Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (545); auch Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2322); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (189); Ch. Bärenz, Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (863); U. Kulke, Haustürwiderrufsrecht und Realkredit, ZBB 2002, S. 33 (45); auch T. Tröger, Zum Systemdenken im europäischen Gemeinschaftsrecht, ZEuP 2003, S. 525 (525); W. Hakenberg, Vorabentscheidungsverfahren und europäisches Privatrecht, RabelsZ 66

152

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

gert; teilweise wird auch von „freiwilliger Rechtsangleichung“150 oder „hybriden Rechtsnormen“151 gesprochen. Äußerst umstritten und bislang noch ungeklärt152 ist die Frage, ob der gemeinschaftsrechtlich determinierte und der überschießende Teil einer überschießend umgesetzten nationalen Rechtsnorm einheitlich im Sinne der betreffenden Richtlinie auszulegen sind oder ob auch eine sog. „gespaltene Auslegung“153 in Be_____________ (2002), S. 367 (378); H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44; ganz i. d. S. auch BGHZ 150, 248 [260]. 150

Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (656, insb. auch Fn. 2); auch W.-H. Roth, Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (122). 151

J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68); auch H. Dörner, Die Integration des Verbraucherrechts in das BGB, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 177 (184), der von „Hybridnormen“ spricht. 152

So ausdrücklich J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (68). 153

A. Staudinger, Der Widerruf bei Haustürgeschäften: eine unendliche Geschichte?, NJW 2002, S. 653 (655); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2321); Ch. Bärenz, Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (864); D. Kellersmann, Zur Diskussion um die Vorlagepflicht in bilanzsteuerlichen Fragen, StuB 2001, S. 122 (128); auch J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (70); M. Habersack, Haustürgeschäfterichtlinie und Realkreditverträge, WM 2000, S. 989 (991); ders./Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (914); dies., Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“-Entscheidung des EuGH, WM 2002, S. 253 (257); W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (884); F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1636); U. Kulke, Haustürwiderrufsrecht und Realkredit, ZBB 2002, S. 33 (45); P. Derleder, Der Widerruf des Haustürgrundpfandkredits, ZBB 2002, S. 202 (207); M. Gebauer, „Nationales“ Europarecht: Zur Anwendung „ausländischen“ Europarechts durch deutsche Gerichte, in: E. Jayme (Hrsg.): Kulturelle Identität und Internationales Privatrecht, 2003, S. 187 (197); H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44; auch BGHZ 150, 248 [261]; 159, 280 [285]; siehe dazu auch H. Edelmann, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 13.12.2001 – Rs. C-481/99, BKR 2002, S. 80 (81), der den Begriff „,differenzierende‘ Auslegung“ verwendet.

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

153

tracht kommt.154 Daran schließt sich die gleichfalls strittige prozessuale Fragestellung an, ob die innerstaatlichen Stellen bei Sachverhalten, die sich im Bereich überschießender Umsetzung bewegen, die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beachten haben und ob die nationalen Gerichte das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV einleiten dürfen oder gar müssen.155

2. Gebot der einheitlichen Auslegung nationalen Rechts – Quasi-richtlinienkonforme Auslegung überschießenden Rechts Nachdem weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß der durch die Richtlinie determinierte Teil einer Rechtsnorm, soweit als möglich richtlinienkonform auszulegen ist,156 bleibt zu untersuchen, ob auch der überschießende Teil der jeweiligen Rechtsnorm im Sinne der Richtlinie auszulegen ist.157 Hier handelt es sich jedoch genau genommen um keine richtlinienkonforme Auslegung im eigentlichen Sinne, da die Richtlinie den streitgegenständlichen Sachverhalt gerade nicht erfaßt und daher für Zwecke der Auslegung zu fingieren ist, daß der fragliche Sachverhalt der Richtlinie unterfalle. 158 Mit Peter Hommelhoff sollte daher, um diesen Auslegungsunterschied auch terminologisch zu verdeutlichen, im Falle überschießend umgesetzten nationalen Rechts bei einer Interpretation jenseits des Regelungsbereichs der Richtlinie von „quasi-richtlinienkonformer Auslegung“159 gesprochen werden. _____________ 154

Vgl. etwa Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (546); M. Habersack/Ch. Mayer, Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“Entscheidung des EuGH, WM 2002, S. 253 (256); Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (657). 155

Vgl. Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (657); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (916 f.). 156

Siehe dazu näher 6. Teil, II., S. 122 ff.

157

Vgl. Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (545 f.). 158

So auch P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (915). 159

P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (915); ebenso Ch. Mayer/ J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei über-

154

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Im folgenden ist nun zu untersuchen, ob ein Gebot zur einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts bei überschießender Richtlinienumsetzung besteht. Ein derartiges Gebot zur einheitlichen Auslegung kann sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder aber aus dem nationalen Recht ergeben.160

a) Kein gemeinschaftsrechtliches Gebot der einheitlichen Auslegung Vereinzelt wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, daß aus dem Gemeinschaftsrecht ein Gebot der einheitlichen Auslegung nationalen überschießenden Rechts folge.161 Zur Begründung wird zumeist die Rechtsprechung des Gerichtshofs herangezogen, der zufolge „ein klares Interesse daran (bestehe), daß die aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen und Begriffe unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden sollen, einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern.“162

_____________ schießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549); A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, 521 (527 f.); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (190); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 96; dazu auch C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (74), der von „eine(r) Art Ausstrahlungswirkung auf das richtlinienfreie Recht“ spricht. 160

Vgl. Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (375). 161

Vgl. etwa M. Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. Rn. 30; i. d. S. auch W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (883 ff.); ders., Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (129); ebenso U. Büdenbender, in: Anwaltkommentar, BGB, vor §§ 433 ff. Rn. 20; differenzierend J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (81 ff.), der eine „aus Art. 10 Abs. 2 EGV und dem Grundsatz der vollständigen Wirksamkeit (effet utile)“ abzuleitende Pflicht zur einheitlichen Auslegung immer dann annimmt, „wenn sich Sinn und Zweck der nationalen Regelung im überschießenden Bereich mit dem Gemeinschaftsinteresse decken.“ 162

EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161 (I-4201 f., Rn. 32); ebenso EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-130/95 (Giloy), Slg. 1997, I-4291 (I-4304, Rn. 28); grundlegend bereits EuGH v. 18.10.1990 – Rs. C-297/88 (Dzodzi), Slg. 1990, I-3763 (3793, Rn. 37).

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

155

Demgegenüber wird eine gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen Auslegung von der h. L. zu Recht abgelehnt. 163 Gegen eine solche Verpflichtung läßt sich zunächst anführen, daß das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung aus der Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV folgt164 und bereits deshalb nicht weiter reichen kann, als die durch den Regelungsbereich der Richtlinie begrenzte Umsetzungspflicht.165 Denn außerhalb des Anwendungsbereichs einer Richtlinie gibt es kein Gemeinschaftsrecht, dessen einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten zu sichern wäre.166 Auch fehlt den Mitgliedstaaten die Befugnis, einseitig den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts auszuweiten.167 Eine Pflicht zur quasi-richtlinienkonformen Aus_____________ 163

Vgl. Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (375); Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (548); A. Staudinger, Der Widerruf bei Haustürgeschäften: eine unendliche Geschichte?, NJW 2002, S. 653 (655); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2323 ff.); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (685 f.); J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (76 f.); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (915 f.); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 98 ff.; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 131; H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44; auch M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (921). 164 Siehe dazu ausführlich 6. Teil, II. 1., S. 122 ff., insb. S. 125. 165 So auch Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (548); ebenso J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (76 f.); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2327); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (685 f.); C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (74); i. d. S. auch P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (915). 166 Vgl. J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (77); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2327); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (686). 167 Vgl. Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (686); so bereits M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (919).

156

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

legung überschießenden Rechts kann demnach gemeinschaftsrechtlich nicht begründet werden. Aus vorgenannten Gründen vermag auch der Grundsatz der Geeinschaftstreue nach Art. 10 Abs. 2 EGV eine derartige Verpflichtung – entgegen Stimmen in der Literatur168 – nicht zu begründen, was sich besonders deutlich in Fällen zeigt, in denen die überschießende Richtlinienumsetzung in Bereichen erfolgt, die außerhalb der Verbandskompetenz der EU liegen.169 Letztlich kann aber auch der eingangs zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs170 bei genauerer Betrachtung kein gemeinschaftsrechtliches Gebot der einheitlichen Auslegung überschießend umgesetzten nationalen Rechts entnommen werden, da der Gerichtshof in diesen Entscheidungen lediglich grundsätzliche Aussagen über seine Zuständigkeit im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV für den Fall trifft, daß es nach Auffassung des nationalen Gerichts für dessen Entscheidung auf die Interpretation des Gemeinschaftsrechts ankommt.171 Keine Aussage hingegen trifft der Gerichtshof dagegen über die vorliegend entscheidende Fragestellung, ob eine überschießend umgesetzte Rechtsnorm kraft Gemeinschaftsrecht einheitlich auszulegen ist;172 er setzt vielmehr eine im konkreten Fall im nationalen Recht wurzelnde Pflicht zur quasi-richtlinienkonformen Auslegung voraus. Für ein solches Verständnis der Rechtsprechung des Gerichthofs spricht auch die Entscheidung „Imperial Chemical Industries plc. (ICI)“, in welcher der Gerichtshof – wenngleich aufgrund eines obiter dictums nicht vorbehaltslos 173 – feststellte, daß nach dem Gemeinschaftsrecht keine Verpflichtung bestehe, eine nationale Rechtsnorm, die hinsichtlich bestimmter Sachverhalte der Pflicht zur _____________ 168

Vgl. etwa J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (83 ff.). 169

So M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151.

170

Siehe 6. Teil, IX. 2. a), S. 154, insb. Fn. 162.

171

Vgl. Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2327 f., insb. 2328); i. d. S. auch ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (693). 172

Vgl. Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2328); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (693). 173

Vgl. dazu M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (919); auch Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (691 f.); Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (548, Fn. 39).

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

157

gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung unterliegt, auch hinsichtlich solcher Sachverhalte gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, die nicht dem Gemeinschaftsrecht unterfallen.174

b) Nationales Gebot der einheitlichen Auslegung Obgleich das Gemeinschaftsrecht nicht zu einer quasi-richtlinienkonformen Auslegung überschießenden nationalen Rechts zwingt, könnte sich gleichwohl ein Gebot der einheitlichen Auslegung aus dem nationalen Recht ergeben.175 Während in der Literatur weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß ein Gebot der einheitlichen Auslegung ausschließlich im nationalen Recht fußen kann,176 ist äußerst strittig, ob dem innerstaatlichen Recht letztlich eine derartige Verpflichtung entnommen werden kann. In Rechtsprechung177 und Literatur178 stößt die Möglichkeit einer gespaltenen Auslegung nicht selten auf Ablehnung, wenngleich teils offen gelassen wird, ob „sehr wichtige, sachliche Gründe für eine derartige gespaltene Auslegung _____________ 174

Vgl. EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 (Imperial Chemical Industries plc (ICI)), Slg. 1998, I-4695 (I-4725, Rn. 34). Wenngleich dieses Verfahren die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nationalen Rechts im Lichte der Grundfreiheiten betraf, ist diese Entscheidung nicht minder bedeutsam für die Parallelproblematik der quasi-richtlinienkonformen Auslegung; so auch ausdrücklich Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (548 f.); ebenso M. Habersack/Ch. Mayer, Der Widerruf von Haustürgeschäften nach der „Heininger“-Entscheidung des EuGH, WM 2002, S. 253 (258, Fn. 52). 175

Vgl. J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (77); Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549). 176

Vgl. etwa M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (921); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2328); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (190); P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (916); W. Meilicke, Zur Vorlagepflicht des BFH in Bilanzierungsfragen, BB 1999, S. 890 (890); ganz i. d. S. auch K.-R. Ahmann, Die Bilanzrichtlinie und die steuerliche Gewinnermittlung – Eine Zwangsehe?, in: FS für L. Schmidt, 1993, S. 269 (276). 177 178

Vgl. BGHZ 150, 248 [260 ff.]; 159, 280 [285].

Vgl. etwa P. Derleder, Der Widerruf des Haustürgrundpfandkredits ZBB 2002, S. 202 (207); A. Staudinger, Der Widerruf bei Haustürgeschäften: eine unendliche Geschichte?, NJW 2002, S. 653 (655).

158

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

sprechen“179 könnten, also eine Normspaltung ausnahmsweise zu rechtfertigen vermögen. Begründet wird diese Auffassung regelmäßig damit, daß sich eine gespaltene Auslegung sehr weit vom Wortlaut entferne.180 Zudem verstoße eine differenzierende Auslegung gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der Klarheit und Bestimmtheit von Rechtsnormen.181 Auch überfordere die „Monstrosität einer gespaltenen Auslegung“182 den Rechtsanwender und führe „zu der nur europarechtlich informierten Juristen verständlichen, äußerst künstlichen Interpretation derselben Norm in Richtung auf zwei unterschiedliche Rechtsfolgen“183. Weiterhin wird angeführt, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine einheitliche Auslegung erfordere.184 Endlich spreche auch der Wille des nationalen Gesetzgebers gegen eine gespaltene Auslegung, da davon ausgegangen werden könne, daß dieser eine einheitliche Rechtsanwendung anstrebe, wenn er die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einer Richtlinie über deren Anwendungsbereich hinaus in das nationale Recht übernehme.185 Die wohl überwiegende Auffassung lehnt hingegen ein grundsätzliches Gebot der einheitlichen Auslegung zutreffend ab.186 Denn der Wortlaut einer Norm _____________ 179

Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (376); auch ders., Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (864). 180

Vgl. Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (375). 181

Siehe Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (376); auch ders., Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (864). 182

P. Derleder, Der Widerruf des Haustürgrundpfandkredits, ZBB 2002, S. 202 (207).

183

P. Derleder, Der Widerruf des Haustürgrundpfandkredits, ZBB 2002, S. 202 (207); i. d. S. auch B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (486). 184

Vgl. BGHZ 150, 248 [260 ff.]; 159, 280 [285].

185

Ganz i. d. S. A. Staudinger, Der Widerruf bei Haustürgeschäften: eine unendliche Geschichte?, NJW 2002, S. 653 (655); auch W.-H. Roth, Der nationale Transformationsakt: Vom Punktuellen zum Systematischen, in: Europäisches Kaufgewährleistungsrecht: Reform und Internationalisierung des deutschen Schuldrechts, 2000, S. 113 (129); ders., Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (883). 186

Vgl. etwa Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549 f.); J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (77 ff.); M. Habersack, Haustürgeschäfterichtlinie und Realkreditverträge, WM 2000, S. 989 (991 f.); ders./Ch. Mayer, Die überschießende Um-

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

159

schließt eine gespaltene Auslegung nicht per se aus. Entgegen einigen Stimmen in der Literatur187 kann dies methodisch allerdings nicht allein mit der „Relativität der Rechtsbegriffe“ erklärt werden,188 da diese herkömmlicherweise nur die Möglichkeit beschreibt, daß ein und derselbe Rechtsbegriff in verschiedenen Gesetzen oder Teilrechtsordnungen eine unterschiedliche Bedeutung hat.189 Bei der überschießenden Umsetzung dagegen liegt der Fall anders, weil hier dasselbe Wort bzw. dieselben Worte innerhalb eines Gesetzes ausgelegt werden.190 Eine Übertragung des Gedankens der „Relativität der Rechtsbegriffe“ auf den hier vorliegenden Fall der gespaltenen Auslegung bedürfte mithin einer Begründung.191 Indes zeigt bereits ein Blick auf das Internationale Privatrecht, daß das Phänomen der Normspaltung bereits seit Jahrzehnten dem nationalen Recht bekannt ist, indem sich diese Problematik stets dort stellt, wo nationalen Vorschriften sowohl inkorporierte staatsvertragliche Bestimmungen als auch rein nationales Internationales Privatrecht darstellen:192 Je nach Anwendungsbereich ist daher im Inter_____________ setzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (921); A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, 521 (527 f.); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 102 ff., insb. S. 107 f.; P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (915 f.); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2324 ff.); ganz i. d. S. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. Rn. 44, Überbl v § 305 Rn. 13; i. E. auch K.-R. Wagner, Die Heininger-Entscheidung des EuGH – Viel Lärm um nichts?, BKR 2002, S. 194 (195). 187

Vgl. etwa J. Hennrichs, Die Bedeutung der EG-Bilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (78); Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2325); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (677 f.). 188

So zu Recht Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (376); auch Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549). 189

Vgl. K. Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2005, S. 95, 211 f.

190

Vgl. Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (376), der aber unzutreffenderweise eine solche gespaltene Auslegung als mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar ansieht. 191

Vgl. Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549). 192

Vgl. Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549, insb. auch Fn. 49).

160

6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

nationalen Privatrecht – ungeachtet einer angestrebten einheitlichen Auslegung nach Art. 36 EGBGB – unterschiedlich, also gespalten auszulegen.193 Aber auch das Rechtsstaatsprinzip und die Überforderung des nationalen Rechtsanwenders können, wie Christian Mayer und Jan Schürnbrand überzeugend ausführen, ein nationales Gebot der einheitlichen Auslegung nicht begründen, denn „die Erwartung, das richtige Verständnis einer Norm ohne weitere Hilfsmittel durch schlichte Lektüre des Gesetzestextes ermitteln zu können, (ist) ganz allgemein ein von einer komplexen und dynamischen Rechtsordnung nicht zu erfüllender Wunsch. Daher ist es ausgeschlossen, aus dem Verfassungsrecht und dort nämlich aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Verbot gespaltener Auslegung herzuleiten. Ein solches würde die Bestimmtheitsanforderungen an Gesetze über Gebühr strapazieren. Auch vermag der Umstand, daß sich die Problematik allein dem europarechtlich sensibilisierten Rechtsanwender erschließt keine andere Bewertung zu rechtfertigen.“194

Zudem zwingt auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu einer einheitlichen Auslegung, da Auslegungsdivergenzen vielfach durch signifikant unterschiedliche Sachverhalte gerechtfertigt werden können. 195 Ebensowenig kann dem Willen des nationalen Gesetzgebers – unbestritten spricht im Falle einer überschießenden Richtlinienumsetzung mangels anderweitiger Anhaltspunkte eine gewisse Vermutung dafür, daß eine einheitliche Auslegung des gesamten Normkomplexes gewollt ist196 – ein grundsätzliches Verbot einer gespaltenen Auslegung entnommen werden, denn entscheidend sind die Auslegungskriterien des nationalen Rechts.197 Der Wille des nationalen Gesetzgebers ist je_____________ 193

Vgl. A. Heldrich, Palandt, EGBGB, Einl vor Art. 3 Rn. 7 f.; dazu auch Ch. Mayer/ J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549, Fn. 49). 194 Ch. Mayer/J. Schürnbrand, Einheitlich oder gespalten? – Zur Auslegung nationalen Rechts bei überschießender Umsetzung von Richtlinien, JZ 2004, S. 545 (549 f.); i. d. S. auch M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151. 195 Vgl. etwa M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151; ausführlich – wiewohl bezogen auf das UmwG – Y. Schnorbus, Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2326 f.); ders., Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (682 ff.); dies räumt auch – bezogen auf § 434 Abs. 2 BGB – Ch. Bärenz, Die Auslegung der überschießenden Umsetzung von Richtlinien am Beispiel des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, DB 2003, S. 375 (376), ein. 196 Vgl. etwa W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (883). Einen entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen nimmt beispielsweise M. Habersack, Haustürgeschäfterichtlinie und Realkreditverträge, WM 2000, S. 989 (991 f.), hinsichtlich § 1 HWiG an und folgert hieraus, daß dem durch eine gespaltene Auslegung Rechnung zu tragen sei; ganz i. d. S. auch A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, 521 (528). 197

Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (921).

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

161

doch – neben Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck – nur eines unter mehreren hierarchisch grundsätzlich nicht abgestuften Kriterien der nationalen Auslegungsmethodik.198 Daher können andere Umstände, etwa solche teleologischer Natur, eine abweichende Auslegung einer überschießend umgesetzten Norm gerade in dem von der Richtlinie nicht erfaßten Regelungsbereich nahelegen.199 Daß ein apodiktisches Verbot der gespaltenen Auslegung zu geradezu widersinnigen Ergebnissen führen kann, zeigt die folgende Betrachtung einer Sachverhaltskonstellation, wie sie der viel diskutierten Rechtssache „Heininger“ 200 zugrunde lag:201 Einem Verbraucher wird im Jahre 1993 ein grundpfandrechtlich gesicherter Verbraucherkredit gewährt, wobei der Verbraucher seine auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung nicht an der Haustüre abgegeben hat, sondern nur anläßlich eines vorausgegangenen Haustürbesuchs zu dem späteren Abschluß des Darlehensvertrags veranlaßt wurde. Nach damals geltendem deutschem Recht war zwar der Anwendungsbereich des Verbraucherschutzgesetzes nach § 1 VerbrKrG eröffnet, jedoch war gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG der Abschluß von Realkrediten ausgenommen; dem Verbraucher stand daher im vorliegenden Fall kein Widerrufsrecht nach § 7 Abs. 1 VerbKrG zu. Dem Verbraucher stand allerdings auch kein Widerrufsrecht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung zu, da nach § 5 Abs. 2 Alt. 1 HWiG a.F. allein die Vorschriften des Verbraucherkreditgesetzes anzuwenden waren, denn es kam bei § 5 Abs. 2 Alt. 1 HWiG a.F. lediglich auf das Vorliegen eines Verbraucherkredits an, nicht hingegen daß in concreto nach dem Verbraucherkreditgesetz ein Widerrufsrecht bestand. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterfallen jedoch auch Realkredite der Haustürgeschäfterichtlinie202, weshalb dem Verbraucher entgegen § 5 Abs. 2 Alt. 1 HWiG a.F. insoweit ein Widerrufsrecht zustehen muß. Problematisch ist jedoch, daß § 1 Abs. 1 HWiG a.F. überschießend umgesetzt wurde, indem er nicht nur Ver_____________ 198

Vgl. P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (916). 199

Vgl. P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (916); dazu auch – bezogen auf das Handelsbilanzrecht – J. Hennrichs, Die Bedeutung der EGBilanzrichtlinie für das deutsche Handelsbilanzrecht, ZGR 1997, S. 66 (77 ff., insb. 82). 200

Vgl. EuGH v. 13.12.2001 – Rs. C-481/99 (Heininger), Slg. 2001, I-9945 (9975 ff., Rn. 16 ff.); BGHZ 150, 248 (249 f.). 201

Vgl. zum folgenden A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, 521 (527 f.). 202

RL 85/577/EWG v. 20.12.1985, ABl. L 372/31 ff.

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6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

tragsschlüsse „an der Haustüre“, sondern auch den vorliegenden Fall eines lediglich anläßlich eines Haustürbesuchs erfolgenden späteren Vertragsschlusses erfaßt. Da also nur der erste Fall in den sachlichen Geltungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie (Art. 1 Abs. 1 Spstr. 1 lit. i) Haustür-RL) fällt, stellt sich die Frage, ob § 5 Abs. 2 Alt. 1 HWiG a.F. quasi-richtlinienkonform dahingehend einschränkend auszulegen ist, daß eine Subsidiarität des Haustürwiderrufsgesetzes nur insoweit besteht, als das Verbraucherkreditgesetz ein gleich weit reichendes Widerrufsrecht einräumt. Eine einheitliche Auslegung des § 5 Abs. 2 HWiG a.F. muß jedoch vorliegend ausscheiden, da anderenfalls dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt würde, das sowohl im nationalen Recht keine Stütze findet als auch gemeinschaftsrechtlich nicht gefordert wird, da der Anwendungsbereich der Haustürgeschäfterichtlinie nicht eröffnet ist und Realkredite auch aus dem Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie203 nach Art. 2 Abs. 1 lit. a) bzw. Abs. 3 VerbrKr-RL ausgenommen sind. Uneingeschränkte Zustimmung verdienen daher die insoweit überzeugenden Ausführungen von Andreas Piekenbrock und Götz Schulze, die prägnant feststellen: „Die Kombination des nationalen Tatbestandes mit der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfolge würde hingegen das paradoxe Ergebnis zeitigen, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht, das von der Richtlinie nicht gefordert und vom nationalen Recht nicht gewollt ist.“204

Demnach bleibt festzuhalten, daß dem nationalen Recht kein grundsätzliches Gebot der einheitlichen Auslegung entnommen werden kann, sondern vielmehr bei jeder überschießend umgesetzten nationalen Norm zu prüfen ist, ob das nationale Recht einheitlich oder gespalten auszulegen ist.

3. Vorabentscheidungsverfahren des Art. 234 EGV a) Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens Soweit eine einheitliche Auslegung überschießend umgesetzten nationalen Rechts möglich oder gar zwingend geboten ist, stellt sich die derzeit heftig diskutierte Frage, ob die nationalen Gerichte dem Gerichtshof zum Zwecke einer quasi-richtlinienkonformen Auslegung Zweifelsfragen hinsichtlich der Ausle_____________ 203 204

RL 87/102/EWG v. 22.12.1986, ABl. L 42/48 ff.

A. Piekenbrock/G. Schulze, Die Grenzen richtlinienkonformer Auslegung, WM 2002, S. 521 (528).

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

163

gung einer Richtlinie zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV vorlegen können oder sogar müssen.205 Während die Generalanwälte die Spruchkompetenz des Gerichtshofs im Bereich überschießender Richtlinienumsetzung seit jeher ablehnten, da es „außerhalb des Gemeinschaftsrechts kein Gemeinschaftsrecht geben k(ö)nn(e)“206, läßt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung Vorabentscheidungsersuchen zum Zwecke einer quasi-richtlinienkonformen Auslegung zu, sofern das vorlegende nationale Gericht im Rahmen der diesem obliegenden Beurteilung zu dem Ergebnis gelangt ist, daß es bei der Auslegung der streitgegenständlichen Bestimmung an die Rechtsauffassung des Gerichtshofs gebunden ist.207 Demnach ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV stets dann zulässig, wenn das vorlegende Gericht eine einheitliche Auslegung für zwingend geboten erachtet. 208 Dies begründet der Gerichtshof im wesentlichen damit, daß sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zweck des Art. 234 EGV ergebe, daß die Verfasser des Vertrags Vorlagen im Falle überschießend umgesetzter Richtlinien ausschließen wollten, vielmehr habe im Gegenteil die Gemeinschaftsrechtsordnung ein offensichtliches Interesse daran, daß jede Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt werde, damit künftige unterschiedliche Interpretationen verhindert werden.209 _____________ 205

Vgl. B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (484 ff.); dazu auch 6. Teil, IX. 1., S. 153, Fn. 153 m. w. N. 206 Vgl. Schlußantrag des GA M. Darmon v. 03.07.1990 – Rs. C-297/88 u. C-197/89 (Dzodzi), Slg. I-3778 (I-3780, Rn. 11); Schlußantrag des GA F. G. Jacobs v. 17.09.1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4165 (I-4179 ff., Rn. 47 ff.). 207 Vgl. EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161 (I-4200, Rn. 25 ff.); ebenso EuGH v. 17.7.1997 – Rs. C-130/95 (Giloy), Slg. 1997, I-4291 (4302 f., Rn. 20 ff.); grundlegend bereits EuGH v. 18.10.1990 – Rs. C-297/88 (Dzodzi), Slg. 1990, I-3763 (I-3793 f., Rn. 34 ff.). In keinen Widerspruch hierzu steht EuGH v. 28.3.1995 – C-346/93 (Kleinwort Benson), Slg. 1995, I-615 (I-639, Rn. 14 ff.), wo der Gerichtshof ausnahmsweise einmal seine Zuständigkeit verneinte, denn das Gemeinschaftsrecht diente hier lediglich als Muster für das nationale Recht. 208 Keine Zulässigkeitsvoraussetzung des Vorabentscheidungsverfahrens ist hingegen, entgegen dem irreführenden Wortlaut des Art. 234 Abs. 2 und 3 EGV („wird eine derartige Frage … gestellt“), daß die Parteien des Rechtsstreits die gemeinschaftsrechtliche Frage nach der Auslegung der Richtlinie aufwerfen. Vgl. dazu U. Fastenrath, Der Europäische Gerichtshof als gesetzlicher Richter in: FS für G. Ress, 2005, S. 461 (464). 209 Grundlegend EuGH v. 18.10.1990 – Rs. C-297/88 (Dzodzi), Slg. 1990, I-3763 (I-3793, Rn. 36 f.), der dies lediglich dahingehend einschränkt, daß etwas anderes gelten könne, wenn sich entweder zeige, daß das Vorabentscheidungsverfahren zweckentfrem-

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6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

Auch im Schrifttum wird die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens bei überschießend umgesetzten Richtlinien kontrovers diskutiert. 210 So wird die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 234 EGV teilweise abgelehnt, weil der Gerichtshof nur über Gemeinschaftsrecht entscheiden könne (Art. 220 Abs. 1 EGV), solches aber außerhalb des Anwendungsbereichs einer Richtlinie nicht vorliege, da Gemeinschaftsrecht als gemeinschaftliches Recht gemeinschaftlich gesetzt werden müsse, was bedinge, daß die Mitgliedstaaten den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts nicht einseitig bestimmen dürften.211 Zudem verbiete das Prinzip der begrenzten Ermächtigung212 dem Gerichtshof, über nationales Recht zu entscheiden.213 Darüber hinaus könne der Gerichtshof bereits deshalb nicht zuständig sein, weil das Vorabentscheidungsverfahren ausschließlich der Angleichung der Rechtsanwendung in den Mitgliedstaaten diene und daher nur insofern aktiviert werden könne, als auch die Richtlinie als Instrument der Rechtsangleichung in den Mitgliedstaaten dient, was aber bei genuin nationalem Recht selbst dann nicht der Fall sei, wenn dieses inhaltlich vom Richtlinienrecht geprägt ist. 214 Schließlich stehe auch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG einem Vorabentscheidungsverfahren entgegen, da der Gerichtshof anerkanntermaßen gesetzlicher Richter sei, seine Zuständigkeit aber nicht gesetzlich bestimmt sei, sondern erst aus einem Gerichtsbeschluß begründet werde.215 Die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum spricht sich hingegen für die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsverfahrens zum Zwecke der quasirichtlinienkonformen Auslegung aus.216 Diese Auffassung verdient Zustimmung, _____________ det werde und der Gerichtshof realiter veranlaßt werden soll, aufgrund eines fiktiven Rechtsstreits zu entscheiden, oder auf der Hand läge, daß die Gemeinschaftsbestimmung im konkreten Fall nicht angewandt werden kann (l.c., I-3794, Rn. 40). 210 Dazu ausführlich B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (484 ff.); auch P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (919 ff.); Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (693 ff.). 211 Siehe M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (919). 212 Siehe dazu 2. Teil, I. 1., S. 26 ff. 213 Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (919). 214 So P. Hommelhoff, Die Rolle der nationalen Gerichte bei der Europäisierung des Privatrechts, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 889 (920 f.). 215 Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (920). 216 Vgl. etwa B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (484 ff.); Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaa-

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

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denn der Wortlaut des Art. 234 Abs. 1 lit. b) EGV, wonach der Gerichtshof auch über die Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts entscheidet, steht einer derartigen Vorlage durch die nationalen Gerichte nicht entgegen.217 Gerade um eine solche Interpretation handelt es sich nämlich bei der quasi-richtlinienkonformen Auslegung, da Auslegungsgegenstand – ebenso wie bei der richtlinienkonformen Auslegung – allein die Richtlinie, nicht aber das überschießend umgesetzte nationale Recht ist.218 Letztlich beantwortet der Gerichtshof, wie auch sonst, eine abstrakte Frage des Europarechts,219 die Entscheidung des konkreten Sachverhalts hingegen ist stets Sache der mitgliedstaatlichen Gerichte.220 Nach nationalem Recht hingegen beurteilt sich allein die Frage, ob im konkreten Fall die Auslegung der Richtlinie entscheidungserheblich ist. Daher vermag der Einwand, wonach die Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich des Verfahrens nach Art. 234 EGV erweiterten, nicht durchzugreifen. 221 Gerade weil die Entschei_____________ ten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (687 ff., insb. 693 ff.); ders., Grundlagen der Auslegung des allgemeinen Teils des UmwG, WM 2000, S. 2321 (2328); Ch. Bärenz, Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (862 ff.); auch M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 131; W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (885); auch F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1637 ff.). 217 So auch Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (696 f.). 218 Vgl. F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1638); i. E. auch Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (696); siehe auch B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (485); M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 156 f. 219 Vgl. M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 151; ebenso F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1644). 220 Vgl. F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1638). 221 Ablehnend auch B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (485), der eine Erstreckung des Gemeinschaftsrechts in dem gemeinschaftsrechtlichen Angleichungskonzept der Mindestharmonisierung geradezu angelegt sieht. Diese Begründung vermag jedoch kaum zu überzeugen, da die überschießende Richtlinienumsetzung gerade kein Fall der Mindestharmonierung ist und daher auch nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden kann (vgl. dazu J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (73 ff.)).

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6. Teil: Richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts

dungserheblichkeit nur im Falle einer in concreto durch das nationale Recht zwingend gebotenen und daher bindenden einheitlichen Auslegung angenommen werden kann, überschreitet der Gerichtshof auch seine Kompetenz nicht dahingehend, daß er unverbindliche Rechtsgutachten außerhalb des Art. 300 Abs. 6 EGV erstellt.222 Ebenso greift das Prinzip der begrenzten Ermächtigung hier nicht, da dieses die Mitgliedstaaten vor dem Zugriff der Gemeinschaft schützen soll, vorliegend aber gerade eine umgekehrte Situation vorliegt, indem es die Mitgliedstaaten sind, welche den Einfluß des Gemeinschaftsrechts ausdehnen.223 Weiterhin verletzt eine Vorlage nach Art. 234 EGV, wie York Schnorbus überzeugend nachgewiesen hat, auch nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, weil die Erforderlichkeit eines Vorlagebeschlusses für das Tatbestandsmerkmal der Entscheidungserheblichkeit der Gesetzlichkeit des Richters nicht entgegensteht.224 Endlich läßt sich für die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 234 EGV anführen, daß anderenfalls eine zwingend gebotene quasi-richtlinienkonforme Entscheidung von vornherein in Kauf genommen werden müßte, die möglicherweise einer nachfolgenden Entscheidung des Gerichtshofs im Geltungsbereich der Richtlinie widerspräche.225 Es bleibt somit festzustellen, daß das Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV auch im Bereich der überschießenden Umsetzung von Richtlinien zum Zwecke einer quasi-richtlinienkonformen Auslegung zulässig ist, sofern das nationale Recht eine einheitliche Interpretation zwingend erfordert und daher das nationale Gericht die Entscheidung des Gerichtshofs für erforderlich hält. Ist hingegen eine gespaltene Auslegung des nationalen Rechts zulässig, scheidet eine Vorlage nach Art. 234 EGV mangels Entscheidungserheblichkeit aus. _____________ 222 Vgl. Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (696); a. A. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (920). 223 Siehe B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (485). 224 Ausführlich Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (700 ff.); zust. B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (487 f.); siehe auch F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1639). 225 So J. Drexl, Die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur einheitlichen richtlinienkonformen Auslegung hybrider Rechtsnormen und deren Grenzen, in: FS für A. Heldrich, 2005, S. 67 (76 f.).

IX. Sonderprobleme überschießender Richlinienumsetzung

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b) Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte nach Art. 234 Abs. 3 EGV Bislang noch nicht entschieden hat der Gerichtshof, ob letztinstanzliche Gerichte im Falle einer zwingend gebotenen einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts – nur insoweit ist, wie gezeigt,226 das Vorabentscheidungsverfahren aufgrund bestehender Entscheidungserheblichkeit zulässig – zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EGV verpflichtet sind.227 Während ein Teil des Schrifttums eine Vorlagepflicht verneint und lediglich ein Vorlagerecht letztinstanzlicher Gerichte annimmt, 228 nimmt der überwiegende Teil der Literatur zu Recht eine Vorlagepflicht letztinstanzlicher Gerichte nach Art. 234 Abs. 3 EGV an,229 da nur auf diese Weise eine einheitliche Auslegung des überschießenden Rechts gesichert werden kann; 230 eine solche Vorlagepflicht ist also die logische Konsequenz eines im nationalen Recht begründeten Gebots der einheitlichen Auslegung.

_____________ 226

Siehe dazu 6. Teil, IX. 3. a), S. 162 ff. Vgl. M. Habersack/Ch. Mayer, Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, JZ 1999, S. 913 (921, Fn. 75); auch Ch. Bärenz, Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (865); ders., Keine gemeinschaftsrechtliche Vorlagepflicht des BFH gemäß Art. 234 EGV im Bilanzsteuerrecht, DStR 2001, S. 692 (694). 228 Vgl. etwa Ch. Bärenz, Keine gemeinschaftsrechtliche Vorlagepflicht des BFH gemäß Art. 234 EGV im Bilanzsteuerrecht, DStR 2001, S. 692 (694 f.); ders., Gemeinschaftsrechtliche und nationale Vorlagepflichten des BFH im Handelsbilanzrecht, StuB 2001, S. 862 (865); auch H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl v § 305 Rn. 13. 229 Siehe W. Meilicke, Zur Vorlagepflicht des BFH in Bilanzierungsfragen, BB 1999, S. 890 (890); ebenso B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (487); F. Wassermeyer, Die Verpflichtung der obersten Bundesgerichte zur Vorlage von Bilanzierungsfragen an den EuGH, in: FS für M. Lutter, 2000, S. 1633 (1638 ff.); i. d. S. auch W.-H. Roth, Europäisches Recht und nationales Recht, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Bd. II, 2000, S. 847 (885); ähnlich M. Schmid, Die Grenzen der Auslegungskompetenz des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EG, 2005, S. 178 ff., wonach keine gemeinschaftsrechtlich bedingte Pflicht zur Vorlage bestehe, jedoch eine solche aus dem nationalen Recht folgen könne. 230 Siehe B. Hess, Rechtsfragen des Vorabentscheidungsverfahrens, RabelsZ 66 (2002), S. 470 (487). 227

Siebenter Teil

Rechtliche Folgen einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien I. Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat Kommen die Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinie nicht rechtzeitig oder in nur unzureichender Weise nach, so liegt eine Vertragsverletzung vor,1 woran im übrigen auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung, die sich aus der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung ergeben, nichts zu ändern vermögen, da sie nach Auffassung des Gerichtshofs einen Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtung nicht rechtfertigen können.2 Ein solcher Verstoß kann gemäß Art. 226 EGV durch die Kommission als „,Hüterin der Verträge‘“ 3, aber auch gemäß Art. 227 EGV durch jeden einzelnen Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens4 gerügt werden.5 Eine Klage durch einzelne Bürger ist hingegen nicht möglich, da diese weder nach Art. 226 EGV noch nach Art. 227 EGV antragsbefugt sind, sie sind viel_____________ 1 Vgl. statt vieler B. Becker, Einführung in Inhalt, Bedeutung und Probleme der Umsetzung der Richtlinie 96/61/EG des Rates der Europäischen Union vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, DVBl. 1997, S. 588 (594); W. Groß, Europa 1992: Einwirkungen des Europäischen Rechtes in den innerstaatlichen Bereich der Bundesrepublik Deutschland, JuS 1990, S. 522 (525). 2 Vgl. EuGH v. 11.4.1978 – Rs. 100/77 (Kommission/Italienische Republik), Slg. 1978, 879 (886, Rn. 21/22); EuGH v. 6.5.1980 – Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 1473 (1487, Rn. 15). 3

A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 254.

4

Zu Einzelheiten des Vertragsverletzungsverfahren siehe ausführlich Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 9 Rz. 25 ff.; G. Nicolaysen, Europarecht I, 2002, S. 445 ff.; A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 811 ff.; Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 578 ff. 5

Vgl. R. Schäfer, Probleme der EWG-Richtlinie, 1973, S. 169 ff.; auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 121; A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1113).

I. Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat

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mehr auf ein Handeln der Kommission oder eines Mitgliedstaates angewiesen.6 Verurteilt der Gerichtshof den Mitgliedstaat, so hat dieser gemäß Art. 228 Abs. 1 EGV die sich aus dem Feststellungsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Sofern der Mitgliedstaat den vom Gerichtshof geforderten Maßnahmen nicht nachkommt, ist ein erneutes Aufsichtsverfahren nach Art. 226 EGV aufgrund der Verletzung des Art. 228 Abs. 1 EGV möglich,7 es kann aber auch ein Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld verhängt werden (argumentum ex Art. 228 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 EGV).8 Diese Zahlungen sind aber, da sie gegen Mitgliedstaaten gerichtet sind, nach Art. 244 i. V. m. Art. 256 Abs. 1 Hs. 2 EGV nicht vollstreckungsfähig. 9 Als problematisch erweist sich somit, daß die Beseitigung der Vertragsverletzung „wesentlich von dem ,guten Willen‘“ 10 des _____________ 6

Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 63; P. Fischer/H. F. Köck/M. M. Karollus, Europarecht, 2002, Rn. 1271. 7 Vgl. R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 583; H. Teske, Die Sanktion von Vertragsverstößen im Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 265 (268 f.). 8 Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 122; H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 111; M. Kenntner, Ein Dreizack für die offene Flanke: Die neue EuGHRechtsprechung zur judikativen Gemeinschaftsrechtsverletzung, EuZW 2005, S. 235 (236); dazu ausführlich A. Fisahn, Probleme der Umsetzung von EG-Richtlinien im Bundesstaat, DÖV 2002, S. 239 (240). Die Möglichkeit zur Verhängung von Zwangsgeldern oder Pauschalbeträgen besteht nach Art. 142 EAGV nicht. 9 Vgl. A. Fisahn, Probleme der Umsetzung von EU-Richtlinien im Bundesstaat, DÖV 2002, S. 239 (240); auch S. Hölscheidt, Zwangsgelder gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtbeachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, BayVBl. 1997, S. 459 (461); A. Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, 1997, Rn. 1011; A. Epiney, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union − Europarecht und Politik, 2006, § 9 Rn. 35; S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht, 1997, S. 38; H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 361; ebenso A. Furrer/A. Epiney, Staatliche Haftung für quantifizierbare Wettbewerbsnachteile aus nicht umgesetzten Richtlinien, JZ 1995, S. 1025 (1029); a. A. hingegen A. Middeke/P. Szczekalla, Änderungen im europäischen Rechtsschutzsystem − Der Maastrichter Unionsvertrag und seine Auswirkungen auf die europäische Gerichtsbarkeit, JZ 1993, S. 284 (288). 10 M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 122; vgl. auch D.-E. Khan, Staatshaftung für verpfuschten Urlaub?, NJW 1993, S. 2646 (2646), spricht daher zu Recht vom „relativ stumpfe(n) Mittel des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 169, 170 EWGV [= Art. 226, 227 EGV n. N.]“; auch K. Tonner, Staatshaftung wegen verspäteter Umsetzung von EG-PauschalreiseRichtlinie, ZIP 1993, S. 1205 (1206); ganz i. d. S. auch U. M. Gassner, Horizontale Direktwirkung von EG-Richtlinien, JuS 1996, S. 303 (304); H. Friedl, Auswirkungen nicht

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

vertragsbrüchigen Staats abhängt, was zu einer beträchtlichen Einschränkung der Effizienz dieses Verfahrens zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts führt.11 Demnach ermöglicht zwar das Vertragsverletzungsverfahren prinzipiell eine gewisse Sanktion; gleichwohl ist der Erfolg derartiger Verfahren in praxi nicht sonderlich groß.12

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien als neu geschaffene Sanktionskategorie 1. Einführung in die Problematik Da die Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV als zweistufiger Rechtsakt konzipiert ist,13 treffen ihre Wirkungen den einzelnen erst durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, mittels derer die Richtlinie umgesetzt wurde,14 d. h., _____________ ordnungsgemäßer Umsetzung der 6. EG-Richtlinie auf Bestandskraft und Festsetzungsfrist bei der Umsatzsteuer, UR 1993, S. 114 (114). 11 Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 122; M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 13; S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht, 1997, S. 38; H.-J. Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118 (118), der betont, daß eine Verurteilung nach Art. 226 EGV „mit Ausnahme des moralischen Unwerturteils der Entscheidung“ keine Konsequenzen für den betroffenen Mitgliedstaat habe; zu weiteren Nachweisen siehe Fn. 18. 12 So Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 63. 13 Siehe dazu näher 4. Teil, II., S. 94 ff. 14 Vgl. U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (101); ders., Rechtsvereinheitlichung durch Richterrecht in der Europäischen Gemeinschaft, RabelsZ 50 (1986), S. 193 (224); M. A. Dauses, Grundlagen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes − Auswirkungen auf Bund und Länder, BayVBl. 1989, S. 609 (610); H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (558); E. Spetzler, Die Kollision des Europäischen Gemeinschaftsrechts mit nationalem Recht und deren Lösung, RIW 1990, S. 286 (288); ders., Die richtlinienkonforme Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, S. 579 (579); ders., Wirkung und Einfluß des Rechts der Europäischen Gemeinschaft auf das nationale Steuerrecht, DB 1993, S. 553 (553); i. d. S. auch K. Hailbronner, Europarechtliche Aspekte der Vergabe öffent-

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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Rechte und Pflichten einzelner ergeben sich allein aus den nationalen Bestimmungen.15 Diese Wirkungen können jedoch nur eintreten, soweit die Mitgliedstaaten die Richtlinien in vollem Umfang ordnungsgemäß in mitgliedstaatliches Recht umsetzen.16 Kommt ein Mitgliedstaat seiner Umsetzungsverpflichtung nicht oder nur unzureichend nach, so ist als vertragliche Sanktion allein die Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 226 f. EGV vorgesehen.17 Dieses Verfahren erwies sich jedoch als zu wenig wirkungsvoll, um das gemeinschaftsrechtliche Fehlverhalten bei der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien zu sanktionieren oder gar bereits im voraus zu verhindern.18 Es übt vielmehr nur einen „gewissen politischen Druck zu gemeinschafts_____________ licher Aufträge, RIW 1992, S. 553 (556); W. Birkenfeld, Deutsches Umsatzsteuerrecht und Umsatzsteuerrecht der EG, UR 1989, S. 329 (334). 15 Vgl. A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1113); auch U. Everling, Zur Auslegung des durch EG-Richtlinien angeglichenen nationalen Rechts, ZGR 1992, S. 376 (377). 16 Vgl. dazu H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? − Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (558). 17 Vgl. W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (131); A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (225); H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 111; A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (66). 18 Vgl. etwa K. Zweigert, Der Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, RabelsZ 28 (1964), S. 601 (637); deutlich H.-P. Ipsen, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 16.6.1966, Rs. 57/65, EuR 1966, S. 356 (359), der das Vertragsverletzungsverfahren als einen „Mechanismus, der Inaktivität, Indolenz oder gar Obstruktion eines Mitgliedstaates mit der Prämie des Zeitgewinns, einem ,temporären Mehrwert‘ zu belohnen versprach“, bezeichnet; H. J. Herrmann, Einwirkungen von EG-Richtlinien auf das nationale deutsche Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 566 (567); S. Magiera, Die Rechtswirkungen von EG-Richtlinien im Konflikt zwischen Bundesfinanzhof und Europäischem Gerichtshof, DÖV 1985, S. 937 (939); A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (66); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (84); W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (131); H. Freyer, Richtlinienspezifische Probleme am Beispiel der Produkthaftung, EuZW 1991, S. 49 (51); G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (665), hält das Vertragsverletzungsverfahren für nicht „scharf genug“; F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (994), spricht von „Sanktionsdefizite(n) des Vertragsverletzungsverfahrens“; V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (213); H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (439); E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 21; R. Herber, Hat der deutsche Richter das Bilanzrichtlinien-Gesetz an den ihm zugrunde-

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

rechtskonformem Verhalten“19 auf den Mitgliedstaat aus. Bedingt durch die Ineffektivität des Vertragsverletzungsverfahrens sah sich der Gerichtshof veranlaßt, eine wirksamere Sanktionierung der mangelhaften Umsetzung durch die Mitgliedstaaten zu schaffen, indem er einzelnen Bestimmungen20 einer Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen 21 unmittelbare innerstaatliche Wirkung zusprach,22 womit er den Rechtsschutz gegen nicht ordnungsgemäß umgesetzte Richtlinien erheblich erweiterte, um so die Durchsetzung der Richtlinien gegenüber den säumigen Mitgliedstaaten zu verbessern. 23 Demgemäß kann sich der einzelne vor den nationalen Organen, insbesondere vor den Gerichten, auf die für unmittelbar wirksam befundenen Regelungen einer Richtlinie berufen, d. h., die Richtlinie ist insoweit − entgegen ihrer vertraglich vorgesehenen Konzeption24 − unmittelbar anwendbar. Sie nimmt daher am Vorrang des Gemeinschaftsrechts teil, so daß entgegenstehendes nationales Recht unangewandt bleibt.25 _____________ liegenden EG-Richtlinien zu messen?, in: FS für G. Döllerer, 1988, S. 225 (235); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 251; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 1, 57, 94, 146, 185, 190; H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 71, 112; M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (473). 19 A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 250; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWGRichtlinien, 1989, S. 146; E. Weiß, Anmerkung zum Urteil des BFH vom 16.7.1981, V B 51/80, UR 1981, S. 197 (197). 20 Vorab sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Formulierung, eine Richtlinie habe unmittelbare Wirkung, genau genommen nicht richtig ist, da stets jede einzelne Richtlinienbestimmungen selbst daraufhin zu überprüfen ist, ob sie unmittelbare Wirkung entfalten kann. Siehe dazu 7. Teil, II. 3., S. 183. 21 Siehe dazu näher 7. Teil, II. 3., 4. und 6., S. 182 ff., 188 ff., 197 ff. 22

Zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien in der Rechtsprechung des Gerichtshofs siehe 7. Teil, II. 2. b), S. 177 ff. 23

Vgl. dazu H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 71; auch H. J. Herrmann, Einwirkungen von EG-Richtlinien auf das nationale deutsche Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 566 (567); R. Herber, Hat der deutsche Richter das Bilanzrichtlinien-Gesetz an den ihm zugrundeliegenden EG-Richtlinien zu messen?, in: FS für G. Döllerer, 1988, S. 225 (235 f.); ebenso R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, in: HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 14; H. Friedl, Auswirkungen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der 6. EGRichtlinie auf Bestandskraft und Festsetzungsfrist bei der Umsatzsteuer, UR 1993, S. 114 (114); J. Wolf, Individueller Rechtsschutz als Sanktion?, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1361 (1365). 24 Dazu 4. Teil, I. 3., S. 90 ff. 25

Dazu 5. Teil, II., S. 116 f.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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Diese vom Gerichtshof geschaffene „neue Sanktionskategorie“ 26 zählt zu den meistdiskutierten Problemen des Gemeinschaftsrechts, 27 wie sich bereits an den zahlreichen Bezeichnungen zeigt, unter denen diese Problematik im Schrifttum erörtert wird: So werden neben den Begriffen „unmittelbare Wirkung“28 und „unmittelbare Anwendbarkeit“29 auch die Bezeichnungen „Direktwirkung“30, „direkte Wirkungen“31, „Drittwirkung“32, „Selbstvollzug [Hervorh. _____________ 26

BVerfGE 75, 223 [242]. Vgl. etwa V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1855), der vom „meistdiskutierten Topos des Richtlinienrechts“ spricht; F. Emmert, Horizontale Drittwirkung von Richtlinien?, EWS 1992, S. 56 (56); S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (684); R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (401); H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 363. 28 Vgl. etwa R. Voss, Verfassungsrechtliche Probleme des Streits um die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien, RIW 1982, S. 570 (570); E. Spetzler, Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen als neue Sanktionskategorie nach Art. 189 EWGVertrag, RIW 1989, S. 362 (362); auch M. Gellermann, Auflösung von Normwidersprüchen zwischen europäischem und nationalem Recht, DÖV 1996, S. 433 (435 f.); krit. M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 58 f.; auch D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 184; ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (101). 29 A. Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, S. 409 (409); ebenso A. Bleckmann, Zur unmittelbaren Anwendbarkeit der EG-Richtlinien, RIW 1984, S. 774 (774); H. Niessen, Bindungen und Freiheiten der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei der Umsetzung von Richtlinien am Beispiel der Angleichung des Bilanzrechts, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 971 (971). 30 V. Heydt, Anmerkung zum Beschluß des BFH vom 16.7.1981, V B 51/80, RIW 1981, S. 692 (692); ebenso S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (684); R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (401); G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (657); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (955); W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (129); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989; G. Ress, Die Direktwirkung von Richtlinien, in: GS für P. Arens, 1993, S. 351 (351). 31 A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1108); ebenso U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (103); ders., Zum Vorrang des EG-Rechts vor nationalem Recht, DVBl. 1985, S. 1201 (1204); ders., Umsetzung von Umweltrichtlinien durch normkonkretisierende Verwaltungsanweisungen, RIW 1992, S. 379 (380). 32 H. Hahn, Nochmals: Zur Drittwirkung von EG-Richtlinien im Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 503 (503); ebenso D. Oldekop, Die Richtlinie der EWG, 1968, S. 184; 27

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

im Orig.]“33 sowie „Durchgriffswirkung“34 verwendet. Nichtsdestoweniger stellt die unmittelbare Richtlinienwirkung auch weiterhin eines der umstrittensten Probleme des Gemeinschaftsrechts dar.35 Allerdings hat sich der Schwerpunkt der Diskussion im Laufe der Jahre verlagert: So steht derzeit weniger die grundsätzliche Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien als vielmehr die Ausgestaltung dieser Direktwirkung im einzelnen, insbesondere deren Tragweite, im Mittelpunkt wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.36 Im Rahmen der sich anschließenden Ausführungen soll nach einem Überblick über die diesbezügliche Judikatur des Gerichtshofs zunächst auf die Voraussetzungen und die derzeit in der Literatur diskutierten Problembereiche der unmittelbaren Richtlinienwirkung eingegangen werden, bevor dann abschließend der Fragestellung nachgegangen wird, worin eine tragfähige Begründung der Direktwirkung von Richtlinien gesehen werden könnte und ob sich diese noch im Rahmen des vertraglich Zulässigen bewegt. Dieser Aufbau der Untersuchung ist erforderlich, da sich im Falle, daß eine vertragliche Rechtsgrundlage, entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs,37 die nach dem billigenden Ur_____________ ders., Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (101); ähnlich H. P. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 67 (82), der von der „Drittwirksamkeit“ der Richtlinien spricht; krit. zu Recht E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (7). 33 B. Becker, Einführung in Inhalt, Bedeutung und Probleme der Umsetzung der Richtlinie 96/61/EG des Rates der Europäischen Union vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, DVBl. 1997, S. 588 (594). 34 R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1989, S. 577 (582); ebenso N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 105; E. Grabitz, Rezension zu Emrich, Dieter: Das Verhältnis des Rechts der Europäischen Gemeinschaften zum Recht der Bundesrepublik Deutschland, EuR 1969, S. 363 (364); H. Rittstieg, Anmerkung zu den Urteilen in den Rechtssachen 41/74 (van Duyn) und 67/74 (Bonsignore), EuR 1976, S. 54 (55). 35 So auch M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (8); D. Ewert, Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik bei Verletzung des europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 1993, S. 881 (882); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 125; ganz i. d. S. H. Hahn, Nochmals: Zur Drittwirkung von EG-Richtlinien im Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 503 (503), der von einem „der ,heikelsten‘ Probleme des EG-Rechts“ spricht; ähnlich M. Seidel, Die Direkt- oder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts, NJW 1985, S. 517 (517); dazu auch Einleitung, I., S. 4, insb. Fn. 17. 36 I. d. S. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 125 f. 37 Dazu 7. Teil, II. 2. b), S. 177 ff.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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teil des Bundesverfassungsgerichts38 auch vom Schrifttum kaum mehr in Frage gestellt wird,39 zu verneinen ist, eine Erörterung der strittigen Fragen der direkten Richtlinienwirkung erübrigen würde, was jedoch angesichts der großen Bedeutung, die der Direktwirkung von Richtlinien in praxi zukommt, nicht gerechtfertigt werden könnte.

2. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung der Richtlinien muß vor dem Hintergrund seiner früheren Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts gesehen werden40 und beruht im wesentlichen auf deren Gedankengängen. 41 Daher sollen im folgenden zunächst die Grundsätze der Judikatur zur unmittelbaren Wirkung des Primärrechts dargestellt werden. 42

a) Unmittelbare Wirkung des primären Gemeinschaftsrechts Bereits im Jahre 1963 entschied der Gerichtshof in seinem grundlegenden Urteil „van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung“, daß Art. 12 EWGV, also eine Bestimmung des Primärrechts, welche ausschließlich an die Mitgliedstaaten adressiert ist, _____________ 38

BVerfGE 75, 223 ff. Vgl. statt vieler H. D. Jarass, Die Vorgaben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991, S. 49 (50): „Die Möglichkeit, daß Richtlinien unmittelbare Wirkungen entfalten, kann heute als gesichert angesehen werden.“ Ebenso W. Fuchs/A. Rapsch, Das deutsche Gentechnikrecht im Lichte quantitativer Vorgaben europarechtlicher Provenienz, DÖV 1991, S. 873 (874). 40 So auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 140. 41 Siehe A. Werbke, Das Recht des Einzelnen zur Berufung auf staatengerichtete Entscheidungen (Art. 189 EWGV), NJW 1970, S. 2137 (2138); dazu auch R. Wägenbaur, Zur unmittelbaren Wirkung von Entscheidungen und Richtlinien des EWG-Rats, AWD 1970, S. 481 (482). 42 Einen ausführlichen Überblick gibt A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 140 ff.; auch P. Pescatore, The Doctrine of „Direct Effect“: An Infant Desease of Community Law, ELR 1983, S. 155 (156 ff.). 39

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

„sich seinem Wesen nach vorzüglich dazu (eigne), unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedstaat und den ihrem Recht unterworfenen Einzelnen zu erzeugen.“43

Maßgeblich für die Entscheidung sind für den Gerichtshof der Geist dieser Vorschrift, ihre Systematik und ihr Wortlaut.44 Zudem bedürfe „der Vollzug von Art. 12 (EWGV) [Anm. d. Verf.] … keines Eingriffs der staatlichen Gesetzgeber.“ Dabei könne „der Umstand, daß dieser Artikel die Mitgliedstaaten als Adressaten … bezeichnet“ nicht ausschließen, „daß dieser Verpflichtung Rechte der Einzelnen gegenüberstehen können.“45 Während der Gerichtshof in diesem Urteil „eine Verpflichtung, nicht zu einem Tun, sondern zu einem Unterlassen“46 der unmittelbaren Wirkung für fähig erachtet, weitet er seine Rechtsprechung in der Entscheidung „Salgoil/Aussenhandelsministerium der Italienischen Republik“ grundsätzlich auch auf „Verpflichtungen zu einem Tun“ aus, verlangt allerdings zusätzlich, daß „die Mitgliedstaaten bei ihrer Erfüllung (sc. der Handlungspflicht) [Anm. d. Verf.] über keinen Entscheidungsspielraum verfügen“ dürften, welcher die unmittelbare Wirkung „ganz oder teilweise ausschließen würde.“47 Schließlich dehnt der Gerichtshof seine Rechtsprechung in der Entscheidung „Defrenne/Sabena“ auch auf das Verhältnis zwischen Privaten untereinander aus, obwohl die entscheidungsgegenständliche primärrechtliche Vorschrift, nämlich Art. 141 EGV, ausdrücklich an die Mitgliedstaaten gerichtet ist.48 Es kann also festgehalten werden, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die unmittelbare Wirkung von Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts unabhängig davon ist, ob diese eine Unterlassungs- oder Handlungspflicht begründen sowie davon, ob sie gegenüber einem Mitgliedstaat oder einem einzelnen geltend gemacht werden. _____________ 43 EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, 1 (26). 44 Vgl. EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, 1 (24). 45 EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, 1 (26). 46 EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, 1 (25). 47 EuGH v. 19.12.1968 – Rs. 16/68 (Salgoil/Aussenhandelsministerium der Italienischen Republik), Slg. 1968, 679 (692). 48 Vgl. EuGH v. 8.4.1976 Rs. 43/75 (Defrenne/Sabena), Slg. 1976, 455 (475 f., Rn. 27 ff.).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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b) Unmittelbare Wirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Richtlinien Nachdem der Gerichtshof an die Mitgliedstaaten gerichtete Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts als geeignet befand, unmittelbare Wirkungen zu entfalten, stellte sich dieselbe Frage unausweichlich auch für das staatengerichtete sekundäre Gemeinschaftsrecht. 49 Die diesbezügliche Judikatur des Gerichtshofs soll in den folgenden Ausführungen näher untersucht werden.50 Am Anfang der Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von staatengerichteten Rechtshandlungen des Sekundärrechts standen die sog. „Leber-Pfennig“Urteile51 aus dem Jahre 1970,52 in denen der Gerichtshof eine Verpflichtung aus einer staatengerichteten Entscheidung für geeignet erachtete, _____________ 49

So auch U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (97); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 148; ebenso i. d. S. A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1114); i. d. S. auch G. Nicolaysen, Richtlinienwirkungen und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (386), der ausführt, daß „der Schritt zur unmittelbaren Wirksamkeit von Regelungen in Richtlinien … nicht groß“ gewesen sei; vgl. auch M. Hilf, Der Justizkonflikt um EG-Richtlinien: gelöst, EuR 1988, S. 1 (5). 50 Einen ausführlichen Überblick gibt A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 50 ff., 148 ff.; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 27 ff.; auch P. Pescatore, The Doctrine of „Direct Effect“: An Infant Desease of Community Law, ELR 1983, S. 155 (167 ff.). 51 Grundlegend EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 ff.; dem folgend EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 20/70 (Lesage/Hauptzollamt Freiburg), Slg. 1970, 861 ff.; auch EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 (Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf), Slg. 1970, 881 ff. 52 Vgl. etwa A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 148; F. G. Miller, Die 6. EG-Umsatzsteuer-Richtlinie zum großen Teil bereits seit 1.1.1979 in der Bundesrepublik geltendes Recht, DB 1979, S. 2051 (2052); Ch. Tomuschat, La justice − c’est moi, EuGRZ 1979, S. 257 (259); M. Seidel, Die Direkt- oder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts, NJW 1985, S. 517 (517); S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (685); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (957); V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (207); R. Wägenbaur, Ist die Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen nach Art. 189 EWG-Vertrag hinfällig geworden?, DVBl. 1972, S. 244 (245).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

„unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen zu erzeugen und für letztere das Recht zu begründen, sich vor Gericht auf diese Verpflichtungen zu berufen.“53

Die Begründung dieser Urteile war allerdings so allgemein gehalten, daß sie jederzeit auch auf Richtlinien übertragbar war. 54 Daher vermochte es kaum zu verwundern, daß der Gerichtshof bereits wenige Wochen später in der Entscheidung „S.A.C.E./Finanzministerium Italiens“ auch einer Richtlinienbestimmung „unmittelbare Wirkung in den Beziehungen zwischen dem Mitgliedstaat, an den die Richtlinie gerichtet ist, und seinen Bürgern“ 55 zuerkannte. Allerdings prüfte der Gerichtshof in diesem Urteil zunächst, ob den primärrechtlichen Bestimmungen des Art. 9 i. V. m. Art. 13 Abs. 2 EWGV unmittelbare Wirkungen zukomme, bevor er schließlich „im Lichte der Gesamtheit dieser Bestimmungen … über die Wirkung der Richtlinie 68/31“56 entschied, m. a. W., er koppelte die unmittelbare Wirkung der Richtlinie an diejenige des primären Gemeinschaftsrechts.57 Während in der Rechtssache 33/70 die Richtlinie 68/3158 lediglich eine Frist festlegte, spricht der Gerichtshof in der Entscheidung „Van Duyn/Home Office“ auch einer Richtlinienbestimmung, die materiell-rechtliche Regelungen enthält, unmittelbare Wirkung zu, die er wie folgt begründet: „Zwar gelten nach Artikel 189 [= Artikel 249 n. N.] Verordnungen unmittelbar und können infolgedessen schon wegen ihrer Rechtsnatur unmittelbare Wirkungen erzeugen. Hieraus folgt indessen nicht, daß andere in diesem Artikel genannte Kategorien von Rechtsakten niemals ähnliche Wirkungen entfalten könnten. Mit der den Richt-

_____________ 53

EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (840, Rn. 10); ebenso EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 20/70 (Lesage/Hauptzollamt Freiburg), Slg. 1970, 861 (876, Rn. 10); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 (Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf), Slg. 1970, 881 (895, Rn. 10). 54 I. d. S. BVerfGE 75, 223 [236]; a. A. B. Börner, Der rechtliche Nutzen logischer Fehler, oder: die Richtlinien des EWGV, oder: Rechtsanwendung v. Rechtsetzung, in: FS für G. Kegel, 1987, S. 57 (65). 55 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 33/70 (S.A.C.E./Finanzministerium Italiens), Slg. 1970, 1213 (1224, Rn. 18). 56 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 33/70 (S.A.C.E./Finanzministerium Italiens), Slg. 1970, 1213 (1223, Rn. 13). 57 Vgl. R. Wägenbaur, Neue Rechtsprechung zur innerstaatlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts, AWD 1971, S. 101 (104), der darauf hinweist, daß „sich nicht sagen lasse, der Gerichtshof habe in der Rechtssache 33/70 die unmittelbare Wirkung von Richtlinien schlechthin bejaht. Entschieden hat er lediglich den Fall, daß eine Richtlinie und eine Vertragsvorschrift, die ihrerseits ,ihrer Natur nach‘ unmittelbar gilt, zusammenwirken.“ 58 RL 68/31/EWG v. 22.12.1968, ABl. 1968 Nr. L 12/8.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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linien durch Artikel 189 [= Artikel 249 n. N.] zuerkannten verbindlichen Wirkung wäre es unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, daß betroffene Personen sich auf die durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. Insbesondere in den Fällen, in denen etwa die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten durch Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, würde die nützliche Wirkung (,effet utile‘) einer solchen Maßnahme abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen … könnten. Artikel 177 [= Artikel 234 n. N.], wonach die staatlichen Gerichte befugt sind, den Gerichtshof mit der Gültigkeit und Auslegung aller Handlungen der Organe ohne Unterschied zu befassen, setzt im übrigen voraus, daß die einzelnen sich vor diesen Gerichten auf die genannten Handlungen berufen können“59.

Daraus leitet der Gerichtshof, wie bereits im Rahmen seiner gefestigten Rechtsprechung zur unmittelbaren Anwendbarkeit des primären Gemeinschaftsrechts,60 als Voraussetzung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ab, daß sie „nach Rechtsnatur, Systematik und Wortlaut geeignet (sein müsse) [Anm. d. Verf.] .., unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen zu begründen.“61

Entscheidend ist dabei nach Auffassung des Gerichtshofs, daß die Richtlinienbestimmung „weder mit einem Vorbehalt noch mit einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf.“62

Nachdem auch in der Rechtssache 41/74 die entscheidungsgegenständliche Richtlinie 64/221/EWG63 lediglich unmittelbar anwendbares primäres Gemein_____________ 59 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); ebenso bereits − wiewohl bezogen auf Entscheidungen i. S. d. Art. 249 Abs. 4 EGV − EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (838, Rn. 5); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 20/70 (Lesage/Hauptzollamt Freiburg), Slg. 1970, 861 (874 f., Rn. 5); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 (Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf), Slg. 1970, 881 (893 f., Rn. 5). 60 Dazu 7. Teil, II. 2. a), S. 175 f. 61 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); so bereits − wiewohl bezogen auf Entscheidungen i. S. d. Art. 249 Abs. 4 EGV − EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (838, Rn. 6); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 20/70 (Lesage/Hauptzollamt Freiburg), Slg. 1970, 861 (875, Rn. 6); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 (Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf), Slg. 1970, 881 (894, Rn. 6). 62 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1349, Rn. 13/14). 63 RL 64/221/EWG v. 25.2.1964, ABl. 1964, S. 850.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

schaftsrecht, nämlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 EGV, konkretisierte,64 stellt das Urteil „Verbond van Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen“65 insofern eine Erweiterung der Judikatur des Gerichtshofs dar, als dieser erstmals eine Richtlinienbestimmung, die in keinerlei Bezug zu einer unmittelbar wirksamen Bestimmung des Primärrechts steht, der unmittelbaren Wirkung für fähig erachtete. In der Entscheidung „Ratti“ begründet der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung einer Richtlinienbestimmung wiederum mit der möglichen Abschwächung der praktischen Wirksamkeit, welche mit der den Richtlinien zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar sei, erweitert jedoch seine Argumentation dahingehend, daß „ein Mitgliedstaat, der die in der Richtlinie vorgeschriebenen Durchführungsmaßnahmen nicht fristgemäß erlassen hat, den einzelnen nicht entgegenhalten (kann), daß er − der Staat − die aus dieser Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen nicht erfüllt hat.“66

Dieser neue Argumentationsgesichtspunkt bildet für den Gerichtshof bereits in der Entscheidung „Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt“ eine tragende Begründung zur Rechtfertigung der unmittelbaren Wirkung der fraglichen Richtlinienbestimmung: „Ein Mitgliedstaat, der es versäumt hat, die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, darf sich nicht auf seine eigene Untätigkeit berufen, um einem Steuerpflichtigen die Vergünstigungen einer Steuerbefreiung zu verweigern, die dieser aufgrund der Richtlinie zu Recht beanspruchen kann.“67

Welche Bedeutung der Gerichtshof diesem – auch als „Estoppel-Prinzip“68 bezeichneten – Grundsatz beimißt, zeigt sich auch daran, daß dieser in die Urteilsformel aufgenommen wurde, die wie folgt abschließt: _____________ 64

Deutlich kommt dies in den Schlußanträgen des GA H. Mayras v. 13.11.1974 in der Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1353 (1357) zum Ausdruck: „Diese (sc. die RL 64/221) [Anm. d. Verf.] ist … so eng mit der Verwirklichung des Artikel 48 für die Arbeitnehmer verknüpft, daß sie sich hiervon nicht trennen läßt und an der Rechtsnatur dieser Vertragsbestimmung teilhat.“ 65 EuGH v. 1.2.1977 – Rs. 51/76 (Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 113 ff. 66 EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 22). 67 EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (73, Rn. 34). 68 Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 140; ebenso A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 224; S. Breier, Die Übergangsregelung des

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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„In diesem Fall kann ihm (sc. dem einzelnen) [Anm. d. Verf.] der Staat nicht entgegenhalten, daß die Richtlinie nicht durchgeführt ist.“69

In den folgenden Urteilen bezieht sich der Gerichtshof vielfach auf seine in der Rechtssache 8/81 dargelegte Begründung der unmittelbaren Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen.70 Nachdem der Gerichtshof bereits mehrfach zur unmittelbaren Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen im Verhältnis zwischen Privaten befragt wurde, eine Beantwortung dieser Frage aber stets vermieden hatte, 71 legt er diesbezüglich in dem Urteil „Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority“ erstmals seine Auffassung dar, indem er ausführt, „daß nach Art. 189 EWG-Vertrag [= Art. 249 EG-Vertrag n. N.] der verbindliche Charakter einer Richtlinie, auf dem die Möglichkeit beruht, sich vor einem nationalen Gericht auf die Richtlinie zu berufen, nur für ,jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird‘, besteht. Daraus folgt, daß eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen kann und daß eine Richtlinienbestimmung daher als solche nicht gegenüber einer derartigen Person in Anspruch genommen werden kann.“72

_____________ § 22 UVPG, BayVBl. 1995, S. 459 (461); auch H. Iversen, EG-Richtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 367, Fn. 97; P. Pescatore, The Doctrine of „Direct Effect“: An Infant Desease of Community Law, ELR 1983, S. 155 (169). 69 EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (76, Rn. 49). 70 Vgl. etwa EuGH v. 10.6.1982 – Rs. 255/81 (Grendel/Finanzamt für Körperschaften), Slg. 1982, 2301 (2312, Rn. 9 ff.); EuGH v. 25.1.1983, Rs. 126/82 (Smit/Commissie Grensoverschrijdend Beroepsgoederenvervoer), Slg. 1983, 73 (88, Rn. 9 f.); EuGH v. 22.2.1984 – Rs. 70/83 (Kloppenburg/Finanzamt Leer), Slg. 1984, 1075 (1084, Rn. 3); EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 736 (748, Rn. 46); EuGH v. 15.5.1986 – Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, 1651 (1690 f., Rn. 54); EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1870, Rn. 29); EuGH v. 27.6.1989 – Rs. 50/88 (Kühne/Finanzamt München III), Slg. 1989, 1925 (1955, Rn.23); EuGH v. 12.7.1990 – Rs. C-188/89 (Foster u. a./British Gas), Slg. 1990, I-3343 (I-3347, Rn. 16); EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5408, Rn. 11). 71 Vgl. etwa EuGH v. 27.3.1980 – Rs. 129/79 (Macarthys/Smith), Slg. 1980, 1275 (1290, Rn. 17); EuGH v. 11.3.1981 – Rs. 69/80 (Worringham und Humphreys/Lloyds Bank), Slg. 1981, 767 (794, Rn. 34); EuGH v. 31.3.1981– Rs. 96/80 (Jenkins/Kingsgate), Slg. 1981, 911 (927, Rn. 19 ff.); EuGH v. 9.2.1982 – Rs. 12/81 (Garland British Rail Engineering), Slg. 1982, 359 (370, Rn. 12); EuGH v. 16.2.1982 – Rs. 19/81 (Burton/British Railways Board), Slg. 1982, 555 (577, Rn. 17). 72 EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 736 (749, Rn. 48).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Unter Berufung auf diese Ausführungen stellt der Gerichtshof in der Entscheidung „Pretore di Salò/Unbekannt“ nochmals klar heraus, daß eine Richtlinie keine unmittelbaren Wirkungen zu Lasten einzelner begründen kann: „Aus einer Richtlinie, die nicht in das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats umgesetzt worden ist, können sich daher für den einzelnen keine Verpflichtungen gegenüber anderen Einzelpersonen oder gar gegenüber dem Mitgliedstaat selbst ergeben.“73

Die Ablehnung der unmittelbaren Richtlinienwirkung zu Lasten eines einzelnen hat der Gerichthofs seither mehrfach bestätigt. 74 Es bleibt somit festzuhalten, daß der Gerichtshof einzelnen Bestimmungen einer Richtlinie unmittelbare Wirkung zuspricht, sofern sie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sind. Dies begründet der Gerichtshof einerseits mit der verbindlichen Wirkung der Richtlinie, deren nützliche Wirkung anderenfalls abgeschwächt werde, und andererseits mit dem Grundsatz, daß der Staat keinen Nutzen aus seinem eigenen richtlinienwidrigen Handeln ziehen dürfe. Daher schließt der Gerichtshof grundsätzlich aus, daß eine Richtlinie selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründet.

3. Allgemeine Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen ergibt sich, daß sich die „einzelnen in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen können, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat.“75

_____________ 73 EuGH v. 11.6.1987 – Rs. 14/86 (Pretore di Salò/Unbekannt), Slg. 1987, 2545 (2570, Rn. 19). 74

Vgl. etwa EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3985, Rn. 9); ebenso EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3355, Rn. 20); auch EuGH v. 7.3.1996 – Rs. C-192/94 (El Corte Inglés/Cristina Blázquez Rivero), Slg. 1996, I-1281 (I-1303, Rn. 15 ff.); EuGH v. 26.9.1996 – Rs. C-168/95 (Strafverfahren gegen Luciano Arcaro), Slg. 1996, I-4705 (I-4729, Rn. 36). 75 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1870, Rn. 29).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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Keine Voraussetzung ist hingegen, daß der jeweilige Mitgliedstaat im Vertragsverletzungsverfahren wegen Verletzung der Gemeinschaftsverträge verurteilt worden ist.76 Im übrigen hängt die unmittelbare Wirkung auch nicht davon ab, daß der Gerichtshof festgestellt hat, daß eine Richtlinienbestimmung geeignet ist, Direktwirkung zu entfalten.77 Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß die soeben aufgezeigten Voraussetzungen nicht von einer Richtlinie in ihrer Gesamtheit, sondern lediglich von der im jeweiligen Rechtsstreit fraglichen einzelnen Regelung einer Richtlinie erfüllt werden müssen. 78 Demzufolge kann ein und dieselbe Richtlinie sowohl unmittelbar wirksame als auch nicht unmittelbar wirksame Bestimmungen enthalten.79 _____________ 76

M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 36; ebenso M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 36. 77 M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 36, 181. 78 Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 67; auch H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2423); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 72; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 11; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 106; A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226); R. Steinberg/ B. Klößner, Zur unmittelbaren Wirkung von Umweltschutz-Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1994, S. 33 (37); L. Krämer, Zur innerstaatlichen Wirkung von Umwelt-Richtlinien der EWG, WiVerw 1990, S. 138 (140); ders., Zur innerstaatlichen Wirkung von Umwelt-Richtlinien der EWG, AnwBl. 1991, S. 368 (369 f.); W. Erbguth/F. Stollmann, Die Bindung der Verwaltung an die FFH-Richtlinie, DVBl. 1997, S. 453 (454); H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 31; i. d. S. bereits EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1349, Rn. 13/14), der ausführt, „daß die Betroffenen sich auf diese Verpflichtung berufen könn(t)en, obwohl sie in einem Rechtsetzungsakt (sc. der Richtlinie) [Anm. d. Verf.] niedergelegt (sei), der nicht ipso jure in seiner Gesamtheit unmittelbare Wirkungen erzeug(e).“ Daher wäre es auch verfehlt, davon zu sprechen, daß die Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien erst möglich wurde, nachdem den Richtlinien eine beliebig hohe Regelungsdichte zuerkannt wurde. So aber A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EGRichtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 254 f.; D. Oldekop, Die Richtlinie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (104); dazu auch 3. Teil., II., S. 54. 79 Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 67; auch H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 71 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2423); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 11; ganz i. d. S. auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EGRichtlinien, Jura 1993, S. 225 (226); Th. Öhlinger/M. Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 2006, S. 69.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Im folgenden sollen die vom Gericht geforderten allgemeinen80 Voraussetzungen für die Direktwirkung von Richtlinien im einzelnen erörtert werden.81

a) Keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie Wie der Gerichtshof in der Entscheidung „Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt“ zutreffend hervorhebt, folgt aus der Legaldefinition der Richtlinie, „daß immer dann, wenn eine Richtlinie ordnungsgemäß durchgeführt wird, ihre Wirkungen den einzelnen auf dem Wege über die von dem jeweiligen Mitgliedstaat ergriffenen Durchführungsmaßnahmen treffen“82.

Daher stellt sich die „Frage, ob die Bestimmungen einer Richtlinie als solche vor einem innerstaatlichen Gericht geltend gemacht werden können, … nur, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in innerstaatliches Recht umgesetzt hat.“83

Demzufolge kann eine Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist keine unmittelbaren Wirkungen entfalten,84 während sie nach erfolgter Umsetzung nur _____________ 80 Das Adjektiv „allgemein“ soll kennzeichnen, daß diese Voraussetzungen unabhängig von der jeweiligen Fallkonstellation stets von der fraglichen Bestimmung einer Richtlinie erfüllt sein müssen, da ansonsten eine unmittelbare Wirkung dieser Richtlinienregelung von vornherein nicht möglich ist. 81 Ein ausführlicher Überblick findet sich bei H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 72 ff.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 12 ff.; M. Nettesheim in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 158 ff.; vgl. auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 82 ff.; ebenso A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 155 ff.; auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 67 ff. 82 EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (70, Rn. 19); so auch EuGH v. 15.5.1986 – Rs. 222/86 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, 1651 (1690, Rn. 51); dazu auch 7. Teil, II. 2. b), S. 180 f. 83 EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 (3987, Rn. 15). 84 Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 68, die ausführt, daß ansonsten „durch die Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Richtlinienumsetzung auf unzulässige Weise eingeschränkt“ würde.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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insoweit unmittelbar wirksam sein kann, als die Umsetzungsmaßnahmen die Vorgaben der Richtlinie nicht vollständig innerstaatlich verwirklichen.85 Schließlich wäre eine unmittelbare Anwendbarkeit einzelner Richtlinienbestimmungen bei ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien auch mit dem Gedanken, daß die unmittelbare Wirkung die Nichtbefolgung der Umsetzungsverpflichtung sanktionieren soll,86 unvereinbar.87 Als problematisch erweisen sich jedoch die Fälle, in denen die Umsetzungsfrist nachträglich zu einem Zeitpunkt verlängert wurde, als der ursprüngliche vorgesehen Zeitpunkt bereits verstrichen war. 88 Fraglich ist hier, ob eine unmittelbare Wirkung in dem Zeitraum zwischen Ablauf der Umsetzungsfrist und dem Inkrafttreten der Fristverlängerung in Betracht kommt. 89 Der Gerichtshof hat diese Frage dahingehend entschieden, daß einzelne Richtlinienbestimmungen trotz erfolgter nachträglicher Verlängerung der Umsetzungsfrist bereits nach Ablauf der ursprünglichen Umsetzungsfrist unmittelbar wirken können, sofern der Fristverlängerung nicht ausdrücklich Rückwirkung zukomme. 90

b) Inhaltliche Unbedingtheit der Richtlinienbestimmung Eine Richtlinienbestimmung vermag nur dann unmittelbare Wirkungen zu entfalten, wenn sie „inhaltlich unbedingt“91 ist. Soweit der Gerichtshof das Ad_____________ 85

Siehe H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 73; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 12; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EGRechts, NJW 1990, S. 2420 (2423). 86 Siehe 7. Teil, II. 1., S. 170 ff. 87 Vgl. A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226). 88 Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 68. 89 Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 68. 90 Siehe EuGH v. 22.2.1984 – Rs. 70/83 (Kloppenburg/Finanzamt Leer), Slg. 1984, 1075 (1086, Rn. 11 ff.). 91 EuGH v. 25.1.1983 – Rs. 126/82 (Smit/Commissie Grensoverschrijdend Beroepsgoederenvervoer), Slg. 1983, 73 (88, Rn. 10); ebenso EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 736 (748, Rn. 46), EuGH v. 12.7.1990 – Rs. C-188/89 (Foster u. a./British Gas), Slg. 1990, I-3343 (I-3348, Rn. 16); vgl. etwa aus jüngerer Zeit EuGH v. 5.3.1998 – Rs. 347/96 (Solred), Slg. 1998, I-937 (I-961, Rn. 28); EuGH v. 26.9.2000 – Rs. C-134/99 (IGI – Investimentos Imobiliarios und Fazenda Pública), Slg. 2000, I-7717 (I-7752, Rn. 36); EuGH v. 10.9.2002 – Rs. C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler), Slg. 2002, I-6833

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

jektiv „inhaltlich“ benutzt, dürfte dies darauf Bezug nehmen, „daß damit nicht der Ablauf der Umsetzungsfrist gemeint ist, was man als zeitliche Bedingtheit verstehen könnte.“92 Eine Richtlinienbestimmung ist unbedingt, wenn sie, wie der Gerichtshof sich noch in der Rechtssache 41/74 ausdrückt, „weder mit einem Vorbehalt noch mit einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf“93, d. h., die Richtlinienvorschrift darf nicht mehr von der gestaltenden Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans oder eines Mitgliedstaats abhängig sein.94 Soweit das Ziel einer Richtlinienregelung hinreichend klar vorgegeben ist, kann diese aber auch im Falle eines derartigen Entscheidungsspielraums bei der Umsetzung der Richtlinie unmittelbare Wirkungen entfalten, wenngleich diese auf das Ziel beschränkt sind,95 so daß als Folge alle nationalen Regelungen, welche die zu erreichende Zielvorgabe vereiteln würden, unangewandt bleiben müssen.96 _____________ (I-6885 f., Rn. 51); EuGH v. 20.5.2003 – Rs. C-465/00, C-138/01 u. C-139/01 (Österreichischer Rundfunk u. a.), Slg. 2003, I-4989 (I-5049, Rn. 98). 92 H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2423); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 74; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 13. 93 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1349, Rn. 13/14). 94 So H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2423); auch ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 74; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 13; A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226); A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (67); L. Krämer, Zur innerstaatlichen Wirkung von Umwelt-Richtlinien der EWG, WiVerw 1990, S. 138 (141); ders., Zur innerstaatlichen Wirkung von Umwelt-Richtlinien der EWG, AnwBl. 1991, S. 368 (370). 95 Vgl. EuGH v. 4.12.1986 – Rs. 71/85 (Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging), Slg. 1986, 3855 (3876 f., Rn. 20 ff.); ebenso H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2423 f.); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 74 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 14; siehe auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226); H. G. Fischer, Zur unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinien in der öffentlichen Verwaltung, NVwZ 1992, S. 635 (637); A. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 1994, S. 49. 96 Vgl. H. G. Fischer, Zur unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinien in der öffentlichen Verwaltung, NVwZ 1992, S. 635 (637).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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c) Hinreichende Genauigkeit der Richtlinienbestimmung Damit eine Richtlinienregelung unmittelbar wirksam ist, muß sie zudem „hinreichend genau“97 sein. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn eine Richtlinienbestimmung den sachlichen Regelungsgehalt, den geschützten Personenkreis und die Adressaten der Bestimmung „allgemein und unzweideutig“98 vorgibt.99 Enthalten Richtlinienregelungen unbestimmte Rechtsbegriffe, so ist nicht schon deshalb deren unmittelbare Wirkung ausgeschlossen.100 Vielmehr kann die hinreichende Bestimmtheit solange nicht verneint werden, als der fragliche Begriff für den Rechtsanwender noch auslegungsfähig ist.101 Richt_____________ 97

EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 23); ebenso EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (71, Rn. 27); EuGH v. 25.1.1983 – Rs. 126/82 (Smit/Commissie Grensoverschrijdend Beroepsgoederenvervoer), Slg. 1983, 73 (88, Rn. 10); EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall/ Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 736 (748, Rn. 46); EuGH v. 4.12.1986 – Rs. 71/85 (Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging), Slg. 1986, 3855 (3874, Rn. 13); EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1870, Rn. 29); vgl. etwa aus jüngerer Zeit EuGH v. 26.9.2000 – Rs. C-134/99 (IGI – Investimentos Imobiliarios und Fazenda Pública), Slg. 2000, I-7717 (I- 7752, Rz. 36); EuGH v. 10.9.2002 – Rs. C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler), Slg. 2002, I-6833 (I-6885 f., Rn. 51); EuGH v. 20.5.2003 – Rs. C-465/00, C-138/01 u. C-139/01 (Österreichischer Rundfunk u. a.), Slg. 2003, I-4989 (I-5049, Rn. 98). 98 EuGH v. 4.12.1986 – Rs. 71/85 (Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging), Slg. 1986, 3855 (3875, Rn. 18). 99 Vgl. dazu H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 76; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 15; i. d. S. auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2424); A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226); ebenso i. d. S. D. Triantafyllou, Zur Europäisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, DÖV 1997, S. 192 (195); dazu auch EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a./Italien), Slg. 1991, I-5357 (I-5408, Rn. 12). 100

Vgl. A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1116); ebenso H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2424); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 76 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 16. 101 Vgl. H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2424); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 76 f.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 16 f.

188

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

linienbestimmungen, die hingegen lediglich vage Programmsätze beinhalten, können mangels hinreichender Genauigkeit keine unmittelbare Wirkung entfalten.102

4. Tragweite der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien a) Relevante Fallkonstellationen für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien Die unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienregelungen ist grundsätzlich in drei unterschiedlichen Rechtsbeziehungen denkbar: erstens im Verhältnis zwischen dem Gemeinschaftsbürger und dem Mitgliedstaat, zweitens im Verhältnis der Gemeinschaftsbürger untereinander und drittens, was vielfach übersehen wird,103 im Verhältnis staatlicher Stellen zueinander. Zur Unterscheidung der verschiedenen Rechtsverhältnisse haben sich für den ersten Fall die Bezeichnung „vertikale Wirkung“ und für den zweiten Fall die Bezeichnung „horizontale Wirkung“ durchgesetzt.104 Bei der unmittelbaren vertikalen Wirkung muß jedoch nochmals zwischen der „vertikal begünstigenden Wirkung“ und der „vertikal belastenden Wirkung“ unterschieden werden, da die Richtlinie für den einzelnen Gemeinschaftsbürger sowohl Rechte als auch Pflichten begründen kann;105 der _____________ 102 So H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2424); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 77; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 17; auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226). 103 Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 25, der das Verhältnis zweier staatlicher Stellen zueinander als für die unmittelbare Wirkung von Richtlinien relevante Rechtsbeziehung nicht erkennt. 104 Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 26; A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWGRichtlinien, 1989, S. 26; auch H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EGRichtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (175 f.); S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht, 1997, S. 38; M. Gebauer, Grundfragen der Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 147; S. Albin, Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien mit „Doppelwirkung“ im Umweltbereich – Ein Scheinproblem?, NuR 1997, S. 29 (29); H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 25, 42. 105 Vgl. M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 126 f.; ähnlich A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 26.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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letzte Fall wird zum Teil auch als „umgekehrte vertikale Wirkung“106 bezeichnet. Von dieser auf die bipolare Rechtsbeziehung beschränkten unmittelbaren Richtlinienwirkung sind schließlich noch die Richtlinien mit „Doppelwirkung“ zu unterscheiden; dabei handelt es sich um Richtlinienbestimmungen, die zwar gegenüber dem Staat geltend gemacht werden, bei denen aber mit der Begünstigung eines Marktbürgers eine Belastung eines anderen Marktbürgers einhergeht.107

b) Unmittelbare vertikale Wirkung von Richtlinien Der Bereich der Richtlinien mit vertikaler Wirkung erweist sich, sofern man die unmittelbare Wirkung von Richtlinien überhaupt anerkennt, als weitgehend unproblematisch. Während die vertikal begünstigenden Richtlinien als klassischer Fall der Direktwirkung angesehen werden können, wird die unmittelbare Wirkung bei vertikal belastenden Richtlinien sowohl vom Gerichtshof108 als auch in der Literatur109 abgelehnt. _____________ 106

Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (958); ebenso W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung − Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der EG-Richtlinie, 1994, S. 277; auch Th. Schilling, Zur Wirkung von EGRichtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 637 (660); W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 115; V. Götz, Rechtsstaatliche Grundsätze des Gemeinschaftsrechts als Grund und Grenze der innerstaatlichen Anwendung von EG-Richtlinien, in: FS für G. Ress, 2005, S. 485 (486); ähnlich P.-Ch. Müller-Graff, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht − Das Privatrecht in der europäischen Integration, NJW 1993, S. 13 (21), der vom „umgekehrte(n) Vertikalverhältnis“ spricht. 107 Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 127 f.; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 81; H. D. Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 83 ff.; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 28 f.; ders., Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2667 f.). 108 Dazu ausführlich mit zahlreichen Nachweisen 7. Teil, II. 2. b), S. 181 f. 109 Vgl. statt vieler A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1115); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 261; Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (959); a. A. A. Bleckmann, Die Rolle der richterlichen Rechtsschöpfung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, in: GS für L.-J. Constantinesco, 1983, S. 61 (77), der die unmittelbare Anwendung einzelner Richtlinienbestimmungen auch dann bejaht, wenn diese Pflichten der Individuen begründen; ähnlich ders., Gemeinschaftsrechtliche Probleme des Entwurfs des Bilanzrichtlinie-Gesetzes, BB 1984, S. 1525 (1526), der die unmittelbare Anwendung von Richtlinien, die nur Verpflichtungen der Individuen begründen, nicht ausschließt, sofern nicht die Prinzipien des Vertrauensschutzes eine andere Beurteilung fordern.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

c) Unmittelbare horizontale Wirkung von Richtlinien Wenngleich der Gerichtshof die unmittelbare horizontale Wirkung von Richtlinien − entgegen seiner Judikatur zur unmittelbaren Wirkung des Primärrechts110 − eindeutig ablehnt,111 entschied das Oberlandesgericht Celle in seinem Urteil vom 28.8.1990, daß Richtlinien auch unter Privaten unmittelbare Wirkung entfalten können.112 Aber auch im Schrifttum finden sich zahlreiche Stimmen, welche die horizontale direkte Richtlinienwirkung fordern.113 Die derzeit h. L. spricht sich hingegen – ungeachtet, daß sie im Rahmen der richtlinienkonformen Auslegung sehr wohl einer horizontalen Wirkung gleichkommende Ergebnisse akzeptiert114 – konsequenterweise gegen die Direktwirkung von Richtlinien im Verhältnis der Gemeinschaftsbürger untereinander aus, da die einzelnen keine Adressaten der verbindlichen Richtlinienwirkung seien. 115 Zu_____________ 110

Siehe dazu 7. Teil, II. 2. a), S. 175 f.

111

Vgl. etwa EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3356, Rn. 24); auch EuGH v. 7.3.1996 – Rs. C-192/94 (El Corte Inglés/Cristina Blázquez Rivero), Slg. 1996, I-1281 (I-1303, Rn. 15 ff.). 112

Vgl. OLG Celle vom 28.8.1990, 20 U 85/89, EuZW 1990, S. 550 (552).

113

Vgl. G. Nicolaysen, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (392); ders., Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, 370 (370); S. Richter, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien zu Lasten Einzelner, EuR 1988, S. 394 (394 ff., insb. 403); F. Emmert, Horizontale Drittwirkung von Richtlinien?, EWS 1992, S. 56 (56 ff.); M. Herdegen, Die EG-Gentechnikrichtlinien und das deutsche Gentechnikgesetz, RIW 1992, S. 89 (92); P.-Ch. Müller-Graff, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht − Das Privatrecht in der europäischen Integration, NJW 1993, S. 13 (20 f.); ders., Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil II, DRiZ 1996, S. 305 (308 f.); M. Schimke, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 14.7.1994, Rs. C-91/92 (Faccini Dori), DZWiR 1995, S. 67 (68); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 190 ff., insb. S. 197 f.; Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (177 ff.); H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 56; Schlußanträge des GA C. O. Lenz vom 9.2.1994 in der Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, S. I-3328 (I-3338 ff., Rn. 43 ff.); H. Iversen, EGRichtlinien und Internationales Privatrecht, in: Brödermann, Eckard/ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und Internationales Privatrecht, 1994, S. 374 ff. 114 Vgl. statt aller Th. Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung im Privatrecht, StudZR 2004, S. 171 (178). Daß eine richtlinienkonforme Auslegung zu Ergebnissen führen kann, die einer horizontalen Wirkung gleichkommen, ist folgerichtig, da, anders als bei der Direktwirkung von Richtlinien, im Falle der richtlinienkonformen Auslegung die Belastung eines einzelnen auf einer Norm des nationalen Rechts und nicht auf einer noch umsetzungsbedürftigen Norm des Gemeinschaftsrechts beruht; ganz i. d. S. auch B. Jud, Die Grenzen der richtlinienkonformen Interpretation, ÖJZ 2003, S. 521 (522). 115

Vgl. Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 90 ff.; H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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dem lasse sich das Argument, ein Mitgliedstaat könne sich nicht auf seine eigene Untätigkeit berufen, nicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gemeinschaftsbürgern übertragen.116 Darüber hinaus würden die Unterschiede zwischen Verordnungen und Richtlinien völlig verwischen. 117 Aber auch aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere der Rechtssicherheit, könne die horizontale Wirkung von Richtlinienbestimmungen nicht befürwortet werden.118 Schließlich wird gegen diese noch angeführt, daß „der vom Gemeinschaftsrecht zur Verfügung gestellte Rechtsschutz bei Nichtumsetzung von Richtlinien erstens ausrei_____________ (2666); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 25; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 79; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 234 f.; H. Freyer, Richtlinienspezifische Probleme am Beispiel der Produkthaftung, EuZW 1991, S. 49 (51 f.); K. Bahlmann, Haftung der Mitgliedstaaten bei fehlerhafter Umsetzung von EG-Richtlinien, DWiR 1992, S. 61 (63); U. M. Gassner, Horizontale Direktwirkung von EG-Richtlinien, JuS 1996, S. 303 (305 f.); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (391); V. Götz, Rechtsstaatliche Grundsätze des Gemeinschaftsrechts als Grund und Grenze der innerstaatlichen Anwendung von EG-Richtlinien, in: FS für G. Ress, 2005, S. 485 (491). 116 Vgl. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 26; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 80; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 260; I. Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt, NVwZ 1990, S. 414 (425); auch W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (133); H.-J. Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl. 1993, S. 809 (809 f.); i. d. S. auch U. M. Gassner, Horizontale Direktwirkung von EG-Richtlinien, JuS 1996, S. 303 (305 f.). 117 Vgl. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 25 f.; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 79 f.; ders., Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 (957); H. Heinrichs, Umsetzung der EG-Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch Auslegung, NJW 1995, S. 153 (154); auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 92; C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (55); U. M. Gassner, Horizontale Direktwirkung von EG-Richtlinien, JuS 1996, S. 303 (306); O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (391); i. d. S. auch G. Buschhaus, Das „Francovich-Urteil“ des EuGH, JA 1992, S. 142 (143). 118 I. d. S. auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 260 f.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

chend und zweitens kohärent“119 sei, so daß es einer horizontalen Richtlinienwirkung nicht mehr bedürfe.

d) Richtlinien mit Doppelwirkungen Die Problematik der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien mit Doppelwirkung, die vor allem im Bereich des Umweltrechts große Bedeutung erlangt hat,120 ist derzeit noch weitgehend ungeklärt. 121 Die Schwierigkeit derartiger Konstellationen besteht in dem Dilemma, daß die Direktwirkung hinsichtlich des durch die Richtlinie Begünstigten zu bejahen und im Hinblick auf den durch die Richtlinie Belasteten zu verneinen wäre. 122 Es geht also letztlich um die Frage, wessen Interesse höher zu gewichten ist. 123 Während der überwiegende Teil des Schrifttums die Direktwirkung von Richtlinien mit Doppelwirkung entschieden ablehnt,124 mehren sich die Stimmen, nach denen Richt_____________ 119

W. Hakenberg, Keine horizontale Richtlinienwirkung, ZIP 1994, S. 1510 (1513). Vgl. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2667); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EGRecht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 28; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 83; G. Winter, Die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfes der Bundesregierung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 29.6.1988 mit der EG-Richtlinie 85/337 und die Direktwirkung dieser Richtlinie, NuR 1989, S. 197 (204); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (960); H.-J. Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl. 1993, S. 809 (810); E. Klein, Objektive Wirkungen von Richtlinien, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 641 (649); A. Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, S. 409 (413); S. Albin, Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien mit „Doppelwirkung“ im Umweltbereich – Ein Scheinproblem?, NuR 1997, S. 29 (29 ff.). 121 So auch A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (228); A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EGRichtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (67). 122 Ebenso Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (960); so auch G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (663); ders., Die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 29.6.1988 mit der EG-Richtlinie 85/337 und die Direktwirkung dieser Richtlinie, NuR 1989, S. 197 (204); a. A. W. Haneklaus, Direktwirkung von EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (133). 123 Vgl. Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (960); G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (663). 124 Vgl. etwa A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (228); H.-J. Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht DVBl. 1993, S. 809 (811 ff.); W. Haneklaus, Direktwirkung von 120

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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linien auch in derartigen multipolaren Rechtsbeziehungen unmittelbare Wirkung entfalten können.125 Dagegen verhält sich der Gerichtshof zu Recht ausgesprochen zurückhaltend bei der Annahme einer Direktwirkung von Richtlinien mit Doppelwirkungen: So entschied der Gerichtshof zwar in der Entscheidung „Fratelli Constanzo/Stadt Mailand“, daß sich ein Anbieter, der bei einer öffentlichen Ausschreibung aufgrund italienischen richtlinienwidrigen Rechts nicht berücksichtigt wurde, trotz der damit verbundenen Nachteile für einen anderen Anbieter, der zunächst den Zuschlag erhalten hatte, auf die fragliche Richtlinie berufen könne,126 lehnte jedoch in der später ergangenen Rechtssache C-221/88 die unmittelbare Wirkung einer Empfehlung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 EGKSV ab, die im Falle eines Konkurses den Forderungen der EGKS entgegen dem bestehenden nationalen Recht Vorrang einräumen sollte. 127 Dabei stellte _____________ EG-Richtlinien zu Lasten einzelner?, DVBl. 1993, S. 129 (133 f.); ebenso i. d. S. E. Schmidt-Aßmann, Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht − Wechselseitige Einwirkungen −, DVBl. 1993, S. 924 (933); S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht, 1997, S. 52 f.; wohl auch C. D. Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, S. 83 (84 f.); siehe dazu auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 83 ff., die ihre ablehnende Haltung vor allem auf die Unvereinbarkeit mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Vertrauensschutzes und des Gesetzesvorbehalts stützt. 125 Vgl. etwa O. Hahn/J.-D. Oberrath, Die Rechtsakte der EG – eine Grundlegung, BayVBl. 1998, S. 388 (391); I. Pernice, Gestaltung und Vollzug des Umweltrechts im europäischen Binnenmarkt NVwZ 1990, S. 414 (425 f.); H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2667 f.); ders., Die Vorgaben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991, S. 49 (51); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 29 ff.; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 83 ff.; Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (960 f.); H. G. Fischer, Zur unmittelbaren Anwendung von EG-Richtlinien in der öffentlichen Verwaltung, NVwZ 1992, S. 635 (638); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 179 ff., insb. S. 185; A. Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, S. 409 (413); A. Weber/U. Hellmann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPGesetz), NJW 1990, S. 1625 (1633); G. Winter, Die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 29.6.1988 mit der EGRichtlinie 85/337 und die Direktwirkung dieser Richtlinie, NuR 1989, S. 197 (204); A. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 1994, S. 59; S. Albin, Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien mit „Doppelwirkung“ im Umweltbereich – Ein Scheinproblem?, NuR 1997, S. 29 (29 ff.); H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 56. 126 Vgl. EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1870 f., Rn. 28 ff.). 127 Vgl. EuGH v. 22.2.1990 – Rs. C-221/88 (Busseni), Slg. 1990, I-495 (I-524 ff., Rn. 18 ff.).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

das Gericht zunächst fest, daß seine Ausführungen zur Wirkung von Richtlinien auch bei an die Mitgliedstaaten gerichtete Empfehlungen des EGKSV gölten und erörterte anschließend ausführlich die Problematik der Empfehlung mit Doppelwirkung, wobei es zu dem Ergebnis kam, „daß die EGKS sich … auf die Empfehlung gegenüber einem Mitgliedstaat, der diese nicht umgesetzt hat, berufen kann, sofern die Anerkennung des Vorrechts ihrer Forderung nur gegenüber diesem Staat wirkt …, nicht aber die Rechte anderer Gläubiger als des Staates mindert, die sich ohne die Empfehlung aus der Anwendung der nationalen Vorschriften … ergäben.“128

Demgemäß mußten die privaten Gläubiger keine Nachteile hinnehmen. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Entscheidungen des Gerichtshofs besteht darin, daß im ersten Fall derjenige Anbieter, der den Zuschlag erhalten hatte, durch die Direktwirkung der Richtlinien nicht unmittelbar belastet wurde, sondern vielmehr erst deswegen einen Nachteil erlitt, weil sich die zuständige innerstaatliche Stelle bereits für ihn entschieden hatte und nun nicht mehr gewiß war, ob er unter Berücksichtigung des zuvor ausgeschlossenen Konkurrenten einen erneuten Zuschlag erhalten würde, während im zweiten Fall durch die Direktwirkung der streitgegenständlichen Richtlinie eine unmittelbare Belastung für die privaten Gläubiger entstünde, da deren Forderungen gegenüber denjenigen der EGKS nachrangig geworden wären.129

e) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien im Verhältnis zwischen zwei mitgliedstaatlichen Stellen Der Gerichtshof nimmt eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien schließlich auch dann an, falls sich im Falle eines Konflikts zwischen zwei mitgliedstaatlichen staatlichen Stellen eine der beiden auf die Direktwirkung der Richtlinie berufen möchte.130 Im Schrifttum ist diese Rechtsprechung auf Zustimmung gestoßen,131 da der Umstand, daß sich eine innerstaatliche Stelle nicht auf die nicht ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung berufen könne, entscheidend sei; für die Direktwirkung von Richtlinien komme es also nicht darauf _____________ 128

EuGH v. 22.2.1990 – Rs. C-221/88 (Busseni), Slg. 1990, I-495 (I-527, Rn. 30). So C. D. Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, S. 83 (85). 130 Vgl. etwa EuGH v. 17.10.1989 – verb. Rs. 231/87 u. 129/88, (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), Slg. 1989, 3233 (3279 f., Rn. 29 ff.). 131 Vgl. etwa H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666 f.); A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1116). 129

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

195

an, wer sich auf sie beruft, sondern gegenüber wem diese geltend gemacht werde.132 Einschränkend wird allerdings verlangt, daß die sich auf eine Richtlinienbestimmung berufende staatliche Stelle nicht selbst in der Lage und verpflichtet sein dürfe, die geforderte Rechtsgestaltung, welche dem betreffenden Mitgliedstaat durch die Richtlinie aufgegeben ist, vorzunehmen.133

5. Zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien verpflichtete innerstaatliche Stellen Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können sich die einzelnen vor allen innerstaatlichen Stellen auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen, sofern die für die Direktwirkung von Richtlinien geforderten Voraussetzungen vorliegen, d. h., daß neben den Gerichten auch „alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet (sind), diese Bestimmungen anzuwenden.“134 In der Rechtssache „Foster“ stellt der Gerichtshof fest, „daß sich die einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen berufen können, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten.“135

_____________ 132 Vgl. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666). 133 Vgl. A. Bach, Direkte Wirkungen von EG-Richtlinien, JZ 1991, S. 1108 (1116). 134 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1871, Rn. 31 ff.); zust. A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (67); auch H. D. Jarass, Die Vorgaben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991, S. 49 (51); a. A. E. Spetzler, Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen als neue Sanktionskategorie nach Art. 189 EWG-Vertrag, RIW 1989, S. 362 (362), der hervorhebt, daß die unmittelbare Richtlinienwirkung „keine Bindungswirkung für die Exekutive entfalten“ könne; krit. K. Hansmann, Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Durchführung des europäischen Umweltrechts, NVwZ 1995, S. 320 (324), der ausführt, daß die „Beachtung der sog. unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zu kaum lösbaren Problemen“ für die Verwaltung führen könne, da „schon die Frage, ob eine Richtlinienbestimmung unbedingt und hinreichend genau (sei), … von einem Verwaltungsbeamten vor Ort in der Regel nicht beantwortet werden“ könne. 135 EuGH v. 12.7.1990 – Rs. C-188/89 (Foster u. a./British Gas), Slg. 1990, I-3343 (I-3348, Rn. 18).

196

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Der Gerichtshof begründet dies damit, daß auch in einem solchen Falle ein Mitgliedstaat aus seiner Nichtbeachtung von Gemeinschaftsrecht keinen Nutzen ziehen dürfe.136 Diese Auffassung, wonach der privatrechtlich handelnde Mitgliedstaat auch dann Adressat der Direktwirkung von Richtlinien sein könne, wenn dieser öffentliche Aufgaben erfüllt, also ein Handeln im Bereich des Verwaltungsprivatrechts137 vorliegt, findet in der Literatur Zustimmung.138 Darüber hinaus hält das Schrifttum aber auch im Bereich des rein fiskalischen Staatshandelns139, also bei privatrechtlichen Hilfsgeschäften und erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand,140 eine unmittelbare Wirkung von Richtlinienbestimmungen für möglich. 141 Gestützt wird diese Auffassung vor allem auf Art. 86 EGV, der die wirtschaftliche Betätigung der Mitgliedstaaten durch öffentliche Unternehmen – im Regelfall – sämtlichen Vorschriften des EGV unterwirft, was nahelege, entsprechendes auch für die Richtliniengebun_____________ 136

Vgl. EuGH v. 12.7.1990 – Rs. C-188/89 (Foster u. a./British Gas), Slg. 1990, I-3343 (I-3348, Rn. 17). 137

Vgl. zum Begriff des Verwaltungsprivatrechts H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2004, § 3 Rn. 9. 138

H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 24; ders., Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2665 f.); vgl. auch M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 188 f. m. w. N; vgl. dazu auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 87. 139 Einen Bereich fiskalischen Staatshandelns gänzlich ablehnend K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, S. 175 ff., 181 ff., 186 ff., 189 ff.; ders., Res publica res populi, 1994, S. 372, da es mangels eines funktionalen Differenzierungskriteriums keinen funktionalen, sondern nur einen institutionellen Begriff des Staatlichen geben könne. Bedingt durch diese Formalität des Staatlichen seien alle Handlungen staatlicher Einrichtungen, vor allem die Rechtsakte, staatlich, weshalb bereits die Privatheit staatlichen Handelns begrifflich schlechterdings undenkbar sei, vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, S. 253 ff., 261 ff.; ders., Res publica res populi, 1994, S. 372. 140 Zu privatwirtschaftlichen Hilfsgeschäften und erwerbswirtschaftlicher Betätigung der Verwaltung siehe ausführlich H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2004, § 3 Rn. 7 f. 141

Siehe M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 189; H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EGRichtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 24 f.; ders./S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (774); i. d. S. auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 87; differenzierend H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 43; krit. G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (662).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

197

denheit anzunehmen.142 Zudem wird angeführt, daß fiskalisches Staatshandeln als innerstaatliche Tätigkeit zu klassifizieren sei, da sich anderenfalls der Staat durch eine Flucht ins Privatrecht der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien entziehen könnte.143 Schließlich weist Hans D. Jarass darauf hin, daß der Fiskalbereich in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich abgegrenzt werde und daher ein Ausschluß der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien im Bereich fiskalischer Tätigkeiten dazu führe, daß eine Richtlinie aufgrund historischer Zufälligkeiten in einem Mitgliedstaat anwendbar sei und in einem anderen nicht, was nicht richtig sein könne, wenn man bedenke, daß Richtlinien gerade auch der Rechtsangleichung zwischen den Mitgliedstaaten dienen.144

6. Anwendung unmittelbar wirkender Richtlinienbestimmungen ex officio Der Gerichtshof verwendet in seinen Urteilen zur Direktwirkung von Richtlinien zumeist die Formulierung, daß sich einzelne auf bestimmte Richtlinienregelungen „berufen“145 können. Dies wird teilweise dahingehend ausgelegt, daß _____________ 142

So H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 24; dem folgend M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 189. 143 So Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 87. 144 Vgl. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2666); auch ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 24 f. 145 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); ebenso EuGH v. 1.2.1977 – Rs. 51/76 (Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 113 (126, Rn. 20/29); EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 20); EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (70, Rn. 22); EuGH v. 25.1.1983, Rs. 126/82 (Smit/Commissie Grensoverschrijdend Beroepsgoederenvervoer), Slg. 1983, 73 (88, Rn. 10); EuGH v. 22.2.1984 – Rs. 70/83 (Kloppenburg/Finanzamt Leer), Slg. 1984, 1075 (1084, Rn. 3); EuGH v. 28.3.1985 – Rs. 96/84 (Vereiniging Slachtpluimvee-Export/ReweZentral-Aktiengesellschaft), Slg. 1985, 1158 (1166 f., Rn. 22); EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 736 (748, Rn. 46); EuGH v. 4.12.1986 – Rs. 71/85 (Niederlande/Federatie Nederlandse Vakbeweging), Slg. 1986, 3855 (3874, Rn. 13); vgl. aus jüngerer Zeit EuGH v. 5.3.1998 – Rs. C-347/96 (Solred), Slg. 1998, I-937 (I-I-961, Rn. 28); EuGH v. 26.9.2000 – Rs. C-134/99 (IGI – Investimentos Imobiliarios und Fazenda Pública), Slg. 2000, I-7717 (I- 7752, Rn. 36); EuGH v. 10.9.2002 – Rs. C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler),

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

die innerstaatlichen Stellen die unmittelbar wirksame Richtlinienbestimmung nicht von Amts wegen zu beachten hätten, sondern nur dann, wenn sich der einzelne auch tatsächlich auf die entsprechende Regelung einer Richtlinie beruft, d. h., er müßte ihre Anwendung im Einzelfall geltend machen.146 Dem steht jedoch die wohl h. M. entgegen, die sich dafür ausspricht, daß unmittelbar wirksame Richtlinienbestimmungen ex officio berücksichtigt werden müssen.147 _____________ Slg. 2002, I-6833 (I-6885 f., Rn. 51); EuGH v. 20.5.2003 – Rs. C-465/00, C-138/01 u. C-139/01 (Österreichischer Rundfunk u. a.), Slg. 2003, I-4983 (I-5049, Rn. 98). 146 So etwa W. Ch. Lohse/U. Madle, Rechtsprechungsänderung des BFH bei Ertragsteuern und Umsatzsteuer, DStR 1988 Beilage Heft 11, S. 1 (12); auch W. Ch. Lohse, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 27.6.1989, Rs. 50/88, DStR 1989, S. 502 (502); H. H. Rupp, Verfassungsprobleme auf dem Weg zur Europäischen Union, ZRP 1990, S. 1 (3); ebenso E. Spetzler, Anmerkung zum Urteil des FG München vom 21.6.1990, 14 K 14166/83, EuZW 1990, S. 584 (584), der von einem „Berufungs(Evokations)recht“ spricht, „das der Erklärung (Geltendmachung) im Verfahren“ bedürfe; auch R. Wägenbaur, Zur Wirkung von Entscheidungen und Richtlinien des EWG-Rats, AWD 1970, S. 481 (482), fordert eine „Einrede vor Gericht“; ders., Neue Rechtsprechung zur innerstaatlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts, AWD 1971, S. 101 (105); i. d. S. auch − wenngleich beschränkt auf die Fälle „noch ausstehender Auslegung durch den EuGH“ − FG München, Urteil v. 21.6.1990, EFG 1991, 282 (283), das entschied, daß „die deutschen Verwaltungsbehörden und Gerichte eine durch die Richtlinie bedingte Abweichung vom nationalen Recht nicht von Amts wegen, sondern erst dann in Erwägung ziehen mü(ßt)en, wenn ein Betroffener von sich aus eine solche Abweichung zu seinen Gunsten geltend mach(e), d. h. sein Berufungsrecht tatsächlich ausüb(e).“ 147 So etwa E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (21); N. Weber, Die Richtlinie im EWG-Vertrag, 1974, S. 119; E.-W. Fuß, Die Verantwortung der nationalen Gerichte für die Wahrung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: GS für Ch. Sasse, Bd. 1, 1981, S. 171 (192); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 29 f.; M. Nettesheim, Die mitgliedstaatliche Durchführung von EG-Richtlinien, 1999, S. 89; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 72 f.; M. Klamert, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2001, S. 9; A. Zahradnik, Privatrechtsverhältnisse und EU-Recht, 1995, S. 92 f.; M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 164; W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 120; R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, in: HStR, Bd. VII, 1992, § 182 Rn. 14; G. Nicolaysen, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (388); G. Winter, Die Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 29.6.1988 mit der EG-Richtlinie 85/337 und die Direktwirkung dieser Richtlinie, NuR 1989, S. 197 (204); ders., Rechtsschutz gegen Behörden, die Umweltrichtlinien der EG nicht beachten, NuR 1991, S. 453 (455 f.); S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (688); U. Probst, Zur unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, UR 1990, S. 302 (303 f.); R. Weymüller, Der Anwendungsvorrang von EG-Richtlinien, RIW 1991, S. 501 (503 f.); H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2668 f.); ders., Die Vorgaben des Europäischen Gentechnikrechts für das deutsche Recht, NuR 1991, S. 49 (51); ders., Voraussetzungen der innerstaatli-

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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Diese Anwendung von Amts wegen wird dabei zumeist auf zwei Entscheidungen des Gerichtshofs gestützt: So verpflichtet der Gerichtshof in der Rechtssache 103/88 − entgegen den Schlußanträgen des GA Carl Otto Lenz148 − die Verwaltung, Richtlinienbestimmungen, die die Voraussetzungen erfüllen, daß die einzelnen sich vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen könnten, ebenso wie ein nationales Gericht anzuwenden.149 Weitaus zurückhaltender äußerte sich hingegen der Gerichtshof in der später ergangenen Entscheidung „Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam“, in der er ausführt, „daß das Gemeinschaftsrecht ein nationales Gericht nicht daran hinder(e), von Amts wegen“ eine Richtlinienbestimmung, die geeignet ist, unmittelbare Wirkungen zu entfalten, auch dann anzuwenden, „wenn der einzelne sich vor dem Gericht auf diese Richtlinie nicht berufen hat.“150 Weiterhin _____________ chen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 32; ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S. 81; ders., Konflikte zwischen EG-Recht und nationalem Recht vor den Gerichten der Mitgliedstaaten, DVBl. 1995, S. 954 (960); ders./S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (771 f.); M. Hilf, Die Richtlinie der EG − ohne Richtung, ohne Linie?, EuR 1993, S. 1 (9); H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (560 f.); ders., Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, EuZW 1992, S. 41 (43); A. Scherzberg, Die innerstaatlichen Wirkungen von EG-Richtlinien, Jura 1993, S. 225 (226 f.); H.-J. Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl. 1993 S. 809 (813), der ein Berufungsrecht i. S. einer Einrede als „geradezu absurdes Ergebnis“ bezeichnet; A. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 1994, S. 59 f.; A. Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, S. 409 (412); K. Hailbronner/G. Jochum, Europarecht, 2005, Rn. 537; H. G. Fischer, Europarecht, 2001, § 6 Rn. 45; M. Gellermann, Auflösung von Normwidersprüchen zwischen europäischem und nationalem Recht, DÖV 1996, S. 433 (436); Schlußanträge des GA M. Darmon v. 29.5.1991 – verb. Rs. C-87/90, C-88/90 u. C-89/90 (Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam), Slg. 1991, I-3768 (I-3770 ff., Rn. 11 ff.); einschränkend W. Widmann, Zu den praktischen Folgen von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, aus denen sich der Anwendungsvorrang einer EG-Richtlinien-Bestimmung ergibt, UR 1990, S. 7 (8 f.), der, bezogen auf die Verwaltung, eine Anwendung unmittelbar wirksamer Richtlinienbestimmungen ex officio nur dann fordert, „wenn er (sc. der Anwendungsvorrang der Richtlinie) [Anm. d. Verf.] vom EuGH jeweils zuvor festgestellt wurde“ (S. 9). 148

Vgl. Schlußanträge des GA C. O. Lenz v. 25.4.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1851 (1856 ff.), der eine Pflicht der Verwaltung zur Anwendung von Richtlinien, die geeignet sind, Direktwirkungen zu entfalten, mangels Vorlagemöglichkeit nach Art. 234 EGV verneint. 149 Vgl. EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 (1871, Rn. 31 ff.). 150 EuGH v. 11.7.1991 – verb. Rs. C-87/90, C-88/90 u. C-89/90 (Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam), Slg. 1991, I-3757 (I-3789, Rn. 16).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

ungeklärt bleibt allerdings, ob sie hierzu auch verpflichtet sind. 151 Da jedoch Richtlinien, sofern sie die vom Gerichtshof geforderten Voraussetzungen erfüllen, nicht nur unmittelbar gelten, sondern auch unmittelbar anwendbar sind, kann deren Beachtung ex officio − ebenso wie bei Verordnungen − kaum verneint werden. Diese Verpflichtung muß neben den Gerichten auch die Verwaltung treffen, da letztere ansonsten eine Entscheidung erlassen könnte, die mangels einer Pflicht zur Berücksichtigung einer unmittelbar wirksamen Richtlinie „rechtmäßig“ wäre, im Falle einer richterlichen Nachprüfung aber als mit der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinie unvereinbar und damit als rechtswidrig verworfen werden müßte.152 Dabei kann jedoch nicht abgestritten werden, daß diese Verpflichtung für die Verwaltung mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, da nur das nationale Gericht, nicht aber die Exekutive, dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV die Frage vorlegen kann oder im Falle letztinstanzlicher Gerichte sogar vorlegen muß, ob eine Richtlinienbestimmung überhaupt geeignet ist, unmittelbare Wirkungen zu entfalten.153

7. Direktwirkung von Richtlinien als Ergänzung des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 f. EGV Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergänzt die Direktwirkung von Richtlinien das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 f. EGV und tritt nicht an dessen Stelle.154 Demgemäß können aufgrund ein und derselben Pflichtver_____________ 151

So C. D. Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, S. 83 (84). 152 Ganz i. d. S. H. D. Jarass, Folgen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Richtlinien, NJW 1991, S. 2665 (2669); ders., Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EGRechts, 1994, S. 81; ders., Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung von EG-Recht im Bereich des Umweltschutzes, in: Jarass/Neumann: Umweltschutz und Europäische Gemeinschaften, 1994, S. 32; siehe auch Th. Öhlinger/M. Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 2006, S. 63, 72. 153 Vgl. S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (688); siehe dazu auch M. Seidel, Die Direkt- oder Drittwirkung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts, NJW 1985, S. 517 (521), der aufgrund der Beschränkung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV auf die Gerichte eine Bindung der Verwaltung durch unmittelbar wirksame Richtlinienbestimmungen ablehnt. 154 Vgl. etwa L.-J. Constantinesco, Die unmittelbare Anwendbarkeit von Gemeinschaftsnormen und der Rechtsschutz von Einzelpersonen in der EWG, 1969, S. 70 f., 146; C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (909); i. d. S. auch R. Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549 (576); S. Richter, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien zu Lasten Einzelner, EuR 1988, S. 394 (401); E. Spetzler, Die

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

201

letzung eines Mitgliedstaats beide Sanktionsmöglichkeiten neben- und nacheinander zur Anwendung kommen.155

8. Verhältnis der Direktwirkung von Richtlinien zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts Wie bereits dargelegt wurde, können Richtlinienbestimmungen unmittelbare Wirkungen nur dann entfalten, wenn sie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden sind.156 Ist aber eine richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts – auch hierbei handelt es sich im übrigen zumeist um die rechtliche Konsequenz einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien – möglich,157 so wird das von der Richtlinie angestrebte Ergebnis – ungeachtet dessen, daß die Mitgliedstaaten insoweit nicht vollständig ihrer Umsetzungsverpflichtung aus Art. 249 Abs. 3 EGV158 nachgekommen sind159 – auf diesem Wege erreicht. Daraus folgert der Gerichtshof in der Entscheidung „Felicitas/Finanzamt für Verkehrsteuern“, daß es im Falle einer richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts keiner Prüfung der Frage bedürfe, ob die fragliche Richtlinienbestimmung „die Voraussetzungen erfüllt, von denen es abhinge, ob sich der einzelne auf diese Vorschrift vor einem nationalen Gericht berufen könnte, wenn die Richtlinie nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre.“160

_____________ unmittelbare Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen als neue Sanktionskategorie nach Art. 189 EWG-Vertrag, RIW 1989, S. 362 (364); ders., Die Kollision des Europäischen Gemeinschaftsrechts mit nationalem Recht und deren Lösung, RIW 1990, S. 286 (288); R. Mögele, Neuere Entwicklungen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1993, S. 129 (132). 155 Siehe A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 137; so erstmals EuGH v. 18.11.1970 – Rs. 8/70 (Kommission/Italien), Slg. 1970, 961 ff., einerseits und EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 33/70 (S.A.C.E./ Finanzministerium Italiens), Slg. 1970, 1213 ff., andererseits; dazu auch W. Kleinmann, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 17.12.1970, Rs. 33/70, AWD 1971, S. 131 (134). 156 Siehe ausführlich 7. Teil, II. 3. a), S. 184 f. 157 Zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts siehe 6. Teil, S. 120 ff. 158 Zur Rechtsgrundlage der Umsetzungsverpflichtung siehe 4. Teil, II. 2. a), S. 96 f. 159 Hierbei muß beachtet werden, daß der Gerichtshof die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht als vollwertige ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung ansieht, da die Mitgliedstaaten weiterhin verpflichtet sind, die Richtlinien durch geeignete Rechtsnormen umzusetzen. Siehe dazu näher 4. Teil, II. 2. d), S. 101 ff., insb. S. 108. 160 EuGH v. 15.7.1982 – Rs. 270/81 (Felicitas/Finanzamt für Verkehrsteuern), Slg. 1982, 2771 (2787, Rn. 26).

202

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt, daß die unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen nur als ultima ratio verstanden werden kann, die − neben anderen Voraussetzungen161 − nur dann Anwendung finden kann, wenn eine ordnungsgemäße Umsetzung der fraglichen Richtlinie nicht erfolgt ist und auch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung nicht abgeholfen werden kann, d. h., die unmittelbare Wirkung von Richtlinien ist subsidiär zur richtlinienkonformen Auslegung.162

9. Zulässigkeit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien Nach diesem Überblick über die derzeit in der Literatur diskutierten Problembereiche der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen stellt sich angesichts der Tatsache, daß vor Erlaß der sog. „Leber-Pfennig“-Urteile163 lediglich ein kleiner Teil des Schrifttums eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien als staatengerichtete Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts befürwortete,164 _____________ 161

Dazu 7. Teil, II. 3., 4. und 6., S. 182 ff., 188 ff., 197 ff. So auch W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994, S. 44 f., 52 ff., 58 f., 62, passim; M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 61 f.; W.-H. Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, S. 385 (387); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1855); A. Furrer/A. Epiney, Staatliche Haftung für quantifizierbare Wettbewerbsnachteile aus nicht umgesetzten Richtlinien, JZ 1995, S. 1025 (1027, Fn. 25); W. Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts, DStJG 19 (1996), S. 167 (180); U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (107); K. Krieger, Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des deutschen Rechts, 2005, S. 334 ff., insb. S. 337; H.-H. Heidner, Richtlinienkonforme Auslegung von Befreiungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, S. 74 (75); i. d. S. auch ders., Zur Funktion des Gerichtshof bei der Rechtsangleichung in der Europäischen Gemeinschaft, in: FS für R. Lukes, 1989, S. 359 (365); A. Weber/U. Hellmann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP-Gesetz), NJW 1990, S. 1625 (1633); D. Triantafyllou, Zur Europäisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, DÖV 1997, S. 192 (197); ähnlich A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 164 ff., insb. S. 170; krit. H. D. Jarass/S. Beljin, Unmittelbare Anwendung des EG-Rechts und EG-rechtskonforme Auslegung, JZ 2003, S. 768 (776); a. A. C.-W. Canaris, Die richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung im System der juristischen Methodenlehre, in: FS für F. Bydlinski, 2002, S. 47 (55), der vertritt, daß im Falle der Direktwirkung von Richtlinien kein Raum mehr für eine richtlinienkonforme Auslegung verbleibe. 163 Siehe dazu 7. Teil, II. 2. b), S. 177 f. m. N. 164 Vgl. M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 300 ff.; Ph. Möhring, Rechtsvereinheitlichung und Rechtsgarantien im EWG-Bereich, NJW 1965, S. 2225 (2228). 162

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

203

während die damals h. L. eine solche Wirkung entschieden ablehnte,165 die Frage, wie sich die Direktwirkung der Richtlinien auf der Grundlage der Gemeinschaftsverträge, insbesondere aber der Legaldefinition des Art. 249 Abs. 3 EGV, begründen läßt bzw. ob die vom Gerichtshof gegebene Begründung letztlich haltbar ist. Nachfolgend sollen zunächst die Argumente für und gegen die direkte Richtlinienwirkung erörtert werden.166 Im Anschluß daran wird der Frage nach der Zulässigkeit dieser Rechtsprechung nachgegangen.

a) Argumente für und gegen die Direktwirkung von Richtlinienbestimmungen aa) Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV (1) Konzeption der Richtlinie als zweistufiger Rechtsetzungsakt Nach Art. 249 Abs. 3 EGV ist die Richtlinie als zweistufiger Rechtsakt konzipiert, dessen Wirkungen den einzelnen über die innerstaatlichen Umsetzungs_____________ 165 Siehe etwa E. Wohlfarth, Anfänge einer Europäischen Rechtsordnung und ihr Verhältnis zum Europäischen Recht, Juristen-Jahrbuch, Bd. 3 (1962/63), S. 241 (248); E. Bülow, Zur unmittelbaren Wirkung von Stillhalteverpflichtungen im EWG-Vertrag, AWD 1963, S. 162 (164); U. Everling, Das Niederlassungsrecht im Gemeinsamen Markt, 1963, S. 13, Fn. 50; ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Recht in der praktischen Rechtsanwendung, NJW 1967, S. 465 (466 f.); E. Schober, Die EWG-Richtlinie 64/221 und § 10 des neuen Ausländergesetzes, NJW 1965, S. 2240 (2241); P. Verloren van Themaat, Die Rechtsangleichung als Integrationsinstrument, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 243 (254); E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (382); ders., Rechtsschutz gegen deutsche Hoheitsakte zur Ausführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, NJW 1966, S. 1782 (1785); D. Eckert, Die Angleichung des Lebensmittelrechts in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, NJW 1967, S. 473 (479 f.); U. Schatz, Zur rechtlichen Bedeutung von Art.189 Abs. 3 EWGV für die Rechtsangleichung durch Richtlinien, NJW 1967, S. 1694 (1695); G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (445); i. d. S. auch W. Rohde-Liebenau, Rechtsetzung auf Grund EWG-Richtlinien und OECD-Beschlüssen, AWD 1970, S. 304 (306). 166 Einen ausführlichen Überblick geben A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 218 ff.; Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 90 ff., 132 ff.; siehe auch F. Schockweiler, Der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Staat: Eine vollwertige Alternative zur „horizontalen Wirkung“ von nicht fristgemäß umgesetzten Richtlinien?, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1315 (1321 ff.).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

vorschriften treffen. 167 Die Richtlinie stellt also nach dem Wortlaut ihrer Legaldefinition keinen direkt wirkenden Rechtsakt dar.168 Dies bringt Ulrich Everling mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck: „Mit dieser Fassung (sc. Art. 249 Abs. 3 EGV) [Anm. d. Verf.] haben die Vertragsverfasser mit kaum zu überbietender Eindeutigkeit erklärt, daß es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, die Bestimmungen der Richtlinien in das innerstaatliche, gegenüber jedermann geltende Recht zu überführen. Dem Einzelnen gegenüber gilt demnach nicht die Richtlinie, sondern allein das innerstaatliche Recht. Um so erstaunlicher ist es, daß für die Richtlinien in Anlehnung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vertrag die These entwickelt wurde, Richtlinien, die inhaltlich nicht mehr der Vollziehung bedürften und so eindeutig seien, daß sie unmittelbarer Geltung fähig seien, seien ohne weiteres im Recht der Mitgliedstaaten wirksam. Diese Auffassung widerspricht klar dem Vertrage, der ein zweistufiges Verfahren vorsieht und den Einzelnen damit − anders als bei der Verordnung − nicht in Beziehung zum Gemeinschaftsrecht setzen will.“169

Folglich verläßt der Gerichtshof die ursprüngliche Konzeption der Vertragsschöpfer, wie sie im Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV zum Ausdruck kommt, wenn er Richtlinienbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen 170 direkte Wirkungen zuspricht.171 _____________ 167

Dazu ausführlich 4. Teil, II., S. 94 ff. Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 34; ebenso M. Hilf, Der Justizkonflikt um EG-Richtlinien: gelöst, EuR 1988, S. 1 (5); deutlich R. Steinberg/G. Britz, Die Energiepolitik im Spannungsfeld nationaler und europäischer Regelungskompetenzen, DÖV 1993, S. 313 (318); auch K. Hailbronner/G. Jochum, Europarecht, 2005, Rn. 541; siehe dazu auch 4. Teil, I. 3., S. 90 ff. 169 U. Everling, Europäisches Gemeinschaftsrecht und nationales Recht in der praktischen Rechtsanwendung, NJW 1967, S. 465 (466 f.). Um so mehr muß verwundern, daß ders., Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (96), − mittlerweile selbst Richter am EuGH − seine kritische Haltung gegenüber der unmittelbaren Richtlinienwirkung aufgibt und die direkte Wirkung von Richtlinien sogar als „maßvoll und ausgewogen“ bezeichnet. Auch G. Rambow, Probleme bei der Durchführung von Richtlinien der EWG, DVBl. 1968, S. 445 (445), führt zu Art. 249 Abs. 3 EGV aus: „Klarer kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß Richtlinien − in deutlichem Unterschied zu den Verordnungen − eine unmittelbare Wirkung nicht beigelegt ist.“ 170 Siehe dazu näher 7. Teil, II. 3., 4. und 6., S. 182 ff., 188 ff., 197 ff. 168

171 So auch Ch. Tomuschat, La justice − c’est moi, EuGRZ 1979, S. 257 (259); ebenso E. Weiß, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 12.6.1979, Rs. 181 u. 229/78, UR 1980, S. 11 (12); Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 39; deutlich auch A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (67), der darauf hin-

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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(2) Mitgliedstaaten als alleinige Adressaten der Richtlinie Eng verbunden mit der Zweistufigkeit des Rechtsetzungsverfahrens ist das Argument, daß unmittelbare Wirkungen der Richtlinien nicht möglich seien, da die Richtlinie sich nach dem Wortlaut ihrer Legaldefinition ausschließlich an die Mitgliedstaaten richte172 und auch nur für diese verbindlich sei.173 Auf die Verbindlichkeit der Richtlinie abstellend, hält der Gerichtshof dieser Auffassung entgegen, daß es „mit der den Richtlinien durch Artikel 189 [= Artikel 249 n. N.] zuerkannten verbindlichen Wirkung … unvereinbar (wäre), grundsätzlich auszuschließen, daß betroffene Personen sich auf die durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen könn(t)en.“174

Dem muß jedoch widersprochen werden, da die Richtlinie als nur an die Staaten gerichteter Rechtsakt lediglich zwischen diesen und der Gemeinschaft Rechtswirkungen entfalten kann, wohingegen die Rechtsstellung des einzelnen erst über die innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften berührt wird. Bedenkenswert ist auch die Auffassung von Bodo Börner, der darauf hinweist, daß es bei der direkten Wirkung von Richtlinien gerade um die Frage gehe, „was die verbindliche Wirkung und ihr Umfang“ seien, so daß der Gerichtshof letztlich einem „klassischen Zirkelschluß“ unterliege, wenn er die unmittelbare Anwendbarkeit _____________ weist, daß die „unmittelbare Wirkung (sc. von Richtlinien) [Anm. d. Verf.] im Widerspruch zum Grundgedanken der Richtlinie, nämlich der Umsetzungsbedürftigkeit“ stehe, letztlich habe also die Rechtsprechung des Gerichtshofs, dem Grundsatz folgend, „daß der Zweck die Mittel heilig(e)“, den „Rechtscharakter der Richtlinie schlicht ignoriert und zielorientiert modifiziert.“ Ebenso H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EGRichtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436). 172 Zu den Adressaten einer Richtlinie siehe ausführlich 1. Teil, III., S. 13 ff. 173 Vgl. E. Bülow, Zur unmittelbaren Wirkung von Stillhalteverpflichtungen im EWGVertrag, AWD 1963, S. 162 (164); deutlich B. Raschauer, Von der Verwaltungsverträglichkeit der Rechtsdogmatik, in: FS für W. Leisner, 1999, S. 897 (903, 906): „Es liegt in der Zwecksetzung von Richtlinien, dass sie an die Mitgliedstaaten adressiert sind und dementsprechend ex definitione niemals subjektive Rechte einzelner Bürger begründen können.“ Zust. F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 25; siehe auch P. Verloren van Themaat, Die Rechtsangleichung als Integrationsinstrument, in: FS für C. F. Ophüls, 1965, S. 243 (254). 174 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); seither st. Rspr., vgl. statt vieler EuGH v. 1.2.1977 – Rs. 51/76 (Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 113 (126, Rn. 20/29); EuGH v. 29.11.1978 – Rs. 21/78 (Delkvist/Anklagemyndigheden), Slg. 1978, 2327 (2340, Rn. 18/21); EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 20).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

der Richtlinien mit deren verbindlicher Wirkung erkläre, da dieser insoweit „das zu Beweisende in die Voraussetzung“175 lege. Es bleibt somit festzustellen, daß die auf die Mitgliedstaaten als den alleinigen Adressaten der Richtlinie beschränkte Verbindlichkeit eine unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen nicht zu begründen vermag, sondern dieser sogar entgegensteht. (3) Einschränkung des den Mitgliedstaaten verbleibenden Durchführungser messens Soweit Gerhard Rambow gegen die Direktwirkung der Richtlinien einwendet, daß diese den Mitgliedstaaten die „Wahl der Rechtsform der Durchführung … aus der Hand nehmen“176 würde, kann dem nicht zugestimmt werden, da sich die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie immer nur auf einzelne inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Richtlinienregelungen bezieht und nicht auf die ganze Richtlinie.177

(4) Umkehrschluß aus Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV Während Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV den Verordnungen ausdrücklich unmittelbare Geltung zuspricht, sieht Art. 249 Abs. 3 EGV eine entsprechende Regelung für Richtlinien gerade nicht vor. Da aber die „unmittelbare Geltung“ der Verordnung, wie bereits gezeigt, 178 als „unmittelbare Anwendbarkeit“ verstanden werden muß, könnte aus einem auf Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV gestützten argumentum e contrario gefolgert werden, daß die Richtlinien nicht unmittelbar anwendbar sind.179 Gegen eine solche Auffassung wendet der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein, _____________ 175

B. Börner, Der rechtliche Nutzen logischer Fehler, oder: Die Richtlinien des EWGV, oder: Rechtsanwendung v. Rechtsetzung, in: FS für G. Kegel, 1987, S. 57 (62). 176 G. Rambow, Anmerkung zur Urteil des EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70, DVBl. 1971, S. 46 (47). 177 Dazu 7. Teil, II. 3., S. 183. 178 Dazu 4. Teil, I. 3., S. 91 ff. 179 Da sowohl das deutsche Schrifttum als auch die deutsche Rechtsprechung überwiegend noch von einer dualistischen Sichtweise des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts ausgehen, interpretieren sie die „unmittelbare Geltung“ i. S. d. Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV dahingehend, daß die Verordnung keines nationalen Transformationsakts bedürfe, um innerstaatliche Geltung zu erlangen. Ein auf Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV gestützter Umkehrschluß ergäbe daher, daß die Richtlinie innerstaatlich nicht unmittelbar gelte, d. h., sie würde mit ihrem Erlaß nicht automatisch Bestandteil der innerstaatli-

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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„daß zwar nach Artikel 189 [= Artikel 249 n. N.] Verordnungen unmittelbar gelten und infolgedessen wegen ihrer Rechtsnatur unmittelbare Wirkungen erzeugen könn(t)en, daß hieraus indessen nicht folg(e), daß andere in diesem Artikel genannte Kategorien von Rechtsakten niemals ähnliche Wirkungen erzeugen könnten.“180

Diese Schlußfolgerung stößt auch im Schrifttum auf breite Zustimmung.181 Da allerdings Art. 249 Abs. 4 EGV keine Aussage zur „unmittelbaren Geltung“ von Entscheidungen trifft, diese aber, soweit sie an einzelne gerichtet werden, stets unmittelbar anwendbar sind, muß der angeführte Umkehrschluß als nicht zwingend erachtet werden. Bedenken gegen einen solchen ergeben sich auch aus der Unschärfe der verschiedenen Sprachfassungen des Art. 249 EGV182.183 Weitaus wichtiger ist aber, daß die Ablehnung des Umkehrschlusses durch den Gerichtshof zwar eine Direktwirkung der Richtlinien nicht ausschließen kann, aber erst recht keine solche zu begründen vermag.184

bb) Vertragliche Unterscheidung zwischen Richtlinien und Verordnungen Ungeachtet des nicht zwingenden argumentum e contrario aus Art. 249 Abs. 2 S. 2 EGV ergibt eine Gegenüberstellung der Absätze 2 und 3 des Art. 249 EGV deutlich, daß der Vertrag eine klare Unterscheidung zwischen Verordnungen und Richtlinien trifft,185 was auch in der minutiösen Zuweisung bestimmter Ermäch_____________ chen Rechtsordnung und könnte daher auch keine Rechte oder Pflichten für einzelne erzeugen. Vgl. nur BFHE 133, 470 [471], der ausführt, daß aus der Gegenüberstellung der Absätze 2 und 3 des Art. 249 EGV „außerhalb jeden ernstlichen Zweifels (folge), daß eine Richtlinie für die Vertragsstaaten verbindlich (sei), ebenso aber auch, daß sie in den Vertragsstaaten kein unmittelbar geltendes Recht erzeugen“ könne, weshalb er eine Berufung der Klägerin auf eine Richtlinienbestimmung ablehnt. 180 EuGH v. 1.2.1977 – Rs. 51/76 (Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 113 (126, Rn. 20/29), ebenso EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1641 f., Rn. 19); i. d. S. auch EuGH v. 29.11.1978 – Rs. 21/78 (Delkvist/Anklagemyndigheden), Slg. 1978, 2327 (2340, Rn. 18/21); EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (70, Rn. 21). 181 Vgl. statt vieler R. Wägenbaur, Zur Wirkung von Entscheidungen und Richtlinien des EWG-Rats, AWD 1970, S. 481 (483); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 232. 182 Dazu 4. Teil, I. 3., S. 91 f. 183 Ganz i. d. S. Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 637 (649 f.). 184 So auch Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 643 (650, Fn. 58); ebenso B. Börner, Der rechtliche Nutzen logischer Fehler, oder: Die Richtlinien des EWGV, oder: Rechtsanwendung v. Rechtsetzung, in: FS für G. Kegel, 1987, S. 57 (61 f.). 185 Dazu näher 1. Teil, V. 2., S. 22 f.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

tigungen zum Ausdruck kommt.186 Zu Recht weist daher ein Teil des Schrifttums darauf hin, daß durch die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien der Unterschied zur Verordnung weitgehend verwischt werde.187 Dem kann kaum entgegengehalten werden, daß die direkte Wirkung einer Richtlinienbestimmung den Mitgliedstaat nicht von der Umsetzung dieser Richtlinie entbinde.188 Gleiches gilt für das Argument, wonach die Richtlinie im Gegensatz zur Verordnung nur insoweit zu beachten sei, als sie unmittelbar wirke,189 denn die Voraussetzungen an die Direktwirkung der Richtlinien sind nicht allzu streng, so daß zahlreiche Richtlinienbestimmungen diese erfüllen werden.190 Der einzige bedeutsame Unterschied zur Verordnung besteht für die Richtlinie noch darin, daß sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu Lasten einzelner unmittelbare Wirkung entfalten kann, was aber auch nicht als ausreichend angesehen werden kann, um von einer klaren Unterscheidung zwischen Verordnung und Richtlinien zu sprechen,191 vielmehr ist „die systematische Abgrenzung zur EG-Verordnung nur noch begrenzt möglich“192. _____________ 186

Siehe dazu ausführlich 2. Teil, I. 2., S. 29 ff. Vgl. etwa S. U. Pieper, Die Direktwirkung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, DVBl. 1990, S. 684 (688); R. Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549 (578); ders./G. Britz, Die Energiepolitik im Spannungsfeld nationaler und europäischer Regelungskompetenzen, DÖV 1993, S. 313 (318); Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 78; M. Gellermann, Auflösung von Normwidersprüchen zwischen europäischem und nationalem Recht, DÖV 1996, S. 433 (436); so bereits E.-W. Fuß, Die „Richtlinie“ des Europäischen Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1965, S. 378 (382), der betont, daß die Direktwirkung der Richtlinie „die ohnehin schon unscharfe Trennungslinie zwischen Richtlinie einerseits und Verordnung andererseits vollends zergleiten“ lasse. 188 So aber H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (560). 189 So aber H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (560). 190 Vgl. H. D. Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, S. 2420 (2425); auch R. Herber, Probleme der gesetzlichen Fortentwicklung des Handels- und Gesellschaftsrechts, ZHR 144 (1980), S. 47 (64 f.), der − wiewohl bezogen auf Richtlinien des Gesellschaftsrechts − ausführt: „Viele Richtlinienbestimmungen sind normativ formuliert und praktisch ohne Alternative, eignen sich also sehr wohl zu unmittelbarer Anwendung.“ 191 So aber H. G. Fischer, Sind vertragswidrig nicht umgesetzte Richtlinien innerstaatlich nur auf Antrag anwendbar? – Einige Anmerkungen zu einem Urteil des FG München, EuZW 1991, S. 557 (560 f.); ebenso H.-J. Papier, Direkte Wirkung von Richtlinien der EG im Umwelt- und Technikrecht, DVBl. 1993, S. 809 (809). 192 M. Pagenkopf, Zum Einfluß des Gemeinschaftsrechts auf nationales Wirtschaftsverwaltungsrecht − Versuch einer praktischen Einführung, NVwZ 1993, S. 216 (222). 187

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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cc) Prinzip der begrenzten Ermächtigung Wie der Bundesfinanzhof in seinem heftig kritisierten193 Urteil vom 25. April 1985 darlegt, sollte der Gemeinschaft auf Gebieten mit ausschließlicher Richtlinienkompetenz, wie dem Gebiet der Umsatzsteuer, „nicht die Kompetenz übertragen werden, Richtlinien … ähnliche Wirkungen beizulegen wie Verordnungen.“194 Deshalb weist das oberste deutsche Finanzgericht darauf hin, daß die Vertragschließenden „von diesem Verständnis des Artikels 189 EWG-Vertrag [= Artikel 249 EG-Vertrag n. N.] … ausgegangen“195 seien und folgert daraus, daß nicht umgesetzten Bestimmungen einer Richtlinie keine unmittelbare Wirkungen zukomme, so daß bis zur Umsetzung der Richtlinie weiterhin nationales, wenn auch richtlinienwidriges Recht anzuwenden sei.196 Dagegen wendet das Bundesverfassungsgericht ein, daß „der Gerichtshof … hierdurch nicht … für die Gemeinschaft eine Rechtsetzungsgewalt nach Art gleichsam einer Verordnungskompetenz auf einem Gebiet (Umsatzsteuerrecht) in Anspruch (nehme), auf dem sie nur eine Richtlinienkompetenz besitze. Vielmehr beschränk(e) er sich darauf, die Rechtswirkungen einer bestehenden Kompetenz näher auszugestalten. Zwar komm(e) die Möglichkeit des privaten Einzelnen, sich auf die Richtlinien zu ,berufen‘, einer normativen Wirkung − jedenfalls im bilateralen Verhältnis zum angesprochenen Mitgliedstaat − praktisch gleich; sie bedeut(e) aber nicht eine Erweiterung der Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft.“197

Eine derartige Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht ist mit dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung198 unvereinbar, da sie als eine Erweiterung der Befugnisse der Gemeinschaft anzusehen ist, die nicht mehr vom Willen des deutschen Volks getragen ist. An dieser Stelle sei angemerkt, daß auch wenn die Gemeinschaft zum Erlaß von Verordnungen und Richtlinien ermächtigt ist, die unmittelbare Wirkung einzelner Richtlinienbestimmungen nicht mit dem Argument begründet werden _____________ 193 Vgl. S. Magiera, Die Rechtswirkungen von EG-Richtlinien im Konflikt zwischen Bundesfinanzhof und Europäischem Gerichtshof, DÖV 1985, S. 937 (937 ff.); Ch. Tomuschat, Nein, und abermals Nein!, EuR 1985, S. 346 (346 ff.); H. List, Anmerkung zum Urteil des BFH vom 25.4.1985 – V R 123/84, DB 1985, S. 1145 (1445 f.); S. Duhnkrack, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien, RIW 1986, S. 40 (40 ff.); auch G. Meier, Krieg der Richter − Was nun?, RIW 1985, S. 748 (748 f.) m. w. N. 194 BFHE 143, 383 [388]. 195 BFHE 143, 383 [388] m. N. 196 Vgl. BFHE 143, 383 [388 f.]. 197 BVerfGE 75, 233 [241]. 198 Siehe ausführlich zum Prinzip der begrenzten Ermächtigung 2. Teil, I. 1., S. 26 ff.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

kann, dem Mitgliedstaat stehe auch eine Verordnungskompetenz zu. 199 Ebenso ist in diesem Falle eine Umdeutung derjenigen Teile einer Richtlinie, die Direktwirkung entfalten sollen, in eine Verordnung ausgeschlossen.200

dd) Vertragsverletzungsverfahren der Art. 226 f. EGV als vertraglich vorgesehene Sanktion unzureichender Richtlinienumsetzung Gegen die Direktwirkung von Richtlinien als neuem Sanktionsinstrument des Gemeinschaftsrechts spricht auch, daß der Vertrag mit Art. 226 f. EGV ein eigenes Verfahren zur Erzwingung der ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien enthält.201 Soweit das Schrifttum versucht, obiges Argument unter Hinweis auf die mangelnde Effizienz des Vertragsverletzungsverfahrens zu entkräften,202 ist dem zu entgegnen, daß die zweifelsohne nur beschränkte Wirkung jenes Verfahrens203 nichts daran ändert, daß dieses − und nur dieses − als vertragliche Sanktion für Verstöße der Mitgliedstaaten gegen ihre Umsetzungsverpflichtung aus Art. 249 Abs. 3 EGV vorgesehen ist.204

ee) Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV Der Gerichtshof begründet verschiedentlich die unmittelbare Richtlinienwirkung unter anderem damit, daß _____________ 199

I. d. S. auch Ch. Tomuschat, La justice − c’est moi, EuGRZ 1979, S. 257 (259 f.). So auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 228; i. d. S. auch G. Rambow, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 6.10.1970, Rs. 9/70, DVBl. 1971, S. 46 (47); vgl. dazu auch M. Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, KSE Bd. 9, 1969, S. 296 f. m. w. N. 201 Siehe R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (403); ebenso E. Weiß, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 19.1.1982, Rs. 8/81, UR 1982, S. 74 (74); ähnlich auch B. Raschauer, Von der Verwaltungsverträglichkeit der Rechtsdogmatik, in: FS für W. Leisner, 1999, S. 897 (903), der ausführt, daß die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien seit Einführung des Zwangsgeldverfahrens in Art. 227 Abs. 2 EGV auch sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Rechtsschöpfung sei; siehe dazu auch 7. Teil, I., S. 168 ff. 202 Ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 146 f.; auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 250 f. 203 Siehe dazu 7. Teil, I., S. 169 ff. 204 I. d. S. auch R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (403). 200

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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„Art. 177 EGV [= Art. 234 EGV n. N.], wonach die staatlichen Gerichte befugt sind, den Gerichtshof mit der Gültigkeit und Auslegung aller Handlungen der Organe ohne Unterschied zu befassen, … voraus(setze), daß die einzelnen sich vor diesen Gerichten auf die genannten Handlungen berufen könn(t)en.“205

Entgegen der Ansicht von Eberhard Grabitz, der dieses Argument als zwingend für die unmittelbare Wirkung der Richtlinien ansieht,206 kann Art. 234 EGV keinerlei Aussage über eine eventuelle Direktwirkung von Richtlinien entnommen werden, da Richtlinien unabhängig von der Frage nach ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit Gegenstand von Vorlagebeschlüssen sein können.207 Dies zeigt sich deutlich daran, daß nationale Gerichte, um ihrer Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung nachzukommen,208 dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EGV vorlegen. Bodo Börner bezeichnet die Argumentationskette des Gerichtshofs sogar als „Zirkelschluß“209.

ff) Sicherstellung der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) der Richtlinien Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs stützt sich die Direktwirkung von Richtlinien maßgeblich auf folgende Überlegung: „Insbesondere in den Fällen, in denen etwa die Gemeinschaftsbehörden die Mitgliedstaaten durch Richtlinie zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, würde die nützliche Wirkung (,effet utile‘) [Hervorh. d. Verf.] einer solchen Maßnahme abgeschwächt, wenn die einzelnen sich vor Gericht hierauf nicht berufen könnten.“210

_____________ 205 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); i. d. S. auch EuGH v. 7.7.1981 – Rs. 158/80 (Rewe/Hauptzollamt Kiel), Slg. 1981, 1805 (1838, Rn. 44). 206

Vgl. E. Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971, S. 1 (13 f.). 207 So R. Wägenbaur, Zur Wirkung von Entscheidungen und Richtlinien des EWGRats, AWD 1970, S. 481 (483); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 230; i. d. S. auch G. Rambow, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 6.10.1970, Rs. 9/70, DVBl. 1971, S. 46 (46). 208 Zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts siehe ausführlich 6. Teil, S. 120 ff. 209 B. Börner, Der rechtliche Nutzen logischer Fehler, oder: Die Richtlinien des EWGV, oder: Rechtsanwendung v. Rechtsetzung, in: FS für G. Kegel, 1987, S. 57 (63). 210 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348, Rn. 12); i. d. S. auch EuGH v. 1.2.1977 – Rs. 51/76 (Nederlandse Ondernemingen/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 113 (126 f., Rn. 20/29); EuGH v.

212

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Der Gerichtshof greift somit den Gedanken des „effet utile“ auf, 211 wie sich auch deutlich aus den fast wortgleichen Begründungen zu den sog. „LeberPfennig“-Urteilen entnehmen läßt, in denen der Gerichtshof ausdrücklich auf diesen Grundsatz verweist. 212 Dabei handelt es sich um eine „teleologische Auslegungsmaxime“213, die, dem Völkervertragsrecht entstammend, in das Gemeinschaftsrecht übernommen wurde 214 und auf die größtmögliche Ausschöpfung bestehender Gemeinschaftsbefugnisse gerichtet ist. 215 Der „effet utile“ kann also nur im Rahmen einer Auslegung zur Geltung gelangen, er kann jedoch nicht zu einer Auslegung führen, die sowohl dem Wortlaut des Vertrags als auch dem Willen der Vertragsschöpfer widerspricht.216 Da aber Art. 249 Abs. 3 EGV nach seinem Wortlaut und dem Willen der Vertragschließenden einer Auslegung i. S. d. direkten Richtlinienwirkung nicht fähig ist,217 muß Eberhard Weiß zugestimmt werden, wenn er kritisiert, daß die aus der praktischen Wirkung von Richtlinien gefolgerte unmittelbare Wirkung von Richtlinien eine „vom EuGH nicht begründete Rechtsbehauptung“ sei, die „im klaren Wortlaut des Art. 189 EWGV [= Art. 249 EGV n. N.] keine Stütze“218 finde. _____________ 29.11.1978 – Rs. 21/78 (Delkvist/Anklagemyndigheden), Slg. 1978, 2327 (2340, Rn. 18/21); EuGH v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 21). 211 Vgl. etwa H. Hahn, Nochmals: Zur Drittwirkung von EG-Richtlinien im Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 503 (504); ebenso A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 218; R. Streinz, Der „effet utile“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1491 (1492). 212 Siehe EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (838, Rn. 5); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 20/70 (Lesage/Hauptzollamt Freiburg), Slg. 1970, 861 (874, Rn. 5); EuGH v. 21.10.1970 – Rs. 23/70 (Haselhorst/Finanzamt Düsseldorf), Slg. 1970, 881 (894, Rn. 5). 213 Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 69. 214 Vgl. Th. von Danwitz, Zur Entwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, JZ 1994, S. 335 (338); ebenso i. d. S. H. Hahn, Nochmals: Zur Drittwirkung von EG-Richtlinien im Umsatzsteuerrecht, RIW 1982, S. 503 (504). 215 Siehe BVerfGE 89, 155 [210]; ganz so i. E. auch W. Blomeyer, Europäischer Gerichtshof und deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit im judiziellen Dialog, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 37 (52): „Es wird von zwei oder mehr möglichen Auslegungsergebnissen demjenigen der Vorzug gegeben, der [sic!] die Verwirklichung der Vertragsziele … am meisten fördert.“ 216 So auch Th. von Danwitz, Zur Entwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, JZ 1994, S. 335 (338 f.). 217 Dazu 7. Teil, II. 9., S. 202 ff. 218 E. Weiß, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 19.1.1982, Rs. 8/81, UR 1982, S. 74 (74).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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Bei genauerer Betrachtung der Argumentation des Gerichtshofs zeigt sich allerdings, daß dieser den „effet utile“ nicht nur i. S. einer Auslegungsregel versteht, sondern ihn vielmehr als eigenständige Argumentationsfigur mit legitimierender Wirkung einsetzt. Dem ist jedoch entschieden entgegenzutreten, da, wie Thomas von Danwitz zutreffend ausführt, „dem ,effet utile‘ aus sich heraus keine normative Bedeutung zukommt und er dementsprechend auch keine legitimierende Kraft entfalten kann.“219 An dieser Stelle sei angemerkt, daß in Anbetracht der obigen Ausführungen die Sichtweise von Reinhard Riegel, wonach die auf den „effet utile“ abstellende Rechtsprechung des Gerichthofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien unumgänglich sei, „weil sie allein dem Sinn des Gemeinschaftsrechts“ 220 entspreche und eine auf den Wortlaut gestützte Begründung dem nicht entgegen gehalten werden könne, da „der Wortlaut von Art. 189 Abs. 3 EWGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.] … hier gar nicht mehr“221 passe, als rechtsmethodisch schlichtweg verfehlt zu bezeichnen ist.

gg) Förderung der Rechtseinheit innerhalb der Gemeinschaft Als Begründung für die direkte Wirkung von Richtlinienbestimmungen wird von Teilen des Schrifttums auch die Einheit des Gemeinschaftsrechts angeführt.222 Demnach müßten Richtlinien in allen Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet werden, auch tatsächlich ihre Wirkung entfalten können, m. a. W., es könne nicht angehen, daß die Richtlinien in Mitgliedstaaten, die ihrer Umsetzungsverpflichtung ordnungsgemäß nachgekommen sind, Anwendung fänden, während dem in den anderen Mitgliedstaaten mangels ordnungsgemäßer Umsetzung _____________ 219

Th. von Danwitz, Zur Entwicklung der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, JZ 1994, S. 335 (339). 220

R. Riegel, Auslegungsfragen zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts und zu Art. 177 EWGV, RIW 1980, S. 695 (696). 221

R. Riegel, Auslegungsfragen zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts und zu Art. 177 EWGV, RIW 1980, S. 695 (697). 222 So auch Ch. Tomuschat, La justice − c’est moi, EuGRZ 1979, S. 257 (259); ebenso F. Schockweiler, Der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Staat: Eine vollwertige Alternative zur „horizontalen Wirkung“ von nicht fristgemäß umgesetzten Richtlinien?, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1315 (1328); i. d. S. auch R. Wägenbaur, Neue Rechtsprechung zur innerstaatlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts, AWD 1971, S. 101 (104); H. Gersdorf, Das Kooperationsverhältnis zwischen deutscher Gerichtsbarkeit und EuGH, DVBl. 1994, S. 674 (677).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

nicht so sei; um dieses unerwünschte Ergebnis zu vermeiden, bedürfe es der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien.223 Dagegen muß eingewendet werden, daß die Rechtseinheit innerhalb der Gemeinschaft auch durch die Direktwirkung von Richtlinien nicht sichergestellt werden kann, denn erstens entfalten immer nur einzelne Regelungen einer Richtlinie unmittelbare Wirkungen, sofern sie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sind,224 und zweitens ist eine Berufung auf einzelne Richtlinienbestimmungen nur insoweit möglich, als sie dem einzelnen Rechte gegenüber dem vertragsbrüchigen Staat verleiht225.226

hh) Integrationsförderne Wirkung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien Durch die Anerkennung der Direktwirkung von Richtlinien erhöht sich der Druck auf die Mitgliedstaaten, ihrer Umsetzungsverpflichtung ordnungsgemäß nachzukommen, da ansonsten die Gerichte und die Verwaltung das unmittelbar wirksame Richtlinienrecht anwenden und dadurch etwaige Versäumnisse der innerstaatlichen Rechtsetzungsorgane bei der Richtlinienumsetzung korrigieren.227 Insoweit ist die direkte Richtlinienwirkung, wie GA Karl Römer in der Rechtssache 9/70 ausführt, „ohne jeden Zweifel eminent integrationsfördernd“228. Gleichzeitig ist aber zu bedenken, daß auch gegenläufige Tendenzen entstehen können, wenn den nationalen Rechtsetzungsorganen die Möglichkeit der Richtlinienumsetzung genommen wird.229 Eine tragende Begründung kann jedoch in der integrationsfördenden Wirkung der Direktwirkung von Richtli_____________ 223 Vgl. dazu A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 222. 224 Dazu näher 7. Teil, II. 3., S. 182 ff. 225 Dazu näher 7. Teil, II. 4., S. 188 ff. 226 Dies räumt zumindest teilweise auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 246 f., ein. 227 I. d. S. auch A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 222; ebenso A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 97 m. w. N.; dazu auch M. Zuleeg, Die Rechtswirkung europäischer Richtlinien, ZGR 1980, S. 466 (475). 228 Schlußanträgen des GA K. Römer, v. 17.9.1970 in der Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 844 (848); ganz so auch R. Wägenbaur, Neue Rechtsprechung zur innerstaatlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts, AWD 1971, S. 101 (104); H.-E. Schuster, Die EWG-Richtlinie, 1977, S. 42. 229 Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 223.

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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nien nicht gesehen werden, da die Gemeinschaft als „Rechtsgemeinschaft“230 konstituiert ist und sich über die Förderung der Integration nahezu jegliches Gemeinschaftshandeln rechtfertigen ließe; der das Gemeinschaftsrecht beherrschende Grundsatz der begrenzten Ermächtigung231 und damit auch die Verträge würden obsolet.232

ii) Verbot des venire contra factum proprium Zur Begründung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien führt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, daß ein Mitgliedstaat sich gegenüber einzelnen nicht auf seine eigene Untätigkeit berufen dürfe. 233 Diesen Gedanken erachtet der GA Jean-Pierre Warner sogar als „entscheidende Überlegung“234. Auch breite Teile des Schrifttums sehen in dem Grundsatz von Treu und Glauben, insbesondere in seiner Ausprägung als Verbot des venire contra factum proprium, die tragende Begründung für die direkte Richtlinienwirkung.235 Dagegen wendet Theodor Schilling ein, daß das Verbot des venire contra factum proprium die Direktwirkung von Richtlinien nicht begründen könne, da dieses Konzept „nur im Rahmen einer rechtlichen Sonderverbindung Anwendung“236 finde, was jedoch nicht möglich sei, „wenn das factum proprium bzw. _____________ 230

W. Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, 1979, S. 51. Dazu ausführlich 2. Teil, I. 1., S. 26 ff. 232 I. E. auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 78 ff. 233 Siehe EuGH v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (73, Rn. 34); weitere Nachweise in 7. Teil., II. 2. b), S. 181, Fn. 69 f. 234 Schlußanträge des GA J.-P. Warner v. 25.10.1977 in der Rs. 38/77 (Enka/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 2216 (2226); i. d. S. auch Schlußanträge des GA G. Reischl v. 27.3.1980 in der Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 1490 (1492): „Das Wesentliche dieser Wirkung (sc. der Direktwirkung von Richtlinien) [Anm. d. Verf.] besteht bekanntlich darin, daß den Mitgliedstaaten, die ihren Verpflichtungen aus einer Richtlinie nicht nachkommen, die Möglichkeit genommen wird, sich auf den aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts rechtswidrigen nationalen Zustand zu berufen.“ 235 Vgl. etwa C. O. Lenz, Entwicklung und unmittelbare Geltung des Gemeinschaftsrechts, DVBl. 1990, S. 903 (909); auch A. Turiaux, Praktische Probleme der unmittelbaren Wirkung von EG-Richtlinien, AnwBl. 1994, S. 65 (66); zutreffend A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 224, der ausführt, daß „das Argument des Verbots des ,venire contra factum proprium‘ … die unmittelbare Wirkung von Richtlinien am ungezwungensten und überzeugendsten“ begründe. 236 Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 637 (653). 231

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

das Glauben begründende Verhalten der einen Sonderverbindung zuzurechnen (sei), der Verstoß dagegen, also das treuwidrige Verhalten, aber einer davon unabhängigen anderen.“237 Dieser Sichtweise läßt sich jedoch entgegen halten, daß die Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV nicht losgelöst von den einzelnen Marktbürgern gesehen werden kann, denn diesen müssen die Mitgliedstaaten durch die Umsetzung einer Richtlinie Rechte gewähren oder Pflichten auferlegen. Daher läßt sich argumentieren, daß auch zwischen den Mitgliedstaaten und den einzelnen Marktbürgern zumindest eine rechtliche Sonderverbindung im weitesten Sinne besteht; letztere ist jedoch für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wie er privatrechtlich in § 242 BGB kodifiziert ist, ausreichend.238 Die unzulässige Rechtsausübung wird somit nicht auf das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und Gemeinschaft bezogen, sondern auf das Verhältnis zwischen den einzelnen und dem vertragsbrüchigen Mitgliedstaat.239 Der einzelne macht daher nicht die Umsetzungsverpflichtung des Mitgliedstaats gegenüber der Gemeinschaft, sondern die ihm gegenüber unterlassene Umsetzung der Richtlinien geltend. Verweigert nun der Mitgliedstaat dem einzelnen Rechte aus der Richtlinie mit der Begründung, daß er die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, so handelt er treuwidrig gegenüber dem einzelnen, da sich der Staat auf sein eigenes rechtswidriges Unterlassen beruft. Folglich ist sowohl das factum proprium als auch das treuwidrige Handeln derselben rechtlichen Sonderverbindung, nämlich derjenigen zwischen dem einzelnen und dem Mitgliedstaat, zuzurechnen. Einen anderen Ansatzpunkt für seine Kritik wählt Gert Nicolaysen, der ausführt, daß für die unmittelbare Wirksamkeit von primärem als auch von sekundärem Gemeinschaftsrecht einheitlich allein die „Struktur der Norm“ ausschlaggebend sei.240 Entscheidend sei also, ob „der Rechtssatz des Gemeinschaftsrechts bestimmt und unbedingt und daher justiziabel“241 sei. Deshalb erwiesen _____________ 237

Th. Schilling, Zur Wirkung von EG-Richtlinien − Versuch einer völkerrechtlichen Betrachtung, ZaöRV 48 (1988), S. 637 (654). 238 Vgl. H. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242 Rn. 6. 239 So auch G. Winter, Direktwirkung von EG-Richtlinien, DVBl. 1991, S. 657 (659); ganz i. d. S. auch S. Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltschutzes, 1999, S. 98 f. 240 Vgl. G. Nicolaysen, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (388); ders., Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, 370 (371); i. d. S. auch E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 24, der als „tragende Begründung … die Verbindung einer bestimmten Normqualität (Judizierbarkeit) mit dem Sanktionserfordernis“ ansieht. 241 Nicolaysen, Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, S. 370 (370).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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sich die Kriterien von Treu und Glauben als „überflüssig und dogmatisch fragwürdig, sofern mit ihnen die unmittelbare Wirkung originär begründet werden sollte.“242 Demzufolge fänden diese „zusätzlichen allgemeinen Erwägungen … ihre Erklärung denn auch nicht in Erfordernissen rechtlicher Begründung der Ergebnisse, sondern in der Notwendigkeit ihrer politischen Verteidigung“243. Die Instrumentalisierung der Argumentation über Treu und Glauben stelle also keine zusätzliche Begründung für die Direktwirkung von Richtlinien dar, sondern sei durch das Bemühen gekennzeichnet, der unmittelbaren Wirkung Schranken zu ziehen und die seitens der Mitgliedstaaten und mitgliedstaatlicher Gerichte angegriffene Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Punkte gefolgschaftsfähig zu machen.244 Diese Kritik vermag jedoch nicht zu überzeugen, da allein die Struktur einer Norm noch keine Aussage über deren unmittelbare Anwendbarkeit erlaubt, sondern vielmehr nur Voraussetzung der Direktwirkung ist, ohne aber eine solche begründen zu können. Des weiteren kommt es für die Beurteilung, ob der Grundsatz von Treu und Glauben die unmittelbare Wirkung von Richtlinien rechtfertigen zu vermag, nicht darauf an, ob der Gerichtshof diesen bereits von Anfang an oder erst später in seine Argumentation aufgenommen hat. Ebenso ist unbeachtlich, ob diese zur Begründung oder zur Verteidigung der unmittelbaren Richtlinienwirkung aufgegriffen wurde. Es bleibt somit festzuhalten, daß das Verbot des venire contra factum proprium – isoliert für sich betrachtet – bisher wohl noch am überzeugendsten die Direktwirkung von Richtlinienbestimmungen begründen könnte. _____________ 242 G. Nicolaysen, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (388); ders., Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, 370 (371); A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 182 f.; i. d. S. auch P.Ch. Müller-Graff, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht − Das Privatrecht in der europäischen Integration, NJW 1993, S. 13 (20); ders., Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht − Teil II, DRiZ 1996, S. 305 (308). 243 G. Nicolaysen, Richtlinienwirkung und Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zum Beruf, EuR 1984, S. 380 (388); ders., Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, 370 (371); zust. E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 24; auch Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (958). 244 Vgl. Nicolaysen, Keine horizontale Wirkung von Richtlinien-Bestimmungen, EuR 1986, 370 (371); zust. E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 24; auch Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (958).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

jj) Fehlendes Veröffentlichungsgebot für Richtlinien Da der EAGV überhaupt keine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Richtlinien enthält und auch der geänderte Art. 254 EGV nicht alle Richtlinien der Veröffentlichung unterwirft,245 bestehen gegen die unmittelbare Wirkung auch aus rechtsstaatlicher Sicht Bedenken.246 Dagegen wird zumeist vorgebracht, daß in praxi alle Richtlinien im Amtsblatt der jeweiligen Gemeinschaft informationsweise abgedruckt werden.247 Es erscheint jedoch äußerst fragwürdig, ob eine fakultative Veröffentlichung von nicht veröffentlichungsbedürftigen Richtlinien eine Veröffentlichungspflicht zu ersetzen vermag, denn es muß in jedem Falle sichergestellt sein, daß der einzelne in die Lage versetzt wird, von seinen Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls auch vor den nationalen Gerichten geltend machen zu können. Jedenfalls muß eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien aufgrund der Schutzfunktion der Veröffentlichung zumindest dann ausscheiden, wenn die Richtlinie nicht veröffentlicht worden ist.248 Insbesondere die unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien zu Lasten einzelner,249 die strittige horizontale Direktwirkung250 aber auch die ebenfalls umstrittene unmittelbare Wirkung von Richtlinien mit Doppelwirkung251 muß bei fehlender Veröffentlichung konsequenterweise ausgeschlossen sein. Schließlich zeigt auch die Tatsache, daß Richtlinien nach Art. 191 EWGV überhaupt nicht veröffentlicht werden mußten und auch Art. 254 EGV keine _____________ 245

Dazu ausführlich 1. Teil, IV. 3., S. 19 f. I. d. S. auch R. Wägenbaur, Neue Rechtsprechung zur innerstaatlichen Wirkung des Gemeinschaftsrechts, AWD 1971, S. 101 (104 f.); ders., Zur Wirkung von Entscheidungen und Richtlinien des EWG-Rats, AWD 1970, S. 481 (483); ders., Ist die Unterscheidung zwischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen nach Art. 189 EWGVertrag hinfällig geworden?, DVBl. 1972, S. 244 (246 f.); vgl. dazu auch P. Gilsdorf, Drittes Internationales Kolloquium über Europarecht, EuR 1966, S. 161 (168). 247 So auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 143; ebenso A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 241; dazu auch Ch. Tomuschat, Normenpublizität und Normenklarheit in der Europäischen Gemeinschaft, in: FS für H. Kutscher, 1981, S. 461 (473), der zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ausführt: „Streng genommen sind damit die Richtlinien … zu veröffentlichungsbedürftigen Rechtsakten geworden, da sie unmittelbar den Rechtsstatus des Gemeinschaftsbürgers berühren.“ 248 Siehe A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 143; A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 242. 249 Siehe dazu mit Nachweisen 7. Teil, II. 4. b), S. 189. 250 Siehe dazu ausführlich 7. Teil, II. 4. c), S. 190 ff. 251 Siehe dazu ausführlich 7. Teil, II. 4. d), S. 192 ff. 246

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

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sämtliche Richtlinien umfassende Veröffentlichungspflicht enthält, nochmals deutlich, daß die Richtlinie nach dem Willen der Vertragsschöpfer nicht als unmittelbar wirksamer Rechtsakt konzipiert worden ist.252

kk) Gebot der Rechtssicherheit Gegen die Direktwirkung von Richtlinien spricht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit, da für den Rechtsanwender bei nicht ordnungsgemäß umgesetzten Richtlinien nach Ablauf der Umsetzungsfrist häufig nicht klar zu erkennen sein dürfte, ob er die Richtlinienbestimmung kraft unmittelbarer Wirkung oder weiterhin das nationale Recht anzuwenden hat. 253 Auch Andreas Oldenbourg erkennt die Gefahr der Rechtsunsicherheit, 254 nimmt sie aber in Kauf, da die direkte Richtlinienwirkung nur bei dazu geeigneten Vorschriften in Betracht komme und zudem die nationalen Gerichte einen Widerspruch zu einem späteren Urteil des Gerichtshofs vermeiden könnten, indem sie diesem ihre Auslegungsfrage gemäß Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorlegen.255 Dabei verkennt er jedoch, daß die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Rechtsanwendung bereits dadurch entsteht, daß zweifelhaft ist, ob eine Richtlinienbestimmung überhaupt die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung erfüllt. Auch das Vorabentscheidungsverfahren des Art. 234 EGV kann dem nur beschränkt abhelfen, da dieses lediglich den Gerichten die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof ermöglicht, nicht aber der Verwaltung oder gar den einzelnen Marktbürgern.

ll) Europäisches Gewohnheitsrecht Soweit im Schrifttum die Frage aufgeworfen wird, ob sich hinsichtlich der Direktwirkung von Richtlinien Gemeinschaftsgewohnheitsrecht herausgebildet _____________ 252 Ebenso D. Oldekop, JöR n. F. 21 (1972), S. 55 (104), wenngleich er dies nicht als Hinderungsgrund für eine Drittwirkung von Richtlinien ansieht. 253

Ganz i. d. S. R. Steinberg, Probleme der Europäisierung des deutschen Umweltrechts, AöR 120 (1995), S. 549 (576); ähnlich Th. Bail, Das Dilemma der Zollrechtsharmonisierung, ZfZ 1976, S. 162 (162). 254 Siehe A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 236 ff. 255 Vgl. A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 238 f.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

habe,256 ist diese zu verneinen, da die erforderliche opinio iuris et necessitatis derzeit wohl noch nicht gegeben ist, 257 wenngleich eingeräumt werden muß, daß der Widerstand gegen die Direktwirkung von Richtlinien immer weiter verstummt und daher die Annahme von Gewohnheitsrecht im Bereich der vertikal begünstigenden Wirkung in absehbarer Zeit nicht ausgeschlossen erscheint.

b) Auslegung im engeren Sinne, richterliche Rechtsfortbildung oder Rechtsschöpfung? Wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, modifiziert die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien erheblich das Richtlinienkonzept, das noch Art. 249 Abs. 3 EGV vorsieht. 258 Dies wirft die Frage auf, ob sich eine derartige Jurisdiktion noch im Rahmen der Kompetenzen des Gerichtshofs bewegt.

aa) Auslegung im engeren Sinne Da dem Gerichtshof gemäß Art. 220 EGV die Sicherung der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags“ obliegt, wäre seine Rechtsprechung zweifelsohne zulässig, wenn sich die Direktwirkung durch eine Auslegung i. e. S., verstanden als Deutung innerhalb des „sprachlich möglichen Wortsinns“259, gewinnen ließe.260 Angesichts des insoweit klaren Wortlauts von _____________ 256 Vgl. E.-W. Fuß, Die Verantwortung der nationalen Gerichte für die Wahrung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: GS für Ch. Sasse, Bd. 1, 1981, S. 171 (179); A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 229. 257 So auch A. Dendrinos, Rechtsprobleme der Direktwirkung der EWG-Richtlinien, 1989, S. 188 f.; ebenso S. Heim, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im deutschen und französischen Recht am Beispiel des Umweltschutzes, 1999, S. 97, die Gewohnheitsrecht mangels gemeinschaftsweiter Akzeptanz ablehnt; dazu auch M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 9, der die unmittelbare Wirkung von Richtlinien als Rechtsfortbildung und daher nicht als Gemeinschaftsgewohnheitsrecht ansieht; a. A. A. Bleckmann, Zur Funktion des Gewohnheitsrechts im Europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1981, S. 101 (102), der – den Art. 249 EGV änderndes – europäisches Gewohnheitsrecht annimmt. 258 Ganz i. d. S. V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209); dazu auch 7. Teil, II. 9. a) aa) (1), S. 203 f., insb. Fn. 171. 259 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 322. 260 So auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209).

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

221

Art. 249 Abs. 3 EGV, wonach die Richtlinie als zweistufiger Rechtsakt konzipiert ist, der ausschließlich für die darin bezeichneten Mitgliedstaaten verbindlich ist und dessen Wirkungen den einzelnen erst nach erfolgter Umsetzung über die innerstaatlichen Rechtsvorschriften treffen, 261 liegt die Direktwirkung von Richtlinien jenseits des möglichen Wortsinns und kann daher nicht mehr als Auslegung i. e. S. angesehen werden.262

bb) Richterliche Rechtsfortbildung Zu den Aufgaben des Richters und somit auch des Gerichtshofs zählt neben der auf den möglichen Wortsinn begrenzten Auslegung i. e. S.263 die richterliche Rechtsfortbildung,264 die sich nach Karl Larenz wiederum in „gesetzesimmanente Rechtsfortbildung“265 und „gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung“266 unterteilt:267 Während erstere der „Ausfüllung von Gesetzeslücken“ dient, sich „aber noch im Rahmen des ursprünglichen Plans, der Teleologie des Gesetzes _____________ 261

Siehe 4. Teil, II., S. 94 ff.; 7. Teil, II. 9. a) aa) (1), S. 203 f.

262

So auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209); ebenso A. Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich, 1984, S. 265. 263

Vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 366, wonach die Rechtsfortbildung – im Gegensatz zur Auslegung i. e. S. – über den möglichen Wortsinn hinausgeht; a. A. Ch. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: VVDStRL 34 (1976), S 43 (70), der betont, daß sich „eine Grenze zwischen Rechtsfortbildung und bloßer Auslegung … nicht finden“ lasse. 264

Vgl. etwa BVerfGE 75, 223 [241 ff.]; auch W. Dänzer-Vanotti, Unmittelbare Wirkung der Sechsten-Umsatzsteuer-Richtlinie, BB 1982, S. 1106 (1108); ders., Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beschränkt vorläufigen Rechtsschutz − Hat er seine Kompetenzen überschritten?, BB 1991, S. 1015 (1016); ders., Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (734); R. Voss, Verfassungsrechtliche Probleme des Streits um die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien, RIW 1982, S. 570 (571); V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209); R. von Borries, Das Subsidiaritätsprinzip im Recht der Europäischen Union, EuR 1994, S. 263 (268); R. Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 567 ff.; W. Blomeyer, Europäischer Gerichtshof und deutsche Arbeitsgerichtsbarkeit im judiziellen Dialog, in: Schachtschneider/Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 37 (42); dazu ausführlich T. Stein, Richterrecht wie anderswo auch?, in: FS der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg, 1986, S. 619 (619 ff.). 265

Ausführlich K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 370 ff.

266

Ausführlich K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 413 ff.

267

Siehe K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 366.

222

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

selbst“ bewegt, geht letztere „noch über diese Grenze hinaus“, bleibt „aber innerhalb des Rahmens und der leitenden Prinzipien der Gesamtrechtsordnung“268. Demzufolge wäre die direkte Wirkung von Richtlinien als gesetzesimmanente Rechtsfortbildung zulässig, wenn sie eine „,planwidrige Unvollständigkeit‘ des Gesetzes“269 ausfüllen würde. Obgleich der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 249 Abs. 3 EGV nicht geregelt hat, welche Wirkungen Richtlinien zukommen sollen, die nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden, kann darin keine ausfüllungsbedürftige Lücke erblickt werden,270 denn Art. 226 f. EGV enthält sehr wohl eine Regelung für den Fall, daß ein Mitgliedstaat seine vertragliche Pflichten − etwa durch mangelhafte Umsetzung von Richtlinien − verletzt.271 Eine weitergehende Regelung hat der Gemeinschaftsgesetzgeber also bewußt nicht getroffen.272 Darüber hinaus würde die Direktwirkung von Richtlinien die Zweistufigkeit des Rechtsetzungsverfahrens als Charakteristikum der Richtlinien konterkarieren und ginge somit über den ursprünglichen Regelungsplan des Gesetzes hinaus.273 Demnach scheidet eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung aus. Aber auch eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung wäre noch als zulässig zu erachten, „wenn sehr schwerwiegende Gründe eine solche verlangen.“274 In Anbetracht des − wenn auch nicht hinreichend effizienten 275 − Vertragsverletzungsverfahrens läßt sich jedoch ein derart unabweisbares Bedürfnis _____________ 268

K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 366. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 373. Ausführlich zum Begriff der „Gesetzeslücke“ siehe ders., l.c., S. 370 ff. 270 So aber W. Hartung, Unmittelbare Wirkung von Bestimmungen der EG-Bilanzrichtlinie?, RIW 1988, S. 52 (55), der ausführt, „daß Art. 189 Abs. 3 EGV [= Art. 249 Abs. 3 EGV n. N.] eine ausfüllungsbedürftige Lücke“ enthalte, ohne diese aber näher zu benennen. 271 So auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209). 272 Ganz i. d. S. auch D. Ewert, Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik bei Verletzung des europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 1993, S. 881 (882); a. A. G. Meier, Zur Drittwirkung von EG-Richtlinien im Umsatzsteuerrecht, BB 1982, S. 1711 (1712), der ausführt, daß „der deutsche Gesetzgeber … sich hierüber (sc. die unmittelbare Wirkung von Richtlinien) [Anm. d. Verf.] im Zweifel überhaupt keine Gedanken gemacht haben“ wird; dazu auch K. Friedrich, Bundesfinanzhof contra Europäischen Gerichtshof − EWG-Richtlinien und nationales Recht, RIW 1985, S. 794 (796): „In der Aufbruchstimmung des Jahres 1957 dürfte aber der Gedanke, wie ,kranke‘ Fälle der Richtlinienumsetzung zu behandeln sind, kaum aufgekommen sein.“ 273 Ganz i. d. S. V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209). 274 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 367. 275 Siehe dazu 7. Teil, I., S. 169 ff. 269

II. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien

223

nach einem wirkungsvolleren Sanktionsmechanismus kaum rechtfertigen. Das entscheidende Argument für die Ablehnung der Direktwirkung von Richtlinien als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung besteht allerdings darin, daß die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs eine vorwiegend an Überlegungen der Zweckmäßigkeit orientierte politische Entscheidung darstellt,276 die im „Rahmen der geltenden Rechtsordnung … mit spezifisch rechtlichen Erwägungen allein nicht gefunden werden kann“277.278 Eine derartige politische Gestaltung kann schlechterdings nur der demokratisch legitimierte Gemeinschaftsgesetzgeber treffen.279

cc) Rechtsschöpfung Somit ist festzustellen, daß der Gerichtshof mit seiner Rechtsprechung zur Direktwirkung von Richtlinien entgegen der h. L.280 den Bereich zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet und Rechtsschöpfung betreibt.281 Hans Heinrich Rupp bringt dies deutlich zum Ausdruck, indem er ausführt, „daß der EuGH im Wege einer klassischen contra-legem-Interpretation die Identität der konstitutionellen Grundlagen des vertraglichen Primärrechts verändere.“282

_____________ 276

Deutlich H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (440); siehe dazu auch R. Herber, Direktwirkung sogenannter horizontaler EG-Richtlinien?, EuZW 1991, S. 401 (402), der ausführt, daß „die komplizierte rechtliche Diskussion … kaum ein anderes Argument ha(be), als daß es möglich sein müsse, den durch die Richtlinien vorgeschriebenen Zustand auch bei Untätigkeit eines Vertragsstaates zur Geltung zu bringen“. 277

K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 427.

278

Ebenso V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209 f.).

279

Vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 427 f.; auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (210). 280 Grundlegend BVerfGE 75, 223 [241 ff.]; vgl. für das Schrifttum statt aller U. Everling, Zur direkten innerstaatlichen Wirkung der EG-Richtlinien: Ein Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung auf der Basis gemeinsamer Rechtsgrundsätze, in: FS für K. Carstens, Bd. 1, 1984, S. 95 (113), der die direkte innerstaatliche Wirkung von Richtlinien als „einen exemplarischen Fall richterlicher Fortbildung des Gemeinschaftsrechts“ bezeichnet. 281

So auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (209 f.); ganz i. d. S. auch B. Raschauer, Von der Verwaltungsverträglichkeit der Rechtsdogmatik, in: FS für W. Leisner, 1999, S. 897 (903). 282 H. H. Rupp, Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 8.4.1987, 2 BvR 687/85, JZ 1988, S. 191 (195).

224

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Soweit Volker Nessler die unmittelbare Wirkung von Richtlinien im Wege der Rechtsschöpfung für zulässig erachtet, weil dem Gerichtshof aufgrund der Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts die Rolle eines Ersatzgesetzgebers mit erheblichen Kompetenzen zur Rechtsschöpfung zukomme, 283 muß diese Sichtweise als abwegig bezeichnet werden, 284 da dem Gerichtshof gemäß Art. 220 EGV die Sicherung der „Wahrung des Rechts“ obliegt, ihm hingegen keine Gesetzgebungskompetenz zukommt.285 Der Gerichtshof ist „Interpret, aber nicht ,Herr des Vertrages‘“ 286, denn seine Richter sind an Gesetz und Recht gebunden;287 diese Bindung ist das notwendige Korrelat zur sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter (argumentum ex Art. 223 Abs. 1 EGV), da diesen ansonsten „ein unvertretbares Maß an Macht“288 zukäme. Es kann somit festgehalten werden, daß die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Direktwirkung von Richtlinien weder als Auslegung i. e. S. noch als richterliche Rechtsfortbildung angesehen werden kann, sondern vielmehr als Rechtsschöpfung in ihrer reinsten Form zu bezeichnen ist, womit der Gerichtshof seine Kompetenzen überschreitet.

_____________ 283

Siehe V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (211 ff.).

284

So auch W. Dänzer-Vanotti, Der Europäische Gerichtshof zwischen Rechtsprechung und Rechtsetzung, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 205 (213): „Die Verträge weisen dem Gerichtshof nicht die Kompetenz eines Ersatzgesetzgebers zu.“ 285

Vgl. W. Dänzer-Vanotti, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beschränkt vorläufigen Rechtsschutz − Hat er seine Kompetenzen überschritten?, BB 1991, S. 1015 (1017): „Rechtsprechung ist Rechtsfindung und nicht Rechtsetzung. … Gesetzgeberische Dispositionsfreiheit steht dem Richter nicht zu.“ Ebenso M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, S. 1 (5), der „das ,Kompetenzbild‘ des Richters“ dahingehend beschreibt, daß dieser „sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen“ dürfe; deutlich auch P. Kirchhof, Nach vierzig Jahren: Gegenwartsfragen an das Grundgesetz, JZ 1989, S. 453 (454): „Der Gerichtshof kann als ,Integrationsfaktor erster Ordnung‘ keine Gesetzgebungskompetenz beanspruchen.“ 286 F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (995). 287

Siehe W. Dänzer-Vanotti, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften beschränkt vorläufigen Rechtsschutz − Hat er seine Kompetenzen überschritten?, BB 1991, S. 1015 (1017). 288 Ch. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: VVDStRL 34 (1976), S. 43 (68).

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

225

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als weitere neu geschaffene Sanktionskategorie 1. Einführung in die Grundlagen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs Da die Italienische Republik selbst nach erfolgter Verurteilung durch den Gerichtshof289 die Konkursausfallrichtlinie des Rates vom 20.10.1980 290 nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt hatte, begründete der Gerichtshof mit seinem Urteil vom 19.11.1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, nachdem er zunächst die unmittelbare Wirkung der entscheidungsgegenständlichen Richtlinienbestimmung ablehnte,291 einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch.292 Danach sind die Mitgliedstaaten zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die dem einzelnen infolge nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie, deren Ziel auf die Verleihung inhaltlich bestimmter Rechte gerichtet ist, entstehen.293 Diesen Entschädigungsanspruch leitet der Gerichtshof primär „aus dem Wesen der mit dem EWG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung“294, für die die „volle Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Be_____________ 289

Siehe EuGH v. 2.2.1989 – Rs. 22/87 (Kommission/Italienische Republik), Slg. 1989, 143 ff. 290 RL 80/987/EWG v. 20.10.1980, ABl. 1980 Nr. L 283/23. 291 Vgl. EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5407 ff., Rn. 10 ff., insb. 26). 292 Vgl. EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5413 ff., Rn. 28 ff.). 293 Vgl. F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (993); H. G. Fischer, Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, EuZW 1992, S. 41 (41). 294 EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5414, Rn. 33); seither st. Rspr., vgl. EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1142, Rn. 21); EuGH v. 26.3.1996 – Rs. C-392/93 (British Telecommunications/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-1631 (I-1667, Rn. 38); EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2612, Rn. 24); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4878, Rn. 20); EuGH v. 22.4.1997 – Rs. C-66/95 (Sutton), Slg. 1997, I-2163 (I-2190, Rn. 31); EuGH v. 10.7.1997 – verb. Rs. C-94/95 u. C-95/95 (Danila Bonifaci u. a. und Wanda Berto u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-3969 (I-4021, Rn. 46); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani/Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-4025 (I-4045, Rn. 24); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-373/95 (Federica Maso u .a. und Graziano Gazetta u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS] und Italienische Republik), Slg. 1997, I-4051 (I-4073, Rn. 34).

226

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

stimmungen“295 unerläßlich sei, her; er finde aber „auch in Artikel 5 EWG-Vertrag [= Art. 10 EG-Vertrag n. N.] eine Stütze“296. Während der Gerichtshof in seinem „Francovich“-Urteil den Rückgriff auf Art. 288 Abs. 2 EGV − entgegen den Schlußanträgen des GA Jean Mischo297 − noch gemieden hat,298 greift er in der Entscheidung „Brasserie du pêcheur und Factortame“ auf diesen zur zusätzlichen Stützung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs zurück.299 Der Gerichtshof knüpft mit seiner Rechtsprechung zum gemeinschaftsrechtlichen Entschädigungsanspruch an diejenige zur Direktwirkung von Richtlinien an, indem er jene Lücke im System des Rechtsschutzes zu schließen versucht, die entsteht, wenn eine Richtlinie keine unmittelbare Wirkungen entfaltet, so daß dem einzelnen Rechte aus der Richtlinie aufgrund mangelhafter Umsetzung vorenthalten werden.300 Dabei ist es unbeachtlich, ob die Umsetzung der Richtlinie _____________ 295

EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5414, Rn. 35); ebenso EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1142, Rn. 20). 296 EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5414, Rn. 36). 297 Siehe Schlußanträge des GA J. Mischo v. 28.5.1991 in der verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5370 (I-5395 f., Rn. 71 ff.). 298 Siehe Th. von Danwitz, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten, DVBl. 1997, S. 1 (2), der ausführt, daß der Gerichtshof den Rückgriff auf Art. 215 Abs. 2 EGV „in der Rechtssache Francovich noch gemieden (habe), wie der Teufel das Weihwasser“; siehe auch R. Streinz, Anmerkung zu dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 (203). 299 Vgl. EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1144, Rn. 28 f.). 300 Siehe Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (961); V. Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien, NJW 1992, S. 1849 (1856); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, EG-Richtlinien: Haftung der Mitgliedstaaten für vertragswidriges Verhalten, RIW 1992, S. 411 (411); K. Tonner, Staatshaftung wegen verspäteter Umsetzung von EG-Pauschalreise-Richtlinie, ZIP 1993, S. 1205 (1207); A. Furrer/A. Epiney, Staatliche Haftung für quantifizierbare Wettbewerbsnachteile aus nicht umgesetzten Richtlinien, JZ 1995, S. 1025 (1028); M. Herdegen/Th. Rensmann, Die neuen Konturen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, ZHR 161 (1997), S. 522 (531); i. d. S. auch Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (663); J. Steiner, From direct effects to Frankovich: shifting means of enforcement of Community Law, ELR 1993, S. 3 (3 ff.); E. R. Führich, Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung wegen verspäteter Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie, EuZW 1993, S. 725 (726); dies bereits andeutend ders., Zur Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie in deutsches Reisevertragsrecht, EuZW 1993, S. 347 (352); deutlich K.-D. Borchardt, Richterrecht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, in: GS für E. Grabitz, 1995, S. 29 (36):

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

227

gänzlich unterlassen wurde oder lediglich fehlerhaft erfolgte. 301 Gleichgültig ist auch, welches Organ eines Mitgliedstaats die Verletzung des Gemeinschaftsrechts zu vertreten hat, 302 insbesondere ist der Grundsatz, wonach die Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden verpflichtet sind, auch dann anwendbar, wenn der gerügte Verstoß aus einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts folgt.303 Der gemeinschaftliche Schadensersatzanspruch ergänzt also die Sanktionsmechanismen zur effektiven Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts.304 Er ist jedoch gegenüber Erfüllungsansprüchen subsidiär,305 d. h., der Entschädi_____________ „Diese Haftung kompensiert letztlich die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinienbestimmung und stellt damit eine konsequente Fortentwicklung der Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen dar; sie ist bildlich gesprochen lediglich die andere Seite der Medaille der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen.“ 301

So auch M. Nettesheim, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Staatshaftungsrecht, DÖV 1992, S. 999 (1001). 302

Vgl. EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1145, Rn. 32). 303

EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-224/01 (Gerhard Köbler/Republik Österreich), Slg. 2003, I-10239 (I-10274 Rn. 114). 304

Siehe F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (994). 305 Vgl. etwa F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (994); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (89); dies., EG-Richtlinien: Haftung der Mitgliedstaaten für vertragswidriges Verhalten, RIW 1992, S. 411 (411); Ch. Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, S. 955 (961); P. Duffy, Damages against the State: a new remedy for failure to implement Community obligations, ELR 1992, S. 133 (135); F. Schockweiler, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten gegenüber dem einzelnen bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts, EuR 1993, S. 107 (119 f.); M. Gellermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, 1994, S. 236; ders., Staatshaftung und Gemeinschaftsrecht, EuR 1994, S. 342 (353); R. Wittkowski, Der „MP Travel Line“-Konkurs im Lichte der „Francovich-Rechtsprechung“ des EuGH, NVwZ 1994, S. 326 (328); C. Albers, Die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für die Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, 1995, S. 145 f.; Ch. Henrichs, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verletzung von Gemeinschaftsrecht, 1995, S. 74 ff.; A. Martin-Ehlers, Grundlagen der gemeinschaftsrechtlich entwickelten Staatshaftung, EuR 1996, S. 376 (384); ganz i. d. S. auch J. Byok, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 17.9.1997, Rs. C-54/96, EuZW 1997, S. 628 (629), der Staatshaftungsansprüche im Hinblick auf die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts und die unmittelbare Wirkung von Richtlinien als „ultima ratio“ bezeichnet; ebenso N. Reich, Der Schutz subjektiver Gemeinschaftsrechte durch Staatshaftung, EuZW 1996, S. 709 (710); i. d. S. wohl auch M. Schimke, Zur Haftung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Bürgern wegen Nichtumsetzung der EG-Richtlinie über Pauschalreisen, EuZW 1993, S. 698 (699); ders., Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 14.7.1994, Rs. C-91/92 (Faccini Dori), DZWiR 1995, S. 67 (68 f.); anders K. Finke, Die

228

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

gungsanspruch greift erst dann, wenn eine direkte Richtlinienwirkung nicht gegeben ist oder sich nicht entfalten kann.306

2. Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs Die Voraussetzungen, unter denen diese gemeinschaftsrechtlich gebotene Staatshaftung einen Entschädigungsanspruch eröffnet, hängen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von der Art der dem verursachten Schaden zugrundeliegenden Verletzung des Gemeinschaftsrechts ab.307 Im Falle eines Verstoßes gegen die Umsetzungsverpflichtung des Art. 249 Abs. 3 EGV hat der Geschädigte einen Entschädigungsanspruch, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind: Erstens muß das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an einzelne, die auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden können, beinhalten;308 dabei sind jedoch die Rechte einzelner nicht i. S. subjek_____________ Haftung der Mitgliedstaaten für die Verletzung von Gemeinschaftsrecht, DZWiR 1996, S. 361 (366), die ausführt, daß „(theoretisch) Idealkonkurrenz“ vorläge, „die Schadensminderungspflicht … aber praktisch zur Folge (habe), daß die Staatshaftung vor allem als Auffanginstrument wirk(e)“; a. A. M. Zenner, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für die Anwendung europarechtswidriger Rechtsnormen, 1995, S. 278, der ausführt, daß der Staatshaftungsanspruch „bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen … unabhängig davon eröffnet (sei), ob es sich um unmittelbar oder nicht unmittelbar anwendbare Richtlinien handel(e)“; ablehnend auch R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1993, S. 129 (133), der darlegt, daß „sich die Geltendmachung der Direktwirkung einer Richtlinien und das Begehren nach Schadensersatz wegen Nichtumsetzung gegenseitig nicht ausschließen“ würden; verfehlt G. Meier, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90, RIW 1992, S. 245 (245 f.), der dem sog. Francovich-Urteil entnimmt, daß die unmittelbare Wirkung von Richtlinien als Voraussetzung bzw. Anspruchsgrundlage für die Staatshaftung anzusehen sei. 306

S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, EG-Richtlinien: Haftung der Mitgliedstaaten für vertragswidriges Verhalten, RIW 1992, S. 411 (411). 307

Vgl. EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5415, Rn. 38); seither st. Rspr., vgl. EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1146, Rn. 38); EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2612, Rn. 24); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4878, Rn. 20). 308

Vgl. EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5415, Rn. 40); seither st. Rspr., vgl. etwa EuGH v.

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

229

tiver öffentlicher Rechte zu verstehen, sondern vielmehr im weiten Sinne eines rechtlich geschützten Interesses.309 Zweitens muß ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegen.310 Dieser ist zum einen gegeben, „wenn ein Organ oder ein Mitgliedstaat bei der Rechtsetzung die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat“ 311, zum anderen aber auch dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat „zum Zeitpunkt dieser Rechtsverletzung nicht zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten _____________ 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3357, Rn. 27); EuGH v. 26.3.1996 – Rs. C-392/93 (British Telecommunications/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-1631 (I-1668, Rn. 39); EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2613, Rn. 25); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4878 f., Rn. 21); EuGH v. 22.4.1997 – Rs. C-66/95 (Sutton), Slg. 1997, I-2163 (I-2191, Rn. 32); EuGH v. 10.7.1997 – verb. Rs. C-94/95 u. C-95/95 (Danila Bonifaci u. a. und Wanda Berto u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-3969 (I-4021, Rn. 47); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani/Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-4025 (I-4046, Rn. 25); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-373/95 (Federica Maso u. a. und Graziano Gazetta u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS] und Italienische Republik), Slg. 1997, I-4051 (I-4073, Rn. 35). 309

Ganz i. d. S. Schlußanträge des GA J. Mischo v. 28.5.1991 in der verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5370 (I-5398, Rn. 77, Fn. 25); auch M. Herdegen/Th. Rensmann, Die neuen Konturen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, ZHR 161 (1997), S. 522 (539); ähnlich auch H. D. Jarass, Haftung für die Verletzung von EU-Recht durch nationale Organe und Amtsträger, NJW 1994, S. 881 (883), der darauf hinweist, „daß der EuGH mit der Zuerkennung von subjektiven Rechten Dritter großzügiger (verfahre), als dies bei vergleichbaren Regelungen in Deutschland“ geschehe. 310

Vgl. EuGH v. 26.3.1996 – Rs. C-392/93 (British Telecommunications/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-1631 (I-1668, Rn. 39); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4878 f., Rn. 21); EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2613, Rn. 14); EuGH v. 22.4.1997 – Rs. C-66/95 (Sutton), Slg. 1997, I-2163 (I-2191, Rn. 32); EuGH v. 10.7.1997 – verb. Rs. C-94/95 u. C-95/95 (Danila Bonifaci u. a. und Wanda Berto u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-3969 (I-4021, Rn. 47); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani/Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-4025 (I-4046, Rn. 25); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-373/95 (Federica Maso u. a. und Graziano Gazetta u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS] und Italienische Republik), Slg. 1997, I-4051 (I-4073, Rn. 35). 311 EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4879, Rn. 25).

230

7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

zu wählen hatte und über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Ermessensspielraum verfügte“312. Drittens muß zwischen diesem Verstoß und dem dem Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen.313 Nicht minder bedeutsam ist aber auch die Feststellung, welche Voraussetzungen für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vorliegen müssen:314 So ist weder eine Verurteilung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 f. EGV315 _____________ 312

EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2613, Rn. 28). 313 Vgl. EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5415, Rn. 40); seither st. Rspr., vgl. EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 (I-3357, Rn. 26); EuGH v. 26.3.1996 – Rs. C-392/93 (British Telecommunications/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-1631 (I-1667, Rn. 39); EuGH v. 23.5.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 (I-2613, Rn. 25); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4878 f., Rn. 21); EuGH v. 22.4.1997 – Rs. C-66/95 (Sutton), Slg. 1997, I-2163 (I-2191, Rn. 32); EuGH v. 10.7.1997 – verb. Rs. C-94/95 u. C-95/95 (Danila Bonifaci u. a. und Wanda Berto u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-3969 (I-4021, Rn. 47); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani/Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-4025 (I-4046, Rn. 25); EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-373/95 (Federica Maso u. a. und Graziano Gazetta u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS] und Italienische Republik), Slg. 1997, I-4051 (I-4073, Rn. 35); EuGH v. 2.4.1998 – Rs. C-127/95 (Norbrook Laboratories), Slg. 1998, I-1531 (I-1599, Rn. 107). 314 Vgl. F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (996). 315 Siehe EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1159 f., Rn. 95 f.); ebenso EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u .a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4880, Rn. 28); so schon F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (996); M. Nettesheim, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Staatshaftungsrecht, DÖV 1992, S. 999 (1001); G. Buschhaus, Das „Francovich-Urteil“ des EuGH, JA 1992, S. 142 (146); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, EG-Richtlinien: Haftung der Mitgliedstaaten für vertragswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (86); D. Ewert, Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik bei Verletzung des europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 1993, S. 881 (885); S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (201); H. D. Jarass, Haftung für die Verletzung von EU-Recht durch nationale Organe und Amtsträger, NJW 1994, S. 881 (882); S. Kopp, Staatshaftung wegen Verletzung von Gemeinschaftsrecht, DÖV 1994, S. 201 (204); J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 285 f.; A. Furrer/A. Epiney, Staatliche Haftung für quantifizierbare Wettbewerbsnachteile aus nicht umgesetzten Richtlinien, JZ 1995, S. 1025 (1028, Fn. 31); Ch. Henrichs, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verlet-

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

231

noch ein Verschulden des staatlichen Amtsträgers, dem der Verstoß zuzurechnen ist, erforderlich.316 Letzteres schließt aber nicht aus, daß der Gesichtspunkt des Verschuldens bei der Frage, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt, von Bedeutung ist. 317 Während der Entschädigungsanspruch des einzelnen „unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründet ist“, hat der gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Mitgliedstaat „die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben.“318 Letzteres begründet der Gerichtshof wie folgt: _____________ zung von Gemeinschaftsrecht, 1995, S. 72 f.; U. Diehr, Der Staatshaftungsanspruch des Bürgers wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die öffentliche Gewalt, 1997, S. 123 f.; i. d. S. auch D. Triantafyllou, Haftung der Mitgliedstaaten für Nichtumsetzung von EG-Recht, DÖV 1992, S. 564 (567); differenzierend J. Geiger, Die Entwicklung eines europäischen Staatshaftungsrechts, DVBl. 1993, S. 465 (469), die ein Vertragsverletzungsurteil nach Art. 226 f. EGV als Voraussetzung für die Staatshaftung von der Art des Gemeinschaftsrechtsverstoßes abhängig macht, wobei sie aber zumindest im Falle der nicht fristgemäßen Umsetzung einer Richtlinie ein solches für überflüssig erachtet. 316 Siehe EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1156, Rn. 79); EuGH v. 8.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 (I-4880, Rn. 28); so schon F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (996); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (87); M. Nettesheim, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Staatshaftungsrecht, DÖV 1992, S. 999 (1001 f.); E. R. Führich, Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung wegen verspäteter Umsetzung der EG-Pauschalreise-Richtlinie, EuZW 1993, S. 725 (726 f.); H.-J. Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118 (123); S. Leible/O. Sosnitza, „MP Travel Line“, EG-Recht und Staatshaftung, MDR 1993, S. 1159 (1161 f.); D. Ewert, Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik bei Verletzung des europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 1993, S. 881 (884); S. Kopp, Staatshaftung wegen Verletzung von Gemeinschaftsrecht, DÖV 1994, S. 201 (204); Ch. Henrichs, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verletzung von Gemeinschaftsrecht, 1995, S. 69 ff.; i. d. S. auch R. Streinz, Auswirkungen des vom EuGH „ausgelegten“ Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Recht, Jura 1995, S. 6 (12); K. Hailbronner, Staatshaftung bei säumiger Umsetzung von EG-Richtlinien, JZ 1992, S. 284 (288 f.); U. Diehr, Der Staatshaftungsanspruch des Bürgers wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die öffentliche Gewalt, 1997, S. 116 ff.; a. A. S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (189). 317 So EuGH v. 5.3.1996 – verb. Rs.. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 (I-1155 f., Rn. 78). 318 EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs.. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5415, Rn. 42); dazu auch L. Clausen/L. Eck, Staatshaftung nach Francovich: § 839 BGB auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts, JA 1993, S. 329 (335), die davon sprechen, daß die Mitgliedstaaten „prozessuale Autonomie“ besäßen.

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

„Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es nämlich Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen.“319

Hinsichtlich der Verfolgung dieses Entschädigungsanspruchs im Rahmen des nationalen Haftungsrechts stellt der Gerichtshof aber folgende Anforderungen: „Auch dürfen die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und sie dürfen nicht so ausgestaltet sein, daß sie es praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen.“320

Auf die Ausgestaltung und die Realisierung dieses unmittelbar im Gemeinschaftsrechts begründeten Schadensersatzspruchs auf Ebene der Mitgliedstaaten – in Deutschland kommt hier insbesondere ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG in Betracht – und die hiermit einhergehenden weitreichenden Folgen für das nationale Staatshaftungsrecht kann jedoch, um den Umfang der vorliegenden Abhandlung nicht zu sprengen, nicht näher eingegangen werden.321 _____________ 319 EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs.. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5415 f., Rn. 42). 320 EuGH v. 19.1.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 (I-5416, Rn. 43). 321 Vgl. hierzu etwa – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – aus dem deutschsprachigen Bereich S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (92 ff.); D. Triantafyllou, Haftung der Mitgliedstaaten für Nichtumsetzung von EG-Recht, DÖV 1992, S. 564 (569 ff.); D. Ewert, Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik bei Verletzung des europäischen Gemeinschaftsrechts, RIW 1993, S. 881 (885 ff.); S. Leible/O. Sosnitza, „MP Travel Line“, EG-Recht und Staatshaftung, MDR 1993, S. 1159 (1160 ff.); M. Schimke, Zur Haftung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Bürgern wegen Nichtumsetzung der EGRichtlinie über Pauschalreisen, EuZW 1993, S. 698 (700 ff.); J. Geiger, Die Entwicklung eines europäischen Staatshaftungsrechts, DVBl. 1993, S. 465 (471 ff.); S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (162 ff.); R. Wittkowski, Der „MP Travel Line“-Konkurs im Lichte der „Francovich-Rechtsprechung“ des EuGH, NVwZ 1994, S. 326 (329 ff.); M. Gellermann, Staatshaftung und Gemeinschaftsrecht, EuR 1994, S. 342 (353 ff.); R. Streinz, Auswirkungen des vom EuGH „ausgelegten“ Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Recht, Jura 1995, S. 6 (6 ff.); M. Herdegen/ Th. Rensmann, Die neuen Konturen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, ZHR 161 (1997), S. 522 (550 ff.); Ch. Palme, Staatshaftung wegen Nichtumsetzung des europäischen Gentechnikrechts, EuZW 2005, S. 109 (111 ff.); S. Alber, Mitgliedstaatliche Haftung bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts, in: FS für G. C. Rodríguez Iglesias, 2003, S. 295 (301 f.); dazu auch U. Kischel, Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung zwischen Europarecht und nationaler Rechtsordnung, EuR 2005, S. 441 (441 ff.); siehe ferner C. Albers,

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

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3. Auslegung im engeren Sinne, richterliche Rechtsfortbildung oder Rechtsschöpfung? Mit seinem „bahnbrechenden“322 „Francovich“-Urteil ist der Gerichtshof im Schrifttum auf ein geteiltes Echo gestoßen: Während das Staatshaftungsurteil einerseits als „Lehrstück zum Europarecht“323 und „Markstein der richterlichen Rechtsfortbildung“324 gepriesen wird, stößt es andererseits auf vehementen Widerspruch, der sich auf den Vorwurf gründet, der Gerichtshof habe mit dieser Entscheidung seine Befugnisse überschritten. 325 Daher soll im folgenden der _____________ Die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für die Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, 1995, S. 184 ff.; Ch. Henrichs, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verletzung von Gemeinschaftsrecht, 1995, S. 141 ff.; M. Zenner, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für die Anwendung europarechtswidriger Rechtsnormen, 1995, S. 77 ff., 190 ff.; S. Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkung auf das deutsche Staatshaftungsrecht, 1997, S. 143 ff.; U. Diehr, Der Staatshaftungsanspruch des Bürgers wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die öffentliche Gewalt, 1997, S. 141 ff.; Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 144 ff.; J. W. Hidien, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der EU-Mitgliedstaaten, 1999, S. 68 ff.; Der einheitliche gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch in Deutschland als Teil des Europäischen Verwaltungsrechts, 2001, S. 95 ff.; K. Lembach, Grundlagen und Ausgestaltung gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung, 2003, S. 207 ff.; H. Bertelmann, Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, 2005, S. 193 ff. 322 P. Badura, Staatsrecht − Systematische Erläuterungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, 2003, D Rn. 68; ebenso S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, EG-Richtlinien: Haftung der Mitgliedstaaten für vertragswidriges Verhalten, RIW 1992, S. 411 (411); S. Oehlert, Harmonisierung durch EG-Richtlinien: Kompetenzen. Legitimation, Effektivität, JuS 1997, S. 317 (318 f.); U. Everling, Francovich – Zweite Runde, EuZW 1995, S. 33 (33); Th. Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 26; F. Graf von Westphalen, Staatshaftung bei Nichtdurchführung einer EG-Richtlinie, EWS 1993, S. 269 (269), spricht davon, daß eine „neue Kategorie von Staatshaftung“ geschaffen worden sei; auch F. Ossenbühl, Staatshaftung zwischen Europarecht und nationalem Recht, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1031 (1047), der ausführt, „daß das Francovich-Urteil geeignet (sei), Erdbewegungen nicht vorhergesehenen Ausmaßes nicht nur im Gemeinschaftsrecht, sondern auch in den nationalen Verwaltungsrechtsordnungen auszulösen.“ 323 Ch. Tomuschat, Das Francovich-Urteil des EuGH − Ein Lehrstück zum Europarecht, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1585 (1585). 324 G. C. Rodríguez Iglesias, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als Verfassungsgericht, EuR 1992, S. 225 (239); ganz i. d. S. auch Ch. Tomuschat, Das Francovich-Urteil des EuGH − Ein Lehrstück zum Europarecht, in: FS für U. Everling, Bd. 2, 1995, S. 1585 (1585), der von einem „Meilenstein der Rechtsentwicklung“ spricht; dem Gerichtshof zust. auch M. W. Huff, Francovich oder was hat der Bürger von der Gemeinschaft?, EuZW 1995, 161 (161). 325 Vgl. etwa J. Karl, Die Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts, RIW 1992, S. 440 (444 ff.); V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (213 f.); auch M. Cornils, Der gemeinschaftsrecht-

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Frage nachgegangen werden, ob sich die Rechtsprechung zum gemeinschaftsrechtlichen Entschädigungsanspruch noch im Rahmen der Kompetenzen des Gerichtshofs bewegt. Als zulässig wäre die europarechtliche Staatshaftung zu beurteilen, wenn sie als Auslegung i. e. S.326 oder als richterliche Rechtsfortbildung327 durch den Gerichtshof angesehen werden könnte.

a) Auslegung im engeren Sinne Die Römischen Verträge selbst enthalten über eine Haftung der Mitgliedstaaten im Falle einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts, wie der nicht ord_____________ liche Staatshaftungsanspruch, 1995, S. 267 ff., insb. S. 317 f.; J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 312 ff., insb. S. 333 f.; deutlich F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (993 ff.), der ausführt, daß „der EuGH in freier Rechtsschöpfung eine neuartige Form der Staatshaftung geschaffen“ (S. 993) habe, diese „Rechtsschöpfung in ihrer reinsten Form“ (S. 995) sei „nicht das Ergebnis eines Judikates …, sondern ein überraschender dezisionärer Kraftakt, der seine Legitimation und Überzeugungskraft nicht aus dem Scharfsinn und der Plausibilität rechtlicher Deduktion … bezieh(e)“ (S. 997), so daß „es nicht verwunderlich (sei), daß das Gericht den nationalen Gesetzgebern und Gerichten einen unausgegorenen und unausgebrüteten Gedanken ins Nest gelegt ha(be) mit der Aufforderung, daraus etwas juristisch Substantielles und Praktikables zu machen“ (S. 997); ebenso H.-F. Lange, Staatshaftung wegen Verletzung europäischen Mehrwertsteuerrechts, UR 2006, S. 67 (67); auch Th. von Danwitz, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten, DVBl. 1997, S. 1 (3), der davon spricht, „daß die europäische Staatshaftung der Mitgliedstaaten auf schlichter Dezision beruh(e), die der Gerichtshof im Wege einer autonomen Bewertung der ihm unzureichend erscheinenden Effektivität des gemeinschaftsrechtlichen Sanktionssystems gewonnen ha(be)“; ganz i. d. S. auch R. Mögele, Grundzüge der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften, BayVBl. 1993, S. 129 (132); S. Hölscheidt, Zwangsgelder gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Nichtbeachtung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, BayVBl. 1997, S. 459 (462); klar auch W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (740 f.), der betont, daß der EuGH mit dem FrancovichUrteil seine Kompetenzen überschritten habe, so daß diese Entscheidung nichtig sei; ders., Der Europäische Gerichtshof zwischen Rechtsprechung und Rechtsetzung, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 205 (220); H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (439); krit. äußert sich auch H.-J. Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118 (125), wonach mit dem Staatshaftungsurteil „die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung … erreicht, wenn nicht überschritten“ seien; ebenso zweifelnd M. Nettesheim, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Staatshaftungsrecht, DÖV 1992, S. 999 (1000); auch U. Häde, Staatshaftung für legislatives Unterlassen, BayVBl. 1992, S. 449 (455). 326 Zur Auslegung i. e. S. siehe näher 7. Teil, II. 9. b) aa), S. 220 f. 327 Zur richterlichen Rechtsfortbildung siehe näher 7. Teil, II. 9. b) bb), S. 221 ff.

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

235

nungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien, keinerlei Bestimmungen.328 Die Regelung des Art. 288 Abs. 2 EGV begründet lediglich eine Haftung der Gemeinschaft, nicht aber eine solche der Mitgliedstaaten. 329 Auch die in Art. 10 EGV verankerte Pflicht zur Gemeinschaftstreue könnte allenfalls ergänzend, wie dies auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geschieht, 330 nicht aber allein für sich genommen zur Begründung eines gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs herangezogen werden.331 Schließlich lassen sich die Staatshaftungsansprüche auch nicht auf Art. 228 EGV stützen,332 da dieser keine sekundären Ersatzansprüche gewährt333 und eine Anwendung des Art. 228 EGV als Anspruchsgrundlage eine rechtskräftige Verurteilung des entsprechenden Mitgliedstaates im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 f. _____________ 328 Vgl. etwa H. G. Fischer, Staatshaftung nach Gemeinschaftsrecht, EuZW 1992, S. 41 (42); ebenso S. U. Pieper, Mitgliedstaatliche Haftung für die Nichtbeachtung von Gemeinschaftsrecht, NJW 1992, S. 2454 (2455); M. Nettesheim, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für das deutsche Staatshaftungsrecht, DÖV 1992, S. 999 (1000); auch J. Karl, Die Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts, RIW 1992, S. 440 (444); U. Häde, Staatshaftung für legislatives Unterlassen, BayVBl. 1992, S. 449 (455); M. Gellermann, Staatshaftung und Gemeinschaftsrecht, EuR 1994, S. 342 (344); S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (178); M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, S. 1 (6); A. Martin-Ehlers, Grundlagen einer gemeinschaftsrechtlich entwickelten Staatshaftung, EuR 1996, S. 376 (379). 329 Siehe S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (178); ebenso H.-J. Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118 (119); L. Clausen/L. Eck, Staatshaftung nach Francovich: § 839 BGB auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts, JA 1993, S. 329 (332); R. Streinz, Anmerkung zu dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Brasserie du Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 (202); i. d. S. auch Th. von Danwitz, Die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung der Mitgliedstaaten, DVBl. 1997, S. 1 (2 f.). 330 Vgl. K. Hailbronner, Staatshaftung bei säumiger Umsetzung von EG-Richtlinien, JZ 1992, S. 284 (286), der der zusätzlichen Heranziehung von Art. 10 EGV „eher unterstützende Funktion“ beimißt; i. d. S. auch F. Schockweiler, Die Haftung der Mitgliedstaaten bei vertragswidrigem Verhalten, 1993, S. 8, der hervorhebt, daß der Hinweis auf Art. 10 EGV „eher als nebensächlich“ erscheint; dazu auch S. 156 f. 331 Vgl. S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (181); auch W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (741). 332 Vgl. dazu aber Schlußanträge des GA J. Mischo v. 28.5.1991 in der verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5370 (I-5390 ff., Rn. 57 ff.). 333 Siehe P. Karpenstein/U. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 228 Rn. 15; auch S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (178 f.).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

EGV voraussetzen würde, 334 was jedoch der Gerichtshof gerade nicht fordert.335 Eine Auslegung i. e. S. scheidet angesichts einer fehlenden vertraglichen Bestimmung, welche eine Haftung der Mitgliedstaaten im Rahmen ihres möglichen sprachlichen Wortsinns gegenüber den einzelnen begründen könnte, aus.

b) Richterliche Rechtsfortbildung Der gemeinschaftsrechtliche Schadensersatzanspruch wäre jedoch auch dann zulässig, wenn der Gerichtshof ihn im Wege richterlicher − gesetzesimmanenter oder gesetzesübersteigender − Rechtsfortbildung geschaffen hätte. 336 So läge eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung vor, wenn der Gerichtshof mit seinem Staatshaftungsurteil eine planwidrige Gesetzeslücke geschlossen hätte. Zwar enthalten die Gemeinschaftsverträge keine Regelung zur Haftung der Mitgliedstaaten gegenüber einzelnen, doch stellt nicht jedes Schweigen des Gesetzes zwangsläufig eine planwidrige Gesetzeslücke dar.337 Vielmehr ist eine Unvollständigkeit des Gesetzes nur dann planwidrig, wenn nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht des Gesetzes eine Regelung dieses Falles zu erwarten ist,338 d. h., es muß davon ausgegangen werden können, daß der Gesetzgeber eine entsprechende Regelung zur Ausfüllung der Lücke getroffen hätte, wenn er sich ihrer bewußt gewesen wäre. 339 Eine derartige ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke stellt die in den Römischen Verträgen fehlende Regelung der mitgliedstaatlichen Haftung aber nicht dar,340 denn einen solchen Schadensersatzanspruch wollten die Mitgliedstaaten gerade nicht und nahmen daher eine entsprechende Bestimmung auch nicht in die vorgenannten Gemeinschaftsverträge auf.341 _____________ 334 So auch H.-J. Prieß, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, NVwZ 1993, S. 118 (120); S. Detterbeck, Staatshaftung für die Mißachtung von EG-Recht, VerwArch 85 (1994), S. 159 (178). 335 Dazu 7. Teil, III. 2., S. 230 f. m. N. 336 Zur richterlichen Rechtsfortbildung siehe ausführlich 7. Teil, II. 9. b) bb), S. 221 ff. 337 Vgl. K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 370 f.; ebenso F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (995). 338 Siehe K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 373. 339 Auch F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (995). 340 So aber statt vieler M. Gellermann, Staatshaftung und Gemeinschaftsrecht, EuR 1994, S. 342 (352). 341 Siehe V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (213); S. Schlemmer-Schulte/J. Ukrow, Haftung des Staates gegenüber dem Marktbürger für gemeinschaftswidriges Verhalten, EuR 1992, S. 82 (90); J. Karl, Die Schadensersatz-

III. Gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

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Hierfür lassen sich mehrere Belege anführen: So ist im Falle einer Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats als vertragliche Sanktion die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 f. EGV vorgesehen; nach Art. 228 Abs. 1 EGV hat der verurteilte Mitgliedstaat die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Demzufolge erkannten die Väter der Römischen Verträge durchaus die Problematik möglicher Vertragsverletzungen;342 sie waren sich jedoch auch bewußt, daß selbst das Vertragsverletzungsurteil von dem verurteilten Mitgliedstaat mißachtet werden kann, wie sich Art. 228 Abs. 2 EGV entnehmen läßt, wonach die Kommission erneut den Gerichtshof anrufen kann. Anders als noch in Art. 88 Abs. 3 EGKSV, der Sanktionen gegenüber den vertragsbrüchigen Mitgliedstaaten ausdrücklich vorgesehen hatte, entschieden sich die Vertragsschöpfer, von weitergehenden Sanktionen, also auch von einer mitgliedstaatlichen Schadensersatzpflicht, abzusehen.343 Selbst als Art. 228 EGV durch den EUV abgeändert wurde, fügten die Mitgliedstaaten lediglich die Verhängung eines Zwangsgelds oder eines Pauschalbetrags ein und brachten damit ihre Absicht „offen zu Tage, im Wege der Vertragsänderung als Sanktion keinen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch einzuführen.“344 Endlich zeigt auch Art. 288 Abs. 2 EGV, daß die Vertragsschöpfer sehr wohl an Schadensersatzansprüche dachten, diese aber auf die Gemeinschaft beschränkten, was nur bedeuten kann, daß sie eine Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten nicht wollten.345 _____________ pflicht der Mitgliedstaaten bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts, RIW 1992, S. 440 (445); W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (740); i. d. S. auch F. Ossenbühl, Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch, DVBl. 1992, S. 993 (995); krit. auch R. Streinz, Auswirkungen des vom EuGH „ausgelegten“ Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Recht, Jura 1995, S. 6 (9), nach dem „das Problem (sc. des Staatshaftungsanspruchs) [Anm. d Verf.] vielmehr darin (liege), ob man den EuGH für berechtigt hält, (bewußte?) Regelungsdefizite des EGV als ,Lücken‘ anzusehen, die zu schließen er berufen ist.“ 342 So auch W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (740). 343 So J. Karl, Die Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts, RIW 1992, S. 440 (445); ebenso C. Th. Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG), S. 107; auch W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (740); ganz i. d. S. auch J. Ukrow, Richterliche Rechtsfortbildung durch den EuGH, 1995, S. 312; a. A. M. Gellermann, Staatshaftung und Gemeinschaftsrecht, EuR 1994, S. 342 (352); krit. auch A. Martin-Ehlers, Grundlagen einer gemeinschaftsrechtlich entwickelten Staatshaftung, EuR 1996, S. 376 (394). 344 W. Dänzer-Vanotti, Der Europäische Gerichtshof zwischen Rechtsprechung und Rechtsetzung, in: FS für U. Everling, Bd. 1, 1995, S. 205 (220). 345 So auch W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (740).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Stellt die fehlende Regelung der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung demnach ein bewußt in Kauf genommenes Regelungsdefizit der Römischen Verträge dar, so scheidet eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung mangels planwidriger Gesetzeslücke zwangsläufig aus. Letztlich wäre die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur mitgliedstaatlichen Schadensersatzpflicht nur dann als zulässig anzusehen, wenn sie sich als gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung erwiese. Aber auch eine solche läßt sich nicht rechtfertigen, da das Sanktionsdefizit der Römischen Verträge, wie schon bei der Direktwirkung von Richtlinien,346 keinen besonders schwerwiegenden Grund darstellt, der eine Rechtsfortbildung gegen den gesetzgeberischen Plan erforderlich erscheinen ließe,347 wie er im Falle einer ernstlichen Gefährdung des Funktionierens der Gemeinschaft gegeben wäre.348

c) Rechtsschöpfung Der Gerichtshof betreibt mit seinem Staatshaftungsurteil, wie Wolfgang Dänzer-Vanotti zutreffend ausführt, „in unzulässiger Weise Rechtspolitik“ 349, denn seine Entscheidung ist allein mit rechtlichen Gründen nicht mehr begründbar.350 _____________ 346

Siehe dazu 7. Teil, II. 9. b) bb), S. 222. Ganz so J. Karl, Die Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts, RIW 1992, S. 440 (444 f.); W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (741); i. d. S. auch V. Nessler, Richterrecht wandelt EG-Richtlinien, RIW 1993, S. 206 (214), der betont, „daß der EuGH mit dem Urteil ,Francovich/Bonifaci‘ ohne Not in den Gestaltungsspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers eingegriffen“ habe; ähnlich H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (439), der „eine Lücke im Vertrag im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Regelungswerkes“, die durch den Gerichtshof geschlossen werden dürfte, ablehnt, „da dieses Regelungsdefizit des EWG/EG-Vertrages von den Mitgliedstaaten hingenommen“ werde. 348 Siehe W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (736). 349 W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (741). 350 I. d. S. wohl auch D.-E. Khan, Staatshaftung für verpfuschten Urlaub?, NJW 1993, S. 2646 (2648), der von „Rechtsfortbildung, um nicht zu sagen Rechtsschöpfung“ spricht; vgl. auch M. Herdegen/Th. Rensmann, Die neuen Konturen der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung, ZHR 161 (1997), S. 522 (533), die ausführen: „Mit guten Gründen läßt sich argumentieren, daß der Gerichtshof mit dieser kühnen Rechtsfortbildung in Francovich und Brasserie du Pêcheur seine Kompetenzen überschritten habe.“ 347

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen

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Es handelt sich statt dessen vielmehr um „Fragen der Zweckmäßigkeit“ 351, die einer detaillierten Regelung bedürfen. Dies ist jedoch grundsätzlich Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers,352 also der Mitgliedstaaten als „Herren der Gemeinschaftsverträge“353. Soweit Dirk Ehlers ausführt, daß im Falle eines Schweigens des „Gemeinschaftsgesetzgeber(s) (sc. zur Staatshaftung) [Anm. d. Verf.], … es Aufgabe des EuGH (sei), im Wege der Rechtsfortbildung diejenigen Festsetzungen zu treffen, welche die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts sicherstell(t)en“354, muß dem vehement widersprochen werden, denn der Gerichtshof ist, wie bereits dargelegt,355 kein Ersatzgesetzgeber und darf es auch nicht sein. Es kann somit festgehalten werden, daß ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch weder im Wege einer Auslegung i. e. S. noch einer richterlichen Rechtsfortbildung durch den Gerichtshof begründet werden kann. Daher hat der Gerichtshof, indem er rechtsschöpferisch tätig geworden ist, seine ihm vertraglich zugewiesenen Kompetenzen überschritten.

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen 1. Gegenstand und Problematik der sog. Emmott’schen Fristenhemmung Nur wenige Monate nachdem der Gerichtshof durch sein Francovich-Urteil einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch der Mitgliedstaaten bei nicht ordnungsgemäßer Umsetzung von Richtlinien begründet hat,356 entschied dieser in der Rechtssache „Emmott“, „daß sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein einzelner zum Schutz der ihm durch die Bestimmungen dieser Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, und daß eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnt.“357

_____________ 351

K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 427. Ganz i. d. S. W. Dänzer-Vanotti, Unzulässige Rechtsfortbildung des Europäischen Gerichtshofs, RIW 1992, S. 733 (741). 353 BVerfGE 75, 223 [242]. 354 D. Ehlers, Die Weiterentwicklung des Staatshaftungsrechts durch das europäische Gemeinschaftsrecht, JZ 1996, S. 776 (777). 355 Siehe ausführlich 7. Teil, II. 9. b) cc), S. 224. 356 Siehe dazu 7. Teil, III., S. 225 ff. 352

357

EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 (Emmott), Slg. 1991, I-4269 (I-4299, Rn. 23).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

Der Gerichtshof begründete diesen Mechanismus, der seither in Rechtsprechung358 und Schrifttum359 vielfach als sog. „Emmott’sche Fristenhemmung“ bezeichnet wurde, wie folgt: Zunächst geht der Gerichtshof von seiner ständigen Rechtsprechung360 aus, wonach sich die Verfahrensmodalitäten für Klagen mangels Gemeinschaftsregelung nach den nationalen Verfahrensordnungen bestimmen, sofern das nationale Prozeßrecht zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht ungünstiger ausgestaltet ist als für rein innerstaatliche Klagen (sog. Diskriminierungsverbot361 bzw. Äquivalenzprinzip362) und darüber hinaus die _____________ 358 Vgl. etwa BFHE 179, 563 [566]; BFH v. 15.09.2004 – I R 83/04, BFH/NV 2005, S. 229 (230), Niedersächsisches FG, Urteil v. 30.06.2005, EFG 2005, 1732 (1732). 359 Vgl. etwa A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (421, 425 f., 432); K. Eicker/Th. Ketteler, Die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Steuerrecht am Beispiel der Rs. Manninen und die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft, BB 2005, S. 131 (133); K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (404, 412); D. Gosch, Nochmals: Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 413 (413); U. Forsthoff, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von Urteilen des EuGH, DStR 2005, S. 1840 (1841); R. Hamacher/ K. D. Hahne, Aspekte der Anrechnung von Körperschaftsteuern auf ausländische Dividendenerträge, DB 2004, S. 2386 (2388); auch M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 109; ders., Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 13.1.2004 – C-453/00, JZ 2004, S. 620 (621); E. Sperlich, Von Emmott bis Fantask, ÖJZ 2001, S. 121 (121 f.); J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (911); S. Müller-Franken, Gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung, richtlinienkonforme Auslegung und Bestandskraft von Verwaltungsakten, DVBl. 1998, S. 758 (759); W. Ch. Lohse, Anmerkung (zu den Leitsätzen 3 und 4) des EuGH-Urteils vom 6.7.1995 – Rs. XC-62/93: Gemeinschaftskonforme Bestandskraft von USt-Bescheiden mit richtlinienwidrigem Inhalt, UR 1995, S. 408 (408); H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (549).

360

Grundlegend EuGH v. 16.12.1976 – Rs. 33/76 (Rewe/Landwirtschaftskammer Saarland), Slg. 1976, 1989 (1998 Rn. 5); EuGH v. 16.12.1976 – Rs. 45/76 (Comet/Produktschap voor Siergewasser), Slg. 1976, 2043 (2053, Rn. 11/18); auch EuGH 14.12.1995 – Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599 (I-4621, Rn. 12), u. s. w. 361 Vgl. J. Gundel, Bootsliegeplatz-Privilegien für Einheimische: Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und Durchbrechung der nationalen Bestandskraft-Regeln?, EuR 1999, S. 781 (786); ganz i. d. S. auch M. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EGV, Art. 249 Rn. 109; siehe auch FG Baden-Württemberg, Urteil v. 4.2.2005, EFG 2005, S. 910 (910), das vom „Grundsatz der Gleichwertigkeit“ spricht; ebenso Niedersächsisches FG, Urteil v. 30.06.2005, EFG 2005, S. 1732 (1733). 362 Vgl. K. Eicker/Th. Ketteler, Die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Steuerrecht am Beispiel der Rs. Manninen und die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft, BB 2005, S. 131 (132); M. Potacs, Bestandskraft staatlicher Verwaltungsakte oder Effektivität des Gemeinschaftsrechts?, EuR 2004, S. 595 (597); K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (405); ganz i. d. S. auch B. Meyer, Anmerkung zum Urteil

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen

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Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte, nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert (sog. Effizienzgebot363). Sodann stellt er fest, daß die Festsetzung angemessener Fristen, nach deren Ablauf Klagen nicht mehr zulässig sind, grundsätzlich den vorgenannten Voraussetzungen des Diskriminierungsverbots und des Effizienzgebots genügen.364 Dabei könne jedoch nicht die besondere Natur der Richtlinien unberücksichtigt bleiben, wonach die Mitgliedstaaten für eine ordnungsgemäße Umsetzung in innerstaatliches Recht in hinreichend bestimmter und klarer Weise Sorge zu tragen haben, mit der Folge, daß, solange eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt ist, die einzelnen nicht in die Lage versetzt worden sind, in vollem Umfang von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen.365 Dieser Zustand der Rechtunsicherheit werde erst durch die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie beendet; erst dann sei die Rechtssicherheit geschaffen, die erforderlich sei, um von den einzelnen verlangen zu können, daß sie ihre Rechte geltend machen.366 Mit der Emmott’schen Fristenhemmung hat der Gerichtshof neben der Direktwirkung von Richtlinien und dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch eine dritte Sanktionskategorie im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien geschaffen,367 deren Bedeutung im Schrifttum äu_____________ des FG Baden-Württemberg vom 4.2.2005 – 9 K 198/02 (Rev. eingelegt; Az. des BFH: V R 28/05), EFG 2005, S. 911 (911); auch B. Balster/A. Petereit, Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Manninen“ trotz Bestandskraft, DStR 2004, S. 1985 (1988). 363

Vgl. J. Gundel, Bootsliegeplatz-Privilegien für Einheimische: Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und Durchbrechung der nationalen Bestandskraft-Regeln?, EuR 1999, S. 781 (786); K. Eicker/Th. Ketteler, Die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Steuerrecht am Beispiel der Rs. Manninen und die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft, BB 2005, S. 131 (132); auch B. Meyer, Anmerkung zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4.2.2005 – 9 K 198/02 (rev. eingelegt; Az. des BFH: V R 28/05), EFG 2005, S. 911 (911), der von „Effektivitätsgrundsatz“ spricht; ganz i. d. S. auch K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (405); M. Potacs, Bestandskraft staatlicher Verwaltungsakte oder Effektivität des Gemeinschaftsrechts?, EuR 2004, S. 595 (597). 364 Vgl. EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 (Emmott), Slg. 1991, I-4269 (I-4298, Rn. 16 f.). 365 Vgl. EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 (Emmott), Slg. 1991, I-4269 (I-4298 f., Rn. 17 ff.). 366

Vgl. EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 (Emmott), Slg. 1991, I-4269 (I-4299, Rn. 22). 367 Siehe W. Ch. Lohse, Europäische Lücken in der Bestandskraft von UmsatzsteuerBescheiden?, UR 1993, S. 288 (288); ebenso H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

ßerst ambivalent beurteilt wird. So ist einerseits von einer „in Wahrheit kaum spektakulären Entscheidung“368 die Rede, andererseits wird von einer streitig gewordenen Rechtsfrage gesprochen, „die in ihrer allgemeinen Bedeutung für das Verhältnis des deutschen Verwaltungsrechts zum Recht der Europäischen Gemeinschaft … kaum überschätzt werden kann.“369 Jene ambivalente Beurteilung liegt wohl nicht zuletzt daran, daß die Reichweite dieses „Sonderrecht(s) für EG-Richtlinien“370 bislang noch weitgehend ungeklärt ist:371 Während die Rechtssache „Emmott“ allein die Hemmung der Klagefrist betrifft, erachtet das Schrifttum diese Entscheidung für Rechtsbehelfsfristen allgemein 372 sowie darüber hinaus auch für Verjährungsfristen für anwendbar. 373 In der Literatur wird teilweise sogar noch weitergehend vertreten, daß eine mögliche Durchbrechung der Bestandskraft von Verwaltungsakten konsequenterweise auch eine entsprechende Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen bedeuten müsse.374 Unklar bleibt auch, ob diese gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung, wie dies der Bundesfinanzhof375 und die wohl h. L.376 annehmen, auf _____________ Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436); auch H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (543, 547 f.). 368 W. Reiß, Die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von EG-Steuerrichtlinien und ihre Folgen, StuW 1994, S. 323 (329). 369 S. Müller-Franken, Gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung, richtlinienkonforme Auslegung und Bestandskraft von Verwaltungsakten, DVBl. 1998, S. 758 (759). 370 J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (911); ganz i. d. S. auch H.-W. Rengeling/A. Middeke/M. Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rn. 1097. 371 Vgl. R. Hamacher/K. D. Hahne, Aspekte der Anrechnung von Körperschaftsteuern auf ausländische Dividendenerträge, DB 2004, S. 2386 (2388); auch A. Rainer, Behaltefreist und Quellensteuerreduzierung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie, EWS 1995, S. 137 (138, Fn. 25). 372 Vgl. H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (549). 373 Vgl. etwa H. Friedl, Auswirkungen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der 6. EGRichtlinie auf Bestandskraft und Festsetzungsfrist bei der Umsatzsteuer, UR 1993, S. 114 (116); W. Ch. Lohse, Europäische Lücken in der Bestandskraft von Umsatzsteuer-Bescheiden?, UR 1993, S. 288 (289); dazu auch B. Meyer, Anmerkung zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 4.2.2005 – 9 K 198/02 (rev. eingelegt; Az. des BFH: V R 28/05), EFG 2005, S. 911 (911). 374 Siehe H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436). 375 Vgl. BFHE 179, 563 [568]. 376 So dezidiert W. Reiß, Die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von EG-Steuerrichtlinien und ihre Folgen, StuW 1994, S. 323 (329 f.); differenzierend S. Müller-Franken,

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen

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den Fall der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien beschränkt ist, oder ob, wie von einigen Stimmen in der Literatur 377 vertreten, die Entscheidung auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung ordnungsgemäß umgesetzten mitgliedstaatlichen Rechts Anwendung finden muß. In Anbetracht der Unsicherheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Emmott-Rechtsprechung vermag es kaum zu verwundern, daß diese Entscheidung im Schrifttum ebenso Zustimmung378 wie Kritik379 erfahren hat. So wird die Emmott’sche Fristenhemmung etwa deshalb bejaht, weil sie „ein ergänzender und folgerichtiger Ausbau der Durchsetzung des Vorrangs vom Gemeinschaftsrecht gegenüber dem nationalen Recht“380 sei. Daher könne auch keine Rede davon sein, daß der Gerichtshof in der Rechtssache Emmott die ihm zustehenden Befugnisse aufgrund Art. 234 i. V. m. Art. 249 Abs. 3 EGV überschritten habe.381 Auch habe der Gerichtshof mit der Entscheidung „Emmott“ nicht nur ein im konkreten Rechtsstreit gegebenen Verstoß gegen den Grund_____________ Gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung, richtlinienkonforme Auslegung und Bestandskraft von Verwaltungsakten, DVBl. 1998, S. 758 (759 ff.), der eine Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Fristenhemmung im Falle einer richtlinienkonformen Auslegung dann annimmt, wenn der betreffende Mitgliedstaat der ihm seit dem Jahre 1990 in den Schlußartikeln von Richtlinien aufgegebenen Verpflichtung nicht nachkommt, bei der Umsetzung der Richtlinie auf diese hinzuweisen. 377 Ganz i. d. S. W. Ch. Lohse, Anmerkung (zu den Leitsätzen 3 und 4) des EuGHUrteils vom 6.7.1995 – Rs. XC-62/93: Gemeinschaftskonforme Bestandskraft von USt-Bescheiden mit richtlinienwidrigem Inhalt, UR 1995, S. 408 (408); jüngst erst A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (427). 378 Vgl. W. Reiß, Die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von EG-Steuerrichtlinien und ihre Folgen, StuW 1994, S. 323 (328 f.); W. Birkenfeld Verwaltungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht und Gemeinschaftsrecht, UR 1993, S. 271 (274); i. d. S. auch K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (404 ff.); wohl auch H. Friedl, Auswirkungen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der 6. EG-Richtlinie auf Bestandskraft und Festsetzungsfrist bei der Umsatzsteuer, UR 1993, S. 114 (116). 379 Vgl. H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (435 ff.); J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (912 ff.); auch – wiewohl bezogen auf das Umsatzsteuerrecht – W. Ch. Lohse, Europäische Lücken in der Bestandskraft von Umsatzsteuer-Bescheiden?, UR 1993, S. 288 (289 ff.); krit. auch J. Wolf, Individueller Rechtsschutz als Sanktion?, in: FS für Rudolf Bernhardt, 1995, S. 1361 (1370). 380 W. Birkenfeld Verwaltungsvorschriften im Umsatzsteuerrecht und Gemeinschaftsrecht, UR 1993, S. 271 (274). 381 Siehe W. Reiß, Die nicht ordnungsgemäße Umsetzung von EG-Steuerrichtlinien und ihre Folgen, StuW 1994, S. 323 (329).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

satz von Treu und Glauben sanktionieren wollen, vielmehr habe er „ganz bewußt die Gelegenheit genutzt, einen neue Sanktionskategorie ins Leben zu rufen“382. Dies folge daraus, daß der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV nicht den konkreten Rechtsstreit zu entscheiden habe, sondern allein anhand der ihm von einem nationalen Gericht vorgelegten Frage abstrakt über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu judizieren habe. 383 Endlich lasse sich auch die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts, die im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte einen Verstoß gegen die Verfassung für die Vergangenheit folgenlos hinnimmt und die verfassungswidrige Rechtsnorm sogar für eine gewisse Übergangszeit für weiter anwendbar erklären kann,384 nicht auf das Gemeinschaftsrecht übertragen, da sich der Gerichtshof anderenfalls „der integrierenden Wirkung seiner Rechtsprechung … berauben und vom Motor der Integration zu ihrem Indikator werden“385 würde. Abweichend hiervon lehnen andere die Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache „Emmott“ als ein „von Anfang an … systemwidriges Sonderrecht für Richtlinien“386 ab, da dem Gemeinschaftsrecht gerade kein absoluter Vorrang zukomme.387 Die Entscheidung weiche ohne zwingenden Begründungsansatz von den allgemeinen Regeln zum Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfahrensrecht ab 388 und greife hierdurch in gravierender Weise in das nationale Verfahrens- und Prozeßrecht ein.389 Sowohl die Bestandskraft von Verwaltungsakten wie auch die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen verkörperten ein wesentliches Strukturelement des nationalen Ver_____________ 382

H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (548). 383 Vgl. H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (548). 384 Vgl. etwa BVerfGE 37, 217 [261]; 55, 100 [110]; 92, 53 [73]; 103, 242 [269 f.], st. Rspr. 385 K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (408). 386 J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (916). 387 Vgl. etwa D. Gosch, Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Manninen“ trotz Bestandskraft?, DStR 2004, S. 1988 (1990); ebenso D. Birk/Ch. Jahndorf, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 17.2.2005 – Rs. C-453/02, UR 2005, S. 198 (199). 388 Vgl. J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (912). 389 Vgl. H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436).

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen

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waltungs- und Prozeßrechts, wobei der Rechtssicherheit der Vorrang vor der Einzelfallgerechtigkeit eingeräumt werde, die materielle Rechtmäßigkeit müsse also letztlich zugunsten des Rechtsfriedens und der Rechtsbeständigkeit zurücktreten.390 Dies werde auch durch § 79 Abs. 2 BVerfGG bestätigt, wonach selbst im Falle der Nichtigerklärung einer Rechtsnorm wegen Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht die auf der betreffenden Norm beruhenden nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen unberührt bleiben. Dies führe ferner zu dem inkonsequenten Ergebnis, daß die Bestandskraft bzw. Rechtskraft nationaler Entscheidungen im Falle der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eines nationalen Gesetzes durchbrochen würde, während die Verfassungswidrigkeit einer solchen Rechtsnorm die Bestandskraft bzw. Rechtskraft nationaler Entscheidungen nicht beseitige.391 Die Rechtssicherheit als zentraler Begründungsansatz der Emmott’schen Fristenhemmung vermöge zudem nicht zu überzeugen, da sich der einzelne in der gleichen Unsicherheit hinsichtlich seiner Rechte befinde, wenn nationale Vorschriften in Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen oder zu Primärrecht stünden, was zur Konsequenz habe, daß die als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht vom Gerichtshof anerkannte Rechtssicherheit auf breiter Front aufgegeben würde.392 Des weiteren könne den Mitgliedstaaten auch nicht die Berufung auf Verfahrensfristen unter Hinweis auf die unterlassene Richtlinienumsetzung versagt werden, da sich der Staat in einem solchen Falle, um den Erfolg einer Klage zu vereiteln, gerade nicht auf die unterbliebene, sondern auf die unabhängig von seinem Fehlverhalten allgemein geltenden Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts berufe, insoweit also überhaupt kein Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung gegeben sei.393 Endlich stelle die Aufhebung der Verfahrensfristen bis weit in die Vergangenheit eine Sanktion dar, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze.394 _____________ 390

Vgl. H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436, 439 f.). 391 Vgl. H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (436); dazu auch J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (912), der die Ergebnisse der Rechtsprechung in der Rechtssache „Emmott“ ebenfalls als inkonsistent bezeichnet. 392

So J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (913). 393 Vgl. J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (912 f.). 394 So – wiewohl bezogen auf das Umsatzsteuerrecht – W. Ch. Lohse, Europäische Lücken in der Bestandskraft von Umsatzsteuer-Bescheiden?, UR 1993, S. 288 (289).

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7. Teil: Rechtliche Folgen nichtordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung

2. Relativierung der Emmott’schen Fristenhemmung durch Folgeentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Möglicherweise aufgrund der geäußerten Kritik an der Emmott’schen Fristenhemmung hat der Gerichtshof seine das nationale Verfahrensrecht erheblich zurückdrängende Rechtsprechung seither nicht mehr bestätigt, sondern ist vielmehr in seiner späteren Rechtsprechung mehr und mehr von der Entscheidung in der Rechtssache „Emmott“ abgerückt und damit wieder zur Anwendung der allgemeinen Grundsätze zum Verhältnis von nationalem Verfahrensrecht und Gemeinschaftsrecht zurückgekehrt:395 Während in der Rechtssache „StehenhorstNeerings“ noch unklar blieb, ob der Gerichtshof das Urteil „Emmott“ für nicht einschlägig erachtete, weil keine Vereitelung, sondern lediglich eine Beschränkung der rückwirkenden Geltendmachung von Leistungen vorlag,396 distanzierte sich der Gerichtshof in der Rechtssache „Johnson“ deutlich von seiner Emmott-Doktrin, indem er ausführt, daß sich bereits nach der Begründung in der Entscheidung „Steenhorst-Neerings“ ergebe, „daß die Entscheidung in der Rechtssache Emmott durch die besonderen Umstände dieses Falles gerechtfertigt war, in dem der Klägerin des Ausgangsverfahrens durch den Ablauf der Klagefrist jegliche Möglichkeit genommen war, ihren auf die Richtlinie gestützten Anspruch auf Gleichbehandlung geltendzumachen.“397

Diese Reduktion der Emmott-Entscheidung auf eine einzelfallbezogene Anwendung des Vereitelungsverbots bestätigte der Gerichtshof mehrfach in seiner späteren Rechtsprechung.398 _____________ 395 Ausführlich J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (913 ff.); auch E. Sperlich, Von Emmott bis Fantask, ÖJZ 2001, S. 121 (123 f.); dazu auch A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (427); Niedersächsisches FG, Urteil v. 30.06.2005, EFG 2005, S. 1732 (1732 f.). 396 Siehe EuGH v. 27.10.1993 – Rs. C-338/91 (Steenhorst-Neerings), Slg. 1993, I-5475 (I-5503 f., Rn. 18 ff.). 397 EuGH v. 6.12.1994 – Rs. C-410/92 (Johnson/Chief Adjudication Officer), Slg. 1994, I-5483 (I-5510, Rn. 26). 398 Vgl. etwa EuGH v. 2.12.1997 – Rs. C-188/95 (Fantask A/S u.a), Slg. 1997, I-6783 (I-6839, Rn. 51); ebenso EuGH v. 15.9.1998 – Rs. 260/96 (Ministero del Finanze/Spac SpA), Slg. 1998, I-4997 (I-5022, Rn. 28 f.); EuGH v. 15.9.1998 – Rs. C- 279/96 bis C-281/96 (Ansaldo Energia SpA), Slg. 1998, I-5025 (I-5047 Rn. 20); EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99 (Roques Frères SA), Slg. 2000, I-10465 (I-10495, Rn. 33 f.). Bereits zuvor wurde diese Distanzierung auch durch EuGH v. 06.07.1995 – Rs. C-62/93 (BP Soupergaz/Britischer Staat), Slg. 1995, I-1883 (I-1919, Rn. 41), ersichtlich, wo der Gerichtshof die Emmott-Entscheidung lediglich noch als Nachweis für die allgemeinen Grundsätze, von denen er in dieser gerade abgewichen war, anführt.

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Bekräftigt wird dieses Verständnis des Urteils „Emmott“ auch durch die Entscheidung „Kühne & Heitz NV“, in der der Gerichtshof zur Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen dahingehend Stellung bezog, daß die Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung in der im Gemeinschaftsrecht als allgemeinem Rechtsgrundsatz anerkannten Rechtssicherheit verankert sei und das Gemeinschaftsrecht nicht verlange, daß eine Verwaltungsbehörde per se verpflichtet sei, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen.399 Die Überprüfung und damit die mögliche Durchbrechung der Bestandskraft einer solchen Verwaltungsentscheidung sei nach dem in Art. 10 EGV verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit auf einen entsprechenden Antrag hin nur geboten, um einer zwischenzeitlich vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn „– – –



die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen, die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandkräftig geworden ist, das Urteil, wie eine nach seinem Erlaß ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne daß der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Art. 234 Abs. 3 EG[V] erfüllt war, und der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.“400

Diese Ausführungen zu den äußerst eingeschränkten Voraussetzungen einer Aufhebung von bestandkräftigen gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungsentscheidungen bedürfte es nicht, wenn der Gerichtshof weiterhin an der – ihrem Wortlaut entsprechend, umfassend verstandenen – Emmott’schen Fristenhemmung festhielte, da dem für den Gemeinschaftsrechtsverstoß verantwortlichen Mitgliedstaat nach der Emmott-Formel eine Berufung auf nationale Verfahrensfristen gerade verwehrt wäre. 3. Grundsätzlich keine Durchbrechung nationaler Verfahrens vorschriften durch das Gemeinschaftsrecht Während derzeit noch immer ein Teil der Literatur die Emmott’sche Fristenhemmung in ihrer weiten Formulierung für anwendbar erachtet, 401 hält die mitt_____________ 399

Vgl. EuGH v. 13.01.2004 – Rs. C-453/00 (Kühne & Heitz NV), Slg. 2004, I-837 (I-868, Rn. 24). 400 EuGH v. 13.01.2004 – Rs. C-453/00 (Kühne & Heitz NV), Slg. 2004, I-837 (I-869 f., Rn. 28). 401 Vgl. K. Friedrich/J. Nagler, Bricht EU-Recht die Bestandskraft nach nationalem Verfahrensrecht?, DStR 2005, S. 403 (405, 407, 412); i. d. S. auch K. Eicker/Th. Kette-

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lerweile überwiegende Auffassung die weitreichenden Aussagen der Entscheidung Emmott für überholt,402 ihre Schlußfolgerungen seien allein durch die besonderen Umstände des Einzelfalls motiviert und stellten sich daher als einzelfallbezogene Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in seiner Ausprägung als Verbot des venire contra factum proprium dar.403 Die wohl h. M. verdient uneingeschränkt Zustimmung, da die Emmott-Doktrin, wie im Schrifttum zutreffend kritisiert, keinen derart weitreichenden Eingriff in das nationale Verfahrensrecht zu rechtfertigen vermag.404 Die weitreichenden Aussagen der Emmott-Entscheidung waren durch den damaligen Ausgangssachverhalt überhaupt nicht gefordert,405 weshalb bereits fraglich ist, ob der Gerichtshof die über den zu entscheidenden Einzelfall hinausreichenden Konsequenzen bedachte.406 Dies wohl erkennend hat der Gerichtshof daher zu Recht in seiner späteren Rechtsprechung die Emmott-Formel im Sinne einer Einzelfallentscheidung relativiert und sich somit von einer gemeinschaftsrechtlich begründeten Hemmung nationaler Verfahrensfristen im Falle nicht ordnungsgemäß umgesetzter Richtlinien distanziert.407 Mit der Entscheidung „Kühne & Heitz NV“ hat der Gerichtshof erfreulicherweise nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Bestandskraft von Ver_____________ ler, Die verfahrensrechtliche Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht im Steuerrecht am Beispiel der Rs. Manninen und die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft, BB 2005, S. 131 (135). 402 Vgl. etwa H. Hahn, § 175 Abs. 2 AO n. F. und das EuGH-Urteil in der Rechtssache Manninen, IStR 2005, S. 145 (149); U. Forsthoff, Die Beschränkung der zeitlichen Wirkung von Urteilen des EuGH, DStR 2005, S. 1840 (1841); M. Potacs, Entwicklungstendenzen beim indirekten Vollzug von Gemeinschaftsrecht, in: W. Hummer (Hrsg.): Paradigmenwechsel im Europarecht zur Jahrtausendwende, 2004, S. 269 (277, 287); ganz i. d. S. auch D. Ehlers, Rechtsfragen der Existenz, der Wirksamkeit und der Bestandskraft von Verwaltungsakten, in: Liber Amicorum H.-U. Erichsen, 2004, S. 1 (14 f.). 403 Vgl. A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (427); A. Rainer, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 6.7.1995 – Rs. C-62/93, IStR 1995, S. 388 (389); ganz i. d. S. auch J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (913 ff.). 404 Siehe dazu ausführlich 7. Teil, IV. 1., S. 244 f. 405 So auch J. Gundel, Bootsliegeplatz-Privilegien für Einheimische: Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit und Durchbrechung der nationalen Bestandskraft-Regeln?, EuR 1999, S. 781 (787). 406 Vgl. J. Gundel, Keine Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen zugunsten von Rechten aus nicht umgesetzten Richtlinien, NVwZ 1998, S. 910 (912); a. A. H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (548). 407 Siehe 7. Teil, IV. 2., S. 246 ff.

IV. Gemeinschaftsrechtlich begründete Hemmung nationaler Fristen

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waltungsakten grundsätzlich auch im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts gilt, der Vorrang des Gemeinschaftsrechts also gegenüber bestandskräftigen Verwaltungsbescheiden gerade nicht zum Tragen kommt.408 Zu begrüßen ist aber auch die in diesem Urteil ausgesprochene Verpflichtung einer nationalen Verwaltungsbehörde, wonach diese – unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen – überprüfen muß, ob eine bestandskräftige gemeinschaftswidrige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen ist.409 Voraussetzung für eine solche Überprüfung ist allerdings die Befugnis der Verwaltungsbehörde nach mitgliedstaatlichem Recht zur Rücknahme einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung, wodurch der Gerichtshof dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Rechnung trägt, indem er in das nationale Recht gerade keine Rechtsinstitute hineinliest, die in diesem gar nicht angelegt sind.410 Nicht unerwähnt bleiben können jedoch nicht gänzlich unberechtigte im Schrifttum geäußerte Zweifel, ob nicht der Gerichtshof, im Falle daß – anders als in der Ausgangsentscheidung – etwaige Rücknahmeregelungen im nationalen Recht fehlten, eine die Rücknahme dennoch ermöglichende Neuschöpfung im mitgliedstaatlichen Verwaltungsrecht einfordern würde.411 Jedenfalls unter den vom Gerichtshof genannten vier Voraussetzungen erscheint eine mögliche Durchbrechung der Bestandskraft nationaler Verwaltungsentscheidungen ausnahmsweise als berechtigt, weil der einzelne alles seinerseits mögliche getan hat, um zu seinem Recht zu gelangen, letztlich aber ohne Erfolg, da kein ausreichender Rechtsschutz zur Bekämpfung des Verwaltungsbescheids besteht:412 Er hat Rechtsschutz unter Ausschöpfung des Instanzenzugs gesucht, welcher ihm durch die letztinstanzlichen mitgliedstaatlichen Gerichte unter Verletzung ihrer Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV versagt wurde, und er hat zudem, umgehend nachdem der Gerichtshof die unrichtige Auslegung des Gemeinschaftsrechts in einem späteren Urteil festge_____________ 408

Vgl. M. Potacs, Bestandskraft staatlicher Verwaltungsakte oder Effektivität des Gemeinschaftsrechts?, EuR 2004, S. 595 (602). 409 Siehe dazu näher 7. Teil, IV. 2., S. 247. 410 So zu Recht A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (429); auch M. Ruffert, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 13.1.2004 – C-453/00, JZ 2004, S. 620 (621). 411 Vgl. M. Ruffert, Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 13.1.2004 – C-453/00, JZ 2004, S. 620 (621); zust. A. Leonard/P. Szczekalla, Anwendungsvorrang und Bestandskraft, UR 2005, S. 420 (429). 412 Vgl. M. Potacs, Bestandskraft staatlicher Verwaltungsakte oder Effektivität des Gemeinschaftsrechts?, EuR 2004, S. 595 (602); weitergehend zu Unrecht J. de Weerth, Grenzüberschreitende Körperschaftsteueranrechnung nach „Manninen“!, DStR 2004, S. 1992 (1995), wonach für den Fall, daß ursprünglich mögliche Rechtsmittel nicht ausgeschöpft wurden, nichts anderes gelten könne, da die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts von allen staatlichen Stellen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit zu gewährleisten sei.

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stellt hat, erneut sein Recht unverzüglich bei der Verwaltungsbehörde eingefordert. Zutreffend kommt daher Michael Potacs zu dem Schluß, daß dem Gerichtshof mit der ausnahmsweise zulässigen Durchbrechung der Bestandskraft in einem solchen Fall „ein angemessener Ausgleich zwischen den Grundsätzen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und der Rechtssicherheit auf der einen sowie der Effektivität des Gemeinschaftsrechts auf der anderen Seite gelungen“413

sei. Erstaunlich und besonders hervorzuheben ist im Zusammenhang mit der Entscheidung „Kühne & Heitz NV“, daß der Gerichtshof lediglich eine Verpflichtung zur Überprüfung ausgesprochen hat, nicht aber eine Pflicht zur Rücknahme; die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung steht also stets noch im – wenngleich wohl eingeschränkteren, keinesfalls jedoch auf Null reduzierten – Ermessen der nationalen Verwaltungsbehörde. 414 Schlußendlich bleibt festzuhalten, daß eine Durchbrechung des nationalen Verfahrensrechts grundsätzlich nicht zulässig ist, es sei denn, daß dem betreffenden Mitgliedstaat ein Verstoß gegen das Vereitelungsverbot vorzuwerfen ist oder die sehr eingeschränkten Voraussetzungen der Entscheidung „Kühne & Heitz NV“ gegeben sind.

_____________ 413

M. Potacs, Bestandskraft staatlicher Verwaltungsakte oder Effektivität des Gemeinschaftsrechts?, EuR 2004, S. 595 (602). 414 Vgl. D. Gosch, Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil in der Rechtssache „Manninen“ trotz Bestandskraft?, DStR 2004, S. 1988 (1990 f.); unzutreffend R. Hamacher/K. D. Hahne, Aspekte der Anrechnung von Körperschaftsteuern auf ausländische Dividendenerträge, DB 2004, S. 2386 (2388 f.), der einen Rechtsanspruch auf Aufhebung annimmt.

Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick I. Zusammenfassung Die nach dem Vorbild der Empfehlung des EGKSV geschaffene Richtlinie der Römischen Verträge ist ein verbindlicher, durch ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren charakterisierter Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts: Sie begründet zunächst eine staatengerichtete Umsetzungspflicht und entfaltet ihre Wirkung gegenüber einzelnen erst nach erfolgter Umsetzung in nationales Recht. Adressaten der Richtlinien können grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten sein. Besondere Vorschriften über die äußere Gestaltung von Richtlinien bestehen nicht. Richtlinien sind gemäß Art. 253 EGV mit Gründen zu versehen und müssen auf die Vorschläge und Stellungnahmen Bezug nehmen. Sie werden nach Art. 254 Abs. 3 EGV, 163 Abs. 2 EAGV i. d. R. durch Bekanntgabe an ihre Adressaten wirksam, wobei allerdings im Bereich der EG Art. 254 Abs. 1 und 2 EGV zumeist eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Gemeinschaft verlangt. Art. 249 EGV grenzt die Richtlinie von den anderen Rechtsakten der Römischen Verträge – sc. Verordnung, Entscheidung sowie Empfehlung und Stellungnahme – ab. Die Gemeinschaftsorgane haben keine allgemeine Rechtsetzungsbefugnis; sie unterliegen vielmehr dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, wonach Rechtsakte nur dann erlassen werden dürfen, wenn die Verträge hierfür eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage bereitstellen. Während die Gemeinschaftsorgane bei bestimmten Ermächtigungen ausschließlich zum Erlaß der in der jeweiligen Befugnisnorm bezeichneten Rechtsakte ermächtigt sind, müssen sie bei unbestimmten Ermächtigungen durch Auslegung der Kompetenzgrundlage ermitteln, welche Handlungsform im einzelnen zu wählen ist. Übt die Kommission vom Rat zur Durchführung übertragene Befugnisse nach Art. 211 Spstr. 4 EGV aus, ist der Richtlinienerlaß durch die Kommission nur insoweit möglich, als der Rat selbst zum Erlaß von Richtlinien befugt gewesen wäre. Art. 308 EGV kann nur dann zum Erlaß von Richtlinien ermächtigen, wenn eine entsprechende Kompetenzgrundlage völlig fehlt; ist aber eine vertragliche Befugnisnorm vorhanden, so können nur die dort bezeichneten Rechtsakte erlassen werden. Da die Lehre von den implied powers bereits dem Grunde nach abzulehnen ist, kann sie auch keine Kompetenzgrundlage zum Erlaß von Richtlinien

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Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick

bilden. Der Richtlinienerlaß durch den Rat oder im Bereich des EGV auch durch den Rat und das Europäische Parlament gemeinsam erfolgt grundsätzlich nach dem Anhörungsverfahren; der EGV sieht aber in einigen Befugnisnormen das Verfahren der Zusammenarbeit des Art. 252 EGV oder das Kodezisionsverfahren des Art. 251 EGV vor. Soweit Richtlinien durch die Kommission aufgrund originärer Rechtsetzungsbefugnisse erlassen werden, sehen die Römischen Verträge keine besonderen Verfahren vor; im Rahmen der Regeldelegation bestehen hingegen Ausschußverfahren. Obgleich in der vom Gerichtshof gebilligten Gemeinschaftspraxis äußerst detaillierte Richtlinien erlassen werden, konzipiert Art. 249 Abs. 3 EGV die Richtlinie als einen Rechtsakt, der den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beläßt. Da ein solcher Betätigungsspielraum jedoch mangels einer möglichen Unterscheidung zwischen „Ziel“ einerseits sowie „Form“ und „Mittel“ andererseits nicht durch eine auf das Ziel beschränkte Verbindlichkeit des Richtlinieninhalts gewährleistet werden kann, ist die Richtlinie um ihrer Funktionsfähigkeit willen als durchgehend verbindlicher Rechtsakt anzusehen, der, wie bereits der Begriff „Richtlinie“ nahelegt, hinsichtlich seines zulässigen Regelungsinhalts beschränkt ist. Die Grenze der zulässigen Regelungsintensität könnte in Anlehnung an die Rahmengesetzgebung gemäß Art. 75 GG dort gezogen werden, wo der Gemeinschaftsgesetzgeber den Mitgliedstaaten noch etwas von substantiellem Gewicht zu regeln übrig läßt; diese Grenze näher zu bestimmen, obliegt aber letztlich dem Gerichtshof. Die Überschreitung der zulässigen Regelungsdichte einer Richtlinie führt bei Klageerhebung gemäß Art. 230 EGV zu deren Nichtigkeit nach Art. 231 Abs. 1 EGV. Soll den Mitgliedstaaten hingegen kein Gestaltungsspielraum mehr belassen werden, so müssen die Gemeinschaftsorgane auf andere Rechtsakte zurückgreifen, sofern für diese eine entsprechende vertragliche Ermächtigung besteht; anderenfalls bleibt nur der Weg, eine Kompetenz zum Erlaß des entsprechenden Rechtsakts nach Art. 48 Abs. 1 EUV zu schaffen. Ausgehend von einer umgekehrt monistischen Sichtweise, wonach das Gemeinschaftsrecht integraler Bestandteil der nationalen Rechtsordnung ist und seine Verbindlichkeit aus dem Willen der Völker ableitet, muß der Richtlinie unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten zuerkannt werden. Da jedoch ihre Wirkungen auf die Mitgliedstaaten beschränkt sind, ist sie nicht unmittelbar anwendbar. Richtlinien müssen als staatengerichtete, ausführungsbedürftige Rechtsakte in nationales Recht umgesetzt werden, um Wirkungen für einzelne zu entfalten. Rechtsgrundlage dieser Umsetzungsverpflichtung ist allein Art. 249 Abs. 3 EGV. Das zur Umsetzung einer Richtlinie ergangene Recht ist nationales Recht. Die Umsetzungsverpflichtung erfaßt alle innerstaatlichen Stellen, wobei die national zuständigen Organe nach dem jeweiligen Verfassungsrecht zu bestimmen sind. Auch die Form des nationalen Umsetzungsakts regelt das nationale

I. Zusammenfassung

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Verfassungsrecht. Der Gerichtshof stellt jedoch allgemeine Anforderungen an die nationalen Durchführungsvorschriften; diese lassen sich mit folgenden Schlagworten zusammenfassen: Klarheit, Bestimmtheit, hinreichende Publizität und Verbindlichkeit. Während formelle Gesetze und Rechtsverordnungen diesen Anforderungen stets genügen, ist eine Richtlinienumsetzung durch schlichtes Verwaltungshandeln oder durch nicht normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften abzulehnen. Sowohl die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts als auch die direkte Richtlinienwirkung stellen keine gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzungsmaßnahme dar; sie entbinden die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Umsetzungspflicht. Die Verpflichtung, den Richtlinieninhalt innerstaatlich zu verwirklichen, bleibt auch nach erfolgter Richtlinienumsetzung weiterhin latent erhalten. Daher dürfen die nationalen Rechtsetzungsorgane kein der Richtlinie widersprechendes mitgliedstaatliches Recht erlassen; die Richtlinie entfaltet somit eine „Sperrwirkung“. Die Sperrwirkung der Richtlinie hat allerdings keine derogierende Wirkung gegenüber den richtlinienwidrigen nationalen Regelungen, sondern stellt vielmehr nur eine obligatorische Unterlassungspflicht dar, die später erlassene nationale Rechtsakte nicht an ihrer wirksamen Entstehung und Anwendung hindert; ein Verstoß gegen diese obligatorische Unterlassungspflicht kann nur mittels eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 f. EGV angegriffen werden. Die Sperrwirkung tritt mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie ein. Der Terminus der „richtlinienkonformen Auslegung“ bringt zum Ausdruck, daß das nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks einer Richtlinie ausgelegt wird. Die Rechtsgrundlage einer Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung ist gemeinschaftsrechtlich in Art. 249 Abs. 3 EGV zu sehen. Aber auch das nationale Recht enthält eine derartige Pflicht, da die nationalen Rechtsanwendungsorgane den Willen der nationalen Rechtsetzungsorgane berücksichtigen müssen. Während das Gemeinschaftsrecht zur richtlinienkonformen Auslegung des gesamten in den Regelungsbereich einer Richtlinie fallenden Rechts verpflichtet, besteht eine solche Pflicht kraft nationalen Rechts nur dann, wenn auf einen vertragsgetreuen Umsetzungswillen des nationalen Normsetzers geschlossen werden kann. Die Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts obliegt allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten. Die richtlinienkonforme Auslegung stellt keine eigenständige Auslegungsmethode mit rechtlichem Vorrang dar; sie ist statt dessen eine Vorzugsregel, nach der innerhalb der nationalen Auslegungskriterien von mehreren möglichen Auslegungsvarianten diejenige zu wählen ist, die mit der Richtlinie vereinbar ist. Während die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist eintritt, beginnt diejenige kraft nationalen Rechts bereits mit dem erkennbaren gesetzgeberischen Umsetzungswillen. Als Grenze der richtlinienkonformen Aus-

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Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick

legung ist die Auslegungsfähigkeit der nationalen Norm, also deren Wortlaut und eindeutiger Sinn, anzusehen. Im Spannungsfeld zwischen richtlinienkonformer und verfassungskonformer Auslegung hat im Falle eines echten Konflikts stets die verfassungskonforme Auslegung Vorrang; möglicherweise ist aber die verfassungskonform ausgelegte Norm infolge einer unmittelbar wirkenden Richtlinienbestimmung aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts unanwendbar. Werden Richtlinien überschießend in nationales Recht umgesetzt, besteht kein gemeinschaftsrechtliches Gebot, den gemeinschaftsrechtlich determinierten und den überschießenden Teil einheitlich im Sinne der betreffenden Richtlinie auszulegen, vielmehr ist allein dem nationalen Recht zu entnehmen, ob die überschießend umgesetzte Rechtsnorm einheitlich oder gespalten auszulegen ist. Soweit eine einheitliche Auslegung überschießend umgesetzten nationalen Rechts möglich oder gar zwingend geboten ist, ist auch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV zulässig; letztinstanzliche Gerichte sind im Falle einer zwingend gebotenen einheitlichen Auslegung nationalen Rechts zur Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV verpflichtet. Gegen eine nicht ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung sehen die Römischen Verträge das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 f. EGV, 141 f. EAGV vor. Da sich dieses als ineffektiv erweist, spricht der Gerichtshof einzelnen Richtlinienbestimmungen unmittelbare Wirkungen zu, sofern diese inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind und die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist. Die Tragweite dieser Unmittelbarkeitsrechtsprechung wird jedoch dadurch begrenzt, daß Richtlinien keine direkten Wirkungen zu Lasten einzelner entfalten können. Daher kommt eine Direktwirkung nur bei vertikal begünstigenden, nicht aber bei horizontal wirkenden Richtlinien oder solchen mit Doppelwirkungen in Betracht. Zur Anwendung der direkt wirkenden Richtlinien sind nach dieser Konzeption des Gerichtshofs konsequenterweise alle innerstaatlichen Stellen von Amts wegen verpflichtet. Die unmittelbare Wirkung von Richtlinien soll das Vertragsverletzungsverfahren ergänzen und nicht an dessen Stelle treten; daher sind beide Sanktionsmöglichkeiten neben- und nacheinander anwendbar. Die Direktwirkung von Richtlinien ist jedoch subsidiär im Verhältnis zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts. Da aber die direkte Richtlinienwirkung vor allem mit dem Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV und dem Willen der Vertragsschöpfer nicht vereinbar ist, kann sie weder als Auslegung i. e. S. noch als richterliche Rechtsfortbildung angesehen werden; sie ist demnach nicht zulässig, da der Gerichtshof insoweit rechtsschöpferisch tätig wurde und damit seine vertraglich zugewiesenen Kompetenzen überschritt.

II. Gesamtbewertung

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Als weitere neue Sanktionskategorie für die nicht ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung schuf der Gerichtshof einen unmittelbar im Gemeinschaftsrecht begründeten Staatshaftungsanspruch, dessen Durchsetzung jedoch Sache der Mitgliedstaaten bleibt; der Staatshaftungsanspruch ist im Verhältnis zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien subsidiär. Voraussetzung für eine mitgliedstaatliche Schadensersatzpflicht ist, daß eine Richtlinie Rechte an einzelne verleiht, ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt und dieser mit dem entstandenen Schaden in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang steht. Da aber auch der gemeinschaftsrechtliche Schadensersatzanspruch weder als Auslegung i. e. S. noch als richterliche Rechtsfortbildung angesehen werden kann, muß dieser gleichfalls als unzulässige Rechtsschöpfung durch den Gerichtshof qualifiziert werden. Mit seiner Entscheidung in der Rechtssache „Emmott“ hat der Gerichtshof letztlich keine dritte Sanktionskategorie im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien geschaffen; es handelte sich bei der sog. Emmott’schen Fristenhemmung vielmehr um eine einzelfallbezogene Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Außer bei einem Verstoß gegen das Vereitelungsgebot ist eine gemeinschaftsrechtlich begründete Durchbrechung nationaler Verfahrensfristen lediglich unter den sehr eingeschränkten Voraussetzungen der Entscheidung „Kühne & Heitz NV“ möglich.

II. Gesamtbewertung Die gemeinschaftsrechtliche Handlungsform der Richtlinie wurde in den Römischen Verträgen vor allem als Instrument der Rechtsangleichung geschaffen.1 Anders als die Verordnung, welche der Rechtsvereinheitlichung dient, ist das Ziel der Richtlinie nicht die Entstehung von gemeinschaftsweitem Einheitsrecht, sondern vielmehr die Schaffung von in seinen Wirkungen bis zu einem gewissen Grade materiell gleichwertigem nationalem Recht. 2 Die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen sollten lediglich aufeinander abgestimmt werden, ohne hierbei ihren eigenen Charakter zu verlieren. 3 Diesem Bestreben, die Befugnis_____________ 1

Siehe dazu 3. Teil, III. 2. c), S. 73 m. N. Vgl. M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 4; auch S. Oehlert, Harmonisierung durch EG-Richtlinien: Kompetenzen. Legitimation, Effektivität, JuS 1997, S. 317 (317). 3 Vgl. statt vieler Y. Schnorbus, Autonome Harmonisierung in den Mitgliedstaaten durch die Inkorporation von Gemeinschaftsrecht, RabelsZ 65 (2001), S. 654 (663); M. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, KEU, Art. 249 Rn. 124. 2

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Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick

se der Europäischen Gemeinschaften, unmittelbar in das nationale mitgliedstaatliche Recht einzugreifen, möglichst gering zu halten, entspricht auch die durch die legislative Zusammenarbeit der Gemeinschaften einerseits und der Mitgliedstaaten andererseits geprägte vertragliche Konzeption der Richtlinie: 4 Nach der Legaldefinition der Richtlinie in Art. 249 Abs. 3 EGV ist die Richtlinie durch ein ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren charakterisiert, wobei den Mitgliedstaaten nur das Ziel verbindlich vorgegeben wird, ihnen jedoch die Wahl von Form und Mittel zur Zielerreichung überlassen bleibt. Diese vertragliche Konzeption der Richtlinie hat die Gemeinschaftspraxis allerdings, wie gezeigt,5 bedenklicherweise im Laufe der Jahre mehr und mehr verlassen: Während die Legaldefinition der Richtlinie den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beläßt, werden in praxi, gebilligt durch den Europäischen Gerichtshof, häufig Richtlinien erlassen, die für einen Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten angesichts der äußerst detaillierten Richtlinienvorgaben keinerlei Raum lassen. Da die Mitgliedstaaten vielfach ihrer Umsetzungsverpflichtung aus Art. 249 Abs. 3 EGV nicht ordnungsgemäß nachkommen und sich das Vertragsverletzungsverfahren als unzureichende Sanktion erweist, spricht der Gerichtshof einzelnen Richtlinienbestimmungen unmittelbare Wirkung zu; er setzt sich hierdurch nicht nur in Widerspruch zu Art. 249 Abs. 3 EGV, sondern schafft geradezu einen Anreiz für die Gemeinschaftsorgane, detaillierte Einzelfallregelungen zu erlassen, um jedenfalls durch die unmittelbare Anwendbarkeit einzelner Richtlinienbestimmungen die praktische Wirksamkeit der betreffenden Richtlinie soweit als möglich sicherzustellen.6 Als weitere Sanktionskategorie hat der Gerichtshof ohne tragfähige Rechtsgrundlage in den Gemeinschaftsverträgen einen gemeinschaftsrechtlich begründeten Staatshaftungsanspruch geschaffen. Schließlich sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs Tendenzen zu erkennen, die darauf hindeuten, die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung in Richtung einer – den möglichen Wortsinn oder gar den Ge_____________ 4 Vgl. M. Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, Texte und Materialien zur Rechtsangleichung nebst Einführung und Bibliographie, ZGR Sonderheft 1 (1984), S. 4. 5 Siehe ausführlich 3. Teil, S. 51 ff., 6. Teil, VII., S. 141 ff. insb. S. 144, 7. Teil, II., S. 170 ff., insb. S. 220 ff., und III., S. 225 ff., insb. S. 233 ff. 6 Ganz so auch Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien, 1999, S. 79, die darauf hinweist, daß durch die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen „ein Teufelskreis (entstehe), denn die Voraussetzungen, die für die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung erfüllt sein müssen, beding(t)en wiederum, daß Rat und Kommission die Richtlinie schon mit derart konkreten Einzelfallregelungen erlassen, daß von einem Gestaltungsspielraum für die nationalen Parlamente nicht gesprochen werden k(ö)nne.“

II. Gesamtbewertung

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setzeszweck übersteigenden – richtlinienkonformen Rechtsfortbildung auszudehnen; ein derart weit verstandenes Gebot der richtlinienkonformen Auslegung wäre jedoch mit dem die Richtlinie charakterisierenden zweistufigen Rechtsetzungsverfahren nach Art. 249 Abs. 3 EGV nur schwerlich vereinbar, da die Bemühung des nationalen Rechts als Auslegungsvehikel nahezu überflüssig würde. Im Hinblick darauf, daß die Gemeinschaftspraxis, vor allem aber die Rechtsprechung des Gerichtshofs die Legaldefinition der Richtlinie weitgehend zu einer inhaltsleeren Hülse degradiert hat, vermag die im Schrifttum – wenngleich bisweilen überzogen scharf – geäußerte Kritik kaum zu verwundern. So äußert sich beispielsweise Holger Stadie dahingehend, daß die „unter dem Deckmantel der ‚Rechtsfortbildung ‘ ergangenen Judikate des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien … in Wahrheit Vehikel der Rechtspolitik zur Stärkung der Gemeinschaft“7 seien. Noch deutlicher und schärfer in der Wortwahl sind die – wiewohl allgemein auf das Ertragsteuerrecht bezogenen – Ausführungen von Karin-Renate Ahmann, derzeit Richterin am Bundesfinanzhof, wonach dem auch dem nationalen Gemeininteresse verpflichteten Richter nicht zugemutet werden könne, die alleinige Verantwortung für die Transformation der EuGH-Rechtsprechung in seiner Endentscheidung zu übernehmen, da Verantwortung zu tragen mehr bedeute, „als national ausbalancierte Rechtssysteme zur Schlachtbank zu führen.“8 Daher sei dem nationalen Gesetzgeber als Notwehrmaßnahme ein sog. treaty overriding zur Abwehr unverhältnismäßiger Rechtsfolgen der EuGH-Rechtsprechung zuzubilligen.9 Beklagenswert ist auch, daß selbst die folgenreichen, bahnbrechenden Entscheidungen des Gerichtshofs „von apodiktischer Kürze“10 sind und an einem _____________ 7

H. Stadie, Unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien und Bestandskraft von Verwaltungsakten, NVwZ 1994, S. 435 (440). 8

K.-R. Ahmann, Das Ertragssteuerrecht unter dem Diktat des Europäischen Gerichtshofs? Können wir uns wehren?, DStZ 2005, S. 75 (78). Diese Aussagen verlieren nicht dadurch, daß sie allgemein auf das Ertragsteuerrecht bezogen sind, an Aussagekraft für die vorliegende Untersuchung der Richtlinie, wie sich bereits daran zeigt, daß expressis verbis die Auswirkungen der sog. Bilanzrichtlinie auf die Steuerbilanz als höchstrichterlich ungeklärte Grundsatzfrage bezeichnet wird und daher auch insoweit das „Diktat des Europäischen Gerichtshofs“ (dies., l.c., S. 75(75)) zu befürchten ist. 9

Siehe K.-R. Ahmann, Das Ertragssteuerrecht unter dem Diktat des Europäischen Gerichtshofs? Können wir uns wehren?, DStZ 2005, S. 75 (80). 10

H. Seibert, Europarechtliche Frist- und Bestandskrafthemmungen im Steuerrecht, BB 1995, S. 543 (548); auch R. Rüsken, Rechtsschutzstandards im Finanzprozeßrecht aus deutscher und europäischer Sicht, in: FS für K. Korn, 2005, S. 639 (647).

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Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick

„Defizit nachvollziehbarer Begründungen“11 leiden.12 Ernsthafte Begründungsversuche wurden – abgesehen von der Argumentation mit der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts („effet utile“) – nicht selten erst in Folgeentscheidungen unternommen,13 nachdem im Schrifttum vehemente Kritik laut geworden ist. Obgleich sich der europäische Richter in einer vom deutschen Verständnis der Bindung an Recht und Gesetz abweichenden Weise zur kreativen und souveränen Verwirklichung der dem Gemeinschaftsrecht zugrunde liegenden Rechtsidee berufen fühlen mag, ist die Entscheidung eines Gerichts allein durch die legitimationsstiftende Kraft der juristischen Argumentation zu rechtfertigen, indem die Entscheidung mit wissenschaftlicher Stringenz aus dem Recht deduziert wird.14 Begrüßenswert ist hingegen, daß sich der Gerichtshof nicht zu der Aufgabe seiner ständigen Rechtsprechung hat hinreißen lassen, wonach eine Richtlinie keine unmittelbaren Wirkungen zu Lasten einzelner begründen kann; zumindest insoweit bleibt ein erwähnenswerter Unterschied zur Verordnung gewahrt. Gleichfalls positiv hervorzuheben ist die Klarstellung des Gerichtshofs, daß mit der Entscheidung in der Rechtssache „Emmott“, entgegen der weiten Formulierung in den Entscheidungsgründen, kein Sonderrecht für Richtlinien begründet werden sollte, wodurch ein weitreichender, von dem Gemeinschaftsverträgen nicht gedeckter Eingriff in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen vermieden wurde. Es bleibt daher zu hoffen, daß sich der Gerichtshof in seiner künftigen Rechtsprechung zur Richtlinie mehr an der vertraglichen Konzeption des Art. 249 Abs. 3 EGV orientiert und in den Gemeinschaftsverträgen nicht vorgesehene Abweichungen überzeugend argumentativ – unter Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Lehre vertretenen Auffassungen – begründet. Denn die Europäische Union steht und fällt mit der Herrschaft des Rechts, dessen Verbindlichkeit allein auf dem gemeinschaftlichen, in den Gemeinschaftsverträgen zum Ausdruck gebrachten Willen der Völker Europas beruht. Nur als Gemeinschaft des Rechts, also Rechtsgemeinschaft, vermag die Europäische Union dauerhaft _____________ 11 W. Reiß, Kein Renditefonds, UR 2003, S. 428 (428); siehe dazu auch Nachweise in 7. Teil, III. 3., S. 233 f., Fn. 325. 12 Den Gerichtshof verteidigend U. Everling, Zur Begründung der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, EuR 1994, S. 127 (127 ff.), mit zahlreichen Nachweisen. 13 14

Siehe dazu 7. Teil, II. 2. b), S. 177 ff., und III. 1., S. 225 f.

Vgl. – zum Selbstverständnis der Gerichte – R. Rüsken, Rechtsschutzstandards im Finanzprozeßrecht aus deutscher und europäischer Sicht, in: FS für K. Korn, 2005, S. 639 (647 f.).

III. Ausblick

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auf die Lebenswirklichkeit in den Mitgliedstaaten einzuwirken.15 Eine herausragende Bedeutung kommt insoweit dem Gerichtshof zu. Ob sich der Gerichtshof in Zukunft mehr als Rechtsanwender denn als Rechtsschöpfer betätigen wird, bleibt abzuwarten.

III. Ausblick Nach Art. I-33 Abs. 1 UAbs. 3 des Vertrages über eine Verfassung für Europa16 tritt das „Europäische Rahmengesetz“ an die Stelle der Richtlinie in den Römischen Verträgen.17 Da jedoch die Legaldefinition des Europäischen Rahmengesetzes mit derjenigen der Richtlinie zwar nicht wörtlich, aber inhaltlich übereinstimmt, verändert diese bloße Änderung der Bezeichnung das Wesen der Richtlinie nicht.18 Das Europäische Rahmengesetz ist nicht anders als die Richtlinie durch ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren gekennzeichnet und vermag auch Sperrwirkung zu entfalten. Ebenso ist das nationale Recht weiterhin gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, mit dem einzigen Unterschied, daß künftig nicht mehr von „richtlinien- bzw. quasi-richtlinienkonformer Auslegung“, sondern von „rahmengesetzkonformer bzw. quasi-rahmengesetzkonformer Auslegung“ zu sprechen sein wird. Ebensowenig ist anzunehmen, daß der Gerichtshof die beiden von ihm begründeten Sanktionskategorien im Falle nicht ordnungsgemäßer Richtlinienumsetzung aufgeben wird: Unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Richtlinie wird daher auch das Europäische Rahmengesetz unmittelbare Wirkung entfalten können und dem einzelnen wird ein gemeinschaftsrechtlich begründeter Staatshaftungsanspruch gegen den das Europäische Rahmengesetz nicht ordnungsgemäß umsetzenden Mitgliedstaat zustehen. Allein die neue Be_____________ 15 Vgl. M. Kenntner, Ein Dreizack für die offene Flanke: Die neue EuGH-Rechtsprechung zur judikativen Gemeinschaftsrechtsverletzung, EuZW 2005, S. 235 (235). 16 ABl. Nr. C 325 v. 24.12.2002. 17 Nach Th. Oppermann, Europarecht, 2005, § 6 Rz. 123, erfolgt die Änderung der Bezeichnungen der Rechtsakte in Art. I-33 des Vertrags über eine Verfassung von Europa, um die Bezeichnungen dem „’staatsähnlichen’ Reifegrad der EU“ anzugleichen. 18 So auch V. Götz, Rechtsstaatliche Grundsätze des Gemeinschaftsrechts als Grund und Grenze der innerstaatlichen Anwendung von EG-Richtlinien, in: FS für G. Ress, 2005, S. 485 (495), der allerdings auch ausführt, daß die Umbenennung der Richtlinie in Europäisches Rahmengesetz das Wesen der Richtlinie „in vollkommener Klarheit zum Ausdruck (bringe), klarer als die alte Bezeichnung.“ A. A. wohl W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 68, der annimmt, daß „die Richtlinie durch diese ausdrückliche Anerkennung (sc. die Umbenennung in Europäisches Rahmengesetz) [Anm. d. Verf.] als Gesetzgebungsakt aufgewertet“ werde.

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Zusammenfassung, Gesamtbewertung und Ausblick

zeichnung „Rahmengesetz“ könnte der Gemeinschaftspraxis Anlaß geben, keine bis ins letzte Detail regelnden Europäischen Rahmengesetze zu erlassen.19 In Anbetracht dessen, daß jedoch bereits die Bezeichnung „Richtlinie“ derart in Einzelheiten gehende Regelungen nicht gestattete, ist jedoch davon auszugehen, daß auch insoweit keine Änderung der Gemeinschaftspraxis erfolgen wird; ebenso muß davon ausgegangen werden, daß auch der Gerichtshof seine billigende Rechtsprechung zur zulässigen Regelungsintensität nicht aufgeben wird, so daß den Mitgliedstaaten auch weiterhin vielfach kein eigener Regelungsspielraum bei der Umsetzung von Europäischen Rahmengesetzen bleiben wird. Demnach bleibt festzuhalten, daß aller Voraussicht nach mit der geänderten Bezeichnung der gemeinschaftsrechtlichen Handlungsform der Richtlinie keine materiellen Änderungen der bisherigen Handlungsform der Richtlinie verbunden sein werden, die Richtlinie wird vielmehr in neuem Gewande, jedoch inhaltlich unverändert als Europäisches Rahmengesetz fortbestehen.

_____________ 19

Wohl i. d. S. auch W. Schroeder, in: Streinz, EGV, Art. 249 Rn. 68, der eine „entsprechende Reform der Richtlinie … nicht nur wegen ihrer stetig wachsenden Detailliertheit“ für erforderlich hält.

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Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

299

EuGH v. 08.10.1987 – Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3969 ff. EuGH v. 03.03.1988 – Rs. 116/86 (Kommission/Italien), Slg. 1988, 1323 ff. EuGH v. 20.09.1988 – Rs. 31/87 (Beentjes/Niederländischer Staat), Slg. 1988, 4635 ff. EuGH v. 02.02.1989 – Rs. 22/87 (Kommission/Italienische Republik), Slg. 1989, 143 ff. EuGH v. 22.06.1989 – Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/Stadt Mailand), Slg. 1989, 1839 ff. EuGH v. 27.06.1989 – Rs. 50/88 (Kühne/Finanzamt München III), Slg. 1989, 1925 ff. EuGH v. 17.10.1989 – verb. Rs. 231/87 u. 129/88, (Comune di Carpaneto Piacentino u. a.), Slg. 1989, 3233 ff. EuGH v. 07.11.1989 – Rs. 125/88 (Strafverfahren gegen Nijman), Slg. 1989, 3533 ff. EuGH v. 07.02.1990 – Rs. C-213/87 (Gemeente Amsterdam und VIA/Kommission), Slg. 1990, I-221 ff. EuGH v. 22.02.1990 – Rs. C-221/88 (Busseni), Slg. 1990, I-495 ff. EuGH v. 12.07.1990 – Rs. C-188/89 (Foster u. a./British Gas), Slg. 1990, I-3343 ff. EuGH v. 18.10.1990 – Rs. C-297/88 (Dzodzi), Slg. 1990, I-3763 ff. EuGH v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, I-4135 ff. EuGH v. 19.01.1991 – verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5357 ff. EuGH v. 28.02.1991 – Rs. C-131/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-825 ff. EuGH v. 30.05.1991 – Rs. C-361/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, S. I-2567 ff. EuGH v. 30.05.1991 – Rs. C-59/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, S. I-2607 ff. EuGH v. 11.7.1991 - verb. Rs. C-87/90, C-88/90 u. C-89/90 (Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam), Slg. 1991, I-3757 ff. EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 (Emmott), Slg. 1991, I-4269 ff. EuGH v. 17.10.1991 – Rs. C-58/89 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-4983 ff. EuGH v. 7.7.1992 – Rs. C-295/90 (Parlament/Rat), Slg. 1992, I-4193 ff. EuGH v. 27.10.1993 – Rs. C-338/91 (Steenhorst-Neerings), Slg. 1993, I-5475 ff. EuGH v. 16.12.1993 – Rs. C-334/92 (Wagner Miret), Slg. 1993, I-6911 ff. EuGH v. 14.07.1994 – Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3325 ff. EuGH v. 06.12.1994 – Rs. C-410/92 (Johnson/Chief Adjudication Officer), Slg. 1994, I-5483 ff. EuGH v. 28.3.1995 – C-346/93 (Kleinwort Benson), Slg. 1995, I-615 ff. EuGH v. 14.12.1995 – Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599 ff. EuGH v. 8.2.1996 – Rs. C-212/94 (FMC plc u. a.), Slg. 1996, I-389 ff. EuGH v. 05.03.1996 – verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93 (Brasserie du pêcheur und Factortame), Slg. 1996, I-1029 ff.

300

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

EuGH v. 07.03.1996 – Rs. C-192/94 (El Corte Inglés/Cristina Blázquez Rivero), Slg. 1996, I-1281 ff. EuGH v. 26.03.1996 – Rs. C-392/93 (British Telecommunications/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-1631 ff. EuGH v. 02.05.1996 – Rs. C-311/95 (Kommission/Griechenland), Slg. 1996, I-2433 ff. EuGH v. 23.05.1996 – Rs. C-5/94 (Hedley Lomas/Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, I-2553 ff. EuGH v. 26.09.1996 – Rs. C-168/95 (Strafverfahren gegen Luciano Arcaro), Slg. 1996, I-4705 ff. EuGH v. 08.10.1996 – verb. Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94, C-189/94 u. C-190/94 (Dillenkofer u. a./Deutschland), Slg. 1996, I-4848 ff. EuGH v. 22.04.1997 – Rs. C-66/95 (The Queen/Secretary of State for Social Security; ex parte: Eunice Sutton), Slg. 1997, I-2163 ff. EuGH v. 10.07.1997 – verb. Rs. C-94/95 u. C-95/95 (Danila Bonifaci u. a. und Wanda Berto u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-3969 ff. EuGH v. 10.07.1997 – Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani/Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS]), Slg. 1997, I-4025 ff. EuGH v. 10.07.1997 – Rs. 373/95 (Federica Maso, Graziano Gazetta u. a./Istitutio nazionale della previdenza sociale [INPS] und Italienische Republik), Slg. 1997, I-4051 ff. EuGH v. 17.07.1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4161 ff. EuGH v. 17.07.1997 – Rs. C-130/95 (Giloy), Slg. 1997, I-4291 ff. EuGH v. 17.09.1997 – Rs. C-54/96 (Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH (Bundesbaugesellschaft Berlin mbH), Slg. 1997, I-4961 ff. EuGH v. 02.12.1997 – Rs. C-188/95 (Fantask A/S u. a.), Slg. 1997, I-6783 ff. EuGH v. 05.03.1998 – Rs. 347/96 (Solred), Slg. 1998, I-937 ff. EuGH v. 02.04.1998 – Rs. C-127/95 (Norbrook Laboratories), Slg. 1998, I-1531 ff. EuGH v. 15.09.1998 – Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-0000 ff. EuGH v. 15.09.1998 – Rs. 260/96 (Ministero del Finanze/Spac SpA), Slg. 1998, I-4997 ff. EuGH v. 15.09.1998 – Rs. C- 279/96 bis C-281/96 (Ansaldo Energia SpA), Slg. 1998, I-5025 ff. EuGH v. 25.02.1999 – Rs. C-131/97 (Annalisa Carbonari, u. a.), Slg. 1999, I-1103 ff. EuGH v. 26.09.2000 – Rs. C-134/99 (IGI – Investimentos Imobiliarios und Fazenda Pública), Slg. 2000, I-7717 ff. EuGH v. 28.11.2000 – Rs. C-88/99 (Roques Frères SA), Slg. 2000, I-10465 ff. EuGH v. 13.12.2001 – Rs. C-481/99 (Heininger), Slg. 2001, I-9945 ff. EuGH v. 10.09.2002 – Rs. C-141/00 (Ambulanter Pflegedienst Kügler), Slg. 2002, I-6833 ff.

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

301

EuGH v. 20.05.2003 – Rs. C-465/00, C-138/01 u. C-139/01 (Österreichischer Rundfunk u. a.), Slg. 2003, I-4989 ff. EuGH v. 30.09.2003 – Rs. C-224/01 (Gerhard Köbler/Republik Österreich), Slg. 2003, I-10239 ff. EuGH v. 13.01.2004 – Rs. C-453/00 (Kühne & Heitz NV), Slg. 2004, I-837 ff. EuGH v. 09.03.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Bernhard Pfeiffer, u. a.), Slg. I-8835 ff.

V. Entscheidungen des Gerichts erster Instanz EuG v. 17.06.1998 – Rs. T-135/96 (UEAPME), Slg. 1998, II-2335 ff. EuG v. 27.06.2000 – Rs. T-172/98 u. T-175/98 bis T-177/98 (Salamander/Parlament und Rat), Slg. 2000, II-2487 ff.

VI. Schlußanträge der Generalanwälte am Europäischen Ge richtshof Schlußanträge des GA Karl Römer, v. 17.09.1970 in der Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 844 ff. Schlußanträge des GA Henri Mayras v. 13.11.1974 in der Rs. 41/74 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1353 ff. Schlußanträge des GA Jean-Pierre Warner v. 25.10.1977 in der Rs. 38/77 (Enka/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 2216 ff. Schlußanträge des GA Gerhard Reischl in der Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/ Simmenthal), Slg. 1978, 647 ff. Schlußanträge des GA Gerhard Reischl v. 27.03.1980 in der Rs. 102/79 (Kommission/ Belgien), Slg. 1980, 1490 ff. Schlußanträge des GA Sir Gordon Slynn v. 18.09.1985 in der Rs. 152/84 (Marshall/ Southhampton und South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 725 ff. Schlußanträge des GA Jean Mischo v. 17.03.1987 in der Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, 3976 ff. Schlußanträge des GA Carl Otto Lenz v. 25.04.1989 - Rs. 103/88 (Fratelli Constanzo/ Stadt Mailand), Slg. 1989, 1851 ff. Schlußantrag des GA Marco Darmon v. 03.07.1990 – Rs. C-297/88 u. C-197/89 (Dzodzi), Slg. I-3778 ff. Schlußanträge des GA Jean Mischo v. 28.05.1991 in der verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Francovich u. a./Italienische Republik), Slg. 1991, I-5370 ff.

302

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

Schlußanträge des GA Marco Darmon v. 29.05.1991 - verb. Rs. C-87/90, C-88/90 u. C-89/90 (Verholen u. a./Sociale Verzekeringsbank Amsterdam), Slg. 1991, I-3768 ff. Schlußanträge des GA Carl Otto Lenz vom 9.02.1994 in der Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, I-3328 ff. Schlußantrag des GA Francis G. Jacobs v. 17.09.1997 – Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. 1997, I-4165 ff.

VI. Rechtsakte des sekundären Gemeinschaftsrechts 1. Verordnungen VO Nr. 10 v. 25.08.1960, ABl. 1960, S. 1199.

2. Richtlinien Richtlinie 63/600/EWG der Kommission vom 15. Oktober 1963 für die Bestimmung der Zeitfolge der Aufhebung der besonderen Einfuhrabgabe auf Lebkuchen, die das Königreich Belgien und das Großherzogtum Luxemburg gegenüber anderen Mitgliedstaaten erheben, ABl. 1963, S. 2605. Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 1964, S. 850. Richtlinie 68/156/EWG der Kommission vom 12. März zur Festsetzung der Zeitfolge für die Aufhebung der von der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Abgabe bei der Einfuhr bestimmter Getreideverarbeitungserzeugnisse und bestimmter Futtermittel aus den übrigen Mitgliedstaaten, ABl. 1968 Nr. L 74/6. Richtlinie 68/31/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1967 zur Festlegung der Zeitfolge für die Aufhebung der von der Italienischen Republik bei der Einfuhr von Waren aus den übrigen Mitgliedstaaten erhobenen Verwaltungsabgabe vom 0,5 v.H., ABl. 1968 Nr. L 12/8. Richtlinie 69/60/EWG des Rates vom 18. Februar 1969 zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Getreidesaatgut, ABl. 1969 Nr. L 48/1. Richtlinie 69/69/EWG der Kommission über die in der Italienischen Republik angewendete Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr und Umsatzsteuervergütung bei der Ausfuhr von raffinerierten Ölen aus Ölstaaten, ABl. 1969 Nr. L 52/6. Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

303

Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs, ABl. 1973 Nr. L 172/14. Richtlinie 74/647/EWG vom 9. Dezember 1974 zur Bekämpfung von Nelkenwicklern, ABl. 1974 Nr. L 352/41. Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, ABl. 1975 Nr. L 45/19. Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zu verbleiben, ABl. 1974 Nr. L 14/10. Richtlinie 75/362/EWG des Rates vom 16. Juni 1975 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Arztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, ABl. 1975 Nr. L 167/1. Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. 1976 Nr. L 39/40. Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. 1978 L 222/11 Dritte Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl. 1978, L 295/36. Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, ABl. 1980 Nr. L 283/23. Sechste Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, ABl. 1982 L 378/47. Dritte Richtlinie 84/634/EWG des Rates vom 12. Dezember 1984 zur Regelung der Sommerzeit, ABl. 1984 Nr. L 331/33. Richtlinie 85/577/EWG vom 20. Dezember 1985 betreffen den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372/31 ff. Richtlinie 87/102/EWG vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung des Rechts- und der Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42/48 ff. Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ABl. 1989 Nr. L 19/16. Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht, ABl. 1990 Nr. L 180/26.

304

Verzeichnis der Rechtsprechung und weiterer Quellen

Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten, ABl. 1993 Nr. L 317/59. Achte Richtlinie 97/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 1997 zur Regelung der Sommerzeit, ABl. 1997 Nr. L 206/62. Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbraucher, ABl. 1999 Nr. L 171/12.

3. Entscheidungen Entscheidung Nr. 18/59 vom 18. Februar 1959 über die Veröffentlichung der im gewerblichen Kraftwagengüterverkehr mit Kohle und Stahl innerhalb der Gemeinschaft anzuwendenden Frachttafeln, Frachten und Tarifbestimmungen jeder Art bzw. deren Bekanntgabe an die Hohe Behörde, ABl. 1959, S. 287.

4. Beschlüsse Beschluß 87/373/EWG des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. 1987 Nr. L 197/33.

VII. Sonstige Quellen BT-Drucks. Nr. 3440, 2. Wahlper. (1953), Anl. C, Erl. zu Art. 189, S. 150. Aide-mémoire des französischen Außenministers Couve de Murville, in: Bull. der EWG 1966 Nr. 3, S. 6 f. Rede von Jacques Delors im Europäischen Parlament auf der Plenartagung vom 4. bis 8. Juli in Straßburg, in: Bull. der EG 1988 Nr. 7/8, S. 124.

Sachwortverzeichnis Äquivalenzprinzip

240

Amsterdamer Vertrag siehe Vertrag von Amsterdam Amtshaftungsanspruch

232

Auslegung - gemeinschaftsrechtskonforme 121, 145 - gespaltene 152, 157 ff., 166 - im engeren Sinne 220 f., 234, 239, 254 - quasi-richtlinienkonforme Auslegung siehe dort - richtlinienkonforme siehe dort - verfassungskonforme Auslegung siehe dort

Direktwirkung von Richtlinien 8, 54, 147 f., 173 ff., 183 ff., 189 f., 192 ff., 200 f., 203, 206 ff., 210 f., 214 f., 217 ff., 226, 238, 241, 254; siehe auch unter unmittelbare Wirkung Diskriminierungsverbot

240 f.

Drittwirkung von Richtlinien 173; siehe auch unter unmittelbare Wirkung Dualismus

87

Durchführungsbefugnisse der Kommission siehe Kommission Durchgriffswirkung von Richtlinien 174; siehe auch unter unmittelbare Wirkung

Bestandskraft 242, 244 f., 247 ff. Bundesfinanzhof Bundesländer

80

Bundestreue

100

209, 242, 257

effet utile 42, 102, 179, 211 ff., 258; siehe auch praktische Wirksamkeit Effizienzgebot effet utile

241; siehe auch

Bundesverfassungsgericht 7, 43, 77 f., 84, 100, 142, 147, 175, 209, 244 f.

Einheitliche Europäische Akte

Bundesverwaltungsgericht 106

Einzelfallgerechtigkeit

Bundeszwang 100 f.

Emmott’sche Fristenhemmung 239 f., 243, 247

Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen siehe unter Kommission demokratische Legitimation 223

43, 109,

38

245 8,

Empfehlung - des EAGV siehe unter Empfehlung des EGV - des EGV siehe dort - des EGKSV siehe dort

306

Sachwortverzeichnis

- im Recht internationaler Organisationen 13 Empfehlung des EGKSV 10 ff., 53, 71, 193 f., 251 - Adressat 11 f. - als Vorläuferin der Richtlinie 11, - Begrifflichkeit 71 - Doppelwirkung 194 - Erlaßbehörde 10, 11 - Legaldefinition 11 f. - Regelungsintensität 53 - unmittelbare Wirkung 193 - Verbindlichkeit 11, 13 - Vorbild für Richtlinie 251 - Vorläuferin der Richtlinie 10 f. - Wahl geeigneter Mittel 12 - zweistufiges Rechtsetzungsverfahren 11 Empfehlung des EGV - Abgrenzung gegenüber Richtlinien 24 f., 251 - Adressaten 24 f. - Ermächtigungsgrundlagen 32 - Unverbindlichkeit 24, 83 f. Entscheidung - Abgrenzung gegenüber Richtlinien 23 f., 251 - Adressaten 23 f. - Individual-Entscheidung 23 f. - Mitgliedstaat-Entscheidung 23 f. - Nichtigkeitsklage 21 - Umsetzung in nationales Recht 24 - unmittelbare Wirkung 177 f. - Verbindlichkeit 24 Ermächtigungsgrundlagen - bestimmte Ermächtigungen 29 ff. - unbestimmte Ermächtigungen 34 ff. - unmittelbare Ermächtigungen 29 ff. - implied powers siehe dort

Ermessensausübung

33, 37, 250

Ermessensmißbrauch Ersatzgesetzgeber

33

224, 239

Ersatzvornahme

101

Estoppel-Prinzip

180

Europäisches Parlament 26, 28, 46, 48, 252 Europäisches Rahmengesetz 259 f.

5, 82,

europarechtskonforme Auslegung siehe richtlinienkonforme Auslegung europarechtskonforme Interpretation siehe richtlinienkonforme Auslegung Exekutive

75 f., 98, 195

fiskalisches Staatshandeln Flucht ins Privatrecht

197

197

Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft 41, 73 f. Gemeinschaftsrecht - allgemeine Rechtsgrundsätze 145 - Anwendungsvorrang 115 f., 147 f., 254 - autonome Rechtsquelle 87 - eigene Rechtsordnung 87 - Geltungsvorrang 115 f. - primäres 10, 17, 38, 96, 98, 175 ff., 190, 216, 223, 245 - sekundäres 9 f., 38, 98, 165, 177, 202, 216 - tertiäres 38 f., 98 - Verhältnis zu nationalem Recht 86 ff.

307

Sachwortverzeichnis - Vorrang 113 ff., 122, 135, 147, 172, 243 f., 249, 254 gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 121, 136, 143, 145, 157; siehe auch unter richtlinienkonforme Auslegung Gemeinschaftstreue

124 ff., 156, 235

Generalermächtigung gesetzlicher Richter

42 164

Gewohnheitsrecht - nationales 45 - europäisches 76, 219 f. Grundfreiheiten Grundgesetz

- Anhörungsverfahren 46 ff. - delegierte Rechtsetzungsbefugnisse 38, 50 - Durchführungsbefugnisse 38 - Hüterin der Verträge 168 - originäre Rechtsetzungsbefugnisse 49 - Richtlinienpraxis 51 - Verfahren der Mitbestimmung 48 - Verfahren der Zusammenarbeit 48 - Vertragsverletzungsverfahren 228 Kompetenzgefüge

Kompetenzsystem 42

157

45, 78, 99 Legislative

Grundsatz der Verfahrensautonomie 249 f.

Grundsatzgesetzgebung der WRV

Herren der Verträge Hohe Behörde

76, 111, 256

Lückenschließungskompetenz 39 ff.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 245 77

224, 239

1, 52

Maastrichter Vertrag siehe Vertrag von Maastricht mitgliedstaatliche Organisationsgewalt 16 Monismus, „umgekehrter“ Montanunion

implied-powers

44 f., 251

integrationsfördernde Wirkung 214 f., 244 Integrationsmotor 244

Judikative

45

134

Kommission 11 f., 16, 20, 26 ff., 32 f., 38 f., 46, 48 ff., 53, 132, 168 f., 237, 251 f. - als Richtlinienadressat 16 f.

87 f., 91

1

Montanvertrag 11, 133

nemo plus iuris in alium transferre potest quam ipse habet 39 Nichtigkeitsklage 83 f., 252

18, 21, 33 f., 47,

Normenkontrolle, inzident

Pariser Vertrag

22

11, 31, 71

praktische Wirksamkeit siehe effet utile

Sachwortverzeichnis

308

Primärrecht siehe primäres Gemeinschaftsrecht

- gesetzesimmanente 221 f., 236 - gesetzesübersteigende 221 ff., 236

Prinzip der begrenzten Ermächtigung 6, 21, 26 ff., 31 f., 164, 166, 209 f., 215, 251

Richtlinien - Abgrenzung von anderen Rechtsakten 21 ff., 251 - Abgrenzung von Empfehlungen 24 f., 251 - Abgrenzung von Entscheidungen 23 f., 251 - Abgrenzung von Stellungnahmen 24 f., 251 - Abgrenzung von Verordnungen 22 f., 53, 72, 207 f., 251 - Adressat 11, 13 ff., 205 f. - allgemeine 14 - allgemeine Geltung siehe dort - als interne Maßnahme einer Verwaltungsbehörde 9 - Auslegung siehe richtlinienkonforme Auslegung - Begriff 70 ff. - Begründungspflicht 18 f. - Bekanntgabe 19 f. - Bezugnahmepflicht 18 - Bindung innerstaatlicher Stellen 16 - Entscheidungsspielraum 55, 64 f., 67 ff., 72, 75, 176, 186 - Erlaßbehörde 10 f. - Ermächtigungsgrundlagen siehe dort - Formvorschriften 17 ff. - Gestaltungsspielraum 10, 66 ff., 71 f., 74 ff., 75 f., 83 f., 252, 238, 256 - im Falle des Art. 286 Abs. 1 EGV 14 - im Sinne des Art. 101 Abs. 1 UAbs. 1 Hs. 1 EAGV 17 - im Sinne des Art. 133 Abs. 3 UAbs. 2 S. 1, 300 Abs. 1 S. 2 EGV 16 - im untechnischen Sinne 1

Prinzip der Gesetzmäßigkeit

109

quasi-richtlinienkonforme Auslegung 7, 148 ff., 153, 155 ff., 162 ff., 259

Rahmengesetzgebung des GG 76 ff., 84, 100, 252

7,

Rat 12, 16, 20, 26, 28, 32 f., 35, 38 ff., 42, 44, 46 ff., 251 Rechtsangleichung 164, 197, 255 Rechtsbehelfsfristen

3, 73, 148, 151 f., 242

Rechtseinheit 43, 73, 213 f. Rechtsetzungsverfahren - Anhörungsverfahren 46 ff. - Verfahren der Mitentscheidung 17, 48 f. - Verfahren der Zusammenarbeit 48 Rechtsgemeinschaft 215, 258 Rechtsklarheit 104 Rechtskraft 242, 244 f. Rechtsschöpfung 220, 223 f., 239, 254 Rechtssicherheit 21, 104 f., 144 f., 191, 219, 241, 245, 247, 250 Rechtsstaatsprinzip 18, 22, 145, 158 ff. Rechtsvereinheitlichung

73, 113, 255

Rechtsverordnung 102, 104, 109, 253 Richterliche Rechtsfortbildung 126, 144, 220 ff., 233 f., 238 f., 254

Sachwortverzeichnis - individuelle 14 - Inkrafttreten 19 f. - Legaldefinition 10, 55 f., 58, 63 ff., 67 ff., 73 f., 82, 84, 94, 96, 184, 203 ff., 256 f. - Rechtsnatur 9 ff., 97 f., 178 f., 207 - Regelungsintensität 51 ff., 66 ff., 70, 72, 82 ff., 252 - Richtlinienpraxis 51 f., 76 - Schonung nationaler Parlamente 72 ff., 122 f. - Sperrwirkung siehe dort - Umsetzung in nationales Recht siehe dort - Umsetzungsfrist 96, 117 ff., 137 ff., 184 ff., 219, 253 - unmittelbare Anwendbarkeit siehe dort - unmittelbare Wirkung siehe dort - Verbindlichkeit 7, 10, 13, 23 ff., 51 ff., 54, 56 ff., 61, 64 f., 66 ff., 71 f., 83, 88, 205 f., 252 f. - Verfahren zum Erlaß 45 ff.; siehe auch Rechtsetzungsverfahren - Veröffentlichung 19 f., 218 f. - Wahl von Form und Mittel 10, 12, 14 f., 51, 53, 55 f., 58, 63 ff., 67, 101 f., 109, 140, 256 - Ziel 10, 23 f., 51, 55ff., 58 ff., 63 ff., 69 ff., 83 f., 118, 124, 186, 225, 228, 252, 255 f. - Zweistufiges Rechtsetzungsverfahren 7, 10 f., 23, 94 ff., 110, 139, 170, 203 f., 205, 221 f., 251, 256; siehe auch Umsetzung von Richtlinien Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers 70 ff. richtlinienkonforme Auslegung - als Richtlinienumsetzung 108

309

- Anwendungsbereich 129 ff. - Beginn 137 ff. - gespaltene Auslegung siehe unter Auslegung - Grenzen 141 ff. - kraft Gemeinschaftsrechts 122 ff., 129 f., 137 ff. - kraft nationalen Rechts 126 ff., 130 ff., 140 f. - objektive Theorie 128 - quasi-richtlinienkonforme Auslegung siehe dort - Rechtsgrundlage 122 ff. - subjektive Theorie 129 - subjektiv-teleologische Theorie 129 - überschießende Richtlinienumsetzung 148 ff. - Verhältnis zur unmittelbaren Wirkung 201 f. - Verhältnis zur verfassungskonformen Auslegung 146 ff. - verpflichtete innerstaatliche Organe 133 f. - Vorzugsregel 134 ff. richtlinienkonforme Interpretation siehe richtlinienkonforme Auslegung Römische Verträge 1 f., 10 f., 13, 21, 31, 72, 234, 236, 238, 251 Rückwirkungsverbot

145

Satzung 102, 107, 109 Sekundärrecht siehe sekundäres Gemeinschaftsrecht Sperrwirkung - Begriff 110 ff. - derogierende Wirkung 112 ff. - Zeitpunkt des Eintretens 117 ff.

310

Sachwortverzeichnis

- obligatorische Unterlassungspflicht 112, 114 ff. Staatshaftungsanspruch - Grundlagen 225 ff. - hinreichend qualifizierter Verstoß 223, 231, 255 - Subsidiarität 227 - unmittelbarer Kausalzusammenhang 230, 255 - Verschulden staatlicher Amtsträger 231 - Voraussetzungen 228 ff. Stellungnahme 83, 251

- überschießende 159 f., 163, 166 f., 254 - Umsetzungsfrist siehe unter Richtlinie - verpflichtete innerstaatliche Stellen 98 ff. unmittelbare Anwendbarkeit 88, 90 f., 82 ff., 93 f., 99, 104, 116, 147, 172 f., 179, 185, 200, 205 ff., 208, 217 f., 228, 252, 256; siehe auch unmittelbare Wirkung und Direktwirkung

9, 18, 24, 26, 32, 40,

Subsidiarität 40, 147, 162, 202, 227, 254

TA Luft

- Rechtsnatur umgesetzten nationalen Rechts 97 f.

106 f.

treaty overriding Treu und Glauben

unmittelbare Geltung 16, 78 f., 91, 93 ff., 114 f., 178, 200, 252 unmittelbare Wirkung 22, 81, 88, 90 92, 107, 116, 122 f., 147 f., 170, 173, 175 ff., 182 f., 185 ff., 192 f., 196 f., 198 ff., 205 ff., 211 f., 214,

257 215 ff., 244, 248 -

ultra vires

113, 115

Umsetzung von Richtlinien 3, 7 f., 22, 24, 64, 74, 107, 112, 115, 117 ff., 124 f., 127 f., 131 ff., 137 f., 140, 148, 151, 154 ff., 159 f., 163, 166, 168, 171 f., 184, 186, 194, 201 f., 208 ff., 213 ff., 216, 221 f., 225 f., 235, 239, 241 ff., 245, 251 ff., 254 f., 259 - gemeinschaftsrechtliche Anforderungen 102 ff. - nicht ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung 8, 172, 184, 194, 201, 213, 216, 219, 222, 225, 235, 239, 241, 243, 248, 254 ff., 259 - Rechtsgrundlage 96

-

216 ff., 224 ff., 254, 256, 259; siehe auch unmittelbare Anwendbarkeit und Direktwirkung Doppelwirkungen 189, 192 ff., 254 ex officio-Anwendung 197 ff., 254 hinreichende Genauigkeit 54, 182, 187 f., 195, 206, 214, 254 horizontale Wirkung 188, 190 ff., 218, 254 inhaltliche Unbedingtheit 54, 182, 185 f., 195, 206, 214, 254

- „umgekehrt“ vertikale Wirkung 189 - Verhältnis zur richtlinienkonformen Auslegung 201 f. - vertikale Wirkung 188 f., 220, 254 - Voraussetzungen 182 ff. - Zulässigkeit dieser Rechtsprechung 202 ff.

Sachwortverzeichnis

311

Verfahrensfristen 245, 247 verfassungskonforme Auslegung 142, 146 ff.

Vertragsverletzungsverfahren 8, 117, 119, 168 ff., 170 ff., 183, 200 f., 210, 222, 235, 237, 253 f., 256

venire contra factum proprium 215 ff., 248

Verwaltungsakt

Verjährungsfristen

242

Verordnung 9, 21 ff., 26, 29, 30 f., 34, 38 f., 53, 57, 72, 85, 91 ff., 138, 178, 191, 200, 204, 206 ff., 245, 251, 255, 258 - Adressat 22 - allgemeine Geltung 22, 206 - „Durchführungsverordnungen“ 29, 31 - Nichtigkeitsklage 21 - unmittelbare Wirkung 22, 92, 178, 206 f. - Verbindlichkeit 23 Vertrag über eine Verfassung für Europa 5, 259 Vertrag von Amsterdam Vertrag von Maastricht

1, 14 1, 20, 28 f.

242, 244, 248 f.

Verwaltungshandeln, schlichtes 253; siehe auch schlichte Verwaltungspraxis Verwaltungspraxis, schlichte 102, 105; siehe auch schlichtes Verwaltungshandeln Verwaltungsvorschriften 102, 105 ff., 253 - ermessenslenkende 107 - norminterpretierende 107 - normkonkretisierende 106 f., 253 Vorabentscheidungsverfahren 7, 153, 156, 162 ff., 166 f., 200, 210 f., 219, 244, 247, 249, 254 Vorlagepflicht 167, 249 Willensautonomie 75, 88 Willkürverbot 33

Vertragsänderung 43, 45, 85, 237

Wirtschafts- und Sozialausschuß 47, 49

Vertragsschöpfer 43, 57, 66, 72, 74, 94, 204, 212, 219, 237, 254

Zwangsgeld 169