Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums: Eine Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf Basis der Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [1 ed.] 9783428514205, 9783428114207

Die auf Basis der Eigentumsrechtsprechung des BVerfG gefertigte Untersuchung widmet sich der bis heute kontrovers diskut

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Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums: Eine Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf Basis der Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [1 ed.]
 9783428514205, 9783428114207

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 968

Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums Von Markus Appel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS APPEL

Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 968

Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums Eine Untersuchung des Spannungsverhältnisses zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf Basis der Eigentumsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Von

Markus Appel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11420-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Eigentum ist ein eigentümliches Recht: Die meisten haben es, alle streben danach – und doch ist es überall im Streit. Der Kampf ums Recht ist die Theorie, der Kampf ums Eigentum die Praxis. Walter Leisner

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Dezember 2002 als Dissertation eingereicht. Danach veröffentlichte Entscheidungen des BVerfG wurden noch bis Dezember 2003 berücksichtigt, Literatur konnte nur noch vereinzelt eingearbeitet werden. Ein herzlicher Dank gebührt meinem verehrten Doktorvater, Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, für die wertvollen inhaltlichen Anregungen und Gespräche sowie Prof. Dr. Robert Alexy für die Zweitbegutachtung. Bedanken möchte ich mich ferner beim Land Schleswig-Holstein für die Gewährung eines Promotionsstipendiums und der Dr.-Carl-Böse-Stiftung für einen großzügigen Druckkostenzuschuß. Dank sage ich auch Prof. Dr. Holger Schwemer für das Erwecken der Liebe zum Öffentlichen Recht und seine Anregung, eine Dissertation über Art. 14 GG zu schreiben. Besonders bedanken möchte ich mich schließlich bei Volker Steffahn, der zum Entstehen der Arbeit durch ständige Diskussionsbereitschaft und konstruktive Kritik beigetragen hat, sowie allen Korrekturlesern. Lübeck, Dezember 2003

Markus Appel

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Teil Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

22

A. Gewährleistungsinhalte des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

B. Schutzobjekte der Bestandsgarantie – Prüfungsfolge des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II. Niederschlag im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1. Erste Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

2. Neuere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

I. Selbständiger Eigentumsbegriff des BVerfG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

II. Konturen des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Ausgangspunkt: Auslegung des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Eigentumsbegriff durch Verfassungsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Teleologische Auslegung der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2. Die einzelnen Strukturmerkmale des verfassungsrechtlichen Eigentums . . . .

41

a) Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . .

41

(1) Begriffsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

(2) Herleitung durch teleologische oder historische Auslegung der Eigentumsgarantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Eigenleistung und Existenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

(1) Der „Wandel“ der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

(2) Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ bei öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

10

Inhaltsverzeichnis (3) Bedeutung des Strukturmerkmals „Eigenleistung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

(4) Bedeutung des Strukturmerkmals „Existenzsicherung“ . . . . . . . . . . . . . .

60

c) Vermögenswert einer Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

3. Die unterschiedlichen Funktionen der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Doppelbedeutung im Rahmen der Bestandsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

(1) Qualifikationsmerkmale im Rahmen des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . .

64

(2) Rechtmäßigkeitskriterien im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung . . .

70

b) Rechtmäßigkeitskriterien im Zusammenhang mit der Institutsgarantie . . .

76

III. Die Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

1. Qualifikationsfunktion des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

2. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Qualifikationsfunktion in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

b) Institutsgarantie als Element des Eigentumsbegriffs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

c) Art. 14 I 1 und 14 I 2 GG als Elemente des Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . .

84

d) Art. 14 I GG als „Transformationsnorm“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

e) Wandlungen des Eigentumsbegriffs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition (Art. 14 I 2 GG) . . . . . . . . .

88

I. Die Gesetzesabhängigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Die Voraussetzungen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . .

96

1. Bestehen eines subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

2. Die Bestandsgarantie als „Bündel von Befugnissen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Reichweite der Bestandsgarantie bei mehrdimensionalen Zuordnungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Zusammenschau des Privat- und öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Die Eigentumsgewährleistung des Art. 153 WRV als Bürde des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Die Stellung der Grundrechte unter der WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Die Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (a) Der Vorrang des Privatrechts vor öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (b) Die Notwendigkeit der „Schwellentheorien“ als Korrektiv . . . . . . . 111

Inhaltsverzeichnis

11

(3) Die Übertragung des Weimarer Eigentumsmodells auf die Eigentumsgarantie des GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Das subjektive Recht als Qualifikationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Unterscheidung zwischen dem Zuordnungsverhältnis als solchem und der hieraus folgenden Gesamtrechtsstellung sowie den einzelnen Befugnissen . . 120 2. Das Zuordnungsverhältnis als solches als vorrangiger Anknüpfungspunkt der Qualifikationsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Folgen der Anknüpfung an das Zuordnungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Qualifizierung der aus dem Zuordnungsverhältnis folgenden Gesamtrechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Abhängigkeit der Qualifikationsprüfung von der Verwurzelung des Zuordnungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) BVerfGE 95, 64 ff. – Wohnungsbindungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) BVerfGE 58, 300 ff. – Naßauskiesung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (3) Eigentumsschutz der Baubefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 IV. Vermeintlicher Sonderfall: Eigentumsschutz von „Nutzungsmöglichkeiten“ . . . . 139 E. Qualifizierung der einfachgesetzlichen Rechtsposition zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie (Art. 14 I 1 i. V. m. 14 I 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

2. Teil Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

154

A. Bundesverfassungsgerichtliche Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) / Enteignung (Art. 14 III GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Bisherige Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. BVerfGE 100, 226 ff. – Rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz . . . . . . . . . . 158 III. BVerfGE 104, 1 ff. – Städtebauliche Umlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Regelungen zum Ausgleich divergierender Privatinteressen: Art. 14 I 2 GG . 162 a) Kein unmittelbarer staatlicher Zugriff bei Eigentumsentziehungen im horizontalen Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Kriterien für die Einstufung auf die horizontale bzw. vertikale Ebene . . . . 163 c) Verhältnis zur Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Eigentumsentzug in erster Linie zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben . . . . . . . 165 a) Öffentlicher Aufgabenbezug als Element des Enteignungsbegriffs . . . . . . . 166

12

Inhaltsverzeichnis b) Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG bei vertikalen Hoheitsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (1) Der Verweis auf BVerfGE 38, 175 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (2) Die Aufrechterhaltung des Teilentzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (a) Rechtsvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (b) Rechtsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Die (Entstehungs-)Schwäche des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Fallgruppen der Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Die Einführung neuer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Ausschluß des Entstehens von bisherigen Rechten für die Zukunft . . . . . . . 185 II. Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Differenzierung zwischen Alt- und Neueigentümern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Fallgruppen der Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Umgestaltung durch Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses . . . . . . . 196 b) Umgestaltung durch Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses . . . . . . . . . . . 197 C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Allgemein: Verwirklichung des Sozialmodells des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Speziell: Anforderungen an Ausgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Materiell-rechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Kein Eingreifen der Individualrechtsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Schutz durch Institutsgarantie oder sog. objektives Abwägungsgebot? . . . 205 (1) Die Institutsgarantie des Art. 14 I 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Die Konzeption des sog. objektiven Abwägungsgebotes . . . . . . . . . . . . . (a) Der positive Grundansatz des objektiven Abwägungsgebotes . . . . (b) Fehlende Verankerung des objektiven Abwägungsgebotes in der Rspr. des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kein Bedürfnis für das objektive Abwägungsgebot aufgrund Eingreifens der Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 208 210 212

Inhaltsverzeichnis

13

(3) Zwei verschiedene Schutzwirkungen der Institutsgarantie . . . . . . . . . . . 216 (a) Schutz der originären „Eigentumserwerbsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . 217 (b) Schutz vor einem „Auslaufenlassen“ bestehender Eigentumserwerbsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Prozessuale Geltendmachung der Einrichtungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Speziell: Anforderungen an Umgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Abwägung mit der Bestandsgarantie aufgrund Grundrechtseingriffs . . . . . . . . 223 a) H. M.: Annahme eines Grundrechtseingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Die Leugnung eines Grundrechtseingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (1) Kein Eigentumseingriff aufgrund Total-Dispositionsvorbehalts? . . . . . (a) Ausdehnung der Schwächeformel auf Altrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kein Eigentumseingriff aufgrund Schutzbereichsgestaltung? . . . . (c) Sonderfall: Rückwirkendes Inkrafttreten einer Neuregelung . . . . .

226 226 229 231

(2) Kein Eigentumseingriff aufgrund immanenter Sozialbindung gemäß Art. 14 II GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Feststellung der Existenz von Altrechten durch Anwendung des Vorgängerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (1) Exkurs: Kein Eingriff in die Bestandsgarantie durch rechtmäßige Anwendungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (2) Ermittlung der Bestandsgarantie durch Rechtsanwendung – Verstoß gegen Art. 14 I 2 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Das Erfordernis eines „besonderen öffentlichen Interesses“ . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Bisherige Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (2) Verhältnis zum rechtsstaatlichen Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (a) Echte und unechte Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (b) Eigentumsgrundrechtlicher Bestands- oder rechtsstaatlicher Vertrauensschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Die Erhaltung der Substanz und des Zuordnungsverhältnisses . . . . . . . . . . . 258 (1) Keine Beeinträchtigung der Substanz des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (a) Vorliegen einer Substanzbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (b) Rechtsfolgen einer Substanzbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (2) Keine Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Abfederung des Eigentumseingriffs durch Übergangsregelungen . . . . . . . . 263 3. Vorgehen eines Newcomers gegen eine Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 D. Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

14

Inhaltsverzeichnis 3. Teil Zusammenfassung

273

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG mit Bezug zu Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

ABG

Allgemeines Berggesetz

Abs.

Absatz

Abschn.

Abschnitt(e)

abw.

abweichend(e)

AcP

Archiv der civilistischen Praxis (Zeitschrift)

a. E.

am Ende

AgrarR

Agrarrecht (Zeitschrift)

allg.

allgemein

Alt.

Alternative

AnwBl.

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BauGB

Baugesetzbuch

BauNVO

Baunutzungsverordnung

BayVBl.

Bayrische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

Beil.

Beilage

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BSGE

Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfG.de

Im Internet veröffentlichte Entscheidungen des BVerfG unter http://www.bverfg.de/entscheidungen

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts

bzgl.

bezüglich

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders.

derselbe

16 d. h. dies. diesbzgl. DÖV DV DVBl. EGBGB Einf. Einl. etc. EuGRZ f. FAZ ff. Fn. FS GewArch GG grds. Grds. HdBStR HdBVerfR h. L. h. M. i. d. S. i. E. i. e. L. i. R. d. i. S. d. i. V. m. JA JURA JuS JZ K.-Beschl. KJ LBauO-SH m. a. W. m. E. m. Nw. m. w. Nw.

Abkürzungsverzeichnis das heißt dieselbe(n) diesbezüglich(en) Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Die Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführung Einleitung et cetera Europäische Grundrechte (Zeitschrift) folgend Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende Fußnote(n) Festschrift Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz grundsätzlich(e) Grundsatz / -sätze Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland herrschende Lehre herrschende Meinung in diesem Sinne im Ergebnis in erster Linie im Rahmen des / der im Sinne des / der in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift) Kammerbeschluß Kritische Justiz (Zeitschrift) Landesbauordnung Schleswig-Holstein mit anderen Worten meines Erachtens mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis NJ

Neue Justiz (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NordÖR

Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

Nw.

Nachweise(n)

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht

o. ä.

oder ähnliches

o. g.

oben genannt(e)

OVG

Oberverwaltungsgericht

PatG

Patentgesetz

PrOVGE

Entscheidungssammlung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts

RG

Reichsgericht

RGZ

Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer(n)

Rspr.

Rechtsprechung

s.

siehe

S.

Seite(n)

sog.

sogenannte(n)

Sp.

Spalte(n)

stellv.

stellvertretend

str.

streitig(en)

st. Rspr.

ständige(r) Rechtsprechung

u.

und

u. a.

unter anderen

Uni

Universität

Urt.

Urteil

v.

vom / von

VA

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

vgl.

vergleiche

Vorb.

Vorbemerkung

VSSR

Vierteljahresschrift für Sozialrecht (Zeitschrift)

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WHG

Wasserhaushaltsgesetz

w. Nw.

weitere Nachweise

WRV

Weimarer Reichsverfassung

z. B.

zum Beispiel

ZfB

Zeitschrift für Bergrecht

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht

2 Appel

17

18 ZfW ZG ZMR ZSR ZStW z. T. zw.

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift für Staatswissenschaft zum Teil zweifelhaft

Einleitung Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen, ist misslich. Wer sich eingehend mit der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes beschäftigt, d. h. mit der nahezu unüberschaubaren Fülle der hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen und erschienenen Literatur, gerät schnell in eine solche Lage. Denn bei näherer Auseinandersetzung mit der Vielzahl an Veröffentlichungen gewinnt man schnell den Eindruck, die Grundrechtsbestimmung je weniger zu verstehen, desto ausführlicher man sich mit ihr befaßt. Nicht umsonst ist Art. 14 GG auch der – in diesem Zusammenhang nicht gerade ruhmreiche – Titel der „Eigernordwand in der Grundrechtslandschaft“1 verliehen worden. Die Ursache für dieses Dilemma liegt vor allem darin, daß sich trotz jahrzehntelanger Rechtsprechung und reichlicher Literatur bis heute kein Modell der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie hat durchsetzen können, bei dem sich von allgemeingültiger Akzeptanz sprechen ließe. Vor allem das Schrifttum ist gekennzeichnet durch eine große Vielfalt unterschiedlicher dogmatischer Ansätze mit der Folge, daß Meinungsverschiedenheiten in nahezu allen Bereichen des Eigentumsgrundrechts bestehen. Die Feststellung Leisners, bei keiner Grundrechtsbestimmung sei der Rechtskonsens so gering wie hier2, hat auch heute noch unverminderte Aktualität3. Die Kontroversen betreffen zum einen spezifische Teilfragen. Exemplarisch genannt seien nur die Diskussionen um einen Eigentumsschutz von „Nutzungsmöglichkeiten“, die Anerkennung einer in Art. 14 I 1 GG verankerten Institutsgarantie, die Zulässigkeit eines Geldausgleichs im Rahmen des Art. 14 I 2 GG („ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung“), die Verfassungsmäßigkeit sog. salvatorischer Klauseln im Rahmen von Art. 14 I 2 und III GG sowie die nahezu unendliche Geschichte des Enteignungsbegriffs. Damit eng verknüpft sind streitige staatshaftungsrechtliche Fragen wie z. B. die nach dem Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff. Schwerer wiegt jedoch, daß diese Divergenzen nicht nur Detailfragen des Eigentumsgrundrechts erfassen, sondern auch und vor allem bei der für das verfassungsrechtliche Eigentumsmodell grundlegenden, mithin dogmatischen Kardinalfrage bestehen: Wie kann die Verfassung das Eigentum verfassungsunmittelbar in Schwabe, JURA 1994, S. 529 f. Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 1. 3 Vgl. etwa Schwabe, DVBl. 1992, S. 841, der von einem „Sumpf der Eigentumsdogmatik“ spricht; ähnlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 256, der ein „Wirrwarr um den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff“ beklagt. 1 2

2*

20

Einleitung

Art. 14 I 1 GG gewährleisten, wenn dessen Inhalt und Schranken gemäß Art. 14 I 2 GG erst vom Gesetzgeber zu bestimmen sind? Steht dies nicht im Widerspruch zu der in Art. 1 III GG normierten Grundrechtsbindung aller Staatsgewalten, also auch der Legislative? Depenheuer hat dies jüngst als eines der „umstrittensten und bis zum heutigen Tage ungelösten“ Probleme des Art. 14 GG bezeichnet4. Angesichts dessen nimmt es Wunder, daß sich diesem Zentralproblem in der Vielzahl an Veröffentlichungen zu Art. 14 GG, soweit ersichtlich, bislang kaum eingehend gewidmet wurde. Dabei ist dieser Konflikt zwischen grundrechtsgebundenem und grundrechtsgewährendem Gesetzgeber von so entscheidender Bedeutung, daß ohne seine Lösung jedes verfassungsrechtliche Eigentumsmodell auf tönernen Füßen steht. Mit der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, etwas Licht in das Dunkel des eben skizzierten Spannungsverhältnisses zwischen Art. 14 I 1 GG und Art. 14 I 2 GG zu bringen. Ausgangspunkt soll hierfür jedoch kein neu zu entwickelndes Eigentumsmodell sein, sondern ausschließlich die Eigentumsrechtsprechung des BVerfG. Zwar wird die Diskussion um die Eigentumsgarantie durch die inzwischen beachtliche Anzahl von Eigentumsmodellen aus dem Schrifttum, denen selbständige dogmatische Ansätze zugrunde liegen, häufig in großem Maße bereichert. Dennoch darf nicht aus den Augen verloren werden, daß nach dem Verständnis des GG dessen „einzig authentischer Interpret“5 das BVerfG ist. Das GG gilt – für die Theorie, aber vor allem für die Praxis – „praktisch so, wie das Bundesverfassungsgericht es auslegt.“6 Dem soll in dieser Untersuchung Rechnung getragen werden. Die vorliegende Abhandlung auf Basis der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsrechtsprechung zu fertigen, erscheint darüber hinaus auch aus anderen Gründen angebracht. Denn das Eigentumsmodell des BVerfG ist bis in die jüngste Zeit scharfer Kritik ausgesetzt. Auch wenn in den letzten 20 Jahren seit der Naßauskiesungs-Entscheidung7 das bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsverständnis in der fachgerichtlichen Rspr. und im Schrifttum vielfache Akzeptanz gefunden hat, gibt es bis heute zahlreiche Stimmen, aus denen eine tiefgreifende Ablehnung spricht. Die Eigentumsrechtsprechung des BVerfG sieht sich u. a. dem 4 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 157; ders., Der Eigentumsbegriff, S. 31. Diese Grundfrage des Art. 14 GG betonen z. B. auch Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 150 f.; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 37; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 894; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn. Rn. 28. 5 Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 103. 6 Smend, Das Bundesverfassungsgericht, S. 582. Siehe allg. zur Bindungs- und Gesetzeskraftwirkung nach § 31 BVerfGG statt vieler Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 463 ff.; Landfried, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, S. 171 ff. Zu der damit einhergehenden Gefahr einer „Entthronung der Staatsrechtswissenschaft“ zu einer „Bundesverfassungsgerichtsauslegungswissenschaft“ bzw. einem „Bundesverfassungsgerichtspositivismus“ siehe etwa Schlink, Der Staat 28 (1989), S. 161 ff. (insbes. S. 168 ff.); Oppermann, in: FS-BVerfG, S. 421 ff., 460. 7 BVerfGE 58, 300 ff.

Einleitung

21

Vorwurf der „rechtspraktischen Unbrauchbarkeit“8 ausgesetzt. Andere meinen, sie sei gekennzeichnet durch „Unklarheiten“9 sowie „elementare Widersprüchlichkeiten und Aporien“10, manche sprechen gar von „Konzeptlosigkeit und Diffusität“11. Battis hat in jüngerer Zeit sogar eine „Bankrotterklärung“12 des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumskonzepts festgestellt und dem Gericht deswegen im Bereich des Art. 14 GG die Bindungswirkung seiner Entscheidungen nach § 31 BVerfGG abgesprochen13. Angesichts dieser nicht verstummenden, teils massiven Kritik soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit die „Basis“ des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsmodells untersucht werden, d. h. die Frage, wie das Gericht den Konflikt zwischen verfassungsunmittelbarer Eigentumsgewährleistung (Art. 14 I 1 GG) und eigentumsgewährender Tätigkeit des Gesetzgebers (Art. 14 I 2 GG) löst. Ihrer Antwort soll sich aus zwei Blickwinkeln genähert werden: Zunächst wird im 1. Teil der Arbeit das Spannungsverhältnis zwischen Art. 14 I 1 und 14 I 2 GG untersucht anläßlich der Fragestellung, auf welche Art und Weise das BVerfG die Objekte ermittelt, die unter den Schutz der Eigentums(bestands)garantie fallen14. Sodann wird im 2. Teil der Arbeit die Regelung des Art. 14 I 2 GG einer ausführlichen Betrachtung unterzogen. Dazu wird erst die Frage der Abgrenzung zu Art. 14 III GG behandelt15, um sodann verschiedene Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG herauszustellen, die sich in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. aufzeigen lassen16. Im Anschluß wird untersucht, welchen eigentumsgrundrechtlichen Bindungen der Gesetzgeber im Rahmen seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG unterliegt17. Hierbei ist die entscheidende Frage zu beantworten, ob die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie im Modell des BVerfG – so der häufige Vorwurf – überwiegend schutzlos dem Gesetzgeber ausgeliefert ist, oder dieser im Gegenteil weit- und damit hinreichenden eigentumsgrundrechtlichen Bindungen unterliegt18. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 207. Battis, in: FS-Leisner, S. 684. 10 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 159. 11 Schwabe, JZ 1991, S. 777. Einzelheiten und w. Nw. zur Kritik am bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsmodell unten auf S. 33 ff. 12 Battis, NuR 2000, S. 424. 13 Battis, in: FS-Leisner, S. 684. 14 1. Teil, S. 25 ff. 15 2. Teil, A., S. 154 ff. 16 2. Teil, B., S. 176 ff. 17 2. Teil., C., S. 199 ff. 18 Neben den amtlichen sowie in Fachzeitschriften und im Internet veröffentlichten Entscheidungen des BVerfG lassen auch die Publikationen von Werner Böhmer Schlüsse auf das bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsverständnis zu. Böhmer war vom 10. Februar 1965 bis 25. Juli 1983 Richter am ersten Senat des BVerfG und an zahlreichen, für die Eigentumsgarantie wegweisenden Entscheidungen federführend beteiligt (z. B. als Berichterstatter bei der Naßauskiesungs-Entscheidung, BVerfGE 58, 300 ff.; siehe auch zu seiner Person v. Heynitz, Rechtshistorische Erkenntnisse, S. 30 ff.). 8 9

1. Teil

Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG A. Gewährleistungsinhalte des Art. 14 I 1 GG Das Grundgesetz bestimmt in Art. 14 I 1 kurz und knapp, das Eigentum werde „gewährleistet“. Das BVerfG betont in st. Rspr., daß es diese Gewährleistung in einer doppelten Hinsicht verstehe: „Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet das Privateigentum sowohl als Rechtsinstitut wie auch in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen Eigentümers.“1

Diese beiden Gewährleistungen werden vom BVerfG begrifflich in zwei Garantien gefaßt: Hinsichtlich der Gewährleistung des Eigentums als Rechtsinstitut spricht es von einer in Art. 14 I 1 GG verwurzelten „Institutsgarantie“ 2. Geht es um das Eigentum in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen, so verwendet das BVerfG den Begriff der „Bestandsgarantie“3. Bei der Bestandsgarantie ist zu unterscheiden zwischen der Funktion, die dieser Gewährleistung im bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsmodell zukommt4, und den einzelnen, von der Rechtsstellungsgarantie erfaßten Schutzobjekten. 1 BVerfGE 24, 367 (389); vgl. ferner nur BVerfGE 20, 351 (355); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 42, 263 (294); 58, 300 (339). Auch in der Lehre ist diese mehrdimensionale Gewährleistung ganz herrschend, vgl. stellv. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 1; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 91; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 60 ff. 2 Vgl. BVerfGE 24, 367 (389). Synonym wird auch der Begriff der Einrichtungsgarantie gebraucht (BVerfGE 24, 367 [389]: „Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung“). Näher zur Institutsgarantie unten S. 206 ff. 3 BVerfGE 24, 367 (397); 42, 263 (294); 58, 300 (351); 83, 201 (212); 100, 226 (245). Der Sprachgebrauch des Gerichts ist auch hier nicht einheitlich. Zum Teil wird daneben der Begriff der „Rechtsstellungsgarantie“ (BVerfGE 31, 275 [293]) bzw. „Rechtsträgergarantie“ (BVerfGE 24, 367 [400]) verwendet. In der Literatur existiert ferner der Begriff „Individualrechtsgarantie“ (z. B. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 70; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 68). 4 Der Begriff der Funktion ist damit „subjektiv“ gemeint in bezug auf die vom BVerfG mit der Statuierung der Bestandsgarantie verfolgten Zwecke. Zur Unterscheidung eines objektiven und subjektiven Funktionsbegriffs siehe Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 30 Fn. 45.

A. Gewährleistungsinhalte des Art. 14 I 1 GG

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Die Bestandsgarantie hat nach der Rechtsprechung des BVerfG zwei Aufgaben: „Sie ist zunächst ein objektivrechtliches Verbot.“5 Diese Funktion hat das BVerfG vor Augen, wenn es ausführt, das GG gewährleiste das Eigentum „[ . . . ] in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen Eigentümers. Eingriffe von hoher Hand in das Eigentum sind damit grundsätzlich unzulässig.“6

Das BVerfG bringt damit zum Ausdruck, daß die Bestandsgarantie dem Staat grundsätzlich verbietet, auf die ihrem Schutzbereich unterfallenden Vermögensrechte zuzugreifen. Eingriffe darin sind nur zulässig, wenn eine solche Maßnahme durch entsprechende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt ist. Die Bestandsgarantie hat insoweit die Funktion eines objektiven Rechtmäßigkeitsmaßstabs. Bei der Frage, welche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit derartiger Eingriffe zu stellen sind, ist nach dem BVerfG zu unterscheiden:  Erfolgt der Eingriff in die Bestandsgarantie durch eine Enteignung, so ist dieser nur gerechtfertigt, wenn die besonderen Erfordernisse des Art. 14 III GG (Gesetz, Allgemeinwohlbindung, Verhältnismäßigkeit, Entschädigung) vorliegen7.  Wird durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) in die Bestandsgarantie eingegriffen, so fordert das BVerfG für ihre Rechtmäßigkeit ein besonderes öffentliches Interesse unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit8.

Die Wirkungsweise der Bestandsgarantie als Rechtmäßigkeitskriterium hätte für den Bürger aber wenig Gehalt, wenn ihm kein Recht zur Seite stünde, die daraus abzuleitenden Anforderungen an hoheitliche Maßnahmen auch durchsetzen zu können. Daher betont das BVerfG zum anderen die Aufgabe der Rechtsstellungsgarantie, dem Betroffenen ein subjektives Abwehrrecht gegen den Staat an die Hand zu geben9. Dieser Gewährleistungsgehalt schwebt dem Gericht vor, wenn es betont: „Die Eigentumsgarantie ist nicht zunächst Sach-, sondern Rechtsträgergarantie. Das Grundrecht gewährt vor allem die Befugnis, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter abzuwehren.“10

Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 48; ders., NJW 1988, S. 2563. BVerfGE 20, 351 (355); vgl. Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 48; ders., NJW 1988, S. 2563 f.; Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 73. 7 Vgl. BVerfGE 24, 367 (403 ff.); 38, 175 (180 ff.); 56, 249 (259 ff.); 74, 264 (280 ff.). Siehe hierzu Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 160 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 68 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 422 ff. 8 Vgl. an dieser Stelle nur BVerfGE 58, 81 (121); hierzu ausführlich unten S. 248 ff. Anders ist die Sachlage, wenn eine Neuregelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG nicht in Altrechte eingreift. Hier ist lediglich die Institutsgarantie betroffen. Näher dazu unten S. 202 ff. 9 Vgl. Böhmer, NJW 1988, S. 2563 f.; Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 73. 5 6

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Als subjektives Abwehrrecht entfaltet die Bestandsgarantie ihre Wirkung im Zusammenspiel mit den übrigen Verfassungsnormen, die dem Bürger umfassenden Rechtsschutz gegen alle Maßnahmen der öffentlichen Gewalt, d. h. auch des (Eigentums-)Gesetzgebers eröffnen (insbesondere Art. 1 III, 20 III, 19 IV, 93 I Nr. 4a, 100 I GG)11. Die Eigentums(bestands)garantie wird dadurch, ganz im Sinne des liberalen Grundrechtsideals12, zu einem individuell einklagbaren Grundrecht13. Hält man sich diese Verbots- und Abwehrfunktion der Bestandsgarantie vor Augen, so rückt die Frage in den Mittelpunkt, welche Schutzobjekte ihr unterfallen. Wie im Rahmen der Einleitung bereits angedeutet, liegt die Crux ihrer Beantwortung in der Struktur des Art. 14 GG. Während Art. 14 I 1 GG bestimmt, daß das Eigentum gewährleistet sei, spricht Art. 14 I 2 GG gleichzeitig dem Gesetzgeber die Befugnis zu, Inhalt und Schranken zu bestimmen. Das eigentumsdogmatische Dilemma ist damit vorgezeichnet: „Wie soll das Eigentum gegenüber dem Gesetzgeber verbindliche Direktiv- und Abwehrkraft entfalten können, wenn sein Substrat (,Inhalt‘) von eben diesem zunächst bestimmt werden muss?“14 Für die Frage nach den geschützten Positionen folgt daraus: Art. 14 I 2 GG scheint den Weg zu versperren, diese unmittelbar aus der Verfassung herzuleiten. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Vermittlung ist von Verfassungs wegen vorgegeben. Andererseits mag die in Art. 14 I 1 GG normierte Eigentumsgewährleistung dagegen zu sprechen, die geschützten Objekte völlig eigenständig, d. h. ohne jegliche Verfassungsanbindung, aus den einfachen Gesetzen zu entwickeln. Denn dann hätte es alleine der Gesetzgeber in der Hand, über das Eingreifen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes zu entscheiden. Das Grundrecht stünde zu seiner Disposition. Der richtige Weg kann daher, wie so oft, nur in der Mitte liegen. Die Schutzpositionen müssen in einem Zusammenspiel zwischen Verfassung und einfachem Recht ermittelt werden. Die entscheidende Frage ist, nach welchen Regeln dieses Zusammenspiel erfolgt.

10 BVerfGE 24, 367 (400). In die gleiche Richtung zielen Aussagen des BVerfG, die die „sichernde und abwehrende Bedeutung“ (BVerfGE 31, 229 [239]; 36, 281 [290]; 42, 263 [293]) der Eigentumsgarantie betonen bzw. ihre Funktion, „den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu bewahren.“ (BVerfGE 72, 175 [195]; 75, 108 [154]; 83, 201 [208]). BVerfG, 1 BvR 180 / 88, K.-Beschl. v. 26. 05. 1998, NJW 1998, S. 3264, spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „abwehrrechtlichen Schutzfunktion“. 11 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 4; Böhmer, NJW 1988, S. 2564. 12 Hierzu Böckenförde, NJW 1974, S. 1530 ff.; Ossenbühl, NJW 1976, S. 2100 f. 13 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 8; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 41. Zur str. Frage, inwieweit sich auch aus der Institutsgarantie ein subjektiv einklagbares Recht herleiten läßt, siehe unten S. 220 ff. 14 Depenheuer, Der Eigentumsbegriff, S. 31; ebenso ders., Entwicklungslinien, S. 157.

B. Schutzobjekte der Bestandsgarantie

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B. Schutzobjekte der Bestandsgarantie – Prüfungsfolge des BVerfG I. Übersicht Gegenstand der folgenden Untersuchungen ist die Frage, wie sich in der Rspr. des BVerfG das Ineinandergreifen von Verfassung und einfachem Recht bei der Ermittlung der Schutzpositionen der Bestandsgarantie gestaltet. Zu ihrer Beantwortung soll bereits hier ein Überblick zum diesbezüglichen Eigentumsverständnis des BVerfG gegeben werden. Anknüpfungspunkt ist die Prüfungsfolge, die das Gericht durchläuft, wenn es der Frage nachgeht, ob eine bestimmte Position unter den Schutz der Individualrechtsgarantie fällt. Auch wenn das BVerfG das nachfolgend dargestellte Prüfungsmuster, soweit ersichtlich, an keiner Stelle explizit herausstellt, läßt sich dieses anhand der Vorgehensweise des Gerichts in einer Vielzahl von Entscheidungen nachweisen. Auf eine Kurzformel gebracht, kann der Untersuchungsgang des BVerfG zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie als zweistufige Prüfungsfolge bezeichnet werden: Prüfungsschritt 1: Anknüpfungspunkt für den ersten Prüfungsschritt ist Art. 14 I 2 GG. Aus der Ermächtigung des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, schließt das BVerfG, daß unter den Schutz der Bestandsgarantie nur gesetzlich geschaffene Rechtspositionen fallen können15. Die Feststellung, ob eine derartige Position besteht, untersucht das BVerfG als erstes. Prüfungsschritt 2: Der zweite Prüfungspunkt dient der Klärung der Frage, ob die festgestellte Rechtsposition auch tatsächlich als verfassungsrechtliches Eigentum eingestuft werden kann. Ihre Beantwortung läßt sich in zwei Unterpunkte gliedern. a) Der erste findet seine Verankerung allein in Art. 14 I 1 GG. Aus der dort normierten Eigentumsgewährleistung zieht das BVerfG verfassungsunmittelbare Strukturmerkmale, die Verfassungseigentum begrifflich ausmachen. Bei der Frage nach der Ermittlung dieser Strukturvorgaben bewegt sich das Gericht also ausschließlich auf der Ebene der Verfassung16. b) Der zweite Unterpunkt findet seine Basis in einer Verknüpfung von Art. 14 I 1 und 14 I 2 GG. Liegt eine einfachgesetzliche Position im Sinne des Art. 14 I 2 GG vor, so kann sie nur taugliches Schutzobjekt sein, wenn sie die aus Art. 14 I 1 GG verfassungsunmittelbar gewonnenen Strukturmerkmale erfüllt. Nur dann ist die Position als Schutzobjekt der Bestandsgarantie zu qualifizieren17. 15 16

Zu dieser „Gesetzesabhängigkeit“ des Eigentums ausführlich unten S. 88 ff. Einzelheiten unten S. 31 ff.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

II. Niederschlag im Schrifttum Die eben in ihren Grundstrukturen skizzierte und im Verlauf der vorliegenden Arbeit noch eingehend zu untersuchende Prüfungsfolge des BVerfG wird mittlerweile auch in der Literatur verstärkt aufgegriffen. Zwar fehlt es meist an einer detaillierten Darstellung. Das oben skizzierte Denkschema findet sich jedoch dem Grundansatz nach in einer Vielzahl von Stellungnahmen wieder. Zum Teil wird hierbei ausdrücklich auf das BVerfG Bezug genommen, andere betonen diese Vorgehensweise, ohne auf das Gericht zu verweisen. An dieser Stelle soll bereits ein Überblick zu den diesbezüglichen Literaturstimmen gegeben werden.

1. Erste Stellungnahmen Soweit ersichtlich, haben sich Ramsauer, Schwerdtfeger und Wendt diesem Gedankengang als erste näher gewidmet.  In einer 1980 erschienenen Schrift Ramsauers finden sich folgende Ausführungen: „Die Verfassung kann in Art. 14 I 1 GG nur das garantieren, das die Rechtsordnung dem Rechtssubjekt an Befugnissen zur freiheitlichen Betätigung eingeräumt hat. Dies ergibt sich aus der [ . . . ] Abhängigkeit des Eigentums von seiner Anerkennung in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung. [ . . . ] Der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG enthält dagegen die begrifflichen Voraussetzungen für die Qualifizierung einer Position als Eigentum. Aus ihm ergeben sich die Strukturelemente des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn.“18 Prägnant stellt er in seiner Zusammenfassung fest: „Der Eigentumsbegriff ist vom Eigentumsinhalt streng zu unterscheiden. Der Eigentumsinhalt bestimmt den Umfang der geschützten Rechtspositionen, der Begriff sagt darüber etwas aus, welche Voraussetzungen eine – anderweitig begründete – Position erfüllen muß, damit sie als Eigentum unter dem Schutz des Art. 14 GG steht.“19  In dieselbe Richtung zielen die Ausführungen Schwerdtfegers aus dem Jahr 1982: „Zunächst ist der einfache Gesetzgeber am Zuge. Er schafft subjektive Rechte des privaten und des öffentlichen Rechts. Anschließend ist zu entscheiden, ob das jeweilige Recht begrifflich als Eigentum i.S. von Art. 14 GG anzu17 Vgl. zu dieser Prüfungsfolge vorerst nur BVerfGE 69, 272 (299 f.), wo zunächst das Bestehen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition (hier: Ansprüche aus §§ 165 I Nr. 3, 1235 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung) festgestellt und danach geprüft wird, ob diese die verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG gewonnenen Strukturmerkmale des Verfassungseigentums erfüllen. Siehe dieselbe Vorgehensweise etwa auch in BVerfGE 15, 167 (199 f.); 16, 94 (111); 24, 220 (225 f.); 31, 275 (283); 53, 193 (216 f.); 81, 12 (16); 83, 201 (208); 100, 1 (32). 18 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 130. 19 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 191 (Hervorhebung nicht im Original).

B. Schutzobjekte der Bestandsgarantie

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sehen ist, also dem Anwendungsbereich des Art. 14 GG unterfällt. Die Antwort auf diese Frage muß natürlich im Grundgesetz selbst angelegt sein.“20  Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch Wendt. Mit Verweis auf Ramsauer führt er 1985 aus: „Auskunft über den Gewährleistungsbereich des Eigentums ist vom Eigentumsbegriff des Art. 14 GG zu erwarten. Da er Aufschluß über die Strukturelemente des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn zu geben hat, müssen sich aus ihm die begrifflichen Voraussetzungen für die Qualifizierung einer Position als Eigentum ergeben und muß wesentlich aus ihm folgen, unter welchen Voraussetzungen ein einfaches Gesetz eigentumsrelevant ist.“21

Bei allen dreien spiegelt sich die oben angesprochene mehrstufige Prüfungsfolge wieder. Daß hier von vornherein nur Rechtspositionen erfaßt werden (Art. 14 I 2 GG, erster Prüfungsschritt), wird bei allen deutlich durch das Abstellen auf eine Tätigkeit des Gesetzgebers (besonders bei Schwerdtfeger: „Zunächst ist der einfache Gesetzgeber am Zuge. Er schafft [ . . . ]“). Den ersten Teil des zweiten Prüfungsschritts (verfassungsunmittelbare Vorgaben aus Art. 14 I 1 GG) machen Ramsauer und Wendt deutlich, indem sie die Frage nach dem „Eigentumsbegriff“ aufwerfen. Aus ihm ergäben sich die „Strukturelemente des Eigentums“ (ebenso Schwerdtfeger, wenn er fragt, ob das jeweilige Recht „begrifflich“ als Eigentum anzusehen ist). Sie verwenden den Terminus (verfassungsrechtlicher) „Eigentumsbegriff“ damit als Ausdruck für die verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu entwickelnden Vorgaben, mit deren Hilfe die Frage zu beantworten ist, ob eine Rechtsposition unter die Bestandsgarantie fällt22. Dieser Eigentumsbegriff sei klar von den einzelnen Positionen zu trennen, die als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie in Betracht kommen (Ramsauer nennt dies den Eigentumsinhalt). Der dritte Schritt, die Verknüpfung zwischen Verfassung und einfachem Recht, zeigt sich durch den Hinweis auf die Überprüfung der einfachgesetzlichen Rechtsposition anhand der verfassungsunmittelbaren Strukturelemente. Dies wird besonders deutlich bei Ramsauer und Wendt. Nach ihnen entscheiden die Strukturelemente über die „Qualifizierung“ einer Rechtsposition zu Eigentum.

20 Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13 f. (Hervorhebung im Original), mit Verweis auf BVerfGE 42, 263 (292); 58, 300 (335). Ferner Schwerdtfeger, NVwZ 1982, S. 8, wenn auch mit etwas mißverständlicher Formulierung: Art. 14 I 1 GG erkenne gewisse „Grundaspekte“ des Eigentums verfassungsunmittelbar an, und innerhalb dieser Eigentums„hülse“ habe der Gesetzgeber nach Art. 14 I 2 GG die Kompetenz zur Inhaltsbestimmung. 21 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 9. 22 Ausführlich zum dem Terminus „verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ noch unten S. 32 ff. und S. 77 ff.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

2. Neuere Literatur Bei Untersuchung des eigentumsrechtlichen Schrifttums fällt auf, daß sich gerade in jüngerer Zeit zahlreiche Stimmen finden, die die Frage nach den Schutzpositionen der Bestandsgarantie auf Grundlage der oben skizzierten mehrstufigen Prüfungsfolge beantworten.  Erwähnung finden soll zunächst Manssen. In seiner Arbeit aus dem Jahr 1994 führt er aus: „Der Gesetzgeber schafft etwas, und die Verfassung bzw. die Verfassungsinterpretation entscheidet darüber, ob dieses Etwas Eigentum im Sinne des Art. 14 GG ist. Erst als Reaktion auf eine Tätigkeit des Gesetzgebers ordnet die Eigentumsgarantie Gegenstände den Inhabern als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum zu.“23 Alle oben genannten Prüfungsschritte finden sich in Manssens Ausführungen wieder: Zunächst stellt er auf eine Tätigkeit des Gesetzgebers ab; das von diesem ausgeformte „Etwas“ müsse anhand der Verfassung zu Eigentum qualifiziert werden. Zusammenfassend hält Manssen fest: „Die Frage, ob an einem Gegenstand Eigentum im Sinne der Verfassung besteht, ist also ein Subsumtions- und Qualifikationsproblem.“24  Die mehrstufige Prüfungsfolge liegt auch den Ausführungen von Lee aus dem Jahr 1994 zugrunde. Im Zusammenhang mit der Frage, welche Schutzpositionen in den Eigentumsschutz einbezogen sind, trägt er vor: „Obwohl das Eigentum des Art. 14 GG eine Schöpfung der Rechtsordnung ist, bestimmt der Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums nicht damit, daß etwas als ,Eigentum‘ bezeichnet wird. Allgemein gesehen schafft der Gesetzgeber durch verschiedene Gesetze zunächst subjektive Rechte des privaten und des öffentlichen Rechts. Anschließend bleibt aber noch zu entscheiden, ob das jeweilige Recht ,begrifflich‘ als Eigentum i.S. von Art. 14 GG anzusehen ist, also dem Anwendungsbereich des Art. 14 GG unterfällt. Die Antwort auf diese Frage muß wieder im Grundgesetz selbst angelegt sein.“25 Hinsichtlich der Kriterien, die für diese Antwort maßgeblich sind, spricht Lee von den „konstitutiven Merkmalen des Begriffs ,Eigentum‘ in Art. 14 I 1 GG“26.  Aus demselben Jahr sind auch folgende Ausführungen Melchingers: „[ . . . ] bezüglich der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs [kann] festgehalten werden, daß zwar die Kriterien für eine Zuordnung als Gegenstand Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 262. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 261 (Hervorhebung im Original). Später hat Manssen für dieses Zusammenspiel zwischen Verfassung und einfachem Recht den Begriff der sog. Qualifikationslehre eingeführt (Manssen, Staatsrecht, Rn. 411). Er betont mit Verweis auf BVerfGE 89, 1 ff., daß sich mittlerweile auch das BVerfG einem solchen Verständnis zuneige (Manssen, Staatsrecht, Rn. 418). Diesem Befund kann nur zugestimmt werden, wenn sich auch im Verlauf der vorliegenden Untersuchung zeigen wird, daß das Gericht dieser Sichtweise nicht erst seit BVerfGE 89, 1 ff. anhängt. 25 Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 50. 26 Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 51. 23 24

B. Schutzobjekte der Bestandsgarantie

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des Grundrechtsschutzes des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegt sind, daß aber die Frage, ob eine Rechtsposition diesem Schutz auch unterliegt, erst anhand der konkreten Ausgestaltung beantwortet werden kann und mithin keine abstrakte, allgemeingültige Zuordnung möglich ist.“27 „Alle einfachgesetzlich gewährten Rechtspositionen, die diese Voraussetzungen [des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs] ausdrücklich erfüllen, unterliegen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, unabhängig davon, ob sie einfachgesetzlich ausdrücklich als ,Eigentum‘ bezeichnet sind oder nicht.“28  Beachtung zu schenken ist auch der Abhandlung von Glos (1998), der in diesem Zusammenhang explizit auf eine „doppelte Prüfung“29 hinweist: „Damit etwas als durch Art. 14 GG geschütztes Eigentum qualifiziert werden kann, muß es sich – erstens – um eine gem. Art. 14 I 2 GG vom einfachen Gesetzgeber geschaffene Rechtsposition handeln, die – zweitens – den im Eigentumsbegriff des Art. 14 I 1 GG enthaltenen Identifizierungsmerkmalen entspricht. Soll dieser zweite Schritt, der durch das Wort ,Eigentum‘ in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ja ausdrücklich verankert ist, nicht leerlaufen, kann es nicht ausreichen, schlicht jede vermögenswerte Rechtsposition als Eigentum im Sinne der Verfassung zu betrachten.“30 „Während der Inhalt der konkreten Rechtsposition somit nicht verfassungsunmittelbar festgelegt wird, muß der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums aus der Verfassung selbst gewonnen werden [Verweis u. a. auf die Rspr. des BVerfG]. Letzterer sagt über den Inhalt der einzelnen Eigentumsrechte nichts aus. Er dient nur der Identifizierung eines durch den einfachen Gesetzgeber geschaffenen Rechts als ein von Art. 14 GG geschütztes.“31  Auch Rozek legt seiner Arbeit aus dem Jahr 1998 das hier dargestellte Eigentumsverständnis zugrunde und verweist dabei durchweg auf die Rspr. des BVerfG32. Er betont: „Art. 14 GG enthält einen spezifisch verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff.“33 „Durch öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Normen formt der Gesetzgeber die subjektiven Rechte erst aus, die dann als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzuerkennen sind, d. h. nach den Kriterien des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs in den Schutzbereich der Eigentums(bestands)garantie fallen.“34 Mit Verweis auf Manssen35 bezeichnet auch er die Frage, ob an einem Gegenstand Verfassungseigentum beMelchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 122. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 115. 29 Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 92. 30 Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 92 (Hervorhebung im Original) mit Verweis auf die Rspr. des BVerfG. 31 Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 87 (Hervorhebung im Original). 32 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 25 ff., 42 ff. 33 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42 f. 34 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 27. 35 Vgl. oben S. 28 Fn. 23 f. 27 28

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

steht, als „Subsumtions- und Qualifikationsproblem“36. Das Verhältnis zwischen Verfassung und einfachem Recht, d. h. zwischen Art. 14 I 1 GG und den gemäß Art. 14 I 2 GG erlassenen einfachen Gesetzen, beschreibt er als „ambivalentes Rollenspiel“37.  Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch das 1999 erschienene Werk von Jestaedt. Unter Bezugnahme auf Entscheidungen des BVerfG führt er aus: „Zunächst spricht das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht die Gewährleistung eines Hohl- oder Blankett-Rechtes aus, dessen Auffüllung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 dem Belieben des Gesetzgebers überlassen wäre. Vielmehr muß eine – einfachrechtlich begründete (cf. Art. 14 Abs. 1 Satz 2) – Rechtsposition bestimmte Strukturmerkmale aufweisen, soll ihr das verfassungsrechtliche Prädikat ,Eigentum‘ zuwachsen.“38 Diese Strukturmerkmale seien eigenständig aus Art. 14 I 1 GG zu gewinnen: „Die Rechtsmacht, die dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zuteil wird, umfaßt nicht die Befugnis, über die verfassungsrechtlichen Merkmale des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu disponieren. Ihm obliegt es vielmehr, dem abstrakten verfassungsrechtlichen Institut konkrete Anwendungsfälle zuzuführen, also die mit grundrechtlichem Bestandsschutz ausgestatteten Strukturen mit konkreter Rechtssubstanz zu füllen.“39  Besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist der im Jahr 2000 veröffentlichten Arbeit von Grochtmann. Er setzt sich zunächst eingehend mit der in Art. 14 I 2 GG verwurzelten Normgeprägtheit der Bestandsgarantie auseinander40. Ausgehend von dieser Basis folgert er, der „verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff“ habe eine „Abgrenzungsaufgabe“41. Nur mit seiner Hilfe lasse sich ermitteln, ob eine einfachgesetzliche Rechtsposition als Schutzobjekt der Bestandsgarantie anzusehen sei. „Es geht dabei um die Festlegung, welche Gesetze es sind, die eigentumsrechtlich so qualifiziert sind, daß die auf ihrer Grundlage geschaffenen Zuordnungsverhältnisse als verfassungsrechtliches Eigentum eingestuft werden müssen und bei welchen Gesetzen dies nicht der Fall ist.“42 Grochtmann spricht ausdrücklich von einer Prüfung in „zwei Schritten: Zunächst wird in Respektierung des Art. 14 I 2 GG gefragt, ob die in Rede stehende Position normativ zugeordnet ist, da sie andernfalls von vornherein nicht als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG qualifiziert werden kann. Dann hat die eigentlich ,materielle‘ Abgrenzung zu folgen, ob das gesetzlich zugeordnete Recht tatsächlich als Eigentum zu kennzeichnen und damit zu gewährleisten ist.“43 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 45 (Hervorhebung im Original). Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 44. 38 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 31. 39 Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 33. 40 Vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 105 ff. 41 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 238 ff.; allg. spricht er auf S. 217 ff. von einer „Abgrenzungsfunktion“ des Eigentumsbegriffs. 42 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 222. 36 37

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Die vorgenannten Stimmen sollen ausreichen, um zu zeigen, daß die oben skizzierte mehrstufige Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzpositionen der Bestandsgarantie mittlerweile auch im Schrifttum aufgegriffen wird44. Im nachfolgenden Gang der Untersuchung wird im einzelnen aufgezeigt, daß diese Prüfungsstruktur der des BVerfG entspricht. Abweichend von der oben45 skizzierten Reihenfolge soll dabei aber nicht mit dem 1. Prüfungsschritt, d. h. dem in Art. 14 I 2 GG verwurzelten Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition begonnen werden. Zunächst wird Punkt 2.a) behandelt, d. h. die Frage nach den verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu entnehmenden Strukturmerkmalen des Eigentums. Denn im Rahmen dieser Untersuchung geht es nicht um die Klärung des Eigentumsschutzes für eine konkrete Position. Nur dann wären – entsprechend der in praxi vom BVerfG eingehaltenen Reihenfolge – Erörterungen zu den verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben entbehrlich, wenn es bereits an einer Rechtsposition im Sinne des Art. 14 I 2 GG fehlte. Hier soll die Prüfungsfolge des BVerfG abstrahiert behandelt werden. Dabei erscheint es angebracht, entsprechend der Normstruktur des Art. 14 GG zunächst die Frage nach den unmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu entnehmenden Strukturvorgaben des Verfassungseigentums zu untersuchen (Prüfungsschritt 2.a46), um danach die Frage nach dem Vorliegen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition im Sinne des Art. 14 I 2 GG (Prüfungsschritt 147) und ihrer Qualifizierung zu Verfassungseigentum (Prüfungsschritt 2.b48) zu erörtern.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG) Oben wurde angeführt, das BVerfG ziehe unmittelbar aus der in Art. 14 I 1 GG normierten Eigentumsgewährleistung Vorgaben, die Eigentum begrifflich ausmachen. Anhand der Entscheidungen des BVerfG ist zu überprüfen, ob sich diese Aussage bestätigen läßt. Der Untersuchungsgang ist hierbei vorgezeichnet: Entspräche dies der Vorgehensweise des Gerichts, so müßten sich in seinen EntscheiGrochtmann, Art. 14 GG, S. 222 Fn. 1053 (Hervorhebung im Original). Sie läßt sich ferner herauslesen etwa bei Wolter, Vom Volkseigentum zum Privateigentum, S. 77 f.; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 22; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 37 ff.; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 6 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 112 f.; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 22 ff., 52 ff.; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 185 ff.; ders., NJ 1999, S. 235. Im Ansatz auch schon Badura, AöR 98 (1973), S. 153 f. 45 Siehe S. 25. 46 Hierzu nachfolgend unter 1. Teil, C., S. 31 ff. 47 Nachfolgend unter 1. Teil, D., S. 88 ff. 48 Nachfolgend unter 1. Teil, E., S. 151 ff. 43 44

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

dungen aus Art. 14 I 1 GG autonom herzuleitende Strukturmerkmale finden, die Verfassungseigentum abstrakt kennzeichnen. Entscheidend ist damit die Frage, ob sich in der Rspr. des BVerfG ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff nachweisen läßt49.

I. Selbständiger Eigentumsbegriff des BVerfG? Bei der Frage, ob sich aus Art. 14 GG ein eigenständiger Eigentumsbegriff ablesen läßt, und wenn ja, ob das BVerfG diesem Verständnis anhängt, herrscht bis heute keine Einigkeit. In der Literatur finden sich wiederholt Stimmen, die sich bereits gegen die Existenz eines verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs als solchen aussprechen. So wird bis in jüngste Zeit die Auffassung vertreten, es gebe „keinen eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff“50. Andere führen an, dieser lasse sich zumindest „nicht oder nur schwerlich entwickeln“51, sei „höchst verschwommen“52 oder ein bloßer „Blankettbegriff“53. Andere stellen fest, daß zumindest in der Rspr. des BVerfG ein solcher selbständiger Eigentumsbegriff nicht nachweisbar sei54. Als Beleg für diese Sichtweisen wird in erster Linie die in Art. 14 I 2 GG normierte Befugnis des Gesetzgebers angeführt, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen55. Dies gilt umso mehr, als das BVerfG – erstmals besonders akzentuiert in der Naßauskiesungs-Entscheidung56 – der Regelung des Art. 14 I 2 GG 49 Vgl. Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 77, der diesbzgl. von der „Zentralfrage“ der Eigentumsdogmatik spricht; ähnlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 243, der hierin den „Schlüsselbegriff für die Anwendbarkeit aller Formen der Gewährleistungen des Art. 14 GG“ sieht. 50 Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 22 I 3; siehe auch Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 24, der jedenfalls einen „feststehenden verfassungsrechtlich vorgegebenen Eigentumsbegriff“ verneint. 51 V. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 122. 52 Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 56. 53 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 141. Vgl. auch Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Rn. 11: Das Eigentum „entzieht sich einer begrifflichen Erfassung nach allgemeingültigen, abstrakt-logischen Merkmalen“. Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 44, stellt die Möglichkeit einer Definition zumindest in Frage: „Es ist erlaubt, daran zu zweifeln, ob das Tatbestandsmerkmal ,Eigentum‘ in Absatz 1 Satz 1 [ . . . ] überhaupt einer – dieses Wort nicht um seinen Sinn bringenden – ,Interpretation‘ zugänglich [ist]“. 54 So Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214 Fn. 6, der feststellt, das BVerfG definiere den Eigentumsbegriff nicht; ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 34; ders., Der Eigentumsbegriff, S. 40; Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39; J. Ipsen, Neuere Entwicklungen in der Eigentumsdogmatik, S. 145. 55 Vgl. hierzu jeweils m. w. Nw. Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 20 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 111 ff.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 217 ff.; Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 130.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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ein hohes Gewicht innerhalb des Art. 14 GG beigemessen hat, so daß diese Vorschrift auf den ersten Blick gegen einen selbständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zu sprechen scheint57. So führt das Gericht in dieser Entscheidung aus: „[Bei] der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechtsstellung [wirken] bürgerliches Recht und öffentlich-rechtliche Gesetze gleichrangig zusammen. [ . . . ] Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich [ . . . ] aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Vorschriften. Ergibt sich hierbei, daß ein Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört sie nicht zu seinem Eigentumsrecht. [ . . . ] Aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergeben sich somit Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes [ . . . ].“58

Kernaussage dieser Passage ist der aus Art. 14 I 2 GG abzuleitende Gedanke, daß unter die Bestandsgarantie nur solche Positionen fallen, die der Gesetzgeber durch einfaches Recht zugewiesen hat (Rechtspositionen). Das Gericht spricht dem einfachen Recht damit konstitutive Wirkung für den Eigentumsschutz zu. Diese Vorstellung hat viele Stimmen im Schrifttum zu der Annahme geführt, ein eigenständiger, allein aus der Verfassung zu gewinnender Eigentumsbegriff sei damit nicht zu vereinbaren. So führen v. Heinegg / Haltern aus, die Unmöglichkeit der Entwicklung eines eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs sei „folgerichtig“ aufgrund der vom BVerfG besonders betonten Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 I 2 GG59. Berühmt geworden sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen F. Baurs, der die Existenz eines eigenständigen Eigentumsbegriffs des BVerfG bezweifelt, indem er fragt: „Wenn sich der Inhalt des Eigentums (,die Befugnisse‘) aus den Normen des einfachen Rechts ergeben, wie kann dann die Verfassungsmäßigkeit des einfachen Gesetzes an den Normen der einfachen Gesetze gemessen werden? Ist dies nicht – mit Verlaub gesagt – ein Zirkelschluß?“60 Die Quintessenz dieser Vorwürfe läßt sich in wenige Worten fassen. Wenn sich die Rechtsstellungsgarantie – wie vom BVerfG betont – ausschließlich auf einfachgesetzlich zugewiesene Positionen beschränke, dann könne sich der Begriff des BVerfGE 58, 300 ff. Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 9 Fn. 10, der das BVerfG in diesem Zusammenhang treffend als „prominenten Kronzeugen“ bezeichnet. 58 BVerfGE 58, 300 (336). 59 V. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 122. In diese Richtung auch J. Ipsen, Neuere Entwicklungen in der Eigentumsdogmatik, S. 145, der feststellt, daß die vom BVerfG betonte Definitionskompetenz des Gesetzgebers dem Eigentumsbegriff Konturenschärfe nehme und Art. 14 GG damit zwangsläufig zum „Maßgabe-Grundrecht“ verkomme. 60 F. Baur, NJW 1982, S. 1735; ähnlich Leisner, DVBl. 1983, S. 61 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 38; ders., Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 17 f.; w. Nw. zum Vorwurf eines „Zirkelschlusses“ des BVerfG bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 218 Fn. 1029; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 75. 56 57

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verfassungsrechtlichen Eigentums auch nur unter Berücksichtigung der einschlägigen einfachgesetzlichen Normen ergeben. So führt Papier aus: „Es ist unverkennbar, daß für das Bundesverfassungsgericht der Eigentumsbegriff des Verfassungsrechts – entgegen allen Beteuerungen, ihn aus der Verfassung selbst gewinnen zu müssen [Verweis auf BVerfGE 58, 300, 335] – zu einem Begriff nach Maßgabe der einfachen Gesetzgebung wird.“61 Plakativ wirft deshalb Depenheuer dem BVerfG vor, es vertrete die „These von der gesetzgeberischen Inhaltsbestimmungskompetenz des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs“62. Dies führe „die grundgesetzliche Eigentumsdogmatik in elementare Widersprüchlichkeiten und Aporien.“63. Wird der Eigentumsbegriff in diesem Sinne als ausschließlich aus dem einfachen Recht gewonnen verstanden, so könnte der Verfassung tatsächlich kein eigenständiger Bedeutungsgehalt mehr zukommen. Das Eigentumsverständnis des BVerfG ist jedoch ein anderes. Der gedankliche Fehler, der den vorgenannten Stimmen unterläuft, liegt auf der Hand, wenn man sich die oben dargestellte mehrstufige Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzpositionen der Bestandsgarantie vor Augen hält. Die eben zitierte Passage des BVerfG, mit der es die Normgeprägtheit der Bestandsgarantie betont, bezieht sich nur auf den ersten Schritt dieser Prüfung. Das BVerfG wollte durch sie lediglich klarstellen, daß sich aus Art. 14 I 2 GG ergibt, unter die Bestandsgarantie könnten nur rechtlich zugewiesene Positionen fallen. Die Frage nach einem eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff betrifft hingegen den Prüfungsschritt 2.a), also eine völlig andere Ebene64. Daß auch auf dieser Ebene das einfache Recht maßgeblich sein soll, wird vom BVerfG nicht gesagt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn in der vorgenannten Entscheidung finden sich auch Passagen, in denen sich das BVerfG zu den Kriterien dieser Prüfungsebene äußert: „Der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums muß aus der Verfassung selbst gewonnen werden. Aus Normen des einfachen Rechts, die im Range unter der Verfassung stehen, kann [ . . . ] der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn [nicht] abgeleitet [ . . . ] werden.“65 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 38. Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 159; ders., Der Eigentumsbegriff, S. 33, 38. 63 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 159. Siehe ferner die mißverständlichen Formulierungen bei Antoni, in: Seifert / Hömig, GG, Art. 14 Rn. 3: „Eigentum umfaßt alles, was das einfache Recht als Eigentum bestimmt.“; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 899: „[ . . . ] alles, was das einfache Recht als Eigentum definiert“; ebenso Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 115; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 77. Mit derartigen Formulierungen wird der (falsche) Eindruck erweckt, das BVerfG spreche dem Gesetzgeber eine „Eigentumsdefinitionskompetenz“ zu (so der Vorwurf Depenheuers, Entwicklungslinien, S. 159, gegenüber dem BVerfG). 64 So i. E. auch Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 6 ff., der der Gegenansicht vorwirft, den Unterschied zwischen Eigentumsbegriff und Eigentumsinhalt zu verkennen. Denselben Vorwurf, jedoch mit anderer Begrifflichkeit, macht Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 22 f.: Die Gegenauffassung vermische Intension (was nach Kutschera dem Eigentumsbegriff entspricht) und Extension (worunter er den einfachgesetzlichen Inhalt versteht). 61 62

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Bereits aus der Naßauskiesungs-Entscheidung läßt sich daher deutlich entnehmen, daß das BVerfG von einem eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ausgeht, den es allein der Verfassung entnimmt – ohne jede einfachgesetzliche Anbindung. Die vorgenannten Stimmen, die aus dieser Entscheidung das Gegenteil meinen entnehmen zu können, sind daher nicht überzeugend66. Mit derselben Argumentationsweise – Verkennung der mehrstufigen Prüfungsfolge – läßt sich eine weitere, häufig mißverstandene Äußerung des BVerfG relativieren. Das BVerfG stellt heraus, daß es „keinen vorgegebenen und absoluten Begriff des Eigentums“ gebe67. Auch diese Aussage könnte auf dem ersten Blick als Ablehnung eines eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs verstanden werden. Das wäre jedoch falsch. Bei genauer Betrachtung läßt sich feststellen, daß es dem BVerfG auch mit dieser Feststellung wiederum nur darum geht, das Erfordernis der einfachgesetzlichen Ausformung der Schutzobjekte zu betonen, ohne dabei einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff abzulehnen. Dies wird daran deutlich, daß mit den vorgenannten Passagen immer der Verweis auf die Befugnis des Gesetzgebers einhergeht, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 I 2 GG)68. Auch diese Aussage bewegt sich daher allein auf der Ebene des ersten Prüfungsschritts. Gegen einen selbständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff läßt sich daraus nichts herleiten. Das BVerfG führt an anderer Stelle aus, das Grundgesetz enthalte „keine Definition des Eigentumsbegriffs im verfassungsrechtlichen Sinn.“69 Auch diese Formulierung läßt die Frage aufkommen, ob sie gegen einen selbständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff spricht. Dies ist mitnichten der Fall. Denn bei Art. 14 BVerfGE 58, 300 (335). Bereits diese Ausführungen zeigen, welche Fehldeutungen entstehen, wenn beim Hantieren mit Aussagen des BVerfG zum Eigentumsbegriff die Ausgangssituation – die oben skizzierte mehrstufige Prüfungsfolge – verkannt wird. Besonders deutlich wird dies etwa in den Ausführungen von v. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 121 ff. Die hier zur Debatte stehende (m. E. entscheidende) Frage, nach welchen Regeln das BVerfG das Zusammenspiel von Verfassung und einfachem Recht gestaltet, bezeichnen sie als „vorrangig dogmatisches Problem“. Denn auch diejenigen, die von der Existenz eines eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ausgingen, „räumen ein, daß sich der Bürger ohnehin nur auf einfachgesetzlich ausgeformte Rechtspositionen“ berufen könne (v. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 122 Fn. 18). Daß eine solche Betrachtung dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis nicht gerecht wird, dürfte bereits an dieser Stelle erkennbar sein. 67 BVerfGE 31, 229 (240), ferner BVerfGE 20, 351 (355); 31, 248 (251). 68 BVerfGE 31, 229 (240): „Da es keinen vorgegebenen und absoluten Begriff des Eigentums gibt [ . . . ], hat die Verfassung dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG).“ Dieselbe Bezugnahme auf Art. 14 I 2 GG findet sich in BVerfGE 20, 351 (355); 31, 248 (251). 69 BVerfGE 36, 281 (290); 42, 263 (292); vgl. ferner BVerfGE 83, 201 (208). Im Schrifttum betonen dies ausdrücklich z. B. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 24 a. E.; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 27. 65 66

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

GG gilt nichts anderes als bei anderen Grundrechten. Ebenso wie der Begriff der Religion, der Kunst oder des Berufs in anderen Grundrechtsbestimmungen, wird der Begriff des Eigentums vom Verfassungsgeber typischerweise nicht legaldefiniert70. Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine Definition des jeweiligen Begriffs unmöglich ist71. Vielmehr ist es Aufgabe des Verfassungsinterpreten, der Bestimmung im Wege der (Verfassungs-)Auslegung ihren Sinngehalt zu geben72. In gleicher Weise ist der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff durch Auslegung des Art. 14 GG zu ermitteln73. Auch die zuletzt genannte Formulierung kann damit die Behauptung nicht stützen, das BVerfG verneine einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Der gewonnene Befund wird bestätigt durch diverse Entscheidungen, in denen das BVerfG ausdrücklich von einem „verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Art. 14 GG“74, vom „Begriff Eigentum in Art. 14 I GG“75 bzw. von den „konstituierenden Merkmalen des Eigentumsbegriffs“76 spricht. Diese Termini stehen, wie sich noch zeigen wird, in den jeweiligen Entscheidungen synonym für Kriterien, die das Verfassungseigentum in seiner grundgesetzlichen Ausprägung „begrifflich“ ausmachen. Sie werden vom BVerfG als Strukturelemente im Wege der Auslegung unmittelbar aus der Grundrechtsnorm gezogen – ohne jede einfachgesetzliche Anbindung. 70 Vgl. BVerfGE 83, 201 (208); BVerfG, 1 BvR 868 / 90, K.-Beschl. v. 29. 07. 1991, NJW 1992, S. 37: „Das Grundgesetz definiert nicht ausdrücklich, was unter Eigentum i.S. des Art. 14 GG zu verstehen ist.“ Ebenso Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 69. Hierzu auch Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 4; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 220; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 318. 71 Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 112 Fn. 24. 72 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 4. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 220, bezeichnet es als eine „Selbstverständlichkeit“, den verfassungsrechtlichen (Eigentums-)Begriff aus der Verfassung, d. h. ohne Rückgriff auf Vorstellungen des einfachen Gesetzgebers, anhand der für die Verfassungsauslegung maßgeblichen Kriterien zu ermitteln. Dies ergebe sich bereits aus dem Vorrang der Verfassung. 73 Bestätigt wird dieser Befund bereits durch einen Blick in die vorgenannte Entscheidung. Im Anschluß an die oben (Fn. 69) zitierte Passage stellt das BVerfG zur Beantwortung der Frage nach den Schutzobjekten auf den „Zweck und die Funktion“ der Eigentumsgarantie ab (BVerfGE 36, 281 [290]; 42, 263 [293]) und nimmt damit eine teleologische Auslegung des Art. 14 I 1 GG vor. Einzelheiten hierzu unten auf S. 38 ff. 74 BVerfGE 16, 94 (111); vgl. ferner BVerfGE 2, 380 (402); 4, 219 (240): „verfassungsrechtlicher Begriff des Eigentums“; BVerfGE 36, 281 (290); 42, 263, 292: „Eigentumsbegriff im verfassungsrechtlichen Sinn“; BVerfGE 58, 300 (335): „Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinne“. 75 BVerfGE 4, 219 (240); vgl. auch BVerfGE 15, 167 (200); 18, 392 (397); 97, 271 (284). Ähnlich Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 (142: „Eigentumsbegriff“ des Art. 14 GG). 76 Erstmals schon in BVerfGE 1, 264 (279); vgl. ferner BVerfGE 4, 219 (240, 243); 11, 221 (226); 14, 288 (293); 23, 85 (96); 24, 220 (225); 31, 275 (283); 51, 193 (221).

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Dem steht nicht entgegen, daß das BVerfG bei der Prüfung dieser Strukturmerkmale nicht immer ausdrücklich auf den „Begriff“ des Eigentums Bezug nimmt. Teilweise spricht es in diesem Zusammenhang auch lediglich vom „Eigentum im Sinne des Art. 14 GG“77, den „konstituierenden“78 bzw. „wesentlichen“79 Merkmalen des Eigentums oder stellt die Frage, ob die konkrete Position dem „verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz“80 unterfällt. Auch wenn in diesen Entscheidungen nicht explizit vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff die Rede ist, prüft das BVerfG jeweils, was später in dieser Untersuchung noch aufgezeigt wird, dasselbe wie in den oben angegebenen Passagen, in denen es ausdrücklich diesen Terminus verwendet. Manches Mal verzichtet das BVerfG sogar gänzlich auf einen Obersatz und prüft sofort, ob die betreffende Rechtsposition die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben erfüllt81. An dieser Stelle soll als Zwischenergebnis festgehalten werden, daß das BVerfG durchweg von einem eigenständigen, unmittelbar aus Art. 14 GG abzuleitenden Eigentumsbegriff ausgeht82. Dies gilt unabhängig davon, ob das BVerfG einen solchen explizit benennt, ihn durch vergleichbare Formulierungen umschreibt oder in der Fallprüfung gar nicht anspricht. Er liegt in allen Fällen seinen Entscheidungen zugrunde. Daher sind insbesondere Vorstellungen zurückzuweisen, die die Eigen77 BVerfGE 16, 94 (111); 31, 275 (283); 36, 281 (291); 51, 193 (218); 81, 12 (16); 83, 201 (208); 89, 1 (6); 97, 228 (264); ähnlich BVerfGE 23, 85 (96); 81, 208 (219): „Eigentum im Sinne der Verfassung“. 78 BVerfGE 31, 229 (240); 53, 257 (290); 69, 272 (299 f., 307 f.). Vgl. auch BVerfGE 100, 1 (32), wo von den „konstitutiven Merkmalen des Eigentums im Sinne von Art. 14 GG“ die Rede ist. 79 BVerfGE 53, 257 (290); 83, 201 (208); 89, 1 (6); 100, 1 (32). 80 BVerfGE 97, 271 (283). 81 So etwa BVerfGE 36, 281 (290 f.); 42, 263 (293 f.), wo nach der Feststellung, Art. 14 GG definiere das Eigentum nicht selbst, ohne Zwischenschritt untersucht wird, ob die zur Debatte stehende Rechtsposition unter die durch Auslegung zu ermittelnden Strukturelemente des Art. 14 I 1 GG fällt. 82 Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen Böhmers. In seiner ausführlichen Stellungnahme zum bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis (Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 39 ff.; ders., NJW 1988, S. 2561 ff.) geht er durchweg von einem selbständigen Eigentumsbegriff aus (vgl. Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 56 ff., insbes. S. 58 Fn. 12: „Der Eigentumsbegriff ist ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Begriff“; ders., NJW 1988, S. 2566 ff.). Auf die oben genannten Stimmen (vgl. die Nw. auf S. 32 Fn. 50 ff.), die sich gegen dessen Existenz aussprechen, wird gar nicht eingegangen. Er erweckt damit den Eindruck, als sei die Existenz eines eigenständigen Eigentumsbegriffs für das BVerfG eine Selbstverständlichkeit, derer es keiner weiteren Erklärung bedürfe. Angesichts der Fehldeutungen, die die Rspr. des BVerfG in dieser Frage erfahren hat, wären jedoch klärende Worte zu dieser Frage angebracht gewesen (dies bemängelt auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 246 Fn. 150). Stattdessen kreisen Böhmers Ausführungen vordringlich um eine andere Frage des Eigentumsbegriffs, nämlich um das Verhältnis zwischen bürgerlichem und öffentlichem Recht. Diese Problematik gehört in der hier zugrunde gelegten mehrstufigen Prüfungsfolge zum ersten Prüfungsschritt (hierzu im einzelnen unten S. 103 ff.).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

ständigkeit eines solchen Begriffs ablehnen aufgrund der in Art. 14 I 2 GG normierten Befugnis des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen.

II. Konturen des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs Geht das BVerfG von einem eigenständigen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff aus, so ist alleine mit diesem Befund für die Beantwortung der Ausgangsfrage nach den Schutzobjekten der Bestandsgarantie noch nicht viel gewonnen. Dem Begriff müssen, um dem Vorwurf eines bloßen Blanketts entgegenzutreten, hinreichende Konturen verliehen werden, anhand derer die Strukturmerkmale des Verfassungseigentums sichtbar werden. Ansonsten wäre der letzte Prüfungsschritt 2.b), eine einfachgesetzliche Rechtsposition anhand des Eigentumsbegriffs zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren, schwerlich durchführbar. Nachfolgend ist zu untersuchen, ob der Eigentumsbegriff des BVerfG dies zu leisten vermag. 1. Ausgangspunkt: Auslegung des Art. 14 I 1 GG Oben wurde bereits angesprochen, daß es keine Besonderheit, sondern vielmehr Ausdruck grundrechtlicher Normalität ist, den näheren Sinngehalt des Begriffs „Eigentum“ als Terminus der Verfassung durch Auslegung derselben zu ermitteln83. Die entscheidende Frage ist damit, welche Strukturmerkmale das BVerfG der in Art. 14 I 1 GG normierten Eigentumsgewährleistung im Wege der (Verfassungs-)Auslegung84 entnimmt. Den Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage bildet die vom BVerfG in st. Rspr. verwendete Formulierung, maßgeblicher Faktor für die Auslegung der Eigentumsgarantie sei ihre freiheitssichernde Funktion: „Das Grundgesetz definiert nicht ausdrücklich, was unter Eigentum i.S. des Art. 14 GG zu verstehen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage muß nach der Rspr. des BVerfG auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückgegriffen werden. Die Eigentumsgarantie soll

83 Siehe bereits S. 36 m. Nw. in Fn. 70 ff. Vgl. auch v. Mutius, ZMR 1989, S. 122: „Ausgangspunkt ist der Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. In Verfassungsbestimmungen verwendete Begriffe dürfen und können, um Vorverständnisse zu eliminieren, aber nur aus der Verfassung selbst heraus definiert werden. Das hat das BVerfG [ . . . ] in seinem Naßauskiesungsbeschluß nochmals hervorgehoben.“ 84 Zu den allg. Kriterien der Verfassungsauslegung Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Einl. Rn. 6 ff.; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 37 ff.; v. Münch, in: ders. / Kunig, GG, Vorb. Rn. 50 ff.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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dem Grundrechtsträger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich erhalten und dem einzelnen damit die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen.“85 „[ . . . ] insoweit steht die Eigentumsgarantie in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit [ . . . ].“86

a) Eigentumsbegriff durch Verfassungsauslegung Aus der vorgenannten Passage läßt sich zunächst entnehmen, daß der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff – mangels Definition im GG – durch Auslegung des Art. 14 GG ermittelt werden muß. Zwar ist Bezugspunkt der eben zitierten Formulierung „Zweck und Funktion“ nicht ausdrücklich der Eigentumsbegriff, sondern die vom BVerfG verwendete Formulierung „Eigentum i.S. des Art. 14 GG“87. Oben wurde jedoch bereits angesprochen, daß das BVerfG für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff eine Vielzahl synonymer Formulierungen verwendet88. Dieser Befund wird bestätigt, wenn das Gericht in anderen Entscheidungen, in denen es ausdrücklich vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff spricht, bei ansonsten fast identischem Wortlaut mit dem obigen Zitat auf den „Zweck und die Funktion“ der Eigentumsgarantie abstellt89. Die durch Auslegung des Art. 14 I 1 GG zu ermittelnden Strukturmerkmale des Verfassungseigentums sind daher essentiell für die Konturen des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs bzw. für das, was nach dem BVerfG die „konstituierenden“ bzw. „wesentlichen“ Merkmale der Eigentumsgarantie ausmachen.

85 BVerfG, 1 BvR 868 / 90, K.-Beschl. v. 29. 07. 1991, NJW 1992, S. 36 (Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner u. a. BVerfGE 31, 229 (239); 36, 281 (290); 42, 64 (76 f.); 50, 290 (339); 68, 193 (222); 78, 58 (73); 83, 201 (208); 91, 294 (307); 97, 350 (370 f.); 100, 1 (32); 102, 1 (15). 86 BVerfGE 42, 64 (76 f., Hervorhebung nicht im Original); ebenso z. B. BVerfGE 53, 257 (290). 87 Ebenso etwa in BVerfGE 51, 193 (218). 88 „Eigentum i.S. des Art. 14 GG“, „wesentliche“ oder „konstituierende“ Merkmale des Eigentums u. a., vgl. S. 36 f. 89 BVerfGE 42, 263 (292 f. Hervorhebung nicht im Original): „Das Grundgesetz enthält allerdings keine Definition des Eigentumsbegriffs im verfassungsrechtlichen Sinn. Bei der Beantwortung der Frage, welche vermögenswerten Güter als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzusehen sind, muß daher auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückgegriffen werden [ . . . ].“ Ebenso BVerfGE 36, 281 (290). Vgl. auch BVerfGE 53, 257 (290), wo auf Zweck und Funktion im Zusammenhang mit den „konstituierenden Merkmalen“ des Eigentums Bezug genommen wird.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

b) Teleologische Auslegung der Eigentumsgarantie Indem das BVerfG auf „Zweck und Funktion“ der Eigentumsgarantie abstellt, bringt es einen maßgeblichen Gesichtspunkt seines Eigentumsverständnisses zum Ausdruck. Für die bundesverfassungsgerichtliche Auslegung des Art. 14 I 1 GG ist in erster Linie der Sinn und Zweck der Grundrechtsbestimmung ausschlaggebend, also eine teleologische Interpretation90. Das Eigentumsgrundrecht habe die Aufgabe, dem Bürger einen „Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich“ zu sichern und sei daher Ausdruck seiner „persönlichen Freiheit“91. Demgemäß spricht das Gericht vom Eigentum als „privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller Freiheit“92 und stellt dessen „elementare freiheitssichernde Funktion“93 heraus. Auf dieser Linie liegt es, wenn das BVerfG eine besonders enge Verbindung des Art. 14 GG mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) betont94. Auch im Schrifttum ist diese teleologisch-funktionale Auslegung des Art. 14 GG ganz herrschend95. Der Aspekt der „Freiheit“ als wesentliches Element der Eigentumsverbürgung wird an unzähligen Stellen hervorgehoben96 und kommt in vielfältigen, zum Teil plastischen Formulierungen zum Ausdruck97. Diese Aus90 Vgl. Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 90 f.; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 22, 44. Diese „funktionale Betrachtung“ der Eigentumsgarantie durch das BVerfG betonen u. a. auch Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 240; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 57; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 240, Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 91 f.; Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 10. 91 Vgl. die Zitate zu Fn. 85 f. Die enge Verknüpfung zwischen Eigentumsgarantie und persönlicher Freiheit stellt das BVerfG ferner heraus u. a. in BVerfGE 14, 263 (277); 24, 367 (389); 30, 292 (334); 31, 229 (239); 32, 111 (142); 41, 126 (150); 46, 325 (334); 50, 290 (339); 51, 193 (218); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 68, 360 (375); 69, 272 (300); 78, 58 (73); 89, 1 (6); 91, 294 (307); 97, 350 (370 f.); 100, 1 (32); BVerfG.de, 1 BvR 1937 / 97, K.-Beschl. v. 21. 02. 2000, Abs. 9. 92 BVerfGE 97, 350 (370). 93 BVerfGE 62, 169 (182). Ähnlich BVerfGE 58, 138 (147): „elementare freiheitssichernde Bedeutung“; BVerfGE 40, 65 (84): „freiheitsverbürgende Funktion“. 94 BVerfGE 79, 292 (304); 81, 29 (34); 88, 366 (377); 93, 121 (137). Ebenso bereits BVerfGE 14, 288 (293); 30, 292 (334). 95 Siehe die Nw. bei Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 23 Fn. 76. 96 Etwa von Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 140 ff.; ders., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 1, 11 ff.; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 18 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 25 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 3 f.; Böhmer, NJW 1988, S. 2563; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 80 ff.; v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 386 f.; Schmidt-Jortzig, Rechtsstaatlich angemessener Ausgleich, S. 221; ders., Eigentum und Privatautonomie, S. 166; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 55 f., 138 ff. Kritisch u. a. Leisner, in: FS-Jahrreiß, S. 135 ff.; v. Mutius, ZMR 1989, S. 123; Lecheler, NJW 1979, S. 2273 ff. Gänzlich ablehnend z. B. Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 106 ff., insbes. S. 126 f.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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legung des Art. 14 GG steht in der Tradition der Philosophie der Aufklärung und den vorangegangenen rechtsstaatlichen deutschen Verfassungen98. Hinzuweisen ist vor allem auf die Schriften der einschlägigen staats- und rechtsphilosophischen Theoretiker99, die bereits die enge Verbindung von Eigentum und Freiheit herausstellten100 und damit die ideengeschichtliche Grundlage für den modernen liberalen Rechtsstaat legten.

2. Die einzelnen Strukturmerkmale des verfassungsrechtlichen Eigentums Ausgehend von einer teleologischen Interpretation der Eigentumsgarantie stellt sich die Frage, welche Strukturelemente das BVerfG Art. 14 I 1 GG entnimmt.

a) Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis Als eine der wesentlichen Grundfesten des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses sind zwei Strukturmerkmale des Eigentums zu nennen, die das Gericht seit Beginn seiner Rspr. zu Art. 14 GG in zahllosen Entscheidungen herangezogen hat: „Das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers 97 H. P. Ipsen, AöR 90 (1965), S. 429: „vergegenständlicht[e]“ Freiheit; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen, S. 109: „geronnene Freiheit“; vgl. auch den vielzitierten Satz von Dürig, in: FS-Apelt, S. 31: „Eigentum ist Freiheit“ (Hervorhebung im Original); w. Nw. bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 81; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 141 Fn. 111; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 140 ff.; ders., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 13. 98 Hierzu Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 1; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 1, 18; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 1; Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 166; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 59 ff. 99 Insbes. Locke, Hobbes, Kant und Hegel. Siehe diesbzgl. Nw. bei Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 1; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 94 f.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 81 Fn. 322; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 24; Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 61 ff., 72 ff.; Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 90 f. In dieser Begründungstradition steht es, wenn der Charakter des Eigentums als Menschenrecht betont wird, das unmittelbar mit der Menschenwürde als Teil der Persönlichkeit verbunden und damit Ausdruck persönlicher Freiheit ist (hierzu Dürig, ZStW 109 [1953], S. 326 ff.; ders., in: FS-Apelt, S. 24 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 35). Vgl. auch BVerfGE 79, 292 (304); 81, 29 (34): Die grundrechtliche Eigentumsverbürgung enthalte „Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“. 100 Hierzu eingehend Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 60 ff., der die unterschiedlichen Richtungen der Verknüpfung von Freiheit und Eigentum bei Hegel, Kant und Locke aufzeigt.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet (BVerfGE 24, 367 [389]; 26, 215 [222]; 31, 229 [240]; 37, 132 [140]; 42, 263 [294]).“101

(1) Begriffsdefinitionen Zeichnet sich das verfassungsrechtliche Eigentum durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis aus, so ist zunächst zu klären, was das BVerfG unter beiden Merkmalen versteht102. Der Begriff der Privatnützigkeit, als dessen Schöpfer Reinhardt103 genannt wird104, bringt bereits mit seinem Wortlaut zum Ausdruck, daß das Kernelement des Eigentums sein Nutzen für die Privatperson ist105. Demgemäß wird vom BVerfG ausgeführt: „Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum ist in seinem rechtlichen Gehalt gekennzeichnet durch Privatnützigkeit, d. h. die Zuordnung zu einem Rechtsträger [ . . . ], in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse ,von Nutzen‘ sein soll [ . . . ].“106 „Ein Recht ist schon dann privatnützig, wenn es zum eigenen Vorteil ausgeübt werden kann und damit dem Berechtigten ,von Nutzen‘ ist.“107

Diese Interpretation korrespondiert mit der vom BVerfG betonten teleologischen Auslegung des Art. 14 GG: Ist es Sinn des Eigentums, einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu schaffen, so müssen die Strukturmerkmale des Eigentums auch dieser Funktion gerecht werden. Der Begriff der Privatnützigkeit 101 BVerfGE 52, 1 (30, Hervorhebung nicht im Original); nahezu wortgleiche Formulierungen finden sich z. B. in BVerfGE 98, 17 (35); 101, 54 (75). Siehe w. Nw. für dieses bereits als „Faustformel“ (Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 58) bezeichnete Begriffspaar im nachfolgenden Fließtext. Vgl. auch BVerfGE 100, 1 (37), wo das BVerfG ausdrücklich herausstellt, Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gehörten zum „Begriff des Eigentums“ im Sinne des Art. 14 I 1 GG. 102 Im Schrifttum finden sich Ausführungen zu diesen Merkmalen z. B. bei Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 31; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 5; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 65 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 216 ff., 265 ff.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 96 ff.; Ekey, Die Verminderung von Eigentümerrechten, S. 9 f.; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 92; Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 10; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 125; v. Ditfurth, Die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Berechtigungen, S. 51; Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 626. 103 Reinhardt, Verfassungsschutz des Eigentums, S. 14 ff. 104 U. a. von Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 96 Fn. 41. 105 Auf dieser Linie bewegt sich das BVerfG auch, wenn es bei der Frage der Grundrechtsträgerschaft feststellt, Art. 14 GG schütze „nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater“, BVerfGE 61, 82 (109); BVerfG, 2 BvR 403 / 02, K.-Beschl. v. 23. 07. 2002, NVwZ 2002, S. 1366; dazu Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 16 ff. 106 BVerfGE 50, 290 (339); vgl. ferner BVerfGE 52, 1 (30); 53, 257 (290); 91, 294 (308). 107 BVerfGE 89, 1 (7); ebenso BVerfGE 83, 201 (210).

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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enthält eben diese freiheitsgewährenden Elemente, weil er auf die private Zuordnung einer Position zum Zwecke ihres individuellen Nutzens abstellt108. Auch das Merkmal der Verfügungsbefugnis findet seine Wurzeln in der funktionalen Interpretation der Eigentumsgarantie: „In dem Element der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis gelangt die Herrschaft über das Eigentumsobjekt und damit der besondere personale Bezug des Inhabers zu diesem zum Ausdruck.“109

Dergleichen betont das BVerfG an anderer Stelle die Bedeutung der Verfügungsbefugnis als „[ . . . ] elementare[n] Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung [ . . . ].“110

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, welchen Inhalt das BVerfG diesem Begriff gibt. Vom Gericht wird in diesem Zusammenhang betont, unter die Verfügungsbefugnis falle „[ . . . ] auch die Freiheit des Eigentümers, sein Eigentum veräußern zu dürfen.“111

Daran anknüpfend läge es nahe, den Begriff formal im Sinne der zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis112 zu interpretieren. Erfassen würde er dann die Freiheit, den Gegenstand zu übertragen (z. B. Übereignung von Sachen, Abtretung von Forderungen), zu belasten (z. B. Bestellung von Grundpfandrechten, Forderungsverpfändung) und das Eigentum an ihm aufzugeben113. Einer derart formalen Betrachtung des Begriffs „Verfügungsbefugnis“ stehen aber andere Entscheidungen des BVerfG entgegen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zunächst die Ausführungen in der Kleingarten-Entscheidung114. Das Gericht hatte zu prüfen, ob Regelungen im Kleingartenrecht, die die Kündigungsmöglichkeiten privater Verpächter stark einschränkten, mit der Eigentumsgarantie zu vereinbaren waren. In diesem Zusammenhang führt es aus, daß die angegriffene gesetzliche Regelung die Ver108 Zuzustimmen ist daher Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 96, der das Merkmal der Privatnützigkeit auf die freiheitsbezogene Auslegung des Art. 14 GG zurückführt. 109 BVerfGE 53, 257 (291, Hervorhebung nicht im Original). 110 BVerfGE 52, 1 (31); zuvor schon BVerfGE 26, 215 (222); 50, 290 (340) bezogen auf die Befugnis, sein Eigentum veräußern zu können. Siehe dazu auch Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 125. 111 BVerfGE 52, 1 (31); vgl. ferner BVerfGE 26, 215 (222); 42, 263 (294); 105, 252 (277). 112 Hierzu etwa J. F. Baur, in: Soergel, BGB, § 903 Rn. 33. 113 In diese Richtung Ekey, Die Verminderung von Eigentümerrechten, S. 10, der den Begriff der Verfügungsbefugnis des BVerfG mit der Veräußerungsfreiheit gleichsetzt. Ähnlich auch Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 125; Peter, Grundeigentum und Naturschutz, S. 94 f.; v. Ditfurth, Die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Berechtigungen, S. 51. 114 BVerfGE 52, 1 ff.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

fügungsbefugnis der Grundstückseigentümer beeinträchtige 115. Daß es hier nicht um ein Veräußerungsverbot im eigentlichen Sinne ging, sondern lediglich um Nutzungsbeschränkungen116, ist nach Ansicht des BVerfG unbeachtlich. Denn die Beschränkung sei hier so wesentlich, daß sie „[ . . . ] im praktischen Ergebnis zu einer Aufhebung der Veräußerungsmöglichkeit [führt]. [ . . . ] Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kann nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob durch eine ausdrückliche Norm ein Veräußerungsverbot statuiert wird oder sich dieses im praktischen Ergebnis aus einer anderen Regelung zwangsläufig ergibt.“117

Vom BVerfG wird in dieser Entscheidung der Begriff der Verfügungsbefugnis so ausgelegt, daß diese nicht nur durch Verfügungsverbote im engeren Sinne, sondern auch durch sehr starke Nutzungsbeschränkungen beeinträchtigt werden kann. Gleichwohl läßt sich dieser Entscheidung noch nicht entnehmen, ob das BVerfG auch Nutzungsbeschränkungen hierunter faßt, die nicht derart ins Gewicht fallen, daß sie faktisch einem Verfügungsverbot gleichkommen. Aussagen in diese Richtung finden sich aber in einer Entscheidung des BVerfG zur Eigenbedarfskündigung118. Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung stand die Frage, ob es mit dem Eigentumsrecht des Vermieters vereinbar ist, daß der Gesetzgeber die wirksame Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts durch den Vermieter vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig macht (sog. Eigenbedarf). Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, die betreffende Vorschrift regele „[ . . . ] generell und abstrakt die Verfügungsbefugnis des Eigentümers [ . . . ].“119

Da es hier lediglich um eine Nutzungsbeschränkung ging, aber nicht um ein Verfügungsverbot, und diese Beschränkung auch nicht von solchem Umfang war, daß sie praktisch mit einem solchen hätte gleichgestellt werden können, deutet diese Entscheidung auf eine weite Auslegung des Begriffs der Verfügungsbefugnis hin. Bestätigt wird dieser Befund durch zwei Entscheidungen jüngeren Datums, in denen das BVerfG feststellt: „Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum [ . . . ] ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet (vgl. BVerfGE 52, 1 [30]; 98, 17 [35]). Dem grundrechtlichen Schutz unterliegt danach das Recht, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen, ebenso wie die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern und aus der vertraglichen Überlassung zur BVerfGE 52, 1 (31). Insbes. die Kündigungsmöglichkeiten des Verpächters wurden stark eingeschränkt. 117 BVerfGE 52, 1 (31 f.). Das BVerfG verweist in diesem Zusammenhang auf die amtliche Begründung zum angegriffenen Gesetz, aus der sich ergab, daß Grundstücke, die an Kleingärtner verpachtet sind, in der Regel weder einen Kaufinteressenten fänden noch beliehen werden könnten (vgl. BVerfGE 52, 1 [31]). 118 BVerfGE 68, 361 ff. 119 BVerfGE 68, 361 (367). 115 116

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für die eigene Lebensgestaltung beiträgt (vgl. BVerfGE 79, 292 [303 f.]; 98, 17 [35]).“120

Die Fundstelle legt nahe, den ersten Halbsatz des zweiten Satzes als nähere Beschreibung des Merkmals der Privatnützigkeit zu deuten, und den zweiten Halbsatz auf die Verfügungsbefugnis zu beziehen. Das Gericht faßt dabei unter die Privatnützigkeit die Befugnisse, die die unmittelbare Nutzung des Eigentumsgegenstandes gewährleisten: das Recht zur Selbstnutzung einschließlich der Abwehr anderer. Die Verfügungsbefugnis betrifft danach die Rechte, die eine mittelbare Nutzung absichern, indem sie dem Eigentümer die Möglichkeit bieten, durch Veräußerung bzw. Belastung des Gegenstandes oder Vermietung etc. an Dritte ein Surrogat zu erhalten. Diese Ausführungen gehen konform mit den bereits oben genannten Entscheidungen des Gerichts, in denen angedeutet wurde, daß die Verfügungsbefugnis nicht nur durch klassische Verfügungsbeschränkungen betroffen wird121. Die vorgenannte Interpretation der Verfügungsbefugnis wirft die Frage auf, ob dem Merkmal neben der Privatnützigkeit noch ein eigenständiger Begründungswert zukommt. Denn das Verfügen bzw. Vermieten / Verpachten des Eigentumsgegenstandes könnte als besondere Form der Eigentumsnutzung bereits über den Begriff der Privatnützigkeit erfaßt werden. Dementsprechend gibt es Literaturstimmen, die das Merkmal der Verfügungsbefugnis lediglich als „Teil der Privatnützigkeit“122 ansehen123. Dem scheint es zuzuspielen, wenn das BVerfG betont, daß sich beide Begriffe nicht immer eindeutig voneinander trennen lassen124. Das Kriterium der Verfügungsbefugnis wird ferner abgeschwächt, wenn das BVerfG in einer Vielzahl von Entscheidungen nur noch vom Erfordernis einer „grundsätzlichen Ver120 BVerfGE 101, 54 (75, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 16. Vgl. auch schon BVerfGE 79, 292 (304), wo unter die Verfügungsbefugnis neben dem Veräußerungsrecht auch das Recht zur Vermietung gefaßt wird. 121 Hier ist anzumerken, daß diese Auslegung des Merkmals „Verfügungsbefugnis“ durch das BVerfG unglücklich erscheint. Da der Begriff im Zivilrecht wurzelt und dort eine klare Bedeutung hat, erscheint es nicht förderlich, ihn im Verfassungsrecht in der vom BVerfG dargestellten Weise auszudehnen. Zum einen sind die daraus folgenden begrifflichen Mißverständnisse vorprogrammiert. Zum anderen ist auch der praktische Nutzen dieser Vorgehensweise nicht ersichtlich, da man die Befugnis zum Vermieten etc. auch über den Begriff der Privatnützigkeit erfassen kann (hierzu sogleich noch im Fließtext). 122 Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 95 Fn. 346. 123 Ausdrücklich gegen eine solche Betrachtung (bezogen auf das Verfügungsrecht) spricht sich jedoch Hattenhauer, Über vereintes und entzweites Eigentum, S. 89, aus. Er wehrt sich dagegen, die Verfügung über das Eigentum lediglich als eine Unterart der Eigentumsnutzung anzusehen. Beides seien „wesentlich voneinander verschiedene Eigentümerrechte.“ Ursprünglich sei das (Sach-)Eigentum nur Nutzung gewesen und habe sich, jedenfalls im Bodenrecht, in dieser Befugnis erschöpft. Erst im Hochmittelalter habe man gelernt, im modernen Stil über (Grund-)Eigentum zu verfügen. Die Verfügung erfordere, anders als die Nutzung, ein „Nachdenken über das Eigentum“. Einschränkend räumt er jedoch ein, daß bei aller „qualitativen Selbständigkeit des im Eigentum enthaltenen Nutzungs- und Verfügungsrechts“ deren „gegenseitige Abhängigkeit unübersehbar“ sei. 124 Vgl. BVerfGE 50, 290 (339); 53, 257 (290); 83, 201 (209).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

fügungsbefugnis“125 spricht oder sogar betont, es komme auf den „Grad der Verfügungsbefugnis“ nicht an126. Überdies gibt es Entscheidungen des Gerichts, in denen es alleine auf die Privatnützigkeit als Strukturelement des Eigentums abstellt, ohne die Verfügungsbefugnis zu nennen127. All dies mag dazu verleiten, der Verfügungsbefugnis ihre eigenständige Bedeutung als Strukturelement des Eigentums abzusprechen128. Es stellt sich dann aber die Frage, wie dies mit Aussagen des BVerfG zu vereinbaren ist, die der Verfügungsbefugnis einen hohen Stellenwert einräumen129, und weshalb das Gericht auch in aktuellen Entscheidungen130 nicht auf dieses Merkmal verzichtet. Die Antwort auf diese Frage hängt mit den unterschiedlichen Funktionen der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale zusammen und soll hier noch zurückgestellt werden131.

(2) Herleitung durch teleologische oder historische Auslegung der Eigentumsgarantie? Wie bereits dargelegt, bedient sich das BVerfG bei der Herausarbeitung der Strukturelemente „Privatnützigkeit“ und „grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ der freiheitsbezogenen Funktion der Eigentumsgarantie. Weil das Eigentumsgrundrecht der Freiheitssicherung im vermögensrechtlichen Bereich diene, sei es gekennzeichnet durch seinen privaten Nutzen für den einzelnen sowie die Möglichkeit, über Eigentumspositionen frei verfügen zu können. Diese Auslegung der Rspr. des BVerfG ist jedoch nicht unbestritten. Im Schrifttum finden sich Stimmen, die seine Entscheidungen in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich auf eine teleologische, sondern historische, d. h. am bürgerlichrechtlichen Sacheigentum orientierte Auslegung der Eigentumsgarantie zurückführen132. Diese Betrachtung wurzelt in dem Umstand, daß beim Inkrafttreten des GG 125 BVerfGE 37, 132 (140); 79, 292 (303); 81, 29 (32); 82, 6 (16); 83, 201 (209); 93, 121 (137); 98, 17 (35); 101, 54 (75). 126 BVerfGE 91, 294 (307). 127 Z. B. BVerfGE 79, 283 (289); 95, 267 (300). 128 Kritisch zu diesem Merkmal etwa Rittstieg, Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 96. Siehe auch Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 98 f., der dafür plädiert, von der kumulativen Nennung von Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis abzurücken. 129 „Elementarer Bestandteil“ der Eigentumsordnung, siehe oben das Zitat auf S. 43 zu Fn. 110. 130 Vgl. die Nw. oben S. 44 f. Fn. 120. 131 Näher dazu unten S. 73 ff. 132 Z. B. Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 32 f.; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 27 ff.; w. Nw. bei Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 22 f.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 88 f. Siehe auch Benda / Kreuzer, ZSR 1974, S. 10, die die Frage aufwerfen, ob das BVerfG von einer mehr historisch bezogenen zu einer mehr funktional orientierten Auslegung der Eigentumsgarantie gewechselt habe.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zweifelsohne das bereits zivilrechtlich ausgeformte Sacheigentum und alle sonstigen vermögenswerten Privatrechte fielen133. Der darauf aufbauende Gedanke ist, daß sich der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff an diesen historischen Gegebenheiten orientieren müsse. „Die Verfassung mußte Eigentum nicht neu erfinden, sondern fand es als ausgeformtes Rechtsinstitut in seinen prägenden Strukturen im bürgerlichen Recht des Jahres 1949 und konnte daran anknüpfen.“134 Diejenigen Strukturmerkmale, die das zivilrechtliche Eigentumsrecht und die privaten vermögenswerten Rechte aufweisen, müßten „konstitutiv den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff“ bilden135. Sieht man Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis als derartige Merkmale des zivilrechtlichen Sacheigentums an, so fänden sie ihre Herleitung als Strukturvorgaben des Verfassungseigentums in erster Linie nicht in einer teleologischen Auslegung des Art. 14 GG, sondern in einer historischen Anlehnung an das Sacheigentum des BGB. Diese Betrachtungsweise vermag ihre Rechtfertigung in einer Reihe von Entscheidungen des BVerfG zu finden. Ausgangspunkt sind Ausführungen, in denen das Gericht bei der Frage, ob eine Position unter die Bestandsgarantie des Art. 14 GG fällt, maßgeblich auf ihre Vergleichbarkeit mit dem Sacheigentum des BGB abstellt136. Schon früh wird vom BVerfG betont, für den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz einer Position sei ausschlaggebend, daß sie „derjenigen eines Eigentümers entspricht“137 bzw. „derjenigen des Eigentümers so nahe kommt, daß Art. 14 GG Anwendung finden muß“138. Auch wenn das Gericht in diesen Entscheidungen nicht ausdrücklich das Sacheigentum des BGB als Vergleichsmaterie benennt, so kann mit der Bezugnahme auf den „Eigentümer“ nur die zivilrechtliche Rechtsstellung gemeint sein. Dies wird bestätigt durch andere Entscheidungen, in denen das Gericht explizit auf das Eigentum des BGB verweist:

133 Hierzu Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 4 ff.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 22; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 63 ff. 134 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 32. Vgl. ferner die Ausführungen von Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 4, der auf die enge Verknüpfung der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie mit dem einfachem Recht hinweist. Das verfassungsrechtliche Eigentum sei wie kaum ein anderes Rechtsinstitut „traditionsbeladen“ und habe „in erheblichem Umfang Rechtsgehalte des unterkonstitutionellen Rechts rezipiert“. 135 Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 27. 136 Als Beleg für eine am Sacheigentum des BGB orientierte „historische Auslegung“ der Eigentumsgarantie wird im Schrifttum (siehe die Nw. bei Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 89 Fn. 11) auch die früher vom BVerfG verwendete Formulierung herangezogen, Art. 14 GG wolle das Eigentum so schützen, „wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben“ (vgl. an dieser Stelle nur BVerfGE 1, 264 [278]). Zur Bedeutung dieser Formel, die das Gericht heute nicht mehr verwendet, ausführlich noch unten S. 118 ff. 137 BVerfGE 15, 167 (200); vgl. ferner BVerfGE 45, 142 (170); 72, 175 (193). 138 BVerfGE 18, 392 (397); 24, 220 (226).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG „Wesentliches Merkmal des Eigentums im Sinne von Art. 14 GG ist, daß ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Sacheigentum zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist.“139

Das Gericht knüpft hier an das zivilrechtliche Eigentum an und nennt in diesem Zusammenhang dessen Strukturmerkmale „Privatnützigkeit“ und „Verfügungsbefugnis“. Daß das Eigentum des BGB diese beiden Elemente aufweist, wird vom Gericht auch an anderer Stelle ausdrücklich betont140. Ließen sich diese Ausführungen als Belege für eine historisch orientierte Auslegung der Eigentumsgarantie verstehen, so könnten Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis auch als Strukturelemente des bereits beim Inkrafttreten des GG existenten Privateigentums angesehen werden, die als Leitbild auch für das Verfassungseigentum des Art. 14 GG maßgeblich wären. Die Frage, ob das BVerfG in diesem Zusammenhang eher auf eine funktionsbestimmte oder historische Betrachtung abstellt, kann im Ergebnis offen bleiben. Zwar mag für die teleologische Betrachtung sprechen, daß das Gericht in st. Rspr. bei der Auslegung des Art. 14 GG auf die freiheitsgewährende Funktion des Eigentumsgrundrechts abstellt141, die Anlehnung an das Sacheigentum hingegen nur in einzelnen Entscheidungen zu finden ist142. Beide Auslegungsmethoden lassen sich jedoch miteinander vereinbaren. Zunächst ist zu betonen, daß schon aus dogmatischen Gründen eine strenge Trennung beider Auslegungsvarianten nicht erforderlich ist. Denn alle herkömmlichen Methoden der Gesetzesauslegung helfen in abgestimmter Berechtigung, keine hat einen unbedingten Vorrang vor einer anderen143. Es besteht daher kein Zwang, das BVerfG hier auf eine Auslegungsmethode festlegen zu müssen. Aber auch in der Sache selbst schließen sich beide Ergebnisse nicht aus, wenn man mit der vorgenannten, historisch auf das Sacheigentum orientierten Betrachtung keine „Versteinerung“ der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GG bereits existenten privaten Eigentumsrechte im Auge hat, sondern lediglich die aus diesen Rechten als Summe zu gewinnenden Strukturmerkmale heranzieht. Diesen Weg scheint auch das BVerfG zu gehen, wenn es bei seiner Bezugnahme auf das Sacheigentum die ihm innewohnenden Merkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ betont. Das historische Sacheigentum ist bei dieser 139 BVerfGE 89, 1 (6, Hervorhebung nicht im Original); vergleichbare Formulierungen (Zuordnung „wie Eigentum an einer Sache“) finden sich in BVerfGE 45, 142 (179); 78, 58 (71); 79, 174 (191); 83, 201 (208); 91, 207 (220). 140 BVerfGE 24, 367 (390): „Das Eigentum bürgerlichen Rechts ist durch seine Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsfähigkeit gekennzeichnet.“; ebenso BVerfGE 37, 132 (140); 68, 361 (367) bezogen auf das „Privateigentum im Sinne der Verfassung“. 141 Siehe die Nw. oben S. 38 ff. in Fn. 85 f., 91 ff. 142 Gegen die Annahme, das BVerfG hänge einer derartigen historischen Auslegung an, sprechen sich aus Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 89 ff.; Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 22 f. Gegen eine teleologische und für eine historische Auslegung hingegen Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 27 ff. 143 BVerfG, 2 BvR 794 / 95, Urt. v. 20. 03. 2002, NJW 2002, S. 1781.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Betrachtung nichts anderes als das Paradebeispiel einer Rechtsposition, die die freiheitsbezogenen, teleologisch aus Art. 14 GG zu ermittelnden Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ in sich trägt144. Unter diesem Blickwinkel ist auch den Aussagen im Schrifttum zuzustimmen, die dem zivilrechtlichen (Grund-)Eigentum eine „Leitbildfunktion“ für das Verfassungseigentum zusprechen145. Wird dieser Leitgedanke lediglich auf die beiden freiheitsgewährenden Strukturmerkmale des Sacheigentums bezogen, so kann es ohne weiteres als „historisches Vorbild“ für das Verfassungseigentum des Art. 14 GG betrachtet werden146. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß sich die verschiedenen Aussagen des BVerfG zur Herleitung der eigentumsrechtlichen Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ nur scheinbar widersprechen. Beide Begriffe lassen sich im Ergebnis sowohl auf eine teleologische als auch auf eine historische Auslegung des Art. 14 GG stützen.

144 Das Sacheigentum kann der Privatmann im Rahmen der Gesetze nach freiem Belieben nutzen und Dritte davon ausschließen (§§ 903, 1004 BGB), er kann es grds. veräußern (§§ 929 ff., 873 BGB), belasten (z. B. §§ 1113 ff., 1191 ff. BGB) und aufgeben (§§ 928, 959 BGB). 145 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 31; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 33; ders., Entwicklungslinien, S. 170 f.; ähnlich Axer, DVBl. 1999, S. 1537 („Prototyp“); Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 193 („Archetyp“); Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 97 („bestes Beispiel“). 146 Im Ergebnis zutreffend ist daher die Feststellung Kutscheras, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 29, die von ihm befürwortete historische Anlehnung an das Sacheigentum sei mit der Aussage des BVerfG vereinbar, wonach zur Auslegung der Eigentumsgarantie auf „Zweck und Funktion“ abzustellen sei. Der von Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 28 f., gebrachten Begründung ist aber zu widersprechen. Er führt aus, das Gericht zöge diese Formel nicht zur Qualifikation einer im Privatrecht wurzelnden Rechtsposition als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG heran, sondern verwende sie nur in anderen Zusammenhängen, insbes. der Qualifizierung einer öffentlich-rechtlichen Position oder Feststellung des Vermögenswertes. Für privatrechtliche Rechtspositionen greife daher die historische Betrachtung (i. E. ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 79). Ein Blick in die Entscheidungen des BVerfG zeigt jedoch das Gegenteil. Siehe z. B. BVerfGE 83, 201 (208 f.), wo das Gericht bei der Frage, ob ein Vorkaufsrecht unter die Bestandsgarantie fällt, auf „Zweck und Funktion“ der Eigentumsgarantie abstellt und ausführt: „Aus der dargelegten Funktion der Eigentumsgarantie folgt vielmehr, daß unter deren Schutz im Bereich des Privatrechts – nur dieser ist hier betroffen – grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte fallen, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, daß er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.“ (Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner die Betonung der freiheitsbezogenen Funktion im Zusammenhang mit privatrechtlich verwurzelten Rechtspositionen z. B. in BVerfGE 31, 229 (239 – Urheberrecht); 36, 281 (290 – Patentrecht); 89, 1 (6 – Mietrecht).

4 Appel

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

b) Eigenleistung und Existenzsicherung (1) Der „Wandel“ der Eigentumsgarantie Über die beiden Merkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ hinaus bestand für das BVerfG schon früh die Notwendigkeit, Art. 14 I 1 GG zwei weitere Strukturvorgaben zu entnehmen, die Verfassungseigentum begrifflich ausmachen: „Eigenleistung“ und „Existenzsicherung“147. Der Grund dafür ist vor allem in einem Bedeutungsverlust zu sehen, den das Sacheigentum in den beiden letzten Jahrhunderten erlitten hat. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts bildete das bürgerlichrechtliche Eigentum, insbesondere in Ausprägung des Grundeigentums, den größten Teil des Privatvermögens der Staatsbürger, so daß sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz hierauf beschränken konnte148. Mit der Ausdehnung der kapitalistischen Wirtschaftsweise und den Wandlungen, die eine arbeitsteilige Industriegesellschaft mit sich brachte, stand jedoch für große Bevölkerungsgruppen der Erwerb von Grund und Boden nicht mehr im Mittelpunkt ihrer Existenz. Damit einher ging ein zunehmendes staatliches Sozialsystem, das dem Bürger eine existenzielle wirtschaftliche Absicherung durch öffentlich-rechtliche Ansprüche gewährleistete, vor allem in Form von sozialversicherungsrechtlichen Positionen. Das BVerfG faßt diese Entwicklung zusammen, wenn es betont: „[ . . . ] in der modernen industriellen Dienstleistungsgesellschaft [erlangt] die große Mehrzahl der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen, sondern durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge [ . . . ].“149 147 Soweit ersichtlich, hat das BVerfG beide Merkmale noch nicht – wie die Merkmale Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis – ausdrücklich als Begriffselemente des Eigentums bezeichnet. Da sie aber, wie sogleich gezeigt wird, wie diese im Rahmen der Auslegung des Art. 14 I 1 GG als Strukturvorgaben des Verfassungseigentums ermittelt werden, fallen auch sie unter den bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriff. Siehe in diesem Zusammenhang auch Herzog, NZA 1989, S. 3 f., der über die Existenzsicherung als Begriffsmerkmal des Eigentums diskutiert. Vgl. auch Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 133, der das Leistungskriterium als „Strukturmerkmal des Eigentumsbegriffs“ bezeichnet. 148 Vgl. Breuer, Die Bodennutzung, S. 15 m. w. Nw. in Fn. 22. 149 BVerfGE 40, 65 (84); ebenso BVerfGE 53, 257 (290); 100, 1 (32). Näher zu dieser Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die häufig unter dem Stichwort „Funktionswandel“ der Eigentumsgarantie behandelt wird, Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 108 ff. m. w. Nw. auf S. 109 Fn. 1; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 240 f. m. w. Nw. auf S. 240 Fn. 107; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 26 ff.; Stein, in: FS-Müller, S. 505; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 13; kritisch zu diesem Befund Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 37. Der Begriff „Funktionswandel“ ist in diesem Zusammenhang jedoch irreführend, weil sich nicht die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie verändert, sondern lediglich die Mittel, mit denen sich die vermögensrechtliche Freiheit im Rahmen einer gewandelten Gesellschaftsstruktur absichern läßt. Zuzustimmen ist daher Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 102, der treffender vom Wandel der „sozialen Bedeutung einzelner Eigentumspositionen“ spricht.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Diese gesellschaftlichen Wandlungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Eigentumsgarantie. Je stärker die öffentlich-rechtlichen Positionen um sich griffen und die existenzsichernde Funktion des klassischen Sacheigentums ablösten, desto größer wurde das Bedürfnis, auch diese Positionen unter Eigentumsschutz zu stellen150. Es bestand die Gefahr, daß die Eigentumsgarantie sonst keinen den Wandlungen der Zeit mehr angemessenen Grundrechtsschutz gewährleistete. Herzog weist in diesem Zusammenhang auf das „psychologische Ungleichgewicht“ hin, das sich ergebe, „wenn die soziale Sicherung nur bei wenigen Sach-, Depot- oder Konteneigentümern durch die Verfassung, bei der erdrückenden Mehrzahl unserer Mitbürger aber [nur] durch einfaches Bundesgesetz geschützt wäre [ . . . ].“151 Unter Betonung des freiheitssichernden Charakters der Eigentumsgarantie stellt hierzu Rupp-v. Brünneck in ihrem berühmt gewordenen Minderheitenvotum152 heraus: „Wenn der Eigentumsschutz ein Stück Freiheitsschutz enthält, insofern er dem Bürger die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung sichert [Verweis auf Entscheidungen des BVerfG], so muß er sich auch auf die öffentlich-rechtlichen Berechtigungen erstrecken, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen ist.“153

Gegen eine derartige Ausweitung der Eigentumsgarantie wurden aber seit jeher auch vielfältige Bedenken erhoben154. Sie eingehend zu würdigen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen155. Beachtung finden soll jedoch der Haupteinwand, der bis in die heutige Zeit gegen eine Erstreckung des Eigentumsschutzes auf öffentlich-rechtliche Positionen ins Feld geführt wird. Er wurzelt in der Befürchtung, der Charakter des Art. 14 GG als klassisches Abwehrrecht gegen staatliche Beeinträchtigungen würde relativiert und in ein Teilhaberecht umgewandelt, wenn unter seinen Schutzbereich auch Leistungsansprüche fielen, die der Bürger gegen den Staat habe156. Grundrechtliche Teilhaberechte könnten jedoch „nie die dem Frei150 Die umstrittene Frage, ob die teleologische Verfassungsauslegung auf den verobjektivierten Willen des Verfassungsgebers aus der Zeit der Verfassungsentstehung begrenzt ist, oder sich, wie heute überwiegend vertreten, an gesellschaftliche Wandlungen anzupassen hat, soll hier nicht näher behandelt werden. Allg. zu diesem, unter dem Stichwort des „Verfassungswandels“ behandelten Problem K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 45 ff.; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 68 ff. m. w. Nw. auf S. 68 Fn. 164. 151 Herzog, NZA 1989, S. 3. 152 Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111 (129 ff.). 153 Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111 (142). 154 Etwa die Gefahr einer Blockierung des Gesetzgebers und einer „Versteinerung“ des Eigentumsgrundrechts aufgrund der in Art. 14 III GG normierten Entschädigungsgarantie (in diese Richtung auch noch BVerfGE 2, 380 [402]; hierzu Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 [142 f.]; Herzog, NZA 1989, S. 4). 155 Hierzu stellv. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 242 ff. m. w. Nw. 156 Siehe Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 73, der argwöhnt, das „liberale Abwehrrecht mutiert zu einem sozialen Teilhaberecht“; ebenso Papier, in:

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

heitsrecht eigene Stringenz und Verbindlichkeit aufweisen“ und stünden unter dem „Vorbehalt des finanzpolitisch Möglichen“157. Eine solche „sozialstaatliche Grundrechtsausdehnung und -anreicherung in quantitativer Beziehung“ werde „unweigerlich mit einer qualitativen Anspruchsminderung und -relativierung erkauft. Die Gefahr, daß jene Relativität der Wirkkraft [ . . . ] früher oder später auch den status negativus, also die klassische abwehrrechtliche Schutzfunktion des Grundrechts erfaßt, liegt auf der Hand.“158 Der dieser Kritik zugrundeliegende Gedanke erscheint plausibel. Wird der Schutzbereich des Art. 14 GG auf öffentliche Leistungen erweitert, so mögen im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung ausreichend (privat- und öffentlichrechtliche) Schutzobjekte bestehen, die den „Gesamtzustand“ des Eigentumsgrundrechts unbedenklich erscheinen lassen. Die öffentlichen Leistungen hätten insofern den Ausfall eines Teils der früher bestehenden privaten Eigentumsrechte kompensiert. Der Gesetzgeber könnte dadurch aber ermuntert werden, bei Eingriffen in privatrechtliche Positionen weniger zurückhaltend zu sein, weil in Zusammenschau mit den vielfältigen öffentlich-rechtlichen Berechtigungen vermeintlich noch ein ausreichender Eigentumsschutz besteht. Bei genauer Betrachtung zeigt sich aber, daß die öffentlich-rechtlichen Schutzobjekte aufgrund einer erhöhten Sozialbindung (Art. 14 II GG) von der Bestandsgarantie häufig schwächer geschützt werden als die privatrechtlichen. Besonders deutlich wird dies bei den wichtigsten öffentlichen Leistungen, denen des Sozialversicherungsrecht. Ihnen ist in gewisser Weise ein „Solidarvorbehalt immanent: ihre Garantiewirkung ist a priori zurückgebunden an die Existenz und Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft.“159 Die Auswirkungen auf die Eigentumsgarantie wären folgenschwer: Der Schutz des Privateigentums und der sonstigen privaten Vermögensrechte würde ins Hintertreffen geraten aufgrund scheinbar ausreichender öffentlich-rechtlicher Schutzobjekte. Letztere können jedoch vom Staat unter geringeren Voraussetzungen wieder entzogen werden. Durch die Hintertür wäre mit der Erstreckung der Eigentumsgarantie auf öffentliche Leistungen eine Relativierung des Eigentumsschutzes als Ganzes eingetreten – ein „verfassungsrechtlicher Pyrrhussieg“160. Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 7, 41, 129 m. w. Nw.; ders., Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 12; w. Nw. bei Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 250 Fn. 177. 157 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 7. 158 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 129. Siehe ferner Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 134, der mahnt, es müsse Vorsorge getroffen werden, daß „der Schutz des privaten Eigentums durch Art. 14 GG nicht durch die immanente Schwäche öffentlich-rechtlicher Eigentumspositionen infiziert und in Mitleidenschaft gezogen wird.“; siehe hierzu auch Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 175. 159 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 175. Vgl. zum eingeschränkten Schutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen BVerfGE 74, 203 (214), BVerfG.de, 1 BvR 1423 / 94, K.Beschl. v. 20. 09. 2001, Abs. 34; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 64; Herzog, NZA 1989, S. 4; siehe hierzu auch noch unten S. 201 Fn. 261.

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Das BVerfG sah dieses Problem, konnte sich jedoch auch dem faktischen Bedürfnis nach Ausweitung des Art. 14 GG auf öffentlich-rechtliche Positionen nicht entziehen. Den Ausweg aus diesem Dilemma erblickte es in einem Mittelweg: Nicht alle öffentlich-rechtlichen vermögenswerten Leistungen sollten unter den Eigentumsschutz fallen161, sondern nur solche, die besonders qualifizierende Merkmale des Verfassungseigentums für öffentlich-rechtliche Positionen erfüllen, nämlich Eigenleistung und Existenzsicherung162.

(2) Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ bei öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen? Bei der Frage, welche besonderen Strukturmerkmale eine öffentlich-rechtliche Position aufweisen muß, um unter den Eigentumsschutz zu fallen, kam auf das BVerfG eine weitere Schwierigkeit zu. Sie liegt darin begründet, daß mit den klassischen Strukturmerkmalen „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ eine sachgerechte Einstufung öffentlicher Leistungen nur unzureichend möglich ist163. Das Problem wurzelt darin, daß beide Merkmale, werden sie im bundesverfassungsgerichtlich verstandenen Sinne weit ausgelegt164, zumindest von den wichtigsten öffentlichen Leistungen, denen des Sozialversicherungsrechts, im Regelfall oh160 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 175. Siehe dasselbe Argumentationsmuster bei Lepsius, JZ 2002, S. 313 f., 316, der davor warnt, Geld als Schutzgut der Eigentumsgarantie anzusehen: Die damit einhergehende Ausweitung des Schutzbereichs müsse durch weitreichende Gesetzesvorbehalte wieder ausgeglichen werden. Dabei bestünde die Gefahr, daß diese auch die übrigen Schutzgüter der Eigentumsgarantie erfassen mit der Folge, daß per saldo der Freiheitsschutz negativ ausfallen würde. 161 In diese Richtung aber z. B. BGHZ 6, 271 (278); Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 (142); Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 121 m. w. Nw. 162 Das BVerfG selbst (BVerfGE 18, 392 [397]; Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 [143]) und Teile der Literatur (z. B. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 69; Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 7 ff.) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „differenzierenden Lösung“. 163 Führt man diese beiden Strukturmerkmale, wie im Schrifttum zum Teil vertreten, ausschließlich auf eine historische Betrachtung zurück (siehe die Nw. oben auf S. 46 Fn. 132), so werden gegen ihre Anwendung auf öffentlich-rechtliche Rechtspositionen schon dogmatische Bedenken erhoben. So führt Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 70, aus, öffentlich-rechtliche Positionen könnten dem Einzelnen bereits im Ansatz nicht „wie Sacheigentum“ zugeordnet sein, weil ihr „Entstehungsgrund nicht in einer dem Staat gegenüberliegenden Sphäre liegt.“; siehe auch Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 188 zur Nichtanwendbarkeit dieser Merkmale auf Rentenansprüche. Sieht man Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis aber in erster Linie in einer teleologischen Auslegung des Art. 14 I 1 GG verwurzelt (dazu oben S. 42), so spricht grds. nichts gegen ihre Anwendung auch auf öffentliche Leistungen. 164 Vgl. oben S. 42 ff.

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ne größere Probleme erfüllt werden. Besteht etwa ein gebundener Anspruch gegen die öffentliche Hand auf Zahlung eines Geldbetrages (z. B. Altersrente, Arbeitslosenhilfe), und ist dem Bürger auch keine bestimmte Verwendung vorgeschrieben (anders z. B. bei zweckgebundenen Subventionen oder Krediten), so läßt sich nur schwer bestreiten, daß er als Privatmann die aus dem Anspruch resultierende Leistung zu seinem eigenen Vorteil privat nutzen und über diese grundsätzlich auch frei verfügen kann165. Dementsprechend hat das BVerfG, soweit ersichtlich, beiden Merkmalen im Zusammenhang mit der Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Position unter die Bestandsgarantie fällt, an keiner Stelle entscheidende Bedeutung zugemessen166. Sie werden zwar auch bei der Frage nach der Einstufung öffentlichrechtlicher Leistungen als Strukturelemente des Eigentums vielfach angeführt167. Insbesondere das häufiger herangezogene Merkmal „Privatnützigkeit“ wird im Regelfall jedoch ohne weiteres bejaht, sobald feststeht, daß die zur Debatte stehende öffentlich-rechtliche Regelung einen gebundenen Anspruch normiert. Exemplarisch hierfür sind die Ausführungen des Gerichts in seiner Entscheidung zur RentnerKrankenversicherung168. Das Gericht stellt fest, eine sozialversicherungsrechtliche Position sei bereits dann nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts privatnützig zugeordnet, wenn „[ . . . ] die in Betracht kommende Rechtsposition ein subjektiv-öffentliches Recht auf Leistung begründet, das dem einzelnen eine Rechtsposition verschafft, der derjenigen eines Eigentümers entspricht (vgl. BVerfGE 53, 257 [289] m. w. Nw.). Das ist der Fall, wenn der Berechtigte davon ausgehen kann, daß es sich um ,seine‘, ihm ausschließlich zustehende Rechtsposition handelt. Solche Rechtspositionen sind von denjenigen zu unterscheiden, bei denen die Leistung vom Ermessen des Versicherungsträgers abhängt oder auf die nach der jeweiligen Gesetzeslage lediglich eine Aussicht besteht [ . . . ].“169

Dies zeigt, daß das Gericht dem Merkmal Privatnützigkeit bei der Frage nach der Qualifikation öffentlich-rechtlicher Leistungen zu Eigentum keine eigenständige Bedeutung beimißt. Das Merkmal wird lediglich bei der Frage herangezogen, ob überhaupt eine Rechtsposition besteht170. Sobald dies der Fall ist, wird das 165 A.A. hinsichtlich einer nicht im bundesverfassungsgerichtlichen Sinne, sondern eng interpretierten Verfügungsbefugnis Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 55 a. E. 166 Siehe auch BVerfGE 16, 94 (111), wo das Gericht betont, für die Einstufung als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG könne es „offensichtlich nicht darauf ankommen, ob die öffentlichrechtlichen Ansprüche so starke ,privatrechtliche Elemente‘ enthalten, daß sie dem verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums zugeordnet werden müssen.“ 167 In erster Linie im Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Positionen; z. B. beide Merkmale genannt in BVerfGE 53, 257 (290); 100, 1 (33); lediglich Privatnützigkeit in BVerfGE 69, 272 (300); 72, 9 (19); 72, 141 (153); 76, 220 (235); 92, 365 (405); 97, 271 (284); 100, 1 (32). 168 BVerfGE 69, 272 ff. 169 BVerfGE 69, 272 (301). 170 Dies wird hier vom BVerfG bejaht, wenn ein Anspruch besteht bzw. zumindest eine Anwartschaft, die allein durch Ablauf einer Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalls zum Vollrecht erstarkt (vgl. auch BVerfGE 72, 141 [153]). Aufgrund eines gebundenen

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Merkmal Privatnützigkeit bejaht. Anders als bei privatrechtlichen Positionen kommt ihm hier aber keine eigenständige Funktion bei der Frage zu, ob eine derartige einfachgesetzliche Rechtsposition zu Eigentum zu qualifizieren ist. Dies wird bei öffentlich-rechtlichen Positionen anhand anderer Strukturelemente entschieden171. Die eben dargestellte Vorgehensweise des BVerfG ist jedoch unglücklich, weil sie leicht zu Mißverständnissen führt. Während das Merkmal „Privatnützigkeit“ bei privatrechtlichen Positionen im Rahmen der Prüfungsschritte 2.a) und 2.b)172 seine Rolle spielt, d. h. bei der Frage, ob die – unabhängig von diesem Merkmal festzustellende – einfachrechtliche Position die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben erfüllt, zieht das BVerfG das Merkmal bei sozialversicherungsrechtlichen Positionen bereits auf der Ebene des ersten Prüfungsschritts heran173. Wenn das BVerfG schon an der Prüfung dieses Merkmals bei Positionen des Sozialversicherungsrechts festhalten will, so wäre es zur Vermeidung von Fehldeutungen angebracht, dieses – wie bei privatrechtlichen Positionen – erst im Rahmen der beiden letzten Prüfungsschritte zu tun. Dem Bemühen um klare Strukturen seines Eigentumsverständnisses wäre es sogar zuträglicher, wenn das Gericht hier vollständig auf die Prüfung dieses Merkmals verzichtete174. Den zuletzt vorgeschlagenen Weg scheint das BVerfG in bezug auf das Strukturelement „Verfügungsbefugnis“ bereits zu gehen. Seine Prüfung wird bei öffentlichrechtlichen Positionen fast durchweg weggelassen. Soweit ersichtlich, findet das Merkmal hier lediglich in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich175 nähere Beachtung. Für das BVerfG stellte sich die Frage, inwieweit ein Rentenanspruch das eigentumsgrundrechtliche Strukturmerkmal der Verfügungsbefugnis erfüllen könne, obwohl er (im Bereich der Pflichtversicherung) grundsätzlich nicht bzw. nur eingeschränkt übertragen und verpfändet werden kann176. Das Gericht führt hier zwei Gründe an, die dennoch für einen Eigentumsschutz sprechen. Zunächst hält es das Merkmal unter dem Aspekt „grundsätzlicher Verfügungsbefugnis“ für erfüllt, weil auch Anspruchs bejaht das Gericht ohne größere, ins Detail gehende Ausführungen die Privatnützigkeit einer einfachgesetzlich zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Position z. B. in BVerfGE 53, 257 (290 – Rentenanspruch); 72, 9 (19 – Arbeitslosengeld); 76, 220 (235 f. – Unterhaltsund Übergangsgeld). Wegen bestehender „Unsicherheitsfaktoren“ wurde eine privatnützige Rechtsposition verneint z. B. in BVerfGE 72, 141 (153 f. – Geschiedenenwitwenrente); 97, 271 (284 – Hinterbliebenenversorgung), offengelassen in BVerfGE 92, 365 (406 – Kurzarbeitergeld). 171 Eigenleistung und ggf. Existenzsicherung, siehe dazu (sogleich) unten S. 56 ff. 172 Vgl. oben S. 25. 173 D. h. bei der Frage, ob überhaupt eine einfachgesetzliche Rechtsposition vorhanden ist. 174 Seine Nennung erscheint lediglich als unbedachtes Festhalten an Elemente der Faustformel, die sich für privatrechtliche Rechtspositionen eingebürgert hat. In diese Richtung auch BVerfGE 88, 384 (401), wo auf das Merkmal „Privatnützigkeit“ bei der Einstufung öffentlicher Leistungen völlig verzichtet wird. 175 BVerfGE 53, 257 ff. 176 BVerfGE 53, 257 (291).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG „[ . . . ] private Vermögensrechte [ . . . ] vielfach Einschränkungen der dargelegten Art [unterliegen], ohne daß deswegen deren verfassungsrechtlicher Schutz in Zweifel gezogen würde.“177

Im vorliegenden Zusammenhang von größerer Bedeutung ist jedoch ein zweites Argument. Das BVerfG betont nämlich, die Verfügungsbefugnis sei Ausdruck des personalen Charakters der Eigentumsgarantie, dem hier aber dadurch hinreichend Rechnung getragen sei, daß der Rentenanspruch auf einer Eigenleistung des Betroffenen beruhe178. Das Gericht geht damit den Weg, das Merkmal der Verfügungsbefugnis im Bereich öffentlich-rechtlicher Ansprüche abzulösen durch eigenständige Strukturmerkmale, insbesondere der Eigenleistung des Betroffenen. In Konsequenz hierzu wird nach dieser Entscheidung dem Merkmal der Verfügungsbefugnis als Strukturvorgabe für öffentliche Leistungen, soweit erkennbar, keine größere Beachtung mehr geschenkt179. (3) Bedeutung des Strukturmerkmals „Eigenleistung“ Wie bereits angedeutet, hat das BVerfG zur Beantwortung der Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Position zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren ist, eigenständige Strukturvorgaben entwickelt, die es in st. Rspr. heranzieht180. Maßgebliches Kriterium ist vor allem, daß die zur Debatte stehende Position „auf nicht unerheblichen Eigenleistungen“ beruht181. Das vorgenannte Kriterium dient dem Gericht dazu, solche Ansprüche gegen die öffentliche Hand vom Eigentumsschutz ausgrenzen, die der Staat ausschließlich in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht einseitig gewährt182. Derartige Leistungen werden BVerfGE 53, 257 (291). BVerfGE 53, 257 (291). 179 Eine sehr kurze Nennung erfolgt jedoch in BVerfGE 100, 1 (33). 180 Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Rspr. des BVerfG zum Eigentumsschutz subjektiv-öffentlicher Rechte, der zunächst abgelehnt wurde (vgl. BVerfGE 2, 380 [401 f.]), kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Siehe hierzu näher etwa Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 ff.; Andersen, Probleme der Wandlung des Eigentumsbegriffs, S. 5 ff. Ferner stellv. aus dem vielfältigen Schrifttum Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 69 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 53 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 69 ff.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 28 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 124 ff.; speziell zu sozialversicherungsrechtlichen Positionen Gitter, NZA 1984, S. 137 ff.; Papier, VSSR 1973, S. 33 ff. 181 BVerfGE 97, 271 (284 f.); siehe ferner u. a. BVerfGE 69, 272 (300); 72, 9 (19); 76, 220 (235); 92, 365 (405); 100, 1 (33); BVerfG.de, 1 BvR 482 / 02, K.-Beschl. v. 13. 06. 2002, Abs. 10; 1 BvR 1444 / 02, K.-Beschl. v. 21. 08. 2002, Abs. 7 f.; siehe auch die Betonung der Leistung des Bürgers als besonderen Schutzgrund der Eigentumsgarantie u. a. in BVerfGE 1, 264 (278); 14, 288 (293 f.); 16, 94 (113); 18, 392 (397); 24, 220 (226); 30, 292 (334); 45, 142 (170); 48, 403 (413); 50, 290 (340); 53, 257 (291 f.); 72, 175 (193). 182 Vgl. BVerfGE 16, 94 (113); 45, 142 (170); 48, 403 (413); 53, 257 (291 f.); 69, 272 (301 f.); 72, 175 (193); BVerfG, 1 BvR 2337 / 00, K.-Beschl. v. 3. 07. 2001, NVwZ 2002, S. 197; BVerfG.de, 1 BvR 1444 / 02, K.-Beschl. v. 21. 08. 2002, Abs. 7 f. 177 178

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durch die Eigentumsgarantie nicht geschützt, weil sie vom Betroffenen nicht durch eigene Aufwendungen selbst „verdient“183 sind. Für den Eigentumsschutz ist jedoch nicht erforderlich, daß der Anteil der Eigenleistung wertmäßig dem der zugewiesenen Rechtsposition entspricht. Dieser Äquivalenzgedanke, der noch in den ersten Entscheidungen des Gerichts anklingt, verflüchtigte sich schon bald184. Eine „nicht unerhebliche Eigenleistung“ kann auch gegeben sein, wenn die öffentlichrechtliche Position „auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht“185. Erforderlich und ausreichend ist, wenn ein nicht völlig untergeordneter Teil durch den Betroffenen selbst (bzw. von Dritten zu seinen Gunsten) zugesteuert wird186. Ausgangspunkt für die Entwicklung des Strukturmerkmals der Eigenleistung ist einmal mehr die vom BVerfG befürwortete teleologische Auslegung des Art. 14 I 1 GG187. Wenn die Eigentumsgarantie die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich sichern soll, hingegen aufgrund der Gefahr einer Relativierung des Abwehrrechts nicht jede öffentlich-rechtliche Position schlechthin unter die Bestandsgarantie fallen kann, so sollen jedenfalls solche Positionen geschützt werden, deren Begründung in nicht unerheblichem Umfang auf eigenen Verdiensten des Betroffenen beruht. Denn in diesen Fällen ist die Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich aufgrund des „personalen Bezugs“ im besonderen Maße betroffen188. Der freiheitssichernden Funktion der Eigentumsgarantie kommt bei dieser Betrachtung eine doppelte Aufgabe zu: Sie ist zum einen Schutzgrund für die Einbeziehung der auf Eigenleistung beruhenden Positionen, zum anderen aber auch Schutzgrenze, weil sie die allein auf staatlicher Gewährung beruhenden Rechte vom Eigentumsschutz ausschließt. Das vom BVerfG eingeführte Merkmal der Eigenleistung wurde von Beginn an und wird bis heute kontrovers diskutiert.189 Neben Befürwortern der LeistungstheGitter, NZA 1984, S. 139. Siehe hierzu Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 633 f.; der Begriff „Äquivalent“ wird aber noch verwendet, z. B. in BVerfGE 95, 64 (82). 185 BVerfGE 69, 272 (301). 186 Vgl. hierzu BVerfGE 72, 9 (19 f.); siehe auch BVerfGE 69, 272 (302), wo das Gericht feststellt: „Oft jedoch beruhen Leistungsansprüche im Bereich der Sozialversicherung teilweise auf Beiträgen und teilweise auf staatlicher Gewährung in einer Weise, die klare Abgrenzungen erschwert. Die Frage, ob eine sozialversicherungsrechtliche Position auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht, wird sich daher regelmäßig nur anhand des Einzelfalls beurteilen lassen.“ Die damit aufgezeigte Orientierung am jeweiligen Einzelfall macht klar, daß dieses Merkmal keine allgemeingültige Abgrenzungsdefinition erlaubt, andererseits aber auch eine flexible Handhabung ermöglicht. 187 Siehe oben S. 38 ff. und, bezogen auf öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, grundlegend das Minderheitenvotum von Rupp-v. Brünneck (vgl. oben S. 51 Fn. 153); ferner BVerfGE 53, 257 (290), wo das Gericht den eigentumsgrundrechtlichen Schutz rentenversicherungsrechtlicher Positionen maßgeblich auf „Zweck und Funktion“ der Eigentumsgarantie zurückführt. Näher hierzu Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 240 ff. m. w. Nw. 188 Vgl. BVerfGE 97, 271 (284). 183 184

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se, die meinen, das BVerfG habe das Leistungskriterium über den Bereich öffentlich-rechtlicher Positionen hinaus als die „Grundfunktion des Eigentums überhaupt anerkannt“190, finden sich auch viele kritische Stimmen191. Besondere Aufmerksamkeit genießen in diesem Zusammenhang die aus den eigenen Reihen geäußerten Bedenken Rupp-v. Brünnecks, die sich in ihrem Minderheitenvotum gegen das Merkmal der Eigenleistung ausspricht. Ausgehend von der freiheitsgewährenden Funktion sieht sie die Notwendigkeit, den Eigentumsschutz „auch auf die öffentlich-rechtlichen Berechtigungen [zu] erstrecken, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen ist.“ Da sich diese jedoch „in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht von bürgerlich-rechtlichen Geldforderungen“ unterschieden, sei kein Grund ersichtlich, ihren Schutz, anders als bei privatrechtlich verwurzelten Positionen, von einer Eigenleistung des Betroffenen abhängig zu machen192. Auch bestünde bei einer derart weiten Auslegung der Eigentumsgarantie nicht die Gefahr, daß der Gesetzgeber blockiert würde. Art. 14 GG lasse aufgrund der in Art. 14 II GG normierten Sozialbindung genügend Raum für eine Anpassung bereits gewährter Eigentumsrechte. Erst im Rahmen der dort vorzunehmenden Abwägung, also „innerhalb des Eigentumsschutzes“193, sei das Merkmal der Eigenleistung zu berücksichtigen. Der dieser Argumentation zugrundeliegende Gedanke ist klar: Das Merkmal der Eigenleistung soll, ausgedrückt in den Begriffen der allgemeinen Grundrechtsterminologie194, vom „Schutzbereich“ auf die Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“ verschoben werden. Bei der Frage, „ob“ öffentlich-rechtliche Positionen unter die Bestandsgarantie fallen, sei es nicht zu beachten. Die Bestandsgarantie erfasse derartige Berechtigungen schon deshalb, weil und soweit sie für den Bürger einen 189 Siehe hierzu Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 ff.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 100; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 133; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 176 ff.; Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 631 f. und die Nw. aus dem Schrifttum oben auf S. 56 Fn. 180. 190 Friauf, Eigentumsgarantie, Leistung und Freiheit, S. 446; in diese Richtung auch Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 185 Fn. 695 a. E.; siehe ferner Breuer, Die Bodennutzung, S. 220 f., der dafür plädiert, die leistungsorientierte Eigentumsbewertung auch auf den Bereich privater Vermögenswerte auszuweiten m. w. Nw. für diese Betrachtung auf S. 196 Fn. 397. 191 Hierzu Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 186 ff. m. w. Nw. in Fn. 534; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 121 m. w. N. in Fn. 122 f.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 28; Papier, VSSR 1973, S. 45. Siehe hierzu ausführlich Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 50 ff. m. w. Nw. in Fn. 147 ff. 192 Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 (142). 193 Rupp-v. Brünneck, abw. Meinung zu BVerfGE 32, 111, 129 (143, Hervorhebung im Original); ihr folgend z. B. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 55; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 121 a. E.; in diese Richtung auch Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 28; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 181. 194 Hierzu statt vieler Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 165 f. m. w. Nw.

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Vermögenswert darstellten. Gehe es aber um den Schutzumfang, d. h. um das „Wie“ des Eigentumsschutzes, so könne das Merkmal der Eigenleistung ausreichend im Rahmen der Abwägung mit den öffentlichen Interessen (Art. 14 II GG) berücksichtigt werden. Das Eigentumsrecht habe dabei mehr oder weniger Gewicht, je nachdem, wie hoch der Anteil der Eigenleistung im Einzelfall sei. Gegen eine derart weitreichende Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Berechtigungen in den Eigentumsschutz sind bereits an anderer Stelle Bedenken erhoben worden195. Sie läuft hinaus auf einen Eigentumsschutz nach dem Motto „Der Herr gibt, der Herr nimmt.“ Die Bestandsgarantie verkommt zum Feigenblatt, unter dem ein weitreichender Eigentumsschutz vorgetäuscht wird, der in Wahrheit nicht besteht. Ihr abwehrrechtlicher Charakter wird relativiert, indem sie zunächst weitreichend mit öffentlich-rechtlichen Positionen angefüllt wird, von denen ein großer Teil jedoch aufgrund hoher Sozialbindung ohne starke Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung wieder entzogen werden kann. Daß eine solche Betrachtung Gefahr läuft, das Eigentumsgrundrecht als Ganzes zu relativieren, wurde bereits ausgeführt. Dem kann entgegengewirkt werden, indem man bereits im Vorfeld, d. h. auf der Ebene des Schutzbereichs, einschränkende Kriterien aufstellt, die eine Rechtsposition zu Eigentum „qualifizieren“. Nur wenn diese erfüllt sind, kommt sie in den Genuß des Schutzes der Bestandsgarantie. Damit wird zwar von vornherein einem Teil der öffentlich-rechtlichen Positionen der Eigentumsschutz versagt. Für diejenigen, die diese Anforderungen erfüllen, entfaltet das Eigentumsgrundrecht hingegen seine volle abwehrrechtliche Schutzfunktion. Zwingende Folge muß dann aber auch ein Bestandsschutz sein, der diesen Namen verdient. Hat eine Rechtsposition die Hürde der Qualifikation zu Eigentum genommen, so darf sie nicht ohne weiteres, sondern nur unter erschwerten Voraussetzungen beschränkt oder entzogen werden. Den damit skizzierten Weg hat auch das BVerfG eingeschlagen. Mit seinem Leistungskriterium steht ein Abgrenzungsmerkmal zur Verfügung, das sich zudem systematisch in die vom Gericht befürwortete teleologische Auslegung der Eigentumsgarantie einfügt. Nimmt eine Position diese Hürde und fällt sie unter den Bestandsschutz, so reichen für ihren Entzug keine allgemein gehaltenen Erwägungen. Der abwehrrechtliche Charakter der Bestandsgarantie verlangt vielmehr besondere öffentliche Interessen zur Eingriffsrechtfertigung196. Daß auch bei dieser Betrachtungsweise, wie von Rupp-v. Brünneck angedeutet, unterschiedliche „Stufungen“ des Eigentumsschutzes bestehen, die vom sozialen Bezug und der sozialen Funktion des konkreten Schutzobjekts abhängen, soll nicht in Abrede gestellt werden197. Anders als bei der Betrachtungsweise Rupp-v. Brünnecks wird dem GeSiehe oben S. 52. Vgl. an dieser Stelle nur BVerfGE 58, 81 (121), Einzelheiten unten auf S. 248 ff. Deswegen sind neuere Bestrebungen des BVerfG abzulehnen, den Bestandsschutz des Art. 14 GG dadurch zu relativieren, daß das Gericht innerhalb des Art. 14 GG die allg. Grds. der rechtsstaatlichen Rückwirkung heranzieht. So etwa BVerfGE 95, 64 (82 ff.), näher hierzu noch unten S. 250 ff. 195 196

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setzgeber aber hier in weitaus größerem Maße der abwehrrechtliche Charakter der Bestandsgarantie vor Augen geführt. Die Hemmschwelle für einen Eingriff in besonders qualifizierte Rechtspositionen wird größer sein als in Positionen, die einem lediglich völlig aufgeweichten Schutzbereich unterfallen198. (4) Bedeutung des Strukturmerkmals „Existenzsicherung“ Soweit es um den Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen geht, hat es das BVerfG nicht lediglich bei einer Hürde zur Qualifikation zu Eigentum belassen. Neben der Eigenleistung fordert es als zweite Voraussetzung, daß die betreffende Position existenzsichernden Charakter aufweist199. Maßgeblich für die Erfüllung dieses Merkmals soll die objektive Zweckrichtung der Rechtsposition sein, nicht aber, ob sie im konkreten Fall der Existenzsicherung des Betroffenen dient200. Die Herleitung dieses Merkmals durch das BVerfG steht in engem Zusammenhang mit dem oben201 skizzierten „Wandel“ der Eigentumsgarantie. Weil in der modernen Gesellschaft eine Vielzahl der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenz weniger durch privates Sacheigentum als durch ihr Arbeitseinkommen und die darZu dieser sog. gleitenden Sozialbindung siehe unten S. 201. Diese Betrachtungsweise schließt es aber nicht aus, entsprechend dem Ansatz Rupp-v. Brünnecks das Leistungskriterium auch im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung heranzuziehen. Zu dieser Mehrfachbedeutung der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale noch ausführlich unten auf S. 64 ff. 199 BVerfGE 69, 272 (300 – Rentner-Krankenversicherung); 72, 9 (19 – Arbeitslosengeld); 76, 220 (235 – Unterhalts- / Übergangsgeld); 92, 365 (405 – Arbeitslosenversicherung); 97, 271 (284 f. – Hinterbliebenenrente); 100, 1 (33 – DDR-Renten); noch nicht hingegen in BVerfGE 53, 257 (290 ff. – Rentenversicherung). Stehen sonstige öffentliche Leistungen zur Debatte, so prüft das Gericht nur das Merkmal der Eigenleistung, vgl. BVerfGE 45, 142 (170 – Interventionsanspruch nach EU-Recht); 48, 403 (413 – Wohnungsbauprämie); 72, 175 (193 – zinsgünstiges Darlehen); 88, 384 (401 – zinsverbilligter Kredit); BVerfG.de, 1 BvR 482 / 02, K.-Beschl. v. 13. 06. 2002, Abs. 10 (TÜV-Monopol); 1 BvR 1444 / 02, K.-Beschl. v. 21. 08. 2002, Abs. 7 f. (Kursmakler-Bestellung). Diese Differenzierung in der Rspr. des BVerfG sehen auch Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 292; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 11 f.; keine Unterscheidung macht z. B. Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 69 ff. Gar keine Erwähnung findet das Merkmal „Existenzsicherung“ in bezug auf öffentlich-rechtliche Positionen z. B. bei Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 53 ff.; Antoni, in: Seifert / Hömig, GG, Art. 14 Rn. 3a. 200 BVerfGE 69, 272 (303 f.): „Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob ein Grundrechtsträger nach seinem Vermögensstand individuell mehr oder weniger auf den Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Leistung angewiesen ist. Es geht vielmehr um die objektive Feststellung, ob eine öffentlich-rechtliche Leistung ihrer Zielsetzung nach der Existenzsicherung des Berechtigten zu dienen bestimmt ist. Nicht das Bedürfnis des einzelnen, sondern der Umstand ist entscheidend, daß eine Position der großen Mehrzahl der Staatsbürger zur existenziellen Sicherung dient (vgl. BVerfGE 53, 257 [290]).“ Siehe auch BVerfGE 72, 9 (21); Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 264. 201 Vgl. S. 50 f. 197 198

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an anknüpfende Sozialversicherung erlangen, wurde die Notwendigkeit gesehen, zumindest solche öffentlich-rechtlichen Positionen unter Eigentumsschutz zu stellen, die nunmehr anstelle des Sacheigentums diese existenzsichernde Aufgabe übernehmen. Das BVerfG führt hierzu aus: „Es würde zu einem mit dem Schutz des Eigentums im sozialen Rechtsstaat schwerlich zu vereinbarenden Funktionsverlust der Eigentumsgarantie führen, wenn sie – sofern die anderen konstituierenden Merkmale des Eigentums vorliegen – solche [der Existenzsicherung dienende] vermögensrechtliche Positionen nicht umfaßte (vgl. BVerfGE 53, 257 [294]).“202

Das Merkmal der Existenzsicherung paßt sich auf den ersten Blick in das bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsverständnis ein, weil es sich auf eine funktionale Auslegung der Eigentumsgarantie zurückführen läßt. Auf der Suche nach Abgrenzungskriterien erschienen dem BVerfG unter Beachtung der freiheitsbezogenen Funktion der Eigentumsgarantie derartige öffentlich-rechtliche Positionen als besonders schützenswert, die der Existenzsicherung des Bürgers zu dienen bestimmt sind. Denn in diesen Fällen ist seine Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich im besonderen Maße betroffen203. Auch das Merkmal der Existenzsicherung ist im Schrifttum nicht durchweg auf Zustimmung gestoßen204. Tatsächlich sind Zweifel angebracht, ob dieses Kriterium als Qualifikationsmerkmal sachgerecht ist. Oben205 wurde bereits angedeutet, daß das BVerfG im Zusammenhang mit dem Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Positionen die freiheitssichernde Funktion des Eigentumsgrundrechts sowohl als Grund als auch als Grenze heranzieht. Vermag das Abgrenzungskriterium „Eigenleistung“ zwischen diesen beiden Polen noch einen adäquaten Mittelweg zu gehen, besteht beim Merkmal „Existenzsicherung“ die Gefahr, daß der Schwerpunkt zu weit in Richtung „Schutzgrenze“ verschoben wird. Denn die Erfüllung dieses Merkmals fordert, anders als bei dem flexibleren Kriterium der Eigenleistung, einen derart starken personalen Bezug der Rechtsposition zum Bürger (Sicherung seiner „Existenz“), daß es als Eingangskriterium für den Eigentumsschutz sehr hoch gesteckt erscheint. Dem BVerfG ist zuzustimmen, wenn es ausführt, eine der Existenzsicherung dienende öffentlich-rechtliche Position genieße besonderen Schutz und müsse daher von der Eigentumsgarantie erfaßt werden206. Daraus aber BVerfGE 69, 272 (303). Siehe BVerfGE 69, 272 (304); 72, 9 (21), wo das Gericht im Zusammenhang mit der Frage der Existenzsicherung darauf abstellt, ob der Fortfall der zur Debatte stehenden Rechtsposition „die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren würde“. 204 Kritisch z. B. Herzog, NZA 1989, S. 3 f.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 181; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 126 ff.; ders., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 71 ff. m. w. Nw.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 12; Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 634 f. m. w. Nw. in Fn. 31; zustimmend hingegen Söllner, in: FS-Geiger, S. 275. 205 Vgl. S. 57. 206 Siehe oben das Zitat zu Fn. 202. 202 203

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den Schluß zu ziehen, daß nur der Existenzsicherung dienende Positionen unter die Bestandsgarantie fallen207, erscheint zu weitgehend208. Der zutreffende systematische Platz dieses Merkmals scheint vielmehr ausschließlich auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung zu liegen209. Für die Eingrenzung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie bei öffentlich-rechtlichen Positionen sollte hingegen ausschließlich das Merkmal der Eigenleistung ausreichend sein. Gleichwohl soll an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, daß die Diskussion um die „Existenzsicherung“ als Eingangskriterium für den Eigentumsschutz dadurch entschärft wird, daß das BVerfG diesem in praxi keinen überragenden Stellenwert einzuräumen scheint. Soweit ersichtlich, hat das Gericht in noch keiner Entscheidung den Eigentumsschutz einer öffentlich-rechtlichen Position allein aufgrund fehlenden existenzsichernden Charakters abgelehnt210. c) Vermögenswert einer Rechtsposition Ergibt eine teleologische Auslegung des Art. 14 GG, daß diese Grundrechtsbestimmung den Zweck hat, dem Bürger einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern, so ist es nur konsequent, wenn das BVerfG als weitere Strukturvorgabe des Verfassungseigentums in st. Rspr. den Vermögenswert einer Rechtsposition betont211. Eine genaue Definition dieses Begriffs hat das Gericht, 207 So aber die Folgerung in BVerfGE 69, 272 (303), wo das Gericht das Bedürfnis nach Eigentumsschutz für existenzsichernde öffentlich-rechtliche Rechtspositionen heranzieht, um die Existenzsicherung als Qualifikationsmerkmal zu begründen. 208 In diese Richtung auch die Bedenken von Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 71 ff., wenn er die Heranziehung der „Existenzsicherung“ als Qualifikationsmerkmal mit den Worten kritisiert: „Wird die Funktion des Freiheitsgebrauchs zur Grundlage des Freiheitsrechts, dann ist die Freiheitsausübung nur so lange gerechtfertigt, wie sie der Funktionserfüllung dient. Das ist der Weg von der Freiheit über die Sinnerfüllung der Freiheit zur Pflicht; so werden aus Grundrechten Grundpflichten.“ (Hervorhebung im Original). 209 I. E. ebenso Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 634; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 143; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 181. Im Rahmen der Abwägung zwischen Art. 14 I 1 und 14 II GG genießt das Eigentumsgrundrecht umso höheren Schutz, je höher der existenzsichernde Charakter der zur Debatte stehenden Rechtsposition ist (vgl. oben S. 58 f. bzgl. desselben Ansatzes bei Rupp-v. Brünneck, bezogen auf das Merkmal der Eigenleistung). In diese Richtung auch BVerfGE 74, 203 (215), wo das Gericht bei Überprüfung des Sozialmodells den Eigentümerinteressen gemäß Art. 14 I 1 GG hohen Stellenwert einräumt, weil das angegriffene Gesetz einem Arbeitslosen „für einen nicht unerheblichen Zeitraum die dringend benötigten finanziellen Mittel“ entzieht. 210 Nähere Ausführungen zu diesem Merkmal finden sich, soweit erkennbar, nur in BVerfGE 69, 272 (303 ff.); 72, 9 (20 f.); 76, 220 (237 f.). Während in den beiden zuletzt genannten Entscheidungen der existenzsichernde Charakter der zur Debatte stehenden Positionen (Arbeitslosengeld, Unterhalts- / Übergangsgeld) bejaht wurde, hat das Gericht in BVerfGE 69, 272 (308) zwar eine existenzsichernde Funktion der Rentner-Krankenversicherung abgelehnt. Der Eigentumsschutz scheiterte jedoch bereits daran, daß dem Rentner schon keine Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 2 GG zugewiesen war, sondern eine bloße „Aussicht“ (zu letzterem näher noch unten S. 98 ff.). Im hier zugrunde gelegten zweistufigen Prüfungsschema war damit bereits der erste Prüfungspunkt nicht erfüllt.

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soweit erkennbar, noch nicht gegeben. In seiner Entscheidung zum Warenzeichenrecht bejaht es den Vermögenswert aufgrund dessen „erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“212. Dies legt es nahe, das Merkmal davon abhängig zu machen, ob der einfachgesetzlichen Befugnis bei objektiver Betrachtungsweise wirtschaftlicher Gehalt zukommt, ob sie also „mit Geld aufgewogen“ werden kann213. Gegen eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise ließen sich jedoch die Ausführungen des BVerfG in der Vorkaufsrechts-Entscheidung214 anführen. Hier stellt das Gericht fest, daß es für das Vorliegen eines Vermögenswertes nicht darauf ankomme, ob die Bedingungen eines Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufsverpflichtetem und einem Dritten, die bei Eintritt des Vorkaufsfalls auch für den Vorkaufsberechtigten Geltung beanspruchen, für letzteren wirtschaftlich günstig seien oder nicht. Die vermögenswerte Natur der Rechtsposition ergebe sich hier bereits daraus, daß der Vorkaufsberechtigte sein „[ . . . ] Interesse am Erwerb des Grundstücks durchsetzen kann, wenn er dies aufgrund eigenverantwortlicher Beurteilung nach den Kaufvertragsbestimmungen für vorteilhaft hält.“215

Hier scheint das Gericht den Vermögenswert nicht nach objektiven, sondern eher subjektiven Kriterien zu bestimmen. Ein solcher wäre damit bereits zu bejahen, wenn der Betroffene die Rechtsposition aus seiner individuellen Lage heraus für wertvoll hielte. Ob sich aus dieser Entscheidungspassage jedoch verallgemeinerungsfähige Schlüsse ziehen lassen, ist zweifelhaft. Auch wenn eine derartige Betrachtungsweise der personalen Bedeutung der Eigentumsgarantie eher Rechnung tragen würde als eine ausschließlich objektive Wertermittlung, so dürfte das mit einer Subjektivierung einhergehende Maß an Unbestimmtheit erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich bringen216.

211 Z. B. BVerfGE 53, 257 (289 f.); 68, 193 (222); 78, 58 (71); 83, 201 (210); 89, 1 (6); 91, 207 (220); 95, 267 (300); 97, 271 (284). 212 BVerfGE 78, 58 (73). 213 So Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 63; ähnlich Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 42; Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1419; Depenheuer / Grzeszick, NJW 2000, S. 387; R. Schmidt, Eigentumsschutz für Gewerbebetriebe, S. 176 ff. 214 BVerfGE 83, 201 ff. 215 BVerfGE 83, 201 (210). 216 Gegen die Berücksichtung eines „persönlichen Affektionsinteresse[s]“ bei der Ermittlung des Vermögenswertes auch Depenheuer / Grzeszick, NJW 2000, S. 387.

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3. Die unterschiedlichen Funktionen der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale Die oben erarbeiteten fünf Strukturvorgaben des Verfassungseigentums werden in den Entscheidungen des BVerfG in unterschiedlichen Zusammenhängen und zu verschiedenen Zwecken herangezogen. In der eigentumsrechtlichen Literatur wird diesem Umstand bei der Analyse der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. häufig zu wenig Beachtung geschenkt. Dies ist zu bedauern, da hierin eine Quelle für weitere Fehldeutungen und Mißverständnisse seiner Rspr. liegt. Nachfolgend sollen die verschiedenen Wirkungsbereiche der Strukturmerkmale aufgezeigt werden. a) Doppelbedeutung im Rahmen der Bestandsgarantie Im Zusammenhang mit der Bestandsgarantie kommen den eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmalen zwei Bedeutungen zu, die in den bisherigen Ausführungen bereits angeklungen sind. Zum einen dienen sie dem BVerfG als Kriterien bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechtsposition überhaupt unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt, d. h. als Qualifikationsmerkmale bei der Frage des Schutzbereichs217. Ist dies der Fall, und wird durch eine gesetzliche Neuregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG in eine solche Position eingegriffen, so haben die Merkmale zum anderen Bedeutung bei der Frage der Eingriffsrechtfertigung218. Hier sind sie relevant hinsichtlich des Umstandes, wie stark die Rechtsposition von der Eigentumsgarantie geschützt wird.

(1) Qualifikationsmerkmale im Rahmen des Schutzbereichs Das BVerfG verwendet die Strukturmerkmale, um eine einfachgesetzliche Rechtsposition zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren219. In bezug auf das Kriterium „Vermögenswert“ wurde diese Qualifikationsfunktion bereits eben verdeutlicht. Von der Bestandsgarantie werden lediglich solche einfachgesetzlichen Befugnisse erfaßt, die vermögenswert sind. Des weiteren wurde diese Funktion auch schon beim Merkmal „Eigenleistung“ näher aufgezeigt. Das BVerfG zieht dieses u. a. zu dem Zweck heran, von den öffentlich-rechtlichen Positionen diejenigen herauszufiltern, die unter den Schutzbereich der BestandsHierzu nachfolgend S. 64 ff. Hierzu unten S. 70 ff. 219 Im Rahmen der mehrstufigen Gedankenfolge ist der „Qualifikationsschritt“ der letzte (siehe oben S. 25). Daher gehören die nachfolgenden Ausführungen systematisch zum Prüfungspunkt 2.b), vgl. dazu unten S. 151 ff. Aus Darstellungsgründen wird auf diese Fragen jedoch bereits hier eingegangen. 217 218

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garantie fallen220. Dieses Strukturmerkmal wird vom BVerfG jedoch auf den Bereich öffentlich-rechtlicher Positionen begrenzt: „Auf die Frage, ob und inwieweit ein vermögenswertes Recht sich als Äquivalent eigener Leistungen darstellt, kommt es bei privatrechtlichen Eigentumspositionen nicht an. Sie hat nur für den Eigentumsschutz subjektiver öffentlicher Rechte Bedeutung.“221

Für die Frage, ob eine privatrechtlich222 zugewiesene Position als Eigentum einzustufen ist, zieht das BVerfG hingegen die Merkmale „Privatnützigkeit“ und „grundsätzliche Verfügungsbefugnis223“ heran224. Exemplarisch sei hier die Vorkaufsrechts-Entscheidung genannt, in der das BVerfG feststellt, daß das Vorkaufsrecht, weil es von seinem Inhaber zum eigenen Vorteil ausgeübt werden könne, privatnützig ausgestaltet sei225. Zudem könne es zumindest zusammen mit dem betroffenen Grundstück übertragen werden, was für das Merkmal der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis ausreiche226. Folglich sei das Vorkaufsrecht, zumindest 220 Ebenso das Merkmal der „Existenzsicherung“ bei sozialversicherungsrechtlichen Positionen. Siehe hierzu insgesamt schon oben S. 56 ff. 221 BVerfGE 95, 64 (82); dazu Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 115. Siehe ferner BVerfGE 88, 384 (401), wo das Gericht ausdrücklich unterscheidet zwischen den Merkmalen, die für die Einstufung privater Vermögenswerte zu Eigentum heranzuziehen seien und denen, die bei öffentlich-rechtlichen Positionen Geltung beanspruchten (bei letzteren sei auf eine „Eigenleistung“ abzustellen). Daß das Gericht diese Differenzierung hier nicht auch auf das Merkmal der „Existenzsicherung“ erstreckt, liegt allein daran, daß in beiden Fällen keine sozialrechtlichen Positionen, sondern sonstige öffentliche Leistungen zur Debatte standen, bei denen dieses Merkmal nicht greift. 222 Zur Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht siehe BVerfGE 42, 20 (30): „Das bürgerliche Recht läßt sich im allgemeinen als Inbegriff derjenigen Normen bezeichnen, welche [ . . . ] die Verhältnisse, in welchen die Personen als Privatpersonen untereinander stehen, zu regeln bestimmt sind.“ Bestimmungen des öffentlichen Rechts dienten hingegen typischerweise dazu, einen Ausgleich zwischen den Eigentümerinteressen und den Belangen der Allgemeinheit zu finden, vgl. BVerfGE 42, 20, (30 ff.); 58, 300 (335, 344). Damit bewegt sich das BVerfG auf der Linie der sog. Interessentheorie (Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 15; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 19). Die h. M. folgt bei dieser Abgrenzung hingegen der Sonderrechtstheorie (vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 1 Rn. 12 ff. m. w. Nw.). 223 Wobei die „grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ als Qualifikationskriterium nur eingeschränkte Geltung hat. Ausführlicher hierzu noch unten S. 73 ff. 224 Mit Verweis auf das BVerfG wird diese „Qualifikationsfunktion“ der Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ bezüglich privater Vermögensrechte im Schrifttum ausdrücklich betont von Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 262 f.; ders., Staatsrecht, Rn. 416. Ebenso, jedoch ohne den Begriff der Qualifikation zu verwenden, Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 97; v. Ditfurth, Die Einbeziehung subjektivöffentlicher Berechtigungen, S. 51; i. E. auch Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 64 Fn. 138 a. E. Widersprüchlich erscheinen in diesem Zusammenhang die Ausführungen Grochtmanns. Zum einen benennt er diese Merkmale als Abgrenzungskriterien des BVerfG zur Ermittlung der Schutzobjekte der Rechtsstellungsgarantie (Grochtmann, Art. 14 GG, S. 29 Fn. 123 und S. 239 f.). An anderer Stelle führt er hingegen aus, nach dem BVerfG und der h. L. seien privatrechtliche Positionen „voraussetzungslos“ von der Bestandsgarantie geschützt (Grochtmann, Art. 14 GG, S. 171, 175). 225 Vgl. BVerfGE 83, 201 (210).

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nach Eintritt des Vorkaufsfalles, als Eigentum von der Bestandsgarantie geschützt227. Derselbe Gedanke zeigt sich in einer Entscheidung zum Aktieneigentum, wenn das BVerfG feststellt, das in einer Aktie verkörperte Anteilseigentum falle deshalb unter den Schutz der Rechtsstellungsgarantie, weil es „[ . . . ] im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist.“ 228

Verallgemeinert kann daher gesagt werden, daß das BVerfG in diesem Zusammenhang die eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale in zwei Gruppen aufteilt, deren Anwendung sich nach der Verwurzelung der zur Debatte stehenden Rechtsposition richtet: Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gelten als Qualifikationskriterien für privatrechtliche Positionen, während das Merkmal der Eigenleistung zu prüfen ist, soweit es um öffentlich-rechtliche Ansprüche geht. Im Sozialversicherungsrecht ist bei letzteren zudem ein existenzsichernder Charakter erforderlich. Der Umstand, daß auch im Schrifttum zum Teil auf diese Differenzierung des BVerfG hingewiesen wird229, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich einige seiner Entscheidungen auf den ersten Blick nicht klar in dieses Schema einreihen lassen. Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß das BVerfG nicht selten die Merkmale Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis bei der Frage der Qualifikation einer öffentlich-rechtlichen Rechtsposition erwähnt230. Hierzu wurde bereits festgestellt, daß das Merkmal Privatnützigkeit dabei jedoch nicht ernsthaft geprüft, sondern vom Gericht bereits bejaht wird, sobald ein gebundener Anspruch auf eine staatliche Leistung besteht231. Noch weniger Beachtung schenkt das Gericht hier der Frage der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis232. Diese Entscheidungen geben daher keinen Anlaß, die vorgenannte Differenzierung grundsätzlich in Frage zu stellen. Schwieriger einzuordnen sind jedoch andere Entscheidungen, in denen das Gericht im Zusammenhang mit privatrechtlichen Rechtspositionen die Merkmale Existenzsicherung und Eigenleistung erwähnt. Vgl. BVerfGE 83, 201 (210). Vgl. BVerfGE 83, 201 (209 f.). 228 BVerfGE 100, 289 (301). Der Qualifikationscharakter beider Merkmale für privatrechtliche Positionen findet sich ferner z. B. in BVerfGE 79, 174 (191 – Erbbaurecht); 89, 1 (6 ff. – Mietrecht); 98, 17 (35 – Grundeigentum). Vgl. auch BVerfGE 78, 58 (71 ff.), wo das Gericht beide Merkmale bei der Frage nennt, ob das zur Prüfung stehende Ausstattungsrecht unter die Bestandsgarantie fällt und in diesem Zusammenhang die Frage nach dessen „verfassungsrechtliche[r] Qualifizierung“ (BVerfGE 78, 58 [74]) aufwirft. 229 Vgl. Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 261; ders., Staatsrecht, Rn. 411 ff.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 141 f.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 55; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 97, 100. 230 Vgl. die Nw. oben S. 54 Fn. 167. 231 D. h. sobald eine Rechtsposition vorliegt. 232 Vgl. oben S. 54 ff. 226 227

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Im Zusammenhang mit der Qualifikation privatrechtlicher Positionen klingt der existenzsichernde Charakter einer Rechtsposition, soweit erkennbar, nur einmal an. In der Contergan-Entscheidung233 führt das Gericht bezüglich der Schadensersatzansprüche der Opfer aus, diese fielen unter den Eigentumsschutz u. a. deshalb, weil sie für die weitere Lebensgestaltung der Betroffenen „von hervorragender und unter Umständen existentieller Bedeutung“ seien234. Da dieses Merkmal hier jedoch nur als zusätzliche Begründung für den Eigentumsschutz der Schadensersatzansprüche angeführt wird, kann daraus nicht geschlossen werden, daß es das Gericht generell als Qualifikationskriterium für private Vermögensrechte verstanden wissen wollte. Will man dieses Merkmal überhaupt bei privaten Vermögensrechten fruchtbar machen, so scheint der zutreffende systematische Platz, wie bei öffentlich-rechtlichen Positionen235, nicht auf der Ebene des Schutzbereichs, sondern im Rahmen der „Eingriffsrechtfertigung“ zu liegen236. In diese Richtung lassen sich auch die Ausführungen des Gerichts in seiner Zustands-Störer-Entscheidung237 deuten. Das Gericht hatte hier darüber zu befinden, ob die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit eine verfassungsmäßige Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG darstellen. Im Rahmen der für die Beantwortung dieser Frage notwendigen Güterabwägung zwischen Art. 14 I 1 und 14 II GG wird zwar das Merkmal „Existenzsicherung“ nicht ausdrücklich erwähnt. Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang aber darauf ab, ob die zur Debatte stehende privatrechtliche Position (hier: Grundeigentum) den „wesentlichen Teil“ des Vermögens des Betroffenen ausmacht und „Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich der seiner Familie“ ist238. Problematischer einzustufen sind hingegen eine Vielzahl von Entscheidungen, in denen das Gericht im Zusammenhang mit privaten Vermögensrechten eine Eigenleistung des Bürgers betont. So führt das Gericht beispielsweise in seiner ersten Entscheidung zum Urheberrecht aus, die Eigentumsgarantie bewahre „[ . . . ] den konkreten, vor allem durch Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt.“239 BVerfGE 42, 263 ff. BVerfGE 42, 263 (293). 235 Vgl. oben S. 62. 236 Ausführlicher zu den Strukturmerkmalen als „Rechtmäßigkeitskriterien“ noch unten S. 70 ff. 237 BVerfGE 102, 1 ff. 238 BVerfGE 102, 1 (21). 239 BVerfGE 31, 229 (239, Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner BVerfGE 31, 229 (243), wo das Gericht betont, daß es „um das Ergebnis der geistigen und persönlichen Leistung des Urhebers geht, nicht aber etwa um einen unverdienten Vermögenszuwachs.“ Auf eine Leistung des Betroffenen im Zusammenhang mit privatrechtlichen Positionen wird ferner abgestellt z. B. in BVerfGE 49, 382 (392 – Urheberrecht); 50, 290 (340 – Anteils- und Unternehmenseigentum); 77, 263 (271 – Urheberrecht); 78, 58 (74 – Ausstattungsrecht); 81, 233 234

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Es drängt sich damit die Frage auf, ob dem Leistungskriterium, entgegen der oben gemachten Differenzierung, auch bei privatrechtlichen Positionen Qualifikationscharakter zukommt. Bei genauer Betrachtung der vorgenannten Entscheidungen zeigt sich jedoch, daß das Gericht das Merkmal der Eigenleistung hier häufig nicht bei der Frage der Einstufung der betreffenden Position zu Eigentum, sondern auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung prüft240. Besonders deutlich wird dies in der Entscheidung zur Arbeitnehmermitbestimmung241. Bei der Frage, ob das zur Debatte stehende Mitbestimmungsgesetz als Inhalts- und Schrankenbestimmung des (Unternehmer-)Eigentums rechtmäßig ist, betont das BVerfG den besonders hohen Stellenwert der Eigentümerinteressen im Rahmen der Abwägung mit den öffentlichen Belangen, wenn die zur Debatte stehende Rechtsposition einen starken Bezug zu einer Eigenleistung des Betroffenen aufweist. In diesem Zusammenhang führt es aus: „Soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen geht, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz (vgl. BVerfGE 14, 288 [293 f.]; 42, 64 [77]; 42, 263 [293, 294 f.]). Damit hängt es etwa zusammen, wenn [ . . . ] die eigene Leistung als besonderer Schutzgrund für die Eigentümerposition anerkannt worden ist (vgl. BVerfGE 1, 264 [277 f.]; 4, 219 [242 f.]; 14, 288 [293 f.]; 22, 241 [253]; 24, 220 [226]; 31, 229 [240 f.]).“242

Gegen diese Heranziehung des Leistungskriteriums als Rechtmäßigkeitsmaßstab bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG bestehen jedoch keine Bedenken. Sie fügt sich ein in die teleologische Auslegung der Eigentumsgarantie. Soweit eine Rechtsposition einen besonders starken Leistungsbezug aufweist, ist die Freiheit des Bürgers im vermögensrechtlichen Bereich im besonderen Maße betroffen. Es sind keine systematischen Einwände ersichtlich, eine solche Betrachtungsweise, die bei öffentlichrechtlichen Positionen geläufig ist243, auch bei privaten Vermögensrechten anzuwenden. Lassen sich damit auch einige der vorgenannten Entscheidungen des BVerfG erhellen, so macht das Gericht dennoch Ausführungen, in denen es das Leistungskriterium bei der Frage der Einstufung einer privatrechtlichen Rechtsposition zu Eigentum verwendet (d. h. auf der Ebene des Schutzbereichs). So stellt es u. a. 208 (214, 220 – Urheberrecht); BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 24 (Grundeigentum). 240 Näheres zur Funktion der Strukturmerkmale als Rechtmäßigkeitskriterien unten auf S. 70 ff. 241 BVerfGE 50, 290 ff. 242 BVerfGE 50, 290 (340, Hervorhebung nicht im Original). Im Zusammenhang mit privatrechtlichen Positionen wird das Merkmal der Eigenleistung ferner auf der Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“ besonders betont in BVerfGE 31, 229 (240, 243); 77, 263 (271); BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 24. 243 Siehe bereits oben S. 58 f. zu den Ausführungen Rupp-v. Brünnecks und ferner unten S. 72 f.

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auf dieses Merkmal bei der Frage der „verfassungsrechtlichen Qualifizierung“ eines privatrechtlichen Ausstattungsrechts ab244. Es erscheint aber äußerst zweifelhaft, ob aufgrund derart vereinzelter Anknüpfungen die vorgenannte Differenzierung der Strukturmerkmale je nach Verwurzelung der zur Debatte stehenden Rechtsposition relativiert werden kann. Dem stehen die Ausführungen des Gerichts aus jüngerer Zeit entgegen, in denen es das Merkmal der Eigenleistung bei der Qualifikation einer privatrechtlichen Rechtsposition ausdrücklich für nicht maßgeblich erklärt245. Hier kann dem BVerfG nur zugestimmt werden, denn bei genauer Betrachtung scheint das Merkmal als Eingangskriterium für den Schutz privatrechtlicher Rechtspositionen nicht sachgerecht. Ließe sich eine Eigenleistung möglicherweise noch bejahen, wenn der Betroffene die zur Debatte stehende Position entgeltlich erworben hat246, so müßte sie wohl abgelehnt werden, wenn sie ererbt oder geschenkt worden ist. Der Eigentumsschutz wäre dann aber von Zufälligkeiten abhängig, die eine derartige Differenzierung nicht zu rechtfertigen vermögen247. Der zutreffende systematische Platz dieses Kriteriums liegt daher bei privaten Vermögenswerten ausschließlich im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung. Mit seiner Hilfe ist der Schutz derjenigen Positionen zu intensivieren, die im besonderen Maße mit einer Leistung des Bürgers im Zusammenhang stehen248. 244 BVerfGE 78, 58 (74): „Die mit dem Ausstattungsschutz von der Privatrechtsordnung zuerkannte Rechtsposition ist darüber hinaus Ausdruck der Leistung des Ausstattungsberechtigten im Wettbewerb und soll ihm und seinen Rechtsnachfolgern für die Zukunft den Ertrag dieser Leistung sichern.“ Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der zur Debatte stehenden Neuregelung, d. h. die Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“, wird erst danach geprüft. Dort wird das Leistungskriterium nicht mehr gesondert erwähnt. In diese Richtung ferner BVerfGE 81, 208 (214, 220). 245 Siehe das Zitat oben S. 65 zu Fn. 221. 246 Bereits dies aber schon ablehnend BVerfGE 95, 64 (83), wo sich im Umkehrschluß ergibt, daß das Gericht hier eine Eigenleistung der Betroffenen verneint, obwohl dem Erwerb der zur Debatte stehenden privaten Rechtsposition (Grundeigentum) ein Kaufgeschäft zugrunde lag (vgl. BVerfGE 95, 64 [74 ff.]). In diese Richtung auch BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 24, wo das Gericht feststellt, Bodenwertsteigerungen läge keine wirtschaftliche Leistung des Grundstückseigentümers zugrunde, sondern seien ein unerwarteter Gewinn. 247 In diese Richtung auch Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 132: „Das subjektive Privatrecht ist nämlich ,Eigentum‘ i.S. des Art. 14 GG auch dann, wenn es vom Inhaber unentgeltlich, etwa schenkweise oder kraft Erbfolge oder Vermächtnisses, erworben worden ist.“ Ebenso Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 55; vgl. auch Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 632: „Dem ist entgegenzuhalten, daß private Vermögensrechte gewiß ohne Rücksicht auf den Erwerbsgrund Verfassungsschutz genießen. Insoweit schützt das Grundgesetz auch den Erben, den Beschenkten und den Lotteriegewinner.“ (Hervorhebung im Original). I. E. gleich, aber mit anderer Begründung Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 100. Er spricht dem Merkmal der Eigenleistung bei privaten Rechten deshalb keine Bedeutung zu, weil diesen im Regelfall eine Leistung zugrunde läge, sei es eine eigene oder (beim Erben oder Beschenkten) die eines Dritten. 248 Zuzustimmen ist daher Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 48, der in diesem Zusammenhang feststellt, das Leistungskriterium habe in der Rspr. des BVerfG

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Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, daß das BVerfG in bezug auf die Qualifikationsfrage die eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale in zwei Gruppen unterteilt: Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis249 werden herangezogen, wenn es um die Frage geht, ob eine privatrechtliche Position unter die Bestandsgarantie fällt. Geht es um die Qualifikation öffentlich-rechtlicher Vermögenswerte, so ist auf eine Eigenleistung des Betroffenen und, bei Positionen des Sozialversicherungsrechts, zusätzlich auf eine existenzsichernde Funktion abzustellen. Hier sei aber bereits ein wichtiger Hinweis erlaubt. Diese Trennungsbetrachtung des BVerfG je nachdem, ob die Rechtsposition im privaten oder öffentlichen Recht wurzelt, gilt nur für die hier geprüfte Frage, ob eine bereits bestehende einfachgesetzliche Rechtsposition anhand der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren ist250. Genau entgegengesetzt verfährt das BVerfG, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt eine einfachgesetzliche Rechtsposition besteht (Prüfungsschritt 1). Dies richtet sich nach dem Umfang der einfachgesetzlichen Zuordnung. Hierbei ist gerade nicht zwischen beiden Rechtsmaterien zu unterscheiden, sondern das BVerfG betont in diesem Zusammenhang ausdrücklich eine Gesamtschau des privaten und öffentlichen Rechts251.

(2) Rechtmäßigkeitskriterien im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung Die zweite Funktion, die den Strukturmerkmalen des Eigentums im Zusammenhang mit der Bestandsgarantie zukommt, bewegt sich auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung. Steht fest, daß eine Rechtsposition unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fällt, und wird durch eine gesetzliche Neuregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG in diese Position eingegriffen, so stellt sich die Frage, ob das Gesetz rechtmäßig ist. Vom BVerfG wird zur Beantwortung dieser Frage in st. Rspr. geprüft, ob die Neuregelung das von Art. 14 GG vorgegebene „Sozialmodell“ einhält, d. h. einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Eigeneine „Eigentumsschutz intensivierende, nicht aber eigentlich konstituierende Funktion“; ebenso v. Ditfurth, Die Einbeziehung subjektiv-öffentlicher Berechtigungen, S. 52 a. E. Damit ist den Stimmen zu widersprechen, die in der bundesverfassungsgerichtlichen Anknüpfung an das Leistungskriterium die „Grundfunktion des Eigentums überhaupt“ meinen erblicken zu können (siehe oben S. 58 Fn. 190; dagegen auch ausdrücklich Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 44 ff., insbes. S. 49). 249 Siehe aber noch näher zur Relativierung der Verfügungsbefugnis als Qualifikationsmerkmal unten S. 73 ff. 250 D. h. in der mehrstufigen Prüfungsfolge nur für den letzten Schritt 2.b). 251 Eingehend hierzu unten auf S. 103 ff.

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tumsgewährleistung des Art. 14 I 1 GG (hier in Ausprägung der Bestandsgarantie) und Art. 14 II GG gefunden hat252. Dabei betont das Gericht eine „Stufung“ des Eigentumsschutzes, je nachdem, ob im konkreten Fall die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie oder ihr sozialer Bezug im Vordergrund steht: „Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Für dessen Gestaltungsfreiheit sind Eigenart und Funktion des Eigentumsobjekts von maßgebender Bedeutung, die zu einer gewissen Stufung des Schutzes führen: Dem Gesetzgeber sind enge Grenzen gezogen, soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen geht. Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht.“253

Diese Betrachtungsweise führt dazu, daß die eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale auch als Rechtmäßigkeitskriterien im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung zum Tragen kommen. Da sie, weil im Wege der teleologischen Auslegung gewonnen, lediglich besondere Verkörperungen der freiheitssichernden Funktion der Eigentumsgarantie sind, kommt Art. 14 I 1 GG im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG umso mehr Gewicht zu, wenn die zur Debatte stehende Rechtsposition in besonderer Weise Ausdruck eines oder mehrerer Strukturmerkmale ist254. Auf den ersten Blick erscheint dieser Ansatz nicht frei von Bedenken. Wenn eine Rechtsposition die vorgenannten Strukturmerkmale aufweisen muß, um überhaupt unter den Eigentumsschutz zu fallen, so könnte das Gericht einem Zirkel unterliegen, wenn es dieselben Kriterien nochmals im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung heranzieht. Ein derartiger Vorwurf wäre aber nur begründet, wenn es mit der Bejahung des Eigentumsschutzes für eine bestimmte Position aufgrund Vorliegens der jeweiligen Strukturmerkmale gleichsam auch deren besondere Schutzwürdigkeit im Rahmen der Abwägung mit den sozialen Belangen (Art. 14 II GG) anerkennen und die Eigentümerbelange aus diesen Gründen regelmäßig überwiegen lassen würde. Soweit ersichtlich, findet sich aber keine Entscheidung, in der das Gericht der Schutzbereichsprüfung eine derartige „Indizwirkung“ für die nachfolgende Frage der Eingriffsrechtfertigung zugesprochen hat. Es unterscheidet vielmehr klar die unterschiedlichen Funktionen, die die Strukturmerkmale auf beiden Ebenen wahrnehmen. Im Rahmen des Schutzbereichs steht die Frage nach der Siehe an dieser Stelle nur BVerfGE 52, 1 (29); Einzelheiten unten auf S. 199 ff. BVerfGE 53, 257 (292, Hervorhebung nicht im Original). 254 Auf diese Funktion der Merkmale ist im Verlauf der Arbeit bereits vereinzelt eingegangen worden: siehe bei öffentlich-rechtlichen Positionen oben S. 58 f. (zur Eigenleistung) und S. 62 (zur Existenzsicherung); ferner S. 68 f. zum Leistungskriterium bei privaten Vermögenswerten. Im Schrifttum klingt diese Wirkweise der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale an bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 28 f.; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 262 f.; i. E. auch Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 64 Fn. 138 a. E. 252 253

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einfachgesetzlichen Zuordnung im Mittelpunkt. Anhand derer ist zu entscheiden, ob die zur Debatte stehende Position entsprechend den Anforderungen der Strukturmerkmale als Eigentum zugewiesen ist. Im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung hingegen stellt das BVerfG die Rechtsposition den einschlägigen sozialen Belangen gegenüber und prüft anhand des Verhältnismäßigkeitsprinzips, ob der Gesetzgeber das grundgesetzlich vorgegebene Sozialmodell verwirklicht hat. Hier dienen die Strukturelemente dazu, die einzustellenden individuellen und allgemeinen Belange zu gewichten. Das Gericht bringt damit zum Ausdruck, daß es sich auf zwei systematisch unterschiedlichen Prüfungsebenen bewegt, auf denen zwar identische Strukturmerkmale herangezogen werden, diese aber auf jeder Ebene ihre eigenständige Rolle spielen. Entsprechend diesem Ansatz finden sich Entscheidungen des BVerfG, in denen es den Eigentümerinteressen im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG einen betont hohen Stellenwert einräumt, wenn die fragliche Rechtsposition im besonderen Maße z. B. mit einer Eigenleistung des Bürgers in Verbindung steht. Beispielsweise führt das Gericht im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Positionen aus: „Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß sich die Frage, inwieweit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken einer unter die Eigentumsgarantie fallenden Position bestimmen darf, nicht unabhängig davon beantworten läßt, inwieweit der Eigentümer eine solche Position durch eigene Leistung erworben hat (vgl. BVerfGE 1, 264 [277 f.]; 14, 288, [293 f.]; 22, 241 [253]; 24, 220 [226]). Je höher der einem Anspruch zugrundeliegende Anteil eigener Leistung ist, desto stärker tritt der verfassungsrechtlich wesentliche personale Bezug und mit ihm ein tragender Grund des Eigentumsschutzes hervor (BVerfGE 53, 257 [292]).“255

Der hier zum Ausdruck kommende besondere Schutz einer auf Eigenleistung begründeten Rechtsposition ist nicht auf den öffentlich-rechtlichen Bereich begrenzt, sondern wird vom Gericht auch bei privaten Vermögensrechten256 betont. Im Rahmen der Bestandsgarantie spricht das BVerfG damit dem Leistungs-Kriterium in bezug auf öffentliche Leistungen eine Doppelfunktion zu (Schutzbereich, 255 BVerfGE 58, 81 (112, Hervorhebung nicht im Original). Siehe ferner BVerfGE 69, 272 (301): „Der Umfang der Eigenleistung ist vor allem für die weitere Frage wesentlich, inwieweit der Gesetzgeber Inhalt und Schranken einer unter die Eigentumsgarantie fallenden Position regeln kann.“ Prägnant auch BVerfGE 53, 257 (293): „Allerdings verengt sich seine [des Gesetzgebers] Gestaltungsfreiheit in dem Maße, in dem Rentenansprüche oder Rentenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind. Insoweit entspricht der Höhe dieses Anteils ein erhöhter verfassungsrechtlicher Schutz. An die Rechtfertigung eines Eingriffs sind strengere Anforderungen zu stellen als an die Änderung einer Rechtslage, die mit der eigenen Leistung des Versicherten nichts zu tun hat.“ Siehe auch BVerfG.de, 1 BvR 2402 / 97, K.-Beschl. v. 14. 03. 2001, Abs. 22, wo das Gericht im Rahmen der Abwägung betont, die Belange des Betroffenen hätten im konkreten Fall wenig Gewicht, weil seine Rechtsposition (hier: Kurzarbeitergeld) nur auf geringen Eigenleistungen beruhe. Vgl. ferner BVerfGE 97, 378 (388); Papier, FAZ v. 27. 11. 2003, S. 8, der den gesteigerten Eigentumsschutz der gesetzlichen Rentenansprüche betont, weil deren Eigenfinanzierungsquote in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen sei. 256 Siehe hierzu bereits oben S. 67 f.

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Eingriffsrechtfertigung), bei privaten Vermögensrechten dient es hingegen lediglich als Rechtmäßigkeitskriterium. An anderer Stelle wurde bereits festgestellt, daß das BVerfG den existenzsichernden Charakter auf der Ebene des Schutzbereichs als Qualifikationskriterium für öffentlich-rechtliche Positionen heranzieht. Daß hiergegen Bedenken bestehen und das Merkmal, wie auch vom BVerfG selbst zum Teil gehandhabt, systematisch wohl besser ausschließlich auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung einzuordnen ist, wurde dort schon ausgeführt257. Neben seiner Funktion als Qualifikationsmerkmal verwendet das BVerfG auch die Privatnützigkeit als Rechtmäßigkeitskriterium im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung. Die Eigentümerinteressen wiegen im Rahmen der Abwägung besonders stark, wenn die betreffende Neuregelung Gefahr läuft, zu weitgehend den privaten Nutzen einer (bürgerlich-rechtlich verwurzelten) Position zu beschränken258. Besondere Beachtung ist in diesem Zusammenhang dem Merkmal der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis zu schenken. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde bereits darauf hingewiesen, daß dieses Kriterium in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. eine auf den ersten Blick widersprüchliche Rolle spielt. Zum einen wird ihm eine gewichtige Bedeutung zugesprochen, andere Entscheidungen hingegen weisen in die Richtung, dieses Merkmal zu relativieren259. Werden die einschlägigen Entscheidungen genauer betrachtet, so läßt sich dieser Widerspruch auflösen, wenn die unterschiedlichen Aussagen des Gerichts auf die verschiedenen Funktionen dieses Strukturmerkmals bezogen werden. Die dieses Merkmal in seiner Bedeutung abschwächenden Aussagen des BVerfG260 fallen regelmäßig im Zusammenhang mit seiner Qualifikationsfunktion für privatrechtliche Positionen im Rahmen des Schutzbereichs. So führt das Gericht in seiner Mietrechts-Entscheidung an, für die Einstufung des Besitzrechts des Mieters als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie sei es unbeachtlich, daß über dieses nicht frei verfügt werden könne: „Die Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Mieters steht einer Anerkennung seines Besitzrechts als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht entgegen. Voraussetzung des Eigentumsschutzes ist es nicht, daß über die Rechte uneingeschränkt verfügt werden kann, diese insbesondere auch beliebig übertragbar sind. Es besteht kein sachlicher Grund, derart ausgestaltete Rechte vom Schutz der Eigentumsgarantie auszunehmen.“261 257 Vgl. oben S. 62; zur Heranziehung der Existenzsicherung bei privaten Vermögenswerten siehe bereits oben S. 67. 258 Vgl. BVerfGE 52, 1 (30); 71, 230 (246); 79, 283 (290); 82, 6 (16 f.); 91, 294 (308); 100, 1 (37), wo die Privatnützigkeit im Rahmen der Abwägung zwischen Art. 14 I 1 und 14 II GG ausdrücklich erwähnt wird. 259 Vgl. hierzu bereits oben S. 43 ff. m. Nw. 260 D. h. die Betonung einer lediglich „grundsätzlichen“ Verfügungsbefugnis bzw. der Unbeachtlichkeit ihres „Grades“.

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Dieselbe Argumentation findet sich auch in der Vorkaufsrechts-Entscheidung, als es um die Frage geht, ob das zur Debatte stehende bergrechtliche Vorkaufsrecht, trotz lediglich eingeschränkter Verfügungsmöglichkeit, unter die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fällt. Das Gericht führt dazu aus: „Zwar ist die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand ein wesentliches Merkmal des Eigentums (vgl. BVerfGE 52, 1 [30] m. w. Nw.). Jedoch ist dem Gesetzgeber die Schaffung vermögenswerter Rechte, bei denen die Verfügungsmöglichkeit [ . . . ] eingeschränkt ist, nicht ohne weiteres verwehrt. Es besteht kein sachlicher Grund, derart ausgestaltete Rechte vom Schutz der Eigentumsgarantie auszunehmen.“262

Zu nennen sind hier des weiteren die Ausführungen in der Entscheidung zum Versorgungsausgleich263. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die öffentlichrechtlichen Rentenansprüche unter die Bestandsgarantie fallen, stellt das Gericht fest, daß ihre eingeschränkte Verfügungsmöglichkeit dem Eigentumsschutz nicht entgegenstehe. Auch private Vermögensrechte unterlägen vielfach derartigen Einschränkungen der Verfügungsbefugnis, „ohne daß deswegen deren verfassungsrechtlicher Schutz in Zweifel gezogen würde.“264 Das Gericht macht auch mit dieser Feststellung deutlich, daß dem Merkmal der Verfügungsbefugnis für die Frage der Qualifikation eines privaten Vermögenswertes zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie keine entscheidende Bedeutung zukommt265. Dem gegenüberzustellen sind Entscheidungen des Gerichts, in denen es die Verfügungsbefugnis als eigentumsgrundrechtliches Strukturmerkmal besonders herausstellt. Den entsprechenden Passagen ist gemeinsam, daß es dort um die Funktion dieses Merkmals als Rechtmäßigkeitskriterium im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung geht. So stellt das Gericht beispielsweise in der Kleingarten-Entschei261 BVerfGE 89, 1 (7). Im Fortgang dieser Entscheidung steht die Frage, ob die dem angegriffenen Urteil zugrundeliegenden mietrechtlichen Bestimmungen verfassungsgemäß sind, nicht im Mittelpunkt. Die Frage nach der Einhaltung des Sozialmodells des Art. 14 I 1, I 2, II GG wird dementsprechend nur kurz angesprochen (BVerfGE 89, 1 [8 f.]; auch die Verfügungsbefugnis als Rechtmäßigkeitskriterien wird nicht mehr gesondert erwähnt). 262 BVerfGE 83, 201 (209). Siehe auch BVerfGE 83, 201 (210 f.): „Ebensowenig ergeben sich [bzgl. der Frage des Schutzbereichs] Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verfügungsbefugnis. Da der Schutz der Eigentumsgarantie nicht auf Rechte beschränkt ist, die beliebig übertragbar sind, ist es unerheblich, daß das Vorkaufsrecht nach § 141 Abs. 2 ABG dem jeweiligen Eigentümer des Restgrundstücks zusteht und daher nur zusammen mit diesem Grundstück übertragen werden kann.“ Die Frage, ob durch die gesetzliche Neuregelung das Sozialmodell des Art. 14 I 1, II GG verwirklicht wurde, prüft das Gericht erst später (BVerfGE 83, 201 [212 ff.]; auch dort werden jedoch einzelne Strukturmerkmale als Rechtmäßigkeitskriterien nicht mehr ausdrücklich herangezogen). 263 BVerfGE 53, 257 ff. 264 BVerfGE 53, 257 (291). 265 In diese Richtung ferner z. B. BVerfGE 91, 294 (307), wo das Gericht feststellt, für die Einstufung einer Rechtsposition als Eigentum komme es auf den „Grad der Verfügungsbefugnis“ nicht an. Vgl. auch BVerfGE 95, 267 (300), wo bei der Frage, ob eine Position unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fällt, das Merkmal der Verfügungsbefugnis gar nicht mehr genannt, sondern nur noch auf die Privatnützigkeit abgestellt wird.

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dung anläßlich der Frage, ob der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Kleingartenrechts das von Art. 14 GG vorgegebene Sozialmodell eingehalten habe, die Verfügungsbefugnis (hier: der Verpächter) als „elementaren Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung“ heraus, „in den nur unter erschwerten Voraussetzungen eingegriffen werden darf“266. Auch in der Mitbestimmungs-Entscheidung267 wird mit annähernd derselben Formulierung die Bedeutung der Verfügungsbefugnis als Strukturmerkmal des Eigentums betont. Bei der Frage, ob das Mitbestimmungsgesetz einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Art. 14 I und 14 II GG gefunden habe, unterstreicht das Gericht die elementare Bedeutung der Veräußerungsbefugnis für den Eigentümer und fordert zur Eingriffsrechtfertigung „besonders strenge Maßstäbe“268. Darüber hinaus finden sich weitere Entscheidungen, in denen das Gericht das Merkmal der Verfügungsbefugnis betont anläßlich der Frage, ob der Gesetzgeber mit einer Neuregelung das in Art. 14 GG normierte Sozialmodell verwirklicht hat269. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, daß das Kriterium der Verfügungsbefugnis seinen systematischen Platz eher bei der Frage nach der Eingriffsrechtfertigung als auf der Ebene des Schutzbereichs hat. Zwar ist zuzugeben, daß es nicht wenige Entscheidungen gibt, in denen das BVerfG dieses Merkmal auch als Qualifikationskriterium für privatrechtliche Rechtspositionen anspricht270. In den wenigen Fällen, in denen es für die Einstufung einer Rechtsposition zu Eigentum darauf angekommen wäre, wird dieses Merkmal aber vom BVerfG relativiert und sich mit einer stark abgeschwächten Verfügungsbefugnis begnügt271. Es wäre daher nur konsequent, wenn das Gericht auf dieses Merkmal als Qualifikationskriterium gänzlich verzichten und es nur noch auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung verwenden würde. Für die Eröffnung des Eigentumsschutzes privater Vermögensrech266 BVerfGE 52, 1 (31). Im Fortgang der Entscheidung läßt das BVerfG die Neuregelung an dieser Hürde scheitern. Siehe BVerfGE 52, 1 (32 ff.), wo es betont, die sozialen Bezüge des Eigentums seien aufgrund des „Funktionswandels“ des Kleingartens (u. a. Wegfall der „ernährungspolitischen Legitimation“) nicht mehr derart hoch, daß sie eine solche Einschränkung des Verfügungsrechts über das Grundstück zu rechtfertigen vermögen. Die vorgreifliche Frage, ob die Rechtsstellung des Verpächters überhaupt unter die Bestandsgarantie fällt (Schutzbereich), wird vom Gericht zu Recht nicht problematisiert, da es um Grundeigentum geht (vgl. BVerfGE 52, 1 [30], wo nur festgestellt wird, die Stellung des Verpächters sei eine „grundrechtlich garantierte Rechtsstellung“). 267 BVerfGE 50, 290 ff. 268 BVerfGE 50, 290 (340). Auch hier wird die Frage nach dem Schutzbereich nicht problematisiert, sondern lediglich festgestellt, die Rechte der Anteilseigner und das Eigentum der Unternehmensträger fielen unter den Schutz der Bestandsgarantie (BVerfGE 50, 290 [341]). 269 Z. B. BVerfGE 71, 230 (246); 79, 283 (290); 82, 6 (16 f.). Vgl. auch BVerfGE 42, 263 (294), wo in diesem Zusammenhang eine „besondere Legitimation“ für Eingriffe in die Veräußerungsbefugnis gefordert wird. 270 Z. B. BVerfGE 72, 175 (193); 78, 58 (71); 98, 17 (35); 100, 1 (32 f.); 100, 289 (301). 271 Ebenso die Einschätzung bei Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 99, der feststellt, das BVerfG ließe die Verfügungsbefugnis als Qualifikationsmerkmal „leerlaufen“.

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te erscheint es jedenfalls ausreichend, wenn diese eine eigenverantwortliche, freie Entscheidung zum privaten Nutzen ermöglichen272. Ist dies der Fall, so steht die entsprechende Position lediglich unter besonderem Eigentumsschutz, wenn sie die Verfügungsmöglichkeit über die jeweilige Rechtsposition gewährt. Die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie ist dann in noch höherem Maße betroffen und erfordert im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG besondere Gründe zur Eingriffsrechtfertigung273.

b) Rechtmäßigkeitskriterien im Zusammenhang mit der Institutsgarantie Von den beiden vorgenannten Funktionen der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale ist ihre objektiv-rechtliche Bedeutung im Zusammenhang mit der Einrichtungsgarantie zu unterscheiden. Diese kommt zum Tragen, wenn durch eine gesetzliche Neuregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG kein Eingriff in die Bestandsgarantie erfolgt, als eigentumsrechtlicher Prüfungsmaßstab daher allein die Institutsgarantie einschlägig ist274. Stellt sich die Frage, ob eine solche Neuregelung verfassungsgemäß ist, so prüft das BVerfG die Erfüllung des grundgesetzlich vorgegebenen Sozialmodells im Spannungsfeld zwischen der Eigentumsgarantie des Art. 14 I 1 GG (hier in Ausprägung der Institutsgarantie) und Art. 14 II GG. Die Strukturmerkmale des Eigentums haben hier die Bedeutung, den durch die In272 A.A. Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 116, der sogar eine „ausschließliche Verfügungsbefugnis“ fordert; ebenso Depenheuer / Grzeszick, NJW 2000, S. 387 (m. w. Nw. in Fn. 30), die in der Verfügungsfreiheit den „Lackmustest für die Eigentumsqualität einer Rechtsposition“ sehen; ähnlich Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 124 ff. Wie hier hingegen Osterloh, JuS 1991, S. 1058; ferner Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 98 f., der betont, die freiheitsbezogene Auslegung des Art. 14 GG erfordere lediglich eine privatnützige Zuordnung, auf die Verfügungsbefugnis komme es nicht an. Daß das BVerfG dennoch bis in jüngste Zeit beide Strukturmerkmale aufgreife, führt Glos auf die liberale Verfassungsbewegung des 19. Jahrhunderts zurück. Dort setzte man sich bekanntlich für eine Überwindung des „geteilten Eigentums“ ein, d. h. gegen die feudale Aufspaltung in ein Ober- und Untereigentum, und propagierte seine grundsätzliche Unbeschränktheit. Das Beharren des BVerfG auf die Merkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ sei als „unbedachtes Festhalten“ an die historisch begründete Formel eines grundsätzlich unbeschränkten Eigentums zu werten. Dem ist zuzustimmen, soweit es um die Funktion der Verfügungsbefugnis als Qualifikationsmerkmal geht. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß ihm als Rechtmäßigkeitskriterium im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung weiterhin erhebliche Bedeutung zukommt. 273 Soweit ersichtlich, findet sich keine Entscheidung des BVerfG, in der es das Merkmal des Vermögenswertes – außer als Qualifikationsvorgabe – auch als Rechtmäßigkeitskriterium herangezogen hat. Auf Grundlage der eben gemachten Ausführungen spricht jedoch nichts dagegen, einen erhöhten Eigentumsschutz und damit schwerwiegendere Anforderungen an eine Eingriffsrechtfertigung zu stellen, soweit es um Eigentumspositionen geht, die sich als besonders vermögenswert darstellen. 274 Eingehend zu diesen Fällen einer „ausgestaltenden“ Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG unten S. 177 ff., 202 ff.

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stitutsgarantie gewährleisteten Mindestbestand an Eigentumspositionen näher zu konkretisieren und im Rahmen des zu überprüfenden Sozialmodells die einzustellenden Belange zu gewichten. Art. 14 I 1 GG hat auch hier je höheres Gewicht, desto stärker eine der eigentumsgrundrechtlichen Strukturvorgaben betroffen ist275.

III. Die Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Bisher wurde der Terminus „verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ herangezogen, um die Frage zu beantworten, ob es verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu ziehende Strukturmerkmale gibt, die Eigentum „begrifflich“ ausmachen276. Diese Frage wurde im Fortgang der Arbeit bejaht, so daß es nahe läge, den Eigentumsbegriff des BVerfG lediglich als Synonym für diese Strukturvorgaben, d. h. alleine bezogen auf den Prüfungsschritt 2.a) der mehrstufigen Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie zu verstehen. Eine solche Betrachtung wird dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis jedoch nicht gerecht. Nachfolgend gilt es aufzuzeigen, daß das Gericht den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff vielmehr als Formel versteht, anhand derer die Frage zu beantworten ist, ob eine einfachgesetzliche Rechtsposition als Schutzobjekt der Bestandsgarantie zu qualifizieren ist. Durch dieses Verständnis des Eigentumsbegriffs werden auch die Prüfungsschritte 1 und 2.b) in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff einbezogen.

1. Qualifikationsfunktion des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs Eine „Qualifikationsfunktion“ für einfachgesetzliche Rechtspositionen ist in dieser Arbeit bereits an anderer Stelle aufgeworfen worden. Sie wurde den eigentumsgrundrechtlichen Strukturvorgaben bei der Frage zugesprochen, ob eine einfachgesetzliche Position unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fällt277. Diese 275 Ausführlich zur Prüfung dieser Vorgaben als Elemente der Institutsgarantie unten auf S. 215 ff. Auch im Schrifttum wird, häufig mit Verweis auf das BVerfG, die Bedeutung der Merkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ im Rahmen der Institutsgarantie betont, so z. B. von Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17 f.; Schoch, JURA 1989, S. 116; Erbguth, JuS 1988, S. 701; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 126 (alle jedoch, ohne die anderen Funktionen dieser Merkmale zu erwähnen). Ferner Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 97; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 29 Fn. 123 a. E.; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 262; w. Nw. bei Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 486 Fn. 92. 276 Vgl. oben S. 32 ff. 277 Vgl. oben S. 64 ff.

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Feststellung sollte dort lediglich dazu dienen, die unterschiedlichen Funktionen der Strukturmerkmale darzustellen. Bei genauer Betrachtung der einschlägigen Entscheidungen zeigt sich, daß das BVerfG nicht den Strukturvorgaben selbst, sondern dem – mit diesen Merkmalen angefüllten – verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff die vorgenannte Qualifikationsfunktion zuspricht. Die Strukturvorgaben selbst besagen nur, welche Merkmale Verfassungseigentum begrifflich ausmachen (Art. 14 I 1 GG, Prüfungsschritt 2.a). Daß unter die Bestandsgarantie aber nur Rechtspositionen fallen können (Art. 14 I 2 GG, Prüfungsschritt 1), und diese die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben erfüllen müssen (Prüfungsschritt 2.b), faßt das BVerfG mit der Formel des „verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs“ zusammen. Wer diese Qualifikationsfunktion des Eigentumsbegriffs in den Entscheidungen des BVerfG nachweisen will, sucht nach ausdrücklichen Bekundungen vergeblich. Vom Gericht wird, soweit ersichtlich, an keiner Stelle explizit zur Frage Stellung genommen, welche Bedeutung seinem Eigentumsbegriff in dogmatischer Hinsicht zukommt278. Dennoch läßt sich dessen Funktion, Rechtspositionen zu Eigentum zu qualifizieren, in den Entscheidungen nachweisen279. Sie wird erkennbar, wenn man sich den mehrstufigen Prüfungsverlauf vor Augen hält, den das Gericht bei der Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie einschlägt. Denn das Gericht vollführt den letzten Prüfungsschritt, d. h. die endgültige Qualifikation einer Position zu Eigentum, unter Zuhilfenahme des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs280: Eine Rechtsposition ist zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren (Prüfungsschritt 2.b), wenn sie dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff unterfällt, d. h. wenn eine einfachgesetzliche Rechtsposition vorliegt (Art. 14 I 2 GG, Prüfungsschritt 1), die die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben (Art. 14 I 1 GG, Prüfungsschritt 2.a) erfüllt. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist damit nichts anderes als die Umschreibung der zu Beginn dieser Untersuchung skizzierten mehrstufigen Prüfungsfolge. Diese Anknüpfung an den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zum Zwecke der Qualifikation einer Rechtsposition zu Eigentum soll exemplarisch in einer neueren Entscheidung zur Hinterbliebenenversorgung281 aufgezeigt werden. Das Gericht hatte zu prüfen, ob die zur Debatte stehenden öffentlich-rechtlichen An278 In BVerfGE 78, 58 (74) spricht es zwar ausdrücklich von der „verfassungsrechtliche[n] Qualifizierung“ einer Rechtsposition zu Eigentum, jedoch ohne Bezug auf den Eigentumsbegriff. Ebenso BVerfG, 2 BvR 403 / 02, K.-Beschl. v. 23. 07. 2002, NVwZ 2002, S. 1366. 279 Zuzustimmen ist daher Grochtmann, Art. 14 GG, S. 214, 237, wenn er zum einen feststellt, das BVerfG beschreibe nicht im einzelnen die Funktion seines Eigentumsbegriffs, zum anderen aber betont, die „Abgrenzungsfunktion“ des Eigentumsbegriffs sei dem Gericht „sehr wohl bewußt“. 280 Bzw. der sonstigen synonym verwendeten Formulierungen wie „Eigentum i. S. d. Art. 14 GG“, „konstituierende“ bzw. „wesentliche Merkmale“ des Eigentums etc., vgl. die Nw. oben S. 37 Fn. 77 ff. 281 BVerfGE 97, 271 ff.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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sprüche unter den Eigentumsschutz der Bestandsgarantie fallen. Hierbei wirft es die Frage auf, ob „die Ansprüche auf Versorgung der Hinterbliebenen dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallen“282. Anschließend stellt das Gericht fest, daß diese Frage aus zwei Gründen zu verneinen sei. Zum einen seien die Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung nicht als einfachgesetzliche Rechtspositionen hinreichend stark zugeordnet, sondern stellten sich vielmehr als bloße Aussicht dar, die nicht den Anforderungen des Art. 14 I 2 GG genügten283. Darüber hinaus seien aber auch nicht die aus Art. 14 I 1 GG abzuleitenden Strukturvorgaben erfüllt, da es an einer zurechenbaren Eigenleistung des Versicherten fehle284. Das Gericht knüpft in dieser Entscheidung also an den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zur Einstufung einer einfachgesetzlichen Rechtsposition zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie an und durchläuft dabei die aufgezeigte zweistufige Prüfungsfolge. Diese Qualifikationsfunktion des Eigentumsbegriffs wird auch in anderen Entscheidungen sichtbar285. Dies gilt besonders auch für die Formulierungen, die das BVerfG in diesem Zusammenhang synonym verwendet, z. B. die Termini „konstituierende“286 bzw. „wesentliche“ 287 Merkmale des Verfassungseigentums. In Anbetracht der vorgenannten Funktion des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs kann dieser beschrieben werden als Formel, mit deren Hilfe die Frage zu beantworten ist, ob eine Position unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt. Diese setzt sich zusammen aus dem Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition (Art. 14 I 2 GG) und den verfassungsunmittelbaren Strukturmerkmalen des Eigentums (Art. 14 I 1 GG), die diese erfüllen muß. BVerfGE 97, 271 (284). BVerfGE 97, 271 (284). 284 BVerfGE 97, 271 (284 f.). 285 Z. B. BVerfGE 31, 275 (283), wo das Gericht feststellt, daß das Urheberrecht „die Merkmale aufweist, welche dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zugrunde liegen.“ Ebenso schon BVerfGE 11, 221 (226), 14, 288 (293), wo das Gericht ausführt, öffentlichrechtliche Positionen fielen nur dann unter die Bestandsgarantie, wenn sie „die konstituierenden Merkmale des Eigentumsbegriffes tragen.“ Vgl. ferner BVerfGE 23, 85 (96); 24, 220 (225 f.); 42, 263 (292 f.). 286 Vgl. z. B. BVerfGE 69, 272 (299 ff.): Bei der Frage, ob die zur Debatte stehende öffentlich-rechtliche Position unter die Bestandsgarantie fällt, wird die Frage aufgeworfen, ob sie die konstituierenden Merkmale des Verfassungseigentums aufweist. Dann wird geprüft, ob eine einfachgesetzliche Zuweisung besteht (Art. 14 I 2 GG) und diese den verfassungsunmittelbaren Vorgaben (Art. 14 I 1 GG) entspricht. Vgl. auch BVerfGE 69, 272 (306 f.), wo das Gericht prüft, ob der Betroffene eine Rechtsposition innehat, „welche den oben dargelegten konstitutiven Merkmalen des Eigentums [Eigenleistung, Existenzsicherung] entsprach“. Siehe ferner z. B. BVerfGE 53, 257 (290). 287 Vgl. BVerfGE 89, 1 (6 ff.): Ob das Besitzrecht des Mieters Bestandsschutz genießt, hänge davon ab, ob es die wesentlichen Merkmale des Verfassungseigentums aufweise. Im Anschluß wird dies bejaht, weil es zum einen durch das BGB als vermögenswerte Rechtsposition ausgestaltet sei, und zum anderen die Merkmale „Privatnützigkeit“ und „grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ beinhalte. Genau dieselbe Prüfungsfolge findet sich z. B. in BVerfGE 83, 201 (208 ff.). 282 283

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

2. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff im Schrifttum Nachfolgend soll der Frage Beachtung geschenkt werden, welches Verständnis sich hinter dem Terminus „verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ im Schrifttum verbirgt. Aufgrund der Vielzahl der Stellungnahmen und teils völlig unterschiedlicher Ansätze würde es den Rahmen der Arbeit sprengen, sich eingehend mit diesem Problemkreis zu beschäftigen288. Beachtung geschenkt werden soll lediglich den Stimmen, deren Eigentumsverständnis sich weitgehend mit dem vorgenannten des BVerfG deckt sowie einigen Eigentumsmodellen, die mit dem des Gerichts völlig unvereinbar erscheinen.

a) Qualifikationsfunktion in der Literatur Eingangs dieser Arbeit ist die mehrstufige Prüfungsfolge des BVerfG zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie dargestellt worden. Im Anschluß daran wurde aufgezeigt, daß diese Sichtweise vor allem im neueren Schrifttum viele Anhänger findet. Dementsprechend überrascht nicht, daß sich in den dortigen Stellungnahmen auch häufig das vorgenannte Verständnis des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsbegriffs wiederfindet. Als einer der ersten bringt Ramsauer die Qualifikationsfunktion des Eigentumsbegriffs zum Ausdruck, indem er formuliert: „Der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG enthält dagegen die begrifflichen Voraussetzungen für die Qualifizierung einer Position als Eigentum.“289. Denselben Gedanken drückt Glos aus, wenn er feststellt: „[ . . . ] der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums [ . . . ] dient nur der Identifizierung eines durch den einfachen Gesetzgeber geschaffenen 288 Siehe nur als kleinen Ausschnitt die Ausführungen zum „Eigentumsbegriff“ bei Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 31 ff.; ders., Der Staat 14 (1975), S. 397 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 113 ff.; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 56 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 30 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 119 ff.; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 42; ders., Modelle des Eigentumsschutzes, S. 110; ders., Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 29 f.; Gallwas, Grundrechte, Rn. 533 ff.; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 21 ff.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 85 ff.; Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 8 ff.; Ekey, Die Verminderung von Eigentümerrechten, S. 7; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 19 ff., 43; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 15; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 15 ff.; ders., JA 1998, S. 728; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 130 ff.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 114; J. Ipsen, Neuere Entwicklungen der Eigentumsdogmatik, S. 130 ff.; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13 f.; Schoch, JURA 1988, S. 115; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 21 ff.; v. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 122; Ibler, AcP 197 (1997), S. 567. 289 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 130 (siehe auch bereits oben die Zitate auf S. 26). Auf das Eigentumsverständnis Ramsauers verweisend findet sich eine wortgleiche Formulierung bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 9.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Rechts als ein von Art. 14 GG geschütztes.“290 Auch Rozek versteht den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff in diesem Sinne: „Durch öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Normen formt der Gesetzgeber die subjektiven Rechte erst aus, die dann als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzuerkennen sind, d. h. nach den Kriterien des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs in den Schutzbereich der Eigentums(bestands)garantie fallen.“291 Gleiches gilt für König: Bei der Frage, ob eine Rechtsposition unter den Eigentumsschutz der Bestandsgarantie fällt, müsse „genau geprüft werden, ob die objektive Rechtslage so ausgestaltet ist, daß die Voraussetzungen für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff erfüllt sind.“292 Zu nennen ist hier auch Sieckmann, der die Qualifikationsfunktion umschreibt, wenn er ausführt: Die „Funktion des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs ist, Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 I 1 GG von anderen Rechten zu unterscheiden.“293 In diese Richtung gehen auch die Ausführungen von Lee. Die Beantwortung der Frage, ob ein einfachgesetzlich geschaffenes Recht „begrifflich“ als Eigentum i.S. des Art. 14 GG anzusehen ist, macht er von der Erfüllung der „konstitutiven Merkmale des Begriffs ,Eigentum‘ in Art. 14 I 1 GG“ abhängig, mithin vom „Eigentumsbegriff der Verfassung“294. Derselbe Gedanke findet sich auch bei Wolter, der in diesem Zusammenhang ausführt: „Ob das so definierte [einfachgesetzliche] Recht den Anforderungen genügt, die Art. 14 GG stellt, entscheidet dagegen allein das Grundrecht, d. h. sein Eigentumsbegriff.“295 Besondere Beachtung haben in diesem Zusammenhang die Ausführungen Grochtmanns verdient296. Als zwingende Folge der in Art. 14 I 2 GG verwurzelten Normgeprägtheit des Eigentums spricht er dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff eine „Abgrenzungsfunktion“297 zu. Seine Aufgabe sei es, die von der Bestandsgarantie geschützten Rechtspositionen von den ungeschützten abzugrenzen (m. a. W. zu qualifizieren). Der Eigentumsbegriff kennzeichne diejenigen „Merkmale, anhand derer Gesetze und konkreter die darauf beruhenden Rechtspositionen herauszufiltern sind, die der subjektiven Rechtsstellungsgarantie des Art. 14 GG zuzuordnen sind.“298 Die vorgenannten Stimmen sollen ausreichen, um zu zeigen, daß die oben in der Rspr. des BVerfG aufgezeigte „Qualifikationsfunktion“ des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs inzwischen auch im Schrifttum, wenn auch nicht immer ausdrücklich, so doch in der Sache, viele Anhänger gefunden hat299. Dieser Umstand 290 Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 87 (Hervorhebung im Original; vgl. auch schon die Zitate oben S. 29). 291 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 27 (siehe auch oben die Zitate auf S. 29). 292 König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 22. 293 Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 112. 294 Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 50 f. (vgl. auch oben die Zitate S. 28). 295 Wolter, Vom Volkseigentum zum Privateigentum, S. 78. 296 Siehe zu ihm bereits die Zitate oben auf S. 30. 297 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 217 ff. 298 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 238.

6 Appel

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei weitem nicht von hinreichender Klarheit in diesem Zusammenhang gesprochen werden kann. Im Gegenteil ist festzustellen, daß der Terminus „verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ im Schrifttum auch heute noch eine beinahe unüberschaubare Vielfalt von Interpretationen erfährt300. b) Institutsgarantie als Element des Eigentumsbegriffs? So gibt es im Schrifttum etwa eine nicht unbedeutende Zahl von Stimmen, die, teilweise mit Verweis auf das BVerfG, den Eigentumsbegriff des Art. 14 GG mit der Institutsgarantie in Verbindung bringen. So führt z. B. Leisner unter der Überschrift „Elemente des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs nach dem Bundesverfassungsgericht“ aus, die Institutsgarantie sei als Schranke der einfachen Gesetzgebung ein „eigentumsspezifisches Begriffselement“ des BVerfG301. Dieselbe Verknüpfung zwischen Institutsgarantie und Eigentumsbegriff findet sich u. a. bei Schoch302, Wahl303 und Schönfeld304. Nach dem, was bisher im Rahmen dieser Arbeit zur Aufgabe des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs nach dem BVerfG gesagt wurde (Qualifikationsfunktion im Rahmen der Bestandsgarantie), mag diese Verknüpfung mit der Institutsgarantie sehr verwundern, ja sogar offensichtlich fehlerhaft sein. Um den Gedankengang zu erklären, der diesen Stimmen zugrunde liegt, muß man sich in die eigentumsdogmatische Umbruchsituation nach der Naßauskiesungs-Entscheidung305 zurückversetzen. Nachdem das BVerfG in dieser Entscheidung die Inhaltsbestimmungskompetenz des einfachen Gesetzgebers hervorhob, und ihm deswegen von Teilen des Schrifttums der Vorwurf gemacht wurde, es propagiere einen 299 Siehe w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 243 ff., 330 ff. und auf S. 250 ff. in Auseinandersetzung mit Literaturstimmen, die diesem Eigentumsverständnis entgegenstehen. 300 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 256, spricht in diesem Zusammenhang treffend vom „Wirrwarr um den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff“. 301 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 78. 302 JURA 1989, S. 115, der in seinem vielbeachteten Aufsatz (mit Verweis auf das BVerfG) Ausführungen über die „institutionelle Seite“ der Eigentumsgarantie unter der Überschrift „Verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ macht. 303 NVwZ 1984, S. 406. 304 Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 91; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 256 ff. Siehe auch Seiler, in: Staudinger, BGB, Vorbem. zu §§ 903 ff. Rn. 25, wonach Art. 14 GG zwei Eigentumsbegriffe beinhalte: Der Eigentumsbegriff der Institutsgarantie sei verhältnismäßig eng, der der Bestandsgarantie hingegen weit. Auch in Teilen des Schrifttums, das dem mehrstufigen Gedankengang des BVerfG zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie anhängt (siehe oben S. 26 ff.), findet sich z. T. eine derart mißverständliche Verknüpfung des Eigentumsbegriffs mit der Institutsgarantie. So z. B. bei Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 14; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 113. 305 BVerfGE 58, 300 ff.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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Eigentumsbegriff nach einfachem Recht ohne verfassungsunmittelbare Anbindung306, sahen sich einige Stimmen im Schrifttum berufen, dem BVerfG zur Seite zu stehen. Sie warfen der Gegenseite vor, die Passage der Naßauskiesungs-Entscheidung übersehen zu haben, in der das Gericht ausführt, daß der Eigentumsbegriff „aus der Verfassung“307, aber nicht aus dem einfachen Recht zu gewinnen sei. Denn damit habe das Gericht gerade zum Ausdruck gebracht, daß es auch verfassungsunmittelbare Gewährleistungsgehalte des Art. 14 GG anerkenne. Zum Zwecke der Auflösung des dem BVerfG – insbesondere von F. Baur308 – vorgeworfenen Zirkels gingen die Stimmen den Weg, diese verfassungsunmittelbare Anknüpfung des Gerichts auf die Institutsgarantie zu beziehen309. Damit wollte man zeigen, daß es auch nach dem BVerfG einen verfassungsautonom zu bestimmenden Eigentumsbereich gibt, der nicht erst vom einfachen Gesetzgeber ausgestaltet wird. Hierbei wurde aber verkannt, daß das Gericht, wie bereits an anderer Stelle aufgezeigt wurde, bei dieser Passage gerade nicht die Einrichtungsgarantie im Auge hatte, sondern den „Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums“ auf die Bestandsgarantie verstanden wissen wollte310. Infolge dieser Fehldeutung gab es und ergibt sich auch heute noch für Teile der Literatur die Verknüpfung zwischen dem „Eigentumsbegriff“ des BVerfG und der Institutsgarantie. Nach der oben dargestellten Qualifikationsfunktion des Eigentumsbegriffs liegt auf der Hand, daß seine Verknüpfung mit der Institutsgarantie nicht mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis vereinbar ist. Soweit erkennbar, findet sich keine Entscheidung, in der es – ausdrücklich oder zumindest in der Sache – die Institutsgarantie als Bestandteil seines Eigentumsbegriffs anerkennt. Dies verwundert auch nicht, hält man sich die Qualifikationsfunktion vor Augen, die das Gericht dem Begriff zuspricht. Hat er die Aufgabe, auf der Ebene der Bestandsgarantie über die geschützten Positionen zu entscheiden, so kann die Institutsgarantie kein Element desselben sein. Sie hat ihre Bedeutung allein als Rechtmäßigkeitskriterium bei der Frage, ob der Gesetzgeber hinsichtlich des zukunftsbezogenen Anwendungsbereichs einer Norm das von Art. 14 GG vorgegebene Sozialmodell eingehalten hat311. Beides zu vermengen hieße die eigentumsgrundrechtlichen Prüfungsmechanismen auf den Kopf zu stellen.

Siehe hierzu die Nw. oben auf S. 33 Fn. 59 ff. BVerfGE 58, 300 (335), vollständiges Zitat oben auf S. 34 zu Fn. 65. 308 Hierzu oben S. 33. 309 Siehe Schoch, JURA 1989, S. 118, der ausführt, das vorgenannte bundesverfassungsgerichtliche „Postulat der Begriffsbestimmung aus der Verfassung“ beziehe sich ausschließlich auf die Instituts-, nicht aber auf die Bestandsgarantie. Ebenso z. B. Kleinlein, DVBl. 1991, S. 368, und zuvor schon Hendler, DVBl. 1983, S. 876 Fn. 33; Wahl, NVwZ 1984, S. 404; w. Nw. bei Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 22 Fn. 16; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 141 Fn. 150. 310 Vgl. oben S. 34 f. und Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 22 f. 311 Näher hierzu unten S. 206 ff., 213 ff. 306 307

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

c) Art. 14 I 1 und 14 I 2 GG als Elemente des Eigentumsbegriffs Des weiteren soll auf ein Problem eingegangen werden, das in bezug auf den Eigentumsbegriff Quelle für weitere Mißverständnisse sein könnte. Es geht um die Frage, in welcher Bestimmung des Art. 14 GG der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff anzusiedeln ist. Im Schrifttum finden sich Formulierungen, die den Anschein erwecken, der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG sei aus Satz eins des ersten Absatzes dieser Grundrechtsbestimmung zu gewinnen312. Dieses Abstellen ausschließlich auf Art. 14 I 1 GG kann angesichts der oben dargestellten Qualifikationsfunktion des Eigentumsbegriffs nicht überzeugen. Es verleitet zu der Annahme, der Eigentumsbegriff sei lediglich ein Synonym für die verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu entnehmenden Strukturvorgaben des Eigentums313. Daß hiermit wird aber nur ein Teil des Eigentumsbegriffs erfaßt ist, wurde an anderer Stelle bereits dargelegt314. Denn ist in diesen auch seine Funktion einzubeziehen, über die Einstufung einfachgesetzlicher Rechtspositionen zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu entscheiden, so muß die einfachrechtliche Verknüpfung, also Art. 14 I 2 GG, als Teil des Begriffs angesehen werden. Insofern enthält Art. 14 I 2 GG durch das Erfordernis der gesetzlichen Ausgestaltung, d. h. durch die Anknüpfung an Rechtspositionen, eine „Teilvorgabe“315 für den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Das BVerfG bringt diesen Zusammenhang der beiden Sätze des Art. 14 I GG zum Ausdruck, wenn es vom „Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG“316 spricht317.

312 Z. B. bei Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 113; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 85; ebenso aber auch Böhmer, NJW 1988, S. 2566, der vom „Eigentumsbegriff des Satzes 1“ des Art. 14 I GG spricht. 313 D. h. lediglich eine Umschreibung für den Prüfungsschritt 2.a) der mehrstufigen Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie. 314 Siehe oben S. 77 ff. 315 So zutreffend Grochtmann, Art. 14 GG, S. 221; ähnlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 222 Fn. 1049, mit der Feststellung, Art. 14 I 2 GG enthalte in bezug auf das Erfordernis einer Rechtsposition eine „Teillegaldefinition“ des Eigentumsbegriffs. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Betonung der engen Verknüpfung zwischen Art. 14 I 1 und 14 I 2 GG bei Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 44; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 143. 316 BVerfGE 97, 271 (284). Auch die vielzitierte Passage der Naßauskiesungs-Entscheidung, wonach der Eigentumsbegriff aus der Verfassung, nicht aber aus dem einfachen Recht gewonnen werden darf (BVerfGE 58, 300 [335]), steht dem nicht entgegen. Denn daß unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff nur Rechtspositionen fallen, wird in Art. 14 I 2 GG, d. h. von der Verfassung selbst normiert. 317 Darüber hinaus kann bei genauer Betrachtung auch noch Art. 14 II GG als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs des BVerfG angesehen werden; hierzu noch näher auf S. 105 Fn. 429.

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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d) Art. 14 I GG als „Transformationsnorm“ Nachfolgend soll eine weitere Fehldeutung des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses zur Sprache gebracht werden, die zu Mißverständnissen verleitet. Mit Verweis auf die in der Naßauskiesungs-Entscheidung betonte Inhaltsbestimmungskompetenz des Gesetzgebers wirft Depenheuer dem BVerfG und Teilen des Schrifttums vor, sie verstünden Art. 14 GG und den darin enthaltenen Eigentumsbegriff „lediglich [als] eine Transformationsnorm für gesetzliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums, ohne ihnen gegenüber inhaltlichen Selbstand gewinnen zu können.“318 Damit erweckt Depenheuer den Eindruck, das BVerfG verstünde den Eigentumsbegriff lediglich als eine Art „Durchgangsstation“, mit deren Hilfe eine Rechtsposition zu Eigentum erhoben werden könnte, ohne daß sie besondere eigentumsgrundrechtliche Strukturmerkmale erfüllen müsse. Diese Annahme ist nach den bisherigen Feststellungen zurückzuweisen. Der Gedanke, daß Art. 14 GG eine Transformationsfunktion zukommt, ist nicht neu. Im Schrifttum wurde er, soweit ersichtlich, erstmals von Ramsauer hervorgehoben. Im Rahmen einer Auseinandersetzung mit dem von Rupp319 aufgeworfenen Problem der Geltung von Zivilrechtsnormen im Verhältnis zwischen Bürger und Staat diskutiert Ramsauer die Frage, wie die Rechtsstellung, die Art. 14 GG dem Bürger vermittle, eine öffentlich-rechtliche sein könne (Verhältnis BürgerStaat), wenn die zur Debatte stehende Rechtsposition im Zivilrecht (Verhältnis Bürger-Bürger) verwurzelt sei. Dazu führt er aus: „Die Lösung dieses Problems kann nur aus dem Gedanken der Transformation gewonnen werden: Indem Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die in Satz 1 geschützte öffentlich-rechtliche Stellung des Eigentümers inhaltlich an die im Privatrecht konstituierte Rechtsposition anknüpft, transformiert er diese ins öffentliche Recht und macht sie zu einem Teil der als Eigentum in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Gesamtrechtsposition.“320 Mit Verweis auf Ramsauer wird in der Literatur seither davon gesprochen, daß die vermögenswerten Privatrechte „über Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG als Transformationsnorm eine Tatbestandswirkung im Verfassungsrecht“321 haben. Sie gelten also nicht nur zwischen Privatpersonen, sondern werden „vollen Umfangs Grundlage des öffentlich-rechtlichen Eigentumsschutzes“322 gegenüber dem Staat. 318 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 35 (Hervorhebung im Original); siehe ferner Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 113. 319 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungslehre, S. 238 ff. 320 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 146. 321 Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214 f.; ebenso Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 132 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 116. Ähnlich Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 124, der mit Verweis auf die vorgenannten Stimmen aber nicht von der Transformation privater Vermögensrechte, sondern allg. „einfachgesetzlicher Rechte“ spricht. Da sich aber bei öffentlich-rechtlichen Positionen die Frage nach einer Transformation in das Bürger-Staat-Verhältnis nicht stellt, erscheint diese Verallgemeinerung überflüssig. 322 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Dieses von Ramsauer angestoßene Verständnis des Art. 14 GG als Transformationsnorm für im Privatrecht verwurzelte Rechtspositionen entgegnet keinen Bedenken. Nur so ist zu erklären, warum in ihrem Ursprung privatrechtlich zugewiesene Positionen Gegenstand des gegenüber dem Staat gewährleisteten (Verfassungs-)Eigentumsschutzes sein können. Dagegen ist der von Depenheuer kritisierte Transformationscharakter des Art. 14 GG ein völlig anderer. Ihm geht es darum, Art. 14 GG nicht lediglich als Norm anzusehen, über die es möglich ist, als eine Art „Feigenblatt“ ohne eigenständige Prüfungsgehalte jede einfachgesetzlich zugewiesene Position zu Eigentum im Sinne der Verfassung zu transformieren. Dieser Einwand ist berechtigt, denn nur wenn Art. 14 I 1 GG eigenständige verfassungsunmittelbare Gewährleistungsgehalte aufweist, ist es möglich, mit seiner Hilfe einfachgesetzliche Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu Eigentum zu qualifizieren. Umso unverständlicher erscheint es, wenn Depenheuer diese Sichtweise mit Hinweis auf die Naßauskiesungs-Entscheidung gerade dem BVerfG vorwirft323. Denn dieses ist mit Hilfe der aus Art. 14 I 1 GG abzuleitenden Strukturvorgaben gerade Garant des von Depenheuer angemahnten inhaltlichen Selbstandes des Art. 14 GG324. e) Wandlungen des Eigentumsbegriffs? Ein weiteres Problem des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs liegt in der Frage, ob dieser wandelbar ist. Diese Frage ist umstritten, wird aber überwiegend bejaht325. In neuerer Zeit hat sich Grochtmann mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt und sich gegen eine Wandelbarkeit ausgesprochen326. Weder die Tatsache, daß sich infolge der Inhaltsbestimmungskompetenz des einfachen GesetzDepenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 35. Zw. ferner Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 133, wo er mit Verweis auf Wendt (der an der angegebenen Fundstelle wiederum auf Ramsauer und Ehlers verweist) ausführt: „Die eigentumsbereitstellenden und konstituierenden Bestimmungen des Zivil- wie öffentlichen Rechts fungieren über den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff in Art. 14 Abs. 1 S. 1 als Transformationsnormen und beanspruchen insoweit Tatbestandswirkung im Verfassungsrecht.“ Hier mißversteht er die zitierten Stimmen gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen kommt die Transformationswirkung bei Wendt, Ramsauer und Ehlers nicht den einfachgesetzlichen Rechten, sondern Art. 14 GG zu. Zum anderen geht es bei jenen alleine um die Transformation eines privaten Vermögensrechts. Die Frage der Umwandlung öffentlich-rechtlicher Positionen zu Eigentum wird dort gar nicht diskutiert, weil sich derartige Positionen ohnehin schon im Bürger-Staat-Verhältnis bewegen (siehe hierzu auch die mißverständliche Formulierung von Glos, vgl. oben Fn. 321). 325 So z. B. von Kimminich, Der Staat 14 (1975), S. 397; Wolter, Vom Volkseigentum zum Privateigentum, S. 78 f.; Antoni, in: Seifert / Hömig, GG, Art. 14 Rn. 3; Stein, in: FS-Müller, S. 503 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 8 Fn. 50; Schoch, JURA 1989, S. 115, 117; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 11 m. w. Nw.; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 251 Fn. 1173; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 102 Fn. 64. 326 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 251 ff.; gegen eine Wandelbarkeit z. B. auch Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 102. 323 324

C. Verfassungsunmittelbare Vorgaben (Art. 14 I 1 GG)

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gebers die konkreten Eigentumsrechte fortlaufend änderten, noch der Umstand, daß sich die Auslegung des Art. 14 I 1 GG, z. B. in bezug auf den Schutz öffentlich-rechtlicher Positionen327, im Laufe der Zeit gewandelt habe, führe zu einer Wandlung des Eigentumsbegriffs. Der erstgenannte Aspekt folge zwingend aus der Trennung von Eigentumsbegriff und Eigentumsinhalt328. Das zweite Problem sei keines der Wandlung des Eigentumsbegriffs, sondern unter dem Stichwort der „Verfassungswandlung“329 zu behandeln330. Auch wenn in heutiger Zeit aufgrund veränderter gesellschaftlicher Verhältnisse Positionen unter den Eigentumsschutz fielen, die zuvor hiervon nicht erfaßt wurden, ändere sich damit nicht der Eigentumsbegriff. Es wandelten sich „nur die vom Begriff erfaßten Elemente“, der Begriff selbst sei „insoweit gewissermaßen statisch“331. Grochtmann ist insofern zuzustimmen, als die Veränderung konkreter Eigentumsrechte durch den Gesetzgeber (Art. 14 I 2 GG) selbstverständlich nicht zu einer Wandlung des Eigentumsbegriffs führen kann. Dieser muß vom einfachen Recht unabhängig sein, sofern er seine Qualifikationsfunktion für dort begründete Rechtspositionen autonom erfüllen soll. Nicht überzeugend ist jedoch sein zweiter Schluß, daß die unter dem Stichwort des „Verfassungswandels“ diskutierten Umwälzungen der Eigentumsgarantie nicht zur Wandlung des „Begriffs“ führen, sondern lediglich seiner „Elemente“. Es erscheint nicht möglich, bei dem hier (und ebenso von Grochtmann) zugrunde gelegten Verständnis des Eigentumsbegriffs diesen von seinen „Elementen“ derart klar zu trennen. Sieht man seine Funktion gerade darin, einfachgesetzliche Rechtspositionen zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren, dann geraten seine Elemente332, durch die ja allein diese Qualifikation möglich ist, so sehr in den Vordergrund, daß bei deren Wandlung auch von einer Wandlung des Eigentumsbegriffs gesprochen werden kann. Deutlich wird dies, wenn der Eigentumsbegriff wie hier als „Formel“333 verstanden wird, mit deren Hilfe über die Frage zu entscheiden ist, ob eine einfache Rechtsposition unter die Bestandsgarantie fällt. Ändert sich im Zuge der gesellschaftlichen Wandlungen ein Teilbereich dieser Formel, z. B. weil die teleologische Auslegung des Art. 14 I 1 GG ergibt, daß auch öffentliche Leistungen geschützt werden müssen, wenn diese auf einer Eigenleistung beruhen, so führt dies im Ergebnis auch zu einer Änderung der Gesamtformel, mithin des Eigentumsbegriffs. Hierzu bereits oben S. 50 ff. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 252: „Die zutreffende Aussage, daß der konkrete Inhalt des Schutzbereichs des Art. 14 GG zeitbezogen und wandelbar ist, verliert ihre Richtigkeit durch Bezugnahme auf den Eigentumsbegriff.“ (Hervorhebung im Original). 329 Vgl. oben S. 51 Fn. 150. 330 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 253 f. 331 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 254 Fn. 1184. 332 Rechtsposition, Privatnützigkeit und grds. Verfügungsbefugnis, Leistung und ggf. Existenzsicherung, Vermögenswert. 333 Vgl. oben S. 77 ff. 327 328

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition (Art. 14 I 2 GG) Sind die eigentumsgrundrechtlichen Strukturvorgaben des Art. 14 I 1 GG hinreichend verdeutlicht, so soll nun der Blick auf die aus Art. 14 I 2 GG abzuleitende Voraussetzung der Zuweisung einer einfachgesetzlichen Rechtsposition gerichtet werden334.

I. Die Gesetzesabhängigkeit des Eigentums gemäß Art. 14 I 2 GG Wie im Verlauf der Arbeit schon mehrfach betont, kommen als Schutzobjekte der Bestandsgarantie überhaupt nur solche Positionen in Betracht, die durch einfaches Recht zugewiesen sind. Das BVerfG folgert diese Anknüpfung des Eigentumsschutzes ausschließlich an Rechtspositionen aus der in Art. 14 I 2 GG normierten Befugnis des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen335. Damit scheidet z. B. von vornherein der Schutz von Positionen aus, die allein faktischer oder wirtschaftlicher Natur sind, ohne daß ihnen eine einfachrechtliche Verfestigung zugrunde liegt. Die damit zum Ausdruck gebrachte Abhängigkeit der Bestandsgarantie vom einfachen Recht findet sich in einer Vielzahl von Entscheidungen. So wird vom BVerfG allgemein festgestellt: „Eigentum ist die Zuordnung eines Rechtsguts zu einem Rechtsträger“336. Als Konsequenz daraus ergebe sich: „Der Eigentumsschutz setzt eine gesetzlich anerkannte Rechtsposition voraus.“337 Unter die Bestandsgarantie fielen nur „Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen“338, nur das „durch die Gesetze ausgeformte Eigentum“339, also die „durch die Erster Prüfungsschritt, vgl. oben S. 25. BVerfGE 81, 29 (33): „[ . . . ] nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Aufgabe des Gesetzgebers, den Inhalt des Eigentums zu bestimmen.“ Ebenso BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 25 a. E. 336 BVerfGE 79, 29 (40, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfGE 42, 263 (294); 58, 300 (330). 337 BVerfGE 87, 1 (42, Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner BVerfGE 95, 267 (300): „Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz reicht damit zwar erheblich weiter als das zivilrechtliche Eigentum und erstreckt sich auch auf nicht dingliche vermögenswerte Rechtspositionen. Er bleibt aber an Rechtspositionen gebunden.“ 338 BVerfGE 20, 31 (34, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfGE 28, 119 (142); 30, 292 (334 f.); 31, 212 (221); 68, 193 (222); 78, 205 (211); 102, 197 (211); BVerfG, 1 BvR 132 / 01, K.-Beschl. v. 25. 04. 2001, DVBl. 2001, S. 1209; BVerfG.de, 1 BvR 482 / 02, K.Beschl. v. 13. 06. 2002, Abs. 6. 339 BVerfGE 24, 367 (396); 37, 132 (141, Hervorhebung nicht im Original). 334 335

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte“340. Diese vom BVerfG in st. Rspr.341 betonte Gesetzesabhängigkeit geriet jedoch erst im Zuge der Naßauskiesungs-Entscheidung in den Mittelpunkt der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Anlaß war hier die häufig zitierte Passage, wonach sich „Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes“ erst aus der „Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze [ergebe], die den Inhalt des Eigentums bestimmen“342. Vor allem diese Entscheidung ist es auch, in der sich das Gericht ausdrücklich gegen jedes Eigentumsverständnis ausspricht, das der Gesetzesabhängigkeit des Eigentums zuwiderläuft. So wird vom Gericht besonders die im Vorlagebeschluß vertretene Auffassung zurückgewiesen, es existierten Eigentumsrechte, die „von der Natur der Sache her“343 vorgegeben wären. Der Gesetzgeber sei bei der Schaffung einer dem Grundgesetz gemäßen Güterordnung „[ . . . ] nicht an einen aus der ,Natur der Sache‘ sich ergebenden Eigentumsbegriff gebunden.“344

Dem vorgenannten Eigentumsverständnis hat sich heute das ganz herrschende Schrifttum angeschlossen. An einer Vielzahl von Stellen345 wird die Gesetzesabhängigkeit346 der Eigentums(bestands)garantie betont. Hierbei darf aber nicht 340 BVerfGE 74, 129 (148, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfGE 75, 108 (154). Siehe ferner die Betonung des Erfordernisses einer einfachgesetzlichen Zuweisung in BVerfGE 20, 351 (356); 31, 229 (240). 341 Siehe nur aus neuerer Zeit die Anknüpfung an Rechtspositionen in BVerfGE 70, 191 (199); 70, 278 (285); 71, 1 (20); 71, 137 (141); 72, 9 (18 f.); 72, 175 (193); 74, 203 (214); 76, 220 (235); 78, 58 (71); 78, 205 (211); 79, 174 (191); 83, 182 (195); 83, 201 (208); 89, 1 (6); 91, 207 (220); 91, 294 (307); 94, 241 (258); 95, 143 (161); 95, 267 (300); 97, 271 (284); 100, 1 (32). 342 BVerfGE 58, 300 (336), vollständiges Zitat bereits oben auf S. 33 zu Fn. 58. 343 Vgl. BVerfGE 58, 300 (329). 344 BVerfGE 58, 300 (339); in diese Richtung bereits die früheren Entscheidungen, in denen das Gericht betont, es gebe keinen „vorgegebenen Eigentumsbegriff“ (siehe oben S. 35 Fn. 67); vgl. auch BVerfGE 2, 237 (253 f.); 15, 126 (144). 345 Etwa Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1416 ff.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 86 f. m. w. Nw. in Fn. 4; Schoch, JURA 1989, S. 116; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 12 ff.; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 47; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 135 ff. m. w. Nw. in Fn. 120 ff.; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13; ders., JuS 1983, S. 105 f.; Breuer, Die Bodennutzung, S. 19; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 270; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 25 f., 142; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 105 ff. m. w. Nw. in Fn. 471 f., 485; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 132 ff. 346 Verwendung dieses Terminus z. B. bei Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 135 ff.; ders., Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 28, 39 f. Z. T. wird auch vom „rechtsgeprägten“ (Burgi, NVwZ 1994, S. 529) bzw. „normgeprägten“ (Grochtmann, Art. 14 GG, S. 105 ff.; Schoch, in: FS-Boujong, S. 659; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 172; Aichele / Herr, NVwZ 2003, S. 418) Eigentumsgrundrecht gesprochen. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 570, spricht von einer „Lehre vom Anerkennungsvorbehalt“.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

unerwähnt bleiben, daß eine bedeutende Reihe von Stimmen gegen eine solche Betrachtung den Einwand erhebt, das Eigentumsgrundrecht stünde damit im Ergebnis zur Disposition des einfachen Gesetzgebers, d. h. die h. M. propagiere den Grundsatz: (verfassungsrechtliches) Eigentum nach (einfachem) Gesetz347. So wirft Depenheuer der Gegenansicht vor, sie erliege der „Suggestivkraft der Formel von der Normprägung“348. Leisner sieht gar als Urheber der Gesetzesabhängigkeit des Eigentums sozialistische Bestrebungen349 und zieht als Fazit: „Eigentum – eine Schöpfung des Gesetzgebers? Diese Worte sollten nicht mehr gebraucht werden.“350 Auch wenn diese Kritiker zum Teil unterschiedliche Lösungsansätze vertreten351, so liegt ihnen im Ausgangspunkt derselbe Vorwurf zugrunde, der tatsächlich nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Grundlage der vorgebrachten Bedenken ist die bereits zu Beginn der Arbeit aufgeworfene Kardinalfrage352, wie die Bestandsgewährleistung des Art. 14 I 1 GG vor dem Gesetzgeber Schutz finden kann, wenn ihre Konstituierung, wie von der h. M. angenommen, gemäß Art. 14 I 2 GG zunächst ein Tätigwerden desselben voraussetzt353. Die Gesetzesabhängigkeit scheint damit auch der vom BVerfG durchweg 347 Kritisch z. B. Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 35 ff.; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 54 ff.; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 547 ff.; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 248 ff.; w. Nw. bei Bumke, NJ 1999, S. 236 Fn. 11. 348 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 36. 349 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 55: „Erstes Ziel aller Richtungen, die sich – irgendwie – ,sozialistisch‘ nennen, ist die Umgestaltung der Eigentumsordnung.“ Während die Kommunisten das Eigentum mit Gewalt brechen wollten, gehe der demokratische Sozialismus den Weg über den Gesetzgeber. 350 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 59 a. E. 351 So will z. B. Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 67, eine bestimmte Kategorie von „natürlich abgrenzbaren Gütern“ (insbesondere das Fahrniseigentum) im Sinne eines naturrechtlichen Ansatzes auch ohne einfachgesetzliche Vermittlung geschützt sehen. Diese seien sozusagen „natürlich eigentumsfähig“ (w. Nw. zu Vertretern von Eigentumsrechten aus der „Natur der Sache“ unten S. 92 Fn. 367). Andere orientieren sich auch heute noch, in Anlehnung an die hergebrachte Eigentumsdogmatik (hierzu noch näher unten auf S. 109 ff.), an einem umfassenden Eigentümerbelieben i. S. d. § 903 BGB. Zwar wird damit dem Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG eine einfachgesetzliche Bestimmung zugrunde gelegt, mithin der Normgeprägtheit, anders als bei der Propagierung von Eigentum aus der „Natur der Sache“, nicht offen widersprochen. Dennoch wird auch hier dem einfachen Gesetzgeber ein Befugniskanon als unmittelbar in der Verfassung inkorporiert vorgegeben, nämlich umfassende Herrschafts- und Verfügungsbefugnisse des Eigentümers i. S. d. § 903 BGB, mithin die Inhaltsbestimmungskompetenz des Gesetzgebers nicht vollauf akzeptiert. Denn jeder Abstrich von diesem Eigentümerbelieben ist nach dieser Sicht ein „von außen“ kommender, d. h. per se rechtfertigungsbedürftiger Eingriff (exemplarisch Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 157 f., 167 ff., der sich zwar zum einen zur Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie klar bekennt, zum anderen aber der Verfassung ein umfassendes Eigentümerbelieben i. S. d. § 903 BGB als vorgegeben unterstellt; siehe näher zu einer solchen Auslegung des Art. 14 GG m. w. Nw. unten auf S. 113 Fn. 470 f.). 352 Vgl. oben S. 19 f., 24.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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betonten freiheitssichernden Funktion der Eigentumsgarantie zu widersprechen. Wie soll das Grundrecht einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich“ gewährleisten, wenn dieser vom Staat erst – durch Zuweisung von Eigentumsrechten – eröffnet werden muß? Der in Art. 14 I 2 GG normierte Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers scheint auf dem ersten Blick mit der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 I 1 GG nicht vereinbar zu sein. Wird das Eigentumsgrundrecht hingegen näher betrachtet, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß diese inhaltliche Struktur zwingende Konsequenz der besonderen Eigenart des Eigentumsgrundrechts ist. Bei den meisten Grundrechten lassen sich die Schutzobjekte aus der Tatsachenwelt entnehmen. Begriffe wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Meinung, Versammlung und Wohnung existieren bereits in der Umgangssprache und wären auch ohne (verfassungs-)rechtlichen Schutz als solche gegeben354. „Alle diese Güter hat der Staat nicht geschaffen, sondern er hat sie in der Welt der Tatsachen vorgefunden und sich lediglich zu ihrem Schützer aufgeworfen.“355 Es gibt jedoch auch Grundrechtsartikel, bei denen die Schutzobjekte nicht der Tatsachenwelt entspringen, die also ihrerseits schon Produkte der Rechtsordnung sind356. Die Begriffe, die für sie verwandt werden, entspringen nicht der Umgangs-, sondern der Rechtssprache357. Hierzu gehört u. a. das Eigentum358. Versteht man hierunter mit dem BVerfG die Zuordnung eines Rechtsguts zu einem Rechtsträger359, so setzt diese „Form der rechtlichen Herrschaft über die Güterwelt [ . . . ] das Urteil der Rechtlichkeit begrifflich schon voraus und ist daher ohne die Existenz einer Rechtsordnung nicht denkbar.“360 Diese Notwendigkeit des Bestehens einer Rechtsordnung, innerhalb derer die Eigentumsrechte zu konstituieren sind, erklärt jedoch nicht ohne weiteres schon die in Art. 14 I 2 GG normierte Inhaltsbestimmungskompetenz des einfachen Gesetzgebers. Da auch die Verfassung zur Rechtsordnung gehört, könnte der Rechtsgeprägtheit des Eigentums schon Genüge getan sein, wenn sich aus Art. 14 GG verfassungsunmittelbar Eigentumsrechte herauslesen ließen361. 353 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 13, der feststellt, der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz sei bei dieser Betrachtung nicht „selbstexekutiv“, d. h. ohne Gesetzgebung nicht wirksam. Vgl. zu diesem Problem auch Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1416 ff.; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 73 ff., insbes. S. 95 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 8; ders., JA 1998, S. 728; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42. 354 Hierzu Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1416. 355 Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1417. 356 Zur Unterscheidung von sach- und rechtsgeprägten Grundrechten Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 83 ff. m. w. Nw. zu anderen Möglichkeiten der Grundrechtstypologie. 357 Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1417. 358 Ferner z. B. das Staatsangehörigkeits- und Asylrecht, vgl. Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1417. 359 BVerfGE 42, 263 (294); 58, 300 (330); 79, 29 (40). 360 Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1418. 361 Darauf weist zutreffend Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 135, hin. Ebenso schon Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13; ders., JuS 1983, S. 105.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Eine solche Vorgehensweise verbietet sich jedoch angesichts weiterer Eigentümlichkeiten dieses Grundrechts362. Denn beim Eigentum geht, viel stärker als bei den meisten anderen Grundrechten, die Befugnis des einen Grundrechtsträgers mit der Aussperrung anderer einher. Das Eigentumsrecht beinhaltet „nicht nur Freiheiten für seinen Inhaber [ . . . ], sondern immer auch Unfreiheiten auf der Seite der von der Nutzung der Gegenstände Ausgeschlossenen.“363 Jaschinski hat in diesem Zusammenhang zutreffend angemerkt, daß die bei „normalen“ Freiheitsgrundrechten bestehende Regel-Ausnahme-Struktur, wonach im Regelfall eine Entscheidung für die Freiheit vorliege, jede ausnahmsweise Beschränkung hingegen besonders gerechtfertigt werden müsse, beim Eigentumsgrundrecht nicht greife364. Zwar müsse der Gesetzgeber, vom Ansatz her ebenso wie bei anderen Freiheitsrechten, die Belange des Einzelnen mit denen der Allgemeinheit in Einklang bringen. Bei jenen sei aber eine relativ große individuelle Freiheit regelmäßig sozial unschädlich, häufig sogar gesellschaftlich erwünscht (z. B. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit). Ihre Beschränkung sei nur in Randbereichen nötig, wenn ausnahmsweise rechtlich geschützte Interessen anderer berührt würden. Beim Eigentumsrecht bestünden diese Konflikte jedoch bereits im Normalfall365. Diese Konfliktsituation wird dadurch noch verschärft, daß die eigentumsrechtlichen Fragestellungen, die in einer modernen Industriegesellschaft entstehen, häufig äußerst komplex sind. Die intensive Nutzung des Bodens, des Wassers und der Luft berührt regelmäßig eine Vielzahl unterschiedlichster Interessen366. Werden beide Aspekte zusammengezogen, so erscheint es geradezu lebensfremd, Rechte367 und / 362 Dies heißt aber nicht, daß sich nicht u.U. aus anderen Bestimmungen des GG – und insofern doch verfassungsunmittelbar – Eigentumsrechte herleiten ließen. Für den öffentlichrechtlichen Rückfallanspruch aus Art. 134 III GG hat das BVerfG diese Frage in einer neueren Entscheidung offengelassen, vgl. BVerfG, 2 BvR 403 / 02, K.-Beschl. v. 23. 07. 2002, NVwZ 2002, S. 1366. 363 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 29; ebenso ders., Entwicklungslinien, S. 157 ff. m. w. Nw. in Fn. 207; ders., Der Eigentumsbegriff, S. 33 m. w. Nw. in Fn. 10. 364 Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 145. 365 Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 144. Als Beispiel führt er an, daß eine mieterfreundliche Neuregelung gleichsam auch die Eigentumsrechte der Vermieter einschränkt und umgekehrt. Siehe hierzu auch Gallwas, Grundrechte, Rn. 529 f., der betont, Eigentum sei „von Haus aus drittgerichtet“, weswegen es hier „keine verfassungsrechtliche Freiheitsvermutung“ gebe (Hervorhebung im Original). 366 Hierzu Grochtmann, Art. 14 GG, S. 113. 367 So aber z. B. nach der naturrechtlichen Arbeitstheorie von Locke, wonach der Bürger durch die Bearbeitung von Sachen und Boden Eigentum an diesen erwirbt. Vgl. hierzu m. w. Nw. Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 72; ders., Eigentum als Verfassungsproblem, S. 72 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 29; ders., Entwicklungslinien, S. 157. Allg. zur Problematik vom Eigentum aus der „Natur der Sache“ Ekey, Die Verminderung von Eigentümerrechten, S. 237 ff. m. w. Nw. in Fn. 849; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 104 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 239. Ein derartiges Eigentumsverständnis findet sich z. B. noch bei Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 252 ff.; Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 20;

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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oder Pflichten368 des Eigentümers ausschließlich verfassungsexegetisch entwickeln zu wollen. Wendt betont zu Recht, es „hieße, Art. 14 GG interpretatorisch restlos zu überfordern, wenn man glaubte, ihm eindeutige Vorgaben für die Errichtung und Aufrechterhaltung eines aus sich heraus funktionsfähigen umfassenden Systems scharf konturierter eigentumskräftiger Vermögensrechte entnehmen zu können“369. Da es keine allgemeingültigen Lösungen der Vielzahl von Spannungslagen zwischen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen gibt, kann in der parlamentarischen Demokratie niemand anderem sinnvoller diese Entscheidungsfindung überantwortet werden als dem Gesetzgeber370. Das Gesetzgebungsverfahren leistet die Gewähr, daß der Bürger die einfachgesetzlich konstituierten Eigentumsrechte als „Akt der Selbstverpflichtung“371 respektiert. Auch das BVerfG nimmt die vorgenannte Konfliktträchtigkeit des Eigentums zum Anlaß, um die Notwendigkeit der in Art. 14 I 2 GG normierten Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zur Schaffung von Eigentumsrechten herauszustellen. So führt es in der Naßauskiesungs-Entscheidung an: „Das Eigentum als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger bedarf, um im Rechtsleben praktikabel zu sein, notwendigerweise der rechtlichen Ausformung. Demgemäß hat das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen.“372

Mit denselben Erwägungen wird auch von Böhmer die Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Ausformung von Eigentumsrechten begründet. Er betont, Art. 14 I 2 GG bringe lediglich etwas zum Ausdruck, was unter der Geltung des GG ohnehin selbstverständlich sei. Art. 14 I 2 GG habe daher rein deklaratorischen Charakter. Das Erfordernis einer Konstituierung von Eigentumsrechten durch den Nordemann, in: Fromm / Nordemann / Vinck / Hertin, Urhebergesetz, § 1 Rn. 4; ferner Hubmann, Urheber- und Verlagsrecht, S. 74, wenn dieser einen naturrechtlichen Charakter des geistigen Eigentums betont. 368 So aber die Anhänger einer aus Art. 14 II GG abzuleitenden „immanenten Sozialbindung“; hierzu eingehend unten S. 232 ff. 369 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 181 f. 370 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 235 f. 371 Vgl. Depenheuer, Der Eigentumsbegriff, S. 32: „Wenn die Eigentümerstellung nicht getragen wird von einem Akt der Selbstverpflichtung aller Bürger zur Achtung fremden Eigentums, müsste sie zugleich Grundlage und Legitimation physischer Gewaltanwendung des Eigentümers sein: Die Pflicht zur Achtung fremden Eigentums beruhte auf reiner Zwangsandrohung. Nur wenn die Pflicht zur Achtung fremden Eigentums sowie zur Abstinenz vom Gebrauch der Dinge anderer als selbst auferlegt angesehen werden kann und an die Stelle physischen Zwangs die Selbstverpflichtung zur Respektierung fremder Güterrechte tritt, kann Eigentum als Rechtsinstitut begriffen werden.“ Ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 29; siehe auch allg. zur „Motivationskraft des Rechts“ Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 19, 143. 372 BVerfGE 58, 300 (330, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfGE 79, 29 (40); ferner BVerfGE 89, 1 (8), wo von der „Notwendigkeit einer gesetzlichen Ausgestaltung“ gesprochen wird; ähnlich schon BVerfGE 14, 263 (277).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

einfachen Gesetzgeber sei für die Lebenswirklichkeit zwingend: „Die Befugnis des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Eigentumsgarantie ergibt sich bereits aus der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Er könnte und müßte auch dann Bestimmungen über den Inhalt und die Schranken des Eigentums treffen, wenn es Art. 14 I 2 GG nicht gäbe.“373 Aufschlußreich sei in diesem Zusammenhang, daß keine Verfassung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft eine vergleichbare Vorschrift kenne, „offenbar, weil es als selbstverständlich angesehen wird, daß der Gesetzgeber die für das Gemeinschaftsleben erforderlichen eigentumsrechtlichen Vorschriften trifft.“374 Auch im sonstigen Schrifttum finden sich ähnliche Erwägungen zur Begründung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie375. Steht damit fest, daß die in Art. 14 I 2 GG normierte Kompetenz des einfachen Gesetzgebers zur Konstituierung von Eigentumsrechten zwingend ist, so ist damit aber nicht gesagt, daß die Eigentumsgarantie zu seiner freien Disposition steht. Es gilt vielmehr, auf dieser Grundlage ein eigentumsgrundrechtliches Schutzsystem zu entwickeln, das die in Art. 14 I 1 GG auch gegenüber dem Gesetzgeber gewährleistete Eigentumsgarantie nicht zur Makulatur werden läßt. Die entscheidende Frage ist dabei, welchen Weg es hierfür einzuschlagen gilt. Im Zuge der Naßauskiesungs-Entscheidung hat sich ein Teil des Schrifttums daran gemacht, dem gegen das BVerfG erhobenen Zirkelschluß-Vorwurf mit Verweis auf die Institutsgarantie entgegenzutreten376. Wird diese Argumentation im eigentumsdogmatischen Gesamtzusammenhang betrachtet, so geht es diesen Stimmen auch darum, das hier zur Debatte stehende Dilemma des normgeprägten Eigentumsgrundrechts aufzulösen. Der dafür gewählte Weg ist jedoch schlicht: Indem man die Institutsgarantie in den Vordergrund stellt, die nach h. M. ihre Vorgaben ausschließlich aus der Verfassung gewinnt377, wird versucht, das Problem 373 Böhmer, NJW 1988, S. 2573; ebenso ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 12; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 41 m. w. Nw. in Fn. 2. Zur damit angesprochenen „Wesentlichkeits-Rspr.“ des BVerfG siehe nur BVerfGE 49, 89 (126 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 264 ff. 374 Böhmer, NJW 1988, S. 2573 Fn. 85. Siehe auch ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 12, wo darauf hingewiesen wird, daß die Rechtsordnungen der verschiedenen Zeitepochen sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage nach den rechtlichen Beziehungen von Mensch und Sache gegeben haben. Es sei unmöglich, aus dieser Fülle von Eigentumstypen der Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung einen apriorisch vorgegebenen Eigentumsbegriff entnehmen zu wollen. Siehe hierzu auch Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 70; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 57 Fn. 12. 375 Siehe statt vieler Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 133; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 50; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 138 f.; Breuer, Die Bodennutzung, S. 19; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 113 m. w. Nw. in Fn. 502. 376 Insbes. Schoch, Hendler und Kleinlein, siehe die Nw. oben S. 83 Fn. 309. Daß dieser Gedanke auf einer Verkennung der Aussagen des BVerfG basiert, wurde bereits oben auf S. 82 f. dargestellt. 377 Näher hierzu unten auf S. 206 ff. (m. Nw. für Gegenansichten, die eine einfachgesetzliche Ausformung der Einrichtungsgarantie für erforderlich halten).

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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abzuschwächen, daß nach Art. 14 I 2 der Gesetzgeber zur Konstituierung der Eigentumsrechte berufen ist. Denn es verblieben ja, auch bei Anerkennung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie, verfassungsunmittelbare Pflichten des Gesetzgebers aus der Institutsgarantie. Daß diese Argumentation jedoch schief liegt und das eigentliche Problem lediglich kaschiert, liegt auf der Hand. Denn der dem BVerfG gemachte Vorwurf „Eigentum nach Gesetz“ zielt gerade darauf, daß es den Kritikern unangebracht erscheint, für das Eingreifen der Bestandsgarantie (mit der ihr eigenen Funktion als besonderen Rechtmäßigkeitsmaßstab und subjektives Abwehrrecht) ausnahmslos eine einfachgesetzliche Positionszuweisung zu verlangen. Der Verweis auf eine verfassungsunmittelbar gewährleistete Institutsgarantie, die nicht denselben Schutz liefert wie die Individualrechtsgarantie, liegt daher neben der Sache. Zudem wird bei einer derartigen Betrachtung das Verhältnis von Rechtsstellungs- und Einrichtungsgarantie verkehrt. Sinn und Zweck der aus Art. 14 I 1 GG abzuleitenden Institutsgewährleistung ist eine „Verstärkung der Geltungskraft des subjektiven Grundrechts“378 gegenüber dem Gesetzgeber. Das BVerfG bringt dies zum Ausdruck, wenn es betont: „Nach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt sind sie [die Grundrechte] in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektive Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft, hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung.“379

Mit der vorgenannten Betrachtung tritt jedoch genau das Gegenteil ein: Der Verweis auf die Einrichtungsgarantie führte im Ergebnis dazu, die Bedeutung der Rechtsstellungsgarantie zu relativieren. Dies liefe auf einen „Grundrechtsschutz (nur) nach Maßgabe der Institution“380 heraus. Da die Einrichtungsgarantie aber lediglich einen Grundstock an Eigentümerrechten sichert381, vermag die Betonung ihrer verfassungsunmittelbaren Gewährleistung einen Ausfall der gewichtigeren Rechtsstellungsgarantie nicht zu kompensieren382. Der Weg zu einem eigentumsgrundrechtlichen Schutzsystem, das diesen Namen auch verdient, muß daher in die Richtung führen, eigentumsrechtliche Regelungen des Gesetzgebers, neben der Institutsgarantie, soweit wie möglich auch an der Bestandsgarantie zu messen. Daß das bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsver378 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 15 (Hervorhebung im Original); siehe hierzu auch Friauf, NJW 1986, S. 2600 f.; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 129 f. m. w. Nw. 379 BVerfGE 50, 290 (337); siehe auch BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339): „Die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung dient der Sicherung dieses Grundrechts.“ 380 Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 96; ebenso Friauf, NJW 1986, S. 2600. 381 Hierzu näher unten S. 206 ff. 382 In diese Richtung zielt auch die Kritik an den Stimmen, die die Institutsgarantie zur Auflösung des „Zirkelschlusses“ heranziehen, bei Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 22 f.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 141 f.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 256 ff.; Hösch, JA 1998, S. 728; Friauf, NJW 1986, S. 2600 f.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

ständnis für eine derartige Prüfungsstruktur, auch bei Zugrundelegung der Gesetzesabhängigkeit der Rechtsstellungsgarantie, ausreichend Spielräume läßt, wird im zweiten Teil der Arbeit näher aufgezeigt383.

II. Die Voraussetzungen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition 1. Bestehen eines subjektiven Rechts Erfordert der erste Schritt zur Ermittlung der unter die Bestandsgarantie fallenden Positionen das Vorliegen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition im Sinne des Art. 14 I 2 GG, so ist nachfolgend die Frage zu klären, was das BVerfG hierunter versteht und unter welchen Voraussetzungen es eine solche bejaht. Anders als der oben bereits dargestellte Prüfungsschritt 2.a), bei dem es zur Ermittlung der eigentumsgrundrechtlichen Strukturvorgaben ausschließlich auf die Auslegung der Verfassung ankommt, geht es bei dieser Frage (Prüfungsschritt 1) allein um eine Interpretation des jeweils einschlägigen einfachen Rechts. Ob eine der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie genügende Rechtsposition im Sinne des Art. 14 I 2 GG besteht, macht das BVerfG davon abhängig, ob dem Betroffenen durch die einfachgesetzlichen Normen ein subjektives Recht eingeräumt wird. Dies bringt das Gericht dadurch zum Ausdruck, daß es zumindest in jenen Fällen, in denen das Vorliegen einer Rechtsposition zweifelhaft erscheint, eingehend die Frage nach dem Bestehen eines subjektiven Rechts prüft384. So stellt sich z. B. in einer Entscheidung zur Neuregelung des Weingesetzes385 die Frage, ob ein nach dem Warenzeichengesetz gewährleisteter Ausstattungsschutz eine von der Bestandsgarantie geschützte Rechtsposition ist. Dies wird vom Gericht bejaht, nachdem eine genaue Überprüfung des konkreten Umfangs der einfachgesetzlichen Zuordnung durch das Warenzeichengesetz zum Ergebnis führt, daß dem Betroffenen durch diese Vorschriften ein subjektives Recht vermittelt wird386. Diese Anknüpfung an das Vorliegen eines subjektiven Rechts zur Ermittlung einer einfachgesetzlichen Rechtsposition findet sich zum einen in bezug auf subjektive Rechte des Privatrechts387. Das Gericht prüft zum anderen das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts, wenn es um die Frage nach dem Eigentumsschutz einer öffentlichen Leistung geht388. Hierzu unten S. 154 ff. Ebenso Leisner, DVBl. 1983, S. 63, der feststellt, in der Diktion des BVerfG seien die Begriffe „Rechtsposition“ und „konkretes subjektives Recht“ identisch. 385 BVerfGE 78, 58 ff. 386 BVerfGE 78, 58 (71 ff.). 387 Vorliegen eines subjektiven Privatrechts ferner geprüft z. B. in BVerfGE 51, 193 (217 – Warenzeichen); 79, 174 (191 – Erbbaurecht); 83, 201 (209 f. – Vorkaufsrecht). 383 384

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, was das BVerfG unter einem subjektiven Recht versteht. Hierzu finden sich nähere Ausführungen in einer früheren Entscheidung zur Neuregelung des Weingesetzes389. Das Gericht hatte hier die Frage zu entscheiden, ob die geographische Herkunftsangabe (Lagename) eine Rechtsposition ist, die unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt. Dies macht das BVerfG davon abhängig, ob es sich bei dem Lagenamen um ein subjektives Recht handelt. Dazu führt es aus: „Die Begründung eines subjektiven Rechts setzt eine Norm des objektiven Rechts voraus, die geeignet ist, entweder unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der Norm mit Rechtswirkungen ausgestatteten Aktes eine Rechtsposition des einzelnen zu begründen.“390

In Kurzform gebracht, erfordert danach das subjektive Recht eine Norm des objektiven Rechts, die dem einzelnen eine Rechtsposition zuweist391. Diese Definition erscheint hier aber wenig hilfreich. Wird der Begriff der von der Bestandsgarantie geschützten „Rechtsposition“ durch den Terminus „subjektives Recht“ weiter konkretisiert, so erscheint der Begriff der „Rechtsposition eines einzelnen“ im Rahmen der Definition des subjektiven Rechts zirkulär. Werden aber die anschließenden Ausführungen des Gerichts näher betrachtet, so wird deutlich, was es mit der eben zitierten Passage zum Ausdruck bringen will. Es prüft, ob dem Betroffenen durch das Innehaben des Lagenamens rechtliche Befugnisse zustehen, von einem anderen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können392. Dementsprechend wird wenig später betont, Art. 14 GG schütze „[ . . . ] als Bestandsgarantie die konkrete Befugnis in der Hand des einzelnen Berechtigten (BVerfGE 24, 367 [389]; 31, 229 [239]; 42, 263 [294]).“393

388 So z. B. ausdrücklich in BVerfGE 18, 392 (397 – Beurkundungsbefugnis); 69, 272 (300 – Rentner-Krankenversicherung); 72, 141 (153 f. – Hinterbliebenenrente); 95, 64 (95 – Ablösemöglichkeit vom Wohnungsbindungsgesetz). 389 BVerfGE 51, 193 ff. 390 BVerfGE 51, 193 (211). 391 Auf die im Schrifttum bestehende Streitfrage, welche begrifflichen Merkmale ein subjektives Recht kennzeichnen, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Vgl. hierzu allg. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 164 ff.; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 29 ff. m. w. Nw.; speziell auf das Eigentum bezogen Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 21 Fn. 23 und S. 24 ff. m. w. Nw. Für den vorliegenden Zusammenhang soll lediglich das bundesverfassungsgerichtliche Begriffsverständnis von Interesse sein. 392 Vgl. BVerfGE 51, 193 (212 ff.), wo geprüft und i. E. verneint wird, ob sich über den Lagenamen bestimmte Berechtigungen aus dem Wettbewerbsrecht herleiten lassen. 393 BVerfGE 51, 193 (220, Hervorhebung nicht im Original); ferner BVerfGE 78, 58 (75); siehe auch die Gleichsetzung von „subjektiver Rechtsposition“ und „rechtlicher Befugnisse“ in BVerfGE 45, 297 (332). Damit ist Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 60, zuzustimmen, der feststellt, die Formulierung „Rechtsposition des einzelnen“ in der oben (zu Fn. 390) zitierten Entscheidung stehe für „die dem Rechtssubjekt eingeräumte Befugnis, von anderen Rechtssubjekten normkonformes Verhalten“ verlangen zu können.

7 Appel

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Dieses Verständnis des subjektiven Rechts als Frage nach der Zuweisung (mindestens) einer konkreten rechtlichen Befugnis394 läßt sich zudem in anderen Entscheidungen aufzeigen. Zu nennen ist nochmals die bereits oben angesprochene weitere Entscheidung zum Weingesetz395. Bei der Frage, ob der vom Warenzeichengesetz gewährleistete Ausstattungsschutz ein subjektives Recht sei, stellt das Gericht ausdrücklich auf die nach dem Warenzeichengesetz konkret eingeräumten „Befugnisse“ ab396. Ebenso geht das Gericht in der Vorkaufsrechts-Entscheidung vor, wenn es zur Einstufung des bergrechtlichen Vorkaufsrechts als subjektives Recht prüft, inwieweit dem Berechtigten nach §§ 504 ff., 1094 ff. BGB konkrete „Befugnisse“ eingeräumt werden397. Das vorgenannte Verständnis eines subjektiven Rechts hat zur Folge, daß ein solches zu verneinen ist, wenn dem Betroffenen von den einschlägigen Gesetzen keine entsprechenden Befugnisse einräumt werden. Dies kann darauf beruhen, daß überhaupt keine Berechtigungen zugeteilt werden bzw. lediglich eingeschränkte, denen ein „Unsicherheitsmoment“ 398 anhängt mit der Folge, daß nicht von einer verfestigten Rechtsposition gesprochen werden kann:  Vom BVerfG wird demgemäß ein subjektives Recht verneint, wenn eine öffentlich-rechtliche Leistung lediglich im Ermessen der Verwaltung steht. In diesen Fällen erwachse dem Betroffenen „keine Rechtsposition, die als Eigentum anzusehen ist.“399 Damit stellt das Gericht klar, daß die einfachgesetzlich eingeräumte Befugnis, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verlangen zu können, aufgrund des ihr innewohnenden Unsicherheitsfaktors nicht zur Bejahung eines subjektiven Rechts ausreicht400.

394 Zur str. Frage, inwieweit die Begründung eines subjektiven Rechts nicht nur Befugnisse, anderen zu gebieten und zu verbieten („Gebots- und Verbotsfunktion“), sondern auch die Zuweisung eigener Berechtigungen („Dürfensfunktion“) voraussetzt, siehe Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 45 ff. 395 BVerfGE 78, 58 ff. 396 BVerfGE 78, 58 (71 ff.). 397 BVerfGE 83, 201 (209 f.); vgl. auch BVerfGE 89, 1 (6 ff.), wo das Gericht zum Ergebnis kommt, daß die im BGB (insbes. in §§ 535 S. 1, 536, 571 a.F., §§ 823 I, 858 I, 862) dem Mieter zugewiesenen Befugnisse eine einfachgesetzliche Rechtsposition begründen (allerdings ohne auf den Begriff des subjektiven Rechts Bezug zu nehmen); siehe ferner das Abstellen auf die konkreten, einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnisse z. B. in BVerfGE 45, 297 (332); 50, 290 (342 f.); 58, 300 (329 ff., durchgängig, insbes. S. 336, 348 f.); 70, 191 (199); 79, 1 (25); 79, 29 (40); 79, 174 (191); 95, 64 (82 f.); 100, 289 (301). 398 Vgl. hierzu bereits oben S. 54 Fn. 170; ferner Gitter, NZA 1984, S. 140; Ossenbühl, in: FS-Zeidler, S. 630; Manssen, Staatsrecht, Rn. 413 a. E. 399 BVerfGE 63, 152 (174). 400 Siehe auch die eben in Fn. 399 genannte Fundstelle, wo das Gericht feststellt, an dieser Betrachtung ändere sich auch dann nichts, wenn das Ermessen durch Verwaltungsrichtlinien gebunden sei. Dasselbe gelte auch für den Fall, daß bereits zum Zeitpunkt des Gerichtsverfahrens Bestrebungen des Gesetzgebers bestünden, die zur Debatte stehende Ermessensleistung zukünftig als gebundene auszugestalten.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Anderes muß hingegen gelten, wenn sich der gesetzliche Ermessensanspruch in einem positiven Bescheid der Verwaltung manifestiert hat. Hier ist aufgrund der konkreten Einzelfallentscheidung das der gesetzlichen Regelung innewohnende Unsicherheitsmoment überwunden und dem Betroffenen durch den begünstigenden Einzelakt die Befugnis eingeräumt, das entsprechende Verhalten des Staates einzufordern. Das subjektive Recht des Bürgers ergibt sich aus der zustandegekommenen Sonderbeziehung (Verwaltungsakt als „Rechtsquelle“). Des weiteren ist ein subjektives Recht anzunehmen in Fällen, in denen bei Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen ein gebundener Anspruch besteht. Die damit bereits kraft Gesetzes eingeräumte Befugnis, bei Vorliegen des Tatbestandes normkonformes Verhalten verlangen zu können, reicht für die Begründung eines subjektiven Rechts aus. Sind die Normvoraussetzungen gegeben, so bedarf es keines konkretisierenden Bescheides mehr; ein subjektives Recht besteht bereits aufgrund des gesetzlichen Anspruchs401. Dasselbe muß dementsprechend gelten, wenn sich ein behördlich eingeräumtes Ermessen ausnahmsweise auf Auskehrung der Leistung reduziert hat.  Dieselben Überlegungen greifen in Sachverhalten, bei denen es um die Erteilung einer ordnungsrechtlichen Genehmigung geht. Steht diese, aufgrund einer repressiven Ausgestaltung402, lediglich im Ermessen der Verwaltung, so ist ein subjektives Recht zu verneinen403. So weist das Gericht in der NaßauskiesungsEntscheidung404 darauf hin, daß dem Betroffenen auf Grundlage der zur Debatte stehenden Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes keine Rechtsposition zustehe, die unter den Schutz der Bestandsgarantie falle. Die Genehmigungserteilung stehe aufgrund des repressiven Charakters des WHG lediglich im Ermessen der Behörde405.

Anders gestaltet sich die Sachlage beim präventiven Verbot. Hier ist dem Bürger kraft Gesetzes die Befugnis eingeräumt, bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen von der Behörde die Erlaubniserteilung verlangen zu können. Ein subjektives Recht ist zu bejahen406. Dasselbe muß wieder in den Fällen einer Ermessensreduktion gelten.

401 Z. B. beim Anspruch auf Arbeitslosengeld, vgl. BVerfGE 72, 9 (21 f.); ebenso BVerfGE 53, 257 (289 f. – Altersrente). 402 Allg. zur Problematik des repressiven / präventiven Verbots mit Ausnahme- bzw. Befreiungsvorbehalt BVerfGE 20, 150 (155 ff.); 25, 112 (123); 49, 89 (145); Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 192 ff. 403 I. E. ebenso König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 27. Anderes gilt wiederum, sobald die Genehmigung erteilt worden ist. 404 BVerfGE 58, 300 ff. 405 Vgl. hierzu BVerfGE 58, 300 (304 f., 328 f., 336 f., 346 a. E.). Die erst später in § 1a III Nr. 1 WHG eingeführte Regelung, wonach das Grundeigentum nicht zu einer erlaubnisoder bewilligungspflichtigen Grundstücksnutzung ermächtigt, hatte daher rein deklaratorischen Charakter, BVerfGE 58, 300 (329).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

 Ferner wird vom BVerfG – besonders im sozialversicherungsrechtlichen Bereich – ein subjektiv-öffentliches Recht abgelehnt, wenn die einfachgesetzliche Ausgestaltung keine Anwartschaft auf eine bestimmte Leistung, sondern nur eine bloße „Aussicht“ auf eine solche darstellt407. So wird in einer Entscheidung zur Hinterbliebenenversorgung ausdrücklich das Vorliegen einer Rechtsposition verneint, weil außer dem Ablauf der Wartezeit und dem Eintritt des Versicherungsfalles weitere Anspruchsvoraussetzung das Fortbestehen der Ehe war408. Wegen dieses Unsicherheitsmomentes bliebe es „bei einer bloßen Aussicht auf die Leistung, die mit der Auflösung der Ehe oder dem Vorversterben des Partners entfällt.“ 409  Auf derselben Linie bewegt sich das Gericht, wenn es allgemein solche Positionen vom Eigentumsschutz der Bestandsgarantie ausschließt, die keine konkreten gesetzlichen Befugnisse einräumen, sondern sich nur als „Erwerbschancen“ darstellen410. Derartige Hoffnungen und Erwartungen fielen mangels einfachgesetzlicher Verfestigung nicht unter den Schutz der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG411.

406 BVerfGE 58, 300 (348 f.), wo das Gericht feststellt, dem Betroffenen sei durch das vor dem Wasserhaushaltsgesetz geltende Preußische Wassergesetz eine „verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition“ zugewiesen, weil ihm dort aufgrund präventiver Ausgestaltung grds. die Befugnis zustand, beim Kiesabbau in den Grundwasserbereich einzugreifen. 407 Vgl. BVerfGE 69, 272 (300 f., zitiert bereits oben auf S. 54); 72, 141 (153); siehe hierzu auch Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 60. 408 BVerfGE 97, 271 (284). 409 BVerfGE 97, 271 (284); ebenso bereits früher die Entscheidung zur Geschiedenen-Witwenrente BVerfGE 72, 141 (153 f.); siehe ferner BVerfGE 69, 272 (308.). In derartigen Fällen könne der Bürger nicht davon ausgehen, daß es sich um „seine, ihm ausschließlich zustehende Rechtsposition“ handelt, vgl. BVerfGE 69, 272 (301); 72, 9 (19); 72, 141 (153); 76, 220 (236). Anders z. B. die Sachlage in BVerfGE 69, 272 (305); 92, 365 (405), wo eine Anwartschaft bejaht wurde. 410 Zur Frage, inwiefern eine „Erwerbsfreiheit“, wenn schon nicht von der Bestands-, so doch zumindest von der Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG geschützt wird, noch näher unten auf S. 217 f. 411 St. Rspr., siehe u. a. BVerfGE 17, 232 (248); 65, 196 (209); 68, 193 (222); 74, 129 (148); 78, 205 (211); 83, 201 (211); 94, 241 (258); 102, 197 (211); 105, 252 (277 f.); hierzu Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 19; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 196; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 79 m. w. Nw. in Fn. 358. Bloße Erwerbschance ist etwa die Position des Finders, BVerfGE 78, 205 (211 ff.), anders z. B. das Vorkaufsrecht (zumindest nach Eintritt des Vorkaufsfalles) aufgrund der damit verbundenen Befugnisse, BVerfGE 83, 201 (209 ff.). Vom BVerfG wird ferner ein subjektives Recht verneint, wenn das einfache Recht keine „unmittelbaren“ Befugnisse einräumt, sondern diese lediglich als „Rechtsreflex“ bestehen, vgl. BVerfGE 51, 193 (211 ff.); BVerfG, 1 BvR 868 / 90, K.-Beschl. v. 29. 07. 1991, NJW 1992, S. 37.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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2. Die Bestandsgarantie als „Bündel von Befugnissen“ Oben wurde dargelegt, daß das BVerfG aus Art. 14 I 2 GG folgert, nur durch einfache Gesetze ausgeformte Rechtspositionen könnten unter den Schutz der Bestandsgarantie fallen. Als Konsequenz dieser Gesetzesabhängigkeit ergibt sich, daß sich die exakten Konturen der Bestandsgarantie des jeweiligen Grundrechtsträgers ausschließlich am Umfang der einfachgesetzlich zugewiesenen Rechtspositionen ausrichten. Dies macht das Gericht deutlich, wenn es in st. Rspr. betont: „Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist.“412

Des weiteren wurde festgestellt, daß das Gericht für das Vorliegen einer unter den Schutz der Bestandsgarantie fallenden Rechtsposition prüft, inwieweit einfachgesetzlich zugewiesene Befugnisse bestehen, die dem Bürger ein subjektives Recht vermitteln. Daraus ist zu folgern, daß sich die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie genaugenommen allein am Umfang der Berechtigungen orientiert, die im jeweiligen Fall einfachgesetzlich zugewiesen sind. Dementsprechend führt das Gericht in seiner Entscheidung zum Wohnungsbindungsgesetz aus: „Der verfassungsrechtliche Schutz einer Eigentumsposition reicht also nicht weiter als die mit ihr zulässigerweise verbundenen, gesetzlich definierten Befugnisse.“413

Damit bringt das Gericht zum Ausdruck, daß sich der exakte Umfang des von Art. 14 I 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes ausschließlich an den konkreten Befugnissen orientiert, die dem Bürger aufgrund einfachen Rechts subjektive Rechte vermitteln. Die Individualrechtsgarantie eines Eigentümers reicht damit niemals weiter als das Bündel von Befugnissen, das er vom Gesetzgeber geschnürt bekommen hat414. 412 BVerfGE 53, 257 (292, Hervorhebung nicht im Original); ferner u. a. BVerfGE 50, 290 (339 f.); 58, 81 (109 f.); 70, 101 (110); 72, 9 (22); 74, 203 (214); 75, 78 (97); 76, 220 (238); 90, 226 (236); 91, 294 (308); 95, 48 (58); 95, 143 (161); 100, 1 (37); 101, 54 (75); BVerfG.de, 1 BvR 1423 / 94, K.-Beschl. v. 20. 09. 2001, Abs. 34. 413 BVerfGE 95, 64 (82 f., Hervorhebung nicht im Original). Siehe ferner die bereits oben auf S. 33 zu Fn. 58 zitierte Passage der Naßauskiesungs-Entscheidung (BVerfGE 58, 300 [336]), in der das Gericht betont, daß die im Rahmen einer Gesamtschau des einfachen Rechts ermittelten Befugnisse über die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie bestimmen: „Ergibt sich hierbei, daß ein Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört sie nicht zu seinem Eigentumsrecht.“ 414 Ebenso das Verständnis des Eigentums als „Befugnisbündel“ etwa bei Rittstieg, Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 98 („Bündel von Eigentümerrechten“); ders., JZ 1983, S. 163 („Bündel von Rechten und Pflichten“); Burgi, NVwZ 1984, S. 531 („Rechtsbündel“); Kube, JZ 2001, S. 948 („Befugnisbündel“); Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 39; König, JA 2001, S. 346; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 42; Breuer, Die Bodennutzung, S. 160. Ebenso ferner Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 96, wenn diese betonen, das BVerfG gehe aufgrund seiner Anknüpfung an Rechtspositionen von einem in „außerordent-

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

3. Reichweite der Bestandsgarantie bei mehrdimensionalen Zuordnungsverhältnissen Ergibt sich der genaue Umfang der Rechtsstellungsgarantie aus den konkreten, einfachgesetzlich zugeordneten Berechtigungen, so bestehen keine besonderen Schwierigkeiten einer Umfangsbestimmung, wenn die einzelnen Befugnisse, die aus einem bestimmten Zuordnungsverhältnis fließen, in ein und derselben Rechtsmaterie verwurzelt sind. So entspringen z. B. die Berechtigungen, die mit der öffentlich-rechtlichen Zuordnung einer Person als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung verbunden sind, ausschließlich dem öffentlichen Recht. Die Reichweite des Bestandsschutzes bestimmt sich hier allein nach dem Befugnisbündel, das dem Bürger durch die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen zugewiesen wird. Ebenso wird der Umfang der zivilrechtlichen Stellung als Inhaber einer Kaufpreisforderung maßgeblich durch die nach BGB verliehenen Befugnisse markiert. Es gibt aber auch Zuordnungsverhältnisse zwischen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt, die keinen solch eindimensionalen Charakter aufweisen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß die aus ihnen folgenden Befugnisse mehrdimensional sind, d. h. nicht ein und derselben Rechtsmaterie entspringen, sondern sowohl dem Privat- als auch dem öffentlichen Recht entnommen werden können. Paradebeispiel hierfür ist das Grundeigentum. Neben den sich aus dem BGB ergebenden Berechtigungen, das Grundstück z. B. veräußern zu können oder mit dinglichen Rechten zu belasten, ist die Stellung des Grundeigentümers durch eine Vielzahl öffentlich-rechtlicher Regelungen geprägt. So sind seine Befugnisse, das Grundstück bebauen zu dürfen, im öffentlich-rechtlichen Bauordnungs- und Planungsrecht geregelt, weitere Bestimmungen finden sich etwa in Vorschriften zum Natur-, Denkmal- und Wasserschutz sowie Grundstücksverkehr415. Die Gesamtrechtsstellung, die sich aus der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses als Grundstückseigentümer durch dessen Erwerb nach §§ 873, 925 BGB ergibt, ist damit gekennzeichnet durch eine Gemengelage von Privat- und öffentlichem Recht.

lich vielfältige Facetten aufgliederbaren Eigentumsrecht“ aus. Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 93 ff., stellt fest, Eigentumspositionen dürften nicht gegenständlich, sondern nur als „Nutzungsbündel“ verstanden werden, und macht in diesem Zusammenhang Anleihen an die property-rights-Lehre (siehe in diesem Zusammenhang allg. zum Verständnis der Grundrechte als „Bündel von grundrechtlichen Positionen“ Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 224 ff.). Zu Stimmen, die dieses Verständnis des Eigentums als „Befugnisbündel“ scharf ablehnen, siehe noch unten S. 139 Fn. 582. 415 Vgl. hierzu Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 5, der feststellt, die wichtigsten die Eigentumsordnung an Grund und Boden betreffenden Vorschriften seien nicht im BGB, sondern im öffentlichen Recht geregelt.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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a) Zusammenschau des Privat- und öffentlichen Rechts Bei solch mehrdimensionalen Zuordnungsverhältnissen stellt sich damit die Frage, ob sich die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie aus einer Gesamtbetrachtung aller in beiden Rechtsmaterien geregelten Befugnisse ergibt, oder ob hier einer von beiden ein Vorrang einzuräumen ist. Dieses Problem taucht vor allem beim Grundstückseigentum auf. Denn mit Erlaß des BGB stand dem Grundeigentümer gemäß §§ 903, 905 BGB das grundsätzlich umfassende Recht zu, sein Grundstück nach freiem Belieben zu nutzen. Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die größtenteils erst später entstanden416, könnten insoweit als Einschränkungen eines zuvor bereits durch das Zivilrecht umfassend gewährten Befugniskanons verstanden werden. Obwohl sie dem Grundeigentümer bestimmte Befugnisse einräumen (z. B. zu bauen, zu emittieren), wären sie dennoch als Einschränkungen eines zuvor bereits zivilrechtlich zugewiesenen, umfassenden Nutzungsrechts zu verstehen. Damit verbindet sich der Gedanke, einen Vorrang der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen zu kreieren, also in den Fällen der Mehrdimensionalität die Reichweite der Bestandsgarantie zunächst ausschließlich an den zivilrechtlich zugewiesenen Befugnissen festzumachen, in die durch öffentlich-rechtliche Regelungen nachträglich befugnismindernd eingegriffen wird. Praktische Folge wäre damit zugleich immer auch das Erfordernis einer besonderen Rechtfertigung dieses Eingriffs in ein zuvor bereits zivilrechtlich zugewiesenes Bestandseigentum. Das BVerfG weist ein derartiges Eigentumsverständnis in seiner Naßauskiesungs-Entscheidung ausdrücklich zurück: „[Eine] am Vorrang der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsordnung gegenüber öffentlichrechtlichen Vorschriften orientierte Rechtsansicht entspricht nicht dem Grundgesetz.“417 „[ . . . ] bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Rechtsstellung des Eigentümers [wirken] bürgerliches Recht und öffentlich-rechtliche Gesetze gleichrangig zusammen. Die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung ist keine abschließende Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums. Den privatrechtlichen Eigentumsvorschriften kommt im Rahmen des Art. 14 GG auch kein Vorrang vor den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu, die eigentumsrechtliche Regelungen treffen. Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich vielmehr aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften. Ergibt sich hierbei, daß der Eigentümer eine bestimmte Befugnis nicht hat, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht.“418

416 In diesem Zusammenhang wird von einer späteren „Überlagerung“ der bürgerlichrechtlichen Eigentumsordnung durch das öffentliche Recht gesprochen, vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 233; siehe auch Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 284, der diese Überlagerung als Folge der Entwicklung vom liberalen Nachtwächterstaat zum modernen Lenkungs- und Leistungsstaat sieht. 417 BVerfGE 58, 300 (335). 418 BVerfGE 58, 300 (336, Hervorhebung im Original).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Diese damit betonte sog. Gesamtschau beider Rechtsmaterien, auf die das Gericht auch später wiederholt Bezug nimmt419, enthält die klare Absage einer vorrangig am zivilrechtlichen Eigentum orientierten Betrachtungsweise, in das durch öffentlich-rechtliche Vorschriften per se eingegriffen wird. Das Gericht verdeutlicht damit auch sein Verständnis der Bestandsgarantie als Befugnisbündel, wobei sich die konkrete Reichweite bei konkurrierenden Befugniszuweisungen nach dem Spezialitätsprinzip bestimmt: Diejenigen Befugnisnormen, die bereichsspezifisch bestimmte Berechtigungen zuweisen, begrenzen von vornherein weitergehende Befugniszuweisungen durch allgemeinere Regelungen. Für den Naßauskiesungsfall bedeutete dies: Selbst wenn man davon ausgeht, daß dem Grundstückseigentümer zivilrechtlich durch §§ 903, 905 BGB in allgemeiner Weise grundsätzlich die Befugnis zugewiesen wird, (auch) das Grundwasser zu nutzen420, so sind für die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie dennoch die spezielleren, öffentlich-rechtlichen Regelungen des Wasserrechts maßgeblich. In bezug auf das Wasserhaushaltsgesetz hat dies zur Folge, daß aufgrund des repressiven Charakters kein subjektives Recht auf Grundwassernutzung besteht421. Da das bereichsspezifische Recht lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung, mithin keine eigentumsfähige Rechtsposition zuweist, kommt es insofern auf eine möglicherweise bestehende zivilrechtliche Befugnis zum Gebrauch des Grundwassers gar nicht mehr an422. Systematisch folgert das BVerfG diese Gesamtschau beider Rechtsmaterien aus einer Auslegung des Eigentumsgrundrechts, wobei es wiederum den Sinn und Zweck der einzelnen Bestimmungen des Art. 14 GG in den Vordergrund stellt. 419 Z. B. BVerfGE 72, 66 (77); 74, 129 (148); BVerfG, 1 BvR 218 / 99, K.-Beschl. v. 11. 11. 2002, NVwZ 2003, S. 198. Vor der Naßauskiesungs-Entscheidung siehe bereits BVerfGE 21, 73 (79), wo das Gericht erstmalig von einer derartigen Gesamtschau ausgeht, wenn es feststellt, eine öffentlich-rechtliche Regelung des Grundstücksverkehrsgesetzes (hier: Veräußerungs- und Erwerbsbeschränkung) sei eine „den Inhalt des Rechtsinstitutes Eigentum bestimmende Norm“ i. S. d. Art. 14 I 2 GG (ebenso i. E. die übrigen Entscheidungen zum Grundstücksverkehr, vgl. BVerfGE 21, 87 [90 f.]; 21, 92 [93]; 21, 94 [97]; 21, 99 [100 f.]; 21, 102 [104 f.]; 21, 306 [309 ff.]; 26, 215 [222 ff.]). Die Tragweite dieser Passage des Beschlusses, der eine eingehende Untersuchung Böhmers zugrunde liegt (Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 3 ff.), wurde in der Rechtswissenschaft bis zur Naßauskiesungs-Entscheidung nicht erkannt. Siehe hierzu v. Heynitz, Rechtshistorische Erkenntnisse, S. 32 Fn. 3. 420 So der BGH im Vorlagebeschluß, vgl. BVerfGE 58, 300 (310); wegen des Wortlautes des § 905 BGB und der Kompetenzregelung des Art. 65 EGBGB ablehnend BVerfGE 58, 300 (332 ff.). 421 Vgl. BVerfGE 58, 300 (304 f., 328 f., 336 f., 346 a. E.) und bereits oben S. 99 Fn. 405; anders hingegen die Sachlage auf Grundlage des Preußischen Wassergesetzes, vgl. BVerfGE 58, 300 (348 f.) und schon oben S. 100 Fn. 406. 422 Siehe BVerfGE 58, 300 (337): „Das Grundstückseigentum umfaßt nicht die Befugnis zur Nutzung des Erdkörpers, die nur im Rahmen einer zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung [nach dem WHG] verwirklicht werden kann. Die Naßauskiesung kann nicht in eine nach privatem Recht zulässige Kiesgewinnung und einem nach dem Wasserhaushaltsgesetz unzulässigen Grundwasserausschluß aufgegliedert werden.“

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Ausgangspunkt ist dabei die Erkenntnis, daß Art. 14 GG dem einfachen Gesetzgeber den Auftrag erteile, bei der Gestaltung der Eigentumsordnung nach Art. 14 I 2 GG zum einen die in Art. 14 I 1 GG gewährleisteten Eigentümerinteressen zu berücksichtigen, zum anderen aber ebenso die Belange des Gemeinwohls (Art. 14 II GG)423. Daß das GG nicht lediglich die Eigentümerinteressen betont, sondern gleichsam in Art. 14 II GG auch die sozialen Pflichten des Eigentums, ist nach dem BVerfG besonderer Ausdruck des „Menschenbildes des Grundgesetzes“424: Das GG gehe nicht von einem isolierten, souveränen Individuum aus, sondern löse das Spannungsverhältnis von Individuum und Gemeinschaft im Sinne einer „[ . . . ] Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person [ . . . ], ohne dabei deren Eigenwert anzutasten [ . . . ].“425

Der Verfassungsgeber habe mit der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG die Vorstellung eines „sozialgebundenen Privateigentums“426 zum Ausdruck gebracht: „Hierin liegt die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat (vgl. BVerfGE 21, 73 [83]).“427

Da die Bewältigung von Aufgaben, die dem Gemeinwohl dienen, aber eine Angelegenheit sei, die, wenn auch nicht ausschließlich, so doch typischerweise durch Normierung öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolge428, dürfen diese nach dem BVerfG bei der Ermittlung der konkreten Reichweite der Bestandsgarantie nicht ausgeklammert werden. Sie wirken vielmehr gleichrangig mit den bürgerlichrechtlichen Bestimmungen zusammen429. Vgl. BVerfGE 52, 1 (29). BVerfGE 4, 7 (15). 425 BVerfGE 4, 7 (15 f.); dazu auch Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 76; ders., NJW 1988, S. 2572. 426 BVerfGE 52, 1 (29); 68, 361 (369); 101, 239 (259). Siehe auch Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 66: „Die Eigentumsgarantie [des GG] ist in erster Linie ein Menschenrecht und nicht eine Sachgarantie. Sie dient dem Ziel, menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Sie ist keine verfassungsrechtliche Verlängerung oder Ausdehnung sachenrechtlicher Abwehrrechte.“ 427 BVerfGE 102, 1 (15); hierzu auch Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 61 ff., 76 f.; ders., NJW 1988, S. 2567 f., 2572; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 110. Daher beansprucht der Satz „in dubio pro libertate“ bei Art. 14 GG keine uneingeschränkte Geltung, vgl. Breuer, Die Bodennutzung, S. 41 m. w. Nw. in Fn. 129. Vgl. auch Gallwas, Grundrechte, Rn. 530, der betont, bei Art. 14 GG gäbe es „keine verfassungsrechtliche Freiheitsvermutung“ (Hervorhebung im Original). 428 Vgl. BVerfGE 58, 300 (335 a. E., 344); 72, 66 (77); siehe ferner BVerfGE 58, 300 (302 f.), wonach die Regelungen des Preußischen Wassergesetzes, mit denen man versuchte, die Konflikte um die Grundwassernutzung i. e. L. mit privatrechtlichen Mitteln zu bewerkstelligen, als unzureichend angesehen wurden. 429 Sieht man damit Art. 14 II GG als Grund für die Zusammenschau, d. h. die Einbeziehung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der Ermittlung des konkreten Umfangs einer einfachgesetzlichen Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 2 GG, so ist i. E. auch Art. 14 II GG 423 424

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Dieser vom BVerfG gewonnenen Erkenntnis haftet angesichts des Wortlauts des Art. 14 II GG kein revolutionärer Beigeschmack an, sie ist heute weithin Allgemeingut geworden430. Und dennoch war es nicht zuletzt die oben431 zitierte Passage aus der Naßauskiesungs-Entscheidung, die die bis dato geltende Eigentumsdogmatik der Fachgerichte und h. L. vollständig verwarf und eine „kopernikanische Wende“432 einleitete. Der Grund für ein derart divergierendes Eigentumsverständnis ist maßgeblich darin zu sehen, daß sich die fachgerichtliche Judikatur und der Großteil der Lehre bis zu diesem Zeitpunkt auf ein Eigentumsmodell stützten, das im wesentlichen auf der Vorgängernorm der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung, Art. 153 WRV, beruhte. Dabei wurde sich aber nicht hinreichend bewußt gemacht, daß dieses Eigentumsmodell aufgrund einer anders gelagerten Verfassungsstruktur nicht ohne weiteres auf die Eigentumsgewährleistung des GG übertragen werden konnte433. Da diese Fehlvorstellung die Handhabung des Art. 14 GG bis in die heutige Zeit stark beeinträchtigt, soll nachfolgend ein Überblick über das Verständnis der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung gegeben werden. b) Die Eigentumsgewährleistung des Art. 153 WRV434 als Bürde des Art. 14 GG (1) Die Stellung der Grundrechte unter der WRV Die Bedeutung der in Art. 153 WRV normierten Eigentumsgarantie war von Anfang an geprägt von dem bloßen Programmsatz-Charakter, der den Grundrechten (neben Art. 14 I 1 und Art. 14 I 2 GG, vgl. oben S. 84 f.) in den „verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff“ einzubeziehen. Denn auch diese Frage wirkt sich auf die Qualifikationsprüfung aus. 430 Siehe etwa die Betonung der Gesamtschau zwischen Privat- und öffentlichem Recht bei Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 18; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 44; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 901; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 143; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 117; Seidel, ZG 2002, S. 132; siehe hierzu ferner Böhmer, DÖV 1982, S. 88; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 14. Ablehnend z. B. Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 39 ff. 431 Siehe S. 103 zu Fn. 418. 432 Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 167; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 41; ders., NJW 1988, S. 2561. 433 Vgl. Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 4; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 6, die in diesem Zusammenhang von einer „Weimarer Hypothek“ sprechen, mit der Art. 14 GG von Beginn an belastet gewesen sei. 434 Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (RGBl. S. 1383 ff.), Art. 153: „[Abs. 1] Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. [Abs. 2] Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im

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unter der WRV zukam. Obwohl sie die erste bedeutsame435 Reichsverfassung436 war, die einen Grundrechtskatalog beinhaltete, wurde das Gewicht der Grundrechte durch die damalige Verfassungsstruktur stark relativiert. Wie bereits zuvor in den konstitutionellen Landesverfassungen des 19. Jh. kam den Grundrechten der WRV keine verfassungsunmittelbare Verbindlichkeit gegenüber den Staatsgewalten zu. Sie wurden teilweise als „allgemeine Programmsätze ohne unmittelbare rechtliche Wirksamkeit“437 verstanden. Der Versuch, den Grundrechten der WRV durch eine dem heutigen Art. 1 III GG vergleichbare Vorschrift Geltungskraft zu verleihen, scheiterte im Plenum der Nationalversammlung438. Einen „Vorrang“ der Grundrechte vor dem einfachen Gesetz gab es daher nicht. Die Verfassungsbestimmungen der WRV waren, von ihrer erschwerten Abänderbarkeit gemäß Art. 76 WRV abgesehen, grundsätzlich Gesetze wie alle anderen auch439. Die Grundrechte sollten dem neuen parlamentarischen Gesetzgeber „keine Fesseln anlegen“440; er war im Verständnis des Reichsgerichts „selbstherrlich“441.

Streitfalle der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit nicht Reichsgesetze etwas anderes bestimmen. [ . . . ] [Abs. 3] Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“ 435 Die Paulskirchenverfassung von 1848 enthielt zwar bereits einen Grundrechtskatalog. Sie war allerdings nur kurze Zeit in Kraft und konnte keine große Wirkung entfalten. Die Reichsverfassung von 1871 hatte bekanntlich keinen Grundrechtskatalog. 436 Auf die in den deutschen Landesverfassungen des 19. Jh. normierten Grundrechte, deren Geltung aber, ähnlich wie später auch in der WRV, stark abgeschwächt war, soll hier nicht näher eingegangen werden. Siehe hierzu v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 21 ff.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 23 ff.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 26 ff.; Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 167 ff. m. w. Nw. auf S. 176 Fn. 56. 437 RGZ 102, 145 (146); siehe hierzu allg. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 14 ff. Im damaligen Schrifttum bezeichnete man die Grundrechte lediglich als „fromme Wünsche“, „Ermahnungen“ und „Proklamationen“ an den Gesetzgeber. Siehe hierzu die Nw. bei Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 60 Fn. 16 ff. 438 Art. 107 Entw.RV, der die Grundrechte als „Schranke für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspflege“ bezeichnete, fand keine Mehrheit. Hierzu Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 6 f., 28; ders. Der Staat 24 (1985), S. 186 f.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 44 f.; ders., NJW 1988, S. 2562. 439 Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 7; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 45; ders., NJW 1988, S. 2562. 440 Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 187 m. w. Nw. in Fn. 91; vgl. auch J. Ipsen, Neuere Entwicklungen in der Eigentumsdogmatik, S. 135, der vom einem Weimarer „Parlamentsabsolutismus“ spricht. 441 RGZ 118, 325 (327); siehe auch Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 138, die auf eine „legislatorische Omnipotenz“ hinweisen.

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(2) Die Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV Dieser Programmsatz-Charakter der Weimarer Grundrechte ging auch an der Eigentumsgewährleistung des Art. 153 WRV nicht spurlos vorbei. Dies galt vor allem angesichts des Umstandes, daß die in Art. 151 ff. WRV geschaffenen sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte über den traditionellen liberalen Grundrechtskanon hinausgingen. Für die Staatsrechtslehre und die Judikatur war es anfangs schwierig, diese teils neuartigen Bestimmungen zunächst dogmatisch einzuordnen, was ihrer Verbindlichkeit zusätzlich entgegenwirkte442. Für die Eigentumsgewährleistung hatte die fehlende Bindungswirkung schließlich zur Folge, daß es dem Bürger nicht möglich war, unter Berufung auf Art. 153 WRV eine hoheitliche Maßnahme als verfassungswidrig abzuwehren443. Um aber die Eigentumsgarantie angesichts ihres fehlenden Abwehrcharakters nicht völlig Makulatur werden zu lassen, sah die überwiegend liberal-konservative Richterschaft, die dem neuen parlamentarischen System weitgehend skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, eine der wenigen Schranken für die Gesetzgebung in einer Ausweitung des Art. 153 II WRV, d. h. in der Möglichkeit, dem Bürger im Falle einer Enteignung anstelle der entzogenen Eigentumsposition eine Entschädigung zuzusprechen444. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 153 WRV wurde damit zu einem relativen445 „Anspruch auf angemessene Entschädigung“446. Das Eigentum, von seiner Grundidee her als persönliches Freiheitsrecht gedacht, war allein auf eine „vermögensrechtliche Größe reduziert“447. Um im Einzelfall zu einer Entschädigungspflicht zu Dazu Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 59 ff. Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 7; ders., Der Staat 24 (1985), S. 171 ff. In der damaligen Literatur wurde Art. 153 WRV daher als „leerlaufend“ und „überflüssig“ bezeichnet, vgl. die Nw. bei Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 177 Fn. 58; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 65 Fn. 197. 444 Dazu Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 73; ders., NJW 1988, S. 2571: „Wenn der ,selbstherrliche‘ Gesetzgeber schon nicht gehindert werden konnte, das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren, einzuschränken, sollte wenigstens ein finanzieller Ausgleich ,nach richterlichem Ermessen‘ gewährt werden.“ 445 Nur für landesgesetzliche Enteignungen war die Entschädigung zwingend, bei Reichsgesetzen konnte sie sogar ausgeschlossen werden (vgl. Art. 153 II 2 Hs. 2 WRV). 446 BVerfGE 24, 367 (400); hierzu auch Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 43; ders., NJW 1988, S. 2562; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 71; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 7 f.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 6 f. Auch noch unter Geltung der demokratischen Reichsverfassung behielt damit der berühmte, ursprgl. auf den monarchistischen Polizeistaat bezogene Satz Mayers unverminderte Aktualität, wonach der Bürger Eigentumseingriffe nur „dulden und liquidieren“ könne (Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, S. 53 Fn. 27). 447 Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 175 m. w. Nw. in Fn. 53 ff. Siehe auch Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 8, der von einer Degradierung zu einem „Gegenstand des sekundären Staatshaftungsrechts“ spricht. Ungeachtet der Bedenken, die man aus heutiger Sicht gegen eine solche „Kommerzialisierung“ der Eigentumsgarantie vorbringen mag, darf aber nicht aus den Augen verloren werden, daß angesichts des mangelhaften Weimarer Grundrechtsschutzes der Weg, dem Bürger zumindest den Wert seines Eigentums sichern zu 442 443

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kommen, bedurfte es aber zweier „Kunstgriffe“, die noch bis in die heutige Zeit das Verständnis der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG stark belasten. (a) Der Vorrang des Privatrechts vor öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen Zunächst bestand, um dem Bürger die Möglichkeit einer Entschädigung nicht bereits von vornherein zu verschließen, das Bedürfnis nach einem äußerst weiten Schutzbereich des Art. 153 I 1 WRV. Zu diesem Zweck wurde auf das liberale, pandektistisch geprägte zivilrechtliche Eigentumsverständnis zurückgegriffen, das einige Jahre zuvor mit der Schaffung des § 903 BGB seinen paradigmatischen Ausdruck gefunden hatte. Nach dieser Regelung ist der (Sach-)Eigentümer grundsätzlich befugt, sein Eigentum nach freiem Belieben zu nutzen. Ausgehend von dieser umfassenden Eigentümerbefugnis stellte das RG in seinem vielzitierten Galgenberg-Urteil fest: „Eine Enteignung [ . . . ] ist schon dann anzuerkennen, wenn das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gemäß § 903 BGB nach Belieben zu verfahren, zugunsten eines Dritten beeinträchtigt wird.“448 Auf dem Gedanken fußend, dem Bürger weitgehend die Möglichkeit zu erhalten, zumindest eine Enteignungsentschädigung erlangen zu können, dehnte das RG also den Schutzbereich des Art. 153 I 1 WRV insoweit aus, als daß es dem Eigentümer, in Anlehnung an § 903 BGB, ein „an sich“ völlig unbeschränktes Recht im Umgang mit seiner Sache zusprach449. Staatliche Maßnahmen, die dieses Eigentümerbelieben beschränkten, konnten daher, wenn schon nicht abgewehrt, so doch zunächst potentiell immer als entschädigungspflichtige Enteignung angesehen werden450. Dies hatte maßgebliche Bedeutung in bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, weil vor allem durch diese das freie Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB in vielfältiger Hinsicht beschränkt wurde451. Ihre Schaffung und Anwendung konnte wollen, „verständlich“ war (Böhmer, Der Staat 24 [1985], S. 178). Siehe auch BVerfGE 34, 367 (400), wo festgestellt wird, daß angesichts des fehlenden Grundrechtsschutzes unter der WRV „die Rechtsprechung notwendigerweise den Schutz des Bürgers im Entschädigungsrecht“ habe suchen müssen. 448 RGZ 116, 268 (272) unter Hinweis u. a. auf RGZ 105 (253); 107 (269); 108 (253); 111 (226); 112 (191). 449 Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 120; Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 184; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 67; ders., NJW 1988, S. 2569. 450 Siehe dazu die plastische Darstellung von Wahl, NVwZ 1984, S. 405, der diese an § 903 BGB orientierte Sichtweise mit einem vollen (Eigentums-)Kreis vergleicht, aus dem durch eigentumsrechtliche Neuregelungen bestimmte Eigentumssplitter herausgebrochen würden, so daß man zwangsläufig zur Annahme eines Eingriffs komme. Der Betrachtung, daß durch derartige Bestimmungen evtl. der Kreis selbst in seinem Radius verkleinert sein könnte, mithin gar kein Eingriff vorliege, werde sich damit aber von vornherein verschlossen. 451 Siehe Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 11 f., insbes. seine Beispiele auf S. 12 Fn. 18.

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auf dieser Grundlage als „von außen“ kommender Eingriff in ein an sich unbeschränktes Eigentümerrecht, d. h. potentiell immer als Enteignung angesehen werden452. Indem das RG das verfassungsrechtliche Eigentum des Art. 153 I 1 WRV an § 903 BGB, d. h. an jeder denkbar möglichen Eigentumsnutzung orientierte, besiegelte es auch das Schicksal der Art. 153 I 2, III WRV. Durch Art. 153 I 2 WRV sollte, wie später durch Art. 14 I 2 GG, dem Gesetzgeber die Kompetenz zur Gestaltung von Inhalt und Schranken des Eigentums übertragen werden; Art. 153 III WRV entsprach der heutigen Gemeinwohlklausel des Art. 14 II GG. Mit beiden Regelungen wollte der Verfassungsgeber an sich eine Abkehr vom streng liberalen, in § 903 BGB zum Ausdruck gekommenen Eigentumsverständnis betonen, d. h. eine Hinwendung zu einem sozial gebundenen Eigentum, das insbesondere die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen in den Eigentumsbegriff aufnahm453. Da sich das RG dessen ungeachtet zur Auslegung des Art. 153 WRV an § 903 BGB orien-

452 Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 11 f.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 67; ders., NJW 1988, S. 2569. Nicht im einzelnen soll an dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, inwieweit diese Anlehnung an § 903 BGB als einem unbeschränkten, insbes. die öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausklammernden Eigentümerbelieben, tatsächlich dem damaligen zivilrechtlichen Eigentumsverständnis entsprach (siehe allg. zur Divergenz zwischen dem sog. römischrechtlichen und deutschrechtlichen Eigentumsbegriff Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 49 ff. m. w. Nw.). Böhmer betont, die h. M. habe damals die in § 903 S. 1, 1. Hs. BGB normierte Einschränkung des Eigentümerbeliebens („soweit nicht das Gesetz“ entgegensteht) nicht auf öffentlich-rechtliche Regelungen bezogen, sondern davon insbes. nur das private Nachbarrecht als erfaßt angesehen (Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 65 f.; ders., NJW 1988, S. 2569). Zum einen sei eine Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen bereits aus kompetentiellen Gründen nicht möglich gewesen (Böhmer, Der Staat 24 [1985], S. 197 f.; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 13; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 65 f.; ders., NJW 1988, S. 2569). Zum anderen hätten die pandektistische Zivilrechtswissenschaft und in ihrem Gefolge die fachgerichtliche Rspr. die Beziehungen des einzelnen zur Allgemeinheit, die in den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zum Ausdruck kommen, zum Zwecke der Erhaltung der „Reinheit des zivilistischen Eigentumsbegriffs“ aus § 903 BGB verbannt (Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 11, 26 ff. u. a. mit Verweis auf Savigny und Windscheid; ferner Böhmer, Der Staat 24 [1985], S. 198 u. a. mit Verweis auf Sohm, Hedemann und Planck; ebenso Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 13, 28 f.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 64 f.; ders., NJW 1988, S. 2568 f.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 117 f.). Ausdrücklich gegen diese Betrachtung wendet sich Kroeschell, AgrarR 1984, Beil. I, S. 25. Er macht geltend, § 903 BGB schlösse seit jeher auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen mit ein (ebenso Leisner, DVBl. 1983, S. 64). Auch Böhmer gibt Nw. für derartige Stimmen (Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 27 ff. u. a. mit Verweis auf Ihering und Gierke; w. Nw. bei Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 69 f.; ders., NJW 1988, S. 2570), betont aber dabei, die damals h. M. habe die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen aus § 903 BGB ausgeklammert. Heute ist ihre Einbeziehung allg. Ansicht, stellv. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 14 ff. 453 Vgl. Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 48, 82; Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 13 f., 28; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 72; ders., NJW 1988, S. 2571; Kroeschell, AgrarR 1984, Beil. I, S. 25.

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tierte, mußten beide Regelungen zwangsläufig leer laufen. Ergab sich nämlich das unbeschränkte Eigentümerbelieben als von Art. 153 I 1 WRV geschützte Gewährleistung bereits in Anlehnung an § 903 BGB, so blieb für eine weitere inhaltliche Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber kein Raum. Dergleichen hätte es dieser Sichtweise widersprochen, über Art. 153 III WRV, wie heute vom BVerfG in bezug auf Art. 14 II GG betont, die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen im Rahmen einer „Gesamtschau“ in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff miteinzulesen. Denn damit hätte man sich der Möglichkeit beraubt, jede öffentlichrechtliche Regelung als potentielle Enteignung sehen zu können. Das RG und die h. L. sahen beide Vorschriften daher als leerlaufend an, insbesondere Art. 153 III WRV wurde als unverbindliche „Richtschnur“ und „leere Phrase“ bezeichnet454. (b) Die Notwendigkeit der „Schwellentheorien“ als Korrektiv Wurde vom RG mit der Ausrichtung des Schutzbereichs an einem umfassenden Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB die Möglichkeit geschaffen, in jeder staatlichen Einschränkung dieser Befugnis zumindest potentiell eine Enteignung sehen zu können, so war man sich freilich auch bewußt, daß nicht schlechthin jede hoheitliche Maßnahme zu einer entschädigungspflichtigen Enteignung führen konnte. Der zweite Kunstgriff lag folglich darin, Kriterien zu finden, mit denen sich die entschädigungsbedürftigen Eigentumseingriffe von den entschädigungsfreien abgrenzen ließen. Dies war die „Geburtsstunde“455 der vielbeachteten Enteignungstheorien456. Mit ihrer Hilfe wurde die Schnittstelle zwischen Enteignung im Sinne des Art. 153 II WRV und lediglich entschädigungsloser Inhalts- und Schrankenbestimmung / Sozialbindung im Sinne des Art. 153 I 2, III WRV markiert. Sobald ein Eingriff in das freie Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB 454 Siehe die Nw. bei Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 188 Fn. 97; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 65 Fn. 193. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 344, stellt später fest, das RG sei an diesen Bestimmungen „achtlos“ vorbeigegangen. Siehe zur Nichtbeachtung von Art. 153 I 2, III GG auch Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 7; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 73; ders., NJW 1988, S. 2571; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 116. 455 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 67; ders., NJW 1988, S. 2569. 456 Ihnen kam daher eine „korrigierende Funktion“ zu (Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 67; ders., NJW 1988, S. 2569). Das RG verwendete die sog. Einzelaktstheorie (vgl. RGZ 129, 146 [149] m. w. Nw.), die bekanntlich später weiterentwickelt wurde vom BGH zur sog. Sonderopfertheorie (grundlegend BGHZ 6, 270 [279 ff.]; ferner z. B. BGHZ 60, 126 [130]; 63, 240 [246]; 80, 111 [114]). Das BVerwG stellte maßgeblich auf die Schwere des Eingriffs ab (u. a. BVerwGE 5, 143 [145]; 32, 173 [178 f.]; 61, 295 [303]). Aus der unübersehbaren Literatur zu diesen sog. Schwellen- bzw. Umschlagtheorien stellv. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 169 ff.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 207 ff.; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 18 f.; Breuer, Die Bodennutzung, S. 43 ff.; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 58 ff.; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 341 ff.; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 41 ff.; Schmitt-Kammler, NJW 1990, S. 2515 ff.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

dem Rechtsanwender derart gewichtig erschien, daß er nur gegen eine Entschädigung zumutbar war, wurde er als Enteignung eingestuft. Die Inhaltsbestimmung / Sozialbindung war damit lediglich „Negation“457 der Enteignung. Sie stellte keine eigenständige, nach formellen Kriterien von der Enteignung abgrenzbare staatliche Maßnahme dar, sondern lag lediglich auf einer anderen Stufe einer gleitenden Skala458. Als Anspruchsgrundlage für die Enteignungsentschädigung zog das RG unmittelbar Art. 153 II WRV heran, wobei der gesamte Enteignungsentschädigungsprozeß an die Zivilgerichte verwiesen wurde, obwohl diese nach dem Wortlaut des Art. 153 II 3 WRV bloß bei Streitigkeiten hinsichtlich der Höhe der Entschädigung zuständig waren459.

(3) Die Übertragung des Weimarer Eigentumsmodells auf die Eigentumsgarantie des GG Mit Inkrafttreten des GG wurde das oben skizzierte Verständnis der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung lediglich als „Entschädigungsgarantie“ von der fachgerichtlichen Judikatur und der ganz überwiegenden Lehre ohne große Umschweife auf Art. 14 GG übertragen460. Bereits in einer sehr frühen Entscheidung des BGH heißt es: „Der Enteignungsbegriff des Art. 14 GG deckt sich mit dem von der Rspr. des Reichsgerichts zu Art. 153 Weim.Verf. entwickelten.“461 Ferner knüpfte der BGH in dem vielzitierten und seine weitere Eigentumsrechtsprechung prägenden Beschluß des Großen Senats vom 10. 06. 1952462 ausdrücklich an das reichsgerichtliche Eigentumsverständnis an, als er feststellte, das „Schwergewicht“ des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes sei auf die „Entschädigungspflicht“ zu legen463. Ausgehend vom reichsgerichtlichen Eigentumsverständnis, dem Bürger müsse mangels Abwehrrechts zumindest potentiell immer eine Entschädigungsmöglichkeit offen stehen, orientierte auch der BGH den Schutzbereich des Art. 14 GG am umfassenden Eigentümerbelieben des § 903 Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 14; ders., Der Staat 24 (1985), S. 159, 198. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 21. Nur der Einzelaktstheorie des RG lagen noch formelle Kriterien zugrunde, da sie das Vorliegen einer Enteignung von einem bestimmbaren Kreis Betroffener abhängig machte. BGH und BVerwG orientierten sich hingegen maßgeblich an materiellen Gesichtspunkten. 459 Siehe hierzu Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 7 ff.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 53; ders., NJW 1988, S. 2565. Vgl. auch Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 191 Fn. 106 f. m. Nw. für bereits zeitgenössische Kritik an einer derart extensiven Interpretation der Rechtswegregelung. 460 Hierzu Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 6 ff. 461 BGHZ 4, 266 (272). 462 BGHZ 6, 270 ff. 463 BGHZ 6, 270 (282). Siehe hierzu näher Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 7; Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 6; ders., Der Staat 24 (1985), S. 177 f., 180 ff., 192 f.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 41; ders., NJW 1988, S. 2561. 457 458

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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BGB, in das vor allem durch öffentlich-rechtliche Vorschriften eingegriffen werde464. Die Feinabstimmung erfolgte dann mit Hilfe der oben genannten Schwellentheorien. Als Abgrenzungshilfen für die Frage der Zumutbarkeit des Eigentumseingriffs wurden im Laufe der Zeit verschiedene Topoi entwickelt, z. B. die Frage nach der „Situationsgebundenheit“ des Eigentumsobjektes oder die Sichtweise eines „wirtschaftlich vernünftigen Eigentümers“465. Als Anspruchsgrundlage für die Enteignungsentschädigung berief man sich, wie zuvor schon das RG, unmittelbar auf die Verfassung (Art. 14 III GG). Entgegen dem Wortlaut des Art. 14 III 4 GG wurde auch unter Geltung des GG die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht auf die Höhe der Entschädigung begrenzt, sondern auf den gesamten Enteignungsrechtsstreit erweitert466. Zuspruch bekam diese fachgerichtliche Rspr. vom größten Teil der Lehre, die schon früh eine weitgehende Identität des Art. 14 GG mit der Vorgängernorm des Art. 153 WRV meinte feststellen zu können. So betonte Weber, die Väter des Grundgesetzes hätten mit der Schaffung des Art. 14 GG das unter Führung des RG zu Art. 153 WRV entwickelte Eigentumsmodell gebilligt: „Hätte der Schöpfer des Grundgesetzes die in der Weimarer Republik herrschend gewordene Handhabung der Eigentumsgarantie und Enteignungsklausel mißbilligen wollen, so hätte er davon durch eine redaktionelle Neuschöpfung abrücken müssen. Das ist nicht geschehen.“467 Es fiel das Wort von einer „Weimarer Reprise“, gesprochen wurde von einer „Erneuerung“ und „Wiederholung“ des Art. 153 WRV468. Dementsprechend wurde auch Art. 14 GG als Entschädigungsgarantie verstanden469. Sein Schutzbereich wurde, unter Ausschluß der öffentlich-rechtlichen Regelungen, mit einem umfassenden Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB gleichgesetzt470. Dieses Eigentumsverständnis hält sich zum Teil bis in die heutige Zeit471. 464 Grundlegend hierfür BGHZ 6, 270 (276), wo sich u. a. die oben (S. 108 zu Fn. 448) zitierte Passage des Galgenberg-Urteils wiederfindet. Noch dem Vorlagebeschluß zur Naßauskiesungs-Entscheidung aus dem Jahr 1979 liegt diese theoretische Ausgangserwägung zugrunde, wenn der BGH vom Eigentum „i.S. von Art. 14 I 2 GG und § 903 BGB“ spricht (BGH NJW 1978, S. 2291, vgl. hierzu BVerfGE 58, 300 [310, 334 f.]). Siehe dazu auch Battis / Felkl-Brentano, JA 1983, S. 494; Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 186; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 121 f.; Rittstieg, NJW 1982, S. 721 f.; ders., JZ 1983, S. 164 f. Siehe ferner w. Nw. für eine an § 903 BGB orientierte Auslegung des Art. 14 GG durch den BGH bei Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung, Staatshaftung, S. 59 Fn. 114. 465 Hierzu statt vieler Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 84 ff. (mit umfangreichen Nw. in Fn. 12), 268 ff. 466 Vgl. Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 6; ders., Der Staat 24 (1985), S. 181, 194 f. 467 Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, S. 346. 468 Siehe dazu die umfangreichen Nw. bei Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 165 Fn. 20; ferner ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 5 f. 469 So etwa D. Haas, System der öffentlich-rechtlichen Entschädigungspflichten, S. 35; w. Nw. bei Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 177 Fn. 60. 470 Exemplarisch Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, S. 55: „Der Inhalt des [verfassungsrechtlichen] Eigentums wird formal, im Denkmodell, wie nicht anders möglich, als

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Dieser beinahe einmütigen Übertragung des Weimarer Eigentumsmodells auf Art. 14 GG lag jedoch ein fundamentales Fehlverständnis der grundgesetzlichen Verfassungsstruktur im Gegensatz zur WRV zugrunde. Anders als in der Weimarer Zeit haben die Grundrechte unter dem GG ihren Programmsatz-Charakter verloren. Der Verfassungsgeber hat diesen Bestimmungen, anders als in der WRV, mit Art. 1 III GG unmißverständliche Direktivkraft gegenüber allen drei Staatsgewalten verliehen. Mit weiteren Komplementärvorschriften (insbesondere Art. 19 IV, 20 III GG) sowie besonderen verfassungsrechtlichen Kontrollinstrumentarien (z. B. Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde und Normenkontrollen, Art. 93 I Nr. 2, 4 a; 100 GG) hat er ihre tatsächliche Durchsetzbarkeit unmittelbar in der Verfassung verankert und damit den abwehrrechtlichen Charakter der Grundrechte normiert472. Unter dem GG ist der parlamentarische Gesetzgeber daher nicht mehr „selbstherrlich“, sondern an den Vorrang der Verfassung, und damit insbesondere an die Grundrechte gebunden. total angesehen, mit völligem Eigentümerbelieben gleichgesetzt. Eingriff in diesem Sinne ist jeder Abstrich von totalem Eigentümerbelieben.“ Ihm zustimmend Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 47 f., der die „unbeschränkte Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeit“ des Eigentums betont; siehe auch Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 197: „[ . . . ] von jeher [ist] das Eigentum so verstanden worden, daß der Eigentümer mit ihm ,nach seinem Belieben‘ verfahren dürfe.“; w. Nw. für dieses an § 903 BGB angelehnte Eigentumsverständnis bei Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 130 Fn. 232. Siehe in diesem Zusammenhang auch Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39, der betont, daß der zivilrechtliche Eigentumsbegriff die Grundlage der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung bilde. Die Ansicht des BVerfG, es gebe für Art. 14 GG keinen „vorgegebenen“ Eigentumsbegriff, hält Kroeschell, AgrarR 1981, Beil. II, S. 39 Fn. 83 ausdrücklich für falsch. 471 Z. B. bei Model / Müller, GG, Art. 14 Rn. 4, die einen „Rückgriff auf § 903 BGB [für] notwendig [halten], wonach Eigentum das Recht ist, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere davon auszuschließen.“ Ebenso Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 32 ff.; ders., in: FS-Leisner, S. 290 ff., und jüngst ders., Entwicklungslinien, S. 166: „Art. 14 GG stellt sich damit in die Tradition eines einheitlichen, abstrakten römisch-rechtlich geprägten Eigentums und beinhaltet eine prinzipielle Absage an alternative Eigentumskonstruktionen.“ Auf dieser Grundlage stellt Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 164, fest: „Gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen können daher weder logisch noch verfassungsrechtlich als von vornherein mitgedacht werden, sondern müssen als von außen kommende und nachträgliche Beschränkungen eines dem Gesetzgeber vorgegebenen, verfassungsrechtlich [durch § 903 BGB] geprägten Eigentumsbegriffs angesehen werden.“ Bedenklich auch Brohm, Baurecht, § 22 Rn. 3, der zu Unrecht davon ausgeht, das Verhältnismäßigkeitsprinzip könne bei Art. 14 GG nur dann als Prüfungsmaßstab fruchtbar gemacht werden, „wenn man – entgegen der Rechtsprechung des [Bundesverfassungs-] Gerichts – von einer ideell unbegrenzten Eigentumsfreiheit ausgeht, in die dann jede gesetzliche Eigentumsdefinition – wie das Wort Definition schon sagt – ,begrenzend‘ eingreift.“ 472 Vgl. hierzu Graßhof, Grundrechtsschutz durch die rechtsprechende Gewalt, S. 48 f.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 8, 11 f.; Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 8 f.; ders., Der Staat 24 (1985), S. 180 f.; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 42; ders., NJW 1988, S. 2562. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang der Ausspruch Krügers, wonach unter der WRV die „Grundrechte nur im Rahmen der Gesetze“, unter dem GG hingegen die „Gesetze nur im Rahmen der Grundrechte“ Geltung hätten (Krüger, DVBl. 1950, S. 626; ders., Grundgesetz und Kartellgesetzgebung, S. 12).

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Für die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG hat dies zur Folge, daß das Weimarer Modell des Verfassungseigentums als „Entschädigungsgarantie“ seine Geltung verloren hat. Art. 14 GG ist keine Wiederholung von Art. 153 WRV, sondern eine „elementare Neubestimmung“473 des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes. Wie alle anderen Grundrechte des GG ist auch die Eigentumsgewährleistung maßgeblich ein Abwehrrecht, das es dem Bürger ermöglicht, eine hoheitliche Maßnahme auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen und im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit aus der Welt zu schaffen. Die Formel „dulde und liquidiere“ hat mit Inkrafttreten des GG ihre Gültigkeit verloren474. In bezug auf die Eigentumsgewährleistung haben Fachgerichte und h. L. diese Wende des Verfassungssystems lange Zeit verkannt. Auch nach Erlaß des GG war ihr Blick für Jahrzehnte durch das Weimarer Eigentumsmodell verstellt. Obwohl vom Verfassungsgeber mit Schaffung des GG mehr als nur „drei Worte“ geändert wurden, hat sich der berühmte Satz v. Kirchmanns475 jedenfalls für die Eigentumsgewährleistung des GG nicht bewahrheitet476. Diese Fehlinterpretation des Art. 14 GG, der über Jahrzehnte hinweg ganze Juristengenerationen unterlegen sind, bezeichnet Böhmer als „einmaligen Vorgang“ in der Geschichte des GG477. Mit dem abwehrrechtlichen Charakter des Art. 14 GG waren die oben skizzierten Elemente der Weimarer Eigentumsdogmatik nunmehr unvereinbar. Liegt der Sinn und Zweck des Art. 14 GG nicht darin, in jeder hoheitlichen Maßnahme (aufgrund fehlenden Abwehrrechts) zumindest potentiell eine Enteignung erblicken zu können, so bedarf es keiner Ausdehnung des Schutzbereichs in Anlehnung an ein umfassendes Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB. Im Gegensatz zur WRV ist im Eigentumsmodell des GG die Bedeutung der Inhaltsbestimmungskompetenz des einfachen Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG und der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG in den Vordergrund gerückt. Denn kombinierte man die abwehrrechtliche Funktion des Art. 14 GG mit einem ausschließlich individualistisch orientierten Schutzbereich, würden die Eigentümerinteressen derart übergewichtet, daß dies nur schwer mit den vielfältigen sozialen Bezügen vereinbar wäre, denen Eigentumsrechte in einer modernen Industriegesellschaft ausgesetzt sind. Daher ist dem Gesetzgeber unter dem GG kein an § 903 BGB orientiertes, umfassendes Eigentü473 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 9; ebenso Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 254 („prinzipieller Neuanfang“). 474 Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 179; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 9. Die Entschädigung im Falle des Art. 14 III GG greift lediglich „subsidiär“ (Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 8). Nur dann wandelt sich die Bestandsgarantie in eine Eigentumswertgarantie, vgl. BVerfGE 24, 367 (397); 45, 63 (76); 56, 249 (261); 58, 300 (323); hierzu auch Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 68. 475 „Indem die [Rechts-]Wissenschaft das Zufällige zu ihrem Gegenstand macht, wird sie selbst zur Zufälligkeit; drei berichtigende Worte des Gesetzgebers, und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur.“ V. Kirchmann, Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, S. 24 f. 476 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 42. 477 Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 12.

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merbelieben vorgegeben478. Der Schutzbereich der Bestandsgarantie wird vielmehr durch die einzelnen, einfachgesetzlich geschaffenen Befugnisse des privaten und öffentlichen Rechts ausgestaltet. Hinsichtlich der Reichweite der einfachgesetzlichen Rechtspositionen wirken die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil mit ihnen typischerweise die in Art. 14 II GG betonten Bindungen gegenüber der Allgemeinheit normiert werden, gleichrangig mit den privatrechtlichen zusammen. Mit der Ablehnung eines an § 903 BGB orientierten Schutzbereichs des Art. 14 GG besteht unter dessen Ägide schließlich auch nicht mehr das Bedürfnis, wie bei Art. 153 WRV innerhalb eines sehr weit gezogenen Schutzbereichs mit Hilfe der materiellen Schwellentheorien zwischen entschädigungspflichtigen Enteignungen und entschädigungsloser Inhaltsbestimmung / Sozialbindung zu differenzieren. Anders als Art. 153 II WRV hat das GG in Art. 14 III 2 ausdrücklich dem Gesetzgeber die Befugnis zugesprochen, darüber zu entscheiden, ob eine Enteignung vorliegt oder nicht. Der Rechtsanwender hat damit keine Kompetenz, aufgrund seines Erachtens vorliegender „Entschädigungsbedürftigkeit“ eine Maßnahme als Enteignung zu qualifizieren und den Entschädigungsanspruch unmittelbar auf die Verfassung zu stützen. Ein solches Vorgehen ist unter Geltung des GG ein Verstoß gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip und den Grundsatz der Gewaltenteilung479. Inhaltsund Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG und Enteignung nach Art. 14 III GG sind damit zwei völlig verschiedene, ausschließlich nach formellen Kriterien voneinander zu unterscheidende Kategorien staatlicher Maßnahmen. Über ihre Einstufung entscheidet allein die vom Gesetzgeber gewählte Regelungsform480. In den Vorstellungen des RG verhangen, haben Fachgerichte und h. L. dennoch das Weimarer Eigentumsverständnis über Jahrzehnte der grundgesetzlichen Eigen478 Vgl. zu weiteren Argumenten gegen die These, § 903 BGB sei Art. 14 GG „inkorporiert“, Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 74 ff.; ders., NJW 1988, S. 2571 f. 479 Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 9; ders., Der Staat 24 (1985), S. 164, 194 ff. Dazu kommt, daß die im Laufe der Jahre zum hergebrachten Eigentumsmodell entwickelten Abgrenzungs-Topoi (Situationsgebundenheit, wirtschaftlich vernünftiger Eigentümers etc.) kaum eine objektive Differenzierung ermöglichten. Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 160, kritisiert diese Formeln als Konglomerat von „Faktizitäten und subjektiven Vorstellungen“. Eingehend und mit umfangreichen Nw. zur diesbzgl. Kritik Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 268 ff., der selbst von einem „eigentümliche[n] Konvolut aus deskriptiven Realfaktoren und normativen Wertbegriffen“ spricht; ähnlich Bartlsperger, DVBl. 2003, S. 1481 („wohlfeiler Gemeinplatz von faktischen Annahmen und Anhaltspunkten“). 480 Siehe an dieser Stelle nur BVerfGE 58, 300 (331 a. E.), wo das Gericht die Maßnahmen als selbständige, vom GG deutlich voneinander abgegrenzte Rechtsinstitute bezeichnet (Einzelheiten zur Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung noch unten S. 154 ff.). Der abwehrrechtliche Charakter des Art. 14 GG zwingt auch dazu, die Kompetenz der Zivilgerichte nach Art. 14 III 4 GG entsprechend dem Wortlaut auf die „Höhe“ des Entschädigungsrechtsstreites zu begrenzen. Die sich bei Art. 14 GG in erster Linie stellende Frage, ob die hoheitliche Maßnahme abgewehrt werden kann, ist von den Verwaltungsgerichten zu beantworten (vgl. Böhmer, Der Staat 24 [1985], S. 179 ff.).

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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tumsgewährleistung aufgezwungen. Dem BVerfG wurde kaum Gelegenheit zur Korrektur dieses Fehlverständnisses gegeben, da sich für die Fachgerichte die Frage nach der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes aufgrund eines (vermeintlich) fehlenden Abwehrcharakters des Art. 14 GG regelmäßig nicht stellte: Bei schweren Eigentumseingriffen wurde dem Bürger kurzerhand eine Enteignungsentschädigung zugesprochen. Daß in diesen Fällen möglicherweise das zugrundeliegende Gesetz verfassungswidrig sein könnte und u.U. eine Vorlagepflicht nach Art. 100 I GG bestand, wurde regelmäßig verkannt481. Das BVerfG hat bei den wenigen Gelegenheiten, die sich vor der Naßauskiesungs-Entscheidung boten, auf diese Fehlinterpretation des Art. 14 GG hingewiesen. So führt es bereits in seiner frühen Entscheidung zur Hamburger Deichordnung eindringlich aus: „Hierbei ist zunächst wesentlich, daß der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG eine andere und umfassendere Bedeutung zukommt, als der der Weimarer Reichsverfassung. Sie hat nicht die Aufgabe – und schon insoweit geht sie über Art. 153 WRV hinaus –, die entschädigungslose Wegnahme von Eigentum zu verhindern, sondern den Bestand des Eigentums in der Hand des einzelnen zu sichern. Die zur Weimarer Reichsverfassung und teilweise auch zu Art. 14 GG vertretene Auffassung, die Eigentumsgarantie sei ihrem wesentlichen Gehalt nach eine Eigentumswertgarantie und der Zugriff auf das Eigentum sei hinzunehmen, wenn der Betroffene nur ausreichend entschädigt werde, steht mit dem Sinngehalt des Art. 14 GG nicht in Einklang. [ . . . ] Die Eigentumsgarantie [des GG] ist nicht zunächst Sach-, sondern Rechtsträgergarantie. Das Grundrecht gewährt vor allem die Befugnis, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter abzuwehren.“482

Auf Grundlage dieses abwehrrechtlichen Charakters des Art. 14 GG hat das BVerfG denjenigen Ansichten, die eine Übertragung des Weimarer Eigentumsmodells auf Art. 14 GG befürworteten, mehrfach eine Absage erteilt483. In bezug 481 Vgl. hierzu Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 11, der darauf hinweist, das von 2096 Normenkontrollanträgen, die bis zum Jahre 1982 beim BVerfG eingingen, ganze vier die Abgrenzungsproblematik zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung zum Gegenstand hatten. Angesichts der unzähligen fachgerichtlichen Entscheidungen zu dieser Frage ist diese Zahl verschwindend gering. Exemplarisch macht Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 11 f.; ders., Der Staat 24 (1985), S. 178 Fn. 62, auf die grundlegende Entscheidung BGHZ 6, 270 ff. aufmerksam. Dort seien weder Art. 19 IV noch Art. 93 I Nr. 4a, 100 GG erwähnt worden. Dies deute darauf hin, daß die grundsätzliche Änderung des Eigentumsschutzes gegenüber der WRV gar nicht erkannt worden sei. Seines Erachtens hätte bereits das damals zur Entscheidung stehende Verfahren Anlaß zu einer Vorlage nach Art. 100 I GG gegeben. 482 BVerfGE 24, 367 (400, Hervorhebung nicht im Original). Siehe auch BVerfGE 21, 150 (155); 34, 139 (146); 46, 274 (252), wo das Gericht betont, anders als unter Geltung der WRV hätten (Eigentums-)Gesetze „nicht schon deshalb vor der Verfassung Bestand, weil sie als formelles Gesetz erlassen“ seien. Sie müßten sich auch materiell an der Verfassung, insbes. an Art. 14 GG messen lassen. Auch diese Passage hat das BVerfG bewußt als Abkehr vom Weimarer Eigentumsmodell verwendet, vgl. Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 82; ders., NJW 1988, S. 2574. 483 Vgl. bereits BVerfGE 4, 219 (228 ff.), wo das Gericht bzgl. der hergebrachten Eigentumsdogmatik, die bei einer unzureichenden Entschädigungsregelung eine verfassungsunmittelbare Enteignungsentschädigung zusprechen will, unmißverständlich feststellt: „Alle diese Meinungen widersprechen dem Grundgesetz.“ (BVerfGE 4, 219 [230]). Siehe auch BVerfGE

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

auf die Reichweite einer einfachgesetzlichen Rechtsposition ist dabei von Bedeutung vor allem die Abwendung von einem am umfassenden Eigentümerbelieben des § 903 BGB orientierten Schutzbereich hin zu einer „Gesamtschau“ des Privatund öffentlichen Rechts, die das Gericht bereits seiner ersten Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz zugrunde legt484. Fachgerichte und h. L. sind an allen vorgenannten Entscheidungspassagen, bis zu der als Donnerschlag empfundenen Naßauskiesungs-Entscheidung, achtlos vorbeigegangen485. An dieser Stelle soll jedoch nicht versäumt werden, auf eine mißverständliche Formulierung hinzuweisen, die das BVerfG zu Beginn seiner Rspr. mehrfach verwendet hat, und die möglicherweise geeignet ist, sein eben aufgezeigtes, scheinbar von Anfang an strikt gegen das Weimarer Eigentumsmodell gerichtetes Eigentumsverständnis zumindest teilweise zu relativieren. Vom BVerfG wurde in mehreren Entscheidungen betont, Art. 14 GG wolle das Eigentum so schützen, wie es „das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen“ geformt haben486. Bei genauer Betrachtung ergeben sich Zweifel, welche Aussage mit dieser Formel gemacht werden sollte. Zum einen könnte sie sich auf den Prüfungsschritt 2.a)487 beziehen, indem das Gericht mit ihrer Hilfe zum Ausdruck bringen wollte, öffentlich-rechtliche Positionen fielen nicht488 unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 I 1 GG. Für diese Auslegung der Formel, die z. T. von Böhmer489 ausdrücklich betont wird, spricht der Sachzusammenhang ihrer Ver4, 219 (231 f.), wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die unter der WRV mögliche Stützung eines Enteignungsentschädigungsanspruchs unmittelbar auf die Verfassung sei bei Art. 14 GG nicht denkbar. Des weiteren wird in BVerfGE 4, 219 (233) auf die Vorlagepflicht nach Art. 100 I GG hingewiesen. Siehe auch die umfangreichen Nw. zu Entscheidungspassagen, mit denen sich das BVerfG ausdrücklich oder zumindest in der Sache gegen das herkömmliche Eigentumsverständnis richtet, bei Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 61; ders., NJW 1988, S. 2567 Fn. 49 f. 484 BVerfGE 21, 73 (79), hierzu bereits oben S. 104 Fn. 419. Auf diese Entscheidung, deren Bedeutung weithin unterschätzt wurde, nimmt das Gericht in vielen anderen Entscheidungen (in-)direkt Bezug. Siehe dazu die Nw. bei Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 61; ders., NJW 1988, S. 2567 Fn. 48. 485 Die dortige Schelte des bis dato von den Fachgerichten und h. L. vertretenen Eigentumsmodells konnte von niemandem mehr ignoriert werden, vgl. insbes. BVerfGE 58, 300 (332, 335 ff.). Im vorliegenden Zusammenhang hervorzuheben ist vor allem die ausdrückliche Betonung der (in der Sache bereits seit BVerfGE 21, 73 ff. zugrunde gelegten) Gesamtschau zwischen Privat- und öffentlichem Recht bei der Frage der konkreten Reichweite einer einfachgesetzlichen Rechtsposition (siehe bereits die Zitate aus BVerfGE 58, 300 [335 f.] oben auf S. 103 zu Fn. 417 f.). 486 BVerfGE 1, 264 (278); 2, 380 (402); 4, 219 (240); 11, 64 (70); 19, 354 (370); 28, 119 (142); 65, 196 (209). Obwohl seit langer Zeit nicht mehr verwendet, wird diese Formel im Schrifttum z. T. auch heute noch als maßgeblich herangezogen. So etwa von Schmidt-Bleibtreu, in: ders. / Klein, GG, Art. 14 Rn. 3a; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 32 a. E.; ders., Entwicklungslinien, S. 163, 167. 487 Vgl. zur mehrstufigen Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie oben S. 25. 488 Wie ja vom BVerfG zu Beginn seiner Rspr. vertreten, siehe oben S. 56 Fn. 180.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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wendung in einigen der eben zitierten Entscheidungen490. Andererseits ist zu erwägen, ob sich das Gericht mit diesem Ausspruch nicht auf der Ebene des Prüfungsschritts 2.a), sondern des ersten Prüfungsschritts bewegte. Es könnte ihm um die eben näher erörterte Problematik gegangen sein, ob sich die konkrete Reichweite einer einfachgesetzlichen Rechtsposition an einem umfassenden Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB orientiert, in das durch öffentlichrechtliche Vorschriften eingegriffen wird, oder anhand einer Zusammenschau beider Rechtsmaterien. In seinem Rechtsgutachten zur ersten Entscheidung des BVerfG zum Grundstücksverkehrsgesetz vertritt Böhmer die Auffassung, das BVerfG hätte mit dieser Formel auf die zuletzt angesprochene Sachfrage Bezug genommen, und durch die Betonung des „bürgerlichen Rechts“ die Ermittlung der konkreten Reichweite der Bestandsgarantie anhand einer Zusammenschau beider Rechtsmaterien abgelehnt491. Mit Hinweis auf zwei Entscheidungen des BVerfG492 stellt Böhmer fest, der erste Senat habe auf Grundlage dieser Formel „gesetzliche Vorschriften, die Regelungen von Eigentümerbefugnissen zum Gegenstand haben, als öffentlich-rechtliche ,Eigentumsbeschränkungen‘ bezeichnet.“ Dieser Auffassung des Senats liege „im systematischen Ansatzpunkt die Ausscheidung aller öffentlich-rechtlichen Elemente aus dem Eigentumsbegriff zugrunde: Auf der einen Seite steht das bürgerlich-rechtliche Herrschaftsrecht, auf der anderen stehen außerhalb dieses Begriffs die öffentlich-rechtlichen ,Beschränkungen‘, die einen ,Eingriff‘ in das private Recht darstellen.“493 Da dieses Eigentumsverständnis aber auf dem Weimarer Eigentumsmodell beruhe, schlägt Böhmer in seinem Gutachten vor, von dieser Formel Abschied zu nehmen494. In der betreffenden Grundstücksverkehrs-Entscheidung geht das Gericht dann, wenn auch nicht so explizit wie im Naßauskiesungs-Beschluß, von der von Böhmer in seinem Gutachten vorgeschlagenen Gesamtschau aus495. Seither ist diese Formel nicht mehr in den Entscheidungen des in der Eigentumsrechtsprechung federführenden ersten Senats verwendet worden496. Versteht man sie somit in dieser von Böhmer in seinem Gutachten beanstandeten Weise, so wäre die Kritik an den Fachgerichten und der h. L. hinsichtlich ihrer Übertragung des Weimarer Eigen489 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 60; ders., NJW 1988, S. 2567; ebenso Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 89. 490 Vgl. BVerfGE 1, 264 (278); 2, 380 (402); 4, 219 (240); 11, 64 (70), wo es durchweg um den Ausschluß des Eigentumsschutzes subjektiv-öffentlicher Rechte ging. 491 Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 18 ff. Siehe aber auch Böhmer, DÖV 1982, S. 88; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 29, wo er dieser Formel scheinbar beide eben aufgezeigten Interpretationsvarianten gibt, ohne zwischen ihnen näher zu unterscheiden. 492 BVerfGE 8, 71 (79); 17, 232 (249). 493 Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 18. In diese Richtung läßt sich die Verwendung der Formel z. B. in BVerfGE 28, 118 (142) verstehen. 494 Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 19, 30. 495 Vgl. BVerfGE 21, 73 (79), hierzu bereits oben S. 104 Fn. 419. 496 BVerfGE 28, 119 (142); 65, 196 (209) sind Entscheidungen des zweiten Senats.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

tumsmodells auf Art. 14 GG insofern zu relativieren, als daß das BVerfG ein wesentliches Element des überkommenen Eigentumsverständnisses, nämlich die Ausscheidung aller öffentlich-rechtlichen Elemente aus dem Eigentumsbegriff und die Orientierung an einem umfassenden Eigentümerbelieben im Sinne des § 903 BGB, zumindest zu Beginn seiner Rspr. – bis zur ersten Grundstücksverkehrs-Entscheidung – selbst noch vertreten hat497.

III. Das subjektive Recht als Qualifikationsgegenstand Bislang wurde aufgezeigt, daß das BVerfG als von der Bestandsgarantie geschützte Rechtspositionen die einzelnen, einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnisse des Privat- und öffentlichen Rechts ansieht. Sie bestimmen damit die konkrete Reichweite des Eigentumsschutzes. Dies hat Bedeutung auf der hier zur Debatte stehenden Ebene des ersten Prüfungsschritts, d. h. bei der Frage, ob überhaupt eine einfachgesetzliche Rechtsposition vorliegt. In diesen Zusammenhang fällt jedoch noch eine andere Problematik, die, soweit ersichtlich, bislang noch nicht näher erörtert wurde. Sie hat aber keine Bedeutung auf der Ebene des ersten Prüfungsschritts, sondern des letzten Prüfungspunktes 2.b): Auch wenn sich die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie aus den einzelnen, einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnissen ergibt, so darf hieraus nicht automatisch geschlossen werden, daß die einzelnen Befugnisse auch im Rahmen dieses Qualifikationsschrittes maßgeblicher Anknüpfungspunkt sind. Dies soll nachfolgend aufgezeigt werden498.

1. Unterscheidung zwischen dem Zuordnungsverhältnis als solchem und der hieraus folgenden Gesamtrechtsstellung sowie den einzelnen Befugnissen Für die eigentliche Qualifikationsprüfung (Prüfungsschritt 2.b) bieten sich zwei verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten: Zum einen könnte man erwägen, diese an den isolierten, sich jeweils aus den Gesetzen ergebenden Befugnissen festzumachen. Anknüpfungspunkt der Qualifi497 Abschließend ist hier anzumerken, daß diese Formel im Schrifttum auch vielfach als bundesverfassungsgerichtliches Element der Institutsgarantie verstanden wird. So z. B. Stein, Qualifizierte Mitbestimmung unter dem Grundgesetz, S. 49 f.; Schmidt-Aßmann, in: FS-UniHeidelberg, S. 114; Rengeling, AöR 105 (1980), S. 430; Nierhaus, AöR 116 (1991), S. 99; Leisner, in: Issing / Leisner, Kleineres Eigentum, S. 51; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 186. 498 Die nachfolgend dargestellte Problematik gehört systematisch an sich zum Prüfungspunkt 2.b) der mehrstufigen Prüfungsfolge, vgl. oben S. 25. Aufgrund des Sachzusammenhangs wird sie aber bereits hier behandelt.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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kationsprüfung wäre dann z. B. die einzelne Berechtigung des Grundstückseigentümers, sein Eigentum veräußern zu können, mit Grundpfandrechten zu belasten, zu bebauen etc., oder z. B. die einzelne Befugnis des Forderungsinhabers, seine Forderung zu übertragen oder zu verpfänden. Zum anderen gibt es aber auch die Möglichkeit, auf das Zuordnungsverhältnis zwischen Rechtssubjekt und Objekt als solches und die hieraus resultierende Gesamtrechtsstellung abzustellen. Das Zuordnungsverhältnis entsteht, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen seiner Errichtung erfüllt sind499. Die sich aus der Rechtsordnung ergebenden einzelnen Befugnisse, die als Folge des Bestehens eines derartigen Zuordnungsverhältnisses zugewiesen werden, wären dann nicht isoliert als Anknüpfungspunkt anzusehen, sondern als Summe, d. h. als Gesamtkomplex aller in bezug auf einen bestimmten Eigentumsgegenstand dem Inhaber verliehenen Berechtigungen. Abzustellen wäre bei dieser Betrachtung z. B. auf die Gesamtrechtsstellung, die jemand als Grundeigentümer innehat, als Inhaber einer Forderung, eines Patents, oder als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung. Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, welchen dieser Wege das BVerfG einschlägt und warum ihre Beantwortung von großer Bedeutung für dessen Eigentumsverständnis ist. Zunächst ist festzustellen, daß sich auch in der Diktion des Gerichts die vorgenannte Unterscheidung zwischen dem Zuordnungsverhältnis als solchem und den konkreten, hieraus resultierenden Berechtigungen findet500. Es gibt mehrere Entscheidungen, in denen es ausdrücklich oder zumindest in der Sache zwischen einem (Gesamt-)„Recht“ (im Sinne des Zuordnungsverhältnisses und der hieraus folgenden Gesamtrechtsstellung) und den einzelnen, daraus entspringenden „Befugnissen“ unterscheidet. So stellt das Gericht bereits in seiner Entscheidung zum Hamburger Deichordnungsgesetz fest, daß es sich bei der streitigen Regelung um einen Fall der sog. klassischen Enteignung („Güterbeschaffungsvorgang“) handele, so daß für die verfassungsrechtliche Prüfung alle Sachverhalte auszuscheiden hätten, „[ . . . ] in denen das sachenrechtliche Zuordnungsverhältnis dem Grunde nach bestehen bleibt, aber bisher zustehende Befugnisse genommen oder geschmälert werden.“501 499 Z. B. die sachenrechtlichen Anforderungen an den Erwerb von Eigentum oder eines Grundpfandrechts; die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erwerb einer schuldrechtlichen Forderung, eines Immaterialgüterrechts oder der Zugehörigkeit zur gesetzlichen Renten- oder Arbeitslosenversicherung. 500 Ebenso die Einschätzung von Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 59 f., 102 ff.; ders., JURA 1999, S. 469 f.; ders., JZ 2001, S. 944 f.; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 228 ff. Aus dem Blickwinkel des 14 III GG, d. h. bei der Frage nach einer enteignungsfähigen „Rechtsposition“, finden sich Ausführungen zu dieser Differenzierung u. a. bei Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 184; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 86; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 147. 501 BVerfGE 24, 367 (393, Hervorhebung nicht im Original).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Auf dieser Linie führt es in der Dirigentenwitwen-Entscheidung aus, die Regelung des Art. 14 I 2 GG ermächtige den Gesetzgeber, „[ . . . ] in bereits begründete Rechte einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben, mit anderen Worten, unter Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses neue Befugnisse und Pflichten festzulegen.“502

Die Differenzierung zwischen der Gesamtrechtsstellung und den einzelnen Berechtigungen betont das Gericht auch in neuerer Zeit. In der Vorkaufsrechts-Entscheidung stellt es die in Art. 14 I 2 GG normierten Befugnisse des Gesetzgebers mit den Worten heraus: „Es ist ihm auch nicht ausnahmslos verwehrt, die nach altem Recht begründeten Rechte der Neuregelung anzugleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden [ . . . ].“503

Ferner betont das Gericht u. a. in seiner Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Fischereigesetz das „Fischereirecht“ selbst und die aus diesem erwachsenden Befugnisse, z. B. zur Hege und Aneignung der Fische504. Ebenso findet sich in einer jüngeren Entscheidung zur Aktionärsabfindung die Unterscheidung zwischen dem „Anteilseigentum“ als solchem und den sich aus der mitgliedschaftlichen Stellung in einer Aktiengesellschaft ergebenden Berechtigungen505.

2. Das Zuordnungsverhältnis als solches als vorrangiger Anknüpfungspunkt der Qualifikationsprüfung Läßt sich in der Rspr. des BVerfG die vorgenannte Differenzierung wiederfinden, so ist es auch möglich, aufzuzeigen, daß das Gericht im Rahmen des Qualifikationsschrittes 2.b) als Anknüpfungspunkt im Regelfall das Zuordnungsverhältnis als solches und die hieraus folgende Gesamtrechtsstellung ansieht, nicht hingegen die isolierte, durch das einfache Recht zugewiesene Befugnis. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zunächst die Ausführungen in der Entscheidung zur Bewertung der Begrenzung von Ausbildungs-Ausfallzeiten506. Bei der Frage, an welchem Gegenstand sich der verfassungsrechtliche 502 BVerfGE 31, 275 (285, Hervorhebung nicht im Original); siehe hierzu auch Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 70. 503 BVerfGE 83, 201 (212, Hervorhebung nicht im Original). Dieselbe Passage findet sich auch in BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368. Siehe ferner die gegenüberstellende Formulierung „Rechte oder Befugnisse“ in BVerfGE 25, 112 (121); BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368. 504 BVerfGE 70, 191 (199). 505 Insbes. Leitungsbefugnisse und vermögensrechtliche Ansprüche, vgl. BVerfGE 100, 289 (301 f.). Siehe ferner neben vielen anderen z. B. BVerfGE 36, 281 (290) zum Patentrecht und den sich daraus ableitenden Berechtigungen (subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung, privatrechtliche Abwehr- und Schadensersatzansprüche); vgl. auch BVerfGE 98, 17 (35); 101, 54 (74) zum Grundeigentum und den daraus abzuleitenden Befugnissen.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Eigentumsschutz festmacht, spricht sich das BVerfG ausdrücklich gegen das Bundessozialgericht und die Beschwerdeführer aus, die als Anknüpfungspunkt allein die durch die Neuregelung eingeschränkte einzelne Befugnis zur Anrechnung von Ausbildungs-Ausfallzeiten sahen. Abzustellen sei vielmehr auf die Summe der Befugnisse, die sich durch die Errichtung des Zuordnungsverhältnisses ergebe: „Gegenstand des Schutzes des Art. 14 GG sind der Anspruch oder die Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergeben (vgl. BVerfGE 53, 257 [293]). [ . . . ] Renten und Rentenanwartschaften beruhen auf verschiedenen Elementen, die erst in ihrem funktionalen Zusammenwirken zu einem Gesamtergebnis führen. Die einzelnen Elemente können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, als seien sie selbständige Ansprüche (vgl. BVerfGE 14, 288 [294]). Im Hinblick auf Art. 14 GG ist die rentenversicherungsrechtliche Position insgesamt Schutzobjekt.“507

Das Gericht verdeutlicht damit, daß es diese Anknüpfung an die Gesamtrechtsstellung von einer ganzheitlichen Betrachtung der jeweils einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen abhängig macht. Soweit die Gesamtrechtsstellung eines Eigentümers ihr maßgebliches Gepräge nur im Rahmen einer Zusammenschau aller Berechtigungen erhält („funktionales Zusammenwirken“), ist auf das Zuordnungsverhältnis als solches und den sich hieraus ergebenden Befugnissen als Gesamtrechtsstellung abzustellen. Die isolierte Einzelberechtigung ist insoweit nicht maßgeblich. Auf einen derartigen funktionalen Regelungszusammenhang nimmt das Gericht auch außerhalb des Sozialversicherungsrechts Bezug. So finden sich in einer frühen Entscheidung zum Mieterschutz508 Ausführungen, die auf derselben Linie liegen. Das Gericht hatte über die Verfassungsmäßigkeit des sog. Fiskusprivilegs zu entscheiden, wonach der Kündigungsschutz für Wohnungen eingeschränkt war, die im Eigentum der öffentlichen Hand standen. Anläßlich der Frage, ob diese Regelung im Einklang mit Art. 14 GG steht, führt das BVerfG aus: „Der Mieterschutz ist keine selbständige Rechtsposition, die als solche durch Art. 14 GG geschützt sein könnte, sondern eine Verstärkung der vertraglichen Rechte des Mieters. Ob diese – besonders unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes – als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG angesehen werden können, kann dahingestellt bleiben.“509

Das Gericht macht damit deutlich, daß die Rechtsstellung als Mieter ihr maßgebliches Gepräge im Rahmen einer Zusammenschau aller mietrechtlichen BefugBVerfGE 58, 81 ff. BVerfGE 58, 81 (109, Hervorhebung nicht im Original). Siehe auch den Verweis auf BVerfGE 14, 288 (294), wo das Gericht feststellt, daß einzelne sozialversicherungsrechtliche Befugnisse nicht als „selbständige Ansprüche“ behandelt werden dürften. Vielmehr müsse „die gesamte Rechtsposition gewürdigt werden.“ Vgl. ferner BVerfGE 11, 221 (227 ff.), wonach hinsichtlich der Bewertung sozialversicherungsrechtlicher Neuregelungen der „Gesamtzusammenhang“ aller Bestimmungen maßgeblich sei. 508 BVerfGE 18, 121 ff. 509 BVerfGE 18, 121 (131, Hervorhebung nicht im Original). 506 507

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

nisse erhält („funktionales Zusammenwirken“), d. h. auf die Vorschriften des sozialen Mietrechts nicht isoliert gesehen abgestellt werden darf. Diese Berechtigungen seien lediglich eine Verstärkung der übrigen Rechte des Mieters, insbesondere der sonstigen im BGB zugewiesenen Befugnisse, und stünden mit diesen in einem Regelungszusammenhang. Im Umkehrschluß daraus ergibt sich, daß das Gericht auch hier, hätte es in dieser Entscheidung über die Einstufung des Mietrechts als Eigentumsobjekt befinden müssen, auf die Gesamtrechtsstellung des Mieters abgestellt hätte (d. h. auf die Summe aller einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnisse, die sich aus der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses als Mieter durch Abschluß des Mietvertrages ergibt510). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung511 jüngeren Datums, in der das BVerfG die vorgenannte Sichtweise auf dem eigentumsrechtlich bedeutsamsten Teilgebiet, dem Grundeigentum, veranschaulicht. Das Gericht hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Neuregelung des Wohnungsbindungsgesetzes verfassungsgemäß ist, durch die u. a. die gesetzliche Bindungsfrist für öffentlich geförderte Wohnungen zum Nachteil der Eigentümer von Sozialwohnungen verlängert wurde. Das Gericht geht hier näher auf die Frage ein, ob und inwieweit das Grundeigentum der Betroffenen an den Sozialwohnungen unter die Bestandsgarantie fällt. Hierbei macht es deutlich, daß zur Beantwortung dieser Frage nicht an die einzelne, durch das Wohnungsbindungsgesetz zugewiesene Befugnis der Wohnungseigentümer angeknüpft werden könne, sich von den Bindungen, denen eine Sozialwohnung unterliegt, nach Ablauf einer bestimmten Zeit zu lösen512. Für die Einstufung des Eigentums an den Sozialwohnungen sei vielmehr die Gesamtrechtsstellung als Grundstückseigentümer maßgeblich: „Eine Isolierung der Ablösemöglichkeit aus dem Regelungszusammenhang des Wohnungsbindungsgesetzes [ . . . ] ist nicht möglich. Selbst wenn die Ablösemöglichkeit nur im Interesse einer flexiblen Wohnungspolitik, nicht auch im Interesse der Wohnungseigentümer geschaffen worden wäre, verfolgt der Gesetzgeber seine wohnungspolitischen Ziele unter Ausnutzung von Eigentümerinteressen. Bindungen und Lockerungen treten dadurch in einen derart engen Zusammenhang, daß sie nur gemeinsam den Inhalt des Eigentums an Sozialwohnungen ausmachen.“513

Das Gericht verdeutlicht, daß es auch hier einen funktionalen Regelungszusammenhang sieht zwischen den verschiedenen, die Rechtsstellung des Grundstückseigentümers ausmachenden Befugnissen. Da der Gesetzgeber seine mit dem Wohnungsbindungsgesetz gesteckten Ziele im Ergebnis „unter Ausnutzung von Eigentümerinteressen“ verfolge, träten Bindungen und Lockerungen in einen derart enSo, wie dann auch später in BVerfGE 89, 1 ff. getan (hierzu noch näher unten S. 126). BVerfGE 95, 64 ff. 512 Vgl. BVerfGE 95, 64 (82). 513 BVerfGE 95, 64 (83, Hervorhebung nicht im Original); vgl. auch Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 115. 510 511

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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gen Zusammenhang, daß die Gesamtrechtsstellung des Grundeigentümers ihr maßgebliches Gepräge nur im Rahmen einer Zusammenschau aller Befugnisse erhalte. Öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Bestimmungen dürften hier somit nicht isoliert, sondern nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gesehen werden. Anknüpfungspunkt zur Einstufung des Eigentums an den Sozialwohnungen sei daher die Gesamtrechtsstellung, die sich aus der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses „Grundeigentum“ ergebe. An die einzelne Befugnis sei hingegen nicht anzuknüpfen514.

3. Folgen der Anknüpfung an das Zuordnungsverhältnis Wurde eben dargestellt, daß das Gericht im Regelfall von einer Anknüpfung an das Zuordnungsverhältnis als solches und der entspringenden Gesamtrechtsstellung ausgeht, so ist genauer der Frage nachzugehen, welche Bedeutung dies für den letzten Prüfungsschritt 2.b), d. h. für die Qualifikation einer Rechtsposition zu Bestandseigentum hat.

a) Qualifizierung der aus dem Zuordnungsverhältnis folgenden Gesamtrechtsstellung Die oben skizzierte Vorgehensweise des Gerichts hat im Rahmen des Qualifikationsschritts zunächst zur Folge, daß hinsichtlich des Umstandes, ob die einfachgesetzliche Rechtsposition die verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG zu entnehmenden Anforderungen erfüllt, bei Vorliegen eines funktionalen Regelungszusammenhangs ausschließlich auf die aus dem Zuordnungsverhältnis als solches folgende Gesamtrechtsstellung abzustellen ist. Erfüllt diese die geforderten Strukturvorgaben, so steht das gesamte Zuordnungsverhältnis mit allen hieraus resultierenden einfachgesetzlichen Befugnissen unter Eigentumsschutz. Ob eine isolierte Befugnis für sich gesehen selbst diese verfassungsunmittelbaren Anforderungen erfüllt oder nicht, ist hingegen ohne Belang. An die einzelnen Befugnisse ist bei dieser Frage nicht anzuknüpfen515. 514 Vgl. ferner etwa auch die Betonung der Gesamtrechtsstellung als Patentinhaber, Grundstücks- und Anteilseigentümer, Fischereiberechtigter in den oben auf S. 122 Fn. 504 f. zitierten Entscheidungen. Nicht zuletzt bewegt sich diese Anknüpfung an die aus dem Zuordnungsverhältnis fließende Gesamtrechtsstellung auch auf der Linie des BVerfG, wenn es anführt, Eigentum sei die „Zuordnung eines Rechtsguts zu einem Rechtsträger“ (siehe oben S. 88 Fn. 336). Die durch Errichtung des Zuordnungsverhältnisses geschaffene Gesamtrechtsstellung läßt sich eher als Rechtsgut i. d. S. begreifen als eine einzelne, konkrete Befugnis. 515 Sie sind nur auf der Ebene des ersten Prüfungsschritts maßgeblich, d. h. bei der Frage, ob sie ausreichend verfestigt sind, um subjektive Rechte zu begründen. Mit ihrer Hilfe ist dann die konkrete Reichweite der Bestandsgarantie im Einzelfall zu ermitteln.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Dementsprechend wird in den Entscheidungen des BVerfG erkennbar, daß es die Frage, ob eine Rechtsposition die aus Art. 14 I 1 GG zu entnehmenden verfassungsunmittelbaren Qualifikationsvorgaben516 erfüllt, in bezug auf das Zuordnungsverhältnis als solches prüft. So bejaht es z. B. das Vorliegen der Merkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ hinsichtlich der aus dem Zuordnungsverhältnis fließenden Gesamtrechtsstellung „Inhaber eines Vorkaufsrechts“, weil dieses Recht zum eigenen Vorteil ausgeübt und zumindest zusammen mit dem Grundstück übertragen werden könne517. Auf die einzelnen, aus der Rechtsstellung als Vorkaufsrechtsinhaber gemäß §§ 504 ff., 1094 ff. BGB entspringenden Befugnisse geht das Gericht an dieser Stelle nicht ein. Sie sind nur für die Frage maßgeblich, ob überhaupt einfachgesetzliche Rechtspositionen bestehen, die als Schutzposition der Bestandsgarantie in Betracht kommen518. Dieselbe Vorgehensweise findet sich in der Entscheidung zum Besitzrecht des Mieters519. Auch hier stellt sich für das Gericht die Frage nach den einzelnen, einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnissen lediglich bei der Suche nach einer Rechtsposition520. Für die Qualifikation zu Eigentum stellt es hingegen ausschließlich darauf ab, ob die aus dem Zuordnungsverhältnis folgende Gesamtrechtsstellung als Mieter die verfassungsunmittelbaren Anforderungen erfüllt521. Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage des Vermögenswertes. In den wenigen Fällen, in denen das Gericht sich näher zum Vorliegen der Voraussetzungen dieses Merkmals äußert, betont es nicht den Vermögenswert der isolierten Befugnis, sondern der Gesamtrechtsstellung, die sich aus der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses ergibt522. Hieran zeigt sich nicht zuletzt, daß das Abstellen auf die Gesamtrechtsstellung einem praktischen Bedürfnis entspricht. Es wäre wohl kaum möglich, für jede isolierte, einfachgesetzlich zugewiesene Befugnis zu prüfen, ob diese die verfassungsunmittelbaren Vorgaben erfüllt. So würden dann z. B. die Befugnisse des Mieters u. a. aus §§ 535 ff., 823, 858, 862 BGB nur insoweit unter die Bestandsgarantie fallen, wie jede einzelne von ihnen die Merkmale „Privatnützigkeit“ und „grund-

516 Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis bei privatrechtlichen, Leistung (und ggf. Existenzsicherung) bei öffentlich-rechtlichen Positionen, ferner Vermögenswert. 517 Vgl. BVerfGE 83, 201 (210 f.). 518 Vgl. BVerfGE 83, 201 (209 f.), wo das Gericht diese einzelnen Befugnisse nur bei der Frage aufwirft, ob ein subjektives (Privat-)Recht vorliegt. 519 BVerfGE 89, 1 ff. 520 BVerfGE 89, 1 (6 f.). 521 BVerfGE 89, 1 (7): „Dieses Besitzrecht ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die eine Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zum Inhalt hat.“ Vgl. ferner z. B. BVerfGE 79, 174 (191), wo festgestellt wird, das „Erbbaurecht“ selbst weise die Qualifikationsmerkmale auf, die daraus abzuleitenden Befugnisse aber erst später genannt werden. 522 Vgl. BVerfGE 78, 58 (73), wo das Gericht den Vermögenswert des Warenzeichens als solches betont aufgrund der damit verbundenen Gesamtrechtsstellung, nicht aber den der einzelnen, damit verbundenen Befugnisse; ebenso BVerfGE 83, 201 (208) bzgl. der Rechtsstellung als Inhaber eines Vorkaufsrechts.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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sätzliche Verfügungsbefugnis“ aufweist. Ferner wäre z. B. jede isolierte Befugnis, die sich für Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt, nur dann geschützt, wenn sie auf einer Eigenleistung beruhte und der Existenzsicherung diente. Dies würde aber insbes. bei Zuordnungsverhältnissen, die eine Vielzahl von Befugnissen beinhalten (z. B. die Rechtsstellung als Eigentümer, vgl. § 903 BGB), eine uferlose Prüfung nach sich ziehen. Zusammenfassend ist daher festzustellen: Bei Vorliegen eines funktionalen Regelungszusammenhangs zwischen allen einfachgesetzlich zugewiesenen Berechtigungen sind die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben ausschließlich in bezug auf die aus dem Zuordnungsverhältnis fließende Gesamtrechtsstellung zu prüfen. Erfüllt diese die Vorgaben und fällt damit unter den Eigentumsschutz, so gilt dasselbe auch für die einzelnen, aus dem Zuordnungsverhältnis entspringenden subjektiv-rechtlichen Befugnisse. Für ihre Einstufung als geschützte Rechtsposition ist es dann ohne Belang, ob diese isoliert gesehen auch die verfassungsunmittelbaren Vorgaben erfüllen würden. b) Abhängigkeit der Qualifikationsprüfung von der Verwurzelung des Zuordnungsverhältnisses Wenn das BVerfG im Rahmen des letzten Prüfungsschritts 2.b) an das Zuordnungsverhältnis als solches anknüpft, kann dieser Betrachtung große Bedeutung für die Frage zukommen, welche verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben für die Qualifikation einer Rechtsposition zu Eigentum erfüllt sein müssen. Denn wie bereits festgestellt, gelten je nachdem, ob die zu qualifizierende Rechtsposition im Privatrecht (z. B. Grundeigentum, Inhaber einer privatrechtlichen Forderung) oder öffentlichen Recht (z. B. Inhaber einer Rentenanwartschaft, Anspruch auf Arbeitslosengeld) verwurzelt ist, unterschiedliche Qualifikationsmerkmale (Trennungsbetrachtung): entweder Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis oder, bei öffentlich-rechtlicher Verwurzelung, die weitaus stärkeren Hürden der Eigenleistung und ggf. Existenzsicherung. Dieser Umstand hat freilich keine praktischen Auswirkungen, sofern es um eindimensionale Zuordnungsverhältnisse geht, d. h. wenn Zuordnungsverhältnis und zur Debatte stehende Befugnis in derselben Rechtsmaterie wurzeln. In diesen Fällen sind die zu prüfenden Strukturvorgaben im Ergebnis gleich. Besondere Bedeutung kommt dieser Frage aber zu bei mehrdimensionalen Sachverhalten, d. h. vor allem dann, wenn das Zuordnungsverhältnis im Privatrecht steht, die zur Debatte stehende Befugnis aber im öffentlichen Recht wurzelt523. Ist im Rahmen der Qualifikationsfrage allein auf das Zuordnungsverhältnis als solches abzustellen, so wäre lediglich maßgeblich, ob das Zuordnungsverhältnis selbst die (geringeren) An523 Siehe hierzu bereits oben S. 103 ff. hinsichtlich der Folgen einer solchen Fallkonstellation für den Prüfungsschritt 1 (Ermittlung des Bestehens einer Rechtsposition durch „Gesamtschau“ des Privat- und öffentlichen Rechts).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

forderungen an die Qualifikation einer privatrechtlichen Position erfüllt. Die im öffentlichen Recht wurzelnde Befugnis würde dann unter Eigentumsschutz stehen, unabhängig von der Frage, ob hier eine Eigenleistung des Betroffenen vorliegt.

(1) BVerfGE 95, 64 ff. – Wohnungsbindungsgesetz Die vorgenannte Problematik wird vom BVerfG in der bereits angesprochenen Entscheidung zum Wohnungsbindungsgesetz verdeutlicht. Das Gericht wirft hier die Frage auf, ob das Eigentum an Sozialwohnungen unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt524. Auf den ersten Blick mag dies verwundern, denn daß das Sacheigentum des BGB den Schutz von Art. 14 GG genießt, wird von niemandem bestritten. Bei genauer Betrachtung ist aber erkennbar, daß es dem Gericht um die Herausstellung der oben genannten Problematik geht, d. h. ob die Qualifikationsfrage an der Verwurzelung des Zuordnungsverhältnisses als solches oder der zur Debatte stehenden isolierten Befugnis festzumachen ist. Das Gericht macht in dieser Entscheidung zunächst deutlich, daß es die einfachgesetzlich eingeräumte Möglichkeit des Eigentümers, sich von den Bindungen des sozialen Wohnungsbaus zu befreien, als subjektiv-öffentliches Recht ansieht, das als Befugnis des Wohnungseigentümers unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt525. Würde hinsichtlich der Qualifikationsfrage auf diese einzelne öffentlich-rechtliche Befugnis abgestellt, so müßte ihr aber, um als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie eingestuft werden können, eine Eigenleistung des Betroffenen zugrunde liegen526. Das Gericht spricht sich aber ausdrücklich dagegen aus, diese öffentlich-rechtliche Befugnis gesondert als Anknüpfungspunkt für die Qualifikationsfrage zu sehen. Es komme hier auf eine Eigenleistung des Betroffenen gerade nicht an: „Eine Isolierung der Ablösemöglichkeit aus dem Regelungszusammenhang des Wohnungsbindungsgesetzes mit der Folge, daß sie als eine ausschließlich auf staatlicher Gewährung beruhende Rechtsposition, der keine eigene Leistung des Inhabers entspricht, anzusehen wäre, ist nicht möglich.“527

Abzustellen sei vielmehr auf das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis als Grundeigentümer: Denn da der Gesetzgeber die mit dem Wohnungsbindungsgesetz verfolgten Ziele im Ergebnis unter Ausnutzung von Eigentümerinteressen erreichen wolle, stünden Bindungen und Lockerungen in einem funktionalen Regelungszusammenhang528. Obwohl es vorliegend hinsichtlich der geschützten BVerfGE 95, 64 (82). Vgl. BVerfGE 95, 64 (82): „Vom Eigentumsschutz ist auch die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit umfaßt, sich von den Bindungen, denen Sozialwohnungen unterliegen, vorzeitig zu lösen.“ 526 Vgl. die bereits oben auf S. 65 zu Fn. 221 zitierte Passage aus dieser Entscheidung, wonach die Frage der Eigenleistung ausschließlich für den Eigentumsschutz subjektiv-öffentlicher Rechte Bedeutung habe. 527 BVerfGE 95, 64 (83). 524 525

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Rechtsposition, d. h. in bezug auf den ersten Prüfungsschritt, um ein subjektivöffentliches Recht geht, faßt das Gericht diese Position also unter den Schutz der Bestandsgarantie, weil hinsichtlich der Qualifikationsfrage (Prüfungsschritt 2.b) an das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ anzuknüpfen ist, bei dem die Qualifikationsmerkmale Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis ohne Zweifel zu bejahen sind529.

(2) BVerfGE 58, 300 ff. – Naßauskiesung Mit dem eben aufgezeigten Verständnis läßt sich auch die Naßauskiesungs-Entscheidung530 erhellen. Dem Gericht stellte sich hier u. a. die Frage, ob die im Wasserhaushaltsgesetz öffentlich-rechtlich geregelte Befugnis des Grundeigentümers, nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen das Grundwasser nutzen zu dürfen, unter die Bestandsgarantie fällt. Die Problematik, ob hier hinsichtlich der Qualifikationsfrage auf die isolierte (öffentlich-rechtliche) Befugnis oder das (zivilrechtliche) Zuordnungsverhältnis als solches abzustellen ist, steht bei dieser Entscheidung jedoch nicht im Vordergrund. Auf Grundlage der damals angegriffenen Neuregelung des Wasserhaushaltsgesetzes fehlte es wegen dessen repressiver Ausgestaltung bereits an einem subjektiv-öffentlichen Recht531. Die Frage, anhand welcher Merkmale dieses Recht zu Eigentum zu qualifizieren ist, stellte sich damit gar nicht. Anders war die Sachlage jedoch, soweit es um die Position ging, die dem Betroffenen auf Grundlage des vor der Neuregelung geltenden Preußischen Wassergesetzes eingeräumt wurde. Diesbezüglich wird vom Gericht, aufgrund des lediglich präventiven Verbots, ein subjektiv-öffentliches Recht bejaht532. Auf Grundlage der obigen Ausführungen zum Wohnungsbindungsgesetz hätte das Gericht an dieser Stelle hinsichtlich der Qualifikationsfrage an sich auf das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis als Grundeigentümer abstellen müssen. Denn auch hier wurden die öffentlichen Belange des Grundwasserschutzes unter Ausnutzung von Eigentümerinteressen verfolgt, d. h. standen Bindungen und Lockerungen an sich in einem funktionalen Regelungszusammenhang. Dies hätte zur Folge, daß die öffentlichrechtliche Befugnis zur Grundwassernutzung eigentlich schon deshalb unter dem Siehe hierzu bereits oben S. 124 f. und dort das Zitat zu Fn. 513. Daß das Gericht dies nicht mehr ausdrücklich prüft, liegt daran, daß das Sacheigentum des BGB als Urmodell unstreitig die Merkmale des Verfassungseigentums erfüllt, vgl. nur BVerfGE 98, 17 (35). 530 BVerfGE 58, 300 ff. 531 Vgl. BVerfGE 58, 300 (304 f., 328 f., 336 f., 346 a. E.) und bereits oben S. 99. Diese öffentlich-rechtliche Regelung hatte aufgrund ihrer Bereichsspezifigkeit abschließenden Charakter, so daß es auf eine zivilrechtliche Befugnis zur Grundwassernutzung aus §§ 903, 905 BGB nicht mehr ankam, vgl. dazu bereits oben S. 104. 532 Vgl. BVerfGE 58, 300 (348 f.) und bereits oben S. 99. 528 529

9 Appel

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Schutz der Bestandsgarantie hätte stehen müssen, weil das zivilrechtliche Grundeigentum die Merkmale der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis erfüllt. Und doch finden sich aber in der Naßauskiesungs-Entscheidung Ausführungen, die darauf hindeuten, daß das BVerfG bei der Qualifikationsfrage auf das Merkmal der Eigenleistung abstellt. So führt es an zur Begründung, daß die aus dem Preußischen Wassergesetz entspringende Befugnis zur Grundwassernutzung unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt, mit Art. 14 GG sei es nicht vereinbar, eine vom Grundstückseigentümer „ausgeübte Nutzungsbefugnis [ . . . ], zu deren Aufnahme umfangreiche Investitionen erforderlich waren, abrupt und ohne Überleitung zu unterbinden.“533 Dadurch werde die „geleistete Arbeit“ und der „Einsatz von Kapital“, d. h. der Aufwand, den jemand zum Zwecke der Grundwassernutzung aufgebracht hat, von heute auf morgen entwertet534. Versteht man diese Passage als Umschreibung des verfassungsrechtlichen Strukturmerkmals „Eigenleistung“, so könnte dies darauf hindeuten, daß das Gericht hier doch die isolierte (öffentlichrechtliche) Befugnis als Anknüpfungspunkt für die Qualifikationsfrage sieht, nicht hingegen das (zivilrechtliche) Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“. Denn die Eigenleistung wird vom BVerfG maßgeblich nur bei öffentlich-rechtlichen Positionen zur Qualifikation herangezogen. Für eine solche, auf den ersten Blick mit der Entscheidung zum Wohnungsbindungsgesetz535 in Widerspruch stehende Vorgehensweise ließen sich aber Gründe finden. Denn bei genauer Betrachtung ist beim Naßauskiesungs-Fall ein funktionaler Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen zivil- und öffentlichrechtlichen Vorschriften zu verneinen. Das Gericht betont nämlich in der Naßauskiesungs-Entscheidung, daß die Befugnis zur Nutzung des Grundwassers nicht erst durch das Wasserhaushaltsgesetz vom zivilrechtlichen Grundeigentum abgespalten worden sei, sondern der für den Erlaß des BGB zuständige Reichsgesetzgeber aufgrund des landesrechtlichen Vorbehaltes in Art. 65 EGBGB aus kompetentiellen Gründen gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, in den Regelungen des BGB das Verhältnis zwischen Grundeigentümer und Grundwasser zu regeln. Denn durch Art. 65 EGBGB sei dem Landesgesetzgeber auch die Normierung der diesbezüglichen privatrechtlichen Vorschriften zugewiesen gewesen536. Zusammenfassend stellt das Gericht hierzu fest: „Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und das gemäß Art. 65 EGBGB ergangene landesgesetzliche Wasserrecht bildeten somit von Anfang an zwei selbständige und getrennte Rechtsgebiete. Die Geltung des § 905 BGB war damit für das Grundwasser ausgeschlossen.“537 533 534 535 536

BVerfGE 58, 300 (349). BVerfGE 58, 300 (349). BVerfGE 95, 64 ff. Vgl. BVerfGE 58, 300 (332 f., auch schon S. 302 f.).

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Diese kompetenzbedingte Trennung beider Rechtsgebiete hat dazu geführt, daß die isolierte, im öffentlichen Recht wurzelnde Befugnis zur Grundwassernutzung kein Teil der Gesamtrechtsstellung ist, die sich aus der Errichtung des privatrechtlichen Zuordnungsverhältnisses „Grundeigentum“ ergibt. Auf dieser Grundlage wäre ein funktionaler Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen Bestimmungen des Wasserrechts einerseits und des Zivilrechts andererseits abzulehnen. Das Abstellen des Gerichts auf eine Eigenleistung des Betroffenen zur Qualifikation dieser Position zu Eigentum erscheint dann folgerichtig, da es insofern für die Qualifikationsprüfung ausnahmsweise nicht auf die Verwurzelung des Zuordnungsverhältnisses, sondern auf die isolierte, hier im öffentlichen Recht wurzelnde Befugnis zur Grundwassernutzung ankommt.

(3) Eigentumsschutz der Baubefugnis Die eben angesprochene Problematik ist von Bedeutung für alle öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, mit denen Befugnisse von Grundstückseigentümern geregelt werden538. Auch wenn hier nicht der Raum ist, ihre Auswirkungen auf all diesen Feldern zu untersuchen, so soll doch der oben ausgearbeitete Ansatz für die äußerst kontrovers diskutierte Frage fruchtbar gemacht werden, inwiefern die Befugnis, sein Grundstück bebauen zu können, unter den Schutz der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fällt. Auf die beinahe unüberschaubare Zahl von Stimmen, die zu der Frage Stellung genommen haben, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht detailliert eingegangen werden539. Es soll lediglich auf Grundlage der bisherigen Ausführungen untersucht werden, wie sich der Eigentumsschutz der Bauberechtigung auf Grundlage des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsmodells gestaltet. Ausgangspunkt soll die hier zugrunde gelegte mehrstufige Prüfungsfolge zur Ermittlung der Schutzobjekte der Bestandsgarantie sein. Danach stellt sich zunächst die Frage, ob eine einfachgesetzliche Rechtsposition vorliegt, die überhaupt als Schutzobjekt der Bestandsgarantie in Betracht kommt (Art. 14 I 2 GG). Zu ihrer Beantwortung wird vom BVerfG durch Auslegung der einfachrechtlichen Vorschriften geprüft, ob eine Gesamtschau des jeweils einschlägigen Privat- und öffentlichen Rechts ergibt, daß dem Betroffenen mindestens eine Befugnis eingeräumt wird, die ihm ein subjektives Recht vermittelt. In bezug auf die Bebaubarkeit eines Grundstücks weisen zwar §§ 903, 905 BGB dem Eigentümer grundsätzlich das Recht zu, sein Grundstück durch Bebauung frei zu nutzen. Diese Befugnis wird aber inhaltlich von vornherein durch die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften begrenzt. Diese geben dem Eigentümer einen Anspruch auf Erteilung der Bauerlaubnis, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (präven537 538 539

9*

BVerfGE 58, 300 (333). Z. B. durch Vorschriften des Immissions-, Natur- und Denkmalschutzes. Hierzu eingehend Grochtmann, Art. 14 GG, S. 139 ff. m. w. Nw.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

tives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt)540. Sind diese Voraussetzungen gegeben541, steht dem Bürger die Befugnis zu, von der Behörde die Erteilung der Baugenehmigung verlangen zu können. Folglich kommt ihm dann ein vermögenswertes subjektiv-öffentliches Recht zu, das als Rechtsposition unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fällt542. Unter Zuhilfenahme der verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben des Art. 14 I 1 GG543 ist sodann zu ermitteln, ob die einfachgesetzlich zugewiesene Rechtsposition diese Vorgaben erfüllt, um als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie qualifiziert werden zu können. Hier erhält die oben erörterte Frage Bedeutung, was als Anknüpfungspunkt für diese Qualifikationsprüfung zu sehen ist: Je nachdem, ob ein funktionaler Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen Vorschriften besteht oder nicht, wäre auf das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ oder die isolierte, im öffentlichen Recht geregelte Baubefugnis abzustellen. Bei näherer Betrachtung ist im Ergebnis genau diese Frage Hauptgegenstand des rechtswissenschaftlichen Streites um den Eigentumsschutz der Baubefugnis. Wenn auch nicht explizit die Fragestellung nach einem funktionalen Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen Vorschriften im Mittelpunkt der Kontroverse steht, so dreht sich der Streit doch tatsächlich maßgeblich um diesen Punkt. Dies soll nachfolgend aufgezeigt werden. Entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum, die davon ausgehen, das Recht, ein Grundstück zu bebauen, entspringe dem Eigentümer verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG544, geht die ganz überwiegende Ansicht in Anerkennung der aus Art. 14 I 2 GG fließenden Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie davon Vgl. stellv. § 78 I 1 LBauO-SH. Materiell müssen neben den Regelungen des Bauordnungsrechts (vgl. stellv. §§ 3 ff. LBauO-SH) vor allem die Bestimmungen des Bauplanungsrechts (insbes. §§ 30 ff. BauGB) eingehalten werden. Eine gebundene Entscheidung besteht bzgl. der Regelbebauung im qualifizierten Plangebiet und im unbeplanten Innenbereich (§§ 30 I; 34 II BauGB i. V. m. Abs. 2 der §§ 2 ff. BauNVO), ferner in den Fällen des § 34 I 1 BauGB (bei baulicher Gemengelage) sowie im privilegierten Außenbereich (§ 35 I BauGB). Str. ist dies für den sonstigen Außenbereich (§ 35 II BauGB). Nimmt man entgegen der h. M. (BVerwGE 18, 247 [250 ff.]; Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, § 35 Rn. 49) in Anlehnung an den Wortlaut der Vorschrift eine Ermessensentscheidung an (so z. B. Ortloff, NVwZ 1988, S. 322), so würde die damit eingeräumte Befugnis, eine fehlerfreie Ermessensausübung verlangen zu können, nicht zur Begründung eines subjektiven Rechts ausreichen. 542 Vgl. Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 120; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 147; Huber, DÖV 1999, S. 174 f. Siehe auch BGH NJW 1993, S. 458 m. w. Nw., wo betont wird, die nur im Wege eines Dispenses zu erlangende Bebaubarkeit sei keine unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallende Rechtsposition, es sei denn, es bestehe ausnahmsweise ein gebundener Anspruch auf Dispenserteilung, z. B. aufgrund Ermessensreduzierung auf Null. 543 Privatnützigkeit und grds. Verfügungsbefugnis bei privaten Vermögenswerten, Leistung und ggf. Existenzsicherung bei öffentlichen Leistungen, Vermögenswert. 544 Zu dieser Betrachtung noch näher unten S. 149 ff. 540 541

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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aus, das Recht zu bauen stehe nur insoweit unter ihrem Schutz, als dem Grundstückseigentümer durch einfachgesetzliche Regelungen bestimmte Baubefugnisse zugewiesen werden545. Innerhalb dieser Meinungsgruppe bestehen jedoch erhebliche Differenzen bei der Frage, in welcher Rechtsmaterie die Bauberechtigung zu verorten ist546. Überwiegend wird darauf hingewiesen, das – durch öffentlich-rechtliche Vorschriften geregelte – Recht zu bauen sei Bestandteil des zivilrechtlich zugewiesenen Grundstückseigentums547. Dieser Betrachtung liegt der Gedanke zugrunde, daß dem Grundeigentümer durch §§ 903, 905 BGB grundsätzlich auch die Befugnis zugesprochen wird, sein Eigentum (im Rahmen der Gesetze) beliebig zu nutzen, also auch zu bebauen. Daß diese Befugnis maßgeblich durch die öffentlichrechtlichen Bauvorschriften näher ausgestaltet wird, ändere nichts daran, daß sie ihren Ursprung im zivilrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ finde. Denn trotz der weitreichenden öffentlich-rechtlichen Begrenzungen stehe die „Verleihungsberechtigung“ , d. h. die Möglichkeit, vom Staat das Recht zu bauen erteilt zu bekommen, weiterhin ausschließlich dem zivilrechtlichen Grundeigentümer zu548. Da das Grundeigentum aber unstreitig unter den Schutz des Art. 14 GG fällt, sei damit, als Ausfluß dieser privatrechtlichen Rechtsposition, auch die Bebauung als eine von vielen Nutzungsformen von der Bestandsgarantie erfaßt549. Diese „privatrechtliche Theorie der Baufreiheit“550 geht damit im Ergebnis von einem funktionalen Regelungszusammenhang der einschlägigen Privat- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus: Zwar ist die Baubefugnis einfachgesetzlich im öffentlichrechtlichen Bauordnungs- und Bauplanungsrecht geregelt. Sie ist aber unlösbar mit dem zivilrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ verknüpft, so daß die privat- und öffentlich-rechtlichen Befugnisse nur im Rahmen einer Zusam545 Das Erfordernis einfachgesetzlicher Baubefugnisse betonen z. B. Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 244; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 130 f.; Breuer, Die Bodennutzung, S. 164 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 22; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 32; Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 35; Erbguth, JuS 1988, S. 702; Wahl, in: FS-Redeker, S. 262 f.; Krohn / Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, Rn. 119; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 146 f. m. w. Nw., insbes. aus der baurechtlichen Literatur auf S. 156 Fn. 720. 546 Vgl. Breuer, Bodennutzung, S. 162 f., der dies als Hauptgegenstand des Streites um die Bebauungsbefugnis bezeichnet. 547 Z. B. Huber, DÖV 1999, S. 174 a. E.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 218; Burgi, NVwZ 1994, S. 532; Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 34; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 36, 46; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 145 f. m. w. Nw. auf S. 156 Fn. 720; w. Nw. bei Breuer, Die Bodennutzung, S. 163 Fn. 262. 548 Dies betonen zu Recht Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 174; Leisner, DVBl. 1992, S. 1071. 549 Vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 145 f., 166. 550 So Breuer, Die Bodennutzung, S. 164 a. E. Siehe ferner Dolde, NVwZ 1986, S. 874 Fn. 15, der im Parallelfall der immissionsrechtlichen Genehmigung ebenso eine Verwurzelung im privaten Recht am Grundeigentum annimmt; ähnlich Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 220 f.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

menschau der Stellung des Grundeigentümers ihr maßgebliches Gepräge geben. Deshalb wäre bei dieser Betrachtungsweise hinsichtlich der Qualifikationsfrage auf das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ abzustellen, das unstreitig unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt. Der privatrechtlichen Theorie der Baufreiheit steht eine Reihe uneinheitlicher Lösungsvorschläge gegenüber, die üblicherweise unter dem Stichwort der sog. Verleihungslehren551 zusammengefaßt werden. Ihnen ist gemeinsam, daß sie das Recht zu bauen nicht als eine im zivilrechtlichen Grundeigentum verwurzelte Befugnis ansehen, sondern als eine Berechtigung, die dem Bürger originär kraft öffentlichen Rechts verliehen wird552. Der Grund hierfür wird maßgeblich darin gesehen, daß die Bebaubarkeit von Grund und Boden heute umfassend im öffentlichen Recht geregelt ist, „vor allem im Zuteilungssystem der Bauleitplanung, nicht im privaten Eigentumsrecht der §§ 903 ff. BGB“553. Dies führe zu einer Abspaltung der Baubefugnis vom Grundeigentum554. Der privatrechtlichen Theorie der Baufreiheit stehe die Lebenswirklichkeit entgegen555. Sie habe nur Geltung beanspruchen können, „solange die Baugenehmigungspflicht und das öffentliche Bauordnungsrecht dominierten und nur Ansätze eines Bauplanungsrechts existierten.“556 Das öffentliche Baurecht heutiger Prägung sei aber eine „umfassende“, „abschließende öffentlich-rechtliche Regelung“, bei der „ein Rückgriff auf § 903 BGB nicht nur überflüssig, sondern auch systemwidrig“ wäre557. Diese Stimmen lehnen damit im Ergebnis einen funktionalen Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen Vorschriften des Zivil- und öffentlichen Baurechts ab. Die Baubefugnis wird als isolierte, vom zivilrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ abgespaltene Berechtigung angesehen, vergleichbar mit der Befugnis zur Grundwassernutzung im Preußischen Wassergesetz558. Hinsichtlich der Quali551 Der Ausdruck geht zurück auf Leisner, DVBl. 1992, S. 1068 ff., der in diesem Zusammenhang von einer staatlichen „Baurechtsverleihung“ spricht. Gleichzeitig weist er aber darauf hin, daß diese Stimmen keine homogene Gruppe bilden, sondern stark differieren. 552 Vgl. Leisner, DVBl. 1992, S. 1066, der dies als Gemeinsamkeit der Vertreter der „Verleihungslehren“ ansieht; ebenso Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 42 Rn. 8; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 160 f. 553 Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 42 Rn. 7; siehe ferner ders., Die Bodennutzung, S. 166 ff.; ders., DÖV 1978, 189 ff.; Schulte, JZ 1984, S. 301; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 32; in diese Richtung auch Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 98; ders., NJW 1982, S. 722; w. Nw. bei Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 123 Fn. 1; Breuer, Die Bodennutzung, S. 163 Fn. 263. 554 Maßgeblich soll insoweit der „empirische Befund“ (Grochtmann, Art. 14 GG, S. 161 ff.) sein, daß aufgrund der großen Anzahl von öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften kein Raum mehr für eine privatrechtlich verwurzelte Restbefugnis bleibe (Breuer, Die Bodennutzung, S. 166 ff.; ders., in: Schrödter, BauGB, § 42 Rn. 7). 555 Breuer, Die Bodennutzung, S. 166. 556 Breuer, Die Bodennutzung, S. 166. 557 Breuer, Die Bodennutzung, S. 167. 558 Vgl. oben S. 129.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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fikationsfrage muß bei dieser Betrachtung folglich auf die isolierte, im öffentlichen Recht verwurzelte Baubefugnis abgestellt werden. Auf Grundlage der Vorgaben des BVerfG wäre damit zur Eröffnung des Eigentumsschutzes eine Eigenleistung des Betroffenen erforderlich. Nachfolgend soll geprüft werden, welches dieser beiden Lösungsmodelle mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis vereinbar ist. Zwar hat das BVerfG zu dieser Streitfrage bisher nicht explizit Stellung genommen. Es hat jedoch festgestellt: Das Recht des Bauherrn, sein „[ . . . ] Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen, ist von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.“559

Diese Aussage wäre aber kaum möglich, ginge das Gericht auf Grundlage der Verleihungslehren von einer Abspaltung der Baubefugnis vom Grundeigentum aus. Denn dann wäre eine solche Feststellung nicht ohne weiteres, sondern nur zu treffen, wenn eine Eigenleistung des Grundeigentümers angenommen werden könnte, da nur eine solche öffentlich-rechtlichen Positionen zu Eigentumsschutz verhilft. Worin aber eine solche gesehen werden kann, ist nicht ersichtlich. Auf den Geldaufwand abzustellen, der zum Erwerb des Grundstückseigentums eingesetzt wurde, ist nach dem BVerfG nicht möglich560. Zudem wäre eine solche Vorgehensweise inkonsequent, weil dann gerade die von der Verleihungslehre betonte Trennung der Baubefugnis vom privatrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ unterlaufen würde. Mangels Eigenleistung könnte das BVerfG die obige Aussage daher nicht machen, ginge es von einer öffentlich-rechtlichen Verleihung der Baubefugnis aus561.

BVerfGE 35, 263 (276); ferner BVerfGE 104, 1 (11). Vgl. BVerfGE 95, 64 (83), wo das Gericht eine Eigenleistung des Grundstückseigentümers verneint, obwohl die Grundstücke in den streitigen Fällen entgeltlich (vgl. BVerfGE 95, 64 [74 ff.]) erworben wurden; ebenso BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 24. Siehe in diesem Zusammenhang auch Leisner, DVBl. 1992, S. 1071, der „schier unüberwindliche Schwierigkeiten“ sieht, was in diesen Fällen die Leistung des Grundstückseigentümers sein soll. Ablehnend auch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 218; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 163, 179; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 13; Huber, DÖV 1999, S. 174 a. E. 561 Diese Einschätzung korrespondiert mit einer neueren Entscheidung, in der das Gericht ausführt, daß „Bodenwerte zum Grundeigentum gehören und Bodenwertsteigerungen dem Grundstückseigentümer zufallen“ (BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 25). Damit macht es deutlich, daß die bauliche Nutzung unter die Bestandsgarantie fällt, was wiederum bei einer öffentlich-rechtlichen Verleihung mangels Eigenleistung kaum möglich wäre. Sich dieser Konsequenzen bewußt, geht Breuer, Die Bodennutzung, S. 204 ff., den Weg, das Leistungskriterium zu modifizieren und u. a. bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn sich die potentielle Bebaubarkeit durch tatsächliche Bebauung („Inswerksetzen“) verfestigt habe. Siehe ferner Breuer, Die Bodennutzung, S. 183 ff. zu anderen Fallgruppen, in denen er zur Bejahung einer Eigenleistung kommt (kritisch hierzu Grochtmann, Art. 14 GG, S. 163 Fn. 751, der feststellt, diese Fallgruppen hätten in der Praxis keine nennenswerte Relevanz). 559 560

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

Daneben sprechen aber auch weitere erhebliche Argumente gegen die Annahme einer Abspaltung der Bauberechtigung vom Grundeigentum, d. h. der Verneinung eines funktionalen Regelungszusammenhangs. Zunächst scheint schon der von den Anhängern der Verleihungslehre gewonnene empirische Befund selbst zweifelhaft. Denn an dem Umstand, daß die „Verleihungsberechtigung“ weiterhin allein dem Grundeigentümer zusteht562, zeigt sich, daß ungeachtet aller öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften Ausgangspunkt der Bauberechtigung weiterhin das zivilrechtlich zugewiesene Grundeigentum bleibt. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Naßauskiesungs-Fall, da das Recht zur Grundwassernutzung unabhängig vom Grundeigentum verliehen werden kann563. Ein weiterer Unterschied zur Naßauskiesungs-Entscheidung ist darin zu sehen, daß anders als im Wasserrecht (vgl. Art. 65 EGBGB) für die bauliche Nutzung kein landesrechtlicher Vorbehalt in Art. 55 ff. EGBGB bestand, der es dem Reichsgesetzgeber bei Erlaß des BGB von vornherein verwehrt hätte, dem Eigentümer über § 903 BGB auch die bauliche Nutzung zuzuweisen. Der damit festzustellende Regelungszusammenhang zwischen den Bau- und Zivilrechtsvorschriften wird auch in einer Stellungnahme Böhmers deutlich. Er betont, die „Anerkennung öffentlich-rechtlicher Elemente im Eigentumsbegriff [ . . . ] [habe] keine Aufgabe des ,Privateigentums‘“ zur Folge. Das Eigentum an Grund und Boden bleibe „auch bei Anerkennung seiner öffentlich-rechtlichen Elemente privates Eigentum, weil es einem Privatrechtssubjekt zu ,eigen‘ zugeteilt ist.“564 Auf dieser Linie bewegt sich auch das BVerfG, wenn es ungeachtet der vielfach bestehenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen wie selbstverständlich von einer Verbindung der Nutzungsrechte am Grundstück mit dem zivilrechtlichen Grundeigentum ausgeht565. Dieser Befund wäre vermutlich anders ausgefallen, hätte das Gericht hinsichtlich der wichtigsten Form der Grundstücksnutzung, der baulichen, eine genau entgegengesetzte Auffassung566. Hierzu oben S. 133. Vgl. Schulte, JZ 1984, S. 301, der betont, anders als im Baurecht habe der Grundstückseigentümer im Wasser- und Bergrecht kein „Zuordnungsprivileg“. 564 Böhmer, Zur Geschichte des Grundstücksverkehrsrechts, S. 24. 565 Vgl. BVerfGE 24, 367 (395); 58, 300 (345), wo das Gericht bedenkenlos eine Verbindung von bestimmten Nutzungsrechten mit dem Grundeigentum herstellt. 566 Die Verleihungslehren können sich auch nicht auf Ausführungen des BVerfG im Verfahren zur Hamburger Deichordnung (BVerfGE 24, 367 ff.) stützen. Zwar spricht das Gericht hier davon, daß aufgrund der Überführung des zivilrechtlichen Grundeigentums an Deichgrundstücken in öffentliches Eigentum das verbleibende Nutzungsrecht „nicht mehr auf dem Eigentumsrecht am Grundstück [beruht], sondern [ . . . ] auf Grund gesetzlicher Verleihung am nunmehr öffentlichen Eigentum [ . . . ].“ (BVerfGE 24, 367 [395]). Im Unterschied zu den hiesigen Fällen wurde jedoch durch das Deichordnungsgesetz das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis am Grundeigentum durch Enteignung aufgelöst (vgl. BVerfGE 24, 367 [393]) und durch die Überführung in öffentliches Eigentum ein eigenständiges, öffentlichrechtliches Zuordnungsverhältnis neu begründet. Das geltende Baurecht geht hingegen nicht von einer solchen Überführung in öffentliches Eigentum aus. Im Gegenteil setzt die Erteilung der Baubefugnis gerade voraus, daß der Antragssteller zivilrechtlicher Grundstückseigentümer ist. 562 563

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. spricht gegen eine Abspaltung der Bauberechtigung vom Grundeigentum zudem die Institutsgarantie des Art. 14 I 1 GG. Das Recht, sein Grundstück zu bebauen, zählt zu den „Essentialia“567 der Eigentümerbefugnisse: „Die bauliche Nutzung vermittelt dem Eigentümer in besonderer Weise einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich und ermöglicht damit eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung.“568

Soll die Einrichtungsgarantie dafür sorgen, daß nicht solche Elemente der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum „elementaren Bestand der grundrechtlichen geschützten Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören“569, so darf der Gesetzgeber die bauliche Nutzung nicht gänzlich ihrer im Grundeigentum bestehenden Wurzeln berauben und dem öffentlichen Recht überantworten570. Denn nur, wenn sie im privatrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ verwurzelt bleibt, ist ein Bestandsschutz möglich, da es bei öffentlich-rechtlicher Verwurzelung auf eine Eigenleistung des Betroffenen ankäme, die aber nicht ersichtlich ist. Zu der in diesem Zusammenhang immer wieder herangezogenen Abspaltung der Grundwassernutzung vom Grundeigentum, die nach dem BVerfG mit der Institutsgarantie des Art. 14 I 1 GG vereinbar ist571, bestehen sowohl qualitative als auch quantitative Unterschiede. Zum einen müssen die Eigentümerinteressen bei der Frage des Wasserschutzes größere Einschränkungen hinnehmen, da diesem, anders als der städtebaulichen Ordnung, „lebensnotwendige“ Bedeutung für die Bevölkerung und die Gesamtwirtschaft zukommt572. Zum anderen hängt „die Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden, [ . . . ] in aller Regel nicht davon ab, daß dort Grundwasser gefördert werden kann“573. Anders stellt sich die Sachlage hingegen bei der baulichen Nutzung dar. Diese Frage 567 Leisner, DVBl. 1992, S. 1065; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 126; Erbguth, JuS 1988, S. 701; ähnlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 139 („paradigmatischer Ausdruck“ der Eigentumsfreiheit); Christ, DVBl. 2002, S. 1524 („wichtigste Nutzungsart der Güterkategorie ,Grundeigentum‘“). 568 BVerfGE 104, 1 (11, Hervorhebung nicht im Original). 569 BVerfGE 24, 367 (389). 570 Ebenso die h. L., vgl. Wahl, in: FS-Redeker, S. 262; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 217 f.; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 99; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 197; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 126 ff.; Erbguth, JuS 1998, S. 701; ferner Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 204, der in Anspielung auf eine vom BVerfG zur Institutsgarantie mehrfach verwandte Formel ausführt: „Eine Rechtsinhaberschaft an Grund und Boden, die nicht die prinzipielle Freiheit enthielte, auf dem Boden auch bauen zu können, würde die Bezeichnung Grundeigentum im Sinne des garantierten Rechtsinstituts nicht mehr verdienen.“ (Hervorhebung im Original). 571 Vgl. BVerfGE 58, 300 (338 ff.). 572 BVerfGE 58, 300 (341); siehe ferner BVerfGE 58, 300 (344), wo das Gericht von einer „kaum zu überschätzende[n] Bedeutung“ des Grundwassers spricht. 573 BVerfGE 58, 300 (345).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

ist im Regelfall die für die wirtschaftliche Bedeutung des Grundstücks entscheidende574. Die Naßauskiesungs-Entscheidung spricht somit nicht für575, sondern gegen die Vereinbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Verleihung der Baubefugnis mit der Institutsgarantie576. Bedenken ruft der den Verleihungslehren zugrundeliegende Gedanke auch hervor, wenn man sich die praktischen Folgewirkungen eines solchen Eigentumsverständnisses auch auf andere Rechtsgebiete vergegenwärtigt. Leisner hat in diesem Zusammenhang den Einwand gemacht: „Nie könnte ja, mit einer auch nur annähernden Sicherheit, festgestellt werden, wann sich der Umschlag von ,Freiheit‘ in ,Verleihung‘ vollzöge.“577 Damit spricht er das Problem an, daß sich auf Grundlage der Verleihungslehre an sich in jedem Rechtsbereich, in dem öffentlich-rechtliche Begrenzungen des zivilrechtlichen Grundeigentums normiert sind, die Frage stellen müßte, ob diesen schon ein derartiges Übergewicht zukommt, daß die §§ 903, 905 BGB als verdrängt anzusehen sind578. Daran zeigt sich, daß diese Sichtweise nicht trägt, solange sie nicht zumindest mit einer konkreten Auslegungsregel verbunden wird, anhand derer ablesbar ist, „ab welchem Grad öffentlich-rechtlicher ,Überformung‘“ eine Abspaltung vom Grundeigentum angenommen werden kann579. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die von den Anhängern der Verleihungslehren betonte Abspaltung der öffentlich-rechtlichen Baubefugnis vom zivilrechtlichen Grundeigentum, m. a. W. die Verneinung eines funktionalen Regelungs574 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 65; Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 119; Schönfeld, BayVBl. 1996, S. 725. 575 So aber Schulte, JZ 1984, S. 302, der auf Grundlage dieser Entscheidung eine Abspaltung der baulichen Nutzung für zulässig hält. 576 Eben wurde festgestellt, daß die Institutsgarantie dazu zwingt, die privatrechtliche Verwurzelung der baulichen Nutzung mit dem Grundeigentum nicht preiszugeben, damit ihr Bestandsschutz nicht im Rahmen der Qualifikationsfrage am Erfordernis einer Eigenleistung scheitert (letzter Prüfungsschritt, 2.b). Dies setzt aber voraus, daß beim ersten Prüfungsschritt überhaupt eine einfachgesetzliche Rechtsposition vorliegt, die zu Bestandseigentum qualifiziert werden kann. Daher zwingt die Einrichtungsgarantie ferner dazu, dem Grundeigentümer grds. einen Anspruch auf Genehmigungserteilung einzuräumen, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Stünde es hingegen allein im Ermessen der Behörde, die Erlaubnis trotz Nichtvorliegens der vom Gesetzgeber normierten Gefahrenlage zu versagen, würde ein Bestandsschutz der Bauberechtigung schon am Vorliegen einer einfachgesetzlichen Rechtsposition i. S. d. Art. 14 I 2 GG scheitern. Deswegen würde eine generelle repressive Ausgestaltung des Baurechts gegen die Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG verstoßen (i. E. ebenso Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 197; Wahl, in: FS-Redeker, S. 262). 577 Leisner, DVBl. 1992, S. 1070. 578 So weist Leisner, DVBl. 1992, S. 1070, darauf hin, daß z. B. im Umweltrecht die öffentlich-rechtlichen Regelungen rasch zunehmen und fragt zugespitzt: „Ist also bereits die agrarische Anbaufreiheit zum verliehenen Anbaurecht geworden, wann wird die industrielle Freiheit zu einer nach Technikrecht verliehenen Berechtigung?“ 579 So der Einwand von Grochtmann, Art. 14 GG, S. 169, der gleichzeitig feststellt, daß ein solcher Maßstab zum einen bisher von keinem Vertreter der Verleihungslehren aufgezeigt wurde, zum anderen sich aber auch kaum sachlich begründen ließe.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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zusammenhangs zwischen den einschlägigen Vorschriften des Privat- und öffentlichen Baurechts nicht überzeugt. Die Bauberechtigung hat ihren Ursprung im zivilrechtlichen Grundeigentum, weswegen hinsichtlich der Qualifikationsfrage auf dieses privatrechtliche Zuordnungsverhältnis abzustellen ist. Da das Grundeigentum unzweifelhaft die verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben für den Eigentumsschutz privatrechtlicher Positionen erfüllt, fällt auch eine öffentlich-rechtlich eingeräumte Baubefugnis unter den Schutz der Bestandsgarantie.

IV. Vermeintlicher Sonderfall: Eigentumsschutz von „Nutzungsmöglichkeiten“ Bei den eben gemachten Ausführungen, daß das BVerfG hinsichtlich des letzten Prüfungsschritts 2.b) im Regelfall auf das Zuordnungsverhältnis als solches abstellt, darf keinesfalls aus den Augen verloren werden, was bereits an anderer Stelle in bezug auf die Frage nach der Ermittlung der konkreten Reichweite der Bestandsgarantie (Prüfungsschritt 1) gesagt worden ist. Bei dieser Frage hat die Anknüpfung an das Zuordnungsverhältnis als solches gerade keine Bedeutung. Maßgeblich ist ausschließlich der Umfang der einfachgesetzlich eingeräumten Berechtigungen (Verständnis der Bestandsgarantie als „Bündel von Befugnissen“580). Nun sollte man meinen, das zuletzt Gesagte sei aufgrund der weitgehenden Akzeptanz der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie eine ganz herrschende Betrachtung. Denn das Verständnis der Individualrechtsgarantie als Befugnisbündel ist – wie bereits ausgeführt – lediglich zwingende Konsequenz ihrer in Art. 14 I 2 GG niedergelegten Normgeprägtheit. Das Gegenteil ist aber der Fall. Neben den Stimmen, die sich auf Grundlage der Gesetzesabhängigkeit des Eigentums zum Verständnis der Bestandsgarantie als „Bündel von Befugnissen“ bekennen581, gibt es auch ausdrücklich ablehnende Stellungnahmen582. Von noch größerer Bedeutung als die zuletzt genannten Stimmen dürfte aber sein, daß sich ein ganz erhebDazu oben S. 101. Siehe die Nw. S. 101 Fn. 414. 582 So etwa Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253. Kategorisch ablehnend Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 197, der die Einheit des Eigentumsbegriffs betont und in der Aufgliederung des Eigentums in einzelne Befugnisse einen „Zauberstab“ sieht, mit dem sich jedes Eigentum beliebig „zertrümmern, verkleinern, ja atomisieren“ ließe: „Eine logische Grenze läßt sich überhaupt nicht mehr finden, wenn einmal die Auflösung des Eigentums in ,Befugnisse‘ begonnen hat“ (Hervorhebung im Original). Vgl. ferner Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 46 ff., wonach das GG „das [einheitliche] Eigentum“ schütze, nicht aber nur „einzelne Eigentumsrechte“, und er sich ausdrücklich gegen das Verständnis des Eigentums als ein Bündel von property rights ausspricht. Siehe ferner Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 125, 134 f., 159, 167; ders., in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 41, 52 ff., der sich durchweg gegen die Aufspaltung des Eigentumsbegriffs in einzelne Befugnisse ausspricht und einen einheitlichen, an das umfassende Verfügungsrecht des § 903 BGB orientierten Eigentumsbegriff vertritt. 580 581

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

licher Teil der eigentumsrechtlichen Literatur mit dieser Frage nicht explizit auseinandersetzt, dabei aber zu einem bestimmten Problembereich des Eigentumsschutzes ein Verständnis an den Tag legt, das dem Eigentum als Bündel von Befugnissen diametral entgegensteht. Es ist damit der Komplex angesprochen, der unter dem Stichwort „Eigentumsschutz von Nutzungsmöglichkeiten“ in der eigentumsrechtlichen Literatur kursiert583. Wie die Formulierung nahelegt, geht es hierbei um die Frage, ob und inwieweit unter den Schutz der Bestandsgarantie auch die Möglichkeit des Eigentümers fällt, seinen Eigentumsgegenstand nutzen zu können. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist nicht möglich, auf die vielfältigen, in diesem Zusammenhang vertretenen Ansätze im einzelnen einzugehen584. Von Interesse soll allein sein, wie der Schutz von Nutzungsmöglichkeiten im System des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses einzuordnen ist. Und nach dem, was bisher in der vorliegenden Arbeit festgestellt wurde, ist die Beantwortung dieser Frage vorgezeichnet: Art. 14 I 1 GG kann Nutzungsmöglichkeiten nur in dem Maße schützen, wie sie dem Berechtigten als subjektive Rechte konkret zugewiesen sind. Maßgeblich ist mithin das Befugnis-, d. h. Nutzungsbündel585, das dem einzelnen einfachgesetzlich zugewiesen ist. Jede andere Sichtweise liefe der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie zuwider586. Wird dem Betroffenen z. B. durch das öffentliche Baurecht die Befugnis verliehen, von der Behörde die Erteilung der Bauerlaubnis verlangen zu können, so ist ihm damit einfachgesetzlich die Berechtigung eingeräumt, sein Grundstück baulich nutzen zu können. Verwehrt ihm das WHG eine solche Befugnis, wenn es darum geht, im Rahmen seiner Grundstücksnutzung auf das Grundwasser zuzugreifen, so fehlt es insoweit an einer einfachgesetzlich zugewiesenen Nutzungsmöglichkeit. Letztere ist damit, 583 Siehe hierzu allg. Leisner, BB 1992, S. 73 ff.; ders., DVBl. 1983, S. 67; Ossenbühl, in: FS-Leisner, S. 689 ff.; Soell, DVBl. 1983, S. 242 f.; Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 121 ff.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 115 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 121 ff. 584 So gewährten z. B. die Fachgerichte unter der Ägide des weiten Enteignungsbegriffs Enteignungsschutz sowohl von ausgeübten Nutzungen als auch von lediglich potentiellen Nutzungsmöglichkeiten, soweit sich diese eigentumskräftig verfestigt hatten. Hierfür hielt man für maßgeblich, ob sich die zur Debatte stehende Nutzungsmöglichkeit „objektiv anbot“ bzw. „aufdrängte“. Siehe dazu BGHZ 60, 126 (131); BVerwGE 67, 84 (92); 67, 93 (96 f.); 67, 84 (92); König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 32 ff.; Pietzcker, NVwZ 1991, S. 422. Nach Maiwald, BayVBl. 1991, S. 103, ist eine Eigentumsnutzung nur geschützt, wenn sie dergestalt „ins Werk gesetzt“ ist, daß mit ihrer Ausführung begonnen wurde. Ähnlich Dieterich, Eigentum und Grundwasserschutz, S. 23 f.; Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 21. 585 Siehe zum Verständnis der Bestandsgarantie als „Befugnisbündel“ bereits oben S. 101. 586 Daher ist z. B. Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 41, zu widersprechen. Er stellt fest, die Frage des Nutzungsschutzes sei ungeklärt, es fehle „ein klares Kriterium, welche Nutzungen der Eigentumsgarantie zuzuordnen sind und welche nicht.“ Maßgeblich ist und bleibt auch hier die Frage nach der Zuweisung einer Rechtsposition, d. h. eines subjektiven Rechts.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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aufgrund des Fehlens eines subjektiven Rechts, nicht von der Bestandsgarantie geschützt. Wird von diesem Eigentumsverständnis ausgegangen, so ergeben sich mehrere Folgerungen. Zum einen ist für den Schutz einer Nutzungsmöglichkeit allein ihre einfachrechtliche Zuweisung ausreichend. Daher kann für die Frage nach dem Bestandsschutz nicht maßgeblich sein, inwieweit eine Nutzungsmöglichkeit, ist sie einfachgesetzlich eingeräumt, bereits tatsächlich ausgeübt wird bzw. ob sie sich objektiv anbietet oder aufdrängt587. Ob eine unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Rechtsposition vorliegt, kann nicht von außerrechtlichen, faktischen Gegebenheiten abhängen, sondern allein davon, ob das einfache Recht ein subjektives Recht zuweist588. Leisner betont in diesem Zusammenhang zutreffend eine „negative Eigentumsfreiheit“ 589, d. h. das Recht, von einer Nutzungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen zu müssen. Ein gerichtlich sanktionierter „Inswerksetzungszwang“ oder ein „allgemeiner Investitions- und Konsumzwang“ sei „volkswirtschaftlich unerträglich“590. Des weiteren ergeben sich Auswirkungen in Fällen, in denen eine ordnungsrechtliche Genehmigung zur Debatte steht. Sieht das BVerfG als von der Bestandsgarantie geschützte Rechtsposition schon die einfachgesetzlich eingeräumte Befugnis, von der Behörde die Erteilung der Genehmigung verlangen zu können, so kann der Erteilung selbst keine konstitutive Wirkung zukommen591. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine gebundene Entscheidung vor, so 587 Deswegen ist Leisner, BB 1992, S. 75 ff., zu widersprechen, der dem BVerfG unterstellt, es gewähre Enteignungsschutz lediglich für eine „investiv ausgeübte Nutzung“ (hierzu auch König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 34 ff. m. w. Nw.). Hiergegen z. B. BVerfG, 1 BvR 1402 / 01, K.-Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376, wo das Gericht die abstrakte Möglichkeit, sein Grundstück im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB bebauen zu können, ohne weiteres Erfordernis als Eigentumsposition ansieht. 588 Ansonsten würde, entgegen Art. 14 I 2 GG, nicht der Gesetzgeber, sondern der Rechtsanwender Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, daß zur Beantwortung der Frage, ob das einfache Recht im konkreten Fall ein subjektives Recht zuweist, das Gesetz im Regelfall erst angewendet werden muß. Dabei ist es regelmäßig erforderlich, daß der Rechtsanwender, insbes. bei unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensermächtigungen, faktische Umstände miteinfließen läßt. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber dem Anwender aber die Befugnis verliehen, die legislativ abstrakt vorgenommene Inhaltsbestimmung zu konkretisieren. Dies ist kein Verstoß gegen Art. 14 I 2 GG (hierzu noch näher unten S. 245 ff.). 589 Leisner, BB 1992, S. 79; ebenso Stumpf, NJW 2003, S. 12. 590 Leisner, BB 1992, S. 79; ihm zustimmend Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 267 f.; vgl. auch Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 121, der betont, Art. 14 GG zwinge nicht zum „Eigentumsaktivisten“. Eine solche Betrachtung schließt es aber nicht aus, auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung eine Abstufung des Eigentumsschutzes vorzunehmen, je nachdem, inwieweit sich das Vertrauen des Betroffenen aufgrund einer bereits aktualisierten Nutzung verfestigt hat oder nicht (dazu noch näher unten S. 250 Fn. 518). 591 Anders nur beim repressiven Verbot, bei dem die Erteilung im Ermessen steht. Hier ist die behördliche Genehmigungserteilung hinsichtlich der Frage nach dem Bestehen einer Rechtsposition entscheidend (vgl. oben S. 98 f.).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

kann der Eigentumsschutz nicht davon abhängen, daß die Verwaltung auch tatsächlich ihrer Erteilungspflicht nachkommt592. Zum anderen ist aber auch die einfachgesetzliche Einräumung einer Nutzungsbefugnis erforderlich. Eine Nutzungsmöglichkeit kraft Natur der Sache bzw. unmittelbar aus der Verfassung kann es nicht geben, wenn man die in Art. 14 I 2 GG normierte Gesetzesabhängigkeit ernst nimmt. Gerade diesbezüglich bestehen jedoch Zweifel, wenn in der Literatur an einer Vielzahl von Stellen festgestellt wird, Art. 14 GG schütze nicht nur das „Innehaben“ einer Rechtsposition, sondern gleichsam auch deren „Gebrauchen“, d. h. ihr „Ausnutzendürfen“, ihre „Nutzung“593. Diese weit verbreitete Pauschalierung des eigentumsgrundrechtlichen Schutzumfangs verleitet zu grundlegenden Mißverständnissen und bedarf deutlicher Zurückweisung. Auch wenn in diesem Zusammenhang nicht immer explizit betont wird, das „Ausübungsrecht“ erwachse dem Grundrechtsträger verfassungsunmittelbar aus Art. 14 I 1 GG594, so ist doch der Eindruck, der mit einem solchen Sprachgebrauch vermittelt wird, im Ergebnis derselbe595: Es wird der Anschein erweckt, als beziehe sich die von der h. M. vertretene Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie lediglich auf das „Innehaben“ der Eigentumsposition596, während die Möglichkeit des Ausübens einer derartigen Rechtsstellung unmittelbar aus der Verfassung, d. h. zumindest (auch) ohne einfachgesetzliche Vermittlung unter den Schutz der Bestandsgarantie falle. Durch einfachgesetzliche Regelungen, die dieses Nutzungsrecht näher regeln, würde der Gesetzgeber dann immer, sozusagen „von außen kommend“, in einen verfassungsunmittelbar umfassend gewährleisteten Nutzungsbereich eingreifen. Besonders deutlich wird dieses Eigentumsverständnis in einer aktuellen Stellungnahme Depenheuers: „Der Gesetzgeber, der Eigentum inhaltlich bestimmt, kann auf einer logisch ersten Stufe nur entweder Ei592 I. E. ebenso Burgi, NVwZ 1994, S. 532; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 147 Fn. 669, S. 158 ff. A.A. Maiwald, BayVBl. 1991, S. 103 f., die generell eine Erlaubniserteilung verlangt; so wohl auch Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 21. 593 Vgl. etwa König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 27; Axer, DVBl. 1999, S. 1537; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 136 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 41; Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn 34; v. Heinegg / Haltern, JuS 1993, S. 122; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 914; Ossenbühl, in: FS-Leisner, S. 691; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 17; Herzog, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 675; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 8 m. w. Nw. in Fn. 28; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 130 Fn. 595, 597. 594 So aber z. B. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253 f.; w. Nw. zu derartigen Stimmen in bezug auf die bauliche Nutzung unten auf S. 149 Fn. 630. 595 Z. B. wenn Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 8 ausführt: „Art. 14 Abs. 1 Satz 1 schützt die Herrschafts- und Nutzungsbefugnis, das Recht des ,Habens‘ und ,Gebrauchmachens‘ an einem konkreten Eigentumsgegenstand.“ (Hervorhebung im Original). Ebenso, wenn Ossenbühl, in: FS-Leisner, S. 691; ders., JZ 1999, S. 899 (jeweils unter Verweis auf Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 366), feststellt, aus Art. 14 GG ergebe sich nicht nur eine Bestands-, sondern auch eine „Nutzungsgarantie“. 596 Sozusagen als Reminiszenz an Art. 14 I 2 GG.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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gentum im Sinne eines absoluten Herrschafts- und Verfügungsrechts zuordnen oder gar nicht. Eigentum in diesem Sinne ist also grundsätzlich ein verfassungsrechtlich freies, unbeschränktes und absolutes Recht [ . . . ]. Erst auf einer logisch zweiten Stufe kann der einfache Gesetzgeber – gegebenenfalls uno actu mit der Rechtszuweisung – gemeinschaftsdienliche Beschränkungen des Eigentums statuieren, die gegenüber dem Eigentümer rechtfertigungsbedürftig sind. So umfaßt z. B. die rechtliche Zuordnung von Bodeneigentum grundsätzlich das Recht auf Baufreiheit und Wassernutzung, Anliegerrechte oder Nachbarrechte, die sich auch ohne einfachgesetzliche Vermittlung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG herleiten.“597 Es liegt auf der Hand, daß eine solche Sichtweise der in Art. 14 I 2 GG normierten Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie diametral widerspricht598. Damit drängt sich die Frage auf, weshalb sich ein solches Verständnis, ungeachtet dem grundsätzlichen Bekenntnis zur Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie, dennoch so hartnäckig in der eigentumsrechtlichen Literatur hält. Hierbei ist man versucht zu sagen, diese Stimmen hätten lediglich noch nicht die im Ergebnis zwingende Konsequenz gezogen, daß die Normgeprägtheit der Rechtsstellungsgarantie leer liefe, wenn sie lediglich auf das „Innehaben“, nicht aber auch auf das „Ausnutzendürfen“ einer Rechtsposition bezogen wird. Mit einem solchen Einwand können diese Stellungnahmen jedoch nicht einfach abgetan werden. Denn nicht wenige Autoren ziehen zur Untermauerung ihrer These von einer in Art. 14 GG verfassungsunmittelbar gewährleisteten „Nutzungsgarantie“ die Rspr. des BVerfG heran599. Damit gilt es, die Frage zu klären, inwieweit derartige Bezugnahmen auf das BVerfG berechtigt sind. Als Beleg dafür, daß auch das BVerfG das „Ausüben“ einer Rechtsposition unmittelbar in Art. 14 GG gewährleistet sieht, wird zunächst von einem Teil der eben genannten Stimmen600 auf Entscheidungspassagen aufmerksam gemacht, in denen 597 Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 168 f. (Hervorhebung nicht im Original). In diese Richtung ferner Kube, JZ 2001, S. 945: „Ist ein Gegenstand eigentumsrechtlich zugeordnet, leiten sich aus dieser Zuordnung – und in diesem Umfang gilt der Grundsatz ,in dubio pro libertate‘ – prinzipiell umfassende gegenstandsbezogene Handlungsbefugnisse ab.“ 598 Die Notwendigkeit einer einfachgesetzlichen Zuweisung (auch) von Nutzungsbefugnissen betonen hingegen zu Recht z. B. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 100; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 41; Knauber, Die Struktur der Sozialbindung des Grundeigentums, S. 182 ff.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 115 ff. m. w. Nw. auf S. 117 Fn. 511. Obwohl sie die oben bemängelte Formulierung benutzen (vgl. die Nw. in Fn. 593), heben die einfachgesetzliche Verortung des Nutzungsschutzes hervor König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 26; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 139; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 41; Herzog, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 680. 599 Siehe etwa die Verweise auf das BVerfG bei Axer, DVBl. 1999, S. 1537 Fn. 57 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 17; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 36 Fn. 111; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 41 Fn. 142. 600 König, Wendt und Jarass (vgl. Fn. 599).

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

das Gericht Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis als wesentliche Merkmale des Verfassungseigentums herausstellt601. Mehrfach hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Entscheidung des BVerfG zum Tierzuchtgesetz, in der es feststellt: „Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum. Das Eigentum an einer Sache ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet [ . . . ]. Die Nutzung soll es dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Insofern enthält die grundrechtliche Eigentumsgewährleistung Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit. Sie schützt grundsätzlich auch die Entscheidung des Eigentümers darüber, wie er das Eigentumsobjekt verwenden will.“602

Bezug genommen wird ferner603 auf den Beschluß des BVerfG zum sachenrechtlichen Moratorium, in dem sich eine an die vorgenannte Passage stark angelehnte Formulierung findet604. Genannt werden kann in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung zur Eigenbedarfskündigung605, in der das Gericht ausführt: „Die grundrechtliche Eigentumsverbürgung umfaßt insbesondere die Befugnis, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen.“606

Anzuführen ist in diesem Zusammenhang schließlich die Entscheidung zum Schuldrechtsanpassungsgesetz, in der das BVerfG den Nutzungsschutz betont, indem es ausführt, unter die Bestandsgarantie fiele das Recht, den Eigentumsgegenstand „selbst zu nutzen und Dritte von Besitz und Nutzung auszuschließen“, ferner, ihn „zu veräußern und aus der vertraglichen Überlassung zur Nutzung durch andere den Ertrag zu ziehen“607. Alle vorgenannten Passagen könnten auf dem ersten Blick zur Stützung der obigen Stimmen herangezogen werden, wonach sich aus Art. 14 GG verfassungsunmittelbar ein Recht des Eigentümers ergebe, eine ihm einfachgesetzlich zugewiesene Rechtsposition auch ausnützen zu dürfen. Dieser Schluß trägt aber nur, wenn die Fundstellen als isolierte Aussagen betrachtet und nicht im jeweiligen Sachzusammenhang gesehen werden. Geht man hingegen letzteren Weg, so erweist sich, daß sie durchweg nicht zur Untermauerung dieser These taugen. Daß das Gericht an diesen Stellen die Möglichkeit des Eigentümers, sein Eigentum „nutzen“ zu können, besonders betont, läßt sich weitgehend auf andere Gründe Verweise auf BVerfGE 52, 1 (30); 53, 257 (290); 78, 58 (71); 83, 201 (208 f.). BVerfGE 88, 366 (377, Hervorhebung nicht im Original). 603 Von Axer (vgl. oben Fn. 599). 604 BVerfGE 98, 17 (35): „Demgemäß schützt die grundrechtliche Eigentumsgewährleistung grundsätzlich auch die Entscheidung des Eigentümers darüber, wie er das Eigentumsobjekt verwenden will (vgl. BVerfGE 88, 366 [377]).“ 605 Auf diese macht Grochtmann, Art. 14 GG, S. 126 Fn. 568, aufmerksam. 606 BVerfGE 81, 29 (33). 607 BVerfGE 101, 54 (75), vollständiges Zitat bereits oben auf S. 44 f. zu Fn. 120. Dieselbe Passage findet sich in BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 16. 601 602

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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zurückführen, mitnichten aber auf die Propagierung eines verfassungsunmittelbaren Nutzungsschutzes608. Was die zunächst herangezogene Wendung „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ als wesentliche Elemente des Verfassungseigentums angeht, so ist festzustellen, daß das Gericht diese Merkmale in den angeführten Entscheidungen als Elemente des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs zum Zwecke der Qualifizierung einer einfachgesetzlichen Rechtsposition zu Eigentum verwendet609. Es bringt damit lediglich zum Ausdruck, daß sich das Verfassungseigentum begrifflich durch besondere „Nutzungsmöglichkeiten“ des Eigentümers auszeichnet, und eine einfachgesetzliche Rechtsposition nur dann als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie angesehen werden kann, wenn sie einen derartigen engen Nutzungsbezug aufweist. Das Bestehen von verfassungsunmittelbaren Nutzungsrechten hat das Gericht damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht610. Derselbe Gedanke hilft auch, die anderen oben angeführten Passagen des BVerfG zu erklären, wie z. B. die Aussage in der Entscheidung zum Tierzuchtgesetz, die Eigentumsgewährleistung erfasse grundsätzlich auch die freie Verwendung, also die Nutzung des Eigentumsobjekts611. Dies ist lediglich als Hinweis darauf zu verstehen, daß in dem zur Debatte stehenden Fall die konkreten einschlägigen einfachrechtlichen Bestimmungen eine derart weitreichende Nutzungsbefugnis zuordnen, daß die auf Grundlage dieser Vorschriften zugewiesene Rechtsposition (hier: Sacheigentum am Pferd), weil sie die begrifflichen Merkmale des Verfassungseigentums aufweist, unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt. Mit der dort gewählten Formulierung, das Eigentum „an einer Sache“ sei durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet, bringt das Gericht zum Ausdruck, daß das Sacheigentum vom Bürger „zum eigenen Nutzen“ ausgeübt und darüber auch verfügt werden könne, mithin von den Regelungen des BGB so ausgestaltet sei, daß er „grundsätzlich“ (vgl. § 903, S. 1 Hs. 1 BGB) auch frei darüber entscheiden könne, „wie er das Eigentum verwenden will“. Nur mit diesem Inhalt fällt das zivilrechtliche Eigentum unter den Schutz der Bestandsgarantie. Für die Annahme eines weiterrei608 Festzuhalten ist an dieser Stelle bereits, daß sich, soweit ersichtlich, keine Entscheidung findet, in der das Gericht explizit ausgeführt hat, daß eine konkrete Nutzungsmöglichkeit (z. B. sein Grundstück zu veräußern, bebauen o. ä.) verfassungsunmittelbar in Art. 14 GG gewährleistet ist. Daß es möglicherweise verfassungsautonom gewährleistete Nutzungsbefugnisse gibt, ließe sich, wenn überhaupt, nur mittelbar aus den vorgenannten Aussagen begründen. 609 Näher zu dieser Qualifikationsfunktion der Merkmale für private Vermögenswerte oben S. 65 f. 610 Bei den oben genannten Stimmen werden daher einmal mehr die verschiedenen Prüfungsschritte zur Ermittlung der Schutzpositionen der Bestandsgarantie vermischt. Das BVerfG macht die Merkmale „Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis“ lediglich bei den Prüfungsschritten 2.a) und 2.b) fruchtbar. Die obigen Stimmen verwenden diese Merkmale hingegen beim ersten Prüfungsschritt, indem sie dem BVerfG unterstellen, es weise mit dieser Formulierung auf eine verfassungsunmittelbar gewährleistete Nutzungsbefugnis als geschützte Rechtsposition hin. 611 Vgl. oben S. 144 Fn. 602.

10 Appel

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chenden, verfassungsautonom gewährten Nutzungsschutzes, der über die im einfachen Recht zugewiesenen Nutzungsbefugnisse hinausgeht, besteht daher kein Anlaß. Die gleiche Überlegung hilft auch, die vorgenannten Ausführungen des Gerichts in den Entscheidungen zum sachenrechtlichen Moratorium612 und zum Schuldrechtsanpassungsgesetz613 erklärbar zu machen614. Erhellen läßt sich des weiteren die Formulierung des Gerichts in seiner Entscheidung zur Eigenbedarfskündigung. Die oben zitierte Passage615, in der die Nutzungsbefugnis als Element der Eigentumsgewährleistung unterstrichen wird, fällt in der Entscheidung nicht anläßlich der Frage, ob überhaupt eine zur Debatte stehende Rechtsposition vorliegt. Die Textstelle wird vom Gericht vielmehr auf der Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“ gebraucht, d. h. bei der Frage, inwieweit der Gesetzgeber in der zur Debatte stehenden Regelung die Bestandsgarantie und die nach Art. 14 II GG zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen in einen sachgerechten Ausgleich gebracht hat („Sozialmodell“)616. Das Gericht geht davon aus, daß vorliegend die Interessen des Wohnungseigentümers überwögen, weil das Eigentumsgrundrecht vor allem die Nutzung des Eigentums gewährleiste, und diese hier stark beeinträchtigt werde. Die als Gegengewicht einschlägigen Belange des Mieters seien hingegen im konkreten Fall nicht stark genug, um die Eigentümerinteressen zu verdrängen617. Die dortige Betonung der Gewährleistung eines 612 Vgl. S. 144 Fn. 604; auch hier läßt sich die (beinahe wortgleiche) Betonung einer Gewährleistung der Nutzungsfreiheit des Eigentümers auf die einfachrechtliche Ausgestaltung der zur Debatte stehenden Rechtsstellung (hier: Grundeigentum) beziehen. 613 Vgl. S. 144 Fn. 607; die hier vom Gericht hervorgehobene Nutzungsfreiheit beschreibt die einfachgesetzlich durch das BGB zugewiesene Rechtsposition. Die vom Gericht gewählten Formulierungen (geschützt sei das Recht, den Gegenstand selbst nutzen, andere auszuschließen, ihn zu veräußern oder Dritten zu überlassen) deuten durchweg auf die einzelnen Befugnisse hin, die dem Grundeigentümer durch das BGB zugewiesen sind (§§ 903, 1004, 929 ff., 535 ff. BGB). Für die Behauptung eines verfassungsunmittelbar gewährleisteten Nutzungsschutzes gibt auch diese Fundstelle nichts her. 614 Siehe ferner BVerfGE 100, 289 (301), wo das Gericht ohne viel Aufhebens zu machen, feststellt, unter den Schutz der Bestandsgarantie falle „auch das in einer Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist“ (Hervorhebung nicht im Original). Es wäre zu begrüßen, wenn das Gericht diesen unmißverständlichen Bezug beider Strukturmerkmale auf die einfachgesetzliche Ausgestaltung häufiger derart explizit herausstellte. 615 Vgl. S. 144 zu Fn. 606. 616 Vgl. BVerfGE 81, 29 (33 f.). Genau genommen steht die Passage dieser Urteilsverfassungsbeschwerde an einer Stelle, in der das Gericht die Auslegung des einfachen Rechts durch das Fachgericht überprüft. Da aber das Fachgericht den einfachgesetzlichen Bestimmungen keinen Inhalt geben darf, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgarantie hätte festlegen können und die in den gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachvollziehen muß (vgl. BVerfGE 81, 29 [31 f.]), prüft das Gericht im Ergebnis nichts anderes, als wenn die Verfassungsmäßigkeit der Regelung selbst Prüfungsgegenstand wäre. Daher kann hier (im übertragenen Sinne) von der Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“ gesprochen werden. 617 Vgl. BVerfGE 81, 29 (33 f.).

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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Nutzungsrechts kann damit nicht als Begründung für eine verfassungsunmittelbare Nutzungsgarantie herangezogen werden. Die Eigentumsnutzung entfaltet ihre Wirkung in dieser Entscheidung lediglich als Rechtmäßigkeitskriterium auf der Ebene der „Eingriffsrechtfertigung“618. Damit ist festzuhalten, daß sich für die oben genannten Passagen Erklärungen finden lassen, weshalb das Gericht die Nutzungsgewährleistung als Element der Eigentumsgarantie jeweils besonders betont, ohne daß dies jedoch auf die Propagierung eines verfassungsunmittelbaren Nutzungsschutzes hinausläuft. Eine Untermauerung der These von einer unmittelbar in Art. 14 GG verankerten Nutzungsgarantie mit Hilfe der obigen Textstellen ist damit nicht haltbar. Im Gegenteil ist festzustellen, daß sich Entscheidungen finden, in denen das Gericht Nutzungsbefugnisse gerade nicht als unmittelbar von der Verfassung gewährleistet ansieht, sondern ausdrücklich die Notwendigkeit ihrer einfachgesetzlichen Zuweisung betont. So weist das BVerfG in mehreren Entscheidungen darauf hin, daß der Gesetzgeber aufgrund der Institutsgarantie verpflichtet sein könne, dem Inhaber eines Immaterialgüterrechts das vermögenswerte Ergebnis seiner Leistung zuzuordnen619. Damit macht es aber deutlich, daß die jeweils zur Debatte stehenden Verwertungsbefugnisse („Nutzungsmöglichkeiten“) gerade nicht verfassungsunmittelbar gewährleistet sind, sondern erst dann unter den Schutz der Bestandsgarantie fallen, soweit sie vom einfachen Recht bereichsspezifisch als subjektive Rechte zugewiesen werden620. Läßt sich daher anhand einzelner Entscheidungen des BVerfG die Idee einer in Art. 14 GG verfassungsunmittelbar gewährleisteten Nutzungsgarantie schwerlich untermauern, so soll dennoch nicht versäumt werden, diese These – aufgrund der in ihr schlummernden Brisanz – auch insgesamt zurückzuweisen. Ihr liegt nämlich ein Eigentumsverständnis zugrunde, das mit dem des BVerfG gänzlich unvereinbar ist. Gehen die vorgenannten Stimmen davon aus, nur das „Innehaben“ der Rechtsposition erfordere eine einfachgesetzliche Zuweisung621, das „Gebrauchmachen“ bedürfe hingegen keiner zwingenden einfachrechtlichen Ausgestaltung, sondern erwachse dem Eigentümer verfassungsunmittelbar622, so würde dies im Ergebnis 618 Diese Fundstelle verdeutlicht damit lediglich die bereits erörterte Verwendung der Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ als Rechtmäßigkeitskriterien auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung (hierzu bereits oben S. 73 ff.). 619 BVerfGE 31, 229 (240 f. – Urheberrecht); 51, 193 (217 – Warenzeichen); BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784 (Patent); w. Nw. noch auf S. 216 Fn. 341. 620 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 128; vgl. auch Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1420 f. Freilich wird dieser Befund für den bedeutsamen Bereich des Sacheigentums dadurch relativiert, daß der Gesetzgeber mit § 903 BGB auf einfachgesetzlicher Ebene eine grds. umfassende Nutzungsbefugnis des Eigentümers normiert hat. Wird eine Neuregelung erlassen, die für bereits errichtete Zuordnungsverhältnisse eine Abschmelzung dieser Handlungsmöglichkeiten zur Folge hat, so liegt darin ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Bestandsgarantie. 621 Um nicht vollständig der in Art. 14 I 2 GG geregelten Gesetzesabhängigkeit zu widersprechen.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

die gesamte in Art. 14 I 2 GG normierte Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie relativieren. Denn bei genauer Betrachtung erschließt sich, daß die Aufgabe der Gesetzesabhängigkeit für den „Teilbereich“ des „Gebrauchmachens“ in Wirklichkeit den Kernbereich der Eigentumsgewährleistung trifft. Hierzu ist sich zunächst bewußt zu machen, daß das Recht, einen Eigentumsgegenstand (aus-)nutzen zu können, das zentrale Moment der Eigentumsgewährleistung schlechthin ist. Leisner fragt in diesem Zusammenhang expressiv: „Was ist sie [die Eigentumsfreiheit] anderes als – Nutzungsmöglichkeit?“623 Ossenbühl stuft die Möglichkeit, das Eigentum nutzen zu können, als „Eigentumskern“ ein und betont, ein „Glaskasten-Eigentum“, bei dem lediglich das rechtliche Zuordnungsverhältnis als solches bestehen bliebe, aber inhaltlich keine Nutzungsbefugnisse bestünden, sei „grundrechtlicher Betrug“624. Im Grundgesetz selbst werde dieser Aspekt hervorgehoben, wenn Art. 14 II 2 GG den „Gebrauch“ des Eigentums betone625. Auch das BVerfG bringt die zentrale Bedeutung der Nutzungsmöglichkeiten für den Eigentümer immer wieder zum Ausdruck. Zu nennen sind hier neben der mannigfachen Verwendung der eigentumsgrundrechtlichen Strukturmerkmale „Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis“ auch die oben626 zitierten Passagen, in denen das Gericht ausdrücklich die Bedeutung der Nutzungsmöglichkeiten betont. Wird damit deutlich, daß das „Ausnutzendürfen“ einer Position das Wesen des Eigentums ausmacht, so wird das grundsätzliche Bekenntnis der oben genannten Stimmen zu einer aus Art. 14 I 2 GG folgenden Gesetzesabhängigkeit widersprüchlich, wenn man diese nur auf das „Innehaben“ als solches bezieht, nicht hingegen auf das Element der Ausübung627. Die Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie gemäß Art. 14 I 2 GG steht und fällt mit ihrer Akzeptanz auch und gerade für den Bereich der Nutzungsmöglichkeiten. Wird sie hier in Frage gestellt, so geht dies nicht, ohne die Pflöcke, die das BVerfG mit seinem Bekenntnis zur Gesetzesabhängigkeit der Rechtsstellungs622 Im Zweifelsfall sei kraft Verfassung ein Ausnutzendürfen zugewiesen, in das dann durch einschränkende Gesetze „von außen kommend“ eingegriffen werde. 623 Leisner, BB 1992, S. 79. 624 Ossenbühl, in: FS-Leisner, S. 690. 625 Ossenbühl, in: FS-Leisner, S. 691; ebenso Axer, DVBl. 1999, S. 1537. 626 S. 144 zu Fn. 602 ff. 627 Vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 110 Fn. 486, S. 115 ff., der in diesem Zusammenhang bemängelt, ein großer Teil der Lehre sei auch heute noch nicht bereit, die vollständigen Konsequenzen der Gesetzesabhängigkeit der Eigentumsbestandsgarantie zu ziehen. Bezeichnend hierzu sind die Ausführungen von Leisner, BB 1992, S. 79, wenn dieser resumiert: „Der Eigentumsschutz der Nutzungsmöglichkeiten ist eine komplexe, schwierige, dogmatisch noch weithin ungesicherte Materie.“ Hiermit wird der Eindruck erzeugt, es handele sich bei dieser Frage um ein Sonderproblem im Rahmen der Eigentumsdogmatik, das einen eigenständigen Lösungsansatz erfordere. Dem ist zu widersprechen. Denn der Schutz von Nutzungsmöglichkeiten steht im Zentrum der Eigentumsgewährleistung und kann sich, nimmt man den Wortlaut des Art. 14 I 2 GG ernst, nur an der Zuordnung einfachgesetzlicher Nutzungsrechte orientieren.

D. Das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Rechtsposition

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garantie in den Boden der Eigentumsdogmatik geschlagen hat, wieder herauszureißen. Angesichts dessen ergeben sich bereits starke Bedenken gegen die von der Gegenansicht gemachte Unterscheidung zwischen dem „Innehaben“ und dem „Ausüben“ einer Rechtsposition. Der Grund ist darin zu sehen, daß eine derartige Differenzierung sinnwidrig erscheint, sofern man mit dem BVerfG für das Vorliegen einer Rechtsposition fordert, daß dem Grundrechtsträger bestimmte einfachgesetzliche Befugnisse zugewiesen werden628. Der Begriff der „Befugnis“ impliziert von vornherein, daß als Schutzgegenstand nur Positionen in Betracht kommen, die dem Bürger die Berechtigung zuweisen, von einem anderen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können. Befugnisse sind somit schon begrifflich auf eine bestimmte Ausübung bzw. Nutzung gerichtet; eine reine Befugnis zum „Innehaben“ einer Rechtsposition wäre inhaltsleer. Das heißt aber, daß jede Position, die unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt, in irgendeiner Weise eine Nutzungsbefugnis sein muß629. Auch dies zeigt, daß die Relativierung der Gesetzesabhängigkeit für diesen „Teilbereich“ tatsächlich ihre Aufgabe insgesamt zur Folge hätte. Als besonders exponierten Fall einer vermeintlich verfassungsunmittelbar geschützten Nutzungsmöglichkeit des Grundeigentums ist an dieser Stelle nochmals auf die Frage der Bauberechtigung zurückzukommen. Es wurde bereits angedeutet, daß es neben der h. M., die das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Zuweisung der Baubefugnis betont, auch Stimmen gibt, die in diesem Zusammenhang eine verfassungsunmittelbare Bestandsgewährleistung dieser Nutzungsform behaupten630. Die dahinter stehende Idee deckt sich mit der soeben zurückgewiesenen Auffassung: Es wird davon ausgegangen, daß das Innehaben einer Rechtsposition, d. h. hier die Errichtung des Zuordnungsverhältnisses als Grundeigentümer, eine einfachgesetzliche Zuweisung erfordere, während deren Ausnutzen, hier also die Möglichkeit zur Bebauung, verfassungsunmittelbar zugeordnet sei631. Unter BeVgl. oben S. 97 ff. Siehe auch die Gleichsetzung von Nutzung und Befugnis in BVerfGE 58, 300 (350 f.), wo u. a. von „Nutzungsbefugnisse[n]“ gesprochen wird; ferner BVerfGE 81, 29 (33), zitiert bereits oben auf S. 144 zu Fn. 606. 630 So z. B. Leisner, DVBl. 1992, S. 1065 ff. Daß er hier die unmittelbare Gewährleistung nicht lediglich institutionell versteht, sondern sich auf die Bestandsgarantie bezieht, ergibt sich aus Leisners Ausführungen auf S. 1065 Fn. 14 a. E. Siehe ferner Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 46, der betont, die Baufreiheit könne „ohne einfachgesetzliche Vermittlung verfassungsunmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 hergeleitet werden“; ebenso Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 169, wo er diese Betrachtung auch auf das Recht auf Wassernutzung, Anlieger- und Nachbarrechte ausdehnt. Siehe auch Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 120; ders., Entwicklungslinien, S. 172: „Die öffentlich-rechtlichen Regelungen des Baurechts konstituieren nicht den Schutzbereich des Eigentums, sondern sind als Beschränkungen der grundrechtlichen Baufreiheit zu verstehen.“ W. Nw. für ein derartiges Eigentumsverständnis bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 151 Fn. 685. 631 Diese Stimmen gehen letztendlich aber nicht so weit, sich über die umfangreichen einfachgesetzlichen Bauvorschriften hinwegzusetzen und dem Grundstückseigentümer unmittel628 629

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

rücksichtigung der oben gemachten Ausführungen kann für die Annahme einer verfassungsunmittelbar gewährleisteten Baufreiheit nichts anderes gelten als für die sonstigen Nutzungsmöglichkeiten: Sie ist mit der in Art. 14 I 2 GG normierten Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie und dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis unvereinbar. An dieser Stelle soll noch auf ein begriffliches Phänomen eingegangen werden, das bei der Frage des Eigentumsschutzes der baulichen Nutzung immer wieder für Konfusion sorgt. Sowohl bei den Verfechtern einer unmittelbar in Art. 14 GG verankerten Bauberechtigung als auch denjenigen, die diese zwar einfachgesetzlich zugewiesen, aber im zivilrechtlichen Grundstückseigentum verwurzelt sehen, findet sich immer wieder der Begriff der „Baufreiheit“ 632. Ist diese Diktion bei den Anhängern einer verfassungsunmittelbaren Baubefugnis noch nachzuvollziehen, so scheint die Benutzung dieses Begriffes zumindest bei letzteren fehl am Platz. In dem Anliegen, sich von den Anhängern einer bloß öffentlich-rechtlich verliehenen Bebauungsberechtigung abzugrenzen, rekurrieren sie auf einen Begriff, durch den gerade suggeriert wird, es gebe eine im Freiheitsrecht des Art. 14 GG verfassungsunmittelbar gewährleistete Bauberechtigung, in die der Gesetzgeber bei Schaffung einfachgesetzlicher Bauvorschriften von außen kommend eingreift633. Auch wenn zum Teil versucht wird, mit der Betonung einer bloß „potentiellen“ 634 Baufreiheit diesem Widerspruch abzuhelfen, so ändert dies nichts an der Unzulänglichkeit des Begriffs als solchen. Welchen Vorteil das Festhalten an einem Wort hat, das den eigenen Standpunkt in weit größerem Maße verwischt, als es eine Abgrenzung zu den Verleihungslehren leistet, vermag sich nicht zu erschließen635. Von einer in bar aus Art. 14 GG Baubefugnisse zuzusprechen. Das Recht zu bauen besteht auch nach ihnen i. E. nur auf Grundlage des einfachen Baurechts (vgl. Leisner, DVBl. 1992, S. 1068 f.; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 154 f.). Der entscheidende gedankliche Unterschied bleibt davon aber unberührt: Ausgehend von einer verfassungsunmittelbar gewährten Nutzungsfreiheit sind alle (im Baurecht insbes. öffentlich-rechtlichen) Vorschriften, die eine solche begrenzen, als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in eine von der Verfassung gewährleistete Rechtsstellung anzusehen (deutlich etwa bei Depenheuer, siehe die Zitate oben in Fn. 630 und im Fließtext auf S. 143 zu Fn. 597). Auf Grundlage einer umfassend normgeprägten Betrachtungsweise ist hingegen nicht pauschal von einem Eingriff auszugehen, sondern nur dann, wenn eine Neuregelung nachträglich bereits in der Vergangenheit begründete Altrechte beschneidet (zu derartigen „Umgestaltungen“ ausführlich im zweiten Teil dieser Arbeit). 632 Z. B. bei Leisner, DVBl. 1992, S. 1065 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 119 ff.; Krebs, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn. Rn. 27; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 244; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 58; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 120; Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, HdBVerfR, § 10 Rn. 79 ff.; Christ, DVBl. 2002, S. 1524 ff. 633 Siehe die Parallele oben auf S. 142 f. zu den mißverständlichen Formulierungen, Art. 14 GG gewähre auch das „Ausnutzen“ einer Rechtsposition, m. a. W. eine „Nutzungsfreiheit“. 634 Z. B. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 14 a. E.; Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, HdBVerfR, § 10 Rn. 80; Grooterhorst, Die Wirkung der Ziele der Raumordnung, S. 122.

E. Qualifizierung der Rechtsposition zu Eigentum

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Art. 14 GG verankerten „Baufreiheit“ zu sprechen erscheint – wenn überhaupt – nur insoweit akzeptabel, als die Einrichtungsgarantie den Gesetzgeber dazu verpflichtet, das Baurecht einfachgesetzlich derart auszugestalten, daß das Recht zur baulichen Nutzung eines Grundstücks grundsätzlich unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt636. Aber auch hier darf die Annahme einer von Art. 14 GG gewährleisteten „Baufreiheit“ nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Recht unter den Schutz der Bestandsgarantie erst nach konstitutiver Zuweisung durch den einfachen Gesetzgeber fällt. Um derartige Fehldeutungen zu vermeiden, erscheint es angezeigt, auf diesen Begriff gänzlich zu verzichten.

E. Qualifizierung der einfachgesetzlichen Rechtsposition zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie (Art. 14 I 1 i.V. m. 14 I 2 GG) Die endgültige Beantwortung der Ausgangsfrage, welche Positionen von der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG geschützt werden, erfolgt im Rahmen der mehrstufigen Prüfungsfolge637 im letzten Prüfungspunkt 2.b): Die im ersten Schritt festgestellten einfachgesetzlichen Rechtspositionen sind dahingehend zu untersuchen, ob sie die auf Stufe 2.a) ermittelten verfassungsunmittelbaren Vorgaben erfüllen. Nur dann fallen sie unter den Eigentumsschutz der Bestandsgarantie638. Des weiteren soll an dieser Stelle der Umstand besonders betont werden, daß sich die Qualifizierung einer einfachgesetzlichen Position zu Eigentum ausschließlich an den aus Art. 14 I 1 GG zu ermittelnden Strukturvorgaben orientiert. Dies hat zur Folge, daß vor allem der vom Gesetzgeber gewählten Ausdrucksform bei der Gestaltung einfachgesetzlicher Rechtspositionen keinerlei Bedeutung für ihre Einstufung zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zukommt. Bezeichnet er selbst eine bestimmte Position als „Eigentum“, so hat dies keine konstitutive oder auch nur präjudizierende Wirkung auf ihre Qualifizierung (und umgekehrt). Anders lautende Stimmen im Schrifttum639 sind zurückzuweisen. Die Strukturvor635 Zutreffend Schulte, DVBl. 1979, S. 133 ff., insbes. S. 141: „Die aus Art. 14 GG folgende ,Baufreiheit‘ gibt es nicht. Es gibt auch nach h. M. allenfalls ein ,Prinzip Baufreiheit‘, das bei Abwägungen des Gesetzgebers zu beachten ist.“ Vgl. auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 157 f. m. w. Nw. in Fn. 723, der den Begriff der „Baufreiheit“ für „befremdlich“ hält, weil er in keiner Weise geeignet erscheine, die vor allem durch die weitreichenden Beschränkungen des Bauplanungsrechts gekennzeichnete Rechtswirklichkeit zu beschreiben. 636 Hierzu bereits oben S. 137 f. 637 Vgl. oben S. 25. 638 Auf dieser letzten Ebene findet daher eine Verknüpfung von einfachem Recht (Vorliegen einer Rechtsposition) und Verfassungsrecht (Auslegung des Art. 14 I 1 GG zur Ermittlung der Strukturvorgaben) statt.

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1. Teil: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG

gaben des Eigentums werden vom BVerfG verfassungsautonom aus Art. 14 I 1 GG hergeleitet. Eine Definitionskompetenz des einfachen Gesetzgebers würde das bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsverständnis ad absurdum führen. Der Gesetzgeber könnte über die ihn treffenden eigentumsgrundrechtlichen Bindungen allein durch Auswahl der normativen Begrifflichkeit disponieren; dies bedeutete wahrhaftig „Eigentum nach Gesetz“. Dementsprechend findet sich, soweit ersichtlich, auch keine Entscheidung des Gerichts, in der es diesbezüglich der Diktion des Gesetzgebers irgendeine Bedeutung zugesprochen hat. Das BVerfG hat vielmehr einer Vielzahl von Rechtspositionen Eigentumsqualität verliehen, bei deren einfachgesetzlicher Ausgestaltung das Wort „Eigentum“ gerade nicht verwendet wird640. Weitere Problembereiche, die sich auf der Ebene des Prüfungsschritts 2.b) bewegen, wurden im Verlauf der Arbeit aus Gründen der Darstellung bereits an anderer Stelle erörtert. So ist aufgezeigt worden, daß das BVerfG im Rahmen des Qualifikationsschritts die Anwendung der verschiedenen verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben davon abhängig macht, in welcher Rechtsmaterie die betreffende einfachgesetzliche Rechtsposition wurzelt641. Darüber hinaus wurde dargelegt, daß Anknüpfungspunkt für das Gericht hierbei im Regelfall nicht die Verwurzelung der isolierten einfachgesetzlichen Befugnis ist, sondern es bei Vorliegen eines funktionalen Gesetzeszusammenhangs auf das Zuordnungsverhältnis als solches abstellt642. Es verbleibt daher, auf die einzelnen Positionen hinzuweisen, bei denen das BVerfG im Ergebnis den hier zur Debatte stehenden Qualifikationsschritt bejaht und damit ihren Eigentumsbestandsschutz eröffnet hat. Da hier nicht der Raum ist, um alle diesbezüglichen Entscheidungen des Gerichts zu nennen, wird insofern auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen643. 639 Z. B. Ibler, AcP 197 (1997), S. 571, der feststellt, der Gesetzgeber habe hier ein Steuerungsrecht und könne „eine Position ausdrücklich als Eigentum bezeichnen oder seiner Regelung (in Grenzen) den Charakter einer Eigentumsinhaltsbestimmung absprechen“; ähnlich Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 289, wenn er dem einfachen Gesetzgeber die Möglichkeit zuspricht, eine „Legaldefinition“ des Verfassungseigentums zu treffen. Siehe ferner bereits die Nw. oben S. 34 Fn. 63 zu den missverständlichen Formulierungen im Schrifttum, der Eigentumsbegriff des BVerfG erfasse alle Positionen, die der einfache Gesetzgeber als Eigentum „definiert“. 640 Z. B. Renten, Arbeitslosengeld, privatrechtliche Forderungen. Die Unbeachtlichkeit der vom Gesetzgeber gewählten Begrifflichkeit für die Einstufung zu Eigentum betonen daher zu Recht Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 44; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 22; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 234 f.; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 50; Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 31. 641 Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis bei privaten Vermögenswerten, Leistung und ggf. Existenzsicherung bei öffentlichen Leistungen, vgl. oben S. 64 ff. 642 Siehe oben S. 125 ff. 643 Zu den unter den Schutz des Art. 14 GG fallenden privatrechtlichen Positionen siehe die Nw. des BVerfG bei Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24 Fn. 74 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 9; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 43 ff.;

E. Qualifizierung der Rechtsposition zu Eigentum

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Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 135 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 47 Fn. 137 ff.; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 43 Fn. 2 ff.; Ibler, AcP 197 (1997), S. 567 Fn. 12 ff.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 121 Fn. 81 ff.; zu öffentlich-rechtlichen Positionen vgl. die aufgezählten Entscheidungen des BVerfG bei Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 34 Fn. 108 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 12; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 48 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 163 ff., 182 ff.; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 43 Fn. 8 f.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 184 f. Fn. 528 ff.

2. Teil

Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG Im zweiten Teil der Arbeit soll näher auf die in Art. 14 I 2 GG normierte Befugnis des Gesetzgebers eingegangen werden, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. An anderer Stelle wurde bereits festgestellt, daß das Gebrauchmachen von dieser Befugnis zwingende Voraussetzung für das Eingreifen des Eigentumsschutzes der Bestandsgarantie ist, weil sie nur einfachgesetzlich ausgeformte Rechtspositionen erfaßt1. Wenn auch in diesem Zusammenhang bereits die unabdingbare Notwendigkeit der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie dargelegt wurde, so ist bislang im Rahmen dieser Arbeit noch nicht näher das Problem erörtert worden, wie sich trotz Anerkennung dieser Normgeprägtheit ein eigentumsgrundrechtliches Schutzsystem gegenüber dem Gesetzgeber verwirklichen läßt, das dem in diesem Kontext erhobenen Vorwurf „(verfassungsrechtliches) Eigentum nach (einfachem) Gesetz“ standhält2. Nachfolgend soll diese Zentralfrage des Eigentumsschutzes eingehend untersucht und aufgezeigt werden, ob sich auf Grundlage des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses ein hinreichendes Schutzsystem auch gegenüber der Legislative ergibt.

A. Bundesverfassungsgerichtliche Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 I 2 GG) / Enteignung (Art. 14 III GG) Wird der Frage nachgegangen, auf welche Weise das BVerfG gegenüber gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne des Art. 14 I 2 GG eigentumsgrundrechtlichen Schutz gewährt, so ist zunächst zu klären, was das Gericht unter einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne dieser Vorschrift versteht. Anders als im überkommenen Eigentumsmodell, in dem Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG lediglich nach Sonderopfer- bzw. Schwerekriterien materiell von der Enteignung Siehe hierzu oben S. 88 ff. Daß sich der Eigentumsschutz gegenüber dem Gesetzgeber nicht allein auf eine verfassungsunmittelbar gewährleistete Institutsgarantie beschränken kann, wurde bereits oben auf S. 95 betont. 1 2

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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abgegrenzt wurden, also beide Kategorien von Maßnahmen nur auf verschiedenen Stufen einer gleitenden Skala lagen3, besteht auf Grundlage des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses ein Bedürfnis nach eigenständigen Begriffsbestimmungen. Dementsprechend hat das BVerfG Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung selbständig definiert.

I. Bisherige Ausgangslage Über Jahrzehnte hinweg hat das BVerfG für beide Maßnahmearten bestimmte Definitionen geprägt. In st. Rspr. wurde betont, das GG verstehe „[ . . . ] unter Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind. Sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den ,Inhalt‘ des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes für die Zukunft bestimmen.“4

Die Enteignung sei hingegen zu begreifen als „[ . . . ] der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen.“5 „Sie ist darauf gerichtet, konkrete Positionen, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sind, zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise zu entziehen [ . . . ]. Dies geschieht entweder durch ein Gesetz, das einem bestimmten Personenkreis konkrete Eigentumsrechte nimmt – Legalenteignung –, oder durch behördlichen Vollzugsakt aufgrund gesetzlicher Ermächtigung zu einem solchen Zugriff – Administrativenteignung – (vgl. BVerfGE 52, 1 [27]; 58, 300 [330 f.]; stRspr).“6

Auch wenn diese beiden Definitionen auf dem ersten Blick hinreichend detailliert erscheinen, um beide Maßnahmearten sachgerecht voneinander abgrenzen zu können, so steckt der Teufel im Detail. Denn bei näherem Hinsehen bestehen Überschneidungen, die die Einstufung einer gesetzgeberischen Maßnahme in die eine oder andere Kategorie nicht selten zu einer heiklen Angelegenheit werden lassen. Vgl. oben S. 111 f. BVerfGE 52, 1 (27); vgl. ferner BVerfGE 49, 382 (393); 56, 249 (260); 58, 137 (144 f.); 58, 300 (330); 70, 191 (200); 72, 66 (76); BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 21. Ausführlich zu den einzelnen Elementen dieser Definition Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 37 ff. 5 BVerfGE 52, 1 (27); 74, 264 (280); 79, 174 (191); 101, 239 (259). 6 BVerfGE 100, 226 (240); ebenso BVerfGE 70, 191 (199 f.); 71, 137 (143); 72, 66 (76); 101, 239 (259); 102, 1 (15); BVerfG, 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 690 f.; 1 BvR 218 / 99, K.-Beschl. v. 11. 11. 2002, NVwZ 2003, S. 198; BVerfG.de, 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 13; 1 BvR 142 / 02, K.-Beschl. v. 26. 08. 2002, Abs. 28. Zu den einzelnen Komponenten dieses Enteignungsbegriffs siehe Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 41 ff. Daß der Entzug „zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben“ erfolgen muß, wird vom BVerfG erst in neuerer Zeit stetig betont. Noch ohne diese Formel z. B. BVerfGE 24, 367 (394); 52, 1 (27); 56, 249 (260); 74, 264 (280); 79, 174 (191). 3 4

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Die Crux liegt in dem Umstand, daß das Gericht in seiner o. g. Enteignungsdefinition nicht nur den vollständigen, sondern auch den teilweisen Entzug von Eigentumspositionen unter den Enteignungsbegriff faßt7. Dies hat zur Folge, daß unter die Enteignung verschiedene Sachverhalte fallen können:  Erfaßt werden zunächst die Fälle eines Vollentzuges. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß eine hoheitliche Maßnahme das Zuordnungsverhältnis als solches vollständig beseitigt8. Das Schulbeispiel hierfür ist der Vorgang der sog. Güterbeschaffung, bei dem das Eigentum dem einen Rechtsträger entzogen wird, um es auf einen anderen zu übertragen9. Kennzeichnend ist hier das Zusammenfallen von staatlich veranlasstem Rechtsverlust und Rechtserwerb, d. h. die vollständige Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses beim ursprünglichen Eigentümer und Neuerrichtung bei einem Dritten10. Erfaßt werden vor allem solche Maßnahmen, die unter den im 19. Jh. entstandenen Begriff der sog. klassischen Enteignung fallen: Hier wurden zur Verwirklichung raumbedeutender Vorhaben Grundstücke entzogen und auf einen neuen Rechtsträger übertragen11.

Ein Vollentzug ist jedoch auch möglich, ohne daß damit eine Güterbeschaffung einhergehen muß. So kann das Zuordnungsverhältnis auch lediglich aufgehoben werden, ohne es bei einem anderen Rechtsträger neu zu begründen12.  Unter die oben genannte Enteignungsdefinition fällt jedoch auch eine Teilentziehung. Hier wird nicht das Zuordnungsverhältnis selbst aufgehoben, sondern aus der Gesamtrechtsstellung, die sich aus der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses ergibt, lediglich eine einzelne bzw. mehrere Befugnisse abgespalten13. 7 Vgl. Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 237. Auch Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 96 Fn. 277, nennt dies die „offene Flanke“ in der Enteignungsdefinition des BVerfG. Schwabe, DVBl. 1993, S. 841, spricht gar von einem der „schlimmsten Ärgernisse im Sumpf der Eigentumsdogmatik“. 8 D. h. der Betroffene verliert seine Stellung als (Grund-)Eigentümer, Forderungsinhaber etc. Vgl. dazu Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 59; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 147; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 146 ff., 202; Axer, DVBl. 1999, S. 1539; Burgi, NVwZ 1994, S. 529; König, JA 2001, S. 346. 9 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 202; Burgi, NVwZ 1994, S. 529. 10 Hendler, DVBl. 2001, S. 1237; ders., in: FS-Maurer, S. 129. 11 Vgl. zu diesem „Urmodell“ der Enteignung, bei dem man auch von einem „Zwangskauf“ spricht, BVerfGE 24, 367 (393); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 145 ff.; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 33 f.; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 531 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 410; Maurer, in: FS-Dürig, S. 295 f. 12 So z. B. der Sachverhalt in BVerfGE 83, 201 (211 ff.), wo es um die Frage der Aufhebung bestehender gesetzlicher Vorkaufsrechte durch das Bundesberggesetz ging (ebenso BVerfG, 1 BvR 1321 / 00, K.-Beschl. v. 07. 03. 2002, NVwZ 2002, S. 1365). Ferner BVerfGE 53, 336 (349 ff. – Aufhebung privater Erstattungsansprüche durch das Eisenbahnkreuzungsgesetz); 101, 239 (259 ff. – Aufhebung kaufvertraglicher Erfüllungsansprüche durch das Vermögensgesetz). 13 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 203; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 147; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 59 f.; Burgi, NVwZ

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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In der Literatur werden derartige „Nutzungsbeschränkungen“ häufig unter dem Begriff der sog. Aufopferungsenteignung behandelt14. Dieser Sprachgebrauch ist jedoch unglücklich, da es gerade um die Klärung der Frage geht, ob derartige Maßnahmen tatsächlich unter den Enteignungsbegriff des Art. 14 III GG fallen15. Das damit skizzierte weite Anwendungsfeld des bundesverfassungsgerichtlichen Enteignungsbegriffs kollidiert nun aber mit einer anderen Feststellung des Gerichts. Bekanntlich gehört ebenso zu seiner gefestigten Rspr., daß auch durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen einzelne, unter die Bestandsgarantie fallende Befugnisse aufgehoben werden können. So weist es bereits in seinem Dirigentenwitwen-Beschluß darauf hin, daß es dem Gesetzgeber nach Art. 14 I 2 GG nicht verwehrt sei, „[ . . . ] in bereits begründete Rechte einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben, mit anderen Worten, unter Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses neue Befugnisse und Pflichten festzulegen.“16

Lassen sich somit aber auch durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG einzelne Befugnisse entziehen, die unter den Schutz der Bestandsgarantie fallen, so verliert das Merkmal des Entzugs seine Maßgeblichkeit in der bundesverfassungsgerichtlichen Enteignungsdefinition; da zumindest der Teilentzug auch unter Art. 14 I 2 GG gefaßt werden kann, läuft es praktisch ins Leere17. Aufgrund dieses Dilemmas hat sich das Schrifttum auf die Suche nach weitergehenden Abgrenzungskriterien gemacht. Die hierzu vertretenen Ansätze sind außerordentlich vielfältig18. Eine herrschende Meinung hat sich gleichwohl nicht herausbilden kön1994, S. 529. Hierunter fallen vor allem die vielfältigen Nutzungsbegrenzungen des Zuordnungsverhältnisses „Grundeigentum“, z. B. durch privatrechtliche Vorschriften des Miet- und Pachtrechts bzw. öffentlich-rechtliche Bestimmungen des Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes. 14 Grundlegend Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, S. 350 f., 370 ff.; daran anschließend z. B. Schmidt-Aßmann, JuS 1986, S. 834 f.; Schoch, JURA 1989, S. 121; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 25 f.; Ossenbühl, JuS 1993, S. 201; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 332 (m. w. Nw. in Fn. 19). In Anbetracht dessen hat auch das BVerfG in BVerfGE 45, 297 (332) auf eine sog. Aufopferungsenteignung Bezug genommen. Dies kritisiert Schwabe, JZ 1983, S. 273 f., weil das Gericht damit den Anschein einer im Schrifttum gefestigten Rechtsfigur erwecke, was aber nicht den Tatsachen entspreche. 15 Ebenso Burgi, NVwZ 1994, S. 529; ablehnend auch Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 193; Schwabe, JZ 1983, S. 273 f. 16 BVerfGE 31, 275 (285); st. Rspr., vgl. an dieser Stelle ferner nur BVerfGE 52, 1 (28); 83, 201 (212); Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 412 f. Ausführlich zu diesen Fällen der „Umgestaltung“ unten auf S. 189 ff. 17 König, JA 2001, S. 346; Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 96. Daß das Merkmal kein taugliches Abgrenzungskriterium ist, wird vollends offenbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das BVerfG sogar einen Vollentzug, d. h. die Auflösung des Zuordnungsverhältnisses selbst, durch Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG für möglich hält (hierzu noch später auf S. 197 f.).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

nen19. Auch wenn eine detaillierte Beschäftigung mit dieser Problematik den für die vorliegende Untersuchung gesteckten Rahmen bei weitem verlassen würde, soll sie wegen ihrer grundlegenden Bedeutung nicht unerörtert bleiben. Das BVerfG hat in zwei Entscheidungen jüngeren Datums bedeutsame Ausführungen zu dieser Zentralfrage des Art. 14 GG gemacht, die nachfolgend untersucht werden sollen.

II. BVerfGE 100, 226 ff. – Rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz Nicht wenige Stimmen aus dem Schrifttum sind der Auffassung, eine Abgrenzung ließe sich in den oben skizzierten Problemfällen dadurch sachgerecht erreichen, daß man, ausschließlich oder zumindest ergänzend, auf materielle Kriterien abstellt. Der hoheitliche (Teil-)Entzug eigentumsgrundrechtlich geschützter Befugnisse sei als Enteignung im Sinne des Art. 14 III GG zu werten, wenn die nutzungsbeschränkende Maßnahme beim Betroffenen besonders schwer wirke bzw. unzumutbar sei20. Daß eine solche Betrachtung auf eine Revitalisierung der als überwunden geglaubten Schwellentheorien hinausläuft und damit dem Eigentumsmodell des BVerfG diametral widerspricht, ist ersichtlich. Dementsprechend hat das Gericht schon in seiner einen Tag vor dem Naßauskiesungs-Beschluß ergangenen Pflichtexemplars-Entscheidung darauf hingewiesen, daß die Einstufung einer Norm als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG von der „Intensität“ und vom „Grad“ der den Eigentümer jeweils treffenden Belastung unabhängig sei21. Diese Aussage hat es später wiederholt22 und in seiner Entscheidung zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz 23 vollumfänglich bestätigt.

18 Siehe dazu nur aus neuerer Zeit z. B. Christ, DVBl. 2002, S. 1518 f.; E. Haas, NVwZ 2002, S. 272 ff.; Papier, DVBl. 2001, S. 1398 ff.; Hendler, DVBl. 2001, S. 1236 ff.; Roller, NJW 2001, S. 1005 ff.; König, JA 2001, S. 345 ff.; Koch, NJW 2000, S. 1530 ff.; Jarass, NJW 2000, S. 2842 ff.; Külpmann, JuS 2000, S. 647 f.; Otting, BauR 2000, S. 514 f.; Kube, JURA 1999, S. 466 ff.; Ossenbühl, JZ 1999, S. 899 f. 19 Hierzu eingehend und mit umfangreichen Nw. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 161 ff.; ferner statt vieler Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 123 ff.; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 59 ff. 20 In diese Richtung etwa Schwabe, JZ 1983, S. 275; ders., in: FS-Thieme, S. 257 f.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 923; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 148; w. Nw. bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 164 Fn. 5; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 93 Fn. 427; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 59 Fn. 212. 21 BVerfGE 58, 137 (145); deutlich auch der dortige Hinweis, daß sich bei einer derart intensiven Inhalts- und Schrankenbestimmung ausschließlich die Frage stelle, ob sie verfassungswidrig sei, „sie wird dadurch [aber] nicht zu einer Enteignung“. 22 BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 565 / 91, K.-Beschl. v. 22. 02. 1999, NVwZ 1999, S. 980; in der Sache ebenfalls BVerfGE 83, 201 (211 ff.); zwischenzeitlich jedoch ausdrücklich offengelassen in BVerfGE 79, 174 (192). 23 BVerfGE 100, 226 ff.

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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Dem Verfahren lag ein Streit um die Abrißgenehmigung für ein geschütztes Baudenkmal zugrunde. Seine Eigentümerin begehrte ihre Erteilung, weil die Erhaltungsaufwendungen derart hoch waren, daß sie in keinem Verhältnis zu dem aus dem Denkmal gezogenen Nutzen standen. Die Behörde verweigerte die Genehmigung mit der Begründung, die für diese Entscheidung einschlägige landesrechtliche Vorschrift sehe eine Erteilung nur vor, wenn die Belange des Allgemeinwohls gegenüber denen des Denkmalschutzes überwiegen. Die Eigentümerinteressen seien nach der gesetzlichen Regelung nicht zu berücksichtigen. Da aber kein öffentliches Interesse daran bestehe, das Denkmal abzureißen, sei eine Erteilung nicht möglich24. Das OVG Koblenz hielt diese Regelung für unvereinbar mit Art. 14 GG und legte sie dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Prüfung vor25. Das BVerfG stuft die angegriffene Vorschrift als Regelung im Sinne des 14 I 2 GG ein und betont: „Diese Einordnung der Norm ist von der Intensität der den Rechtsinhaber treffenden Belastung unabhängig. Sie behält ihre Gültigkeit selbst in den Fällen, in denen der Eingriff in seinen Auswirkungen für den Betroffenen einer Enteignung nahe- oder gleichkommt (vgl. BVerfGE 83, 201 [211 ff.]).“26

Der damit zum Ausdruck gebrachte Ausschluß jedweder materieller Kriterien bei der Frage der Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG wird im Fortgang der Entscheidung bekräftigt, wenn das Gericht näher die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Norm prüft. Es stellt fest, daß sich im vorliegenden Fall die Regelung derart intensiv auswirke, daß dem Betroffenen außer der formalen Rechtsstellung als Eigentümer „keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit mehr“ verbleibe, seine „Privatnützigkeit nahezu vollständig beseitigt“ werde, er mithin in einer Lage sei, die „den Namen ,Eigentum‘ nicht mehr verdient“27. Dessen ungeachtet bleibt das Gericht bei seiner Einstufung der angegriffenen Norm als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG28. Dies bedeutet im Klartext: Auch wenn eine solche Regelung zur Folge hat, daß dem Betroffenen, sei es schon durch das Ge24 Siehe zum Sachverhalt BVerfGE 100, 226 (227 ff.). Die angegriffene Denkmalschutzregelung ist eine „rheinland-pfälzische Spezialität“ (Battis, NuR 2000, S. 422). Die entsprechenden Gesetze der übrigen Länder lassen im Regelfall genügend Spielraum für eine Berücksichtigung der Eigentümerinteressen (vgl. Lubberger, DVBl. 1992, S. 50 Fn. 6; W. Schmidt, NJW 1999, S. 2849 Fn. 34). 25 OVG Rheinland-Pfalz, DVBl. 1992, S. 47 ff. In seiner Anmerkung mutmaßt Lubberger, DVBl. 1992, S. 51, die Vorlage sei wohl auf Grundlage des überkommenen Eigentumsmodells „provokant falsch begründet“, um das BVerfG zu weiterer Kritik daran zu veranlassen. 26 BVerfGE 100, 226 (240). 27 BVerfGE 100, 226 (243). 28 Wolle der Staat das Baudenkmal dennoch unbedingt im öffentlichen Interesse erhalten, so bliebe nur der alternative Weg, auf Grundlage einer den Anforderungen des Art. 14 III GG genügenden Enteignungsregelung ein Enteignungsverfahren mit entsprechender Entschädigung durchzuführen (BVerfGE 100, 226 [243]; hierzu Jarass, NJW 2000, S. 2844; ebenso BVerfGE 83, 201 [214]; BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 25).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

setz selbst (im Falle eines Selbstvollzugs) oder durch eine Maßnahme der Rechtsanwendung29, außer seiner formalen Stellung als Eigentümer praktisch keine Befugnisse mehr zustehen, so rüttelt ein derartiges nudum ius nicht an einer zuvor getroffenen Einordnung der Norm als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG. Sie schlägt niemals um in eine Enteignung30. Mit der vorgenannten Entscheidung31 spricht sich das Gericht folglich klar gegen die Anwendung jeglicher materieller Kriterien bei der Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG aus32. Vereinzelte Stimmen, die gegen eine solche Interpretation des Beschlusses votieren, sind nicht überzeugend. So sieht Battis in dem Umstand, daß das Gericht an einer Stelle dieser Entscheidung auf den aus der hergebrachten Eigentumsdogmatik stammenden und im Schrifttum stark kritisierten33 Topos der Situationsgebundenheit und die diesbezügliche Rspr. von BGH und BVerwG abstellt, eine „Bankrotterklärung“34 des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses. Das Gericht flüchte sich „ungeachtet seines formalen Ansatzes in die vorwiegend materiellen Kriterien der alten Rechtsprechung von BGH und BVerwG.“35 Bei dieser harschen Kritik wird jedoch übersehen, daß der beanstandete Rekurs des Gerichts nicht bei der Frage der Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG erfolgt, d. h. an der Stelle, an der die Situationsgebundenheit im hergebrachten Eigentumsmodell ihre Rolle spielte36, sondern anläßlich der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschrift als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG. Das Gericht betont ledig29 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 148 f.; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 28 f. (beide m. w. Nw.), die die im Schrifttum viel diskutierte Frage aufwerfen, ob eine als Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG einzustufende Vorschrift im Falle eines den Eigentümer unzumutbar treffenden Anwendungsaktes in eine Enteignung umschlagen könne (sog. Zufallsenteignung, vgl. Kimminich, NuR 1985, S. 1 ff.). Dagegen zu Recht Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 233 f.; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 141, 160 ff.; Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 123 f. 30 Freilich ist eine derartige Totalentleerung des Zuordnungsverhältnisses als Verletzung der „Substanz“ des Eigentums im Regelfall mit Art. 14 GG unvereinbar. Davon geht auch das BVerfG in der o. g. Entscheidung aus, vgl. BVerfGE 100, 226 (243 ff.) und noch unten S. 259 ff. 31 Bestätigt durch BVerfGE 102, 1 (16), wonach die Einordnung einer Norm als Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG unabhängig davon sei, ob durch sie das Eigentum „völlig entwertet“ werde. 32 Ebenso die Einschätzung u. a. bei Papier, DVBl. 2001, S. 1399; Jarass, NJW 2000, S. 2844; Moench / Otting, NVwZ 2000, S. 521; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 94; Otting, BauR 2000, S. 515; Lege NVwZ 2000, S. 658; Külpmann, JuS 2000, S. 647 f. 33 Vgl. oben S. 116 Fn. 479. 34 Battis, NuR 2000, S. 424. 35 Battis, NuR 2000, S. 424. 36 Vgl. hierzu Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 128 ff.; Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 120 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 84 ff.

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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lich, daß bei der hierfür vorzunehmenden Abwägung zwischen Art. 14 I 1 und 14 II GG die öffentlichen Interessen besonders gewichtig sind, wenn das Grundstück, wie im vorliegenden Fall wegen des Bestehens eines Denkmals, aufgrund seiner besonderen Situation einer gesteigerten Sozialbindung unterliege37. Dagegen, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Abwägung zwischen Art. 14 I 1 und 14 II GG auch derartige Realfaktoren einfließen lassen kann, bestehen aber keine Bedenken38. Denn der Situationsgebundenheit eines Gegenstandes kommt bei diesem Verständnis – über die bloße „faktische Sachverhaltserfassung“39 hinaus – keine eigenständige Bedeutung zu. Eine Rückbesinnung des BVerfG auf die Schwellentheorien kann jedenfalls in dieser Entscheidung mitnichten erblickt werden40.

III. BVerfGE 104, 1 ff. – Städtebauliche Umlegung Den damit eingeschlagenen Weg einer Konkretisierung der Abgrenzungsfrage zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG ist das BVerfG in einem aktuellen Beschluß mit großen Schritten weitergegangen. In der betreffenden Entscheidung befanden sich die Vorschriften der städtebaulichen Umlegung (§§ 45 ff. BauGB) auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand. Das Gericht stuft diese Bestimmungen, deren Rechtsnatur es bisher ausdrücklich offengelassen hatte41, als Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG ein. Zur Begründung definiert es die Enteignung im Sinne des Art. 14 III GG wie folgt: „Mit der Enteignung greift der Staat auf das Eigentum des einzelnen zu. Sie ist auf die vollständige und teilweise Entziehung konkreter subjektiver, durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet (vgl. BVerfGE 101, 239 [259]; 102, 1 [15 f.]; stRspr). Die Enteignung setzt den Entzug konkreter Rechtspositionen voraus, aber nicht jeder Entzug ist eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG. Diese ist beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden, mit denen ein konkretes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienendes Vorhaben durchgeführt werden soll (vgl. BVerfGE 38, 175 [179]). Ist mit dem Entzug bestehender Rechtspositionen der Ausgleich privater Interessen beabsichtigt, kann es BVerfGE 100, 226 (242). Vgl. Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 70; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 271; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 32 f.; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 102 Fn. 50; Schmidt-Aßmann, in: FS-Uni-Heidelberg, S. 116. 39 Bartlsperger, DVBl. 2003, S. 1483. 40 A.A. Ossenbühl, JZ 1999, S. 900, der den Hinweis des BVerfG in dieser Entscheidung, daß der Staat das Baudenkmal nur durch ein Enteignungsverfahren erhalten könne (vgl. oben S. 159 Fn. 28), als Fingerzeig dahin (miß-)versteht, daß die angegriffene Regelung i. E. doch als Enteignungsnorm einzustufen sei. In diese Richtung wohl aber auch Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 84 Fn. 110. 41 BVerfGE 74, 264 (279). 37 38

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

sich nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handeln (vgl. dazu BVerfGE 101, 239 [259]).“42

Diese Passage enthält bemerkenswerte Ansätze für die Abgrenzungsfrage zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG, auf die nachfolgend eingegangen werden soll43.

1. Regelungen zum Ausgleich divergierender Privatinteressen: Art. 14 I 2 GG Zunächst läßt sich aus dem letzten Satz der eben zitierten Passage schließen, daß es für das Gericht ein gewichtiges Kriterium für die Einordnung einer rechtsentziehenden Maßnahme ist, ob sie einen Ausgleich von Interessen im BürgerStaat oder Bürger-Bürger-Verhältnis zum Gegenstand hat. Geht es um die Beilegung privater Konflikte auf horizontaler Ebene, so könne es sich „nur“ um eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG handeln. Das BVerfG prüft diese Frage quasi als eine Art Grobfilter vorweg. Eine Enteignung scheidet in diesen Fällen von vornherein aus.

a) Kein unmittelbarer staatlicher Zugriff bei Eigentumsentziehungen im horizontalen Verhältnis Die damit zum Ausdruck gebrachte kategorische Ablehnung einer Enteignung durch privatrechtliche Eingriffsbefugnisse ist lediglich in ihrer Deutlichkeit neu, nicht jedoch in der Sache. Bereits in seiner Feldmühle-Entscheidung 44 verneint das BVerfG eine Enteignung durch Vorschriften, die den Entzug der Eigentumsrechte von Minderheitsaktionären anläßlich einer Mehrheitsumwandlung des Unternehmens ermöglichen. Das Gesetz greife hier „nicht unmittelbar in bestehende Rechte ein“, sondern grenze lediglich mittelbar die privatrechtlichen Befugnisse der Beteiligten voneinander ab45. Soweit erkennbar, hat das BVerfG auch bislang in keinem anderen Fall ein privates Eingriffsrecht als Enteignung qualifiziert46. Besonders deutlich wird diese Rspr. in der Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der im Vermögensgesetz aufgenommenen Stichtagsregelung47. Hier wird betont, der mit der angegriffenen Vorschrift bewirkte Entzug kaufvertragliBVerfGE 104, 1 (9 f., Hervorhebung nicht im Original). Siehe zu dieser Entscheidung auch Christ, DVBl. 2002, S. 1517 ff.; E. Haas, NVwZ 2002, S. 272 ff.; Maurer-Appel, NordÖR 2002, S. 50 ff. 44 BVerfGE 14, 263 ff. 45 BVerfGE 14, 263 (277). 46 Einstufung eines privaten Eingriffsrechts als Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG z. B. in BVerfGE 31, 229 (240 ff.); 31, 275 (283 ff.); 49, 382 (392 ff.); 52, 1 (27 ff.); 68, 361 (367 ff.); 79, 292 (302 ff.); 87, 114 (138 f.); 89, 1 (5 ff.); 100, 289 (301 ff.). 47 BVerfGE 101, 239 ff. 42 43

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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cher Erfüllungsansprüche sei als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG einzustufen, weil es hier, anders als bei einer Enteignung, „[ . . . ] um die rechtliche Korrektur von Erwerbsvorgängen [gehe] mit dem Ziel, divergierende private Interessen zu einem Ausgleich zu bringen.“48

Dieser Betrachtungsweise folgt auch das herrschende Schrifttum. Die Enteignung sei „kein Instrument des Staates, Konflikte zwischen Privaten und ihren Interessen zu schlichten“49. Es fehle in derartigen Fällen an dem für die Enteignung typischen unmittelbaren Eingriff von hoher Hand50.

b) Kriterien für die Einstufung auf die horizontale bzw. vertikale Ebene Damit rückt die Frage in den Mittelpunkt, wann ein Hoheitsakt der einen oder anderen Ebene zuzuordnen ist. Das Gericht stellt hierbei auf die Zweckrichtung der gesetzgeberischen Maßnahme ab. Maßgeblich sei, ob sie einen Ausgleich im horizontalen oder vertikalen Bereich beabsichtigt bzw. einem solchen dient51. Zwar klingt bereits in anderen Entscheidungen des Gerichts die Intention des Gesetzgebers als Abgrenzungskriterium zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG an52. Der 48 BVerfGE 101, 239 (259, Hervorhebung nicht im Original); a.A. wohl Böhmer, AnwBl. 1991, S. 459, der in diesem Zusammenhang von einer Enteignung ausgeht. Derselbe Rekurs auf einen privaten Interessenausgleich zur Ablehnung einer Enteignung findet sich auch in zwei aktuellen Entscheidungen, in denen das BVerfG Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes als Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG einstuft. Vgl. BVerfG.de, 1 BvR198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 17; 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 13. 49 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 584. 50 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 335 m. w. Nw. in Fn. 201; a.A. jedoch Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 89; siehe hierzu auch Schwabe, JZ 1991, S. 778 f. Zur Frage, wie sich mit dieser Betrachtung des BVerfG die Grds. der sog. Enteignung zugunsten Privater vereinbaren lassen, siehe unten S. 167 f. 51 Diese Formel erinnert stark an die Kriterien, die das BVerfG bei der allg. Abgrenzung zwischen Privat- und öffentlichem Recht ins Feld führt. Auch hier stellt es, auf der Linie der sog. Interessentheorie liegend, auf die Zweckrichtung der Regelung ab, horizontale oder vertikale Verhältnisse regeln zu wollen (vgl. hierzu bereits oben S. 65 Fn. 222). Da die h. M. jedoch bei dieser Frage der sog. Sonderrechtstheorie folgt (vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 1 Rn. 12 ff. m. w. Nw.), wäre es verfehlt, das hier zur Debatte stehende Problem mit dieser allg. Abgrenzungsfrage gleichzusetzen. Denn nach dieser h. M. wären die §§ 45 ff. BauGB als öffentlich-rechtliche Normen einzustufen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schwabe, JZ 1991, S. 778 Fn. 7, der zu Recht darauf aufmerksam macht, daß die Regelung privater Interessenkollisionen nicht nur durch Zivilrechtsnormen, sondern auch durch öffentliches Recht erfolgen könne. 52 Vgl. die Zitate oben auf S. 155 zu Fn. 4 ff., wonach Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung auf jeweils unterschiedliche Ziele gerichtet seien. Zu bisherigen Deutungen des Finalitätsmerkmals in der Enteignungsdefinition des BVerfG siehe Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 100 ff., 153 ff.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 99 f.; König, Landwirtschaftliche Boden-

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

nunmehr vorgetragene Ansatz ist jedoch insofern neu, als vom Gericht, soweit ersichtlich, bisher noch nicht explizit herausgestellt wurde, daß es die Anknüpfung an die Zweckrichtung maßgeblich auf die Frage bezieht, ob die Regelung einem horizontalen oder vertikalen Interessenausgleich dient53. Problematisch ist freilich, daß sich bei einer Vielzahl eigentumsentziehender Hoheitsakte der Regelungszweck nicht isoliert auf die eine oder andere Ebene beschränken läßt. Die Schwierigkeit einer solch janusköpfigen Maßnahme stellt sich dem BVerfG auch in der hier einschlägigen Entscheidung. Es betont, die Baulandumlegung bezwecke zwar in der Tat einen Ausgleich auf vertikaler Ebene, da sie „im Rahmen eines auch öffentlichen Interessen dienenden städtebaulichen Konzepts“ erfolge54. Dennoch scheide hier Art. 14 III GG aus, da das Eigentum nicht entzogen werde, um es „[ . . . ] für ein konkretes, dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben einzusetzen. Das Instrument der Baulandumlegung ist vielmehr in erster Linie auf den Ausgleich der privaten Interessen der Eigentümer gerichtet. Es soll diesen die bauliche Nutzung ihrer Grundstücke auch in den Fällen ermöglichen, in denen diese sich nicht selbst auf die hierzu notwendige Neuordnung ihrer Eigentumsrechte einigen. [ . . . ] sie dient dem privaten Interessenausgleich.“55

Es kommt folglich bei der Feststellung der Zweckrichtung einer eigentumsentziehenden Maßnahme nicht darauf an, ob diese ausschließlich den Ausgleich auf der einen oder anderen Ebene beabsichtigt, sondern wo ihr Schwerpunkt liegt56. nutzung, S. 65 ff.; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 124 f. 53 Siehe in diesem Zusammenhang nun auch die Besprechung der vorliegenden Entscheidung durch die Richterin am ersten Senat des BVerfG E. Haas, NVwZ 2002, S. 272 ff. Sie betont, die Zweckbestimmung des Hoheitsaktes, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu dienen, sei das maßgebliche Abgrenzungskriterium in dieser BVerfG-Entscheidung (E. Haas, NVwZ 2002, S. 273 f.). Daß dieses Element der Enteignungsdefinition in der Vergangenheit etwas aus dem Blick geraten sei, habe seine Ursache möglicherweise darin, daß sich das BVerfG „mehr als ein Jahrzehnt einer verkürzten Formel bedient“ habe (E. Haas, NVwZ 2002, S. 274). 54 BVerfGE 104, 1 (10). 55 BVerfGE 104, 1 (10, Hervorhebung nicht im Original). Zu dieser privatnützigen Zweckund Interessenrichtung der Baulandumlegung siehe auch Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 6, 23 m. w. Nw. 56 Ebenso die Einschätzung bei Christ, DVBl. 2002, S. 1517 ff., der auf Grundlage dieser Entscheidung für maßgeblich hält, ob die Erfüllung der privaten oder öffentlichen Aufgabe „im Vordergrund“ steht (Christ, DVBl. 2002, S. 1518) bzw. welches Element überwiegt (Christ, DVBl. 2002, S. 1523). Das BVerfG bestätigt damit seine bereits in der Boxberg-Entscheidung gemachte Feststellung, die Unternehmensflurbereinigung sei als Enteignung einzustufen, weil sie „in erster Linie der Verwirklichung eines im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens“ diene (BVerfGE 74, 264 [280]). Ob dies auch für die Regelflurbereinigung gilt, wird offen gelassen (BVerfGE 74, 264 [279]; die h. M. verneint das aufgrund einer rechtssystematischen Parallele zur Baulandumlegung, vgl. Breuer, in: Schrödter, BauGB, § 45 Rn. 5, 23; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 185 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 253 ff.; Jarass, NJW 2000, S. 2845).

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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c) Verhältnis zur Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG Geht das BVerfG davon aus, daß bei einer zumindest schwerpunktmäßig dem Ausgleich von Privatkonflikten dienenden Norm immer von einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG auszugehen ist, so soll noch auf einen Umstand hingewiesen werden, der in diesem Zusammenhang leicht zu Mißverständnissen führen könnte. Stellt sich nach der Einstufung einer Norm als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG die Frage, ob diese verfassungsmäßig ist, so prüft das BVerfG, ob der Gesetzgeber das von Art. 14 I 1 und 14 II GG vorgegebene „Sozialmodell“ eingehalten hat57. Den Eigentümerbelangen stehen im Rahmen der dabei vorzunehmenden Abwägung die Interessen des Gemeinwohls gegenüber. Hierbei ist sich freilich bewußt zu machen, daß eine zuvor getroffene Einstufung der zur Debatte stehenden Regelung als dem Privatausgleich dienend freilich nicht bedeutet, daß der mit ihr verfolgte Zweck kein Belang des Allgemeinwohls im Sinne des Art. 14 II GG sein kann. Denn hierunter fällt ohne weiteres auch das gerechte Ausgleichen divergierender Interessen auf horizontaler Ebene58. Der Begriff des Allgemeinwohls im Sinne des Art. 14 II GG und eine zuvor erfolgte Einordnung der Regelung als Horizontalnorm schließen sich daher nicht aus. Im Gegenteil können derartigen Regelungen gerade besonders gewichtige Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 14 II GG zugrunde liegen59.

2. Eigentumsentzug in erster Linie zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben Die Aussage des BVerfG, daß eine schwerpunktmäßig dem Privatausgleich dienende Norm nur Inhalts- und Schrankenbestimmung sein kann, ist jedoch nicht derart umkehrbar, daß dann bei Vertikalnormen zwingend eine Enteignung vorliegt. Das Gericht betont lediglich, daß eine Enteignung nur in letzteren Fällen in Betracht komme. Dies schließt aber nicht aus, daß derartige Vorschriften als Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG eingestuft werden können. Normen, die in erster Linie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, können danach entweder unter Art. 14 I 2 oder Art. 14 III GG fallen. Vgl. BVerfGE 52, 1 (29); dazu noch näher unten S. 199 ff. Siehe Grochtmann, Art. 14 GG, S. 15 Fn. 54, der zu Recht betont, ein derartiger Ausgleich „schafft unabdingbar notwendigen Rechtsfrieden und ist damit zwanglos als Gemeinwohlaufgabe i. S. d. Art. 14 II GG einzuordnen.“ Vgl. hierzu auch BVerfG, 1 BvR 218 / 99, K.-Beschl. v. 11. 11. 2002, NVwZ 2003, S. 198 zum privatnützigen Charakter des Planfeststellungsbeschlusses betreffend die Verlängerung des Flughafens Hamburg-Finkenwerder. 59 Vgl. nur BVerfGE 68, 361 (367 ff.), wo das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der (horizontal gerichteten) mietrechtlichen Eigenbedarfsklausel damit rechtfertigt, daß das Eigentum des Vermieters aufgrund eines besonderen Sozialbezugs einer hohen Gemeinwohlbindung i. S. d. Art. 14 II GG unterliege. 57 58

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a) Öffentlicher Aufgabenbezug als Element des Enteignungsbegriffs Das BVerfG hat auch in der zitierten Passage der Umlegungs-Entscheidung die Formel von der „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ in die Enteignungsdefinition aufgenommen60. Diese Vorgehensweise hatte dem Gericht in zuvor ergangenen Entscheidungen scharfe Kritik eingebracht. Sie fußte auf dem Umstand, daß nach Art. 14 III 1 GG die Rechtmäßigkeit einer Enteignung davon abhängt, daß sie durch das „Wohl der Allgemeinheit“ gerechtfertigt ist. Einige Literaturstimmen stellten hierzu fest, daß diese Frage mit der vom BVerfG verwendeten Formel von der „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ gleichgesetzt werden könne. Damit unterliege das BVerfG aber einem Zirkelschluß, weil es ein Zulässigkeitserfordernis in die Enteignungsdefinition verpflanze61. Auf Grundlage der Umlegungs-Entscheidung erscheint die Formel von der „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ nun aber in einem Licht, in dem dieser Vorwurf, zumindest so pauschal vorgetragen, nicht mehr trägt. Zwar ist zuzugeben, daß das BVerfG diesen Terminus in einigen früheren Entscheidungen im gleichen Atemzug mit der Gemeinwohlklausel des Art. 14 III 1 GG genannt hat62. Dieses Verständnis wird aber bereits in der Boxberg-Entscheidung63 relativiert. Bei der Frage, ob die in dieser Entscheidung zur Debatte stehende Unternehmensflurbereinigung unter Art. 14 I 2 oder 14 III GG fällt, stuft das Gericht sie als Maßnahme ein, die in erster Linie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, ohne an dieser Stelle der Entscheidung mit einem Wort auf die Gemeinwohlklausel des Art. 14 III 1 GG zu sprechen zu kommen64. Erst später, als sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Enteignung stellt, kommt Art. 14 III 1 GG ins Spiel65. Die Beantwortung beider Fragen wird daher vom BVerfG klar getrennt. Dieses Verständnis wird nun in der Entscheidung zur Baulandumlegung gänzlich offenbar, wenn das Gericht die Frage nach der „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ ausschließlich im Rahmen der Enteignungsdefinition behandelt und als Antonym zur gesetzgeberischen Intention setzt, schwerpunktmäßig den Ausgleich divergierender Privatinteressen regeln zu wollen. Die Formel dient daher lediglich der Feststellung, ob die zur Debatte stehende Maßnahme hauptsächlich auf der horizontalen oder vertikalen Ebene einzuordnen ist. Vgl. das Zitat oben auf S. 161 f. zu Fn. 42. Schwabe, in: FS-Thieme, S. 261 m. w. Nw. in Fn. 21 a. E.; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 47, 87; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 270. Damit ist zugleich der hier nicht näher behandelte Streit angesprochen, ob die Rechtmäßigkeit der Enteignung zu ihrem Begriff gehört. Vgl. dazu Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 111; bejahend z. B. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 552 ff., verneinend Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 159 f., m. w. Nw. für beide Ansichten in Fn. 102, 106. 62 BVerfGE 38, 175 (180); 66, 248 (257). 63 BVerfGE 74, 264 ff. 64 BVerfGE 74, 264 (280). 65 BVerfGE 74, 264 (284 ff.). 60 61

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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Damit sollen im Wege einer Vorprüfung diejenigen Maßnahmen ausgeschieden werden, die in erster Linie dem privaten Konfliktausgleich dienen und daher nicht unter Art. 14 III GG fallen können. Stellt sich hingegen heraus, daß der Eigentumsentzug maßgeblich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, so ist damit noch kein Urteil über die Gewichtigkeit der verfolgten öffentlichen Belange gefällt. Diese Frage stellt sich, wenn denn die Vertikal-Norm tatsächlich als Enteignung zu qualifizieren ist66, erst im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung. Dort ist dann u. a. zu prüfen, ob derart gewichtige Belange des Allgemeinwohls im Sinne des Art. 14 III 1 GG vorliegen, die zur Rechtfertigung eines Eigentumsentzuges durch Enteignung führen67. Die oben vorgebrachte Kritik, beide Fragen würden vom BVerfG schlechthin in einen Topf geworfen, ist daher nicht haltbar68. Der Vorwurf eines Zirkelschlusses bekommt allerdings Gewicht, wenn diese Abgrenzungskriterien auf die Sachverhalte der sog. Enteignung zugunsten Privater angewendet werden. In derartigen Fällen erfolgt der staatliche Eigentumsentzug nicht zur Realisierung eines hoheitlich betriebenen Unternehmens, sondern eines Vorhabens Privater69. Zwar können nach dem BVerfG auch derartige Maßnahmen unter den Enteignungsbegriff des Art. 14 III GG fallen70. Eine Enteignung scheidet aber nach der Umlegungs-Entscheidung von vornherein aus, wenn der Eigentumsentzug im Schwerpunkt der Glättung privater Interessenkollisionen dient. Angesichts des Umstandes, daß einer Enteignung zugunsten Privater im Regelfall vorhergeht, daß es den Betroffenen (ähnlich wie bei der Umlegung) nicht gelungen ist, sich gütlich über einen Eigentumsübergang zu einigen71, könnte auch hier erwogen werden, daß eine derartige Maßnahme in erster Linie den Ausgleich divergierender Privatinteressen beabsichtigt. Eine Enteignung käme dann nicht in Betracht72. Es Hierzu sogleich unten S. 168 ff. Siehe hierzu nur BVerfG.de, 1 BvR 390 / 01, K.-Beschl. v. 04. 07. 2002, Abs. 10 ff., wo das Gericht nach eingehender Überprüfung der einschlägigen Gemeinwohlbelange zu dem Ergebnis kommt, daß die dortige Enteignung gegen Art. 14 III 1 GG verstoße. 68 Daß das BVerfG bei Art. 14 III GG die Frage nach dem Vorliegen eines „öffentlichen Interesses“ auf zwei verschiedenen Ebenen (Enteignungsbegriff, Rechtfertigung) prüft, entspricht der parallelen Vorgehensweise des Gerichts bei den Strukturvorgaben des Verfassungseigentums. Auch diese werden vom BVerfG zum einen als Qualifikationsmerkmale i. R. d. Schutzbereichs (Eigentumsbegriff), zum anderen als Elemente im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung herangezogen. Vgl. hierzu oben S. 64 ff. 69 Hierzu allg. Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 138 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 435 ff. 70 BVerfGE 74, 264 (284 ff.); BVerfG, 1 BvR 218 / 99, K.-Beschl. v. 11. 11. 2002, NVwZ 2003, S. 198. 71 Vgl. die Sachverhalte in BVerfGE 56, 249 (251); 74, 264 (266). 72 In BVerfGE 74, 264 (280) wird über dieses Problem hinweg gegangen. Bei der Einstufung der Unternehmensflurbereinigung als Maßnahme, die i. e. L. einem öffentlichen Interessenausgleich dient, wird dem Umstand, daß es im dortigen Fall um eine Enteignung zugunsten eines Privatunternehmens ging (Daimler-Benz), keine Beachtung geschenkt. Letzteres wirft das BVerfG erst bei der Prüfung der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 III 1 GG auf (BVerfGE 74, 264 [284 ff.]). 66 67

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

stellt sich so die Frage, wie hier dennoch von einem schwerpunktmäßig vertikal ausgerichteten Eigentumsentzug ausgegangen werden kann. Dies scheint nur möglich, wenn das private Vorhaben auch gleichzeitig einem öffentlichen Zweck dient, der hinreichend gewichtig ist und mit der Maßnahme in erster Linie verfolgt wird73. Könnte auf diesem Weg der Anwendungsbereich des Art. 14 III GG noch eröffnet werden, so gerät man aber in das Dilemma, daß das BVerfG gerade die jeweilige Tragweite der öffentlichen Zweckbindung als maßgebliches Kriterium dafür ansieht, ob eine Enteignung zugunsten Privater auch tatsächlich den Anforderungen der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 III 1 GG entspricht74. Damit gewänne aber der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf eines Zirkelschlusses tatsächlich Bedeutung: Ein und dasselbe Merkmal (Umfang der Zweckbindung gegenüber der Allgemeinheit) würde sowohl auf der Tatbestands- als auch auf der Rechtfertigungsebene herangezogen. Will man diesem Zirkel nicht unterliegen, so stellt sich die Frage, ob auf Grundlage der Ausführungen des BVerfG in der Umlegungs-Entscheidung das Institut der Enteignung zugunsten Privater noch aufrecht erhalten werden kann.

b) Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2 und 14 III GG bei vertikalen Hoheitsakten Dient eine eigentumsentziehende Maßnahme im Schwerpunkt der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so ist damit noch nichts über ihre Einstufung zu Art. 14 I 2 oder 14 III GG gesagt. Wie bereits festgestellt, kann eine solche Maßnahme grundsätzlich unter beide Vorschriften fallen. Die entscheidende Frage ist nun, wie in derartigen Fällen eine Abgrenzung vonstatten geht. An dieser Stelle ist auf die Passage der Umlegungs-Entscheidung zurückzukommen, die Enteignung sei „beschränkt auf solche Fälle, in denen Güter hoheitlich beschafft werden“75. Dies erscheint wie ein Donnerschlag, da der Passus es nahe legt, daß das BVerfG nunmehr Art. 14 III GG auf die Fälle der sog. Güterbeschaffung begrenzt. Zwar spielt diese Frage für die hiesige Entscheidung keine tragende Rolle, da die §§ 45 ff. BauGB schon deshalb aus dem Anwendungsbereich des Art. 14 III GG fallen, weil sie in erster Linie dem privaten Interessenausgleich dienen. Macht man sich aber bewußt, daß die Frage nach dem Enteignungsbegriff bereits Juristengenerationen beschäftigt und ganze Bibliotheken füllt, erscheint kaum denkbar, daß die eben zitierte Passage – angesichts der Wortwahl – unreflektiert erfolgte76. Dies wäre aber, um einen im Zusammenhang mit Art. 14 GG schon 73 Z. B. der Nutzen für die Allgemeinheit, wenn zugunsten eines privatrechtlich organisierten Unternehmens der Daseinsvorsorge enteignet wird, vgl. hierzu Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 436. 74 Vgl. BVerfGE 66, 248 (257); 74, 264 (285 ff.); Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 436 f. 75 Vgl. das Zitat oben auf S. 161 f. zu Fn. 42 (Hervorhebung nicht im Original).

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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leicht ergrauten Begriff einmal mehr ins Spiel zu bringen, wahrhaftig eine kopernikanische Wende. Denn das BVerfG hat noch in seiner Vorkaufsrechts-Entscheidung betont: „Das Vorliegen einer Enteignung hängt allerdings nicht davon ab, daß es sich um einen Güterbeschaffungsvorgang handelt. Ihr entscheidendes Merkmal ist der Entzug des Eigentums und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust, nicht aber die Übertragung des entzogenen Objekts [ . . . ].“77

Das Gericht ist in dieser Entscheidung vielen Stimmen aus dem Schrifttum entgegengetreten, die für einen klaren Schnitt zur Beendigung der „Misere des Enteignungsbegriffs“78 plädieren und seine Beschränkung auf den Vorgang der Güterbeschaffung fordern79. Nimmt man die Passage aus dem Umlegungs-Beschluß beim Wort, so scheint sie den Ausführungen des Gerichts in der VorkaufsrechtsEntscheidung diametral entgegenzustehen. Nachfolgend soll näher untersucht werden, ob sie tatsächlich als Beleg für einen derartigen Umschwung der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. herangezogen werden kann.

(1) Der Verweis auf BVerfGE 38, 175 ff. Am Ende seiner in der Umlegungs-Entscheidung gegebenen Enteignungsdefinition80 verweist das BVerfG ausschließlich auf die bereits einige Jahre zurückliegende Entscheidung zur sog. Rückenteignung81. In der angegebenen Stelle82 76 Siehe auch E. Haas, NVwZ 2002, S. 274, die die Enteignung anläßlich der Besprechung der vorliegenden Entscheidung als „Zwangsinstrument zur Güterbeschaffung“ bezeichnet. 77 BVerfGE 83, 201 (211, Hervorhebung nicht im Original) mit Verweis auf BVerfGE 24, 367 (394); 52, 1 (27), wobei sich in der zuletzt genannten Fundstelle keine Ausführungen zu dieser Frage finden. Dezidiert gegen das Merkmal der Güterbeschaffung Böhmer, abw. Meinung BVerfGE 56, 249, 266 (271 f.); ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 15; ders., Der Staat 24 (1985), S. 185 Fn. 83; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 49 Fn. 8; ders., NJW 1988, S. 2564 Fn. 27. 78 So der Titel einer Abhandlung von Schwabe, in: FS-Thieme, S. 251 ff. 79 Z. B. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 411 ff.; ders., in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 187; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung, S. 267; Lege, NJW 1993, S. 2567; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 58 a. E.; aus neuerer Zeit z. B. Hendler, DVBl. 2001, S. 1238; Stüer / Loges, NVwZ 2000, S. 12 f.; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 223 ff. (w. Nw. bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 199 Fn. 125). Im Regelfall wird hierbei aber keine Rückkehr zur sog. klassischen (Grundstücks-)Enteignung gefordert (in diese Richtung aber Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 272 f.), sondern als zu beschaffende Güter sollen auch Forderungen, Urheber-, Aktienrechte etc. in Betracht kommen. In Anlehnung an Dürig, JZ 1954, S. 8 ff., spricht man von einem „modifizierten klassischen Enteignungsbegriff“ (vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 199). 80 Vgl. das Zitat auf S. 161 f. zu Fn. 42. 81 BVerfGE 38, 175 ff. 82 BVerfGE 38, 175 (179 f.).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

kommt das Gericht zwar zunächst auf die sog. klassische Enteignung zu sprechen, was für den oben angesprochenen Rekurs auf die Güterbeschaffung spricht. Im Anschluß wird aber darauf hingewiesen, daß die Enteignung „[ . . . ] nicht allein durch den Eingriff in das Vermögen des Bürgers und die gegenständliche Überführung des entzogenen Objektes auf die öffentliche Hand charakterisiert [ . . . ] [und] [ . . . ] kein auf Vermögenserwerb durch den Staat ausgerichtetes Instrument ist.“83

Das Element des Rechtsübergangs auf einen neuen Rechtsträger, das für den Vorgang der Güterbeschaffung kennzeichnend ist, wird in dieser Passage folglich gerade hintan gestellt. Hieraus einen Hinweis gegen einen Umschwung des Gerichts zur Güterbeschaffung zu sehen, erscheint jedoch verfehlt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß es dem Gericht mit den eben zitierten Worten wohl nicht darum geht, das Erfordernis eines Übertragungsaktes zu relativieren oder gar die Notwendigkeit eines Rechtsträgerwechsels gänzlich aus dem Enteignungsbegriff zu verbannen. Ziel der Ausführungen ist vielmehr, zu betonen, daß die Güterbeschaffung als solche nicht Legitimationsgrund für eine Enteignung sein kann, sondern vielmehr der dahinter stehende, mit der Maßnahme verfolgte öffentliche Zweck84. Dies zu betonen ist dem Gericht in der Rückenteignungs-Entscheidung wichtig, da eine solche Betrachtung es ermöglicht, im Falle des Nichterreichens bzw. Wegfalls des Enteignungszwecks einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf „Rückenteignung“ zu begründen85. Aus dem Verweis des BVerfG auf diesen Beschluß lassen sich daher weniger Anhaltspunkte für oder gegen eine Hinwendung zur Güterbeschaffung ziehen, sondern er dient wohl allein der Untermauerung des letzten Teils seiner oben zitierten Enteignungsdefinition, nämlich seiner Einbeziehung der Formel von der „Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ in den Enteignungsbegriff. Denn genau diese Formel findet sich auch in der Entscheidung zur Rückenteignung86.

(2) Die Aufrechterhaltung des Teilentzuges Gegen eine Beschränkung des Art. 14 III GG allein auf Vorgänge der Güterbeschaffung mag möglicherweise sprechen, daß das Gericht auch in der Umlegungs-Entscheidung weiter davon ausgeht, eine Enteignung könne nicht nur durch vollständige, sondern auch durch teilweise Entziehung von Eigentumspositionen erfolgen. Daran festzuhalten könnte auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Denn von der „Beschaffung“ eines Gutes kann nur gesprochen werden, wenn dieses auf einen neuen Rechtsträger übertragen wird. Die Fälle des Teilentzuges BVerfGE 38, 175 (179). BVerfGE 38, 175 (180): „Die Eigentumsentziehung und die Begründung des Eigentums für die öffentliche Hand sind nur Mittel zu diesem [öffentlichen] Zweck.“ 85 BVerfGE 38, 175 (181 ff.); ebenso nun BVerfGE 97, 89 (97). 86 Vgl. BVerfGE 38, 175 (180). 83 84

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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sind hingegen gerade dadurch gekennzeichnet, daß das Vollrecht beim Eigentümer verbleibt und lediglich durch den Entzug einzelner Nutzungsbefugnisse beschränkt wird87. Zum Teil wird daher ausdrücklich festgestellt, beim Rekurs auf die Güterbeschaffung müsse man die Fälle der Teilentziehung aus dem Enteignungsbegriff ausschließen88. Bei dieser Betrachtung wird jedoch verkannt, daß auch mit einer Teilentziehung von Eigentumsbefugnissen eine Güterbeschaffung einhergehen kann. Denn ein Teilentzug ist – ebenso wie der Vollentzug89 – auf zwei unterschiedlichen Wegen möglich: (a) Rechtsvernichtung Denkbar ist zunächst, daß die (teil-)entzogene Befugnis lediglich aufgehoben wird90. In solchen Fällen einer alleinigen Rechtsvernichtung scheidet mangels Rechtsübertragung tatsächlich eine Güterbeschaffung aus. Dementsprechend hat das BVerfG bei derartigen Vorschriften regelmäßig eine Enteignung aufgrund (Teil-)Entzugs von Eigentümerbefugnissen abgelehnt. So unterfällt z. B. eine Nutzungsbeschränkung durch Landschaftsschutzverordnung nicht dem Anwendungsbereich des Art. 14 III GG91. Dasselbe gilt für die normative Festlegung der Duldung von Verkehrs-92 und Lärmimmissionen93. Auf dieser Linie hat das BVerfG94 festgestellt, daß auch die denkmalschutzrechtliche Entziehung der Befugnis, ein auf seinem Grundstück stehendes Baudenkmal abzureißen, keine Enteignung sei95.

Hierzu bereits oben S. 156. Burgi, NVwZ 1994, S. 529. Siehe in diesem Zusammenhang auch Maurer, in: FS-Dürig, S. 296 Fn. 14. Er weist darauf hin, daß die Frage, ob unter den sog. klassischen Enteignungsbegriff auch die Fälle eines Teilentzuges fallen, in der zeitgenössischen Literatur umstritten war. 89 Vgl. oben S. 156. 90 So z. B. häufig bei nutzungsbeschränkenden Vorschriften des Landschafts-, Natur- und Denkmalschutzes. Vgl. zu derartigen Fällen Krohn, ZfBR 1994, S. 5 ff.; Schlette, JuS 1996, S. 204 ff.; Schwabe, JURA 1994, S. 529 ff.; Burmeister / Röger, JuS 1994, S. 840 ff.; Engelhardt, NuR 1991, S. 101 ff. 91 BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 367 f. 92 BVerfGE 79, 174 (191 f.). 93 BVerfGE 72, 66 (76 f.). 94 BVerfGE 100, 226 (239 f.). 95 Der ebenfalls mögliche Vollentzug allein durch Auflösung des Zuordnungsverhältnisses ohne seine Überleitung (vgl. oben S. 156) fällt bei dieser Betrachtung auch unter Art. 14 I 2 GG. Denn auch hier werden keine Güter übertragen, sondern bloß vernichtet. So dient z. B. eine Regelung, die die Tötung eines seuchenkranken Tieres zuläßt, zweifellos öffentlichen Interessen. Es liegt aber dennoch keine Enteignung vor (vgl. BVerfGE 20, 351 [359]). 87 88

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

(b) Rechtsübertragung Darüber hinaus ist es aber auch möglich, daß mit einem Teilentzug ein Transferakt einher geht. Dies ist freilich nur vorstellbar, wenn nicht das gesamte Zuordnungsverhältnis zwischen Eigentümer und Eigentumsobjekt aufgehoben und übergeleitet wird (sonst schon Vollentzug), sondern nur einzelne Befugnisse. Das setzt voraus, daß die Rechtsordnung die zur Debatte stehenden Befugnisse als isoliert übertragbar ausgestaltet hat. Eine solche Verfügungsmöglichkeit besteht vor allem bei den beschränkten dinglichen Rechten des Privatrechts96. Hier hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, einen Teil der Befugnisse des Vollrechts isoliert abzuspalten und auf einen neuen Rechtsinhaber zu übertragen. Als Ergebnis bestehen dann zwei Zuordnungsverhältnisse zu demselben Eigentumsobjekt: Zum einen das des (Voll-)Eigentümers, zum anderen das des Inhabers des abgespaltenen Teilrechts97. Damit steht fest, daß das in der Umlegungs-Entscheidung auch weiterhin aufrechterhaltene Bekenntnis des BVerfG zur Möglichkeit einer Enteignung durch Teilentzug nicht einer in dieser Entscheidung erfolgten Hinwendung zur Güterbeschaffung widerspricht. Im Gegenteil zeigt sich, daß hier, wird die obige Äußerung des Gerichts zur Güterbeschaffung beim Wort genommen, gerade die Möglichkeit für eine klare Konturierung des Anwendungsbereichs des Art. 14 III GG besteht. Erfaßt werden nur die Fälle einer Rechtsübertragung, d. h. beim Teilentzug nur diejenigen, bei denen einzelne Befugnisse kraft einfachgesetzlicher Ausgestaltung transformabel sind. Eine Teilenteignung dürfte dann vor allem bei der zwangsweisen Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts vorliegen. Diese Betrachtung läßt sich, abgesehen von den ausdrücklichen Bekundungen des BVerfG gegen das Merkmal der Güterbeschaffung98, auch auf einige ältere Entscheidungen des Gerichts stützen. Bereits hier finden sich zum Teil Anklänge für das Verständnis der Enteignung als Güterbeschaffungsvorgang99. Dazu paßt es, daß das BVerfG bisher, soweit ersichtlich, nur in zwei Fällen eine Enteignung durch Teilentzug angenommen hat, wobei es in beiden um die zwangsweise Begründung eines beschränkten dinglichen, d. h. auf den Enteignungsbegünstigten übertragbaren Rechts ging100. In neuem Licht erscheinen damit auch die AusfühHierzu allg. J. F. Baur / Stürner, Sachenrecht, § 3 Rn. 35 ff. Z. B. des Grundstückseigentümers und des Inhabers einer Grunddienstbarkeit. 98 Die sich aber bei genauerem Hinsehen auf einige wenige Entscheidungen beschränken, vgl. die Nw. oben S. 169 Fn. 77. 99 So schon Lege, NJW 1993, S. 2565 f., der in diesem Zusammenhang auf BVerfGE 66, 248 (257); 70, 191 (199 f.); 72, 66 (76) verweist. Siehe auch BVerfGE 74, 264 (280) mit der Feststellung, der mit der Unternehmensflurbereinigung verfolgte Zweck, „dem Unternehmensträger die für das Vorhaben benötigten Grundstücke zu beschaffen“, sei „für die Enteignung typisch.“ Vgl. auch den Befund von Hendler, DVBl. 2000, S. 1237, der feststellt, daß sich das BVerfG – trotz seiner z. T. ausdrücklichen Bekundungen gegen das Erfordernis einer Güterbeschaffung – „de facto auf Enteignungen i. S. von Güterbeschaffungsvorgängen beschränkt.“ (ebenso Hendler, in: FS-Maurer, S. 130 a.E.). 96 97

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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rungen in der Entscheidung zum Hamburger Enteignungsgesetz, in der das BVerfG die Enteignung wie folgt charakterisiert: „Das zwangsweise [ . . . ] entzogene Eigentum wird [ . . . ] auf den Enteignungsbegünstigten übertragen. An die Stelle des alten tritt der neue Eigentümer. Das durch Enteignung erworbene Recht verändert aber in keiner Weise seine rechtliche Qualität. Der staatliche Eingriff führt lediglich zu einer Veränderung des Zuordnungsverhältnisses zwischen Sache und Rechtsinhaber. Der Enteignungsbegünstigte erwirbt Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts. Entsprechendes gilt, wenn das Eigentum nicht als ganzes, sondern nur in einzelnen Beziehungen – also durch Belastung mit einem dinglichen Recht – betroffen wird. [ . . . ] [Das] Enteignungsrecht [hat lediglich] die Aufgabe, die privatrechtliche Vereinbarung zu ersetzen, die zur Begründung eines nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch möglichen dinglichen Rechts an einer Sache an sich erforderlich ist. Mehr kommt dem Enteignungsrecht nicht zu.“101

Die Enteignung wird hier als Maßnahme beschrieben, mit der es in Grenzfällen zulässig sei, eine freiwillige Vereinbarung zum Güteraustausch durch eine staatliche Zwangsmaßnahme zu ersetzen. Das Gericht charakterisiert damit die Enteignung als Vorgang der Güterbeschaffung. Als derartiges Ersatzmittel sei sie jedoch immer an ein übertragbares Substrat gebunden, das ihr zunächst von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellt werden muß. Enteignet werden können mithin nur solche Eigentumsrechte, deren Übertragung auch sonst im Wege privatautonomer Vereinbarung möglich ist. Neben der Vollübertragung des Eigentums gewährt die Rechtsordnung aber eine Möglichkeit zur Teilübertragung von einzelnen Eigentumsbefugnissen hauptsächlich nur in den Fällen der beschränkten dinglichen Rechte. Diese Passage bekräftigt damit die oben aus der Umlegungs-Entscheidung gezogenen Schlüsse: Zum einen das Bekenntnis zur Güterbeschaffung, zum anderen, daß das BVerfG (dann zwangsläufig) die Annahme einer Teilenteignung vom Aspekt der formell-rechtlichen Übertragbarkeit der entzogenen Befugnis abhängig macht. Scheint das Gericht nunmehr diesen Weg zu gehen, so bewegt es sich auf der Linie einiger Stimmen aus dem Schrifttum, die schon länger dafür plädieren, eine Teilenteignung nur beim Entzug selbständiger, d. h. besonders qualifizierter Eigentumsbefugnisse anzunehmen102. Nicht wenige von diesen stellen bei der Frage, 100 BVerfGE 45, 297 (338); 56, 249 (260). Verfahrensgegenstand ist das eine Mal eine privatrechtliche Dienstbarkeit, das andere Mal eine öffentliche Last, die mit einer solchen vergleichbar war. Nicht zuletzt aufgrund dieser beiden Entscheidungen ist wohl kaum anzunehmen, daß das Gericht unter die Fallgruppe Teilenteignung / Güterbeschaffung nur die Sachverhalte einer sog. quantitativen Teilenteignung faßt. Gemeint sind Fälle, in denen z. B. von einem Grundstück nur ein Teil der Fläche oder einem sonstigen Eigentumsobjekt ein sachlich abtrennbarer Teil entzogen und übertragen wird (vgl. hierzu Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 46; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 47; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 193). Das Gericht erkennt vielmehr auch die Fälle einer sog. qualitativen Teilenteignung an, z. B. die zwangsweise Auferlegung einer Dienstbarkeit. 101 BVerfGE 45, 297 (339, Hervorhebung nicht im Original). 102 In diese Richtung etwa Maurer, in: FS-Dürig, S. 304; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47; Burgi, NVwZ 1994, S. 529 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 71;

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

wann eine solche Qualifizierung vorliegt, ausdrücklich auf die einfachgesetzliche Ausgestaltung der jeweiligen Befugnis als übertragbar ab und nennen in diesem Zusammenhang vor allem die beschränkten dinglichen Rechte103. Zwar ist gegen eine solche Betrachtungsweise der Einwand des Formalismus erhoben worden. Es könne für die Einstufung einer eigentumsentziehenden Maßnahme als Inhalts- und Schrankenbestimmung oder Enteignung nicht ausschlaggebend sein, ob sie rechtstechnisch z. B. als privatrechtliche Dienstbarkeit oder lediglich als Duldungs- bzw. Unterlassungspflicht ausgestaltet werde. Für den Betroffenen seien die Auswirkungen in beiden Fällen gleich104. Schwabe spricht in diesem Zusammenhang gar von einer durch nichts zu rechtfertigenden „Absurdität“105. Diese Stimmen sind jedoch nicht überzeugend. Zum einen ist zu bedenken, daß zwar alle unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fallenden Befugnisse vermögenswert sein müssen106. Der Gesetzgeber hat jedoch die selbständig übertragbaren Berechtigungen, anders als die lediglich aufhebbaren, mit einem besonderen Vermögenswert ausgestattet. Die Möglichkeit, über sie zu verfügen, ist ein gewichtiges Indiz für ihre selbständige wirtschaftliche Verwertbarkeit. Die Rechtsordnung hat sie nur als Reaktion auf ein im Wirtschaftsverkehr erkennbar gewordenes Bedürfnis nach eigenständiger Vermarktbarkeit geschaffen107. Derartige Befugnisse erscheinen somit im Verhältnis zu denen, die nicht übertragen, sondern lediglich aufgehoben werden können, „entschädigungswürdiger“. Zum anderen darf auch nicht nur einseitig auf die FolPieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 923; Kraft, BayVBl. 1994, S. 102; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 288; Jarass, NJW 2000, S. 2844 f. 103 Maurer, in: FS-Dürig, S. 304; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 71; Stüer / Hönig, VA 93 (2002), S. 353; Hendler, DVBl. 2001, S. 1237 f.; ders., in: FS-Maurer, S. 129, 131; in diese Richtung auch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 236 f.; Kraft, BayVBl. 1994, S. 102; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 206 ff., 241 f.; z. T. andere Ansätze finden sich etwa bei Burgi, NVwZ 1994, S. 530 ff.; Jarass, NJW 2000, S. 2844 f. Neben den beschränkten dinglichen Privatrechten weist Maurer, in: FS-Dürig, S. 304, auf die dingliche Belastung eines Grundstücks mit einer öffentlich-rechtlichen Baulast hin. Dies erscheint angesichts ihrer strukturellen Vergleichbarkeit mit der Grunddienstbarkeit (hierzu Meendermann / Lassek, NJW 1993, S. 424 ff.; Masloh, NJW 1995, S. 1993 ff.) konsequent. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, daß das BVerfG die im Hamburger Enteignungsgesetz geschaffene „öffentliche Last“ für verfassungswidrig erklärt hat, weil sie dem im BGB bundesrechtlich normierten numerus clausus der Sachenrechte widerspreche (BVerfGE 45, 297 [338 ff.]). Die h. M. hält die in den Landesbauordnungen geregelten Baulasten gleichwohl für verfassungsgemäß (BVerwG NJW 1991, S. 714.; Jäger, DVBl. 1979, S. 28 ff. m. w. Nw.; a.A. Falckenberg, in: Münchener Kommentar, BGB, vor § 1018 Rn. 15 f.). 104 Pietzcker, NVwZ 1991, S. 419; ders., JuS 1991, S. 371; Osterloh, DVBl. 1991, S. 912; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 222 ff. 105 Schwabe, JURA 1994, S. 532 Fn. 15; kritisch auch Schwabe, in: FS-Thieme, S. 257; ders., DVBl. 1993, S. 841. 106 Vgl. oben S. 62 f. 107 Kraft, BayVBl. 1994, S. 103; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 212; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 71; in diese Richtung auch Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 69 ff.

A. Definitionen der Begriffe Inhalts- und Schrankenbestimmung / Enteignung

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gen beim betroffenen Eigentümer abgestellt werden. Denn wird eine selbständig überleitbare Befugnis übertragen, so geht der darin enthaltene Vermögenswert auf den Enteignungsbegünstigten über. Erfolgt ein solcher Vermögenstransfer zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, so erscheint es sachgerecht, wenn hier zwingend (Art. 14 III 2 GG) eine Entschädigung zu zahlen ist108. Im Fall der bloßen Rechtsvernichtung wird der Vermögenswert hingegen nicht übertragen, sondern schlicht aufgehoben. Wird mit der oben skizzierten Begrenzung des Enteignungsbegriffs der Anwendungsbereich des Art. 14 III GG klar umrissen, so ist dies auch als Bekenntnis zur Junktimklausel des Art. 14 III 2 GG109 zu werten. Denn diese kann ihre „Warnfunktion“110 an den Gesetzgeber nur erfüllen, wenn diesem Differenzierungskriterien an die Hand gegeben werden, mit denen er ex ante feststellen kann, ob eine vom ihm beabsichtigte Regelung als Enteignung einzustufen ist111. Eine Eingrenzung (auch der Teilenteignung) auf die Fälle der Güterbeschaffung ist hierfür tauglich. Gegen einen so verstandenen Enteignungsbegriff lassen sich auch keine Bedenken aus der inneren Struktur des Art. 14 GG ins Feld führen. Dies versucht aber Rozek. Er behauptet, eine derartige Beschränkung des Art. 14 III GG sei mit der Normsystematik des Art. 14 GG unvereinbar. Denn wird die Enteignung auf Güterbeschaffungsvorgänge reduziert, so können, wie oben dargelegt, lediglich übertragbare Rechtspositionen enteignet werden. Da unter den Schutz der Bestandsgarantie aber auch Befugnisse fallen, die nicht übertragbar sind, würde, so der Vorwurf von Rozek, Art. 14 III GG ein engerer Eigentumsbegriff untergeschoben als der, der sich aus Art. 14 I 1 GG ergebe. Eine solche Differenzierung lasse sich aber nicht aus der Verfassung begründen, da Art. 14 III an 14 I 1 GG anknüpfe112. Genau letzteres ist aber nicht überzeugend. Denn Art. 14 III GG verwendet gerade nicht den Begriff „Eigentum“, sondern spricht allein von der Möglichkeit einer Enteignung. Damit erscheint nicht zwingend, daß jede unter den Schutz des Art. 14 I 1 GG fallende Rechtsposition auch enteignungsfähig sein muß. Es ist vielmehr Aufgabe des selbständig aus Art. 14 III GG zu gewinnenden Enteignungsbegriffs, zugleich auch seinen Anwendungsbereich zu bestimmen. Und die Junktimklausel des Art. 14 III 2 GG verlangt gerade danach, sich an Kriterien zu orientieren, die eine klare Konturierung ermöglichen. Dies wird mit dem Merkmal der Güterbeschaffung erreicht. Nicht zuletzt fügt sich eine derart scharfe Begrenzung des Art. 14 III GG auch in das sonstige bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsmodell ein. Denn anders als im Rahmen der hergebrachten Eigentumsdogmatik, in der die Verneinung einer Ähnlich Lege, NJW 1993, S. 2567. Hierzu allg. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 569 ff. 110 BVerfGE 46, 268 (287); dazu Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 89 f. m. w. Nw. 111 Vgl. Kraft, BayVBl. 1994, S. 102. 112 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 201. Diese Verbindung zwischen Art. 14 III GG und Art. 14 I GG betont auch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 236 Fn. 133. 108 109

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Enteignung und Einstufung einer Norm als Inhalts- und Schrankenbestimmung gleichsam den Todesstoß für die betroffenen Eigentümerinteressen bedeutete, betont das BVerfG in st. Rspr. die Bedeutung der Eigentümerbelange auch im Rahmen des Anwendungsbereichs des Art. 14 I 2 GG. Werden durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung Rechtspositionen entzogen, die unter den Schutz der Bestandsgarantie fallen, so bedarf sie einer Rechtfertigung durch überwiegende Gründe des Allgemeinwohls (Art. 14 II GG)113. Es komme darauf an, daß besondere, gerade diesen Eingriff in die bisherigen Rechte legitimierende Gründe gegeben sind114. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung sind Gewicht und Betroffenheit der jeweils einschlägigen Eigentümer- und Gemeinwohlbelange umfassend einzustellen. Die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers ist dabei umso enger, je stärker das Eigentum als Ausdruck persönlicher Freiheit betroffen ist115. Entspricht eine Vorschrift im Normalfall diesen Vorgaben, führt sie aber in Grenzfällen zu unbilligen Härten, so ist die Regelung nur verfassungsmäßig, wenn der Gesetzgeber für eine weiche Überleitung derart betroffener Altrechte sorgt116. Die Eigentümerinteressen finden damit in jedem Fall auch im Rahmen des Art. 14 I 2 GG hinreichende Beachtung. Von dieser Warte aus gesehen hat die Inhalts- und Schrankenbestimmung heute ihren Schrecken verloren. Wird dies zusammen mit dem Maß an Rechtssicherheit gesehen, das mit einer klaren Eingrenzung des Enteignungsbegriffs gewonnen wird, so wäre der Schritt des BVerfG hin zur Güterbeschaffung durchweg zu begrüßen. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Nimmt man die Entscheidung des BVerfG zur städtebaulichen Umlegung beim Wort, so hat das Gericht den Enteignungsbegriff des Art. 14 III GG stark eingeengt. Von vornherein fallen Regelungen heraus, die in erster Linie dem Ausgleich divergierender Privatinteressen dienen. Zum anderen werden nur noch die Fälle einer Güterbeschaffung erfaßt. Hierunter fallen Sachverhalte, in denen das Vollrecht bzw. ein selbständig übertragbarer Teil auf einen anderen Rechtsträger übergeleitet wird. Die bloße Vernichtung von (Volloder Teil-)Rechten ohne Transferakt fällt immer unter Art. 14 I 2 GG.

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG Ist damit herausgestellt, was das BVerfG unter einer Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG versteht, so soll nachfolgend der entscheidenden Frage nachgegangen werden, wie sich trotz Anerkennung der GesetVgl. BVerfGE 36, 281 (293); 58, 81 (121); 72, 9 (23); 83, 201 (212). Siehe BVerfGE 31, 275 (290); hierzu ausführlich noch unten S. 248 ff. 115 Vgl. an dieser Stelle nur BVerfGE 100, 226 (241); 101, 54 (75 f.). 116 Vgl. BVerfGE 31, 275 (289 ff.); 36, 281 (292 ff.); 58, 300 (351) und vor allem BVerfGE 100, 226 (242 ff.); dazu noch näher unten S. 263 f. 113 114

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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zesabhängigkeit der Bestandsgarantie ein wirkungsvolles eigentumsgrundrechtliches Schutzsystem gegenüber dem Gesetzgeber verwirklichen läßt. Ausgangspunkt soll hierbei eine Differenzierung sein zwischen zwei verschiedenen Arten von Regelungen, mit denen der Gesetzgeber seine in Art. 14 I 2 GG verankerte Aufgabe zur Inhalts- und Schrankenbestimmung vornehmen kann: durch Vorschriften der Aus- und Umgestaltung117.

I. Ausgestaltung 1. Begriff Gegenstand näherer Betrachtung sollen zunächst Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG sein, die lediglich ausgestaltenden Charakter haben. In der allgemeinen Grundrechtsdogmatik wird die Ausgestaltung als Gegenbegriff zur Grundrechtsbeschränkung verstanden118. Es geht dabei um Normen, die zwar dem Anwendungsbereich eines Grundrechts zuzuordnen sind, ohne jedoch in dessen Schutzbereich selbst einzugreifen119. Daran knüpft auch das hier zugrunde gelegte Verständnis der Ausgestaltung an120: Es sollen darunter Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG verstanden werden, die sich im eigentumsrechtlichen Bereich auswirken121, bei denen aber denkunmöglich ist, daß sie bei irgend jemand einen Eingriff122 in unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Rechtspositionen zur Folge haben123. 117 Das BVerfG unterscheidet, entgegen dem Wortlaut des Art. 14 I 2 GG, nicht zwischen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Aus diesem Grund wird auch der vorliegenden Arbeit eine solche Differenzierung nicht zugrunde gelegt, sondern auf das Begriffspaar „Aus- und Umgestaltung“ abgestellt, das m.E. der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. näher kommt. Am Ende der Arbeit (S. 269 ff.) wird auf die Frage eingegangen, inwieweit sich die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen „Aus- und Umgestaltung“ auf das Begriffspaar „Inhalts- und Schrankenbestimmung“ beziehen läßt. 118 Hierzu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 300 ff.; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 180 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 303 ff.; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 180 ff. 119 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 300. 120 Den Begriff der Ausgestaltung verwendet in diesem Zusammenhang z. B. auch Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 50. 121 M. a. W. – in Anlehnung an den zu Art. 12 GG entwickelten Terminus – eine „eigentumsregelnde Tendenz“ haben, vgl. Ibler, AcP 197 (1997), S. 572. 122 Zu den Merkmalen des sog. klassischen Grundrechtseingriffs statt vieler Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 78 ff. m. w. Nw. 123 Maßgeblich ist insofern nicht die Intention des Gesetzgebers, sondern es ist allein darauf abzustellen, ob sich die Regelung tatsächlich auf Altrechte auswirken kann. Die Umgestaltung ist das begriffliche Gegenmodell: Hierunter sollen Regelungen verstanden werden, die sich auf bereits von der Bestandsgarantie geschützte Rechtspositionen mindernd auswirken können (hierzu näher unten S. 189 ff.).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

2. Die (Entstehungs-)Schwäche des Eigentums Bevor näher auf einzelne Fälle der Ausgestaltung eingegangen wird, soll der Blick auf die Frage gelenkt werden, wie man sich solche Regelungen konstruktiv vorzustellen hat. Hierfür ist zurückzukommen auf die bereits im ersten Teil der Arbeit näher behandelte Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie124. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, daß sich die konkrete Reichweite der Rechtsstellungsgarantie ausschließlich an dem Umfang von Berechtigungen orientiert, die dem Betroffenen einfachgesetzlich zugewiesen werden („Bündel von Befugnissen“125). Ausgangspunkt bei der Ermittlung dieses Befugnisbündels ist zunächst die Rechtslage zum Zuordnungszeitpunkt, d. h. welche Befugnisse das einfache Recht dem Eigentümer im Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses zuweist126. Dieser Zustand kann sich im Laufe der Zeit erheblich verändern: Zum einen kann sich die Rechtsstellung des Eigentümers durch spätere Neuregelungen in bestimmten Bereichen erweitern, wenn nachträglich zusätzliche Befugnisse zugewiesen werden127. Zum anderen kann sie sich aber auch verengen, wenn der Gesetzgeber durch Neuregelungen bereits zugewiesene Eigentumsbefugnisse entzieht128. Insbesondere bei letzteren ist dann von Bedeutung, inwieweit der Betroffene gegen solche Maßnahmen, durch die bereits bestehende Eigentumsrechte entzogen werden, seine Bestandsgarantie ins Feld führen kann129. Aus der Gesetzesabhängigkeit der Individualrechtsgarantie folgt jedoch zwingend, daß ein Eigentümer sich nicht mit der Bestandsgarantie gegen den Umfang an Befugnissen wehren kann, der ihm im Zeitpunkt der erstmaligen Errichtung des Zuordnungsverhältnisses zugeteilt wird. Denn stehen ihm mangels vorheriger Existenz eines Zuordnungsverhältnisses noch gar keine unter den Schutz der Rechtsstellungsgarantie fallenden Befugnisse zu, kann nicht unter Zuhilfenahme der Bestandsgarantie gerügt werden, die mit der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses (erstmalig) erfolgte Befugniszuweisung sei zu gering, weil das einfache Recht bestimmte Berechtigungen von vornherein gerade nicht zugewiesen hat. Das BVerfG verdeutlicht dieses Eigentumsverständnis, wenn es betont, in derartigen Fällen „[ . . . ] ist den Inhabern von vornherein nur eine in dieser Weise eingeschränkte Rechtsposition eingeräumt [ . . . ].“130 Vgl. S. 88 ff. Vgl. oben S. 101. 126 Siehe z. B. die Bezugnahme auf die Rechtslage im Moment des Zustandekommens des Zuordnungsverhältnisses in BVerfGE 70, 191 (109 – Zeitpunkt des Beitritts zur gesetzlichen Rentenversicherung); vgl. auch Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ gewerblicher Nutzung, S. 121, der den Zeitpunkt des „Entstehens der Rechtsposition“ betont. 127 Vgl. dazu noch unten S. 184 f. Fn. 163. 128 Zu diesen Fällen einer sog. Umgestaltung näher unten auf S. 189 ff. 129 Dazu näher unten S. 222 ff. 130 BVerfGE 58, 300 (336); BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784. 124 125

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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Versteht man die Bestandsgarantie mit dem BVerfG als Bündel von einfachgesetzlich zugewiesenen Berechtigungen, so ist dieses Befugnisbündel hier m. a. W. von Beginn an enger geschnürt. Die Rechtsstellung ist von Anfang an inhaltlich um die auferlegten Begrenzungen verkürzt131. Insofern kann von einer (Entstehungs-)„Schwäche“132 der Eigentums(bestands)garantie gegenüber dem Gesetzgeber gesprochen werden. Auch wenn sich dieser Schwächegedanke in vielen Stellungnahmen aus der fachgerichtlichen Rspr.133 und Literatur134 wiederfindet, so wird von Lutz135 zu Recht darauf hingewiesen, daß die Vorstellung einer Entstehungsschwäche des Eigentums ein „zwielichtiges Dasein“ führe. Sie sei zwar „in aller Munde“, werde aber darüber hinaus kaum belegt, geschweige denn näher betrachtet. Diese Feststellung hat auch heute noch unverminderte Aktualität. Soweit ersichtlich, findet sich in der umfangreichen eigentumsrechtlichen Literatur, mit Ausnahme von Lutz, keine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Problematik136. An das eben aufgezeigte Verständnis einer „Entstehungsschwäche“ der Rechtsstellungsgarantie knüpft die oben angesprochene Denkunmöglichkeit einer Bestandsminderung durch ausgestaltende Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG an: Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis sind Ausgestaltungen gesetzestechnisch dadurch gekennzeichnet, daß sie insofern eine eigentumsregelnde Tendenz aufweisen, als sie – zukunftsgerichtet – die Reichweite einer potentiellen Eigentumsposition bestimmen137. Gleichwohl können sie nicht in Eigentums131 Siehe auch die besondere Betonung dieses Verständnisses in BVerfGE 28, 119 (142); 31, 212 (220 f.); 58, 137 (144); 70, 101 (109); 70, 115 (122); 97, 228 (264 f.); vgl. ferner BVerfGE 3, 288 (342); 11, 221 (226); 14, 105 (120); 19, 202 (206); 20, 31 (34); 29, 22 (33 f.); 41, 360 (377); 49, 382 (393); 69, 272 (307 f.); 87, 1 (42); 106, 201 (210) sowie die nachfolgend auf S. 181 ff. genannten Entscheidungen. 132 BSGE 5, 40 (45); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 413; Schulte, ZfB 1974, S. 18; Franke, ZfW 1976, S. 204; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 141; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 77; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 54; Bartlsperger, DVBl. 2003, S. 1474, 1484. 133 RGZ 28, 341 (343); BGHZ 40, 355 (366); 59, 332 (337); BVerwGE 62, 224 (226 f.); BSGE 5, 40 (45 f.). 134 Vor allem Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 117 ff. m. w. Nw. zu dieser von ihm sog. Lehre vom gesetzlichen Eingriffsvorbehalt; siehe ferner – neben den in Fn. 132 genannten – Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 18; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 899; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 301; Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 123; Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 54 f.; Ramsauer, DVBl. 1980, S. 541; Götz, in: FS-BVerfG, S. 438 f.; Kolb, in: FS-Brackmann, S. 185; Adler, Nachträgliche Anforderungen, S. 38 f.; Selmer, DÖV 1972, S. 556; Scharnhoop, DVBl. 1975, S. 160; Lenz, GewArch 1976, S. 286 f.; Sachs, Verfassungsrecht, B 14 Rn. 25. 135

Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 116.

Zu den, insbes. von Lutz, geäußerten Einwänden gegen eine solche „Entstehungsschwäche“ siehe noch ausführlich unten S. 202 ff. 136

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

bestandsrechte eingreifen, die irgend jemand bereits zugewiesen sind, da sich ihr Anwendungsbereich lediglich auf die Sachverhalte eines Eigentumsneuerwerbs erstreckt, d. h. auf Fälle, in denen das Zuordnungsverhältnis neu errichtet wird. Bezogen auf den Kreis von Personen, die von einer Ausgestaltung betroffen sein können, bedeutet dies, daß sie niemals Alteigentümer erfassen. Ausgestaltungen zeitigen Wirkung ausschließlich auf Neueigentümer, d. h. solche Personen, deren Zuordnungsverhältnis erst nach Verkündung138 der Regelung neu errichtet wird (sog. Newcomer139). Geht mit einer solchen Regelung ein Ausschluß bestimmter Befugnisse einher, so kann darin, weil die Rechtsstellung ab initio verkürzt ist, denkunmöglich ein Eingriff in bereits unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Rechtspositionen liegen140. Soweit beim Betroffenen eine Erwartungshaltung bestanden hat, der Gesetzgeber würde ihm mit dieser Neuregelung bestimmte Eigentumsbefugnisse zuweisen, wird diese Hoffnung – mangels einfachgesetzlicher Verfestigung – als bloße Chance von der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG nicht geschützt141. 3. Fallgruppen der Ausgestaltung Vor diesem theoretischen Hintergrund sollen in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. Beispielsfälle für derartige Normen aufgezeigt werden. Hierbei ist vorneweg zu sagen, daß zwar auch das BVerfG den Begriff der Ausgestaltung im Zusammenhang mit Art. 14 GG verwendet142. Dies geschieht jedoch eher beiläufig und nicht typologisch in bezug auf die eben skizzierte Gruppe von Normen, die ausschließlich an einen Neuerwerb anknüpfen143. Dennoch ergibt eine nähere Be137 Dies unterscheidet sie von den sonstigen, das Eigentumsgrundrecht ebenso nicht begrenzenden Normen, die aber auch sonst keinerlei Bezug zu Art. 14 GG und daher keinen eigentumsausgestaltenden Charakter haben (vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 300). 138 Nicht maßgeblich ist hier der Zeitpunkt des Inkrafttretens. Zu dieser Problematik noch näher unten S. 231 f. 139 Begriff von Salzwedel, DV 5 (1972), S. 11 ff. 140 Vgl. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 121 ff.; Franke, ZfW 1976, S. 205; Adler, Nachträgliche Anforderungen, S. 39; Scharnhoop, DVBl. 1975, S. 160; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 278. 141 Siehe zum fehlenden Eigentumsschutz von Chancen und Erwartungen bereits oben S. 100 und die dortigen Nw. in Fn. 411. Freilich unterliegt der Gesetzgeber aber auch bei Ausgestaltungen eigentumsgrundrechtlichen Bindungen, nämlich aus der Institutsgarantie und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Einzelheiten hierzu unten auf S. 202 ff. 142 Z. B. BVerfGE 31, 229 (240); 37, 132 (141); 64, 87 (100 f.); 87, 114 (139); 91, 294 (308); 100, 1 (37); 101, 239 (271); BVerfG, 1 BvR 2337 / 00, K.-Beschl. v. 3. 07. 2001, NVwZ 2002, S. 197; BVerfG.de, 1 BvR 142 / 02, K.-Beschl. v. 26. 08. 2002, Abs. 30. 143 In BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784 wird der Begriff jedoch unmittelbar bezogen auf eine solche Regelung verwendet (zu dieser Entscheidung noch näher unten S. 188 f.). Siehe ferner BVerfGE 83, 201 (212), wo das Gericht davon spricht, der Gesetzgeber könne i. R. d. Art. 14 I 2 GG auch in „einmal ausgestaltete Rechtspositionen“ eingreifen.

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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trachtung seiner Entscheidungen, daß dem Gericht durchaus bewußt ist, daß derartige (ausgestaltende) Vorschriften zu einer besonderen, eigenständigen Anforderungen unterliegenden Kategorie von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG gehören. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, daß sich in seiner Rspr. Äußerungen finden, die eine Differenzierung zwischen zwei verschiedenen Arten von ausgestaltenden Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG zulassen. So hat das BVerfG bei der Frage, welche Spanne von Regelungsmöglichkeiten dem inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber eröffnet ist, festgestellt: „Der Gesetzgeber darf nicht nur nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Eigentumsrechten einen neuen Inhalt geben. Ebenso wie er [1.] neue Rechte einführen darf, kann er auch [2.] das Entstehen von Rechten, die nach bisherigem Recht möglich waren, für die Zukunft ausschließen.“144

a) Die Einführung neuer Rechte Zunächst ist näher einzugehen auf die vom BVerfG als erstes angesprochene Befugnis, neue Rechte zu schaffen. Diese Fallgruppe wird vom Gericht bereits zuvor in seiner Dirigentenwitwen-Entscheidung145 näher umschrieben. Hier führt es aus, der Gesetzgeber könne nach Art. 14 I 2 GG „[ . . . ] den Inhalt neuer Rechte [ . . . ] bestimmen, also solche[r] Rechte [ . . . ], die die Gesetze bisher nicht kannten und die für später eintretende Tatbestände generell gelten.“146

Das Gericht bezieht sich auf Fälle, in denen eine gesetzliche Regelung erstmals die Errichtung eines eigentumsrechtlichen Zuordnungsverhältnisses in einem Bereich ermöglicht, der bis dato im Hinblick auf Art. 14 GG noch völlig unberührt war. Bestanden hier aber noch gar keine Zuordnungsverhältnisse, so kann eine derartige Vorschrift unweigerlich immer nur an die erstmalige Errichtung eines solchen anknüpfen. Damit ist aber durch derartige Regelungen, wie bereits oben dargelegt, ein Eingriff in bisher schon bestehende Eigentumsrechte denklogisch unmöglich. Werden die mit diesem Zuordnungsverhältnis verbundenen Befugnisse von vornherein nur verkürzt zugewiesen, so ist die Rechtsstellung des Betroffenen in die bestehende Gesetzeslage „hineingewachsen“147.

144 BVerfGE 83, 201 (212); ebenso BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; ähnlich zuvor bereits BVerfGE 31, 275 (284 f.). 145 BVerfGE 31, 275 ff. 146 BVerfGE 31, 275 (284 f., Hervorhebung nicht im Original). 147 Vgl. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 121. Trennt man mit der h. M. im Rahmen der Grundrechtsprüfung zwischen Schutzbereich und Eingriff (vgl. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 24 f.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 165 f., jeweils m. w. Nw.), so fehlt es in bezug auf derartige Neuregelungen bereits an der Betroffenheit des Schutzbereichs. Denn dieser würde durch die zur Debatte stehende Vorschrift gerade erst konstituiert.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Die Frage, welche konkreten Anwendungsbeispiele unter die Fallgruppe „Schaffung eines neuen Rechts“ subsumiert werden können, wird im Schrifttum kaum näher behandelt. Denn aufgrund der heute weitgehend ausdifferenzierten Eigentumsordnung sei schwerlich Raum für die Schaffung völlig neuartiger Rechte148. Als seltene Anwendungsfälle werden etwa die damalige Schaffung des Wohnungseigentums durch das Wohnungseigentumsgesetz149 sowie des Erbbaurechts150 genannt. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß es weitere Sachverhalte gibt, die sich unter diese Fallgruppe fassen lassen und zudem in den letzten Jahren beachtlich an Aktualität gewonnen haben. Es sind dies Fallgestaltungen, in denen Zuordnungsverhältnisse bereits durch vorkonstitutionelles Recht ihre Prägung erhalten haben und erst später in den Anwendungsbereich des Art. 14 GG gelangten. Auch solche Regelungen betreffen insofern einen eigentumsgrundrechtlich unbefleckten Bereich, weil Art. 14 GG bei ihrer Schaffung noch gar keine Anwendung fand. Sofern es durch derartige Normen zu einer „Verkürzung“ von Befugnissen kommt, kann auch darin kein Eingriff in die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG gesehen werden, weil das Zuordnungsverhältnis von Beginn an derart belastet in den Geltungsbereich des GG gelangt ist. Ein solcher Fall liegt z. B. der ersten Spielbank-Entscheidung151 zugrunde. In diesem Verfahren stellte sich die Frage, inwieweit eine Vorschrift, die die Forderung der Spielbankbeschäftigten auf Ausschüttung des gesamten Tronc begrenzt, mit Art. 14 GG vereinbar ist. Vom BVerfG wird zwar betont, daß die zur Debatte stehenden Forderungen an sich unter den Schutzbereich des Art. 14 I 1 GG fallen. Die angegriffene Regelung sei aber dennoch nicht an der Bestandsgarantie zu messen. Denn da sie aus dem Jahr 1938 stammte, seien die Ansprüche der Beschäftigten schon beim Inkrafttreten des GG lediglich auf einen Teil des Troncaufkommens begrenzt gewesen. Das gesamte Aufkommen habe daher nie unter dem Schutz des Art. 14 I 1 GG gestanden, sondern nur in dem Umfang, wie es von der angegriffenen Regelung, die bereits beim Inkrafttreten des GG galt, zugewiesen wurde152. Die eben skizzierte Fallgruppe hat in den letzten Jahren, vor allem im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung, besondere Aktualität erlangt. Das BVerfG hat fest148 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 58 („kaum jemals Neuregelungen“); Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 119 („fiktiv“); Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 227 Fn. 87; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 95. 149 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 74; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 119; Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 239; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 361 Fn. 1330. 150 Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 239. 151 BVerfGE 28, 119 ff. 152 BVerfGE 28, 119 (142); siehe ferner BVerfGE 52, 1 (27 ff.), wo es um die Verfassungsmäßigkeit u. a. von vorkonstitutionellen Regelungen des Kleingartenrechts geht (vgl. dazu auch Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17 Fn. 71).

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gestellt, daß Rechtspositionen, die nach DDR-Recht entstanden und vom Einigungsvertrag als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt worden sind, unter den Eigentumsbegriff des Art 14 GG fallen können, wenn sie dessen verfassungsunmittelbare Strukturvorgaben erfüllen153. Dazu müssen solche Positionen aber zu dem Zeitpunkt, als das GG für das Beitrittgebiet Geltung erlangte, nach einfachem DDR-Recht bestanden haben154. Waren sie hingegen schon zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) gegeben, so können sich die Betroffenen gegen gesetzliche Neuregelungen, die ihnen später lediglich von vornherein „verkürzte“ Rechte einräumen, nicht mit Verweis auf einen Eigentums(bestands)schutz zur Wehr setzen. So waren z. B. unter Geltung des Zivilgesetzbuches der DDR die Rechte von Eigentümern, die ein Grundstück zu Erholungs- und Freizeitzwecken vermieteten, stark eingeschränkt. Das Nutzungsentgelt war äußerst gering, eine Kündigung nur unter engen Voraussetzungen möglich. Ferner konnten die Mieter Eigentum an Gebäuden erwerben, die sie auf dem betreffenden Grundstück errichten (z. B. Datschen)155. Waren die aus dem Zuordnungsverhältnis entspringenden Befugnisse der Grundstückseigentümer somit schon nach DDR-Recht weitreichend beschränkt, so sind die Grundstücke von vornherein derart belastet in den Anwendungsbereich des GG gelangt, als dieses durch den Beitritt Geltung erlangte156. Durch Regelungen des EGBGB, durch die zum Zwecke einer behutsamen Angleichung der verschiedenen Rechtsordnungen eine befristete Weitergeltung der betreffenden Vorschriften des DDR-Rechts bestimmt wurde, konnte daher kein Eingriff in zuvor bereits gewährte Bestandsrechte erfolgen. Die Hoffnung der Betroffenen, im Rahmen der Wiedervereinigung diesbezüglich ein Mehr an Rechten zugesprochen zu bekommen, wird von Art. 14 GG nicht geschützt157. Besondere Bedeutung haben in den letzten Jahren Streitigkeiten erlangt, die im Zusammenhang mit Restitutionsansprüchen stehen, die NS- und DDR-Opfern im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung – vor allem vom Vermögensgesetz – zugesprochen wurden. Da das BVerfG in Übereinstimmung mit der fachgericht153 Vgl. BVerfGE 100, 1 (32 f.); 101, 239 (258 f.); 102, 254 (341). Z. B. Eigenleistung und Existenzsicherung bei öffentlichen Leistungen, vgl. BVerfGE 100, 1 (34 f.) zu Versorgungsansprüchen und -anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der früheren DDR; siehe ferner BVerfGE 91, 294 (307 ff.). Siehe hierzu allg. auch Wolter, Vom Volkseigentum zum Privateigentum, S. 77 ff. 154 Vgl. BVerfGE 100, 1 (33). 155 Siehe zu dieser Rechtslage BVerfGE 100, 54 (56 ff.). 156 BVerfGE 100, 54 (78); siehe auch BVerfG.de, 1 BvR198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 28. 157 BVerfGE 100, 54 (78). Anders z. B. die Sachlage in BVerfGE 98, 17 (36 f.), wo das Gericht einen Eingriff in die Bestandsgarantie der Grundstückseigentümer durch das im EGBGB geschaffene sog. sachenrechtliche Moratorium annimmt, weil die hiermit aufgestellten Beschränkungen über die Rechtslage hinaus gingen, denen die Eigentümer kraft DDRRechts unterlagen.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

lichen Rspr. davon ausgeht, daß die Betroffenen vor der Schaffung der Restitutionsrechte im Vermögensgesetz keine vergleichbaren Ansprüche auf andere Rechtsgrundlagen stützen konnten, die mit der Wiedervereinigung unter den Schutz des Art. 14 GG hätten fallen können, beschränkt sich der grundgesetzliche Eigentumsschutz von vornherein nur auf den Restitutionsumfang, wie er im Vermögensgesetz seine Ausprägung gefunden hat. Durch das Vermögensgesetz selbst konnte daher nicht in bereits zuvor bestehende Restitutionsansprüche eingegriffen werden158. Die vom Vermögensgesetz selbst gewährten Rechte fallen jedoch, unbeschadet ihrer rechts- und sozialstaatlichen Wurzeln, unter den Schutz der Bestandsgarantie159. Insofern sind Eingriffe in die Rechtsstellungsgarantie möglich, wenn die durch das Vermögensgesetz gewährten Ansprüche nachträglich begrenzt, insbesondere durch Ausnahmeregelungen ausgeschlossen werden. Sofern jedoch solche Ausschlußvorschriften bereits von Anfang an in der erst die Ansprüche originär gewährenden Ursprungsfassung des Vermögensgesetzes enthalten waren, ist der Anspruch von vornherein verkürzt in den Geltungsbereich des GG gelangt160. Die Rechtsstellungsgarantie kann folglich durch eine solche Regelung nicht betroffen sein161. Anders ist die Sachlage, wenn der Ausschluß erst durch eine nachträgliche Regelung erfolgt: Dann liegt ein Eingriff in die zuvor gewährten Restitutionsansprüche vor162 mit der Folge, daß der Bestandsschutz des Art. 14 I 1 GG greift163. 158 Vgl. BVerfG, 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 690; BVerfG.de, 1 BvR 1579 / 95, K.-Beschl. v. 17. 02. 1999, Abs. 19; Dietlein, Nachfolge im öffentlichen Recht, S. 450 f. Siehe dieselbe Argumentationsweise des Gerichts in BVerfGE 102, 254 (300 f., 321, 341) bzgl. der erstmaligen Schaffung von Ansprüchen durch das Entschädigungs-, Ausgleichsleistungs- und NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz; ebenso BVerfG, 1 BvR 132 / 01, K.-Beschl. v. 25. 04. 2001, DVBl. 2001, S. 1209 f. in bezug auf Entschädigungsansprüche des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. 159 BVerfGE 95, 48 (58). 160 So z. B. der Fall in BVerfG.de, 1 BvR 1579 / 95, K.-Beschl. v. 17. 02. 1999, Abs. 21; siehe auch BVerfG.de, 1 BvR 1988 / 97, K.-Beschl. v. 31. 03. 1998, Abs. 28. 161 In diesem Zusammenhang ist auch die wiederholt anzutreffende Formulierung des BVerfG zu sehen, es sei lediglich eine „Frage der Gesetzestechnik“, ob der Gesetzgeber bei einem gleichzeitig in Kraft tretenden Regelungskomplex eine Befugnis zunächst in der einen Bestimmung umfassend gewährt, um sie in einer anderen wieder einzuschränken, oder ob er sie von vornherein in einer Norm nur begrenzt zuweist: In beiden Fällen sei die Befugnis von Beginn an nur „verkürzt“ eingeräumt (vgl. BVerfGE 49, 382 [393]; 58, 300 [336]; hierzu auch Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 111; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 58 m. w. Nw. in Fn. 195). 162 So der Sachverhalt in BVerfG, 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 690: Der zeitlich erst später (auch) auf Unternehmen erstreckte Investitionsvorrang greift in die bereits durch die Ursprungsfassung des Vermögensgesetzes gewährten Ansprüche ein. 163 Von den eben skizzierten Fällen der erstmaligen Errichtung eines Zuordnungsverhältnisses sind solche Vorschriften zu unterscheiden, mit denen der Gesetzgeber in einem Bereich, in dem bereits ein solches besteht, lediglich eine Erweiterung einzelner Befugnisse vor-

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b) Ausschluß des Entstehens von bisherigen Rechten für die Zukunft Nachfolgend soll der Blick auf die vom BVerfG angesprochene zweite Fallgruppe einer Ausgestaltung gelenkt werden, d. h. auf Regelungen, die „das Entstehen von Rechten, die nach bisherigem Recht möglich waren, für die Zukunft ausschließen“164. Derartige Vorschriften sind zunächst dadurch gekennzeichnet, daß sie in Bereichen ergehen, in denen bereits eigentumsrechtliche Zuordnungsverhältnisse bestehen. Dies unterscheidet sie von der oben dargestellten ersten Fallgruppe: Die betreffenden Zuordnungsverhältnisse sind schon „nach bisherigem Recht möglich“, sie werden also nicht erst durch die zur Debatte stehende Neuregelung geschaffen. Des weiteren sind sie dadurch charakterisiert, daß der Gesetzgeber entweder einzelne, aus diesem Zuordnungsverhältnis entspringende Befugnisse beseitigen oder das zukünftige Entstehen derartiger Zuordnungsverhältnisse als solche ausschließen will, ohne dabei jedoch in bereits unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Positionen eingreifen zu wollen165. Insofern kann von einem „Auslaufenlassen“ bisheriger Eigentumsrechte durch den Gesetzgeber gesprochen werden. Gesetzestechnisch kann er dies erreichen, indem er den Anwendungsbereich der Regelung ausschließlich auf die Fälle eines Eigentumsneuerwerbs erstreckt. Erfaßt werden nur Neueigentümer, d. h. Personen, deren Zuordnungsverhältnisse erst nach Erlaß des Gesetzes neu errichtet werden bzw. – bei vollständigem Ausschluß ihres Entstehens – worden wären166. Aufgrund der Entstehungsschwäche des Einimmt. Auch hiergegen kann der Betroffene nicht seine Bestandsgarantie ins Feld führen. Sofern die bislang aus dem Zuordnungsverhältnis entspringenden Befugnisse die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs erfüllen, fehlt es jedoch nicht bereits am Schutzbereich der Bestandsgarantie, da der Gesetzgeber diese Befugnisse ja auch hätte beschneiden können. Es mangelt vielmehr an einem Eingriff, da in einer lediglich begünstigenden Regelung ein solcher nicht gesehen werden kann. Vgl. z. B. BVerfGE 31, 248 (251, 254), wo das Gericht einen Eingriff in die Bestandsgarantie durch eine Vorschrift verneint, mit der die Befugnisse des Urhebers gegenüber der bisherigen Rechtslage lediglich erweitert werden. Siehe ferner BVerfGE 87, 1 ff., wo es um die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Regelungen geht, mit denen der Gesetzgeber erstmalig die rentenbegründende und -steigernde Anrechnung von Kindererziehungszeiten normiert (vgl. BVerfGE 87, 1 [6]). Sofern es um die rentensteigernde Wirkung geht, wird lediglich das bislang schon bestehende Zuordnungsverhältnis des Renteninhabers mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet. In Fällen, in denen die Betroffenen zuvor noch keinerlei andere Anwartschaften erworben hatten, kommt der Regelung rentenbegründende Wirkung zu, d. h. es liegt ein Fall der erstmaligen Errichtung des Zuordnungsverhältnisses vor. In beiden Fällen kann jedoch zur Unterstützung des Einwandes, die Regelung rechne die Kindererziehungszeiten nur unzureichend an, nicht die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG ins Feld geführt werden. Denn der Bestandsgarantie sind hier von Beginn an die geregelten Begrenzungen immanent (BVerfGE 87, 1 [42]; ebenso BVerfGE 94, 241 [258]). 164 Siehe das Zitat oben auf S. 181 zu Fn. 144. 165 Denn dann läge eine Umgestaltung vor, die höhere Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit stellt. Hierzu unten S. 189 ff., 222 ff.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

gentums wohnt den Zuordnungsverhältnissen dieser Newcomer die betreffende Belastung von Beginn an inne bzw. kommen derartige Zuordnungsverhältnisse gar nicht mehr zustande167. Als Folge bestehen hier zwei Eigentumsordnungen: Die bisherige, die für die bereits bestehenden Rechte fortbesteht (d. h. für Alteigentümer), und die neue, die für alle zukünftigen Verhältnisse Geltung beansprucht (Neueigentümer)168. Bei der Suche nach derartigen Fällen in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung stößt man zunächst auf die Pflichtexemplars-Entscheidung169. In dem hinlänglich bekannten Sachverhalt ging es um die Verfassungsmäßigkeit einer landesrechtlichen Regelung, durch die der Verleger eines Druckwerks verpflichtet wurde, ein Belegstück einer jeden Druckserie unentgeltlich an den Staat abzuführen170. Zunächst ist festzustellen, daß diese Bestimmung einen Bereich betrifft, der auch zuvor schon eigentumsrechtlich geregelt war, da bereits die Möglichkeit für den Verleger bestand, (unbelastetes) Eigentum an neuen Druckwerken zu erwerben171. Von Bedeutung ist nun, daß der Gesetzgeber mit der angegriffenen Pflichtexemplarregelung diese Möglichkeit begrenzen wollte, sich aber scheute, auf bereits entstandene Eigentumsrechte zuzugreifen. Daher schlug er den Weg ein, die Abgabepflicht nicht auf bereits verlegte Bücher zu erstrecken, sondern allein auf solche Druckwerke, die erst nach Erlaß der Regelung entstehen172. Ihr Anwen166 Der Gesetzgeber könnte hier somit, anders als in der ersten Fallgruppe, auch bereits bestehende Altbefugnisse aufheben. Anders als dort (vgl. oben S. 181 Fn. 147) fehlt es hier somit nicht schon von vornherein am Schutzbereich, sondern es mangelt, da sich der Gesetzgeber von sich aus auf die Fälle eines Eigentumsneuerwerbs beschränkt, lediglich an einem Eingriff (ebenso in den oben, Fn. 163, angesprochenen Fällen). Die Anknüpfung allein an die Fälle der Neuerrichtung des Zuordnungsverhältnisses ist hier aber, abweichend von der ersten Fallgruppe, nicht zwangsläufig, sondern vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt. 167 Im Schrifttum werden derartige Neuregelungen, meist ohne nähere Differenzierung, unter dem Gesichtspunkt der Anknüpfung des Eigentumsgesetzgebers allein an „zukünftige Anwendungsfälle“ behandelt. Vgl. dazu Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 74 f.; ders., DVBl. 1980, S. 541; Ibler, AcP 197 (1997), S. 584 f.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 138; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 44. Diese zweite Fallgruppe der Ausgestaltung übersehen hingegen Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 61; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 94 Fn. 55; Melchinger, NJW 1991, S. 2527, wenn sie in diesem Zusammenhang lediglich auf die Sachverhalte einer erstmaligen Ausgestaltung einer Eigentumsposition verweisen, d. h. auf die o. g. erste Fallgruppe. 168 Vgl. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 19. 169 BVerfGE 58, 137 ff.; hierzu näher Löffler, in: FS-Faller, S. 434 ff.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 106 ff.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 200 f. 170 Allg. zum Pflichtexemplarrecht Haas-Traeger, DÖV 1980, S. 16 ff. 171 Die erste Fallgruppe der „Einführung neuer Rechte“ (vgl. oben S. 181 ff.) scheidet damit aus. 172 Bereits nach dem Wortlaut der Verordnungsermächtigung des zugrundeliegenden Landespressegesetzes konnten nur zukünftig erscheinende, nicht aber bereits erschienene Druck-

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dungsbereich ist damit ausschließlich auf die Fälle eines Eigentumsneuerwerbs, d. h. eine Neuerrichtung des Zuordnungsverhältnisses beschränkt. Die Folgen einer solchen Regelung liegen nach den obigen Ausführungen zur Entstehungsschwäche der Rechtsstellungsgarantie auf der Hand: Das Eigentum des Verlegers an den neu entstehenden Büchern ist „[ . . . ] schon bei seiner Entstehung mit der Verpflichtung zur Ablieferung eines Exemplars belastet.“173

Deutet man diese Abgabepflicht so, daß nicht ein einzelnes Buch, sondern die Gesamtheit aller Druckstücke mit ihr als belastet anzusehen ist174, so wäre die Pflichtexemplarregelung als Ausgestaltung anzusehen, die aus dem neu errichteten Zuordnungsverhältnis „Gesamtdruckwerk“ eine einzelne Befugnis (die Nutzungsmöglichkeit an dem abzuliefernden Pflichtexemplar) abspaltet. Wird sie hingegen nicht auf die Gesamtheit, sondern auf ein einzelnes aller neu verlegten Bücher gerichtet gesehen175, so könnte sie als Ausgestaltung verstanden werden, die bezogen auf ein konkretes Buch schon die Entstehung des Zuordnungsverhältnisses „privates Sacheigentum“ ausschließt. Unabhängig von dieser Frage ist jedoch das Ergebnis: Der Verleger kann durch diese Neuregelung jedenfalls nicht in seiner Bestandsgarantie betroffen sein176. Unter diese zweite Fallgruppe einer Ausgestaltung läßt sich ferner die Regelung fassen, die Gegenstand des Streites im Verfahren um die Zahntechniker-Vergütung177 war. Nachdem Ende der siebziger Jahre die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungen außerordentlich gestiegen waren, ergingen Kostendämpfungsgesetze, mit denen u. a. die Vergütungen für zahntechnische Leistungen für einen befristeten Zeitraum um fünf Prozent herabgesetzt wurden178. Obwohl derartige Vergütungsansprüche als vermögenswerte Rechtspositionen unter den Eigentumsschutz der Bestandsgarantie fallen179, verneint das BVerfG hier einen Eingriff in die Rechtsstellungsgarantie, da sich die betreffende Regelung ausschließlich auf zukünftige Anwendungsfälle beschränkte: „Der Gesetzgeber hat in Art. 5 Nr. 6 Satz 1 KVEG bewußt davon abgesehen, in bestehende Verträge einzugreifen oder bereits entstandene Vergütungsanforderungen der Zahntechwerke mit einer Abgabepflicht belastet werden. Dementsprechend beschränkte sich auch der Text der angegriffenen Verordnung auf zukünftige Druckwerke (vgl. BVerfGE 58, 137 [139]). 173 BVerfGE 58, 137 (144). 174 Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankebestimmungen, S. 178 f. 175 In diese Richtung Kleinlein, DVBl. 1991, S. 366. 176 Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 35; Schwabe, Der Staat 27 (1988), S. 101; vgl. dazu auch Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 178 ff.; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 138 f.; Dieterich, Eigentum und Grundwasserschutz, S. 38. 177 BVerfGE 68, 193 ff.; siehe hierzu Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 15 f. 178 Vgl. BVerfGE 68, 193 (194 ff.). 179 BVerfGE 68, 193 (222).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

niker, soweit sie den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen, anzutasten. Die angegriffene Regelung betrifft ausschließlich diejenigen Vergütungen, die nach dem Auslaufen der seinerzeit geltenden Vergütungsvereinbarungen entstanden sind. [ . . . ] Es handelt sich mithin um bloße Chancen und Verdienstmöglichkeiten, nicht um bereits entstandene Forderungen, die der Gesetzgeber beeinträchtigt haben könnte. Die erst zukünftig – möglicherweise – entstehenden Forderungen unterfallen nicht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.“180

Die streitgegenständliche Regelung galt nur für nach ihrem Erlaß neu abgeschlossene Vergütungsvereinbarungen, mithin für erst im nachhinein errichtete Zuordnungsverhältnisse. Die auf dieser Grundlage entstandene Rechtsstellung war damit von vornherein mit der Vergütungsminderung belastet, so daß die hiervon allein betroffenen Newcomer gegen die Neuregelung nicht die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG ins Feld führen konnten. Besondere Bedeutung verdient in diesem Zusammenhang ferner eine jüngere Entscheidung des BVerfG, in der es sich mit der Verfassungsmäßigkeit des sog. Versuchsprivilegs in § 11 Nr. 2 PatG auseinander zu setzen hatte181. Diese Norm bestimmt, daß sich die Wirkung des Patents nicht auf Handlungen zu Versuchszwecken erstreckt, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die ausschließliche Lizenznehmerin eines patentierten Arzneimittelstoffs war, wandte sich gegen Dritte, die das betreffende Mittel ohne ihre Zustimmung u. a. zu klinischen Studien verwandten. Die Klage auf Unterlassung wurde von den Fachgerichten mit der Begründung abgewiesen, daß die zur Debatte stehenden klinischen Versuche als rechtmäßige Versuchshandlung im Sinne des § 11 Nr. 2 PatG einzustufen und daher zu dulden seien. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen diese Auslegung der Norm und rügt eine Verletzung von Art. 14 GG. Das BVerfG stellt zwar fest, daß die Lizenznehmerin in das ausschließliche Benutzungsrecht des Patentinhabers einrücke, und die Lizenz damit eine eigentumsfähige Position im Sinne des Art. 14 I 1 GG sei182. Dennoch könne sich die Beschwerdeführerin hier nicht auf eine Verletzung ihrer Bestandsgarantie berufen. Denn die Rechtswirkungen der angegriffenen Regelung sollten sich erst auf solche Patente erstrecken, die nach ihrem Erlaß angemeldet wurden: „Gemäß Art. 12 Abs. 1 des Gesetzes über das Gemeinschaftspatent und zur Änderung patentrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1979 (BGBl. I S. 1269) ist § 11 PatG nur auf die Patente anzuwenden, die seit dem 1. Januar 1981 beim Deutschen Patentamt angemeldet worden sind. [ . . . ] Der Gesetzgeber hat mithin durch die Begrenzung der Patentwirkungen nicht in bestehende Patente eingegriffen, sondern den Inhalt und die Schutzwirkungen künftiger Patente geregelt. Soweit Patente seit dem 1. Januar 1981 begründet worden sind, ist den Inhabern nur von vornherein eine in dieser Weise eingeschränkte Rechtsposition eingeräumt worden (vgl. BVerfGE 58, 300 [336]).“183 BVerfGE 68, 193 (223, Hervorhebung im Original). BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1783 ff.; siehe auch die Besprechung dieser Entscheidung durch Sachs, JuS 2001, S. 914 ff. 182 BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784. 180 181

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Auch hier hat der Gesetzgeber also den Anwendungsbereich der angegriffenen Norm auf die Fälle eines erst in der Zukunft liegenden Eigentumserwerbs (hier: Patentanmeldung184) erstreckt, mithin ausschließlich auf Sachverhalte, in denen Zuordnungsverhältnisse neu errichtet werden. Altrechte konnten damit nicht beeinträchtigt werden. Der Rechtsstellung der Betroffenen wohnte, da auch das ihrer Lizenz zugrundeliegende Patent erst nach dem 1. Januar 1981 angemeldet wurde185, die durch die angegriffene Regelung normierte Belastung von Beginn an inne186.

II. Umgestaltung Nachdem aufgezeigt wurde, was begrifflich unter einer ausgestaltenden Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu verstehen ist und welche Anwendungsfälle aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. hierunter gefaßt werden können, soll der Blick auf die zweite Art von Vorschriften gerichtet werden, mit der der Gesetzgeber seinem Auftrag nach Art. 14 I 2 GG nachkommen kann: den Umgestaltungen. 1. Begriff Der Ausdruck der Umgestaltung wird im Zusammenhang mit Art. 14 GG vom BVerfG häufig gebraucht. Er taucht regelmäßig im Kontext mit Vorschriften im Sinne des Art. 14 I 2 GG auf, durch die der Gesetzgeber auf bereits unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Rechtspositionen zugreift. Exemplarisch sind die Ausführungen in der Entscheidung zum Fischereigesetz Nordrhein-Westfalen: „Bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes steht der Gesetzgeber nicht vor der Alternative, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG [ . . . ] individuelle Rechtspositionen umgestalten; er kann insbesondere [ . . . ] bestimmen, daß die neuen Vorschriften mit ihrem Inkrafttreten für die bisherigen Rechte und Rechtsverhältnisse gelten [ . . . ].“187 183 BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784 (Hervorhebung nicht im Original). 184 Vgl. BVerfGE 36, 281 (290 f.) zum Eigentumsschutz des Patents, der bereits vor seiner formellen Erteilung einsetzt; hierzu Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 212 f. 185 Vgl. BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1783. 186 Siehe ferner z. B. BVerfGE 97, 228 (264 f.), wo das Gericht einen Eingriff in bereits gewährte Bestandsrechte durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen zum Recht der Kurzberichterstattung verneint, weil die betreffende Vorschrift auf zukünftige Anwendungsfälle beschränkt sei: „Etwaige Eigentumspositionen an Übertragungsrechten, die Fernsehveranstalter nach diesem Zeitpunkt erwarben, konnten von vornherein nur als mit dem Kurzberichterstattungsrecht belastete entstehen.“ 187 BVerfGE 70, 191 (201, Hervorhebung nicht im Original); ähnlich bereits BVerfGE 31, 275 (285); 36, 281 (293); 58, 300 (351). Der Begriff der Umgestaltung wird i. d. S. ferner

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Auch wenn das Gericht den Terminus „Umgestaltung“, soweit ersichtlich, nicht explizit als eigenständigen Oberbegriff für derartige Zugriffs-Regelungen ausgerufen hat188, so kann doch davon ausgegangen werden, daß das Gericht die Umgestaltung als besonderen Typus einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG ansieht, für den es spezifische Kriterien zur Überprüfung gesetzgeberischer Zugriffe auf Altrechte geschaffen hat189. Als Leitentscheidung ist in diesem Zusammenhang der sog. Dirigentenwitwen-Beschluß190 zu nennen191. Im Rahmen dieser Untersuchung soll unter einer Umgestaltung – als Gegenbegriff zur Ausgestaltung – ein Gesetz im Sinne des Art. 14 I 2 GG verstanden werden, dessen Anwendungsbereich derart gefaßt ist, daß es möglich ist, daß es in bereits bestehende Eigentumsrechte eingreift192. Unter die Umgestaltung fallen daher beide Fallgruppen der allgemeinen Rückwirkungslehre193: Zum einen die sog. unechte Rückwirkung, bei der der sachliche Anwendungsbereich einer Regelung so gefaßt ist, daß sie sofort gilt und dabei bereits entstandene Rechte entwertet (gegenwartsbezogener Anwendungsbereich)194. Zum anderen eine sog. echte Rückwirkung, d. h. Fälle, in denen darüber hinaus der zeitliche Anwendungsrahmen in die Vergangenheit erstreckt wird (vergangenheitsbezogener Anwendungsbereich). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Gesetzgeber das Inkrafttreten einer Regelung auf einen Zeitpunkt zurückdatiert, der vor seiner Verkündung liegt195. verwendet u. a. in BVerfGE 1, 264 (276); 42, 263 (293); 53, 257 (293); 71, 137 (143 f.); 74, 203 (214); 75, 78 (97); 95, 143 (161); 101, 239 (273); BVerfG, 1 BvR 1084 / 92, K.-Beschl. v. 25. 03. 1998, NVwZ 1998, S. 726; 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 691; 1 BvR 2337 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, NVwZ 2002, S. 197; BVerfG.de, 1 BvR 679 / 98, K.-Beschl. v. 29. 12. 1999, Abs. 3. 188 Dies stellen auch Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 158 Fn. 474, fest. 189 Ebenso Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 170 ff.; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 158 ff. In diese Richtung auch Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 35 ff.; Kraft, BayVBl. 1991, S. 100; siehe hierzu ferner Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 272 ff. sowie Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 73 f.; ders., JURA 1999, S. 469, der eine „ ,Umgestaltungs‘-Rechtsprechung“ des BVerfG konstatiert. 190 BVerfGE 31, 275 ff. (insbes. S. 285). 191 Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 170 f.; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 158 ff.; Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 36. 192 Entscheidend ist daher, wie bei der Ausgestaltung, der potentielle Adressatenkreis: Ist denkbar, daß die Regelung tatsächlich Rechte von Alteigentümern beschneidet, so ist sie als Umgestaltung anzusehen. Ist dies denkunmöglich, so ist sie eine Ausgestaltung. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang jedoch allein die Eingriffswirkung des Gesetzes. Durch rechtmäßige Anwendungsakte kann niemals in die Bestandsgarantie eingegriffen werden (dazu noch näher unten S. 240 ff.). 193 Ausführlicher hierzu noch unten S. 250 f. 194 Vgl. Götz, in: FS-BVerfG, S. 424 f. 195 Näher Götz, in: FS-BVerfG, S. 426 f.

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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Mit Blick auf den von einer Umgestaltung erfaßten Personenkreis ist eine Umgestaltungsregelung also dadurch charakterisiert, daß sie auf Alteigentümer treffen kann. Eine solche Feststellung kann jedoch nur gemacht werden, wenn dem Betroffenen nach dem bisher gültigen Recht schon Rechtspositionen zustehen, die unter den Schutz seiner Bestandsgarantie fallen. Der Einstufung einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG als Umgestaltung muß daher immer die Prüfung des „status quo ante“196 vorausgehen, d. h. die Frage, ob das vor ihrem Erlaß geltende Recht bestandsgeschützte Eigentumspositionen zuweist197. Dieses sog. Vorgängerrecht muß nicht identisch sein mit der Rechtslage zum Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses, da sich durch zwischenzeitliche Neuregelungen sowohl Befugnisbegrenzungen als auch -erweiterungen ergeben haben können198.

2. Differenzierung zwischen Alt- und Neueigentümern Die Umgestaltung kommt im Vergleich zu den oben dargestellten Fällen der Ausgestaltung weitaus häufiger vor. Angesichts der Verrechtlichung nahezu aller Bereiche sozialrelevanten menschlichen Verhaltens stößt der Eigentumsgesetzgeber in der Regel nicht auf eine „normative terra incognita“199, sondern auf bereits bestehende Eigentumsrechte200. Legislativtätigkeit ist daher zumeist Änderungsgesetzgebung201. Dies ist zwar keine Besonderheit eigentumsregelnder Vorschriften, sondern gilt etwa auch für berufs-, beamten- und steuerrechtliche Regelungen202. Während diese Probleme aber in anderen Bereichen häufig über die allgemeine Rückwirkungslehre gelöst werden, hat die Frage des VertrauensschutMelchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 174. Maßgeblich ist, „welche Befugnisse einem Eigentümer zum Zeitpunkt der gesetzgeberischen Maßnahme konkret zustehen“ (BVerfGE 70, 191 [201]). Siehe ferner das Abstellen auf den vom Vorgängerrecht zugewiesen Bestand zum Zeitpunkt des Erlasses der Neuregelung in BVerfGE 31, 275 (283 f.); 58, 300 (349); 69, 272 (307 f.); 70, 191 (202); 71, 137 (142 f.); 72, 9 (22); 743, 203 (213); 78, 58 (71 ff.); 97, 378 (388 f.); BVerfG, 1 BvR 1084 / 92, K.-Beschl. v. 25. 03. 1998, NVwZ 1998, S. 725 f.; 1 BvR 132 / 01, K.-Beschl. v. 25. 04. 2001, DVBl. 2001, S. 1209. Siehe auch zum Vergleich der Rechtslage vor und nach dem Änderungszeitpunkt Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 123; ferner Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 26 ff., die von einem „Qualitätsvergleich zwischen der alten und der neuen Regelung im Hinblick auf die materielle Stärke der ursprünglichen und nunmehr abgewandelten Rechtsstellungen“ spricht. 198 Vgl. dazu bereits oben S. 178. 199 Kraft, BayVBl. 1991, S. 101. 200 Schmidt-Aßmann, JuS 1986, S. 836; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 172 f.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 56; Rozek, Sozialbindung und Enteignung, S. 34 f., 58, 156; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 227 Fn. 87; Maurer, in: FS-Dürig, S. 307 f.; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 38 a. E.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 137 Fn. 624. 201 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 156; Kraft, BayVBl. 1991, S. 101. 202 Maurer, in: FS-Dürig, S. 308; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 177 Fn. 517. 196 197

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zes für vermögenswerte Rechte in Art. 14 GG eine „eigene Ausprägung“ erfahren203. Zwar ist dem Gesetzgeber, wie oben dargestellt, beim Eigentumsgrundrecht aufgrund dessen Gesetzesabhängigkeit und der damit verbundenen Entstehungsschwäche gesetzestechnisch die Möglichkeit eingeräumt, einen Eingriff in schon bestehende Eigentumsrechte zu vermeiden, indem er den Anwendungsbereich einer Neuregelung ausschließlich auf die Fälle eines Eigentumsneuerwerbs beschränkt204. Will er aber einen Rechtszustand, der bislang für unbefriedigend gehalten wird, effektiv reformieren, so läßt sich dieses Ziel nur selten mit einer reinen pro-futuro-Wirkung erreichen. Denn die Geltungskraft eines Gesetzes ist dann allein davon abhängig, daß die betreffenden Eigentumsobjekte Gegenstand eines neu errichteten Zuordnungsverhältnisses werden, d. h. sich die alten Strukturen erst „auswachsen“205. Dies kann, vor allem bei „langlebigen“ Eigentumsobjekten (z. B. Immobilien), unter Umständen eine geraume Zeit dauern. Für dringlich erachtete Zielvorgaben dürften sich auf diese Weise nur schwierig verwirklichen lassen206. Dem Eigentumsgesetzgeber bleibt daher häufig kein anderer Weg, als im Wege der Umgestaltung auch auf bereits bestehende Altrechte zuzugreifen. Sind Umgestaltungen nun dadurch gekennzeichnet, daß sie in Altrechte eingreifen können, so darf hierbei aber nicht übersehen werden, daß derartige Vorschriften nicht für alle von ihr erfaßten Adressaten selbst umgestaltenden Charakter haben. Denn der Anwendungsbereich einer Umgestaltung beschränkt sich gewöhnlich nicht darauf, die Rechte von Alteigentümern zu beschränken, sondern auch solche Personen zu erfassen, deren Zuordnungsverhältnis erst nach Erlaß der Umgestaltung errichtet wird. Entsprechend dem abstrakt-generellen Charakter eines jeden Gesetzes ist auch für eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG, egal ob Ausoder Umgestaltung, ihr zukunftsbezogener Anwendungsbereich kennzeichnend207. Siehe an dieser Stelle nur BVerfGE 36, 281 (293); ausführlich dazu noch unten S. 251 ff. Zur Möglichkeit dieser Vorgehensweise i. R. d. Art. 12 GG vgl. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 43 ff. 205 Kraft, BayVBl. 1991, S. 101. 206 Vgl. dazu Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 156; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 144; Götz, in: FS-BVerfG, S. 439 a. E.; Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 19. 207 Vgl. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 74; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 123; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 138, 221 f. Das will das BVerfG zum Ausdruck bringen, wenn es in der oben auf S. 155 zu Fn. 4 zitierten Definition von Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG ausführt, diese normierten den Inhalt des Eigentumsrechts „vom Inkrafttreten des Gesetzes für die Zukunft“. Mit dieser leicht mißzuverstehenden Formulierung (kritisch Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 24) will das BVerfG nicht ausdrücken, durch Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG dürften keine Eingriffe in Bestandsrechte erfolgen. Dies wäre mit seiner st. Rspr. zur Umgestaltung von Altrechten durch Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG unvereinbar. Das BVerfG wollte wohl nur auf die allg. Grds. über die zeitliche Geltung von Rechtsnormen hinweisen, wonach Neuregelungen grds. auf Sachverhalte Anwendung finden, die nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht werden (vgl. dazu Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29). 203 204

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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Im Regelfall ist Adressat einer solchen Regelung neben dem Alt- zugleich auch der Neueigentümer (Umgestaltungs-Newcomer). Aufgrund der Entstehungsschwäche des Eigentums wohnt der Rechtsstellung solcher Neueigentümer jedoch die mit der Umgestaltung normierte Verkürzung, ebenso wie in den oben skizzierten Fällen der Ausgestaltung, von vornherein inne208. Ein derart Betroffener kann sich folglich nicht darauf berufen, daß die Umgestaltung in Altrechte eingreift, die bereits unter den Schutz seiner Individualrechtsgarantie nach Art. 14 I 1 GG fallen. Diese eben skizzierte „Janusköpfigkeit“209 einer umgestaltenden Regelung, d. h. ihr zum einen zukunfts-, zum anderen gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogener Anwendungsbereich, wird auch in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. aufgegriffen. Denn häufig geht das Gericht bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer umgestaltenden Vorschrift zweispurig vor210: „Voraussetzung der Zulässigkeit eines Eingriffs in bestehende Rechtspositionen durch eine gesetzliche Neuregelung ist zunächst, daß die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen verfassungsmäßig ist (vgl. BVerfGE 31, 275 [285]; 58, 300 [338] m. w. N.). Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muß darüber hinaus durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.“211

Zunächst wird also gefragt, ob die Neuregelung hinsichtlich ihres zukünftigen Anwendungsbereichs dem GG entspricht. Diesen Teil der Prüfung, d. h. ihre Auswirkungen auf Newcomer, behandelt das BVerfG als „Vorfrage“212. Erst in einem Daß das Erfordernis einer (auch) zukunftsgerichteten Regelungsintention bei Art. 14 I 2 GG aber nicht immer zwingend ist, zeigt das BVerfG in seiner Contergan-Entscheidung. Hier wird eine Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG für verfassungsmäßig erklärt, obwohl sie allein darauf gerichtet war, die bereits entstandenen Ansprüche der Contergan-Opfer umzugestalten. Ihr Anwendungsbereich erfaßte damit keine Newcomer (vgl. BVerfGE 42, 263 [291]). Das Gericht sieht hierin auch keinen Verstoß gegen das grundgesetzlich normierte Verbot von Einzelfallgesetzen, da Art. 19 I GG für Art. 14 GG keine Geltung beanspruche (BVerfGE 42, 263 [305] mit Verweis auf BVerfGE 24, 367 [396]). 208 Vgl. oben S. 178 ff. Man könnte daher meinen, für die Newcomer sei die Umgestaltung eine Ausgestaltung. Nach den hier zugrunde gelegten Definitionen ist die Einstufung einer Regelung in die eine oder andere Fallgruppe aber nicht davon abhängig, ob im Einzelfall ein Altrechtler (dann Umgestaltung) oder Newcomer (dann Ausgestaltung) betroffen ist. Eine Regelung ist vielmehr immer als „Umgestaltung“ anzusehen, sobald es generell möglich ist, daß sie in Bestandsrechte (irgendwelcher Alteigentümer) eingreift. 209 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 127 f.; ders., NJW 1991, S. 2527, spricht in diesem Zusammenhang von einer „Doppelwirkung“. 210 Siehe hierzu auch Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 297; Osterloh, JuS 1998, S. 853; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 358 ff. 211 BVerfGE 83, 201 (212); ebenso BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 691. 13 Appel

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

zweiten Schritt wirft es das Problem der Folgen der Neuregelung auf bereits entstandene Eigentumsrechte auf. Hier beschäftigt es sich mit dem gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogenen Anwendungsbereich der Umgestaltung, mithin ihren Auswirkungen auf Alteigentümer213. Diese eben skizzierte Prüfungsfolge entspringt in erster Linie praktischen Erwägungen: Stellt sich heraus, daß die Regelung schon hinsichtlich ihres zukünftigen Anwendungsbereichs verfassungswidrig ist, so ist sie im Regelfall nichtig214 und kann schon aus diesem Grund keine Auswirkungen auf Alteigentümer mehr haben. Eine Beschäftigung mit den Folgen der Regelung auf Altrechte erübrigt sich dann215. Tatsächlich bleiben jedoch, wie im Rahmen dieser Untersuchung noch ausführlicher darzustellen sein wird, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den zukünftigen Regelungsgehalt eines Gesetzes ein ganzes Stück hinter denen, die in bezug auf den Altrechte beeinträchtigenden Teil zu stellen sind, zurück216. Daß ein Gesetz allein aufgrund seiner zukünftigen Auswirkungen für Newcomer an Art. 14 GG scheitert, kommt daher selten vor. Der Schwerpunkt bei der verfassungsrechtlichen Prüfung einer Umgestaltung liegt deswegen regelmäßig bei ihren Auswirkungen auf Altrechte217. Dies mag der Grund sein, warum das BVerfG die oben skizzierte zweispurige Prüfung nicht in allen Fällen macht, in denen eine Umgestaltung auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand steht, sondern eher sporadisch. Gerade in neuerer Zeit beschränken sich seine Ausführungen häufig allein auf die Folgen einer Umgestaltungsregelung für 212 BVerfGE 31, 275 (285); 71, 137 (143). Das Gericht umschreibt diesen Aspekt regelmäßig damit, daß es nach der Verfassungsmäßigkeit der Änderung des „objektiven Rechts“ fragt, vgl. BVerfGE 24, 367 (392, 394); 31, 275 (281); 36, 281 (291); 49, 382 (393); 51, 193 (207); 58, 300 (337 f.); Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29. 213 Besonders anschaulich wird diese doppelte Prüfungsfolge z. B. in BVerfGE 58, 300 (338 ff., 348 ff.); siehe ferner u. a. BVerfGE 24, 367 (388 ff., 393 ff.); 31, 275 (281 f., 285 ff., 289 ff.); 36, 281 (291 ff.); 58, 81 (110, 121); 70, 101 (109 ff.); 70, 191 (205 ff., 209 ff.); 72, 9 (22 ff.); 97, 378 (385 ff., 388 ff.). Diese Zweispurigkeit ist zudem keine Besonderheit von Art. 14 GG, sondern wird vom BVerfG z. B. auch zu Art. 12 GG praktiziert, vgl. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 43 ff. m. w. Nw. 214 Abgesehen von den hier nicht näher betrachteten Fällen, in denen das BVerfG sich darauf beschränkt, eine Regelung lediglich für mit Art. 14 GG unvereinbar zu erklären (vgl. z. B. BVerfGE 87, 114 [135 f.]; 100, 226 [247 f.]). 215 Vgl. BVerfGE 58, 300 (338); Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29. 216 Siehe an dieser Stelle nur BVerfGE 58, 81 (121): „Eine Regelung, die für die Zukunft allen verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Art. 14 Abs. 1 GG entspricht, kann unter dem Gesichtspunkt desselben Grundrechts verfassungswidrig sein, soweit sie in Rechtspositionen eingreift, die in der Vergangenheit entstanden sind.“ 217 Vgl. BVerfGE 70, 101 (109 ff.), wo das Gericht die zweistufige Prüfung nur anreißt, wenn es feststellt, gegen den zukünftigen Regelungsgehalt bestünden „ersichtlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken“, um danach eingehend die Auswirkungen auf Altrechte zu prüfen (ähnlich BVerfGE 58, 81 [110]; 72, 9 [22]; 83, 201 [212]; BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368). Anders ist dies natürlich, wenn es um die Verfassungsmäßigkeit einer Ausgestaltung geht: Hier können eigentumsgrundrechtlich allein nur die Auswirkungen der Regelung auf die Newcomer Prüfungsgegenstand sein.

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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die betroffenen Alteigentümer218. Gegen diese Einschränkung der Prüfung auf Altrechte ist grundsätzlich nichts einzuwenden, da sich die Verfassungsmäßigkeit einer Umgestaltung ehedem regelmäßig bei der Frage entscheidet, ob die Beschneidung der bereits bestehenden Eigentumspositionen verhältnismäßig ist. Denn hier sind die Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung höher. Sie wird jedoch dann zum Problem, wenn aus dem Blick gerät, daß es auch bei Umgestaltungen Newcomer gibt, d. h. Personen, bei denen das Zuordnungsverhältnis erst nach Inkrafttreten der Umgestaltung errichtet wird. Denn aufgrund der Entstehungsschwäche des Eigentums können sich diese nicht auf ihre eigene Individualrechtsgarantie berufen219. Bei subjektiven Rechtsbeanstandungsverfahren rückt dann die Frage in den Mittelpunkt, ob sie ggf. die Bestandsgarantie der anderen Alteigentümer geltend machen können. Aufgrund der eben angesprochenen Fixierung auf die Alteigentümer wird diese Problematik bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Umgestaltung häufig übersehen220.

3. Fallgruppen der Umgestaltung Sind die dogmatischen Grundlagen einer Umgestaltung aufgezeigt, so soll nachfolgend dargelegt werden, daß sich auf Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. auch hier zwei Fallgruppen unterscheiden lassen. Maßgebend für die Differenzierung sind wiederum die Ausführungen des Gerichts in der Vorkaufsrechts-Entscheidung221. Unmittelbar im Anschluß an die bereits zu den beiden Fällen der Ausgestaltung angeführte Passage222 hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten des Gesetzgebers, nach Art. 14 I 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, stellt das BVerfG fest: „Es ist ihm auch nicht ausnahmslos verwehrt, [1.] die nach altem Recht begründeten Rechte der Neuregelung anzugleichen, selbst wenn dabei die bisher mit dem Recht verbundenen Befugnisse eingeschränkt werden [ . . . ]. [2.] Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein.“223

218 Etwa in BVerfGE 98, 17 (36 ff.); 100, 1 (49 ff.); 100, 289 (302 ff.); 101, 54 (76 ff.); 239 (258 ff.); BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 20 ff., wo zwar eingehend die Auswirkungen einer umgestaltenden Neuregelung auf Alteigentümer diskutiert werden, ohne aber auf die „Vorfrage“ der Verfassungsmäßigkeit der Änderung des „objektiven Rechts“ einzugehen. 219 Vgl. hierzu bereits oben S. 192 f. 220 Ausführlich zu dieser Frage unten S. 264 ff. 221 BVerfGE 83, 201 ff. 222 Siehe das Zitat auf S. 181 zu Fn. 144. 223 BVerfGE 83, 201 (212).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

a) Umgestaltung durch Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses Das Gericht stellt zunächst fest, daß der Gesetzgeber nach Art. 14 I 2 GG die Möglichkeit hat, durch eine umgestaltende Regelung bereits bestehende Altrechte „anzugleichen“, indem er „bisher mit dem Recht verbundene Befugnisse“ einschränkt224. Damit skizziert das BVerfG die erste Fallgruppe einer Umgestaltung, nämlich der Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses. Dabei geht es um die bereits an früherer Stelle225 angesprochenen Sachverhalte eines Teilentzuges, d. h. Regelungen, durch die lediglich einzelne, aus dem Zuordnungsverhältnis entspringende Befugnisse aufgehoben werden, das Zuordnungsverhältnis selbst aber bestehen bleibt. Dieser Urtyp einer Umgestaltung wird vom BVerfG bereits in seiner Dirigentenwitwen-Entscheidung226 näher umschrieben. Nach der Feststellung, der Gesetzgeber sei nach der Regelung des Art. 14 I 2 GG zur Schaffung neuer Rechte ermächtigt, führt es dort aus: „Hierin erschöpft sich ihre [des Art. 14 I 2 GG] Bedeutung aber nicht: Sie ermächtigt den Gesetzgeber auch, in bereits begründete Rechte einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben, mit anderen Worten, unter Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses neue Befugnisse und Pflichten festzulegen. [ . . . ] er kann individuelle Rechtspositionen umgestalten, ohne damit gegen die Eigentumsgarantie zu verstoßen.“227

In diese Fallgruppe läßt sich der größte Teil aller Umgestaltungen einordnen. Erfaßt werden vor allem die vielfältigen Nutzungsbeschränkungen des Zuordnungsverhältnisses „Grundeigentum“, z. B. durch privatrechtliche Vorschriften des Miet-228 und Pachtrechts229, öffentlich-rechtliche Regelungen des Natur-, Landschafts- und Denkmalschutzes230, des Grundstücksverkehrs-231 oder des Baurechts232. Zu nennen sind des weiteren Gesetze, mit denen einzelne Befugnisse aus anderen Zuordnungsverhältnissen herausgelöst werden, z. B. aus der Stellung als Mitglied der gesetzlichen Renten-233, Kranken-234 und Arbeitslosenversicherung235 oder als Inhaber eines Immaterialgüter-236 oder privaten Forderungsrechts237. Ebenso BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368. S. 156. 226 BVerfGE 31, 275 ff. 227 BVerfGE 31, 275 (285, Hervorhebung nicht im Original). 228 BVerfGE 68, 163 (367 ff.); 79, 283 (289 ff.); 79, 292 (301 ff.); 81, 29 (31 ff.); 82, 6 (15 ff.); 83, 82 (87 f.); 85, 219 (223 ff.); 89, 1 (5 ff.). 229 BVerfGE 52, 1 (27 ff.); 87, 114 (138 ff.). 230 BVerfGE 100, 226 (239 f.); BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 367 f. 231 BVerfGE 21, 73 (79 ff.); 21, 87 (90 f.); 21, 92 (93); 21, 94 (97); 21, 99 (100 f.); 21, 102 (104 f.); 21, 306 (309 f.); 26, 215 (222 ff.). 232 BVerfGE 104, 1 (8 ff.). 233 BVerfGE 53, 257 (289 ff.); 70, 101 (110 f.); 71, 1 (11 ff.); 100, 1 (32 ff.); 100, 59 (97 f.). 234 BVerfGE 40, 65 (82 ff.); 97, 378 (385 ff.). 224 225

B. Zwei Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG

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b) Umgestaltung durch Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses Die eben zitierte Passage aus dem Dirigentenwitwen-Beschluß legt zunächst die Vermutung nahe, für das BVerfG beschränke sich die Kompetenz des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG zur Umgestaltung bestehender Eigentumsrechte auf die Fälle eines Teilentzuges. Denn es geht in dieser Entscheidung ausdrücklich von der „Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses“ aus. Dessen Aufhebung, d. h. ein Vollentzugs, wäre daher im Rahmen des Art. 14 I 2 GG nicht möglich, sondern nur im Wege der Enteignung (Art. 14 III GG)238. Selbst wenn dieser Entscheidung ein solches Verständnis zugrunde gelegen haben sollte, so wurde es vom BVerfG spätestens mit seiner Vorkaufsrechts-Entscheidung aufgegeben. Denn wie oben239 zitiert, hält es das Gericht darin für möglich, daß eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG, über eine Aufhebung einzelner Befugnisse hinausgehend, die „völlige Beseitigung [ . . . ] bisher geschützter Rechtspositionen“ zum Gegenstand hat. Mit dieser Passage hat es die Fälle eines Vollentzuges umschrieben, d. h. der Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses240. Denn anders als im Dirigentenwitwen-Beschluß, bei dem es lediglich um die Beschränkung des urheberrechtlichen Zuordnungsverhältnisses, d. h. um den Entzug einzelner Befugnisse ging241, sah sich das Gericht in der Vorkaufsrechts-Entscheidung mit dem Problem konfrontiert, daß eine vollumfängliche Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses zur Debatte stand242. Um sich in dieser Entscheidung nicht den Anwendungsbereich des Art. 14 I 2 GG von vornherein zu versperren, erweiterte es diesen nun auch auf die Fälle eines Vollentzuges243 235 BVerfGE 72, 9 (19 ff.); 74, 203 (213 ff.); 76, 220 (235 ff.); 90, 226 (236 ff.); 92, 365 (405 ff.). 236 BVerfGE 31, 275 (293 ff.); 36, 281 (290 ff.); 77, 263 (270 ff.); 78, 58 (71 ff.); 79, 1 (25 ff.); 79, 29 (40 ff.); 81, 208 (219 ff.). Zu einer Regelung, die ein Immaterialgüterrecht lediglich ausgestaltet, siehe BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1783 ff. (hierzu bereits oben S. 188). 237 BVerfGE 42, 263 (293 ff.). Lediglich die Ausgestaltung einer schuldrechtlichen Forderung steht zur Debatte in BVerfGE 68, 193 (222 f.), hierzu schon oben auf S. 187. 238 So z. B. Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 53 m. w. Nw. in Fn. 61. 239 S. 195 zu Fn. 223. 240 So auch die Deutung bei Kube, JURA 1999, S. 470; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 144. Ebenso Osterloh, JuS 1991, S. 1058 f., die in diesem Zusammenhang von einem neuerlichen „Paukenschlag“ des BVerfG spricht. Siehe auch Schönfeld, Die Eigentumsgarantie und Nutzungsbeschränkungen, S. 45, der in dieser Passage „die eigentliche Neuerung“ der Vorkaufsrechts-Entscheidung sieht. 241 Vgl. BVerfGE 31, 275 (277 ff.). 242 Die Urteilsverfassungsbeschwerde richtete sich gegen die fachgerichtliche Auslegung einer Neuregelung des Bundesberggesetzes, die zur Folge hatte, daß ein zuvor bestehendes Vorkaufsrecht als vollständig beseitigt anzusehen war (vgl. BVerfGE 83, 201 [202 ff.]). 243 Aus heutiger Sicht mutet die Vorgehensweise des Gerichts in der Vorkaufsrechts-Entscheidung allerdings paradox an: Um hier Art. 14 I 2 GG nicht kategorisch auszuschließen, erweitert es zwar dessen Anwendungsbereich auf die Sachverhalte eines Vollentzuges. Da

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Dieses Verständnis wird vom BVerfG in neueren Entscheidungen bestätigt. So hat es z. B. in seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der im Vermögensgesetz aufgenommenen Stichtagsregelung entschieden, daß auch der mit dieser Vorschrift bewirkte Vollentzug kaufvertraglicher Erfüllungsansprüche unter die Befugnis des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG falle244. Gleiches gilt für eine Regelung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, mit der dem Nutzer eines fremden, im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücks ein Recht zum Ankauf desselben eingeräumt wird. Obwohl diese Ermächtigung zum Vollentzug des Grundstückseigentums führt, geht das BVerfG auch hier von einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG aus245. Dergleichen faßt das BVerfG das vollständige Erlöschen von bergrechtlichen Schürfrechten („Bergwerkseigentum“) in den Anwendungsbereich des Art. 14 I 2 GG246. Somit läßt sich von einer zweiten Fallgruppe von umgestaltenden Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG sprechen: Gesetzliche Vorschriften, die eine Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses als solches247 zur Folge haben248. derartige Fälle aber grds. auch unter Art. 14 III GG gefaßt werden können, hätte es an sich der Klärung der Frage bedurft, warum der dort zur Debatte stehende Vollentzug des Vorkaufsrechts gerade kein Fall des Art. 14 III GG ist. Darauf wird aber nicht näher eingegangen, sondern apodiktisch festgestellt, Art. 14 III GG sei hier „nicht unmittelbar anwendbar“ (BVerfGE 83, 201 [211 a. E.]; zu Recht sehr kritisch dazu Schwabe, JZ 1991, S. 778). Auf Grundlage der Kriterien der aktuellen Entscheidung zur städtebaulichen Umlegung (hierzu oben S. 161 ff.) hätte es aber gleich mehrere Gründe gegeben, um hier Art. 14 III GG trotz Vollentzugs abzulehnen: Denn zum einen handelt es sich in der Vorkaufsrechts-Entscheidung um einen Fall des privaten Interessenausgleichs (vgl. Schwabe, JZ 1991, S. 778, der erwägt, hier deswegen eine Enteignung abzulehnen). Zum anderen geht es um die bloße Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses ohne dessen Übertragung, mithin um keinen Vorgang der Güterbeschaffung. Letzteren Weg verstellt sich das Gericht aber explizit, wenn es dann in der Vorkaufsrechts-Entscheidung eine seit Jahrzehnten nicht mehr verwendete Formel aus der Entscheidung zur Hamburger Deichordnung reanimiert, wonach es bei Art. 14 III GG auf eine Güterbeschaffung gerade nicht ankomme (BVerfGE 83, 201 [211]). Aus heutiger Sicht hat man wohl damals eine gute Gelegenheit versäumt, die mit der Umlegungs-Entscheidung erfolgte Eingrenzung des Art. 14 III GG auf Vorgänge der Güterbeschaffung bereits ein Jahrzehnt früher zu erreichen. 244 BVerfGE 101, 239 (259); Art. 14 III GG scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die angegriffene Vorschrift i. e. L. dem Ausgleich divergierender Privatinteressen dient. 245 BVerfG.de, 1 BvR198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 17; ebenso BVerfG.de, 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 13. 246 BVerfG, 1 BvR 1321 / 00, K.-Beschl. v. 07. 03. 2002, NVwZ 2002, S. 1365. 247 Ob unter diese Fallgruppe auch Maßnahmen zu fassen sind, die im Rahmen einer städtebaulichen Umlegung ergehen (vgl. BVerfGE 104, 1 [8 ff.]), ist umstritten. Nach dem von der h. M. betonten Surrogationsprinzip liegt keine Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses vor. Das ursprüngliche Eigentum soll sich ungebrochen am neu zugeteilten Grundstück fortsetzen (vgl. Stang, in: Schrödter, BauGB, § 63 Rn. 2 ff. m. w. Nw.). Danach liegt lediglich ein Fall der Umgestaltung durch Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses vor. Die Gegenansicht betont, daß die Fortsetzung des Eigentums am neuen Grundstück lediglich fingiert werde. Tatsächlich verliere der Eigentümer sein der Umlegungsmasse zugeordnetes Grundstück vollständig (E. Haas, NVwZ 2002, S. 274 f.; Bryde, JuS 1993, S. 283). Danach wäre das Zuordnungsverhältnis als aufgehoben anzusehen.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG Nachdem aufgezeigt wurde, daß der Gesetzgeber auf Grundlage von Art. 14 I 2 GG verschiedene Arten von aus- und umgestaltenden Vorschriften erlassen kann, soll der Blick auf die Frage gerichtet werden, welche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit derartiger Regelungen zu stellen sind. Gegenstand näherer Untersuchung sollen nachfolgend nur die spezifisch eigentumsgrundrechtlichen Erfordernisse sein249.

I. Allgemein: Verwirklichung des Sozialmodells des Art. 14 GG Bevor auf die speziellen Anforderungen eingegangen wird, die das BVerfG an die eben dargestellten verschiedenen Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG stellt, soll ein Blick auf die allgemeinen Grundsätze gerichtet werden, die das Gericht in st. Rspr. zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG heranzieht. Wie bereits im Rahmen dieser Arbeit mehrfach angesprochen, sieht das BVerfG in Art. 14 I 1, I 2, II GG ein spezifisches „Sozialmodell“ verankert, das vom Grundgesetz vorgegeben und vom einfachen Gesetzgeber nachzuzeichnen sei250. Dieses wird vom Gericht in einer vielzitierten Passage der ersten Kleingarten-Entscheidung anschaulich beschrieben: 248 Auf einem völlig anderen Blatt steht freilich, ob eine solch weitgehende Umgestaltung auch verfassungsmäßig ist. Hierzu näher unten S. 261 ff. 249 Natürlich darf auch kein Verstoß gegen sonstiges Verfassungsrecht vorliegen. So müssen die Regelungen allen formellen Anforderungen entsprechen, insbes. der Kompetenzordnung des GG (vgl. BVerfGE 34, 139 [146 ff.]; 58, 137 [145 f.]). Da nach h. M. Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 I 2 GG auch durch materielle Gesetze bestimmt werden können, müssen bei Verordnungsermächtigungen zudem die Voraussetzungen des Art. 80 I 2 GG eingehalten sein (vgl. BVerfGE 58, 137 [146 f.]). Art. 19 I GG ist hingegen auf Art. 14 GG nicht anwendbar (BVerfGE 21, 92 [93]; 24, 367 [396 f.]; 42, 263 [305]). Gleiches gilt für Art. 19 II GG (BVerfGE 58, 300 [348]; hierzu Böhmer, NJW 1988, S. 2563 Fn. 7 f.; ders., Der Staat 24 [1985], S. 160 Fn. 10; im Schrifttum ist das Verhältnis von Art. 14 und 19 II GG sehr str., hierzu Grochtmann, Art. 14 GG, S. 8 Fn. 33 m. w. Nw.). Das BVerfG prüft des weiteren in st. Rspr., ob eine Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG auch Art. 3 I GG genügt (vgl. BVerfGE 31, 248 [253 f.]; 58, 300 [345 f.]; w. Nw. bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 41 Fn. 111). Dem allg. Gleichheitssatz kommt hierbei Bedeutung sowohl hinsichtlich des allein zukunfts- (vgl. BVerfGE 58, 137 [150 f.]; 68, 193 [224 f.]) als auch des gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogenen (vgl. BVerfGE 42, 263 [305 ff.]; 74, 203 [217]) Anwendungsbereichs einer Neuregelung zu (ebenso Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 41 a. E.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 129). 250 Siehe hierzu Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 149 ff.; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 47 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 31 ff.; Lubberger,

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

„Der Gesetzgeber ist bei der Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, vor der Aufgabe, das Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben [ . . . ]. Der Gesetzgeber muß bei Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG beiden Elementen [ . . . ] in gleicher Weise Rechnung tragen; er muß die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang (BVerfGE 37, 132 [140 f.]). Dem entspricht die Bindung des Gesetzgebers an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“251

Dasselbe bringt das BVerfG zum Ausdruck, wenn es ausführt, Art. 14 I 1, 14 I 2 und 14 II GG stünden in einem „unlösbaren Zusammenhang“252. Das Privateigentum (Art. 14 I 1 GG) auf der einen und die Allgemeinwohlbindung (Art. 14 II GG) auf der anderen Seite hätten ein „dialektisches Verhältnis“253, das der einfache Gesetzgeber zu einem sachgerechten Ausgleich bringen müsse, wenn er eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG erlasse. Keines der beiden Elemente dürfe über Gebühr verkürzt werden254. Prüfungsmaßstab hierfür sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit255: Die Regelung muß danach geeignet und erforderlich sein, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen, und darf darüber hinaus weder den Eigentümer unzumutbar belasten noch den zur Debatte stehenden Gemeinwohlzweck unangemessen vernachlässigen256. Bei der Frage, welches Gewicht den jeweils einschlägigen Eigentümer- bzw. Allgemeinwohlbelangen für die hierbei vorzunehmende Eigentumsdogmatik, S. 167 ff.; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 251, 303 ff.; v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 396 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 364 ff.; Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 581 ff. 251 BVerfGE 52, 1 (29, Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner u. a. BVerfGE 37, 132 (140); 50, 290 (340 f.); 58, 137 (147 f.); 58, 300 (335); 68, 361 (367 f.); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 87, 114 (138 ff.); 95, 64 (84); 100, 226 (240 f.); 101, 54 (75); 101, 239 (259); 102, 1 (17); BVerfG, 1 BvR 218 / 99, K.-Beschl. v. 11. 11. 2002, NVwZ 2003, S. 198. 252 BVerfGE 50, 290 (340); ähnlich Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 65; siehe hierzu auch Roller, NJW 2000, S. 1004. 253 BVerfGE 37, 132 (140). 254 Art. 14 II GG sei jedoch „nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen.“ (BVerfGE 100, 226 [241]; BVerfG, 1 BvR 1402 / 01, K.Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376). Damit stellt das Gericht klar, daß jede Verkürzung von Eigentümerinteressen nur zum Wohle der Allgemeinheit erfolgen darf, d. h. es immer einer dezidierten Feststellung der einschlägigen Gemeinwohlbelange und ihrer Abwägung mit den jeweiligen Eigentümerinteressen bedarf (vgl. dazu Grochtmann, Art. 14 GG, S. 11 ff.). 255 Allg. zum Verhältnismäßigkeitsprinzip statt vieler v. Arnauld, JZ 2000, S. 276 ff. m. w. Nw. 256 Vgl. nur BVerfGE 92, 262 (273 ff.); 97, 378 (387 f.); 100, 226 (242); 101, 54 (76 ff.); hierzu näher Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 142 f.; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 48.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Abwägung zukommt, geht das BVerfG in st. Rspr. von einer Abstufung des Schutzumfanges aus257. Für die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG seien „[ . . . ] Eigenart und Funktion des Eigentumsobjekts von maßgebender Bedeutung, die zu einer gewissen Stufung des Schutzes führen: Dem Gesetzgeber sind enge Grenzen gezogen, soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen geht. Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht.“258

Die Eigentümerinteressen wiegen also je höher, desto stärker die freiheitsgewährende, d. h. die personale Funktion der Eigentumsgarantie betroffen ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, in welchem Umfang die zur Debatte stehende Eigentumsposition Ausdruck eines (oder mehrerer) der Begriffsmerkmale des Verfassungseigentums ist (insbes. Privatnützigkeit, Eigenleistung, Existenzsicherung, Vermögenswert) bzw. wie stark eine solche Strukturvorgabe (insbes. Verfügungsbefugnis) durch die gesetzliche Regelung beeinträchtigt wird259. Gleiches gilt für den Gegenpol des Art. 14 II GG. Ihm kommt im Rahmen der Abwägung umso höheres Gewicht zu, je mehr das betreffende Eigentumsobjekt eine soziale Funktion hat (sog. gleitende Sozialbindung260). Dies bemißt sich vor allem danach, inwieweit neben dem Eigentümer noch andere Personen bzw. die Allgemeinheit auf die Verwendung der Eigentumsposition angewiesen sind: Je stärker diese einer (Mit-)Nutzung bedürfen, desto mehr Gehalt bekommt Art. 14 II GG im Rahmen der Abwägung261.

II. Speziell: Anforderungen an Ausgestaltungen Unter Berücksichtigung der eben aufgezeigten Grundsätze soll nachfolgend der Frage Beachtung geschenkt werden, welche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit einer ausgestaltenden Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu stellen sind. Vgl. hierzu auch schon oben S. 70 ff. BVerfGE 53, 257 (292, Hervorhebung nicht im Original); siehe ferner neben den Nw. in Fn. 251 z. B. BVerfGE 42, 263 (294 f.); 53, 257 (292 f.); 64, 87 (101); 79, 29 (42 f.). Zu ähnlichen Differenzierungsmodellen im Schrifttum siehe Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 55 ff. m. w. Nw. 259 Vgl. hierzu und mit entsprechenden Nw. des BVerfG bereits oben S. 70 ff. 260 Begriff von Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 169 f. 261 Das BVerfG hat eine besondere Sozialbindung betont z. B. beim Eigentum an Miet(BVerfGE 68, 361 [370 f.]; 79, 283 [289 f.]; 79, 292 [302 f.]) und Sozialwohnungen (BVerfGE 95, 64 [84 f.]), Kleingärten (BVerfGE 52, 1 [33 ff.]; 87, 114 [146 ff.]), Großunternehmen (BVerfGE 50, 290 [342 ff.]) und bei sozialversicherungsrechtlichen Positionen (BVerfGE 53, 257 [292 f.]); näher hierzu m. w. Nw. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 157 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 365 ff. 257 258

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

1. Materiell-rechtliche Anforderungen a) Kein Eingreifen der Individualrechtsgarantie Im Rahmen dieser Untersuchung wurde dargelegt, daß Kennzeichen einer umgestaltenden Regelung die ihr innewohnende Möglichkeit ist, in bereits bestehende Eigentumsrechte einzugreifen. Steht eine derartige Norm auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand, so greift im Rahmen des eben dargestellten Sozialmodells auf seiten des Art. 14 I 1 GG die Bestandsgarantie mit ihrem spezifischen, auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes basierenden Gewicht262. Nach dem, was bislang zur rechtstechnischen Konstruktion einer Ausgestaltung gesagt wurde, können diese Grundsätze hier nicht gelten: Sind derartige Normen dadurch gekennzeichnet, daß sich ihr Anwendungsbereich ausschließlich auf die Fälle einer Neuerrichtung des Zuordnungsverhältnisses erstreckt, so ist die Rechtsstellung der hier (zwangsläufig ausschließlich) betroffenen Neueigentümer aufgrund der Gesetzesabhängigkeit der Individualrechtsgarantie von Beginn an um die geregelten Belastungen verkürzt. Aufgrund der ihr innewohnenden Schwäche ist ein Eingriff in die Bestandsgarantie damit denkunmöglich. Demnach kann bei einer ausgestaltenden Regelung den Eigentümerinteressen im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG das Gewicht der Rechtsstellungsgarantie nicht zur Seite stehen. Angesichts dieses Befundes hat sich Lutz außerordentlich kritisch mit dem zugrundeliegenden Verständnis einer Entstehungsschwäche der Individualrechtsgarantie auseinandergesetzt263. Er tritt dafür ein, auch in derartigen Fällen die Bestandsgarantie eingreifen zu lassen. Denn könnten sich Newcomer nicht hierauf berufen, so sei die Eigentumsgarantie für eine Vielzahl von Fällen jeglicher Schutzfunktion beraubt. In diesem Zusammenhang führt Lutz aus: „Das Wort Eigentumsschutz dürfte dann schon gar nicht mehr ungezwungen über die Lippen kommen. Denn soweit Eingriffe nach den Gesetzen nicht statthaft sind, bleibt der Eigentümer ohnehin unbehelligt, bedarf mithin der Newcomer keines Eigentumsschutzes. Soweit der Eigentümer hingegen Einschränkungen seiner Vermögensposition aufgrund der Eingriffsvorbehalte befürchten muß, soll er voraussetzungsgemäß eigentumsschutzlos bleiben.“264 Der damit gemachte Vorwurf einer Wehrlosigkeit der Newcomer kann sachgerecht nur entkräftet werden, wenn sich aufzeigen ließe, daß auch diese hinreichenden eigentumsgrundrechtlichen Schutz genießen. Dies wird im Verlauf der Arbeit noch geschehen265. Nähere Betrachtung soll zunächst ein normsystematischer Einwand erfahren, den Lutz in diesem Zusammenhang gegen den Schwächegedanken ins Feld führt. Ausführlich dazu noch unten S. 222 ff. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 150 ff. Siehe auch seine Nw. auf S. 152 Fn. 345 zu (von ihm selbst auf S. 151 a. E. als „recht spärlich“ bezeichneten) Stimmen, die sich gegen die Schwächeformel aussprechen. 264 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 150. 265 Dazu sogleich unten auf S. 205 ff. 262 263

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Nach seinem Dafürhalten hat ihre konsequente Anwendung die Denkunmöglichkeit einer Enteignung gegenüber Newcomern zur Folge266. Die Vertreter einer Entstehungsschwäche des Eigentums versuchten, das „ ,Kabinettstück‘ zu vollbringen, Eingriffsvorbehaltslehre und Möglichkeit einer Enteignung bei Ausübung des Eingriffsvorbehaltes unter einen Hut zu bringen.“267 Denn würde die Schwächeformel folgerichtig etwa auch auf die klassischen Enteignungsgesetze der §§ 85 ff. BauGB angewendet, so sei das Grundstückseigentum eines Newcomers von Beginn an nur unter dem Vorbehalt einer nach §§ 85 ff. BauGB möglichen Entziehung zu Eigentum erstarkt268. Es ermangele dann aber bei Newcomern immer bereits an einer enteignungsfähigen Rechtsposition. Lutz fehlen „nachgerade die Worte“, für ein derartiges, vom Gesetzgeber kreiertes „,Eigentumsmonstrum‘ eine aussagekräftige Kurzbezeichnung zu finden.“269 Die Bestandsgarantie degeneriere auf eine „eingriffsvorbehaltsreduzierte (Rest-)Befugnis zur Sachnutzung“270. In dieselbe Richtung zielt die Kritik von Osterloh, wenn sie in der Anerkennung der Definitionsmacht des Gesetzgebers (Art. 14 I 2 GG) im Hinblick auf enteignungsfähige Rechtspositionen einerseits und seiner Bindung an Art. 14 III GG andererseits eine „logische Falle“ sieht und feststellt, deswegen könnte es Enteignungen im Sinne des Art. 14 III GG eigentlich gar nicht geben271. Bei genauer Betrachtung zeigt sich indes, daß diese Bedenken unbegründet sind. Der Elementarfehler, der diesem Angriff auf die Schwächeformel zugrunde liegt, ist die fehlende Unterscheidung zwischen Enteignungsgesetzen und Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG. Wie oben gezeigt, ist der Schwächegedanke lediglich eine Folge der konsequenten Anerkennung der Gesetzesabhängigkeit der Individualrechtsgarantie. Bestehen zum Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses bestimmte Rechtsverkürzungen, so sind diese von Beginn an Inhalt der Rechtsstellung eines Newcomers272. Hierbei darf aber nicht übersehen werden, daß bei der Ermittlung dieses konkreten Rechtsinhalts nur solche einfachgesetzlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind, die der Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I Vgl. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 150, 159 ff., 164. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 152. 268 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 150. 269 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 151. 270 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 151. 271 Osterloh, DVBl. 1991, S. 912; in diese Richtung auch Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 40 a. E. 272 Deswegen greift auch nicht der Einwand von Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 120, der Schwächeformel fehle es zudem an einem „übergreifenden eigentumsdogmatischen Konzept“. Dieses besteht, weil sie lediglich Ausdruck einer konsequenten Anwendung der Normgeprägtheit der Bestandsgarantie ist, gerade in deren Anerkennung in Art. 14 I 2 GG. Wollte Lutz den Schwächegedanken grundlegend in Frage stellen, so müßte er zunächst an deren Fundament rütteln, nämlich der in Art. 14 I 2 GG normierten Gesetzesabhängigkeit der Rechtsstellungsgarantie. Genau diese erkennt er aber ausdrücklich an (Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 138 ff.). 266 267

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

2 GG erlassen hat. Dagegen können Gesetze, die in den Anwendungsbereich des Art. 14 III GG fallen, hinsichtlich des konkreten Umfangs der Bestandsgarantie keine Aussage treffen. Denn diese Aufgabe kommt alleine den Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu. Enteignungsgesetze sind hiervon strikt zu trennen, beide sind wesensverschieden. Dies bringt das BVerfG schon in seiner Naßauskiesungs-Entscheidung zum Ausdruck, wenn es betont, Inhaltsbestimmung und Enteignung „[ . . . ] sind jeweils eigenständige Rechtsinstitute, die das Grundgesetz deutlich voneinander abgrenzt.“273

Damit sollte der im hergebrachten Eigentumsmodell wurzelnden Vorstellung entgegengetreten werden, beide Maßnahmen hätten dieselbe Rechtsnatur und lägen lediglich auf verschiedenen Stufen einer gleitenden, aber doch einheitlichen Skala. Noch deutlicher formuliert das BVerfG in seiner einen Tag zuvor erlassenen Pflichtexemplars-Entscheidung: „Inhaltsbestimmung und Enteignung unterscheiden sich entsprechend der verschiedenartigen Funktion in den Voraussetzungen und in den Anforderungen an ihre materielle Ausgestaltung grundlegend voneinander. Ihre Einordnung und ihre Gültigkeit beurteilt sich deshalb nach den für sie jeweils maßgebenden Normen der Verfassung.“274

Während Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG die Funktion zukommt, den Schutzbereich der Eigentumsbestandsgarantie aus- oder umzugestalten, haben Enteignungsgesetze die Aufgabe, diesen zu durchbrechen275. Beide Maßnahmen schließen sich daher „wechselseitig und überschneidungslos aus“276. Aus dieser Wesensverschiedenheit277 folgt eine bestimmte Rangfolge: Art. 14 III ist Art. 14 I 273 BVerfGE 58, 300 (331). Die damals noch in Betracht gezogene Möglichkeit einer zugleich enteignenden Inhalts- und Schrankenbestimmung (BVerfGE 58, 300 [331 f.]) hat das BVerfG inzwischen ausdrücklich aufgeben (vgl. BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368). 274 BVerfGE 58, 137 (145, Hervorhebung nicht im Original). Ebenso Böhmer, NJW 1988, S. 2573; ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 79, der betont, Art. 14 I 2 und 14 III GG unterschieden sich maßgeblich in ihrer „Funktion und Normstruktur“. 275 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 226. Vgl. BVerfGE 70, 191 (200), wo die Enteignung als „Überwindung“ entgegenstehender Rechtspositionen verstanden wird (ebenso schon Böhmer, abw. Meinung zu BVerfGE 56, 249, 266 [271]). Schmitt-Kammler, in: FS-Uni-Köln, S. 824 f.; ders., NJW 1990, S. 2516, spricht in diesem Zusammenhang treffend von einem Definitions- (Art. 14 I 2 GG) und Entzugsakt (Art. 14 III GG). Ausführlich zum Verständnis der Enteignung als „Überwindung“ bzw. „Durchbrechung“ der objektiven Eigentumsordnung Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 212 ff. m. w. Nw. 276 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 226. 277 A.A. Wilhelm, JZ 2000, S. 909 f., der „keine Wesensunterschiede“ zwischen Normen der Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignungsnormen sieht, sondern in beiden „Eingriffe in Eigentumsrechte“, wobei Art. 14 I 2 GG lex generalis, Art. 14 III GG lex specialis sei. Dieselbe fehlerhafte Gleichsetzung findet sich bei Schneider, VA 58 (1967), S. 216, dem die „die Erkenntnis [wichtig ist], daß gerade auch die allgemeinen Enteignungsgesetze inhaltsbestimmende Normen sind“. Er hält es für selbstverständlich und daher für „abwegig, überhaupt die Frage aufzuwerfen, ob eine Enteignung selbst Inhaltsbestimmung des Eigen-

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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2 GG „nachgeordnet“278. Vorerst muß der Gesetzgeber im Rahmen seiner Ermächtigung nach Art. 14 I 2 GG einfachgesetzliche Zugriffsobjekte schaffen: „Die Prüfung, ob ein Rechtsvorgang als Enteignung zu qualifizieren ist, fordert zunächst die Feststellung, ob dem Betroffenen im Zeitpunkt des Zugriffs eine enteignungsfähige Rechtsposition zusteht (BVerfGE 25, 112 [121]; 29, 348 [360]).“279

Erst danach kann sich überhaupt die Frage der Enteignung stellen. Sie ist also zwingend an ein Substrat gebunden, das ihr der Gesetzgeber in Ausübung seiner Kompetenz nach Art. 14 I 2 GG zur Verfügung stellt. Ist aber ein solches vorhanden, so hat es auf dessen inhaltliche Reichweite keine Auswirkungen, wenn zum Zeitpunkt des Rechtserwerbs bereits ein Enteignungsgesetz bestand. Die Position ist dann nicht, wie Lutz annimmt, von Beginn an nur unter dem Vorbehalt einer möglichen Enteignung zu Eigentum erstarkt. Denn das Enteignungsgesetz hat aufgrund seiner Wesensverschiedenheit keinen schutzbereichsgestaltenden Charakter. Es gibt lediglich die Möglichkeit, die betreffende Positionen im nachhinein gegen entsprechende Entschädigung zu entziehen280. Der Vorwurf einer Denkunmöglichkeit der Enteignung stellt sich damit als haltlos heraus.

b) Schutz durch Institutsgarantie oder sog. objektives Abwägungsgebot? Wird auf Grundlage der bisherigen Ausführungen davon ausgegangen, daß bei ausgestaltenden Regelungen die Bestandsgarantie niemals greifen kann, so stellt sich die Frage, was dann im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG auf seiten der Eigentümerinteressen (Art. 14 I 1 GG) in die Waagschale zu legen ist. Dieses Problem wird im Schrifttum kontrovers diskutiert. Die weit überwiegende Ansicht geht davon aus, daß sich der Betroffene gegen eine Regelung, die sich ausschließlich auf in der Zukunft liegende Anwendungsfälle erstreckt, materiell-rechtlich allein auf die in Art. 14 I 1 GG gleichsam verwurzelte Einrichtungsgarantie berufen kann281. Aus diesem Grund soll zunächst ein kurzer Blick auf die Institutsgewährtums sein könne.“ (Schneider, VA 58 [1967], S. 216 Fn. 36); in diese Richtung auch Schulte, DVBl. 1965, S. 387. 278 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 25; vgl. auch Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 178 Fn. 115 a. E.; Lepsius, JZ 2002, S. 315. 279 BVerfGE 58, 300 (332); dazu Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 25. 280 Zutreffend betont daher Grochtmann, Art. 14 GG, S. 276, daß sich bei Art. 14 III GG die Frage, „ob durch eine Enteignung zugleich der Schutzbereich gemindert werden könne, so daß neben dieser Schutzbereichsausgestaltung möglicherweise kein Raum mehr verbliebe für eine Schutzbereichsberührung“, nicht stelle (Hervorhebung im Original). Hierzu auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 321 bei Fn. 1449. 281 Z. B. Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 28, 50 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 18; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 61; Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 113; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchti-

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

leistung als solche geworfen werden. Im Anschluß werden Stimmen diskutiert, die dem Betroffenen in derartigen Fällen keinen Schutz durch die Einrichtungsgarantie, sondern durch ein – darüber hinaus gehendes – objektiv wirkendes Abwägungsgebot zukommen lassen wollen.

(1) Die Institutsgarantie des Art. 14 I 1 GG Neben der Bestandsgarantie sehen BVerfG282 und h. L.283 in Art. 14 I 1 GG verfassungsunmittelbar284 die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung gewährleistet285. Ungeachtet der Frage, ob eine bestimmte Rechtsposition vom einfachen Gesetzgeber derart ausgestaltet ist, daß sie unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff und folglich unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt, gewährt das BVerfG über die Einrichtungsgarantie einen verfassungsunmittelbaren Eigengungen des Eigentums, S. 75 f.; ders., DVBl. 1980, S. 541; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 183 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 57; Koch, NJW 2000, S. 1532; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17 f.; ders., JuS 1983, S. 106 f.; ders., Öffentliches Recht, Rn. 540; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 293 f.; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 122 ff.; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 25, 28 ff.; Sundermann, Der Bestandsschutz genehmigungsbedürftiger Anlagen, S. 30 ff.; Melchinger, NJW 1991, S. 2527; Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 115 f.; Kube, JURA 1999, S. 469 Fn. 51; ders., ZG 2000, S. 34; Stern, Staatsrecht, S. 409; Huber, Der planungsbedingte Wertzuwachs, S. 19 f.; ders., DÖV 1999, S. 178; Stein / Frank, Staatsrecht, § 42 II 2. 282 Siehe die Nw. oben S. 22 Fn. 1 und BVerfGE 24, 367 (389); 31, 275 (291); 49, 382 (392); 50, 290 (339); 51, 193 (217); 81, 12 (17). 283 Grundlegend (noch zu Art. 153 I 1 WRV) Wolff, Reichsverfassung und Eigentum, in: FS-Kahl, S. 5 f., der gemeinhin als „Schöpfer“ der Institutsgarantie des Eigentums gilt; ferner z. B. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 11 ff.; Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 66 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 10 ff., 60 ff.; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 183 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 117; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 32; ders., NVwZ 1987, S. 1030 f.; ders., Eigentum und Privatautonomie, S. 166; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 47 ff.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 124 ff. m. w. Nw. auf S. 126 Fn. 427. 284 Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 228; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 104 m. w. Nw. in Fn. 56; a.A. wohl Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 39; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 5 Fn. 28; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 163, die eine Ausgestaltung der Einrichtungsgarantie durch den einfachen Gesetzgeber für erforderlich halten. 285 Generell gegen die Annahme einer Einrichtungsgarantie in Art. 14 GG aber z. B. Ridder, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 49 ff., der von einer „Denkunmöglichkeit“ spricht. Siehe auch J. Ipsen, Neuere Entwicklungen in der Eigentumsdogmatik, S. 135, der betont, wegen der Abkehr des GG vom Weimarer Eigentumsverständnis sei die Wolffsche Lehre von der Institutsgarantie heute nicht mehr aktuell. Sie werde nur als „überalterte Rechtslehre ,wie eine ew’ge Krankheit‘“ weitergeschleppt. Kritisch bzw. ablehnend auch Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 71 f.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 102; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 584 ff.; v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 316 f.; w. Nw. bei Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 126 Fn. 424.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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tumsschutz, der von einem Konstitutivakt des einfachen Gesetzgebers unabhängig ist. Damit ist gleichsam auch die Funktion skizziert, die das Gericht der Institutsgarantie gibt: Sie wirkt, adressiert an den einfachen Gesetzgeber286, als objektiver Rechtmäßigkeitsmaßstab für gesetzliche Neuregelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG287. Die Legislative ist aus der Einrichtungsgarantie verpflichtet, einen „Grundbestand von Normen“288 zu schaffen und zu erhalten, auf dessen Fundament es dem Bürger möglich ist, Eigentumspositionen zu erwerben, die dann wiederum unter den (weiterreichenden) Schutz der Bestandsgarantie fallen.

(2) Die Konzeption des sog. objektiven Abwägungsgebotes Gerade in neuerer Zeit mehren sich Stimmen289, die gegen diesen Rückgriff der h. L. auf die Institutsgarantie Einwände erheben. Der Hauptvorwurf ist, daß sich aus der Einrichtungsgarantie kaum materielle Vorgaben herleiten ließen, so daß mit ihrer Hilfe kein hinreichender Schutz des Betroffenen hinsichtlich des zukunftsgerichteten Anwendungsbereiches einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG erreicht werden könne. Abhilfe soll deswegen ein sog. objektiv wirkendes Abwägungsgebot290 schaffen291. Hiermit soll es möglich sein, auch in Fällen, in de286 Böhmer, Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 68; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 14; Sproll, in: Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 19; a.A. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 34, der Wirkungen auch gegenüber der Exekutive und Judikative betont. 287 Zur Frage, ob sich aus dieser objektiven Gewährleistung auch ein subjektives Abwehrrecht herleiten läßt, siehe unten S. 220 ff. 288 BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (241); BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784. Siehe ferner BVerfGE 24, 367 (389); 58, 300 (339), wonach die Institutsgarantie verbietet, daß „solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören“. 289 Eingehend jüngst Grochtmann, Art. 14 GG, S. 35 ff.; zuvor bereits Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 128, 139 f.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 119 ff.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 32; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 139. 290 Begriff von Grochtmann, Art. 14 GG, S. 52. 291 Da keine der in Fn. 289 genannten Stimmen – wie in der vorliegenden Arbeit – zwischen Regelungen der Aus- und Umgestaltung unterscheidet, beziehen sich ihre Erwägungen zum obj. Abwägungsgebot regelmäßig auf die Fälle des zukunftsgerichteten Regelungsgehalts einer Umgestaltung (siehe zu diesem Bereich bereits oben S. 192 f.). Bei Umgestaltungen steht jedoch der Schutz vor ihrem zukunftsbezogenen Anwendungsbereich regelmäßig nicht im Mittelpunkt des Interesses, weil bei derartigen Regelungen aufgrund des gleichsam erfolgten Eingriffs in Altrechte zugleich auch die Bestandsgarantie der Altrechtler eingreift und ihre spezifische Schutzwirkung entfaltet (hierzu noch ausführlich unten S. 222 ff.). Die Frage nach einem obj. Abwägungsgebot stellt sich daher i. e. L. für die Fälle der Ausgestaltung. Denn hier hat die Norm ausschließliche Zukunftswirkung, so daß die Rechtsstellungsgarantie nicht greift und die Frage nach einem bestandsunabhängigen Eigentumsschutz weitaus dringender ist. A minori ad maius müssen die Erwägungen dieser Stimmen zum obj. Abwägungs-

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

nen kein Eingriff in die Bestandsgarantie zu verzeichnen ist, eine – über die Institutsgarantie hinausgehende – umfassende Abwägung der Eigentümerinteressen mit der Allgemeinwohlbindung vorzunehmen292. Besondere Beachtung verdient dieses Verständnis, weil zu seiner Herleitung häufig auf das BVerfG Bezug genommen wird. Ausgangspunkt ist hierbei der vom BVerfG in st. Rspr. betonte Umstand, daß eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG dem grundgesetzlich vorgegebenen Sozialmodell entsprechen, d. h. einen Ausgleich zwischen Eigentümer- und Allgemeinwohlbelangen auf Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips finden müsse293. Da das BVerfG davon ausgehe, daß bei jeder Inhalts- und Schrankenbestimmung ein Ausgleich zwischen diesen Polen zu schaffen sei, gelte das Abwägungsgebot auch für Neuregelungen, die nicht in die Bestandsgarantie eingriffen294. Dementsprechend habe das BVerfG in einer Vielzahl von Fällen hinsichtlich des zukunftsgerichteten Gehaltes einer Neuregelung eine objektive, von einem Eingriff in Altrechte losgelöste Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen295. Diese Prüfung ginge aber über die Institutsgarantie, die lediglich eine „letzte, äußerste Grenze“296 für den Gesetzgeber setze, hinaus297. Als Folge dessen wird zum Teil der Einrichtungsgarantie die Daseinsberechtigung abgesprochen298. (a) Der positive Grundansatz des objektiven Abwägungsgebotes Zunächst ist anzuerkennen, daß der Grundgedanke, der zur Entwicklung des eben skizzierten objektiven Abwägungsgebotes geführt hat, Zustimmung verdient. Es geht darum, im Anwendungsbereich des zukünftigen Regelungsgehaltes einer Vorschrift im Sinne des Art. 14 I 2 GG eigentumsgrundrechtliche Schutzmechanismen aufzustellen, die trotz Anerkennung der Gesetzesabhängigkeit der Eigentumsbestandsgarantie den Vorwurf „Eigentum nach Gesetz“ entkräften. Angesichts desgebot somit erst recht auch für die Fälle der Ausgestaltung gelten. Deswegen werden sie bereits an dieser Stelle erörtert. 292 Vgl. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 139; Grochtmann, Art. 14 GG, 35 ff. 293 Hierzu bereits oben S. 199 ff. 294 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 40, mit Verweis u. a. auf BVerfGE 50, 290 (340), wonach „Eigentumsbindungen stets verhältnismäßig“ sein müssen; w. Nw. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 40 Fn. 172. 295 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 328 ff. verweist u. a. auf BVerfGE 70, 191 (205 ff.); 71, 137 (143 ff.); 71, 230 (246 f.); 79, 29 (41 ff.); 95, 64 (94 ff.). 296 Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 139; ebenso Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 121; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 32. 297 Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 139; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 121; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 32; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 139. Nach Grochtmann, Art. 14 GG, S. 73 Fn. 325, geht das obj. Abwägungsgebot über die Institutsgarantie sogar „weit hinaus“. 298 Etwa von Grochtmann, Art. 14 GG, S. 102.

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sen, daß hier die Individualrechtsgarantie aufgrund ihrer Entstehungsschwäche nicht greift, werden derartige Einwände im Schrifttum nicht selten erhoben299. Nicht selten werden sie sogar zum Anlaß genommen, um das gesamte bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsmodell in Frage zu stellen300. Zu Recht wird daher beklagt, daß diesem Problem angesichts seiner Bedeutung für ein in sich geschlossenes Eigentumskonzept viel zu wenig Beachtung geschenkt wird301. Dessen ungeachtet kann dem objektiven Abwägungsgebot in der Ausprägung, wie es oben skizziert worden ist, nicht gefolgt werden. Die Idee ist maßgeblich geprägt von dem Verlangen, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für jede Art von Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG als Kriterium zur Beurteilung ihrer Verfassungsmäßigkeit fruchtbar zu machen. Daß dieser bei Umgestaltungen in bezug auf den gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogenen Anwendungsbereich einer Norm greift, wird schwerlich in Frage zu stellen sein. Da hier ein Zugriff auf Altrechte erfolgt, mithin ein klassischer Grundrechtseingriff, kann unproblematisch eine Abwägung zwischen dem Individualgrundrecht und Art. 14 II GG geschehen302. Hinsichtlich des zukünftigen Regelungsgehaltes scheint diese Frage problematischer, da es aufgrund der Entstehungsschwäche der Bestandsgarantie gerade an einem Eingriff in bereits zugewiesene Rechte fehlt. Die Rechtsstellung ist von Beginn an mit den geregelten Verkürzungen belastet. Die entscheidende Frage ist daher, inwieweit die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen Grundrechtseingriff im herkömmlichen Sinne erfordert. Grochtmann weist in diesem Zusammenhang überzeugend nach, daß, abgesehen von einzelnen Stimmen im Schrifttum303, das BVerfG und die überwiegende Lehre nicht von einem eingriffsbezogenen Verständnis ausgehen, sondern eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen den einschlägigen Belangen auch hinsichtlich des zukunftsbezogenen Regelungsgehaltes einer Eigentumsnorm vornehmen304. Dies gilt umso mehr, sofern man bei Art. 14 GG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht im Rechtsstaatsprinzip, sondern in der Grundrechtsnorm selbst verankert sieht, weil diese das „dialektische Verhältnis“ von Eigentümerinteressen (Art. 14 I 1 GG) und Gemeinwohlbindung (Art. 14 II GG), d. h. die miteinander abzuwägen299 Siehe z. B. der oben auf S. 202 zitierte Vorwurf von Lutz, das Wort Eigentumsschutz könne einem hier gar nicht mehr über die Lippen kommen. 300 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 36 f., betont, daß auch diese Frage nach dem Schutz vor dem zukünftigen Anwendungsbereich einer Norm ein Punkt sei, an den Stimmen aus dem Schrifttum (siehe die Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 36 Fn. 157) anknüpfen, um das Versagen des bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnisses nachzuweisen. 301 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 35 f. 302 Hierzu noch näher unten auf S. 222 ff. 303 Z. B. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 118; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 118; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 223; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 35; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 57 ff. 304 Siehe hierzu ausführlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 37 ff., 328 ff. m. Nw. zum BVerfG (siehe auch bereits die Nw. oben in Fn. 294 f.) und auf S. 52 ff., insbes. S. 57 ff., 70 ff. m. Nw. der einschlägigen Literatur.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

den Belange unmittelbar vorgibt305. Trotz dieses zutreffenden Ansatzes kann die Annahme eines objektiven Abwägungsgebotes in der Form, wie es von den genannten Vertretern verstanden wird, nicht überzeugen. (b) Fehlende Verankerung des objektiven Abwägungsgebotes in der Rspr. des BVerfG Zunächst ist sich zu vergegenwärtigen, daß jede Verhältnismäßigkeitsprüfung zumindest zwei Pole voraussetzt, zwischen denen die betreffende Abwägung zu erfolgen hat. Wird mit den Anhängern des objektiven Abwägungsgebotes zu Recht davon ausgegangen, daß die Abwägungstauglichkeit eines grundrechtlichen Belanges nicht zwingend einen klassischen Grundrechtseingriff in diesen Belang voraussetzt, er also auch ohne einen solchen in die Prüfung eingestellt werden kann, so bedarf es dennoch eines bestimmten Bezugspunktes für die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Abwägung mit den entgegenstehenden Belangen kann nicht im „luftleeren Raum“ erfolgen306. Der Gemeinwohlbindung des Art. 14 II GG muß also ein materieller Pol gegenüberstehen, der die Eigentümerinteressen vertritt307. Daher liegt es nahe, an dieser Stelle mit der h. L. auf die in Art. 14 I 1 GG gleichsam verwurzelte Institutsgarantie zurückzugreifen. Auch das BVerfG bewegt sich in mehreren Entscheidungen auf dieser Linie. So wird z. B. bei der Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit des im Patentgesetz normierten Versuchsprivilegs, d. h. einer Norm, die lediglich ausgestaltenden Charakter hat308, ausdrücklich die Institutsgarantie herangezogen309. Gleichsam prüft das BVerfG die Einrichtungsgarantie auch in einigen Entscheidungen bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit des zukunftsgerichteten Anwendungsbereichs einer Umgestaltung310. Dieser Weg wird von den Anhängern des objektiven Abwägungsgebotes jedoch nicht gegangen. Abgestellt wird vielmehr auf einen über die Institutsgarantie hinausgehenden Gewährleistungsgehalt des Art. 14 I 1 GG, der sich nicht zuletzt aus der Rspr. des BVerfG ergebe. Als Anknüpfungspunkt hierfür werden Entscheidungen herangezogen, in denen das Gericht die „grundgesetzliche Anerkennung“311 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 75 f.; siehe auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 66 Fn. 283. Vgl. Maurer, Staatsrecht, § 8 Rn. 56; Degenhardt, Staatsrecht, Rn. 390 a. E. 307 Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG scheidet mangels Eingriffs in diese aus. 308 Hierzu schon oben S. 188 f. 309 BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784; dazu auch Sachs, JuS 2001, S. 915. Dergleichen wird zu Recht davon ausgegangen, daß das BVerfG in der Pflichtexemplars-Entscheidung, in der es ebenfalls um eine Ausgestaltungsregelung ging (hierzu oben S. 186 f.), wenn zwar nicht ausdrücklich, so doch aber in der Sache auf seiten des Art. 14 I 1 GG die Institutsgarantie herangezogen hat (Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 179 Fn. 119; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 497 f.; Dieterich, Eigentum und Grundwasserschutz, S. 38). 310 Institutsgarantie geprüft in bezug auf diese „Vorfrage“ z. B. in BVerfGE 24, 367 (389 f.); 58, 300 (338 f.); ähnlich BVerfGE 31, 229 (240 f.); 51, 193 (217). 311 BVerfGE 37, 132 (140); 52, 1 (29); 58, 300 (338); 70, 191 (200); 74, 203 (214). 305 306

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des Privateigentums, die „grundlegende Wertentscheidung“312 des GG zugunsten des Privateigentums bzw. den „grundlegenden Gehalt der Eigentumsgarantie“ 313 betont. In diesen Passagen zeige sich ein grundlegendes Bekenntnis des BVerfG zur Eigentumsgarantie, das über die Institutsgarantie (weit) hinaus reiche und hinsichtlich des zukunftsbezogenen Anwendungsbereichs einer Norm auf seiten der Eigentümerinteressen als Gegenpol zu Art. 14 II GG einzustellen sei314. Diese Interpretation der zitierten Passagen des BVerfG entgegnet jedoch Bedenken. Denn das Gericht betont in st. Rspr., daß Art. 14 I 1 GG (nur) zwei Gewährleistungen enthalte: die Bestands- und die Institutsgarantie315. Schon angesichts dessen erscheint zweifelhaft, ob sich allein auf Grundlage der vorgenannten Stellen, in denen das Gericht vage von einer „grundlegenden Wertentscheidung“ etc. spricht, aus Art. 14 I 1 GG eine dritte Gewährleistung entnehmen läßt, die von ihrem Schutzgehalt her zwischen Bestands- und Institutsgarantie liegen müßte. Das BVerfG hat, soweit erkennbar, an keiner Stelle, anders als bei der Bestandsund Institutsgarantie, nähere Ausführungen zu Inhalt und Funktion einer derartigen (dritten) Gewährleistung gemacht316. Bei genauer Untersuchung erschließt sich denn auch, daß die Annahme einer solchen nicht überzeugt. Werden die oben317 zitierten Passagen nicht isoliert, sondern im jeweiligen Entscheidungszusammenhang betrachtet, so läßt sich feststellen, daß sie nur generalisierende Aussagen des Gerichts zur Skizzierung des von Art. 14 I, I 2, II GG vorgegebenen Abwägungsmodells sind. So betont das BVerfG in der zitierten Passage der ersten Kleingarten-Entscheidung, daß bei der Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG das von Art. 14 GG vorgegebene „Sozialmodell“ zu prüfen sei. Dessen „normative Elemente“ seien gekennzeichnet auf der einen Seite durch die „grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG“, auf der anderen durch das „Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG“318. Der von den obigen Stimmen aus dieser Entscheidung herangezogene Terminus der „grundgesetzlichen AnBVerfGE 14, 263 (278); 21, 150 (155); ähnlich BVerfGE 18, 121 (132). BVerfGE 34, 139 (146); 37, 132 (140). 314 Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 139 f., S. 141 Fn. 405; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 121; ähnlich auch Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 6. In diese Richtung, aber ohne genauen Bezug auf die Entscheidungen des BVerfG, Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 32 (mit Verweis auf eine „Wertentscheidung“ für das Privateigentum); Grochtmann, Art. 14 GG, S. 76, 78, 90 („objektive Wertentscheidung“ bzw. „objektiver Schutzgehalt“ des Art. 14 GG). 315 Vgl. die Nw. oben S. 22 Fn. 1. Z. T. weist es noch auf eine Wertgarantie hin, in die die Bestandsgarantie im Fall des Art. 14 III GG umschlage (Nw. oben S. 115 Fn. 474). 316 So muß denn auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 42, 82, 334, feststellen, daß das von ihm konstatierte obj. Abwägungsgebot vom BVerfG an keiner Stelle näher erläutert wird. 317 Zu Fn. 311 – 313. 318 BVerfGE 52, 1 (29), bereits vollständig zitiert oben S. 200 Fn. 251; eine identische Formulierung findet sich in BVerfGE 37, 132 (140). 312 313

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

erkennung des Privateigentums“ wird hier also nur als abstrakte Umschreibung der in Art. 14 I 1 GG verwurzelten Eigentümerinteressen verwendet, sozusagen als Oberbegriff für die beiden in Art. 14 I 1 GG verwurzelten Gewährleistungen der Bestands- und Institutsgarantie. Gleiches gilt für die übrigen herangezogenen Formulierungen319. Eigenständige, von Bestands- bzw. Institutsgarantie zu unterscheidende materielle Gehalte kommen ihnen nicht zu. (c) Kein Bedürfnis für das objektive Abwägungsgebot aufgrund Eingreifens der Institutsgarantie Ist damit bereits äußerst zweifelhaft, ob sich das oben aufgezeigte Verständnis eines objektiven Abwägungsgebotes auf die genannten Entscheidungen des BVerfG stützen läßt, so sprechen gegen dieses Konzept auch praktische Einwände. Denn es bedarf eines solchen gar nicht, um das von den Vertretern des objektiven Abwägungsgebotes angestrebte Ziel zu erreichen, auch hinsichtlich des zukünftigen Regelungsgehaltes einer Norm hinreichenden Eigentumsschutz zu gewährleisten. Denn bei genauer Betrachtung läßt sich dieses Vorhaben bereits hinreichend auf die Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG stützen. Wie schon angedeutet sehen die Vertreter des objektiven Abwägungsgebotes das Bedürfnis nach einer solchen Konstruktion maßgeblich darin begründet, daß hinsichtlich des zukünftigen Regelungsgehaltes einer Norm – mangels Eingreifens der Bestandsgarantie – nur die Institutsgarantie verbliebe, diese jedoch nur eine „letzte, äußerste Grenze“ für den Eigentumsschutz bilde320. Sie sichere lediglich einen „dringlichsten Mindeststandard“321, sei also nur die „innerste Verteidigungslinie“ bzw. „letzte Schutzbastion“322 für die Eigentümerinteressen. Es handele sich um eine „zahnlose Restriktion“, die dem Gesetzgeber eine „ungezügelte Gestaltungsmacht“ in die Hände lege323. Das in diesen Stellungnahmen zum Ausdruck kommende Verständnis der Institutsgarantie als starres, allerletztes Bollwerk für die Eigentümerinteressen, das so weit hintan steht, daß es in praxi durch eine gesetzliche Neuregelung nie tangiert sein dürfte, wird jedoch ihrer Bedeutung bei weitem nicht gerecht. Es wird verkannt, daß sich der Schutzgehalt der Instituts319 In allen angeführten Entscheidungen hat die Betonung des grundgesetzlichen Bekenntnisses zur Eigentumsgarantie nur den Sinn, Art. 14 I 1 GG als den einen von beiden Abwägungspolen mit einer neutralen Formulierung zu umschreiben. Vgl. insbes. BVerfGE 18, 121 (132), wo das Gericht feststellt, der Gesetzgeber müsse i. R. d. Art. 14 I 2 GG nicht nur die „Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums“, sondern auch „alle übrigen Normen und Wertentscheidungen der Verfassung“, d. h. auch Art. 14 II GG beachten. Auch hier zeigt sich das Verständnis dieses Terminus als „Oberbegriff“ und nicht als eine spezielle, in Art. 14 I 1 GG niedergelegte dritte Gewährleistung. 320 Vgl. oben S. 208. 321 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 82. 322 Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 104, 139. 323 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 89.

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garantie flexibel durch ihre Kombination mit Erwägungen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip gestalten läßt. Grochtmann weist, wie bereits angeführt, zutreffend diejenigen Literaturstimmen zurück, die die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausdrücklich davon abhängig machen, daß eine Neuregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG einen Eingriff in Altrechte vornimmt. Sowohl das BVerfG als auch das Schrifttum gingen überwiegend nicht von einer Eingriffsbezogenheit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus324. Umso widersprüchlicher erscheint es dann aber, wenn Grochtmann nun der h. L., die den zukunftsgerichteten Regelungsgehalt einer Norm anhand der Institutsgarantie prüfen will, dasselbe Denkmuster unterstellt wie den Stimmen, die die Notwendigkeit eines Eingriffs für die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes behaupten. Auch die h. L. verneine durch ihre Anknüpfung an die Institutsgarantie die Möglichkeit einer (objektiven) Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des zukunftsbezogenen Regelungsgehaltes einer Norm. Wenn auch nicht ausdrücklich, so „schwingen [beim Rekurs auf die Einrichtungsgarantie] angesichts einer konkludenten Ablehnung einer objektiv-generellen Verhältnismäßigkeitsprüfung in bezug auf die zukünftige Gestaltung der Eigentumsordnung Vorstellungen einer notwendigen Eingriffsbezogenheit der Verhältnismäßigkeitsprüfung mit.“325 Daß diese Feststellung aber nicht trägt, zeigt ein Blick auf entsprechende Literaturstimmen, die die Institutsgarantie nicht als starre Grenze verstehen, sondern ihre Prüfung mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verknüpfen326. Dieser Befund erhält umso mehr Gewicht, als auch das BVerfG wiederholt die Einrichtungsgarantie als Prüfungsmaßstab für den zukunftsbezogenen Anwendungsbereich einer Neuregelung heranzieht und ihre Prüfung mit Verhältnismäßigkeitserwägungen anreichert. Bereits in einer frühen Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz betont es ausdrücklich, daß die Institutsgarantie nur durch solche Gemeinwohlbelange verdrängt werden könne, denen „bei Beachtung des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang“ zukomme327. Dergleichen prüft es in der Naßauskiesungs-Entscheidung328 hinsichtlich des zukunftsbezogenen AnwendungsHierzu bereits oben S. 209. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 55. Ebenso Grochtmann, Art. 14 GG, S. 79 Fn. 355: Die h. L. behaupte mit ihrer Anknüpfung an die Einrichtungsgarantie „implizit“ eine Eingriffsbezogenheit der Verhältnismäßigkeitskontrolle. 326 Z. B. Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 124 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 57; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 29 f.; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 38; ders., JURA 1999, S. 466; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 226; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 60 f.; Erbguth, JuS 1988, S. 704; Schoch, JURA 1989, S. 119. In diesem Zusammenhang wird sogar die Frage diskutiert, welche Elemente des allg. Verhältnismäßigkeitsprinzips bei Überprüfung derartiger, nicht in die Bestandsgarantie eingreifender Neuregelungen heranzuziehen sind. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 280 ff., lehnt z. B. die Erforderlichkeitsprüfung ab. 327 BVerfGE 26, 215 (222). 328 BVerfGE 58, 300 ff. 324 325

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

bereichs der angegriffenen Norm die Einhaltung des Sozialmodells zwischen der Institutsgarantie und der Gemeinwohlbindung unter Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit. Das Gericht sieht die Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG hier nur deshalb als gewahrt, weil ihr im Verhältnis zu den auf dem Spiel stehenden Gemeinwohlbelangen ein relativ geringes Gewicht zukomme329. Auf der einen Seite stehe die Sicherung des Grundwassers mit ihrer „lebensnotwendige[n]“, „kaum zu überschätzende[n] Bedeutung“330. Auf der anderen Seite hätten die Eigentümerinteressen nur geringe Bedeutung, weil die Möglichkeit, ein Grundstück wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen, im Regelfall nicht davon abhänge, daß dort Grundwasser gefördert werden könne331. Eine Abwägung führt daher zum Ergebnis, daß die Institutsgarantie nicht verletzt ist332. Die Verknüpfung zwischen Institutsgarantie und Verhältnismäßigkeitsprinzip betont das BVerfG auch in jüngerer Zeit. In seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des patentrechtlichen Versuchsprivilegs wird festgestellt, der Gesetzgeber habe bei dieser (ausgestaltenden) Norm die grundgesetzlich vorgegebene Aufgabe erfüllt, einen „gerechten“ und „vernünftigen Ausgleich“ zwischen der in Art. 14 I 1 GG verankerten Institutsgarantie und dem Gemeinwohl (Art. 14 II GG) zu schaffen333. Läßt sich nach dem Vorgenannten die Institutsgarantie als Gegenpol zu Art. 14 II GG im Rahmen der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einstellen, so ist der Weg vorgezeichnet weg von ihrem starren Verständnis als „letzte Schutzbastion“ hin zu einer flexiblen Handhabung. Je nachdem, wie stark der Freiheitsbezug im Einzelfall ist, müssen die Gemeinwohlbelange umso gewichtiger sein, um die durch die Einrichtungsgarantie gewährleisteten Eigentümerinteressen zu verdrängen. Das Konzept einer „gleitenden Sozialbindung“334 findet also nicht nur für die Fälle eines Eingriffs in Altrechte Anwendung, sondern auch hinsichtlich des zukünftigen Regelungsgehaltes einer Norm, d. h. wenn auf seiten des Art. 14 I 1 GG (lediglich) die Institutsgarantie greift335. Die Eigentümer- bzw. Gemeinwohlbelange erhalten im Rahmen der Abwägung umso mehr Gewicht, je ausgeprägter der personale bzw. soziale Bezug im Einzelfall ist. Vgl. BVerfGE 58, 300 (338 ff.). BVerfGE 58, 300 (341, 344). 331 BVerfGE 58, 300 (345). 332 Eine andere Frage ist, ob der durch die Regelung bewirkte Eingriff in Altrechte verhältnismäßig ist. Hier greift auf seiten des Art. 14 I 1 GG die (gewichtigere) Bestandsgarantie, dazu BVerfGE 58, 300 (348 ff.). 333 BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784 f.; siehe zu dieser Entscheidung auch Sachs, JuS 2001, S. 915. Ebenso bereits BVerfGE 31, 229 (241 f.), wo das Gericht einen „gerechten Ausgleich“ zwischen der Institutsgarantie und Art. 14 II GG betont. 334 Vgl. oben S. 201. 335 Die Vorstellung einer gleitenden Sozialbindung betonen im Zusammenhang mit der Einrichtungsgarantie auch Erbguth, JuS 1988, S. 705; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 99; Kube, JURA 1999, S. 466; Schoch, JURA 1989, S. 119; Wahl, NVwZ 1984, S. 404. 329 330

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Auch dieses Verständnis läßt sich in der Rspr. des BVerfG aufzeigen. Eben wurde bereits auf seine Ausführungen in der Naßauskiesungs-Entscheidung hingewiesen, in der es die Einrichtungsgarantie hinter Art. 14 II GG zurücktreten läßt, weil ihr dort im Verhältnis zu den Gemeinwohlbelangen nur geringes Gewicht zukomme. Ein hoher sozialer Bezug führt auch in der Pflichtexemplars-Entscheidung336 zu einer (teilweisen) Verdrängung der Institutsgarantie. In den Normalfällen einer Massenproduktion von Büchern sei der Sozialbezug, weil das Druckwerk mit seiner Publikation „geistiges und kulturelles Allgemeingut“ werde, besonders gewichtig, und verdränge die durch die Institutsgarantie gesicherten Eigentümerinteressen337. Andererseits finden sich mehrere Fälle, in denen das BVerfG den durch die Institutsgarantie gewährleisteten Eigentümerinteressen großes Gewicht zuspricht, weil ein besonderer personaler Bezug bestehe. Maßgeblich ist insofern wieder, wie stark die potentielle Rechtsstellung des Newcomers Ausdruck eines oder mehrerer Strukturmerkmale des Verfassungseigentums ist. So wird vom BVerfG z. B. betont, die Eigentumsgewährleistung als Rechtseinrichtung sei u. a. durch das Merkmal der Privatnützigkeit gekennzeichnet338. Damit bringt es zum Ausdruck, daß auch lediglich ausgestaltende Neuregelungen bestimmte Eigentumsbefugnisse, die in besonderer Weise Ausdruck eines Nutzens für Privatpersonen sind, nur bei Rechtfertigung durch entsprechend gewichtige Gemeinwohlbelange von vornherein aus dem Eigentumsschutz ausklammern dürfen. Mangels letzterer wäre es z. B. aufgrund Verstoßes gegen die von der Institutsgarantie gewährleistete Privatnützigkeit verfassungswidrig, wenn sich der Gesetzgeber für die Zukunft anschickte, die Möglichkeit zu bauen einfachgesetzlich als repressives Verbot auszugestalten mit der Folge, daß ein Eigentumsbestandsschutz für die Zukunft bereits am Vorliegen einer Rechtsposition scheitern würde339. Dasselbe gilt für das Merkmal der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis. Das BVerfG stellt heraus, als Einrichtungsgarantie sichere Art. 14 I 1 GG auch „die Freiheit des Eigentümers, sein Eigentum veräußern zu dürfen.“340 Wird durch den zukunftsgerichteBVerfGE 58, 137 ff. Vgl. BVerfGE 58, 137 (148). Anders sei die Gewichtsverteilung bei bibliophilen Kostbarkeiten. Hier überwiege aufgrund des Kostenaufwandes die Institutsgarantie, die Regelung sei insofern mit Art. 14 GG unvereinbar (vgl. BVerfGE 58, 137 [149 ff.]). Siehe die ähnliche Argumentationsweise bereits in BVerfGE 31, 229 (242 ff.). 338 BVerfGE 31, 229 (240); BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784. Nicht eindeutig sind in diesem Zusammenhang einige neuere Entscheidungen des Gerichts einzuordnen, in denen sich die Formulierung findet, Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gehörten zum „Kernbereich“ des Eigentumsrechts und dürften nicht ausgehöhlt werden (BVerfGE 84, 382 [384]; 91, 294 [308]; 100, 226 [241]; BVerfG, 1 BvR 1402 / 01, K.-Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376). Es liegt nahe, auch darin die Betonung beider Merkmale als Elemente der Institutsgarantie zu sehen (so auch Grochtmann, Art. 14 GG, S. 29 Fn. 123 a. E.). Siehe ferner die Nw. zur eigentumsrechtlichen Literatur, die die Merkmale „Privatnützigkeit und grds. Verfügungsbefugnis“ als Elemente der bundesverfassungsgerichtlichen Institutsgarantie betont, bereits oben auf S. 77 Fn. 275. 339 Hierzu bereits oben S. 138 Fn. 576. 336 337

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

ten Regelungsgehalt einer Vorschrift die Verfügungsmöglichkeit über einen Eigentumsgegenstand ausgeschlossen, so erfordert die Institutsgarantie im Rahmen der Prüfung, ob der Gesetzgeber sich innerhalb des eigentumsgrundrechtlich vorgegebenen Sozialmodells bewegt, die Feststellung entsprechender, diese im Einzelfall überwiegender Gemeinwohlbelange. Darüber hinaus hebt das BVerfG auch das Strukturmerkmal der Eigenleistung im Zusammenhang mit der Einrichtungsgarantie hervor. In seiner ersten Urheberrechts-Entscheidung führt es aus, die Garantie des Eigentums als Rechtseinrichtung fordere die „grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber“341. Diese Passage hat es später in bezug auf das Warenzeichen342 bzw. Patent343 wiederholt. Das Gericht bringt damit zum Ausdruck, daß auch eine lediglich an der Institutsgarantie zu messende Neuregelung den besonderen Freiheitsaspekt, der in einer eigenen Leistung des Bürgers zum Ausdruck kommt, nicht ohne Rechtfertigung durch entsprechende Gemeinwohlbelange ausklammern darf. Vor allem bei Immaterialgüterrechten besteht aufgrund ihres besonderen Bezugs zu einer Eigenleistung des Betroffenen grundsätzlich die Pflicht, das vermögenswerte Ergebnis dieser Leistung ihrem Erbringer zuzuordnen344. Unterläßt der Gesetzgeber dies, bedarf es einer Rechtfertigung durch entsprechend gewichtige Gründe des Gemeinwohls.

(3) Zwei verschiedene Schutzwirkungen der Institutsgarantie Wird bereits aufgrund der bisherigen Ausführungen deutlich, daß die Institutsgarantie der richtige Anknüpfungspunkt ist, um dem von einer Ausgestaltung betroffenen Newcomer eigentumsgrundrechtlichen Schutz vor dem zukunftsbezogenen Anwendungsbereich eines Gesetzes zu vermitteln, so zeigt sich dieses Verständnis dadurch in Gänze, daß sich – entsprechend der beiden oben345 skizzierten verschiedenen Fallgruppen der Ausgestaltung – zwei verschiedene Schutzwirkungen der Einrichtungsgarantie herausarbeiten lassen.

340 BVerfGE 26, 215 (222). Das Gericht betont weiter, diese Befugnis sei „ein elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung.“ Ein Veräußerungsverbot gehöre daher zu den „schwersten Eingriffen in den Freiheitsbereich des Bürgers.“ Im Zusammenhang mit der Institutsgarantie wird die Verfügungsbefugnis als Strukturmerkmal ferner genannt z. B. in BVerfGE 31, 229 (240 f.). 341 BVerfGE 31, 229 (240 f.), ferner BVerfGE 31, 275 (291). Ebenso, wenn auch ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Einrichtungsgarantie, BVerfGE 49, 382 (392); 77, 263 (270 f.); 79, 1 (25); 79, 29 (40). 342 BVerfGE 51, 193 (217). 343 BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.-Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1784. 344 Hierzu näher Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 212. 345 Vgl. S. 180 ff.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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(a) Schutz der originären „Eigentumserwerbsfreiheit Die Einrichtungsgarantie schützt zum einen – in der Reichweite des von ihr erfaßten Grundbestandes – verfassungsunmittelbar eine „Erwerbsfreiheit“ des (potentiellen) Eigentümers346. Zwar hat das BVerfG diese Frage bislang ausdrücklich offengelassen347. Die Einordnung der Eigentumserwerbsfreiheit als Schutzgut der Institutsgarantie ist jedoch auf Grundlage seines normgeprägten Eigentumsverständnisses konsequent. Denn nur so wird der Gefahr entgegengetreten, daß das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Zuweisung konkreter Rechtspositionen zur Eröffnung des Bestandsschutzes (Art. 14 I 2 GG) den Gesetzgeber an sich in die Lage versetzt, den von der Rechtsstellungsgarantie gewährleisteten Eigentumsschutz auszuhöhlen. Er könnte es nämlich schlichtweg unterlassen, überhaupt Eigentumsrechte zur Verfügung zu stellen, so daß die Bestandsgarantie von vornherein verhindert wäre, ihre Wirkung zu entfalten348. Diese Gefahr sieht auch das BVerfG, wenn es betont, daß die Bestandsgarantie die Institutsgarantie voraussetze, weil das Individualgrundrecht „[ . . . ] nicht wirksam gewährleistet [sei], wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privateigentums etwas setzen könnte, was den Namen ,Eigentum‘ nicht mehr verdient.“349

Diese Funktion der Institutsgarantie hat ihre Bedeutung vor allem in der ersten Fallgruppe der Ausgestaltung, der originären „Einführung neuer Rechte“. In Sachbereichen, die bislang eigentumsrechtlich noch völlig ungeregelt waren, muß der Gesetzgeber die entsprechenden Vorschriften schaffen, damit der Bürger die betreffenden Rechte – soweit diese zum Grundbestand einer eigentumsgrundrechtlichen Güterordnung zählen – einfachgesetzlich zu Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie erwerben kann350. Zutreffend spricht Böhmer insoweit von „Rege346 Ebenso Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 43 Fn. 145; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 224; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 90; Pabst, JuS 2001, S. 1147; Herzog, in: Evangelisches Staatslexikon, Sp. 676; Wittig, NJW 1967, S. 2185 f. m. w. Nw.; ähnlich Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 220, der von einer „Vorwirkung“ des Art. 14 I GG spricht. 347 BVerfGE 21, 73 (76 f.); BVerfG, 1 BvR 335 / 89, K.-Beschl. v. 02. 12. 1999, NVwZ 2000, S. 428. 348 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 184 f. Die Institutsgarantie hat daher von ihrem Ursprung her die Aufgabe, den von der Bestandsgarantie gewährleisteten Eigentumsschutz überhaupt erst zu ermöglichen. Deswegen darf sie nicht, wie es z. T. geschieht, zur Relativierung derselben in Stellung gebracht werden (hierzu bereits oben S. 95). 349 BVerfGE 24, 367 (389); die letzten Worte dieser Passage gehen wohl zurück auf Wolff, in: FS-Kahl, S. 6. Die Institutsgarantie als Instrument gegen ein „Leerlaufen“ der Bestandsgarantie betonen u. a. auch Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 15; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 127; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 92. 350 Siehe z. B. die oben zu Fn. 341 ff. genannten Entscheidungen des BVerfG, wonach der Gesetzgeber aus der Institutsgarantie verpflichtet ist, bestimmte Immaterialgüterrechte einfachgesetzlich derart auszugestalten, daß dem Bürger die Möglichkeit eröffnet ist, diese als Bestandseigentum erwerben zu können.

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lungspflichten“, die sich für den Gesetzgeber aus der Einrichtungsgarantie ergäben351. In diesem Zusammenhang nicht überzeugend ist die z. T. vorgenommene Zuordnung der Eigentumserwerbsfreiheit als Bestandteil der Individualrechtsgarantie des Art. 14 GG352. Hiergegen spricht die Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie. Können unter ihren Schutz nur solche Befugnisse fallen, die einfachgesetzlich ausgeformt sind, so kann die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Möglichkeit eines Erwerbs solcher Rechte durch den Erlaß entsprechender Gesetze erst zu schaffen, nicht bereits selbst unter die Bestandsgarantie fallen. Es handelt sich insofern lediglich um Erwerbschancen, die nicht den Anforderungen an eine Rechtsposition genügen. Ihr Schutz kann sich nur verfassungsunmittelbar, mithin aus der Institutsgarantie ergeben. Nicht überzeugend sind ferner andere Stimmen, die von einer Verortung der Eigentumserwerbsfreiheit in Art. 2 I GG unter vollständigem Ausschluß von Art. 14 GG ausgehen353. Da Art. 14 GG eine spezifische Absicherung der Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich enthält354, ist Art. 14 GG – wenn auch hier lediglich in Ausprägung der Institutsgarantie – insofern Spezialnorm gegenüber Art. 2 I GG355. Sofern der Erwerbsvorgang aber zugleich einen Berufsbezug hat, wird die Einrichtungsgarantie des Art. 14 GG vom insoweit wiederum spezielleren Art. 12 I GG verdrängt356. (b) Schutz vor einem „Auslaufenlassen“ bestehender Eigentumserwerbsmöglichkeiten Eine darüber hinausgehende Wirkung entfaltet die Institutsgarantie, wenn es um Sachverhalte der zweiten Fallgruppe von Ausgestaltungen geht. Macht der Gesetzgeber von seiner Möglichkeit Gebrauch, das Entstehen von Eigentumsrechten bei Neueigentümern auszuschließen, deren Erwerb nach bislang geltendem Recht bereits möglich war357, so hat die Institutsgarantie die Aufgabe, vor einem zu weitgehenden „Auslaufenlassen“ derartiger Eigentumserwerbsmöglichkeiten zu schütBöhmer, NJW 1988, S. 2563. So etwa Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 298 f.; Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 47 f. 353 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 151; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 276. 354 Vgl. nur BVerfGE 88, 366 (377). 355 Auf einem anderen Blatt steht freilich, inwieweit mit einer durch die Institutsgarantie gesicherten Erwerbsfreiheit auch ein prozessual durchsetzbares subjektives Recht auf Eigentumserwerb korrespondiert, oder ob hier auf Art. 2 I GG zurückzugreifen ist; hierzu unten auf S. 220 ff. 356 Vgl. BVerfGE 30, 292 (334 f.); 68, 193 (216 ff., 222 f.); Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 298 f.; Wittig, NJW 1967, S. 2188; Herzog, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 676. 357 Vgl. oben S. 185. 351 352

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zen. Böhmer bringt dies zum Ausdruck, wenn er feststellt, aus der Institutsgarantie ergäben sich nicht nur Regelungspflichten, sondern auch „Regelungsgrenzen“358. Zwar ist auch in diesen Fällen die Institutsgarantie in Ausprägung der „Erwerbsfreiheit“ des Newcomers betroffen, da ihm wiederum die Möglichkeit genommen wird, Bestandseigentum erwerben zu können. Darin erschöpft sich die Einrichtungsgarantie hier jedoch nicht. Der Blick darf in derartigen Fällen nicht ausschließlich in die Zukunft gerichtet werden, sondern muß die Neuregelung auch unter dem Gesichtspunkt erfassen, daß sie die bereits in der Vergangenheit begründete Möglichkeit entzieht, auf Grundlage der bis dahin geltenden Gesetze Bestandseigentum erwerben zu können. Auch wenn diese Erwartungshaltung mangels vorherigen Bestehens eines Zuordnungsverhältnisses keine Rechtsposition darstellt und insofern der Bestandsschutz nicht greift, müssen die Allgemeinwohlbelange derart gewichtig sein, daß sie den Entzug dieser, bis dato einfachgesetzlich normierten und von der Institutsgarantie zusätzlich geschützten Erwerbshoffnung rechtfertigen. Insofern strahlt in diesen Fällen, wenn auch lediglich eingeschränkt, ein Element des „Vertrauensschutzes“ in die vorzunehmende Güterabwägung ein. Nach alledem ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß sich über die mit Verhältnismäßigkeitserwägungen angereicherte Institutsgarantie hinreichende eigentumsgrundrechtliche Kontrollmöglichkeiten auch für den Newcomer ergeben. Damit stellt sich zum einen der von Lutz359 erhobene Einwand gegen die Schwächeformel als haltlos heraus, diese führe zu einem Leerlaufen des Eigentumsschutzes für Neueigentümer. Die Eigentümerinteressen des von einer Ausgestaltung Betroffenen erfahren auf diesem Weg ausreichende Berücksichtigung. Zum anderen bedarf es keiner Konstruktion eines objektiven Abwägungsgebotes unter Ausklammerung der Institutsgarantie. Letztere ist vielmehr wesentlicher Bestandteil der eingriffsunabhängigen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Deswegen ist auch den nicht seltenen Stimmen aus dem Schrifttum entgegenzutreten, die sich zwar zur Annahme einer Institutsgarantie in Art. 14 GG bekennen, ihre Bedeutung aber für äußerst gering bzw. gleich Null erachten360. Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Ausgestaltung ist die Einrichtungsgarantie vielmehr die entscheidende Gewährleistung, die im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 II GG auf seiten des Art. 14 I 1 GG in die Waagschale zu legen ist361. 358 Böhmer, NJW 1988, S. 2563; in diese Richtung auch Manssen, Staatsrecht, Rn. 406; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 214 ff. 359 Vgl. oben S. 202. 360 In diesen Richtung etwa Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 4; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 228; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 85; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 14; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 100 ff.; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 104; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 952. 361 I. E. ebenso Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr, S. 115, 119; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 293 ff.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 183 ff. Vgl. auch Herzog, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 674, der eine „ungeheure praktische Bedeutung“ der Institutsgarantie feststellt; in diese Richtung auch Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I,

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

2. Prozessuale Geltendmachung der Einrichtungsgarantie Steht fest, daß sich Newcomer gegen ausgestaltende Regelungen materiellrechtlich ausschließlich auf die Institutsgarantie berufen können, soll ein Blick auf die prozessualen Schwierigkeiten gerichtet werden, die ein solcher Befund mit sich bringt. Sofern die Verfassungsmäßigkeit einer Ausgestaltung im Rahmen eines objektiven Rechtsbeanstandungsverfahrens, d. h. vor allem anläßlich einer abstrakten oder konkreten Normenkontrolle362 geprüft wird, bestehen keine Besonderheiten. Der Betroffene muß keine Grundrechtsverletzung geltend machen, die Verfassungsmäßigkeit der Norm wird unter allen rechtlichen Gesichtspunkten überprüft363, d. h. auch unter dem Aspekt, ob eine ausgestaltende Regelung die Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG verletzt364. Problematischer ist die Sachlage im Rahmen eines subjektiven Beanstandungsverfahrens. Geht der Betroffene im Wege der Verfassungsbeschwerde vor, so ist diese nur zulässig, wenn er behaupten kann, durch den angegriffenen Hoheitsakt in einem Grundrecht bzw. grundrechtsgleichen Recht verletzt zu sein (vgl. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 I BVerfGG). Das BVerfG prüft insoweit, ob der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar in einem Grundrecht betroffen ist (sog. Beschwerdebefugnis)365. Die Selbstbetroffenheit setzt dabei zweierlei voraus. Zum einen muß der Beschwerdeführer in eigenen Grundrechten betroffen sein, d. h. er darf grundsätzlich nicht im Wege einer Prozeßstandschaft ein fremdes Grundrecht im eigenen Namen geltend machen366. Zum anderen muß das Grundrecht in seiner Funktion als subjektives Recht und nicht lediglich in seiner objektiv-rechtlichen Dimension367 betroffen sein368. Nur solche Ausprägungen des Grundrechts sind beschwerdetauglich, aus denen sich Befugnisse herleiten lassen, vom Grundrechtsverpflichteten ein normkonformes Verhalten verlangen zu können369. S. 28, der betont, die Einrichtungsgarantie sei keineswegs so unbedeutend, wie dies des öfteren angenommen werde. 362 Hierzu allg. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 680 ff. 363 Vgl. BVerfGE 37, 363 (397); 52, 63 (80); 101, 239 (257). 364 So etwa der Fall in BVerfGE 58, 137 ff. (Richtervorlage gemäß Art. 100 I GG). 365 St. Rspr. seit BVerfGE 1, 97 (101 ff.), aus neuerer Zeit z. B. BVerfG, 2 BvR 591 / 95, K.-Beschl. v. 18. 12. 2002, NVwZ 2003, S. 468; stellv. hierzu Manssen, Grundrechte, Rn. 785 ff. m. w. Nw. 366 Vgl. nur BVerfGE 31, 275 (280); 77, 263 (268 f.). 367 Zur objektiv-rechtlichen Seite der Grundrechte als „Wertentscheidung der Verfassung“ und den unterschiedlichen, hieraus abzuleitenden Schutzgehalten grundlegend BVerfGE 7, 198 (204 ff.); ferner z. B. BVerfGE 35, 79 (114); 38, 1 (41 f.); 49, 89 (141 f.). Aus dem Schrifttum statt vieler Alexy, Der Staat 29 (1990), S. 49 ff.; ders., Recht, Vernunft, Diskurs, S. 262 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 290 ff.; Manssen, Grundrechte, Rn. 38 ff. 368 Vgl. BVerfGE 79, 1 (15); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1141.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine ausgestaltende Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG, so ist eine Berufung auf Art. 14 I 1 GG in Ausprägung der (subjektiv-rechtlichen) Bestandsgarantie ausgeschlossen, da sich eine Ausgestaltung gerade dadurch auszeichnet, daß ein Eingriff in die Individualrechtsgarantie denkunmöglich ist. Es fragt sich daher, ob der Newcomer aus der in Art. 14 I 1 GG gleichsam verwurzelten Einrichtungsgarantie ein subjektives Abwehrrecht herleiten kann370. Zum Teil wird dies bejaht371. Auch wenn die Institutsgarantie lediglich Ausfluß der objektiv-rechtlichen Seite des Eigentumsgrundrechts sei, so sei es widersprüchlich, aus dieser zum einen verbindliche objektivrechtliche Direktiven an den Gesetzgeber zu entnehmen, zum anderen aber keinen subjektiv-rechtlichen Individualrechtsschutz korrespondieren zu lassen372. Unterstützt wird eine solche Sichtweise dadurch, daß das BVerfG zum Teil in Fällen, in denen es im Rahmen der Begründetheitsprüfung auf eine objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte abstellt, in der Zulässigkeitsprüfung die Beschwerdebefugnis bejaht mit der Begründung, daß ein Hoheitsträger bei Mißachtung des objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehaltes zugleich auch das subjektive Grundrecht des Betroffenen beeinträchtige 373. Ob diese Argumentation aber auch für Art. 14 GG Geltung beanspruchen kann, erscheint zweifelhaft. Denn das BVerfG stellt hier die subjektiv-rechtliche Funktion nur bei der Bestands-, nicht aber auch bei der Institutsgarantie heraus374. Soweit ersichtlich, findet sich keine Entscheidung, in der das Gericht den Subjektivierungsgedanken auch auf die Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG übertragen hat. Mit Recht wird daher von Teilen des Schrifttums eine subjektiv-rechtliche Einklagbarkeit der Institutsgarantie ausdrücklich abgelehnt375 und der Newcomer hin369 Vgl. Alexy, Der Staat 29 (1990), S. 53; ders., Recht, Vernunft, Diskurs, S. 267; ders., Theorie der Grundrechte, S. 221. Allg. zum Begriff des subjektiven Rechts siehe bereits oben S. 96 ff. 370 Kein Problem besteht freilich, wenn darüber hinaus die Verletzung anderer Grundrechte in Betracht kommt. 371 Z. B. von Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 139 Fn. 286; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 442 f.; in diese Richtung ferner Schwerdtfeger, NVwZ 1982, S. 8; Schulze-Osterloh, NJW 1981, S. 2540 Fn. 34 a. E.; siehe hierzu auch Wittig, NJW 1967, S. 2187. 372 Schulze-Osterloh, Das Prinzip der Eigentumsopferentschädigung, S. 78 m. w. Nw. in Fn. 24; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 443; Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 139 Fn. 286. Siehe hierzu auch allg. Alexy, Der Staat 29 (1990), S. 61 ff.; ders., Recht, Vernunft, Diskurs, S. 277 ff., der sich im Grds. für eine Subjektivierung jeder bindenden grundrechtlichen Pflicht des Staates ausspricht. 373 BVerfGE 77, 170 (214 ff.), vgl. auch BVerfGE 46, 160 (164 f.); hierzu Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 1141; Schwerdtfeger, NVwZ 1982, S. 8. 374 Vgl. das Zitat oben S. 23 Fn. 10, wo das Abwehrrecht auf den „Bestand der geschützten Güter“, nicht aber auch auf das Rechtsinstitut bezogen wird. Ebenso Böhmer, NJW 1988, S. 2563 f., der betont, anders als die Institutsgarantie habe die Bestandsgarantie „zwei Seiten“. Sie sei zunächst ein „objektivrechtliches Verbot“, darüber hinaus aber auch ein „subjektive[s] Abwehrrecht“.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

sichtlich seines (potentiellen) Erwerbsrechts, ungeachtet dessen materieller Verortung in der Einrichtungsgarantie, prozessual auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verwiesen376. Diese Sicht kann sich nicht zuletzt auf die erste Entscheidung des BVerfG zum Grundstücksverkehrsgesetz stützen377. Hier ging es um einen Beschwerdeführer, dem nach dem Kauf eines Waldgrundstücks die zum Eigentumserwerb erforderliche Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz verweigert wurde378. Die gegen das letztinstanzliche Gerichtsurteil erhobene Verfassungsbeschwerde hält das BVerfG für zulässig. Ungeachtet der Frage, ob Art. 14 GG auch ein Recht zum Eigentumserwerb beinhalte, könne der Beschwerdeführer zumindest geltend machen, die den Entscheidungen zugrundeliegende Norm verstoße gegen Art. 14 GG und gehöre daher nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, d. h. sei nicht Ausdruck des Schrankenvorbehaltes in Art. 2 I GG379. Im Rahmen der Prozeßstation zieht das BVerfG in dieser Entscheidung allein Art. 2 I GG heran. Daher ist davon auszugehen, daß bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Ausgestaltung die Institutsgarantie ihre objektiv-rechtliche Rolle erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung spielt. Anläßlich der Abwägung mit Art. 14 II GG ist die Frage zu entscheiden, ob die Vorgaben der Einrichtungsgarantie und das in Art. 14 GG niedergelegte Sozialmodell eingehalten wurden. Nur dann bewegt sich die gesetzliche Neuregelung innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 I GG380.

III. Speziell: Anforderungen an Umgestaltungen Wurden soeben die spezifischen Anforderungen an ausgestaltende Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG untersucht, soll nachfolgend im Mittelpunkt des Interesses stehen, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben der Gesetzgeber beachten muß, wenn er mit einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG bereits bestehende Altrechte umgestaltet.

375 Z. B. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 34; Fechner, Geistiges Eigentum und Verfassung, S. 210; Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 121. 376 Wittig, NJW 1967, S. 2187 f.; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 362 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 43; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 223 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 17; Pabst, JuS 2001, S. 1148. 377 BVerfGE 21, 73 ff. 378 Vgl. BVerfGE 21, 73 (74 f.). 379 BVerfGE 21, 73 (76 f., 87). 380 Vgl. dazu auch BVerfGE 21, 73 (87); 21, 306 (311).

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1. Abwägung mit der Bestandsgarantie aufgrund Grundrechtseingriffs Im Gegensatz zur Ausgestaltung wurde die Umgestaltung oben381 als Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG definiert, durch die es möglich ist, in bereits bestehende Eigentumsrechte einzugreifen. In diesem Zusammenhang wurde jedoch bislang aus Darstellungsgründen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht näher darauf eingegangen, daß der hiermit zugrunde gelegte Eingriffscharakter einer Umgestaltungsregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG umstritten ist. Nicht wenige Stimmen lehnen nämlich ein derartiges Eingriffsverständnis kategorisch ab. Nachfolgend soll dieser Problembereich näher untersucht werden.

a) H. M.: Annahme eines Grundrechtseingriffs Das BVerfG geht in st. Rspr. davon aus, daß nicht nur durch Enteignungsvorschriften (Art. 14 III GG), sondern auch durch (umgestaltende) Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG in bereits unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Altrechte eingegriffen werden kann. Abgesehen von vereinzelten früheren Aussagen, in denen es andeutet, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung sei, anders als die Enteignung, keine „Einschränkung“ des Eigentumsgrundrechts382, findet sich das Eingriffsverständnis heute in einer Vielzahl von Entscheidungen383. Exemplarisch sei hier eine Passage aus dem Auslandsrenten-Beschluß384 zitiert385. Das BVerfG führt aus, der Gesetzgeber könne auf Grundlage des Art. 14 I 2 GG auch bereits bestehende Altrechte entziehen, „[ . . . ] jedoch mit ihnen eigentumsrechtlich geschützte Positionen nicht beliebig umgestalten. Vielmehr sind Regelungen, die zu Eingriffen in solche Positionen führen, nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind.“386

Nicht selten spricht das Gericht in diesem Zusammenhang, ganz im Sinne der allgemeinen Grundrechtsdogmatik387, von einem Eingriff in den Schutzbereich388 Vgl. S. 190. Vgl. BVerfGE 21, 92 (93); 24, 367 (396). 383 Z. B. BVerfGE 31, 270 (274); 32, 129 (143); 36, 281 (292); 52, 1 (28); 53, 257 (296); 58, 81 (121); 70, 101 (111); 71, 1 (12); 72, 9 (22 f.); 78, 58 (75); 80, 297 (310 f.); 88, 384 (402); 100, 1 (49 ff.); 100, 59 (98); 101, 239 (263). 384 BVerfGE 95, 143 ff. 385 Siehe ferner z. B. die Betonung eines Eingriffs in den Zitaten oben auf S. 193 zu Fn. 211, S. 195 zu Fn. 223 und S. 196 zu Fn. 227. 386 BVerfGE 95, 143 (161, Hervorhebung nicht im Original). Die Verknüpfung eines (Eigentums-)„Eingriffs“ mit dem Begriff der „Umgestaltung“ findet sich u. a. auch in BVerfGE 31, 275 (285); 42, 263 (293 f.); 74, 203 (213 f.); 75, 78 (96 ff.). 387 Hierzu statt vieler Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 24 f.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 165 f. m. w. Nw. 381 382

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

und der Frage seiner verfassungsrechtlichen Rechtfertigung389. Insofern läßt sich von einer Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums gegenüber dem Gesetzgeber sprechen. Unterfällt eine Rechtsposition dem Eigentumsschutz der Rechtsstellungsgarantie, ist sie für den Gesetzgeber nur über den Weg eines Grundrechtseingriffs überwindbar – mit entsprechenden Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Auf derselben Linie bewegt sich das ganz überwiegende Schrifttum, wenn dieses an einer Vielzahl von Stellen betont, daß durch Vorschriften im Sinne des Art. 14 I 2 GG Eingriffe in schon bestehende Eigentumsrechte erfolgen können390. Besondere Beachtung soll in diesem Zusammenhang Ausführungen Böhmers geschenkt werden, die sich näher mit dieser Fragestellung beschäftigen und häufig mißverstanden werden. Er betont in einem vielbeachteten Aufsatz, der sich mit dem Eigentumsverständnis des BVerfG auseinandersetzt, daß Art. 14 I 2 GG kein Gesetzesvorbehalt sei, der den Gesetzgeber ermächtige, in bereits bestehende Eigentumsrechte einzugreifen391. Diese Ausführungen werden häufig dahingehend verstanden, daß Böhmer allgemein den Eingriffscharakter von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG ablehne392. Dieser Einschätzung liegt aber eine Fehlinterpretation zugrunde, die besondere Brisanz erhält, wenn die Äußerungen des ehemaligen Verfassungsrichters Böhmer zu dem Zweck herangezogen werden, dem BVerfG generell ein eingriffsleugnendes Verständnis betreffend Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu unterstellen393. Vielmehr ergibt eine genaue Untersuchung, daß sich Böhmer an den genannten Stellen gerade zu einem Verständnis des Art. 14 I 2 GG als Eingriffsermächtigung bekennt. Vgl. BVerfGE 92, 262 (271 f.). Vgl. BVerfGE 75, 78 (96 ff.), 87, 348 (356); 92, 365 (405). 390 Dezidiert Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 54 f.; ferner etwa Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 54; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 23 f.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 145; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 899, 920; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 116, 134; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 60 f., 139 Fn. 20; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 285; ders., Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 50 f.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 225; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 25; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 176; Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 137 f.; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 94; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 56, 114, 243, 325; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 277 ff. m. w. Nw. auf S. 280 Fn. 1301. 391 Böhmer, NJW 1988, S. 2572 f.; ebenso Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 78; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 12 ff.; ähnlich Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 164, 197 f. 392 So z. B. Sass, Art. 14 GG und das Entschädigungserfordernis, S. 303 ff.; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 141 Fn. 145, S. 284 Fn. 88; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 221 f.; Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 190 Fn. 720; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 25 Fn. 38; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 139 Fn. 20; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 325 Fn. 134. 393 So etwa Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 221 f. 388 389

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Böhmers angesprochene Äußerungen stehen im Zusammenhang mit dem Grundanliegen, das beinahe alle seine Abhandlungen zur Eigentumsgarantie wie ein roter Faden durchzieht: Seine vehemente Ablehnung einer Übertragung des hergebrachten Eigentumsmodells auf Art. 14 GG. Wie bereits dargestellt, war das auf Art. 153 WRV beruhende Eigentumsverständnis dadurch geprägt, in öffentlichrechtlichen Regelungen generell einen Eingriff in ein umfassendes, an § 903 BGB angelehntes Eigentümerbelieben zu sehen, der je nach Auswirkungen beim Betroffenen entweder als nicht entschädigungsbedürftig (dann Inhalts- und Schrankenbestimmung / Sozialbindung) oder entschädigungspflichtig (dann Enteignung) eingestuft wurde394. Allein hiergegen wendet sich Böhmer auch mit seinen eingriffsverneinenden Aussagen. Er betont lediglich, daß Art. 14 GG kein umfassender, zivil- bzw. naturrechtlich vorgegebener Eigentumsbegriff zugrunde liege, in den der Gesetzgeber prinzipiell eingreife, wenn er auf Grundlage des Art. 14 I 2 GG eine öffentlich-rechtliche Regelung erlasse395. Vielmehr sei die Legislative durch diese Vorschrift ermächtigt, den Schutzbereich (auch) durch öffentlich-rechtliche Vorschriften erst einmal zu gestalten. Böhmer will also nur herausstellen, daß in einer solchen Regelung nicht schlechthin ein Eigentumseingriff gesehen werden kann396. Damit will er aber mitnichten die Denkunmöglichkeit eines Eingriffs in bereits bestehende Altrechte durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG zum Ausdruck bringen. Darauf weist er wenige Sätze später nach einer der oben angesprochenen Passagen sogar ausdrücklich hin: „Die skizzierte Problematik wird vielfach mit der völlig anderen – hier nicht näher erörterten – Frage vermengt, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn der Gesetzgeber neue, bisher unbekannte Regelungen i.S. von Art. 14 I 2 GG trifft, die auf Rechtspositionen einwirken, die nach altem Recht erworben sind.“397 Solche Regelungen seien vielmehr als Eigentumseingriffe aufzufassen398. Auf dieser Grundlage ist auch Böhmers Äußerung relativiert, Art. 14 I 2 GG sei kein Gesetzesvorbehalt: Soweit die Vorschrift einen Eingriff in Altrechte zuläßt, ist sie auch als Gesetzesvorbehalt zu verstehen399.

Hierzu bereits oben S. 109 ff. Vgl. Böhmer, NJW 1998, S. 2573: Art. 14 I 2 ermächtige den Gesetzgeber nicht, „in ein ihm ,vorgegebenes‘ Eigentum einzugreifen.“; ebenso Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 78. 396 Vgl. hierzu näher die Nw. oben in Fn. 391. 397 Böhmer, NJW 1988, S. 2573 (linke Spalte, a. E.); ders., Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 79 f. 398 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 80 Fn. 29, wo er ausdrücklich von Eingriffen in bereits bestehende Altrechte durch Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG spricht. 399 Ebenso Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 250; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 284; ähnlich Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 191 f.; a.A. Schoch, JURA 1989, S. 115, der einen Gesetzesvorbehalt ausdrücklich ablehnt. 394 395

15 Appel

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

b) Die Leugnung eines Grundrechtseingriffs Dessen ungeachtet finden sich nicht wenige Stimmen, die die Möglichkeit eines Eingriffs in Altrechte durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG – aus unterschiedlichen Gründen – kategorisch ablehnen. Da diese Betrachtungsweisen diametral zum bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsverständnis stehen, sollen sie nachfolgend Gegenstand näherer Erörterung sein. Zunächst soll dabei auf Meinungsströmungen eingegangen werden, die die Denkunmöglichkeit eines solchen Eingriffs auf eine rigorose Anwendung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie zurückführen. Im Anschluß daran sollen Stimmen zu Wort kommen, die dieses Ergebnis gerade auf dem umgekehrten Weg, nämlich der Relativierung der Normgeprägtheit, erreichen. (1) Kein Eigentumseingriff aufgrund Total-Dispositionsvorbehalts? (a) Ausdehnung der Schwächeformel auf Altrechte Im Rahmen dieser Arbeit wurde bereits dargestellt, daß das BVerfG in Art. 14 I 2 GG die Gesetzesabhängigkeit der Rechtsstellungsgarantie verwurzelt sieht, d. h. das Erfordernis einer einfachgesetzlichen Zuordnung von Eigentumspositionen. Auch die Auswirkungen der Normgeprägtheit unter Berücksichtigung des Zeitfaktors waren bereits Gegenstand näherer Betrachtung: Ist eine bestimmte Befugnis bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses einfachgesetzlich ausgeschlossen, so gehört diese von Beginn an nicht zur Rechtsstellungsgarantie des Art. 14 I 1 GG400. Die hier anzusprechenden Stimmen dehnen nun den eben skizzierten Schwächegedanken weiter aus. Während ihm vom BVerfG allein zukunftsbezogene Auswirkung zugesprochen wird, d. h. lediglich die Rechtsstellung derjenigen Eigentümer von Beginn an inhaltlich begrenzt wird, deren Zuordnungsverhältnis erst nach Erlaß des betreffenden Gesetzes errichtet worden ist (Newcomer), erweitern die Anhänger eines „Total-Dispositionsvorbehalts“401 die Schwächeformel auf gegenwärtig bereits bestehende Rechtspositionen, d. h. auch auf die Altrechtler. Aufgrund der Kompetenz des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sei jede Rechtsposition von vornherein mit der Schwäche belastet, vom Gesetzgeber nachträglich wieder verringert bzw. gänzlich genommen zu werden. Gehe der Gesetzgeber später diesen Weg, so aktualisiere er damit lediglich die einer jeden Eigentumsposition von Beginn an innewohnende Labilität aufgrund der aus Art. 14 I 2 GG folgenden Wandelbarkeit der einfachgesetzlichen Eigentumsordnung402. Konsequente Folge eines solchen Verständnisses Zu dieser Entstehungsschwäche der Individualrechtsgarantie siehe oben S. 178 ff. Begriff von Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 138. 402 Vgl. zu dieser Argumentationsweise Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 124 f.; Rupp, DÖV 1960, S. 797. 400 401

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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ist, daß in keiner gesetzgeberischen Neuregelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG ein Eingriff in die Bestandsgarantie gesehen werden kann. Der eben skizzierte Gedanke soll aufgezeigt werden anhand einer älteren Entscheidung des BVerwG zum Erbbegräbnisrecht403. Der Kläger war Inhaber eines Nutzungsrechts an einer Familiengrabstelle. Während die beim Erwerb geltende Friedhofsordnung keine zeitliche Begrenzung des Benutzungsrechts vorsah, wurde dieses später durch Satzungsänderung dahingehend geändert, daß das Benutzungsrecht grundsätzlich auf 60 Jahre begrenzt und eine Verlängerung nur gegen Nachzahlung einer Gebühr ermöglicht wurde. Hiergegen richtete sich der Kläger mit dem Einwand, die nachträgliche Änderung der Friedhofsordnung verletze sein Eigentumsrecht. Das BVerwG hält die zur Debatte stehende Änderungsvorschrift für vereinbar mit Art. 14 GG. Es stuft diese als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG ein404. Diese greife jedoch nicht in ein von der Bestandsgarantie geschütztes Eigentumsrecht ein, da sich aus Art. 14 I 2 GG die Wandelbarkeit der einfachgesetzlichen Eigentumsordnung ergebe. Dieses fände im vorliegenden Fall seinen Ausdruck darin, daß jedem Inhaber eines Grabnutzungsrechts eine Urkunde ausgestellt wurde, die auf die Geltung der Friedhofsordnung hinweise. Dadurch sei die Rechtsstellung des Klägers von Beginn an mit der Möglichkeit ihrer nachträglichen Veränderung belastet gewesen405. „Der Hinweis auf eine bestimmte Friedhofsordnung in der Urkunde [ . . . ] ist als Hinweis auf die jeweils geltende Friedhofsordnung zu verstehen.“406 Das Recht zur Grabstellennutzung gelange „nur mit den Einschränkungen zur Entstehung, die sich aus der jeweiligen Friedhofsordnung“ ergäben407. Die Stellung des Betroffenen ist nach dieser Sichtweise also nicht nur durch solche Begrenzungen inhaltlich geschwächt, die bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses bestanden, sondern auch durch nachträgliche Änderungen der Friedhofsordnung. Dem hier zum Ausdruck kommenden Eigentumsverständnis ist mit Nachdruck entgegenzutreten. Die Ausdehnung des Schwächegedankens auf bereits entstandene Rechtspositionen, d. h. von einer „Entstehungsschwäche“ zu einer darüber hinaus gehenden „Bestandsschwäche“, interpretiert die aus Art. 14 I 2 GG folgende Gesetzesabhängigkeit derartig weit, daß in letzter Konsequenz „die völlige Relativierung aller subjektiven Rechte und die Auflösung der verfassungsrechtlichen Eigentums[bestands]garantie schlechthin“408 die Folge wäre409. Es würde allen Kriti403 BVerwGE 11, 68 ff.; hierzu Rupp, DÖV 1960, S. 796 ff.; Bachof, in: FS-Peters, S. 642 ff.; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 86 ff. 404 Vgl. BVerwGE 11, 68 (75). 405 Vgl. BVerwGE 11, 68 (71 f.); vgl. dazu auch Rupp, DÖV 1960, S. 797; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 87. 406 BVerwGE 11, 68 (72). 407 BVerwGE 11, 68 (69); ebenso zuvor schon PrOVGE 80, 47 (49) und BGHZ 25, 201 (208 f.). 408 Rupp, DÖV 1960, S. 797. 409 Ähnlich die Kritik an dieser Entscheidung bei Bachof, in: FS-Peters, S. 651.

15*

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

kern in die Hände gespielt, die befürchten, der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz stünde bei Anerkennung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Denn bei Erstreckung des Schwächegedankens nicht allein auf zukünftig erst entstehende Zuordnungsverhältnisse, sondern auch auf Altrechte, die bereits vor Erlaß der Neuregelung entstanden waren, wird in keiner Weise das Vertrauen berücksichtigt, das beim Alteigentümer infolge des Erwerbs der betreffenden Rechtsposition entstanden ist. Anders als ein Newcomer, der sich von vornherein auf die bei Errichtung des Zuordnungsverhältnisses bestehende Rechtslage einstellen und sachgerecht darüber entscheiden kann, welche Aufwendungen er auf den Eigentumsgegenstand macht, muß der Alteigentümer sich grundsätzlich erst einmal darauf verlassen können, daß ihm die Rechtsposition in der Weise zugewiesen bleibt, wie sie ihm die Rechtsordnung im Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses zur Verfügung gestellt hat410. Andernfalls würde kaum jemand mehr das Wagnis eingehen, in ein Eigentumsobjekt zu investieren411. Dies bringt das BVerfG zum Ausdruck, wenn es in st. Rspr. die Bedeutung des Vertrauensschutzes als wesentliches Element der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie betont412. Wird Vertrauen enttäuscht, das auf bereits erworbenen Eigentumsrechten beruht, bedarf es einer Rechtfertigung durch besondere öffentliche Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit413. Die Bestandsgarantie paßt sich somit nicht, „wie ein Chamäleon die Farbe seiner Umgebung annimmt, automatisch mit jeder Gesetzesänderung der neuen Rechtslage an“, sondern ist in „geltungszeitlicher Hinsicht statisch“414. Damit fordert der vom BVerfG im Zusammenhang mit Art. 14 GG in st. Rspr. betonte Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, daß eine einmal erworbene Rechtsposition ohne Vorbehalte unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt und 410 Vgl. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 64; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 122; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 35; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 212. 411 Vgl. Schulte, ZfB 1974, S. 18 f.; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 51. 412 Siehe an dieser Stelle nur die unterschiedliche Gewichtung des Vertrauens im Hinblick auf Alt- und Neueigentümer in BVerfGE 31, 275 (393 f., Hervorhebung im Original): „Sicherlich konnten die Betroffenen nicht darauf vertrauen, daß eine kommende Regelung ihre künftigen Darbietungen [betr. Urheberrecht] in gleichem Maße und in gleicher Form schützen werde wie das bisherige Recht. Sie mußten aber nicht damit rechnen, daß eine neue Regelung ihre nach dem bisherigen Gesetz wohlerworbenen Rechte ohne jede Überleitung beschränken werde. Insoweit greift die Eigentumsgarantie in ihrer Funktion als Rechtsstellungsgarantie ein, die rechtmäßig begründete Rechtspositionen vor nicht gerechtfertigten Eingriffen schützt.“ Näher zu dem in Art. 14 GG verwurzelten Vertrauensschutz noch unten S. 250 ff. 413 Siehe an dieser Stelle nur BVerfGE 83, 201 (212). 414 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 137. Nicht überzeugend ist dabei, daß Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 138 Fn. 283, der Gegenansicht zugute hält, bei deren Ablehnung eines Eingriffs in die Bestandsgarantie springe der im Rechtsstaatsprinzip verankerte allg. Grds. des Vertrauensschutzes in die Bresche. Denn der eigentumsgrundrechtliche Vertrauensschutz geht über den rechtsstaatlichen hinaus (eingehend zu dieser Frage noch unten S. 250 ff.).

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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durch verschärfende Neuregelungen nur eingriffsweise überwindbar ist415. Der Zeitfaktor ist also das maßgebliche Element, das über die Eingriffsqualität von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG entscheidet416. Als Folge dessen darf die Schwächeformel nur auf Newcomer, nicht hingegen auf Altrechtler angewendet werden. (b) Kein Eigentumseingriff aufgrund Schutzbereichsgestaltung? In dieselbe Richtung eines in Art. 14 I 2 GG verwurzelten Total-Dispositionsvorbehalts zielen auch einige Stimmen aus dem Schrifttum. Sie bedienen sich zur Ablehnung des Eingriffscharakters einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG jedoch nicht, wie das BVerwG in der oben genannten Entscheidung, einer Erweiterung der Schwächeformel auf bereits bestehende Altrechte. Abgestellt wird vielmehr auf die schutzbereichsgestaltende Wirkung einer umgestaltenden Regelung. Der Ausgangspunkt dieser Sichtweise ist der Umstand, daß eine umgestaltende Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG, ihre Verfassungsmäßigkeit und damit Wirksamkeit unterstellt, ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gleichsam auch die Reichweite der Rechtsstellung des Alteigentümers umformt417. Von diesem Augenblick an ist die Rechtsstellung des Betroffenen inhaltlich um die entzogenen Befugnisse abgeschmolzen. Die Umgestaltung hat insofern nachträglich gestaltende Kraft. Würde der Gesetzgeber sich anschicken, kurze Zeit später dieselbe Regelung noch einmal zu erlassen, so müßte sich diese nicht mehr an der Bestandsgarantie messen lassen, weil die zuvor ergangene Umgestaltung die entsprechenden Befugnisse bereits aus der Individualrechtsgarantie herausgelöst hat418. Diese Tatsache wird nun zum Anlaß genommen, generell die Möglichkeit eines Grundrechtseingriffs durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG abzulehnen. Schneider führt in diesem Zusammenhang aus: „Im selben Augenblick, da die inhaltsbestimmende Norm wirksam wird, ist der Eigentumsschutz im entsprechenden Umfang bereits ,geschrumpft‘ und kann von geschütztem Eigentum, in das eingegriffen worden wäre, schon nicht mehr die Rede sein.“419 Auf dieser Linie verneint auch Jaschinski das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs, weil durch eine Umgestaltung zugleich der „Schutzbereich unmittelbar neu gestaltet“ werde. „Denn ein Grundrechtseingriff setzt ein staatliches Handeln voraus, das dem BürLutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 125. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 279. 417 Vgl. dazu Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 95; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 120; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 288; Ibler, AcP 197 (1997), S. 573. 418 Diese Gestaltungskraft in bezug auf Altrechtler ist natürlich zu trennen von den Auswirkungen einer Umgestaltung gegenüber den von ihr gleichsam betroffenen Newcomern: Deren Rechtsstellung ist schon von Beginn an durch die geregelten Belastungen begrenzt (Entstehungsschwäche) und wird nicht erst nachträglich abgeändert. 419 Schneider, VA 58 (1967), S. 218. 415 416

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

ger Rechtsbefugnisse entzieht, welche in den Schutzbereich des Grundrechts fallen. Durch einen Grundrechtseingriff verändert sich nicht der Schutzbereich.“420 In diese Richtung bewegen sich auch Stimmen, die den in der Umgestaltung zugleich liegenden Akt der Schutzbereichskonstituierung betonen und deswegen generell den Eingriffscharakter von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG ablehnen421. Wenn auch die vorgenannten Stimmen nicht den Fehler des BVerwG in der oben genannten Entscheidung machen, jede Altrechtsposition von Beginn an als mit einem Änderungsvorbehalt belastet anzusehen, so birgt ihre Betrachtung doch dieselbe Gefahr einer Relativierung des Vertrauensschutzes in sich. Ob der Eingriffscharakter verneint wird, weil die Position des Altrechtlers von vornherein belastet ist, oder weil sie nachträglich völlig neu konstituiert wird mit der Folge, daß der vorherige Bestand nicht mehr als Eingriffsobjekt zur Verfügung steht, läuft im Ergebnis auf dasselbe hinaus. Beiden Betrachtungen ist derselbe Vorwurf einer unzulänglichen Berücksichtigung des Vertrauensschutzes von Alteigentümern zu machen422. Darüber hinaus überzeugen diese Stimmen aber auch deswegen nicht, weil in ihrer Argumentation ein Zirkelschluß steckt. Um ihn aufzudecken, ist sich zu vergegenwärtigen, daß sich die Frage nach dem bestehenden bzw. fehlenden Eingriffscharakter einer Umgestaltung in praxi allein bei der Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit stellt. Die von diesen Stimmen betonte schutzbereichsgestaltende, d. h. nicht eingreifende Wirkung einer Umgestaltung setzt nun aber, wie Schneider423 zu Recht betont, gerade die Wirksamkeit der betreffenden Regelung voraus. Von dieser kann jedoch erst ausgegangen werden, wenn man ihre Verfassungsmäßigkeit bereits festgestellt hat. Daher verbietet es sich, die konstitutive Wirkung der Umgestaltung bereits im Rahmen der Untersuchung ihrer Verfassungsmäßigkeit in Anschlag zu bringen. Ansonsten würde man in diese Prüfung von Beginn Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 108 f. Z. B. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 66: „Eine gesetzliche Regelung, die Eigentum im Sinne der Verfassung erst konstituiert, kann nicht zugleich eine Beeinträchtigung des Eigentums sein.“ Auch Schoch, JURA 1989, S. 115 f., spricht Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG generell den Eingriffscharakter ab. In diese Richtung ferner Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 249; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 127; Schulte, VA 77 (1986), S. 402; ähnlich Weber, in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte, S. 369; w. Nw. bei Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 54 Fn. 140. 422 Deutlich vor allem Schneider, VA 58 (1967), S. 218, und Schoch, JURA 1989, S. 119, die bei der Überprüfung einer Regelung i. S. d. Art. 14 I 2 GG auf seiten der Eigentümerinteressen generell nur die Einrichtungsgarantie in die Waagschale legen wollen. Anders insoweit Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 120 f., der trotz fehlenden Eingriffscharakters von Umgestaltungen den mit ihnen bewirkten Entzug von Altrechten materiell an schärferen Anforderungen messen will als Regelungen, die einen allein zukunftsgerichteten Regelungsgehalt aufweisen. I. E. entspricht dies den Folgen des von der h. M. angenommenen Eingriffs in die Bestandsgarantie. 423 Vgl. das Zitat auf S. 229 zu Fn. 419. 420 421

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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an das Ergebnis „verfassungsmäßig“ miteinfließen lassen. Die Frage, ob die Regelung verfassungsmäßig ist, hängt daher allein davon ab, welche Auswirkungen sie auf bereits bestehende Rechtspositionen zeitigt. Bei der Klärung dieser Frage darf der Eingriff in die bereits bestehenden Altrechte somit nicht mit Verweis auf die nachträglich gestaltende Kraft der Umgestaltung geleugnet werden. (c) Sonderfall: Rückwirkendes Inkrafttreten einer Neuregelung An dieser Stelle soll noch auf ein weiteres Problem eingegangen werden, das im vorliegenden Zusammenhang leicht zu Mißverständnissen führen könnte. Es geht um Fälle, in denen der Gesetzgeber den Weg wählt, das Inkrafttreten einer umgestaltenden Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG vor den Zeitpunkt ihrer Verkündung zurückzudatieren424, und dieser Zeitpunkt vor dem liegt, in dem im konkreten Fall das Zuordnungsverhältnis errichtet wurde425. Da jedermann im Zeitpunkt der erstmaligen Errichtung des Zuordnungsverhältnisses Newcomer ist, könnte hier die „nachträglich gestaltende Kraft“ einer Umgestaltung dazu führen, daß infolge der Rückwirkung die Rechtslage, die zum Zuordnungszeitpunkt bestand, derart abgeändert wird, daß der Betroffene das Eigentum von Beginn an zu den schlechteren Bedingungen erworben hat. Seine Rechtsstellung wäre dann – wie bei einem Newcomer – von vornherein mit den (fiktiv) bereits damals geltenden verschärften Anforderungen der Umgestaltungsnorm entstanden. Aufgrund der Entstehungsschwäche wäre ein Eingriff in die Individualrechtsgarantie zu verneinen. Bei genauer Betrachtung wird aber schnell deutlich, daß auch eine solche Vorgehensweise des Gesetzgebers nicht zur Verneinung eines Grundrechtseingriffs durch die betreffende Regelung führen kann. Ansonsten würde die Bestandsgarantie unter einen einfachgesetzlichen Dispositionsvorbehalt gestellt. Der Gesetzgeber hätte es in der Hand, durch Schaffung rückwirkender Regelungen den in Art. 14 GG verankerten Vertrauensschutz auszuhebeln. Zudem würde bei einer solchen Betrachtung auch die Bedeutung, die dem rückwirkenden Inkrafttreten eines Gesetzes zukommt, überschätzt. Dem Gesetzgeber soll auf diesem Weg lediglich die Möglichkeit eröffnet werden, bereits in der Vergangenheit liegende Sachverhalte nachträglich einer anderen rechtlichen Bewertung zu unterwerfen426. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Rechtslage rückwirkend so betrachtet wird, als wäre das neue Recht schon in der Vergangenheit selbst wirksam gewesen. Denn eine gesetzliche Neuregelung wird erst mit dem Akt ihrer Verkündung rechtlich existent427. Sie kann daher frühestens ab dem Zeitpunkt ihrer Verkündung überhaupt RechtswirD. h. um den Grundtyp einer „echten Rückwirkung“, vgl. Götz, in: FS-BVerfG, S. 426 f. Bsp.: K erwirbt das Eigentum am 1. Mai., Verkündung der Umgestaltung am 1. Juni, rückwirkendes Inkrafttreten der Umgestaltung bereits zum 1. April. 426 Vgl. Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 102. 427 Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 96; Aschke, Übergangsregelungen, S. 2, 7, 18; Hallier, AöR 85 (1960), S. 407. 424 425

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

kungen erzeugen428. Dies gilt auch und vor allem, wenn der Gesetzgeber eine Regelung rückwirkend in Kraft setzt. Ein solches Gesetz gilt zwar für die Vergangenheit, es hat jedoch keine Wirksamkeit in der Vergangenheit429. Ist das Zuordnungsverhältnis bereits vor dem Verkündungszeitpunkt errichtet worden, so normiert jede gesetzliche Neuregelung, die zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene Altrechte mindert, gleichsam einen Grundrechtseingriff. Es gilt daher zu betonen, daß in bezug auf die Schwächeformel der Zuordnungszeitpunkt mit dem Tag der Verkündung der Regelung in Relation zu setzen ist, nicht hingegen mit dem ihres Inkrafttretens430.

(2) Kein Eigentumseingriff aufgrund immanenter Sozialbindung gemäß Art. 14 II GG? Neben den Anhängern eines in Art. 14 I 2 GG verankerten Total-Dispositionsvorbehalts gibt es noch eine weitere Meinungsgruppe, die aus dogmatischen Gründen einen Eingriff in Bestandsrechte durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG für denkunmöglich hält. Anders als die oben genannten Stimmen geht ihre Argumentation jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung. Während die Befürworter eines Total-Dispositionsvorbehalts die aus Art. 14 I 2 GG abzuleitende Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung über das vertretbare Maß ausdehnen, gehen die hiesigen Stimmen den Weg, gerade diese Kompetenz zu relativieren431. Ausgangspunkt dieser Betrachtungsweise ist die Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG. In dieser Vorschrift ist geregelt, daß „Eigentum verpflichtet“ und sein Gebrauch „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ soll. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde bislang dargestellt, daß Art. 14 II GG bei zwei Problemkreisen Bedeutung zukommt:

Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 13. Aschke, Übergangsregelungen, S. 19; vgl. auch Hallier, AöR 85 (1960), S. 407. Auf dieser Linie bewegt sich auch BVerfGE 95, 64 (82), wenn das Gericht anläßlich der Prüfung einer rückwirkenden Regelung darauf abstellt, ob die von der Umgestaltung betroffenen Altrechte bereits vor „Erlaß“ (m. a. W.: Verkündung) des Gesetzes erworben wurden. 430 Ungenau daher Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 121; Adler, Nachträgliche Anforderungen an Gewerbebetriebe, S. 39, die beide in diesem Zusammenhang auf das Inkrafttreten des Gesetzes abstellen. 431 Dies übersieht Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 60 Fn. 207, wenn er einigen der oben in Fn. 421 genannten Anhängern eines Totaldispositionsvorbehalts „Immanenzvorstellungen“ vorwirft, die sich auf der Linie der überkommenen Eigentumsdogmatik bewegten. Nur im Ergebnis (Unmöglichkeit eines Grundrechtseingriffs durch Regelungen i. S. d. Art. 14 I 2 GG), keinesfalls jedoch in der dogmatischen Begründung entsprechen die obigen Stimmen den sogleich näher zu betrachtenden Anhängern einer „immanenten Sozialbindung“. 428 429

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Der erste betrifft die Frage nach der konkreten Reichweite einer einfachgesetzlichen Rechtsposition. Sie stellt sich, wenn es um darum geht, ob überhaupt eine Rechtsposition vorliegt, die bei Erfüllung der verfassungsunmittelbaren Strukturvorgaben zu Bestandseigentum qualifiziert werden kann432. In diesem Zusammenhang wird vom BVerfG betont, daß sich der Verfassungsgeber mit Art. 14 II GG für ein „sozialgebundenes Privateigentum“ entschieden habe. Das Gericht sieht darin eine Absage an einen umfassenden, an § 903 BGB orientierten Eigentumsbegriff, in den der Gesetzgeber bei der Normierung öffentlich-rechtlicher Vorschriften von außen kommend eingreife. Vielmehr wirkten bei der Ermittlung der konkreten Reichweite der Bestandsgarantie bürgerliches und öffentliches Recht gleichrangig zusammen (sog. Gesamtschau)433. Von Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang hingegen der zweite Problemkreis, in dem das BVerfG Art. 14 II GG heranzieht. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG verfassungsmäßig ist. Im Rahmen dieser Prüfung dient Art. 14 II GG als Gegenpol zu den in Art. 14 I 1 GG verwurzelten Eigentümerinteressen. Der Gesetzgeber muß bei seiner Tätigkeit einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Instituts- bzw. Bestandsgarantie auf der einen und dem Allgemeinwohl auf der anderen Seite schaffen434. Art. 14 II GG fungiert hier also lediglich als an den Gesetzgeber gerichtete Abwägungsdirektive, die bei Erlaß einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu berücksichtigen ist. Im Mittelpunkt dieses Eigentumsverständnisses steht also Art. 14 I 2 GG, der von Art. 14 II GG435 flankiert wird. Die hier zur Debatte stehenden Stimmen geben sich jedoch mit dieser Wirkung des Art. 14 II GG nicht zufrieden. Die Vorschrift flankiere nicht lediglich Art. 14 I 2 GG, sondern habe eine völlig eigenständige Funktion. Art. 14 II GG komme, neben seiner Wirkung gegenüber dem Gesetzgeber, verfassungsunmittelbare Direktivkraft auch gegenüber dem einzelnen Eigentümer zu436. Die Auswirkungen einer solchen Betrachtung sind immens437: Die in Art. 14 II GG verankerte SozialD. h. beim zweistufigen Prüfungsschema Schritt 1. Siehe hierzu bereits die Ausführungen oben auf S. 103 ff. 434 Zu diesem sog. Sozialmodell bereits oben S. 199 ff. 435 Und natürlich Art. 14 I 1 GG als Gegenpol zu Art. 14 II GG. 436 Kimminich, in: Bonner Kommentar, Art. 14 Rn. 152 ff., insbes. Rn. 154, 159, 165 f.; ders., NuR 1985, S. 5 ff.; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 67 ff.; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 82 ff.; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 141; Kreft, in: RGRK, BGB, Vor § 839 Rn. 40 ff.; ders., in: FS-Hauß, S. 208 ff.; Model / Müller, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 15; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 56; Frenz, VA 90 (1999), S. 220; Krause, Die Grenzen der Sozialpflichtigkeit, S. 123 (mit unzutreffender Berufung in Fn. 601 auf Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 15); Breuer, Die Bodennutzung, S. 42 f. m. w. Nw. in Fn. 132; w. Nw. bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 295 Fn. 27; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 134 Fn. 473. 437 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 295, spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer „Grundfrage des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes“. 432 433

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

bindung ist bei dieser Betrachtung jedem Eigentumsobjekt bereits kraft Verfassung immanent438. Der Gesetzgeber habe zwar die Möglichkeit, im Rahmen des Art. 14 I 2 GG die Sozialbindung einfachgesetzlich zu konkretisieren; zwingend erforderlich sei dies jedoch nicht439. Auch ohne eine solche Ausformung ließe sich die Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 II GG im Wege der Verfassungsinterpretation ermitteln440. Rechtsprechung und Verwaltung seien daher befugt, diese auch ohne gesetzliche Grundlage zu konkretisieren441. Wird der Gesetzgeber dennoch im Rahmen des Art. 14 I 2 GG tätig, so habe ein solches Vorgehen lediglich deklaratorische, aber keine konstitutive Wirkung442. Seine Befugnis aus Art. 14 I 2 GG ist also auf die Aufgabe reduziert, einfachgesetzlich lediglich den Umfang an Sozialbindung nachzuzeichnen, der für das jeweilige Eigentumsobjekt ehedem gemäß Art. 14 II GG verfassungsunmittelbare Geltung beansprucht443. Damit wird das oben dargestellte Verständnis des BVerfG umgekehrt: Nicht mehr Art. 14 I 2 GG steht im Zentrum, sondern Art. 14 II GG, der nun seinerseits von Art. 14 I 2 GG flankiert wird. Besonderes Gewicht hat im hiesigen Zusammenhang eine logische Folge, die sich aus dieser Betrachtungsweise ergibt: Sind Eigentumsbindungen, die sich im Rahmen des Art. 14 II GG bewegen, jedem Eigentumsobjekt bereits kraft Verfassung immanent, so können hoheitliche Konkretisierungen der Sozialbindung durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG, die sich innerhalb des von Art. 14 II GG gesteckten Rahmens bewegen, niemals „Eingriffe“ in Eigentumsbestandsrechte sein444. Sie aktualisieren vielmehr nur eine dem Eigentumsobjekt 438 Krause, Die Grenzen der Sozialpflichtigkeit, S. 123; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 165; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 141; Krohn / Löwisch, Eigentumsgarantie, Enteignung, Entschädigung, Rn. 59. Siehe in diesem Zusammenhang allg. zum Streit um die außen- oder innentheoretische Konstruktion von Rechten Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 29 ff. m. w. Nw. 439 Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 83; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 154, 159. 440 Vgl. Model / Müller, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 15. 441 Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 141; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 167. Es bedürfe daher „keiner Transformationsnorm mehr“ (so Krause, Die Grenzen der Sozialpflichtigkeit, S. 123) bzw., wenn eine solche vorhanden sei, komme es auf ihre Gültigkeit nicht an, soweit „die Zulässigkeit der Beschränkung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG [ . . . ] zu rechtfertigen ist.“ (so Kreft, in: RGRK, BGB, Vor § 839 Rn. 43; ders., in: FS-Hauß, S. 209). 442 Vgl. Krause, Die Grenzen der Sozialpflichtigkeit, S. 123: „Die Sozialpflichtigkeit [ . . . ] ist jedem Eigentum immanent. Gesetze, insbesondere Inhalts- und Schrankenbestimmungen, vermögen daher keine Sozialpflichtigkeit zu konstituieren, sie sind nur zu einer Konkretisierung imstande.“; ebenso Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 165. 443 Anders aber insofern Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 83, der zwar eine gesetzliche Konkretisierung nicht für erforderlich, diese aber, sofern sie tatsächlich erfolgt ist, aufgrund des Gesetzesvorrangs für verbindlich hält. 444 Kimminich, NuR 1985, S. 6. Ebenso die Schlußfolgerung bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 66, 84; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 233; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 35.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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kraft Verfassung immanente Last. Damit sind umgestaltende Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG, durch die in bereits bestehende Altrechte eingegriffen wird, die sich aber zugleich im Rahmen der Sozialbindung des Art. 14 II GG bewegen, denkunmöglich. Es ist augenscheinlich, daß die Annahme einer immanenten Sozialbindung in keiner Weise mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsmodell vereinbar ist. Als gewichtigster Einwand läßt sich anführen, daß diese Betrachtungsweise das vom BVerfG in st. Rspr. betonte Gebot der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie unterläuft445. Wenn das BVerfG aus der Normgeprägtheit folgert, daß es keine verfassungsunmittelbaren Eigentumsrechte gibt, so muß dasselbe gelten für die Eigentumspflichten, die ja nichts anderes sind als die Negation eines Eigentumsrechts446. Die in Art. 14 I 2 GG verwurzelte Gesetzesabhängigkeit darf daher nicht eindimensional auf Art. 14 I 1 GG gerichtet verstanden werden, sondern muß sich auch auf die Kehrseite, d. h. auf Art. 14 II GG beziehen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, daß das, was schon an anderer Stelle447 hinsichtlich der Unmöglichkeit gesagt wurde, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte aus Art. 14 I 1 GG verfassungsexegetisch Eigentumsrechte zu kreieren, auch für Art. 14 II GG Geltung beansprucht448. Auch hier würde die grundgesetzliche Regelung schlichtweg überfordert, wollte man ihr eine „Skala von Gemeinwohlpräferenzen“449 entnehmen, die vom Rechtsanwender im Einzelfall lediglich abzulesen ist. Schwerdtfeger betont in diesem Zusammenhang zu Recht: „Denn je nach politischer oder weltanschaulicher Sicht und persönlichen und wirtschaftlichen Interesse kann man bei fast jedem ,sozialen‘ Belang darüber streiten, ob er gemeinwohlrelevant ist und ob, inwieweit und wie im einzelnen er geschützt werden soll. Die Entscheidung kann nicht für jeden Einzelfall in Art. 14 II GG getroffen worden sein.“450 Eine derart komplexe Aufgabe kann allein im Rahmen eines politisch-wertenden Entscheidungsprozesses gelöst werden und gehört folglich in den Zuständigkeitsbereich des demokratisch legitimierten Gesetzgebers451. Würde sie ausschließlich in die Hände der Verwal445 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 67. Eine ausführliche Ablehnung der Lehre von der immanenten Sozialbindung mit weiteren Argumenten findet sich bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 299 ff. 446 Siehe Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 14, der betont, die Normierung der Sozialbindung sei nichts anderes als „Eigentumsbestimmung nach Maßgabe des Art. 14 II GG“ (Hervorhebung im Original). 447 Oben S. 91 ff. 448 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 304; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 129 Fn. 48. 449 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68. 450 Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16 (Hervorhebung im Original). In diese Richtung auch Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 139, der von der Jagd nach einem „Phantom“ spricht, wenn versucht werde, „den Schutzgegenstand der Individualrechtsgarantie verfassungsinterpretativ und nicht gesetzesabgeleitet zu gewinnen“.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

tung und Gerichte gelegt, so wäre dies ein Verstoß gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip und das grundgesetzliche Gebot der Gewaltenteilung452. Die Annahme einer immanenten Sozialbindung widerspricht aber auch den in Art. 14 GG selbst getroffenen Wertungen. Soweit erkennbar, gehen die Anhänger dieser Lehre nicht den Weg, Art. 14 I 2 GG in Gänze zu relativieren und auch die Möglichkeit der Begründung verfassungsunmittelbarer Eigentumsrechte zuzulassen. Damit geraten sie aber in das Dilemma, daß sie dem GG eine eigentumsfeindliche Grundtendenz unterstellen. Denn während Eigentumsbestandsrechte im Sinne des Art. 14 I 1 GG aufgrund der Regelung des Art. 14 I 2 GG erst vom einfachen Gesetzgeber konstituiert werden müssen, bestünden die Pflichten nach dieser Ansicht bereits kraft Verfassung. Letztere hätten damit Verfassungsrang, während die Eigentumsrechte vom Gesetzgeber erst geschaffen werden müßten. Aus dem Blickwinkel der Normenhierarchie wären die Eigentumsrechte daher eine Stufe tiefer angesiedelt. Überspitzt formuliert existierten damit bereits Eigentumspflichten, auch wenn es noch gar keine Eigentumsrechte geben würde. Damit wird der Anschein erweckt, Art. 14 GG erachte die Eigentümerinteressen gegenüber denen des Allgemeinwohls als nachrangig. Diese Grundwertung läßt sich aber aus der Vorschrift nicht begründen. Im Gegenteil wird vom BVerfG in st. Rspr. betont, daß sich das GG in Art. 14 für eine Gleichrangigkeit der Belange des Eigentümers (Art. 14 I 1 GG) und des Gemeinwohls (Art. 14 II GG) entschieden habe. Der Gesetzgeber müsse „[ . . . ] beiden Elementen [ . . . ] in gleicher Weise Rechnung tragen [ . . . ]. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang.“453

Die mit der Annahme einer immanenten Sozialbindung erweckte Vorstellung einer normenhierarchischen Abstufung der Eigentümerinteressen gegenüber Art. 14 II GG ist danach mit den in Art. 14 GG getroffenen Wertungen unvereinbar454. Beide Elemente sind ebenbürtig und durch den einfachen Gesetzgeber bei seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG gleichwertig zu berücksichtigen. Ist nach alledem sichtbar, wie wenig sich die Vorstellung einer immanenten Sozialbindung mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumskonzept vereinbaren läßt, drängt sich die Frage auf, wie es überhaupt zur Entwicklung einer derart diametral zum BVerfG stehenden Betrachtungsweise kommen konnte. Hier 451 Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68; Böhmer, NJW 1988, S. 2573 a. E.; Schmidt-Aßmann, in: FS-Uni-Heidelberg, S. 115; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 102; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 34 f. 452 Böhmer, NJW 1988, S. 2573 a. E. Siehe in diesem Zusammenhang auch Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 142 f., der der Lehre von der immanenten Sozialbindung einen „kompetenzrechtlichen Elementarfehler“ vorwirft. 453 BVerfGE 52, 1 (29); zitiert bereits oben auf S. 200 zu Fn. 251, dort auch w. Nw. 454 Vgl. auch den Wortlaut des Art. 14 II 2 GG, wonach die Abwägungsdirektive des Art. 14 II GG nicht vorrangig, sondern nur „zugleich“ die Eigentumsgestaltung bestimmt.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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gilt unmißverständlich festzustellen, daß es sich bei dieser Anschauung um ein (weiteres) Relikt der hergebrachten Eigentumsdogmatik handelt. Bekanntlich war die Gedankenfolge im überkommenen Eigentumsmodell wie folgt: Auf Grundlage der Schwellentheorien wurde geprüft, ob eine hoheitliche Maßnahme, je nach Intensität der Auswirkungen beim Betroffenen, schon als entschädigungsbedürftige Enteignung gemäß Art. 14 III GG oder noch als Inhalts- und Schrankenbestimmung / Sozialbindung im Sinne des Art. 14 I 2, II GG angesehen werden konnte455. Diese Betrachtung beinhaltet Parallelen zum oben skizzierten Modell der immanenten Sozialbindung. Denn bereits im Rahmen des überkommenen Eigentumsmodells stand nicht die Inhaltsbestimmungsbefugnis des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG im Zentrum, sondern die Bestimmung wurde mit Art. 14 II GG zu einem Komplex zusammengezogen456. Die Regelung des Art. 14 I 2 GG war hierbei lediglich „Anhängsel“ des Art. 14 II GG. In letzterer sah man die Sozialbindung bereits mit verfassungsunmittelbarer Direktivkraft verortet, die von Gerichten und Verwaltung mit Hilfe althergebrachter Topoi wie der „Situationsgebundenheit“ des Eigentumsobjektes bzw. der Sichtweise eines „wirtschaftlich vernünftigen Eigentümers“ lediglich zu konkretisieren war457. Die Kompetenz des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG war folglich auch hier auf die Möglichkeit reduziert, nur diejenige Sozialbindung deklaratorisch nachzuzeichnen, die sich ohnehin verfassungsunmittelbar aus Art. 14 II GG ergab458. Ob eine Maßnahme als Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung / Sozialbindung einzustufen war, entschied der Rechtsanwender allein auf Grundlage der unmittelbar aus der Verfassung zu ziehenden Vorgaben. Besondere Betonung verdient der Umstand, daß auch im hergebrachten Eigentumsmodell ein Eingriff in Bestandsrechte durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG denkunmöglich war. In praxi wurde dies freilich kaum sichtbar, da im Mittelpunkt der Betrachtung nur die Frage stand, ob eine Maßnahme schon Enteignung war oder noch Inhalts- und Schrankenbestimmung / Sozialbindung. Nur wenn sie als Enteignung qualifiziert werden konnte, wurde von einem Eigentumseingriff ausgegangen. Wenn es sich hingegen um eine entschädigungslose Maßnahme im Sinne des Art. 14 I 2, II GG handelte, konnte damit niemals ein Eigentumseingriff einhergehen. Denn die Maßnahme bewegte sich ja innerhalb der verfassungsunmittelbar den Schutzbereich gestaltenden Sozialbindung459. Die Frage nach dem Bestehen einer geHierzu bereits oben S. 111 f. Schmitt-Kammler, NJW 1990, S. 2515 Fn. 1; siehe zu diesem, auf Art. 153 WRV basierenden Eigentumsmodell bereits oben S. 108 ff. 457 Siehe hierzu bereits oben S. 113 und m. w. Nw. zur fachgerichtlichen Rspr. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 15. Ebenso greifen nicht wenige der oben genannten Befürworter einer immanenten Sozialbindung zum Zwecke ihrer Ermittlung u. a. auf die Situationsgebundenheit zurück. So etwa Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 141; Kimminich, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 154. 458 Vgl. Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, S. 63 m. w. Nw. 455 456

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schützten Rechtsposition, d. h. nach dem Eingreifen des Schutzbereichs der Bestandsgarantie, war damit zu einem nicht gesondert zu prüfenden „Unterproblem“460 im Rahmen der Abgrenzung zwischen Art. 14 I 2, II und III GG verkommen461. Mit dem Problem, ob durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG ein Eingriff in die Bestandsgarantie erfolgen konnte, brauchte man sich daher explizit nicht auseinanderzusetzen; diese Frage stellte sich nämlich gar nicht. Sie wurde aber konkludent verneint. Neben den bereits dargestellten Bedenken zeigt auch diese Parallele zum überkommenen Eigentumsmodell, daß die Annahme einer immanenten Sozialbindung in keiner Weise mit dem bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumskonzept vereinbar ist. Daher ist es konsequent, wenn sich das Gericht, wenn auch nach anfänglichem Zögern462, nunmehr seit langem konstant gegen eine solche Betrachtung stellt. So wird bereits in der Entscheidung zur Bad-Dürkheimer-Gondelbahn betont, daß die Sozialbindung des Art. 14 II GG „der Gesetzgeber im Rahmen des ihm nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG obliegenden Regelungsauftrages generell und abstrakt“ zu bestimmen habe, nicht hingegen die Verwaltung463. Später wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Art. 14 II GG „nur Richtschnur und Grenze“464 für den Auftrag des Gesetzgebers aus Art. 14 I 2 GG sei, sich aber nicht an den Eigentümer selbst richte. Diesem Verständnis folgt heute auch das überwiegende Schrifttum465. 459 Hierzu Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 24 m. w. Nw., der das Weimarer Eigentumsverständnis mit der zutreffenden Begründung ablehnt, es vermische Fragen nach dem Bestehen einer Rechtsposition mit der Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung: „Was sich der Eigentümer entschädigungslos nehmen lassen muß, gehört nicht zur Rechtsposition und umgekehrt, oder noch anders: Sozialbindung ist kein Eingriff, Sozialbindung tangiert das Eigentum nicht. Das wirft alle gesichert erscheinende Terminologie über den Haufen.“ 460 Schulte, Zur Dogmatik des Art. 14 GG, S. 24. 461 Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 126, beklagt hier ein „Begründungskonglomerat“, aus dem oft nicht entnehmbar sei, ob der Eigentumsschutz bereits am Vorliegen einer Rechtsposition oder an der Sozialbindung scheitere. Kritisch auch Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, HdBVerfR, § 10 Rn. 28. 462 Vgl. BVerfGE 20, 351 (361), wo das BVerfG selbst von einer „immanenten Sozialbindung“ spricht, die sich unmittelbar aus Art. 14 II GG ergebe. Ferner BVerfGE 21, 73 (83), wonach Art. 14 II GG „in erster Linie eine Richtschnur für den Gesetzgeber“ sei, aber auch „eine Anweisung für das konkrete Verhalten des Eigentümers“. 463 BVerfGE 56, 249 (260). Vgl. schon zuvor BVerfGE 25, 112 (117); 37, 132 (140), wo bzgl. Art. 14 II GG allein von einer verbindlichen Richtschnur an den Gesetzgeber gesprochen wird. Ebenso danach BVerfGE 68, 361 (367); 71, 230 (246); 81, 208 (220). 464 BVerfGE 89, 1 (5); ähnlich davor auch BVerfGE 80, 137 (150 f.). Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 134 Fn. 472, beklagt in diesem Zusammenhang zu Recht, daß das BVerfG in beiden Entscheidungen auf BVerfGE 21, 73 (83) verweist und damit den Eindruck erweckt, es habe schon in dieser Entscheidung eine immanente Sozialbindung klar abgelehnt. Letzteres ist jedoch gerade zw. (vgl. Fn. 462). 465 Z. B. Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 299; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 206 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14

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Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Als Abwägungsdirektive im Rahmen des von Art. 14 GG vorgegebenen „Sozialmodells“ ist Art. 14 II GG ausschließlich als an den Gesetzgeber gerichtetes Gebot anzusehen, die Gemeinwohlinteressen gleichrangig mit den Eigentümerinteressen des Art. 14 I 1 GG in den Entscheidungsprozeß einzustellen. Art. 14 II GG entfaltet jedoch keine Direktivkraft gegenüber dem einzelnen Eigentümer. Die Regelung ist lediglich „Maßstab, nicht Rechtsgrund für Eigentumsbeschränkungen.“466 Verwaltung und Gerichte dürfen damit nur solche gemeinwohlrelevanten Belange bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, die in der betreffenden einfachgesetzlichen Regelung ihren Niederschlag gefunden haben467. Vor diesem Hintergrund kann Art. 14 II GG daher nicht herangezogen werden, um über die Annahme einer verfassungsimmanenten Sozialbindung den Eingriffscharakter von (Umgestaltungs-)Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG in Frage zu stellen.

c) Feststellung der Existenz von Altrechten durch Anwendung des Vorgängerrechts Mit den oben gemachten Ausführungen sollte lediglich verdeutlicht werden, daß es nach dem hier zugrunde gelegten Eigentumsmodell des BVerfG möglich ist, durch (umgestaltende) Neuregelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG in Altrechte einzugreifen. Stellt sich nun im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelung die Frage, ob sie tatsächlich einen solchen Eingriff normiert, so hängt ihre Beantwortung von der Vorfrage ab, ob dem Betroffenen auf Grundlage des bis zum Verkündungszeitpunkt geltenden Rechts entsprechende Eigentumspositionen zugewiesen waren468. Die Beantwortung dieser Frage wiederum setzt, soweit es nicht um selbstvollziehende Normen geht, die Anwendung dieses Vorgängerrechts auf den jeweiligen Einzelfall voraus. Nachfolgend soll der Blick auf eigentumsgrundrechtliche Probleme im Zusammenhang mit einer derartigen Rechtsanwendung geworfen werden.

Rn. 1, 44; Böhmer, NJW 1988, S. 2573 a. E.; ders., AgrarR 1984, Beil. I, S. 14; ders., Der Staat 24 (1985), S. 157 Fn. 1; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 65 ff.; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 134 f.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 132; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 33 ff.; Ehlers, VVDStRL 511 (1992), S. 227; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 158; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 44; v. Mutius, JURA 1983, S. 302; Osterloh, DVBl. 1991, S. 910; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 72; ders., Eigentum und Gesetzgebung, S. 295 ff. m. w. Nw. auf S. 299 Fn. 39; unklar hingegen Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 512. 466 Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 69 (Hervorhebung im Original). 467 Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 132; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 32, jeweils mit Verweis auf BVerfGE 74, 264 (280 f.). 468 Vgl. hierzu bereits oben S. 191.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

(1) Exkurs: Kein Eingriff in die Bestandsgarantie durch rechtmäßige Anwendungsmaßnahmen Nachdem im Rahmen dieser Untersuchung die Frage erörtert und bejaht wurde, ob in gesetzgeberischer Tätigkeit gemäß Art. 14 I 2 GG ein Eigentumseingriff gesehen werden kann, soll dieselbe Frage in bezug auf Maßnahmen der Rechtsanwendung469 gestellt werden. Auch bei dieser Fragestellung herrscht alles andere als Einigkeit. Im Schrifttum finden sich an einer Vielzahl von Stellen Nachweise dafür, daß hoheitliche Einzelakte, die Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG anwenden und vollziehen, generell als Eingriffe in die Bestandsgarantie angesehen werden470. Die diesbezüglichen Begründungen sind aber nicht homogen. Zum Teil wird der Eingriffscharakter damit begründet, daß die Anwendungsakte selbst als Inhaltsund Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG einzustufen seien. Zwischen Gesetz und Vollzug bestehe keine Zäsur, sondern sie bildeten eine Einheit471. Andere Stimmen sehen zwar einen klaren Unterschied zwischen der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art. 14 I 2 GG, die allein durch formelle und materielle Gesetze vonstatten gehe, und der Anwendung derartiger Vorschriften. Ungeachtet dessen erfolge durch Akte der Rechtsanwendung ein „sonstiger Eingriff“472 in Eigentumsbestandsrechte 473. 469 Gemeint sind Maßnahmen der Judikative und Exekutive, sofern letztere nicht in der Handlungsform des materiellen Gesetzes tätig wird. Rechtsverordnungen und Satzungen fallen nach h. M. bereits unter den Gesetzesbegriff des Art. 14 I 2 GG (BVerfGE 58, 137 [146 f.]; Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 332 m. w. Nw.) und können nach dem oben Gesagten einen Eigentumseingriff normieren. 470 Etwa Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 240 ff.; hierzu ausführlich Grochtmann, Art. 14 GG, S. 290 ff. m.w.Nw., der dieses Eingriffsverständnis im Schrifttum, das er selbst ablehnt, als „nicht mehr rechtfertigungsbedürftiges Allgemeingut“ (S. 290) bezeichnet. Zur insoweit nicht sonderlich ergiebigen fachgerichtlichen Rspr. siehe Grochtmann, Art. 14 GG, S. 299 f. Zum diesbezüglichen Verständnis des BVerfG noch näher unten S. 242. 471 So z. B. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 161 f., 234; Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 31 ff.; ders., JZ 1994, S. 437 Fn. 78; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 140; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 296 Fn. 1364; vgl. ferner Schwabe, JURA 1994, S. 530; König, JA 2001, S. 345; Schoch, in: FS-Boujong, S. 661; Boujong, in: FS-Geiger, S. 444; Hendler, in: FS-Maurer, S. 128; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 270. 472 D. h. neben den von Art. 14 GG selbst geregelten Eingriffsmöglichkeiten durch Gesetz (Art. 14 I 2 sowie Legalenteignung gemäß Art. 14 III 2, 1. Alt. GG) und Einzelakt (Administrativenteignung gemäß Art. 14 III 2, 2. Alt. GG). 473 Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 43; ders., NJW 2000, S. 2841; ferner Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 925; Ibler, AcP 197 (1997), S. 573; Sieckmann, Zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz, S. 42; w. Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 293 Fn. 1351. Insgesamt Einigkeit besteht jedoch, was die Frage der Rechtmäßigkeit des Anwendungsaktes angeht: Der Eingriff in die Bestandsgarantie ist gerechtfertigt, wenn die zugrundeliegende Inhalts- und Schrankenbestimmung verfassungsmäßig ist und rechtmäßig angewendet wurde (siehe die Nw. bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 295 Fn. 1356).

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Zunächst ist den erstgenannten Stimmen entgegenzutreten, die die „Einheit“ von Gesetz und Vollzugsakt betonen. Sie vermögen nicht zu begründen, wie Maßnahmen der Rechtsanwendung unter den Begriff des „Gesetzes“ im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu subsumieren sind. Der Wortlaut474 läßt nach zutreffender Ansicht nur eine Erweiterung vom abstrakt-generellen475 Gesetz auf Rechtsverordnungen und Satzungen zu, hingegen nicht auf konkret-individuelle Akte der Exekutive oder Judikative. Der Verfassungsgeber ist gerade nicht den Weg gegangen, in Anlehnung an die Formulierungen bei anderen Grundrechten (z. B. Art. 8 II, 11 II, 12 I 2 GG) den Inhalt und die Schranken des Eigentums „durch oder aufgrund Gesetzes“ bestimmen zu lassen476. Der Eingriffscharakter von Anwendungsakten läßt sich folglich nicht mit ihrer Einstufung als Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG begründen477. Darüber hinaus kann auch die pauschale Annahme eines „sonstigen Eingriffs“ in die Bestandsgarantie nicht überzeugen. Sie läßt sich nicht vereinbaren mit der vom BVerfG in st. Rspr. betonten Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie: Wenn sich der konkrete Umfang der Individualrechtsgarantie ausschließlich an den einfachgesetzlich zugewiesenen Befugnissen orientiert, so kann ein Anwendungsakt, der diese gesetzlichen Vorgaben nicht überschreitet, keinen Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen zur Folge haben. Denn immer dann, wenn der Gesetzgeber dem Anwender die Aufgabe übertragen hat, die gesetzliche Regelung für den Einzelfall zu präzisieren478, ist die Rechtsstellung des Betroffenen von Beginn an mit dieser Konkretisierungskompetenz des Rechtsanwenders belastet479. Bewegt sich der Rechtsanwender innerhalb des einfachgesetzlich vorgegebenen Rahmens, so aktualisiert er lediglich eine der Rechtsstellung des Betroffenen innewohnende Last480. Damit kann in einem gesetzestreuen Anwendungsakt mangels Bestehens 474 Vgl. BVerfGE 81, 29 (33); BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 25 a. E.: „[ . . . ] nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Aufgabe des Gesetzgebers, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen.“ 475 Vgl. die Betonung des abstrakt-generellen Regelungsbereichs einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in BVerfGE 52, 1 (27), zitiert oben auf S. 155 zu Fn. 4 m. w. Nw. 476 In diese Richtung aber Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 33, der fordert, Art. 14 I 2 GG müsse dahingehend „berichtigt“ ausgelegt werden. 477 Siehe zudem die sogleich im Fließtext angeführten Gründe gegen die Annahme eines „sonstigen“ Eingriffs, die gleichsam auch gegen die hiesigen Stimmen ins Feld geführt werden können. 478 D. h. bei allen Regelungen, die keinen selbstvollziehenden Charakter aufweisen. 479 Dies gilt sowohl dann, wenn diese Kompetenz in einer Vorschrift geregelt war, die bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses bestand (dann „Entstehungsschwäche“, vgl. oben S. 178 ff.), als auch, wenn der Gesetzgeber eine solche Regelung erst später erläßt und diese wirksam ist. Von da an ist die Rechtsstellung des Betroffenen aufgrund der „nachträglich gestaltenden Kraft“ einer Umgestaltung (vgl. oben S. 229) mit dieser Konkretisierungsermächtigung belastet. Freilich wäre letzteres ein durch die Neuregelung erfolgter Eingriff in die Bestandsgarantie, der durch entsprechende Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sein muß.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

einer Rechtsposition niemals ein Eingriff in bereits bestehende Eigentumsrechte liegen481. In Konsequenz seiner normgeprägten Betrachtungsweise bewegt sich auch das BVerfG in einigen Entscheidungen auf eben dieser Linie. Im Naßauskiesungs-Beschluß482 wird ein Eingriff in vorhandene Altrechte durch die behördliche Verweigerung einer Genehmigung zur Grundwassernutzung mit der Begründung abgelehnt, das diesem Einzelakt zugrundeliegende Gesetz habe bereits die betreffende Position aus dem Schutzbereich genommen. Die Verwaltungsmaßnahme konkretisiere lediglich die durch das Gesetz normierte Belastung und sei daher kein Eigentumseingriff: „Nach der objektiv-rechtlichen Regelung des Wasserhaushaltsgesetzes steht dem Grundstückseigentümer [ . . . ] kein Recht zu, im Rahmen der Grundstücksnutzung auf das Grundwasser einzuwirken. Durch die Anwendung des Gesetzes wird daher ein solches Recht nicht entzogen. [ . . . ] Die Anwendung der Vorschrift aktualisiert lediglich eine vom Gesetzgeber getroffene Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; sie verlautbart die dem Eigentümer gezogenen Schranken bei der Ausübung seines Eigentumsrechts.“483

Dieses Verständnis, das sich auch in späteren Entscheidungen des Gerichts wiederfindet484, läßt sich auf mehrere Stellungnahmen des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Böhmer stützen. Dezidiert spricht sich dieser gegen die Annahme aus, rechtmäßige Maßnahmen der Rechtsanwendung könnten einen Eigentumseingriff bedingen: „Die Anwendung verfassungsmäßiger Vorschriften im Sinne von 480 Ebenso Grochtmann, Art. 14 GG, S. 302: „Das zeitlich später liegende [rechtmäßige] Handeln der Verwaltung bewegt sich dann nur noch im Rahmen dieser Neudefinition des Eigentums. Es nimmt dem Betroffenen nichts, was ihm zu diesem Zeitpunkt das einfache Recht noch gewähren würde.“ 481 Vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 301 ff. Gegen einen Eingriff durch rechtmäßige Maßnahmen der Rechtsanwendung auch Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 128: „Ein Eingriff des verwaltenden oder rechtsprechenden Staates [in Eigentumsrechte] liegt aber nur dann vor, wenn dieser die gesetzlichen Vorschriften, welche die Eigentumsposition verfassungsgemäß ausgestalten, zuungunsten des jeweiligen Rechtsinhabers falsch anwendet.“; siehe ferner Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 208, der feststellt, durch den „administrativen Konkretisierungs- bzw. Vollzugsakt wird nur eine Bindung der Eigentümer aktualisiert.“; ebenso – mit Blick auf nachträgliche Anforderungen an Gewerbebetriebe – Adler, Nachträgliche Anforderungen, S. 38 f.; Selmer, DÖV 1972, S. 556; Franke, ZfW 1976, S. 205; Scharnhoop, DVBl. 1975, S. 160; Lenz, GewArch 1976, S. 286 f.; w. Nw. bei Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 117 ff. 482 BVerfGE 58, 300 ff. 483 BVerfGE 58, 300 (336 f., Hervorhebung nicht im Original). 484 Vgl. BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368, wonach die durch Landschaftsschutzverordnung geregelten Beschränkungen des Grundeigentums durch Maßnahmen der Rechtsanwendung „lediglich aktualisiert“ werden. Siehe ferner BVerfGE 104, 1 (10), wonach der Umlegungsbeschluß im Rahmen der städtebaulichen Umlegung die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit „aktualisiert“, die Grundstücke im Umlegungsgebiet zum Zwecke ihrer plangerechten Nutzung neu zu ordnen.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Verwaltung ist Aktualisierung der dem Eigentum in legitimer Weise gezogenen Schranken, nicht aber ein Eingriff in eine an sich weiterreichende Rechtsstellung. Es werden deklaratorisch die den Befugnissen des Eigentümers gezogenen Grenzen festgestellt.“485 Der „Terminus ,Eingriff‘ [sollte] für solche Sachverhalte vermieden werden.“486 Wird das eben skizzierte, aus einer konsequenten Beachtung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie folgende Eigentumsverständnis zugrunde gelegt, so lassen sich hinsichtlich des Eingriffscharakters von Maßnahmen der Rechtsanwendung folgende Fälle unterscheiden487:  Ist das anzuwendende Gesetz verfassungsgemäß, und bewegt sich auch der Einzelakt innerhalb der einfachgesetzlichen Vorgaben, so scheidet ein Eigentumseingriff durch den Anwendungsakt aus. Er bringt lediglich eine der Rechtsstellung des Betroffenen ohnedies innewohnende Belastung zum Ausdruck488.  Erweist sich nur die zugrundeliegende Inhalts- und Schrankenbestimmung als verfassungsmäßig, während der Anwendungsakt die in dieser Regelung aufgestellten Anforderungen mißachtet, so liegt ein Eigentumseingriff vor. Denn die Rechtsstellung des Betroffenen ist nur insoweit mit der Konkretisierungskompetenz belastet, als deren Anwendungsbereich reicht. Verläßt der Anwendungsakt den hierdurch abgesteckten Rahmen, so liegt ein Eingriff in die Bestandsgarantie vor, der nicht mehr von der Regelung gedeckt ist489. Freilich muß hierbei eines beachtet werden: Sofern die Norm für den Rechtsanwender, z. B. aufgrund eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder einer Ermessensermächtigung, Spielräume beläßt, darf zu ihrer Ausfüllung auf seiten des Bürgers nicht die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG in die Waagschale geworfen werden. Sofern die Rechtsstellung des Betroffenen von Beginn an mit der betreffenden Konkretisierungskompetenz belastet war, läge in einer solche Vorgehensweise ein Zirkelschluß490. Auf seiten des Eigentümers greift hier ausschließlich die Institutsgarantie, die, angereichert mit Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, hinreichende Schutzgehalte bietet491. 485 Böhmer, Der Staat 24 (1985), S. 198 f. (Hervorhebung nicht im Original); ebenso Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 14, 30. 486 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 77; ders., NJW 1988, S. 2572, wo auch nochmals der deklaratorische Charakter einer Maßnahme der Rechtsanwendung betont wird. In diese Richtung auch Böhmer, DÖV 1982, S. 88. 487 Ausführlich hierzu Grochtmann, Art. 14 GG, S. 301 ff. 488 Im Rahmen der Prozeßstation kann sich der Betroffene freilich auf Art. 14 GG berufen, sofern er die Möglichkeit geltend machen kann, daß das Gesetz bzw. seine Anwendung rechtswidrig ist und der Einzelakt daher seine Individualrechtsgarantie verletzt. 489 Insofern läßt sich tatsächlich von einem „sonstigen“, von Art. 14 GG selbst nicht geregelten Eingriff sprechen, vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 304 f. 490 Dies übersieht Seidel, ZG 2002, S. 135 f., wenn er in derartigen Fällen das Gewicht der Bestandsinteressen des Eigentümers ins Feld führt.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

 Stellt sich bereits das zur Debatte stehende Gesetz als verfassungswidrig und daher nichtig heraus, so ist die Rechtsstellung des Betroffenen nicht mehr mit der in dieser Norm geregelten Konkretisierungsermächtigung belastet. Damit lebt die zuvor geltende Rechtslage (Vorgängerrecht) auf. Soweit auf ihrer Basis eigentumsgrundrechtlich geschützte Befugnisse zugewiesen sind492, wird durch die Anwendung der vermeintlich wirksamen Regelung ungerechtfertigt in diese eingegriffen493. Damit zeigt sich, daß die hiesige Betrachtung in den beiden letzten Fällen zu keinem anderen Ergebnis führt als die oben genannten Gegenauffassungen: Es liegt beide Male ein nicht gerechtfertigter Eigentumseingriff vor494. Lediglich im ersten Fall besteht ein Unterschied: Während die obigen Stimmen einen gerechtfertigten Eigentumseingriff annehmen, ist bei der hier vertretenen Ansicht bereits kein Eingriff in den Schutzbereich zu verzeichnen. Dieser Unterschied mag lediglich dogmatischer Natur sein, da im Ergebnis Einigkeit darüber besteht, daß die Bestandsgarantie nicht verletzt ist. Er soll hier dennoch nicht unter den Tisch fallen, sondern das in diesem Zusammenhang häufig fehlende Problembewußtsein aufdecken, das sich offenbart, wenn die Gegenstimmen pauschal von einem Eingriff in die Bestandsgarantie durch Maßnahmen der Rechtsanwendung ausgehen. Auch darin zeigt sich einmal mehr495, daß trotz weitgehender Anerkennung der Siehe hierzu bereits oben S. 212 ff. Im Bereich des Sacheigentums spricht § 903 BGB dem einzelnen grds. die umfassende Nutzbarkeit zu, so daß im Falle der Nichtigkeit einer nutzungsbeschränkenden Norm die in § 903 BGB verankerte Gebrauchsberechtigung insoweit wieder auflebt und zu einer Zuweisung von Eigentumspositionen führt. Problematisch ist die Sachlage bei anderen Vermögensrechten. Hier existiert im Regelfall keine mit § 903 BGB vergleichbare umfassende Nutzungszuweisung als „Auffangnorm“. Damit besteht das Dilemma, daß die Nichtigkeit eines Gesetzes aufgrund unzureichender Berücksichtigung der Eigentümerinteressen dazu führen könnte, daß dem Betroffenen nunmehr überhaupt keine Eigentumsrechte mehr zustehen. Um diesem paradoxen Ergebnis abzuhelfen, schlägt Grochtmann, Art. 14 GG, S. 138 Fn. 625, eine (begrenzte) analoge Anwendung des § 903 BGB vor. Freilich besteht damit die Gefahr, dem Gesetzgeber den Willen zu einer umfassenden Nutzungszuweisung auch auf Rechtsgebieten zu unterstellen, in denen ein solcher nicht nachweisbar ist. Darin läge aber ein Verstoß gegen seine in Art. 14 I 2 GG geregelte alleinige Kompetenz zur Inhalts- und Schrankenbestimmung. Das Problem läßt sich sachgerechter auf verfassungsprozessualem Weg lösen, indem sich die Rechtsprechung in derartigen Fällen auf eine Teilnichtigkeit der Norm beschränkt oder diese lediglich mit Art. 14 GG für unvereinbar erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung setzt. Den letztgenannten Weg geht das BVerfG in BVerfGE 100, 226 (247 f.). Hier stellte sich das genau entgegengesetzte (Parallel-)Problem, daß eine Nichtigerklärung der fraglichen Norm die unzureichende Berücksichtigung von Allgemeinwohlbelangen i. S. d. Art. 14 II GG zur Folge gehabt hätte. Das Gericht wählt den Weg, die Vorschrift aufgrund Unvereinbarkeit mit Art. 14 GG in bestimmten Fallkonstellationen für einen Übergangszeitraum für unanwendbar zu erklären und dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung aufzugeben. 493 Vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 307 ff. 494 Vgl. oben S. 240 Fn. 473 a. E. 495 Ähnlich wie z. B. bei der Frage nach den Eigentumsschutz von „Nutzungsmöglichkeiten“, vgl. oben S. 139 ff. 491 492

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie vielfach noch nicht die Bereitschaft besteht, alle aus einem derartigen Eigentumsverständnis resultierenden Konsequenzen zu ziehen496.

(2) Ermittlung der Bestandsgarantie durch Rechtsanwendung – Verstoß gegen Art. 14 I 2 GG? Wird mit der hier vertretenen Ansicht davon ausgegangen, daß Maßnahmen der Rechtsanwendung selbst keine Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 14 I 2 GG sind, so kann dennoch nicht geleugnet werden, daß es vielfach gerade derartige Anwendungsakte sind, die entscheidenden Einfluß auf die Frage haben, ob sich der Betroffene auf eine dem Eigentumsschutz zugängliche Rechtsposition berufen kann oder nicht497. Daß bereits die Legislative diese Frage abschließend bestimmt, z. B. durch Schaffung selbstvollziehender Normen, ist eher die Ausnahme498. Häufig beschränkt sich der Gesetzgeber auf eine typisierende Betrachtungsweise, bei der er durch Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensspielräume die konkrete Entscheidung dem Rechtsanwender überläßt, der den jeweiligen Umständen des Einzelfalls sachgemäßer Rechnung tragen kann499. Daß dem Anwender dann in bezug auf den Eigentumsschutz eine tragende Rolle zukommen kann, wird besonders deutlich, wenn die Gewährung einer staatlichen Leistung im Ermessen des Rechtsanwenders steht. Aufgrund 496 Abzulehnen sind daher einige jüngere Entscheidungen des BVerfG, in denen es zum Ausdruck bringt, daß auch in rechtmäßigen Anwendungsmaßnahmen ein „Eingriff“ in Eigentumsbestandsrechte liegen könne. So greift es in BVerfGE 102, 1 (24) zwar wieder den Gedanken einer Aktualisierung gesetzlicher Eigentumsbindungen durch die Verwaltung auf, spricht aber wenige Sätze später von einem „in Eigentumspositionen eingreifenden Verwaltungsakt“. Ein derartiges Eingriffsverständnis findet sich ferner in BVerfGE 100, 226 (246); BVerfG, 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 690; 1 BvR 142 / 02, K.-Beschl. v. 26. 08. 2002, NVwZ 2002, S. 1350; BVerfG.de, 1 BvR 142 / 02, K.-Beschl. v. 26. 08. 2002, Abs. 33. Dies erscheint, wie oben dargelegt, nur dann zutreffend, wenn das zugrundeliegende Gesetz und / oder der Anwendungsakt verfassungs- bzw. rechtswidrig sind (so z. B. der Fall in BVerfGE 100, 226 ff., wo das Gericht das angegriffene Gesetz für mit Art. 14 GG unvereinbar angesehen hat). 497 Vgl. Lege, Zwangskontrakt und Güterdefinition, S. 31; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 139, die jedoch daraus den Fehlschluß ziehen, deshalb fielen auch Anwendungsmaßnahmen selbst unter Art. 14 I 2 GG (vgl. oben S. 240). 498 So etwa die Sachlage in der Pflichtexemplars-Entscheidung, wo der Verordnungsgeber selbst bestimmt hatte, daß von jedem im Anwendungsbereich des Gesetzes erschienenen Druckstück ein Exemplar an den Staat abzugeben sei (vgl. BVerfGE 58, 137 [139]). 499 Zur Typisierungskompetenz des Gesetzgebers allg. siehe z. B. BVerfGE 13, 97 (117 f.); 30, 292 (314 f.); 81, 228 (237); 96, 330 (344 f.); Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 244 ff. mit umfangreichen Nw.; bezogen auf Art. 14 GG BVerfGE 39, 316 (329); 58, 81 (117, 122); 70, 191 (211); 71, 1 (13); 101, 54 (81); Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, S. 140; Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 28; Wunderlich, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 76.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

des Unsicherheitsmoments, das der Gesetzeslage hier innewohnt, kann von einer dem Bestandsschutz des Art. 14 I 1 GG zugänglichen Rechtsposition erst gesprochen werden, wenn das Ermessen ausnahmsweise reduziert ist oder sich der Anspruch des Bürgers auf fehlerfreie Ermessensausübung in einem begünstigenden Bescheid manifestiert hat500. In letzterem Fall hat es der Anwender somit in der Hand, mit seiner konkreten Maßnahme über den Schutzbereich der Individualrechtsgarantie zu entscheiden501. Dies erscheint nun aber in bezug auf die in Art. 14 I 2 GG verwurzelte alleinige Kompetenz des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung problematisch. Denn bei der Ausübung des Ermessens hat der Anwender häufig einen großen Entscheidungsspielraum, der lediglich eingeschränkt auf bestimmte Ermessensfehler überprüfbar ist502. Nicht selten werden Ermessensermächtigungen auf der Rechtsfolgenseite auch mit einem unbestimmten Rechtsbegriff im Tatbestand kombiniert, so daß dem Anwender eine noch größere Interpretationsspanne zukommt503. Derartige Sachlagen könnten nun aber gerade in Widerspruch zum Postulat der alleinigen Inhaltsbestimmungskompetenz des Gesetzgebers stehen. Denn bei einem derart großen Spielraum des Anwenders ist die Gefahr nicht zu verleugnen, daß dieser seine Entscheidung weitgehend autark, ja gegebenenfalls doch wieder unter Zuhilfenahme überkommener Topoi wie der „Situationsgebundenheit“ und des „wirtschaftlich vernünftigen Eigentümers“ trifft. Das obige Verbot, Eigentumsbindungen nach subjektiven Wertvorstellungen ohne einfachgesetzliche Anbindung, d. h. im Ergebnis doch wieder verfassungsunmittelbar aus Art. 14 II GG zu kreieren, erwiese sich in praxi als Lippenbekenntnis. Bei genauer Betrachtung stellen sich derartige Bedenken jedoch als unbegründet heraus. Dazu ist sich zu vergegenwärtigen, daß jeder Rechtsanwendung grundsätzlich nur solche Normen zugrunde liegen können, die wirksam, d. h. verfassungsmäßig sind504. Im Bereich des Art. 14 GG bedeutet dies, daß grundsätzlich jedes vom Rechtsanwender tatsächlich vollzogene Gesetz das von Art. 14 GG vorgegebene Sozialmodell in verfassungsmäßiger Weise zum Ausdruck bringt. Ist dies aber bei der betreffenden Norm der Fall, so ist bereits auf dieser Prüfungsebene (Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes) die Frage mitentschieden, ob der Umfang der Hierzu bereits oben S. 98 f. Was freilich nicht heißt, daß die Maßnahme nicht an Art. 14 GG kontrollierbar wäre. Nur dann, wenn die zugrundeliegende Norm verfassungsmäßig ist und ihre Anwendung den einfachgesetzlichen Vorgaben entspricht, ist die Bestandsgarantie nicht betroffen. Ansonsten liegt ein Eingriff in die Rechtsstellungsgarantie vor, vgl. oben S. 243 f. 502 Hierzu stellv. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 19 ff. 503 Vgl. etwa den Sachverhalt in BVerfGE 100, 226 (227): Die vom Eigentümer begehrte Genehmigung zum Abriß des Baudenkmals stand im Ermessen der Verwaltung, wobei auf Tatbestandsseite noch zu prüfen war, ob die Erteilung der Genehmigung im öffentlichen Interesse lag. 504 Der Sonderfall, daß sich eine Norm im nachhinein als verfassungswidrig erweist, ihre Nichtigkeit aber bereits bestandskräftige Verwaltungsakte nicht berührt (vgl. § 79 II 1 BVerfGG), soll hier außen vor bleiben. 500 501

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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vom Gesetzgeber erfolgten Delegation konkreter Entscheidungsbefugnisse auf den Anwender mit Art. 14 GG vereinbar war. Denn die Verfassungsmäßigkeit der Regelung erfordert, daß ungeachtet der dem Anwender eingeräumten Spielräume das eigentumsgrundrechtlich vorgegebene Sozialmodell, d. h. die verhältnismäßige Berücksichtigung sowohl der Eigentümer- als auch der Allgemeinwohlinteressen, in der Norm noch hinreichend zum Ausdruck kommt505. Ist dies aber zu bejahen, und hat die Behörde diese Regelung auch fehlerfrei angewendet, so haftet der getroffenen Einzelentscheidung kein Makel an. Denn die rechtmäßige Anwendung der Norm setzt wiederum voraus, daß bei ihrem Vollzug die im Gesetz selbst zum Ausdruck kommende Interessenabwägung hinreichend berücksichtigt wurde: „Die Eigentumsgarantie bindet nicht nur den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums. Auch die Fachgerichte [resp. Verwaltung] haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet.“506

Daher erscheint es auch nicht zutreffend, in Art. 14 I 1 bzw. 14 II GG „Auslegungsrichtlinien“ zu sehen, anhand derer sich der Rechtsanwender bei der Ausführung und Auslegung des einfachen Rechts unmittelbar zu orientieren habe507. Entweder die zugrundeliegende Norm verwirklicht das Sozialmodell. Dann sind beide Elemente, bereichsspezifisch durch den Gesetzgeber konkretisiert, bereits in der Norm enthalten; einer Orientierung unmittelbar an Art. 14 I 1, II GG bedarf es dann nicht mehr. Oder die Norm widerspricht dem Sozialmodell. Dann ist die Regelung aber grundsätzlich verfassungswidrig und kann nicht durch unmittelbare Heranziehung der Art. 14 I 1, II GG bei ihrer Anwendung geheilt werden. Es stellt sich allein die Frage, ob die Norm unter Zuhilfenahme von Art. 14 I 1, II GG einer verfassungskonformen Auslegung508 zugänglich ist509. 505 Vgl. zum Sozialmodell des Art. 14 GG bereits oben S. 199 ff. Damit ist zugleich die Frage nach dem sog. Parlamentsvorbehalt angesprochen, d. h. der allg. Grenze, die der formelle Gesetzgeber nicht durch Delegation auf den Rechtsanwender überschreiten darf. Siehe dazu Erbguth, VA 86 (1995), S. 339 ff.; Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 259 ff. Auch dies richtet sich nach der Wesentlichkeitslehre, vgl. statt vieler BVerfGE 49, 89 (126 f.); Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 264. 506 BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 24 (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich BVerfGE 37, 132 (148); 53, 352 (357 f.); 55, 249 (258); 68, 361 (372 f.); 81, 29 (31 f.); BVerfG, 1 BvR 1499 / 97, K.-Beschl. v. 25. 08. 1999, NJW 2000, S. 800; 1 BvR 1402 / 01, K.-Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376; BVerfG.de, 1 BvR 142 / 02, K.-Beschl. v. 26. 08. 2002, Abs. 30; hierzu Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 353. 507 So aber Rengeling, AöR 105 (1980), S. 436; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 69 m. w. Nw. in Fn. 239. 508 Vgl. dazu BVerfGE 83, 201 (214 ff.); 95, 64 (93). 509 Siehe in diesem Zusammenhang BVerfGE 100, 226 (242 ff.). Hier führte die Anwendung der Norm in Härtefällen zu einer unverhältnismäßigen Außerachtlassung der Eigentü-

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Damit gilt festzuhalten: Wenn der Vollzug eines verfassungsmäßigen Gesetzes in rechtmäßiger Weise erfolgt, so verstößt diese Anwendung nicht gegen das in Art. 14 I 2 GG niedergelegte Postulat der Inhaltsbestimmung allein durch den einfachen Gesetzgeber. Denn dieser hat seine Befugnis aus Art. 14 I 2 GG – in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise510 – nur eingeschränkt in Anspruch genommen und ihre Konkretisierung dem Rechtsanwender anheimgestellt. Füllt dieser die ihm eingeräumten Spielräume aus, so darf er sich ausschließlich an dem in der Norm zum Ausdruck gekommenen Sozialmodell orientieren. Eine Berücksichtigung immanenter Sozialbindungen kraft Verfassung ist dem Anwender verwehrt.

2. Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung Wird auf Grundlage des bisher Gesagten davon ausgegangen, daß durch umgestaltende Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG ein Eingriff in bereits bestehende Eigentumsrechte erfolgen kann, so muß der Gesetzgeber bei der Schaffung derartiger Normen einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Art. 14 II GG und Art. 14 I 1 GG (hier vor allem in Ausprägung der Bestandsgarantie) schaffen511. Nachfolgend soll der Blick näher auf die hier vom BVerfG aufgestellten Anforderungen gerichtet werden.

a) Das Erfordernis eines „besonderen öffentlichen Interesses“ (1) Bisherige Ausgangslage Das BVerfG hat bislang in st. Rspr. betont, daß eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG, mit der der Gesetzgeber in bereits bestehende Eigentumsrechte eingreift, einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Möge eine Vorschrift auch hinmerinteressen. Das Gericht geht aber nicht den Weg, den Anwender unmittelbar auf Grundlage des Art. 14 I 1 GG zu verpflichten, bei Auslegung der Norm Art. 14 I 1 GG zu berücksichtigen. Denn dieses Element des Sozialmodells hatte in der einfachgesetzlichen Regelung gar keine hinreichende Berücksichtigung erfahren. Da auch keine verfassungskonforme Auslegung der Norm möglich war, stellt das Gericht ihre Unvereinbarkeit mit Art. 14 GG fest. 510 Ansonsten wäre die Norm unwirksam und nicht anwendbar. 511 Daher gilt es, zahlreiche Äußerungen im Schrifttum zurückzuweisen, die, wenn auch u.U. nur aus sprachlicher Ungenauigkeit, das vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG zu beachtende Sozialmodell allein zwischen der Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG und Art. 14 II GG ansiedeln. Bei dieser Sichtweise wird die bei Umgestaltungen zusätzlich zu berücksichtigende Bestandsgarantie unterschlagen. So z. B. Koch, NJW 2000, S. 1531; Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 124; Erbguth, JuS 1988, S. 704 f.; Wahl, NVwZ 1984, S. 404 a. E.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 226; Schoch, JURA 1989, S. 119; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 38; ders., JURA 1999, S. 466; Burgi, NVwZ 1994, S. 527; Herzog, in: FS-Zeidler, S. 1422.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

249

sichtlich ihres zukunftsbezogenen Anwendungsbereichs verfassungsmäßig sein, so erfordere sie im Hinblick auf ihren gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogenen, d. h. in Altrechte eingreifenden Charakter, einer zusätzlichen Eingriffsrechtfertigung: „Auch wenn eine Norm für die Zukunft allen rechtlichen Anforderungen des Art. 14 GG entspricht, kann sie die Eigentumsgarantie verletzen, soweit sie in Rechtspositionen eingreift, die in der Vergangenheit entstanden sind.“512

Hierbei wird an einer Vielzahl von Stellen betont, der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte müsse gerechtfertigt sein „[ . . . ] durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“.513

Es komme darauf an, daß „[ . . . ] besondere, gerade diesen Eingriff in die bisherigen Rechte legitimierende Gründe gegeben sind.“514

Es bedürfe insoweit einer umfassenden Abwägung der Gemeinwohlbelange mit den Bestandsinteressen des Eigentümers: „Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwerwiegend sein, daß sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert ist (vgl. BVerfGE 42, 263 [294 f.]; 58, 300 [351]). Auch das Ausmaß des zulässigen Eingriffs hängt vom Gewicht des dahinterstehenden öffentlichen Interesses ab.“515

Innerhalb der Abwägung zwischen Bestandsgarantie und Art. 14 II GG sind wiederum die bereits oben516 skizzierten Grundsätze der gleitenden Sozialbindung zu berücksichtigen517: Den Gemeinwohlbelangen kommt erhöhtes Gewicht zu, wenn die Eigentumsposition einen besonderen sozialen Bezug aufweist. Andererseits 512 BVerfGE 72, 9 (22); ebenso zuvor schon BVerfGE 58, 81 (121); siehe ferner bereits das Zitat aus der Vorkaufsrechts-Entscheidung oben auf S. 193 zu Fn. 211 m. w. Nw. 513 BVerfGE 31, 275 (290); 36, 281 (293); 58, 81 (121); 70, 191 (201); 72, 9 (23); 83, 201 (212); 95, 143 (161); 97, 378 (385); BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 691; 1 BvR 565 / 91, K.-Beschl. v. 22. 02. 1999, NVwZ 1999, S. 980. Siehe hierzu auch Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 181; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 145 f.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 130 f.; Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 90 ff. 514 BVerfGE 31, 275 (290, Hervorhebung nicht im Original). 515 BVerfGE 83, 201 (212, Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 691; 1 BvR 565 / 91, K.-Beschl. v. 22. 02. 1999, NVwZ 1999, S. 980. 516 Siehe S. 201. 517 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 40; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 64, die eine Abstufung des Vertrauensschutzes betonen.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

wiegen die Bestandsinteressen umso mehr, je stärker das Eigentum als Element persönlicher Freiheit betroffen, d. h. die zur Debatte stehende Eigentumsposition im besonderen Maße Ausdruck eines oder mehrerer Strukturmerkmale des Verfassungseigentums ist518. (2) Verhältnis zum rechtsstaatlichen Vertrauensschutz Das oben dargestellte Erfordernis einer Rechtfertigung umgestaltender Regelungen durch besondere öffentliche Interessen ist durch mehrere aktuelle Entscheidungen des BVerfG zweifelhaft geworden. In diesen stellt das Gericht nicht mehr auf die eben skizzierten, spezifisch eigentumsgrundrechtlichen Anforderungen ab, sondern prüft die Vereinbarkeit eines Eingriffs in Eigentumsrechte maßgeblich anhand der Kriterien, die das BVerfG allgemein zum Verbot rückwirkender Gesetze entwickelt hat. Bevor diese Entscheidungen näher untersucht werden, soll daher ein kurzer Blick auf die Rspr. des BVerfG zum Rückwirkungsverbot geworfen werden. (a) Echte und unechte Rückwirkung Das grundsätzliche Verbot rückwirkender Gesetze wird vom BVerfG auf das Rechtsstaatsprinzip zurückgeführt. Aus diesem ergäben sich u. a. die Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die prinzipiell einer Rückwirkung gesetzlicher Regelungen entgegenstünden519. Der erste Senat des BVerfG unterscheidet hierbei in st. Rspr. zwischen echter (retroaktiver) und unechter (retrospektiver) Rückwirkung520. Eine echte Rückwirkung liege vor, wenn ein Gesetz nach518 Geht man mit der hier zugrunde gelegten Ansicht davon aus, daß eine Nutzungsmöglichkeit bereits dann unter den Schutz der Bestandsgarantie fällt, sobald sie einfachgesetzlich als subjektives Recht zugewiesen ist (vgl. oben S. 140 ff.), so kommt ihr i. R. d. Abwägung erhöhtes Gewicht zu, wenn sie, z. B. durch den Einsatz von Arbeit oder Kapital, bereits verwirklicht worden ist. Siehe dazu Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 122; Depenheuer, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 234; ders., Entwicklungslinien, S. 212; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 62 a. E.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 229 ff.; Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes, S. 179; König, Landwirtschaftliche Bodennutzung, S. 37. Vgl. dazu aber auch die auf S. 140 Fn. 584 genannten Stimmen, die ohne eine investive bzw. ins Werk gesetzte Nutzung bereits eine eigentumsfähige Rechtsposition verneinen. 519 Hierzu mit umfangreichen Nw. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 50 ff. 520 Siehe statt vieler BVerfGE 72, 175 (196); dazu Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 105 ff.; Götz, in: FS-BVerfG, S. 423 ff.; Muckel, JA 1994, S. 13 ff.; Brüning, NJW 1998, S. 1525 ff. Der zweite Senat hat sich von dieser Terminologie abgewendet und unterscheidet zwischen den Sachverhalten einer „Rückbewirkung von Rechtsfolgen“ und „tatbestandlichen Rückanknüpfung“ (vgl. BVerfGE 72, 200 [241 ff.]; 83, 89 [110]; 105, 17 [37 ff.]). Diese Terminologie, die i. E. wohl zu keiner großen Abweichung führt (Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 132 m. w. Nw.), soll hier nicht weiter untersucht werden. Die später (auf S. 252 ff.) näher zu untersuchenden Entscheidungen sind durchweg solche des ersten Senats, in dessen Bereich auch die Eigentumsrechtsprechung federführend liegt.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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träglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreife521. Von einer unechten Rückwirkung wird gesprochen, wenn eine Regelung nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt522. Von besonderer Bedeutung sind im vorliegenden Zusammenhang die Rechtsfolgen, die das BVerfG an beide Rückwirkungstatbestände knüpft. Die echte Rückwirkung wird als grundsätzlich unzulässig eingestuft, es sei denn, der Betroffene könne sich ausnahmsweise nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen523. Genau entgegengesetzt argumentiert das BVerfG im Fall der unechten Rückwirkung. Diese wird als grundsätzlich zulässig angesehen, es sei denn, ausnahmsweise überwiege das Vertrauen des Betroffenen524. (b) Eigentumsgrundrechtlicher Bestands- oder rechtsstaatlicher Vertrauensschutz? Das allgemeine Rückwirkungsverbot spielte bislang in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. keine tragende Rolle, soweit es um Vertrauensschutz bezüglich Rechtspositionen ging, die unter den Schutz der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fielen. Das BVerfG betonte in st. Rspr., daß derartiges, auf vermögenswerte Rechte bezogenes Vertrauen in Art. 14 GG als von der Individualrechtsgarantie erfaßter Bestandsschutz eine spezialgrundrechtliche Ausprägung gefunden habe: „Dem allgemeinen Vertrauensgrundsatz kommt in diesem Zusammenhang jedoch keine selbständige Bedeutung zu. Denn die Funktion der Eigentumsgarantie besteht gerade darin, dem Bürger Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Güter zu gewährleisten und das Vertrauen auf das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum zu schützen. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat für die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren.“525 „Die Eigentumsgarantie erfüllt daher für die durch sie geschützten Rechtspositionen die Funktion des Vertrauensschutzes gegenüber Eingriffsakten.“526 521 Vgl. nur BVerfGE 72, 175 (196); 94, 241 (259); hierzu illustrativ Götz, in: FS-BVerfG, S. 425 ff., der als Hauptanwendungsfall das rückwirkende Inkrafttreten eines Gesetzes nennt. 522 Vgl. BVerfGE 63, 152 (175); 64, 87 (104); 89, 48 (66 f.); siehe auch Götz, in: FSBVerfG, S. 435 f., der zu Recht darauf hinweist, daß es hier genau genommen gar nicht um einen Fall der Rückwirkung geht; ebenso Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 108, der deshalb den Begriff der „Einwirkung“ vorschlägt. 523 Vgl. BVerfGE 30, 367 (387 ff.). Das Gericht hat diesbzgl. Fallgruppen gebildet, in denen es grds. einen Vertrauenstatbestand verneint. So z. B., wenn der Betroffene mit der Neuregelung rechnen mußte (vgl. BVerfGE 30, 667 [387 f.]; 88, 384 [404]; näher zu diesen Ausnahmen Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 55 ff.). 524 BVerfGE 51, 356 (362 f.); 63, 152 (175); 68, 287 (307); 72, 141 (154); 72, 175 (196); 75, 246 (280); vgl. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 60 ff. 525 BVerfGE 36, 281 (293, Hervorhebung nicht im Original); ferner BVerfGE 36, 242 (300 f.); 42, 263 (300 f.); 45, 142 (168); 53, 257 (309); 58, 81 (120 f.); 64, 87 (104); 70, 101 (114); 71, 1 (11 f.); 75, 78 (104 f.). 526 BVerfGE 76, 220 (245).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Die allgemeine Rückwirkungslehre fand damit nur Anwendung, soweit der Schutzbereich des Art. 14 GG nicht einschlägig war527. Das BVerfG beließ es jedoch nicht bei einem formellen Spezialitätsbekenntnis, sondern verband mit der besonderen Ausprägung des Vertrauensschutzes in Art. 14 GG auch einen materiell weitergehenden Schutzgehalt528. Es betonte das Erfordernis eines besonderen öffentlichen Interesses zur Rechtfertigung von Eingriffen in bereits bestehende Eigentumsrechte529 und stellte ausdrücklich fest, daß Art. 14 GG für den Gesetzgeber „[ . . . ] konkretere und deutlicher konturierte Maßstäbe einer verfassungsrechtlichen Beurteilung als der Rückgriff auf allgemeine Grundsätze der Verfassung [aufstelle] [ . . . ], so daß seine Anwendung nicht nur ein höheres Maß an Schutz, sondern auch an Rechtsgewißheit gewährleistet.“530 „Auch wenn eine Rechtsänderung vorgeschlagen wird und der Betroffene sogar damit rechnet, muß der Gesetzgeber für den Eingriff in geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben; insoweit geht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus [ . . . ].“531

Grochtmann532 hat darauf hingewiesen, daß das BVerfG diesen bislang beschrittenen Weg in seiner Entscheidung zum Wohnungsbindungsgesetz533 verlassen habe. Zur verfassungsrechtlichen Prüfung stand hier eine Neuregelung des Wohnungsbindungsgesetzes, mit der der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Wohnungseigentümer eingeschränkt hatte, sich von den Bindungen des sozialen Wohnungsbaus zu befreien. Während das BVerfG hinsichtlich des zukunftsbezogenen Anwendungsbereichs der Regelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt534, wird die Übergangsvorschrift, mit der diese Verschärfung auch auf bereits bestehendes Wohnungseigentum erstreckt wird, einer gesonderten Prüfung unterzogen535. Diesbezüglich führt das BVerfG aus: 527 Vgl. BVerfGE 45, 142 (168); 64, 87 (104); dieses Spezialitätsverhältnis in der bisherigen Rspr. des BVerfG betonen u. a. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 36 ff.; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 68 ff.; ders., JZ 1990, S. 281 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 5. 528 Ebenso die Einschätzung bei Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 64; Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 239; Götz, in: FS-BVerfG, S. 438; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 45 Fn. 190 m. w. Nw. 529 Siehe die Zitate oben auf S. 249 f. zu Fn. 513 ff. 530 BVerfGE 53, 257 (294, Hervorhebung nicht im Original). 531 BVerfGE 31, 275 (293, Hervorhebung nicht im Original). Damit machte das Gericht deutlich, daß der weitergehende Vertrauensschutz des Art. 14 GG dazu führe, daß sich die im Rahmen des Art. 20 III GG entwickelten Fallgruppen einer ausnahmsweisen Zulässigkeit der echten Rückwirkung (vgl. oben Fn. 523) nicht ohne weiteres auf Art. 14 GG übertragen lassen. Siehe ferner BVerfGE 58, 81 (121), wo das Gericht nochmals betont, der eigentumsgrundrechtliche Bestandsschutz ginge über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus. 532 Art. 14 GG, S. 44 ff. 533 BVerfGE 95, 64 ff. 534 BVerfGE 95, 64 (84 ff.), wo das Gericht die Zurückdrängung der Eigentümerinteressen aufgrund des hohen Sozialbezugs „ohne weiteres“ für verhältnismäßig erklärt. 535 BVerfGE 95, 64 (86 ff.).

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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„Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Übergangsvorschrift richtet sich nach den Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen in der Ausprägung, die sie durch Art. 14 Abs. 1 GG erfahren haben. Diese Regeln enthalten für verschiedene Fallgruppen unterschiedliche Anforderungen. Eine unechte Rückwirkung [ . . . ] ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (vgl. BVerfGE 30, 392 [402 f.]; stRspr). Jedoch können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe überwiegen. Eine echte Rückwirkung ist dagegen verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig.“536

Das Gericht stellt in dieser Entscheidung also nicht mehr die eigenständige Verwurzelung des Vertrauensschutzes im Eigentumsgrundrecht in den Mittelpunkt, sondern zieht innerhalb der Prüfung des Art. 14 GG die allgemeinen Kriterien des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes heran537. Daß diese Vorgehensweise nicht lediglich ein „Ausreißer“ ist, sondern möglicherweise der Beginn einer Rechtsprechungsänderung, zeigt sich an mehreren nachfolgenden Entscheidungen538. Ihnen allen ist gemeinsam, daß der Eingriff in Eigentumsrechte nicht mehr durch „besondere öffentliche Interessen“ gerechtfertigt sein muß, sondern innerhalb des Art. 14 GG die allgemeinen Grundsätze zur (un-)echten Rückwirkung herangezogen werden539. Damit widersprechen diese Judikate vor allem den früheren Aussagen des Gerichts, der eigentumsgrundrechtliche Bestandsschutz ginge über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus540. Im Gegenteil wird stellenweise sogar betont, BVerfGE 95, 64 (86, Hervorhebung nicht im Original). Diese Aufweichung des bislang betonten Spezialitätsverhältnisses ist jedoch nicht völlig neu. Pieroth, JZ 1990, S. 282, macht darauf aufmerksam, daß das BVerfG u. a. bereits in BVerfGE 71, 230 (251 ff.); 79, 29 (45 ff.) die spezielle Verortung des Vertrauensschutzes in Art. 14 GG nicht konsequent beachtet. In diesen Entscheidungen wird nach der Feststellung, daß die betreffenden Regelungen mit Art. 14 GG vereinbar seien, eine eigenständige Prüfung des Vertrauensschutzes anhand des allg. rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbotes vorgenommen (aber nicht, wie in BVerfGE 95, 64 [86], innerhalb der Prüfung des Art. 14 GG). Bemerkenswert ist dabei BVerfGE 79, 29 (46), wo das Gericht, sozusagen genau entgegengesetzt zu BVerfGE 95, 64 (86), innerhalb der Prüfung des allg. Rückwirkungsverbots das zu Art. 14 GG entwickelte Erfordernis eines besonderen öffentlichen Interesses zur Eingriffsrechtfertigung heranzieht (mit Verweis auf BVerfGE 31, 275 [290]). Grochtmann, Art. 14 GG, S. 46, bezeichnet BVerfGE 71, 230 (251 ff.); 79, 29 (45 ff.) angesichts der damals noch in st. Rspr. betonten speziellen Verortung des Vertrauensschutzes in Art. 14 GG als „Ausreißer“. In diese Reihe gehört wohl auch BVerfGE 64, 87 (104), wo das Gericht betont, die Prüfungsmaßstäbe des eigentumsgrundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes seien i. E. dieselben. 538 BVerfGE 97, 378 (388 ff.); 98, 17 (39 f.); 101, 239 (257 ff., 262 ff.); BVerfG.de, 1 BvR 2402 / 97, K.-Beschl. v. 14. 03. 2001, Abs. 23 ff.; 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 21 ff.; in diese Richtung auch BVerfG.de, 1 BvR 2002 / 95, K.-Beschl. v. 28. 03. 2000, Abs. 19; 1 BvR 1637 / 99, K.-Beschl. v. 06. 10. 2000, Abs. 14; 1 BvR 2062 / 99, K.-Beschl. v. 25. 10. 2000, Abs. 21. 539 Siehe von den eben genannten BVerfGE 101, 239 (262), wo das Gericht von einem „im Gewährleistungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigenden Vertrauensschutzprinzip“ spricht und im Anschluß die Grds. der (un-)echten Rückwirkung prüft. 536 537

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

daß es bei der Frage des Vertrauensschutzes nunmehr im Ergebnis offen bleiben könne, ob die Rechtsposition, auf die das Vertrauen aufbaut, unter den Schutzbereich des Art. 14 GG falle oder nicht. Sei die Regelung mit dem rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot vereinbar, so gelte dasselbe auch für einen ggf. bestehenden eigentumsgrundrechtlichen Bestandsschutz541. Die damit vom BVerfG eingeläutete Kehrtwende ist von Grochtmann kritisiert worden542. Unabhängig davon, daß das Gericht ohne nähere Auseinandersetzung mit einer st. Rspr. breche, erhebt Grochtmann vor allem gegen die inhaltlichen Auswirkungen Bedenken. Er befürchtet eine „Verschiebung der Argumentationslast, wenn nach alter Rechtsprechung ohne jede weitere Unterscheidung bei einem Eingriff in Altrechte es schwerwiegender Gründe des öffentlichen Interesses bedurfte, um dem Gesetzgeber diese Regelung zu gestatten, nunmehr aber die unechte Rückwirkung grundsätzlich zulässig“ sei543. Die Eigentumsgarantie drohe ihre grundlegende Funktion der Sicherung eines Freiraums im vermögensrechtlichen Bereich zu verlieren, wenn das Vertrauen in den Fortbestand von Eigentumsrechten derart relativiert werde544. Auf dem ersten Blick könnten diese Befürchtungen Grochtmanns überzogen erscheinen. Denn das in st. Rspr. zur allgemeinen Rückwirkungslehre gepflegte Po540 Im Sinne dieser früheren Rspr. jedoch wieder BVerfGE 95, 143 (161); BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 179 / 94, K.-Beschl. v. 21. 10. 1998, EuGRZ 1998, S. 691 f.; 1 BvR 565 / 91, K.-Beschl. v. 22. 02. 1999, NVwZ 1999, S. 980; 1 BvR 1321 / 00, K.-Beschl. v. 07. 03. 2002, NVwZ 2002, S. 1365. In diesen Entscheidungen stellt das Gericht zur Eingriffsrechtfertigung auf ein besonderes „öffentliches Interesse unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ ab, ohne an das allg. Rückwirkungsverbot anzuknüpfen; in diese Richtung ferner BVerfGE 100, 1 (49 ff.). 541 So BVerfG.de, 1 BvR 1996 / 97, K.-Beschl. v. 29. 10. 1999, Abs. 16 ff. Hier wird zunächst ein Verstoß der zur Debatte stehenden Regelung gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verneint, weil die Vorschrift lediglich unecht rückwirke. Im Anschluß daran wird die Frage, ob die zur Debatte stehende Position unter die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG falle, offengelassen. Denn bei einer solchen Prüfung bestünden „keine Unterschiede gegenüber der Überprüfung an den Maßstäben des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips.“ (BVerfG.de, 1 BvR 1996 / 97, K.-Beschl. v. 29. 10. 1999, Abs. 25). 542 Ablehnend zu BVerfGE 95, 64 (86) auch Maurer, Staatsrecht, § 17 Rn. 116 a. E., der die Vermischung von grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Erwägungen zum Vertrauensschutz in dieser Entscheidung als „diffus“ bezeichnet. 543 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 50 f. (Hervorhebung im Original). Derselbe Vorwurf könnte dem Gericht bzgl. der Fälle der echten Rückwirkung gemacht werden. Während das BVerfG in BVerfGE 31, 275 (293) noch davon ausging, daß eine echte Rückwirkung im Anwendungsbereich des Art. 14 GG selbst dann unzulässig sein könne, wenn der Betroffene mit der Neuregelung rechnen mußte (vgl. das Zitat oben auf S. 252 zu Fn. 531), erkennt das Gericht nun i. R. d. Art. 14 GG die zur allg. Rückwirkungslehre entwickelten Fallgruppen der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer echten Rückwirkung ausdrücklich an. Siehe BVerfGE 95, 64 (86 f.); 101, 239 (263 f.) und speziell BVerfG.de, 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 26, bzgl. der Fallgruppe, daß der Betroffene mit einer Neuregelung rechnen mußte. 544 Grochtmann, Art. 14 GG, S. 51.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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stulat von der „grundsätzlichen Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung erscheint dadurch relativiert, daß das BVerfG hier zugleich immer noch eine umfassende Güterabwägung vornimmt. Ob eine unechte Rückwirkung verfassungsrechtlich zu beanstanden ist oder nicht, entscheidet das Gericht regelmäßig anhand einer „[ . . . ] Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit.“ 545

Ist damit aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch bei der Überprüfung der unechten Rückwirkung innerhalb der rechtsstaatlichen Vertrauenslehre der entscheidende Maßstab, so scheint der Ausspruch von der grundsätzlichen Zulässigkeit der unechten Rückwirkung in seiner Absolutheit abgeschwächt. Dies könnte zu dem Schluß verleiten, daß eine Inkorporierung dieser Grundsätze in Art. 14 GG im Ergebnis keinen großen Unterschied zur bisherigen Rspr. ausmacht, die den Vertrauensschutz als spezialgrundrechtlich in Art. 14 GG verbürgt ansah. Denn letzten Endes laufen beide Prüfungen auf einen Verhältnismäßigkeitsausgleich hinaus546. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß das Bekunden des Gerichts von der „grundsätzlichen Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung keine inhaltsleere Phrase ist. Zwar schließt sich an die Feststellung einer unechten Rückwirkung tatsächlich regelmäßig eine Abwägung der betroffenen Belange an. Das BVerfG weist aber die Tendenz auf, innerhalb dieser Abwägung den Gemeinwohlinteressen grundsätzlich ein höheres Gewicht beizumessen als dem Vertrauen des Betroffenen. Diese Neigung findet ihren Ausgang in dem bereits an anderer Stelle547 beschriebenen Gedanken, daß der Gesetzgeber seine Funktionen in einem modernen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialstaat nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn ihm grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt ist, auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse einzuwirken und sie dem Regime kursändernder Reformgesetze zu unterwerfen548. Da Gesetzestätigkeit heute zumeist Änderungsgesetzgebung ist, hätte die entgegengesetzte Betrachtungsweise eine Blockierung der Legislative zur Folge549. Diese Tatsache hat das BVerfG vor Augen, wenn es anläßlich der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der unechten Rückwirkung betont, für den Gesetzgeber sei es eine „unabdingbare Notwendigkeit“550, das bestehende Recht veränderten Gegebenheiten anzupassen und zu diesem Zweck an Umstände anzuknüpfen, die in der Vergangenheit lägen. Der Bürger kann sich also nicht 545 BVerfGE 51, 356 (363); ebenso z. B. BVerfGE 24, 220 (230); 63, 152 (175.); 63, 312 (329); 69, 272 (310); 72, 141 (155); 72, 175 (196); 75, 246 (280). 546 In diese Richtung Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 39; siehe ferner Jarass, NZS 1997, S. 548 f. 547 Siehe oben S. 191 f. 548 Vgl. Götz, in: FS-BVerfG, S. 438 f. 549 Der Gesetzgeber wäre auf die wenig effektive Möglichkeit beschränkt, jede Neuregelung mit einer „absoluten Übergangsvorschrift“ zu versehen, mit deren Hilfe sämtliche Altrechte von ihren Wirkungen ausgenommen werden (vgl. Götz, in: FS-BVerfG, S. 438 f.). 550 BVerfGE 63, 343 (357).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

schlechthin auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung verlassen551. Aufbauend auf dieser zutreffenden Grundüberlegung hat das BVerfG die Tendenz entwickelt, bei Abwägung mit dem Vertrauen des Betroffenen die Gemeinwohlbelange regelmäßig höher einzuschätzen552. Eine unechte Rückwirkung erachtet das Gericht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen für verfassungswidrig553. Im Rahmen der Abwägung greift es häufig lediglich die Regelungsintentionen des Gesetzgebers auf und stuft diese gegenüber den Individualinteressen der Betroffenen als vorrangig ein554. Damit klärt sich auf, warum das BVerfG, trotz stetigem Bekenntnis zu einer noch vorzunehmenden Abwägung, das auf den ersten Blick mit dieser Forderung in Widerspruch stehende Postulat von der „grundsätzlichen Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung aufrechterhält: Das Gericht wägt hier zwar ab, innerhalb der Abwägung haben die Gemeinwohlbelange aber grundsätzlich höheres Gewicht. Die Frage, inwieweit diese Vorgehensweise des BVerfG Zustimmung verdient, soll hier in ihrer Allgemeinheit nicht diskutiert werden555. Mit größter Deutlichkeit entgegenzutreten ist ihr jedoch im hiesigen Zusammenhang, wenn das Gericht nunmehr den Weg einzuschlagen scheint, diesem zum rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot entwickelten Ansatz im Binnenbereich des Art. 14 GG Geltung zu verschaffen. Denn auch in den aktuellen Entscheidungen findet sich das Bekunden zu einer „grundsätzlichen Zulässigkeit“556 der unechten Rückwirkung, das nur „ausnahmsweise“557 durchbrochen werde. Selbst wenn man diesen Ansatz akzep551 Dieser Gedanke liegt auch einer frühen Entscheidung des BVerfG zugrunde, in der es allein die Fälle der echten Rückwirkung für verfassungsrechtlich problematisch einstuft, während es die Fälle der unechten Rückwirkung generell als „rechtsstaatlich unbedenklich“ ansieht (BVerfGE 13, 46 [52]; ähnlich BVerfGE 11, 139 [146]; hierzu Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 60). 552 Vgl. Götz, in: FS-BVerfG, S. 440: Die umfangreiche Rspr. des BVerfG zur unechten Rückwirkung habe sich „in ihren Ergebnissen als ständig wiederholte Anerkennung der Befugnis des Gesetzgebers erwiesen, vorgefundene Sachlagen, Rechte und Rechtsbeziehungen in die Geltung neuer Gesetze einzubeziehen.“ 553 Vgl. BVerfGE 43, 242 (289); 67, 1 (16), wo das BVerfG das Rechtsstaatsprinzip erst dann für verletzt hält, wenn „die Grenze der Zumutbarkeit“ für den Betroffenen überschritten sei (ähnlich BVerfGE 51, 356 [368]). Siehe dazu auch die empirischen Befunde bei Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 64; Götz, in: FS-BVerfG, S. 438, jeweils m. w. Nw. Beide bemängeln, daß das BVerfG in weitaus mehr Fällen eine unecht rückwirkende Regelung für verfassungsmäßig eingestuft habe als für verfassungswidrig. 554 So die Analyse der Rspr. bei Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 63 mit umfangreichen Nw.; ebenso Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 34 f. 555 Zur Kritik am Postulat der „grundsätzlichen Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung siehe statt vieler Götz, in: FS-BVerfG, S. 438 ff.; Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 84 ff.; Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 104 ff., jeweils m. w. Nw. 556 Vgl. BVerfGE 95, 64 (86); 98, 17 (39); 101, 239 (263, 265); BVerfG.de, 1 BvR 1996 / 97, K.-Beschl. v. 29. 10. 1999, Abs. 20; 1 BvR 2402 / 97, K.-Beschl. v. 14. 03. 2001, Abs. 24. 557 BVerfGE 101, 239 (265); siehe zudem die vielfachen Verweise in diesen Entscheidungen auf die anderen, zur allg. Rückwirkungslehre ergangenen Judikate.

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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tiert, soweit es um Eingriffe in Positionen geht, die nicht spezialgrundrechtlich geschützt sind und daher nur vom allgemeinen, im Rechtsstaatsprinzip verwurzelten Vertrauensschutz erfaßt werden, so entgegnet diese Betrachtung Bedenken, wenn es um Positionen geht, die unter den Schutzbereich eines speziellen Grundrechts fallen558. Dies gilt auch und vor allem im vorliegenden Zusammenhang, d. h. soweit es um das Vertrauen auf vermögenswerte Positionen geht, die unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fallen. Zu seiner Eröffnung ist nicht nur das Vorliegen einer Rechtsposition erforderlich, sondern diese muß, wie ihm Rahmen der vorliegenden Arbeit eingehend erörtert wurde, zudem durch Erfüllung der verfassungsunmittelbaren Strukturmerkmale (Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis bzw. Eigenleistung und ggf. Existenzsicherung, Vermögenswert) besonders qualifiziert sein559. Diesen Hürden, die eine Position zu nehmen hat, um unter den Schutzbereich der Individualrechtsgarantie zu fallen, muß dann aber auch ein qualifizierter Bestandsschutz gegenüberstehen, der über den allgemeinen Vertrauensschutz hinaus reicht, in dessen Genuß jede „sonstige“ Position kommen kann. Nur auf diese Art und Weise kann den besonderen Qualifikationsanforderungen, die – insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Positionen – auf der Ebene des Schutzbereichs gestellt werden, im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung Rechnung getragen werden560. Wendete man hingegen auch hier die allgemeinen Rückwirkungsgrundsätze an, so würden die vermögenswerten Rechte pauschal mit solchen Positionen auf eine Stufe gestellt, die keinerlei eigentumsgrundrechtliche Qualifikationsanforderungen aufweisen. Die vom BVerfG selbst betonte Funktion des Art. 14 GG, Rechtssicherheit und Vertrauen in die unter die Rechtsstellungsgarantie fallenden Vermögensrechte zu gewährleisten, bliebe auf der Strecke, wenn die äußerst praxisrelevanten Fälle einer unechten Rückwirkung auf Eigentumspositionen nun „grundsätzlich“ zulässig wären. Es ist gerade im Gegenteil festzustellen, daß Art. 14 GG seine Funktion der Freiheitssicherung im vermögensrechtlichen Bereich nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn der Eigentümer grundsätzlich, d. h. auch im Fall einer unechten Rückwirkung, auf den Bestand seiner Vermögensrechte vertrauen kann561. Das eben Ausgeführte gilt umso mehr, weil eine „grundsätzliche Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung im Anwendungsbereich des Art. 14 GG auch dem vom Vgl. Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 107 f. Siehe auch Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 31, der treffend von einem verfassungsrechtlichen „Prädikat ,Eigentum‘“ spricht, das einer Position verliehen werde. 560 Siehe hierzu bereits oben S. 59, wo gerade mit dem Hinweis auf entsprechend hohe Anforderungen an eine Eingriffsrechtfertigung der Ansatz von Rupp-v. Brünneck zurückgewiesen wurde, für den Eigentumsschutz von öffentlich-rechtlichen Positionen auf der Ebene des Schutzbereichs geringe Ansprüche zu stellen. 561 Vgl. Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 64; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 122; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 35; Depenheuer, Entwicklungslinien, S. 212. 558 559

17 Appel

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

BVerfG in st. Rspr. betonten Sozialmodell widerspricht. Sind danach die Eigentümerinteressen (Art. 14 I 1 GG) und die Gemeinwohlbelange (Art. 14 II GG) stets „in gleicher Weise“ zu berücksichtigen, ohne die eine oder andere Seite einseitig zu bevorzugen562, so stünde die Annahme einer „grundsätzlichen Zulässigkeit“ der unechten Rückwirkung in Widerspruch mit dieser Vorgabe. Damit würde den Gemeinwohlbelangen im Rahmen der Abwägung mit Art. 14 I 1 GG schon grundsätzlich, d. h. unabhängig vom Einzelfall, ein höheres Gewicht zugesprochen, mithin die Eigentümerinteressen einseitig benachteiligt 563. Damit ist festzuhalten: Die in einigen Entscheidungen des BVerfG seit dem 95. Bd. erkennbar gewordene Tendenz, die zur allgemeinen Rückwirkungslehre entwickelte Rspr. im Anwendungsbereich des Art. 14 GG Geltung zu verschaffen, ist mit Nachdruck abzulehnen. Vorzugswürdig ist vielmehr die frühere (sowie in einigen aktuellen Entscheidungen564 aufgegriffene) Rspr., für jeden Eingriff in bereits bestehende Eigentumsrechte eine Rechtfertigung durch besondere öffentliche Interessen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu fordern565.

b) Die Erhaltung der Substanz und des Zuordnungsverhältnisses Bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer umgestaltenden Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG betont das BVerfG in st. Rspr., daß sich aus der Rechtsstellungsgarantie des Art. 14 I 1 GG – über die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes des Betroffenen hinaus – zwei besondere Grenzen für die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers ergäben:

Vgl. oben S. 199 ff. Es gilt insofern derselbe Vorwurf, der bereits an anderer Stelle (oben S. 236) den Anhängern einer sog. immanenten Sozialbindung gemacht wurde: Die Gemeinwohlbelange dürfen nicht abstrakt als höherwertig eingestuft werden als die Eigentümerinteressen. Maßgeblich ist immer nur das konkrete Gewicht der betroffenen Belange im Einzelfall. 564 Siehe die Nw. auf S. 254 Fn. 540. 565 Nicht näher eingegangen werden soll auf die Frage, inwieweit es zudem zweckmäßig erscheint, die in Grenzfällen äußerst schwierige und vom Schrifttum überwiegend abgelehnte (vgl. nur Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 79 ff.; Muckel, JA 1994, S. 14; Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 97 ff., jeweils m. w. Nw.) Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung nunmehr auch innerhalb des Art. 14 GG anzuwenden. Während es bislang lediglich der Feststellung eines Eingriffs in Altrechte bedurfte, dessen Rechtfertigung vom Umfang des im Einzelfall bestehenden personalen bzw. sozialen Bezugs der jeweiligen Eigentumsposition bei besonderer Berücksichtigung des Gesichtspunktes des Vertrauensschutzes abhing, ist nun die Eingriffsrechtfertigung i. e. L. davon abhängig, ob ein Fall der echten oder unechten Rückwirkung vorliegt. Siehe hierzu BVerfGE 95, 64 (87, 93); 101, 239 (264, 165 f.), wo sich das Gericht des schwierigen Unterfangens annimmt, innerhalb der betreffenden Gesetze bzgl. ihres echt bzw. unecht rückwirkenden Regelungsgehaltes zu unterscheiden. 562 563

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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„[ . . . ] die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG [fordert] in jedem Fall die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses und die Gewährleistung der Substanz des Eigentums [ . . . ].“566

(1) Keine Beeinträchtigung der Substanz des Eigentums Soweit sich der Gesetzgeber darauf begrenzt, das betreffende Zuordnungsverhältnis durch Entzug einzelner Befugnisse lediglich zu beschränken, jedoch nicht vollständig aufzuheben567, kommt das Gebot der Substanzerhaltung zum Tragen568 Das BVerfG bringt mit dem Verbot einer Substanzbeeinträchtigung zum Ausdruck, daß es dem Gesetzgeber bei Erlaß einer Nutzungsbeschränkung verwehrt ist, dem Betroffenen nur noch das „nackte“ Zuordnungsverhältnis zu belassen, d. h. lediglich die Zuordnung zwischen Rechtssubjekt und Eigentumsobjekt formal aufrecht zu erhalten, sie jedoch sämtlicher Nutzungsbefugnisse zu entkleiden. Ein derartiges nudum ius würde die Eigentümerinteressen in unverhältnismäßiger Weise beschneiden. (a) Vorliegen einer Substanzbeeinträchtigung Erläßt der Gesetzgeber eine umgestaltende Neuregelung, so wird er nur selten den Weg gehen, das Zuordnungsverhältnis formal bestehen zu lassen, dem Eigentümer aber alle daraus bislang resultierenden Nutzungsmöglichkeiten zu entziehen. Im Regelfall wird sich der Gesetzgeber darauf beschränken, dem Betroffenen lediglich einzelne Modalitäten der Verwendung seines Eigentumsobjektes zu untersagen. Das BVerfG geht jedoch davon aus, daß auch durch solche Regelungen eine Beeinträchtigung der Eigentumssubstanz erfolgen kann. Wann dies der Fall ist, hängt von der Beantwortung der Frage ab, welches Maß an Nutzungsbefugnissen dem Eigentümer verbleiben muß, um noch von einer Wahrung der Eigentumssubstanz ausgehen zu können. Das BVerfG geht hierbei von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus. Maßgeblich sei, inwieweit dem Betroffenen nach Inkrafttre566 BVerfGE 50, 290 (341, Hervorhebung nicht im Original); ferner BVerfGE 42, 263 (295); 68, 361 (368); 79, 292 (303); 84, 382 (385); 93, 121 (137). Anders wohl die Interpretation dieser Passagen bei Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 184; Kube, JURA 1999, S. 469; ders., Eigentum an Naturgütern, S. 102, wenn diese zwischen dem Postulat des BVerfG von der Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses keinen Unterschied sehen zu dem der Substanzwahrung. 567 Zur Unterscheidung dieser zwei Arten von Umgestaltungen siehe oben S. 195 ff. 568 Neben den in Fn. 566 genannten Entscheidungen stellt das BVerfG das Erfordernis der Substanzwahrung noch heraus in BVerfGE 52, 1 (31, 36); 71, 230 (250 f.); 72, 66 (78); 79, 174 (198); 79, 283 (290); 87, 114 (139); 100, 226 (244); 102, 1 (20); 105, 17 (31); BVerfG, 1 BvR 988 / 90, K.-Beschl. v. 11. 09. 1990, NVwZ 1991, S. 358; 1 BvR 180 / 88, K.-Beschl. v. 26. 05. 1998, NJW 1998, S. 3265; 1 BvR 1499 / 97, K.-Beschl. v. 25. 08. 1999, NJW 2000, S. 800; BVerfG.de, 1 BvR 207 / 97, K.-Beschl. v. 25. 02. 1998, Abs. 9, 18; 1 BvR 1575 / 94, K.-Beschl. v. 04. 06. 1998, Abs. 5.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

ten der Neuregelung wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten verblieben. So nimmt das Gericht in der ersten Kleingarten-Entscheidung eine Substanzbeeinträchtigung durch die angegriffenen Vorschriften des Kleingartenrechts an, die dem Grundstückseigentümer strenge Kündigungs- und Pachtzinsbeschränkungen auferlegen569. An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand nichts, daß den Verpächtern z. B. noch die (Nutzungs-)Möglichkeit bliebe, ihr Grundstück zu verkaufen. Diese sei hier „wirtschaftlich sinnvoll nicht realisierbar“570, da das mit einem Kleingartenpachtvertrag belastete Grundstück in praxi unveräußerlich sei. Dergleichen macht das Gericht in späteren Entscheidungen die Frage einer Substanzbeeinträchtigung davon abhängig, ob sich die dem Eigentümer verbleibende Möglichkeit der Veräußerung des betreffenden Eigentumsobjektes als „wirtschaftlich sinnlos“ herausstellt571. Deutlich wird diese Betrachtungsweise auch, wenn das BVerfG eine Beeinträchtigung der Substanz des Vermietereigentums annimmt, wenn die Miethöhe gesetzlich derart beschränkt werde, daß die Vermietung „im Ergebnis zu Verlusten“ führe572. Das BVerfG macht die Frage nach einer Substanzbeeinträchtigung damit allein von materiellen Gesichtspunkten abhängig. Sie wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß dem Betroffenen formell noch einzelne Nutzungsbefugnisse verbleiben. Sofern letztere keinen hinreichenden Gehalt aufweisen, der dem Betroffenen auch nur annähernd eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Eigentumsobjekts ermöglicht, liegt eine Substanzbeeinträchtigung vor573. (b) Rechtsfolgen einer Substanzbeeinträchtigung Bewirkt eine umgestaltende Neuregelung einen Eingriff in die Eigentumssubstanz, so ist die Vorschrift zwingend verfassungswidrig574. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Gerichts, die Bestandsgarantie erfordere die Erhaltung der Substanz des Eigentums „in jedem Fall“575. Das Gericht betont in diesem ZusammenVgl. BVerfGE 52, 1 (31 ff., 36). BVerfGE 52, 1 (31). Siehe auch zuvor bereits die eingehende Auseinandersetzung mit der Frage einer Substanzbeeinträchtigung in BVerfGE 42, 263 (301 ff.). 571 BVerfGE 79, 283 (290); 84, 382 (385). Siehe ferner BVerfGE 100, 226 (243 f.), wo das Gericht einen Eingriff in die Eigentumssubstanz (vgl. BVerfGE 100, 226 [244]) annimmt, weil für den Grundstückseigentümer „keinerlei sinnvolle Nutzungsmöglichkeit“ mehr bestehe. 572 BVerfGE 71, 230 (250 f.); ebenso im Hinblick auf das Eigentum des Verpächters BVerfGE 87, 114 (148 ff.); BVerfG.de, 1 BvR 207 / 97, K.-Beschl. v. 25. 02. 1998, Abs. 18. 573 Die Eigentumsgarantie schützt jedoch „nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums“ (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 91, 294 [310]; 100, 226 [242 f.]). Eine Substanzbeeinträchtigung erfordert daher wirtschaftlich schwerwiegende Nutzungsbeschränkungen wie z. B. in BVerfGE 100, 226 (243), wo infolge der gesetzlichen Regelung „aus dem Recht eine Last“ wurde, die „den Namen ,Eigentum‘ nicht mehr verdient“. 574 Sie schlägt aber nicht in eine Enteignung um, vgl. hierzu bereits oben S. 158 ff. 575 Vgl. das Zitat oben S. 259 zu Fn. 566 und BVerfGE 68, 361 (368); 84, 382 (385); 87, 114 (139); BVerfG, 1 BvR 1499 / 97, K.-Beschl. v. 25. 08. 1999, NJW 2000, S. 800; BVerfG.de, 1 BvR 207 / 97, K.-Beschl. v. 25. 02. 1998, Abs. 9. 569 570

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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hang ausdrücklich, daß das strikte Verbot einer Substanzbeeinträchtigung auch gelte, wenn das Eigentumsobjekt aufgrund eines hohen Sozialbezuges einer gesteigerten Gemeinwohlbindung unterliege576. Auch gewichtige Belange des Gemeinwohls vermögen damit keine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu rechtfertigen, die eine vollständige Aushöhlung der Rechtsstellung des Eigentümers zur Folge hat und ihm nur noch das nudum ius beläßt577. Will der Gesetzgeber das Eigentumsobjekt in einem solchen Fall dennoch in Anspruch nehmen, so bleibt ihm nur der Weg, durch Schaffung einer den Anforderungen des Art. 14 III GG genügenden Enteignungsregelung ein Enteignungsverfahren mit entsprechender Entschädigung durchzuführen578.

(2) Keine Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses? Anders als das Postulat von der Substanzwahrung hat die zweite Forderung des BVerfG, die zwingende Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses579, heute keine uneingeschränkte Geltung mehr580. Zwar wird vor allem in älteren Entscheidungen betont, daß dessen Aufhebung im Rahmen des Art. 14 I 2 GG generell unzulässig sei581. Ein erstes Abrücken von diesem Verständnis findet sich jedoch bereits in der Vorkaufsrechts-Entscheidung582. Dort stellt das Gericht den Grundsatz auf, daß auch durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG das Zuordnungsverhältnis zwischen Rechtsträger und Eigentumsobjekt aufgelöst werden könne583, wenn es BVerfGE 50, 290 (340 f.); 68, 361 (368); 87, 114 (385). Anders verfährt das BVerfG allerdings in der ersten Kleingarten-Entscheidung. Hier prüft es nach Feststellung einer Substanzbeeinträchtigung, ob diese „durch Gründe des Art. 14 Abs. 2 GG unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt“ sei (BVerfGE 52, 1 [32]; im konkreten Fall wurde dies verneint, vgl. S. 32 ff.). Hieraus zu schließen, eine Substanzbeeinträchtigung sei lediglich ein „gewichtiges Indiz“ für die Verfassungswidrigkeit, jedoch keine zwingende Folge (so Grochtmann, Art. 14 GG, S. 31 Fn. 129), erscheint jedoch angesichts der Vielzahl der Bekundungen des Gerichts an die Substanzerhaltung „in jedem Fall“ zweifelhaft. 578 BVerfGE 100, 226 (243); ebenso BVerfGE 83, 201 (214); BVerfG.de, 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 25; hierzu bereits oben S. 159 Fn. 28. 579 Siehe die Nw. oben S. 259 Fn. 566. 580 Ebenso die Einschätzung bei Grochtmann, Art. 14 GG, S. 31 Fn. 129; siehe auch Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 144 f. 581 Vgl. BVerfGE 31, 275 (285), wonach die Befugnis des Gesetzgebers nach Art. 14 I 2 GG nur dazu ermächtige, „unter Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses neue Befugnisse und Pflichten festzulegen.“ Siehe auch BVerfGE 42, 263 (299 f.), wonach i. R. d. Art. 14 I 2 GG „dem verfassungsrechtlichen Gebot“ Rechnung zu tragen sei, „die Zuordnung der Ansprüche an die Berechtigten – wenn auch unter Veränderung der Modalitäten – [zu] erhalten“. 582 BVerfGE 83, 201 ff. 583 Vgl. BVerfGE 83, 201 (212), näher dazu bereits oben auf S. 197. Siehe danach aber noch BVerfGE 84, 382 (385); 93, 121 (137), wo ebenfalls die Formel von der „Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses“ verwendet wird. 576 577

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

auch im konkreten Fall die angegriffene Vorschrift für verfassungswidrig hielt584. In späteren Entscheidungen hat das BVerfG gesetzliche Neuregelungen, die einen derartigen Eingriff vornahmen, im Rahmen des Art. 14 I 2 GG für verfassungsmäßig angesehen585. Diese Abkehr verdient Zustimmung. Sie ist lediglich zwingende Konsequenz, wenn der Enteignungsbegriff des Art. 14 III GG, wie vom BVerfG wohl in der Umlegungs-Entscheidung586 getan, auf die Sachverhalte der Güterbeschaffung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben begrenzt wird. Auf dieser Grundlage können die Fälle der Auflösung des Zuordnungsverhältnisses zum Ausgleich divergierender Privatinteressen bzw. ohne Rechtsübertragung nicht mehr als Enteignung eingestuft werden, d. h. sie müssen unter Art. 14 I 2 GG fallen. Das Postulat von der kategorischen Unzulässigkeit der Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses im Rahmen des Art. 14 I 2 GG hätte dann die paradoxe Folge, daß solche Maßnahmen nun überhaupt nicht mehr zulässig wären. Ist die Aufhebung des Zuordnungsverhältnisses im Rahmen einer umgestaltenden Regelung nach Art. 14 I 2 GG grundsätzlich möglich, so stellt sich die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen. Wenn auch eine solche Vorschrift als Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht zwingend verfassungswidrig ist, so erfordert dennoch die Tragweite, die eine solche Maßnahme hat, eine besondere Rechtfertigung. Denn mit der Auflösung des Zuordnungsverhältnisses ist ein äußerst schwerwiegender Eingriff in das Eigentumsrecht verbunden: Es wird nicht nur die formale Zuordnung aufgehoben, sondern es werden auf einen Schlag auch sämtliche Nutzungsbefugnisse entzogen. Der Unterschied zur Enteignung liegt allein darin, daß das Zuordnungsverhältnis gar nicht bzw. jedenfalls nicht zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe auf einen neuen Rechtsträger übertragen wird. Der ursprüngliche Eigentümer verliert aber, wie bei der Enteignung, seine gesamte vorherige Rechtsstellung. Damit bedarf eine solche Maßnahme im Ansatz auch einer Rechtfertigung, die den Anforderungen an eine Enteignung nahekommt. Dementsprechend betont das BVerfG in der Vorkaufsrechts-Entscheidung: „Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG [hier] nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck kommende Gewicht des Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für den Betroffenen wie eine (Teil- oder Voll-)Enteignung auswirkt.“587

BVerfGE 83, 201 (213 f.). BVerfGE 101, 239 (259); BVerfG, 1 BvR 1321 / 00, K.-Beschl. v. 07. 03. 2002, NVwZ 2002, S. 1365; BVerfG.de, 1 BvR198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 17; 1 BvR 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 13; siehe auch hierzu bereits oben S. 197 f. 586 BVerfGE 104, 1 ff.; dazu bereits oben S. 168 ff. 587 BVerfGE 83, 201 (212 f., Hervorhebung nicht im Original); ebenso BVerfG, 1 BvR 310 / 84, K.-Beschl. v. 10. 10. 1997, NJW 1998, S. 368; 1 BvR 565 / 91, K.-Beschl. v. 22. 02. 1999, NVwZ 1999, S. 980; 1 BvR 1321 / 00, K.-Beschl. v. 07. 03. 2002, NVwZ 2002, S. 1365; 1 BvR 1402 / 01, K.-Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376. 584 585

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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Eine Rechtfertigung erscheint daher nur möglich, wenn sich der Eingriff auf schwerwiegende Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 14 II GG stützen kann588. Insoweit erscheint es richtig, in der Auflösung des Zuordnungsverhältnisses durch eine Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG ein Indiz für ihre Verfassungswidrigkeit zu sehen, das nur durch entsprechend gewichtige Allgemeinwohlgründe widerlegt werden kann589.

c) Abfederung des Eigentumseingriffs durch Übergangsregelungen Nach den bisherigen Ausführungen konnte festgestellt werden, daß der Gesetzgeber bei Erlaß einer umgestaltenden Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG beachtlichen Grenzen unterliegt: Die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fordert ein besonderes öffentliches Interesse zur Eingriffsrechtfertigung590, die Wahrung der Substanz des Eigentums sowie grundsätzlich die Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses. Damit der Umgestaltungstätigkeit des Gesetzgebers aber keine unüberwindbaren Hürden im Weg stehen, räumt ihm das BVerfG seit jeher die Möglichkeit ein, die Anwendung des neuen Rechts auf bereits bestandsgeschützte Eigentumspositionen durch Übergangsregelungen abzufedern591. Die Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht können auf diesem Weg so weit abgemildert werden, daß die Neuregelung den Anforderungen an das Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht592. Der Gesetzgeber hat hierbei eine breite Spanne, die sich zwischen den beiden Polen „übergangsloses Inkraftsetzen der Neuregelung“ und „uneingeschränkte Fortgeltung des alten Rechts“ für die Alteigentümer bewegt593. In diesem Rahmen steht ihm eine Vielzahl gesetzestechnischer Möglichkeiten zur Seite, um zu vermeiden, daß es durch das Gesetz selbst oder durch seine Anwendung im Einzelfall zu unverhältnismäßigen Auswirkungen auf den Eigentümer kommt. Aus der Mannigfaltigkeit von denkbaren Übergangsvorschriften594 seien als Mittel z. B. Stichtagsregelungen595, Härteklauseln596 oder die Gewährung eines Geldaus588 Vgl. BVerfGE 83, 201 (213 f.), wo das Gericht eine Rechtfertigung mangels ausreichender öffentlicher Interessen ablehnt. 589 In diese Richtung Grochtmann, Art. 14 GG, S. 31 Fn. 129; ferner Kube, JURA 1999, S. 471 („indiziert einen schwerwiegenden Eingriff“). Siehe aber auch die Nw. oben in Fn. 585 zu aktuellen Entscheidungen des BVerfG, in denen es derartige Regelungen als verfassungsgemäß angesehen hat. 590 Zumindest, wenn man der Rspr. des BVerfG bis zum 95. Bd. folgt, vgl. oben S. 248 ff. 591 Vgl. nur BVerfGE 36, 281 (291 ff.); 43, 242 (288 f.); 53, 336 (351); 58, 81 (132 ff.); 58, 300 (351); 70, 101 (114); 70, 191 (213); 71, 137 (144); Leibholz / Rinck / Hesselberger, GG, Art. 14 Rn. 641 ff. 592 Vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 39. 593 Vgl. dazu Götz, in: FS-BVerfG, S. 443. 594 Hierzu eingehend Aschke, Übergangsregelungen, S. 20 ff. 595 Vgl. dazu Compes, Der gesetzgeberische Eingriff, S. 93; Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 261 ff.; Aschke, Übergangsregelungen, S. 32 f.

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

gleichs597 genannt. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum rheinland-pfälzischen Denkmalschutzgesetz598 detaillierte Vorgaben zu der Frage gemacht, inwieweit der Gesetzgeber anstelle tatsächlicher Ausnahmevorschriften den Betroffenen auf einen finanziellen Ausgleich verweisen darf599. Das Gericht stellt hier einmal mehr die personale Funktion der Eigentumsgarantie in den Vordergrund und betont, daß der Gesetzgeber in erster Linie Vorkehrungen treffen müsse, um unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers „real“ zu vermeiden600. Ein Geldausgleich komme lediglich als ultima ratio in Betracht601.

3. Vorgehen eines Newcomers gegen eine Umgestaltung Bei der Frage nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an umgestaltende Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG wurde bislang der Blick maßgeblich auf die Fälle gerichtet, in denen ein Altrechtler von der Umgestaltung betroffen ist und gegen diese vorgehen will. Wie bereits festgestellt, ist hier mit dem BVerfG davon auszugehen, daß die Umgestaltung in die bereits gewährten Rechte der Alteigentümer eingreift, dieser sich also materiell-rechtlich auf den Schutz der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG berufen kann. Das Individualgrundrecht vermittelt ihm zudem bei subjektiven Rechtsbeanstandungsverfahren das erforderliche Abwehrrecht. An anderer Stelle602 ist jedoch bereits erwähnt worden, daß es auch bei Umgestaltungen regelmäßig Newcomer gibt, d. h. Personen, deren Zuordnungsverhältnis Hierzu Pernice, Billigkeit und Härteklauseln, S. 266 ff. Sog. ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, vgl. BVerfGE 58, 137 (147 ff.); 79, 174 (192); 83, 201 (213); 100, 226 (245); aus der Literatur statt vieler Schmid, Zur Verfassungsmäßigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln, S. 103 ff.; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 94 ff.; Steinberg / Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 211 ff.; Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 153 ff. 598 BVerfGE 100, 226 ff. 599 Näher zu den dort aufgestellten Anforderungen Seidel, ZG 2002, S. 145 ff.; Papier, DVBl. 2001, S. 1402 ff.; Roller, NJW 2001, S. 1006 ff.; Otting, BauR 2000, S. 514 ff.; Külpmann, JuS 2000, S. 649 f.; Hendler, DVBl. 1999, S. 1501 ff.; W. Schmidt, NJW 1999, S. 2849 f.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 91 ff. 600 Ebenso BVerfG, 1 BvR 1402 / 01, K.-Beschl. v. 19. 12. 2002, DÖV 2003, S. 376. 601 BVerfGE 100, 226 (245 f., Hervorhebung nicht im Original): „Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, daß in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. Als Instrumente stehen dem Gesetzgeber hierfür Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorschriften sowie der Einsatz sonstiger administrativer und technischer Vorkehrungen zur Verfügung. Ist ein solcher Ausgleich im Einzelfall nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, kann für diesen Fall ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommen, oder es kann geboten sein, dem Eigentümer einen Anspruch auf Übernahme durch die öffentliche Hand zum Verkehrswert einzuräumen.“ 602 Vgl. oben S. 192 f. 596 597

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

265

erst nach Inkrafttreten der betreffenden Regelung errichtet worden ist (Umgestaltungs-Newcomer). Aufgrund der Entstehungsschwäche der Individualrechtsgarantie gilt nun in bezug auf diese Personen grundsätzlich dasselbe wie in den Fällen der Ausgestaltung: Die Rechtsstellung der Betroffenen ist von Beginn an mit den geregelten Begrenzungen belastet, so daß auch der Umgestaltungs-Newcomer gegen die Neuregelung nicht seine Individualrechtsgarantie ins Feld führen kann603. Materiell-rechtlich ist er an sich, wie der von einer Ausgestaltung Betroffene, auf die Möglichkeit beschränkt, die Einrichtungsgarantie geltend zu machen. Es fragt sich, welche Auswirkungen dieser Befund hat, wenn ein Newcomer gegen eine Umgestaltung vorgeht. Die Sachlage ist unproblematisch, sofern die betreffende Regelung Gegenstand einer (abstrakten oder konkreten) Normenkontrolle ist. Da hier das Gesetz unter allen rechtlichen Gesichtspunkten untersucht wird, ist die Umgestaltung auch dahingehend zu überprüfen, ob sie in unverhältnismäßiger Weise die Bestandsrechte der von ihr beeinträchtigten Alteigentümer beschneidet. Neben der Einrichtungsgarantie müssen somit auch die schwerwiegenderen Anforderungen an die Bestandsgarantie der Altrechtler eingehalten sein. Schwieriger ist der Fall, wenn es um die Überprüfung einer Umgestaltungsregelung im Rahmen eines Verfassungsbeschwerde-, d. h. subjektiven Rechtsbeanstandungsverfahrens geht. Entsprechend der Rechtslage beim Vorgehen gegen eine Ausgestaltung kann sich auch der Umgestaltungs-Newcomer mangels Eingreifens seiner Individualrechtsgarantie prozessual nicht auf ein Abwehrrecht aus Art. 14 I 1 GG berufen. Dergleichen kann er im Rahmen der Prozeßstation keine Verletzung der Bestandsgarantie der von der Umgestaltung betroffenen Alteigentümer rügen. 603 Genau besehen müßte daher beim Vorgehen gegen eine Umgestaltung am Anfang der eigentumsgrundrechtlichen Prüfung immer die Frage stehen, wann das zur Debatte stehende Zuordnungsverhältnis errichtet (und damit die aus dieser Gesamtrechtsstellung entspringenden Befugnisse erworben wurden) und die Umgestaltung verkündet wurde. Nur, wenn die Umgestaltung nach dem Zustandekommen des Zuordnungsverhältnisses erlassen worden ist, ist der Betroffene Alteigentümer, d. h. kann er gegen die Regelung seine Bestandsgarantie ins Feld führen. Dieser praktisch bedeutsamen Frage wird, soweit ersichtlich, in der Literatur gar keine und vom BVerfG zumindest zu wenig Beachtung geschenkt. Vgl. statt vieler BVerfGE 21, 73 (74); 21, 87 (87); 55, 249 (251 ff.); 71, 230 (233 ff.), wo das Gericht bei der Sachverhaltsdarstellung mit keinem Wort auf die Frage eingeht, wann das betreffende Eigentumsobjekt (in allen genannten Fällen: Grundeigentum) erworben wurde. Wäre dies nach Verkündung des jeweils zur Debatte stehenden Gesetzes gewesen, so hätte hier aufgrund der Entstehungsschwäche die Individualrechtsgarantie der Betroffenen von vornherein ausscheiden müssen. Der Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses findet zumindest Erwähnung in BVerfGE 70, 101 (109); 79, 292 (294); 102, 1 (4); BVerfG, 1 BvR 1864 / 95, K.Beschl. v. 10. 05. 2000, NJW 2001, S. 1783. Vorbildlich sind hingegen die Ausführungen in der Entscheidung zum Wohnungsbindungsgesetz, BVerfGE 95, 64 ff. Hier wird genau angeführt, wann das angegriffene Gesetz verkündet (BVerfGE 95, 64 [74]) und die zur Debatte stehenden Zuordnungsverhältnisse errichtet wurden (BVerfGE 95, 64 [74 f.]). Da letztere kurz vor der Verkündung zustande gekommen waren, gelangt das BVerfG zu der Feststellung, die Umgestaltung beeinträchtige „das Eigentumsrecht von Eigentümern von Sozialwohnungen, die diese schon vor Erlaß des Gesetzes erworben hatten.“ (BVerfGE 95, 64 [82]).

266

2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

Dies wäre eine unzulässige Prozeßstandschaft. Der Umgestaltungs-Newcomer ist jedoch, wie jeder Neueigentümer, beschwerdebefugt aus Art. 2 I GG, sofern er die Möglichkeit geltend machen kann, die Umgestaltung sei nicht Ausdruck der „verfassungsmäßigen Ordnung“, weil sie unverhältnismäßig in seine von der Institutsgarantie geschützte Eigentumserwerbsfreiheit eingreife604. Stellt sich dann im Rahmen der Begründetheitsprüfung die Frage, ob die Umgestaltung tatsächlich die allgemeine Handlungsfreiheit des Neueigentümers verletzt, so hängt dies maßgeblich davon ab, ob die Regelung sich noch innerhalb der Grundrechtsschranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne des Art. 2 I GG bewegt. Zur Beantwortung dieser Frage soll zunächst erörtert werden, was das BVerfG hierunter versteht. Weil das BVerfG den Schutzbereich des Art. 2 I GG sehr weit auslegt, kommt der Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ die Funktion zu, auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung den weit gezogenen Schutzbereich zu korrigieren. Dementsprechend interpretiert das BVerfG diese Schranke extensiv. Seit dem Elfes-Urteil faßt es hierunter in st. Rspr. jede formell und materiell mit dem Grundgesetz in Einklang stehende Norm605. Dies bedeutet aber andererseits, daß jede gesetzliche Regelung, die den Vorgaben der Verfassung widerspricht, nicht Ausdruck der verfassungsmäßigen Ordnung in Sinne des Art. 2 I GG ist und unter ihren verfassungsrechtlichen Prüfstand gestellt werden kann. In formeller Hinsicht hat dies zur Folge, daß über Art. 2 I GG auch Verstöße gegen Kompetenz-, Verfahrens- und Formvorschriften zu subjektiven Grundrechtsverletzungen werden und im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens gerügt werden können606. Dies wird damit begründet, daß die formellen Anforderungen – neben anderen Funktionen – jedenfalls auch die Aufgabe hätten, die individuelle Freiheit des einzelnen zu schützen607. Das Gebot materieller Verfassungsmäßigkeit erfordert im Rahmen des Art. 2 I GG die Vereinbarkeit der Regelung z. B. mit dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip608 sowie den Grundrechten609. In bezug auf letztere bedarf es jedoch Siehe hierzu bereits näher oben S. 220 ff. BVerfGE 6, 32 (37 f.); ferner statt vieler BVerfGE 50, 256 (262); 80, 137 (153); 90, 145 (171 f.); ebenso die h. L., vgl. Dreier, in: ders., GG, Art. 2 I Rn. 38 ff.; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 2 Rn. 22 ff.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 2 I Rn. 11; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 101; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 2 Rn. 9. 606 Vgl. Dreier, in: ders., GG, Art. 2 I Rn. 28; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 2 I Rn. 24 ff.; Podlech, in: Alternativkommentar, GG, Art. 2 I Rn. 88 f.; zur Kritik gegen einen derartigen „Grundrechtsschutz auf Einhaltung der Verfassung“ (Kunig, JURA 1990, S. 523) siehe K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 427 f.; Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 84 f.; W. Schmidt, AöR 91 (1966), S. 47 ff. 607 Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 348, 354; Dreier, in: ders., GG, Art. 2 I Rn. 28 m. w. Nw. in Fn. 97. 608 Hierzu m. w. Nw. Podlech, in: Alternativkommentar, GG, Art. 2 I Rn. 87. 609 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 349 ff. 604 605

C. Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Regelungen

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einiger Differenzierungen. Zur Vermeidung eines Zirkelschlusses kann innerhalb der Prüfung des Art. 2 I GG ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit selbst nicht geprüft werden. Das BVerfG bringt dies zum Ausdruck, wenn es sich auf die Untersuchung der Vereinbarkeit mit Verfassungsnormen „außerhalb des Art. 2 Abs. 1 GG“ beschränkt610. Des weiteren tritt Art. 2 I GG subsidiär zurück, sofern spezielle Freiheitsrechte desjenigen betroffen sind, um dessen allgemeine Handlungsfreiheit es geht611. Im vorliegenden Zusammenhang, d. h. bei einer Verfassungsbeschwerde eines Umgestaltungs-Newcomers, greift dessen Bestandsgarantie nicht ein, so daß Art. 2 I GG nicht von dessen Individualrechtsgarantie gemäß Art. 14 I 1 GG als speziellerem Freiheitsrecht verdrängt wird. Der Neueigentümer könnte somit eigentumsgrundrechtlich darauf beschränkt sein, ausschließlich die eventuelle Verletzung der Einrichtungsgarantie geltend machen zu können. Darüber hinaus stellt sich aber die Frage, ob sich der Newcomer materiell-rechtlich nicht zusätzlich auf eine mögliche Verletzung der Bestandsgarantie der von der Umgestaltung betroffenen Alteigentümer berufen kann612. Dies wäre nur denkbar, wenn bei Prüfung der Frage, ob eine Regelung Ausdruck der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne des Art. 2 I GG ist, auch eine Verletzung von Grundrechten Dritter zu untersuchen wäre. Ob dies zulässig ist, wird uneinheitlich gesehen. Die überwiegende Auffassung lehnt dies ab613. Sie kann sich dabei vor allem auf das Urteil des BVerfG zum Ladenschlußgesetz614 stützen. Hier ging es um Verfassungsbeschwerden von Kundinnen, die sich gegen die ihrer Auffassung nach zu frühen Ladenschlußzeiten richteten. Bei der Prüfung, ob die angegriffenen Regelungen die allgemeine Handlungsfreiheit der Kundinnen verletzen, untersucht das BVerfG lediglich die Frage nach einem Rechtsmißbrauch sowie die Verhältnismäßigkeit der Regelung615. Ob durch das Ladenschlußgesetz möglicherweise die Ladeninhaber in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt werden und deshalb ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorliegt, wird vom Gericht nicht untersucht616. Der damit zum Ausdruck gebrachten Ablehnung einer Prüfung BVerfGE 17, 306 (313); hierzu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 350. BVerfGE 32, 98 (107); 58, 358 (363); Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 137; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 2 Rn. 11. 612 Diese Möglichkeit ist dem Ausgestaltungs-Newcomer verwehrt, da Ausgestaltungen nach der hier zugrunde gelegten Definition niemals in die Bestandsgarantie von irgend jemandem eingreifen können; siehe dazu oben S. 179 f. 613 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 353 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 23; E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers, S. 119 ff. 614 BVerfGE 13, 230 ff. 615 BVerfGE 13, 230 (234 ff.). 616 Hierzu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 353 f.; E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers, S. 121. Siehe ferner BVerfGE 17, 306 (313 ff.), wo das Gericht in einem ähnlich gelagerten Fall nicht auf die Grundrechte Dritter innerhalb des Art. 2 I GG zurückgreift. Vgl. auch die Entscheidung BVerfGE 77, 84 (101), in der betont wird, innerhalb des Art. 2 I GG 610 611

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

von Grundrechten Dritter innerhalb des Art. 2 I GG ist grundsätzlich zuzustimmen. Ansonsten könnte jedermann über Art. 2 I GG am spezialgrundrechtlichen Schutz anderer teilnehmen, ohne daß dies durch eine eigene materielle Grundrechtsposition gedeckt sein müßte617. Dies liefe darauf hinaus, den individualschützenden Charakter der Grundrechte zu ignorieren und über Art. 2 I GG ein Grundrecht auf einen unbeeinträchtigten grundrechtlichen Gesamtzustand zu kreieren, das ein Recht auf Nichtbeeinträchtigung anderer Grundrechtsträger einschlösse618. Dessen ungeachtet vermag diese Betrachtungsweise für die hier zur Debatte stehenden Fälle nicht zu überzeugen619. Sie hat zwar ihre Berechtigung bei Sachverhalten, in denen jemand auf Grundlage des Art. 2 I GG ein Grundrecht Dritter geltend machen will, zu dem er persönlich gar keinen Bezug aufweist. So waren z. B. die Kundinnen, die sich gegen das Ladenschlußgesetz wandten, durch die angegriffenen Regelungen in keiner Weise in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt. Sie kamen mit diesem Grundrecht der Ladeninhaber eher zufällig in Berührung anläßlich ihrer Einkaufstätigkeit. Die hiesigen Fälle der Umgestaltungs-Newcomer unterscheiden sich aber maßgeblich von derartigen Sachverhalten. Denn der Neueigentümer, der sich innerhalb des Art. 2 I GG auf die Bestandsgarantie der Altrechtler berufen will, hat zu dem Individualgrundrecht aus Art. 14 I 1 GG einen eigenen Bezug. Er kommt mit diesem nicht willkürlich in Berührung, sondern bewegt sich von Beginn an in seinem Anwendungsbereich, da das Endprodukt seines Handelns der Erwerb von Eigentumsrechten ist, die unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fallen620. Daß er sich selbst noch nicht auf seine eigene Rechtsstellungsgarantie, sondern lediglich auf die Institutsgarantie berufen kann, ist allein eine Folge der strikten Anwendung der Gesetzesabhängigkeit der Individualrechtsgarantie und ihrer daraus resultierenden Entstehungsschwäche. Es erscheint jedoch nicht sachgerecht, dem Neueigentümer allein deshalb die Möglichkeit einer Geltendmachung der Bestandsgarantie der anderen Alteigentümer zu versagen. Denn daß der Betroffene hier Newcomer ist, beruht alleine auf dem – häufig rein zufälligen – Umstand, daß sein Zuordnungsverhältnis erst nach Verkündung der Umgekönne nicht geltend gemacht werden, „eine Norm gehöre nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil sie Dritte gleichheitswidrig benachteilige oder bevorzuge“. 617 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 355. 618 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 355. Siehe auch E. Hesse, Die Bindung des Gesetzgebers, S. 122, der darauf hinweist, daß andernfalls die Schranke der „verfassungsmäßigen Ordnung“ Gefahr liefe, ihre eigenständige Bedeutung zu verlieren. Umfang und Grenzen der allg. Handlungsfreiheit bestimmten sich sonst nicht mehr an dieser Grundrechtsschranke, sondern an den Einschränkungsvorbehalten der jeweils einschlägigen speziellen Freiheitsrechte Dritter. 619 Generell für die Prüfung von Grundrechten Dritter im Rahmen des Art. 2 I GG z. B. Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 2 Rn. 23 a. E. 620 Wenn auch von vornherein um die bereits in Kraft getretenen Belastungen verkürzt, weswegen er gegen diese die Bestandsgarantie selbst nicht vorbringen kann. Gegen spätere Umgestaltungen kann er hingegen seine Rechtsstellungsgarantie ins Feld führen, da er dann selbst Alteigentümer ist.

D. Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung

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staltung errichtet wurde, d. h. bereits mit den dort normierten Inhaltsbegrenzungen belastet. Wäre hingegen die Umgestaltung erst nach dem Rechtserwerb erlassen worden, hätte er gegen diese als Alteigentümer seine Individualrechtsgarantie ins Feld führen können. Aufgrund dieses engen inneren Zusammenhangs erscheint es sachlich gerechtfertigt, dem Umgestaltungs-Newcomer innerhalb des Art. 2 I GG auch die Schutzwirkungen der Bestandsgarantie der Alteigentümer zur Seite zu stellen621. Damit ist festzuhalten: Macht ein Umgestaltungs-Newcomer im Rahmen eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens die Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG geltend, weil die Umgestaltungsregelung nicht Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sei, so besteht im Rahmen der Begründetheitsprüfung keine Beschränkung auf die Frage, ob die Neuregelung die in der Einrichtungsgarantie des Art. 14 I 1 GG verwurzelte Eigentumserwerbsfreiheit des Newcomers unverhältnismäßig beschneidet. Es ist auch zu prüfen, ob die Umgestaltung unverhältnismäßig in bereits bestehende Eigentumspositionen von Altrechtlern eingreift.

D. Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG Der Wortlaut des Art. 14 I 2 GG unterscheidet zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums. Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen soll abschließend ein Blick auf die bislang außen vor gelassene Frage gerichtet werden, ob es sich dabei eigentumsdogmatisch um zwei verschiedene Rechtsinstitute handelt oder eine Differenzierung entbehrlich ist. Das BVerfG lehnt eine derartige Unterscheidung nicht ausdrücklich, aber doch in der Sache ab. Zwar finden sich Entscheidungen, in denen das Gericht alleine den Begriff der (Eigentums-)“Schranke“622 und, weitaus häufiger, der „Inhaltsbestimmung“623 verwendet. Aus den jeweiligen Passagen lassen sich jedoch keine dogmatischen Schlüsse ziehen624. Die Verkürzung auf einen der beiden Begriffe 621 A.A. wohl Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 380, wenn auch ohne Bezug zu Art. 2 I GG, sondern nur generell gegen eine „Geltendmachung der individuellen Bestandsgarantie hinsichtlich fremder Eigentumspositionen“. 622 BVerfGE 49, 382 (394), wo auch noch von „Beschränkung“ und „Einschränkung“ des Eigentums gesprochen wird; ähnlich BVerfGE 8, 71 (79); 21, 73 (79); 21, 150 (155). 623 Siehe nur BVerfGE 52, 1 (27); 58, 300 (330 f.); 72, 66 (76); w. Nw. bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 55 Fn. 183. 624 So auch die Einschätzung im Schrifttum, vgl. Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 55 f.; Parodi, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 69; Limpens, Funktion und

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

geschieht wohl jeweils nur aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung625. In aktuellen Entscheidungen verwendet das Gericht im Regelfall beide Termini zusammen626. Da dieser Vorgehensweise des BVerfG der Wortlaut des Art. 14 I 2 GG entgegenzustehen scheint, ist das Gericht in diesem Zusammenhang häufig kritisiert worden. Als Gegenkonzepte haben Teile des Schrifttums eine Vielzahl von Abgrenzungsmodellen entwickelt, mit deren Hilfe sie zwischen Regelungen mit inhalts- oder schrankenbestimmendem Charakter unterscheiden wollen. Zum Teil wird danach differenziert, ob es sich um eine privatrechtliche (dann Inhaltsbestimmung) oder öffentlich-rechtliche Norm handelt627. Dieser Betrachtung liegt die im überkommenen Eigentumsmodell verwurzelte Vorstellung vom generellen Eingriffscharakter öffentlich-rechtlicher Regelungen in privatrechtlich zugewiesene Befugnisse zugrunde628. Dem wird zu Recht die vom BVerfG betonte Gleichrangigkeit von privat- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegengehalten629. Die sonstigen Abgrenzungsmodelle sind vielfältig, haben aber den gemeinsamen Nenner, daß sie nach Kriterien suchen, mit denen sich eigentumskonstituierende (inhaltbestimmende) Regelungen von solchen abgrenzen lassen, die konfliktregelnden, d. h. eigentumsbeeinträchtigenden Charakter haben (dann Schrankenbestimmung)630. Durchgesetzt hat sich von diesen Modellen bislang keines. Die h. L. lehnt mit dem BVerfG eine Trennung gänzlich ab, da sie in praxi niemals klar durchführbar sei631. Wenn auch eine eingehende Auseinandersetzung mit den unGrenzen der Inhaltsbestimmung, S. 69; Ramsauer, DVBl. 1980, S. 539; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 255; Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 104; Berkemann, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 14 Rn. 253. 625 Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 88. 626 Siehe etwa BVerfGE 95, 64 (84); 95, 143 (161); 97, 378 (385); 98, 17 (37); 100, 226 (240); 100, 289 (302); 101, 54 (75); 101, 239 (259); 102, 1 (16); BVerfG.de, 1 BvR 198 / 98, K.-Beschl. v. 22. 02. 2001, Abs. 17 f.; 1 BvR 2402 / 97, K.-Beschl. v. 14. 03. 2001, Abs. 20; 1 BvR, 933 / 99, K.-Beschl. v. 16. 05. 2001, Abs. 12; 1 BvR 432 / 00, K.-Beschl. v. 03. 07. 2001, Abs. 21. 627 Chlosta, Der Wesensgehalt der Eigentumsgewährleistung, S. 31 f.; in diese Richtung auch Stein / Frank, Staatsrecht, § 42 III 1; Parodi, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 78 ff.; Timm, Eigentumsgarantie und Zeitablauf, S. 48. 628 Siehe hierzu bereits oben S. 109 f. 629 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 300; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 46. 630 Vgl. nur Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 147 ff.; ders., in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 55 ff.; Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung, S. 165; Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung, S. 109 ff.; w. Nw. bei Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 56 Fn. 188. 631 Papier, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 14 Rn. 300; Bryde, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 51; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 68; Rittstieg, in: Alternativkommentar, GG, Art. 14 / 15 Rn. 165 ff.; Breuer, Die Bodennutzung, S. 20; Nüßgens / Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, Rn. 128; Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 46 f.; Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte, S. 119 Fn. 16. Ebenso lehnt die fachgerichtliche Rspr. eine Differenzierung ab, siehe die Nw. bei Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 45 Fn. 153 f.

D. Unterscheidung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung

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terschiedlichen Differenzierungskonzepten den hier gesteckten Rahmen verlassen würde632, so soll dennoch eines der Abgrenzungsmodelle aus dem Schrifttum Gegenstand näherer Betrachtung sein. Anknüpfend an Ramsauer633 unterscheidet ein inzwischen beachtlicher Teil des Schrifttums634 Inhalts- und Schrankenbestimmungen in zeitlicher Hinsicht: Inhaltsbestimmungen regelten die Rechte und Pflichten des Eigentümers für die Zukunft, während Schrankenbestimmungen in bereits bestehende Eigentumsrechte eingriffen635. Diese Differenzierung läßt insofern aufhorchen, als die der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen aus- und umgestaltenden Vorschriften im Sinne des Art. 14 I 2 GG ebenfalls entscheidend auf den Zeitfaktor abstellt: Als Ausgestaltungen wurden solche Vorschriften definiert, die einen Eingriff in die Bestandsgarantie aufgrund ihres allein zukunftsbezogenen Anwendungsbereichs denkunmöglich machen, während Umgestaltungen gerade eine Minderung bereits in der Vergangenheit entstandener Eigentumsrechte zur Folge haben können636. Gemeinsamkeiten gibt es aber auch in bezug auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die jeweiligen Regelungen: Ebenso, wie im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die Ausgestaltung maßgeblich an der Institutsgarantie und die Umgestaltung an der Bestandsgarantie gemessen wird, gehen nicht wenige Anhänger des eben genannten Differenzierungsmodells von einer Überprüfung der Inhaltsbestimmung ausschließlich an der Einrichtungsgewährleistung aus, während eine Schrankenbestimmung darüber hinaus an den Anforderungen der Individualrechtsgarantie zu messen sei637. Damit könnte man zu dem Er632 Näher hierzu Albrod, Entschädigungsbedürftige Inhalts- und Schrankenbestimmungen, S. 105 ff.; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 69 ff.; Nolden, Die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung, S. 89 ff.; Parodi, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S. 256 ff. 633 Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 73 ff.; ebenso Ramsauer, DVBl. 1980, S. 540 f. 634 U. a. Kempen, Der Eingriff des Staates in das Eigentum, Rn. 116 ff.; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 225; Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 137 f.; Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz, S. 90 f.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 899 f., 920; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 23 ff.; Seitz, Planungshoheit und Grundeigentum, S. 120; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 59 f., 80; Sundermann, Der Bestandsschutz genehmigungsbedürftiger Anlagen, S. 30 ff.; Sachs, Verfassungsrecht, B 14 Rn. 25 ff.; Grochtmann, Art. 14 GG, S. 283 f. m. w. Nw. auf S. 52 Fn. 215. 635 Vgl. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 73 f.; ders., DVBl. 1980, S. 540 f. Auf dieser Grundlage wäre die oben gemachte Aussage, Art. 14 I 2 GG sei ein Gesetzesvorbehalt (vgl. S. 225), auf Art. 14 I 2, 2. Var. GG zu konkretisieren (vgl. Grochtmann, Art. 14 GG, S. 284). 636 Vgl. oben S. 177 ff., 189 ff. 637 So Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen, S. 75; ders., DVBl. 1980, S. 541; Hammann, Eigentum in der Zeit, S. 25, 28 ff.; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 61; Sundermann, Bestandsschutz genehmigungsbedürftiger Anlagen, S. 30 ff.; a.A. jedoch Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 225; anders auch Grochtmann und Thormann, die eine Überprüfung der Inhaltsbestimmung anhand eines „objektiven Abwägungsgebots“ fordern (hierzu bereits oben S. 207 ff.).

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2. Teil: Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 I 2 GG

gebnis kommen, Ausgestaltungen seien Inhaltsbestimmungen und Umgestaltungen Schrankenbestimmungen. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch, daß eine solche Differenzierung im Detail nicht möglich ist, da es bei den Umgestaltungen Überschneidungen gibt. Wie bereits oben638 angeführt, hat eine Umgestaltung neben ihrem gegenwartsbzw. vergangenheitsbezogenen Eingriffscharakter für Alteigentümer regelmäßig auch die Aufgabe, das zukünftige Eigentum für Newcomer auszugestalten. Bezüglich der Neueigentümer hat sie damit gerade keine Schrankenwirkung, sondern fungiert als Inhaltsbestimmung. Aber auch im Hinblick auf die von ihr erfaßten Alteigentümer hat eine Umgestaltung keine reine Schrankenfunktion. Denn einer Umgestaltung kommt nachträglich gestaltende Kraft zu, weil sie ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens die Rechtsstellung der Alteigentümer umformt639. Insofern hat sie auch für die Alteigentümer immer zugleich zukunftsbezogenen, d. h. inhaltsbestimmenden Charakter. Damit sind Umgestaltungen keine reinen Schrankenbestimmungen, sondern immer zugleich auch Inhaltsbestimmungen. Auch auf Grundlage der zeitlichen Differenzierung Ramsauers kann es daher reine Schrankenbestimmungen niemals geben640. Dies mag im Ergebnis auch der Grund sein, warum das BVerfG ungeachtet der hohen Bedeutung, die der Zeitfaktor im Eigentumsmodell des Gerichts hat641, nicht im oben genannten Sinne zwischen Inhaltsund Schrankenbestimmung unterscheidet. Soll der Wortlaut des Art. 14 I 2 GG nicht völlig außer acht gelassen werden, so bildet das zeitliche Element aber zumindest den zutreffenden dogmatischen Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung642. Zwei eigenständige, klar voneinander trennbare Rechtsinstitute sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen allerdings auch auf dieser Grundlage nicht.

Siehe S. 192 f. Hierzu bereits oben S. 229. 640 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 68; Sachs, Verfassungsrecht, B 14 Rn. 27; Rozek, Eigentumsbindung und Enteignung, S. 59 f.; Sieckmann, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 14 Rn. 104. 641 Er entscheidet darüber, ob eine Regelung Eingriffscharakter hat oder nicht. 642 Ebenso Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung, S. 138. 638 639

3. Teil

Zusammenfassung Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Frage, wie das in Art. 14 GG angelegte Spannungsverhältnis zwischen grundrechtsgebundenem (Art. 14 I 1 GG) und grundrechtsgewährendem (Art. 14 I 2 GG) Gesetzgeber auf Basis der Rspr. des BVerfG zu lösen ist. Hierzu wurde festgestellt, daß das BVerfG diesen Widerstreit nicht durch den Vorrang einer der Regelungen aufhebt, sondern im Wege eines Wechselspiels. Auf diesem Weg kommt das BVerfG zu einem Eigentumsmodell, das zum einen dem Gesetzgeber ausreichende Befugnisse verleiht, die in einer modernen Industriegesellschaft bestehenden eigentumsrechtlichen Konflikte adäquat zu lösen, diesem aber zum anderen weit- und damit hinreichende eigentumsgrundrechtliche Bindungen auferlegt. A. Im ersten Teil der Arbeit wurde das vorgenannte Spannungsverhältnis anhand der Fragestellung untersucht, wie das BVerfG die Schutzobjekte ermittelt, die unter die Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG fallen. Das BVerfG sieht diese Garantie, ebenso wie die Institutsgewährleistung, in Art. 14 I 1 GG verankert. Während die letztere den Gesetzgeber verpflichtet, einen Grundstock an Eigentumsrechten bereit zu stellen, und insoweit lediglich als objektiver Rechtmäßigkeitsmaßstab fungiert, wirkt die Rechtsstellungsgarantie darüber hinaus als subjektives Abwehrrecht. Anders als der Inhalt der Institutsgarantie, der sich ausschließlich verfassungsunmittelbar ergibt, ermittelt das BVerfG die Schutzobjekte der Bestandsgarantie anhand eines Zusammenspiels zwischen Verfassung und einfachem Recht. Hierzu bedient sich das BVerfG einer zweistufigen Prüfungsfolge, wobei sich der zweite Prüfungsschritt wiederum in zwei Unterschritte teilt: I. Da das BVerfG in st. Rspr. davon ausgeht, daß ausschließlich einfachgesetzlich zugewiesene Rechtspositionen unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fallen können, ist der erste Prüfungsschritt die Feststellung einer solchen. 1. Das BVerfG folgert diese „Gesetzesabhängigkeit“ der Rechtsstellungsgarantie aus der in Art. 14 I 2 GG geregelten Befugnis des Gesetzgebers, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu bestimmen. Diese Abhängigkeit des individuellen Grundrechtsschutzes von der Zuweisung einfachgesetzlicher Positionen ist nach der Kompetenzordnung des GG zwingend. Denn Art. 14 GG weist gegenüber anderen Grundrechten die Besonderheit auf, daß die Gewährung von Eigentumsrechten spiegelbildlich immer auch die Beschneidung von Rechten anderer mit sich bringt. Ferner sind die eigentumsrechtlichen Fragestellungen in einer modernen 18 Appel

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3. Teil: Zusammenfassung

Industriegesellschaft regelmäßig derart komplex, daß sie ausschließlich in die Hände des demokratisch legitimierten Gesetzgebers gehören. In diesem Zusammenhang wurden Auffassungen erörtert und zurückgewiesen, denen die Vorstellung zugrunde liegt, Eigentumsrechte bzw. -pflichten ließen sich verfassungsautonom aus Art. 14 I 1 GG ableiten. 2. Für das Vorliegen einer derartigen Rechtsposition fordert das BVerfG die einfachgesetzliche Zuweisung eines subjektiven Rechts, d. h. konkreter Befugnisse, von einem anderen normkonformes Verhalten verlangen zu können. Die Rechtsstellungsgarantie eines Eigentümers stellt sich damit als ein Bündel von Befugnissen dar, dessen konkrete Reichweite sich ausschließlich an den einfachgesetzlich zugewiesenen Berechtigungen orientiert. Dieses Verständnis der Bestandsgarantie als „Befugnisbündel“ gilt auch und vor allem für die umstrittene Frage, inwieweit „Nutzungsmöglichkeiten“ unter den Schutz der Individualrechtsgarantie fallen. Deswegen wurden Stimmen abgelehnt, die die Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie gemäß Art. 14 I 2 GG lediglich auf das „Innehaben“ einer Rechtsposition beschränken, hingegen ihr „Gebrauchmachen“ als verfassungsunmittelbar von Art. 14 I 1 GG geschützte Nutzungsmöglichkeit ansehen. Die Relativierung der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie für den „Teilbereich“ der Nutzungsmöglichkeiten würde de facto ihre vollständige Aufgabe bedeuten. 3. Bei der Ermittlung des genauen Umfangs der Rechtsstellung wirken bürgerliches und öffentliches Recht gleichrangig zusammen (sog. Gesamtschau). Diese Betrachtungsweise, die vor allem eine Abkehr von dem überkommenen, auf Art. 153 WRV beruhenden Eigentumsmodell bedeutet, folgert das BVerfG aus Art. 14 II GG. Denn hiernach muss der Gesetzgeber im Rahmen seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG neben den Eigentümerbelangen (Art. 14 I 1 GG) auch die Gemeinwohlinteressen berücksichtigen. Da die Bewältigung von Gemeinwohlaufgaben, wenn auch nicht ausschließlich, jedoch typischerweise durch öffentlich-rechtliche Regelungen erfolgt, dürfen diese bei der Ermittlung der konkreten Reichweite der Bestandsgarantie nicht ausgeklammert werden. Diese Betrachtungsweise ist vor allem von Bedeutung bei mehrdimensionalen Zuordnungsverhältnissen, d. h. in Fällen, in denen das Zuordnungsverhältnis als solches und die daraus entspringenden einfachgesetzlichen Befugnisse nicht in ein und derselben Rechtsmaterie – Privatrecht oder öffentlichen Recht – wurzeln. So ergibt sich etwa beim zivilrechtlichen Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“, dessen maßgeblichen Befugnisse sich neben dem Privatrecht vor allem nach öffentlich-rechtlichen Regelungen bestimmen, die konkrete Rechtsstellung des Eigentümers aus einer Gesamtschau aller einschlägigen Vorschriften. Damit ist die auch heute noch verbreitete, auf dem Weimarer Eigentumsmodell beruhende Vorstellung unvereinbar, durch öffentlich-rechtliche Regelungen erfolge immer ein „von außen“ kommender, d. h. per se rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in ein zivilrechtlich – entsprechend § 903 BGB – umfassend zugewiesenes Eigentumsrecht.

3. Teil: Zusammenfassung

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II. Liegt eine einfachgesetzliche Rechtsposition vor, so wird vom BVerfG in einem zweiten Schritt geprüft, ob diese als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie anzusehen ist (Qualifikationsprüfung). Zur Beantwortung dieser Frage geht das BVerfG in zwei Unterschritten vor: 1. Zunächst ermittelt es im Wege der Auslegung des Art. 14 I 1 GG Strukturvorgaben, die Verfassungseigentum begrifflich ausmachen. Das Gericht bewegt sich hier ausschließlich auf der Ebene der Verfassung. Ausgangspunkt ist dabei der Befund, daß Art. 14 GG den Zweck und die Funktion hat, dem Bürger einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und insofern eng mit der Garantie der persönlichen Freiheit verbunden ist. Auf dieser Basis ermittelt das BVerfG fünf Strukturmerkmale des Verfassungseigentums: Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis, Eigenleistung und Existenzsicherung, ferner den Vermögenswert. 2. Auf Grundlage der vorgenannten Merkmale prüft das BVerfG in einem zweiten Unterschritt, ob die einfachgesetzlich zugewiesene Rechtsposition die vorgenannten Strukturvorgaben erfüllt. Nur dann ist sie als Eigentum im Sinne der Bestandsgarantie zu qualifizieren. Dieser letzte Prüfungsschritt stellt sich damit als Zusammenspiel zwischen Verfassung (Art. 14 I 1 GG) und einfachem Recht (Art. 14 I 2 GG i. V. m. den jeweiligen Gesetzen) dar. a) Anders als im Rahmen des allerersten Prüfungsschritts, d. h. der Feststellung des Vorliegens einer Rechtsposition, betont das BVerfG im Rahmen dieses letzten Qualifikationsschritts eine strikte Unterscheidung bei der Frage, ob die zur Debatte stehende Rechtsposition im privaten oder öffentlichen Recht verankert ist (Getrenntschau): Bei privatrechtlicher Verwurzelung werden die Merkmale der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis als Qualifikationskriterien herangezogen, während bei öffentlich-rechtlichen Positionen das (schwerer wiegende) Merkmal der Eigenleistung erfüllt sein muß. Bei sozialversicherungsrechtlichen Leistungen muß die Rechtsposition darüber hinaus noch existenzsichernden Charakter haben. Alle Befugnisse müssen zudem einen Vermögenswert aufweisen. b) Die damit für die Qualifikationsprüfung bedeutsame Frage der Einstufung einer Rechtsposition als dem privaten oder öffentlichen Recht zugehörig macht das BVerfG grundsätzlich nicht davon abhängig, ob die zur Debatte stehende isolierte Befugnis in der einen oder der anderen Rechtsmaterie geregelt ist. Soweit ein funktionaler Regelungszusammenhang zwischen den einfachgesetzlichen Befugnissen eines Eigentümers besteht, d. h. seine Gesamtrechtsstellung das maßgebliche Gepräge nur im Rahmen einer Zusammenschau aller Berechtigungen erhält, ist für das BVerfG allein maßgeblich, in welcher Rechtsmaterie das zugrundeliegende Zuordnungsverhältnis als solches verwurzelt ist. Auch diese Frage hat Auswirkungen auf die praktisch bedeutsamen Fälle eines mehrdimensionalen Zuordnungsverhältnisses: Ist das Zuordnungsverhältnis etwa im Privatrecht verwurzelt, so fallen bei einem funktionalen Regelungszusammenhang auch die durch öffentlich-recht18*

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3. Teil: Zusammenfassung

liche Vorschriften eingeräumten Befugnisse unter den Schutz der Bestandsgarantie, wenn das für die Qualifikationsprüfung maßgebliche privatrechtliche Zuordnungsverhältnis die Merkmale der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis erfüllt. Auf eine Eigenleistung des Betroffenen kommt es dann nicht mehr an. Auf dieser Grundlage wurde festgestellt, daß eine im öffentlichen Bauordnungs- und Bauplanungsrecht geregelte Befugnis des Grundstückseigentümers, sein Grundstück zu bebauen, deswegen unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie fällt, weil aufgrund eines funktionalen Regelungszusammenhangs der einschlägigen Vorschriften hinsichtlich der Qualifikationsfrage auf das zivilrechtliche Zuordnungsverhältnis „Grundeigentum“ abzustellen ist, das zweifelsfrei die Merkmale der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis erfüllt. Diese Betrachtung entspricht im Ergebnis der von der h.M. vertretenen sog. privatrechtlichen Theorie der Baufreiheit. In diesem Zusammenhang wurden die sog. Verleihungslehren zurückgewiesen, die von einer Abspaltung der im öffentlichen Recht geregelten Baubefugnis vom zivilrechtlichen Grundeigentum ausgehen. Eine solche Betrachtung hätte nämlich zur Folge, daß ein funktionaler Regelungszusammenhang zwischen den einschlägigen Vorschriften abzulehnen wäre und Eigentumsschutz für die Baubefugnis nur bei dem (schwer zu führenden) Nachweis einer Eigenleistung bestünde. c) Auf Grundlage der vorgenannten mehrstufigen Prüfungsfolge ergibt sich aus Art. 14 I 1, I 2 und II GG ein eigenständiger „verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff“ des BVerfG, mit dessen Hilfe es über die Frage entscheidet, ob eine einfachgesetzliche Rechtsposition als Schutzobjekt der Eigentumsbestandsgarantie einzustufen ist („Qualifikationsfunktion“ des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs). B. Im zweiten Teil der Arbeit wurde die dem Gesetzgeber in Art. 14 I 2 GG eingeräumte Befugnis untersucht, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. I. Hierbei stellte sich zunächst die Frage der Abgrenzung derartiger Regelungen zu Enteignungsnormen im Sinne des Art. 14 III GG. Dazu wurde festgestellt, daß das BVerfG den Enteignungsbegriff in seiner Entscheidung zur städtebaulichen Umlegung wohl stark eingegrenzt hat. Von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Art. 14 III GG fallen Regelungen, die in erster Linie dem Ausgleich divergierender Privatinteressen dienen. Zum anderen werden nur noch die Fälle der klassischen Güterbeschaffung erfaßt. Hierunter fallen Sachverhalte, in denen das Vollrecht bzw. ein selbständig übertragbarer Teil (z. B. ein beschränktes dingliches Recht) auf einen anderen Rechtsträger übergeleitet wird. Die bloße Vernichtung von (Voll- oder Teil-)Rechten ohne Transferakt ist immer ein Anwendungsfall des Art. 14 I 2 GG. II. Im Anschluß wurde dargelegt, daß sich in der bundesverfassungsgerichtlichen Rspr. zwei verschiedene Arten von Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG aufzeigen lassen: Normen der Aus- und Umgestaltung.

3. Teil: Zusammenfassung

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1. Unter erstere fallen solche Regelungen, die sich zwar im eigentumsgrundrechtlichen Bereich auswirken, bei denen es aber denkunmöglich ist, daß sie bei irgend jemand einen Eingriff in unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Rechtspositionen bewirken. Dem liegt der Gedanke einer Entstehungsschwäche der Eigentumsbestandsgarantie zugrunde: Aus der in Art. 14 I 2 GG normierten Gesetzesabhängigkeit folgt, daß sich der konkrete Umfang der Bestandsgarantie aus dem einfachgesetzlichen Befugnisbündel ergibt, das dem Eigentümer im Zeitpunkt der Errichtung des Zuordnungsverhältnisses (und ggf. durch spätere Befugniszuweisungen) geschnürt wird. Daher scheidet ein Eingriff in die Bestandsgarantie immer aus, wenn dem Betroffenen durch die zum Errichtungszeitpunkt gültigen Normen bestimmte Befugnisse gerade nicht zugewiesen werden, weil diese von vornherein von den geltenden Bestimmungen ausgeklammert werden. Die Rechtsstellung derjenigen, die von einer solchen Regelung betroffenen sind (sog. Newcomer), ist dann von vornherein inhaltlich um die geregelten Begrenzungen geschwächt. Ausgestaltungsregelungen sind nun gerade dadurch gekennzeichnet, daß ihr Anwendungsbereich ausschließlich auf die Fälle eines Eigentumsneuerwerbs, d. h. die erstmalige Errichtung eines Zuordnungsverhältnisses gerichtet ist. In personeller Hinsicht werden also von ihr alleine Neueigentümer erfaßt. In der Rspr. des BVerfG lassen sich zwei Fallgruppen der Ausgestaltung aufzeigen. Erfaßt werden zum einen die Fälle der Einführung völlig neuer Rechte. Damit sind gesetzliche Vorschriften angesprochen, die erstmalig die Errichtung von Zuordnungsverhältnissen in Bereichen möglich machen, die bis dato eigentumsgrundrechtlich noch völlig unberührt waren. Hierunter fallen z. B. Bestimmungen, die bereits vor Inkrafttreten des GG Eigentumsbefugnisse regelten und daher die Rechtsstellung der Betroffenen schon zu einem Zeitpunkt gestalteten, bevor die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG ihre Wirkung entfalten konnte. Die Rechtsstellung der Eigentümer ist hier von Beginn mit den einfachgesetzlichen Begrenzungen belastet in den Anwendungsbereich des GG gelangt. Erfaßt werden aber etwa auch die in den letzten Jahren erstmalig geschaffenen Restitutionsansprüche von NS- und DDR-Opfern, soweit ihnen mit dem betreffenden Vorschriften (z. B. dem Vermögensgesetz) erstmalig derartige Berechtigungen zugewiesen werden. Zum anderen gibt es Vorschriften, die den Ausschluß des Entstehens neuer Rechte für die Zukunft normieren, deren Erwerb nach bisherigem Recht aber bereits möglich war. Hierher gehören Neuregelungen, die sich in einem Bereich auswirken, in dem bereits bislang eigentumsrechtliche Zuordnungsverhältnisse bestanden. Der Gesetzgeber möchte aus diesen Zuordnungsverhältnissen einzelne Befugnisse abspalten bzw. das zukünftige Entstehen derartiger Zuordnungsverhältnisse gänzlich unterbinden, scheut sich jedoch, auf bereits bestehende Zuordnungsverhältnisse zuzugreifen und erstreckt die Wirkung der Neuregelung deshalb ausschließlich auf die Sachverhalte eines Eigentumsneuerwerbs. Als bekanntester Fall ist der der Pflichtexemplars-Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt zu nennen.

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3. Teil: Zusammenfassung

2. Die zweite Art von Regelungen, mit denen der Gesetzgeber seine Ermächtigung nach Art. 14 I 2 GG wahrnimmt, sind Normen der Umgestaltung. Im Gegensatz zu den Ausgestaltungen zeichnen sie sich gerade dadurch aus, daß es möglich ist, daß sie in bereits unter den Schutz der Bestandsgarantie fallende Eigentumsrechte eingreifen. Im Hinblick auf den von ihnen erfaßten Personenkreis werden – neben den regelmäßig von ihnen betroffenen Newcomern – auch und vor allem Alteigentümer erfaßt. Bei der Feststellung, inwieweit tatsächlich bestehende Altrechte als Eingriffsobjekte zur Verfügung stehen, ist die Zuweisung von Eigentumsrechten aufgrund der bisherigen Rechtslage zu prüfen (Vorgängerrecht). Im Zusammenhang mit der Eingriffswirkung von Umgestaltungen wurden entgegenstehende Auffassungen zurückgewiesen, die aufgrund einer Überbetonung der Kompetenz des Gesetzgebers aus Art. 14 I 2 GG (sog. Total-Dispositionsvorbehalt) den Schwächegedanken des Eigentums auf bereits bestehende Altrechte ausdehnen („Bestandsschwäche“) bzw. die nachträglich gestaltende Kraft einer Umgestaltung auch auf die Rechtsstellung der Alteigentümer betonen (Einwand der „Schutzbereichsgestaltung“) und deswegen Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG schlechthin die Fähigkeit absprechen, in bereits bestehende Eigentumsrechte eingreifen zu können. Derartige Betrachtungsweisen mißachten den vom BVerfG im Zusammenhang mit Art. 14 GG in st. Rspr. betonten Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, der erfordert, daß einmal begründete Eigentumsbestandsrechte nur „eingriffsweise“ überwindbar sind. Des weiteren wurde eine weit verbreitete Ansicht zurückgewiesen, die generell zur Verneinung eines Eingriffs in Altrechte durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG kommt aufgrund der Annahme einer verfassungsunmittelbaren Wirkung der Allgemeinwohlklausel des Art. 14 II GG (sog. immanente Sozialbindung). Bei dieser Sichtweise wird insbesondere verkannt, daß Art. 14 II GG keine Direktivkraft gegenüber dem einzelnen Eigentümer entfaltet, sondern ein ausschließlich an den Gesetzgeber gerichtetes Gebot ist, im Rahmen seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG die Gemeinwohlbelange gleichrangig mit den Eigentümerinteressen in den Entscheidungsprozeß einzustellen. Die gegenteilige Betrachtung liefe darauf hinaus, verfassungsunmittelbar Eigentumspflichten zu kreieren. Dies widerspräche jedoch, da Eigentumspflichten nichts anderes sind als die Negation von Eigentumsrechten, der Gesetzesabhängigkeit der Bestandsgarantie. Auch bei den Normen der Umgestaltung lassen sich zwei verschiedene Formen unterscheiden: Zum einen gibt es Regelungen, durch die lediglich einzelne Berechtigungen aus dem Befugnisbündel herausgelöst werden, das Zuordnungsverhältnis selbst jedoch unangetastet bleibt. Diese Fälle einer Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses kommen in der Rechtspraxis am häufigsten vor. Zu nennen sind etwa die vielfältigen Nutzungsbeschränkungen des Zuordnungsverhältnisses „Grundeigentum“ durch Bestimmungen des Naturschutzes oder sozialen Mietrechts. Zum anderen kann durch eine umgestaltende Regelung auch das Zuordnungsverhältnis als solches vollständig aufgehoben werden. 3. Da die vorgenannte Differenzierung zwischen Regelungen der Aus- und Umgestaltung maßgeblich auf einer zeitlichen Betrachtungsweise beruht, erscheint der

3. Teil: Zusammenfassung

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Zeitfaktor auch der zutreffende dogmatische Ansatzpunkt, um zwischen Regelungen der Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 I 2 GG zu unterscheiden. Daß das BVerfG eine solche Unterscheidung ablehnt, obwohl in seinem Eigentumsmodell dem Zeitfaktor in bezug auf die Eingriffswirkung einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG entscheidende Bedeutung zukommt, liegt wohl darin begründet, daß sich auch auf dieser Grundlage nicht trennscharf zwischen Regelungen der Inhalts- und Schrankenbestimmung unterscheiden läßt. Denn Normen der Umgestaltung haben regelmäßig – insbes. für Umgestaltungs-Newcomer – zugleich auch den Charakter einer Inhaltsbestimmung. III. Aufgrund der vom BVerfG betonten Gesetzesabhängigkeit der Eigentumsbestandsgarantie kommt besondere Bedeutung der Frage zu, welchen eigentumsgrundrechtlichen Bindungen der Gesetzgeber im Rahmen seiner Tätigkeit nach Art. 14 I 2 GG unterliegt. 1. Hierzu wurde allgemein festgestellt, daß das BVerfG in st. Rspr. die Einhaltung eines in Art. 14 I 1, I 2 und II GG normierten „Sozialmodells“ betont: Der Gesetzgeber muß das „dialektische Verhältnis“ zwischen der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums (Art. 14 I 1 GG) und des Sozialgebots des Art. 14 II GG berücksichtigen und alle Interessen zu einem verhältnismäßigen Ausgleich bringen. Keines dieser Elemente darf über Gebühr verkürzt werden. Hierbei betont das Gericht eine Abstufung des Schutzumfangs für die Eigentümerinteressen bzw. Gemeinwohlbelange, je nachdem, inwieweit ein „personaler“ bzw. „sozialer“ Bezug der jeweiligen Eigentumsposition besteht. Die Eigentümerinteressen sind dabei umso gewichtiger, je stärker die Position Ausdruck eines der fünf Strukturmerkmale des Verfassungseigentums ist bzw. je umfassender eine solche Strukturvorgabe durch die gesetzliche Regelung beeinträchtigt wird. Auf der anderen Seite erhalten die Gemeinwohlbelange umso mehr Gewicht, je stärker die Allgemeinheit auf die (Mit-)Nutzung der Eigentumsposition angewiesen ist (sog. gleitende Sozialbindung). 2. Speziell auf Normen der Ausgestaltung bezogen bedeutet dies: a) Der Gesetzgeber muß einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen der in Art. 14 I 1 GG normierten Institutsgarantie und dem Allgemeinwohl herstellen. Die Bestandsgarantie greift hier auf seiten des Art. 14 I 1 GG nicht, da durch Regelungen der Ausgestaltung ein Eingriff in die Bestandsgarantie denkunmöglich ist. In diesem Zusammenhang wurden Einwände gegen den Gedanken einer Entstehungsschwäche der Bestandsgarantie zurückgewiesen. Der Vorwurf, hiermit gehe eine Denkunmöglichkeit der Enteignung einher, stellte sich bei näherer Betrachtung ebenso als unbegründet heraus wie auch die Furcht vor einem „Eigentumsmonstrum“, das den Newcomer schutzlos lasse. b) Ferner war Stimmen entgegenzutreten, die zum Schutz der Eigentümerinteressen vor dem zukunftsbezogenen Anwendungsbereich einer Regelung im Sinne des Art. 14 I 2 GG – unter Ausklammerung der Institutsgarantie – ein sog. objektives Abwägungsgebot ins Feld führen. Ungeachtet dessen, daß sich ein solches dog-

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3. Teil: Zusammenfassung

matisch schwer begründen und in der Rspr. des BVerfG nicht nachweisen läßt, besteht hierfür auch kein praktisches Bedürfnis. Derselbe, von den Anhängern dieser Meinung erstrebte Schutzumfang läßt sich auf Basis der Rspr. des BVerfG dadurch erzielen, daß die Institutsgarantie nicht starr als „dringlichster Mindeststandard“ an Eigentumsrechten angesehen, sondern im Rahmen eines Verhältnismäßigkeitsausgleichs mit Art. 14 II GG flexibel gehandhabt wird. Die Eigentümer- bzw. Gemeinwohlbelange erhalten auch hier umso mehr Gewicht, je ausgeprägter der personale bzw. soziale Bezug im Einzelfall ist. Auf seiten der Eigentümerinteressen sind insbesondere wieder die fünf Strukturvorgaben des Verfassungseigentums zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage wurde dargelegt, daß der Einrichtungsgarantie – entsprechend den beiden verschiedenen Fallgruppen der Ausgestaltung – zum einen die Aufgabe zukommt, die Eigentumserwerbsfreiheit der Neueigentümer (auch) in Bereichen zu sichern, die bislang eigentumsrechtlich noch völlig unberührt waren. Zum anderen obliegt ihr, das Eigentumsgrundrecht vor einem unkontrollierten „Auslaufenlassen“ bislang möglicher Eigentumserwerbsmöglichkeiten zu schützen. c) In prozessualer Hinsicht wurde festgestellt, daß sich der von einer Ausgestaltung betroffene Newcomer mangels Eingreifens der Bestandsgarantie nicht auf ein subjektives Abwehrrecht aus Art. 14 GG berufen kann. Aus der Institutsgarantie, die seine Eigentumserwerbsfreiheit schützt, lassen sich nach zutreffender Ansicht keine Abwehrrechte herleiten. Der Newcomer kann aber prozessual einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG geltend machen mit der Behauptung, die Ausgestaltung verletzte die Institutsgarantie des Art. 14 I 1 GG und sei deswegen nicht Bestandteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne des Art. 2 I GG. 3. In bezug auf Normen der Umgestaltung muß der Gesetzgeber zur Verwirklichung des ihm obliegenden Sozialmodells einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG und Art. 14 II GG finden. a) Hierbei wurde dargelegt, daß das BVerfG bislang in st. Rspr. eine besondere Rechtfertigung des mit einer Umgestaltung normierten Eingriffs in bereits bestehende Altrechte gefordert hat. Ein derartiger Eingriff müsse sich zurückführen lassen auf besondere „öffentliche Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes habe in Art. 14 GG eine eigenständige Ausprägung erhalten. Der allgemeine, aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Vertrauensschutz finde daher bei Art. 14 GG keine Anwendung – der eigentumsgrundrechtliche Vertrauensschutz ginge darüber hinaus. Diese bisherigen Aussagen des Gerichts sind zu unterstützen. Nur sie bieten Gewähr dafür, daß den Qualifikationserfordernissen, die eine Position erfüllen muß, um unter den Schutzbereich der Bestandsgarantie zu fallen, auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung adäquat Rechnung getragen wird. Neuere Bestrebungen des BVerfG seit dem 95. Bd., die zur allgemeinen Rückwirkungslehre entwickelten Grundsätze auch im Binnenbereich des Art. 14 GG fruchtbar zu machen, waren daher mit Nachdruck abzulehnen.

3. Teil: Zusammenfassung

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b) Des weiteren betont das BVerfG in st. Rspr., daß die Bestandsgarantie zwingend die Wahrung der „Substanz“ des Eigentums fordert. Dies setzt voraus, daß Regelungen der Umgestaltung, die das Zuordnungsverhältnis durch den Entzug einzelner Befugnisse beschränken, dem Eigentümer nicht lediglich das nackte Zuordnungsverhältnis (nudum ius) belassen dürfen. Dem Eigentümer müssen vielmehr noch wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten an seinem Eigentumsobjekt verbleiben. Ist dies nicht der Fall, so ist die Regelung zwingend verfassungswidrig. c) Das vom BVerfG des weiteren herangezogene Erfordernis der „Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses“ durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG hat heute keinen zwingenden Charakter mehr. Das BVerfG hat es inzwischen in mehreren Entscheidungen für zulässig erachtet, daß auch durch Regelungen im Sinne des Art. 14 I 2 GG das Zuordnungsverhältnis als solches aufgehoben wird. Bei derartigen Regelungen ist jedoch zu beachten, daß sie einen schwerwiegenden Eingriff in die Bestandsgarantie bewirken. Mit der Auflösung des Zuordnungsverhältnisses geht der Entzug sämtlicher Nutzungsbefugnisse einher. Sie sind daher nur dann verfassungsgemäß, wenn ihnen besonders gewichtige Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 14 II GG zugrunde liegen. d) Um den Gesetzgeber aufgrund der skizzierten weitreichenden eigentumsgrundrechtlichen Bindungen nicht zu blockieren, gewährt das BVerfG ihm in st. Rspr. die Möglichkeit, einen umgestaltenden Eingriff in Altrechte mit Hilfe von Übergangsregelungen abzufedern. Dem Gesetzgeber steht dabei eine Fülle von Möglichkeiten zur Verfügung, wobei das BVerfG in erster Linie Maßnahmen fordert, die einen Eingriff in Altrechte real vermeiden (z. B. durch Ausnahme- und Befreiungsvorschriften). Ein Geldausgleich kommt im Rahmen des Art. 14 I 2 GG nur als ultima ratio in Betracht. e) Ein Alteigentümer kann sich gegen eine neue Umgestaltungsnorm umfassend auf die Bestandsgarantie berufen: Prozessual vermittelt sie ihm ein subjektives Abwehrrecht, materiell-rechtlich wirkt sie als objektiver Rechtmäßigkeitsmaßstab. Sofern ein Newcomer gegen eine Umgestaltung vorgeht, steht ihm prozessual Art. 2 I GG zur Seite. Die Institutsgarantie vermittelt ihm kein subjektives Abwehrrecht, und auf die Bestandsgarantie der Altrechtler kann er sich wegen des Verbots der Prozeßstandschaft nicht berufen. Materiell-rechtlich ist der Umgestaltungs-Newcomer jedoch nach zutreffender Betrachtung befugt, innerhalb des Art. 2 I GG – neben der Institutsgarantie – auch einen eventuellen Verstoß gegen die Bestandsgarantie der Alteigentümer geltend zu machen.

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Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG mit Bezug zu Art. 14 GG 1, 264 (276 ff.) 2, 237 (254 ff.) 2, 380 (399 ff.) 3, 4 (9 ff.) 3, 58 (153 ff.) 3, 162 (182 f.) 3, 187 (201 f.) 3, 213 (220) 3, 288 (324 ff.) 4, 7 (16 ff.) 4, 219 (228 ff.) 4, 387 (399 ff.) 6, 290 (298 f.) 7, 129 (149) 7, 230 (235 ff.) 8, 71 (79) 8, 274 (330) 8, 332 (360) 10, 55 (59) 10, 89 (116 f.) 10, 141 (177) 10, 221 (228) 10, 354 (371) 11, 64 (70 f.) 11, 139 (147) 11, 221 (26 ff.) 11, 294 (296 ff.) 12, 264 (273 f.) 13, 39 (45) 13, 225 (229 f.) 14, 76 (105) 14, 105 (120) 14, 221 (241 ff.) 14, 263 (276 ff.) 14, 288 (293 ff.) 15, 126 (143 f.) 15, 167 (199 ff.) 16, 94 (111 ff.) 16, 147 (187)

30. 04. 52 24. 04. 53 01. 07. 53 24. 07. 53 17. 12. 53 17. 12. 53 17. 12. 53 17. 12. 53 26. 02. 54 20. 07. 54 21. 07. 55 23. 02. 56 21. 03. 57 16. 10. 57 15. 01. 58 10. 07. 58 12. 11. 58 02. 12. 58 14. 07. 59 29. 07. 59 31. 10. 59 17. 11. 59 25. 02. 60 04. 05. 60 31. 05. 60 21. 06. 60 25. 07. 60 15. 03. 61 27. 06. 61 29. 11. 61 10. 05. 62 22. 05. 62 24. 07. 62 07. 08. 62 11. 10. 62 14. 11. 62 11. 12. 62 07. 05. 63 22. 05. 63

Bezirksschornsteinfegermeister Umstellungsgrundschulden NRW-Haftentschädigungsgesetz Haushaltssicherungsgesetz Gesetz zu Art. 131 GG Gesetz zu Art. 131 GG Gesetz zu Art. 131 GG Gesetz zu Art. 131 GG Gesetz zu Art. 131 GG Investitionshilfegesetz Junktimklausel Enteignungsverfahren Schweizer Vermögenswerte Disziplinarrecht Mieterplakate Weinrebenanbau-Verordnung Preisgesetz Beamtenbesoldung Tierzuchtgesetz Erftverband Feuerversicherungszwang Kleingartenpacht Ärzteversorgung Lastenausgleichsgesetz Prozeßkosten Krankenversicherung Aufbaugesetz Rheinland-Pfalz Gesetz zu Art. 131 GG Bundesentschädigungsgesetz Bahnhofsapotheke Vergnügungssteuer Branntweinmonopol Fremdrentengesetz Feldmühle Rentenanwartschaften Allgemeines Kriegsfolgengesetz Sparverordnung Nordrhein-Westfalen Soldatenversorgung Werksfernverkehr

300

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG

17, 232 (247 ff.) 17, 337 (355) 18, 85 (90 ff.) 18, 121 (131 f.) 18, 196 (200 ff.) 18, 315 (339) 18, 392 (396 ff.) 18, 441 (452) 19, 119 (128 f.) 19, 202 (205 f.) 19, 253 (267 f.) 19, 354 (370) 20, 351 (355 ff.) 21, 73 (79 ff.) 21, 87 (90 f.) 21, 92 (93) 21, 94 (97) 21, 99 (100 f.) 21, 102 (104 f.) 21, 117 (131) 21, 150 (154 ff.) 21, 209 (219) 21, 306 (309 ff.) 21, 362 (369 ff.) 22, 241 (253) 22, 275 (277) 22, 380 (386 f.) 22, 387 (421 ff.) 23, 12 (30) 23, 85 (95 ff.) 23, 288 (314 f.) 24, 220 (225 ff.) 24, 367 (388 ff.) 25, 112 (115 ff.) 25, 371 (407) 26, 215 (222 ff.) 26, 327 (338) 27, 111 (131) 27, 253 (271 ff.) 27, 326 (334 ff.) 28, 119 (141 f.) 28, 163 (175) 29, 22 (33 f.) 29, 283 (302) 29, 340 (359 ff.) 29, 402 (413) 29, 413 (424 ff.) 30, 250 (271 f.)

13. 02. 64 21. 04. 64 10. 06. 64 01. 07. 64 10. 11. 64 27. 01. 65 03. 03. 65 07. 04. 65 24. 09. 65 01. 12. 65 14. 12. 65 11. 01. 66 17. 11. 66 12. 01. 67 12. 01. 67 12. 01. 67 12. 01. 67 12. 01. 67 12. 01. 67 17. 01. 67 14. 02. 67 14. 03. 67 11. 04. 67 02. 05. 67 19. 07. 67 25. 07. 67 29. 11. 67 12. 12. 67 19. 12. 67 07. 02. 68 14. 05. 68 16. 10. 68 18. 12. 68 15. 01. 69 07. 05. 69 19. 06. 69 15. 07. 69 07. 10. 69 03. 12. 69 15. 01. 70 18. 03. 70 14. 04. 70 23. 06. 70 27. 10. 70 09. 12. 70 15. 12. 70 15. 12. 70 09. 03. 71

Apothekengesetz Beamtenversorgung Patentrecht Fiskusprivileg Bundesentschädigungsgesetz Milchabgabe Grundstücksbeurkundung Hypothekengewinnabgabe Kuponsteuer Rentenversicherung Kirchensteuer Lastenausgleichsgesetz Tierseuchengesetz Grundstücksverkehrsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Wohnungsbaugesetz Weinwirtschaftsgesetz Kreditgewinnabgabe Grundstücksverkehrsgesetz Grundrechtsfähigkeit jur. Personen des ÖR Rentenanpassungsgesetz Steuerberatungsgesetz Kuponsteuer Gesetz zu Art. 131 GG Unfallversicherungsneuregelungsgesetz Bundesergänzungsgesetz Lastenausgleichsgesetz Angestelltenversicherung Hamburger Deichordnung Niedersächsisches Deichgesetz Lex Rheinstahl Grundstücksverkehrsgesetz Einkommenssteuer Einkommensteuergesetz Abgeltung von Besatzungsschäden Abgeltung von Besatzungsschäden Spielbankgesetz Gesetz zu Art. 131 GG Fremdrentengesetz Angestelltenversicherung Deutsch-niederländischer Ausgleichsvertrag Konjunkturzuschlag Reichsnährstand Außenwirtschaftliche Absicherung

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG 30, 292 (334 f.) 31, 8 (32) 31, 185 (189 ff.) 31, 212 (220 f.) 31, 229 (238 ff.) 31, 248 (251 ff.) 31, 255 (270) 31, 270 (274 f.) 31, 275 (283 ff.) 32, 111 (128) 32, 129 (141) 32, 311 (319) 33, 171 (191 f.) 33, 240 (247) 34, 139 (145 ff.) 34, 252 (257) 35, 23 (31) 35, 263 (276) 35, 348 (360 ff.) 35, 377 (378) 36, 66 (72) 36, 73 (85) 36, 281 (290 ff.) 36, 383 (400) 37, 121 (131) 37, 132 (140 ff.) 37, 314 (324) 38, 1 (21) 38, 61 (102) 38, 128 (138) 38, 175 (179 ff.) 38, 348 (370 f.) 39, 210 (237) 40, 65 (82 ff.) 40, 141 (166 ff.) 41, 126 (149 ff.) 41, 360 (377) 42, 20 (33 f.) 42, 64 (76 f.) 42, 176 (190 f.) 42, 229 (232) 42, 263 (290 ff.) 43, 203 (209 ff.) 43, 242 (288) 44, 249 (282) 45, 63 (74 ff.) 45, 83 (99 ff.) 45, 142 (168, 182 ff.)

16. 03. 71 01. 04. 71 15. 06. 71 22. 06. 71 07. 07. 71 07. 07. 71 07. 07. 71 07. 07. 71 08. 07. 71 20. 10. 71 20. 10. 71 09. 02. 72 10. 05. 72 27. 06. 72 08. 11. 72 01. 02. 73 28. 03. 73 19. 06. 73 03. 07. 73 17. 07. 73 02. 10. 73 03. 10. 73 15. 01. 74 05. 03. 74 23. 04. 74 23. 04. 74 11. 06. 74 27. 06. 74 17. 07. 74 22. 10. 74 12. 11. 74 04. 02. 75 19. 03. 75 09. 06. 75 07. 07. 75 13. 01. 76 25. 02. 76 10. 03. 76 24. 03. 76 12. 05. 76 16. 06. 76 08. 07. 76 25. 01. 77 08. 02. 77 30. 03. 77 07. 06. 77 08. 06. 77 08. 06. 77

Mineralölbevorratung Vergnügungssteuergesetz NRW Angestelltenversicherungsgesetz Soldatenversorgungsgesetz Schulbuch Bibliotheksgroschen Tonband Schulfunksendungen Dirigentenwitwe Lastenausgleichsgesetz / Österreichfälle Abw. Meinung Rupp-v. Brünneck Wettbewerbsrecht Arzthonorar Sachverständigenentschädigung Erschließungsbeitrag Steuerberatungsgesetz Emeritenbezüge Bauberechtigung Armenrecht VW-Aktionäre Stabilitätszuschlagsgesetz Knappschaftsruhegeld Patentgesetz Unfallversicherung Mutterschutzgesetz Wohnraumkündigungsschutzgesetz Private Fachhochschule Richterliche Amtsbezeichnung Leberpfennig Bundesentschädigungsgesetz Rückenteignung Wohnraumzweckentfremdung Mahlquoten Krankenversicherung Ostverträge Lastenausgleich Nachtbackverbot Hamburger Wegegesetz Zwangsversteigerung Arbeitnehmerabfindung Gefangenenverfügungsbefugnis Contergan-Stiftung Deutsch-tschechoslowakischer Vertrag Hamburger Universitätsgesetz Dienstbezüge Stadtwerke Hameln Deutsch-niederländischer Ausgleichsvertrag EG-Getreidemarkt

301

302

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG

45, 272 (296) 45, 297 (318 ff.) 46, 268 (285 ff.) 46, 325 (333 ff.) 48, 403 (412 f.) 49, 220 (225, 231 ff.) 49, 244 (248 ff.) 49, 252 (256 ff.) 49, 382 (392 ff.) 50, 57 (104 ff.) 50, 290 (339 ff.) 51, 1 (30) 51, 31 (36) 51, 150 (156 ff.) 51, 193 (211 ff.) 51, 356 (369) 51, 405 (408) 52, 1 (27 ff.) 52, 256 (263 ff.) 52, 303 (344 ff.) 52, 380 (389) 53, 30 (65) 53, 164 (175 f.) 53, 257 (289 ff.) 53, 336 (348 ff.) 53, 352 (356 ff.) 54, 301 (341) 55, 114 (131 f.) 55, 249 (257 ff.) 55, 262 (273) 55, 372 (396) 56, 249 (259 ff.) 56, 266 (269 ff.) 57, 107 (117) 58, 81 (109 ff.) 58, 129 (133 ff.) 58, 137 (144 ff.) 58, 300 (330 ff.) 60, 360 (373) 61, 82 (100 ff.) 62, 169 (181 ff.) 63, 152 (174) 63, 312 (327) 64, 72 (86) 64, 87 (97 ff.) 65, 141 (147 f.) 65, 196 (209) 65, 237 (248)

21. 06. 77 10. 05. 77 26. 10. 77 07. 12. 77 20. 06. 78 27. 09. 78 10. 10. 78 10. 10. 78 25. 10. 78 19. 12. 78 01. 03. 79 20. 03. 79 20. 03. 79 24. 04. 79 22. 05. 79 26. 06. 79 18. 07. 79 12. 06. 79 16. 10. 79 07. 11. 79 13. 11. 79 20. 12. 79 26. 02. 80 28. 02. 80 12. 03. 80 12. 03. 80 18. 06. 80 21. 10. 80 02. 12. 80 03. 12. 80 07. 01. 81 10. 03. 81 10. 03. 81 29. 04. 81 01. 07. 81 01. 07. 81 14. 07. 81 15. 07. 81 18. 05. 82 08. 07. 82 03. 11. 82 09. 02. 83 08. 03. 83 04. 05. 83 10. 05. 83 06. 10. 83 19. 10. 83 08. 11. 83

Mehrfachverteidigungsverbot Hamburger U-Bahn Bayrisches Bodenverkehrsgesetz Zwangsversteigerung Wohnungsbauprämie Zwangsversteigerung Wohnraumkündigungsschutz Zwangsversteigerung Kirchenmusik Kapitalertragssteuer Mitbestimmung Rentenversicherung Abw. Meinung Katzenstein Zwangsversteigerung Weinbergsrolle Ausländer-Rentenversicherung Konkursrechtliche Verfügungsbeschränkung Kleingarten Rechtsanwalts-Sterbegeld Chefärzteliquidation Juristenausbildung Mühlheim Kärlich Oder-Neiße-Rentenversicherung Versorgungsausgleich Einsenbahnkreuzungsgesetz Mieterhöhungsverlangen Buchführungsprivileg Witwenrente Wohnraumzweckentfremdung Diplom-Ingenieur Richterbesoldung Dürkheimer Gondelbahn Abw. Meinung Böhmer Bundes-Seuchengesetz Ausbildungs-Ausfallzeiten Abw. Meinung Benda, Katzenstein Pflichtexemplar Naßauskiesung Krankenversicherung Sasbach Innerdeutscher Zahlungsverkehr Beamtenversicherung Familienstiftung Prüfingenieur Rentenanpassung Soldatenzulage Betriebliche Altersversorgung Mietwagenunternehmen

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG 66, 116 (145 f.) 66, 234 (247) 66, 248 (257 ff.) 67, 1 (14) 68, 193 (222 f.) 68, 287 (310 f.) 68, 361 (367 ff.) 69, 272 (298 ff.) 70, 35 (52 f.) 70, 101 (110 f.) 70, 191 (199 ff.) 70, 278 (285 ff.) 71, 1 (11 ff., 20 f.) 71, 66 (80) 71, 137 (142 ff.) 71, 230 (246 ff.) 72, 9 (18 f.) 72, 66 (75 ff.) 72, 141 (152 ff.) 72, 175 (193 ff.) 74, 129 (148) 74, 203 (213 ff.) 74, 264 (279 ff.) 75, 78 (96 ff.) 75, 108 (154) 76, 130 (141) 76, 220 (235 ff.) 76, 256 (293 f.) 77, 1 (46) 77, 84 (117 f.) 77, 130 (136) 77, 263 (270 ff.) 77, 308 (339 f.) 77, 370 (375 ff.) 78, 58 (70 ff.) 78, 101 (102 f.) 78, 205 (211 ff.) 78, 214 (230) 78, 232 (243 f.) 78, 249 (277, 282 f.) 79, 1 (25 ff.) 79, 29 (38 ff.) 79, 80 (84 ff.) 79, 174 (191 ff.) 79, 283 (289 ff.) 79, 292 (301 ff.) 80, 124 (137) 80, 137 (150 f.)

25. 01. 84 20. 03. 84 28. 03. 84 10. 04. 84 31. 10. 84 28. 11. 84 08. 01. 85 16. 07. 85 14. 05. 85 04. 06. 85 19. 06. 85 08. 10. 85 09. 10. 85 22. 10. 85 06. 11. 85 04. 12. 85 12. 02. 86 12. 03. 86 13. 05. 86 13. 05. 86 14. 01. 87 10. 02. 87 24. 03. 87 08. 04. 87 08. 04. 87 01. 07. 87 15. 07. 87 30. 09. 87 01. 10. 87 06. 10. 87 21. 10. 87 04. 11. 87 15. 12. 87 20. 01. 88 08. 03. 88 23. 03. 88 18. 05. 88 11. 05. 88 31. 05. 88 08. 06. 88 11. 10. 88 11. 10. 88 08. 11. 88 30. 11. 88 14. 02. 89 14. 02. 89 06. 06. 89 06. 06. 89

Bild Zeitung / Wallraff Rentenversicherungsänderungsgesetz Energiewirtschaftsgesetz Emeritierungsalter Zahntechniker-Vergütung Rechnungszinsfuß Eigenbedarfskündigung Rentner-Krankenversicherung Bebauungsplan durch Gesetz Rentenausfallzeiten Fischereigesetz Nordrhein-Westfalen Lohnsteuerjahresausgleich Rentenanpassungsgesetz DDR-Witwenrente Fischereigesetz Niedersachsen Kappungsgrenze Arbeitslosengeld Flughafen Salzburg Hinterbliebenenrente Darlehen Betriebliche Altersversorgung Arbeitslosengeld Teststrecke Boxberg Erwerbsunfähigkeitsrente Künstlersozialversicherung Sozialgerichtsgebühren Unterhalts- / Übergangsgeld nach AFG Beamtenversorgung Neue Heimat Leiharbeit Schloß Cappenberg Urheberrechtlicher Vergütungsanspruch Arbeitnehmerweiterbildung Übergangsgeld für Schwerbehinderte Weinbergsrolle Rundfunkanstalten Schatzregal Unterhaltsleistung nach EStG Landwirtschaftliche Altershilfe Fehlbelegungsabgabe Herstellervergütung im Urheberrecht Urheberrechtlicher Vergütungsanspruch Mieterhöhungsverlangen Straßenlärm Eigenbedarfskündigung Eigenbedarfskündigung Postzeitungsdienst Reiten im Walde

303

304

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG

80, 297 (308 ff.) 81, 12 (16 ff.) 81, 29 (31 ff.) 81, 35 (35 ff.) 81, 70 (96) 81, 97 (107 f.) 81, 108 (122) 81, 208 (219 ff.) 82, 6 (15 ff.) 82, 159 (190) 82, 209 (234) 83, 82 (87 f.) 83, 182 (195) 83, 201 (208 ff.) 84, 90 (122 f.) 84, 133 (157) 84, 382 (384 ff.) 85, 176 (191) 85, 219 (223 ff.) 85, 360 (383) 86, 59 (63) 87, 1 (42) 87, 114 (138 ff.) 87, 363 (394) 88, 366 (376 ff.) 88, 384 (401 f.) 89, 1 (5 ff.) 89, 48 (61) 89, 237 (241 ff.) 89, 340 (342 f.) 90, 226 (236 ff.) 91, 148 (164 f.) 91, 207 (220) 91, 294 (307 ff.) 92, 262 (271 ff.) 92, 365 (405 ff.) 93, 121 (137 ff., 164) 93, 319 (352) 94, 12 (46 ff.) 94, 241 (258) 95, 1 (21 ff.) 95, 48 (58 f.) 95, 64 (84 ff.) 95, 143 (160 ff.) 95, 173 (187 f.) 95, 267 (300 f.) 96, 375 (397) 97, 89 (95 ff.)

05. 07. 89 03. 10. 89 03. 10. 89 03. 10. 89 14. 11. 89 14. 11. 89 29. 11. 89 23. 01. 90 03. 04. 90 31. 05. 90 12. 06. 90 13. 11. 90 09. 01. 91 09. 01. 91 23. 04. 91 24. 04. 91 09. 10. 91 08. 01. 92 28. 01. 92 10. 03. 92 07. 04. 92 07. 07. 92 23. 09. 92 17. 11. 92 25. 05. 93 25. 05. 93 26. 05. 93 23. 06. 93 19. 10. 93 14. 12. 93 23. 03. 94 11. 10. 94 12. 10. 94 22. 11. 94 26. 04. 95 04. 07. 95 22. 06. 95 07. 11. 95 18. 05. 96 12. 03. 96 17. 07. 96 08. 10. 96 15. 10. 96 12. 11. 96 22. 01. 97 08. 04. 97 12. 11. 97 09. 12. 97

Versorgungsausgleich Schallplattenverleih Eigenbedarfskündigung Abw. Meinung Grimm, Dieterich, Kühling Rückkehrpflicht von Mietwagen Zurückweisung verspäteten Vorbringens Einkommensteuertarif Urheberrecht / Bob Dylan Mietvertragsfortsetzung Absatzfond Privatklinikaufnahme Eigenbedarfskündigung Versorgungsausgleich / Pensionistenprivileg Bergrechtliches Vorkaufsrecht Restitutionsausschluß DDR-Arbeitsverhältnisse Wohnraumkündigung Beamtenversorgung Eigenbedarfskündigung Einigungsvertrag Wohnraumzweckentfremdung Kindererziehungszeiten Bundeskleingartengesetz Nachtbackverbot Tierzucht Zinsanpassung Eigentumsrecht des Mieters Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich Eigenbedarfskündigung Mieterhöhungsverlangen Kirchensteuer-Hebesatz Irak-Export Hafengebühren Ost-Miethöhe Gesamtvollstreckungsverfahren Arbeitsförderungsgesetz Vermögenssteuer Wasserabgabe Restitutionsausschluß Kindererziehungszeiten Südumfahrung Stendal Vermögensgesetz Wohnungsbindungsgesetz Auslandsrenten Tabakverordnung LPG-Altschulden Arzt-Unterhalt DDR-Enteignung

Senatsentscheidungen aus der amtlichen Sammlung des BVerfG 97, 228 (264 f.) 97, 271 (283 ff.) 97, 350 (370 ff.) 97, 378 (385 ff.) 98, 17 (35 ff.) 98, 265 (328) 99, 202 (215) 99, 367 (391 f.) 100, 1 (31 ff.) 100, 59 (97 f.) 100, 104 (127) 100, 138 (190 f.) 100, 226 (239 ff.) 100, 289 (301 ff.) 101, 54 (74 ff.) 101, 239 (257 ff.) 102, 1 (14 ff.) 102, 26 (40) 102, 197 (211 f.) 102, 254 (297, 341) 104, 1 (8 ff.) 104, 74 (84) 105, 17 (31 ff.) 105, 73 (131) 105, 252 (277 ff.) 106, 201 (210 f.)

20 Appel

17. 02. 98 18. 02. 98 31. 03. 98 24. 03. 98 08. 04. 98 27. 10. 98 10. 11. 98 02. 03. 99 28. 04. 99 28. 04. 99 28. 04. 99 28. 04. 99 02. 03. 99 27. 04. 99 14. 07. 99 23. 11. 99 16. 02. 00 16. 02. 00 19. 07. 00 22. 11. 00 22. 05. 01 10. 10. 01 05. 02. 02 06. 03. 02 26. 06. 02 30. 10. 02

305

Kurzberichterstattung Hinterbliebenenrente Europäische Währungsunion Krankengeld Sachenrechtliches Moratorium Bayrisches Schwangerenhilfeergänzungsgesetz Erstattungspflicht nach Arbeitsförderungsgesetz Montanmitbestimmungsgesetz DDR-Renten DDR-Renten DDR-Renten MfS-Renten Denkmalschutz Aktionärsabfindung Schuldrechtsanpassungsgesetz Stichtagsregelung Vermögensgesetz Zustands-Störer Frischzellen-Verordnung Spielbankgesetz Baden-Württemberg Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz Städtebauliche Umlegung Entschädigungsgesetz Wertpapier-Zinsen Beamtenpensionen Glykolwein Zinszuschlag nach Lastenausgleichsgesetz

Sachwortverzeichnis Abwägungsgebot (objektives) 207 ff., 279 Allgemeinwohlklausel 105, 115, 165, 168, 232, 278 Alteigentümer 180, 186, 191 ff., 228 ff., 263 ff., 278 ff. Ausgestaltung 177 ff., 201 ff., 216 ff., 265 ff., 271 ff. – Auslaufenlassen von Eigentumsrechten 185, 218 – Ausschluß des Entstehens bisheriger Eigentumsrechte 185 ff. – Begriff 177 f. – Einführung neuer Rechte 181 ff. – Fallgruppen 180 ff. – verfassungsrechtliche Anforderungen 201 ff. Auslegung (der Eigentumsgarantie) 36, 38 ff., 46 ff., 57 ff., 62, 68, 71, 87, 96, 104, 110, 275 – historisch 46 ff. – teleologisch 40 ff. Baubefugnis 131 ff., 149, 150, 276 – Baufreiheit 150 f. – öffentlich-rechtliche Verleihung 134 f. – privatrechtliche Verwurzelung 133 Baufreiheit s. Baubefugnis Befugnis s. Rechtsposition Beschwerdebefugnis 220 Bestandsgarantie 22 ff. (u. durchgehend) – als Befugnisbündel 101 ff., 139, 178 f., 274, 277, 278 – Bestandsstärke 224 – Eingriff 52, 60, 76, 103, 110 ff., 176, 177, 180, 202 ff., 209 ff., 221, 223 ff., 240 ff., 248 ff., 262 f., 271 f., 277 ff. – Eingriffsrechtfertigung 58 f., 62, 67 ff., 70 ff., 146, 167, 195, 248 ff., 257, 266, 280

– Entstehungsschwäche 178 ff., 185, 187, 192, 195, 202 ff., 209, 226 ff., 231, 265, 268, 277 – Ermittlung der Schutzobjekte 25 ff. – Gesetzesabhängigkeit 88 ff., 101, 132, 139 ff., 176 ff., 192, 202 ff., 218, 226 ff., 235, 241 ff., 268, 273 ff. – objektiver Rechtmäßigkeitsmaßstab 23, 95, 281 – subjektives Abwehrrecht 23, 51 ff., 57, 95, 112 ff., 115, 264, 273, 280 f. Bestandsstärke s. Bestandsgarantie Chancen s. Erwerbschancen Eigenleistung s. Strukturmerkmale Eigentumsbegriff (verfassungsrechtlicher) 26 ff., 32 ff., 47, 77 ff., 110, 118 f., 136, 145, 183, 183, 206, 225, 233, 276 – des BVerfG 32 ff., 77 ff. – des Schrifttums 80 ff. – Ermittlung durch Verfassungsauslegung 38 ff. – Qualifikationsfunktion 77 ff. – Strukturmerkmale s. dort – Wandlung 51, 86 f. Eigentumseingriff s. Bestandsgarantie Eigentumsmonstrum 203 Einrichtungsgarantie s. Institutsgarantie Enteignung 23, 108 ff., 154 ff., 197, 203 ff., 223, 225, 237 ff., 261 ff., 276 – Denkunmöglichkeit 203 ff. – Erfüllung öffentlicher Aufgaben 166 ff. – Güterbeschaffung 121, 156, 168 ff., 262, 276 – horizontale Hoheitsakte 162 ff. – Junktimklausel 175 – Schwellentheorien 111, 113, 116, 158 ff., 237 – Teilentzug 156 f., 170 ff., 196 f.

Sachwortverzeichnis – vertikale Hoheitsakte 163 ff. – Vollentzug 156 f., 171, 197 f. – zugunsten Privater 167 f. – Zweckrichtung 164 Entschädigungsgarantie 112, 115 Entstehungsschwäche s. Bestandsgarantie Erwerbschancen 100, 188, 218 Erwerbsfreiheit 217 ff., 266, 269, 280 Existenzsicherung s. Strukturmerkmale Gesamtschau 70, 104 ff., 111, 118 f., 233, 274 Gesetzesabhängigkeit s. Bestandsgarantie Getrenntschau 70, 127, 275 Gewaltenteilung 116, 236 Gleichrangigkeit (des Privat- und öffentlichen Rechts) 33, 103 ff., 116, 233, 270, 274 gleitende Sozialbindung s. Sozialbindung Güterbeschaffung s. Enteignung Handlungsfreiheit (allgemeine) 40, 218, 222, 266 ff., 280 Hoffnungen s. Erwerbschancen immanente Sozialbindung s. Sozialbindung Individualrechtsgarantie s. Bestandsgarantie Inhalts- und Schrankenbestimmung 23, 111, 116, 154 ff., 176 ff., 245 ff. (u. durchgehend) – Abgrenzung zur Enteignung 154 ff. – Unterscheidung 269 ff. Inkrafttreten (eines Gesetzes) 182 ff., 190, 195, 229, 231 ff., 265, 272 – rückwirkendes Inkrafttreten 231 ff. Institutsgarantie 22, 76, 82 ff., 94, 137 ff., 147, 205 ff., 220 ff., 243, 266, 268, 271, 273, 279 ff. – kein subjektives Abwehrrecht 221 ff., 265, 280, 281 – objektiver Rechtmäßigkeitsmaßstab 207, 273 – Schutzwirkungen 207, 216 ff. – verfassungsunmittelbare Gewährleistung 206, 273 Konkretisierungskompetenz 241, 243 20*

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Leistung s. Eigenleistung Leitbildfunktion (des zivilrechtlichen Eigentums) 49 Neueigentümer 180, 186 ff., 191 ff., 202 f., 219 ff., 226 ff., 264 ff., 272, 277 ff. Newcomer s. Neueigentümer Normgeprägtheit s. Gesetzesabhängigkeit Nutzungsmöglichkeiten 139 ff., 259 f., 274, 281 Öffentlich-rechtliche Positionen 50 ff., 85 ff., 96 ff., 127 ff., 275 – Relativierung (der Eigentumsgarantie) 52 f., 57 – Teilhaberecht 51 – Wandlung der Eigentumsgarantie 50 ff. Privatnützigkeit s. Strukturmerkmale Prozeßstandschaft 220, 266, 281 Rechtsanwendung 160, 240 ff., 245 ff. – fehlender Eingriffscharakter 240 ff. Rechtsposition 25 ff., 88 ff. (u. durchgehend) – Befugnisbündel s. Bestandsgarantie – Befugnisse 97 ff. (u. durchgehend) – subjektives Recht 96 ff., 104, 131, 141, 220 – Voraussetzungen 96 ff. Rechtsträgergarantie s. Bestandsgarantie Regelungszusammenhang (funktionaler) 123 ff., 275 Rückwirkung s. Vertrauensschutz Sacheigentum 46 ff., 60, 128, 145 Schutzbereichsgestaltung 229 ff. Schwäche (des Eigentums) s. Entstehungsschwäche Schwellentheorien s. Enteignung Selbstbetroffenheit 220 Situationsgebundenheit 113, 160, 237, 246 Sozialbindung 52, 58, 111 ff., 161, 201, 214, 225, 232 ff., 249, 278, 279 – immanente 232 ff. – gleitende 201, 249, 279 Sozialmodell 70 f., 75 ff., 83, 165, 199 ff., 208, 211 ff., 239, 246 f., 258, 279 f.

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Sachwortverzeichnis

Strukturmerkmale des Eigentums 25 ff., 36 ff., 41 ff., 64 ff., 84 ff., 125 ff., 139, 148, 151 f., 183, 201, 215, 233, 250, 257, 275 f., 279 f. – Eigenleistung 50 ff., 56 ff., 61, 64, 66 ff., 87, 127 ff., 135 ff., 201, 216 f., 257, 275 f. – Existenzsicherung 50 ff., 60 ff., 66, 73, 127 f., 201, 257, 275 – Funktionen 64 ff. – Privatnützigkeit 41 ff., 53 f., 65 f., 70 ff., 126 ff., 144 ff., 159, 201, 215, 257, 275 f. – Qualifikationsmerkmale 64 ff. – Rechtmäßigkeitskriterien 70 ff., 76 – Verfügungsbefugnis 41 ff., 53 f., 65 f., 70, 73 ff., 126 ff., 144 ff., 148, 201, 215, 257, 275 f. – Vermögenswert 58, 62 ff., 126, 174, 201, 257, 275 Substanzbeeinträchtigung 258 ff., 281 Total-Dispositionsvorbehalt 226 ff. Transformationsfunktion 85 ff. Trennungsbetrachtung s. Getrenntschau Übergangsvorschriften 263 f. Umgestaltung 189 ff., 222 ff., 264 ff., 271 ff., 276 ff. – Eingriffscharakter 223 ff. – Einschränkung des Zuordnungsverhältnisses 196 – Fallgruppen 195 ff. – nachträglich gestaltende Kraft 229, 272, 278 – Umgestaltungs-Newcomer 193, 264 ff., 279

Umschlagtheorien s. Schwellentheorien Unsicherheitsmoment 98 ff., 246 Verfassungskonforme Auslegung 247 Verfügungsbefugnis s. Strukturmerkmale Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 72, 200 f., 208 ff., 228, 255 f., 258, 263 f., 267, 280 Verkündung (eines Gesetzes) 180, 190, 231 f., 268 Verleihungslehren 134 f. Vermögenswert s. Strukturmerkmale Vernünftiger Eigentümer 113, 237, 246 Vertrauensschutz 191, 202, 219, 228 ff., 250 ff., 278 ff. – eigentumsgrundrechtlicher 251 f. – rechtsstaatlicher 250 – (un-)echte Rückwirkung 190, 250 ff., 280 Vorgängerrecht 191, 239, 244, 278 Vorlagepflicht (gemäß Art. 100 I GG) 117 Wandlung (der Eigentumsgarantie) s. öffentlich-rechtliche Positionen Weimarer Eigentumsmodell 108 ff., 237 f., 274 Wesensverschiedenheit (von Art. 14 I 2 / 14 III GG) 204 Zirkelschluß 33, 71, 83, 94, 166 ff., 230, 243, 267 Zuordnungsverhältnis 102 ff., 120 ff., 156 ff., 172, 178 ff., 192 ff., 196 ff., 203, 226 ff., 258 ff., 274 ff. – Aufhebung 197 ff. – eindimensionales 102, 127 – Einschränkung 196 f. – mehrdimensionales 102 f., 127, 274 f.