Das deutsche Seerecht. Kommentar und Materialsammlung: Band 2, Teil 4 Seehandelsrecht [§ 474–905] [3., umgearb. u. erw. Aufl. Reprint 2019] 9783111429038, 9783111063690

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Das deutsche Seerecht. Kommentar und Materialsammlung: Band 2, Teil 4 Seehandelsrecht [§ 474–905] [3., umgearb. u. erw. Aufl. Reprint 2019]
 9783111429038, 9783111063690

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vierter Teil. Seehandelsrecht
Erstes Kapitel. Allgemeine Einleitung
Zweites Kapitel. Das Vierte Buch des Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 Seehandel
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
Zweiter Abschnitt. Reeder und Reederei
Dritter Abschnitt. Schiffer
Vierter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern
Vorbemerkungen vor § 556 HGB
Anhang zu §§ 557: Muster von Charterlormularen
Anhang zu § 564: Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren
Beispiel einer ,Timesheet'
Hamburgische Verordnung über die Löschzeit für Seeschiffe im Hafen Hamburg
Vorbemerkung zu den §§ 606 bis 613
Vorbemerkungen zu den §§ 642 bis 667
Deutsches Einheitskonnossement 1940
Anhang I zu § 656: Durchgehendes Konnossement (Durch-, Durchfrachtkonnossement)
Anbang II zu § 656: Reine Konnossemente gegen Revers
Anhang zu §§ 662—663 a: Freizeichnungsklauseln
Anhang I zum Vierten Abschnitt: Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung ron Regeln über Konnossemente
Fünfter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung Ton Beisenden
Sechster Abschnitt. Bodmerei
Siebenter Abschnitt. Haverei
Achter Abschnitt. Bergung und Hilleleistung in Seenot
Neunter Abschnitt. Schiffsgläubiger
Zehnter Abschnitt. Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt
Vierter Abschnitt. Schlußbestimmungen
Drittes Kapitel. Auszug aus dem Einführungsgesetz aus dem Handelsgesetzbuche
Auszug aus dem Einführungsgesetz aus dem Handelsgesetzbuche

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SCHAPS-ABRAHAM Das d e u t s c h e

Seerecht

Schaps - Abraham

Das deutsche Seerecht Kommentar und Materialsammlung

Begründet von Reichsgerichtsrat Dr. Georg Schaps, fortgeführt von Senatspräsident Dr. Max Mittelstein und Rechtsanwalt Dr. Julius Sebba

Dritte umgearbeitete und erweiterte Auflage von

Dr. iur. Hans Jürgen Abraham ord. Professor an der Universität Frankfurt a. M.

Zweiter Band

B e r l i n 1962

WALTER

DE G R U Y T E R

& CO.

vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung

• Georg Reimer

• Karl J. Trübner

• Veit & Comp.

Archiv-Nr. 2217 6 2 0 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten Satz, Druck und Bindearbeiten: Dr. F. P. Datterer & C i e . - I n h . Sellier-Preising

Inhaltsverzeichnis Band II V i e r t e r Teil

Seehandelsrecht Erstes Kapitel: A l l g e m e i n e E i n l e i t u n g

Seite 3

Zweites Kapitel: D a s V i e r t e B u c h des H a n d e l s g e s e t z b u c h s v o m 10. 5. 1897. Seehandel Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften (§§ 476—483) Zweiter Abschnitt. Reeder und Reederei (§§ 484—510) Anhang zu § 484: Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt vom 16. 6. 1958 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und Luftfahrt International Conventing Relating to the Limitation of the Liability of Owners ofSea-Going Ships, signedat Brüssels onthe 10 th ofOctober 1957 . . . . Anhang I zu §§ 489—509: Die Partenreederei (Miteigentum an Schiffen) im ausländischen Recht Anhang I I zu §§ 489—509: Die Partenreederei im internationalen Privatrecht Anhang I I I zu §§ 489—509: I. Beispiel eines Reedereivertrages II. Beispiel eines Korrespondentreedervertrages . Dritter Abschnitt. Schiffer (§§ 511—555) Vorbemerkung Verordnung, betreffend die Führung und Behandlung des Maschinenjournals auf Seedampfschiffen der Handelsflotte vom 28. 6. 1893 Anlage A zum Maschinentagebuch Anlage B: Verzeichnis der Angaben, auf welche die dem Maschinenjournal voranzuschickende Beschreibung der Maschine und der Kessel sich zu erstrecken hat

5 5 26

30

30 67 123 127 127 130 139 139 180 183

181

V

Inhaltsverzeichnis Anhang I zu § 520: Verordnung betreffend die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs Anlage I zum Schiffstagebuch Anlage II zum Schiffstagebuch Anlage EU: Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs Anhang II zu § 520: Überblick über die gegenwärtig vorgeschriebenen Eintragungen zum Schiffstagebuch Anhang I zu § 525: Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen vom 16. 8. 1944 Anhang II zu § 525: Die Verklarung vor einem Konsul der Bundesrepublik . . Muster für eine Verklarung Vierter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern (§§ 556—663b). . . Vorbemerkungen vor § 556 Anhang zu § 557: Muster von Charterformularen Anhang zu § 564: Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren vom 14. 4. 1926 Beispiel einer ,Timesheet' Hamburgische Verordnung über die Löschzeit für Seeschiffe im Hafen Hamburg vom 28. 3. 1938 Vorbemerkung zu den §§ 606—613 Vorbemerkung zu den §§ 642—657 Deutsches Einheitskonnossement 1940 Anhang I zu § 656: Durchgehendes Konnossement (Durch-, Durchfrachtkonnosement) Anhang I zu § 656: Reine Konnossemente gegen Revers Anhang zu §§ 662—663 a: Freizeichnungsklauseln Anhang I zum Vierten Abschnitt: Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über Konnossemente (sog. Haager Regeln) vom 25. 8. 1924 A. Vorbemerkung B. Text des Abkommens in der französischen Originalfassung und der amtlichen deutschen Übersetzung. Internationales Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über Konnossemente, gezeichnet in Brüssel am 25. 8. 1924 C. Texte einzelner HR-Gesetze (Auswahl) 1. Großbritannien 2. Australien 3. Kanada 4. Vereinigte Staaten von Amerika 5. Frankreich 6. Belgien 7. Niederlande 8. Indonesien 9. Italien 10. Griechenland 11. Japan 12. Spanien 13. Schweiz 14. Norwegen, Dänemark, Schweden und Finnland 15. Portugal 16. Sowjetunion VI

186 188 189 190 195 203 207 209 257 257 298 334 355 408 428 549 570 621 626 653 673 673

682 714 714 719 719 720 725 727 727 731 733 734 736 740 743 745 748 749

Inhaltsverzeichnis Anhang I I zum Vierten Abschnitt: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 (Auszug) Anhang I I I zum Vierten Abschnitt: Der Schiffsmakler Anhang IV zum Vierten Abschnitt: 1. Außenwirtschaftsgesetz vom 28. 4. 1961 (Auszug) 2. Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (Außenwirtschaftsverordnung-AWV) vom 22. 8. 1961 (Auszug) . 3. Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 7. 8. 1961 Anhang V zum Vierten Abschnitt: Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Rriegswaffen) vom 20. 4. 1961 Fünfter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden (§§ 664—678). . Vorbemerkung Anhang zum Fünften Abschnitt: 1. Gesetz über das Auswanderungswesen vom 9. 6. 1897 2. Verordnung gegen Mißstände im Auswanderungswesen vom 14. 2. 1924 3. Bekanntmachimg, betreffend Bestimmungen über den Geschäftsbetrieb der Auswanderungsunternehmer und Agenten vom 14. 3. 1898; 23. 8. 1903 4. Gesetz über die Errichtung eines Bundesamtes für Auswanderung vom 8. 5. 1952 5. Übereinkommen über einheitliche Regeln über die Beförderung van Passagieren auf dem Seewege 6. Internationales Übereinkommen über Maßnahmen gegen das Einschleicherunwesen; Brüssel, 10. 10. 1957 7. Beispiel für Passagebedingungen Sechster Abschnitt. Bodmerei (§§ 679—699) Vorbemerkung Siebenter Abschnitt. Haverei (§§ 700—739) Überblick Erster Titel. Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei (§§ 700—733) Überblick Anhang zu § 729: I. Formelles Dispacherecht (§§ 145ff. FGG) II. 1. Hamburgisches Gesetz über das Dispachewesen vom 12. 7. 1922 idF der VO vom 16. 11. 1934 und des ÄndGes. vom 28. 4. 1958 . . 2. Hamburgische Bekanntmachung zur Ausführung des Gesetzes über das Dispachewesen vom 22. 8. 1922 idF der VO vom 27.11.1923 Anhang A zum Ersten Titel des Siebenten Abschnittes: York-Antwerp-Rules 1950 I. Vorbemerkung II. Text der York-Antwerp-Rules 1950 in englischer und deutscher Sprache Anhang B zum Ersten Titel des Siebenten Abschnittes: Havereirechte des Auslands I. Großbritannien I I . Belgien

751 759 772 780 794 795 811 811 826 836 839 852 853 858 862 868 868 888 888 888 888 949 953 955 959 959 961 986 986 988

VII

Inhaltsverzeichnis I I I . Dänemark IV. Niederlande V. Frankreich

990 998 1004

VI. Vereinigte Staaten von Amerika VII. Schweiz Zweiter Titel. Schaden durch Zusammenstoß von Schifien (§§ 734—739). . . . Vorbemerkung Anhang zu § 735: Die Stellung des Schleppzugs im Kollisionsrecht Anhang I zum Zweiten Titel des Siebenten Abschnittes: Internationales Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schifien vom 23. 9. 1910 (Brüsseler Übereinkommen; IÜZ) Anhang I I zum Zweiten Titel des Siebenten Abschnittes: 1. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilrechtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen; Brüssel, 10. 5. 1952 2. Internationales Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafrechtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen auf See und anderen mit der Führung eines seegehenden Schiffes zusammenhängenden Ereignissen; Brüssel, 10. 5. 1952 . . Anhang I I I zum Zweiten Titel des Siebenten Abschnittes: Rechtsnatur und Rechtsgrundlage der Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlicher Körperschaften Achter Abschnitt. Bergung und Hilfsleistung in Seenot (§§ 740—753) Vorbemerkung Beispiele f ü r Bergelohn Beispiele f ü r Hilfslohn Anhang I zum Achten Abschnitt : Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot vom 23. 9. 1910 Anhang I I zum Achten Abschnitt: 1. Beispiel f ü r einen Hilfeleistungsvertrag 2. Lloyd's Standard Form of Salvage Agreement Neunter Abschnitt. Schiffsgläubiger (§§ 754—777) Vorbemerkung Anhang zu § 776 : Das Rangverhältnis von Schiffsgläubigerrechten zu anderen Pfandrechten am Schiff in Auslandsrechten Zehnter Abschnitt. Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt (§§ 778—900) Anhang zum Zehnten Abschnitt : Allgemeine Deutsche Seeversicherungsbedingungen (ADS) Elfter Abschnitt. Verjährung (§§ 901—905) Vorbemerkungen zu den §§ 901—904 Drittes Kapitel: A u s z u g a u s d e m b u c h e v o m 10. 5. 1 8 9 7

VIII

Einführungsgesetz

zum

1006 1009 1009 1009 1062

1098

1108

1112

1114 1116 1116 1154 1159

1253 1262 1263 1267 1267 1322 1328 1350 1382 1382

Handelsgesetz1389

Vierter Teil

Seehandelsrecht

1

Schaps-Abraham, Seerecht II

Erstes Kapitel

Allgemeine Einleitung 1. Die wesentlichste Quelle des Seehandelsrechts ist das V i e r t e B u c h des H G B . Es enthält ü b e r w i e g e n d d i s p o s i t i v e s R e c h t und wird insoweit vielfach durch vereinbarte Normen mit dem Charakter allgemeiner Geschäftsbedingungen ersetzt, die sich namentlich in den Formularen f ü r Charterverträge und in den Konnossementen finden. D o c h s i n d gerade beim K o n n o s s e m e n t der D i s p o s i t i v b e f u g n i s der P a r t e i e n sehr wicht i g e B e s c h r ä n k u n g e n d u r c h §§66211. H G B g e s e t z t . Als vereinbartes Recht kommen namentlich auch die sog. York-Antwerp-Rules in Betracht, die in der Praxis weitgehend die §§ 700fi. HGB ersetzen.

Amn. 1

a) Geschichte. Über die allgemeine Entstehungsgeschichte des HGB vgl. G o l d s c h m i d t , Handb. des Handelsrechts, 2. Aufl., 1875, Bd. I S. 90ff. Auf der Nürnberger Konferenz (1857—1861) trat die Ansicht zutage, daß es zweckmäßig und f ü r die Sache förderlich erscheine, die Beratung über das Seerecht in einer Seestadt vorzunehmen (Prot. 697, 813). Nachdem von Hamburg und Bremen Einladungen ergangen waren, entschied sich die Konferenz am 30. 6. 1857 für Hamburg (Prot. 869), wo sie vom 26. 4. 1858 bis zum 22. 8. 1860 tagte (Prot. 1466, 1473, 4490). Den Beratungen lag ein preußischer Entwurf zugrunde (Prot. Beilageband 1, IfE.). Nach zwei Lesungen war ein „schließlicher" (Prot. 3691) Entwurf fertiggestellt, das fünfte Buch des AHGB (vgl. G o l d s c h m i d t , a.a.O. Bd. 1 S. 102ff.). Dasselbe wurde in den Jahren 1861—1867 in den Bundesseestaaten eingeführt (Näheres bei W a g n e r HB 90ff.). Die Beratungen der Hamburger Konferenz sind niedergelegt in Bd. 4—8 der Protokolle (vgl. dazu die Vorrede in Bd. 1): Bd. 4—7 enthalten die erste, Bd. 8 die zweite Lesung. Ihr Inhalt ist auch heute, wo die Ansichten über die Bedeutung von Vorarbeiten f ü r die Auslegung eines Gesetzes nicht mehr die gleichen sind wie früher, als wissenschaftliches Material von hohem Werte. Durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 5. 6. 1869 wurde das AHGB Bundesgesetz und späterhin Reichsgesetz. Der vierte Teil des fünften Buchs wurde durch § 110 der SeemO vom 27. 12. 1872 außer Kraft gesetzt und Art. 453 durch § 68 desselben Gesetzes ersetzt. Schon vorher hatte das Bundesgesetz vom 25. 10. 1867 die Art. 432 bis 438 ohne ausdrückliche Aufhebung in sich aufgenommen. Bei der Neufassung des HGB im Jahre 1897 ist das Seerecht, „das ein in sich geschlossenes Ganzes bildet und nur zu einem geringen Teile in einem engeren Zusammenhange mit dem sonstigen Inhalt des Handelsgesetzbuchs und dem bürgerlichen Recht steht" (Denkschrift Entwurf S. 4), nur in wenigen Punkten geändert worden, obwohl schon damals die Rechtswirklichkeit vielfach über seinen Inhalt hinausgeschritten war. Man hat sich in der Hauptsache — nicht immer mit Erfolg — darauf beschränken wollen, die Fassung der seerechtlichen Vorschriften mit denjenigen der vorhergehenden Bücher so weit in Übereinstimmung zu bringen, als es zur Wahrung der einheitlichen Gestalt des Gesetzbuchs notwendig erschien.

Amn. 2



3

Vierter Teil. Seehandelsrecht Seitdem sind — abgesehen von der durch Gesetz vom 30.5. 1908 (RGBl. S. 307 ff.) erfolgten Änderung seeversicherungsrechtlicher Vorschriften — durch Gesetz vom 2. 6. 1902 (RGBl. S. 218ff.) die §§481, 547 bis 549, 553 und 749 durch die neuen Vorschriften ersetzt und hinter § 553 die §§ 553a und 553b eingeschaltet worden; das Gesetz vom 12. 5. 1904 (RGBl. S. 167ff.) hat den § 553 wiederum abgeändert; endlich sind durch Gesetz vom 7.1.1913 (RGBl. S. 90ff.) die §§734 bis 739, 740 bis 748, 750 durch neue Bestimmungen ersetzt und die §§901, 903 und 904 in ihrer Fassung verändert worden. Durch Gesetz vom 16. 12. 1927 (RGBl. I 337) wurden die §§ 553, 553a und 553b neugefaßt und § 553c eingeführt. Das Gesetz vom 24. 12. 1929 (RGBl. I S. 759) baute in § 547 Abs. 2 den zweiten Satz ein. Erhebliche Änderungen brachten sodann das Gesetz vom 10. 8.1937 (RGBl. I S . 891) nebst DVO vom 5. 12. 1939 (RGBl. I S. 2501) und die DVO zum SchRG vom 21. 12. 1940 (RGBl. I S. 1609). Durch das Gesetz vom 10. 8. 1937, welches die Haager Regeln in das deutsche Recht einfügte, wurden geändert oder eingefügt die §§ 485, 486, 559, 563 bis 564c, 606 bis 613, 627, 636a, 642 bis 663b, 673, 723, 732, 854 Ziff. 7. Die DVOzSchRG vom 21. 12. 1940 hat die §§ 474, 475 aufgehoben und die §§ 491, 503 geändert. Das Gesetz über das Seelotswesen vom 13. 10. 1954 (BGBl. I I S. 1035) hat den §§ 485 S. 1 und 486 Nr. 3 eine neue Fassung gegeben. Schließlich hob das Seemannsgesetz vom 26. 7. 1957 (BGBl. I I S. 713) die §§ 546 bis 551, 553 bis 554 sowie 555 S. 2 und 3 auf und gab dem § 545 eine neue Fassung. Anm. 3

b) Auslegung. Das vierte Buch HGB bildet im wesentlichen ein in sich geschlossenes Ganzes und ist deshalb z u n ä c h s t a u s s i c h s e l b s t h e r a u s a u s z u l e g e n ; erst in zweiter Linie ist auf den übrigen Inhalt des H G B zurückzugreifen. Bei der Auslegung ist der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Schiffartsverkehrs Rechnung zu tragen. Auch die ausländische Gerichtspraxis und Seerechtswissenschaft kann, vornehmlich auf den international vereinheitlichten Gebieten des Seerechts, mit Erfolg f ü r die Auslegung herangezogen werden. c) Verhältnis zum übrigen Inhalt des HGB. aa) Die Vorschriften des Vierten Buchs finden Anwendung, einerlei ob die an den Geschäften des Seeverkehrs beteiligten Personen Kaufleute sind oder nicht. bb) Die Vorschriften der ersten drei Bücher finden auf die Geschäfte des Seeverkehrs dann Anwendung, wenn die allgemeinen Voraussetzungen f ü r die Anwendung des Handelsrechts gegeben sind. Doch ist zu beachten, daß das Landfrachtrecht (§§ 425 ff. HGB) und das Seefrachtrecht unabhängig voneinander geregelt sind und deshalb nicht ohne Grund die Sätze des einen auf das andere übertragen werden dürfen.

Anm. 4

cc) Die durch die Seefahrt direkt oder indirekt Erwerb suchenden Personen sind als solche nur dann Kaufleute, wenn (vgl. auch Anm. 9 zu § 484 HGB) aaa) Entweder ihr Gewerbebetrieb eine der in § 1 Abs. 2 HGB aufgezählten Geschäftsarten zum Gegenstande hat. In Betracht kommen namentlich die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5), die Übernahme von Seeversicherungen gegen Prämie (§ 1 Abs. 2 Nr. 3) und die Geschäfte gewisser Handelsvertreter und Handelsmäkler (§§ 1 Abs. 2 Nr. 7, 84, 92c, 93 HGB): Vermittlung von Verträgen über Seeversicherungen, Güterbeförderungen, Buchung von Passagen, Abfertigung oder Ausrüstung von Schiffen, Bodmerei, Schiffsmiete oder sonstige Gegenstände des Seeverkehrs. Ausgenommen hiervon ist die Seebeförderung von Gütern durch die Postverwaltung. Auf sie finden die Vorschriften über das Seefrachtgeschäft keine Anwendung (§ 663b HGB). Der Postverwaltung fehlt die Kaufmannseigenschaft. bbb) Oder das von ihnen betriebene gewerbliche Unternehmen, das nicht schon nach § 1 Abs. 2 HGB als Handelsgewerbe gilt, nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und ihre Firma in das Handelsregister eingetragen ist (§ 2 HGB). In Betracht kommen Hochseefischerei, Bergungsgewerbe im Großbetrieb. Nicht unter § 2 HGB fällt dagegen der Eigentümer eines Hochseefischkutters, da es sich nur um einen Kleinbetrieb handelt. Er ist zwar Reeder, aber nicht Kaufmann. 4

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB ccc) Oder es sich um Handelsgesellschaften (§ 6 Abs. 1 HGB) oder eingetragene Genossenschaften (§ 17 Abs. 2 GenG) handelt. Sind die durch Seefahrt direkt oder Indirekt Erwerb suchenden Personen hiernach Kaufleute, so finden auf sie alle für letztere geltenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung; diejenigen über Firmen, Handelsbücher und Prokura jedoch dann nicht, wenn der Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, § 4 Abs. 1 HGB. Diese Vorschrift gilt indessen nach § 6 Abs. 2 H G B nicht f ü r Vereine, denen das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, d.h. f ü r Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, eingetragene Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. dd) Handelsgeschäfte sind die Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 H G B ; vgl. die Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB) oder doch gemäß § 343 Abs. 2 H G B in diesem Betrieb geschlossen werden. N u r a u f S e e v e r k e h r s g e s c h ä f t e e i n e s Kaufmanns f i n d e n d e s h a l b d i e a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t e n d e s dritten Buchs über Handelsgeschäfte Anwendung. d) Verhältnis zum BGB und zu sonstigen Bundesgesetzen.

Anm. 5

Anm. 6

aa) Nach Art. 2 Abs. 1 EGHGB kommen in Handelssachen d i e V o r s c h r i f t e n d e s B G B n u r i n s o w e i t zur A n w e n d u n g , als n i c h t im H G B oder im E G H G B ein a n d e r e s b e s t i m m t i s t . Das heißt: in e r s t e r L i n i e gilt in Handelssachen das HGB nebst EGHGB bzw. dasjenige Recht, welches diese Gesetze aufrechterhalten oder auf welches sie Bezug nehmen (Bundesgesetze oder auch Landesrecht); im übrigen gilt ergänzend das bürgerliche Recht. bb) Nach Art. 2 Abs. 2 EGHGB werden i m ü b r i g e n d i e V o r s c h r i f t e n d e r B u n d e s g e s e t z e d u r c h d a s H G B n i c h t b e r ü h r t . Das heißt: die Vorschriften sonstiger Bundesgesetze gelten in Handelssachen nicht, wie das BGB, nur subsidiär; sie sollen in Handelssachen dem H G B vorgehen. Denn sie werden als Spezialgesetze betrachtet.

Anm. 7

e) örtliches Anwendungsgebiet. Das 4. Buch des HGB gilt in seiner jetzigen Fassung in der Bundesrepublik Deutschland. I n der Republik Österreich ist es noch in der im Frühjahr 1945 geltenden Fassung von Bestand geblieben, seit es dort 1940 gemäß RGBl. 1940 I S. 1609 eingeführt wurde. Die in der DDR geltende Fassung des 4. Buches des HGB findet sich bei P r o p p , Das Seerecht in der DDR, 1960 S. 446 ff.

Anm. 8

Zweites Kapitel

Das Vierte Buch des Handelsgesetzbuchs vom 10. Mai 1897 Seehandel Unter Berücksichtigung der Änderungen durch Gesetz vom 2. 6. 1902 (RGBl. S. 218), Geetz vom 30. 5. 1908 (RGBl. S. 307), Gesetz vom 7. 1. 1913 (RGBl. S. 90), Gesetz vom 16. 12. 1927 (RGBl. I S. 337), Gesetz vom 24. 12. 1929 (RGBl. I I S. 759), Gesetz vom 10. 8. 1937 (RGBl. I S. 891), VO. vom 21. 12. 1940 (RGBl. I S. 1609), Gesetz über das Seelotswesen vom 13. 10. 1954 (BGBl. I I S. 1035) und durch das Seemannsgesetz vom 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 713). 8

Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften ÜberbUck Die auf Grund der DVOzSchRG vom 21. 12. 1940 (RGBl. I S. 1609) außer K r a f t gesetzten §§ 474 und 475 enthielten Bestimmungen über die Veräußerung von Schiffen und Schiffsparten. An ihre Stelle sind f ü r die Veräußerung von zum Seeschiffsregister eingetragenen 5

Anm. I

§§474—476

Anm. 2

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Schiffen § 2 SchRG, f ü r von nicht zum Schiffsregister eingetragenen Seeschiffen §§ 929a, 932a BGB und f ü r die Veräußerung von Schiffsparten § 503 Abs. 1 HGB getreten. Vgl. die Erläuterungen zu § 2 SchRG und § 503 Abs. 1 HGB. Die in Geltung gebliebenen §§ 476 bis 483 wirken jetzt etwas rudimentär. § 476 handelt davon, wem im Falle der Veräußerung eines Schiffes während der Reise Gewinn und Verlust dieser Reise gebühren. § 477 betrifft die persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegen Dritte im Falle der Veräußerung eines Schiffes oder einer Schiffspart. § 478 gibt Erläuterungen über das Schiffszubehör. § 479 definiert die Reparaturunfähigkeit und die Reparaturunwürdigkeit im Sinne des 4. Buches des HGB. In § 480 finden sich Bestimmungen über den Heimathafen. In § 481 ist dargelegt, welche Personen zur Schiffsbesatzung gerechnet werden. § 482 enthält Beschränkungen der Zwangsversteigerung und des Arrestes in ein segelfertiges Schiff, § 483 Abgrenzungen der europäischen von außereuropäischen Häfen im Sinne des 4. Buches des HGB. § 474 (Außer Krafi auf Grund Art. 1 Abs. 1 Ziff. 2 DVOzSchRG vom 21. Dezember 1940 — RGBl. I S. 1609) § 476 (Außer Kraft auf Grund Art. 1 Abs. 1 Ziff. 2 DVOzSchRG vom 21. Dezember 1940 — RGBl. I S. 1609) § 476 Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während sich das Schiff auf der Reise befindet, so ist im Verhältnisse zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber in Ermangelung einer anderen Vereinbarung anzunehmen, daß dem Erwerber der Gewinn der laufenden Reise gebühre oder der Verlust der laufenden Reise zur Last falle.

Anm, 1

I. § 476 gibt eine dispositive Vorschrift f ü r den Fall der Veräußerung eines auf Reisen befindlichen Schiffes oder einer Part desselben. Vgl. dafür, daß § 476 nicht Auslegungsregel ist, sondern dispositiven Charakter hat, P a p p e n h e i m HB 2 S. 121 und in ZHR Bd. 44 S. 596; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 2 zu §§ 476/477.

Anm. 2

Inhalt der Vorschrift. Sie besagt, daß m a n g e l s a n d e r e r V e r e i n b a r u n g im V e r h ä l t nis zwischen V e r ä u ß e r e r und E r w e r b e r a n z u n e h m e n ist, daß dem l e t z t e r e n der Gewinn oder der Verlust der l a u f e n d e n Reise zukommt.

Anm. 3

1. Der Gewinn einer Reise besteht nicht nur in der Nettofracht, d.h. dem Überschuß der Bruttofracht über die Unkosten der Reise; er ist vielmehr das Plus der sämtlichen auf der Reise und durch die Reise gemachten Einnahmen (Fracht, Schiffsmiete, Passagegelder, Bugsier-, Berge-, Hilfslohn, Erträgnisse von Jagd und Fischerei — für letztere ablehnend B o y e n s Bd. 1 S. 145 und P a p p e n h e i m H B 2 S. 122 Note 5) über die Ausgaben (Reiseunkosten im weitesten Sinne, Schadensersatzleistungen,Beiträge zur großen Haverei, Kosten derVerbodmung und der Rettung aus Seenot. Ebenso ist der Verlust das Plus der Ausgaben über die Einnahmen der Reise.

Anm. 4

2. Nur Gewinn und Verlust der laufenden Reise kommen in Betracht, nicht etwa unberichtigte Forderungen oder Schulden, die von früheren Reisen herrühren (HansOLG HansGZ 1902 Nr. 49). Wann das Unternehmen der „laufenden Reise" begonnen hat und abgeschlossen ist, ist nach der Verkehrsanschauung zu entscheiden.

Anm. 5

3. „Im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber." Gewinn und Verlust sind rechnerische Endresultate, die sich aus den obligatorischen Beziehungen zu dritten Personen ergeben. Subjekt der Forderungen, welche der Veräußerer eines Schiffes oder der Schiffer f ü r ihn erworben hat, bleibt Dritten gegenüber, solange keine Abtretung erfolgt ist, der Veräußerer, und ebensowenig wird in den persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegenüber Dritten etwas geändert, was in § 477 noch ausdrücklich hervorgehoben wird. § 476 ordnet nicht etwa den Übergang der einzelnen anläßlich der laufenden Reise entstandenen Forde-

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB rangen und Schulden an, sondern nur den des Gewinn- und Verlustsaldos auf den Erwerber. Nur auf diesen Saldo ist also auf Grund des § 476 zu klagen, evt. zugleich auf Rechnungslegung, aber nicht auf Abtretung oder Auskehrung einkassierter Forderungsbeträge, auf Schadloshaltung wegen bezahlter Schulden. Doch ist folgendes zu beachten: a) Wird ein in das Schiffsregister eingetragenes Schiff nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so t r i t t d e r E r w e r b e r a n S t e l l e d e s V e r m i e t e r s in die sich w ä h r e n d der D a u e r seines E i g e n t u m s aus dem Mietv e r h ä l t n i s e r g e b e n d e n R e c h t e u n d V e r p f l i c h t u n g e n e i n . Erfüllt der Erwerber die Verpflichtungen nicht, so haftet der Vermieter f ü r den vom Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergange des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis f ü r den ersten Termin kündigt, f ü r den die Kündigung zulässig ist, §§ 580a, 571 BGB. Dieser zunächst grundstücksrechtliche und seit der DVOzSchRG auch bei der Veräußerung (und der Belastung, §§ 580a, 577 BGB) eines registrierten Schiffes geltende Satz, daß Kauf nicht Miete bricht, hat indessen nur f ü r solche Schlffsttberlassungsverträge Bedeutung, die sich als Besitzüberlassung durch Schiffsvermietung darstellen, a l s o n i c h t f ü r Z e i t c h a r t e r v e r t r ä g e m i t f r a c h t r e c h t l i c h e m C h a r a k t e r ( W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 74). Dabei ist allerdings zu betonen, daß die Frage, ob ein Zeitchartervertrag fracht- oder mietrechtlichen Charakter hat, oft sehr zweifelhaft sein kann. Vgl. dazu im einzelnen Vorbemerkung vor § 556 HGB Anm. 15ff. W ü s t e n d ö r f e r , a.a.O., f ü h r t als Beispiel f ü r einen Mietvertrag an, daß ein Tanker auf fünf Jahre an einen ölkonzern durch Zeitcharter überlassen wird. Wenn auch zugegeben ist, daß gerade die Entscheidung dieses Falles besondere Schwierigkeiten bereitet, so ist hier doch entgegen der Meinung W ü s t e n d ö r f e r s ein Frachtvertrag anzunehmen, weil dem ölkonzern nicht nur an der Dispositionsbefugnis über das Schiff, sondern vornehmlich doch auch an dem Transporterfolg liegt. Ein einwandfreier Fall der Schiffsmiete ist dagegen regelmäßig die bare-boat-charter. Vgl. auch die Erläuterung zu § 580a BGB im Anhang zu § 2 SchRG.

Anm. 6

b) I m Falle der Veräußerung einer Schiffspart ist Subjekt der zum Reedereivermögen gehörigen Aktiva und Passiva die zu einer Einheit verbundene Summe der Mitreeder, die es auch in ihrer neuen Zusammensetzung bleibt, so daß nach außen von einem Übergang des Anteils am Reedereivermögen auf den Erwerber der P a r t gesprochen werden muß. Aber auch in den Fällen a und b gilt Im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber mangels gegenteiliger Vereinbarung (eine solche kann auch in der Verabredung gesehen werden, daß das Schiff erst nach seiner Rückkehr übergeben werden solle, Prot. S. 1637) § 476. Es bedarf dann zur Feststellung des Gewinn- oder Verlustsaldos einer Verrechnung.

Anm. 7

4. Das Verhältnis des § 476 zu g 446 BGB. Gemäß § 446 gebühren dem Käufer einer Sache von der Übergabe an die Nutzungen und hat er die Lasten zu tragen. Wird der Käufer eines eingetragenen Schiffs oder Schiffsbauwerks vor der Übergabe als Eigentümer in das Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen, so treten diese Wirkungen mit der Eintragung ein. In welchem Verhältnis steht diese Bestimmung zu § 476? Ihrem Wortlaut nach könnten beide Bestimmungen gemeinsam zur Anwendung kommen, wenn während der Reise des Schiffes dieses auf Grund eines Kaufvertrags wirksam veräußert u n d der Erwerber während der Reise in das Schiffsregister eingetragen oder ihm das Schiff übergeben wird. S c h l e g e l b e r g e r § 477 Anm. 1, 2 meint, § 476 ändere nichts an den Rechten und Pflichten aus vor oder nach dem gemäß § 446 BGB maßgebenden Zeitpunkt abgeschlossenen Verträgen. Seien Einnahmen erzielt oder Ausgaben entstanden nach dem Zeitpunkt, mit dem die Nutzungen dem Erwerber gebührten oder die Lasten von dem Erwerber zu tragen seien, also nach der Übergabe bzw. der Eintragimg des neuen Eigentümers, so gelte folgendes: Diese Eigeneinnahmen erhöhten den dem Erwerber nach § 476 zufallenden Gewinn. Die Eigenausgaben kürzten diesen Gewinn nicht, sondern seien mit den Eigeneinnahmen zu verrechnen. Der Ansicht S c h l e g e l b e r g e r s ist nicht zu folgen. § 476 und § 446 BGB schließen einander aus. Es kommt deshalb allein auf den Saldo der laufenden Reise als Ganzes an, in den

Anm. 8

7

§ § 477, 478

Vierter Teil. Seehandelsrecht

also auch Nutzungen und Lasten, die dem Erwerber nach § 446 BGB gebühren würden, zu verrechnen sind. Das gilt insbesondere auch für Rechte und Pflichten, die der Erwerber im eigenen Namen eingegangen ist. S c h l e g e l b e r g e r s Meinung würde dem Sinn des § 476 nicht gerecht werden. Anm. 9 5. Das Recht des Erwerbers, über Gewinn und Verlust der laufenden Reise von dem Veräußerer Auskunft zu verlangen, richtet sich nach §§ 260, 444, 445, 242 BGB. Gemäß § 273 BGB kann der Erwerber, der den Kaufpreis noch nicht voll bezahlt hat, seinetwegen in angemessener Höhe bezüglich des Anspruchs auf Auskunft ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Wegen der Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem noch ausstehenden Kaufpreis vgl. § 273 BGB. Anm. 10 6. § 476 ist auch bei Zeitcharterverträgen anzuwenden. Als Bruttoeinnahmen der Reisen sind dann der Reisedauer entsprechende Teile der Zeitchartervergütung anzusehen. II. Ausländisches Recht. Wird im französichen Recht ein Schiff während der Reise verAnm. 11 äußert, so steht mangels anderer Vereinbarung die noch nicht eingezogene Fracht dem Käufer zu. Vgl. R i p e r t Nr. 408. R i p e r t meint jedoch, daß es bei der noch nicht eingezogenen Zeitchartervergütung gerecht erscheine, diese anteilsmäßig unter die Parteien aufzuteilen. § 477 Durch die Veräußerung eines Schiffes oder einer Schiffspart wird in den persönlichen Verpflichtungen des Yeräußerers gegen Dritte nichts geändert. Anm. 1 1. Der Paragraph besagt im Grundsatz etwas Selbstverständliches, da der Übergang einer persönlichen Verpflichtung ohne Vertrag oder positive gesetzliche Bestimmung nicht denkbar ist. Für letztere kommen zwei Fälle in Betracht: a) Wird ein in das Schilfsregister eingetragenes Schiff nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber an Stelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein. Erfüllt der Erwerber die Verpflichtungen nicht, so haftet der Vermieter für den vom Erwerber zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Erlangt der Mieter von dem Übergange des Eigentums durch Mitteilung des Vermieters Kenntnis, so wird der Vermieter von der Haftung befreit, wenn nicht der Mieter das Mietverhältnis für den ersten Termin kündigt, f ü r den die Kündigung zulässig ist, §§ 580, 571 BGB. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Anm. 6 zu § 476. Vgl. auch die Erläuterungen zu § 580a BGB im Anhang zu § 2 SchRG. Eine entsprechende Bestimmung für den Frachtvertrag gibt es nicht. Soll der Erwerber in einen solchen eintreten, so bedarf es einer Schuldübernahme. Vgl. auch Vorbemerkung vor § 556 Anm. 4. b) Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit zwischen der Veräußerung und der gemeinsamen Anzeige hiervon durch Veräußerer und Erwerber an Mitreeder oder Korrespondentreeder etwa begründeten persönlichen Verbindlichkeiten der Partenreeder rücksichtlich der veräußerten Schiffspart sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber, § 607 Abs. 2 HGB. Anm. 2 2. Ausländisches Recht. Im französischen Recht ist es mangels einer positiven Bestimmung umstritten, ob der Befrachter sich gegenüber dem Schiffserwerber auf einen vor der Veräußerung geschlossenen Frachtvertrag berufen kann. Von einigen Schriftstellern wird dies jedenfalls dann bejaht, wenn die Ladung sich zur Zeit der Veräußerung bereits im Schiff befindet. Vgl. R i p e r t Nr. 408. § 478 Zubehör eines Schiffes sind auch die Schiffsboote. Im Zweifel werden Gegenstände, die in das Schiffsinventar eingetragen sind, als Zubehör des Schiffes angesehen. Einleitung Schiffszubehör. Vgl. insbesondere auch W ü s t e n d ö r f e r HB 19. Auszugehen ist von § 97 BGB: (Abs. 1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnisse stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen 8

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§478

wird. (Abs. 2) Die vorübergehende Benutzung einer Sache f ü r den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf. Gegenüber § 97 BGB gibt § 478 ergänzende Spezialbestimmungen. I. Begriff des Schiffszubehörs. Unter Zugrundelegung des § 97 BGB sind SchiSszubehör bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile des Schiffes zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke desselben zu dienen bestimmt sind und zu ihm in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumliehen Verhältnisse stehen, falls nicht etwa die Benutzung nur eine vorübergehende ist oder der Verkehr die Zubehöreigenschaft vereint. Es kommen hiernach drei positive und zwei negative Erfordernisse in Frage. Das Vorhandensein der ersteren hat derjenige zu beweisen, der die Zubehöreigenschaft behauptet, das Nichtvorhandensein der letzteren derjenige, der die Zubehöreigenschaft bestreitet. Der Begriff des SchifEszubehörs ist objektiv bestimmt. Doch kann in gewissem Umfange der Parteiwille die Voraussetzungen schaffen, von denen die Zubehöreigenschaft abhängt.

Anm. 1

1. Nur selbständige Sachen sind Zubehör; also nicht die Bestandteile, aus denen sich das Schiff, welches ein „Gesamtbauwerk" (ROHG 1, 189) ist, zusammensetzt. Bestandteile eines Schiffes aber sind solche Stücke, ohne welche das Schiff nicht SchifE oder wenigstens nicht Schiff der betreffenden Art zu nennen ist. Zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen (§ 93 BGB und entsprechende Anwendung des § 94 Abs. 2 BGB) besteht, soweit die Abgrenzung vom Zubehör in Betracht kommt, kein Unterschied. Zu den Schilfsbestandteilen gehören Rumpf, Beschlag, Schornstein, Masten, Steuerruder, die Maschine des Dampfoder Motorschiffes, befestigte Stahltrossen und Taue, richtiger Ansicht nach auch die Segel (a.A. M i t t e l s t e i n H B 23).

Anm. 2

Die Trennung der Bestandteile in gewöhnliche und wesentliche ist vornehmlich von Bedeutung f ü r die Mithaftung für eine Schiffshypothek. Auf wesentliche Bestandteile erstreckt sich die Schiffshypothek notwendig, auf einfache Bestandteile dagegen nur, wenn sie, was regelmäßig der Fall ist, im Eigentum des Schiffseigentümers stehen. Gehören sie, was bei ihnen im Gegensatz zu den wesentlichen Bestandteilen möglich ist, einem Dritten, so sind sie von der Haftung für die Hypothek frei. War die Bestandteilseigenschaft schon bei der Bestellung der Schiffshypothek begründet, so kommt ein gutgläubiger Erwerb des Schiffshypothekars an ihnen nach § 16 SchRG in Frage, denn die Fiktion dieses Paragraphen umfaßt das Eigentum am Schiff als ganzes und damit auch seine Bestandteile. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Schiffs gehören diejenigen Bestandteile, die die „Schiffsfähigkeit" oder die „Schiffsbewegungsfähigkeit" begründen (vgl. B ü h l i n g Hansa 1954, S. 1333), insbesondere also die Maschine, auch der Motor eines Motorschiffes mit Hilfsbesegelung (so RGZ 152, 96 = J W 1936, S. 1251; BGHZ 26, 225 = NJW 1958, S. 457 = Hansa 1958, S. 562 = ZfBsch 1958, S. 63 = BB 1958, S. 213 = VRS 1958, S. 241 = MDR 1958, S. 307; W ü s t e n d ö r f e r SHR § 5 I I I 1; R i t t e r § 1 Anm. 42; V o r t i s c h - Z s c h u c k e § 1 Anm. 3d; B ü h l i n g Hansa 1954, S. 1333; H e i n e r i c i und G i l g a n , Schiffsregisterrecht, S. 176f. A. A. E n n e c c e r u s - N i p p e r d e y , Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, Allg. Teil, 14. Aufl., § 125II, lb,Fußn.13; H a g e n , Hansa 1955, S. 246; S t a u d i n g e r , BGB, 11. .Aufl. §94 Anm. 4 a ; G r a u e , Der Eigentumsvorbehalt an eingebauten Schiffsmotoren, BB 1959 S. 1283; vgl. auch BGHZ 18, 226; OLG StuttgartN J W 1952, S. 145; OLG Bamberg MDR 1951, 29. Anders liegt es f ü r den Hilfsmotor eines Segelschiffes, der je nach der Sachlage nur Bestandteil oder Zubehör ist; RG a.a.O.), ferner Kessel, Schiffsschraube, Steuerruder, fest eingebauter Kreiselkompaß, Planken, Platten, Spanten, Winkel, Nieten, aber auch der Rumpf als Ganzes, Masten, zweifelhaft befestigte Taue und Trossen (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 39; V o r t i s c h - Z s c h u c k e , Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 2. ber. Aufl. 1953, Anm. 3d zu § 1; H e i n e r i c i und G i l g a n , Das deutsche Schiffsregisterrecht, 1942, S. 177). Allerdings hat das Reichsgericht in der angezogenen Entscheidung offengelassen, ob der Motor auch bei einem Binnenschiff immer wesentlicher Bestandteil sei, und das OLG Köln hat die Auffassung vertreten, daß „ein serienmäßig hergestellter und katalogmäßig verkaufter" Motor durch den Einbau im Schiffskörper regelmäßig nicht zum wesentlichen Bestandteil werde (OLG Köln J W 1936, S. 466). Es kommt indessen nicht nur darauf an, ob die Voraussetzungen des § 93 BGB gegeben sind, vielmehr gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines

Anm. 3

9

§478

Amn. 4

Anm. 5

Anm. 6

Anm. 7

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Schiffes in entsprechender Anwendung des § 94 Abs. 2 BGB auch die zu seiner Herstellung eingefügten Sachen, auch wenn diese nur angeschraubt oder angenietet sind. So auch BGHZ 26, 225, wonach auch der serienmäßig hergestellte Motor, der auswechselbar ist, ein wesentlicher Bestandteil eines zum Schiffsregister eingetragenen Motorschiffes ist (dagegen vornehmlich G r a u e a.a.O.). Doch gilt das nicht f ü r einen an Bord befindlichen, nicht eingebauten Reservemotor, der einfaches Zubehör ist. Eine Radaranlage ist nicht wesentlicher Bestandteil (LG Hamburg Hansa 1959 S. 696). Auch im holländischen Recht wird der Motor eines Binnenschleppers als wesentlicher Schiffsbestandteil angesehen (Oberster Gerichtshof der Niederlande, U.v. 26. 3. 1936, Revue Dor Bd. 37 S. 266, anders die Vorinstanz, Revue Dor Bd. 34 S. 345). 2. Bestimmt, dem wirtschaftlichen Zwecke des Schilfes zu dienen, sind die zum Gebrauch des Schiffes bei der Seefahrt bestimmten Sachen. Dabei ist unter Seefahrt die gesamte Tätigkeit des Schiffes zu verstehen, also auch das Verweilen im Hafen. Hierher gehören: a) G e g e n s t ä n d e , d i e jedes S c h i f f f ü r d i e S e e f a h r t b r a u c h t , z.B. Anker, Ankerketten, Lot, Kompaß, Signalapparate, Schiffspapiere, Seekarten, Taue und Trossen als lose Reserveteile, Pumpen, Wasserfässer, Schiffsapotheke (aber nicht die dem Schiffsarzt gehörige Handapotheke), Kajütsinventar, soweit es nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch einzelner Besatzungsmitglieder bestimmt ist (vgl. V o r t i s c h - Z s c h u c k e , a.a.O., Anm. 3e zu § 1). b) G e g e n s t ä n d e , d i e e i n S c h i f f auf Grund seiner besonderen Bestimmung b r a u c h t , wie das Fanggerät bei Fischereifahrzeugen und Walfängern, die Schlepptrossen des Schleppschiffes. Nicht hierher gehören Sachen, die nicht Schiffs-, sondern Ladungszwecken dienen und vom Ladungseigentümer gestellt werden, z.B. Stau- und Garnierungsmaterial. Nicht Zubehör sind auch Sachen, die zu persönlichen Zwecken der Schiffsbesatzung bestimmt sind, von einzelnen Personen derselben an Bord gebracht sind und in deren Eigentum stehen, z.B. ihre Effekten, den Schiffsoffizieren gehörende nautische Instrumente oder im Eigentum des Schiffsarztes stehende ärztliche Instrumente oder Heilmittel. Unerheblich ist, daß letztere dem allgemeinen Besten dienen können. Auch die Ladimg ist nicht Zubehör. Sie wird im Verkehr nicht als solche angesehen. Überdies würde regelmäßig § 97 Abs. 2 BGB der Zubehöreigenschaft entgegenstehen. Die B e s t i m m u n g wird von demjenigen getroffen, der die Sache benutzt (Eigentümer, Nießbraucher, Ausrüster, Mieter, Kapitän usw.), einerlei, ob diese Benutzung zu Recht oder zu Unrecht geschieht. Erfolgt sie seitens eines nur zeitweise zur Benutzung Befugten, so wird häufig nur vorübergehende Benutzung beabsichtigt und deshalb die Zubehöreigenschaft zu verneinen sein. Z u b e h ö r u n d S c h i f f b r a u c h e n n i c h t d e n s e l b e n E i g e n t ü m e r zu h a b e n . 3. In einem dieser wirtschaftlichen Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis zum Schiff müssen Zubehörsachen stehen. Das räumliche Verhältnis muß also die bestimmungsgemäße Verwendung ermöglichen. Das entsprechende räumliche Verhältnis ist nach den tatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles zu bestimmen (RGZ 51, 274; R i t t e r , Anm. 43 zu § 1). Zeitweilige Trennung hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf, z.B. wenn Zubehörstücke zur Reparatur gegeben werden. Zubehör sind also z. B. auch Anker, die auf einem Fuhrwerk vor dem Schiff angelangt sind und wegen vorgerückter Zeit nicht mehr abgeladen werden können (RGZ 51, 275) oder zur Anbordschaffung am Kai niedergelegt sind. 4. Die zu 2 erwähnte Bestimmung darf nicht nur eine vorübergehende sein. Deshalb sind in der Regel Bunkerkohlen, öl- und Benzinvorräte und Schiffsproviant kein Zubehör ( R i t t e r , a.a.O.; W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 39; a.A. RGZ 80, 326; vgl. auch RGZ 77, 36; OLG 14,9 und 24, 250), ebenso nicht der Inhalt der Schiffskasse, ferner nicht Gegenstände, die nur zur Probe und zum einstweiligen Ersatz anderer benutzt werden. Häufig läßt die Indienststellung einer Sache durch einen nur zeitweilig zur Benutzung des Schiffes Berechtigtem auf die Absicht nur vorübergehender Benutzung schließen. 5. Selbst wenn die Erfordernisse zu 1—4 vorliegen, ist die Sache kein ZubehörstUck, wenn sie Im Verkehr nicht als solches angesehen wird. Und zwar kommt hier nicht nur eine allgemeine, sondern auch jede lokale Verkehrssitte in Betracht (RGZ 77, 244). Vgl. wegen der Ladung Ziff. 2. 10

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§478

II. Die Bestimmungen des § 478.

Anm. 8

1. Abs. 1 statuiert die Zubehöreigenschaft der Schiffsboote, im Gegensatz zum gemeinen Recht (1. 29 D. de instr. leg. 33, 7; vgl. 1. 44 D. de evict. 21, 2). Abs. 1 hat aber nach Inkrafttreten des BGB neben § 97 BGB keine selbständige Bedeutung mehr ( P a p p e n h e i m , H B I I , S. 45; R i t t e r , a.a.O.) Schifisboote sind jetzt nur dann Zubehör, wenn bei ihnen die allgemeinen Voraussetzungen der Zubehöreigenschaft gegeben sind. Daher ist z.B. kein Zubehörstück ein nur vorläufig zum Ersatz des in Reparatur befindlichen Schiffsboots als solches benutzte Boot. 2. Abs. 2 stellt eine Vermutung für die Zubehöreigenschaft derjenigen Sachen auf, welche ins Schiffsinventar eingetragen sind, und zwar vorbehaltlos eingetragen sind. Dieselben sind im Zweifel Zubehör, d.h. wenn es zweifelhaft ist, ob sie selbständige, zum bleibendem Gebrauch des Schiffes bestimmte Gegenstände sind: nicht etwa, wenn sie diese Bedingung offenbar nicht erfüllen ( P a p p e n h e i m , a.a.O., S. 47). Den Gegenbeweis gegen die Vermutung hat derjenige zu führen, der die Zubehöreigenschaft bestreitet. Die Nichteintragung ins Schiffsinventar begründet keine Vermutung gegen die Zubehöreigenschaft ( P a p p e n h e i m , a.a.O., S. 47).

Anm. 9

III. Die Bedeutung der Zubehöreigenschaft einer Sache besteht darin, daß sie In der Anm. 10 Regel das rechtliche Schicksal der Hauptsache teilt. Anwendungsfälle dieses Satzes: a) V e r p f l i c h t e t s i c h j e m a n d z u r V e r ä u ß e r u n g o d e r B e l a s t u n g e i n e s S c h i f f e s , so erstreckt sich die Verpflichtung im Zweifel auch auf das Schiffszubehör (§ 314 BGB). b) Sind der Veräußerer und der Erwerber darüber einig, daß sich die Veräußerung auf das Zubehör des Schiffs erstrecken soll, so e r l a n g t d e r E r w e r b e r m i t d e m E i g e n t u m a m Schiff a u c h das E i g e n t u m an den zur Zeit des E r w e r b s v o r h a n d e n e n Z u b e h ö r s t ü c k e n , s o w e i t sie d e m V e r ä u ß e r e r g e h ö r e n , § 4 Abs. 1 SchRG. Diese Bestimmung entspricht § 926 Abs. 1 S. 1 BGB. Nicht in das SchRG übernommen wurde § 926 Abs. 1 S. 2 BGB. Deshalb besteht k e i n e g e s e t z l i c h e V e r m u t u n g d a f ü r , d a ß der E r w e r b des Schiffes sich m i t s o f o r t i g e r dinglicher W i r k u n g auf d a s g e s a m t e v o r h a n d e n e Z u b e h ö r e r s t r e c k t . Es kommt vielmehr auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an ( P r a u s e , Das Recht des Schiffskredits, 1954, Anm. zu § 4 SchRG, K r i e g e r D J 1941, S. 100, und bei P f u n d t n e r - N e u b e r t , Anm. 2 zu § 4 SchRG, W o l f f , Grundriß des Sachenrechts bei Schiffen und Schiffsbauwerken, 1949, S. 35). Wenn auch eine g e s e t z l i c h e Vermutung fehlt, so ist doch W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 74 zuzustimmen, daß eine starke t a t s ä c h l i c h e Vermutung dafür spricht, daß der Erwerber im Hinblick auf die Betriebsfähigkeit des Schiffes die verkehrsüblichen Zubehörsachen miterwerben will, zumal bei dem praktisch wichtigsten Erwerbsfall infolge eines Kaufvertrages. Hier besteht die Vermutung aus § 314 BGB, und Kaufvertrag und Übereignung werden häufig zusammenfließen. Erlangt der Erwerber durch die Veräußerung den Besitz von Zubehörstücken, die dem Veräußerer nicht gehören oder mit Rechten Dritter belastet sind, so sind die Vorschriften der §§ 932 bis 936 BGB anzuwenden; f ü r den guten Glauben des Erwerbers i8t der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Erwerber den Besitz erlangt (§ 4 Abs. 2 SchRG). c) Das V e r m ä c h t n i s eines Schiffes erstreckt sich im Zweifel auch auf das zur Zeit des Erbfalls vorhandene Zubehör (§ 2164 Abs. 1 BGB). d) Die S c h i f f s h y p o t h e k erstreckt sich auf das Zubehör des Schiffes mit Ausnahme der Zubehörstücke, die nicht in das Eigentum des Schiffseigentümers gelangt sind (§ 31 Abs. 1 SchRG). Diese Vorschrift entspricht § 1120 BGB und ist zwingendes Recht (RGZ 63, 373; 125, 365 f ü r die Grundstückshypothek). Das Zubehör ist nach § 865 Abs. 2 ZPO nicht selbständig pfändbar. Der Hypothekengläubiger hat die Rechtsbehelfe der Erinnerung und der Widerspruchsklage nach §§ 766, 771 ZPO. Die Zwangsvollstreckung in das eingetragene Schiff umfaßt auch das mithaftende Zubehör (§ 565 ZPO). Zubehörstücke werden von der Mithaftung f ü r die Hypothek frei, wenn ihre Zubehöreigenschaft in den Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft aufgehoben wird oder die Stücke veräußert und von dem Schiff entfernt werden, bevor sie zugunsten des Gläubigers in Beschlag genommen sind. § 1121 Abs. 2 BGB gilt sinngemäß (§ 31 Abs. 2 SchRG). Für Bestandteile ist das entsprechend anzuwenden (§ 31 Abs. 3 SchRG).

11

§ 479

Vierter Teil. Seehandelgrecht

e) Zubehörstücke gehören zum Schiffsvermögen; daher ergreift sie das S c h i f f s g l ä u bigerrecht. f) Ebenso ergreifen sie sonstige gesetzliche und richterliche Pfandrechte, sowie Verbodmung und Versicherung, abgesehen von entgegenstehender Abrede. Zweifelhaft ist, ob eine solche für die Verbodmung zulässig ist. Richtiger Ansicht nach ist das zu verneinen (A. A. P a p p e n h e i m , a.a.O., S. 48). Die Frage, ob dingliche Rechte, welche einen Gegenstand des Zubehörs mit der Hauptsache ergriffen haben, ihre Ende nehmen, sobald die Zubehöreigenschaft des Gegenstandes aufhört, ist nur bezüglich der Schiffshypothek durch § 31 Abs. 2 SchRG gesetzlich beantwortet. Im übrigen ist sie zu verneinen. Denn daß die Zubehörsachen zur Zeit der Entstehung des Pfandrechts keine selbständigen Pfandobjekte waren oder daß an ihnen, wären sie selbständige Pfandobjekte gewesen, nur ein Faustpfand hätte begründet werden können, läßt nicht den Schluß zu, daß ein an ihnen auf andere Weise einmal begründetes Pfandrecht erlischt, sobald sie selbständige Pfandobjekte werden. Doch gelten für frühere Zubehörstücke alle Sätze des Mobiliarsachenrechts, auf Grund deren dem gutgläubigen Erwerber oder Pfandgläubiger gegenüber früher begründete dingliche Rechte erlöschen oder zurücktreten (§§ 932 bis 934, 936, 1207, 1208 BGB, 366 HGB). Anm. 11

IV. Auslandsrechte. Vgl. Dritter Teil, viertes Kapitel, §31 SchRG Anm. 6ff (Bd. IS.491S.). § 479 Im Sinne dieses vierten Buches gilt ein seeuntüchtig gewordenes Schifi: 1. als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffes überhaupt nicht möglich ist oder an dem Orte, wo sich das Schiff befindet, nicht bewerkstelligt, das Schiff auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszuführen wäre, gebracht werden kann; 2. als reparaturunwürdig, wenn die Kosten der Reparatur ohne Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu mehr betragen würden als drei Vierteile seines früheren Wertes. Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Reise eingetreten, so gilt als der frühere Wert derjenige, welchen das Schiff bei dem Antritte der Reise gehabt hat, in den übrigen Fällen derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde.

Einleitung

Vgl. W ü s t e n d ö r f e r HB 232. Der Paragraph behandelt die Begriffe der Reparaturunfähigkeit und der Reparaturunwttrdigkeit „im Sinne des vierten Buches", nämlich der auf den § 479 verweisenden §§ 506 HGB (Erleichterung des öffentlichen Verkaufs eines als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnierten Schiffes bei Auflösung einer Reederei), 628, 630, 668 HGB (Außerkraftsetzung bzw. Beendigung eines Fracht- oder Passagevertrages wegen Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit des Schiffes), 706 HGB (Keine Havereiverteilung, wenn das zur Abwendung des Untergangs auf Strand gesetzte Schiff nach Abbringimg reparaturunfähig befunden wird), 850 HGB (Haftung des Kaskoversicherers, wenn das Schiff vor Erreichung des Bestimmungshafens wegen Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit verkauft wird), 851 HGB (Der Strandung wird die Reparaturunwürdigkeit gleichgestellt), 873 HGB (Der Versicherte ist nach Kondemnierung wegen Reparaturunfähigkeit oder Reparaturunwürdigkeit dem Versicherer gegenüber befugt, das Schiff oder das Wrack zum Verkauf zu bringen). In § 17 Abs. 4 SchRO ist von „Ausbesserungsunfähigkeit" die Rede. Der Ausdruck ist aber der Reparaturunfähigkeit gleichzusetzen. Die Begriffe „Reparaturunfähigkeit" und „Reparaturunwürdigkeit" finden sich auch in § 77 ADS, allerdings der letztere mit etwas abgeändertem Gehalt. Siehe weiter § 9 2. DVOFlaggRG, nach welchem der Ausrüster die „Ausbesserungsunfähigkeit" eines Schiffes, dem gemäß § 11 FlaggRG das Recht zur Führung der Bundesflagge verliehen ist, unverzüglich der Schiffahrtsbehörde anzumelden hat. Auch hier ist der Begriff der Ausbesserungsunfähigkeit dem der Reparaturunfähigkeit gleichzusetzen. Vgl. auch § 1174 RVO, nach welchem ein Schiff als verloren gilt, wenn es als reparaturunfähig und reparaturunwürdig kondemniert und deshalb unverzüglich öffentlich verkauft wird. 12

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§479

1. Gemeinsame Voraussetzung der Reparaturunfähigkeit und der Reparaturunwürdigkeit ist Seeuntüchtigkeit des Schiffes, d.h. ein schadhafter Zustand desselben, in welchem es ohne fremde Hilfe unfähig ist, die See zu halten (Näheres zu §§ 513 und 559). Ob dieser Zustand durch Unfälle, Alter, Baufälligkeit, inneren Verderb des Schiffes usw. (ROHG 12, 399) verursacht ist, ist f ü r die Frage des Vorliegens von Reparaturunfähigkeit und -unwürdigkeit unerheblich, dagegen von Bedeutung f ü r die Haftung des Kaskoversicherers. Ebenso ist f ü r § 479 Abs. 1 unerheblich, ob die Seeuntüchtigkeit vor oder während der Reise eingetreten ist. § 479 Abs. 2 betrifft nur den Eintritt der Seeuntüchtigkeit während der Reise. 2. Reparaturanfälligkeit. Das Gesetz unterscheidet zwei Arten derselben.

Anm. I

Anm. 2

a) Absolute Reparaturunfähigkeit: Die Reparatur ist überhaupt nicht möglich. Das kann der Fall sein, wenn das Schiff ein Wrack geworden ist, aber auch „wenn die Verbindungen desselben in solchem Maße gelöst und Teile desselben zertrümmert oder doch so sehr beschädigt sind, daß nur ein Neubau, wenngleich unter Mitbenutzung eines Teils der alten Materialien, Seefähigkeit wiederherstellen kann (ROHG 16, 106). R i t t e r , Anm. 7 zu § 77 ADS, meint, damit dürfte zu viel verlangt sein. Wracks und dergleichen seien im allgemeinen überhaupt keine Schiffe, also auch keine reparaturunfähigen Schiffe, mehr. Nach seiner Ansicht sei im Sinne des § 479 das Schiff als reparaturunfähig anzusehen, wenn es nicht wieder seetüchtig gemacht werden könnte. Doch ist das nur ein Spiel mit Worten, denn bei dem heutigen Stande der Technik kann fast jedes technisch bergungsfähige Wrack auch wieder zu einem seetüchtigen Schiff gemacht werden. Abzustellen ist deshalb darauf, ob das wiederhergestellte Schiff als identisch mit dem früheren Schiff angesehen werden kann. War das frühere Schiff, einerlei, ob man es als Wrack bezeichnen konnte oder nicht, so zerstört, daß seine Wiederherstellung praktisch ein Neubau ist, so ist es reparaturunfähig im Sinne des § 479. Nicht entscheidend ist, ob die Wiederherstellung von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus vernünftig oder verantwortlich ist. Für das Seeversicherungsrecht ist der Begriff der Reparaturunfähigkeit enger zu fassen (vgl. R i t t e r , a . a . 0 . ) : In seinem Sinne ist das Schiff reparaturunfähig, wenn es nicht so ausgebessert werden kann, daß es wieder das Schiff ist, was es war, im wesentlichen natürlich, oder genauer, das w i r d , w a s es s e i n w ü r d e , w e n n d e r V e r s i c h e r u n g s f a l l n i c h t e i n g e t r e t e n wäre.

Anm. 3

b) Relative Reparaturunfähigkeit liegt vor, wenn zwei Voraussetzungen zusammentreffen, nämlich

Anm. 4

aa) Die Reparatur an dem Orte, an welchem sich das reparierbare Schiff befindet, wegen Mangels der dazu erforderlichen Voraussetzungen (Helgen, Docks, Materialien, Arbeiter usw.) nicht vorgenommen werden kann. Es genügt nicht, daß sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten oder Zeitverlust ausführbar wäre oder daß ihr zur Zeit sonstige, zu beseitigende Hindernisse, wie Geldmangel entgegenstehen, sofern nicht deren Beseitigung erst so spät möglich wäre, daß das Schiff unterdessen irreparabel werden würde. Die wirtschaftliche Unmöglichkeit f ü h r t auch dann nicht zur relativen Reparaturunfähigkeit, wenn die Reparatur an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, nur möglich wäre, wenn die Ausbesserungsmaterialien von weither beschafft würden und dies nur unter Aufwendung außergewöhnlicher Mittel möglich wäre (bestr.; wie hier R i t t e r , a.a.O. 51; RGZ 21, 86; P a p p e n h e i m H B Bd. 2, S. 59; a.A. B o y e n s , Deutsches Seerecht, Bd. I, 1897, S. 152; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 4 zu § 479: wenn die erforderlichen technischen Hilfsmittel jedes vernünftige Maß übersteigen, sonst sollen große technische Schwierigkeiten und die Notwendigkeit des Einsatzes hoher Geldmittel nicht ausreichen; OLG Hamburg HansGZ 1888, 257; 1890, 199).

Anm. 5

bb) Das Schiff auch nicht nach einem anderen Orte, an welchem die Reparatur möglich wäre, gebracht werden kann, sei es, daß es nicht oder nur mit Gefahr f ü r Menschenleben oder Ladung transportabel ist, oder daß ein geeignetes Transportmittel (Schleppschiff) nicht zur Stelle geschafft werden kann oder die f ü r den Transport erforderlichen Geldmittel nicht zu beschaffen sind. Der Unmöglichkeit der Wegbringung steht der Fall der Möglichkeit unter Aufwendung unverhältnismäßiger Kosten nicht gleich (anders die 2. Aufl. dieses Kommentars, Anm. 6 zu § 479; B o y e n s a.a.O.; S c h l e g e l b e r g e r a.a.O. mit den dort wiedergegebenen Einschränkungen; RGZ 21, 86; OLG Hamburg a.a.O. Wie hier: R i t t e r und P a p p e n h e i m

Anm. 6

18

§479

Vierter Teil. Seehandelsrecht

a.a.O. und die erste Auflage dieses Kommentars. Wirtschaftliche Unmöglichkeit ist stets ein Fall der Reparaturunwürdigkeit. Mit Recht weist R i t t e r , a.a.O., Anm. 5, darauf hin, achte man die wirtschaftliche Unmöglichkeit überhaupt der physischen gleich, so müsse das sowohl f ü r den Fall der absoluten als auch der relativen Seeuntüchtigkeit geschehen, wenn nicht, so habe das f ü r keinen der beiden Fälle Geltung. Anm. 7

3. Reparaturunwürdigkeit. Wenn die f ü r die Reparatur des Schiffes aufzuwendenden Kosten sich als so groß erweisen, daß sie in einem Mißverhältnis zu dem Wert des Schiffes stehen würden, so würde eine Reparatur Mühe und Kosten nicht mehr lohnen, daher ein wirtschaftlicher Fehler sein. Der Grad des Mißverhältnisses ist vom Gesetz bestimmt: Reparaturunwürdigkeit liegt vor, w e n n d i e R e p a r a t u r k o s t e n o h n e A b z u g f ü r d e n U n t e r s c h i e d zwischen neu u n d alt drei Viertel des f r ü h e r e n W e r t s ü b e r s t e i g e n w ü r d e n . Anders nach § 77 ADS: in seinem Sinne gilt das Schiff als reparaturunwürdig, wenn die gemäß § 74 ADS geschätzten Ausbesserungskosten ohne Berücksichtigung des aus dem Unterschiede zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwerts mehr betragen als der Versicherungswert.

Anm. 8

a) Reparaturkosten sind die unmittelbar f ü r die Reparatur aufzuwendenden Gelder. Zu ihnen gehören nicht die Kosten der Geldbeschaffung, wie Bodmereiprämie, Provision usw. (ROHG 12, 403ff.; B o y e n s , Bd. 1 S. 153; P a p p e n h e i m H B 2 S. 58; R i t t e r Anm. 25 zu § 77 ADS; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 5 zu § 479; anders S c h a p s 1. Aufl.), auch nicht die Bergungskosten, mögen sie bereits aufgewendet oder noch aufzuwenden sein ( R i t t e r , a.a.O.), wohl aber die Kosten der Hinschaffung nach dem Ort der Reparatur (anders dieser Kommentar in der 2. Aufl., Anm. 8; P a p p e n h e i m H B 2 S. 59, der aber eine Lücke im Gesetz annimmt und mit analoger Anwendung des § 479 Nr. 2 helfen will).

Anm. 9

b) Ohne Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu. Regelmäßig wird durch eine Reparatur infolge des Ersatzes bereits abgenutzter Teile das Schiff wertvoller als es früher war. Dies wird im Haverei- und Seeversicherungsrecht (§§ 710, 872 HGB, 76 ADS) insofern berücksichigt, als von der f ü r die Reparaturkosten zu leistenden Vergütimg gewisse Quoten „wegen des Unterschieds zwischen alt und neu" in Abzug gebracht werden. Diese Abzüge werden bei der Berechnung behuis Feststellung der Reparaturunwürdigkeit nicht gemacht.

Anm. 18

c) Der frühere Wert des Schiffes. Die Feststellung ist eine verschiedene, je nachdem die Seeuntüchtigkeit während einer Reise eingetreten ist oder nicht. aa) Im ersten Fall gilt als der frühere Wert derjenige, weichen das Schiff beim Antritt der Reise gehabt hat, aber nicht unbedingt am Abgangsorte (so HansOLG, HansGZ 1889, 302): das Gesetz schweigt, damit es den Sachverständigen nicht benommen sein soll, auf die Preisverhältnisse anderer Orte Rücksicht zu nehmen, an denen eine Verwertung des Schiffes möglich war.

Anm. 11

bb) In den Übrigen Fällen gilt als der frühere Wert derjenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist, gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde. Hier ist also der Zeitpunkt immittelbar vor dem Eintritt der Seeuntüchtigkeit maßgebend, nicht unbedingt der Ort, wo dieselbe eintritt (vgl. Anm. 10). Damit der Reeder eines nicht auf Reisen befindlichen, nicht gehörig ausgerüsteten Schiffes sich hinsichtlich des Vorliegens der Bedingungen der Reparaturunwürdigkeit nicht besser stehen soll als derjenige eines auf Reisen befindlichen, also ausgerüsteten Schiffes, soll auch in den Fällen bb g e h ö r i g e A u s r ü s t u n g b e i d e r A b s c h ä t z u n g d e s S c h i f f e s v o r a u s g e s e t z t s e i n : ist sie nicht vorhanden, soll der Wert in Betracht kommen, der das Schiff bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben würde.

Anm. 12

cc) Zur Ermittlung des früheren Wertes ist jedes dafür bedeutsame Moment zu benutzen, auch der Versicherungswert (RG SeuffA Bd. 47 Nr. 222), obschon derselbe als solcher nach der gesetzlichen Berechnung nicht maßgebend ist (§ 873 Abs. 3 HGB). Vgl. über die Schwierigkeit der Feststellung des früheren Wertes auch P a p p e n h e i m H B 2 S. 57. N a c h § 77 ADS ist der Versicherungswert maßgeblich.

Anm. 13

3. Die Rechtsfolgen der Reparaturunfähigkeit und Reparaturunwürdigkeit treten nicht schon auf Grund der Tatsache derselben ein, sondern erst auf Grund eines sie feststellenden Verfahrens, der Komdemnlerung. Über sie vgl. Anm. 2ff. zu § 530.

14

§480

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB Reparaturunfähigkeit und Reparaturunwürdigkeit äußern die gleichen R e c h t s w i r k u n g e n

grundsätzlich

a) im Verfahren betreffend die Auflösung der Reederei (§ 506 Abs. 2 HGB), b) bezüglich der Befugnis des Kapitäns zum Notverkauf des Schiffes (§ 530 HGB), c) bezüglich des Außerkrafttretens des Fracht- und Passagevertrags (§§ 628, 630, 641, 668 HGB), d) im Seeversicherungsrecht (§§ 850, 873 HGB); s. aber § 77 ADS, e) im Falle des § 1174 RVO. Nur Ausbesserungsunfähigkeit und die ihr gleichstehende Reparaturanfälligkeit kommt Anm. 14 in Betracht a) f ü r die Löschung des Schiffes im Schiffsregister, § 17 Abs. 4 SchRO. b) im Havariegrossefall des § 706 Nr. 3 Abs. 3. c) im Falle des § 9 2. DVO FlaggRG. Ausländisches Recht. Vgl. B o y e n s , Bd. I S. 152 Anm. 2; P a p p e n h e i m H B 2 S. 55 Anm. 15 Anm. 5 und S. 57 Anm. 3; R i t t e r , §77 Anm. 49ff. Das f r a n z ö s i s c h e Recht kennt den Begriff der innavigabilité, der mit „Seeuntüchtigkeit" zu übersetzen ist. Bei imiavigabilité légalement constatée hat der Kapitän nach Art. 237 c. com. das Recht, das Schiff zu verkaufen. Vgl. R i p e r t , Droit Maritime, 4. Aufl. Nr. 397. Ähnliche Bestimmungen finden sich in B e l g i e n , Art. 73 Ges. von 1908, in den N i e d e r l a n d e n , Art. 530 WvK, S p a n i e n , Art. 579 HGB, P o r t u g a l , Art. 513 HGB, und gewohnheitsrechtlich im a n g l o a m e r i k a n i s e h e n R e c h t . Vgl. über innavigabilité und Frachtvertrag R i p e r t , a.a.O., Bd. I I , Nr. 1617, 1708ff., 1767, 1812f., über innavigabilité und Versicherung Bd. I I I , Nr. 2253. I m Versicherungsrecht wird unterschieden zwischen innavigabilité absolue (irréparabilité) und relative. Doch gibt es nach französischer Auffassung keine absolute Reparaturulifähigkeit, vgl. R i t t e r , a.a.O., Anm. 50. § 480 Als Heimatshafen des Schiffes gilt der Hafen, von welchem aus die Seefahrt mit dem Schiffe betrieben wird. Die Vorschriften dieses Gesetzbuches, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimatshafen beziehen, können durch die Landesgesetze auf alle oder einige Häfen des Reviers des Heimatshafens ausgedehnt werden. S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r H B 135. Siehe auch die Anm. zu § 4 SchRO. 1. Der Begriff des Heimathafens spielt eine Rolle nicht nur im HGB, sondern auch in vielen Nebengesetzen. Vgl. insbesondere auch § 4 SchRO. Es ist, entsprechend dem Heimatort des Binnenschiffes, d e r j e n i g e H a f e n , v o n w e l c h e m a u s d i e S e e f a h r t m i t d e m S c h i f f t a t s ä c h l i c h b e t r i e b e n w i r d . Das tatsächliche Betreiben erfolgt von demjenigen Orte aus, welcher den g e s c h ä f t l i c h e n M i t t e l p u n k t d e s R e e d e r s b i l d e t . Es ist also derjenige Hafen, von dem aus der Seefahrtsbetrieb des Schiffes geleitet wird, d.h. die Anweisungen f ü r die Tätigkeit des Schiffes ergehen und die wichtigeren auf das Schiff bezüglichen Geschäfte (Einstellung des Kapitäns, Kaskoversicherung usw.) abgeschlossen werden (ROHG 6, 83). Auf diesen Ort kommt es auch dann an, wenn von ihm aus nicht die regelmäßigen Schiffsreisen ihren Ausgangspunkt nehmen. Wenn sich also der Geschäftssitz des Reeders in Hamburg befindet, so ist also Hamburg auch dann Heimathafen, wenn das Schiff im regelmäßigen Dienst zwischen den großen amerikanischen Seen und Westindien beschäftigt ist. Für Trampschiffe fehlt es überhaupt an einem Ort, von dem aus die regelmäßigen Schiffsreisen ihren Ausgang nehmen. Ein Schiff kann seinen Heimathafen i m I n l a n d oder im A u s l a n d haben. E s k a n n i h m a b e r a u c h d e r H e i m a t h a f e n g a n z f e h l e n , so, wenn sich die Geschäftsleitung im Binnenland oder an Bord befindet. D o c h i s t d a n n d e r n a c h § 4 A b s . 2 S c h R O g e w ä h l t e R e g i s t e r h a f e n a u c h a l s H e i m a t h a f e n zu f i n g i e r e n . Vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 51 f.; K . v o n L a u n Z H R Bd. 115, S. l f f . = (nicht veröffentlichte) Festschrift f ü r 15

Anm 1

§480

Vierter Teil. Seehandelsrecht

W ü s t e n d ö r f e r 1950, S. 343ff.; L a m p e MDR 1956, S. 275; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 3 zu § 480. Siehe auch Anm. 2 zu § 4 SchRO. Anm. 2

2. R e g e l m ä ß i g i s t d e r H e i m a t h a f e n i d e n t i s c h m i t d e m R e g i s t e r h a f e n . Denn nach der Regel des § 4 Abs. 1 SchRO ist das Schifl in das Schiffsregister seines Heimathafens einzutragen. Soll aber die Schiffahrt mit einem Seeschiff von einem ausländischen Hafen aus betrieben werden oder fehlt es f ü r ein Seeschiff an einem Heimathafen, so steht dem Eigentümer die Wahl des Schiffsregisters frei, § 4 Abs. 2 SchRO. Die Identität zwischen Heimathafen und Registerhafen ist auch dann nicht vorhanden, wenn das Schiffsregister des Heimathafens nicht in diesem selbst geführt wird. Auch mit dem W o h n s i t z d e s R e e d e r s braucht der Heimathafen nicht identisch zu sein. Vgl. auch § 4 Abs. 3 SchRO.

Anm. 3

3. Auf Grund der in Abs. 2 der Landesgesetzgebung erteilten Befugnis sind in den Ausführungsgesetzen folgende landesgesetzlichen Bestimmungen ergangen: a) Niedersachsen (ohne das frühere Oldenburg): §§ 32, 33 des Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche f ü r das vormalige Königreich Hannover vom 5. 10. 1864 (Hannoversche Gesetz-Samml. Abt. I S. 213), nach Maßgabe des Art. 7 Preuß. AGHGB vom 24. 9. 1899 (Preuß. GS S. 303). Sie lauten: 9 3% Hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 502, 526, 527, 534, 550, 551, 553, 680, 754 Nr. 6 des Handelsgesetzbuchs, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimatshafen beziehen, sind alle Häfen und Ankerplätze 1. an der Elbe und ihren Nebengewässern, 2. an der Weser und ihren Nebengewässern, 3. an der Ems und ihren Nebengewässern, dem an dem nämlichen Flusse oder dessen Nebengewässem belegenen Heimatshofen gleichzuaohten.

8 33 Hinsichtlich der Bestimmung über den Verkauf des Schiffes im § 506 des Handelsgesetzbuchs werden sämtliche Häfen zwischen Eider und Scheide einschließlich dem Heimatshafen gleichgestellt.

Für das frühere Gebiet von Oldenburg bestimmt § 46 des Old. Gesetzes zur Ausführung des BGB und des HGB vom 15. 5. 1899 (Old. GBl. Bd. X X X I I S. 405): „Hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 502, 526, 527, 534, 550, 553, 680 und 754 Ziffer 6 des Handelsgesetzbuchs, die sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimatshafen beziehen, sind alle Häfen- und Ankerplätze an der Weser, Jade, Ems und deren Nebengewässern dem an dem nämlichen Flusse oder seinen Nebengewässem belegenen Heimatshafens gleichzuachten."

In Betracht kommt weiter für das J a d e g e b i e t § 2 des Preuß. Gesetzes betr. die Einführungsbestimmungen zum AGHGB vom 9. 3. 1870 (GS S. 248) nach Maßgabe des Art. 7 Preuß. AGHGB vom 24. 9. 1899 (GS S. 303); er lautet: „Hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 502, 526, 527, 534, 550, 551,553,680 und 754 Nr. 6 des Handelsgesetzbuchs, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimatshafen beziehen, sind alle Häfen, Siele und Ankerplätze an der Jade dem an der Jade belegenen Heimatshafen gleichzuachten."

b) Schleswig-Holstein. Vgl. § 67 Abs. 2 VO zu Einführung des AHGB vom 5. 7. 1867: Hinsichtlich der Anwendbarkeit der §§ 506, 551 und 553 sind für die Schiffe, deren Heimatshafen ein Hol« steinscher oder Schleswigscher Hafen ist, jeder andere Schleswigsche oder Holsteinsche Hafen, sowie jeder Hafen an der Elbe oder Trave dem Heimatshafen gleichzuachten.

c) Bremen. Vgl. § 6 des Ausführungsgesetzes zum HGB vom 18. 7. 1899 (GesBl. S. 154): „Für die Anwendung der Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, welche sich auf den Aufenthalt des Schiffes im Heimatshafen beziehen, sind alle Häfen und Ankerplätze an der Weser und ihren Nebengewässem dem Heimatshafen gleichzuachten."

16

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB d) Hamburg. Siehe § 4 des Gesetzes betr. Ausführung des HGB vom 29. 12. 1899 (Amtsblatt S. 1143): „Als Heimatshafen im Sinne der §§ 526, 527, 680 und 754 Ziffer 6 des Handelsgesetzbuchs gelten für diejenigen Sohiffe, welche ihren Heimatshafen in einem hamburgischen Hafen, mit Ausnahme der Häfen des Amtes Ritzebüttel, haben, auch die Häfen von Altona und Harburg, sowie sämtliche hamburgische Häfen mit Ausnahme der Häfen des Amtes Ritzebüttel. Als Heimatshafen im Sinne des § 553 des Handelsgesetzbuchs gelten für dieselben alle Elbhäfen. Für Schiffe, welche ihren Heimatshafen in einem Hafen des Amtes Ritzebüttel haben, gelten alle Elbhäfen als Heimatshafen im Sinne der im ersten Absätze angezogenen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs."

§ 4 Abs. 1 S. 1 ist insoweit gegenstandslos geworden, als er sich auf Altona und Harburg bezieht. Die Häfen dieser ehemals preußischen Städte sind durch das Gesetz über Großhamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26. 1. 1937 (RGBl. I S. 91) hamburgisohes Staatsgebiet geworden. Ihre Gleichstellung mit hamburgischen Häfen erübrigt sich daher jetzt. Das Gebiet des Amtes Ritzebüttel ist auf Grund des oben erwähnten Großhamburg-Gesetzes zum damaligen Preußen gekommen. In § 3 der Preußischen Verordnung über die Einführung landesrechtlicher Vorschriften in den nach dem Großhamburg-Gesetz auf Preußen übergegangenen Gebietsteilen (Rechtseinführungsverordnung) vom 18. 3. 1938 (Ges.Samml. S. 40) ist bestimmt, daß die bisherigen Landesgesetze, Verordnungen und Allgemeinen Verwaltungsvorschriften in diesen Gebieten mit Wirkung vom 1. 4. 1938 außer Kraft treten, soweit sie nicht ausdrücklich in der Verordnung aufrechterhalten werden. Ein derartiger Vorbehalt findet sich in der erwähnten Verordnung nicht. Die hamburgischen Vorschriften über Ritzebüttel sind daher ab 1. 4. 1938 außer Kraft getreten. Dazu gehört auch § 4, soweit er sich auf Ritzebüttel bezieht. §481 Zur Schiffsbesatzung werden gerechnet der Schiffer, die Schiffsoffiziere, die Schiffsmannschaft, sowie alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen. 1. 1. Die Fassung des § 481 beruht auf dem Gesetz vom 2. 6. 1902. Die Begriffsbestimmung der Schiffsbesatzung in § 481 ist nicht in allen Teilen identisch mit der der Besatzungsmitglieder in § 3 SeemG, wenn auch die Bestimmungen des neuen SeemG von Bedeutung für die Auslegung des § 481 sein können, wie ja auch die frühere SeemO von Einfluß auf die Interpretation des § 481 gewesen ist. Gemäß § 3 SeemG sind Besatzungsmitglieder im Sinne des SeemG die Schiffsoffiziere (§ 4 SeemG), die sonstigen Angestellten (§ 5 SeemG) und die Schiffsleute (§ 6 SeemG). Anders als § 481 spricht also das SeemG nicht von der Schiffsbesatzung, sondern von Besatzungsmitgliedern. Dieser Begriff ist in den Tarifverträgen entwickelt worden und ist enger als der des HGB. Die Besatzungsmitglieder sind in § 3 SeemG abschließend aufgezählt. Nicht Besatzungsmitglieder im Sinne des SeemG sind danach insbesondere der Kapitän, ferner die in § 7 SeemG aufgeführten Personen (sonstige im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätige Personen) und solche Personen, die nur im Hafen zu Dienstleistungen an Bord kommen, wie vornehmlich Stauerarbeiter.

Anm. 1

2. Der Begriff der Schiffsbesatzung im Sinne des § 481 ist maßgeblich für die §§ 485, 486, 487, 520, 522ff„ 607,702, 735ff., 740, 749, 754, 758, 768, 901 ff. HGB. Vgl. § 3 Abs. 2 BSchG.

Anm. 2

II. 1. Allen Mitgliedern der Schiffsbesatzung ist gemeinsam, daß sie auf d e m S c h i f f e angestellt sein müssen. Das Schiff bildet eine kleine Welt für sich. Die Personen, die sich auf ihm zwecks Leistung von Diensten für den Reeder zusammenfinden, sind durch die Zugehörigkeit zum Schiffe zu einem Organismus verbunden, dessen Zweck die Teilnahme an der bestimmungsgemäßen Verwendung des Schiffes, der Seefahrt, ist: die E i n r e i h u n g in diesen O r g a n i s m u s b e d e u t e t die A n s t e l l u n g a u f d e m S c h i f f e (vgl. P a p p e n h e i m , GruchotsBeitr. Bd. 43, S. 361; dagegen B o y e n s ZHR Bd. 50, S. 60ff.). Die Worte „ a u f d e m S c h i f f " besagen nicht, daß der Angestellte seine Funktionen unter allen Umständen räumlich auf dem Schiff zu verrichten hätte ( G ü t s c h o w HansGZ 1902 Beil. Nr. 3; W ü s t e n d ö r f e r SHR 172): auch wer „in einem Geschäft angestellt" ist, kann außerhalb von dessen

Anm. 3

2

Schaps-Abraham, Seerecht II

17

§481

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Räumlichkeiten für dasselbe tätig sein. Sie d e u t e n vielmehr hin auf eine Anstellung i n n e r h a l b des S c h i f f s o r g a n i s m u s . Eine A n s t e l l u n g aber ist nur in einer auf eine gewisse Dauer berechneten Eingliederung einer Person in diesen Organismus, sei es auch nur aushilfsweise, zu erblicken, nicht in ihrer bloßen Verpflichtung zur Ausführung einzelner Arbeiten für das Schiff auf Grund Dienst- oder Werkvertrages (RGSt 25, 440). Diese Zugehörigkeit zur organisierten Gemeinschaft der im SchifEsdienst Beschäftigten ist also das Wesentliche für den Begriff der Schiffsbesatzung im Sinne des § 481 ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 172). Belanglos ist, ob Anmusterung erfolgte. Die Hilfspersonen des Reeders am Lande gehören regelmäßig nicht zur Schiffsbesatzung (vgl. aber Anm. 8 wegen der Decks- und Maschineninspektion). Sie bilden die k a u f m ä n n i s c h e A n g e s t e l l t e n s c h a f t , sofern der Reeder Kaufmann ist und der Gehilfe kontormäßige Dienste kaufmännischer Art leistet. Anm. 4

2. Die vier Gruppen der Schiffsbesatzung im einzelnen: a) der Schiffer, wie ihn das HGB noch altertümlich nennt, heute meist als Kapitän bezeichnet (so auch § 2 SeemG). Er ist der Führer des Schiffes, sein verantwortlicher Leiter, gleichviel, ob er vom Reeder, vom Konsul oder von einem früheren Schiffer ernannt ist (vgl. Vorbem. vor § 511 HGB). Seine Stellung regelt sich nach §§ 511 ff. HGB und nach dem Seemannsgesetz. Vgl. wegen der Einzelheiten insbesondere die Erläuterungen zu den genannten Bestimmungen. Siehe auch § 2 Abs. 3 SeemG über den Ersten Offizier des Decksdienstes oder den Alleinsteuermann als den geborenen Vertreter des Kapitäns.

Anm. 5

b) die Schiffsoffiziere. Diese Gruppe wurde erst durch die SeemO von 1902 aus der Schiffsmannschaft herausgehoben. Die von der Schiffsmannschaft sprechenden §§ 502, 519 Abs. 2, 526 Abs. 2, 780 HGB gelten deshalb nach wie vor auch f ü r die Schiffsoffiziere; vgl. P a p p e n h e i m HB 2 S. 248 und DJZ 1900 S. 193; L. P e r e i s , ZHR Bd. 58 S. 35. S. auch Anm. 8 zu § 482 HGB. Nach § 4 SeemG sind Schiffsoffiziere die A n g e s t e l l t e n des n a u t i s c h e n o d e r d e s t e c h n i s c h e n S c h i f f s d i e n s t e s , die eines staatlichen Befähigungszeugnisses bedürfen (vgl. VO über die Besetzung von Kauffahrteischiffen mit Schiffskapitänen und Schiffsoffizieren — Schiffsbesetzungsordnung — vom 29. 6. 1931 mit nachfolgenden Änderungen), die S c h i f f s ä r z t e , die S e e f u n k e r , die Inhaber eines Seefunkzeugnisses 1. oder 2. Klasse sind, und die Zahlmeister. Die Begriffsbestimmung des SeemG gilt schon deshalb auch für das HGB, das keine eigene Definition enthält, weil sie der Verkehrsauffassung entspricht. So schon f ü r § 2 Abs. 2 SeemO L. P e r e i s ZHR Bd. 57 S. 356. Nach der SeemO 1902 gehörten zu den Schiffsoffizieren auch noch die Proviantmeister. Nach der Begründung zum SeemG hat dieses sie nicht mehr unter die Schiffsoffiziere aufgenommen, weil die Praxis sie nicht mehr dazu rechnet. Sie fallen deshalb auch heute nicht mehr unter die Schiffsoffiziere des § 481 (ebenso S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 2 zu § 481), sondern als zu § 5 SeemG gehörig unter die Schiffsmannschaft des § 481. Auch nur f ü r die Liegezeit im Hafen angenommene Wachoffiziere gehören zu den Schiffsoffizieren des § 481. c) die Schiffsmannschaft. Nach § 6 SeemG ist Schiffsmann jedes andere in einem Heuerverhältnis (vgl. dazu §§ 23 ff. SeemG) stehende Besatzungsmitglied, das nicht Schiffsoffizier (§ 4 SeemG) oder sonstiger Angestellter im Sinne des § 5 SeemG ist. Mit dieser Begriffsbestimmung kann es auch für § 481 sein Bewenden haben, sofern man die durch § 5 SeemG erfaßten U n t e r o f f i z i e r e im Sinne des § 481 zu „allen übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen" rechnet. Zwar würde es in der Sache und nach der Entwicklung zutreffender sein, das nicht zu tun, sondern die Unteroffiziere zu der Schiffsmannschaft im Sinne des § 481 zu zählen. Doch würde eine solche Lösung es erschweren, die Begriffsbestimmungen des HGB und die des SeemG nach Möglichkeit in Einklang zu bringen. Vgl. auch die Erläuterungen zu § 6 SeemG. Entscheidend ist allein, daß eine unmittelbare Beziehung zum Reeder auf Grund eines Heuerverhältnisses besteht. Sonstige während der Reise im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätige Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber als dem Reeder stehen oder selbständige Gewerbetreibende sind, sind nicht Schiffsleute (vgl. § 7 SeemG). Für § 6 SeemG ist aber auch einerlei, welcher Art die Tätigkeit an Bord ist, sofern

Anm. 6

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB sie nur nicht die eines Schiffsoffizier oder eines sonstigen Angestellten im Sinne des § 6 SeemG ist. Auch die Stewardesse fällt z.B. unter § 6 SeemG. Es kommt also auch nicht darauf an, ob eine seemännische Tätigkeit ausgeübt wird. Vgl. die Aufzählung bei B e c k e r ZHR Bd. 121, S. 100. Nach § 2 Abs. 3 SeemO gehörten zur Schiffsmannschaft alle außer dem Kapitän und den Schiffsoffizieren zum Dienste auf dem Schiff während der Fahrt f ü r Rechnung des Reeders angestellten Personen, ohne Unterschied, ob die Anmusterung erfolgt war oder nicht. Hieran hatte sich die Streitfrage geknüpft, was unter „Diensten auf dem Schiff während der F a h r t " zu verstehen sei. Die herrschende Lehre (so auch die zweite Auflage dieses Kommentars, Anm. 6 zu § 481 HGB) ließ darunter nur diejenigen Personen fallen, die durch Heuervertrag zu s e e m ä n n i s c h e n Diensten angestellt waren. Mit Recht hatte W ü s t e n d ö r f e r (vgl. SHR 172f.) daraufhingewiesen, daß nicht entscheidend die Arbeitsart, sondern der Arbeitso r t sei, und daß die aus der Segelschiffszeit stammende herrschende Auffassung im Gesetz keine Stütze finde. Richtiger Ansicht nach seien nicht nur die Decksdienste, sondern auch die Dienste des Maschinen-, Verpflegungs- und Handwerkerpersonals „Dienste auf dem Schiffe während der Fahrt". Diese Streitfrage ist im Hinblick auf die Formulierung des § 6 SeemG gegenstandslos geworden. d) alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen. Zu dieser Gruppe gehören solche Personen, die weder Kapitän, Schiffsoffiziere oder Schiffsmannschaft sind und die als A r b e i t n e h m e r in d e n a r b e i t s t e i l i g e n O r g a n i s m u s d e r S c h i f f s d i e n s t e u n d der B o r d g e m e i n s c h a f t k r a f t e i n e s a u f eine gewisse D a u e r berechneten u n m i t t e l b a r e n Dienstverhältnisses zum Reeder eingegliedert s i n d , e i n e r l e i , ob d i e s e D i e n s t e a n B o r d , l ä n g s s e i t s o d e r a m K a i zu v e r r i c h t e n s i n d (BGHZ 3, 34 = Hansa 1951 S. 299 = N J W 1952 S. 64; W ü s t e n d ö r f e r SHR 173). Sofern man sie nicht zur Schiffsmannschaft im Sinne des § 481 HGB rechnet, fallen in diese Gruppe zunächst die „sonstigen Angestellten" des § 5 SeemG. Das sind Besatzungsmitglieder, die, ohne Schiffsoffiziere zu sein, nach der seemännischen Verkehrsauffassung als Angestellte angesehen werden, insbesondere, wenn sie eine überwiegend leitende, beaufsichtigende oder büromäßige Tätigkeit oder eine verantwortliche Tätigkeit ausüben, die besondere Kenntnisse erfordert. Es sind die Unteroffiziere an Bord, die zunächst durch Praxis und Tarifordnung aus dem Kreise der Schiffsmannschaft ausgeschieden wurden (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 173), insbesondere die Bootsleute, Zimmerleute, Segelmacher, Quartermeister, Maschinenassistenten. Vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 5 SeemG. Es wurde in Abs. 1 bereits zum Ausdruck gebracht, daß, sofern die sonst in ihm genannten Voraussetzungen gegeben sind, es einerlei ist, ob die Dienste an Bord, längsseits oder am Kai zu verrichten sind (BGH und W ü s t e n d ö r f e r a.a.O.). Es zählen zu dieser Gruppe also auch die eigenen Stauarbeiter (Schauerleute) der Reederei, auch wenn sie nicht an Bord tätig werden, sondern neben dem Schiff im Leichter oder am Kai, um Ladung zu übernehmen oder zu löschen (HansRGZ 1940 B Nr. 14), Decks- und Maschineninspektoren, die nicht für ein einzelnes Schiff angestellt sind, sondern im Heimathafen sämtliche Schiffe des Reeders besichtigen und gegebenenfalls Anordnungen treffen (RG SchlHolstAnz. 1890, 18), d a g e g e n nicht: der nur vorübergehend angenommene s e l b s t ä n d i g e L o t s e (anders § 3 Abs. 2 BSchG), der S t a u e r v i z e n e b s t a l l e n a n d e r e n L e u t e n d e s s e l b s t ä n d i g e n S t a u u n t e r n e h m e n s , die f r e m d e S c h l e p p e r b e s a t z u n g , der s e l b ständige Schiffsbefestiger. Nicht unter die Gruppe „aller übrigen auf dem Schiff angestellten Personen" fallen die in § 7 Abs. 1 und 2 SeemG erwähnten Personengruppen. § 7 Abs. 1 betrifft Arbeitnehmer, die, ohne in einem Heuerverhältnis zu stehen, während der Reise im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätig sind. Gemeint sind Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers als des Reeders. In § 7 Abs. 2 SeemG sind sonstige während der Reise im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätige Personen angesprochen, die keine Arbeitnehmer sind. Auch sie stehen nicht, was Voraussetzung für § 481 ist, in einem unmittelbaren Dienstverhältnis zum Reeder. Unter § 7 Abs. 1 SeemG fallen z.B. Arbeitnehmer von Friseuren, Buchhändlern und dergleichen an Bord, unter § 7 Abs. 2 SeemG z.B. selbständige Friseure, Photographen und dergleichen. 2»

19

Anm. 7

Anm. 8

§481 Anm. 9

Vierter Teil. Seehandelsrecht

3. Die Praxis hat zeitweilig den Begriff der Anstellung auf dem Schiff über Gebühr ausdehnend ausgelegt. Die daran von P a p p e n h e i m (GruchBeitr. Bd. 43, S. 342ff.) geübte Kritik war berechtigt. So meinte man, auf die Worte „auf dem Schiff" sei überhaupt kein erhebliches Gewicht zu legen, sie bedeuteten so viel wie „zu Schiffszwecken"; „Anstellung" aber sei im Sinne von „Verwendung" zu verstehen, so daß der Kreis der zur Schiffsbesatzung zu rechnenden Personen alle diejenigen umfasse, die im Dienste des Reeders zu Schiffszwecken tätig seien (RGZ 20, 86; 50, 35). Zu dieser nach P a p p e n h e i m , a.a.O., S. 360, „an das Verfahren des Prokrustes erinnernden" Auslegung ist man lediglich um deswillen gelangt, weil man es für gerechtfertigt erachtete, den Reeder für das Verschulden gewisser zu Schiffszwecken tätiger Personenklassen, auf die die gesetzliche Definition nicht ohne weiteres zutrifft, wie Lotsen, Schleppermannschaft, Stauer, Schiffsbefestiger, gemäß §§ 485, 486, 735, 754 HGB haften zu lassen. So gesund dieser Gedanke ist, im Wege der erwähnten ausdehnenden Auslegung kann ihm nicht Geltung verschafft werden. Schon der Wortlaut des Gesetzes ist mit ihr unvereinbar. Sie verbietet sich aber auch deshalb, weil der durch sie gewonnene erweiterte Begriff der Schiffsbesatzung für alle von letzterer sprechenden Vorschriften (vgl. §§ 520, 522, 525, 749 HGB) auf jene Personen nicht anwendbar ist ( P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43, S. 361 f. und HB 2 S. 43; W ü s t e n d ö r f e r SHR 173; a. A. B o y e n s ZHR Bd. 50, S. 64ff.). Diese ausdehnende Auslegung, welche den Begriff der Schiffsbesatzung weit über Wort und Willen des Gesetzes hinaus erweitert hatte, beruhte eben auf dem Bedürfnis, einen Rechtsgrund f ü r die seerechtliche Haftung des Reeders f ü r ein Verschulden des in der vorigen Anmerkung genannten Personenkreises zu finden. Mit der Ablehnung dieser ausdehnenden Auslegung in der neueren Rechtsprechung, so vornehmlich auch in BGHZ 3, 34 = Hansa 1951 S. 299 = N J W 1952 S. 64 sowie in BGHZ 26,152 = Hansa 1958 S. 197 = NJW 1958, S. 220 und im neueren Schrifttum ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 173ff.; P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43 S. 372; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 14 zu § 481) ist aber über die Frage, ob der Reeder f ü r die nur vorübergehend angenommenen selbständigen Leute, die Schiffsdienste verrichten, seerechtlich haftet, noch nichts Endgültiges gesagt. V i e l m e h r e n t s c h e i d e t sich d i e s e F r a g e d a n a c h , ob § 485 H G B e n t s p r e c h e n d a n z u w e n d e n i s t o d e r ob sich ein d i e s b e z ü g l i c h e s G e w o h n h e i t s r e c h t g e b i l d e t h a t ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 174). So will P a p p e n h e i m die erwünschte Haftung des Reeders für Verschulden der zu Schiffszwecken tätigen Nichtbesatzungspersonen mit der Bildung eines G e w o h n h e i t s r e c h t s begründen (GruchBeitr. Bd. 43, S. 372ff.; HB 2 S. 403). Die zweite Auflage dieses Kommentars, Anm. 15 zu § 481 HGB, lehnte ein solches ab, weil die Rechtsprechung nicht überall einheitlich sei und die Literatur vielfach widersprochen habe. Nach ihrer Ansicht sei das erstrebte Ergebnis durch analoge Anwendung der §§ 485, 735 zu erreichen. Das praktische Bedürfnis verlange deren Anwendung auch auf solche zu Schiffszwecken tätige Personen, die nicht zum Schiffsorganismus gehörten. Der heutige Verkehr bringe es mit, daß andere Personen zeitweise gleiche Verrichtungen übernähmen wie die Schiffsbesatzung. Für die Schlepperbesatzung wurde der Gesichtspunkt der Analogie bereits von RGZ 20, 86 (ihm folgend HansOLG HansGZ 1900, 1) und von B o y e n s ZHR Bd. 50 S. 59 verwendet. Die Untersuchung einzelner Fälle zeigt, daß es gegenwärtig fraglich ist, ob man schon von einem Gewohnheitsrecht sprechen kann, daß aber jedenfalls vielfach entsprechende Anwendung geboten ist. Danach ergibt sich jetzt folgendes Bild: Anm. 10 a) Analoge Anwendung der §§ 485, 735 HGB ist geboten für die Schlepperbesatzung, aber nur dann, w e n n die n a u t i s c h e L e i t u n g des S c h l e p p z u g e s d e m F ü h r e r des ges c h l e p p t e n S c h i f f e s z u s t e h t , der Schlepper also dessen Weisungsrecht hinsichtlich „Bugsieren" und „Assistieren" unterworfen bleibt ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 174; BGH Hansa 1956, S. 1754 = VersR 1956, S.504; Hansa 1957, S. 1867; vgl. auch BGHZ 3, 34). Das trifft meistens zu beim „Schleppen" von Seeschiffen in Häfen und engen Gewässern (RGZ 65, 385; 78, 176). Anders liegt es beim Schleppen von Binnenschiffen, Seeleichtern oder Seeschiffen, deren eigene Maschine nicht mitläuft, wo es sich also nur um ein Nachsteuern hinter dem Schlepper handelt. In der neueren Rechtsprechimg scheint niemals eine Haftung des Schleppers für das Verschulden des geschleppten Schiffes angenommen zu sein, und zwar auch dann nicht, wenn die nautische Leitung beim Schlepperkapitän lag. Siehe aber aus der älteren Rechtsprechung HansOLG HansGZ 1887, 33.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§481

In der früheren Rechtsprechung wurde die Schlepperbesatzung zur Schiffsbesatzung ge- Anm. 11 rechnet, soweit sie eine Dienstverrichtung ausführte, die dem geschleppten Schill diente und für dieses gültig war (HansOLG HansGZ 1886 Nr. 33; 1887 Nr. 16; 1899, 222; 1900, 1; 1905, 176; RGZ 20, 86; 46, 45; 50, 35; 65, 385). In RGZ 20, 86 wurde neben der erweiterten Auslegung des § 481 der Gesichtspunkt der Analogie verwendet. Doch sind erweiterte Auslegung undAnalogie unvereinbar; vgl. P a p p e n h e i m H B 2 S . 6 Note. Nur auf Analogie gründete die Haftung des Reeders für Verschulden der Schlepperbesatzung B o y e n s ZHR Bd. 50 S. 59, 73. Die Zugehörigkeit der Besatzung des Schleppers zu derjenigen des geschleppten Seeleichters wurde vom HansOLG HansGZ 1911 Nr. 33 = LZ 1911, 397 und von RGZ 78 Nr. 38 verneint, weil hier die Verhältnisse technisch ähnlich lägen wie bei der Schleppung eines Binnenschiffes. Bereits mit RGZ 65, 385, welches die Bekämpfung der alten hanseatischen Rechtsprechung von der Einheit des Schleppzuges durch B o y e n s ZHR Bd. 50 S. 76ff. billigte, wurde ein Umschwung in der Rechtsprechung eingeleitet. Siehe M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 651 und H B 121. Nunmehr wurde von Fall zu Fall geprüft, ob das Schleppschiff oder der Schlepper die Führung des Schleppzuges hatte (HansOLG HansGZ 1911 Nr. 33; 1912 Nr. 36; RGZ 78 Nr. 38 = HansGZ 1912 Nr. 90). Hatte der Schlepper den Befehl, so genügte die Tatsache, daß seine Besatzung für das Schleppschiü tätig wurde, nicht, um annehmen zu dürfen, daß die Besatzung des Schleppers der des Schleppschiffs zuzurechnen sei. Es fehlte hier an der Unterordnung. Anders, wenn die Schlepperbesatzung dem Befehle des Schleppschiffes unterstellt war: nur dann läßt sich vertreten, daß das Schleppschiff sieh der Besatzung des Schleppers wie seiner eigenen bedient und deshalb auch Dritten gegenüber für dies Verhalten des Schleppers verantwortlich gemacht werden darf. Im Gegensatz zum Binnenschiffahrtsrecht (s. M i t t e l s t e i n H B 122) hat das geschleppte Seeschiff regelmäßig die Leitung des Schleppzuges, aber das Verhältnis kann auch abweichend gestaltet sein (s. M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 562; Anm. 19 vor § 556), wie in dem oben erwähnten Fall das Schleppen eines Seeleichters. b) Auch der Lotse wurde von der früheren Rechtsprechung zur Schiffsbesatzung gerechnet Anm. 12 (vgl. RGZ 20 Nr. 16; 59, 311; 126, 87; HansOLG HansGZ 1986 Nr. 109; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1914 S. 125, auch noch BHG Hansa 1957 S. 1867 für den Hafenlotsen; B o y e n s Bd. 1 S. 155; anders P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43 S. 344 und H B 2 S. 402 Nr. 2; B r a n d i s Bd. 1 S. 81; L. P e r e i s KrVJSchr. Bd. 48 S. 265; W ü s t e n d ö r f e r SHR 174 und H B 515, die eine gewohnheitsrechtliche Haftung annehmen), mit Ausnahme des in § 737 HGB genannten Führungszwangslotsen (siehe über diesen RGZ 119, 270; 126, 79. Vgl. auch Art. 5 und Zusatzartikel des IÜZ). Speziell für den H a f e n l o t s e n , der meist zugleich obrigkeitliche Befugnisse hat, wurde die Zugehörigkeit zur Schiffsbesatzung außer von der oben angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs bejaht von OLG Kiel (SchlHolstAnz. 1908, S. 234), vom LG Hamburg (HansGZ 1912 Nr. 75) und vom HansOLG (HansGZ 1913 Nr. 6 und 108). Über die Stellung des Hamburger Hafenlotsen siehe D i e s t e l E E Bd. 33 S. 243ff.; D o m i n e HansRGZ 1936, 266. Nach gegenwärtigem Recht bedarf es für den Seelotsen keiner entsprechenden Anwendung des § 485 HGB mehr. Durch § 59 Abs. 2 Ziff. 1 SeelotsG wurde der an Bord tätige Seelotse, neben der Schiffsbesatzung in § 485 HGB aufgeführt. Die entsprechende Anwendung des § 485 HGB ist indessen gewohnheitsrechtlich für den Halenlotsen zu bejahen, soweit dieser nicht Führungszwangslotse ist, was praktisch nicht vorkommt. Vgl. auch W ü a t e n d ö r f e r SHR 174; RGZ 126, 87. BGH Hansa 1957 S. 867 sieht den Hafenlotsen dagegen noch unmittelbar als Besatzungsmitglied an, was im Hinblick auf § 1 Abs. 1 SeelotsG und die sonstige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch weniger als früher berechtigt erscheint. Hinsichtlich des Führungszwangslotsen wurde eine Haftung stets nicht nur im ausdrücklich vorgesehenen Fall des Schiffszusammenstoßes (§ 737 HGB), sondern allgemein abgelehnt. Vgl. RGZ 119, 270; 126, 79. Allerdings sieht Art. 5 IÜZ in dessen Geltungsbereich auch die Haftung für den Führungszwangslotsen vor. Diese Bestimmung ist indessen gemäß dem Zusatzartikel zum IÜZ mindestens für die Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten. In den durch § 59 SeelotsG geänderten §§ 485, 486 HGB ist zwar nur von Seelotsen schlechthin die Rede, ohne ausdrücklich zu betonen, ob es sich dabei um jede Art von Lotsen handelt. Die Begriffsbestimmung für den Seelotsen ergibt sich indessen aus dem SeelotsG, nach dessen § 27 Abs. 1 der Seelotse stets nur Beratungslotse ist. 21

§481 Anm. 13

Vierter Teil. Seehandelsrecht

c) Entsprechende Anwendung des § 485 HGB ist geboten auf den Kanalsteuerer im NordOstsee-Kanal (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1910, 23; RGZ 111, 37 = J W 1925 S. 1998). Anm. 14 d) Entsprechende Anwendung des § 485 (bzw. des ihm entsprechenden § 3 BSchG) hat BGHZ 3, 34 für den Wachmann eines selbständigen Wachunternehmens angenommen, auch wenn dieser die Bewachung einer Schute von Land aus durchführt. Dem ist zuzustimmen. Anm. 15 e) Auch der selbständige Stauer, seine „Schauerleute" genannten Arbeiter und ihr Vormann, der „Stauervize" wurden nach früherer Auffassung zur Schiffsbesatzung gerechnet. Doch war hier sehr vieles streitig. Vgl. insbesondere dazu R ö h r e k e Hansa 1952, S. 224; L i n d e n m a i e r , Bericht über die Arbeit des Seerechtsausschusses, in Jahrbuch der Akademie für deutsches Recht, 1939/40, S. 122; ders., Die außervertragliche Haftung des Reeders für Stauer, HansRGZ 1940 A 243ff.; siehe auch K ü h l Hansa 1930 S. 386; D r o e g e , Haftung des Reeders für Verschulden der Schauerleute Hansa 1929, S. 1942; K a m i n , Die außervertragliche Haftung des Reeders für selbständige Stauer und die Rechtsbeziehungen zwischen beiden, Diss. Hamburg 1951 (unveröffentlicht). Ein Teil der Rechtsprechung verneinte die Zugehörigkeit des Stauers zur Schiffsbesatzung: es werde mit ihm als selbstständigem Gewerbetreibenden ein Werkvertrag über die Beladung oder Entlöschung des Schifies geschlossen, der ihn nicht zum Schiffsangestellten mache, und auch seine Leute seien solche nicht, da sie nicht im Auftrage oder unter Aufsicht des Schiffers oder Reeders arbeiteten, selbst wenn sie in den Tätigkeitskreis der Schiffsbesatzimg fallende Dienste verrichteten. Vgl. z. B. HansOLG HansGZ 1901 Nr. 51; 1907, 29; 1909 Nr. 18; die beiden letzteren Entscheidungen jedoch mit Einschränkung für den Fall, daß Dienstleistungen, die der Schiffsbesatzung oblägen, geleistet würden; ähnlich B o y e n s ZHR Bd. 50, S. 68 und Bd. 63, S. 329, R i t t e r ArchBürgR Bd. 32, S. 475, und B r a n d i s Bd. 1, S. 81, welche aber mit HansOLG HansGZ 1907, 29 eine Ausnahme in dem Fall zulassen, daß der Stauer im festen Lohn des Reeders steht. Den Gesichtspunkt des selbständigen Gewerbetreibenden verwirft P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43 S. 367, der es für gleichgültig hält, ob Schiffsarbeiten verrichtende Arbeiter durch Dienstvertrag schiffsseitig gedungen oder seitens des durch Werkvertrag verpflichteten Unternehmers gestellt seien, der aber die Zugehörigkeit des Stauers und seiner Leute zur Schiffsbesatzung ablehnt, weil sie nicht in den Schiffsorganismus organisch eingegliedert seien; vgl. auch P a p p e n h e i m H B 2 S. 209, ferner S i e v e k i n g 25 und HansOLG HansGZ 1914, 199. — Andere Urteile rechneten Stauer zur Schiffsbesatzung, teils allgemein „solange sie auf dem Schiff arbeiten" (HansOLG HansGZ 1907, 29), teils nur, soweit sie Dienste verrichten, die in den Rahmen der Tätigkeit der Schiffsbesatzung fallen, z.B. das Schiff vertäuen (HansOLG HansGZ 1907, 29), es abbäumen und wieder an den Kai legen (HansOLG HansGZ 1902 Nr. 80; RG HansGZ 1910 Nr. 113; dagegen Hansa 1910, 991ff.) oder die Auslieferung der Ladung aus dem Schiff besorgen (HansOLG HansGZ 1907 Nr. 21). K e i n e s f a l l s wurden zur Schiffsbesatzung gerechnet Zwangsstauer ( S i e v e k i n g 26) und vom Ablader oder Charterer gestellte Stauer ( S i e v e k i n g 45; vgl. R i t t e r ArchBürgR Bd. 32 S. 475; M i t t e l s t e i n H B 119). Das Reichsgericht hat sodann in RGZ 126, 35 als zum mindesten zweifelhaft gelassen, ob zur Schiffsbesatzung auch die Leute eines selbständigen Stauereiunternehmens gehörten, die auf Grund eines Vertrages zwischen diesem und dem Reeder mit dem Entlöschen eines Seeschiffes unter Aufsicht eines vom Unternehmer angestellten Vorarbeiters (Stauervizen) beschäftigt sind. Es brauchte diese Frage nicht entscheiden, weil nach seiner Ansicht auf diese Stauerarbeiter in bezug auf ihre genannte Tätigkeit die Reederhaftung des § 485 HGB s i n n g e m ä ß a u s z u d e h n e n sei. So auch W ü s t e n d ö r f e r H B 517fE. und SHR 174f.; L i n d e n m a i e r HansRGZ 1940 A 252 und JbdAK 1939/40, 123 Anm. 2; J . v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958, S. 601 (§ 83 I 4); S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 14 zu § 481 HGB; Gramm,Seefrachtrecht, Anm. A l l zu§607; R e i n b e c k HansRGZ 1930A327; K ü h l Hansa 1927, S. 723 und die von ihm mitgeteilte englische Rechtsprechung. Ablehnend R ö h reke Hansa 1952 S. 223ff. und 251 ff. Dieser Auffassung einer entsprechenden Anwendung des § 485 auf den selbständigen Stauer und seine Leute, der sich auch der Bundesgerichtshof in BGHZ 26,152 = Hansa 1958 S. 197 = N J W 1958 S. 220 = B B 1958 S. 427 (vgl. auch BGHZ 3,34) angeschlossen hat, ist zuzustimmen. Das HGB rechnet ersichtlich das Beladen und Entladen eines Seeschiffes zu den Schiffsdiensten, die grundsätzlich unter Aufsicht des Schiffers vorzunehmen sind (§ 514

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§481

HGB). Dementsprechend fallen Leute, die vom Reeder oder vom Schiffer zu Lade- oder Löschzwecken, wenn auch nur vorübergehend und nur mit mittelbarem Weisungsrecht über sie, angenommen und beschäftigt sind, regelmäßig unter die entsprechende Anwendung des § 485 HGB. Eine im Ergebnis verschiedene Behandlung der Reederhaftung nach § 485, 486 Nr. 3 HGB, je nachdem der Stauereiarbeiter als ein vom Reeder oder Schiffer angestellter Arbeitnehmer oder im Dienste eines selbständigen Stauereiunternehmers tätig ist, würde, wie W ü s t e n d ö r f e r HB 519 hervorhebt, den Ersatzanspruch des durch Verschulden des Stauereiarbeiters geschädigten Dritten „von einem äußerlich oft nicht erkennbaren zufälligen Umstand der inneren Betriebsverfassung" abhängig machen (RGZ 126, 35; W ü s t e n d ö r f e r SHR 175; s. a. SRA, JahrbAkDR 1939/140 S, 123; R e i n b e c k HansRGZ 1930 A 327ff.). Doch haftet der Reeder nicht für solche Handlungen der Leute des selbständigen Stauers, die nicht in den Rahmen der dem Schiff obliegenden Arbeiten hineinfallen, z. B. Hilfeleistung beim HeranschafEen der einzunehmenden Ladung, die noch nicht in Reichweite des Ladegeschirrs des Schiffes liegt (HansOLG HansRGZ 1930 B Nr. 130; W ü s t e n d ö r f e r SHR 175). Auch im Hamburger Hafen besteht kein Ortsgebrauch, der den Grundsatz abändert, daß die Heranschaffung der Ladung an das Schiff Sache des Befrachters bzw. des Abladers ist (vgl. § 561 HGB). Siehe auch HansRGZ 1929 B Nr. 296. Über die Haftung des Reeders und Verfrachters für Ladungsdiebstähle von Schauerleuten vgl. R ö h r e k e Hansa 1952 S. 223 u. 251. Umstritten ist noch, ob der Reeder auch für das Verschulden eines Zwangsstauers und des vom Ablader oder Charterer gestellten Stauers und ihrer Leute in entsprechender Anwendung des § 485 HGB einzustehen hat. Die Präge wird von W ü s t e n d ö r f e r SHR 174 und 247 mit der oben wiedergegebenen früheren Auffassung verneint (ebenso R ö h r e k e Hansa 1952, S. 224). In BGHZ 26,152 wird die Frage offengelassen. Der Bundesgerichtshof meint nur, da § 485 HGB einen Ausgleich für die besonderen mit dem Schiffsbetrieb zusammenhängenden Gefahren herbeiführen solle, läge es nahe, die Reederhaftung nicht darauf abzustellen, ob der Reeder oder der Zeitcharterer das Stauereiunternehmen mit der Durchführung der Ladeoder Löscharbeiten betraut habe. Die Richtigkeit dieser Argumentation erscheint zweifelhaft, obwohl sie sogar in den Ausführungen W ü s t e n d ö r f e r s SHR 175 eine wesentliche Stütze zu finden scheint. Im Ergebnis ist jedenfalls W ü s t e n d ö r f e r zuzustimmen: § 485 HGB geht doch auch davon aus, daß der Reeder auf die Schiffsbesatzung und die ihr gleichgestellten Personen eine Einwirkungsmöglichkeit jedenfalls dergestalt hat, daß sie grundsätzlich von ihm ausgewählt werden. Mit Recht weist aber R ö h r e k e , a.a.O., darauf hin, daß es f ü r den Begriff des Zwangsstauers nicht ausreiche, daß lediglich ein Zwang zu seiner Annahme bestehe, wie er in vielen Häfen seitens der Gewerkschaften ausgeübt werde. Vielmehr komme es für den Begriff entscheidend darauf an, daß der „Zwangsstauer" völlig nach eigenem Ermessen, ungebunden an Weisungen seitens der Schiffsleitung, tätig sei. Vgl. auch RGZ 119, 271; G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. IV 2 zu § 606 HGB. Auch soweit der Reeder nach den obigen Ausführungen in entsprechender Anwendung des § 485 für selbständige Stauer haftet, besteht nur dann eine Schadensersatzflicht, wenn gegen ein schuldiges Besatzungsmitglied ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegeben wäre. Die Schadensersatzpflicht des Reeders entfällt, wenn zwar die anspruchsbegründenden Tatsachen gegen das Besatzungsmitglied (z.B. aus § 823 BGB) vorliegen, der Schadensersatzanspruch gegen das Besatzungsmitglied aber nach § 899 RVO ausgeschlossen ist. Vgl. BGHZ 26, 152 = Hansa 1958 S. 97 = NJW 1958 S. 220. Vgl. auch HansOLG Hamburg MDR 1958, S. 847 = Hansa 1958, S. 2102: Der Stauer ist in den Schiffsbetrieb als „bereitstehende Teilbesatzung" eingegliedert: deshalb entsprechende Anwendung des § 899 RVO. f) Auch für Schiffsbef estiger kommt die Haftung aus § 485 zur entsprechenden Anwen- Anm. 16 dung, auch wenn sie selbständige Unternehmer sind, und sogar auch dann, wenn ein Zwang zur Annahme des Festmachers besteht. Die Vorschriften über den Führungszwangslotsen sind nicht analog anwendbar. Vgl. RGZ 119, 270 für das Binnenschiffahrtsrecht (in dieser Entscheidung wurde § 3 BSchG unmittelbar zur Anwendung gebracht); HansOLG HansGZ 1913 Nr. 140 = LZ 1914, 199 und HansGZ 1927, 215; OLG Hamburg MDR 1954, S. 44 (hier handelte es sich um das Lösen der Befestigungen des Landsteges durch dritte Personen); G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. A I I zu § 607 HGB; W ü s t e n d ö r f e r SHR 176. g) Die entsprechende Anwendung des § 485 HGB gilt auch f ü r Arbeiter im Hafen, soweit Anm. 17 sie vorübergehend in den Kreis der Tätigkeit der Besatzung fallende Dienste verrichten, z. B. 28

§482

Vierter Teil. Seehandelsrecht

das Schiff mittels einer Winde an das Bollwerk heranziehen (RGZ 13 Nr. 29), Kommandos der Schiffsoffiziere den bei der Winde beschäftigten Matrosen übermitteln (RG SeuffA Bd. 44 Nr. 39) oder zur Beaufsichtigung und Bewachung des Schiffes vom Lande aus bestellt sind; vgl. HansOLG HansGZ 1913, 216 = Hansa 1913, S. 760; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1913, S. 106; RG Recht 1914 Nr. 525 = EisenbE 30 S. 511; siehe auch BGHZ 3, 34. h) Die entsprechende Anwendung gilt ferner f ü r Dockarbeiter, welche ein ohne reguläre Anm. 18 Besatzung befindliches Schiff nach dem Schwimm- oder Trockendock oder von diesem zurückschaffen (HansOLG HansGZ 1912 Nr. 128 = Hansa 1912 S. 472; B o y e n s Bd. 1 S. 158ff.; anders P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43 S. 365; M i t t e l s t e i n H B 119 Anm. 9; S i e v e k i n g 27, außer f ü r den Fall, daß die Verholung im Nothafen zur Reparatur zwecks Reisefortsetzung erfolgt). Anm. 19 i) K e i n e e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g des § 485 H G B kommt in Betracht f ü r die Angestellten einer Kaianstalt, deren sich das Schiff bedient. Sie verrichten keine typischen Schiffsdienste. Vgl. R ö h r e k e , Die Haftung des Reeders und Verfrachters f ü r schuldhafte Handlungen, insbesondere Ladungsdiebstähle von Schauerleuten, Hansa 1952 S. 223 ff. und 251 ff. I I I . Rechtsvergleichende Bemerkungen siehe Anm. 35 zu § 485 HGB. Anm. 20 §482 Die Zwangsversteigerung eines Schifies im Wege der Zwangsvollstreckung darf nicht angeordnet werden, wenn das Schiff zum Abgehen fertig (segelfertig) ist. Auch darf ein segelfertiges Schiff nicht mit Arrest belegt werden. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die Schuld, wegen der die Zwangsversteigerung oder der Arrest stattfinden soll, zum Behüte der bevorstehenden Reise eingegangen ist. Anm. 1

Anm. 2 Anm. 3

I. 1. Der Paragraph ordnet im Interesse der Gesamtheit der Schiffsinteressenten fttr gewisse Fälle die Unzulässigkeit gewisser Maßregeln an, welche das Schiff in seiner Fahrt aufhalten wttrden. Seine Bestimmungen sind prozessualer Natur. Sie gelten f ü r inländische (eingetragene und nicht eingetragene) wie f ü r ausländische Kauffahrteischiffe in deutschen Häfen ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 113). Vgl. K o r n m a n n , Die vorsorgliche Beschlagnahme von Seeschiffen, Diss. Zürich 1957, S. 43ff. Unzulässig ist die Anordnung der Zwangsversteigerung und die Anlegung des Arrests gegen ein segelfertiges Schiff. D i e e r s t e r e a b e r n u r , w e n n sie s e i t e n s e i n e s G l ä u b i g e r s , n i c h t a u c h , w e n n sie g e m ä ß § 126 K O s e i t e n s d e s K o n k u r s v e r w a l t e r s v e r a n l a ß t i s t . Denn das Gesetz will nur die Festhaltung des Schiffes g e g e n d e n W i l l e n d e s R e e d e r s verhüten, an dessen Stelle der Konkursverwalter tritt. Letzterer kann das Schiff in Besitz und Verwaltung nehmen, auch wenn es segelfertig ist (§ 117 KO); er ist in der Lage, die Abreise des segelfertigen Schiffes zu verhindern, vielleicht aus gutem Grunde, etwa weil es nicht versichert ist oder zur Vermeidung einer persönlichen Haftung aus § 774, vielleicht willkürlich. Kann er aber das Schiff selbst festhalten, so kann auch die von ihm nach § 126 KO erwirkte Anordnung der Zwangsversteigerung nicht unzulässig sein (Bestr.; wie hier S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 482; zweifelnd J a e g e r , Konkursordnung, 6./7. Aufl. 1931, Anm. 21b zu §1 KO; a.A. W ü s t e n d ö r f e r H B 288). Unberührt bleibt weiter die strafprozessuale Beschlagnahme. 2. Über die Anordnung der Zwangsversteigerung und die Arrestvollziehung in ein Schiff vgl. Dritter Teü viertes Kapitel I I (Bd. I S. 553 ff.). II. 1. Vorausgesetzt wird ein zum Abgehen fertiges „segelfertiges" Schiff, d.h. ein Schiff, gleichgültig, ob beladen oder in Ballast (letzterenfalls gleichgültig, ob es gechartert ist oder noch Fracht sucht), dessen Führer rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, in See zu stechen. Es muß also nicht nur die Ladung beendet, die Mannschaft komplett sein, es müssen auch die notwendigen Schiffspapiere in der Hand des Kapitäns, alle zur Erfüllung der notwendigen Förmlichkeiten (wie zollamtliche und hafenpolizeiliche Abfertigung) erforderlichen Schritte getan sein; indessen kann man, ohne das Gesetz nahezu unpraktisch zu machen, nicht die v o l l s t ä n d i g e Erledigung solcher Förmlichkeiten f ü r den Begriff der Segelfertigkeit erfor24

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§482

dem, weil diese Erledigung gewöhnlich erst im letzten Moment der Abreise eintritt. Maßgebend ist im Falle der Zwangsversteigerung der Moment der Anordnung, im Falle des Arrests derjenige der Ausführung der Maßregel (so auch M i t t e l s t e i n , Deutsches Schiffspfandrecht und Schiffsgläubigerrecht, 1889 S. 118), ebenso im Falle der Mobiliarpfändung. A. A. S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 1 zu § 481, nach welchem auch schon beim Arrest dessen Anordnung (§ 922 ZPO) unzulässig ist, nicht erst seine Vollziehung (§§ 930, 931 ZPO). W e i t e r e E i n z e l h e i t e n aus Rechtsprechung u. Schrifttum: Segelfertigkeit liegt noch nicht vor, wenn der Kapitän noch nicht an Bord ist, oder wenn wegen der Flutverhältnisse die Abfahrt des Schiffes nicht angebracht ist (HansOLG HansGZ 21, 76 = HansRZ 21, 107). Wenn jedoch das Schiff infolge anderer äußerer Umstände (z.B. Wetterverhältnisse) nicht ausfährt, so geht die Beschlagnahmefreiheit nicht verloren ( M i t t e l s t e i n , a.a.O., S. 118ff.). Im allgemeinen wird das Schiff als segelfertig vermutet, sobald der Kapitän im Besitz aller zur Ausfahrt nötigen Papiere ist (so für das französische Recht R i p e r t , Précis de Droit Maritime, 6. Aufl. 1952 S. 149). Ist aber ein Schiff zwar schon mit den Papieren versehen, weil es vielleicht in der Nacht oder an einem Feiertag ausfahren soll, oder wenn gewissen Küstenschiffen die Papiere ständig überlassen bleiben, ist es aber tatsächlich nicht abfahrbereit, dann kann es noch nicht als segelfertig gelten (Handelsgericht Marseille, Rev. Dor Sup. Bd. 8, S. 35 und Handelsgericht Rouen, Rev. Dor Sup. Bd. 9, S 24). Ist das Schiit ausgefahren, so muß der Zustand der Segelfertigkeit und damit das Privilegium der Beschlagnahmefreiheit bis zur Beendigung der eingegangenen Frachtverträge als fortbestehend erachtet werden, also auch während das Schiff sich in einem Zwischen- oder Nothafen befindet ( W a g n e r HB 133, 315; W ü s t e n d ö r f e r SHR 113; anders: S i e v e k i n g 77; B r o d m a n n , Seegesetzgebung des deutschen Reiches, 2. Aufl. 1905 Note 1), es müßte denn sein, daß die Reise dort ihr Ende erreicht (Boyens Bd. 1 S. 165). Im Zweifel wird der Richter entscheiden müssen, ob es sich um die Fortsetzimg einer begonnenen oder um den Antritt einer neuen Reise handelt (vgl. K o r n m a n n , a.a.O. S. 45). Siehe auch OLG Hamburg Hansa 1953 S. 2082 (Aufenthalt in Kanalschleuse). 2. Anordnung der Zwangsversteigerung und Arrestvollziehung sind unzulässig, g l e i c h v i e l ob sie a u f G r u n d e i n e s d i n g l i c h e n , o b l i g a t o r i s c h e n o d e r e i n e s S c h i f f s g l ä u b i g e r a n s p r u c h s b e a n t r a g t sind. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der genannten Maßregeln sind vom Schuldner gemäß § 766 ZPO geltend zu machen. Vgl. auch M i t t e l s t e i n , a.a.O., S. 118ff.; A l b r e c h t , Hansa 1956, S. 1145; K o r n m a n n , a.a.O. S. 45. In Italien ist es möglich, das Arrestverbot durch Vereinbarung aller Beteiligten zu beseitigen (vgl. G u i d i , Revue Dor. Bd. 9, S. 133). 3. Eine sehr wichtige Ausnahme, die die Lebensbedeutung des Beschlagnahmeverbots sehr gering macht, gilt für die zum Behuf der bevorstehenden Reise gemachten Schulden, wie diejenigen an die Lieferanten von Proviant und Ausrüstung (Prot. 1492). „Zum Behufe der Reise", d.h. zum Zwecke ihrer Ausführung, aber sind nicht eingegangen die b e i G e l e g e n h e i t d e r s e l b e n k o n t r a h i e r t e n V e r b i n d l i c h k e i t e n , wie diejenigen gegen die Ablader oder Befrachter (anders RGZ 32 Nr. 15). Mit R e c h t b r i n g t die h e r r s c h e n d e A n s i c h t (RGZ 32, 58; W ü s t e n d ö r f e r SHR 113; A l b r e c h t Hansa 1956 S. 1145; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 3 zu § 482) die A u s n a h m e v o r s c h r i f t des A b s . 2 z u r e n t s p r e c h e n d e n A n w e n d u n g a u f a l l e A n s p r ü c h e , die nach der Sachlage vor E i n t r i t t der S e g e l f e r t i g k e i t n i c h t g e l t e n d g e m a c h t w e r d e n k o n n t e n , weil sie erst im letzten Augenblick vor Eintritt der Segelfertigkeit oder erst nachher entstanden sind; z.B. Anspruch eines Ladungsempfängers auf Schadensersatz wegen Teilverlustes der Ladung, wenn er hingehalten wurde bis zur völligen Entlöschung des Schiffes und dann das Schiff sogleich in Ballast wieder auslaufen will, vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 113. Oder: Arrest wegen der Forderung des Abladers auf Zeichnung richtiger Konnossemente (RGZ 32, 58; P a p p e n h e i m H B 3 S. 222 Anm. 3); Arrestierung eines im Nothafen befindlichen Schiffes auf Grund eines nach der Ausfahrt entstandenen Ansegelungsanspruchs (HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 58). 4. Die Nichtarrestierbarkeit des Schiffes gilt auch f ü r sein Z u b e h ö r . III. Über die Haftung des V e r s i c h e r e r s f ü r Arrestgefahr s. § 36 ADS. IV. Unzulässigkeit der Verhaftung von Besatzungsmitgliedern eines segelfertigen Seeschiffes. Die Haft, d.h. die Vollstreckung eines gemäß § 901 ZPO angeordneten Haftbefehls, 25

Anm. 4

Anm. 5

Anm. G Anm. 7 Anm. 8

§ § 483, 484

Vierter Teil. Seehandelsrecht

und ebenso die Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestes ist nach §§ 904 Nr. 3, 933 ZPO unstatthaft gegen den Schiffer, die Schiffsmannschaft und alle übrigen auf einem Seeschiffe (also nicht bloß See-Erwerbsschiff) angestellten Personen, wenn das Schiff zum Abgehen fertig (segelfertig) ist. Dem Fall des § 901 ZPO sind gleichzustellen diejenigen der §§ 888 und 889 ZPO, aber nicht die auf ganz anderer Grundlage beruhenden Fälle der §§ 380 Abs. 1, 390 Abs. 1 und 2, 890 ZPO (anders L.Perels ZHR Bd. 57 S. 402), die §§ 178flf. GVG, § 8 FGG und die Fälle der Verhaftung und vorläufigen Festnahme im Strafprozeß. Zur „Schiffsmannschaft" sind trotz § 481 HGB auch die Schififsoffiziere zu rechnen. Es kommt der gesamte Personenkreis der §§ 3 und 7 Abs. 1 und 2 SeemG in Betracht. Anm. 9 V. 1. Im f r a n z ö s i s c h e n Recht (Art. 215 c. com.) und in vielen ihm folgenden Rechten (so I t a l i e n Art. 465d c. nav.; siehe im übrigen B o y e n s Bd. 1, S. 164 Anm. 1) findet sich ebenfalls das Verbot der Arrestierung des segelfertigen Schiffes. Zwar ist in Frankreich nur die Beschlagnahme auf Grund eines vollstreckbaren Titels, d.h. die eigentliche Zwangsvollstreckung in ein segelfertiges Schiff, vom Gesetz eingehend geregelt. Doch werden diese Vorschriften nach ständiger Praxis auf den Arrest entsprechend zur Anwendung gebracht. In Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika fehlt ein Beschlagnahmeverbot für ein segelfertiges Schiff. In Belgien wurde das Beschlagnahmeverbot 1908 aufgehoben. In Frankreich war bisweilen umstritten, ob der Schutz, der einem segelfertigen Schiff gewährt wird, nur französische oder auch fremde Schiffe betrifft. Im ersteren Sinne hatte sich das Zivilgericht Le Havre ausgesprochen. Vgl. Revue Autran Bd. XX, S. 44. Die herrschende Auffassung ist indessen für die Gleichbehandlung aller Schiffe in diesem Punkt. Vgl. neuerdings Appellationsgericht Aix DMF1955 S. 157; ebenso R i p e r t , Précis de Droit Maritime, 6. Aufl. 1952 S. 150. Siehe auch K o r n m a n n , a.a.O. S. 44. Anm. 10 VI. Über die Immunität von Staatsschiffen vgl. dritter Teil viertes Kapitel I I (Bd. I S . 574). § 483 Wenn in diesem vierten Buche die europäischen Haien den außereuropäischen Häfen entgegengesetzt werden, so sind unter den ersteren sämtliche Häfen des Mittelländischen, Schwarzen und Asowschen Meeres als mitbegriffen anzusehen. Anm,

Die in § 861 HGB wiederholte Bestimmung war von Bedeutung für den durch das SeemG aufgehobenen § 551 Abs. 2 HGB. Zweiter Abschnitt Reeder und Reederei

§ 484 Reeder Ist der Eigentümer eines ihm zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiffes. S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r Studien S. lOOff.; ders. HB 290ff.; ders. SHR 114f.; J. v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958, § 81; W i l l n e r , Die Zeitcharter (Übersee-Studien Heft 22), 1953; H. J a n s s e n , Die Zeitcharter (Leipziger Rechtsw. Stud., Heft 6, 1923); W. R i e d , Der Zeitcharterer als Reeder (Diss. Hamburg 1937); Spiliop o u l o s ZHR Bd. 98 S. 98ff.; H. Möller HansRGZ 1937 A Sp. 411; K. von L a u n , Die Risiken des Reeders und ihre Abdeckung, Sonderbeilage zu den Mitteilungen der „Handelskammer Bremen", Heft 7 vom 1. 4. 1957; L ü d e r s , Gedanken zum Zeitcharter- und Reederproblem, Diss. Hamburg 1939. Siehe für das spanische Recht auch T e n a , La evolución de la estructura y significado económico-jurídicos de la empresa en DerechoMarítimo,Valladolid 1958. Einleitg. Der Paragraph gibt die Begriffsbestimmung des Reeders für den Bereich der privatrechtlichen Vorschriften des HGB und der mit ihm zusammenhängenden Gesetze. W e i t e r ist der Reederbegriff im Sinne gewisser öffentlich-rechtlicher Bestimmungen, nach welchen entweder jeder Eigentümer eines Kauffahrteischiffes, gleichviel ob es ihm s e l b s t zum Erwerb durch die Seefahrt dient, oder gar der Eigentümer eines j e d e n Fahrzeugs, das unter deutscher Flagge fährt und ausschließlich oder vorzugsweise zur Seefahrt benutzt wird, Reeder heißt. 26

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§484

Auch der Sprachgebrauch des täglichen Lebens faßt den Reederbegriff weiter als § 484. Der Reederbegriff des § 484 findet seine Ergänzung in dem des Ausrüsters nach § 510 HGB. Der Korrespondentreeder (siehe über diesen § 492 HGB) und der sog. Vertragsreeder (vgl Anm. 2 zu § 492 HGB) sind als solche nicht Reeder im Sinne des § 484. 1. Erforderlich ist nach § 484 zunächst das Eigentum an einem zur Seefahrt dienenden Schiff. Doch ist zwischen dem Eigentümer des Schiffes und dem Reeder zu unterscheiden: zwar ist jeder Reeder notwendig auch Eigentümer des Schiffes, aber umgekehrt braucht das nicht der Fall zu sein, z. B. wenn der Eigentümer sein Schiff so vermietet, daß der Mieter Ausrüster im Sinne des § 510 HGB wird. Auch macht der Reederbegriff den des Eigentümers nicht wertlos. So knüpfen insbesondere das SchRG und die SchRO und öffentlich-rechtliche Pflichten an letzteren an. Nicht Voraussetzung f ü r die Reedereigenschaft ist, daß das Schiff zum Schiffsregister eingetragen ist. Hinsichtlich der weiteren Begriffsmerkmale ist zu bemerken: a) Nur der Eigentümer e i n e s ihm z u m E r w e r b d u r c h d i e S e e f a h r t d i e n e n d e n S c h i f f e s i s t R e e d e r , also nicht: aa) Der Eigentümer eines Schiffes, das nicht ihm, sondern einer anderen Person — einem Nießbraucher, gutgläubigen oder bösgläubigen Besitzer, Leiher usw. — zum Erwerb durch die Seefahrt dient. Wo freilich das Schiff einem M i e t e r hingegeben ist, ohne daß die Vorbedingungen der Ausrüstung (§ 510) vorliegen, verwendet es auch der Eigentümer, da er Miete daraus zieht, zum Erwerb durch die Seefahrt und ist deshalb Reeder. Das ist herrschende Ansicht; vgl. P a p p e n h e i m H B 3 S. 99; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 170; anscheinend, aber nicht klar, so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 114f.; a.A. W i l l n e r , Zeitcharter S. l l f . , der aber übersieht, daß gerade bei der Zeitcharter, die den Charterer nicht zum Ausrüster macht, Eigentümer u n d Charterer verwenden. Das aber genügt f ü r §484. Die Unternehmerfunktion des Vermieters liegt hier in der Beschaffung der Besatzung und der Ausrüstung, in der Zurverfügungstellung eines in jeder Weise betriebsfähigen Schiffes und in der (regelmäßig gewerbsmäßigen) Entgegennahme des Mietszinses. Gemeint sind hier aber nur Zeitcharterverträge, die Mietverträge sind. Handelt es sich bei der Zeitcharter um einen F r a c h t vertrag (vgl. Anm. 16 in der Vorbemerkung vor § 556 H G B darüber, wann die Zeitcharter das eine oder das andere ist), so ergibt sich die Unternehmerfunktion des Verscharterers ohne weiteres aus seiner Stellung als Verfrachter; siehe Anm. 3. bb) Einer der unter aa genannten Nichteigentümer, der das Schiff f ü r seine Rechnimg zum Erwerb durch die Seefahrt verwendet. Der strenge Reederbegriff mit seiner Verquickung von Eigentum und Eigennutzung kann dazu führen, daß ein Schiff r e e d e r l o s wird, wenn dem Eigentum ausschließliche Fremdnutzung gegenübertritt. Gemildert wird diese Folge freilich dadurch, daß nach § 510 u n t e r gewissen Voraussetzungen der oben unter aa g e n a n n t e N i c h t e i g e n t ü m e r i m V e r h ä l t n i s zu D r i t t e n a l s R e e d e r a n g e s e h e n w i r d . Auch kann Art. 7 EG H G B eingreifen. b) N u r d e r E i g e n t ü m e r e i n e s i h m zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes ist Reeder. Die Begriffe Seefahrt und Erwerb durch Seefahrt sind im dritten Teil, erstes Kapitel, Anm. 16 (Bd. I S . 234) erörtert worden. Gewerbsmäßigkeit, d.h. dauernde Erwerbsabsicht, wird auf Seiten des Reeders nicht gefordert (h. A.; anders S c h r ö d e r Z H R Bd. 32 S. 81). Über das „Dienen" zum Erwerb durch die Seefahrt vgl. auch dritter Teil, erstes Kapitel, Anm. 16, wo dargelegt wurde, daß darunter nicht nur eine tatsächliche Verwendung im Einzelfall zu verstehen ist. Vielmehr beginnt das „Dienen" bereits mit der Bestimmung zum Dienen, sofern nur die Verwendungsabsicht durch Handlungen äußerlich dargetan ist, z.B. durch Abschluß von Transportverträgen, Heuerung von Mannschaft, Bestellung von alsbald an Bord zu nehmenden Ausrüstungsgegenständen. Fehlt es allerdings an solchen äußeren Merkmalen, so genügt die bloße Absicht, das Schiff zum Erwerb durch Seefahrt zu verwenden, nicht; so auch S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 484. Somit ist bei Vorliegen dieser Voraussetzungen aa) Auch bereits Reeder der Eigentümer eines neugebauten, zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffes, auch wenn die Verwendimg dazu noch nicht begonnen hat (anders 27

Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

§484

Anm. 5

Amn. 6 Anm. 7

Anm. 8

Anm. 9

Anm. 10

Amn. 11 Anm. 12 Anm. 13

Anm. 14

Vierter Teil. Seehandelsrecht

die zweite Auflage dieses Kommentars, Anm. 5 zu § 484); dagegen ist nicht mehr Reeder der Eigentümer eines früher als Seeschifl verwendeten und ins Seeschiffsregister eingetragenen, aber jetzt nur zur Flußschiffahrt dienenden Schiffes (RG SeuffA Bd. 38 Nr. 51; vgl. aber § 6 SchRO). bb) Nicht Reeder der Eigentümer eines Binnenschiffes. Etwas anderes gilt nur f ü r den Zeitraum, in welchem dasselbe gelegentlich zur Seeschiffahrt verwendet wird. Doch wird damit das Binnenschiffahrtsrecht f ü r Dauerrechtsverhältnisse am Schiff nicht ausgeschlossen. Vgl. dritter Teil erstes Kapitel Anm. 13. Siehe ebendort Anm. 11, wann ein Schiff ein Seeschiff oder ein Binnenschiff ist. Da, wie dort ausgeführt, ein Schiff, das regelmäßig zur Seefahrt und zur Binnenfahrt verwendet wird, nach Seerecht zu behandeln ist, soweit es sich um Rechtsfragen handelt, die nicht aus der konkreten Reise herrühren, ist sein Eigentümer Reeder, weil es auch zum Erwerb durch Seefahrt dient. c) Die Reedereigenschaft entsteht durch das Eigentum eines konkreten, einzelnen Schiffes: Wer mehrere, ihm zum Seefahrtserwerb dienende Schiffe hat, ist m e h r f a c h e r R e e d e r . 2. Reeder können sein a) eine physische Person; b) eine juristische Person; auch der Fiskus ist es, z.B. hinsichtlich staatlicher Handelsschiffe, oder wenn er das Lotsengewerbe betreibt ( R 6 HansGZ 1894 Nr. 88 = SeuffA Bd. 50 Nr. 109; unentschieden RGZ 39 Nr. 47); ferner als Eigentümer von Kanalschleppern (RGZ 45 Nr. 41) und Bugsierschiffen (LG Hamburg HansGZ 1905 Nr. 6); aber nicht als Eigentümer von Zollkreuzern, Feuerschiffen (RGZ 38, 86; 47, 193); Staatsbaggern (AppG Kiel SchlHolst Anz. 1876 S. 195) oder Marinetransportschiffen (OLG Kiel SeuffA Bd. 38 Nr. 50 = SchlHolst Anz. 1880 S. 206). c) Mehrere physische oder juristische Personen, sei es, daß sie eine Handelsgesellschaft (OHG, KG) oder die dem Seerecht eigentümliche Gesellschaftsform der Reederei (§§ 489ff.) bilden. I m ersteren Falle sind nicht nur die Gesellschafter (auch der Kommanditist: W a g n e r H B 175; S c h r ö d e r ZHR Bd. 82 S. 85), sondern auch die Gesellschafter selbst Reeder: das ergeben die §§ 124, 161 Abs. 2 HGB. 3. Kaufmann ist derjenige Reeder als solcher, dessen Gewerbebetrieb die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden oder die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer zum Gegenstand hat (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 HGB); jeder andere nur unter den Voraussetzungen des § 2 HGB. Siehe auch § 6 Abs. 2 HGB, ferner § 4 Abs. 1 HGB und Allg. Einl. zum vierten Buch des HGB Anm. 5. Es ist also ungenau, wenn der Reeder gelegentlich als Kaufmann des Seerechts bezeichnet wird. 4. I n d a s S e e s c h i f f s r e g i s t e r w i r d n i c h t d e r R e e d e r , s o n d e r n d e r E i g e n t ü m e r e i n g e t r a g e n , §§ 11 Abs. 1 Ziff. 6, 16 Abs. 1 SchRO. Das hat seinen Grund darin, daß in das Register nicht nur die zum Erwerb durch Seefahrt, sondern auch die anderen zur Seefahrt bestimmten Schiffe eingetragen werden (vgl. § 3 Abs. 2 SchRO) und daß die Rechtsfolgen, die an die Eintragung geknüpft sind, vornehmlich außerhalb des vierten Buches des HGB liegen. Nur bei einer Partenreederei sind die Mitreeder einzutragen (§§11 Abs. 1 Ziff. 6, 16 Abs. 1 SchRG), denn die Partenreederei kann nur an See-Erwerbsschiffen bestehen. 5. Sitz des Reederbetriebs ist regelmäßig derjenige Ort, von welchem aus (im rechtlichen Sinne) die Seefahrt mit dem Schiffe betrieben wird, also der Heimathafen im Sinne des HGB. Vgl. Anm. 1 zu § 480. 6. Der Reederbegriff ist im System des Seerechts unentbehrlich. Auf ihn bezieht sich eine Vielzahl von Rechten und Pflichten und wichtigen Bestimmungen, so die §§ 485, 486, 754, 761 HGB, um nur einige besonders hervorzuheben. 7. D e r B e g r i f f d e s R e e d e r s i s t n i c h t m i t d e m d e s V e r f r a c h t e r s gleichzusetzen. Zwar können beide personengleich sein. Sie brauchen es aber nicht. Verfrachter ist derjenige, der sich verpflichtet, einen Frachtvertrag im eigenen Namen auszuführen. Geschieht das mit einem ihm gehörenden Schiff, so ist er gleichzeitig Reeder. 8. Der Eigentümer eines ihm nicht zum Erwerb durch Seefahrt dienenden Schiffes, der also nicht Reeder ist, ist nicht ganz vom vierten Buch des HGB ausgeschlossen. Gemäß Art. 7 EGHGB finden die Vorschriften des § 485 und § 486 Abs. 1 Nr. 3 des HGB über die Haftung des Reeders f ü r das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung sowie die Vorschriften der §§ 734 bis 739 HGB über die Haftung im Falle des Zusammenstoßes von Schiffen auch Anwendung, wenn die Verwendung eines Schiffes zur Seefahrt nicht des Erwerbes wegen erfolgt. 28

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§484

9. E i s e n b a h n f ä h r e n — die in der Bundesrepublik Deutschland ausschließlich von der Anm. 15 Deutschen Bundesbahn betrieben werden — sind als See-Erwerbsschiffe im Sinne des § 484 anzusehen. Sie sind Nebenbetriebe der Bundesbahn (vgl. G l ä s e r , Neues See- und Binnenschiffahrtsrecht, 1957 S. 195; f ü r die ehemalige Deutsche Reichsbahn vgl. S a r t e r - K i t t e l , Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft, 3. Aufl., 1931 S. 27) und unterliegen als solche der Betriebsführung nach kaufmännischen Grundsätzen (vgl. §§ 4, 28 BundesbahnG v. 13.12. 1951, BGBl. I S . 955). Dem steht nicht entgegen, daß es sich um Schifle der öffentlichen H a n d handelt, da die Eisenbahnfähren ihrer Bestimmung nach der entgeltlichen Beförderung von Personen und Gütern dienen. Reeder der Eisenbahnfähren ist die Deutsche Bundesbahn. Diese ist zwar nach § 1 BundesbahnG de iure nicht rechtsfähig; sie besitzt aber nach § 2 Abs. I dieses Gesetzes de facto so wesentliche Elemente der Rechtsfähigkeit, daß ihr die Reedereigenschaft zugesprochen werden kann. 10. Internationale Reederverbände. Anm. 16 Der älteste und bedeutendste von ihnen ist die im Jahre 1905 in Kopenhagen gegründete Baltic and White Sea Conference, seit 1926 als T h e B a l t i c a n d I n t e r n a t i o n a l M a r i t i m e C o n f e r e n c e bezeichnet. Vgl. über sie Hansa 1955 Nr. 20/21. Sie war ursprünglich eine Vereinigung der an der Ostsee- und Weißmeerfahrt beteiligten Reeder mit dem Zweck, Minimalfrachten f ü r Schnittholz und einheitliche Charterbedingungen zu schaffen, auch zwecks sonstiger Wahrnehmung der Reederinteressen. Als man sich 1926 entschloß, die Bezeichnung der Konferenz zu ändern, sollte dieses dem Tatbestande der bereits erfolgten Erweiterung des Tätigkeitsbereichs der Konferenz über Ostsee und Weißes Meer hinaus Ausdruck verleihen. Heute umfaßt die Konferenz mit Häfen und Fahrtbereichen die ganze Welt, wobei aber ein erheblicher Teil der Aufmerksamkeit immer noch der europäischen F a h r t und der mittleren Fahrt gilt. Mitglieder der Konferenz sind seit 1909 auch Schiffsmakler. Eine weitere Mitgliedergruppe bilden die sog. Mitgliedsverbände, zu denen fast alle nationalen Reederverbände und die hauptsächlichsten Haftpflicht-, Schutz- und Interessenverbände Europas gehören (so der Verband Deutscher Reeder, der Schutzverein Deutscher Rheder, der Verband Deutscher Küstenschiffer). I m Laufe ihrer 50 jährigen Tätigkeit hat sich die Konferenz mit Erfolg um die Schaffung solider Geschäftsusancen, die Einführung übersichtlicher Hafen- und Stauertarife, die Herausgabe einheitlicher Charterverträge und anderer Schiffahrtspapiere, die Aufbesserung von Frachtraten sowie die Beseitigung von Mißbräuchen bemüht. Ihre Tätigkeit ist nicht nur f ü r ihre Mitglieder von Bedeutung, sondern auch f ü r Befrachter, Ablader und Empfänger. Eine Vereinigung der nationalen Reederverbände zur Behandlung wirtschaftlicher Fragen ist die I n t e r n a t i o n a l C h a m b e r of S h i p p i n g mit dem Sitz in London. 11. Ausländisches Recht. I m französischen Recht entspricht dem Begriff des Reeders Anm. 17 der des armateur. Vgl. über ihn R i p e r t , Droit Maritime, Bd. I Nr. 731 ff. Er ist, wie der Reederbegriff, an das Merkmal des Erwerbs durch Seefahrt gebunden. Gleiches gilt f ü r den armatore des italienischen Rechts; vgl. über diesen F e r r a r i n i HansRGZ 1942 A 103 Anm. 10. Von einem weiten Reederbegriff geht das neue griechische Seegesetz von 1958 aus. Ein Erwerb durch Seefahrt ist f ü r ihn nicht erforderlich. Jede Person, die die Seefahrt betreibt, ganz gleichgültig ob zu Erwerbszwecken oder nicht, fällt unter die Herrschaft des Privatseerechts. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen den drei im Seegesetz verwendeten Begriffen des Reeders, Schiffseigentümers und Ausrüsters hegt also nicht im Erwerbsmoment. Reeder und Schiffseigentümerhaben das Schiffseigentum als gleiche rechtliche Grundlage, während der Ausrüster in keinem sachenrechtlichen Verhältnis zum Schiff steht. Reeder ist aber nur derjenige Schiffseigentümer, der den Betrieb des Schiffes in eigener Regie hat, während der bloße Schiffseigentümer diesen einem Ausrüster überlassen hat. Vgl. S t e f a n o p o u l o s Z H R Bd. 122 S. 58f. Dem englischen Recht ist ein besonderer Reederbegriff unbekannt. Es kennt nur den des Ship-Owner, der sachenrechtliche und haftungsmäßige Bedeutimg hat. Ebenso das norwegische, schwedische und dänische Recht; vgl. Art. 7 der Seegesetze von 1893. I m niederländischen und schweizerischen Recht umfaßt der Reederbegriff den des deutschen Reeders und Ausrüsters. 29

§ 484 Anhang

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anhang zu § 484 Gesetz zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt Vom 16. Juni 1958 (BGBl. I I S. 158) DerBundestag hat mitZustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Dem in Pretoria durch Notenwechsel vom 9. Mai/26. August 1955 und vom 17./ 28. September 1956 geschlossenen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt wird zugestimmt. Die Notenwechsel werden nachstehend veröffentlicht. Artikel 2 (1) Das Gesetz gilt auch im Land Berlin, sofern das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes feststellt. (2) Das Gesetz gilt im Saarland vom Ende der Übergangszeit nach Artikel 3 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage vom 27. Oktober 1956 (Bundesgesetzbl. I I S. 1587) an.

Am

Artikel 3 (1) Dieses Gesetz t r i t t am Tage nach seiner Verkündung in K r a f t . (2) Der Tag, an dem das Abkommen nach seinem Artikel V Abs. 2 in K r a f t tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekanntzugeben. Gemäß Bek. vom 19. 12. 1958 (BGBl. 1959 II S. 1) ist das Abkommen nach seinem Art. V Abs. 1 am 1. 7. 1958 in Kraft getreten. Bestimmungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Schiffahrt finden sich auch in folgenden Abkommen: Brasilien, Vereinbarung über den Warenverkehr v. 17. 8. 1950 (BGBl. 1951 II S. 11; 1352 II S. 604; BA1953Nr. 212), Chile, Handelsvertrag v.2.2.1951 BGBl. 1952IIS.325; 1953IIS. 128). Außerdem bestehen Doppelbesteuerungsabkommen allgemeiner Art mit Dänemark, Finnland, Großbritannien, Italien, Kanada, Luxemburg, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika. Vgl. Hansa 1956 S. 1054. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Südafrikanischen Union zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Pretoria Tgb. Nr. 550-01/55 9. Mai 1955 SL/B Herr Minister, Da die Bundesrepublik Deutschland und die Südafrikanische Union den Wunsch haben, ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der L u f t f a h r t zu schließen, beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Bundesrepublik Deutschland bereit ist, mit der Südafrikanischen Union das folgende Abkommen zu schließen: Artikel I I m Sinne dieses Abkommens bedeuten die Begriffe: „Der Betrieb des See- oder Lufttransports" den Betrieb des Transports von Personen, Nutzvieh, Waren oder Postsachen durch eigene oder gecharterte Schiffe oder Luftfahrzeuge; 80

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Anhang § 484

„Deutsches Unternehmen" die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben und nicht in der Südafrikanischen Union ansässig sind, sowie Körperschaften oder Personengesellschaften, die nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland errichtet sind und dort ihre Geschäftsleitung haben; „Unternehmen der Union" die Regierung der Südafrikanischen Union, natürliche Personen, die in der Südafrikanischen Union ansässig sind und nicht in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sowie Körperschaften oder Personengesellschaften, die nach dem Recht der Südafrikanischen Union errichtet sind und dort ihre Geschäftsleitung haben. Artikel II (1) Die Bundesrepublik Deutschland befreit alle Einkünfte aus dem Betrieb des See- oder Lufttransports zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten durch Unternehmen der Union, die sich mit derartigen Transporten befassen, von der Einkommensteuer und allen anderen Steuern von Einkommen und Gewinn, die in der Bundesrepublik Deutschland erhoben werden. (2) Die Südafrikanische Union befreit alle Einkünfte aus dem Betrieb des See- oder Lufttransports zwischen der Südafrikanischen Union und anderen Staaten durch deutsche Unternehmen, die sich mit derartigen Transporten befassen, von der Einkommensteuer und allen anderen Steuern von Einkommen und Gewinn, die in der Südafrikanischen Union erhoben werden. A r t i k e l III Dieses Abkommen gilt für alle Einkünfte und Gewinne, die vom 1. Juli 1951 an bezogen worden sind oder werden. A r t i k e l IV Dieses Abkommen gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der Südafrikanischen Union innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Abkommens eine gegenteilige Erklärung abgibt. Artikel V (1) Dieses Abkommen bleibt auf unbestimmte Zeit in Kraft. (2) Der Tag des Inkrafttretens wird in einem Notenwechsel vereinbart werden, der in Bonn stattfinden soll. (3) Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen der anderen Partei gegenüber schriftlich kündigen. In diesem Falle verliert das Abkommen seine Gültigkeit von dem 1. Juli an, der dem Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der schriftlichen Kündigung folgt. Sollte der vorstehende Text die Billigung der Südafrikanischen Union finden, so schlage ich vor, daß diese Note und das Bestätigungsschreiben Eurer Exzellenz den Abschluß des vorgeschlagenen Abkommens zwischen unseren beiden Staaten darstellen. Genehmigen Sie, Herr Minister, den erneuten Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Dr. S t r o h m Herrn E. H. L o u w , Minister für Auswärtige Angelegenheiten Kapstadt 31

§ 484 Anhang

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Südafrikanische Union Außenministerium Pretoria

26-8-1955

Exzellenz, Ich beehre mich, Ihnen hiermit den Empfang Ihrer Note vom 9. Mai 1955 zu bestätigen. Die Note hatte folgenden Wortlaut: (Es folgt der englische Wortlaut der vorstehenden Note vom 9. 5. 1955). In Erwiderung hierauf beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Regierung der Südafrikanischen Union sich mit den vorgenannten Bedingungen einverstanden erklärt und daß Ihre Note und das vorliegende Antwortschreiben als Abkommen zwischen unseren beiden Ländern angesehen werden sollen. Genehmigen Sie, Exzellenz, den erneuten Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Minister für Auswärtige Angelegenheiten E. H. L o u w Seiner Exzellenz Herrn Dr. G. S t r o h m Botschafter der Bundesrepublik Deutschland P. 0 . Box 2023 Pretoria

Pretoria der Bundesrepublik Deutschland Botschaft Tgb. Nr. 550-01/56

17. September 1956

Herr Minister, Ich beehre mich, die deutsche Fassung meiner in englischer Sprache abgefaßten Note vom 9. Mai 1955 beizufügen, mit der die Bundesrepublik Deutschland vorschlug, ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt zu schließen, und anzufragen, ob Ihre Regierung bereit wäre, die deutsche Fassung der Note als in gleicher Weise maßgebend und verbindlich wie die englische Fassung der ursprünglichen Note anzuerkennen: (Es folgt der Wortlaut der deutschen Fassung der Note vom 9. 5. 1955), Sollte die Regierung der Südafrikanischen Union bereit sein, die englische und die deutsche Fassung des Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt als in gleicher Weise maßgebend und verbindlich anzuerkennen, würde es begrüßt werden, wenn dies durch Übersendung der deutschen Fassung Ihrer ursprünglichen Note vom 26. August 1955 an die hiesige Botschaft notifiziert werden könnte. Genehmigen Sie, Herr Minister, den erneuten Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Strohm Herrn E . H. L o u w , Minister für Auswärtige Angelegenheiten Pretoria 32

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB Südafrikanische Union Außenministerium Pretoria

§485 41/1/2

28. September 1956 Exzellenz, Ich beehre mich, auf Ihre Note Nr. 550-01/56 vom 17. September 1956 Bezug zu nehmen, in der Sie um Anerkennung der deutschen Fassung Ihrer Note vom 9. Mai 1955 baten, mit der die Bundesrepublik Deutschland vorgeschlagen hatte, ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der L u f t f a h r t zu schließen. Ich füge die deutsche Fassung meiner Note vom 26. August 1955 bei, mit der die Südafrikanische Union das genannte Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Einkünften aus dem Betrieb der Seeschiffahrt und der Luftfahrt geschlossen hat, und bekunde damit, daß meine Regierung der Bitte Eurer Exzellenz, die deutsche Fassung des Abkommens als in gleicher Weise maßgebend und verbindlich anzuerkennen, entspricht. (Es folgt der Wortlaut der deutschen Fassung der vorstehenden Note vom 26. 8. 1955.) Genehmigen Sie, Exzellenz, den erneuten Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. Für den Minister für Auswärtige Angelegenheiten G. P. J o o s t e Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten Seiner Exzellenz Herrn Dr. G. S t r o h m , Außerordentlichem und Bevollmächtigtem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Pretoria § 485 Der Reeder ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Seelotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Er haftet den Ladungsbeteiligten jedoch nur soweit, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat. S c h r i f t t u m : W a g n e r HB 178ff.; P a p p e n h e i m HB 2 S. 207ff.; W ü s t e n d ö r f e r HB 319ff. und SHR 124ff. ; ders., in Veröffentlichungen der Vereinigung der Handelsrechtslehrer, Heft 1, 1929, S. 21ff.; W ü s t e n d ö r f e r und Capelle HansRGZ 1939, lff.; R e h m e , Die geschichtliche Entwicklung der Haftung des Reeders, 1891; K. von L a u n Hansa 1951 S. 1460ff. ; R ö h r e k e Hansa 1955 S. 194ff.; H e l m e r s Hansa 1955 S. 379; Materialien zur Vereinheitlichung des Rechts der beschränkten Reederhaftung, Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe B, Heft 1, 1955; W a l t e r Müller, Die Haftung des Schiffseigentümers und ihre gesetzliche Beschränkung, Diss. Basel 1942; K. von L a u n und R ö h r e k e , Diskussionsbeiträge zur Vereinheitlichung des Rechts der beschränkten Reederhaftung, Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe A Heft 4, 1956; W e s t p h a l , Die Haftung des Schiffseigners für Schwarzfahrten, ZfBSch 1957 S. 141; K n a u t h , Reform in shipowners limitation: The 1955 proposals, in Liber amicorum (Festschrift) für Bagge, 1955 S. 118. I. 1. Die jetzige Fassung des § 485 beruht auf dem Gesetz vom 10. 8. 1937 und § 59 Abs. 1 Ziff. 1 SeelotsG. I n §485 ist die F r a g e g e r e g e l t , wofür der Reeder haltet. Vgl. §§ 486, 487 HGB darüber, w o m i t der Reeder haftet. Die Frage, wem der Reeder haftet, richtet sich nach dem allgemeinen Recht. 3

Schaps-Abrahaio, Seerecht II

38

Asm, 1

§485 Anm. 2

Vierter Teil. Seehandelsrecht

2. Nach Art. 7 EGHGB finden § 485 und der sich auf ihn gründende § 486 Abs. 1 Nr. 3 auch Anwendung, wenn die V e r w e n d u n g e i n e s S c h i f f e s z u r S e e f a h r t n i c h t d e s E r w e r b e s w e g e n e r f o l g t , also a u c h a u f K r i e g s - u n d s o n s t i g e S t a a t s s c h i f f e So zuletzt grundlegend BGHZ 3, 321; siehe ferner W ü s t e n d ö r f e r SHR 43; P a p p e n h e i m HB 2 S. 13 Note 2; ders. ZHR Bd. 46 S. 283; ders., GruchBeitr. Bd. 43 S. 374 Note 73 u. Bd. 56, S. 19; d e r s . LZ 1910 S. 417ff.; B o y e n s Bd. 2 S.53; ders. ZHR Bd.50S.64; RGZ79, 179; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1909 S. 4, 1911 S. 181 und 1912 S. 39; HansOLG HansGZ 1911 Nr. 137 = LZ 12, 246; HansOLG HansGZ 1913 Nr. 47 = Hansa 1913 S. 393; anders RGZ 72 Nr. 83 und teilweise auch H e r t z GruchBeitr. Bd. 55 S. 39, der die seerechtliche Gleichstellung dieser Schiffe mit den See-Erwerbsschiffen für den Fall leugnet, daß sich die Besatzung der ersteren in Ausübung einer ihr anvertrauten öffentlichen Gewalt befindet, sie aber zugibt, falls sich ihre Tätigkeit auf privatrechtlichem Gebiet bewegt. Gegenüber dem Anspruch aus § 485 HGB, Art. 7 EGHGB kann der Eigentümer des Schiffes sich auch nicht auf § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen (BGHZ 3, 321, RGZ 149, 169; W ü s t e n d ö r f e r SHR 44). Der Sinn des Art. 7 EGHGB ist, daß der Eigentümer eines Nichterwerbsschiffes entsprechend einem Reeder im Sinne des § 484 f ü r ein Verschulden der Schiffsbesatzung haften soll. Diese beabsichtigte Gleichstellung würde aber im Ergebnis praktisch hinfällig werden, wenn der Eigentümer eines Nichterwerbsschiffes gegebenenfalls einwenden könnte, das Mitglied der Besatzung seines Schiffes, das den Schaden schuldhaft verursacht habe, könne gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Anspruch genommen werden, weil der Geschädigte auf andere Weise (etwa von der Versicherungsgesellschaft) Ersatz zu erlangen vermöge, und daher entfalle auch seine, des Schiffseigners Haftung. Im allgemeinen sind nämlich Reeder kaskoversichert. Nichterwerbsschiffe werden andererseits häufig von Beamten im Sinne des § 839 BGB geführt. Doch gestaltet sich bei Schiffen, die mit hoheitlichen Aufgaben betraut sind, die H a f t u n g anders. Vgl. dazu Anm. 32 zu § 486. Vgl. auch W e h r m a n n , Die Anwendbarkeit der Bestimmungen des privaten Seerechts über die Haftimg des Reeders f ü r Verschulden der Schiffsbesatzung auf Kriegsschiffe und Dienstfahrzeuge der Marineverwaltung, Diss. Kiel 1939.

Anm. 3

III. Allgemeiner Überblick Uber die Haftung des Reeders. 1. Bei Schiffen, Luft- und Kraftfahrzeugen sowie Eisenbahnen werden bestimmte Haftungsfolgen nicht an die Person des Eigentümers geknüpft, sondern unter gewissen Voraussetzungen an die des Verwenders des Verkehrsmittels. Doch ist das nicht f ü r alle Verkehrsmittel gleichartig geschehen. So ist dem Eisenbahnrecht als Anknüpfungspunkt f ü r den Bereich des Reichshaftpflichtgesetzes und des Sachschadenhaftpflichtgesetzes der Begriff des Betriebsunternehmers bekannt. Im Kraftfahrzeug- und im Luftrecht wird der Begriff des Halters verwandt (vgl. insbesondere §§ 7 StVG und 33 LVG). Ahnlichen, aber weitergehenderen, über das Deliktsrecht hinausreichenden Funktionen, zum Mittelpunkt eines besonderen Haftimgssystems werdend, dienen im Schiffahrtsrecht Doppelbegriffe: im Seerecht die des Reeders und Ausrüsters, im Binnenschiffahrtsrecht die des Schiffseigners und Ausrüsters. Vgl. hierzu auch F i e d l e r , Die verkehrsrechtliche Haftung des Mieters als Halter und Ausrüster, Diss. Hamburg 1952; M e i n e r t , Das außervertragliche Haftungsrecht der Verkehrsmittel, Diss. Hamburg 1953.

Anm. 4

2. a) Die S c h u l d v o r a u s s e t z u n g e n sind im Verkehrsrecht f ü r bestimmte Tatbestände anders als im allgemeinen Recht geregelt. Sie sind d e m G r u n d e n a c h diesem gegenüber vielfach erweitert. So haftet der Betriebsunternehmer einer Eisenbahn nach § 1 des Reichshaftpflichtgesetzes vom 7. 6. 1871 (RGBl. S. 207) und § 1 des Gesetzes über die Haftung der Eisenbahnen und Straßenbahnen für Sachschaden vom 29. 4. 1940 (RGBl. S. 691) f ü r Personen* und Sachdrittschäden bis zur höheren Gewalt, der Luftfahrzeughalter nach §§ 33 ff. LVG sogar einschließlich der höheren Gewalt, der Kraftfahrzeughalter nach § 7 des Straßenverkehrsgesetzes bis zum unabwendbaren Ereignis. Demgegenüber findet sich in den meisten dieser Fälle eine S c h u l d b e g r e n z u n g dergestalt, daß nur bis zu einer bestimmten Höchstsumme für den Schaden geschuldet wird, f ü r diese begrenzte Schuld aber wie auch sonst grundsätzlich, mit dem ganzen Vermögen gehaftet wird. Vgl. f ü r Luftfahrzeuge Art. 22 WA, § 37 LVG, für den Kraftverkehr § 12 StVG, f ü r die Eisenbahn § 4 Sachschadenhaftpflichtgesetz.

84

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§485

b) Das Seereoht kennt für den Ersatzanspruch aus dem Frachtvertrag zwar auch eine Höchsthaftungssumme (§ 660 HGB). Doch ist in erster Linie f ü r das Schiffahrtsrecht typisch eine gegenüber dem allgemeinen Recht teilweise erweiterte Schuldgrundlage, die in f ü r die Praxis sehr bedeutsamen Fällen mit einer beschränkten Sachhaftung Hand in Hand geht. c) Doch würde ein unrichtiges Bild entstehen, wenn man von dieser beschränkten Sachhaftung als der Regel schlechthin ausgehen würde. V i e l m e h r : Für e i g e n e Handlungen und Unterlassungen haben auch der Reeder und der binnenschiffahrtsrechtliche Schiffseigner nach den Regeln des allgemeinen Rechts einzustehen und haften hierfür mit ihrem ganzen Vermögen. Auch die Haftung des Reeders oder Schiffseigners f ü r a n d e r e P e r s o n e n , soweit es sich bei diesen nicht um Angehörige der Schiffsbesatzung oder den an Bord tätigen Seelotsen handelt (vgl. für diese § 486 Abs. 1 Ziff. 3 HGB), entspricht der des allgemeinen Rechts nach §§ 278,831 BGB. Für die Erfüllung von Verträgen, die der Reeder selbst oder andere in seinem Namen geschlossen haben, gilt besonderes dann nur, wenn der Tatbestand des § 486 Abs. 1 Nr. 1, 2 HGB gegeben ist. Vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 486 HGB. d) Die b e s o n d e r e s c h i f f a h r t s r e c h t l i c h e S c h u l d e r w e i t e r u n g kommt zum Zuge, wenn es sich um das Einstehenmüssen des Reeders für eine P e r s o n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g o d e r e i n e n a n B o r d t ä t i g e n S e e l o t s e n handelt: Hier greift die Vorschrift des § 485 ein, nach welcher der Reeder für den Schaden verantwortlich ist, d e n e i n e s o l c h e P e r son e i n e m D r i t t e n s c h u l d h a f t in A u s f ü h r u n g v o n D i e n s t v e r r i c h t u n g e n zuf ü g t (§ 485 S. 1 HGB; siehe für das Binnenschiffahrtsrecht § 3 Abs. 1 BSchG). Der Reeder kann in diesen Fällen nicht, wie bei der Haftung aus § 831 BGB, nachweisen, daß ihn ein Verschulden bei der Auswahl oder Überwachung des Besatzungsmitglieds nicht treffe. Anders als im Falle des § 831 BGB muß indessen nicht nur eine rechtswidrige Handlung des Besatzungsmitglieds, sondern auch ein Verschulden desselben vorliegen, das den Täter nach gesetzlicher Vorschrift zum Ersatz verpflichtet. Im Rahmen des § 485 S. 1 haftet der Reeder einem L a d u n g s b e t e i l i g t e n jedoch nur insoweit, wie der V e r f r a c h t e r e i n V e r s c h u l d e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g zu v e r t r e t e n h a t (§ 485 S. 2). Vgl. dazu §§ 559, 606ff., 662 ff. HGB. Ohne die Bestimmung des § 485 S. 2 hätte ein Ladungsbeteiligter die Möglichkeit, einen mit dem Verfrachter nicht identischen Reeder gegebenenfalls weitgehender in Anspruch zu nehmen als den Verfrachter. e) Als Äquivalent für die beschränkte Haftung des Reeders erhält der Gläubiger ein Schiffsgläubigerrecht. Vgl. § 754 HGB und die dortigen Erläuterungen; siehe auch dritter Teil viertes Kapitel, Allgemeine Vorbemerkung zum SchRG Anm. 9 (Bd. I S. 357).

Anm. 5

Anm. 6

Anm. 7

Anm. 8

IV. Die Voraussetzungen der Haftbarkeit des Reeders aus § 485 im einzelnen. Anm. 9 1. Verschulden einer Besatzungsperson oder eines an Bord tätigen Seelotsen in Ausführung von Dienstverrichtungen. a) Über den Begriff der Schiffsbesatzung vgl. § 481 HGB und die dortigen Anmerkungen 3 ff. Nach § 481 HGB rechnen zur Schiffsbesatzung außer dem Schiffer, den Schiffsoffizieren und der Schiffsmannschaft alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen. Zu dieser letzten Gruppe gehören alle Personen, die als Arbeitnehmer in den arbeitsteiligen Organismus der Schiffsdienste und der Bordgemeinschaft und kraft eines auf eine gewisse Dauer berechneten unmittelbaren Dienstverhältnisses zum Reeder eingegliedert sind, gleichgültig, ob diese Dienste an Bord, längsseits oder am Kai zu verrichten sind. Kraft Gewohnheitsrechts oder Analogie sind gewisse Personen, die nicht zur Schiffsbesatzung gehören, haftungsmäßig im Sinne des § 485 ihr gleichzustellen. Vgl. dazu im einzelnen § 481 Anm. 9ff. Es bedarf keiner Feststellung, braucht also nicht behauptet oder bewiesen werden, w e l c h e r Anm. 10 Person der Schiffsbesatzung das Verschulden zur Last fällt. Es genügt, daß der Schuldige sich unter der Schiffsbesatzung befunden haben muß, daß also feststeht, daß das Verschulden von i r g e n d e i n e m Besatzungsmitglied begangen ist. Für Verschulden von P a s s a g i e r e n haftet der Reeder als solcher nicht ( G o l d s c h m i d t ZHR Bd. 23 S. 357), dagegen f ü r dasjenige des Schiffsmaklers als Substituten des Kapitäns (anders B o y e n s Bd. 1 S. 177 Note 2a): denn der Dritte darf nicht schlechter gestellt werden dadurch, daß der Kapitän seine Obliegenheiten nicht selbst ausführt, sondern sich vertreten läßt. 3«

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A r n 11

b) Der an Bord tätige Seelotse (wegen des Hafenlotsen vgl. Anm. 12 zu § 481 HGB). Die Seelotsen haben durch das SeelotsG (s. dazu K a l l u s Hansa 1954 S. 1965 und vgl. den Abdruck im sechsten Teil) eine besondere rechtliche Regelung erfahren. Im Sinne dieses Gesetzes ist Seelotse, wer nach behördlicher Zulassung auf See oder auf Seeschiffahrtsstraßen, zu denen auch der Nord-Ostsee-Kanal gehört, außerhalb der Häfen Schiffe als orts- und schiffahrtskundiger Berater geleitet (§ 1 SeelotsG). Die unter das Gesetz fallenden Lotsen sind also stets nur Beratungslotsen. Die Verwaltung des Seelotswesens in den Revieren ist Selbstverwaltung und obliegt den Lotsenbrüderschaften und der Bundeslotsenkammer (§ 4 SeelotsG). Wer den Beruf eines Seelotsen ausüben will, bedarf einer Bestallung (§ 9 SeelotsG). Vgl. über die Haftung des Lotsen aus dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem gelotsten Schiffe HansOLG Hansa 1952 S. 1763 = MDR 1952 S. 681 und H a s c h e Hansa 1952 S. 1368ff. Der Lotse ist auf Grund seiner besonderen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse und der Gefahren, die sich aus dem Verlauf und der Beschaffenheit des Fahrwassers ergeben, verpflichtet, die Schiffsführung zur Beachtung der diesetwegen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, z.B. Abgabe von Achtungssignalen zur Warnung anderer Schiffe, zu veranlassen. Er macht sich verantwortlich, wenn er diese Verpflichtung nicht erfüllt. Vgl. OSA Hansa 1957 S. 622.

Anm. 12

c) Verschulden einer Besatzungsperson oder eines an Bord tätigen Seelotsen, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit, positives Tun oder ein Unterlassen, letzteres dann, wenn durch die Untätigkeit eine Verpflichtung zu fürsorgendem oder schützendem Handeln verletzt wird. Der Begriff der Fahrlässigkeit entspricht demjenigen im bürgerlichen Recht. Doch können erhöhte Gefährdungsmöglichkeiten eine erhöhte Sorgfaltspflicht fordern (RGZ 147, 356; BGH Hansa 1954 S. 1581 ff.; HansOLG Hamburg Hansa 1957 S. 1517). Eine n u r o b j e k t i v w i d e r r e c h t l i c h e H a n d l u n g genügt nicht, insbesondere also nicht ein Handeln im Zustande der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließendem Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit; es müßte denn sein, daß sich der Täter durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel in einen vorübergehenden Zustand dieser Art versetzt hat und nicht nachweisen kann, daß er ohne Verschulden in den Zustand geraten ist (§ 827 Satz 2 BGB). -— U n e r f a h r e n h e i t wird unter Umständen das Besatzungsmitglied entschuldigen, kann aber einen Vorwurf gegen den Reeder selbst nach bürgerlichem Recht begründen (RG HansGZ 1906 Nr. 132). Der Reeder haftet auch n i c h t für widerrechtliche schädigende Handlungen eines noch nicht 18 Jahre alten Besatzungsmitgliedes, wenn dasselbe bei Begehung der Handlung nicht die zur Erkenntnis erforderliche Einsicht gehabt hat (§ 828 Abs. 1 BGB), n i c h t , wenn unverschuldeterNotstand vorlag (§ 228 BGB), und jedenfalls nach §485 nicht im Falle der bloßen „Nothilfe" (§ 904 BGB), weil auch hier ein Verschulden des Eingreifenden nicht gegeben ist (vgl. den Fall HansGZ 1882 Nr. 80). Doch kann ein Rückgriff desselben gegen den Reeder gegeben sein. Eine unmittelbare Haftung des Reeders aus einer Notstandshandlung des Kapitäns nach § 904 BGB kann sich indessen daraus ergeben, daß § 904 nicht ausdrücklich besagt, gegen wen der Schadenersatzanspruch aus dieser Vorschrift besteht. In der Regel ist er gegen denjenigen gegeben, der auf die fremde Sache selbst eingewirkt hat, und zwar auch dann, wenn er die Einwirkung zugunsten eines anderen ausgeübt hat. Von diesem Fall bestehen aber Ausnahmen. Vgl. RGZ 113, 301, wo die Haftung des Deutschen Reiches für Notstandsmaßnahmen des Kommandanten eines Torpedobootes ausgesprochen wurde. Siehe auch RGZ 88, 215. Diese Ansicht ist allgemein dahin entwickelt worden, daß wenn ein Schiffer in Ausübung seiner Dienstverrichtungen eine Notstandsmaßnahme trifft, grundsätzlich der Reeder oder Ausrüster dem durch diese Maßnahme geschädigten Eigentümer im Rahmen des § 904 Satz 2 BGB haftet. Die Haftimg kann aber in entsprechender Anwendung des § 4 BSchG bzw. § 486 HGB nur eine dingliche mit Schiff und Fracht sein. Das muß aber notwendig dazu führen, dem Gläubiger ein Schiffsgläubigerrecht auch für den Fall des § 904 S. 2 BGB einzuräumen, weil eine Gesetzeslücke vorliegt, und zwar trotz des numerus clausus der Sachenrechte. Vgl. BGHZ 6, 102 = NJW 1952 S. 1132 = Hansa 1952 S. 1502 = ZfBsch. 1955 S. 39. Siehe auch LG Bremen Hansa 1956, S. 503 = Internationale Transport-Zeitschrift 1956 S. 2365 für die Notstandshandlung eines Lotsen. Siehe BGHZ 19, 82 = Hansa 1956 S. 468 = NJW 1956 S. 387 = VersR 1956 S. 46 (Beschädigung einer Werftanlage zur Rettung des eigenen Schiffes). 86

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB Der Reeder haftet auch nicht f ü r den Schaden, der nach § 829 BGB von den in §§ 827, 828 BGB genannten Personen trotz mangelnder Verantwortlichkeit zu ersetzen ist. Auf ein e i g e n e s V e r s c h u l d e n d e s R e e d e r s kommt es im Falle des § 485 HGB, anders als nach § 831 BGB, n i c h t a n . Das Verschulden kann nautischer, technischer oder kommerzieller Art sein. Vgl. über diese Unterscheidung die Anm. zu § 607. Es kann in Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit oder in u n e r l a u b t e r H a n d l u n g begangen sein. Zu b e w e i s e n ist das Verschulden der Besatzungsperson oder das des Seelotsen grundsätzlich von dem, der den Anspruch geltend macht. Doch hat die Praxis namentlich in Schifiskollisionssachen, vielfach das Vorliegen eines prima facie-Beweises f ü r das Verschulden einer Besatzungsperson und damit eine Exkulpationspflicht des Reeders angenommen. Vgl. auch RGZ 124,49. Näheres vgl. in den Anm. zu § 735 HGB. — Die Schiffsleitung ist nicht verpflichtet, sofort jeden auftretenden, leicht zu behebenden Mangel eines neuen Schiffes der Reederei mitzuteilen; HansOLG HansGZ 1927, 267 und 1926 Nr. 110. Dem Lotsen sind besondere Eigenschaften des Schiffes (z. B. das Vorhandensein eines Rammsporns) mitzuteilen, damit er namentlich in engen Gewässern — besonders vorsichtig beim Passieren entgegenkommender Schiffe fährt. Vgl. HansOLG HansGZ 1927, 267. d) In Ausführung von Dienstverrichtungen muß das Verschulden begangen sein. Anm. 13 aa) Dienstverrichtungen sind Tätigkeiten, die mit der der Benutzung des Schiffes zum Seefahrtserwerb (bzw. zur Seefahrt: s. Anm. 2) in ursächlicher Beziehung stehen (RGZ 13,118), gleichgültig, ob diese Dienstverrichtungen auf Gesetz beruhen oder nicht. Daher handelt n i c h t in Ausführung von Dienstverrichtungen ein Matrose, der in dienstfreier Zeit Privatbesuch auf dem Schiffe herumführt, wenn hierbei dem Besuch ein Schaden entsteht. Die Tätigkeit muß zwar mit der Verwendung des Schiffes als solchem in ursächlichem und unmittelbarem Zusammenhang stehen und von einem schuldigem Besatzungsmitglied dienstlich verrichtet sein; doch braucht dieses nicht gerade zu ihr angestellt zu sein. Es genügt auch, daß das Besatzungsmitglied oder auch der Seelotse die Tätigkeit in Stellvertretung oder auch aus eigenem Antrieb übernommen hat, sofern nur ein jedenfalls entfernter Zusammenhang zwischen dem Vorgehen des Schuldigen und der ihm übertragenen Schiffstätigkeit besteht (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 177; RGZ 111, 39). Weitergehend S c h l e g e l b e r g e r Anm. 4 zu § 485: Nach der jetzigen Passung des § 485 auf Grund des § 59 SeelotsG „von Dienstverrichtungen" statt früher „ihrer Dienstverrichtung" sei es unzweifelhaft gleichgültig, ob der Schädigende seinen oder einen fremden angemaßten oder stellvertretenden Dienst übernommen habe. Doch kann das auch aus der neuen Fassung des Gesetzes nicht gefolgert werden. Es fällt z. B. nicht unter § 485 der Fall, daß ein Steward unbefugterweise dem Matrosen am Steuer das Ruder entreißt und damit Unfug anrichtet (vgl. B o y e n s Bd. 1 S. 178; M i t t e l s t e i n , Deutsches Binnenschiffahrtsrecht, Kommentar, 2. Aufl. Bd. 1, 1903 S. 48). Voraussetzung ist eben immer noch eine D i e n s t Verrichtung, also eine solche, die jedenfalls etwa im Rahmen des Heuerverhältnisses des Handelnden liegt. bb) I n Ausführung von Dienstverrichtungen, nicht bei G e l e g e n h e i t derselben. Doch Anm. 14 darf das Tatbestandsmerkmal nicht zu eng gepreßt werden. Ausreichend ist auch hier der innere Zusammenhang zwischen dem Vorgehen des Schuldigen und einer Schiffstätigkeit. Es fallen z.B. nicht hierher Verletzungen aus Anlaß von Streitigkeiten bei der Arbeit (Prot. 2028ff.; M i t t e l s t e i n H B Anm. 14; W ü s t e n d ö r f e r SHR 177), Mißhandlung eines Reisenden durch den Kapitän anläßlich eines politischen Gesprächs bei einer Revision des Schiffes ( L ü d e m a n n , Haftung des Reeders aus Vertrags- und Deliktsobligationen des Schiffers, 1905 S. 121), schadenstiftende Handlungen bei Gelegenheit des Anbordgehens (HansOLG SeuffA Bd. 65 Nr. 194 = HansGZ 1910 Nr. 59). Bei einem Wasserboot gehört die Erfüllung der Wasserlieferungsverträge zur Versorgung anderer Schiffe zu den Dienstobliegenheiten der Schiffsbesatzung; vgl. BGH MDR 1958 S. 307 = Hansa 1958 S. 627. Bei Schauerleuten fällt auch unter die Ausführung ihrer Dienstverrichtungen, daß sie während des Ladens oder Löschens keine Ladungsdiebstähle begehen (zweifelnd und auf den Einzelfall abstellend R ö h r e k e Hansa 1952 S. 225). 2. Ein einem Dritten zugefügter Schaden, der in adäquatem Kausalzusammenhang mit Anm. 15 dem Verschulden der Besatzungsperson stehen muß. a) Der geschädigte Dritte kann sein ein a u ß e r h a l b S t e h e n d e r , z.B. der kraft öffentlich-rechtlicher Verpflichtung zurückbeförderte Lotse kommt dadurch körperlich zu Schaden, 87

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daß ein Matrose die über Bord hängende Strickleiter nicht ordnungsgemäß befestigte (RGZ 131, 300), nachlässiges Drehen der Schiffsschraube im Hafen beschädigt daneben liegende Schute ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 176), nautisches Verschulden des Wachhabenden bewirkt Beschädigung des entgegenkommenden Schiffes durch Zusammenstoß (§ 735 HGB). Vgl. auch RG J W 1927 S. 4427 mit Anm. von S e b b a (Benutzung eines Binnenhafens durch ein Seeschiff und dabei angerichtete Schäden). Doch ist immer Voraussetzung, daß dem Geschädigten auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen ein Ersatzanspruch gegen das schuldige Besatzungsmitglied zusteht. § 485 S. 1 bildet keine selbständige deliktische Haftungsnorm. Vgl. auch Anm. 16. Deshalb entfällt die Schadensersatzpflicht des Reeders auch dann, wenn zwar die anspruchsbegründenden Tatsachen gegen das Besatzungsmitglied (z.B. aus § 823 BGB) vorliegen, der Schadensersatzanspruch gegen das Besatzungsmitglied aber nach § 899 RVO ausgeschlossen ist. Vgl. BGHZ 26, 152 = Hansa 1958 S. 197 = NJW 1958 S. 220 = BetrBer. 1958 S. 427. Der Ausschluß von Schadensersatzansprüchen nach §§ 898f. RVO umfaßt alle Ansprüche, einerlei, auf welcher Rechtsgrundlage sie entstehen könnten und welchen Inhalt und Umfang sie haben, insbesondere auch den Schmerzensgeldanspruch (RGZ 74, 27; 84, 415, BGH 3, 298 und 26, 152; a.A. für den Schmerzensgeldanspruch R i e t s c h e l JZ 1955 S. 35; wie das RG und der BGH BAG NJW 1956 S. 1771; K n o l l J Z 1955 S. 318; J a r c h o w NJW 1957 S. 448; H u e c k - N i p p e r d e y , Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl. 1957, S. 367). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß gegen das Besatzungsmitglied selbst ein Anspruch bestehen muß, wenn der Reeder aus § 485 haften soll, ist im Fall des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gegeben. Diese Vorschrift ist gegenüber der Seerechtshaftung insoweit auszuschalten. Vgl. BGHZ 3, 321: Nach Art. 7 EGHGB soll der Eigentümer eines Nichterwerbsschiffes entsprechend einem Reeder im Sinne von § 484 HGB f ü r ein Verschulden der Schiffsbesatzung haften. Diese beabsichtigte Gleichstellung würde aber im praktischen Ergebnis hinfällig werden, wenn der Eigentümer eines Nichterwerbsschiffes gegebenenfalls einwenden könnte, das Mitglied der Besatzung seines Schiffes, das den Schaden schuldhaft verursacht habe, könne gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht in Anspruch genommen werden, weil der Geschädigte auf andere Weise (von der Versicherungsgesellschaft) Ersatz zu erlangen vermöge, und daher entfalle auch seine, des Schiffseigners, Haftung. Da die Reeder im allgemeinen gegen Kasko versichert sind, so würden ihnen, wenn der erörterte Einwand zugelassen würde, bei einem Zusammenstoß ihrer Schiffe mit einem Nichterwerbsschiff trotz Art. 7 EGHGB keine Schadensersatzansprüche gegen den Eigentümer des anderen Schiffes zustehen, wenn f ü r dessen Schiffsbesatzung die sonstigen Voraussetzungen des § 839 BGB gegeben sind. Nichterwerbsschiffe werden sehr häufig durch Beamte im Sinne des § 839 BGB geführt werden. Somit würde durch den Einwand aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB der Vorschrift des Art. 7 EGHGB ihre wesentliche Bedeutung genommen werden. Ein solches Ergebnis würde aber dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Vgl. auch oben Anm. 2. Der geschädigte Dritte kann auch sein ein L a d u n g s b e t e i l i g t e r (beachte in diesem Falle Satz 2) — schlechte Stauung, Nichtschließen von Luken, so daß Seewasser eindringt — oder ein F a h r g a s t — dieser sitzt auf einer nicht ausreichend befestigten Bank an Deck und wird mit ihr von einer Sturzsee gegen die Reeling geschleudert (RGZ 116,213 = HansRGZ 1921, 341 = J W 1927 S. 1248 = VerkRdsch 1927 S. 256), oder es kann sich schließlich auch handeln um ein M i t g l i e d d e r S c h i f f s b e s a t z u n g selbst. Doch ist, wenn ein B e t r i e b u n f a l l vorliegt, die Haftung des Reeders als unfallversichertem Betriebsunternehmer gegenüber Unfallverletzten Betriebsmitgliedern meistens durch §§ 898 f. RVO ausgeschlossen (vgl. insbesondere BGHZ 26,152). An seiner Stelle haftet dann die Berufsgenossenschaft, ohne Rückgriff gegen den Betriebsunternehmer (RGZ 134, 294). Vgl. auch BGH VersR 1956 S. 660 = Hansa 1956 S. 2303: Bei Verletzung eines Schutenmannes beim Entlöschen der Schute durch Greifer keine Beschränkung des Schadenersatzanspruches durch §§ 898f. RVO; BGHZ 21,207 = Hansa 1956 S. 1971: Entgegen HansOLG Hansa 1956 S. 1049 wird der Schadenersatzanspruch eines Unfallverletzten Wachmannes gegen die Reederei durch §§ 898, 899 RVO nicht ausgeschlossen. Siehe auch BGHZ 8, 330. Der Geschädigte kann mit dem Reeder in vertraglichen Beziehungen stehen, braucht es aber nicht; es kann auch zwischen ihm und dem Kapitän ein direktes auftragsähnliches Verhältnis bestehen (siehe auch Anm. 4 zu § 511 HGB).

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§ 485

Für die Haftung aus § 485 kommt es also nicht darauf an, ob es sich bei der Dienstverrichtung um eine vertragliche Verpflichtung des Reeders handelt oder ob eine solche nicht besteht (vgl. auch RGZ 116, 213). Doch ist zu beachten, daß im Rahmen einer schon bestehenden Verpflichtimg § 485 nicht über § 278 BGB hinausgeht. Seine Hauptbedeutung liegt also auf außervertraglichem Gebiet. b) Es kann sich um einen S a c h s c h a d e n oder um einen K ö r p e r s c h a d e n (vgl. RGZ Anm. 16 116, 213) handeln, aber auch um die Verletzung eines anderen absoluten Rechtsgutes im Sinne von § 823 BGB oder um sonstigen V e r m ö g e n s s c h a d e n , gegebenenfalls auch um Schmerzensgeld (HansOLG HansGZ 1915, 71; OLGRechtspr. 32, 241). D o c h h a f t e t d e r R e e d e r n u r f ü r solche A n s p r ü c h e , f ü r die a u c h die s c h u l d i g e B e s a t z u n g s p e r s o n s e l b s t in A n s p r u c h g e n o m m e n w e r d e n k ö n n t e . Der Reeder haftet also nach dem Zweck des Gesetzes auch n u r n e b e n d e m S c h u l d i g e n s e l b s t , also primär, in echter Gesamtschuld, in G e s t a l t e i n e r G e f ä h r d u n g s h a f t u n g ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 177). Es liegt also nur eine Ausdehnung eines bestehenden Ersatzanspruchs (§§ 823fE. BGB, 512 HGB) auf eine andere Person vor. Vgl. RGZ 9, 158; 55, 316; 63,308; 111,37; BGHZ26,152 sowie Hansa 1955 S. 1886; siehe auch BGHZ 6, 102; W ü s t e n d ö r f e r SHR 176; G r a m m , Das neue deutsche Seefrachtrecht, Anm. I 2 zu § 607. I m Falle außervertraglicher Beschädigung sind, von den Fällen der §§ 844 Abs. 2, 845 BGB abgesehen, nur zu ersetzen die dem u n m i t t e l b a r Verletzten entstandenen Schäden (vgl. M i t t e l s t e i n H B 43 Anm. 20), also z.B. nicht die seinem Dienstherrn durch seine Pensionierung entstandenen Kosten (RGZ 82 Nr. 42; anders O e r t e l t DJZ 1913 S. 800; J o s e f , HoldhMSchr. Bd. 23 S. 15£F.). Wegen Schmerzensgeld s. oben. Nicht Schäden sind S t r a f a n s p r ü c h e des Staates anläßlich von unerlaubten Handlungen, insbesondere Zolldelikten des Kapitäns, was natürlich nicht ausschließt, daß das Gesetz die Mithaftung anordnet. Besteht keine oder doch nur eine geminderte Haftung des Besatzungsmitglieds, z.B. nach § 254 BGB wegen mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten oder seines Erfüllungsgehilfen, so besteht auch keine oder nur eine geminderte Haftung des Reeders (RGZ 55, 321; 213: Der Fahrgast nahm während der Fahrt über die Biskaya einen gefährlichen Platz auf einer Bank auf Deck trotz Warnung des Kapitäns ein; der Reeder wurde nur zur Hälfte schadensersatzpflichtig gemacht). § 254 BGB kommt in Ausweitung von Abs. 2 Satz 2 bei Beschädigung eines anderen Schiffes, soweit nicht die Sondernorm des § 736 Abs. 1 H G B den Tatbestand trifft, zu entsprechender Anwendung, wenn der Schiffsschaden durch die e i g e n e B e s a t z u n g d e s b e s c h ä d i g t e n S c h i f f e s mit verschuldet ist ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 178 und RGZ 55, 316; 85, 372) abweichend von dem sonst von den obersten Gerichten vertretenen (vielfach bestrittenen) Grundsatz, daß bei unerlaubten Handlungen nicht § 254 Abs. 2 Satz 2, sondern nur die entsprechende Anwendung von § 831 BGB Haftung mindernd in Betracht komme: RGZ 164, 269; BGHZ 1, 248. Vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1957 S. 880 = VRS 1958 S. 174 = Recht der Schiffahrt 1957, Heft 7/8 (15—01—08). Der Schiffseigner muß sich ein Verschulden seines Schiffes auf seinen Schadenersatzanspruch anrechnen lassen; § 254 Abs. 2 S. 2 BGB findet zwar gegenüber § 831 BGB keine Anwendung, wohl aber gegenüber § 3 BSchG (und damit auch gegenüber dem diesen entsprechenden § 845 HGB. Vgl. auch RGZ 111, 37 = J W 1925 S. 1998: Das schuldhafte Verhalten einer Person der Schiffsbesatzung begründet im Rahmen des § 254 BGB auch die Verantwortung des Reeders gegen sich selbst; nur die entsprechende Anwendung des § 486 Abs. 1 Nr. 3 HGB (beschränkte Haftung) ist hier, wo es sich um das Maß der Ersatzberechtigung handelt, ausgeschlossen. c) Den Kausalzusammenhang des Schadens mit dem Verschulden der Besatzungsperson Anm. 17 hat grundsätzlich der, der den Anspruch geltend macht, zu beweisen (RGZ 8, 168). Doch hat die Praxis im Falle der Übertretung eines auf Schadensverhütung abzielenden Polizeigesetzes vielfach ausgesprochen, daß der Übertreter bis zum Beweise des Gegenteils f ü r den Schaden, dem das Gesetz vorbeugen •will, infolge der Übertretung als Verursacher gelten muß, wenn dieser Schaden dadurch entstanden sein k a n n . Siehe Näheres in den Anm. zu § 735 HGB. Diese Vermutung des Kausalzusammenhangs muß sich alsdann auch der Reeder gefallen lassen. d) Das Gesetz will also keine neuen Deliktsansprttche schaffen, sondern nur die Haftung Anm. 18 für bestehende Deliktsansprttche, mögen sie bttrgerlichreehtlieher oder seerechtlicher Art sein (RGZ 63, 310) auf eine weitere Person ausdehnen. S o w e i t a l s o d i e B e s a t z u n g s p e r s o n selbst nicht gehaftet hätte, besteht auch keine quasideliktische R e e d e r h a f t u n g a u s § 485. Vgl. oben Anm. 15 mit weiteren Angaben. Siehe BGHZ 26, 152. 39

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Doch gibt es Fälle, in denen trotz eigener Haftung des schuldigen Besatzungsmitgliedes eine Haltung des Reeders gemäß dem Grundsatz des § 485 Satz 1 nicht gegeben ist. Dieser Grundsatz erfährt nämlich durch § 4 8 5 S a t z 2 eine wesentliche Einengung: Der Reeder haftet den eigenen Ladungsbeteiligten (Befrachter, Ablader, Empfänger) nur soweit, „wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat". Vgl. §§ 606, 607 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 HGB und die dortigen Anmerkungen: Danach haftet der Verfrachter aus Prachtvertrag und Konnossement zwar f ü r „kommerzielles", nicht aber f ü r „nautisches" Verschulden der Schiffsbesatzung. Diese auf den Haager Regeln und der Novelle zum H G B durch das Seefrachtgesetz 1937 beruhende frachtvertragliche Haftungsmilderung soll auch dem Reeder zugute kommen, der mit dem Verfrachter nicht personengleich i s t , selbstverständlich aber auch dem, der mit ihm identisch ist. Die oben genannten Bestimmungen handeln nur von der Haftung des Verfrachters. Ohne die Einfügung des Satzes 2 in § 485 durch die Novelle 1937 hätte sich danach d e r Reeder, der n i c h t z u g l e i c h d e r V e r f r a c h t e r i s t , auf diese Haftungsbeschränkungen nicht berufen können, vielmehr auch f ü r das nautische Verschulden der Schiffsbesatzimg und ohne summenmäßige Beschränkung (§660 HGB) gehaftet. Diese nach Art. IV 2 (a), (b) und 5 H R unzulässige Haftung des Schiffsvermögens wird durch § 486 Satz 2 beseitigt. Die Haftung des Reeders oder Ausrüsters (§ 510 HGB) und damit auch die des Schiffsvermögens (§486) entfällt, wenn der Verfrachter f ü r den Schaden nicht einzustehen braucht. Doch gilt Satz 2 nur f ü r die Zeit bis zur Ablieferung der Ladung; vgl. HansOLGHamburg Hansa 1960S. 906 f ü r die Haftung des Reeders f ü r Schäden an der Ladung nach Entlöschung in Leichter. Danach gibt es Forderungen, die auf ein Verschulden der Schiffsbesatzung gegründet sind (z.B. aus § 607 Abs. 2), die sich aber nicht gegen Verfrachter und Reeder richten, sondern nur gegen die schuldige Besatzungsperson selbst geltend gemacht werden können. Insbesondere wird auch die eigene Haftung des Kapitäns aus § 512 HGB nicht berührt. Vgl. Amtl. Begr. SFrG (Reichs- und Preußischer Staatsanzeiger 1937 Nr. 186) zu § 485. Nur den Ladungsbeteiligten des eigenen Schiffes haftet der Reeder mit den sich aus Satz 2 ergebenden Beschränkungen. Zu diesen gehören nur (vgl. § 535 HGB): der Befrachter, der Ablader und der Empfänger (Amtl. Begr. a.a.O. zu §485). Gegenüber den Ladungsbeteiligten fremder Schiffe gilt die Einschränkung also nicht. N u r soweit h a f t e t der R e e d e r , wie der V e r f r a c h t e r ein V e r s c h u l d e n der S c h i f f s b e s a t z u n g zu v e r t r e t e n h a t o d e r g e w i s s e P e r s o n e n d e r S c h i f f s b e s a t zung in e n t s p r e c h e n d e r A n w e n d u n g oder k r a f t G e w o h n h e i t s r e c h t s gleichz u s t e l l e n s i n d (vgl. Anm. 9 zu § 481 H G B und oben Anm. 1). Außerhalb dieses Personenkreises hat der Reeder also nicht f ü r ein den Verfrachter verpflichtendes Verschulden von dessen L e u t e n (dieser Begriff geht regelmäßig über den der Schiffsbesatzung hinaus; vgl. die Anm. zu § 607 HGB) einzustehen. Für den Verfrachter selbst haftet er nur dann, wenn dieser als Angehöriger der Schiffsbesatzung f ü r eine schuldhafte Ausführung seiner Dienstverrichtungen verantwortlich ist. Innerhalb des Kreises der Schiffsbesatzung haftet der Reeder dann nicht, wenn der Verfrachter von der Haftung befreit ist, z.B. bei nautischem Verschulden der Schiffsbesatzung oder bei von dieser verursachten Feuer (§ 607 Abs. 2). H a f t e t in diesen Fällen der Verfrachter, weil ihn e i n e i g e n e s V e r s c h u l d e n trifft, so ist eine Inanspruchnahme des Reeders auch dann nicht möglich, wenn der Verfrachter zur Schiffsbesatzung gehört und in Ausführung der ihm insoweit obliegenden Dienstverrichtungen gehandelt hat. Der Verfrachter hat hier nicht als Angehöriger der Schiffsbesatzung, sondern als Verfrachter f ü r sein schuldhaftes Verhalten einzustehen ( G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. 1 2 b zu § 485). Für diesen aber haftet der Reeder nicht. Vgl. darüber, daß aber auch diese Forderungen durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert sein können, unten. Auch s u m m e n m ä ß i g haftet der Reeder nicht weiter als der Verfrachter. Die Vorschriften über den Umfang der Ersatzpflicht in §§ 658f. (Handelswert) und in § 660 (1250 DM) und die Haftungsbefreiung aus § 609 gelten auch f ü r den Reeder (Amtl. Begr. a.a.O.). Die gegen den Verfrachter gerichteten Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter oder des übernommenen Reiseguts sind aber auch dann durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert, wenn der Reeder f ü r sie nicht haftet (§ 754 Nr. 7 HGB). Aus § 485 Satz 2 ergibt sich: Soweit die Haftung des Verfrachters zulässigerweise (vgl. § 662ff. HGB)eingeschränkt ist (auch klauselmäßig), kommt dies auch demReeder zugute(Amtl.

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Begr. a.a.O. ; W ü s t e n d ö r f er SHR177; G r a m m , a.a. 0.,Anm.IIzu §485). Macht derVerfrachter von den gesetzlichen Möglichkeiten, seine Haftung zu beschränken, keinen Gebrauch, so kann sich auch der Reeder hierauf nicht berufen. Anderseits geht eine vertragliche Haftungserweiterung des Verfrachters nur dann zu Lasten des Reeders, wenn er ihr zugestimmt hat. Ist das nicht der Fall gewesen, so können dennoch die dann allein gegen den Verfrachter bestehenden Ansprüche nach § 754 Nr. 7 durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert sein. Zwar f ü h r t die Amtl. Begr. a.a.O. aus, daß in diesen Fällen eine Haftung des Schiffsvermögens nicht begründet würde. Doch ist das nur dahin zu verstehen, daß hier mangels einer Haftung des Reeders aus § 485 ein Schifisgläubigerrecht nach § 754 Ziff. 9 nicht besteht (so zutreffend G r a m m a.a.O.). V. Durchführung der Reederhaftung aus § 485. 1. Geltendmachung. Die Haftung des Reeders aus § 485 kann nicht nur im Wege der K l a g e , sondern auch im Wege der E i n r e d e geltend gemacht werden: d.h. der Reeder, der wegen eines seinem Schiffsvermögen zugefügten Schadens gegen einen anderen Reeder Ersatzansprüche erhebt, muß sich, auch wo § 736 Abs. 1 HGB nicht Platz greift, den Einwand gefallen lassen, seine eigene Schiffsbesatzung habe durch ein Verschulden in der Ausführung ihrer Dienstverrichtungen den Schaden mitverursacht (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1916 S. 106; RGZ 55, 321; 59, 311; 85, 313; RG Hansa 1914 S. 946 = J W 1914 S. 1082). Vgl. auch die weiteren Angaben in Anm. 16. 2. Haftungsart. Die Haftung des Reeders nach § 485 tritt hinzu zu der Haftung der schadenstiftenden Person. Sie ist aber n i c h t s u b s i d i ä r , s o n d e r n p r i m ä r (Prot. 2089; RGZ 9, 160; BGHZ 26, 152 = Hansa 1958, S. 197 = N J W 1958 S. 220 = BB 1958 S. 427 = VersR 1958, S. 17; W ü s t e n d ö r f e r SHR 176f.): Besatzungsmitglied und Reeder haften als G e s a m t S c h u l d n e r . Regelmäßig wird der Reeder auf Grund des Innenverhältnisses R ü c k g r i f f gegen das Besatzungsmitglied nehmen können. Vgl. BGHZ 26, 152; W ü s t e n d ö r f e r a.a.O. S. 178. 3. Haftungsumfang. Die Haftung ist beschränkt auf das Schiffsvermögen (§ 486 Nr. 3), an welchem der Beschädigte Schiffsgläubigerrechte hat (§ 754 Nr. 9 HGB). F ü h r t dagegen der Reeder oder ein Mitreeder selbst das Schiff und fällt ihm in Ausführung der Dienstverrichtungen eines Kapitäns ein Verschulden zur Last, so haftet er dem geschädigten Dritten außerdem persönlich (Anm. 33 ff. zu § 486). Über die Haftimg des Staates f ü r Kriegs- und Staatsschiffe s. Anm. 32 zu § 486 und oben Anm. 2. 4. Ausnahmen. Art. 8 Abs. 1 und 2 I Ü Z legen nach e i n e m Z u s a m m e n s t o ß e dem Kapitän jedes der Schiffe gewisse Verpflichtungen auf: n a c h A r t . 8 A b s . 3 s o l l e i n e Z u w i d e r h a n d l u n g gegen diese B e s t i m m u n g e n f ü r sich allein keine H a f t u n g des Schiffseigentümers begründen. Ferner ordnet Art. 11 Abs. 1 IÜS eine B e i s t a n d s p f l i c h t des Kapitäns gegenüber auf See in Lebensgefahr angetroffenen Personen: n a c h A r t . 11 A b s . 2 soll e i n e Z u w i d e r h a n d l u n g gegen diese B e s t i m m u n g keine H a f t u n g des S c h i f f s e i g e n t ü m e r s b e g r ü n d e n . Nach Art. 3 des Ges. vom 7. 1. 1913 (RGBlS.90ff.) kommen die Vorschriften des genannten Art. 11 ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit zur Anwendimg. VI. Vertragsmäßiger Ausschluß der Haftung des Reeders f ü r Verschulden der SchiffsbeSatzung ist bis zur Grenze der Freizeichnung vom eigenen Vorsatz (beim Schifferreeder) zulässig (§§ 276 Abs. 2, 278 Abs. 2 BGB). Das gilt aber nur f ü r den mit dem Verfrachter nicht identischen Reeder. Soweit § 662 HGB gewisse Verpflichtungen des Verfrachters als zwingendes Recht ausgestaltet hat, trifft das nur den Verfrachter. § 485 S. 2 ist nur eine obere, keine untere Grenze f ü r die Haftung des mit dem Verfrachter nicht personengleichen Reeders. Für diese Auffassung spricht auch § 662 Abs. 1 S. 2, wonach auch die sich aus den in § 662 H G B genannten Verpflichtungen ergebenden Schiffsgläubigerrechte nicht ausgeschlossen werden können. Damit sind gemeint die sich aus § 754 Ziff. 7 ergebenden Schiffsgläubigerrechte, nicht die aus § 754 Ziff. 9 HGB. Der in Zusammenhang mit der Einführung der Haager Regeln in das deutsche Recht geänderte § 764 Ziff. 7 HGB lautet: Die nachbenannten Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffsgläubigers: die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter und des im § 673 Abs. 2 erwähnten Reisegutes, a u c h w e n n d e r V e r f r a c h t e r n i c h t z u g l e i c h d e r R e e d e r ist. Soweit hiernach die Freizeichnung der Reeders vom Verschulden der Schiffsbesatzung zulässig ist, ändert sie nichts an der H a f t u n g der Besatzungspersonen selbst ( P a p p e n h e i m , 41

Anm, 20

Anm. 21

Anm. 22

Anm. 23

Anm. 24

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Kr.VJSchr. Bd. 44 S. 198; auch L. P e r e i s , ZHR Bd. 57 S. 388 Note 253; anders G ü t s c h o w Hansa 1914 S. 176); doch kann der Reeder auch zugunsten der Besatzung ausbedingen, daß sie nicht für ihr Verschulden (abgesehen vom Vorsatz) haftet. Das ist sogar auch dann zulässig, wenn der Reeder selbst sich nicht freizeichnen kann. Anm. 25 Es steht nichts entgegen, daß der Fiskus für das Schleppen von Fahrzeugen auf einer ihm gehörigen öffentlichen Wasserstraße, sofern er keine Monopolstellung besitzt, sich v e r t r a g s m ä ß i g von der Haftung für das Verschulden des Schlepperpersonals freizeichnet (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1904 S. 113; 1906 S. 97; 1912 S. 327; RGZ 81, 319). Siehe wegen übermäßiger Begrenzung der Haftung beim Schleppvertrag BGH NJW 1956 S. 1065 = VRS 1956 S. 270 = BB 1956 S. 577. Anm. 26

VII. Verhältnis der Haftung nach § 485 zu der des bürgerlichen Rechts. 1. Nach § 278 BGB hat der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift bezieht sich auf die Erfüllung bestehender rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Verbindlichkeiten, nicht auf die Ausführung bloßer Verrichtungen im Sinne von § 831 BGB (RGZ 77, 212; 79, 319). Der Gehilfe selbst haftet, wenn überhaupt (RGZ 67, 184), aus außervertraglichem Verschulden neben dem Geschäftsherrn. Letzterer kann sich im Rahmen des § 278 aber niemals durch den Nachweis entlasten, daß er bei der Auswahl des Erfüllungsgehilfen mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren sei. Anm. 27 2. Auf ganz anderer rechtlicher Grundlage beruht die Vorschrift des § 831 BGB, nach dessen Absatz 1 derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz des von diesem in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zugefügten Schaden verpflichtet ist, wenn nicht der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person — und sofern er Verrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung — die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Die Bestellung zu einer Verrichtung ist die Übertragung einer Tätigkeit tatsächlichen oder rechtlichen Charakters (RGZ 73, 434; 92, 345), auch eines ganzen Geschäftskreises, z. B. desjenigen eines Korrespondentreeders. Nach § 831 haftet der Geschäftsherr nicht wie nach § 278 für Verschulden seiner Hilfspersonen — vorausgesetzt wird nur eine widerrechtliche Schadenszufügung —, sondern für v e r m u t e t e s e i g e n e s V e r s c h u l d e n , bestehend in der sorgfaltswidrigen Auswahl der Hilfspersonen, evt. auch in der sorgfaltswidrigen Beschaffung der erforderlichen Vorrichtungen oder Gerätschaften und in schuldhaft unterlassener Leitung der Verrichtung. Während ein nach § 278 den Geschäftsherrn verpflichtendes Verschulden des Gehilfen auf dessen Seite Deliktsfähigkeit im Sinne von §§ 827, 828 BGB voraussetzt, kommt es hierauf im Falle des § 831 nur für die Person des Geschäftsherrn an. Unter Umständen kann sowohl § 278 wie § 831 anwendbar sein, nämlich dann, wenn die von der Hilfsperson bei Ausführung der ihr übertragenen Verrichtung begangene widerrechtliche Schadenszufügung zugleich ein Verschulden in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn gegen einen anderen darstellt. In diesem Falle steht es dem Geschädigten frei, entweder ein Verschulden der Hilfsperson nachzuweisen — dann kann sich der Geschäftsherr nicht durch den Beweis der Sorgfalt in der Auswahl des Gehilfen entlasten — oder sich auf § 831 zu berufen, der dem Geschäftsherrn den Entlastungsbeweis gestattet. Anm. 28 3. In welchem Verhältnis steht zu diesen Vorschriften § 485 HGB? Vielfach ist betont worden, die schiffahrtsrechtliche Haftung für das Verschulden der Schiffsbesatzung gehe über die Haftungsnormen des bürgerlichen Rechts hinaus (so z. B. S i e v e k i n g 144; B r o d m a n n ZHR Bd.55 S.321). Das ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. § 485 (ebenso § 3 BSchG) ist eine S o n d e r v o r s c h r i f t d e s S c h i f f a h r t s r e c h t s , deren Rechtsgrundlage von der der §§ 278, 831 BGB verschieden ist und deren Anwendungsgebiet sich nur teilweise mit dem jener Bestimmungen deckt: sie lässt daher nur in beschränktem Maße eine Parallele mit diesen Vorschriften zu (wie sie z. B. vom RG J W 1914 S.1082 = Hansa 1914 S.946 oder auch in RGZ 151, 296 = J W 1936, 2871 = D J 1936, 581, gezogen wird; vgl. auch OLG Kiel SchlHolstAnz. 1913 S. 106). Soweit eine solche aber möglich ist, geht § 485 HGB nicht durchweg weiter als §§ 278, 831 BGB, sondern er bleibt in manchen Beziehungen hinter ihnen zurück (vgl. R i t t e r , ArchBürgR Bd. 32 S.474). 42

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Diese Verschiedenheiten sind folgende: a) § 485 verlangt, wie § 278 BGB, ein V e r s c h u l d e n d e r H i l f s p e r s o n , also Vorsatz oder Fahrlässigkeit derselben, § 831 BGB dagegen nur eine w i d e r r e c h t l i c h e H a n d l u n g : auch f ü r den Schaden, den eine mit einer Verrichtung betraute Hilfsperson in geisteskrankem Zustande anrichtet, wird nach § 831 BGB gehaftet, dagegen f ü r einen geisteskranken Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) oder eine geisteskranke Besatzungsperson (§ 485) nicht. b) Nach § 278 BGB und § 485 kommt es auf e i g e n e s V e r s c h u l d e n d e s G e s c h ä f t s h e r r n nicht an, nach § 831 BGB aber ist dieses allein erheblich. c) Nach § 278 BGB und § 485 hat der Geschädigte die B e w e i s l a s t f ü r das Verschulden der Hilfspersonen (soweit nicht die §§ 282 oder 285 BGB eingreifen), dagegen ist dem Geschäftsherrn ein Entlastungsbeweis, gerichtet auf Sorgfalt in der Auswahl der Hilfspersonen, nicht gestattet; nach § 831 BGB dagegen bedarf es des Beweises der Schuld des Geschäftsherrn nicht, sie wird vermutet, aber der Geschäftsherr kann sich freimachen durch gewisse Entlastungsbeweise. d) § 278 BGB bezieht sich nur auf b e s t e h e n d e S c h u l d v e r h ä l t n i s s e (RGZ 160, 315), § 831 BGB betrifft die Haftung f ü r andere a u ß e r h a l b e i n e s s o l c h e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s (wo ein Vertragsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem Beschädigten besteht, ist von ihm abzusehen und lediglioh von der Bestellung zu der fraglichen Verrichtung auszugehen: oben Anm. 27); § 485 beinhaltet beide Fälle. e) Nach bürgerlichem Recht h a f t e t der Geschäftsherr u n b e s c h r ä n k t , in den Fällen des § 485 der Reeder n u r m i t d e m S c h i f f s v e r m ö g e n (§ 486 Abs. 1 Ziff. 3 HGB), der Berechtigte ist Schiffsgläubiger (§ 754 Nr. 9 HGB). f) § 485 verlangt, daß ein Besatzungamitglied gehandelt hat oder eine Person, die einem solchen gleichzustellen ist. I m Falle des § 831 BGB muß es sich um einen „Verrichtungsgehilfen" handeln. Als solche werden selbständige Unternehmer, insbesondere auch solche auf dem Gebiete der Stauerei, nicht angesehen. Vgl. BGHZ 26, 152; RGZ 92, 345; 170, 10; RG HansRGZ 1936 B 478; R ö h r e k e Hansa 1952 S.226. Die Stauervizen werden auch nicht dadurch zu Verrichtungsgehilfen des Reeders im Sinne des § 831 BGB, daß nach § 514 H G B der Schiffer f ü r die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Verladen und Löschen sowie f ü r die gehörige Stauung auch dann zu sorgen hat, wenn die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wird; vgl. BGH a.a.O. Vgl. dort auch, ob und inwieweit dem Reeder gegenüber einem vom Charterer angenommenen Stauer vertragliche Fürsorgepflichten nach § 618 BGB erwachsen. 4. Diese Verschiedenheiten führen zu der Frage, ob überhaupt, eventuell wie weit, §§ 278 Anm. 29 und 831 BGB auf die Haftung des Reeders für seine Angestellten anwendbar sind. § 485 regelt als Sondervorschrift die Haftung des Reeders nur f ü r V e r s c h u l d e n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g sowie d e r i h r i n s o w e i t e n t s p r e c h e n d zu b e h a n d e l n d e n o d e r d e r i h r g e w o h n h e i t s r e c h t l i c h g l e i c h g e s t e l l t e n P e r s o n e n (Anm. 9ff. zu § 481 HGB). Daraus ergibt sich, daß der Reeder f ü r seine s o n s t i g e n H i l f s p e r s o n e n (kaufmännisches und gewerbliches Personal) nach bürgerlichem Recht haftet, daß also insoweit § 278 und § 831 BGB zur Anwendung kommen. Weiter aber kann n i c h t angenommen werden, daß § 485 d i e H a f t u n g d e s Reeders f ü r Verschulden von Besatzungs- u n d entsprechend oder gewohnh e i t s r e c h t l i c h so zu b e h a n d e l n d e n P e r s o n e n in d e m S i n n e e r s c h ö p f e n d r e g e l n w o l l t e , d a ß er a u c h f ü r v o n i h m n i c h t g e t r o f f e n e F ä l l e d a s b ü r g e r l i c h e R e c h t a u ß e r K r a f t s e t z t . Wenn sich der Reeder einer Besatzungsperson außerhalb von Dienstverrichtungen als Erfüllungsgehilfen bedient, so muß er f ü r deren Verschulden nach § 278 BGB haften (vgl. HansOLG OLGRechtspr. 20, 3), und zwar falls seine Verbindlichkeit auf einem der in § 486 Nr. 1 oder 2 genannten Rechtsgeschäfte beruht, beschränkt (mit Ausnahme der Fälle des § 486 Abs. 2), sonst unbeschränkt. I m übrigen tritt im Rahmen bestehender Verbindlichkeiten § 485 innerhalb seines Anwendungsbereiches an die Stelle des § 278 BGB; vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 176. E n d l i c h b l e i b t u n b e r ü h r t die H a f t u n g des R e e d e r s auf G r u n d v e r m u t e t e n e i g e n e n V e r s c h u l d e n s n a c h § 831 BGB. Das ist heute, nachdem das Reichsgericht zunächst in RGZ in RGZ 116, 213 = HansRZ 1927, 341 = J W 1927 S. 1248 = VerkRsch 1927 S. 256 eine gegenteilige Auffassung eingenommen hatte (s. auch HansOLG LZ 1916 S. 488) einhellige Meinung. Vgl. RG J W 1935 S. 1843 = VerkRsch 1936 S.361 = HansRGZ 1936 B 478; RGZ 124, 50 und 151, 296 = J W 1936 S.2871 = D J 1936 S.581; RGZ 161, 209; 43

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BGHZ 26, 152 = Hansa 1958 S.127 = N J W 1958 S.220; G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. B zu §485; W ü s t e n d ö r f e r SHR 178; V o r t i s c h - Z s c h u c k e , A n m . 2 b zu §3 BSch.; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 3 zu § 485 HGB. I n RGZ 151, 296 heißt es: „Es ist weder ein Grund ersichtlich, die danach in ihren Voraussetzungen grundsätzlich abweichende Haftung aus § 831 BGB als durch die (ältere) des § 485 HGB ausgeschlossen zu betrachten, noch auch die mit jener verbundenen persönlichen Haftung auf Grund des § 486 HGB auf die Haftung mit dem Schiffsvermögen zu beschränken. Dem Geschädigten muß vielmehr freistehen, in geeigneten Fällen entweder die durch die §§ 486, 754 H G B vermittelte, bevorzugte dingliche Sicherung zu beanspruchen, dafür aber die Last des Nachweises eines Verschuldens des Besatzungsmitgliedes auf sich zu nehmen, oder aber die unbeschränkte persönliche Haftimg des § 831 BGB zu verfolgen, dafür sich aber dem dort verstatteten Entlastungsbeweis auszusetzen. I n dem in RGZ 149,6 ( = J W 1935 S. 1843, = VerkRsch 1936 S.361) nicht zum Abdruck gelangten Teil der reichsgerichtlichen Entscheidung vom 6. März 1935 ist dies f ü r das Verhältnis des § 831 BGB zu den entsprechenden binnenschiffahrtsrechtlichen Bestimmungen bereits ausgeführt worden. Die in der Entscheidung RGZ Bd. 116 S.213 (214) zum Ausdruck gelangte abweichende Auffassung kann nicht aufrechterhalten werden." Es liegt also eine Anspruchskonkurrenz vor: zwar nicht die Geltendmachung, wohl aber die erfolgte Befriedigung des einen Anspruchs wirkt auf den anderen tilgend ein. H a t also die Geltendmachung des einen Anspruchs keinen oder nur teilweise Erfolg (beschränkte Haftung!), so hindert nichts, den anderen zu erheben. Praktisch wird die Haftung aus § 831 BGB vor allem in Betracht kommen, wenn der Geschädigte kein Verschulden der zu einer Verrichtung bestellten Besatzungsperson, sondern nur eine widerrechtliche Handlung behaupten kann, z. B. bei mangelnder Deliktsfähigkeit (§§ 827, 828 BGB) der in Frage kommenden Person. Anm. 30

5. Verhältnis von § 485 zu § 839 BGB und Art. 34 GG. Auch die Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG bleibt neben der Haftung nach § 485 bestehen. Jedoch ist die Haftung aus § 485 als Erlangung anderweitigen Ersatzes im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB anzusehen (RG D R 1944 S. 843 f ü r Art. 131 WeimV.). Auch unterliegt die Haftung des Staates nach Art. 34 GG den gleichen Beschränkungen, wie wenn der Anspruch auf §§ 485, 486 HGB, Art. 7 EGHGB gestützt wäre. Vgl. RGZ 149, 107; BGHZ 3, 321; OGHBrZ. 2, 379. Vgl. auch oben Anm. 2.

Anm. 31

VIII. Zusatz: Vertragshaftung und Haftung aus unerlaubter Handlung. Klagen gegen denReeder, der zugleichVerfrachter ist, aus Verträgen auf Schadenersatz wegen Vcrlusts oder Beschädigung von Sachen oder wegen Personenschadens durch Verschulden von Besatzungspersonen werden oft nicht nur auf Vertrag (Frachtvertrag, Schleppvertrag, Passagevertrag), sondern zugleich auf unerlaubte Handlung gestützt. Die Zulässigkeit solcher Klagbegründung ist, wo die Verletzung einer Vertragspflicht zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung bildet, mit der herrschenden Ansicht (vgl. RGZ 88, 433; E n n e c c e r u s L e h m a n n , Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearb. 1958, § 232, mit weiteren Nachweisen) nicht zu bezweifeln. Durch die Befriedigung des einen wird aber auch der andere Anspruch, weil und soweit er auf dasselbe Interesse gerichtet ist, aufgehoben. Geht der eine Anspruch auf mehr, so bleibt er insoweit natürlich bestehen. Daher kann der Deliktsanspruch auf Schmerzensgeld (§ 847 BGB) nach der Befriedigung des Vertragsanspruchs noch geltend gemacht werden. Aber der Deliktsanspruch wird, so wie er selbst die Vertragshaftung beeinflussen kann (Haftungsbeschränkung nach § 485; M i t t e l s t e i n LZ 1916 S. 1082), seinerseits durch das Vertragsverhältnis nach mehrfacher Richtung beeinflußt: der ihn geltend machende Verletzte ist nicht nur an Haftungseinschränkungen, die auf den gesetzlichen Bestimmungen über die Vertragshaftung beruhen, gebunden (vgl. RGZ 66, 363), denn anderenfalls würde eine derartige Einschränkung praktisch ziemlich bedeutungslos werden, er muß sich vielmehr auch gewisse auf dem Vertragsverhältnis beruhende Einreden gefallen lassen, so regelmäßig die der mit dem Gegner vereinbarten Haftungsminderung oder Haftungsausschließung, soweit diese gesetzlich zulässig ist (§ 662 HGB!), weil jedenfalls stillschweigende Erstreckung auch die Deliktshaftung anzurechnen ist (im einzelnen und f ü r den konkreten Fall betr.; vgl. BGHZ 17,214 und 24,188), aber nicht die der kraft Gesetzes f ü r das vertragliche Verhältnis kürzeren oder kürzer vereinbarten Verjährungsfrist ( G r a m m , Seefrachtrecht S. 88 und 177; BGHZ 9, 306); anders nur, wenn ausdrücklich auch die deliktische Verjährungsfrist abgekürzt worden ist. Bestr.; vgl. die Angaben dazu in BGHZ a.a.O. 44

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Das alles gilt ohne weiteres, wenn Sacheigentümer und Reeder m i t d e n V e r t r a g s - Anm. 32 P a r t e i e n i d e n t i s c h s i n d . Wie aber, w e n n d i e s e I d e n t i t ä t n i c h t v o r l i e g t ? Dann sind folgende Fälle zu unterscheiden: a) N i c h t d e r S a c h e i g e n t ü m e r , s o n d e r n j e m a n d a n d e r s i n s e i n e m A u f t r a g e u n d f ü r s e i n e R e c h n u n g s c h l i e ß t d e n V e r t r a g m i t d e m R e e d e r . Der gewöhnliche Fall ist der des (nicht gemäß § 413 HGB) auftretenden Spediteurs. Dann kann der Versender, der Eigentümer des Guts ist, bei Beschädigung oder Verlust desselben die Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB gegen den Verantwortlichen geltend machen. Dazu bedarf es nicht erst ihrer vorherigen Verschaffung durch den Spediteur. Diese Ansprüche stehen vielmehr kraft Gesetzes dem Versender als Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten unmittelbar zu. Reeder und Verfrachter obliegt unabhängig vom etwaigen Frachtvertrag gegenüber dem Eigentümer des Gutes die Pflicht, fremdes Eigentum, das im Rahmen ihres Gewerbebetriebs in ihre Obhut gelangt ist, sorgfälltig zu behandeln (RGZ 102, 38; BGHZ 9, 301). Macht der Versender außervertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Reeder (Verfrachter) geltend, so sind grundsätzlich die zwischen dem Spediteur und dem Verfrachter (Reeder) vereinbarten Haftungsbeschränkungen unerheblich. Diese Ansprüche gründen sich ja nicht auf den die Haftungsbeschränkung enthaltenden Vertrag. Dennoch wird im Zweifel davon auszugehen sein, daß die außervertraglichen Ansprüche nicht weiter gehen als die auf Grund eines Vertrages, der ja immer besondere Sorgfaltspflichten auferlegt. Deshalb wird, wenn der Eigentümer mit der Versendung als solcher einverstanden war, zu prüfen sein, welche Ansprüche der Eigentümer gegen den Dritten gehabt hätte, wenn er selbst mit diesem in Vertragsbeziehungen getreten wäre. Wären dann die gleichen Haftungsbeschränkungen vereinbart worden, so gelten sie auch gegenüber den außervertraglichen Ansprüchen des Eigentümers. Stets aber wird man davon ausgehen müssen, daß der üblicherweise vereinbarte Vertragsinhalt den Sacheigentümer bindet, so daß er nicht unter Ignorierung desselben einen Deliktsanspruch erheben kann (RGZ 77, 317; 75, 172; 77, 320 RG HansGZ 1902 Nr. 89). Vgl. auch § 2ADSp. b) D e r v o m S a c h e i g e n t ü m e r o d e r s e i n e m S p e d i t e u r b e a u f t r a g t e V e r f r a c h - Anm. 33 ter ( F r a c h t f ü h r e r ) schließt zur E r f ü l l u n g seiner eigenen T r a n s p o r t v e r p f l i c h t u n g d e n V e r t r a g (Frachtvertrag oder Schleppvertrag) m i t e i n e m a n d e r e n V e r f r a c h t e r , d e r g l e i c h z e i t i g R e e d e r i s t . Hier ist nicht f ü r Rechnung des Sacheigentümers kontrahiert, der Vertragsinhalt berührt ihn nicht, und er ist an der Geltendmachung von Deliktsansprüchen gegen den Reeder weder gehindert durch den von ihm oder seinem Spediteur mit seinem Verfrachter geschlossenen Vertrag (HansOLG HansGZ 1906, 42; RG HansGZ 1912, 159), soweit der letztere nicht etwa Bestimmungen gerade z u g u n s t e n des Reeders enthält ( M i t t e l s t e i n LZ 1916 S.1084), noch durch den Vertrag, der ohne sein Zutun von seinem Verfrachter mit dem Reeder geschlossen ist (RGZ 63, 312; 77, 320ff; HansOLG 1912 Nr.27; M i t t e l s t e i n LZ 1916 S. 1084; anders HansOLG HansGZ 1910 Nr.97; G ü t s c h o w HoldheimsMSchr. 1912, 166). c) Dem Reeder, der nicht zugleich der Verfrachter ist, kommen Vereinbarungen der Anm. 34 Vertragsparteien über die Beschränkung der Haftung aus unerlaubter Handlung nicht zugute, weil hier eine dem § 485 Satz 2 entsprechende Vorschrift fehlt ( G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. B I I zu § 485). I X . Ausländisches Recht. Vgl. B o y e n s Bd. I, S. 176 Anm. 1: S o t i r o p o u l o s , Die Haf- Anm. 35 tung f ü r die Hilfspersonen der Schiffsbesatzung nach deutschem, französischem und englischem Recht, ZHR Bd. 123 S. 1 fï. ; A b r a m , L'affréteur qui a choisi le capitaine est-il responsable des engagements et des fautes de ce capitaine en vertue le l'article 1384 du Code oivil, Revue Autran Bd. 22 S. 559. Das bürgerliche Recht in Frankreich kennt im Gegensatz zum deutschen Recht eine Erfolgshaftung f ü r fremdes Verschulden. Vgl. Art. 1384 Abs. 5 c. civ. Danach muß der Dienstherr f ü r das Verschulden seiner Verrichtungsgehilfen einstehen ohne die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises wie nach § 831 BGB. Das hat zur Folge, daß das französische Recht nicht wie das deutsche mit der entsprechenden Anwendung der seerechtlichen Sonderbestimmungen, wie z.B. im Falle des Stauers, arbeiten muß. Die seerechtliche Sonderbestimmung ist Art. 216 c. com. Nach ihm ist jeder Schiffseigentümer f ü r 45

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die Handlungen des Kapitäns verantwortlich und haftet f ü r die von diesem eingegangenen Verbindlichkeiten bezüglich des Schiffs und der Reise. Die Haftung trifft den Schiffseigentümer, ohne Rücksicht darauf, ob dieser gleichzeitig auch der Reeder (armateur) ist. I n Art. 216 c. com. ist zwar ausdrücklich nur vom Kapitän die Rede. Doch wird allgemein anerkannt, daß er auch f ü r die sonstige Schiffsbesatzung gilt (vgl. z.B. R i p e r t , Droit Maritime B d . I N r . 7 7 3 , B d . I I Nr. 1380ff.). Art. 216 Abs. 1 c. com. entspricht also im großen und ganzen § 485, indem beide eine Erfolgshaftung f ü r fremdes Verschulden vorsehen. Schließlich kann als Haftungsgrund noch in Betracht kommen die „responsabilité du fait des choses". Vgl. Art. 1384 Abs. 1 c. civ. Sie bedeutet, daß der Halter einer Sache f ü r den durch diese Sache verursachten Schaden einstehen muß, wenn er nicht dartun kann, daß der Schaden auf eine Ursache zurückzuführen ist, die der Sache fremd ist. Vgl. wegen der Einzelheiten das einschlägige Schrifttum zu Art. 1384 c. civ. Zu der als équipage bezeichneten Schiffsbesatzung werden in Frankreich gerechnet das Decks- und Maschinenpersonal sowie die Funker und das Verpflegungspersonal (vgl. R i p e r t , a.a.O., B d . I Nr.507). Als Besatzungsmitglieder gelten ferner die Offiziere (vgl. R i p e r t B d . I Nr.773; doch ist die Begriffsbezeichnung nicht ganz einheitlich) einschließlich der Ärzte. Innerhalb der Schiffsbesatzung wird unterschieden zwischen den „inscrit maritimes", zu denen alle Personen gehören, die zur Fortbewegung des Schiffes beitragen, wie Decks- und Maschinenpersonal, Funker, Handwerker, der Koch der Schiffsbesatzung, und den „agents du Service général", deren Tätigkeit mit der Fortbewegung des Schiffes in keiner Beziehung steht, den Passagieren aber nützlich ist. In Betracht kommen hier die Köche f ü r die Passagiere, Stewards, Stewardessen (vgl. R i p e r t , a.a.O. B d . I Nr.450, 462ff., 46911.). Als Kriterien f ü r die Schiffsbesatzung sind somit f ü r das französische Recht erforderlich stets eine dauernde Beschäftigung auf dem Schiff während der Fahrt und ein Anstellungsverhältnis zum Reeder oder Ausrüster (vgl. R i p e r t , Bd. I Nr.507). Das französische Recht stimmt also in dieser Hinsicht mit der jetzt in Deutschland herrschenden Auslegung des § 481 HGB überein. Keinesfalls werden der Schiffsbesatzung zugerechnet Arbeiter, die im Hafen eine bestimmte Arbeit verrichten (vgl. R i p e r t Bd. I Nr. 507: z . B . Handwerker, die Ausbesserungsarbeiten vornehmen), Schauerleute sowie Leute, die eine selbständige Berufstätigkeit auf eigene Gefahr an Bord ausüben, wie etwa Friseure, Gaststättenpächter. Doch ist die Abgrenzung dieser Personenkreise gegenüber demjenigen der Schiffsbesatzung im französischen Recht nur insoweit von Bedeutung, als der Reeder f ü r das Verschulden des Kapitäns und der Besatzung nach Art. 216 Abs. 2 c. com. nur beschränkt haftet, f ü r seine sonstigen Angestellten nach Art. 1384 Abs. 5 c. com. aber unbeschränkt. Dem Grunde nach ist nämlich die Frage, ob die nicht zur Schiffsbesatzung rechnenden Personenkreise zu dieser gezählt werden oder nicht, keine wesentliche, weil der Reeder f ü r sie jedenfalls nach Maßgabe des Art. 1384 Abs. 5, evtl. auch Art. 1384 Abs. 1 c. civ. haftet. Zweifelhaft ist die Haftung f ü r solche Personen, die, ohne zur Schiffsbesatzung zu gehören. typische Schiffsdienste leisten, wie z.B. die Schlepperbesatzung, der Lotse und dergleichen. Die Haftung f ü r freiwillig angenommenen und (im Gegensatz zum deutschen Recht, aber in Einklang mit dem IÜZ) Zwangslotsen wird bejaht, ebenso in diesen Fällen die Haftungsbeschränkung. Vgl. R i p e r t Nr.870, 871, 1275. Der Lotse selbst haftet f ü r sein Verschulden nach den allgemeinen Bestimmungen, aber regelmäßig nur beschränkt in Höhe der von ihm geleisteten Sicherheit. Beim Schlepper versucht man zu ermitteln, ob der Reeder des geschleppten Schiffes — vertreten durch seinen Kapitän — als der eigentliche Leiter des ganzen Unternehmens im Sinne des Art. 1384 c. civ. angesehen werden kann. Dann wird die Haftung des geschleppten Schiffes f ü r den Schlepper bejaht. Fehlt es an einem solchen Unterstellungsverhältnis, so haftet jedes Schiff nur f ü r sein eigenes Verschulden. Die Praxis wird beherrscht von vorgedruckten Formularen, in denen weitgehende Freizeichnung des Schlepperreeders von seiner Haftung gegenüber dem geschleppten Schiff vorgesehen ist, außerdem ein Regreß gegen das geschleppte Schiff wegen der erlittenen Schäden und der ausgezahlten Schadensersatzgelder. Vgl. dazu auch S i e g Hansa 1958, S. 1565. Für ein Verschulden des Stauunternehmers haftet der Reeder nach Art. 1384 c. civ. nicht. Der Unternehmer haftet gemäß Art. 1384 Abs. 5 c. civ. f ü r seine Stauarbeiter ohne Entlastungsmöglichkeit. Aus diesem Grunde wird auf die Haftung des Reeders f ü r den Stauunternehmer nicht der gleiche Wert gelegt wie in Deutschland. Art. 1384 Abs. 5 c. civ. kommt auch zur Anwendimg, wenn die 46

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Stauer die eigenen Angestellten des Reeders sind. Eine Haftung des Verfrachters für den Stauer kommt in Betracht, soweit dieser als sein Erfüllungsgehilfe beim Frachtvertrag angesehen werden kann. Vgl. R i p e r t , B d . I Nr.875, 876ff., B d . I I Nr. 1483ff., 1488ff. Dem englischen Recht sind grundsätzlich besondere seerechtliche Bestimmungen über die Haftung des Reeders für das Verschulden der Schiffsbesatzung unbekannt. Es gelten deshalb die allgemeinen Haftungsnormen des common law und des Statute law. Gemäß dem common law hat der Dienstherr (master) für das Verschulden seiner Angestellten (servants) einzustehen. Das gilt auch für den Seeunternehmer, wobei unerheblich ist, ob er Eigentümer des Schiffes ist oder nicht. Vgl. M a c l a c h l a n S. 271ff.; C h o r l e y and G i l e s S. 229. Anders als im französischen Recht haftet also der Eigentümer als solcher grundsätzlich nicht. Voraussetzung ist eine unerlaubte Handlung (tort) des servant; auch muß der Schaden bei der Ausführung und im Rahmen der Dienstverrichtungen des Angestellten entstanden sein. Zu den servants gehört eine beschäftigte Person dann, wenn sie einem Aufsichts- und Weisungsrecht des Dienstherrn untersteht, wobei die Dauer des Anstellungsverhältnisses gleichgültig ist. Ein Arbeitsvertrag braucht nicht vorzuliegen. Der Verrichtungsgehilfe kann seine Dienste auch unentgeltlich leisten oder von einem Dritten bezahlt werden. Doch muß immer ein Weisungs- und Aufsichtsrecht des Dienstherrn bestehen. Für die Delikte eines selbständigen Kontrahenten (independent contractor) oder dessen Angestellten haftet der Geschäftsherr grundsätzlich nicht. Nach englischem Recht ist also der Eigentümer eines Schiffes als solcher nicht für die Besatzung verantwortlich, sondern der employer oder master für Verschulden seines servant „acting within the scope of his employment" oder „in the course of his (lawful) employaient". Die Haftung des Dienstherrn ist eine adjektizische Haftung für fremdes Verschulden. Ein Entlastungsbeweis des Dienstherrn, wie im deutschen bürgerlichen Recht nach § 831 B G B , ist nicht möglich. Der Täter selbst haftet neben dem Dienstherrn. Vgl. auch den Occupiers' Liablility Act, 1957. I n ihm ist eine deliktische Haftung für gefährliche Grundstücke festgelegt, die auch auf Schiffe und Kraftfahrzeuge zur Anwendung kommt. Der Reeder als Halter des Schiffes ist danach verpflichtet, alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um einen Schaden von Leuten, die befugterweise an Bord gehen, abzuwenden. Im einzelnen: Der f r e i w i l l i g a n g e n o m m e n e L o t s e ist servant des Reeders, dagegen nicht der Zwangslotse. Doch bestimmt sect. 15 (1) des „Pilotage Act, 1913" in Anpassung des englischen Rechts an Art. 5 IÜZ, daß bezüglich der Haftung des Reeders der Zwangslotse einem freiwillig angenommenen Lotsen gleichstehen soll. Doch gilt das bei einem Schiffszusammenstoß in ausländischen Gewässern nur dann, wenn auch nach der lex loci delicti commissi für den Zwangslotsen gehaftet wird, denn nach englischem internationalem Privatrecht richtet sich die deliktische Haftung nach dieser und nach der lex fori. Sie muß also nach beiden gegeben sein. — Die S c h l e p p e r b e s a t z u n g wird in bestimmter Hinsicht als „servant" des geschleppten Schiffes angesehen, in anderer nicht, so daß heute in vielen Fällen das geschleppte Schiff, auch wenn die Führung bei ihm gelegen hat, nicht für das Verschulden der Schlepperbesatzung haftet. Der Satz „the tug ist the servant of the tow" gilt also nicht mehr in allen Fällen. In der Praxis wird das Innenverhältnis zwischen Schlepper und Schleppschiff von allgemeinen Vertragsbedingungen beherrscht, von denen insbesondere die „United Kingdom Standard Towage Conditions" zu erwähnen sind. — Stauunternehmer sind „independent contractors", so daß für sie und ihre Leute grundsätzlich die Haftung des Schiffes ausgeschlossen ist. Doch gilt das nicht, wenn der Reeder den Stauer zur Erfüllung vertraglicher Verpflichtung, insbesondere im Rahmen des Carriage of Goods by Sea Act benutzt. Für Belgien vgl. Art. 46 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. 2. 1908 : „Tout propriétaire de navire est civilement responsable des faits du capitaine et tenu de ses engagements des faits par ce dernier dans l'exercise de ses fonctions; il est civilement responsable des faits de l'equipage et des préposés qui en font l'office dans l'exercise de leur fonctions respectives" (vgl. dazu M i t t e l s t e i n HansRZ 1 Beiheft S. 3). Auch die Stauer rechnet man unter Art. 46 Abs. 1, wenn sie vom Reeder bestellt sind. Die Haftung für Lotsen einschließlich Zwangslotsen ist in Art. 251 Abs. 7 c. com. besonders geregelt (vgl. S m e e s t e r s u n d W i n k e l m o l e n , Bd. I Nr. 99). Griechenland. Gemäß Art. 84 Abs. 2 des 1958 neu in Kraft getretenen griechischen Seegesetzbuchs ist der Reeder haftpflichtig für die vom Kapitän, der Schiffsbesatzung oder dem

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Lotsen in Ausführung der ihnen anvertrauten Aufgaben begangenen unerlaubten Handlungen. Vgl. außerdem A r t . 922 Zivilgesetzbuch von 1940, in welchem eine Haftung für das Verschulden eines Verrichtungsgehilfen ohne die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises festgelegt ist. Die seerechtliche Haftung besteht auch für den Zwangslotsen (so ausdrücklich A r t . 238 für den Fall des Schiffszusammenstoßes). Eine Haftung des Reeders für Stauarbeiter kommt nur nach Maßgabe des A r t . 922 Z G B in Betracht, wenn sie also seine Verrichtungsgehilfen sind. I n Italien legt A r t . 274 Abs. 1 cod. nav. die Haftung des Reeders für die Handlungen der Besatzung fest, zu der auch der Lotse während seiner Anwesenheit an Bord gerechnet wird (vgl. A r t . 316 Abs. 2 cod. nav.). Wegen der Schlepperbesatzung vgl. A r t . 104 Abs. 2 cod. nav.: Danach haften der Reeder des Schleppers und derjenige des geschleppten Schiffes Dritten gesamtschuldnerisch. Jeder von beiden kann jedoch nachweisen, der Schaden sei nicht auf von ihm zu vertretende Ursachen zurückzuführen. Ein Verschulden der Schauerleute ist v o m Stauunternehmer als ihrem Dienstherrn zu vertreten (vgl. Kassationshof Rivista del diritto della navigazione 1955, S. 126fi.). Für die Niederlande vgl. A r t . 321 W v K . Danach ist der Reeder auch für den Schaden verantwortlich, der von Leuten verursacht wird, die nur vorübergehend im Dienste des Schiffes stehen oder an Bord Schiffs- oder Ladungsdienste leisten. Hierunter fallen auch die Leute eines selbständigen Stauunternehmers (vgl. M o l e n g r a a f f , K o r t begrip van het nieuwe nederlandsche Zeerecht, 1927 Bd. I S. 76), ferner auch die Handwerker der Dockgesellschaft (vgl. C l e v e r i n g a , H e t nieuwe Zeerecht, 3. Aufl. 1946 S. 151). I n A r t . 538 W v K ist angeordnet, daß im Falle eines Zusammenstoßes zwischen einem geschleppten Schiff und einem dritten Schiff bei Verschulden des Schleppers Schlepper und Schleppschiff haften. Für Norwegen vgl. A r t . 8 Seegesetz von 1893. Danach ist der Schiffseigentümer für den Schaden verantwortlich, der durch den Kapitän, die Schiffsbesatzung und den Lotsen in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen angerichtet wurde. Der Schiffseigner kann für Beträge, die er derart zahlen mußte, Regreß gegen das schuldige Besatzungsmitglied nehmen. Anm. 36

X. Internationales Privatrecht. Welches Recht entscheidet bei Statutenkollision darüber' ob der Reeder für schadenstiftendes Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung aufzukommen hat? Vgl. hierzu insbesondere auch F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, 1929 B d . I I S.497ff.; R i e s e , Internationalprivatrechtliche Probleme auf dem Gebiet des Luftrechts, Z L R 1958, S. 272ff.; F i s c h e r , Der Schiffszusammenstoß im internationalen Privatrecht, Dias. Hamburg 1937; B e i t z k e , Schiffskollisionen im Ausland, M D R 1959 S. 881; H i m m e l m a n n , Welches Recht ist bei Schiffszusammenstößen anzuwenden ? Hansa 1958 S. 631; R e i n b e k HansRGZ 1933 A 350; B i n d e r , ZurAuflockerung des Deliktsstatuts, RabelsZ 1955 S. 401 ff. Siehe weiter die Schrifttumsangaben Vorbemerkung vor §§ 734ff. Anm. 23. a) Vertragshaftung. Handelt es sich um ein Verschulden der Besatzungsperson bei Ausführung eines vom Reeder selbst oder durch Vertreter geschlossenen Vertrages, so kommt das Recht zur Anwendung, von welchem das betreffende Vertragsverhältnis beherrscht wird. Geht aus dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Parteiwillen nichts Abweichendes hervor, so wird der Heuervertrag beherrscht vom Recht der Flagge des Schiffes ( W a g n e r H B 141 ; W ü s t e n d ö r f e r S H R 35), der Bodmereivertrag vom Rechte des Zahlungsorts oder des Bodmereidarlehns (Anm. zu § 679 H G B ; entsprechend sonstige Kreditverträge). Über den Frachtvertrag vgl. Vorbemerkung vor §§ 556ff. H G B Anm. 27 ff.

Anm. 37

b) Haftung aus unerlaubten Handlungen. Hier kann als anwendbares Recht in Frage kommen das des Tatorts, der Flagge und das des Prozeßorts. aa) Grundsätzlich entscheidet das Recht des Tatorts. Es ist maßgeblich nicht nur dafür, ob gegen die Besatzungsperson selbst ein Anspruch gegeben ist, sondern auch dafür, ob und wie der Reeder für diesen Anspruch haftet ( B G H Z 3, 321 ; 29, 237 = N J W 1959 S. 769 = Hansa 1959 S. 931 = M D R 1959 S. 371; R G Z 29, 93; 37, 182; siehe auch B G H Z 14, 286; 23, 65; R G Z 150, 271; R a a p e , Internationales Privatrecht 4. Aufl. 1955 S. 534ff.; R a b e l , Conflict of Laws, Bd. 2 Chicago 1947 S. 342 ff., 353; Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 11 S. 295; See- und Handelsgericht Kopenhagen Hansa 1957 S. 2221; anders R O H G 24, 87; HansOLG HansGZ 1892 Nr. 27; die norwegische Praxis mit Rücksicht auf die Belange des Kaskoversicherers, vgl. R a a p e a.a.O., S. 540). Daß im letzteren Falle keine Haftung für eigenes,

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sondern eine gesetzlich festgelegte Haftung f ü r fremdes Verschulden vorliegt, macht nur für die subjektive Beziehung, nicht aber für die Qualität des Anspruchs einen Unterschied ( O e r t m a n n ArchBürgR Bd. 8 S. 175). Demgegenüber ist nur gelegentlich die Auffassung vertreten worden, das Flaggenrecht des Schiffes (so L e w i s , Das deutsche Seerecht, 2.Aufl. 1883/84, Bd. 1 S.48) oder dessen Heimatrecht (so ROHG 24 Nr. 26; LG Hamburg HansGZ 1888 Nr. 3; HansOLG HansGZ 1892 Nr. 27; HG und AppG Rouen, Journal du droit international privé 19, 1130; 21, 303; F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, Bd. 2 S. 532) sei g r u n d s ä t z l i c h maßgeblich. Das kann aber schon deswegen nicht sein, weil für die Qualifikation und die Rechtsfolgen einer unerlaubten Handlung Staatsangehörigkeit und Wohnort des Täters im allgemeinen gleichgültig sind. Wenn Lewis a.a.O. meint, die Haftung des Reeders für Handlungen der Besatzung sei eine Folge der Anstellung; mit der letzteren unterwerfe sich der Reeder stillschweigend allen Folgen, welche das Recht, d. h. das Recht des Heimathafens, damit verbinde, so ließe sich vielleicht mit größerem Recht darauf erwidern, der Reeder unterwerfe sich durch die Schiffahrt in fremden Gewässern den dort geltenden Gesetzen, wenn überhaupt die Geltung eines Rechtssatzes innerhalb seines örtlichen Gebiets einer Person gegenüber davon abhängig wäre, daß sich dieselbe ihm unterwirft. Vgl. aber unten Anm. 39 bb. Die grundsätzliche Anwendung des R e c h t s des P r o z e ß o r t s ist deshalb zu verneinen, weil sie einem zufälligen, mit dem Rechtsverhältnis selbst in keiner Verbindung stehenden Umstände entscheidendes Gewicht verleihen würde: der Beschädigte käme in die Lage, sich unter mehreren denjenigen Prozeßort auszusuchen, dessen materielles Recht seinen angeblichen Ansprüchen am günstigsten wäre (HansOLG HansGZ 1892 Nr. 27 ; anders z. B. W a g n e r 142; HansOLG HansGZ 1889 Nr.97). Bei Fragen des internationalen Privatrechts hat aber jede Antwort die Vermutung der Unrichtigkeit für sich, welche die Entscheidung über das anzuwendende Recht ohne zwingenden Grund in die Hand einer der Parteien legt. Vgl. aber unten Anm. 40. Anders R e i n b e k HansRGZ 1933 A 350. D a s R e c h t des T a t o r t s i s t s o m i t a u c h a u f A n s p r ü c h e a u s S c h i f f s k o l l o s i o n e n g r u n d s ä t z l i c h a n z u w e n d e n (so mit Recht BGHZ 29, 237 = N J W 1959 S. 769 = Hansa 1959 S. 931 = MDR 1959 S. 371; B e i t z k e a.a.O.), ferner auch auf Fernschädigungen durch Schiffe. Vgl. auch RGZ 21 Nr. 24; OHG BrZ4,196; BGHZ 3, 321; BGH Hansa 1957 S. 1867; OLG Köln MDR 1950 S. 729. Für das ausländische Recht sind gleicher Ansicht R a b e l , Conflict of Laws, Bd. I I 1947 S. 343ff.; S c e r n i , II diritto internazionale privato maritimo ed aeronautico, Padua 1936, S. 301ff.; R i p e r t , Droit Maritime, Bd. I I I Nr. 2074; M a k a r o v (für Italien) RabelsZ Bd. 15 S. 61; Appellationsgericht Den Haag Neederl. Jurisprudenti 1937 Nr. 108; für die USA B i n d e r RabelsZ Bd. 20 S. 448; für Portugal Art. 674 HGB; für Schweden RabelsZ Bd. 13 S. 834. Über die abweichende Auffassung in Norwegen siehe R a a p e , a.a.O. S. 541 Anm. In Großbritannien wird jedenfalls verlangt, daß auch das Recht des Tatorts einen Ersatzanspruch gewählt. Es ist somit nur folgerichtig, wenn die deutsche Rechtsprechung auf Schiffszusammenstöße in deutschen Hoheitsgewässern ständig deutsches Recht angewendet hat, und zwar auch dann, wenn ein deutsches Schiff ein ausländisches schuldhaft beschädigte. Vgl. ROHG 3, 30; RG Recht 1902 Nr. 171; RG SeuffA Bd. 84 Nr. 69; OLG Hamburg HansRGZ 1932 B Nr. 192; OGHBrZ 2, 379; 4, 194; BGHZ 3, 321; Schiedsgericht HansRGZ 1942 B Nr. 127. Auf hoher See ist das Recht der Flagge nur deshalb anzuwenden, weil es mit dem des Tatorts identisch ist. Vgl. dazu unten Anm. 39. Über das materielle Recht bei Schiffszusammenstößen siehe §§ 734ff. HGB. Das Recht des Tatorts gilt auch für die Beweislast (BGHZ 29, 237). Über die Neigung der deutschen Rechtsprechung, bei Zusammenstoß zweier deutscher Schiffe in ausländischem Hoheitsgebiet deutsches Recht anzuwenden, vgl. unten Anm. 40. Das Recht des Tatorts entscheidet aber nicht nur Uber die an die Spitze der Anm. 36 gestellte Anm. Hauptfrage, sondern auch Uber die Nebenfragen. aaa) Ob die schadenstiltende Person zur Schilfsbesatzung gehört bzw. hinsichtlich der Reederhaftung ihr analog zu behandeln ist (vgl. RGZ 29, 92; s. aber unten Anm. 39). bbb) Ob sich die schadenstiftende Handlung als Verschulden darstellt (RGZ 37, 181 ; BGHZ 29, 273). Das ROHG (24, 86ff.) gibt nur zu, daß unter Umständen auf Grund besonderer Vorschriften sich eine Handlung im Auslande t a t s ä c h l i c h als Verschulden charak4

S c h a p s - A b r a h a m , Seerecht II

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terisieren könne, die es im Lande der Flagge nicht sei: i n b e t r e f f d e s B e g r i f f e s u n d d e r r e c h t l i c h e n V o r a u s s e t z u n g e n des Verschuldens könne indessen nur das Recht der Flagge maßgebend sein. Diese Unterscheidung ist nicht begründet: wenn sich etwas an dem Orte, wo es geschieht, in concreto als Verschulden darstellt, so kann es keinen Unterschied machen, ob dies auf allgemeinen Grundsätzen oder auf örtlichen Spezialvorschriften beruht. Nach HansOLG Hamburg MDR 1955 S. 615 soll ein deutsches Gericht nach deutschem Recht zu entscheiden haben, ob eine unerlaubte Handlung vorliegt. Zu beachten sind f ü r den deutschen Richter Art. 12 EGBGB, wonach gegen einen Deutschen, wenn er die T a t im Ausland begangen hat, keine weitergehenderen Ansprüche geltend gemacht werden können, als nach deutschem Recht in Frage kommen, ferner Art. 30 EGBGB, nach welchem die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn sie gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde. Vgl. auch die VO vom 7. 12. 1942 (RGBl. I S. 706), nach welcher deutsches Recht maßgeblich ist, wenn ein Deutscher durch eine im Ausland begangene unerlaubte Handlung eines Deutschen geschädigt ist. Die Fortgeltung dieser VO ist zweifelhaft. D a f ü r z.B. R a a p e a . a . O . S.535 Anm. 162, N e u h a u s RabelsZ Bd 17 S.654; M a k a r o v Rabeis ZBd.20 S. 107, BGHZ 14, 290; dagegen z.B. E n n e c c e r u s - L e h m a n n Schuldrecht 15.Bearb. § 98 I , M. W o l f f , Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 1953 S.168, B e i t z k e a . a . O . S.883 (der auch bei etwaiger formeller Weitergeltung ihre sachliche Anwendbarkeit im neutralen Ausland leugnet). Anm. 39

bb) Das Recht der Flagge ist anzuwenden, wenn der Tatort die hohe See ist (HansOLG HansGZ 1901 Nr.73; RGZ 49, 187; 74, 46; 138, 243). Das Recht der Flagge ist hier die lex loci delicti commissi, einerlei, ob man die Schiffe auf hoher See als Bestandteil ihres Heimatlandes fingiert oder nicht, da jedenfalls unbestritten ist, daß dessen Rechtsordnung auf ihnen gilt. Die Anwendung des Flaggenrechts f ü h r t zu einwandfreien Ergebnissen, wenn beide Schiffe die gleiche Flagge führen. E s besteht keinerlei Grund, in diesem Falle etwa auf das Recht des Prozeßorts zurückzugreifen, wie es W a g n e r H B 142, B o y e n s Bd. I S.71ff. und ein Teil der älteren Rechtsprechung (RGZ 19,10; HansOLG HansGZ 1888 Nr. 116 = SeufEA Bd. 45 Nr. 35) wollen. Wie aber, wenn die kollidierenden Schiffe verschiedene Heimatländer haben und nur eines von ihnen schuldig ist? Nach RGZ 49, 182 und 74, 46 soll es dann auf das Flaggenrecht des schuldigen Schiffes ankommen. Das war eine Lösung, die zu sicheren Ergebnissen f ü h r t e . Anders RGZ 138, 243 (Casablanca-Fall). Danach ist die Tat auf jedem der beiden kollidierenden Schiffe begangen, indem sich ihr schadenbringender Erfolg auch auf dem anderen Schiffe als einem fremden Rechtsgebiet auswirkt. I n einem solchen Fall soll nach dieser Entscheidung die rechtliche Beurteilung grundsätzlich nach den Rechtssystemen beider Heimatrechte geschehen, indem es genügen soll, daß jedenfalls eines dieser beiden Rechtssysteme den Anspruch als begründet erscheinen läßt. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß es nicht unbedenklich erscheint, die bei Landverhältnissen vielleicht zutreffende Ansicht, in einem solchen Falle im Rechtssinn die beiden in Betracht kommenden Orte als Begehungsorte anzusehen, auf die Verhältnisse auf der See zu übertragen. Auf dem festen Land weiß der Täter, mit welchem sonstigen Rechtssystem er es in der Nachbarschaft zu t u n hat. Auf See ist überhaupt nicht vorauszusehen, welche Flagge ein etwaiger Kollisionsgegner f ü h r t . Deshalb kann hier billigerweise nur das eigene Recht des Reeders dafür entscheidend sein, ob ein Verschulden vorliegt — denn nur nach den eigenen Gesetzen h a t auf hoher See die Besatzung Anlaß, ihr Verhalten einzurichten ( L e w i s Z H R Bd.32 S.99; anders B o y e n s Bd. 1 S.71) —, ob die handelnde Person zur Besatzung gehört und ob ihr Verschulden den Reeder verpflichtet. Die Casablanca-Entscheidung kann jedenfalls zu sehr schwer entwirrbaren Verhältnissen führen, wenn die verschiedenen Heimatrechte nicht jedenfalls eine gewisse Ähnlichkeit haben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dann ein Gericht letzten Endes in die lex fori ausweicht. Vgl. darüber Anm. 40. Darauf hinzuweisen ist allerdings, daß f ü r die Mitgliedstaaten des IÜZ hinsichtlich des materiellen Kollisionsrechts eine gewisse Rechtsvereinheitlichung eingetreten ist. Sind beide Schiffe mit verschiedenen Heimatrechten an der Kollision schuldig, so f ü h r t die Anwendung des Flaggenrechts nur dann zu tragbaren Ergebnissen, wenn die Flaggenrechte einander im wesentlichen ähnlich sind. Vgl. im übrigen Anm. 40. Die deutsche Rechtsprechung h a t das Flaggenrecht auch dann f ü r maßgeblich erklärt, wenn zwei deutsche Schiffe in ausländischen Hoheitsgewässern kollidieren (vgl. etwa HansOLG HansGZ 1906 Nr. 154, 1913 Nr.52; 1915 Nr.69; HansRGZ 1940B N r . 5 ; OLG Köln B B 1958 50

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S.353). Mit Recht h a t B e i t z k e a.a.O. darauf hingewiesen, daß das nicht folgerichtig sei. Es müsse auf das Recht des Tatortes abgestellt werden. Vgl. oben Anm.38. Siehe bei B e i t z k e auch über die Nichtanwendbarkeit der VO vom 7. 12. 1942 in diesem Falle. Art. 12 Abs. 2 IÜZ kann nicht f ü r die Heranziehung deutschen Rechtes angeführt werden, weil es sich bei ihm nicht um eine Kollisionsnorm handelt (anders R a a p e , Internationales Privatrecht, 4.Aufl. 1955 S.541; S c h l e g e l b e r g e r Anm.7 zu § 486 H G B ; wie hier B e i t z k e a.a.O.). I n der Neigung der deutschen Rechtsprechung, auch dann deutsches Recht anzuwenden, wenn die Kollision eines deutschen Schiffes in ausländischen Gewässern mit einem ausländischen Schiff erfolgte und Ansprüche gegen den deutschen Reeder vor einem deutschen Gericht geltend gemacht werden (RGZ 19, 7), ist durch BGHZ 29, 237 — siehe dazu auch S i e g MDR 1959 S.532 — ein Wandel eingetreten. cc) Die Anwendung des Rechts des Prozeßorts ist nur insoweit gerechtfertigt, als die gleich- Anm. 40 zeitige Anwendung mehrerer Flaggenrechte zu Unzuträglichkeiten führen würde. Die gleichzeitige H a f t u n g mehrerer Reeder nach ihren Plaggenrechten auf Grund desselben Tatbestands, insbesondere eines Zusammenstoßes auf hoher See, ist nur dann ohne praktische Schwierigkeit, wenn beide Schiffe das gleiche oder zwei ähnliche Heimatrechte haben ( B o y e n s Bd. 1 S. 73; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 73; RGZ 49 Nr. 44; Gerichtshof Edinburg, Revue Autran Bd. 13 5. 678). A n d e r s , w e n n es s i c h u m S c h i f f e v e r s c h i e d e n e r H e i m a t r e c h t e h a n d e l t u n d d a s V e r s c h u l d e n b e i d e r S c h i f f e i n F r a g e s t e h t : enthalten in diesem Falle die beiden Heimatrechte verschiedenartige Vorschriften über das Vorliegen eines Verschuldens oder über dessen Rechtsfolgen, so würde die Anwendung der beiden verschiedenen Rechte zu praktischen Unzuträglichkeiten und Verwicklungen führen (vgl. RGZ 21, 139; RG J W 1902, S. 635), ja oft unmöglich sein, so daß der Richter geradezu gezwungen ist, das R e c h t d e s P r o z e ß o r t s zur Anwendung zu bringen (RGZ 49, 187; 74, 47; auch US Supreme Court Z H R Bd.66 S. 149). Es stellt sich aber dies, wie RGZ 49, 187 mit Recht betont, nur als ein durch äußere Gründe an die H a n d gegebenes Aushilfsmittel d a r : a u c h d o r t , w o d i e s e r Z w a n g n i c h t v o r l i e g t , d a s R e c h t d e s P r o z e ß o r t s anzuwenden, wie es das HansOLG HansGZ 1909 N r . 6 5 (aufgehoben von RGZ 74 Nr. 14) t u t , l i e g t e i n b e r e c h t i g t e r G r u n d n i c h t v o r (vgl. H G Antwerpen Revue Autran Bd.7 S.583ff.). c) Haftung aus gesetzlichen Sehuldverhältnissen. Die gesetzlichen Schuldverhältnisse des Anm. 41 Seerechts (große Haverei, Bergung und Hilfeleistung) f ü h r e n zu gewissen Verpflichtungen des Kapitäns, deren schuldhafte Mißachtimg ihn ersatzpflichtig macht (vgl. f ü r das deutsche Recht §§ 728, 731, 752 HGB). Inwieweit diese Verpflichtungen bestehen und welche Rechtsfolgen sie haben, insbesondere ob f ü r das Verschulden des Kapitäns auch der Reeder zu haften hat, richtet sich nach dem Recht, welches das gesetzliche Schuldverhältnis beherrscht. §486 Der Reeder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht: 1. wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht geschlossen hat; 2. wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Reeder abgeschlossenen Vertrags gegründet wird, sofern die Ausführung des Vertrags zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die unvollständige oder mangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist oder nicht; 3. wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung oder eines an Bord tätigen Seelotsen gegründet wird. Diese Vorschrift findet in den Fällen der Nr. 1, 2 keine Anwendung, wenn den Reeder selbst in Ansehung der Vertragserfüllung ein Verschulden trifft oder wenn er die Vertragserfüllung besonders gewährleistet hat. 4*

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§486

Vierter Teil. Seehandelsreeht

S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r H B 319fi., 327ff., 520ff.; ders. S H R 145f.; B r a n d t , Die Haftung des Reeders in ihrer geschichtlichen Entwicklung und Geltung im heutigen deutschen Recht, Diss. Erlangen 1908; K . v. L a u n , Hansa 1951 S. 1460S.; R ö h r e k e , Hansa 1955 S. 194fE.; H e l m e r s , Hansa 1955 S. 379; Materialien zur Vereinheitlichung des Rechts der beschränkten Reederhaftung, Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe B , Heft 1, 1955; W a l t e r M ü l l e r , Die Haftung des Schiffseigentümers und ihre gesetzliche Beschränkung, Diss. Basel 1942; K . v. L a u n und R ö h r e k e , Diskussionsbeiträge zur Vereinheitlichung des Rechts der beschränkten Reederhaftung, Schriften des Deutschen Verreins für internationales Seerecht, Reihe A, Heft 4, 1956; W e s t p h a l , Die Haftung des Schiffseigners bei Schwarzfahrten, ZfBSch 1957, S. 141; K n a u t h , Reform in shipowners limitation: The 1955 proposais, in Liber amicorum (Festschrift) für Bagge, 1955 S. 118; W e h r m a n n , Die Anwendbarkeit der Bestimmungen des privaten Seerechts über die Haftung des Reeders für Verschulden der Schiffsbesatzung auf Kriegsschiffe und Dienstfahrzeuge der Marineverwaltung, Diss. Kiel 1939; F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, 1929 Bd. I I § 48 I ; E h r e n b e r g , Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880. Aran. I

I. 1. Die jetzige Fassung des § 486 beruht auf § 59 Abs. 2 Ziff. 2 SeelotsG vom 13.10. 1954. 2. Vgl. auch den allgemeinen Überblick in § 485 Anm. 3 ff. Siehe auch §§ 632 Abs. 3, 679, 725 Abs. 1, 726 Abs. 1, 751 Abs. 1, 753 Abs. 1 HGB.

Anm. 2

I I . Die verschiedenen Arten der Reederhaftung nach deutschem Recht. Nach diesem ist die Haftimg des Reeders e n t w e d e r 1. Unbeschränkt. Das Gesetz sagt unklar „persönlich" (§§ 486, 487, 488, 512 Abs. 3, 726 Abs. 1, 753 Abs. 1,762 HGB). Die unbeschränkte Haftung bildet rechtlich die Regel : sie gilt, wo das Gesetz nichts anderes bestimmt. Sie erstreckt sich auf das ganze Vermögen des Reeders, soweit nicht nach den allgemeinen Vollstreckungsvorschriften Ausnahmen bestehen. Die unbeschränkte Haftung des Reeders betrifft den vollen Betrag seiner Schuld ohne Rücksicht darauf, ob diese summenmäßig oder wertmäßig dem Grunde nach begrenzt ist, also von vornherein nur beschränkt geschuldet wird (vgl. auch Anm. 4). N e b e n i h r k a n n ein V o r z u g s r e c h t a m S c h i f f s v e r m ö g e n ( S c h i f f s g l ä u b i g e r r e c h t ) bestehen (vgl. dazu Anm. 5);

Anm. 3

2. Beschränkt-dinglich, indem der Berechtigte die Befriedigung seines Anspruchs grundsätzlich nur aus Schiff und Fracht, dem sog. Schiffsvermögen, suchen kann, also nicht aus dem sonstigen Vermögen des Reeders. Die beschränkt-dingliche Haftung liegt vor in den Fällen der §§ 486, 532, 726 und 753 H G B und ist im bürgerlichen Recht der Beschränkung der Erbenhaftung für Nachlaßverbindlichkeiten auf den Nachlaß (§§ 1975, 1989 mit 1973, 1990, 1992 B G B ) vergleichbar. Eine persönliche Verpflichtung, die Schiffsschuld zu bezahlen, besteht also hier für den Reeder grundsätzlich nicht und tritt nur in den Ausnahmefällen der §§ 771 bis 775 H G B und in der dort bestimmten Höhe ein (vgl. unten Ziff. 3). Die Beschränkung der Haftung des Reeders (limited liability, responsabilité limitée) gehört zum G r u n d e des Anspruchs und kann nicht dem Verfahren über den Betrag vorbehalten werden; vgl. R G LZ 1925, S. 42, und SeuffA Bd. 56 S. 135. Die Geltendmachung der Haftungsbeschränkung ist in der Regel durch einen entsprechenden Vorbehalt im Urteil bedingt (§ 780 ZPO).

oder

Der wirtschaftliche Grund dieser beschränkten Reederhaftung ist, daß die strenge Durchführung der unbeschränkten Haftung den Reeder in seinem wirtschaftlichen Dasein ständig gefährden würde. Der Reeder vermag die Gefahren der Seeschiffahrt und ihre großen Risiken mit der möglichen Höhe der Zahlungspflichten, z . B . aus einem verschuldeten Schiffszusammenstoß, nicht oder nur in einem geringen Grade zu beeinflussen, da er Schiff und Güter mehr oder weniger seiner auf See sich selbst überlassenen Schiffsbesatzung anvertraut. Dieser Gedanke hat in allen Seerechten der Welt dazu geführt, die Haftung des Reeders in dieser oder jener Weise zu beschränken. Wird der Reeder in dieser Weise auf Kosten seiner Gläubiger begünstigt, so ist es gerechtfertigt, daß diesen ein Korrelat in Gestalt von Schiffsgläubigerrechten gewährt wird. Diese nicht nur ihnen gegebenen Rechte sind gesetzliche Vorzugspfandrechte am Schiffsvermögen, die

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 486

den Gläubigern die Möglichkeit einer bevorzugten Befriedigung aus dem allein verhafteten Schiffsvermögen gewähren (vgl. § 754 HGB); oder 3. Beschränkt-persönlich. Es handelt sich dann um eine persönliche Zahlungsverpflichtung des Reeders und um eine Haftung mit dem gesamten vollstreckungsfähigen Vermögen, beides jedoch auf die Höhe der beschränkten dinglichen Reederhaftung begrenzt. Diese Haftung tritt entweder an die Stelle der dinglichen, nämlich in den Fällen ihrer, wenn auch rechtmäßigen, willkürlichen Vereitelung durch den Reeder, z.B. nach Einziehung der Fracht (§§ 771, 773, 775 HGB), oder neben diese, nämlich in den Fällen ihrer Gefährdung durch den Reeder, z.B. beim Aussenden des Schiffes zu einer neuen Reise in Kenntnis von Schiffsgläubigerrechten (§ 774 HGB). Diese ergänzende beschränkt-persönliche Haftung des Reeders bildet einen weiteren Interessenausgleich f ü r die ihm durch die beschränkt-dingliche Haftung gewährten Vorteile. Vgl. auch BGHZ 6, 102; oder endlich 4. Dinglich-persönlich, d.h. eine unbeschränkte oder eine beschränkte persönliche Haftung, die gleichzeitig ein Schiffsgläubigerrecht gewährt, auf das es keinen Einfluß hat, daß der Reeder f ü r die Forderung bei deren Entstehung oder später zugleich persönlich verpflichtet wird (§ 762 Abs. 1 HGB). Beispiele sind die §§ 754 Ziff. 3, 487 HGB.

Anm. 4

Anm. 5

III. § 486 führt die Hauptfälle auf, in denen der Reeder nur mit dem Schiffsvermögen haftet (siehe auch oben Anm. 1 Ziff. 2). 1. Wesen der nichtpersönliehen Haftung. I m Recht der Schuldverhältnisse bildet es die R e g e l , daß der Schuldner f ü r d e n v o l l e n B e t r a g s e i n e r S c h u l d u n d m i t s e i n e m g a n z e n V e r m ö g e n aufzukommen hat. Wo dies nicht der Fall ist, wo vielmehr — kraft Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes — der Schuldner entweder nicht f ü r den vollen Betrag seiner Schuld oder nur mit Teilen seines Vermögens haftet, spricht man von beschränkter Haftung, beschränkt entweder in Beziehung auf den beizutreibenden Höchstbetrag ( b e s c h r ä n k t - p e r s ö n l i c h e H a f t u n g ) (oben I I 3) oder in Beziehung auf den Kreis der der Vollstreckung unterliegenden Gegenstände ( b e s c h r ä n k t d i n g l i c h e H a f t u n g ) (oben I I 2). Nur das letztere System ist das an dieser Stelle interessierende. Seine Grundzüge sind folgende (s. auch I I 2): Für gewisse Ansprüche haftet der Reeder kraft Gesetzes (bei der Bodmerei kraft Vertrages) nur mit gewissen Gegenständen seines Vermögens, dem sog. Schiffsvermögen; diese Gegenstände haften indessen, solange sie existieren, nicht nur in der H a n d dessen, der zur Zeit der Entstehung des Anspruchs Reeder war bzw. als solcher im Verhältnis zu Dritten angesehen wurde (§ 510), sondern auch in der H a n d jedes folgenden Reeders bzw. Ausrüsters. Nicht notwendig begrifflich, aber nach positivem deutschen Recht mit allen Fällen nichtpersönlicher Haftung verbunden ist ein gesetzliches (bei der Bodmerei vertragsmäßiges) Pfandrecht am Schiff (Schiffsgläubigerrecht), welches gegen jeden dritten Besitzer des Schiffes verfolgbar ist (§§ 755, 759 HGB), außerdem ein naturgemäß nur beschränkter verfolgbares Pfandrecht an der Fracht (§§ 756, 771, 759 HGB).

Anm. 6

2. Das Schiffsvermögen. a) Begriff und Wesen. Unter dem S c h i f f s v e r m ö g e n wird gewöhnlich ein aus Schiff u n d Fracht bestehendes Sondergut des R e e d e r s verstanden, mit dem er in den von § 486 und sonstigen Gesetzesstellen genannten Fällen allein haftet. Allerdings verleitet der Wortlaut des § 486 zu dieser Begriffsbestimmung. Durch sie kann aber die irrtümliche Auffassung entstehen, als müßten die mehreren Bestandteile des Schiffsvermögens zum Vermögen derselben Person gehören, so daß sie den Fall nicht treffen würde, daß die Bestandteile des Schiffsvermögens von vornherein verschiedenen Personen zustehen (Beispiel: die Fracht des vermieteten Schiffes gehört dem Ausrüster, das Schiff dem Vermieter), oder daß sie nachträglich auseinandergefallen sind (Beispiele: Veräußerung des Schiffes ohne die Fracht, Abtretung der Fracht). Die Begriffsbestimmung beachtet aber weiter nicht, daß nicht immer der Reeder der mit dem Schiffsvermögen Haftende ist: es kann auch der Ausrüster sein, zu dessen Vermögen das Schiff nicht gehört, der also mit einem ihm fremden Gegenstand haftet. Man kann also, wenn man diese Fälle mit berücksichtigt, höchstens mit P a p p e n h e i m H B 2 S. 66 von

Anm. 7

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§486

Vierter Teil. Seehandelsrecht

einem S o n d e r v e r m ö g e n im o b j e k t i v e n S i n n e sprechen, von „einem durch gewisse Rechtsschicksale zur Einheit erhobenen Vermögenskomplex, der diese seine Selbständigkeit der Verwendung des Schiffes zum Erwerb durch die Seefahrt verdankt". Regelmäßig ist aber das Schiffsvermögen (Seevermögen, fortune de mer) auch s u b j e k t i v , d.h. im Hinblick auf die Personen des Eigners, ein S o n d e r v e r m ö g e n , ein abgegrenzter Teil des Vermögens des Reeders, mit eigenem rechtlichen Schicksal. Ihm gegenüber steht das sonstige Vermögen des Reeders, sein Landvermögen (fortune de terre). Das ist sein gesamtes übriges Vermögen, nicht nur Privatvermögen, sondern a u c h sein ü b r i g e s G e s c h ä f t s v e r m ö g e n , z.B. Bankguthaben, Außenstände wie etwa die Kaufpreisforderung bei freihändigem Verkauf des Schiffes, sogar auch die übrigen Schiffsvermögen, wenn der Reeder mehrere Schiffe besitzt. In das Landvermögen fällt auch dasjenige hinein, was vom Schiffsvermögen den Schiffsgläubigern nicht verfallen ist, sei es, daß solche nicht vorhanden sind, sei es, daß nach ihrer Befriedigung aus dem liquidierten Schiffsvermögen etwas übriggeblieben ist. Jedes Schiff, und zwar immer dasjenige, durch dessen Verwendung zur Schiffahrt der Anspruch entstanden ist, bildet für sich den Mittelpunkt eines besonderen Schiffsvermögens, im Verhältnis zu dem auch jedes andere Schiffsvermögen desselben Reeders zum Landvermögen gehört. Der Inhalt des Schiffsvermögens ist den einzelnen Schiffsgläubigern gegenüber nicht immer der gleiche (§ 756 HGB): der Ausdruck „Schiffsvermögen" ist also relativ (unten Anm. 11). Das e i g e n e r e c h t l i c h e S c h i c k s a l des S c h i f f s v e r m ö g e n s besteht darin, daß der Reeder gewissen Gläubigern ausschließlich damit haftet, und daß es, auch wenn es in fremde Hände gelangt, dem Pfandrecht der Schiffsgläubiger unterworfen ist. Ob ein Einzelreeder oder mehrere Mitreeder Herren des Schiffsvermögens sind, ist für den Zugriff der Gläubiger gleichgültig (§ 763 HGB). In der Regel — nämlich abgesehen von dem Fall, daß nur ein Bestandteil des Schiffsvermögens verbodmet ist (§ 679 HGB) — haften sämtliche Bestandteile dem Gläubiger unbeschränkt und gesamtschuldnerisch, nicht, wie V o i g t , Deutsches Seeversicherungsrecht, 1887, S. 436 annimmt, nur pro rata ihres Werts: hat sich der Gläubiger nur aus einem Bestandteil befriedigt, so kann Veranlassung zu einer Ausgleichung unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die gesamtschuldnerische Haftung gegeben sein (RGZ 33, 75; Hans OLG HansGZ 1897, 138). I n d i e s e r H a f t u n g a b e r e r s c h ö p f t s i c h d a s e i g e n e r e c h t l i c h e S c h i c k s a l des S c h i f f s v e r m ö g e n s ; es kann insbesondere nicht Gegenstand eines Sonderkonkurses oder einer Gesamtrechtsnachfolge sein. Anm. 8

b) Bestandteile. D a s S c h i f f s v e r m ö g e n b e s t e h t a u s S c h i f f u n d P r a c h t . Beides sind s e l b s t ä n d i g e Wertobjekte: die Pracht ist weder Zubehör (Prot. 1490) noch Prucht des Schiffes (Prot. 1604; anders L e w i s , Das deutsche Seerecht, 2. Aufl. 1883/84). An d i e S t e l l e v o n S c h i f f u n d P r a c h t t r e t e n u n t e r U m s t ä n d e n gewisse G e l d b e t r ä g e .

Anm. 9

aa) Das Schiff, d.h. der Schiffskörper mit allen seinen Teilen und das Zubehör (§ 478 HGB), letzteres auch, soweit es nicht in das Eigentum des Reeders gelangt ist (so herrschende Ansicht: W ü s t e n d ö r f e r SHR 127, P a p p e n h e i m H B 2 S. 220,461 Note 1; M i t t e l s t e i n H B 47; anders B r o d m a n n , Seegesetzgebung des Deutschen Reichs, 2. Aufl. 1905, Note 6 zu § 755). T r ü m m e r von nicht mehr vorhandenen Schiffen gehören weiter zum Schiffsvermögen, unterliegen aber den Regeln des Mobiliarsachenrechts ( M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht, 1889 S. 32), ebenso a u s g e s c h i e d e n e S c h i f f s t e i l e u n d Z u b e h ö r s t ü c k e , die ihrer Bestimmung entzogen sind (vgl. Anm. 10 zu § 478 HGB; E h r e n b e r g , Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880 S. 247; H e c k , Das Recht der großen Haverei, 1889 S. 451; anders Prot. 4167). Das S c h i f f s e l b s t haftet in s e i n e m j e w e i l i g e n Z u s t a n d , einerlei, ob es inzwischen zum Vorteil des Gläubigers vom Reeder ausgebessert oder zu seinem Nachteil durch Zufall verschlechtert wurde ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 127).

Anm. 10

bb) Die Fracht, und zwar nach dem zunächst für das Schiffsgläubigerpfandrecht maßgebenden, aber auch für den Umfang des Schiffsvermögens geltenden § 756 HGB die Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher die Forderung des betreffenden Gläubigers entstanden ist. Nur bei der Bodmerei bestimmt sich der Umfang des Pfandrechts nach dem Bodmereiverträge. 54

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 486

aaa) Fracht ist dasjenige Entgelt, das aufgrund Frachtvertrages (§§ 556fi. HGB) oder Anm. 11 Gesetzes (§§ 544, 564 HGB) für die Beförderung von Gütern zu zahlen ist, sei es als Ganzfracht, als Distanzfracht (§§ 630, 634 HGB), als Fautfracht (§§ 580ff. HGB) oder als Leerfracht (§§ 578, 579 HGB). Beim Unterfrachtverträge (§ 605 HGB) gehört nur die Hauptfracht (Charterfracht), nicht die Unterfracht (Konnossementsfracht), zum Schiffsvermögen ( E h r e n b e r g a.a.O. 250; M i t t e l s t e i n H B 48; P a p p e n h e i m H B 2 S. 221; B o y e n s ZHR Bd. 63 S. 338; B r a n d i s Bd. I S. 102; anders H i n d e n b u r g , Bulletin du Comité Maritime International 15, 67, und S i e v e k i n g 377; unklar W ü s t e n d ö r f e r HB 332f. und SHR 128, der zu der hier vertretenen Ansicht nur gezählt werden könnte, wenn er mit dem „Charterer" nur einen solchen meinen sollte, der Ausrüster im Sinne des § 510 HGB ist. Das scheint auch S c h l e g e l b e r g e r § 486 Anm. 3 zu übersehen. Siehe auch RGZ 69, 127), im Falle des Bestehens eines Ausrüsterverhältnisses dagegen die dem Ausrüster zukommende Fracht. Zur Fracht gehören gewisse unter anderen Namen versprochene Zuschläge (Kaplaken, Primage: L e w i s a.a.O. 2, 212; P a p p e n h e i m H B 2 S. 221 Note 3; W ü s t e n d ö r f e r SHR 128), ferner stehen ihr gleich die Überfahrtsgelder (§ 677 HGB). Weiter sind der Fracht gleichzustellen und gehören deshalb zum Schiffs vermögen s o n s t i g e E i n n a h m e n des R e e d e r s , d i e in e i n e m F r a c h t v e r t r a g e i h r e n G r u n d h a b e n , wie Vertragsstrafen, ferner Liegegelder, da sie nichts anderes sind als eine Frachtzulage ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 128; B o y e n s ZHR Bd. 62 S. 29; S i e v e k i n g 377; P a p p e n h e i m H B 3 S. 505 Anm. 1; M i t t e l s t e i n HB 48; anders die zweite Auflage dieses Kommentars, Anm. 15 zu §486), ferner a n d e r w e i t i g e r E r w e r b , d e r d e m R e e d e r d u r c h d a s S c h i f f z u k o m m t , z.B. Mietlohn (andern die zweite Auflage dieses Kommentars a.a.O.; nicht ganz klar W ü s t e n d ö r f e r H B 332f. und SHR 128, der das dem Eigentümer gebührende Chartergeld ausschließt), sofern der Mieter nicht zum Ausrüster nach § 510 geworden ist ( B o y e n s ZHR Bd. 63 S. 339), Bergelohn, Hilfslohn, Schlepplohn, Erwerb durch Jagd, Fischerei, durch Abstellung von Lotsen, sofern diese Einnahmen gewerbsmäßig erzielt werden (anders die zweite Auflage dieses Kommentars a.a.O.; wie hier W ü s t e n d ö r f e r SHR 128). N i c h t aber sind der Fracht gleichzusetzen g e l e g e n t l i c h e Hilfslohn- oder Bergelohnforderungen eines Seeschiffs, gelegentlicher Erwerb aus Fischerei und dergleichen ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 128), weiter auch nicht aus Piraterei und Kaperei. bbb) Bruttofracht ist der volle Frachtbetrag Anm. 12 aaaa) o h n e j e d e n A b z u g , sei es von Reiseunkosten oder von dem Schiffer oder MannSchaftsmitgliedern zu zahlender Tantieme. Der Grund hierfür ist, daß der Abzug von Betriebsspesen zu verwickelten Rechnungen führen würde ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 127); bbbb) g l e i c h v i e l , ob sie n o c h a u s s t e h t o d e r s c h o n b e z a h l t i s t , sofern sie sich nur im letzteren Falle noch in den Händen des Schiffers befindet (§ 771 HGB). Auch der F r a c h t v o r s c h u ß , gleichviel ob er definitiv ist oder nicht (§ 617 HGB), gehört zum Schiffsvermögen ( E h r e n b e r g , a.a.O. S.252; LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1893 Nr. 16; HansGZ 1897 Nr. 59; RGZ 33, 72; vgl. auch RGZ 40, 51; anders W ü s t e n d ö r f e r SHR 128, der nur die f e s t v e r d i e n t e Vorschußfracht hierher rechnet), aber nur unter den gleichen Voraussetzungen, daß er noch aussteht oder sich noch in den Händen des Schiffers befindet (vgl. LG Hamburg HansGZ 1897 Nr. 59). An die Stelle der vom Reeder bereits eingezogenen, mithin zum Schiffsvermögen nicht mehr gehörigen Fracht tritt der Ersatzanspruch gemäß § 771 Abs. 4 HGB (beschränkt persönliche Haftung). Frachtgelder in den Händen des Schiffsmaklers sind solchen in Händen des Schiffers gleichzustellen. ccc) Bruttofracht derjenigen Reise, aus welcher die Forderung des betreffenden Gläubigers Anm. 13 entstanden ist. Als R e i s e in dem hier in Betracht kommenden Sinne wird nach § 757 HGB diejenige angesehen, zu welcher das Schiff von neuem ausgerüstet, oder welche entweder auf Grund eines neuen Frachtvertrages oder nach vollständiger Löschung der Ladung angetreten wird. Vgl. auch BGHZ 3,34 : Eine neue Reise im Sinne des § 14 BSchG ist nicht nur eine neue Frachtfahrt, sondern jede Reise, die nach beendeter Löschung zu einem neuen Zwecke unternommen wird. Darunter fällt auch die Infahrtsetzung eines gemieteten Schiffes, um es nach Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter zurückzugeben. Siehe ferner BGHZ 3, 321 : Wenn ein Kriegsschiff, das sich auf Kaperfahrt befindet, diese nicht nur weiter fortsetzt, nachdem durch Verschulden seiner Besatzungsangehörigen eine Kollision mit einem anderen Schiff verursacht war, sondern das Anlaufen eines Hafens auf lange Zeit absichtlich vermieden 55

§486

Viertes Buch. Seehandelsrecht

wird und die Versorgung des Kriegsschiffes durch Troßschiffe auf See erfolgt, so finden die Haftungsbestimmungen des § 774 HGB über die „neue Reise" ausnahmsweise entsprechende Anwendung. Siehe im übrigen die Anm. zu § 757 HGB. E s b i l d e t s o m i t d i e F r a c h t j e d e r Reise mit dem Schiff zusammen stets ein besonderes Schiffsvermögen f ü r e i n e n g e w i s s e n K r e i s v o n S c h i f f s g l ä u b i g e r n (Ausnahmen: §§758, 767 Abs. 3 HGB; siehe auch Anm. 3 zu § 487 HGB). Anm. 14

cc) Die in gewissen Fällen an die Stelle von Schiff oder Fracht tretenden Geldbeträge, nämlich aaa) Im Falle der Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g i m I n l a n d e das Kaufgeld (§ 764 Abs. 1 HGB). bbb) I m Falle des N o t v e r k a u f s (§ 530 HGB) das Kaufgeld, solange es bei dem Käufer aussteht oder noch in den Händen des Schiffers ist (§ 764 Abs. 1 HGB). Dagegen scheidet das Schiff durch f r e i w i l l i g e Veräußerung nicht aus dem haftenden Vermögen aus (§ 755 Abs. 2 HGB). ccc) In den Fällen der g r o ß e n H a v a r i e die Vergütung für Aufopferung oder Beschädigung (§§ 775 Abs. 1, 709f., 715 HGB). ddd) In den Fällen des V e r l u s t e s o d e r d e r B e s c h ä d i g u n g d e s S c h i f f e s , oder bei F r a c h t v e r l u s t i n f o l g e v o n V e r l u s t o d e r B e s c h ä d i g u n g v o n G ü t e r n die Entschädigung seitens desjenigen, der den Schaden durch rechtswidrige Handlung verursacht hat (§ 775 Abs. 2 HGB), sinngemäß wiederum, solange die Entschädigungsforderung noch aussteht oder die gezahlte Summe in den Händen des Kapitäns oder des von diesen beauftragten Schiffsmaklers ist (Wüstendörfer SHR 129).

Anm. 15

N i c h t h i e r h e r g e h ö r e n die V e r s i c h e r u n g s g e l d e r (Versicherungsforderung des Reeders aus Kasko- und Frachtversicherung). Das war vor Erlaß des SchiffsbankG und des SchRG unbestritten (vgl. Prot. 1606 fE., 4168 ff.; OAG Lübeck Hamb. Rechtssachen Bd. 2 S. 628; H e c k , Das Recht der großen Haverei, 1889 S. 455ff.; P a p p e n h e i m H B 2 S. 228; siehe auch B r o d m a n n Z H R Bd. 64 S.264). W ü s t e n d ö r f e r SHR 129f. meint, seit dem SchiffsbankG und dem SchRG (vgl. dessen §§ 32—38) erstrecke sich von Gesetzes wegen die Haftung des Schiffes zugunsten des Schiffshypothekengläubigers auf die Versicherungsforderung f ü r das Schiff. Liegenschaftsrechtliche Vollstreckung und Beschlagnahme des Schiffes in der Zwangsvollstreckung umfaßten aber auch zugunsten anderer Gläubiger grundsätzlich diejenigen Gegenstände, auf welche sich die Schiffshypothek erstrecke (§§ 162, 20 Abs. 2 ZVG, 865 Abs. 1 ZPO); die Schiffsversteigerung dehne sich auf alle Gegenstände aus, deren Beschlagnähme noch wirksam sei (§§ 162, 55 ZVG). Daher diene jetzt auch die Versicherungsforderung aus der Kaskoversicherung in der Zwangsversteigerung des Schiffes zur Befriedigung von Schiffsgläubigern. Gegen W ü s t e n d ö r f e r zutreffend v o n R o s e n b e r g , in „Versicherungsrecht" 1951 S.61 und J u l i u s v . G i e r k e ZHR Bd. 116 S.219ff. und in Handels- und Schifffahrtsrecht 8. Aufl. 1958S. 623. Ersterer meint, W ü s t e n d ö r f e r s Ansicht widerspräche der auf dem Brüsseler Abkommen von 1910 (JÜS) beruhenden Regelung der Haftung f ü r Bergungsund Hilfskosten (§751 HGB). Der Reeder müßte sich, wenn W ü s t e n d ö r f e r Recht hätte, doppelt versichern, einmal f ü r den schadensberechtigten Kollisionsgegner und zum anderen f ü r den eigenen Verlust. Die überzeugenden Erwägungen finden sich indessen bei J.v. G i e r k e Bd. Z H R 116 S. 219ff.: Der Zweck der Erstreckung der auf Vertrag beruhenden Schiffshypothek auf die Versicherungsforderung in § 32 SchRG sei, den Schiffskredit zu stärken und hypothekarische Beleihungen von Schiffen zu fördern. Bei dem gesetzlichen Pfandrecht der Schiffsgläubiger aber handle es sich um ein Vorzugsrecht sehr verschieden gearteter, vielfach zufälliger Gläubiger, das neben einer persönlichen Forderung oder an ihrer Stelle stehe, dessen Entstehung und dessen Inhalt der Gesetzgeber keinen Anlaß habe, zu begünstigen. Es sei nicht einzusehen, weshalb diese Gläubiger die bequeme Stellung eines mittelbar Versicherten haben sollten oder sogar selbständige Rechte aus einem fremden Versicherungsverträge. Diese Ansicht sei auch mit dem SchRG, auf das W ü s t e n d ö r f e r sich berufe, zu vereinbaren: Gegenstand der Hypothek sei nach § 32 SchRG nur die f ü r sie verdinglichte Kaskoversicherungsforderung. Ihr könne die in der Kaskoversicherung steckende Haftpflichtversicherungsforderung nicht gleichgestellt werden, weil sie nur dem Reeder zur Erfüllung seiner Haftpflicht zugute kommen solle. I m Ergebnis W ü s t e n d ö r f e r ablehnend auch P f l ü g e r Hansa 1955 56

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§486

S. 1705ff.; H e l m e r s Hansa 1955 S.377ff.; P r a u s e Hansa 1955 S.2115; OLG Köln als Rheinschiffahrtsobergericht MDR 1955 S.485; S c h l e g e l b e r g e r § 486 Anm. 4. Der Haftungsverband des Schiffsgläubigerrechts kann mit demjenigen der Schiffshypothek wesensmäßig eben nicht gleichgestellt werden. Denn dem Schiffshypothekar haftet der Schiffseigentümer f ü r die Rückzahlung der Hypothekenvaluta regelmäßig unbeschränkt persönlich, also auch mit dem Landvermögen, nicht nur mit dem Schiffsvermögen. IV. Die im vorliegenden Paragraphen aufgeführten Einzelfälle der nichtpersöniichenHaftung. Anm. 16 1. Haftung aus Rechtsgeschäften, die der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse geschlossen hat (§ 486 Abs. 1 Nr. 1). a) Die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers müssen eingehalten sein. Dieselben ergeben sich aus den §§ 526 bis 530 HGB (darüber, daß dieselben im Heimathafen weitergehender sind, als dies nach dem Wortlaut des § 526 der Fall zu sein scheint, vgl. Anm. lOff. zu § 526). b) Kraft seiner gesetzlichen Befugnisse muß der Schiffer gehandelt haben. Das t u t er auch Anm. 17 dann, wenn er überdies Vollmacht zum Abschluß des betreffenden Geschäfts vom Reeder erhalten hat, aber nicht „mit Bezug" auf dieselbe (unten Anm. 18) abgeschlossen hat (vgl. W ü s t e n d ö r f e r , ArchcivPrax Bd. 110 S.295; d e r s . SHR 132). c) Es darf nicht eben „mit Bezug auf eine besondere Vollmacht vom Schiffer abgeschlossen Anm. 18 sein: s o n s t h a n d e l t d e r S c h i f f e r n i c h t m e h r „ a l s s o l c h e r " , s o n d e r n w i e e i n s o n s t i g e r B e v o l l m ä c h t i g t e r , u n d es t r i t t u n b e s c h r ä n k t e R e e d e r h a f t u n g ein. Vgl. aber auch unten Anm. 20. aa) Die „ b e s o n d e r e " V o l l m a c h t ist nicht nur ein die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers erweiterndes, sondern auch j e d e S p e z i a l v o l l m a c h t f ü r e i n i m R a h m e n d e r g e s e t z l i c h e n S c h i f f e r b e f u g n i s s e l i e g e n d e s G e s c h ä f t (so E h r e n b e r g , Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880 S.182; B o y e n s B d . l S.221ff.; M i t t e l s t e i n H B 49; B r o d m a n n , Seegesetzgebung des Deutschen Reichs, 2. Aufl. 1905 S. 14 Note 2; P a p p e n h e i m LZ 1913 S.lOlff.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 132 unter ausdrücklicher Hervorhebung, daß seiner Ansicht nach f ü r eine Artvollmacht etwas anderes gelte. A.A. W a g n e r H B 185; L. P e r e i s ZHR Bd. 58 S. 13; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 249; d e r s . ArchcivPrax. Bd. 110 S. 292 (siehe auch H B 343 ff. und HansRGZ 1928 B Nr. 86 Sp. 213f.); OLG Rostock SeuffA Bd. 65 S. 73 = OLGRechtspr 22, 68 = MecklZ Bd. 28 S. 34; vgl. auch BGH Hansa 1959 S. 678 = N J W 1959 S. 722). Eine „besondere Vollmacht" liegt nicht in Verhaltungsmaßregeln und dienstlichen Anweisungen (§529 HGB), solche haben nur interne Bedeutung ( B o y e n s Bd. 1 S.222). Dagegen ist der besonderen Vollmacht gleichzustellen die G e n e h m i g u n g eines vom Schiffer als Geschäftsführer ohne Auftrag geschlossenen Geschäfts. bb) „ M i t B e z u g " auf die Vollmacht, nicht „auf Grund" derselben, d.h. es genügt nicht Anm. 19 das Vorhandensein der Vollmacht, sondern der Schiffer muß sich dem Dritten gegenüber ausdrücklich oder stillschweigend auf sie bezogen haben (BGH Hansa 1959 S. 678 = N J W 1959 S. 722). Die Unterschrift „für den Reeder des Schiffs X " ist aber nicht ohne weiteres eine solche Bezugnahme, sie kann ein Hinweis auf die Vertretungsbefugnis überhaupt sein. Dagegen liegt sie in der Vorweisung eines die Vollmacht enthaltenden Briefs oder Telegramms. d) Nur von Rechtsgeschäften des Schiffers spricht da.s Gesetz. Sind ihnen Rechtsgeschäfte Anm. 20 gleichzustellen, die in gleichem sachlichen Rahmen von anderen seerechtlichen Vertretern des Reeders, wie Steuermann, Proviantmeister, Zahlmeister, Expedienten, ständigen Agenten in auswärtigen Häfen, Schiffsmakler abgeschlossen werden? Viele der gesetzlichen Vertretungsgeschäfte des Kapitäns werden ihm im heutigen Großverkehr der Linienreedereien insbesondere durch Leiter von Abfertigungsstellen abgenommen, die entweder unselbständige Landangestellte mit Handlungsvollmacht oder selbständige Reedereiagenten, vornehmlich ständig betraute und bevollmächtigte Schiffsmakler sind. Die Frage ist ohne weiteres zu bejahen f ü r solche Personen, deren Vertretungsrecht dadurch begründet wird, daß der K a p i t ä n sie s i c h b e f u g t e r w e i s e s u b s t i t u i e r t h a t ( W a g n e r H B 265; E h r e n b e r g a.a.O. 196; P a p p e n h e i m LZ 1913 S.8), oder daß sie, wie der Steuermann, kraft Schiffshierarchie f ü r den Schiffer eintreten ( W ü s t e n d ö r f e r , S t u d i e n 2 4 1 ) . Wenn aber der Vertreter a u f G r u n d a l l g e m e i n e n 57

§486

Anm. 21 Anm. 22

Anm. 23

Anm. 24

Anm. 25 Anm. 26

Vierter Teil. Seehandelsrecht

o d e r b e s o n d e r e n A u f t r a g s d e s R e e d e r s s e l b s t handelt, so läßt er sich nicht mit dem HansOLG (HansGZ 1887 Nr. 128 = SeuffA Bd. 43 Nr. 211) gleichfalls als Substitut des Kapitäns bezeichnen, und seine Geschäfte bezüglich der Haftungs-wirkung gleich zu behandeln wie die des Kapitäns oder seines Substituten, ist deshalb nicht möglich, weil er nicht, wie der Kapitän, auf Grund gesetzlicher Befugnisse, sondern gerade „unter Bezugnahme auf eine besondere Vollmacht" handelt, die sogar beim Kapitän selbst die Wirkung der beschränkten Reederhaftung ausschließt ( P a p p e n h e i m LZ 1913 S. 11, 106). Es muß darum (entgegen W a g n e r H B 265; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 241ff., H B 340ff., wohl auch SHR 132; P a p p e n h e i m a. a. O. und dem HansOLG HansGZ 1887 Nr. 128 = SeuffA Bd. 43 Nr. 211 sowie HansRGZ 1928 B213f.; ferner auch M i t t e l s t e i n H B 49; siehe auch S c h r ö d e r Z H R B d . 3 2 S.248) verneint werden, daß sich aus Rechtsgeschäften jener unmittelbaren Vertreter des Reeders direkt oder entsprechend beschränkte Haftung des letzteren ergibt. E i n e A u s n a h m e g i l t n u r f ü r d i e A u s s t e l l u n g v o n K o n n o s s e m e n t e n : Sie erfolgt durch den bevollmächtigten Vertreter „an Stelle des Schiffers", wie § 642 Abs. 4 alter Fass. es ausdrückte, aber auch § 642 Abs. 4 neuer Fass. es unterstellt (RGZ 74, 195; W ü s t e n d ö r f e r SHR 132; zweifelnd S c h l e g e l b e r g e r Anm. 6 zu § 486). e) Liegt ein Ausnahmefall des Abs. 2 vor, so haftet der Reeder nicht nur dinglich-beschränkt, sondern mit seinem ganzen Vermögen: unten Anm. 28ff. 2. Haftung fttr Ansprüche wegen Nicht- oder nichtgehöriger Erfüllung eines vom Reeder abgeschlossenen Vertrages, dessen Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat (§ 486 Abs. 1 Nr.2). a) Der Vertrag muß durch den Reeder oder einen Vertreter desselben abgeschlossen sein, aber nicht durch den Schiffer (oder seinen Substituten) kraft seiner gesetzlichen Befugnisse (dieser Fall würde bereits § 486 Abs. 1 Ziff. 1 betreffen; wohl aber kann eine b e s o n d e r e Vollmacht an den Kapitän unter § 486 Abs. 1 Ziff. 2 fallen: so auch M i t t e l s t e i n H B 50 und V o r t i s c h - Z s c h u c k e , Anm. 5a zu § 4 BSchG, anders die 2.Aufl. dieses Kommentars, Anm. 24^zu § 486; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 243; S a l m a n n ZHR Bd.41 S.447). b) Die Ausführung des Vertrags muß zu den gesetzlichen oder vertragliehen Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört haben — wieweit, ist Frage des Einzelfalles —, und zwar nicht in abstracto, sondern i n c o n c r e t o : unpersönliche Haftung tritt also nicht ein, wenn es durch Verschulden des Reeders nicht zur Ausführung des Vertrags gekommen ist, welche, w e n n es dazu gekommen wäre, zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hätte (HansOLG HansGZ 1887 Nr. 129 = SeuffA Bd. 43 Nr. 141). Nicht unter Ziff. 2 fallen also alle Ausführungshandlungen, die dem Reeder selber oder einer von ihm betrauten anderen Hilfsperson als dem Kapitän oblagen. Sie führen zu unbeschränkter Reederhaftung (RGZ 91, 387). c) Der Anspruch muß sich auf Nichterfüllung, unvollständige oder mangelhafte Erfüllung eines solchen Vertrages gründen (Beispiel: ordnungswidrig zu früh erfolgte Abfahrt eines zu Personentransporten gecharterten Schiffes: HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 65, oder bei einem Frachtvertrag nachlässige Behandlung der Ladung, die dadurch beschädigt wird oder in Verlust gerät), also kein solcher sein, der unabhängig vom Beginn der Ausführung des Vertrages zur Entstehung kommt, wie derjenige auf das negative Vertragsinteresse. Gleichgültig ist, ob der Anspruch gestützt wird auf Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung oder auf die bloße Tatsache der Nichterfüllung, ob er sich richtet auf Schadensersatz, Konventionalstrafe oder Rückzahlung vorausbezahlter Beträge. d) Liegt ein Ausnahmefall des Abs. 2 vor, so haftet der Reeder nicht nur dinglich beschränkt, sondern mit seinem ganzen Vermögen: unten Anm. 29ff. 3. Haftung für Ansprüche aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung (§ 486 Nr. 3). Siehe die Erläuterungen zu § 485. Ansprüche dieser Art können herrühren aus vertraglichem Verschulden oder aus einem deliktischen (so auch M i t t e l s t e i n H B 51; V o r t i s c h Z s c h u c k e , Anm. 6 zu § 4 BSchG; W ü s t e n d ö r f e r SHR 132; LG Hamburg HansGZ 1905 Nr. 56; a. A. die 2. Aufl. dieses Kommentars, Anm. 28 zu § 486; B o y e n s Bd. 1, S. 227). I n der Regel ist jedoch vertragliches Verschulden schon durch Ziff. 2 oder 1 gedeckt. Die hauptsächliche Bedeutung von Ziff. 3 liegt deshalb beim Verschulden aus unerlaubter Handlung. Voraussetzung f ü r die Haftungsbeschränkung nach Ziff. 3 ist aber, daß der Reeder auf Grund des § 485 H G B f ü r fremdes Verschulden in Anspruch genommen wird (KG J W 1 9 3 8 S. 2358). 58

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§486

4. § 4 8 6 A b s . 1 Ziff. 3 H G B (ebenso § 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG) k o m m t i n d e r R e g e l Anrn. 27 z u r e n t s p r e c h e n d e n . A n w e n d u n g a u f d i e i n § 9 0 4 S. 2 BGB f e s t g e l e g t e S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t . Zwar trifft diese an sich denjenigen, der auf die fremde Sache selbst eingewirkt hat, und zwar auch dann, wenn er die Einwirkung zugunsten eines anderen vorgenommen hat. Doch ist davon eine Ausnahme zu machen, wenn der Schiffer f ü r den Reeder oder Ausrüster in Ausübung seiner Dienstverrichtungen eine Notstandsmaßnahme im Sinne des § 904 S. 1 BGB trifft. Dann haften f ü r den dadurch entstandenen Schaden grundsätzlich Reeder oder Ausrüster (BGHZ 6, 103 = Hansa 1952 S. 1502; RGZ 88, 215; 113, 301; Obergericht Danzig J W 1938 S.1205; HansOLG Hansa 1953 S.1337; LG Bremen Hansa 1956 Nr. 12/13 = Internationale Transportzeitschrift 1956 S. 2365). Wenn in BGHZ 6, 105 weiter zum Ausdruck gebracht ist, die Forderung aus § 904 S. 2 BGB gewähre ein Schiffsgläubigerrecht im Range des § 754 Ziff. 8 HGB (für das Binnenschiffahrtsrecht § 102 Ziff. 5 BSchG), so ist diese Folgerung wohl kaum zu vermeiden, im Hinblick auf den grundsätzlichen numerus clausus der sachenrechtlichen Schiffsgläubigerrechte aber nicht ganz unbedenklich. Jedenfalls ist das praktische Ergebnis, daß die Schiffshypothekare an Seeschiffen ein weiteres Schiffsgläubigerrecht vor sich haben können. Siehe auch BGHZ 19, 82 = Hansa 1956 S. 468 = N J W 1956 S. 381 = VersR 1956 S. 46. Vgl. Anm. 16 zu § 485 HGB. V. Ausnahmefälle 1. Forderungen der zur Schiffsbesatzung gehörenden Personen aus Dienst- und Heuerver- Anm. 28 trägen begründen persönliche Haftung des Reeders. Es handelt sich, soweit die Schiffsbesatzung vom Schiffer angenommen ist, um einen Ausnahmefall von § 486 Nr. 1 (Einl. zu § 487). 2. Ausnahmefälle des Abs. 2. Trifft den Reeder in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 in Anm. 29 Ansehung der Vertragserfüllung ein Verschulden oder hat er die Vertragserfüllung besonders gewährleistet, dann haftet er persönlich. Diese Ausnahmefälle hat grundsätzlich der Gläubiger nachzuweisen (RGZ 60, 378). Doch kann dies nicht gelten, wenn sich der Anspruch auf die Verletzung des § 618 BGB gründet, dessen Schutzcharakter eine andere Verteilung der Beweislast verlangt; vgl. BGHZ 27, 79 = MDR 1958 S. 487 = Hansa 1958, S. 1337. Der Zusatz des Abs. 2 bezieht sich gleichmäßig auf alle Fälle von Nr. 1 und 2 des Abs. 1 und sein Inhalt ist integrierender Bestandteil des Tatbestands beider Fälle, indem er denselben einschränkt. Hieraus ergibt sich, daß der in § 754 Nr. 8 H G B sich findende Hinweis auf § 486 Nr. 1 u. 2 sich nicht auf alle Fälle der Nr. 1 und 2 bezieht, sondern daß die Ausnahmefälle des Abs. 2 auszuscheiden sind, d . h . d a ß in d i e s e n A u s n a h m e f ä l l e n e i n S c h i f f s g l ä u b i g e r r e c h t nicht gegeben ist, daß der Reeder zwar u n b e s c h r ä n k t - p e r s ö n l i c h , aber nicht d i n g l i c h - p e r s ö n l i c h h a f t e t (so ROHG 11, 261; RGZ 83, 135; B o y e n s Bd. 1 S. 220 und Z H R Bd. 62 S. 332; anders W a g n e r H B 183, S i e v e k i n g 101, 361; B r a n d i s B d . l S. 101; P a p p e n h e i m H B 2 S. 213; OLG Kiel SeuffA Bd. 65 S. 416 = SchlHolstAnz 1910 S. 155 = OLGRechtspr 22, 69). Eine A u s n a h m e ist indessen, wie § 754 Nr. 8 zeigt, f ü r die in § 754 Nr. 6 und 7 erwähnten Vertragsschulden zu machen: hier bewirkt eigenes Verschulden des Reeders in Ansehung der Vertragserfüllung oder seine Gewährleistung dinglich-persönliche Haftung. H i n s i c h t l i c h d e r b e i d e n F ä l l e d e s A b s . 2 i s t zu b e m e r k e n : a) Verschulden in Ansehung der Vertragserfüllung ist jedes Verschulden, welches zur Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung des Vertrages mitwirkt, z. B. der Reeder läßt vorsätzlich das Schiff seeuntüchtig auslaufen. Gemäß § 278 BGB ist dem persönlichen Verschulden des Reeders ein Verschulden solcher E r f ü l l u n g s g e h i l f e n gleichzustellen, die nicht unter die von § 486 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 gedeckten Personen (Kapitän, Abfertigungsstelle, Schiffsbesatzung) fallen ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 133). Hauptfälle sind eigenes Verschulden in der Auswahl des Schiffers oder sonstiger bedeutsamer Personen der Schiffsbesatzung ( W a g n e r H B 183; HansOLG OLGRechtspr 20,2), Hergabe eines ungeeigneten (ROHG 11, 260) oder seeuntüchtigen Schiffes (§ 559), Anordnung Vertrags- oder rechtswidrigen Verhaltens des Schiffers (§§ 512 Abs. 3, 695, 731 Abs. 2, 752 Abs. 2 HGB), fehlerhafte Wahrnehmung von Obliegenheiten des Schiffers durch den Reeder selbst (HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 107), Dulden von Mißbräuchen (RG HansGZ 1889, 100). Beauftragt der Reeder den Kapitän, Ladung bestimmter Art zu übernehmen, so hat er unabhängig vom Kapitän zu 59

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

prüfen, ob bei der Übernahme eines solchen Ladungsgewichts die Stabilität des Schiffes gewährleistet ist. Die Prüfungspflicht des Reeders wird nicht dadurch gegenstandslos, daß auch der Kapitän zur Prüfung der Stabilität verpflichtet ist. Vgl. BGHZ 27, 79 = MDR 1958 S. 487 = Hansa 1958 S. 1337. Dem Reeder kann aber nicht ohne weiteres alles das zur Last gelegt werden, was dem Schiffer zum Verschulden gereicht; seine Sache ist es regelmäßig nicht, den Schiffer über alle möglichen Dinge der Schiffsangelegenheiten zu instruieren, denn dafür hat er den Schiffer gerade angestellt. Vgl. auch RGZ 133, 167. Doch schließt das eine Hinweisungspflicht und notfalls ein Eingreifen des Reeders im Einzelfall nicht aus, wenn er konkrete Bedenken hat. Dem Verschulden des Reeders gleichzustellen ist der Fall, daß nur seine Mitschuld zum Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung hinzutritt ( W ü s t e n d ö r f e r a.a.O.). H a t der Reeder als Dienstberechtigter die ihm nach § 618 BGB (z. B. aus einem Lotsenvertrag) obliegende Fürsorgepflicht verletzt und ist diese Verletzung geeignet, den später eingetretenen Schaden hervorzurufen, so muß er beweisen, daß die Verletzung nicht ursächlich war oder von ihm nicht verschuldet wurde (RGZ 138, 37). Diese Beweislastregelung gilt auch im Falle der unbeschränkten persönlichen Haftung des Reeders nach § 486 Abs. 2. Vgl. BGHZ 27, 79 = MDR 1958 S.487 = Hansa 1958 S.1137. Anm. 30

b) Gewährleistung der Vertragserfüllung durch den Reeder liegt vor, wenn der Reeder selbst oder durch einen bevollmächtigten Vertreter, der auch der Schiffer sein kann, dem Gegenkontrahenten ausdrücklich oder stillschweigend erklärt, daß er f ü r die Vertragserfüllung persönlich aufkommen wolle. Es liegt hierin ein Verzicht auf das Privilegium der beschränkten Haftung (vgl. OG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 64; E h r e n b e r g , Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880, S. 176). Die Anerkennung oder Genehmigung einer vom Schiffer innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse eingegangenen Verbindlichkeit hat nicht notwendig die Bedeutung einer Gewährleistungserklärung (RG 70, 278); ebensowenig braucht in der Erteilung einer Spezialvollmacht zum Abschluß eines ohnedies innerhalb der gesetzlichen Schiffervollmacht (oben Anm. 18) liegenden Geschäfts die Ermächtigung zum Abschluß einer Gewährleistungsvereinbarung zu liegen. Dagegen ist Gewährleistung die Anerkennung oder Genehmigung einer Vollmachtsüberschreitung des Schiffers, ferner die Annahme eines vom Schiffer auf den Reeder gezogenen Wechsels ( E h r e n b e r g , a.a.O. S. 177).

Anm. 31

3. Haftung für Prozeßzinsen und Prozeßkosten. Läßt es der Reeder hinsichtlich einer unter § 486 fallenden Schiffsgläubigerforderung zum Prozeß kommen, so haftet er f ü r Zinsen und Kosten dinglich-persönlich, dinglich gemäß § 760 HGB, persönlich, weil sich diese Forderungen auf einen neu hinzutretenden selbständigen Verpflichtungsgrund, nämlich die Prozeßführung stützen (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 72; RGZ 33, 84; HansOLG OLGRechtspr 6, 363; vgl. OLG Jena SeuffA Bd. 66 Nr. 139; E h r e n b e r g a.a.O. S. 177,125 f ü r den Fall, daß der Reeder selbst verklagt wird; anders B o y e n s Bd. 1 S.218ff.; M i t t e l s t e i n H B 422; P a p p e n h e i m H B 2 247ff.; B r o d m a n n ZHR Bd. 52 S. 157; W ü s t e n d ö r f e r H B 414f.).

Anm. 32

4. Haftung für Kriegs- und sonstige im öffentlichen Dienst stehende Staatsschiffe. Nach EGHGB Art. 7 findet die Vorschrift des § 486 Abs. 1 Nr. 3 auch Anwendung auf Schiffe, welche nicht des Erwerbs wegen zur Seefahrt verwendet werden. Die beschränkte Haftung p r i v a t e r Eigentümer solcher Schiffe macht keine Schwierigkeit: das Schiffsvermögen besteht hier nur aus dem Schiff, Fracht kommt nicht in Betracht. Bedenken hinsichtlich der Haftung nach § 486 und der Geltendmachung des Schiffsgläubigerpfandrechts ergeben sich indessen, sobald es sich um Kriegs- oder sonstige im öffentlichen Dienst stehende Schiffe handelt, weil hier eine Zwangsvollstreckung in sie aus Gründen öffentlichen Interesses nicht durchführbar ist. Die Frage ist dahin zu lösen, daß aus der Unmöglichkeit, ein derartiges Schiff zur Zwangsversteigerung zu bringen, die p e r s ö n l i c h e H a f t u n g des Fiskus zu folgern ist, aber aus der beschränkten Haftung des Reeders nach § 486 die weitere Folgerung zu ziehen ist, daß sich die Haftung des Fiskus auf den Wert des Schiffes beschränkt. Das ist heute insoweit feststehende Rechtsprechung (vgl. RGZ 79, 181; 151,271; BGHZ 3, 321). Zweifelhaft ist nur noch, a u f w e l c h e n Z e i t p u n k t es f ü r die Berechnung des Schiffswerts ankommt. In RGZ 79, 181 (ebenso P a p p e n h e i m LZ 1910 S.427 und GruchBeitr. Bd.56S.19ff.; die 2. Auflage dieses Kommentars, Anm. 34 zu § 486; auch noch S c h l e g e l b e r g e r § 486 Anm. 6) ist dargelegt, daß der Wert unmittelbar nach dem von der Besatzung verschuldeten Ereignis maßgeblich sei. 60

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§486

Da somit von vornherein nur eine beschränkt-persönliche Haftung Platz greife, sei auch die Geltendmachung eines Pfandrechts nach der Außerdienststellung des Schiffes ausgeschlossen (vgl. auch H e r t z GruchBeitr. Bd. 55 S. 39ff.). Siehe ferner Anm. 2 zu § 485 HGB. Demgegenüber wird in der neueren Rechtsprechung (RGZ 151, 271; BGHZ 3,321; so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 43f.) die Auffassung vertreten, Art. 7 EGHGB ordne die Haftimg mit dem Schiff an und gewähre dem Beschädigten an sich die Rechte von Schiffsgläubigern. Aus der Tatsache, daß ein Schiff, welches staatlichen Zwecken diene, während dieser Zeit der Zwangsvollstreckung nicht unterworfen sei, sei keineswegs zu folgern, daß die Haftungsgrundsätze, auf denen das deutsche Seehandelsrecht aufgebaut sei, hier aufgegeben werden müßten und daß an ihre Stelle ganz allgemein eine viel weitergehende Haftung zu setzen sei. Auf letzteres laufe aber die frühere Auffassung hinaus. Zwar trete bei einem Schiff, welches öffentlichen Zwecken diene, das SchifEsgläubigerrecht des Geschädigten als solches zunächst äußerlich nicht in Erscheinung. Vielmehr ruhe es. Daß es aber zur Entstehung gelangt sei, zeige sich, wenn das Schiff nicht mehr für öffentliche Zwecke Verwendung finde. Solange das Schiff im öffentlichen Dienste stehe, sei heute allerdings anerkanntes Recht, daß dann eine beschränkt persönliche Haftung mit dem Wert des Schiffes eintrete. Diese bleibe, wenn das Schiff sich noch auf derselben Reise befinde, im Regelfalle ihrem Bestände und ihrem Umfange nach an den Wert des Schiffes geknüpft und sei von ihr abhängig. Falls während der Reise etwa noch Forderungen Dritter aus einem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung erwachsen sollten, so hätten diese neuen Ansprüche den gleichen Rang wie die Forderungen des ersten Schiffsgläubigers (§§ 754 Nr. 9, 768 Nr. 5 HGB) und könnten daher seinen Anspruch mindestens der Höhe nach berühren. Auf der anderen Seite könnten sie aber nicht zu einer Erhöhung der Haftimg des Staates führen. Das folge aus dem Grundgedanken der Gestaltung der beschränkten Haftung des deutschen Seerechts. Die gesetzliche Regelung beruhe darauf, daß es bei den allgemeinen Gefahren der Schiffahrt, denen ein Schiff auf einer Reise ausgesetzt sei, in der Regel billiger erscheine, den Schiffseigner nur mit diesem, der Schiffsgefahr ausgesetzten Vermögen haften zu lassen, aber nicht darüber hinaus. D a s h a b e z u r w e i t e r e n F o l g e (vgl. RGZ 151, 271), d a ß V e r s c h l e c h t e r u n g e n des S c h i f f s w e r t e s , wie a u c h d e r U n t e r g a n g des S c h i f f e s in d e n R e g e l f ä l l e n zu L a s t e n des A n s p r u c h s b e r e c h t i g t e n g e h e n , vorausgesetzt, daß das Schiff nicht zuvor auf eine neue Reise ausgesendet worden sei (§ 774 HGB). Vgl. BGHZ 3, 321; RGZ 149, 172; 151, 276). Dieser Ansicht ist zuzustimmen. 5. Die Haftung des Schifferreeders bzw. Schiffermitreeders, d.h. desjenigen Reeders bzw. Anm. 33 Mitreeders, der zugleich Schiffer ist, bietet Besonderheiten. Zwei Auffassungen stehen sich gegenüber. Nach der einen, vertreten von L e w i s , Das deutsche Seerecht, 2.Aufl. 1883/84 S. 55, C o s a c k ZHR Bd.32 S.331, M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht S.141ff., und J a c o b i , Die Haftung der Mitglieder aus dem Reedereiverhältnis, Diss. Rostock 1902 S. 108ff., läßt sich die duplex persona des Schifferalleinreeders (und des Schiffermitreeders, der die Mehrheit der Schiffsparten vertritt) nicht in zwei Personen, die des Schiffers und die des Reeders zerlegen: alle Handlungen des Schifferreeders seien daher eigene Handlungen des Reeders, für die derselbe persönlich zu haften habe, wo nicht das Gesetz ausdrücklich das Gegenteil bestimme wie in § 699 HGB. Neben dieser persönlichen Haftung könne kraft positiver Bestimmung das Schiffsgläubigerrecht stehen (§ 754 Nr. 6 und 9 HGB). Dieser Meinung ist die in manchen Punkten abweichende Ansicht von B o y e n s Bd. 1 S.228ff., zuzuzählen, der gleichfalls von dem Grundgedanken des § 486, daß beschränkte Reederhaftung nur für facta aliena gegeben sei, ausgehend, die Geschäfte des Reederschiffers grundsätzlich als facta propria des Reeders ansieht und damit die Trennung beider Eigenschaften ablehnt, aber für gewisse Fälle eine von den Kontrahenten gewollte, präsumtive Haftungsbeschränkung annimmt, ferner im Falle des § 486 Nr. 2 den Schifferreeder bei ausschließlichem Verschulden anderer Besatzungsmitglieder nur beschränkt haften läßt. — Die entgegenstehende Ansicht, verfochten von E h r e n b e r g , Beschränkte Haftimg des Schuldners nach See- und Handelsrecht, 1880 S.51, 174ff., 182, 217, W a g n e r HB 258 Note 5, S c h r ö d e r ZHR Bd. 32 S.248, S i e v e k i n g 105 und B r a n d i s Bd. 1 S.45 will die beiden Funktionen des Schifferreeders grundsätzlich getrennt halten und nimmt beschränkte Haftung überall an, wo bei Getrenntheit der Personen nur beschränkte Haftimg vorgelegen hätte, auch dort, wo das Gesetz dies nicht ausdrücklich bestimmt. 61

§486 Anm. 34

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Die W a h r h e i t l i e g t in der M i t t e . Wo das G e s e t z zur B e s c h r ä n k u n g der R e e d e r h a f t u n g a u f das S c h i f f s v e r m ö g e n die d i v e r s i t a s p e r s o n a r u m f ü r e i n u n e n t b e h r l i c h e s T a t b e s t a n d s m o m e n t e r a c h t e t , k a n n die B e s c h r ä n k u n g der H a f t u n g n i c h t e i n t r e t e n , wenn die d i v e r s i t a s n i c h t da i s t : wo d a g e g e n das Gesetz j e n e A n f o r d e r u n g e n n i c h t s t e l l t , k ö n n e n die P u n k t i o n e n von S c h i f f e r und R e e d e r in e i n e r H a n d l i e g e n , ohne daß h i e r d u r c h die s o n s t g e l t e n d e H a f t u n g g e ä n d e r t wird (vgl. S a l m a n n ZHR Bd.41 S.442ff., dessen Darstellung sich die nachfolgende Kasuistik in der Hauptsache anschließt. Zustimmend O l d e n b u r g , Die Reederei, Diss. Leipzig 1904 S. 40; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 7 zu § 486). Hieraus ergeben sich unter Verwertung der oben gewonnenen Resultate für den vorhegenden Fall folgende E i n z e l f o l g e r u n g e n .

Anm. 35

a) Der Tatbestand von § 486 Abs. 1 Nr. 1 s e t z t b e g r i f f l i c h V e r s c h i e d e n h e i t der P e r sonen n i c h t v o r a u s ; denn wenn auch der Schiffsreeder in Gestalt seiner Reedereigenschaft stets die „besondere Vollmacht" (oben Anm. 18 u. 19) hat, so braucht er doch nicht mit B e z u g auf dieselbe zu kontrahieren: erst hierdurch würde die beschränkteHaftung ausgeschlossen werden. Wenn also der S c h i f f e r r e e d e r - abgesehen von dem Falle des § 487 HGB, in dem dinglich-persönliche Haftung eintritt — ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, das sich innerhalb der gesetzlichen Befugnisse des Schiffers hält, so haftet er nur unpersönlich (ebenso M i t t e l s t e i n H B 62), sofern er nicht mit Bezug auf seine Reedereigenschaft kontrahiert (Anm. 18, 19), die Vertragserfüllung gewährleistet hat (Anm. 30) oder ihn in Ansehung derselben ein Verschulden trifft (Anm. 29), in welchen Fällen ausschließlich persönliche Haftung eintritt. Ebenso haftet, wenn der S c h i f f e r m i t r e e d e r ein Geschäft der bezeichneten Art geschlossen hat, zunächst nur das Schiffsvermögen. Hat er indessen mit Bezug auf seine Mitreederqualität und, sofern er nicht selbst die Majorität der Schiffsparten hat oder sofern Einstimmigkeit erforderlich ist, auf eine besondere Vollmacht seiner Mitreeder (über Geschäftsführung ohne Auftrag s.o. Anm. 18) kontrahiert (vgl. OG Verden und AppG Celle BuschsA Bd. 2 S. 263ff.) oder haben die Mitreeder (oder der Schiffsmitreeder als Partenmajoritätsinhaber) die Vertragserfüllung gewährleistet (der Korrespondentreeder als solcher kann dies ohne besondere Vollmacht nicht: Anm. 9 zu § 493) oder trifft die Reederei (d.h. deren Majorität oder den die Mitreeder vertretenden Korrespondentreeder) ein Verschulden in Ansehung der Vertragserfüllung, so tritt nur persönliche Haftung der Mitreeder pro rata ihrer Schiffsparten (§ 507 HGB) ein. Hat der Schiffermitreeder, der nur Inhaber einer Minorität von Schiffsparten ist, mit Beziehung auf seine eigene Mitreedereigenschaft gehandelt, so ist dies für die Reederei ohne Bedeutung, weil es auf die Willenserklärung einer Minorität nicht ankommt; hat er jedoch persönlich die Vertragserfüllung gewährleistet oder trifft ihn ein Verschulden, so tritt zu der dinglichen Haftung seine eigene unbeschränkt persönliche nach §§ 511, 533 HGB (nicht 507 HGB) hinzu. Vgl. auch OLG Kiel HansRGZ 1934 B 340 und 1935 B 439, OLG Oldenburg HansRGZ 1935 B 429.

Anm. 36

b) Der Tatbestand von § 486 Abs. 1 Nr. 2 s e t z t die V e r s c h i e d e n h e i t der P e r s o n e n mit N o t w e n d i g k e i t v o r a u s (oben Anm. 22); denn die beschränkte Haftung ist an die Voraussetzung geknüpft, daß der Vertrag von einer anderen Person auszuführen ist als von derjenigen, die ihn abgeschlossen hat. Wenn also der S c h i f f e r r e e d e r einen — über die gesetzliche Schiffervollmacht hinausgehenden (sonst träfe Nr. 1 zu) — Vertrag geschlossen hat, dessen Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört, und ein Anspruch auf die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung dieses Vertrages gestützt wird, so haftet der Schifferreeder ausschließlich persönlich, wenn auch mit B o y e n s Bd. 1 S. 230 und M i t t e l s t e i n H B 62 eine Ausnahme für den Fall gemacht werden kann, daß die Nichterfüllung usw. des Vertrages auf Verschulden einer anderen Person der Schiffsbesatzimg zurückzuführen ist. — Handelt es sich um eine R e e d e r e i , so liegt diversitas personarum hinsichtlich der übrigen Mitreeder vor: sie vertreten facta aliena, der Schiffermitreeder facta propria. Hieraus rechtfertigt sich (mit S a l m a n n a.a.O. S. 449) die Folgerung, daß für einen Anspruch der in § 486 Nr. 2 erwähnten Art der Schiffermitreeder persönlich, und zwar pro rata seiner Part (§ 507 HGB), bei Verschulden oder Gewährleistung mit seinem ganzen Vermögen (§§ 511, 533 HGB), außerdem aber auf Grund der dinglichen Haftbarkeit der übrigen Mitreeder das Schiffsvermögen haftet. Wenn schließlich die Reederei (d.h. deren Majorität oder

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§486

den namens der Mitreeder handelnden Korrespondentreeder) in Ansehung der Vertragserfüllung ein Verschulden trifft oder sie dieselbe gewährleistet hat, so haften die Mitreeder persönlich pro rata ihrer Schiffsparten (§ 507 HGB). c) D e r Tatbestand des § 486 Abs. 1 Nr. 3 v e r l a n g t k e i n e V e r s c h i e d e n h e i t d e r P e r s o n e n . Es sind folgende Fälle zu scheiden: aa) Gründet sich der Anspruch auf das V e r s c h u l d e n e i n e r P e r s o n d e r S c h i f f s b e s a t z u n g a b g e s e h e n v o m S c h i f f e r r e e d e r b z w . S c h i f f e r m i t r e e d e r , so ist an sich nur unpersönliche Haftung gegeben. Konkurriert ein Verschulden des Schifferreeders oder Schiffermitreeders, so tritt persönliche Haftung dieser Personen auf das Ganze hinzu (anders § 4 Abs. 2 Satz 2 BSchG; s. M i t t e l s t e i n H B 63), konkurriert dagegen ein Verschulden der Reederei (d.h. der Mehrheit oder des f ü r die Mitreeder handelnden Korrespondentreeders), dann ist proratarische persönliche Haftimg der Mitreeder gegeben. bb) F ä l l t d e m S c h i f f e r r e e d e r e i n V e r s c h u l d e n z u r L a s t , so haftet er aaa) Für ein Verschulden in A u s f ü h r u n g d e r D i e n s t v e r r i c h t u n g e n e i n e s B e s a t z u n g s m i t g l i e d s dinglich-persönlich (§§754Nr.9,486 Abs. 1 Nr. 3,485, 511 H G B ; HansOLG HansGZ 1886 Nr. 33). bbb) S o n s t nur persönlich (dies übersieht W a g n e r H B 184), sofern nicht etwa aus anderen Gründen dingliche Haftung hinzukommt (vgl. § 754 Nr. 7 HGB). Eine dem § 4 Abs. 2 S. 2 BSchG entsprechende Bestimmung fehlt im Seerecht. cc) Trifft den S c h i f f e r m i t r e e d e r ein V e r s c h u l d e n , so haftet aaa) Für ein in A u s f ü h r u n g d e r D i e n s t v e r r i c h t u n g e n e i n e s Besatzungsmitglieds begangenes Verschulden die Reederei dinglich (§486 Nr. 3, 754 Nr. 9 HGB), außerdem er selbst persönlich auf das Ganze (§§ 511, 533 HGB). bbb) Für s o n s t i g e s Verschulden nur er selbst auf das Ganze. Wie der S c h i f f e r r e e d e r haftet der S c h i f f e r a u s r ü s t e r , d.h. derjenige, der ein ihm Anm. 37 nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt verwendet und es selbst f ü h r t (§ 510 HGB; vgl. H G bzw. OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 221, 227, 228 = BuschsA Bd. 23 S. 59ff., 62 ff., 55ff.). VT. Internationales Privatrecht. Nach welchem Recht richtet sieh in den Fällen des § 486 Anm. 38 bei Statutenkollision der Umfang der Reederhaftung ? Die Frage des U m f a n g e s der R e e d e r h a f t u n g ist eine solche des materiellen Rechts. Sie ist zu scheiden von derjenigen der H a f t u n g s v o r a u s s e t z u n g e n . D a s f ü r b e i d e m a ß g e b e n d e R e c h t b r a u c h t n i c h t i d e n t i s c h z u s e i n . Über die einzelnen Fälle des § 486 ist folgendes zu sagen: Zu Nr. 1. Über den U m f a n g d e r g e s e t z l i c h e n B e f u g n i s s e d e s S c h i f f e r s ent- Anm. 39 scheidet das f ü r das Anstellungsverhältnis maßgebende Recht, also im Zweifel das Recht der Flagge (ROHG 22, 98; HansOLG HansGZ 1895 Nr. 49; 1896, 103; RGZ 34, 75; dagegen W a g n e r H B 137, der f ü r die lex fori eintritt). Doch sind in Ergänzung hierzu mit B o y e n s Bd. 1 S. 24 solche Geschäfte (nicht bloß Kreditgeschäfte) des Schiffers, deren Abschluß zwar nicht nach dem Recht der Flagge, aber nach demjenigen des Orts des Vertragsschlusses unter die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers fallen, soweit, als sie in dem Land des Vertragsschlusses zu erfüllen sind, als rechtswirksam anzusehen. Nach dem Recht der Flagge regelt sich grundsätzlich (vgl. die zitierten Entscheidungen) auch die Frage des U m f a n g e s d e r R e e d e r h a f t u n g aus den vom Schiffer kraft seiner gesetzlichen Befugnisse abgeschlossenen Geschäft. M i t d e n d e m G e g n e r a u f G r u n d d e s R e c h t s d e r F l a g g e e r w a c h s e n e n R e c h t e n k o n k u r r i e r e n a b e r die ihm n a c h der lex c o n t r a c t u s in A n s e h u n g d e s S e e v e r m ö g e n s g e g e b e n e n A n s p r ü c h e (Näheres B o y e n s Bd 1 S. 27ff.). Zu Nr. 2. Ob und w i e w e i t der Reeder aus den von ihm abgeschlossenen, unter Nr. 2 Anm. 40 fallenden Verträgen haftet, ist n a c h d e m j e n i g e n R e c h t zu beurteilen, w e l c h e s d a s V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s b e h e r r s c h t . Dasselbe bestimmt sich in erster Linie nach dem Willen der Parteien, in zweiter danach, welches Recht die Parteien vernünftigerweise gewählt

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§486

Vierter Teil. Seehandelsreeht

haben würden, wenn sie an eine Regelung dieses Punktes gedacht haben würden, sodann nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Privatrechts. Anm. 41

Zu Nr. 3. Nach welchem Recht die Frage, ob der Reeder aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung haftet, zu beantworten iat, ist bereits behandelt (Anm. 36 ff. zu § 485). Dasselbe Recht entscheidet über den H a f t u n g s u m f a n g (BGHZ 29, 237 = N J W 1959 S. 769 = Hansa 1959 S. 330 = MDR 1959 S. 371; See- und Handelsgericht Kopenhagen Hansa 1957 S. 2221; Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 11 S. 294: „on ne saurait, en effet, concevoir juridiquement que les conséquences d'un fait unique, la réparation d'un même dommage, soient apréciées suivant des lois et des règles différentes" ; dagegen hat das Amerikanische Bundesrevisionsgericht im Falle „Titanic" die amerikanische lex fori angewendet. Vgl. M e y n , DJZ 1914 S. 877ff. I n d e s s e n g r e i f t h i e r die positive Vorschrift des Art. 12 EGBGB ein, nach welcher a u s e i n e r i m A u s l a n d b e g a n g e n e n u n e r l a u b t e n H a n d lung gegen einen D e u t s c h e n nicht weitergehende Ansprüche geltend g e m a c h t w e r d e n k ö n n e n , a l s sie n a c h d e n d e u t s c h e n G e s e t z e n b e g r ü n d e t s i n d . Siehe auch High Court of Australia Hansa 1955 S. 1956 = R e c h t der Schiffahrt Bd. I H e f t 9/10 (15—01—10) f ü r die Frage, ob die Beschränkung der Reederhaftung nach australischem Recht sich nach australischen oder englischen Pfunden berechnet.

Anm. 42

VII. Ausländische Rechte. Zwar findet sich in ausländischen Rechten als Grundsatz überall eine beschränkte Reederhaftung. Doch sind die nationalen Rechte in ihrer Durchführung sehr unterschiedlich. Vornehmlich ist außerhalb des deutschen Rechts zu unterscheiden zwischen dem e n g l i s c h e n S u m m e n h a f t u n g s s y s t e m , dem n o r d a m e r i k a n i s c h e n W e r t h a f t u n g s s y s t e m und dem f r a n z ö s i s c h e n A b a n d o n s y s t e m . Doch sind diese Unterscheidungen teilweise seit 1924 infolge des damals geschlossenen 1. Brüsseler Übereinkommens über die beschränkte Reederhaftung in einigen Fällen verwischt.

Anm. 43

1. Das englische Summenhaftungssytem. Nach dem bis zum 1. 8. 1958 in England geltenden Recht haftete der Reeder mit seinem ganzen Vermögen, einerlei, wieviel nach einem Unfall vom Wert seines Schiffes noch übrig war. Die Haftung war aber summenmäßig begrenzt nach dem Raumgehalt des Schiffes (bis £ 8.— je N R T zuzüglich Treibkrafträume bei Sachschäden, bis £ 15.— bei Personenschäden; sect. 503 MerchShA 1894). Diese Haftung bestand gesondert f ü r j e d e n Schadensfall. Seit dem 1. 8. 1958 gilt in England in Angleichung an das 1957 in Brüssel gezeichnete Internationale Übereinkommen über die beschränkte Reederhaftimg der Merchant Shipping (Liability of Shipowners and others) Act 1958. Dadurch ist zwar das Summenhaftungssystem im Prinzip nicht beseitigt, indessen sind doch der Merchant Shipping Act, 1894, und der Mercliant Shipping (Liability of Shipowners and others) Act, 1900, entsprechend den Bestimmungen der Brüsseler Konvention von 1957 ergänzt. Entsprechend dessen Haftungssummen geht das Recht Großbritanniens nunmehr nicht mehr von der nationalen Währung aus, sondern vom Goldfranken. Der Haftungsbetrag beläuft sich jetzt pro Tonne auf höchstens 3100 Goldfranken im Sinne des Art. 3 Abs. 6 des Übereinkommens, und zwar a) bei reinen Sachschäden auf 1000 Goldfranken, b) bei reinen Personenschäden auf 3100 Goldfranken. Liegen Personen- und Sachschäden vor, so werden erstere mit einem Betrag von 2100 Goldfranken vorweg abgedeckt, während der Rest von 1000 Goldfranken verhältnismäßig auf etwa noch unbefriedigte Personenschädengläubiger und Sachschäden verteilt wird. In £-Währung bedeuten 3100 Goldfranken £ 73. 8. 10 5/32, 1000 Goldfranken £ 23. 13. 9 27/32. Vgl. V o g e l e r Hansa 1958 S. 2031; siehe auch Anm. zum Zeichnungsprotokoll des Abkommens.

Anm. 44

2. Das nordamerikanische Summenhattungssystem. Der Reeder haftet mit seinem ganzen Vermögen, jedoch nur bis zum Werte von Schiff und Fracht. Der Reeder kann sich indessen durch Übertragung von Schiff und Fracht an einen gerichtlich bestellten Treuhänder der Gläubiger von jeder Haftung befreien. Da dies System bei starker Entwertung des Schiffes zu großen Nachteilen f ü r die Gläubiger führen konnte, wurde es durch Ges. v. 29. 8. 1935 f ü r Tötung und Körperverletzung durch das Summenhaftungssystem ergänzt, und zwar bis zu 60 $ je Registertonne (Rev. Stat. sect. 4283 und 4286 ; vgl. über weitere Einzelheiten W ü s t e n d ö r f e r und C a p e l l e HansRGZ 1939 A 15f.). 64

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3. Das französische Abandonsystem. Der Reeder haftet mit seinem ganzen Vermögen, kann sich aber hiervon in gewissen Fällen befreien durch die dem Gläubiger erklärte Preisgabe von Schiff und Pracht. Hinsichtlich der rechtlichen Wirkung der Abandonerklärung bestehen mancherlei Zweifel. Ein Teil der so gefährdeten Gläubiger h a t ein Vorzugsrecht („privilège") am Schiffsvermögen. Nach dem Beitritt Frankreichs zum Brüsseler Übereinkommen über beschränkte Reederhaftung von 1924 gilt die genannte Regelung in Frankreich nur noch als internes Recht und gegenüber Schiffen aus Nichtvertragsstaaten. Das französische System findet sich noch in Spanien (Art. 587 HGB), Portugal (Art. 492 HGB), Mexico (Art. 672 H G B sowie in den meisten süd- und mittelamerikanischen Staaten. 4. Ein Werthaftungssystem besonderer Art unter Anlehnung an das Brüsseler Überein- Anm. 45 kommen von 1924 findet sich in Italien; vgl. Art. 275f. cod. nav. Der Reeder haftet mit seinem ganzen Vermögen. Wenn er Antrag auf Haftungsbegrenzung stellt, so ist er nur bis zum derzeitigen Wert von Schiff und Bruttofracht zahlungspflichtig. Doch bewegt sich dieser Schiffswert immer zwischen zwei Grenzwerten: mindestens ein und höchstens zwei Fünftel des Schiffswertes am Reiseanfang. Das gilt auch f ü r Heuerfordeningen der Schiffsmannschaft. Als Haftungseinheit gilt die Reise mit allen ihren Ereignissen (vgl. G a l g a n o , HansRGZ 1942 A 175ff.). Doch ist das italienische Recht nur auf italienische Schiffe anwendbar, denn nach Art. 7 c. nav. richtet sich die H a f t u n g des Reeders nach dem Flaggenrecht des Schiffes. Siehe auch S i e g , Verantwortlichkeit und Haftung des Reeders nach italienischen und deutschem Recht, Hansa 1942 S. 683. 5. Die Niederlande, die ursprünglich dem französischen System anhingen, haben sich 1924 Anm. 46 dem englischen System genähert (Gesetz v. 22. 12. 1924). Dieses Gesetz kennt drei Fälle der beschränkten H a f t u n g , und zwar auf 50 Gulden f ü r den Kubikmeter Nettoraumgehalt zuzüglich des Raumgehalts f ü r den Maschinenraum. Die drei Fälle sind: 1. Beschädigung und Verlust der Frachtgüter, 2. Unfälle der Reisenden, es sei denn, daß der Verfrachter grobe Fahrlässigkeit trifft, 3. Schaden aus Schiffszusammenstoß. 6. Belgien hat durch Gesetz v. 28. 11. 1928 sein innerstaatliches Recht dem Brüsseler Über- Anm. 47 einkommen von 1924 angepaßt. Vgl. dazu Anm. 52. 7. Nach dem neuen griechischen Seegesetzbuch von 1958 haftet der Reeder f ü r Verpfiich- Anm. 48 tungen aus eigenem Handeln unbeschränkt. Persönliche, aber beschränkbare H a f t u n g besteht nach Art. 84 f ü r Verbindlichkeiten aus Vertragsschlüssen des Schiffers in Ausübung seiner Pflichten und aus rechtswidrigen Handlungen des Schiffers, der Schiffsleute und des Lotsen. Ähnlich dem Brüsseler Abkommen von 1924 kann sich der Reeder in diesen Fällen durch Preisgabe von Schiff und Fracht von der H a f t u n g befreien, wobei er die durch Belastungen des Schiffes ausfallenden Beträge nachzuschießen h a t (Art. 85). S t a t t der Preisgabe kann er wahlweise auch eine nach dem Wert des Schiffes bei Abreise f ü r Personenund Sachschäden verschieden zu berechnende Summe entrichten und damit seine persönliche H a f t u n g ausschließen. Vgl. S t e f a n o p o u l o s Z H R Bd. 122 S. 62ff. 8. Für Norwegen, Schweden und Dänemark gelten folgende Bestimmungen der Seege- Anm. 49 setze. Gemäß Art. 254 h a f t e t der Schiffseigner beschränkt f ü r Schäden, die Besatzungsmitglieder oder Passagiere oder Güter an Bord des Schiffes erleiden, weiter f ü r Personenschäden oder Sachschäden, die durch schuldhaftes Verhalten des Kapitäns, eines Besatzungsmitglieds oder eines Lotsen verursacht sind, f ü r jedes schuldhafte nautische Verhalten bei einer Vertragsausführung, f ü r fehlerhafte oder unzulängliche Konnossementsangaben, f ü r Kosten der Wrackbeseitigung, f ü r Bergungskosten, f ü r Havereibeiträge, f ü r Verbindlichkeiten, die der K a p i t ä n auf Grund seiner gesetzlichen Vollmacht zur Erhaltung des Schiffes oder zur Fortsetzung der Reise eingegangen ist, sofern das Schiff bei Beginn der Reise seetüchtig und gehörig ausgerüstet war. Die Haftungsbeschränkung gilt aber nicht f ü r Heuerverträge oder bei eigenem Verschulden des Schiffseigentümers. Ist dieser Schiffsreeder, so gilt sie indessen f ü r nautisches Verschulden. Beschränkte H a f t u n g bedeutet Beschränkung auf den Wert des Schiffes (der gemäß Art. 256 zu berechnen ist) zuzüglich 10% des Schiffswertes bei Beginn der Reise und der Ersatzansprüche f ü r Schifisschäden und aus großer Haverei seit Beginn der Reise, jedoch, abgesehen von der Beschränkung der H a f t u n g im Falle der Bergung, der großen Haverei und bei Rechtsgeschäften des Kapitäns, nicht über 145 Kronen f ü r die Tonne hinaus. Nur 5

Schlips-Abraham, Seerecht I I

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bei Personenschäden kommen weitere 145 Kronen hinzu. In Betracht kommt für die Berechnung der Nettoraumgehalt des Schiffes zuzüglich des Raumes für die Maschine. Dieser Betrag kommt zur Verteilung auf alle Schäden, die bei dem gleichen Seeunfall entstanden sind. Anm. 50 9. In der Schweiz haftet der Reeder gemäß Art. 48 des Bundesgesetzes über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge vom 23. 9. 1953 für den Schaden, der durch den Betrieb des Seeschiffs einem Dritten zugefügt worden ist, sofern er nicht nachweist, daß der Schaden durch höhere Gewalt, Selbstverschulden des Geschädigten oder Verschulden eines Dritten entstanden ist. Die Mitglieder der Schiffsbesatzung und die anderen Personen im Dienste des Seeschiffes gelten nicht als Dritte. Der Reeder kann gegen denjenigen, der den Schaden gestiftet hat, insoweit Rückgriff nehmen, als dieser selbst schadensersatzpflichtig ist. Ist der Reeder Mieter des Seeschiffes, so hat er gegen den Schiffseigentümer einen Rückgriffsanspruch nur wegen verborgener Konstruktionsmängel oder mangelhaften Unterhalts des Seeschiffes vor Beginn der Miete. Gemäß Art. 49 haftet der Reeder für Schäden, die durch den Betrieb eines Seeschiffes einem Dritten, oder für Schäden, die den mit dem Seeschiff beförderten Personen oder Gütern zugefügt worden sind, für den Hilfs- und Bergelohn und für die Beiträge zur Havarie-Große beschränkt auf einen Betrag von 500 Franken für jede BRT, sofern nicht dem Reeder ein eigenes Verschulden nachgewiesen werden kann. Die gleiche Haftungsbeschränkung gilt bezüglich der Ersatzsumme für Schäden an beförderten Personen oder Sachen für einen Verfrachter, der nicht gleichzeitig Reeder ist. Nach Art. 50 werden alle vertraglichen und außervertraglichen Ansprüche gegen den Reeder, die auf das gleiche Schadensereignis zurückzuführen sind, auf diesen Gesamtbetrag angewiesen und nehmen daran im Verhältnis ihrer Vorrechte teil. Tritt vor Anlaufen des nächsten Hafens ein weiteres Schadensereignis ein, so wird vermutet, daß dieses auf den gleichen Enstehungsgrund zurückzuführen ist wie das erste. Werden lediglich vertragliche Ansprüche geltend gemacht, so gilt der Haftungsbetrag für alle diejenigen Forderungen, die bis zum Anlaufen im Bestimmungshafen oder dem Ort, wo die Reise abgebrochen wird, entstanden sind. Anm. 51

VIII. Internationale Rechtsvereinlieitlichung. S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r SHR 146; R ö h r e k e Hansa 1955 S. 194ff.; K. v o n L a u n , Hansa 1956 S. 1581; K. v o n L a u n und R ö h r e k e , Diskussionsbeiträge zur Vereinheitlichung des Rechts der beschränkten Reederhaftung (Schriften des Deutschen Vereins für internationales Seerecht, Reihe A, Heft 4, 1956); K n a u t h , Reform in shipowners limitation: The 1955 proposais, in Liber amicorum (Festschrift) für Bagge, 1955 S. 118; H e l m , Probleme des Rechts der beschränkten Reederhaftung nach dem Brüsseler Abkommen von 1957, ZHR Bd. 123 S. 68ff.; ders., Das Brüsseler Abkommen von 1957 über die Beschränkung der Reederhaftung und das deutsche Recht, RabelsZ 1959 S. 639. Zur Konvention von 1924 siehe insbesondere R i p e r t Bd. I I Nr 1330ff ; L e g e n d r e , La responsabilité limitée du propriétaire de navire (Convention de Bruxelles de 1924), thèse Paris 1940; H a r a l a m b i d i s , Le système de la responsabilité personelle limitée en valeur de la Convention du 25 août 1924, 1931. 1. Schon seit Ende des 19. Jahrhunderts bestanden Vereinheitlichungsbestrebungen. 1924 kam es zum Abschluß der B r ü s s e l e r K o n v e n t i o n ü b e r die b e s c h r ä n k t e R e e d e r h a f t u n g . Doch sind ihr nur wenige Staaten beigetreten: Belgien, Brasilien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Monaco, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Spanien und Ungarn. Selbst unter den Vertragsstaaten fehlt es indessen noch an einer Übereinstimmung der Rechtsordnung. Anm. 52 Die Grundgedanken des Brüsseler Übereinkommens über die Reederhaftung von 1929 sind folgende: a) Der Reeder haftet mit seinem ganzen Vermögen, aber seine Zahlungspflicht ist bei S a c h s c h ä d e n begrenzt aa) auf den W e r t b e t r a g v o n S c h i f f u n d F r a c h t einschließlich gewisser Surrogatforderungen, entsprechend dem nordamerikanischen Werthaftungssystem; bb) in den meisten Fällen von Sachschäden und Sachleistungen indessen auf höchstens 8 £ je Tonne Schiffsraum, entsprechend dem englischen Summenhaftungssystem. b) Für P e r s o n e n s c h ä d e n tritt eine Zusatzhaftung von 8 £ je Tonne hinzu, und zwar auch bei Schiffsuntergang. 66

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

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c) Der Wert des Schiffes richtet sich nach dem Z e i t p u n k t der A n k u n f t im Bestimmungshafen bzw. im nächsten Hafen. Bei vorherigem Untergang des Schiffes besteht also für Sachschäden Haftungsfreiheit, entsprechend dem deutschen Sachhaftungssystem. Es bleibt dann nur die Haftung mit der Fracht und die besondere Haftung für Personenschäden bestehen. d) Der Wert der Fracht ist einheitlich auf 10% des Schiffswertes bei Reisebeginn festgelegt. e) Der Schiffseigentümer kann den gerichtlichen Aufschub des Zugriffs eines Gläubigers auf das Landvermögen zwecks b e f r i s t e t e r V o r v o l l s t r e c k u n g in das S c h i f f s v e r m ö g e n beantragen. 2. Im Hinblick auf die geringe Zahl der Staaten, die das Abkommen über die beschränkte Anm. 53 Reederhaftung angenommen hat, hat das Comité Maritime International anfangs der fünfziger Jahre wiederum seine Aufmerksamkeit auf die beschränkte Reederhaftung gewandt und Wege zu der erstrebten Rechtsvereinheitlichung gesucht. Nachdem man zunächst um Einzelvorschläge bemüht war, hat die British Maritime Law Association im Sommer 1954 Vorschläge zu einer grundsätzlichen Reform der Konvention gemacht, die vom Comité Maritime International im September 1954 eingehend erörtert wurden. Der Seerechtskonferenz des Comité Maritime International in Madrid 1955 wurde sodann ein Konventionalentwurf über die beschränkte Reederhaftung vorgelegt, der auf der Diplomatischen Seerechtskonferenz in Brüssel 1957 beraten wurde. Dort wurde ein dem Entwurf im Grundsatz entsprechendes Abkommen gezeichnet. Vgl. R ö h r e k e und N e c k e r Hansa 1957 S. 22f.; D o v e r , in „Versicherungsrecht" 1957 S. 615. Zeichnungsstaaten sind Ägypten, Australien, Belgien, Brasilien, Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Iran, Israel, Italien, Jugoslavien, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Peru, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz und der Vatikan. Das Übereinkommen von 1957 soll an die Stelle desjenigen von 1924 treten. Es begrenzt die Haftung auf Höchstbetragssummen, für die der Reeder, wie nach dem englischen Summenhaftungssystem, mit seinem ganzen Vermögen haftet, unabhängig von dem noch vorhandenen Schiffswert. Schon in Anm. 42 wurde darauf hingewiesen, daß in Großbritannien bereits das innerstaatliche Recht dem Abkommen angeglichen wurde. Das Abkommen von 1957 hat in englischer Sprache (eine amtliche deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor; siehe die Übersetzung von Grossfeld RabelsZ 1959 S. 742) folgenden Wortlaut : International Convention Relating to the Limitation of the Liability of Owners of Sea-Going Ships Signed at Brussels on the 10th of October 1957 The High Contracting Parties, Having recognized the desirability of determining by agreement certain uniform rules relating to the limitation of the liability of owners of sea-going ships ; Have decided to conclude a Convention for this purpose, and thereto have agreed as follows : Article 1 (1) The owner of a sea-going ship may limit his liability in accordance with Article 3 of this Convention in respect of claims arising from any of the following occurrences, unless the occurrence giving rise to the claim resulted from the actual fault or privity of the owner : (a) Loss of life of, or personal injury to, any person being carried in the ship, and loss of, or damage, to any property on board the ship ; (b) Loss of life of, or personal injury to, any other person, whether on land or on water, loss of or damage to any other property or infringement of any rights caused by the act, neglect or default of any person on board the ship for whose act, neglect or 5*

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

default the owner is responsible or any person not on board the ship for whose act, neglect or default the owner is responsible: Provided however that in regard to the act, neglect or default of this last class of person, the owner shall only be entitled to limit his liability when the act, neglect or default is one which occurs in the navigation or the management of the ship or in the loading, carriage or discharge of its cargo or in the embarkation, carriage or disembarkation of its passengers; (c) Any obligation of liability imposed by any law relating to the removal of wreck and arising from or in connection with the raising, removal or destruction of any ship which is sunk, stranded or abandoned (including anything which may be on board such ship) and any obligation or liability arising out of damage caused to harbour works, basins and navigable waterways. (2) In the present Convention the expression "personal claims" means claims resulting from loss of life and personal injury; the expression "property claims" means all other claims set out in paragraph (1) of this Article. (3) An owner shall be entitled to limit his liability in the cases set out in paragraph (1) of this Article even in cases where his liability arises, without proof of negligence on the part of the owner or of persons for whose conduct he is responsible by reason of his ownership, possession, custody or control of the ship. (4) Nothing in this Article shall apply: (a) To claims for salvage or to claims for contribution in general average; (b) To claims by the Master, by members of the crew, by any servants of the owner on board the ship or by servants of the owner whose duties are connected with the ship, including the claims of their heirs, personal representatives or dependents, if under the law governing the contract of service between the owner and such servants the owner is not entitled to limit his liability in respect of such claims or if he is by such law only permitted to limit his liability to an amount greater than that provided for in Article 3 of this Convention. (5) If the owner of a ship is entitled to make a claim against a claimant arising out of the same occurrence, their respective claims shall be set off against each other and the provisions of this Convention shall only apply to the balance if any. (6) The question upon whom lies the burden of proving whether or not the occurrence giving rise to the claim resulted from the actual fault or privity of the owner shall be determined by the lex fori. (7) The act of invoking limitation of liability shall not constitute an admission of liability. Article 2 (1) The limit of liability prescribed by Article 3 of this Convention shall apply to the aggregate of personal claims and property claims which arise on any distinct occasion without regard to any claims which have arisen or may arise on any other distinct occasion. (2) When the aggregate of the claims which arise on any distinct occasion exceeds the limits of liability provided for by Article 3 the total sum representing such limits of liability may be constituted as one distinct limitation fund. (3) The fund thus constituted shall be available only for the payment of claims in respect of which limitation of liability can be invoked. (4) After the fund has been constituted, no claimant against the fund shall be entitled to exercice any right against any other assets of the shipowner in respect of his claim against the fund, if the limitation fund is actually available for the benefit of the claimant. 68

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 486

Article 3 (1) The amounts to which the owner of a ship may limit his liability under Article 1 shall be: (a) Where the occurrence has only given rise to property claims, an aggregate amount of 1000 francs for each ton of the ship's tonnage; (b) Where the occurrence has only given rise to personal claims an aggregate amount of 3.100 francs for each ton of the ship's tonnage; (c) Where the occurrence has given rise both to personal claims and property claims an aggregate amount of 3.100 francs for each ton of the ship's tonnage, of which a first portion amounting to 2.100 francs for each ton of the ship's tonnage shall be exclusively appropriated to the payment of personal claims and of which a second portion amounting to 1.000 francs for each ton of the ship's tonnage shall be appropriated to the payment of property claims: Provided however that in cases where the first portion is insufficient to pay the personal claims in full, the unpaid balance of such claims shall rank rateably with the property claims for payment against the second portion of the fund. (2) In each portion of the limitation fund the distribution among the claimants shall be made in proportion to the amounts of their established claims. (3) If before the fund is distributed the owner has paid in whole or in part any of the claim sets out in Article 1 paragraph (1), he shall pro tanto be placed in the same position in relation to the fund as the claimant whose claim he has paid, but only to the extent that the claimant whose claim he has paid would have had a right of recovery against him under the national law of the State where the fund has been constituted. (4) Where the shipowner establishes that he may at a later date be compelled to pay in whole or in part any of the claims set out in Article 1 paragraph (1) the Court or other competent authority of the State where the fund has been constituted may order that a sufficient sum shall be provisionally set aside to enable the shipowner at such later date to enforce his claim against the fund in the manner set out in the preceding paragraph. (5) For the purpose of ascertaining the limit of an owner's liability in accordance with the provisions of this Article the tonnage of a ship of less than 300 tons shall be deemed to be 300 tons. (6) The franc mentioned in this Article shall be deemed to refer to a unit consisting of sixty five and a half milligrams of gold of millesimal fineness nine hundred. The amounts mentioned in paragraph (1) of this Article shall be converted into the national currency of the State in which limitation is sought on the basis of the value of that currency by reference to the unit defined above at the date on which the shipowner shall have constituted the limitation fund, made the payment or given a guarantee which under the law of that State is equivalent to such payment. (7) For the purpose of this convention tonnage shall be calculated as follows: — In the case of steamships or other mechanically propelled ships there shall be taken the net tonnage with the addition of the amount deducted from the gross tonnage on account of engine room space for the purpose of ascertaining the net tonnage; — In the case of all other ships there shall be taken the net tonnage. Article 4 Without prejudice to the provisions of Article 3, paragraph (2) of this Convention, the rules relating to the constitution and distribution of the limitation fund, if any, and all rules of procedure shall be governed by the national law of the State in which the fund is constituted. 69

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Vierter Teil. Seehandelarecht

Article 5 (1) Whenever a shipowner is entitled to limit his liability under this Convention, and the ship or another ship or other property in the same ownership has been arrested within the jurisdiction of a Contracting State or bail or other security has been given to avoid arrest, the Court or other competent authority of such State may order the release of the ship or other property or of the security given if it is established that the shipowner has already given satisfactory bail or security in a sum equal to the full limit of his liability under this Convention and that the bail or other security so given is actually available for the benefit of the claimant in accordance with his rights. (2) Where, in circumstances mentioned in paragraph (1) of this Article, bail or other security has already been given: (a) at the port where the accident giving rise to the claim occurred; (b) at the first port of call after the accident if the accident did not occur in a port; (c) at the port of disembarkation or discharge if the claim is a personal claim or relates to damage to cargo; the Court or other competent authority shall order the release of the ship or the bail or other security given, subject to the conditions set forth in paragraph (1) of this Article. (3) The provisions of paragraphs (1) and (2) of this Article shall apply likewise if the bail or other security already given is in a sum less than the full limit of liability under this Convention: Provided that satisfactory bail or other security is given for the balance. (4) When the shipowner has given bail or other security in a sum equal to the full limit of his liability under this Convention such bail or other security shall be available for the payment of all claims arising on a distinct occasion and in respect of which the shipowner may limit his liability. (5) Questions of procedure relating to actions brought under the provisions of this Convention and also the time limit within which such actions shall be brought or prosecuted shall be decided in accordance with the national law of the Contracting State in which the action takes place. Article 6 (1) In this Convention the liability of the shipowner includes the liability of the ship herself. (2) Subject to paragraph (3) of this Article, the provisions of this Convention shall apply to the charterer, manager and operator of the ship, and to the master, members of the crew and other servants of the owner, charterer, manager or operator acting in the course of their employment, in the same way as they apply to an owner himself: Provided that the total limits of liability of the owner and all such other persons in respect of personal claims and property claims arising on a distinct occasion shall not exceed the amounts determined in accordance with Article 3 of this Convention. (3) When actions are brought against the master or against members of the crew such persons may limit their liability even if the occurrence which gives rise to the claims resulted from the actual fault or privity of one or more of such persons. If, however, the master or member of the crew is at the same time the owner, co-owner, charterer, manager or operator of the ship the provisions of this paragraph shall only apply where the act, neglect or default in question is an act, neglect or default committed by the person in question in his capacity as master or as member of the crew of the ship. 70

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 486

Article 7 This Convention shall apply whenever the owner of a ship, or any other person having by virtue of the provisions of Article 6 hereof the same rights as an owner of a ship, limits or seeks to limit his liability before the Court of a Contracting State or seeks to procure the release of a ship or other property arrested or the bail or other security given within the jurisdiction of any such State. Nevertheless, each Contracting State shall have the right to exclude wholly or partially, from the benefits of this Convention any non-Contracting State, or any person who, at the time when he seeks to limit his liability or to secure the release of a ship or other property arrested or the bail or other security in accordance with the provisions of Article 5 hereof, is not ordinarily resident in a Contracting State, or does not have his principal place of business in a Contracting State, or any ship in respect of which limitation of liability or release is sought which does not at the time specified above fly the flag of a Contracting State. Article 8 Each Contracting State reserves the right to decide what other classes of ship shall be treated in the same manner as sea-going ships for the purposes of this Convention. Article 9 This Convention shall be open for signature by the States represented at the tenth session of the Diplomatic Conference on Maritime Law. Article 10 This Convention shall be ratified and the instruments of ratification shall be deposited with the Belgian Government which shall notify through diplomatic channels all signatory and acceding States of their deposit. Article 11 (1) This Convention shall come into force six months after the date of deposit of at least ten instruments of ratification, of which at least five by States that have each a tonnage equal or superior to one million gross tons of tonnage. (2) For each signatory State which ratifies the Convention after the date of deposit of the instrument of ratification determining the coming into force such as is stipulated in paragraph (1) of this Article this Convention shall come into force six months after the deposit of their instrument of ratification. Article 12 Any State not represented at the tenth session of the Diplomatic Conference on Maritime Law may accede to this Convention. The instruments of accession shall be deposited with the Belgian Government which shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of the deposit of any such instruments. The Convention shall come into force in respect of the acceding State six months after the date of the deposit of the instrument of accession of that State, but not before the date of entry into force of the Convention as established by Article 11 (1). Article 13 Each High Contracting Party shall have the right to denounce this Convention at any time after the coming into force thereof in respect of such High Contracting Party. 71

§486

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Nevertheless, this denunciation shall only take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government which shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of such notification. A r t i c l e 14 (1) Any High Contracting Party may at the time of its ratification of or accession to this Convention or at any time thereafter declare by written notification to the Belgian Government that the Convention shall extend to any of the territories for whose international relations it is responsible. The Convention shall six months after the date of the receipt of such notification by the Belgian Government extend to the territories named therein, but not before the date of the coming into force of this Convention in respect of such High Contracting Party; (2) Any High Contracting Party which has made a declaration under paragraph (1) of this Article extending the Convention to any territory for whose international relations it is responsible may at any time thereafter declare by notification given to the Belgian Government that the Convention shall cease to extend to such territory. This denunciation shall take effect one year after the date on which notification thereof has been received by the Belgian Government; (3) The Belgian Government shall inform through diplomatic channels all signatory and acceding States of any notification received by it under this article. A r t i c l e 15 Any High Contracting Party may three years after the coming into force of this Convention in respect of such High Contracting Party or at any time thereafter request that a conference be convened in order to consider amendments to this Convention. Any High Contracting Party proposing to avail itself of this right shall notify the Belgian Government which shall convene the Conference within six months thereafter. A r t i c l e 16 In respect of the relations between States which ratify this Convention or accede to it, this Convention shall replace and abrogate the International Convention for the unification of certain rules concerning the limitation of the liability of the owners of sea-going ships, signed at Brussels, on the 25th of August 1924. In Witness whereof the Plenipotentiaries, duly authorized, have signed this Convention. Done at Brussels, this tenth day of October 1957, in the French and English languages, the two texts being equally authentic, in a single copy, which shall remain deposited in the archives of the Belgian Government, which shall issue certified copies. P R O T O C O L OF S I G N A T U R E (1) Any State, at the time of signing, ratifying or acceding to this Convention may make any of the reservations set forth in paragraph (2). No other reservations to this Convention shall be admissible. (2) The following are the only reservations admissible: (a) Reservation of the right to exclude the application of Article 1 paragraph (1) (c). (b) Reservation of the right to regulate by specific provisions of national law the system of limitation of liability to be applied to ships of less than 300 tons. 72

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§487

(c) Reservation of t h e r i g h t to give effect t o this Convention either b y giving it the force of law or b y including in t h e national legislation, in a f o r m a p p r o p r i a t e t o t h a t legislation, t h e provisions of this Convention. Von dem in c vorgesehenen zweiten Weg hat Großbritannien Gebrauch gemacht, indem es mit Wirkung vom 1. 8. 1958 den „Merchant Shipping (Liability of Shipowners and others) Act. 1958" in K r a f t gesetzt hat. Vgl. dazu oben Anm. 43.

Anm.

§ 487 Der Reeder haftet für die Forderungen der zur Schiffsbesatzung gehörenden Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff und Fracht, sondern persönlich. Der Paragraph legt in Verbindung mit § 754 Zill. 3 HGB die dinglich-persönliche Haftung Einleitg. des Reeders für Forderungen der Schiffsbesatzung aus Dienst- und Heuerverträgen (est. E r bildet, soweit er die Forderungen der vom Kapitän angenommenen Schiffsmannschaft betrifft, eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 486 Abs. 1 Nr. 1 HGB, da die Annahme der Schiffsmannschaft stets zu den gesetzlichen Befugnissen des Kapitäns gehört (§ 526 Abs. 2 HGB). Sein Inhalt entspricht modernem sozialen Empfinden (vgl. auch Prot. 1617ff.) und weicht von dem in älteren Seegesetzen vertretenen Grundsatze, daß „die Fracht die Mutter der Gage sei", d.h. daß die Zahlung der letzteren abhängig sei von der Verdienung der ersteren (vgl. noch OAG Lübeck Hamb. Rechtssachen 2, 626; über den volkswirtschaftlichen Wert dieses Grundsatzes siehe v o n D u h n ZHR Bd. 14 S. 111) ab. 1. Voraussetzung sind Forderungen der Schiffsbesatzung aus Dienst- und Heuerverträgen. a) Forderungen aus Dienst- und Heuerverträgen. Beide Ausdrücke sind gleichbedeutend (vgl. auch P a p p e n h e i m H B 2 S . 4 0 6 ; L. P e r e i s Z H R Bd.58 S. 12). Gemeint sind alle dem Besatzungsmitglied nach dem SeemG f ü r seine Dienstleistung zustehenden Forderungen. In Betracht kommt also zunächst die Heuer im Sinne des § 30 SeemG, die alle auf Grund des Heuerverhältnisses gewährtenVergütungen einschließlich desAnteils an Fracht, Gewinn oder Erlös umfaßt, sodann Heuer und Kosten f ü r die Anreise (§§ 26, 33 SeemG), die Ergänzung der Heuer bei nicht ausreichender Schiffsbesatzung (§ 38 SeemG), die Vergütung f ü r Kürzung der Verpflegung (§ 40 SeemG), f ü r nicht gewährte Unterkunft auf dem Schiff (§ 41 SeemG), der Krankenbeitrag (§ 48 SeemG), das Tagegeld bei Rückbeförderung im Krankheitsfalle (§ 49 SeemG), das Urlaubsentgelt (§ 57 SeemG), die Abgeltung f ü r den Urlaub (§ 60 SeemG), der Ersatzanspruch des Kapitäns nach § 78 Abs. 6 SeemG auf Aufwendungen f ü r Verpflegung und Unterkunft im Falle des § 555 HGB, die Vergütung f ü r Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit gemäß §§ 90,97 Abs. 5,104,140,141,138 SeemG, derAnspruch auf Rückbeförderung nach §72 Abs.2 SeemG, der auf Schadensersatz nach §70 SeemG. Dagegen gehören n i c h t hierher Forderungen, die nicht unmittelbar auf dem Heuervertrage, sondern auf besonderen Rechtstiteln beruhen, z.B. auf Erstattung nicht oben erwähnter Auslagen und Vorschüsse (z.B. verauslagte Beköstigung der Mannschaft durch den Kapitän: HansOLG HansGZ 1914 Nr. 126 = OLGRechtspr. 29, 250) : hierfür haftet der Reeder nur persönlich.

Anm. 1

b) Der Schiffsbesatzung. Über den Begriff derselben siehe § 481 HGB. Doch kommt f ü r § 487 immer nur der enge Begriff der Schiffsbesatzung, wie er sich aus § 481 HGB unmittelbar ergibt, in Betracht. Entsprechende Anwendimg des § 487 ist nicht zulässig. Vgl. auch BGHZ 26, 152.

Anm. 2

Hinsichtlich des Schiffers ist zu bemerken: aa) D e r v o m B u n d e s k o n s u l auf Grund des § 35 KonsG e i n g e s e t z t e S c h i f f e r ist nicht auf Grund eines Dienstvertrages eingesetzt: denn der Konsul handelt nicht als Vertreter des Reeders, sondern in Ausübung amtlicher Funktion. Trotzdem ist das so entstandene Dienstverhältnis analog dem durch Dienstvertrag entstandenen zu beurteilen, und wenn der Reeder nach Kenntnis der Sachlage es dabei beläßt und auch der Schiffer seine Stellung beibehält, so wird nachträglich stillschweigend ein Dienstvertrag abgeschlossen. Immerhin gehört auch ein solcher Kapitän zur Schiffsbesatzung; so daß § 487 auf jeden Fall zur Anwendung kommt.

78

§487

Vierter Teil. Seehandelsrecht

I m Falle der S u b s t i t u t i o n dagegen (§516 Abs. 2 HGB) schließt der substituierende Schiffer als Vertreter seines Reeders einen Dienstvertrag mit seinem Nachfolger ab. Auch hier greift also § 487 ein. bb) Nicht auf einem Dienst- oder Heuervertrage beruht die Tätigkeit des S c h i f f e r r e e d e r s : daher hat dieser keinen Anspruch auf Vergütung aus dem Schiffsvermögen. Der Tätigkeit des S o h i f f e r m i t r e e d e r s kann jedoch ein Dienstvertrag zugrunde liegen. Für die ihm von der Reederei zugesagte Vergütung — und zwar im Zweifel nur f ü r die den Parten seiner Mitreeder entsprechenden Quoten derselben — haftet ihm alsdann das Schiffsvermögen, außerdem die Mitreeder persönlich pro rata ihrer Parten. Anm. 3

2. Die Haftung des Reeders für die unter 1 genannten Ansprüche Ist dinglich-persönlich (Vgl. Anm. 5 zu § 486 HGB). a) Die Haftung mit Schiff und Fracht ist, wie jede unpersönliche Reederhaftung des HGB, mit Schiffsgläubigerrecht ausgestattet (§ 754 Ziff. 3 HGB). Und zwar ist das Pfandrecht dieser Art von Gläubigern nach zwei Richtungen hin ausgezeichnet: aa) Auch wegen der aus einer s p ä t e r e n Reise enstandenen Forderungen umfaßt es die Fracht der f r ü h e r e n Reisen, sofern die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst- oder Heuervertrag fallen (§ 758 HGB). bb) Die eine f r ü h e r e Reise betreffenden Forderungen genießen dasselbe Vorzugsrecht, welches den eine s p ä t e r e Reise betreffenden Forderungen zusteht, sofern die verschiedenen Reisen unter denselben Dienst- oder Heuervertrag fallen (§ 767 Abs. 3 HGB), und zwar auch dann, wenn das Besatzungsmitglied vor Antritt der letzten Reise seine Entlassung hätte fordern dürfen (RGZ 20 Nr. 41). Der Gläubiger kann den derzeitigen Reeder (bzw. Ausrüster: § 510 HGB) oder den Kapitän belangen (§ 761 Abs. 2 HGB), und zwar überall, wo sich das Schiff befindet (HansOLG HansGZ 1901, 52 = SeuffA Bd. 56 S. 287 = OLGRechtspr. 2, 292), auch im Heimathafen (§§ 488, 480 HGB). Wegen der Verjährung siehe §§ 901 ff. HGB.

Anm. 4

b) Die persönliche Klage geht nicht gegen den Kapitän (HG bzw. OG Hamburg HansGZ 1874,233,237,240; ROHG13,43; 23,199; HansOLG HansGZ 1901,52 = SeuffA Bd. 56 S. 287 = OLGRechtspr. 2,292), sondern gegen denjenigen, der bei Eingehung des Dienstverhältnisses Reeder oder Ausrüster war; ist das Schiff (vom Fall der Gesamtnachfolge abgesehen) während des Laufs des Vertrages von einem Reeder oder Ausrüster auf einen anderen übergegangen — Normalfall: Veräußerung —, so richtet sich der Anspruch, sofern nicht etwa Schuldübernahme des Erwerbers erfolgt ist, auschließlich gegen den Veräußerer ( H e r m a n n und H i r s c h , Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse des Handelsgerichts zu Hamburg, 1871, Nr. 101), nicht etwa pro rata temporis gegen Veräußerer und Erwerber, auch nicht f ü r die Zeit nach der Übereignung gesamtschuldnerisch zugleich gegen den Erwerber (so W a g n e r H B 259; B r a b a n d , Die freiwillige Veräußerung deutscher Seeschiffe, 1894, S.60; H ae r l e , Heuervertrag S. 79; AppG Marienwerder BuschsA Bd. 28 S. 292). Die Klage ist entweder am allgemeinen Gerichtsstand des gegenwärtigen oder früheren Reeders zu erheben oder, auch wenn sie sich gegen den früheren Reeder richtet (Anm. 2 zu § 488 HGB), beim Gericht des Heimathafens. Der persönliche Anspruch unterliegt nicht allgemein der kurzen Verjährung des § 901 H G B ; vielmehr ergibt sich aus § 902 nur, daß er, falls der dingliche Anspruch verjährt ist, der gleichen Verjährung unterliegt, während abgesehen davon die f ü r ihn bestehenden Verjährungsvorschriften des bürgerlichen Rechts unberührt bleiben (RGZ 36, 119). Ist also bezüglich des dinglichen Anspruchs die Verjährung unterbrochen, so ist auch, obwohl die Frist des §901 verflossen ist, der persönliche Anspruch nicht verjährt (OLG Rostock MecklZ Bd. 2 S. 274ff.); ist durch die Geltendmachung des persönlichen Anspruchs die Verjährung hinsichtlich des letzteren unterbrochen, so ist die während des Prozesses erfolgende Verjährung des dinglichen Anspruchs auf ihn ohne Einfluß (RGZ 36, 120).

Anm. 5

3. Nach § 780 H G B kann die Heuerforderung des Schiffers und der Schiffsmannschaft nicht versichert werden.

Anm. 6

4. Internationales Privatrecht. Voraussetzungen und Umfang der Haftung des Reeders aus Dienst- und Heuerverträgen mit Personen der Schiffsbesatzung richtet sich nach demjenigen Rechte, welches das Vertragsverhältnis beherrscht. Dies ist in der Regel das Recht 74

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§488

der Flagge; indessen lassen sich leicht Fälle denken, in denen dasselbe nach der Natur der Sache und dem Willen der Parteien nicht in Frage kommt, z.B. wenn der Schiffer in einem fremden Hafen einen Matrosen aushilfsweise f ü r den Hafendienst einstellt. 5. Ausländisches Recht. Vgl. f ü r das englische Recht über die Zubilligung der Haftungsbeschränkung zugunsten einer Fischdampfer-Reederei gegenüber Ersatzansprüchen der Hinterbliebenen von Besatzungsmitgliedern LL vom 13. 2. 1958 = Hansa 1958 S. 1441.

Aran. 7

§ 488 Der Reeder als solcher kann wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob er persönlich oder nur mit Schiff und Fracht haftet, vor dem Gerichte des Heimatshafens (§ 480) belangt werden. Der Paragraph legt für Klagen gegen den Reeder als solchen den besonderen Gerichtsstand des Heimathafens fest. 1. Voraussetzung ist ein A n s p r u c h g e g e n d e n R e e d e r a l s s o l c h e n . a) Ein A n s p r u c h , gleichviel ob (unbeschränkt oder beschränkt) persönlich oder unpersönlich; vgl. Anm. 3ff. zu § 486 HGB). Gleichgültig ist, ob der Anspruch im Auslande entstanden ist und sich auf ausländisches Recht gründet (ROHG 22, 90ff.).

Anm. 1

b) G e g e n d e n R e e d e r , gleichviel, wer Reeder ist (Anm. 6ff. zu § 484). Und zwar kommt in Betracht, soweit p e r s ö n l i c h e Haftung in Frage steht, diejenige Person, welche z u r Z e i t d e r B e g r ü n d u n g d e s A n s p r u c h s R e e d e r w a r , soweit es sich dagegen um u n p e r s ö n l i c h e Haftung handelt, diejenige, die z u r Z e i t d e r G e l t e n d m a c h u n g d e s A n s p r u c h s R e e d e r ist (zu eng W a g n e r H B 176). Auch der f r ü h e r e Reeder kann also als solcher persönlich vor Gericht des Heimathafens belangt werden (das HansOLG HansGZ 1890 Nr. 75 entscheidet aus konkreten t a t s ä c h l i c h e n Gründen anders; anders auch M i t t e l s t e i n H B 67). Dem Reeder gleich steht im Verhältnis zu Dritten der Ausrüster (§ 510 HGB). § 488 bezieht sich auch auf Ansprüche gegen eine Partenreederei, aber auch gegen jeden M i t r e e d e r eines Partenschiffes, der aus persönlicher Haftung in Anspruch genommen wird, sei es von einem Mitreeder, sei es von einem Dritten (§ 508 HGB).

Anm. 2

c) Gegen den Reeder als s o l c h e n , d.h. soweit er auf Grund seiner Reedereigensohaft in Anspruch genommen wird. Schulden, die er nicht in, wenn auch a n l ä ß l i c h dieser Eigenschaft gemacht hat, z.B. persönliche Darlehnsverpflichtungen, die er in der Absicht eingegangen ist, die Valuta zu Schiffszwecken zu verwenden, gehören nicht hierher, wohl aber alle Anschaffungen, die mit dem gewerblichen Betrieb in Zusammenhang stehen, wie insbesondere Beschaffung von Ausrüstung und Vorräten f ü r das Schiff, ferner Ansprüche namentlich aus §§ 485, 486, 487.

Anm. 3

2. Gerieht des Heimathafens. a) H e i m a t h a f e n . Über den Begriff s. Anm. 1 ff. zu § 480 HGB. Es kommt f ü r den Gerichtsstand nur in Betracht aa) Der g e g e n w ä r t i g e Heimathafen, d.h. derjenige, der es zur Zeit der Klagezustellung ist, also insbesondere nicht derjenige, den das Schiff zur Zeit der Begründung des Anspruchs hatte (ebenso M i t t e l s t e i n H B 67). Es ergibt sich dies aus dem Charakter des Gerichtsstandes als forum domicilii des Schiffs (unten Anm. 7). H a t das Schiff keinen Heimathafen im Bundesgebiet, so fällt der Gerichtsstand des Heimathafens fort (ebenso M i t t e l s t e i n H B 67): denn darüber, ob der ausländische Heimathafen zuständig ist, entscheidet das ausländische Prozeßrecht. bb) Bei D i f f e r e n z z w i s c h e n R e g i s t e r h a f e n u n d w i r k l i c h e m H e i m a t h a f e n d e r l e t z t e r e . Dies verstünde sich von selbst, auch wenn § 488 nicht ausdrücklich den § 480 HGB zitieren würde. Ist aber der eingetragene Heimathafen nicht der wirkliche und verläßt sich der gutgläubige Kläger auf die Registereintragung, so kommt zu seinen Gunsten zwar nicht der öffentliche Glaube des Schiffsregisters zum Tragen, der sich nicht auf die eingetragenen tatsächlichen Verhältnisse des Schiffes bezieht, wohl aber der Rechtsgrundsatz der

Anm. 4

75

§489

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Erklärungstreue. Der Reeder kann dann nach § 488 vor dem Gericht des wirklichen Heimathafens verklagt werden, nach dem Grundsatz der Erklärungstreue aber auch vor dem eingetragenen ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 64). Anm. 5

b) G e r i c h t . Die sachliche Zuständigkeit der verschiedenen Gerichte des Heimathafens bestimmt sich nach allgemeinen Regeln (vgl. ROHG 22, 90).

Anm. 6

3. Charakter des Gerichtsstandes des Heimathafens. a) Der Gerichtsstand des Heimathafens ist ein b e s o n d e r e r , aber k e i n a u s s c h l i e ß l i c h e r : er konkurriert stets mit dem allgemeinen und kann konkurrieren mit anderen besonderen Gerichtsständen des Reeders, bei unpersönlichen Ansprüchen auch mit dem des Aufenthaltsorts des Schiffs ( M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht, S. 194 und HB 67). In Betracht kommen von anderen Gerichtsständen vornehmlich noch der des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) und der der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO).

Anm. 7

b) Er ist nicht aufzufassen als Anwendungsfall des Gerichtsstandes der Niederlassung (§§ 22 ZPO); er ist vielmehr ein G e r i c h t s s t a n d v o n s e l b s t ä n d i g e r B e d e u t u n g , der sich am treffendsten mit W a g n e r H B 176 als f o r u m d o m i c i l i i des S c h i f f e s bezeichnen läßt. Zwar wird das Quasidomizil des Schiffes dadurch begründet, daß der Reeder als solcher an den Ort oder in den Bezirk des Ortes desselben den Mittelpunkt seiner geschäftlichen Tätigkeit gelegt hat; aber die Beziehung des R e e d e r s zu diesem Ort kann wegfallen, ohne daß damit das Quasidomizil des S c h i f f e s und der Gerichtsstand des § 488 sich ändern. Da demnach der letztere nicht auf die Beziehung einer Person, sondern auf derjenigen einer Sache zu einem bestimmten Orte beruht, so muß er sich ändern, wenn diese Beziehung sich ändert, und wegfallen, wenn diese Beziehung wegfällt (oben Anm. 4). In der Praxis wird der Gerichtsstand nach § 488 mit dem der Niederlassung vielfach tatsächlich zusammenfallen.

Anm. 8

4. Eine Ausnahme von dem Satze des § 488 ergibt sich aus § 39 StrandO, nach welchem die Klage auf F e s t s e t z u n g von Bergungs- und Hilfskosten ausschließlich bei den f ü r den Ort des betreffenden Strandamts zuständigen Gericht zu erheben ist. Indessen gelten für die Klage auf Z a h l u n g dieser Beträge die allgemeinen Regeln.

Anm. 9

5. Von den Reedern der Elbe und Weser wurde in Verbindung mit deutschen Seeversicherern und Bergimgsunternehmern im Jahre 1913 in Hamburg ein s t ä n d i g e s S e e s c h i e d s g e r i c h t für Ansprüche aus Schiffszusammenstößen und Rettungskosten errichtet. Vgl. M i t t e l s t e i n , HansRZ 1918, 553ff., und W ü s t e n d ö r f e r SHR 124. Vgl. die Einzelheiten in Anm. 4 zu § 744 HGB. §489 Wird von mehreren Personen ein ihnen gemeinschaftlich zustehendes Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung verwendet, so besteht eine Reederei. Der Fall, wenn das Schiff einer Handelsgesellschaft gehört, wird durch die Vorschriften über die Reederei nicht berührt. S c h r i f t t u m : W a g n e r HB186ff.; W ü s t e n d ö r f e r H B 444ff., SHR 147ff., HansRGZ 1932A 4 3 3 ; J . v . G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, S . 5 9 6 f f . ; R e h m e , Die geschichtliche Entwicklung der Haftung des Reeders, 1891, S. 22ff., 33ff., 61ff.; J o e r g e s , Die Lehre vom Miteigentum und der gesamten Hand nach deutschem Reichsrecht, ZHR Bd. 49 S. 201; B ö t t i c h e r , Die durch Reederei-Statut vinkulierte Schiffspart in der allgemeinen Gütergemeinschaft, ZHR Bd. 114 S. 91 ff. (auch in der nicht im Handel erschienenen WüstendörferFestschrift, 1949 S. 45ff.); K r a t z , Ein Gutachten des Reichsfinanzhofs über die Vermögensbesteuerung der Partenreedereien, Hansa 1937, S. 222; B o s d a s , Die Reederei nach deutschem Recht im Vergleich mit dem griechischen Recht, Diss. Leipzig 1932; H a s c h e , Haftungsfragen innerhalb der Partenreederei, Hansa 1952 S. 1344ff.; K r o n e n b e r g , Das Wesen der Reedereipart und ihre Vinkulierung, ZHR Bd. 119 S. 111 ff.; ders. Die moderne Partenreederei auf dem Wege der Angleichung an die Single-Ship-Company, Diss. Hamburg 1955; R ö h r e k e , Die Gründung der Partenreederei und ihre registerliche Ersteintragung, Hansa

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1953 S. 1035ff. und 1098ff.; R i c h e r t , Zur Frage der Umwandlung der GmbH in eine Partenreederei, MDR 1958 S. 201; K. v. L a u n , Partenreedrei, „Stille" Partenreederei und Bruchteilseigentum am Seeschiff, MDR 1953 S. 467; L i n d e n m a i e r , Die bisherige Arbeit des Seerechtausschusses der Akademie für deutsches Recht, in Jahrbuch der AkfDR 1939/40, S. 120ff.; M a n g u l i s , Das innere Verhältnis der Partenreederei, Diss. Hamburg 1949; vgl. auch S c h m i d t - R i m p l e r , Hans Wüstendörfer, ArchcivPrax. Bd. 151 S. 481ff. Internationalprivatrechtlich siehe F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, Bd. II, 1929, §48 II. Über die Partenreederei nach norwegischem Recht siehe S c h n e i d e r RabelsZ 1953 S. 93 (In Norwegen gibt es ein besonderes Gesetz über Schiffsaktiengesellschaften vom 26. 7. 1916; vgl. S c h n e i d e r a.a.O. S. 105). Siehe rechtsvergleichend im übrigen den Anhang I zu §§ 489 bis 509. I. Die §§ 489 bis 509 HGB handeln von der Reederei, die auch als P a r t e n r e e d e r e i be- Einleltg. zeichnet wird. Diese Bezeichnung ist sogar zweckmäßiger, denn im nichtjuristischen, populären Sinn wird der Ausdruck „Reederei" auch gleichbedeutend mit „Reeder" gebraucht, namentlich wenn das Schiff einer Handelsgesellschaft gehört. Dem BSchG ist die Reederei fremd. § 489 gibt eine Begriffsbestimmung der Reederei, §§ 490 bis 492 und 496 bis 506 ordnen ihre inneren Rechtsbeziehungen, §§ 493 bis 495 und 507 bis 508 diejenigen nach außen, § 509 die sog. Baureederei. Die Partenreederei war die seerechtliche Sonderform gesellschaftlich-kiemkapitalistischen See-Erwerbs vornehmlich in der Segelschiffszeit. Man zog es wegen der Risikoverteilung vor, sich mit „Parten" an mehreren Schiffen zu beteiligen, statt ein Schiff im Alleineigentum zu bereedern. Dennoch ist das Institut der Reederei auch nach dem Absterben der Segelschiffe nicht ohne Bedeutung gewesen. Sie lebte nach wie vor in der Trampschiffahrt, in der kleineren europäischen Linienschiffahrt, in der kleineren Küstenschiffahrt und in der Hochseefischerei (vgl. Reineke,Ztschr.f.Handelswiss.Forschung 1932,S. 169ff.; W ü s t e n d ö r f e r S H R 1 4 7 f f . ) . Doch erfuhr die gesetzliche Regelung der Reederei in der Rechtswirklichkeit vielfach eine starke Umbildung durch das Reedereistatut. Vornehmlich Gründe steuerrechtlicher Art haben die Partenreederei beim Wiederaufbau der Handelsflotte wieder stark in den Vordergrund treten lassen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der jetzigen deutschen Handelsflotte besteht aus Partenschiffen. An Hand der Begriffsbestimmung der Reederei in § 489 sind zunächst die einzelnen Begriffsmerkmale zu erläutern. Sodann wird ein Überblick über die Rechtsverhältnisse der Reederei gegeben, ferner ihre juristische Natur behandelt, schließlich der Vorbehalt des Abs. 2 erläutert. II. 1. Begriffsmerkmale. Die gesetzliche Begriffsbestimmung verlangt, damit eine Reederei besteht, ein m e h r e r e n P e r s o n e n g e m e i n s c h a f t l i c h z u s t e h e n d e s S c h i f f u n d Verw e n d u n g d e s s e l b e n z u m E r w e r b d u r c h die S e e f a h r t f ü r g e m e i n s c h a f t l i c h e R e c h n u n g . Es ist also erforderlich (vgl. auch das Beispiel eines Reedereivertrages in Anhang III zu §§ 489—509):

Anm. 1

a) ein Schiff, und zwar ein solches, das zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmt ist (Anm. 2 zu § 484 HGB). Das Schiff muß f e r t i g sein: doch finden gewisse für die Reederei geltende Bestimmungen auch für die Vereinigung mehrerer Personen, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefahrt zu verwenden (sog. Baureederei), modifizierte Anwendung (§ 509). Gegenstand der Partenreederei bildet stets nur ein individuelles Schiff. Haben die Mitreeder mehrere Schiffe zu Eigentum, so bestehen soviel „Reedereien" wie Schiffe in der angegebenen Art vorhanden sind. Werden zwei Partenschiffe, die den gleichen Partenreedern gehören, gemeinsam bewirtschaftet, so bestehen rechtlich zwei Partenreedereien. Es kann aber außerdem eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen den Partenreedern hinsichtlich der gemeinsamen Bewirtschaftung bestehen. Den Ankauf eines neuen Schiffes oder eines weiteren Schiffes kann eine solche Betriebsgemeinschaft nur einstimmig beschließen, da sie über den Gesellschaftszweck hinausgehen. Vgl. OLG Kiel Hansa 1934 S. 1009 = HansRGZ 1934 B 335.

Anm. 2

b) Miteigentum mehrerer am Schiff. Daß das Gesetz, wenn es von einem mehreren Personen gemeinschaftlich z u s t e h e n d e n Schiffe spricht, nur ein gemeinschaftliches E i g e n t u m

Anm. 3

77

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Anm. 4

Vierter Teil. Seehandelsrecht

im Auge hat, ergibt sich nicht nur aus dem an der Spitze des Titels stehenden Reederbegriff (Anm. 1 zu § 484 HGB), sondern auch aus den Bestimmungen der §§ 491, 500 bis 504, 507 HGB. Eine Reederei besteht somit nicht zwischen denjenigen Personen, welchen gemeinschaftlich ein dingliches Recht an einem fremden Schifile (Nießbrauch, Pfandrecht) zusteht, noch weniger zwischen dem Eigentümer und einem sonstigen dinglich Berechtigten (etwa der Ehefrau und dem nießbrauchsberechtigten Ehemann) oder gar mehreren obligatorisch berechtigten Personen (Mietern, Leihern usw.). Mehrere Ausrüster bilden auch nicht nach außen eine Reederei (Prot. 1663, 3741; W a g n e r HB 148, 191; vgl. Anm. 9 zu §511 HGB). Es kann, wie vor der Änderung des § 491 Abs. 1 HGB durch Art. 4 DVOzSchRG unbestritten war, n u r M i t e i g e n t u m m i t z a h l e n m ä ß i g f e s t s t e h e n d e n A n t e i l e n in Betracht kommen, nicht ein solches ohne bestimmte Quoten (Gesamteigentum); so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 150ff., S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 489. Deshalb sind, wenn auch Reeder, so doch nicht Mitreeder die in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten, die Erbengemeinschaft, die Gesellschafter einer offenen Handels- oder Kommanditgesellschaft (unten Anm. 30), zu deren Gesamtgut bzw. Gesellschaftsvermögen ein Kauffahrteischiff gehört ( P a p p e n h e i m HB 2 S.87, Anm. 6): ihre persönliche Haftung und ihre gegenseitigen Beziehungen richten sich nach bürgerlichem bzw. Handelsrecht, nicht nach den für die Reederei geltenden Bestimmungen. Doch ist die Auffassung, daß die Reederei auf Miteigentum mit zahlenmäßig feststehenden Anteilen aufgebaut ist, seit dem Inkrafttreten des SchRG und den mit ihm verbundenen Gesetzesänderungen lebhaft umstritten. Ausgangspunkt dieser Erörterungen ist die amtliche Begründung zum SchRG (vgl. DJ 1940 S.1329ff.) geworden, der zufolge die Schiffspart nach der Änderung des § 491 Abs. 1 HGB nicht mehr auf dem Bruchteilseigentum am Schiff aufbaue, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Anteil am Reedereivermögen sei (vgl. vornehmlich D J 1940 S. 1331). Vgl. auch K r i e g e r D J 1941 S.98 und 181ff., ferner 209ff.; D ä u b l e r DR 1941 S. 609 ff. Diese neuere Auffassung hat zwar sehr an Boden gewonnen. Doch ist eine überzeugende Begründung für sie bisher nicht gegeben worden. Vgl. als Anhänger der neueren Ansicht insbesondere auch H e i n e r i c i und G i l g a n , Schiffsregisterrecht 1942 S. 173; v. L a u n MDR 1953 S.468; L e b u h n Hansa 1951 S.758; W o l f f , Grundriß des Sachenrechts bei Schiffen und Schiffsbauwerken 1949 S.9; R ö h r e k e , Hansa 1953 S.1053; P r a u s e , Schiffskredit, Anm. zu § 2 SchRG; K r o n e n b e r g ZHR Bd. 119 S . l l l f f . (113). Zutreffend hat W ü s t e n d ö r f e r SHR 150ff. (vgl. auch im gleichen Sinne J. v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. 1958, S. 597; B ö t t i c h e r , a.a.O., S.97; M a n g u l i s , Das innere Verhältnis der Partenreederei, Diss. Hamburg 1949 S.41; neuerdings vornehmlich S c h l e g e l b e r g e r a.a.O.) daraufhingewiesen, der Wortlaut des neugefaßten § 491 Abs. 1 HGB sei neutral. In ihm sei die Rede von der „Größe der A n t e i l e der Mitreeder (Schiffsparten)". Er sage aber nicht, w o r a n die Anteile vorhanden seien; vielmehr deute der in Klammern beigefügte technische Ausdruck auf das Schiff. In § 552 sei die Rede von der Schiffspart, mit welcher der Kapitän „an dem S c h i f f e " beteiligt ist. Schließlich sei der Rechtsgedanke des Miteigentums am Schiff eine feste geschichtliche Überlieferung des europäischen Seerechts (comproprietà, copropriété, part-owners ; vgl. cod. nav. Art. 258,285 Abs. 2 ; Art. 220 c. com. ; sec. 5 Ziff. 1 MShA, 1894). Gegen W ü s t e n d ö r f e r vornehmlich auch K r o n e n b e r g a.a.O. Es sei unvollständig, wenn W ü s t e n d ö r f e r meine, § 552 spreche von einer Schiffpart, mit welcher der Kapitän „ a n dem Schiffe beteiligt ist". Tatsächlich rede § 552 HGB von der Part, mit welcher der Kapitän „ a l s M i t r e e d e r an dem Schiffe beteiligt ist". Wenn W ü s t e n d ö r f e r den durch die DVOzSchRG neugefaßten §491 Abs. 1 HGB, der von den Mitreeder-Anteilen spreche, für neutral halte, so müsse er dies auch dem § 552 HGB zugestehen, da § 552 die Beteiligung des Kapitäns nur so sehen wolle, wie sie ihm „als Mitreeder" im Sinne des neutralen § 491 Abs. 1 HGB zustehe. Der neueren Auffassung sei aber vornehmlich deswegen der Vorzug zu geben, weil sie allein die Part zu einer geeigneten Kreditunterlage mache. Mit Recht weist S c h l e g e l b e r g e r a.a.O. daraufhin, wie sich denn die Vertreter der neueren Ansicht die Rechtsstellung des von einer Bruchteilsgemeinschaft betriebenen See-Erwerbsunternehmens vorstellten, das doch ohne Zweifel zulässig sei, auf das doch aber dann die §§ 490ff. HGB keine Anwendung finden könnten, insbesondere auch das Abandonrecht des § 501 nicht. Es sei erstaunlich, wie ein großer Teil des Schrifttums die fundierte frühere 78

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Auffassung — an der festzuhalten sei — auf die unverbindliche Auslegung eines Referenten hin habe aufgeben können. Siehe auch unten Anm. 12 f. Vgl. zum Brnchteilseigentum an Seeschiffen auch L i n d e n m a i e r Hansa 1949 S. 1171. c) Verwendung zum Erwerb durch die Seefahrt für gemeinschaftliehe Rechnung. aa) V e r w e n d u n g z u m E r w e r b d u r c h die S e e f a h r t : Anm. 2 ff. zu § 484. Erbauung oder Ankauf eines Schiffs sind nur vorbereitende Handlungen für die Begründung der Reederei (Tribunal Königsberg, BuschsA Bd. 43S.84; Annalen des Reichsgerichts, Bd. 4 S. 145). Eine Verwendung zum Erwerb durch Seefahrt liegt aber bereits bei der Überführungsfahrt nach dem in Aussicht genommenen Heimathafen vor, denn es genügt die B e s t i m m u n g zum Erwerb durch Seefahrt (anders die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 5 zu § 489). bb) F ü r g e m e i n s c h a f t l i c h e R e c h n u n g . Das bedeutet aber nicht, wie W ü s t e n d ö r f e r SHR 150 meint, daß die Reederei im gemeinschaftlichen Namen, also auch nach außen als Unternehmer auftreten müsse. Da das Merkmal „für gemeinschaftliche Rechnung" ohne geäußerte Willensübereinstimmung der Miteigentümer nicht denkbar ist, ergibt sich, daß das Gesetz einen R e e d e r e i v e r t r a g (unten Anm. 8ff.) voraussetzt ( B o y e n s Bd. 1 S.242; Wagner H B 190): eine Gemeinschaft an einem Kauffahrteischiff, etwa diejenige von Miterben oder Mitvermächtnisnehmern, begründet somit an sich noch kein Reedereiverhältnis (unten Anm. 9), vielmehr regeln sich die gegenseitigen Rechtsbeziehungen und die persönliche Haftung der Teilnehmer nach bürgerlichem Recht. Liegt Willensübereinstimmung der Miteigentümer zur Verwendung des Schiffes zum Seefahrtserwerb für gemeinschaftliche Rechnung vor, so ist die Reederei die subsidiäre Rechtsgestaltung, die eintritt, wenn nicht ein anderes vertragsmäßiges Rechtsverhältnis die Eigentümer zusammenschließt (vgl. B r o d m a n n ZHR Bd. 52 S. 342). Das schließt jedoch nicht aus, daß eine ins Leben getretene Partenreederei, deren Gesellschaftsvertrag nach den Regeln des allgemeinen Rechts nichtig oder anfechtbar ist, als „faktische Partenreederei" zu behandeln ist, gemäß den Grundsätzen, die für die faktische Gesellschaft des BGB, die faktische offene Handelsgesellschaft und die faktische Kommanditgesellschaft entwickelt worden sind (vgl. für die OHG insbesondere RGZ 165, 193, BGHZ 3, 285). 2. Rechtsverhältnisse der Reederei a) Person der Mitreeder. Mitreeder können physische oder juristische Personen, aber auch Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit sein. Sie sind K a u f l e u t e , sobald f ü r die Reederei die Voraussetzungen zutreffen, die den Reeder zum Kaufmann machen (Anm. 9 zu § 484; mit Unrecht spricht ihnen unter allen Umständen die Kaufmannseigenschaft ab OLG Celle SeuffA Bd. 55 Nr. 27). Die Partenreederei als solche ist niemals Kaufmann. Anders J . v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8.Aufl. 1958 S. 597, nach dessen Ansicht auf die Partenreederei die Vorschriften über die Handelsgesellschaften zur entsprechenden Anwendung kommen müßten, wenn ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betrieben würde; wie bei der OHG sich ihre Kaufmannseigenschaft ihren Teilhabern mitteile, so ergreife auch die Vollkaufmanneigenschaft der Mitreeder die Reederei. b) Reederelvertrag ist die geäußerte Willenseinigung der quotenmäßigen Miteigentümer eines Schiffes, dasselbe für gemeinschaftliche Rechnung zum Erwerb durch die Seefahrt zu verwenden. Vorbedingung des Abschlusses ist das Miteigentumsverhältnis an einem Seeschiff. Liegt noch kein Miteigentumsverhältnis an einem solchen vor, so ist die Vereinbarung, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu bauen und zur Seefahrt zu verwenden, zunächst nur ein B a u r e e d e r e i v e r t r a g (§ 509 HGB) mit Anwendung gewisser Normen der Partenreederei. Geht die Vereinbarung auf den Ankauf eines Schiffes zu dem gleichen Zweck, so kann § 509 HGB zur entsprechenden Anwendung kommen. In solchen Verträgen spielen Finanzierungsvereinbarungen eine besondere Rolle; vgl. dazu H a s c h e Hansa 1952, 1344; R ö h r e k e Hansa 1953 S.1098. Der Baureedereivertrag kann zugleich ein aufschiebend bedingter Reedereivertrag sein, und zwar, wenn seitens eines oder mehrerer Unternehmer (Gründer) Subskriptionslisten oder Zirkulare, enthaltend den Zweck der künftigen Reederei, eine ungefähre Beschreibung des zu erbauenden oder zu erwerbenden Schiffes, Angabe der Baukosten oder des Erwerbspreises, evtl. auch der Person des in Aussicht genommenen Korrespondentreeders, in Kurs gesetzt werden und die Personen, die sich beteiligen wollen, mit Angabe der von ihnen zu übernehmenden Part unterschreiben: die Unterschrift ist verpflichtend f ü r den Fall, daß das Unternehmen zustande kommt (vgl. B u c h k a und B u d d e , Entsch. des OAG Rostock Bd. 1 S.62ff.; auch OLG Kiel SchlHolstAnz. 1912 S.212). Die Gründer dürfen nicht den 79

Anm. 5

Anm. 6

Anm. 7

Anm. 8

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Anschaffungspreis höher angeben, um sich Provisionen zuzuwenden (OLG Kiel a.a.O.). Ihre Zusage, einem Dritten nach Zustandekommen der Reederei die Kapitänsstelle gewähren zu wollen, verpflichtet sie persönlich, nicht die künftige Reederei (RG SchlHolstAnz. 1894 S. 67 ff.). Anm. 9

aa) F o r m . Aus dem Wortlaut des Gesetzes, welches nur die Tatsache der Verwendung für gemeinschaftliche Rechnung fordert, ergibt sich, daß der Vertrag an bestimmte Formen nicht gebunden ist. Der Abschluß kann also entweder schriftlich — durch sog. R e e d e r b r i e f oder R e e d e r e i s t a t u t (Prot. 1518; W ü s t e n d ö r f e r SHR 153; vgl. auch Anm. 8) — erfolgen oder mündlich oder durch konkludente Handlungen: letzteres z. B., indem ein Alleinreeder einen oder mehrere Anteile seines Schiffes veräußert (Wagner H B 190; Ausgabe von Partenbriefen: HansOLG HansGZ 1911, 223; RG LZ 1912 S. 926), oder indem die Mitglieder einer nichthandelsrechtlichen Erwerbsgesellschaft oder diejenigen einer Handelsgesellschaft, aber nicht unter der Firma der letzteren, ein Schiff erwerben, oder indem Miterben oder Mitvermächtnisnehmer das gemeinsame Schiff über den Zweck der Abwicklung und Auseinandersetzung hinaus für gemeinschaftliche Rechnung weiterverwenden ( B o y e n s Bd. 1 S.242). Der Seerechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht hatte de lege ferenda gesetzliche Schriftform vorgeschlagen; vgl. L i n d e n m a i e r , JbAkDR 1939/40, 121. Die vorstehenden Ausführungen schließen nicht aus, daß sich eine Formbedürftigkeit des Reedereivertrages aus anderen Gründen ergeben kann, z. B. wegen Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 311 oder 313 BGB. Die schuldrechtliche Verpflichtung eines Vertragspartners, ein Schiff oder ein Schiffsbauwerk einzubringen, bedarf niemals einer Form. Doch entsteht die Reederei dann erst mit der Vollziehung dieser Verpflichtung; vgl. Anm. 8 und wegen der Vollziehung §§ 2,78 SchRG, 929, 929 a BGB. E i n t r a g u n g des V e r t r a g e s in d a s H a n d e l s r e g i s t e r findet, auch wenn die Mitreeder Kaufleute sind, nicht statt. Auch in das S e e s c h i f f s r e g i s t e r wird der Vertrag als solcher nicht eingetragen. Verlautbart werden im Falle des registrierten und seeschiffsregisterpflichtigen Schiffes die Namen der sämtlichen Mitreeder, die Größe ihrer Schiffsparten in Form eines Bruchs, der Rechtsgrund für den Parterwerb und der Korrespondentreeder (§§ 11 Abs. 1 SchRO, 28 SchRV). Indessen ist von dieser Eintragung die Wirksamkeit des Reedereivertrages nicht abhängig. Anders liegt es bei derVeräußerung derSchiffspart: diese bedarf nach § 503 Abs. 1 S. 2 der Eintragung in das Schiffsregister, und zwar als materielles Wirksamkeitserfordernis. Vor Inkrafttreten der SchRO von 1940 war es in Schrifttum und Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß die Eintragung der Partenreederei zum Schiffsregister keine rechtsbegründende Wirkung habe, sie also auch ohne Eintragung ent- und bestehen könne (RGZ 74, 406; 126, 40; HansOLG HansRGZ 1929 B 179; die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 9 zu § 489; W ü s t e n d ö r f e r H B 504f.). Nach der Neuordnung des Schiffssachenrechts ist es immerhin zweifelhaft geworden, ob das noch zutreffend ist (siehe R ö h r e k e Hansa 1953 S. 1036; P r a u s e , Schiffskredit S. 29; vgl. auch S t o l d t SchlHAnz. 1950 A 205: Nach welchem Recht bestimmen sich die Beziehungen von Miteigentümern eines nicht im Seeschiffsregister eingetragenen Fischkutters zueinander?). Die Zweifel sind entstanden, weil § 503 Abs. 1 HGB für die Übertragung einer Schiffspart Einigung und Eintragung fordert, was ja die Eintragung des übertragenden Parteninhabers selbst voraussetzt. § 11 Ziff. 6 SchRO verlangt für Anmeldung eines Partenschiffes zum Schiffsregister die Angabe der Mitreeder und die Größe der Schiffsparten, § 11 Ziff. 7 ferner den Rechtsgrund für den Erwerb des Eigentums. Doch sieht andererseits § 17 Abs. 1 SchRO die Anmeldung einer Änderung dieser Rechtsverhältnisse nicht vor. Vgl. aber auch §§ 33, 58 SchRO, nach welchen das Registergericht notfalls zwangsweise einschreiten kann, wenn sich Zweifel gegen die Richtigkeit der Eigentumseintragung ergeben. Indessen weist R ö h r e k e , a.a.O., zutreffend darauf hin, daß die Bedeutung des § 33 SchRO nur öffentlich-rechtlicher Art sei und sich deshalb aus den Vorschriften der SchRO Argumente für den konstitutiven Charakter der Eintragung für die Entstehung der Partenreederei nicht herleiten ließen. Eine rechtsbegründende Wirkung der Registereintragung könnte also nur auf § 503 Abs. 1 HGB gestützt werden. Indessen hat auch dieser nur den Zweck, die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e a n d e r S c h i f f s p a r t aus flaggen- und zivilrechtlichen Gründen offenkundig zu machen. Zu Rückschlüssen auf den Gründungsakt der Reederei ist auch in ihm kein Raum (vgl. im einzelnen R ö h r e k e , a.a.O.).

Anm. 10

bb) I n h a l t . Wesentlich ist nur die Einigung über die Verwendung des gemeinsamen Schiffes zum Erwerb durch die Seefahrt. D e r V e r t r a g i s t s e i n e r N a t u r n a c h e i n

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G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g . Soweit weitere Vereinbarungen über die Rechtsverhältnisse der Mitreeder u n t e r e i n a n d e r nicht getroffen sind, tritt subsidiär (§ 490 HGB) das Gesetz ein, dessen Vorschriften aber weder hierdurch noch durch ausdrückliche Aufnahme in den Vertrag der nachträglichen Abänderung durch Mehrheitsbeschluß unbedingt entzogen werden (Anm. 4 zu § 491 HGB). Reicht zur Entscheidung einer Frage weder der Inhalt der getroffenen Vereinbarungen noch derjenige der gesetzlichen Bestimmungen aus, so entscheidet das b ü r g e r l i c h e R e c h t (ROHG 16, 382), also die V o r s c h r i f t e n ü b e r die G e s e l l s c h a f t (§§ 705 bis 740 BGB). Dagegen werden die Verhältnisse der Reederei n a c h a u ß e n vom Gesetz geregelt: nur in vereinzelten Beziehungen ist auch hier der Wille der Mitreeder von Bedeutung, z.B. für die Frage der Bestellung eines Korrespondentreeders (außer jedenfalls früher in Mecklenburg, wo dieselbe obligatorisch war: Anm. 3 zu §492) und der Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse desselben (§ 495). cc) W i r k u n g . Der Reedereivertrag wirkt nicht nur unter den Kontrahenten und ihren Anm. 11 Universalnachfolgern, sondern auch gegenüber sonstigen Rechtsnachfolgern: der Erwerber einer Schiffspart tritt ohne dahingehende Willenserklärung ipso iure in das Gesellschaftsverhältnis ein (§ 504 HGB). 3. „Reedereivermögen". Die für die Reederei bestehenden Rechtssätze ähneln teils den für Anm. 12 juristische Personen, teils den für Gesellschaften im engeren Sinne, teils sind es Normen sui generis. Es ist daher kein Wunder, daß über die rechtliche Natur des Reedereivermögens immer noch Streit besteht. Jede Personenvereinigung, auch wenn sie nicht juristische Person ist, bedarf, sobald sie vermögensrechtliche Zwecke verfolgt, eines B e t r i e b s k a p i t a l s , das sich in Verbindung mit den Verbindlichkeiten als ihr V e r m ö g e n bezeichnen läßt. Dasselbe kann einen dreifachen Charakter haben. Träger der darin enthaltenen Rechte und Verpflichtungen ist entweder, nämlich wenn die Vereinigung juristische Person ist, diese selbst, nicht die einzelnen Mitglieder. Oder sie stehen zwar den Mitgliedern zu, bilden aber nach außen und nach innen ein von deren Privatvermögen getrenntes Sondergut, bezüglich dessen Rechte und Verpflichtungen sowohl Dritten als den einzelnen Mitgliedern erwachsen können, so bei der offenen Handels- und der Kommanditgesellschaft. Oder endlich stehen sie den Mitgliedern zu, nach innen freilich ein gesellschaftliches Sondergut bildend, aber ohne nach außen als solches hervorzutreten. In die letzte Kategorie gehört das „Gesellschaftsvermögen" des § 718 BGB, das „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter" ist und in das nach § 736 ZPO nur auf Grund eines gegen alle Gesellschafter ergangenen Urteils vollstreckt werden kann; an Stelle eines auf dem Grundsatz der gesamten Hand beruhenden Gesellschaftsvermögens kann aber durch Parteivereinbarung auch ein solches mit Bruchteilsrechten begründet werden. a) Unter welche dieser Kategorien fällt das „Reedereivermögen", d. h. das Betriebskapital Anm. 13 der Reederei in Verbindung mit ihren Verbindlichkeiten? Dasselbe besteht auf der einen Seite aus dem Schiff nebst Zubehör, sonstigen für Reedereizwecke angeschafften Gegenständen, dem aus den Betriebseinnahmen und den Zubußen der Mitreeder sich bildenden Inhalt der Reedereikasse (vgl. §§ 502, 500 HGB), den ausstehenden Forderungen, die zum Schiffsvermögen gehören können oder nicht, und sonstigen Vermögensrechten, auf der anderen Seite aus den Schulden. D a s S c h i f f i s t q u o t e n m ä ß i g e s M i t e i g e n t u m der M i t r e e d e r (oben Anm. 3 und 4), ebenso das Z u b e h ö r , s o f e r n es n i c h t D r i t t e n g e h ö r t (Anm. 4 zu § 478 HGB): beides k a n n also n i c h t E i g e n t u m der R e e d e r e i als s e l b s t ä n d i g e m R e c h t s s u b j e k t sein (So wenig wie von einem Eigentum, kann von einem B e s i t z der Reederei am Schiff gesprochen werden. Daher unrichtig OG Hamburg HansGZ 1877, 415. Zutreffend OAG Rostock bei B u c h k a u . B u d d e , E n t s c h . d e s O A G R o s t o c k B d . 8 S. 134:,,...der Korrespondentreeder besitzt das Schiff für die einzelnen ihm bekannten Mitreeder). Gehört aber der Hauptbestandteil des Betriebskapitals nicht der Reederei, sondern bruchteilsweise den einzelnen Mitreedern, so kann nicht wohl das Gegenteil bezüglich der übrigen dazu gehörigen Gegenstände angenommen werden: auch die zu R e e d e r e i z w e c k e n a n g e s c h a f f t e n G e g e n s t ä n d e , der I n h a l t der R e e d e r e i k a s s e , die a u s s t e h e n d e n F o r d e r u n gen und s o n s t i g e n V e r m ö g e n s r e c h t e (soweit teilbar: sonst gilt § 432 BGB) s t e h e n also den M i t r e e d e r n pro r a t a i h r e r S c h i f f s p a r t e n zu, wenn auch vermöge gesellschaftlicher Gebundenheit über sie nur zusammen mit der Schiffspart seitens des Mitreeders 6

Schaps-Abraham, Seerecht I I

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verfügt werden kann (vgl. HansOLG HansRGZ 1929 B 179: Rechte der Parteninhaber an einer Schiffahrtslinie, insbesondere im Hinblick auf ein erhaltenes Reichsdarlehen). Der quotenmäßigen Geteiltheit der Aktiva steht als Gegenstück die der p e r s ö n l i c h e n S c h u l d e n gegenüber (§ 507 HGB). Daß für die u n p e r s ö n l i c h e n S c h u l d e n ausschließlich ein Teil des Reedereivermögens, das Schiffsvermögen, als Ganzes haftet (§ 763 HGB; vgl. P a p p e n heim H B 2 S. 229f.), beruht nicht auf dem Wesen der Reederei, sondern auf dem der unpersönlichen Haftung, für die es ohne Belang ist, ob ein Alleinreeder oder eine Mehrheit von Reedern Herr des Schiflsvermögens ist. Die Sonderstellung des Schiffsvermögens hört auf, sobald keine mit SchifEsgläubigerrecht ausgestatteten, sondern nur rein persönliche oder dinglich-persönliche Ansprüche vorhanden sind; für solche kann nicht nur in das Reedereivermögen, sondern auch in die Schiffsparten der in Anspruch genommenen Mitreeder oder in deren sonstiges Vermögen Vollstreckung gesucht werden. Doch ist dies alles sehr umstritten. Vgl. oben Anm. 4. Von den dort angegebenen Schriftstellern, die die quotenmäßige Beteiligung der Mitreeder am SchifE leugnen, wird die Reederei als Gemeinschaft zur gesamten Hand angesehen (Dagegen W ü s t e n d ö r f e r SHR 169 und die mit ihm in Anm. 4 Aufgeführten). Vgl. auch die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 37 zu § 489, die jedenfalls hinsichtlich des Landvermögens die Reederei als Gesamthandsgemeinschaft ansehen wollte (ebenso B o y e n s Bd. I S. 241). Nach D e r n b u r g , Preußisches Privatrecht, 4.Aufl., 1894 bis 1897, 2.Bd. S.667, ist die Reederei „ n i c h t G e s e l l s c h a f t , s o n d e r n M i t e i g e n t u m " . Die Begriffe Gesellschaft und Miteigentum sind aber keine Gegensätze. Vgl. G o l d s c h m i d t ZHR Bd.36 S.313). D e r n b u r g (Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, Bd. 2, 4. Aufl. 1905—1915 S.671) hat später seine Ansicht dahin abgeschwächt, „es sei allerdings das Eigentumsverhältnis nicht allein maßgebend, vielmehr träten Einrichtungen und Rechtssätze der Sozietät hinzu". Mit dieser Abschwächung aber hat D e r n b u r g seine Auffassung aufgegeben. Daß die Reederei j u r i s t i s c h e P e r s o n sei, ist nur ganz vereinzelt behauptet worden. So von L e w i s in der ersten Auflage seines Seerechts, Bd. 1 S.41. Lewis hat diese Annahme selbst in der zweiten Auflage Bd. 1 S. 63 und in Endemanns Handbuch Bd. 4 S.54 zurückgenommen. Der Meinung, daß die Reederei ein nach außen überhaupt nicht in Erscheinung tretendes Sondergut bilde, sind L e w i s Endemann Handb. 4 S. 55 und 63, G o l d s c h m i d t ZHR Bd.23 S.352, W a g n e r H B 188, 195, 215, S c h l o d t m a n n SeuffA Bd. 60 S. 238, KG SeuflA Bd. 67 S. 110 = SchlHolstAnz. 1911 S.167, wohl auch P a p p e n h e i m H B 2, S. 235 Anm. 1, B r a n d i s B d . l S.35 (siehe aber S.43), B u r c h a r d ZHR Bd.71 S.409. Diese A u f f a s s u n g d e c k t sich a b e r n i c h t m i t d e r j e n i g e n des V e r k e h r s . Rechtsprechung und Theorie neigen deshalb heute dazu, die Reederei zwar nicht als vollentwickelte Verbandsperson zu betrachten, sie aber doch über die wenigen Ansätze des Gesetzes hinaus in wichtigen Beziehungen einer solchen anzunähern. So schon die zweite Auflage des Kommentars, Anm. 14 zu § 489, und neuerdings zusammenfassend namentlich W ü s t e n d ö r f e r SHR 161 ff. Man sieht also in der Reederei zwar keine juristische Person, aber doch ein Rechtsgebilde, das, nach Art etwa der offenen Handelsgesellschaft, trotz mancher Verschiedenheiten von dieser, unter einem Kollektivnamen Rechte erwirbt und Verpflichtungen übernimmt, klagen und verklagt werden kann. In der Tat erscheint es auch künstlich und unpraktisch, daß der persönliche Gläubiger sich aus dem den Schiffsgläubigern nicht verfallenen Reedereivermögen nicht unmittelbar, sondern nur auf dem Umwege über die einzelnen Mitreeder sollte befriedigen können; mit Recht ist eine Verfügung einzelner Mitreeder über ihre Anteile an Reedereiforderungen als mit dem geordneten Betriebe einer Reederei unverträglich anzusehen. Man muß sich nur darüber im klaren sein, daß die gesetzlichen Anhaltspunkte für die heute herrschende Auffassung verhältnismäßig dürftig sind: Das Gesetz bestimmt nicht ausdrücklich wie für die offene Handelsgesellschaft (§ 124 HGB), daß die Reederei unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen oder verklagt werden kann. Doch spricht es jedenfalls von Angelegenheiten der Reederei (§§ 491, 497 HGB), von ihrem Geschäftsbetrieb (§ 493 Abs. 1 HGB), ihren Ausgaben (§ 500 HGB), von der Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und der Aufnahme von Darlehen in ihrem Namen (§ 493 Abs. 5 HGB), von ihrer Berechtigung und Verpflichtung durch Rechtsgeschäft des Korrespondentreeders (§ 494 Abs. 1 HGB), von ihrer Vertretung vor Gericht (§ 493 Abs. 3 HGB), von den Ansprüchen einzelner Mitreeder an sie (§ 502 Abs. 3 HGB), endlich davon, daß das Schiff „einer Reederei 82

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gehört" (§ 763 HGB). S i c h e r l i c h i s t in a l l e n d i e s e n F ä l l e n d a s W o r t „ R e e d e r e i " e i n e z u s a m m e n f a s s e n d e B e z e i c h n u n g f ü r d i e S u m m e d e r M i t r e e d e r , die zwar nicht als selbständiges Rechtssubjekt, aber wie ein solches nach außen hervortritt. Die Reederei t u t dies, zwar nicht, wie die offene Handelsgesellschaft, unter einer Firma, aber doch unter einem firmenähnlichen Kollektivnamen, der üblicherweise den Namen des Schiffes enthält (RGZ 82, 132). In diesem Sinne muß von einer Vermögensfähigkeit der Reederei gesprochen werden. Vgl. vor allem HansOLG HansGZ 1911 Nr. 76 = OLGRechtspr 23, 91 = Hansa 1911, S. 387. Die Reederei ist also ein Rechtsverhältnis, welches von zwei Elementen zugleich beherrscht wird, dem Gesellschaftsverhältnis (oben Anm. 6, 8 ff.) und dem Miteigentumsverhältnis (oben Anm. 311.) seiner Teilnehmer (Prot. 1518). Beide sind durcheinander bedingt und voneinander beeinflußt: m a n k a n n d e s h a l b s o w o h l v o n e i n e m m i t e i n e m G e s e l l s c h a f t s v e r h ä l t n i s v e r k n ü p f t e n M i t e i g e n t u m als von einer d u r c h M i t e i g e n t u m b e d i n g t e n G e s e l l s c h a f t b e s o n d e r e r A r t r e d e n (vgl. RGZ 71, 27: „eine auf dem Miteigentum am Schiff beruhende Erwerbsgesellschaft nach bürgerlichem R e c h t " ; Pappenheim H B 2 S. 88: „ein auf sachenrechtlicher Gemeinschaft ruhendes Gesellschaftsverhältnis"). Dabei ist es übersichtlicher und praktischer, das Gesellschaftsverhältnis in den Vordergrund zu stellen und die Reederei als eine Erwcrbsgesellschaft eigener Art zu bezeichnen (vgl. auch G o l d s c h m i d t Z H R Bd. 23, S. 352). Siehe auch S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 491 HGB. b) Hieraus ergeben sich nachstehende Folgerungen: Anm. 14 aa) Die Reederei ist parteifällig im formellen Sinne. Zwar fehlt ihr die m a t e r i e l l e Parteifähigkeit: denn wenn sie auch, ohne Widerspruch zum Gesetz, im Verkehr auftritt, als wäre sie selbst Subjekt der zum Reedereivermögen gehörigen Rechte und Verbindlichkeiten, so sind doch deren Träger materiell die Mitreeder pro r a t a ihrer Parten (oben Anm. 13). Aber sie ist, wie die offene Handelsgesellschaft, f o r m e l l p a r t e i f ä h i g in rechtsähnlicher Anwendung von §§ 50 Abs. 2, 735 ZPO, d. h. sie k a n n i m e i g e n e n N a m e n k l a g e n u n d v e r k l a g t w e r d e n . Das wurde zwar f ü r die aktive Parteifähigkeit und f ü r die passive bezüglich der d i n g l i c h e n H a f t u n g durchweg immer angenommen, seit der Entscheidung des HansOLG HansGZ 1911 Nr. 76 = OLGRechtspr. 23, 91 = Hansa 1911 S. 387, der das Reichsgericht in einer Entscheidung vom 31. 3. 1944 — I 20/43 — zustimmte, aber auch hinsichtlich der p e r s ö n l i c h e n H a f t u n g (vgl. W ü s t e n d ö r f e r S H R 163). Auch das Gesetz erkennt das an, wenn es in § 493 Abs. 3 von der Befugnis des Korrespondentreeders, die Reederei vor Gericht zu vertreten, spricht (RGZ 71, 77; 82, 132): daß ein Korrespondentreeder, außer nach mecklenburgischem Recht, gar nicht vorhanden zu sein braucht, steht nicht entgegen; in diesem Falle muß eben, vom Falle der Klageerhebung gegen den Schiffer (§761 Abs. 2 HGB) abgesehen, die Klage den sämtlichen Mitreedern zugestellt werden (vgl. RGZ 1, 298), ohne daß damit an der Parteirolle der Reederei etwas geändert wird. Und es muß s e l b s t f ü r d e n F a l l anerkannt werden, daß d i e R e e d e r e i R e c h t e g e g e n e i n z e l n e M i t r e e d e r (§ 500 HGB) o d e r d a ß d i e s e Rechte gegen sie (§ 502) geltend machen. Die heutige Auffassung ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung in J u d i k a t u r und Schrifttum. Noch zögernd hält ROHG 7, 147 die Bezeichnung „der Reederei" als Klägerin f ü r ausreichend, da der Gegner ein besonderes Interesse an der Bezeichnung der einzelnen Mitglieder nicht behauptet habe; R O H G 8, 342 meint sogar, daß „an sich" in Angelegenheiten der Reederei alle einzelnen Mitreeder klagen und verklagt werden müßten, macht aber eine Ausnahme f ü r den Fall der Vertretung durch den Korrespondentreeder. Aus der Rechtsprechung sind f ü r die Bejahung der Parteifähigkeit der Reederei noch zu erwähnen: OLG Rostock MecklZ Bd. 13 S. 2; HansOLG HansGZ 1911, 170 = OLGRechtspr. 2 3 , 9 1 = Hansa 1911 S. 387; HansGZ 1911 Nr. 101; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1912 S.212; RGZ 42, 70; 71, 27; 82, 132; R G LZ 1912, 926 = HansGZ 1912, 251 = Hansa 1912 S.851; R G Recht 1919 Nr. 1570; anders K G SeuffA Bd. 67 S.110 = SchlHolstAnz. 1911 S.167. I m Schrifttum wird die Parteifähigkeit der Reederei f ü r alle Fälle anerkannt von W ü s t e n d ö r f e r S H R 163, O t t o v. G i e r k e , Genossenschaftstheorie S. 360; J u l i u s v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. S.577; B o y e n s Z H R Bd. 61S. 262; F r a n c k e , ArchcivPrax. Bd. 114 S. 353; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §491. Andere nehmen Parteifähigkeit nur f ü r Passivprozesse an, soweit Vertretung durch den Korrespondentreeder erfolgt ( M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht 1 9 2 ; J o e r g e s Z H R Bd.49 S.204) oder soweit die H a f t u n g mit dem

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Anm. 19

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Schiiisvermögen in Anspruch genommen wird. Verneint wird sie von G o l d s c h m i d t ZHR Bd.23 S.352; L e w i s Endemann Handb.4 S.63 u. 66 (der aber bei der Vertretung durch den Korrespondentreeder die Bezeichnung der einzelnen Mitglieder nicht für erforderlieh hält; ebenso L e o , Deutsches Seehandelsrecht, 1902 S. 12; P a p p e n h e i m H B 2 S . 2 3 5 ; B r a n d i s Bd. 1 S. 35 und 37; W a l t e r , Der Korrespondentreeder, Diss. Leipzig 1903 S. 2 und S o n n e n k a l b , Geschichte und rechtliche Stellung des Korrespondentreeders, Diss. Leipzig 1909 S. 62). D i e h e u t e n a h e z u f a s t e i n h e l l i g v e r t r e t e n e A u f f a s s u n g f ü h r t zu k e i n e r l e i p r a k t i s c h e n U n z u t r ä g l i c h k e i t e n . Wird eine Schiffsschuld geltend gemacht, so hat niemand Interesse an der Benennung der Mitreeder, ebenso wenn die Reederei lediglich Klägerin ist. Wie aber bei der Geltendmachung persönlicher Ansprüche gegen die Reederei? Wer (wie die l.Aufl. dieses Kommentars S.96) lediglich die einzelnen Mitreeder bruchteilsweise für haftbar hält, muß, wenn zwischen der Entstehung des Anspruchs und Klageerhebung Schiffsparten den Eigentümer gewechselt haben, einen Widerspruch darin sehen, daß gegen die Gesamtheit der n e u e n Mitreeder geklagt wird, während nur die a l t e n die Schuldner sind. Aber diese Voraussetzung trifft nicht zu. Das Gesetz sagt, daß die Mitreeder als solche, wenn i h r e p e r s ö n l i c h e H a f t u n g e i n t r i t t , nur nach dem Verhältnis der Größe ihrer Schiffsparten haften (§ 507 H G B ) ; es sagt aber nirgends, daß sie es a l l e i n sind, die den persönlichen Gläubigern haften. Neben ihnen haftet das Reedereivermögen, soweit es nicht Schiffsgläubigern verfallen ist, also auch ihr Landvermögen, denn die Reederei selbst ist verpflichtet (§ 494 HGB). Diese aber ist in ihrem Fortbestand von einer Änderung in den Personen der Mitreeder unabhängig (§ 505 HGB). Für die Haftung mit jenem Reedereivermögen ist es deshalb gleichgültig, ob die Mitreeder noch dieselben sind wie zur Zeit der Begründung der Schuld: mit dem Eigentumsanteil am Schiff ist auch der entsprechende Anteil an den übrigen zum Reedereivermögen gehörigen Aktiven auf den Erwerber übergegangen, und zwar nebst der Haftung für die darauf lastenden Reedereischulden. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften die Partenerwerber nicht: in den persönlichen Verpflichtungen der Veräußerer gegen Dritte wird nichts geändert (§ 477 HGB). Vgl. auch L e b u h n Hansa 1951 S. 758. Aus vorstehendem ergibt sich, daß e i n g e g e n die R e e d e r e i w e g e n p e r s ö n l i c h e r A n s p r ü c h e e r g a n g e n e s U r t e i l g e g e n d a s o b i g e V e r m ö g e n d e r R e e d e r e i zu v o l l s t r e c k e n i s t (vgl. § 124 Abs. 2 HGB). Die Heranziehung des § 735 ZPO ( J o e r g e s ZHR Bd.49 S.204; W ü s t e n d ö r f e r S H R 163; HansOLG HansGZ 1911, 172 = OLGRechtspr.23, 93) zur Stützung dieses Ergebnisses kann nur in entsprechender Anwendung erfolgen, weil die Reederei kein nichtrechtsfähiger Verein ist. § 736 ZPO (vgl. W a l t e r , Der Korrespondentreeder S. 42) kommt nicht in Betracht, weil die Reederei keine nach § 705 B G B , sondern eine nach dem H G B eingegangene Gesellschaft ist. Nichtsdestoweniger ist Vollstreckung ins Landvermögen der Reederei auch zulässig, wenn sich das Urteil gegen sämtliche Mitreeder richtet ( J o e r g e s ZHR Bd. 49 S.202 Note 187), aber nur gegen alle zur Zeit der Vollstreckung vorhandenen. In Prozessen der Reederei können die M i t r e e d e r n i c h t a l s Z e u g e n vernommen werden (RGZ 82, 133). Dagegen sind sie es, die die P a r t e i e i d e zu leisten haben. RGZ 82, 132 will diese durch den Korrespondentreeder geleistet sehen, analog einem vertretungsberechtigten Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft. Aber der Korrespondentreeder braucht nicht Mitreeder zu sein, und vor allem, er kann ganz fehlen. bb) Die Reederei ist konkursialiig. Ist das Reedereivermögen ein nach außen hervortretendes Sondergut mit Sonderhaftung, so liegt kein Grund vor, die Möglichkeit eines selbständigen Konkursverfahrens über dasselbe zu leugnen, wie solches für das Gesellschaftsvermögen der offenen Handelsgesellschaft in § 209 KO vorgesehen ist. Ho mit guter Begründung J o e r g e s ZHR Bd.49 S.207, der sich aber auf § 213 KO stützt; W ü s t e n d ö r f e r S H R 164; J . von Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl. S.597; S c h l e g e l b e r g e r , Anm. 1 zu § 491. Auch der Seerechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht trat für Konkursfähigkeit ein, vgl. L i n d e n m a i e r in Jahrb. AkDR 1939/40 S. 121. A.A. z . B . K e y s s n e r ZHR Bd. 43 S.456; B u r c h a r d t ZHR Bd. 71 S.409. DieZwangsversteigerung des Schiffes kann, falls sie nicht bereits anderweitig betrieben wird, durch den Konkursverwalter betrieben werden (§ 126 KO). cc) Geltendmachung von Reedereiforderungen und Reedereischulden. Auszugehen ist davon, daß berechtigt und verpflichtet nur die einzelnen Mitreeder pro rata ihrer Schiffspart sind, daß sie aber nach außen als Gemeinschaft unter dem Namen der Reederei auftreten; daß sie auf Grund gesellschaftlicher Gebundenheit (§ 502 H G B ; § 719 B G B ) über Aktivbestandteile

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des Reedereivermögens nicht anteilsweise verfügen können (so auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 159; anders L e w i s Endemann Handb. Bd. 4 S. 55); daß f ü r unpersönliche Schulden nur die Reederei mit dem Schiffsvermögen, f ü r persönliche die Reederei mit dem Landvermögen und dem Schiffsvermögen unter Vorrang der Schiffsgläubiger, daneben aber bruchteilsweise die verpflichteten Mitreeder mit ihrem gesamten Vermögen haften. Vgl. auch HansOLG HansRGZ 1928 B 211. aaa) R e e d e r e i f o r d e r u n g e n , gleichviel ob zum Schiffsvermögen gehörig oder nicht, Anm. 20 können nur von der Reederei geltend gemacht werden, nicht von den einzelnen zur Zeit ihrer Entstehung vorhanden gewesenen oder den jetzigen Mitreedern in Höhe ihrer Quoten (Anm. 19). Der Schuldner kann nur aufrechnen mit Gegenforderungen gegen die Reederei, gleichviel wie diese bei der Entstehung der Schuld zusammengesetzt war, und zwar mit persönlichen Gegenforderungen stets, mit unpersönlichen nur, wenn der gegen ihn geltend gemachte Anspruch zum Schiffsvermögen gehört (Näheres Anm. zu § 754); dagegen ist u n z u l ä s s i g die Aufrechnung mit Privatforderungen gegen einzelne Mitreeder (§ 719 Abs. 2 BGB). bbb) P e r s ö n l i c h e R e e d e r e i s c h u l d e n können geltend gemacht werden sowohl gegen Anm. 21 die Reederei, die mit dem Landvermögen haftet, mit dem Schiffsvermögen nur unter Vorrang aller Schiffsgläubiger ( W ü s t e n d ö r f e r H B 326 Ziff. 3, 471 und SHR 162; oben Anm. 15; über die Vollstreckung s. Anm. 16) — nicht „gegen die Majorität" (so W a g n e r 215): denn die Beschlußfassung innerhalb der Reederei geht den Gläubiger nichts an — wie pro r a t a gegen jeden, der zur Zeit der Entstehung der Schuld Mitreeder war (§§ 507, 477). Vgl. J o e r g e s Z H R Bd. 49 S. 203. Aufrechnen kann im ersten Falle die Reederei mit ihr zustehenden Gegenforderungen jeder Art, im zweiten Fall jeder in Anspruch genommene gegenwärtige oder frühere Mitreeder. Gegen P r i v a t f o r d e r u n g e n e i n e s R e e d e r e i s c h u l d n e r s kann der in Anspruch genommene Mitreeder nicht die seiner P a r t entsprechende Quote einer Reedereiforderung, sondern nur private Gegenforderungen zur Aufrechnung bringen. Gegen P r i v a t f o r d e r u n g e n e i n e s M i t r e e d e r s kann der Reedereigläubiger die der P a r t des Mitreeders entsprechende Quote seiner persönlichen oder dinglich-persönlichen Forderung aufrechnen, falls sein Gegner zur Zeit der Entstehung dieser Forderung Mitreeder war. Dagegen nicht seine unpersönlichen Ansprüche, weil er f ü r diese eine Befriedigung aus dem Landvermögen seines Gegners nicht verlangen kann. Ist ein Darlehen aufgenommen worden, das durch eine Schiffshypothek gesichert ist, so ist hinsichtlich der schuldrechtlichen Verpflichtung zu unterscheiden, ob Darlehnsschuldner die Partenreederei im ganzen oder nur ein bestimmter Mitreeder allein ist. Ist derjenige Mitreeder, der den Kredit selbst aufgenommen hat, zur Rückzahlung nicht in der Lage, und wird sodann das Schiff versteigert, so entsteht im Innenverhältnis der Mitreeder eine komplizierte und schwer lösbare Situation. Vgl. dazu H a s c h e Hansa 1952 S. 1344. Vgl. B G H Hansa 1950 S. 1820 über die Voraussetzungen der Mithaftung der Gesellschafter f ü r aufgenommene Kredite. F ü r V e r b i n d l i c h k e i t e n , f ü r die n u r d i n g l i c h m i t S c h i f f u n d F r a c h t geh a f t e t w i r d , sind die Mitreeder Gesamtschuldner. Die Klage wird dann üblicherweise gegen die Partenreederei oder den Schiffer als ihren Vertreter (§ 761 Abs. 2 HGB) gerichtet. Die Inanspruchnahme eines einzelnen Mitreeders, sei es auf das Ganze oder auf eine Quote der Forderung würde, da dem Mitreeder nicht das ganze Schiffsvermögen, sondern nur seine Schiffspart gehört, nur die Verhaftung der letzteren rechtfertigen, was sich mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schiffsvermögens gegenüber den Schiffsgläubigern (§ 763 HGB) nicht vertrüge. Vgl. auch HansOLG HansRGZ 1928 B Sp. 211. Aufgerechnet werden kann nur mit Reedereiforderungen (auch wenn sie nicht zum Schiffsvermögen gehören: denn Schiffsschulden können auch aus dem Landvermögen bezahlt werden), nicht mit Privatforderungen der Mitreeder. Zur Vollstreckung bedarf es auch hier nicht eines gegen alle Mitreeder ergangenen Urteils. Doch wird man den Tenor eines gegen sämtliche gegenwärtigen Mitreeder ergangenen Urteils als gegen die Reederei ergangen auszulegen haben. I m HansOLG HansGZ 1917, 276 = HansRZ 1, 199 = SeuffA Bd. 72 S. 372 h a t t e ein Miteigentümer wegen eines seinem Schiffe durch den gemeinschaftlichen Dampfer (Binnenschiff) zugefügten Schadens gegen seinen Miteigentümer auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Dampfer geklagt. Der Standpunkt des Beklagten, der Kläger dürfe nur wegen des halben Schadens Vollstreckung in den gemeinschaftlichen Dampfer begehren, wurde mit Recht verworfen. D a es sich um ein Binnenschiff handelt, konnte kaum anders als geschehen geklagt werden, weil das Binnen85

§489

A m 22

Anm. 23

Anm. 24

Anm. 25

Vierter Teil. Seehandelsreoht

schiffahrtsrecht eine Reederei nicht kennt. H ä t t e aber eine Reederei des Seerechts vorgelegen, so hätte der Mitreeder seine Klage gegen die Reederei richten müssen. Bei u n b e s c h r ä n k t - p e r s ö n l i c h e r H a f t u n g haftet jeder Mitreeder persönlich primär mit seinem ganzen Vermögen f ü r den Teil der Schuld, der dem Verhältnis der Größe seiner Schiffspart entspricht, also nur pro rata, nicht gesamtschuldnerisch; § 507 Abs. 1 HGB. Bei b e s c h r ä n k t - p e r s ö n l i c h e r H a f t u n g (§ 774 HGB) dagegen sind die Mitreeder als Gesamtschuldner anzusehen, weil es sich hier um die im Gläubigerinteresse erfolgte Ergänzung der dinglichen Haftung handelt (HansOLG HansRGZ 1928 B Nr. 86 Sp. 215; W ü s t e n d ö r f e r H B 375 und SHR 162). Bestr.; vgl. im einzelnen Anm. 2 zu § 507. c) Die Reederei ist Erwerbsgesellschaft: Ihr Zweck ist Erwerb durch die Seefahrt. Sie ist nicht, wie ROHG 16, 382 annahm, Gelegenheitsgesellschaft: denn es dürften so gut wie stets nicht einzelne Geschäfte, sondern ein Gewerbebetrieb beabsichtigt sein. Sie ist aber eine Erwerbsgesellschaft besonderer Art. Das zeigt sich in folgendem: aa) D i e M i t g l i e d s c h a f t i s t g e k n ü p f t a n d a s E i g e n t u m a n e i n e r o d e r m e h r e r e n S c h i f f s p a r t e n : wer dasselbe erwirbt, ist Gesellschafter, wer es verliert, hört auf, Gesellschafter zu sein (§§ 503ff. HGB). bb) Ä n d e r u n g d e s P e r s o n e n b e s t a n d e s , T o d , K o n k u r s o d e r s o n s t i g e r D i s p o s i t i o n s v e r l u s t e i n z e l n e r M i t g l i e d e r s i n d a u f d e n B e s t a n d der Reederei ohne Einfluß. Trotzdem würde es zu weit gehen, sie als „reine Kapitalsgesellschaft" zu bezeichnen: die Persönlichkeit des Erwerbers einer Schiffspart ist dann nicht gleichgültig, wenn derselbe nicht deutscher Nationalität ist (§ 503 Abs. 2). cc) A u f k ü n d i g u n g seitens eines Mitreeders und A u s s c h l i e ß u n g eines solchen f i n d e t n i c h t s t a t t (§ 505 Abs. 3). dd) Es existiert zwar k e i n e G e s e l l s c h a f t s f i r m a , aber ein Kollektivname, unter dem die zu einerEinheit verbundeneSumme derMitreeder handelnd auftritt, klagt und verklagt wird. ee) In den Angelegenheiten der Reederei entscheidet, von Ausnahmen abgesehen, der M e h r h e i t s w i l l e (§ 491): die Reederei ist ein sog. M e h r h e i t s v e r b a n d , was, wie § 709 Abs. 2 BGB zeigt, mit ihrer Gesellschaftsnatur nicht unverträglich ist. d) Schiffsparten. D e r A u s d r u c k w i r d in d o p p e l t e m S i n n e g e b r a u c h t . I m e n g e r e n Sinne ist Schiffspart ein i d e e l l e r M i t e i g e n t u m s a n t e i l a m S c h i f f , im w e i t e r e n Sinne versteht man darunter außer jenem Anteil einen mit demselben verknüpften Komplex von Rechten und Verpflichtungen, und zwar nicht nur solchen aus dem Gesellschaftsverhältnis (so RGZ 14, 15), sondern auch solchen gegen Dritte, den A n t e i l a m R e e d e r e i v e r m ö g e n ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 150). Vgl. oben Anm. 4, 13 über die gegenteiligen Meinungen, nach welchen die Part nur ein rein gesellschaftlicher Anteil am gesamten Reedereivermögen, zu dem das Schiff gehört, ist. aa) Zur Schiffspart im weiteren Sinne gehören aaa) D e r M i t e i g e n t u m s a n t e i l a m S c h i f f e nebst den vermöge Pfandrechts am Schiffe oder solchem nur an der P a r t (§§ 8, 24 SchRG, 503 Abs. 3 HGB) darauf ruhenden dinglichen Belastungen. Die Eigentumsquote am Schiff bildet immer noch den Hauptbestandteil der Schiffspart (vgl. aber oben Anm. 4, 13). bbb) D e r A n t e i l a n d e n s o n s t i g e n B e s t a n d t e i l e n d e s R e e d e r e i v e r m ö g e n s (Anm. 13). ccc) G e w i s s e R e c h t e u n d V e r b i n d l i c h k e i t e n a u s d e m G e s e l l s c h a f t s v e r h ä l t n i s : so das Recht der Teilnahme an der Beschlußfassung der Reederei (wo solches nicht f ü r die betreffende P a r t vertragsmäßig ausgeschlossen ist), die Teilnahme am Gewinn und Verlust (zu scheiden von konkret fällig gewordenen Gewinn ansprächen und Verlustzahlungsverpflichtungen erledigter Reisen), das Recht auf Kontrolle des Korrespondentreeders (§ 498 HGB), das Abandonrecht des § 501 HGB, die Zubußenpflicht schlechthin (zu scheiden von der Verpflichtung zur Zahlung einer beschlossenen Zubuße). bb) Die Zahl der Miteigentumsanteile ist gleichgültig. Sie kann im Gegensatz zum englischen Recht, wo sie gesetzlich festgelegt ist (64 shares: Merchant Shipping Act 1894 sect 5 Nr. 1), von den Eigentümern beliebig festgesetzt werden (RGZ 42, 71); ihre Veränderung durch Teilung oder Zusammenlegung ist nicht ausgeschlossen. Es kommt vor, daß die Schiffs86

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§490

parten außerordentlich klein genommen werden, vgl. z. B. RGZ 82, 132: 243 Mitreeder. Vielfach erhält jeder Mitreeder ein Schriftstück, P a r t e n b r i e f oder E i g e n t u m s a k t e genannt, ausgehändigt, in dem er als Miteigentümer zu einem ideellen Anteil anerkannt wird ( B u c h k a u. B u d d e , Entsch. des OAG Rostock Bd. 3, S. 126). Es hat die Bedeutung einer Beweisurkunde ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 153). Bei der Veräußerung der P a r t erfolgt, wenn dies auch zu deren Gültigkeit nicht erforderlich ist (§ 503 Abs. 3 HGB), Übergabe der Akte mit Abtretungsvermerk ( B u c h k a u. B u d d e a.a.O., Bd. 8 S. 133) oder Indossament (OLG Rostock MecklZ Bd. I I I S. 103ff.); selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht um ein Indossament im technischen Sinne. cc) Die Zwangsvollstreckung in Schiftsparten e i n g e t r a g e n e r S c h i f f e regelt § 858 ZPO idF des Art. 5 Ziff. 11 DVOSchRG i. Verb, mit § 857 ZPO. Es gilt überwiegend Fahrnisrecht, jedoch mit liegenschaftsrechtlichem Einschlag: Pfändungsbeschluß des Vollstreckungsgerichts (Gericht des Registerhafens). Die Pfändung bedarf jedoch der auf Grund des Pfändungsbeschlusses erfolgenden Eintragung ins Schiffsregister; sodann erfolgt die Verwertung der gepfändeten Part durch Veräußerung, die das Gericht auf Antrag anordnet und die in der Regel der Gerichtsvollzieher durchführt. e) Vertretung nach außen. Ein notwendiges Vertretungsorgan hat die Reederei bundesrechtlich nicht: die Bestellung eines K o r r e s p o n d e n t r e e d e r a ist fakultativ (§492), nur nach mecklenburgischem Recht war sie obligatorisch (Anm. 3 zu § 492). Der Korrespondentreeder hat eine Vollmacht mit gesetzlich festgelegtem, aber modifizierbarem Inhalt (§§493ff.). Woein Korrespondentreeder nicht bestellt ist, werden die Mitreeder, wenn sie nicht a l l e handelnd auftreten, vertreten entweder durch den Schiffer — soweit dessen Vollmacht reicht — oder durch ihre Majorität (Partenmehrheit) (HG Hamburg HansGZ 1868 Nr. 52). f) Reedereibeschlüsse. Entscheidend ist in der Regel Partenmehrheit, welche zugleich mehr als die Hälfte s ä m t l i c h e r SchifEsparten darstellen muß (§ 491 Abs. 1): unter Umständen ist Einstimmigkeit vorgeschrieben (Anm. 3ff. zu § 491 HGB). g) Endigung der Reederei. Diesselbe tritt n i c h t ein durch Änderung des Personenbestandes, Tod, Konkurs einzelner Mitreeder, Aufkündigung (§ 505 HGB), dagegen durch Auflösung (§ 506 HGB), Aufgabe sämtlicher Parten, Vereinigung derselben in einer Hand, Totalverlust des Schiffes, dauernde NichtVerwendung des Schiffes zum Seefahrtserwerb, Reedereikonkurs. 3. Der Vorbehalt des Abs. 2: der Fall, daß das Sehiff einer Handelsgesellschaft gehört, wird durch die Restimmungen über die Reederei nieht berührt. Ist eine Handelsgesellschaft, insbesondere OHG, KG, AG, KGaA oder GmbH, Eigentümerin eines ihr zum Erwerb durch Seefahrt dienenden Schiffes, so ist sie zwar Reeder nach § 484 HGB, im rechtlichen Sinne aber nicht Reederei (nach § 489). Vgl. zu der Frage, ob eine Partenreederei oder eine Kommanditgesellschaft vorliegt. HansOLG HansRGZ 1932 B 387 und RG HansRGZ 1932 B 781 sowie 1935 B 167. Mitreeder nach §489 können indessen auch s o l c h e P e r s o n e n s e i n , die m i t e i n a n d e r e i n e H a n d e l s g e s e l l s c h a f t b i l d e n (Prot. 3714). Sie sind es aber nur dann und nur so lange, als die Schiflsparten zu ihrem Privatvermögen gehören. Ist oder wird die Gesellschaft Eigentümerin des Schiffes, d.h. hat sie das Eigentum daran u n t e r i h r e r F i r m a erworben (§§ 124, 161 Abs. 2 HGB; vgl. auch §§ 1, 48 Abs. 1 AktG; § 17 GenG; § 13 GmbHG), so liegt keine Reederei mehr vor: die Gesellschaft ist Einzelreeder und die Haftung ihrer Teilnehmer richtet sich nach dem Recht der Handelsgesellschaften. Das heißt: bei unpersönlicher Haftung kommt nur das Schiffsvermögen in Betracht, bei persönlicher Haftung das Landvermögen und, soweit dies nach dem Rechte der Handelsgesellschaften der Fall ist, das Privatvermögen der Gesellschafter ( W a g n e r H B 187fE.). D e r F a l l , d a ß e i n e H a n d e l s g e s e l l s c h a f t M i t r e e d e r i n i s t , bietet keine Besonderheiten. § 490 Das Rechtsverhältnis der Mitreeder untereinander bestimmt sich zunächst nach dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrage. Soweit eine Vereinbarung nicht getroffen ist, finden die nachstehenden Vorschriften Anwendung. 1. Die gesetzlichen Restimmungen über die Rechtsverhältnisse der Mitreeder nach innen sind subsidiär. Es gilt also in erster Linie der Inhalt des Reedereivertrages (Anm. 8 zu § 489

87

Anm. 26

Anm. 27

Anm. 28

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Anm. 30

Anm. 1

§ 491

Vierter Teil. Seehandelsrecht

HGB), der auch f ü r Erwerber von Schiflsparten bindend ist (§ 504 Abs. 3 HGB), in zweiter Reihe das Gesetz (§§ 491, 492, 496—506 HGB), das aber unter Umständen durch nachträglich abweichende Reedereibeschlüsse außer K r a f t gesetzt werden kann (Anm. 4 zu § 491 HGB), in dritter Reihe bürgerliches Recht (ROHG 16, 382). Der Reedereivertrag wird nicht zum Schiffsregister eingetragen. Es kann, falls nicht aus sonstigen Gründen des allgemeinen Rechts Formbedürftigkeit geboten ist, formlos geschlossen werden. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Anm. 8 und 9 zu § 489 HGB. Anm. 2

Besteht Streit darüber, ob etwas in vom Gesetz abweichender Weise durch Reedereivertrag geregelt sei, so trifft die B e w e i s l a s t denjenigen, der die Abweichung vom Gesetz behauptet, ebenso wenn die ursprüngliche Vereinbarung feststeht und Abänderungen behauptet werden, denjenigen, der dieselben behauptet.

Anm. 3

2. In der Rechtswirklichkeit weicht die Partenreederei von dem gesetzlichen Normaltypus vielfach ab. Ist das Fremdkapital im Verhältnis zum Kapital des Korrespondentreeders das stärkere Element, dann nähert sich die Partenreederei in Satzung und Organisation mehr oder weniger dem Vorbild der Aktiengesellschaft ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 170) oder dem der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ist dagegen der Korrespondentreeder als Unternehmer der Stärkere und rückt er allmählich zum Hauptpartner auf (vgl. dazu W ü s t e n d ö r f e r a. a. 0.), so werden sehr häufig seine Vollmacht sowie Geschäftsführungsbefugnis satzungsmäßig erweitert und die Mitverwaltungsrechte der anderen beschränkt. Allmählich entsteht so eine „Stille Reederei". Nach außen tritt nur der Korrespondentreeder unter seiner Firma auf, nach innen gelten nach wie vor die Grundsätze der Partenreederei. Der Korrespondentreeder ist dann nach außen zum A u s r ü s t e r (§ 510) geworden: er bereedert das Schiff im eigenen Namen, wenngleich f ü r Rechnung der Partenreederei. I m eigenen Namen stellt er den Kapitän an und schließt er Frachtverträge. Dieser Typ der stillen Reederei ist zuerst von W ü s t e n d ö r f e r H B 501ff. und SHR 170f. dargestellt worden (vgl. die Anerkennung durch die Rechtsprechung HansOLG HansRGZ 1929 B Nr. 75 und RGZ 126, 40). Doch handelt es sich noch um eine echte Partenreederei, sofern man mit der hier vertretenen Auffassung (vgl. Anm. 6 zu § 489 HGB) entgegen W ü s t e n d ö r f e r SHR 150 es nicht f ü r erforderlich hält, daß die Partenreederei nach außen als Unternehmer auftritt. Unter Umständen kommt es sogar vor, daß der Korrespondentreeder der Wahrheit zuwider, als Alleineigentümer im Schiffsregister eingetragen wird, besonders wenn die Partenmehrheit in ausländischen Händen ist, dem Schiffe aber die deutsche Flagge erhalten bleiben soll (RGZ 74, 406; 126, 40). Doch ist in diesem Falle dem Begriff der Stillen Reederei mit Skepsis zu begegnen, worauf auch P r a u s e , Schiffskredit S. 29, hingewiesen hat. Zwar ist richtiger Ansicht nach f ü r das Entstehen der Partenreederei eine Eintragung zum Schiffsregister nicht erforderlich. Aus § 503 Abs. 1 HGB, nach welchem die Partveräußerung der Eintragung bedarf, ergibt sich indessen, daß die Reederei als „stille" nur solange bestehen kann, wie die Parten nooh sämtlich in den Händen der Gründer oder deren allgemeiner Rechtsnachfolger sind. Nach Veräußerung auch nur einer P a r t versagt das Gebilde der stillen Reederei dieser Art, oder die Veräußerung der Part ist unwirksam. Die „stille Rederei" dieser Art könnte dann nur noch als schuldrechtlicheVereinbarung aufgefaßt werden, jedenfalls das Innenverhältnis so zu behandeln, als ob eine Partenreederei vorläge. Vgl. auch Hansa 1934 S. 1009;K.von L a u n , MDR 1953,468.

§ 491 Für die Angelegenheiten der Reederei sind die Beschlüsse der Mitreeder maßgebend. Bei der Beschlußfassung entscheidet die Mehrheit der Stimmen. Die Stimmen werden nach der Größe der Anteile der Mitreeder (Schiffsparten) berechnet; die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist vorhanden, wenn der Person oder den Personen, die für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte der Gesamtheit der Anteile, nach der Größe berechnet, zusteht. Einstimmigkeit sämtlicher Mitreeder ist erforderlich zu Beschlüssen, die eine Abänderung des Reedereivertrags bezwecken oder die den Bestimmungen des Reedereivertrags entgegen oder dem Zwecke der Reederei fremd sind.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 491

Die Bestimmung, deren jetzige Passung auf der VO vom 21. 12. 1940 (RGBl. I S. 1609) beruht, betrifft Reedereibeschlttsse. I. Materiell wird gefordert für die Regel, d.h. für alle Fälle, in denen das Gesetz nicht eine Ausnahme bestimmt, qualifizierte Stimmenmehrheit, ausnahmsweise Einstimmigkeit. Die Bestimmung ist gemäß § 490 H G B durch Reedereivertrag abänderlich: in diesem können anders qualifizierte Majoritäten, vollständige oder beschränkte Verzichte auf das Stimmrecht usw. vereinbart werden ( B o y e n s Bd. 1 S. 246).

Anm. 1

A. Regelmäßiger Fall: es entscheidet Stimmenmehrheit, und zwar: 1. N i c h t P e r s o n e n m e h r h e i t , s o n d e r n P a r t e n m e h r h e i t : „die Stimmen werden nicht gezählt, sondern gewogen" ( K u n t z e Z H R Bd. 6 S. 242), wie bei der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 2. D i e z u g l e i c h m e h r a l s d i e H ä l f t e s ä m t l i c h e r v o r h a n d e n e n P a r t e n (Anteile der Größe nach gerechnet) d a r s t e l l e n m u ß . Eine Modifikation kannte das mecklenburgische Recht in § 10 MecklAusfVO z. H G B : „Bei Abstimmungen über Angelegenheiten des laufenden Reedereibetriebes werden die Stimmen der Mitreeder, welche an dem Sitze der Reederei nicht wohnhaft sind und bei dem Korrespondentreeder einen Vertreter nicht angemeldet haben, sowie die Stimmen der Mitreeder, welche rechtlich oder tatsächlich an der Teilnahme behindert sind, solange sie einer Vertretung entbehren, den Stimmen der Mehrheit hinzugezählt." Diese 1945 noch bestehende Vorschrift des mecklenburgischen Landesrechts ist offenbar nicht mehr in Geltung. I n den Reedereistatuten finden sich häufig andere Bestimmungen über die Beschlußfassung. Vgl. auch oben Anm. 1. Über Beschlußfassung ohne Reederversammlung siehe RGZ 125, 108.

Anm. 2

Zweifelhaft ist, ob auch ein Mitreeder mitstimmen darf, der mit der Reederei kontrahieren will. Bejahend B o y e n s Bd. 1 S. 246. Die Vorauflage dieses Kommentars meinte (Anm. 2 zu § 491) ein Mitreeder könne über die Beschlußfassung wegen der Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm als Dritten mitstimmen, soweit dem Mitreeder ein Kontrahieren mit sich selbst nach § 181 BGB gestattet sei. Richtiger Ansicht nach besteht ein Stimmverbot in entsprechender Anwendung von § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG. Das Stimmverbot besteht aber auch nur in diesem Umfange; vgl. W ü s t e n d ö r f e r H B 455. Siehe zu der Frage auch noch RGZ 9, 140 und B r o d m a n n , Seegesetzgebung des Deutschen Reiches, 2. Aufl. 1905 Note 1 zu § 491. Nach den genannten Bestimmungen h a t ein Gesellschafter kein Stimmrecht bei einer Beschlußfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäftes oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreites ihm gegenüber zum Gegenstand hat. Danach stimmt der Mitreeder bei der Wahl des Korrespondentreeders mit, auch wenn er selber als solcher nominiert ist. Auch wenn die Partenreederei als solche keine juristische Person ist, so ist doch der Korrespondentreeder gleichsam ihr Organ. Auch bei seiner Wahl liegt wie bei derjenigen eines Organs einer juristischen Person ein Akt des gesellschaftlichen Lebens, kein Rechtsgeschäft mit einem Dritten vor. Vgl. f ü r die juristische Person RGZ 104, 186. Deshalb kann der Mitreeder, der die Mehrheit der Parten besitzt, sich auch selbst zum Korrespondentreeder machen und kann als solcher nicht abberufen werden (so auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 155; B o y e n s Bd. 1 S. 246 und 202 Note 15). Anders die zweite Auflage dieses Kommentars (Anm. 2 zu § 491), die auch in diesem Falle § 181 BGB zur entsprechenden Anwendung bringen wollte. Soweit nach dem vorstehenden Absatz ein Mitreeder kein Stimmrecht hat, werden aber seine Parten f ü r die Frage, ob mehr als die Gesamtheit der Anteile f ü r den Antrag gestimmt hat, mitgerechnet. Somit besteht die Möglichkeit, daß ein positiver Beschluß nicht zustandekommt. Die Reedereisatzung trifft deshalb zweckmäßigerweise hierüber Bestimmungen. Vgl. auch Anm. 2 zu § 499 H G B betreffs der Rechnungslegung des Korrespondentreeders.

Anm. 3

B. Ausnahmefälle, in denen es der Einstimmigkeit sämtlicher Mitglieder bedarf, und zwar der Zustimmung auch derjenigen, die sich im Reedereivertrage ihres Stimmrechts begeben haben, sofern sich der Verzicht nicht auf die Fälle bezieht, f ü r die das Gesetz Einstimmigkeit vorschreibt ( B o y e n s Bd. 1 S. 247). 1. Beschlüsse, die die Abänderung des Reedereivertrages, d.h., wie R O H G 15,160 (zustimmend W ü s t e n d ö r f e r S H R 155, L e w i s Bd. 1 S. 67, W a g n e r H B 196 und B r o d m a n n

Anm. 4

89

§491

Vierter Teil. Seehandelsrecht

a . a . O . ; W u l f , Die Schiffspart nach deutschem Seerecht und die rechtliche Stellung des Parteninhabers, Diss. Erlangen 1929 S. 24; anders B o y e n s Bd. 1 S. 248) zutreffend annimmt, d e s w e s e n t l i c h e n I n h a l t s des Reedereivertrages, bezwecken. Wie weit ist aber dessen Inhalt wesentlich? Sicherlich ist wesentlich die Bestimmung des Schiflsnamens. Vgl. auch B H G N J W 1953 S. 1473 wegen eines erheblichen Umbaues des Schifies. Es sind folgende Fälle zu unterscheiden: a) Haben die Mitreeder vom G e s e t z a b w e i c h e n d e oder d a s s e l b e e r g ä n z e n d e Bestimmungen in den Reedereivertrag aufgenommen, so sind dieselben im Zweifel als wesentlich anzusehen. b) S o w e i t i m R e e d e r e i v e r t r a g e i n e g e s e t z l i c h e B e s t i m m u n g w i e d e r h o l t w i r d , folgt hieraus allein noch nicht ihre Wesentlichkeit: es bedarf vielmehr der Prüfung, ob die betreffende Bestimmung „gerade in der Absicht, ihre Abänderung durch spätere Beschlüsse der Mitreeder zu erschweren, oder doch, weil ihr von den Kontrahenten eine besondere Bedeutung und Erheblichkeit beigelegt wurde, in den Vertrag aufgenommen sei" (ROHG 15, 160f.). I n d e s s e n s p r i c h t d i e V e r m u t u n g f ü r d i e W e s e n t l i c h k e i t e i n e r s o l c h e n B e s t i m m u n g , u n d w e r i h r e U n w e s e n t l i c h k e i t b e h a u p t e t , h a t sie z u b e w e i s e n . — I n der zitierten Entscheidung h a t das R O H G der im Reedereivertrage in Wiederholung von § 493 Abs. 2 H G B dem Korrespondentreeder erteilten Ermächtigung zur Frachtversicherung die Wesentlichkeit abgesprochen. c) Eine entsprechende Prüfung wie zu b ist geboten, s o w e i t d i e g e s e t z l i c h e n B e s t i m m u n g e n infolge Schweigens des R e e d e r e i v e r t r a g e s s u b s i d i ä r zur Anw e n d u n g k o m m e n (§ 490 H G B ) : dieselben können, soweit nicht wesentlich, durch Mehrheitsbeschluß nachträglich abgeändert werden. Wo eine solche nicht in den Vertrag aufgenommene Bestimmung aber nicht, wie die des § 491 Abs. 2, nach der N a t u r der Sache wesentlich ist, s p r i c h t e i n e V e r m u t u n g f ü r i h r e U n w e s e n t l i c h k e i t , u n d w e r i h r e W e s e n t l i c h k e i t b e h a u p t e t , h a t s i e zu b e w e i s e n . — Wer im Gegensatz hierzu alle subsidiären gesetzlichen Bestimmungen f ü r durch Mehrheitsbeschluß abänderbar erachtet, kommt dazu, den vorliegenden § 491 selbst illusorisch zu machen: denn die Mehrheit einer Reederei, in deren Vertrag nichts über Reedereibeschlüsse steht, könnte, wenn sie in einem der Fälle des § 491 Einstimmigkeit nicht erzielen kann, vorerst mit einfacher Mehrheit die Abschaffung dieses Paragraphen bestimmen. Andererseits alle subsidiären gesetzlichen Bestimmungen f ü r unabänderlich zu halten, verbietet § 490 HGB, würde auch zu dem eigentümlichen Ergebnis führen, daß die ausdrückliche Aufnahme der gesetzlichen Vorschriften in den Vertrag (Fall b) weniger Bedeutung h ä t t e als die stillschweigende. Anm. 5

2. Beschlüsse, die den Bestimmungen des Reedereivertrages entgegen sind, d.h. dieselben f ü r gewisse Einzelfälle suspendieren sollen ( B o y e n s Bd. 1 S. 248). Auch hier ist wohl das Gesetz einschränkend dahin auszulegen, daß in den Fällen der Anm. 4a, b und c die Suspendierung n i c h t w e s e n t l i c h e r Bestimmungen des Reedereivertrages keines einstimmigen Beschlusses bedarf.

Anm. 6

3. Beschlüsse, die dem Zwecke der Reederei fremd sind. I n Betracht kommen hier zunächst unbestritten solche Beschlüsse, die dem a l l g e m e i n e n Z w e c k e d e r R e e d e r e i s c h l e c h t h i n f r e m d sind, also die keinen Erwerb durch Seefahrt zum Gegenstand haben, denn ein solcher ist Gegenstand der Reederei und ihre Grundlage nach § 489 H G B ( B o y e n s Bd. 1 S. 247; W ü s t e n d ö r f e r S H R 155; anders Prot 1502; B r o d m a n n , a.a.O., Note 2). Solche Beschlüsse würden auch bereits unter die Ziffern 1 und 2 fallen. Dem allgemeinen Zwecke der Reederei fremd sind z. B. rein wissenschaftliche Expeditionen, Entdeckungsreisen, Liberalitäten (Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen, 3. Forts. S. 134), wozu aber nicht die Bezahlung von bestrittenen Schiffsschulden gehört, sofern sich darunter nicht eine Liberalität versteckt (RGZ 9, 141). Auch dauerndes Liegenlassen des Schiffes ist dem Reedereizwecke fremd ( B o y e n s Bd. 1 S. 247; vgl. W a g n e r H B 198); dagegen nicht die Bestellung eines Schiffspfandrechts (so LG H a m b u r g Hansa 1910 S. 1155). Nicht fremd ist dem Reedereizweck eine Vermietung des Schiffes im ganzen, jedenfalls dann nicht, wenn der Mieter nicht Ausrüster wird. Doch schadet es auch nicht, wenn ihm Ausrüstereigenschaft zukommen sollte, weil (vgl. Anm. 6 zu § 489) Unternehmereigenschaft nach außen f ü r die Partenreederei nicht erforderlich ist. Doch kommt Ausrüstereigen-

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 491

sohaft außerhalb der bare-boat-charter nur selten vor, und die bare-boat-charter selbst wird im allgemeinen dem Reedereizweck fremd sein. Dem Reedereizweck fremd ist auch heute nicht mehr die Versicherung des Schiffes, obwohl der Korrespondentreeder f ü r sie nach § 493 Abs. 5 H G B einer Sondervollmacht bedarf; anders die Vorauflage dieses Kommentars (Anm. 6 zu § 491) sowie W a g n e r H B 198 Note 9 und B o y e n s Bd. 1 S. 247 mit der f ü r die damaligen Verhältnisse zutreffenden Begründung, daß die Versicherung gewöhnlich den Mitreedern überlassen werde. Dem konkreten Zwecke der Reederei fremd sind auch solche Beschlüsse, durch die die Art des See-Erwerbs grundlegend geändert wird, z.B. Übergang von der F r a c h t f a h r t zum Fisch- oder Walfang. Doch trifft das in der Regel nicht zu, wenn die Art des Erwerbs durch Seefahrt im Prinzip die gleiche bleibt und nur innerhalb seiner das Tätigkeitsgebiet verändert wird, z.B. beim Übergang von der europäischen Trampfahrt zur überseeischen (bestr.; a.A. S c h l e g e l b e r g e r Anm. 6 zu § 491 und anscheinend grundsätzlich W ü s t e n d ö r f e r S H R 155). Doch kommt es hier sehr auf den einzelnen Fall an. Übergang von der Beförderung von Trockenfracht zur Tankschiffahrt wird regelmäßig dem Zweck der konkreten Reederei fremd sein. 4. Abgesehen von den Fällen des § 491 bedarf es der Einstimmigkeit der Mitreeder a) F ü r die B e s t e l l u n g e i n e s N i c h t m i t r e e d e r s z u m K o r r e s p o n d e n t r e e d e r (§ 492 Abs. 1 HGB). b) F ü r a l l e B e s c h l ü s s e , d u r c h w e l c h e w o h l e r w o r b e n e R e c h t e v o n M i t r e e d e r n g e s c h m ä l e r t w e r d e n (vgl. Anm. 4 zu § 499 H G B ; Einl. und Anm. 15, 30 zu § 501 H G B ; Anm. 4, 5 zu § 502 H G B ; Anm. 1 zu § 503 H G B ; Anm. 3 zu § 506 HGB), sofern die letzteren nicht auf diese Rechte verzichten. Hierher k ö n n e n gehören Abänderungen früherer Mehrheitsbeschlüsse ( W a g n e r H B 198; R O H G 14, 421); mit W a g n e r aber ist ein unbedingtes wohlerworbenes Recht auf Aufrechterhaltung und Ausführung derselben nicht anzuerkennen. Etwas anderes als ein einstimmiger Reedereibeschluß ist die in den §§ 503 Abs. 2 H G B und 506 Abs. 2 H G B verlangte Z u s t i m m u n g s ä m t l i c h e r M i t r e e d e r (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908 S. 136): wo die letztere erforderlich ist, muß auch die Zustimmung derjenigen Mitreeder eingeholt werden, die auf ihr Stimmrecht f ü r Reedereibeschlüsse aller Art verzichtet haben (oben Anm. 4).

Anm. 7

II. Eine Form für die Mehrheitsbeschlüsse der Reederei ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Es bedarf zu i h r e r G ü l t i g k e i t nicht der Zusammenberufung der Mitreeder, nicht — wie früher in Mecklenburg zur Segelschifiszeit üblich (OAG Rostock bei Buchka und Budde Bd. 3 S. 149; ROHG 5, 188 und 195) — des Kursierenlassens von Missiven unter den Mitreedern, nicht einer Beratung derselben (AppG Celle SeufEA Bd. 27 Nr. 164; R O H G 16, 382; 22, 292; LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 227 = Z H R Bd. 38 S. 250; RGZ 40, 3; 58 197 — was aber nicht ausschließt, daß die Nichtbefragten „ordnungswidrig übergangen" im Sinne des § 12 Abs. 1 der jedenfalls bis 1945 gültigen Mecklenburgischen AusfVOzHGB sind): es genügt, wenn die Mehrheit, die evtl. aus einem einzigen Mitreeder bestehen kann, ohne Anhörung der Minderheit den Beschluß faßt (vgl. auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 155) und dies irgendwie in die äußere Erscheinung bringt. Es besteht nicht einmal die Pflicht der M i t t e i l u n g gefaßter Beschlüsse an die Minderheit, wenn auch die Unterlassung der Mitteilung unter Umständen ein Verstoß gegen die dem Korrespondentreeder obliegende Sorgfalt sein k a n n ; nur nach dem jedenfalls bis 1945 in Mecklenburg geltenden Rechte (§ 12 Abs. 3 AusfVOzHGB) liegt sie dem Korrespondentreeder ob. Freilich beginnt, solange eine Mitteilung nicht erfolgt, der Lauf der Aufgabefrist des § 501 Abs. 2 H G B nicht RGZ 58, 199). Moderne Reedereisatzungen treffen über die Form der Beschlüsse häufig Bestimmungen. Das Recht der Partenreederei kennt also nicht, wie das Aktienrecht, einen Minderheitsschutz. Wenn sich die Partenmehrheit in einer H a n d oder in Händen einer Mehrheitsgruppe befindet, kann dies zur Folge haben, daß lange Zeit keine Reederversammlungen einberufen und keine Beschlüsse unter Mitwirkung der anderen Mitreeder gefaßt werden. B e i B e s c h l ü s s e n , d i e E i n s t i m m i g k e i t e r f o r d e r n , sind alle stimmberechtigten Mitreeder zu hören.

Anm. 8

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§ 492

Vierter Teil. Seehandelsreoht

§ 492 Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Reedereibetrieb ein Korrespondentreeder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt werden. Zur Bestellung eines Korrespondentreeders, der nicht zu den Mitreedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß erforderlich. Die Bestellung des Korrespondentreeders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit widerrufen werden, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. Einleitung

Der Paragraph handelt von der Bestellung des Korrespondentreeders und von ihrem Widerruf. S c h r i f t t u m : H e i s e und C r o p p , Juristische Abhandlungen Bd. 1 S. 504ff.; J e b e n s , Lohrs Centrai-Organ N . F . Bd. 1 S. 365ff.; W a l t e r , Der Korrespondentreeder, Diss. Leipzig 1903; S o n n e n k a l b , Die Geschichte und rechtliche Stellung des Korrespondentreeders, Leipz. Diss. 1909. Siehe das Beispiel eines Korrespondentreedervertrages im Anhang I I I zu §§ 489—509.

Anm. 1

1. Begriff des Korrespondentreeders (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent; gerente, administrateur gérant, als Mitreeder armateur-gérant; ship's husband, als Mitreeder auch managing owner). K o r r e s p o n d e n t r e e d e r i s t d e r s t ä n d i g e V e r t r e t e r d e r R e e d e r e i (ROHG 8, 344; RGZ 42, 70) f ü r d i e F ü h r u n g des Reedereibetriebes. Ausnahmsweise kann er auch Bevollmächtigter der einzelnen Mitreeder sein (vgl. § 493 Abs. 5 HGB).

Anm. 2

Anm. 3

a) Er ist V e r t r e t e r : aa) Nach a u ß e n , indem er die Reedereibeschlüsse zur Ausführung bringt und innerhalb seiner Vollmacht Entscheidungen f ü r die Reederei trifft, den Schiffer anstellt, instruiert und entläßt, f ü r die Ausrüstung, Erhaltung, Verfrachtung des Schiffes sorgt usw. bb) Nach i n n e n , im Verhältnis zueinander, indem er vorbehaltlich von Sonderrechten und Reedereibeschlüssen, die Rechnungsverhältnisse der Mitreeder untereinander, die Verteilung von Gewinn, Verlust, Zubussen ordnet, die Bücher f ü h r t , evt. „in Vorschuß g e h t " (Anm. 10 zu § 500 HGB) usw. Auf seine rechtlichen Beziehungen kommen die Grundsätze von Auftrag und Vollmacht zur Anwendung, erstere f ü r das Verhältnis zwischen ihm und die von ihm vertretene Reederei (§ 496), letztere f ü r den Umfang und die Wirkung der Vertretungsbefugnis nach außen (§§ 493ff.). b) E r i s t s t ä n d i g e r V e r t r e t e r . Wer nur f ü r den Einzelfall die Reederei vertritt, ist nicht Korrespondentreeder, sondern gewöhnlicher Vertreter ohne gesetzliche Vollmacht (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 226; R O H G 17, 234; W a g n e r H B 199). Kein Korrespondentreeder im rechtlichen Sinne ist auch der sog. Vertragsreeder, der auf Grund eines BereederungsVertrages die Bewirtschaftung eines Schiffes f ü r den Eigentümer übernimmt und in der Praxis oft fälschlich als Korrespondentreeder bezeichnet wird; vgl. H a s c h e Hansa 1952 S. 335; HansOLG Bremen Hansa 1951 S. 996. Aus der unzutreffenden Bezeichnung des Dienstverpflichteten ist aber zu entnehmen, daß der Umfang der ihm erteilten Vollmacht der gesetzlich vermuteten Vollmacht eines Korrespondentreeders entspricht; vgl. HansOLG Bremen a . a . O . Handelsrechtlich ist der Vertragsreeder als Handelsvertreter (§§ 84ff. HGB) anzusehen. Vgl. hierzu B r e u e r Hansa 1953 S. 1999. Siehe über Offenbarungspflicht und Verschulden beim Vertragsschluß seitens einer Firma, die Vertragsreeder f ü r ein Schiff ist und gleichzeitig Agentin f ü r dessen Zeitcharterer BGH Hansa 1959 S. 373 = VersR 1959 S. 64. Auch eine Handelsgesellschaft unter ihrer Firma kann Korrespondentreeder sein (RGZ 82, 131; HansOLG HansRGZ 1929 B Nr. 75 Sp. 179). 2. Ernennung des Korrespondentreeders. a) Sie ist f a k u l t a t i v , nur nach dem jedenfalls bis 1945 geltenden mecklenburgischen Recht obligatorisch; vgl. § 9 Meckl. AusfVOzHGB, der bestimmt: „Jedes Schiff, welches mehreren Eigentümern gehört, muß einen Korrespondentreeder haben." Der Korrespondentreeder ist also nach mecklenburgischem Recht das notwendige Organ zur Vertretung der Reederei, mithin gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 54 ZPO (OLG Rostock MecklZ Bd. 13, S. 2) gewesen. Nach dem H G B wird die Frage, ob überhaupt ein Korrespondentreeder bestellt werden soll, durch Mehrheitsbeschluß entschieden (Prot. 1521). 92

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§492

b) Sie e r f o r d e r t aa) M a t e r i e l l Mehrheitsbeschluß, wenn ein Mitreeder, Einstimmigkeit, wenn ein Nichtmitreeder zum Korrespondentreeder gemacht werden soll, was allerdings nur selten vorkommt. bb) K e i n e b e s t i m m t e F o r m : sie kann schriftlich, mündlich, ja stillschweigend erfolgen. Ist das Schiff zum Schiffsregister eingetragen, so wird auch der Korrespondentreeder dort gemäß § 11 Abs. 1 Ziff. 9 SchRO eingetragen, ohne daß der Eintragung eine besondere rechtliche Bedeutung zukäme. Sie hat keine konstitutive Wirkung; der öffentliche Glaube des Schiffsregisters bezieht sich nicht auf sie. Doch können die allgemeinen Grundsätze der Haftung aus Rechtsschein zum Zuge kommen, auch die Anwendbarkeit der §§ 171, 173 BGB. Siehe auch Anm. 4 zu § 493 HGB.

Asm. 4

3. Rechtliche Natur des Anstellungsvertrages. Ist der Korrespondentreeder unentgeltlich angestellt, so liegt Auftrag (§ 662 BGB), anderenfalls „ D i e n s t v e r t r a g , d e r e i n e Ges c h ä f t s b e s o r g u n g z u m G e g e n s t a n d e h a t " (§ 675 BGB), vor; wenn er Mitreeder ist u n d seine Geschäftsführung auf dem Reedereivertrage beruht, so ist er g e s c h ä f t s f ü h r e n d e r G e s e l l s c h a f t e r (§ 710 BGB). Aber auch wenn einer der beiden letztgenannten Fälle vorliegt, f ü r die das Gesetz eine Anzahl von Vorschriften über den Auftrag heranzieht, nähert sich der Vertrag auch insofern dem Auftrage, als die Bestellung des Korrespondentreeders nach § 492 Abs. 2 zu jeder Zeit widerrufen werden kann (vgl. § 671 Abs. 1 BGB im Gegensatz zu § 626 BGB und § 712 BGB). Aus der geschilderten Natur des Verhältnisses ergibt sich auf Seiten des Korrespondentreeders die Verpflichtung zur Sorgfalt eines ordentlichen Reeders (§ 497 HGB), zur Ausführung der Reedereibeschlüsse und Innehaltung seiner Vollmacht (§ 496 HGB), zur Buchführung, Auskunftserteilung und Rechenschaftslegung (§§ 498, 499 HGB), auf Seiten der Mitreeder die Verpflichtung zum Auslagenersatz, zur Befreiung von übernommenen Verbindlichkeiten (OAG Celle SeuffA Bd. 23 Nr. 25) und beim Dienstvertrag zur Honorarzahlung, auf beiden Seiten das Recht zum Schadensersatz bei Verletzung von Vertragspflichten durch die Gegenseite, insbesondere auch im Falle des Mißbrauchs des Kündigungsrechts (§ 492 Abs. 2; §§ 675 Schlußsatz, 671 Abs. 2 BGB). Siehe auch das Beispiel eines Anstellungsvertrags in Anhang I I I zu §§ 489—509.

Anm. 5

4. (Abs. 2) Der Widerruf der Bestellung des Korrespondentreeders, d. h. seine Entlassung, kann jederzeit durch M e h r h e i t s b e s c h l u ß erfolgen, auch wenn der Korrespondentreeder schon im Reedereivertrag bestellt ist (Prot. 1502; ROHG 15, 160). Eines solchen bedarf es auch dann, wenn der Korrespondentreeder ein Nichtmitreeder ist. Die Ansicht W a g n e r s H B 201, nach welchem im letzteren Falle der Widerruf eines jeden einzelnen Mitreeders genügt, findet keine Stütze im Gesetz. Der Korrespondentreeder, dem mehr als die Hälfte des Schiffes gehört, kann ohne seinen Willen seiner Stellung nicht enthoben werden, selbst dann nicht, wenn ihm bei der Bestellung noch nicht die Majorität der Parten gehörte ( J e b e n s , a.a.O. S. 370). Vertragsmäßiger V e r z i c h t auf den Widerruf ist, weil es sich bei der Tätigkeit des Korrespondentreeders um die Verwaltung ansehnlicher Vermögenswerte handelt, nicht bindend (vgl. ROHG 23, 326fl.; RGZ 3, 186; 53, 417; f ü r § 671 BGB ist das im einzelnen bestritten; doch herrscht insoweit Übereinstimmung, daß vertragsmäßiger Ausschluß zum mindesten f ü r den Fall eines wichtigen Grundes immer unzulässig ist; vgl. z. B. P a l a n d t - G r a m m , 19. Aufl. 1960, Anm. 2 zu § 671 BGB; L a r e n z , Schuldrecht, 2. Aufl. 1957 S. 201; E n n e c c e r u s - L e h m a n n , Schuldrecht, 15. Bearb. 1958 S.689). Doch steht einer Vereinbarung, daß der Widerruf nur bei Zustimmung aller Mitreeder zulässig sein solle, nichts entgegen.

Anm. 6

Der Widerruf erfolgt „ u n b e s c h a d e t d e s A n s p r u c h s a u f d i e v e r t r a g s m ä ß i g e V e r g ü t u n g " , d. h. durch den Widerruf an sich fällt nicht schon der Anspruch des Korrespondentreeders auf die vertragsmäßige Vergütung fort. Über diesen Anspruch entscheidet das bürgerliche Recht (RG J W 1 9 0 1 S.542): er ist zu verneinen, wenn zu der sofortigen Kündigung ein wichtiger Grund vorlag (§§ 628, 712 Abs. 1 BGB). Neben dem Anspruch auf die vertragsmäßige Vergütung f ü r den Rest der Vertragszeit können andere Ansprüche gegeben sein, so auf Schadensersatz, wenn die Entlassung in einer Form erfolgt ist, durch die der Korrespondentreeder geschädigt werden sollte und geschädigt worden ist, auf Vertragsstrafe (vgl. § 340

Anm. 7

93

§492

Vierter Teil. Scehandelsrecht

Abs. 2 BGB). Die Ansprüche des Korrespondentreeders richten sich gegen die mit dem in Anm. 15 zu § 489 genannten Vermögen haftende Reederei, zugleich gegen die einzelnen Mitreeder pro rata ihrer Schiffsparten (§ 507 HGB). Ein Bückgriff der Minderheitsmitglieder, die gegen die ungerechtfertigt« Entlassung gestimmt haben, ist nicht ausgeschlossen ( W a g n e r H B 201). Anm. 8

5. Die Ernennung des Korrespondentreeders erlischt, abgesehen vom Falle des Widerrufs, a) durch Z e i t a b l a u f bzw. E i n t r i t t d e r a u f l ö s e n d e n B e d i n g u n g ; b) durch T o d oder V e r l u s t d e r G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t d e s K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s — aber nicht wenn ein derartiges Ereignis in der Person eines oder mehrerer Mitreeder eintritt, weil ein solches auf Reedereibeschlüsse ohne Einfluß ist; c) Durch R ü c k t r i t t d e s K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s , der ihn aber, wenn er ohne wichtigen Grund zur Unzeit erfolgt, ersatzpflichtig macht (§ 671 Abs.2 BGB); d) Durch E n d i g u n g d e r R e e d e r e i (Anm. 29 zu § 489 HGB); doch behält der Korrespondentreeder seine geschäftsführende Stellung, soweit sie ihm nicht durch die Mehrheit genommen wird oder der Konkursverwalter an seine Stelle tritt (§ 6KO), auch f ü r die Dauer des etwaigen Liquidationsstadiums ( W a g n e r H B 201; S o n n e n k a l b , a.a.O. S. 123, 109; 45; RGZ 11, 196; 42, 74 ; 71, 27; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908, 136; auch HansOLG HansGZ 1890, 174: Wahrung der Reedereiinteressen gegenüber dem Versicherer nach Strandung des Schiffes; anders AppG Celle SeuffA Bd.24 Nr. 70; L e w i s Endemanns Handb. B d . 4 S . 7 1 ; B o y e n s B d . l S.253, 251; W a l t e r , a.a.O. S.31): siehe unten Anm. 8 zu § 506. Doch beschränken sich seine Befugnisse nunmehr auf die Abwicklung schwebender Geschäfte ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 166). Vgl. auch RG Jur. Rdsch. 1925 S. 1380; RGZ 123, 109. Anm. 9 6. Die Vergütung, die der Korrespondentreeder f ü r seine Tätigkeit erhalten kann, besteht entweder in einem festen Gehalt oder einer Provision, sei es vom Gesamtgewinn oder von den einzelnen oder jährlichen Eingängen, z. B. von der Bruttofracht oder den Fangerlösen. Vgl. dazu R e i n e k e , in Zeitschrift f ü r Handelswissenschaftliche Forschung 1932 S. 173 und L e o BankA Bd. 10 S. 103. Doch ist die Beteiligung an dem Bruttoerlös leicht eine Ursache von Mißständen, weil ein ausreichendes Eigeninteresse an der Rentabilität des Schiffes fehlen kann, besonders wenn der Korrespondentreeder als Schiffsmakler auch noch an den üblichen Maklergeschäften der Ausrüstung, Befrachtung, Klarierung, Entlöschung seine Provision verdient. So zutreffend W ü s t e n d ö r f e r SHR 167. Deshalb ist ein Anteil am Reingewinn zweckmäßiger. Ob dem Korrespondentreeder eine Vergütung zusteht, entscheidet sich zunächst nach seinem Anstellungsvertrage; schweigt derselbe, so hat er, wenn er Kaufmann ist, unter der Voraussetzung des § 354 HGB, anderenfalls nur, wenn dies ortsüblich ist, Provision zu fordern ( W a g n e r H B 210). Für Leistungen, die über seine Obliegenheiten hinausgehen, z. B. f ü r Schiffsmaklertätigkeit, kann er besondere Vergütung verlangen (HansOLG HansGZ 1899 Nr. 51). Sowohl wegen der Vergütung als wegen sonstiger Ansprüche gegen die Reederei, z. B. auf Ersatz von Auslagen oder auf Grund von ungerechtfertigter Bereicherung (Anm. 10 zu § 500 HGB), haftet ihm diese mit dem gesamten Vermögen, also mit dem Schiffs- und dem Landvermögen, und daneben haften die Mitreeder pro rata ihrer Parten persönlich (RGZ 9, 143). Er kann aber nicht, wie das OLG Oldenburg (ZHR Bd. 38 S.250) und das RG (SeuffA Bd. 45 Nr. 33 = Bolze 6 Nr. 206 und 625), wohl auch B o y e n s Bd. 1 S.273, annehmen, seine Forderungen an die Mitreeder gegen deren Ansprüche auf Herauszahlung der in seinen Händen befindlichen Reedereigelder aufrechnen, da sich diese Ansprüche, auch wenn er keine abgesonderte Reedereikasse führt, nicht gegen ihn, sondern gegen die von ihm vertretene Reederei richten (vgl. ROHG 8, 343). Keinesfalls kann er die Gewinnanteile derjenigen zurückbehalten, deren Gläubiger er nicht ist (anders B r a b a n d , Die freiwillige Veräußerung deutscher Seeschiffe, 1894 S. 40). Über die steuerliche Behandlung der Vergütung des Korrespondentreeders vgl. Erlaß der Finanzbehörde Hamburg L 1422/S 2150 vom 24. 9. 1956, Hansa 1956 S. 2301. Anm. 10 10. Da jede Partenreederei sich nur auf e i n Schiff bezieht, ist der Korrespondentreeder einer Partenreederei auch nur Korrespondentreeder e i n e s Schiffes. Doch kann jemand, und das ist in der Praxis sehr häufig, Korrespondentreeder mehrerer Partenreedereien sein. Vgl.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§493

f ü r diesen Fall § 136 SeemG, daß dann diese mehreren Partenreedereien im Sinne der Vorschriften über das Heuerverhältnis als ein Reeder anzusehen sind. In der Begr. zum SeemG wird dazu ausgeführt: „Der Korrespondentreeder macht häufig von der Möglichkeit des § 27 SeemG Gebrauch, Schiffsoffiziere bzw. sonstige Angestellte von einem Schiff auf ein anderes Schiff umzusetzen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob hier eine andere Partenreederei Eigner ist. Es ist deshalb notwendig, ausdrücklich festzusetzen, daß mehrere Partenreedereien, deren Geschäfte von demselben Korrespondentreeder geleistet werden, im Sinne bestimmter Urlaubsund Kündigungsvorschriften als e i n Reeder gelten sollen." §493 Im Verhältnis zu Dritten ist der Korrespondentreeder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. Diese Befugnis erstreckt sich insbesondere auf die Ausrüstung, die Erhaltung und die Verfrachtung des Schiffes, auf die Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten und der Havereigelder sowie auf die mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetriebe verbundene Empfangnahme von Geld. Der Korrespondentreeder ist in demselben Umfange befugt, die Reederei vor Gericht zu vertreten. Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen; der Schiffer hat sich nur an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwaigen Anweisungen der einzelnen Mitreeder zu halten. Im Namen der Reederei oder einzelner Mitreeder Wechselverbindlichkeiten einzugehen oder Darlehen aufzunehmen, das Schiff oder Schiffsparten zu verkaufen oder zu verpfänden sowie für das Schiff oder für Schiffsparten Versicherung zu nehmen, ist der Korrespondentreeder nicht befugt, es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders erteilt ist. Der Paragraph behandelt die Vollmacht des Korrespondentreeders. Und zwar begrenzen Einleitg. Abs. 1 und 3 ihren Umfang nach der positiven Seite, Abs. 2 und 4 geben nähere Erläuterungen dazu, Abs. 5 enthält die Abgrenzungen nach der negativen Seite. I. Vorbemerkungen. 1. Der Artikel bezieht sieh unmittelbar (s. aber § 496 Abs. 2 HGB) nur auf die Befugnisse des Korrespondentreeders im Verhältnis zu Dritten, d. h. auf seine Vollmacht (Vertretungsmacht), nicht auf seine Befugnisse im Verhältnis zu der Reederei, auf seinen im Anstellungsvertrage oder speziell erteilten Auftrag, seine Geschäftsführungsbefugnis. Eine von ihm vorgenommene Rechtshandlung kann vollmachtsgemäß, daher Dritten gegenüber gültig und die Reederei verpflichtend (ROHG 22, 290), aber auftragswidrig sein (unten Anm. 13) und ihn der Reederei haftbar machen; sie kann umgekehrt auftragsgemäß sein und doch über die Vollmacht des § 493 hinausgehen (s. Text des Abs. 5). „Dritte" sind auch die einzelnen Mitreeder in ihren Rechtsbeziehungen zu ihrer Gesamtheit, der Reederei (RGZ 71, 28; auch B o y e n s B d . I S. 202).

Anm. 1

2. Die Vollmacht des Korrespondentreeders ist eine gesetzliche, aber nicht unbeschränkbaren Vmfanges ( L a b a n d ZHR Bd. 10 S. 220). a) Sie i s t e i n e g e s e t z l i c h e , d.h. sie wirkt indem gesetzlich fixierten Umfange nicht nur aa) soweit sich letzterer mit dem Inhalt der Geschäftsführungsbefugnis deckt, sondern auch bb) soweit sich aus der Geschäftsführungsbefugnis nichts ergibt und selbst cc) im Widerspruch mit der Geschäftsführungsbefugnis, nämlich dem Dritten gegenüber, der ihre Beschränkungen nicht kennt (§ 495 HGB): s. u. Anm. 3. b) I h r U m f a n g i s t n i c h t u n b e s c h r ä n k b a r wie der der Prokura: indessen können Beschränkungen einem Dritten nur unter den Voraussetzungen des § 495 entgegengesetzt werden. Vgl. die Erläuterungen zu diesem auch darüber, inwieweit über die gesetzlichen Voraussetzungen des § 495 HGB fahrlässige Unkenntnis der Beschränkungen schadet. Jedoch

Anm. 2

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Anm. 3

§ 493

Vierter Teil. Seehandelsrecht

kann der Dritte, der mit dem Korrespondentreeder ein innerhalb der gesetzlichen Vollmacht liegendes, aber auftragswidriges Geschäft abgeschlossen hat, sich der Reederei gegenüber nicht auf die Beschränkungen der gesetzlichen Vollmacht berufen. Anm. 4

3. Die Vollmacht des Korrespondentreeders dauert nur so lange* als er diese Stellung bekleidet. Hieraus ergibt sich eine Erkundigungspflicht des Dritten und evtl. im Prozeß seine Beweispflicht dafür, daß sein Gegenkontrahent zur Zeit des Vertragsabschlusses Korrespondentreeder war. Ist aber gemäß § 11 Ziff. 9 SchRO der Name des Korrespondentreeders ins Schiffsregister eingetragen, so bleibt seine Vertretungsmacht bis zur Löschung bestehen (§ 171 BGB), es müßte denn sein, daß der Dritte die wahre Sachlage kannte oder kennen mußte (§ 173 BGB). Über das Fortbestehen der Befugnisse des Korrespondentreeders im Liquidationsstadium siehe Anm. 8 zu § 492 HGB.

Anm. 5

4. Vollmachtsüberschreitungen des Korrespondentreeders machen ihn nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (§ 179 BGB) als falsus procurator haftbar, sofern nicht etwa der Dritte die Vollmachtsüberschreitung gekannt hat oder h a t kennen müssen. Anders W a g n e r H B 207 Note 22, nach welchem der über seine Befugnisse hinausgehende Korrespondentreeder nicht haftet, weil ja der Umfang seiner Vertretungsbefugnis gesetzlich feststehe, also der Dritte darüber orientiert sein müsse. Aber der seine Befugnisse überschreitende Korrespondentreeder behauptet damit ausdrücklich oder stillschweigend, eine weitergehende als die gesetzliche Vollmacht zu haben, und man kann es dem gutgläubigen Dritten nicht ohne weiteres zum Schaden gereichen lassen, wenn er dieser Behauptung Glauben schenkt. Durch G e n e h m i g u n g seitens der Reederei fällt die H a f t u n g des Korrespondentreeders Dritten gegenüber weg, außer im Falle unerlaubter Handlung.

Anm. 6

5. Die Vollmacht des Korrespondentreeders ist im ganzen nicht übertragbar ( L a d e n b u r g Z H R Bd. 11 S. 88), denn sie beruht auf dem dem Korrespondentreeder persönlich geschenkten Vertrauen. Doch ist Unterbevollmächtigung im Sinne einer Gehilfenzuziehung f ü r einzelne Geschäfte im üblichen Rahmen gestattet. Keine Übertragung liegt in der Anstellung des Schiffers, schon deshalb, weil dessen gesetzliche Vollmacht von der des Korrespondentreeders inhaltlich verschieden ist.

Anm. 7

Anm. 8

II. Die Bestimmungen des Paragraphen. 1, Allgemeine Abgrenzung des Vollmachtsinhalts nach der positiven Seite. a) Der Korrespondentreeder ist befugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen* welche der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. Hiernach steht seine Vollmacht in der Mitte zwischen der des Prokuristen, die zu allen Rechtshandlungen ermächtigt, die der Betrieb e i n e s Handelsgewerbes mit sich bringt (§49 HGB), und der des Generalhandlungsbevollmächtigten, die sich auf alle Geschäfte erstreckt, die der Betrieb eines d e r a r t i g e n Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 HGB). Der V e r k e h r u n d ihm f o l g e n d die R e c h t s p r e c h u n g zeigen das B e s t r e b e n , m i t R ü c k s i c h t auf die B e d ü r f n i s s e des g e r e g e l t e n G e s c h ä f t s b e t r i e b s die G r e n z e n der V e r t r e t u n g s m a c h t des K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s zu e r w e i t e r n (RGZ 42, 7; 82,132) und dessen Stellung an das Vorbild des Organs der Verbandsperson anzunähern ( W ü s t e n d ö r f e r S H R 165f.). Vgl. dazu auch Anm. 5 zu § 494 HGB. SieheRGHansRGZ 1929 B 341 und 1932 B 377. aa) „Der Betrieb einer Reederei" ist mehr als der „ d e r b e t r e f f e n d e n " oder „ e i n e r d e r a r t i g e n R e e d e r e i " . Der Korrespondentreeder h a t also Vollmacht, über die ursprünglichen Zwecke der Reederei hinauszugehen, z. B. Nord- oder Ostseeschiffe f ü r Überseereisen zu verfrachten, Passagierverträge über Warentransportschiffe abzuschließen (Prot. 1527), das Schiff mit Proviant oder Instrumenten auszurüsten oder mit Besatzungsmitgliedern (z.B. einem Schiffsarzt) zu versehen, wie sie auf einem derartigen Schiff nicht notwendig oder üblich sind. S c h l c g e l b e r g e r Anm. 1 zu §. 493 meint, die Reederei sei als Typus zu verstehen. Doch wird durch diese Formulierung unklar, ob er das Reedereigewerbe schlechthin als Typus meint, oder etwa einzelne Sparten, die sich innerhalb dieses Gesamtgewerbes gebildet haben, wie etwa europäische Linienfahrt oder große Trampfahrt. Nur f ü r den ersteren Fall wäre ihm zuzustimmen. 96

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§493

bb) Zu u n g e w ö h n l i c h e n Geschäften, d.h. solchen, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei nicht gewöhnlieh mit sich bringt, ist er nicht bevollmächtigt. U n g e w ö h n l i c h k e i t i s t a b e r n i c h t d a s s e l b e wie S e l t e n h e i t : es kann eine Rechtshandlung selten und doch in der Lage, in der die Reederei sich befindet, das gewöhnliche sein. Zutreffend legt deshalb das RG in RGZ 42, 73 (so auch HansOLG Bremen Hansa 1951 S. 996) den Abs. 1 in relativem Sinne dahin aus, daß der K o r r e s p o n d e n t r e e d e r a u f Grund s e i n e r g e s e t z l i c h e n V o l l m a c h t a l l e s d a s j e n i g e t u n d a r f , was im G e s c h ä f t s b e t r i e b e e i n e r R e e d e r e i b e i der L a g e , in der sie sich b e f i n d e t , n o r m a l e r w e i s e g e s c h i e h t , mag derg l e i c h e n o f t oder s e l t e n v o r k o m m e n , w i c h t i g oder u n w i c h t i g s e i n , hohe oder n i e d r i g e K o s t e n v e r u r s a c h e n : ungewöhnlich sei die Handlung nur dann, wenn ihre Vornahme u n t e r den o b w a l t e n d e n U m s t ä n d e n als ungewöhnlich und außerhalb des naturgemäßen Geschäftsbetriebes gelegen erscheinen würde. I n der P r a x i s sind als ungewöhnliche Geschäfte erachtet worden Einkauf von Waren zur Befrachtung des Schiffes (OAG Rostock Buchka und Budde Bd. 6 S.210), außergewöhnliche Freigebigkeiten (Samml. von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen 3.Forts. S. 133£f.; RGZ 9, 141); ferner dürfte dazu regelmäßig zu rechnen sein der Abschluß von Gewährleistungsverträgen im Sinne von § 486 Abs. 2 HGB, ein außergerichtlicher Vergleich über hohe Summen. Nichts Ungewöhnliches hat die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Schiffszusammenstößen (RGZ 42, 74) sowie der Abschluß von Verträgen über Bergung und Hilfsleistung in Seenot (Wagner H B 103). Die Anerkennung der Bezahlung einer Reedereischuld wird nicht durch die für den b e t r e f fenden B e t r i e b ungewöhnliche Höhe der letzteren zu einem ungewöhnlichen Geschäft (anders anscheinend RGZ 9, 139). Vgl. auch RGZ 71, 26; 123, 108. Der Korrespondentreeder kann wirksam den von den Mitreedern beschlossenen Verzicht auf den Wiederankauf eines an einen Feindbundstaat abgelieferten Schiffes erklären. Vgl. RG JRsch. 1925, S. 1380.

Anm. 9

b) In dem gleichen Umfange ist er zur Vertretung der Reederei vor Gericht befugt. Anm. 10 aa) I n dem g l e i c h e n U m f a n g e , d.h. er kann nur insoweit prozessieren, als es sich um Gegenstände handelt, die in den Kreis des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der Reederei — in dem in Anm. 9 dargelegten Sinne — gehören (Prot. 1528), wobei es aber nicht darauf ankommt, ob der betreffende Gegenstand ein unter seine Vollmacht fallendes Geschäft ist (Prot. 3743; anders L e w i s B d . l S.74; B o y e n s B d . l S.257): kann doch die gerichtliche Vertretung in Angelegenheiten in Frage kommen, die der Betrieb einer Reederei „gewöhnlich mit sich bringt", deren Erledigung aber unter die Vollmacht des Schiffers fällt (Notverkauf, Verbodmung). Gleichgültig ist, ob Haftung der Reederei mit dem Schiffs- oder mit dem Landvermögen in Frage steht. D a g e g e n i s t er zur V e r t r e t u n g der p e r s ö n l i c h in A n s p r u c h g e n o m m e n e n e i n z e l n e n M i t r e e d e r n i c h t b e f u g t (Lewis Endemann Handb. 4, 68; anders L e w i s B d . l S.74 und B o y e n s B d . l S.257 Note 2). Dem steht nicht entgegen, daß kraft positiver Vorschrift des § 858 Abs. 3 ZPO der Beschluß betreffend die Pfändung einer Schiffspart auch ihm zugestellt werden soll. S o w e i t die B e f u g n i s des K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s zur g e r i c h t l i c h e n V e r t r e t u n g der R e e d e r e i n i c h t a u s r e i c h t und n i c h t d i e j e n i g e des S c h i f f e r s (§ 761 Abs. 2 HGB) e i n t r i t t , muß sie von s ä m t l i c h e n M i t r e e d e r n oder von e i n e r P a r t e n m a j o r i t ä t v e r t r e t e n werden. Doch kann die Reederei einen Sondervertreter ernennen, auch dem Korrespondentreeder eine besondere Vollmacht erteilen. b) Seine Aufgabe ist stets nur die V e r t r e t u n g der Reederei, er selbst ist nicht Partei. Anm. 11 Er ist daher im Rubrum auch nur als Vertreter zu bezeichnen, während als vertretene Partei die Reederei zu benennen ist, ohne daß die Hinzufügung der Namen der Mitreeder erforderlich wäre (Anm. 14 zu § 489 HGB). Über die Leistung von Parteieiden vgl. Anm. 17 zu § 489 HGB. cc) Zur gerichtlichen Vertretung ist er durchweg nur b e f u g t , n i c h t verpflichtet (Prot. 3743; Anm. 12 RGZ 1, 296; LG Hamburg HansGZ 1911 Nr. 88; W a g n e r HB204). Dies hindert aber nicht, in analoger Anwendung von § 173 ZPO anzunehmen, daß Klagen gegen die Reederei ihm gültig zugestellt werden können (HansOLG HansGZ 1911, 170 = OLGRechtspr. Bd. 23 5. 92 = Hansa 1911 S. 387; W ü s t e n d ö r f e r SHR 165; anders B o y e n s Bd. 1 S. 258 Note 3; M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht, S. 193. RGZ 1, 298 und HansOLG HansGZ 1896 Nr. 6 lassen die Frage ofEen. Doch kann sich, worauf W ü s t e n d ö r f e r a.a.O. und H B 477 zutreffend 7

Schaps-Abraham, Seerecht II

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§493

Vierter Teil. Seehandelsrecht

hinweist, unter Umständen kraft Verkehrssitte (§ 157 BGB, § 346 HGB) f ü r den Korrespondentreeder auch eine Verpflichtung zur Vertretung vor Gericht ergeben. Anrn. 13

2. Beispiele, In denen die Vollmacht des Korrespondentreeders gegeben Ist. Die Vollmacht des Korrespondentreeders erstreckt sich insbesondere a) auf die Ausrüstung des Schilfes, d.h. die Vornahme aller Handlungen, durch die das Schifi mit denjenigen Ausrüstungsgegenständen versehen wird, die zu seiner zweckentsprechenden Verwendung dienlich sind. Hierher gehört im Sinne des § 493 nicht nur die Anschaffung von Gerätschaften, Proviant usw., sondern auch die Bemannung (Lewis Bd. 1 S.73; W a g n e r H B 203; anders B o y e n s Bd. 1 S.256; R i t t e r , Die öffentlichrechtlichen Pflichten des Schiffers vor Antritt der Reise, Greifswalder Diss. 1894 S.29), also die Eingehung von Heuerverträgen, obschon dieselbe durch den Schiffer erfolgen kann (§ 526 Abs. 2 HGB), und deren Erfüllung (ROHG 8, 343). Geht der Korrespondentreeder bei der Ausrüstung des Schiffes über seinen Auftrag hinaus — z. B. er schafft f ü r einen zwischen Cuxhaven und Helgoland fahrenden Passagierdampfer Gerätschaften zum Walfischfange an, er engagiert f ü r einen gewöhnlichen Fischdampfer einen Schiffsarzt —, so sind diese Verträge auf Grund des Abs. 1 (oben Anm. 8) f ü r die Reederei verpflichtend, sofern sie nicht den Nachweis des § 495 HGB erbringt. Ein auf die Ausrüstung des Schiffes bezügliches Geschäft, welches der Betrieb einer Reederei n i c h t gewöhnlich mit sich bringt (Anm. 9), welches also f ü r die Reederei nicht verbindlich wäre, z. B. die Anschaffung von Apparaten f ü r eine wissenschaftliche Expedition, fällt dagegen nicht unter die Vollmacht.

Anm. 14

b) auf die Erhaltung des Schiffes, d. i. nicht nur die Abwendung weiterer Verschlechterung, gänzlicher Zerstörung oder des Verlustes (so RGZ 83, 134), also die Erhaltung seiner Substanz, sondern, und zwar vor allem, s e i n e E r h a l t u n g f ü r s e i n e n E r w e r b s z w e c k (vgl. auch RGZ 70, 277), also seine Wiederherstellung. Dazu gehört vor allem die Vornahme von Reparaturen, soweit nicht ReparaturunWürdigkeit vorliegt ( W a g n e r H B 203 Anm. 11; d e r R e e d e r e i g e g e n ü b e r ist er nach § 496 Abs.2 bei außergewöhnlichen Reparaturen f ü r Einholung eines Reedereibeschlusses verpflichtet!); ferner die Eingehung von Berge- und Hilfsleistungsverträgen zur Rettung des Schiffes.

Anm. 15

c) auf die Verfrachtung des Schiffes, d. h. den Abschluß von Fracht- und Passagierverträgen. Nicht unter den Begriff der Verfrachtung fällt die Eingehung von Bugsierverträgen (anders W a g n e r H B 203), Bergungs- und Hilfsleistungsverträgen zugunsten eines fremden Schiffes: indessen ist der Korrespondentreeder zu diesen Akten auf Grund der Bestimmung des Abs. 1 (oben Anm. 7ff.) befugt. Zur Hingabe des Schiffes an einen Ausrüster (§ 510 HGB) wird der Korrespondentreeder regelmäßig nicht befugt sein, weil dies im allgemeinen nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb einer Reederei gehört. Während der Dauer des Ausrüsterverhältnisses ist nämlich der Eigentümer des Schiffes nicht Reeder im privatrechtlichen Sinne (Anm. 1 zu § 484 HGB). Dagegen fallen unter die Vollmacht des Korrespondentreeders Zeitcharterverträge mit Miet- und Frachtvertragscharakter, bei denen die Reedereigenschaft des Vermieters oder Verfrachters erhalten bleibt (anders bezüglich der Mietverträge die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 15 zu § 493; W ü s t e n d ö r f e r SHR 165; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 3 zu § 493). Die Vollmacht bezüglich der Mietverträge ergibt sich, sollte sie nicht aus Abs. 2 folgen, jedenfalls aus § 493 Abs. 1. Die vom Korrespondentreeder abgeschlossenen, auf die Verfrachtung des Schiffes bezüglichen Geschäfte sind gültig, auch wenn die nach § 496 Abs. 2 HGB zu neuen Reisen und Unternehmungen erforderlichen Reedereibeschlüsse nicht eingeholt sind.

Anm. 16

d) auf die Versicherung von Fracht, Ausrüstungskosten und Havareigeldern. Die Sicherung vor dem Verlust derartiger Aufwendungen bzw. Forderungen liegt so sehr im dringenden Interesse der Reederei und entspricht so sehr der Üblichkeit, daß das Gesetz den Korrespondentreeder ein f ü r allemal zur Versicherungsnahme bevollmächtigt, und es sogar nicht zu weit gegangen ist, ihm mit dem ROHG (15, 119) und Wagner H B 207 f ü r die Regel geradezu eine Verpflichtung dazu aufzuerlegen. Die vom Korrespondentreeder im Namen der Reederei genommene Versicherung ist keine solche f ü r fremde Rechnung (§783 H B ; § 52 ADS). Dagegen erstreckt sich die Vollmacht nicht auf die Versicherung des Schiffes und der Schiffsparten. Vgl. Abs. 5 und Anm. 25. 98

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§493

e) auf die mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (d. h. e i n e r Reederei) verbundene Emp- Anm, 17 fangnahme von Geldern, also stets von Fracht-, Passagegeldern, Schlepp-, Berge-, Hilfslohn. Aus der Heranziehung des Einzelfalles ist aber nicht gegenteilig zu folgern, daß in allen nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörigen Fällen der Korrespondentreeder zur Empfangnahme von Geldern nicht bevollmächtigt sei. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Beispiele des Abs. 2 den Grundsatz des Abs. 1 nicht einschränken sollen (RGZ 42, 73), daß also der Korrespondentreeder schon nach Abs. 1 auch zur Empfangnahme von Geldern befugt ist, wo deren Entgegennahme im Geschäftsbetrieb der Reederei nach der tatsächlichen Sachlage das Normale ist. Es liegt darum kein Anlaß vor, dem Korrespondentreeder die Befugnis zur Empfangnahme von Havariegrossebeiträgen (anders L e w i s Endemann Handb. Bd. 4 S.67) oder des Kaufgelds im Liquidationsstadium abzusprechen. f) auf die Anstellung und Entlassung des Schiffers: diese von ihm vorgenommenen Akte Anm. 18 sind gültig, auch wenn er den in § 496 Abs. 2 H G B vorgeschriebenen Reedereibeschluß nichteingeholt hat. In der Anstellung des Schiffers liegt keine Substitution des letzteren in die eigene Vollmacht des Korrespondentreeders (oben Anm. 6). g) auf die Instruktion des Schiffers: der Schiffer hat sich an die Anweisung des Korrespon- Anm. 19 dentreeders zu halten und etwaige Instruktionen „einzelner" Mitreeder zu ignorieren. Dagegen gehen diejenigen der Mehrheit (§ 491 HGB) denen des Korrespondentreeders vor ( W a g n e r H B S. 205, 284; L. P e r e i s Z H R Bd. 58 S. 23). 3. Abgrenzung nach der negativen Seite. Das Gesetz zählt gewisse Geschäfte auf, zu denen Anm. 20 der Korrespondentreeder gesetzlich nicht bevollmächtigt ist, also auch nicht, sofern sie „der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt". Natürlich kann seine Vollmacht rechtsgeschäftlich erweitert werden oder nachträglich Genehmigung erfolgen. In modernen Reedereisatzungen wird der Korrespondentreeder meistens auch zur Wechselzeichnung, zur Darlehnsaufnahme und zur Versicherungsnahme f ü r Schiff oder Schiffsparten bevollmächtigt ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 165; RGZ 123, 110). Die Geschäfte, zu denen der Korrespondentreeder ohne besondere Vollmacht n i c h t befugt ist, sind a) Eingehung von Wechselverbindlichkeiten n a m e n s d e r R e e d e r e i o d e r e i n z e l n e r Anm. 21 M i t r e e d e r . Zu wechselrechtlichen Akten ist er somit — immer vorausgesetzt, daß ein Fall des Abs. 1 vorliegt — nur insoweit befugt, als keine wechselrechtlichen Verbindlichkeiten f ü r die von ihm Vertretenen hieraus entstehen (Prokuraindossament, Indossament nach Protest, Indossament ohne Obligo). b) Aufnahme von Darlehen n a m e n s d e r R e e d e r e i o d e r e i n z e l n e r M i t r e e d e r . Anm. 22 Hierher gehört auch die Eröffnung eines Kredits f ü r den Schiffer bei einem Dritten (ROHG 25,49), aber nicht die Benutzimg des üblichen Bankkredits oder der Abschluß eines Kontoeröffnungsvertrages mit einer Bank, der möglicherweise zu Vorschüssen der letzteren führen kann (HansOLG Recht 1912 Nr. 1237). Sofern sich Geschäfte wie diejenigen zu a und b vernotwendigen, ist es unter Umständen Pflicht eines sorgfältigen Korrespondentreeders, sie im e i g e n e n N a m e n , wenn auch f ü r Rechnung der Reederei, vorzunehmen, „in Vorschuß zu gehen" (Prot. 3716; W a g n e r H B 206; vgl. Buchka u. Budde, Entsch. des OAG Rostock Bd. 6 S. 199). Siehe Anm. 10 zu § 500 HGB. Heutige Reedereisatzungen erstrecken die Vollmacht des Korrespondentreeders durchweg auch auf die Befugnis zur Wechselzeichnung und Darlehnsaufnahme. Beides gehört heute zum laufenden kaufmännischen Betrieb ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 165; s. auch oben Anm. 20). c) Verkauf des Schiffes oder einzelner Schiffsparten. Und zwar steht ihm dies auch nicht in Anm. 23 den Fällen zu, in denen der Schiffer dazu gesetzlich befugt ist. Ebensowenig kann er an Stelle des Schiffers im Nothafen Ladungsbeteiligte verpflichten (AG Ritzebüttel und OG Hamburg HansGZ 1879 S. 179, 181). d) Verpfändung von Schiff oder Schiffsparten, d.h. Bestellung von Schiffshypotheken. Anm. 24 Vgl. dazu im einzelnen, insbesondere auch rechtsvergleichend § 8 SchRG Anm. 13 (Bd. I S. 382). Hierzu bedarf der Korrespondentreeder einer besonderen Vollmacht. Der Erteilung 7»

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§494

Vierter Teil. Seehandelsrecht

einer besonderen Vollmacht kann gleich zu behandeln sein der Fall, daß die Mitreeder das Schiff im Schiffsregister auf den alleinigen Namen des Korrespondentreeders eintragen oder stehen lassen, soweit nämlich im konkreten Fall darin schon die besondere Vollmacht zu erblicken ist. Vgl. zu diesem Fall der „Stillen Reederei" Anm. 3 zu § 490 HGB. Jedenfalls können die Mitreeder sich dann nicht auf die Unrichtigkeit des Registerinhalts berufen, wenn der Korrespondentreeder die Rechtslage mißbraucht und eine Schiffshypothek für einen gutgläubigen Dritten eintragen läßt. An dieser Folgerung ist heute im Hinblick auf § 16 SchRG kein Zweifel. Sie wurde aber auch schon vor Erlaß des SchRG gezogen. Vgl. RGZ 74, 408 ff. = HansGZ 1912, 252 = SeuffA Bd. 68 S. 265 = LZ 1912 S. 926 = Hansa 1912 S. 651; HansOLG HansGZ 1911, 223. Verpfändung des Schiffes ist n i c h t der Abschluß von Verträgen, die ein gesetzliches Pfandrecht am Schiff für die Gegenseite zur Folge haben können (z. B. Bergungsverträge). Anm, 25 e) Versicherung von Schiff oder Schiffsparten. Das Gesetz rechnet die Kaskoversicherung, insbesondere diejenige des ganzen Schiffes (Anm. 6 zu § 492 HGB), nicht zu den Geschäften, die der Betrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. Es war durchaus gewöhnlich, daß Reeder oder Mitreeder — namentlich wenn sie an mehreren Schiffen beteiligt waren — die Gefahr des Kaskos ganz oder teilweise selbst übernahmen, als „Selbstversicherer" auftraten. Deshalb gibt das Gesetz dem Korrespondentreeder nicht die Befugnis, ohne besondere Vollmacht Kaskoversicherungen zu nehmen. Tut er dies aber dennoch, so ist die Versicherung nicht nichtig, sondern unterliegt den allgemeinen diesbezüglichen Versicherungsregeln des Seeversicherungsrechts (§ 52 ADS, §§ 782, 783 HGB). Für das Innenverhältnis des Korrespondentreeders zu der Partenreederei und den einzelnen Mitreedern für diesen Fall vgl. Anm. 5 zu § 492 HGB. Heutige Reedereisatzungen erstrecken die Vollmacht des KorrespondeDtreeders durchweg auch auf die Kaskoversicherung (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 165; siehe auch oben Anm. 20). Vgl. das Reedereistatut im Anhang zu §§ 482 bis 509 HGB. § 494 Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentreeder als solcher innerhalb der Grenzen seiner Befugnisse schließt, wird die Reederei dem Dritten gegenüber auch dann berechtigt und verpflichtet, wenn das Geschäft ohne Nennung der einzelnen Mitreeder geschlossen wird. Ist die Reederei durch ein von dem Korrespondentreeder abgeschlossenes Geschäft verpflichtet, so haften die Mitreeder in gleichem Umfange (§ 486), als wenn das Geschäft von ihnen selbst geschlossen wäre. Elnleitg.

Anm. 1

Der Paragraph enthält den Grundsatz der direkten Stellvertretung für die Geschäfte, die der Korrespondentreeder als solcher innerhalb seiner Vertretungsmacht abgeschlossen hat. Er bezieht sich auf Rechtsgeschäfte und auf gerichtliche Handlungen des Korrespondentreeders. Über die Haftung für seine Delikte s. u. Anm. 5. 1. (Abs. 1.) Die Wirkungen des vom Korrespondentreeder als solchem Innerhalb seiner Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts treffen die Reederei. a) Erste Voraussetzung: der K o r r e s p o n d e n t r e e d e r m u ß als s o l c h e r , als V e r t r e t e r der R e e d e r e i (Anm. 13ff. zu §489 HGB) a b g e s c h l o s s e n h a b e n ; es macht keinen Unterschied, ob seine Erklärung ausdrücklich im Namen der Reederei erfolgt ist, oder ob die Umstände ergeben, daß sie in deren Namen erfolgen sollte (§ 164 Abs. 1 BGB; ROHG 15, 122). Die Benennung der Namen der einzelnen Mitreeder ist, wie das Gesetz hervorhebt, nicht erforderlich; als genügend ist Bezugnahme auf das Schiff zu erachten. Handelt der Korrespondentreeder im eigenen Namen, wenn auch für Rechnung der Reederei, so wird nur er berechtigt und verpflichtet, handelt er als Spezialbevollmächtigter einzelner Mitreeder, nur diese. Daß der Korrespondentreeder „als solcher" gehandelt hat, muß derjenige beweisen, der Rechte daraus herleitet: es muß also der in Anspruch genommenen Reederei oder den nach § 507 HGB haftenden Mitreedern bewiesen werden, daß der Korrespondentreeder als Vertreter der Reederei aufgetreten ist. Umgekehrt muß dem persönlich in Anspruch genommenen

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§494

Korrespondentreeder bewiesen werden, daß er im eigenen Namen abgeschlossen hat, falls er behauptet, daß er seinen Willen, in fremdem Namen zu handeln, beim Vertragsabschluß zum Ausdruck gebracht habe (RG Warneyer Rspr. 1 (1907/08) S.69; OLG Rostock MecklZ Bd. 13 S. 205). b) Zweite Voraussetzung: der K o r r e s p o n d e n t r e e d e r m u ß d i e G r e n z e n s e i n e r — gesetzlichen oder durch A u f t r a g erweiterten Vertretungsmacht innegehalten h a b e n . Bei Überschreitungen derselben haftet, sofern keine Genehmigung eintritt, nur er selbst nach § 179 BGB (Anm. 5 zu § 493 HGB). Über den Fall der Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse siehe § 495 HGB. c) Liegen beide Voraussetzungen vor, so t r e f f e n die W i r k u n g e n des G e s c h ä f t s d i e R e e d e r e i (§ 164 BGB): sie muß das Geschäft gegen sich gelten lassen, wie es der Korrespondentreeder abgeschlossen hat. Hinsichtlich des Einflusses von Willensmängeln und der Kenntnis oder des Kennenmüssens gewisser Umstände gilt § 166 BGB.

Anm. 2

Anm. 3

2. (Abs. 2.) Der Umlang der Haftung der aus Rechtsgeschäften des Korrespondentreeders verpflichteten Mitreeder — d. h., je nach Sachlage, der Mitreeder in ihrer Verbundenheit oder einzeln (§ 507 HGB) — ist kein anderer, als wenn die Mitreeder selbst abgeschlossen hätten. Die Bestimmung dieses Absatzes ist, weil selbstverständlich, überflüssig, ja sogar irreführend infolge des Zitats des § 486 HGB, das zu dem Mißverständnis verleiten kann, es trete auf Grund von Rechtshandlungen des Korrespondentreeders stets beschränkte Haftung ein.

Anm. 4

3. Die Frage, ob die Reederei und mit ihr evtl. die Mitreeder für den einem Dritten durch den Korrespondentreeder verursachten Schaden zu haften haben, ist mit Sicherheit dahin zu beantworten, daß s t e t s ein Verschulden des Korrespondentreeders zu v e r t r e t e n i s t , soweit sich die Reederei seiner zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient (§ 278 BGB). Insoweit besteht auch eine Haftung f ü r culpa in contrahendo. Für Schäden, die der Korrespondentreeder (der stets „zu einer Verrichtung bestellt" ist: Anm. 28f. zu § 485 HGB) in A u s ü b u n g d e r i h m ü b e r t r a g e n e n V e r r i c h t u n g einem Dritten w i d e r r e c h t l i c h zufügt, haften Reederei und evtl. die Mitreeder an sich nur im Rahmen des § 831 BGB, also mit der Möglichkeit, den in § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Entlastungsbeweis zu führen. Es ist indessen die Frage aufzuwerfen, ob es nicht dem praktischen Bedürfiiis entspricht, in Annäherung an das gewohnheitsrechtliche Vorbild der offenen Handelsgesellschaft die Partenreederei für den deliktischen Schaden, den der Korrespondentreeder im Rahmen seiner Aufgaben einem Dritten zufügt nach Analogie des § 31 BGB, nicht nur aus § 831 BGB, haften zu lassen (so mit Recht W ü s t e n d ö r f e r HB 480 und SHR 166; zustimmend RG vom 31.3.1944,1 20/43). Ablehnend S c h l e g e l b e r g e r Anm. 3 zu § 494 HGB mit der Begründung, die Rechtsstellung des Korrespondentreeders ähnele weniger der des vertretungsberechtigten Gesellschafters einer OHG als der des Prokuristen, für den auch im Betrieb einer OHG nicht nach § 31 BGB, sondern nur nach § 831 BGB gehaftet werde. Diese Annahme Schlegelbergers entspricht nicht der Rechtswirklichkeit. Der Prokurist hat in aller Regel einen Prinzipal über sich, während der Korrespondentreeder in weitem Umfange die Möglichkeit hat, sich wie ein Prinzipal zu gebärden, besonders wenn er Korrespondentreeder nicht nur einer, sondern mehrerer Partenreedereien ist. Er tritt nach außen in den meisten Fällen wie ein Firmenchef auf. Hat der Korrespondentreeder gemäß § 831 BGB für einen Gehilfen zu haften, so haftet über die entsprechende Anwendung des § 31 BGB mittelbar auch die Reederei für dieses zum Schadensersatz führende Verhalten des Korrespondentreeders, nämlich für dessen schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Auswahl und Beaufsichtigung (RGZ 142, 356, 368; RG J W 1932 S. 1039). Würde man indessen entgegen der hier vertretenen Ansicht § 31 BGB nicht zur entsprechenden Anwendung auf den Korrespondentreeder bringen und wäre die unerlaubte Handlung durch einen Gehilfen des Korrespondentreeders begangen, so wäre der Entlastungsbeweis dahin zu führen, daß die Reederei den Korrespondentreeder sorgfältig ausgewählt und überwacht habe, oder daß der Schaden auch bei Auswahl oder Überwachung eingetreten wäre. Der Nachweis, daß der Korrespondentreeder selbst nicht schuldhaft gehandelt habe, oder daß der Gehilfe des Korrespondentreeders sorgfältig ausgewählt oder überwacht sei, wäre dann zur Entlastung der Reederei weder erforderlich noch ausreichend. So zutreffend S c h l e g e l b e r g e r a.a.O. unter Hinweis auf BGHZ 4, 1.

Anm. 5

101

§ § 495, 496

Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Vierter Teil. Seehandelsrecht

§ 495 Eine Beschränkung der im § 493 bezeichneten Befugnisse des Eorrespondentreeders kann die Reederei einem Dritten nur entgegensetzen, wenn die Beschränkung dem Dritten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts bekannt war. Vollmachtsbeschränkungen und Wirkungen derselben. 1. Die gesetzliche Vollmacht des Korrespondentreeders Ist beschränkbar und zwar örtlich, zeitlich oder inhaltlich, im letzteren Talle entweder generell hinsichtlich gewisser Gattungen von Geschäften oder speziell f ü r den Einzelfall (Prot. 3795). Die Beschränkung kann im Reedereivertrage oder bei der Anstellung des Korrespondentreeders festgelegt, aber auch erst durch spätere Reedereibeschlüsse geschaffen werden. Die Vollmachtsbeschränkung ist von der sich auf sie berufenden Reederei zu beweisen. 2. Die Wirkung der VoIImaehtsbeschränkung äußert sieh a) n u r z u g u n s t e n d e r R e e d e r e i : nur sie kann sich, wenn die Voraussetzung zu b zutrifft, darauf berufen, nicht der von ihr in Anspruch genommene gut- oder bösgläubige Dritte. Der R e e d e r e i s t e h t also die G e n e h m i g u n g der A u f t r a g s ü b e r s c h r e i t u n g f r e i ; b) n u r g e g e n ü b e r d e m b ö s g l ä u b i g e n D r i t t e n , d.h. demjenigen, dem bewiesen wird, aa) d a ß i h m d i e V o l l m a c h t s b e s c h r ä n k u n g b e k a n n t w a r o d e r i n f o l g e g r o b e r F a h r l ä s s i g k e i t u n b e k a n n t w a r . Es bestehen keine Bedenken, trotz des beschränkteren Gesetzeswortlauts dem Vorsatz m i n d e s t e n s die grobe Fahrlässigkeit gleichzustellen (so W ü s t e n d ö r f e r SHR 166, S c h i e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §495; f ü r Einbeziehung auch sogar der leichten Fahrlässigkeit die Vorauflage dieses Kommentars; Prot. 1532, W a g n e r H B 207, B o y e n s B d . l S.261; anders L a b a n d ZHR Bd. 10 S. 224, H . P e r e i s ZHR Bd. 58 S.135). Grobe Fahrlässigkeit liegt z. B. dann vor, wenn der Dritte die ihm vorgelegte schriftliche Vollmacht des Korrespondentreeders durchzulesen unterläßt (Lewis Bd. 1 S. 77) oder ihren Inhalt vergessen hat, oder wenn er trotz w a c h g e r u f e n e n V e r d a c h t s eine Erkundigung über das Vorhandensein vonVollmachtsbeschränkungen unterläßt. Dagegen besteht keine allgemeine Erkundigungspflicht des Dritten, nicht einmal darüber, ob der Korrespondentreeder in den Fällen von § 496 Abs. 2 HGB die erforderlichen Reedereibeschlüsse eingeholt hat. Selbst seine Kenntnis, daß dies nicht der Fall war, ist nicht der Kenntnis einer Vollmachtsbeschränkung gleichzustellen; bb) u n d z w a r z u r Z e i t d e s V e r t r a g s s c h l u s s e s : später erworbene Kenntnis des Dritten ist gleichgültig. 3. Durch § 495 nicht berührt wird § 493 Abs. 5 HGB, weil dort überhaupt keine Befugnis gewährt wird. § 496 Der Reederei gegenüber ist der Korrespondentreeder verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche von ihr für den Umfang seiner Befugnisse festgesetzt sind; er hat sich ferner nach den gefaßten Beschlüssen zu richten und die Beschlüsse zur Ausführung zu bringen. Im übrigen ist der Umfang seiner Befugnisse auch der Reederei gegenüber nach den Vorschriften des § 493 mit der Maßgabe zu beurteilen, daß er zu neuen Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen sowie zur Anstellung oder zur Entlassung des Schiffers vorher die Beschlüsse der Reederei einzuholen hat.

Einleltg.

Anm. I

Verhältnis des Korrespondentreeders zur Reederei. Dasselbe regelt sich nach der im Reedereistatut oder außerhalb desselben erteilten G e s c h ä f t s f ü h r u n g s b e f u g n i s (Auftrag Dienstvertrag, Gesellschaftsverhältnis). I. (Abs. 1). Der Korrespondentreeder hat sieh nach der ihm erteilten Geschäftsftthrungsbefugnis zu richten, gleichviel ob diese sich inhaltlich mit seiner gesetzlichen Vertretungsmacht deckt, oder ob durch dieselbe seine gesetzlichen Befugnisse beschränkt bzw. erweitert werden; die Reedereibeschlüsse (§ 491 HGB) sind f ü r ihn maßgebend, und er hat sie zur Ausführung zu bringen. Handelt er diesen allgemeinen Pflichten aus seiner Geschäftsführungsbefugnis zuwider, so macht er sich schadensersatzpflichtig. 102

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§496

II. (Abs. 2). Soweit sich aus dem der Geschäftsftthrungsbefugnis zugrundeliegenden Rechtsverhältnis nichts gegenteiliges ergibt, wird — abgesehen von den unten zu behandelnden Abweichungen — angenommen, daß sich der Inhalt der Geschäftsftthrungsbefugnis mit dem gesetzlich vermuteten Vollmachtsumfang deckt. Vgl. auch L a b a n d ZHR Bd. 10 S. 220. Siehe RGZ 123, 108. Nur für drei Fälle bestimmt der Abs. 2 eine Abweichung insofern, als der Korrespondentreeder, bevor er die betreffenden — an sich gemäß § 493 in den Kreis seiner Befugnisse fallenden — Handlungen vornimmt, die Beschlüsse der Reederei einzuholen hat. Doch kann auch dieserhalb Abweichendes vereinbart werden (RG a.a.O.). Das RG (RGZ 9, 139) hat dem Korrespondentreeder auch dann die Pflicht zur Einholung eines Reedereibeschlusses auferlegt, wenn es sich um die Anerkennung oder Bezahlung von Reedereischulden handelt, deren Höhe über das im laufenden Geschäftsbetrieb gewöhnlich Vorkommende hinausgeht. Dem ist jedoch nur für den Fall beizustimmen, wenn jene Akte derartig sind, daß sie der Geschäftsbetrieb e i n e r Reederei nicht gewöhnlich mit sich bringt, was aus der ungewöhnlichen Höhe der Summe f ü r d e n b e t r e f f e n d e n B e t r i e b nicht ohne weiteres zu folgern ist (Anm. 8ff., insbesondere Anm. 9 zu § 493 HGB). 1. Die drei Fälle. a) Neue Reisen und Unternehmungen. R e i s e im Sinne des vorliegenden Paragraphen ist jede Ausfahrt, nicht nur eine solche, zu der das Schiff neu ausgerüstet werden muß (so auch B o y e n s Bd. 1 S. 263; anders ROHG 22, 290. Den Reisebegriff des § 757 HGB wenden an W a g n e r H B 220 und LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 225ff. = ZHR Bd. 38 S. 250); n e u ist jede Reise oder Unternehmung, deren Ausführung nicht schon früher beschlossen worden ist (Prot. 3723; ROHG a.a.O;. vgl. S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 496: „außerhalb der genehmigten Planung liegende Reisen"). Nur hieraufkommt es an: nicht darauf, ob sie „neu" im Sinne von „außergewöhnlich", etwa besonders gefährlich oder kostspielig ist (ROHG a.a.O.). Weil der Begriff der U n t e r n e h m u n g (die auch eine Mehrheit von Reisen sein kann) denjenigen der R e i s e umfaßt, so sind die Worte „Reise und" überflüssig; trotzdem wurde ihre Streichung von der Kommission abgelehnt, ohne daß ein Grund für diesen Beschluß aus den Protokollen ersichtlich ist (Prot. 3717). Daß das Recht der Mitreeder, über die Verwendung des Schiffes zu einer neuen Reise zu beschließen, sich außerdem auf die dieserhalb zu machenden Ausgaben erstrecke, wie das LG Oldenburg a. a. O. ausspricht, kann nicht anerkannt werden: hat die Reederei die neue Reise beschlossen, so beauftragt sie damit im Zweifel den Korrespondentreeder zur Aufwendung aller erforderlichen Ausgaben. Werden indessen im L a u f e der beschlossenen Reise außergewöhnliche Reparaturen erforderlich, so ist ein neuer Reedereibeschluß einzuholen. Moderne Reedereisatzungen schalten die Beschränkung hinsichtlich neuer Reisen regelmäßig aus (RGZ 123, 108; W ü s t e n d ö r f e r SHR 166). b) Außergewöhnliche Reparaturen. Maßgebend sind Umfang und Kosten der Reparatur (vgl. ROHG 24, 61), gleichgültig ihre Ursache (anders LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 225 = ZHR Bd. 38 S. 249), unerheblich auch, ob etwa die Kosten ganz oder zum Teil durch die Versicherung gedeckt werden (LG Oldenburg a.a.O.). Zu den außergewöhnlichen Reparaturen gehört namentlich die Wiederherstellung eines Wracks oder seeuntüchtigen Schiffes. — Stellt sich nachträglich heraus, daß die Kosten der beschlossenen Reparatur den Anschlag erheblich übersteigen, so muß der Korrespondentreeder einen neuen Reedereibeschluß einholen (RGZ 58, 198). Auch die Beschränkung zu b wird vielfach durch Reedereibeschluß ausgeschaltet. c) Anstellung und Entlassung des Schiffers: siehe Anm. 10 Vorbem. vor § 511 HGB. 2. In diesen Fällen muß der Korrespondentreeder einen Beschluß der Reederei einholen. Über die Art und Weise, wie das zu geschehen hat, s. Anm. 8 zu § 491 HGB. Es wurde bereits erwähnt, daß moderne Reedereisatzungen den Korrespondentreeder hiervon vielfach entbinden. Doch besteht ein derartiges Gewohnheitsrecht nicht (vgl. auch LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 223 = ZHR Bd. 38 S. 249). Verzicht der Mitreeder auf ihr Beschlußrecht ist zulässig, aber nicht ohne weiteres in der Nichtbeanstandung oder Genehmigung früherer Eigenmächtigkeiten zu erblicken (LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 224 = ZHR Bd. 38 S. 249; Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen, 2. Aufl. 1862 S. 6 und 36). Da, wenn der Korre-

108

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5 Anm. 6

§ § 497, 4 9 8

Ann. 7

Anm. 1

Anm. 2

Vierter Teil. Seehandelsrecht

spondentreeder freier gestellt ist, keinenfalls das Abandonrecht der Mitreeder verkümmert werden darf, muß von ihm verlangt werden, daß er Beschlüsse, betreffend neue Reisen und Reparaturen im Sinne des § 501 HGB, den Mitreedern meldet (Boyens Bd. 1 S. 264). 3. Folge der Nichteinhaltung des Reedereibesehlusses ist nicht Ungültigkeit des vom Korrespondentreeder geschlossenen Geschäfts, sondern, sofern nicht Genehmigung seitens der Mehrheit (ROHG 22, 295) eintritt, Haftung des Korrespondentreeders der Reederei, evtl. der Minderheit (Anm. 4 zu § 499 HGB) gegenüber für den entstandenen Schaden, f a l l s er s c h u l d h a f t g e h a n d e l t h a t . Das ist insbesondere dann zu verneinen, wenn die s c h l e u n i g e Erledigung der Angeigenheit ohne Einholung eines Reedereibesehlusses der Sorgfalt eines ordentlichen Reeders (§ 497 HGB) entsprach. § 497 Der Korrespondentreeder ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Reederei die Sorgfalt eines ordentlichen Reeders anzuwenden. Sorgfalt des Korrespondentreeders in Reedereiangeigenheiten. Reedereiangelegenhelten sind nicht nur solche Geschäfte, deren Erledigung unter die gesetzliche Vollmacht des Korrespondentreeders fällt, sondern auch diejenigen, die er kraft besonderer Vollmacht oder als Geschäftsführer ohne Auftrag vornimmt (vgl. Anm. 20 zu § 493 HGB). Zu ihnen gehört üblicherweise die Besorgung von auf die Schiffspart bezüglichen Angelegenheiten der Mitreeder kraft Auftrags oder Geschäftsführung ohne Auftrag. Wenn das Gesetz den Korrespondentreeder zur Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Reeders verpflichtet, so legt es, wie bei der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, einen absolutenMaßstab an: nicht, wie der Korrespondentreeder in eigenen Angelegenheiten verfährt (Prot. 1535), hat er sich in Reedereiangelegenheiten zu benehmen, sondern so, wie ein o r d e n t l i c h e r R e e d e r n o r m a l e r w e i s e h a n d e l t . Der Begriff der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) ist auf den Wirkungskreis des Reeders übertragen. Hieraus ergibt sich, daß sich allgemeine Regeln über das, was der Korrespondentreeder, um der Vorschrift des Gesetzes zu genügen, zu tun und zu lassen hat, nicht aufstellen lassen: es entscheiden die Umstände des Falles und die Anschauungen der betreffenden Kreise. Reispielsweise ist es Sache eines ordentlichen Reeders, also auch Korrespondentreeders, für die Erfüllung der im FlaggRG, in der SchRO und in dem SeemG festgesetzten Verpflichtungen zu sorgen; sich über die offiziellen, auf die Schiffahrt bezüglichen Nachrichten zu orientieren (Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen, 2. Aufl., 1862 S. 40); die für die Mitreeder verauslagten Vorschüsse zu versichern (OAG Rostock bei B u c h k a u. B u d d e Bd. 6 S. 207; ROHG 15, 119); für den erforderlichen Kredit des Schiffers an auswärtigen Orten zu sorgen (Boyens Bd. 1 S. 266); sich nach Frachten für das Schiff umzusehen (Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen a.a.O.); sofern Auftrag zur Versicherung des Schiffs oder von Schiffsparten vorliegt, dafür zum vollen Wert Versicherung zu nehmen (vgl. ROHG 8, 65) oder sich wenigstens darum zu bemühen (HansOLG HansGZ 1912, 207; RG HansGZ 1913, 125); den Mitreedern, sobald es ihr Interesse gebietet, oder es verkehrsüblich ist, auch unverlangt Auskunft zu geben (Anm. 3 zu § 498 HGB). Außerordentliche Umstände, wie Kriegszustände, können außerordentliche Tätigkeit erheischen (ROHG 15, 174ff.). V e r n a c h l ä s s i g u n g der Sorgfalt eines ordentlichen Reeders macht den Korrespondentreeder schadensersatzpflichtig. Die B e w e i s l a s t für ihre Anwendung trifft den Korrespondentreeder (vgl. RGZ 20, 269). Ob Genehmigung des Verhaltens des Korrespondentreeders durch die Reederei diesen entlastet, ist eine Frage des konkreten Falles, die aber jedenfalls nicht ohne weiteres zu bejahen ist. § 498 Der Korrespondentreeder hat über seine die Reederei betreffende Geschäftsführung abgesondert Buch zu führen und die dazu gehörigen Belege aufzubewahren. Er hat auch jedem Mitreeder auf dessen Verlangen Kenntnis von allen Verhältnissen zu geben, die sich auf die Reederei, insbesondere auf das Schiff, die Reise und die Ausrüstung, beziehen; er hat ihm jederzeit die Einsicht der die Reederei betreffenden Bücher, Briefe und Papiere zu gestatten.

104

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 499

Der Paragraph legt einzelne spezielle Verpflichtungen des Korrespondentreeders fest, deren Erfüllung seine Kontrolle durch die Mitreeder erleichtern soll. 1. Buchführungspflicht. Der Korrespondentreeder hat über die Geschäftsführung der Reederei Buch zu führen, und zwar abgesondert von der Buchführung über eigene oder sonstige fremde Geschäfte (Prot. 1534), auch etwa von derjenigen über die des Schiffers ( B u c h k a u. B u d d e , Entsch. des OAG Rostock Bd. 6 S. 198). Früher genügte i n n e r e Absonderung der Buchführung, ohne daß das Halten besonderer Bücher unbedingt erforderlich war (Wagner HB 209; vgl. Prot. 1535). Heute wird ein sorgfältiger Korrespondentreeder die R i c h t l i n i e n zur O r g a n i s a t i o n der B u c h f ü h r u n g , die mit Erlaß des Reichswirtschaftsministers und des Reichskommissars für Preisbildung vom 11. 11. 1937 (Ministerialblatt für Wirtschaft 1937 S. 239) bekanntgemacht sind, beachten. Auch § 38 Abs. 1 HGB und die einschlägigen Erläuterungen zu diesem können herbeigezogen werden. Im Hinblick auf § 15 EStG kommt auch die Beachtung der §§ 160 Abs. 1, 162 der Reichsabgabenordnung in Betracht. Die Führung einer b e s o n d e r e n K a s s e für die Eingänge und Ausgänge der Reederei, in der die Reedereigelder als fremdes Eigentum aufzubewahren sind, ist zwar empfehlenswert, aber nicht vorgeschrieben (RG SeufEA Bd. 45 Nr. 33 = Bolze 6 Nr. 625, 206), ebenso die Führung eines besonderen Kontos.

Anm. 1

2. Pflicht der Aufbewahrung der Belege. Darunter fällt auch die in § 38 Abs. 2 HGB geregelte Pflicht zur Aufbewahrung der Korrespondenz. 3. Informationspflicht. Er hat den Mitreedern über die Verhältnisse der Reederei — das Schiff und die Eigentumsverhältnisse an ihm, die Reise, die Ausrüstung usw. — Auskunft zu geben, damit dieselben in der Lage sind, ihr Verhalten (Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten, Versicherung, Veräußerung von Parten usw.) danach einzurichten. Die Informationspflicht liegt ihm nach dem Gesetzeswortlaut nur ob, s o w e i t ein M i t r e e d e r A u s k u n f t v e r l a n g t ; indessen kann er kraft besonderen Abkommens oder kraft örtlicher Verkehrsgewohnheit (Samml. von Entsch. in Rostocksehen Rechtsfällen, 2. Aufl., 1862 S. 41), ja selbst kraft des ihm bekannten Umstands, daß dies in der betreffenden Reederei üblich ist (Wagner HB 209), unter Umständen auch schlechthin nach Treu und Glauben auch zur u n v e r l a n g t e n Auskunftserteilung verpflichtet sein. Er ist dies unter allen Umständen dann, wenn das Interesse der Mitreeder es erfordert (RG HansGZ 1913, 125). Die Auskunftspflicht bezieht sich aber nicht auf Geschäfte, die der Korrespondentreeder als Eigenreeder vorgenommen hat; RG Hansa 1929 S. 1720. Eine andere Frage ist, ob dann der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Handlung gegeben ist. 4. Pflicht zur Einsichtgewährung in die die Reederei betreffenden Bücher, Briefe und Papiere: nicht auch zur Aushändigung derselben (OAG Rostock Buchka u. Budde Bd. 1 S. 70).

Anm. 2 Anm. 3

Anm. 4

§ 499 Der Korrespondentreeder ist verpflichtet, jederzeit auf Beschluß der Reederei dieser Rechnung zu legen. Die Genehmigung der Rechnung sowie die Billigung der Verwaltung des Eorrespondentreeder» durch die Mehrheit hindert die Minderheit nicht, ihr Recht geltend zu machen. Rechenschaftspflicht und Entlastung. 1. Rechenschaftspflicht. Wie jeder Beauftragte ist der Korrespondentreeder verpflichtet, seinen Auftraggebern Rechenschaft über seine Geschäftsführung abzulegen (§§ 675, 666, 713 BGB), unter Vorweisung sämtlicher ihm zu Gebote stehender Belege, insbesondere der Rechnungen des Schiffers (Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen, 2. Aufl., 1862 S. 44ff.). Diese Pflicht, deren Inhalt durch § 259 BGB geregelt ist, liegt ihm ob: a) Jederzeit, also nicht etwa bloß nach Abschluß einer Reise oder nach Beendigung eines Unternehmens (Prot. 1538). b) „Auf B e s c h l u ß der R e e d e r e i " . Die Fassung des Gesetzes erweckt den Anschein, als ob stets ein Reedereibeschluß erforderlich wäre, um den Korrespondentreeder zur Rechenschaftslegung zu nötigen; ein R e e d e r e i b e s c h l u ß (§ 491 HGB) l ä ß t sich a b e r d a n n g a r

105

Anm. 1

Anm. 2

§ 500

Vierter Teil. Seehandelsrecht

n i c h t f a s s e n , wenn der K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s e l b s t oder z u s a m m e n m i t a n d e r e n zu ihm h a l t e n d e n M i t r e e d e r n die H ä l f t e oder die M e h r h e i t der P a r t e n b e s i t z t u n d der R e c h e n s c h a f t s l e g u n g w i d e r s p r i c h t . Auch der für diesen Fall gesuchte Ausweg, der Korrespondentreeder dürfe, da es sich um seine eigene Sache handle, sich an der Abstimmung nicht beteiligen (so neuerdings S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §499 in Anwendung der in § 114 Abs. 5 des Aktiengesetzes, § 47 des GmbH-Gesetzes, § 43 Abs. 3 des Genossenschaftsgesetzes anerkannten Grundsatzes, daß kein Gesellschafter über seine eigene Entlastung mit abstimmen darf), ist nutzlos, weil nach § 491 HGB Stimmenmehrheit für einen Beschluß nur vorhanden ist, wenn den dafür Stimmenden mehr als die Hälfte des ganzen Schifies gehört (vgl. auch Anm. 3 zu §491). Will m a n also n i c h t f ü r die e r w ä h n t e n F ä l l e die R e c h e n s c h a f t s p f l i c h t des K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s i l l u s o r i s c h m a c h e n , so b l e i b t n u r ü b r i g , d o r t , wo ein M e h r h e i t s b e s c h l u ß gegen den K o r r e s p o n d e n t r e e d e r infolge der Größe seines M i t e i g e n t u m s a n t e i l s am Schiff n i c h t d e n k b a r i s t , die P f l i c h t der R e c h e n s c h a f t s l e g u n g w e n i g s t e n s n a c h B e e n d i g u n g des Vert r a g s v e r h ä l t n i s s e s (§ 666 BGB) a u c h auf das b l o ß e V e r l a n g e n e i n z e l n e r M i t r e e d e r a n z u n e h m e n . Man verstößt hiermit nicht gegen Sinn und Geist des Gesetzes, sondern man zieht nur eine Folgerung aus der Natur des Vertragsverhältnisses im allgemeinen und dem zweiten Satz des vorliegenden Paragraphen insbesondere, unter Beseitigung unpraktischer und unbilliger Ergebnisse (gleicher Ansicht L. P e r e i s ZHR Bd. 58 S. 72 und KrVJSchr. Bd. 48 S. 263 und aus abweichenden Gründen S c h l o d t m a n n SeufiA Bd. 60 S. 237ff.; ähnlich auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 167, der indessen auf den Zeitpunkt des Reiseabschlusses abstellt; anders B o v e n s Bd. 1, S. 267; B r o d m a n n Note 2; HansOLG SeuffA 60 Nr. 127 = HansGZ 1904 Nr. 109; RG Recht 1912 Nr. 3237). Anm. 3

Anm. 4

2. Entlastung. a) Einen A n s p r u c h auf Anerkennung seiner Rechnungen und Entlastung hat der Korrespondentreeder nicht (OAG Celle SeuffA Bd. 23 Nr. 25). Wird ihm von der Mehrheit Entlastung erteilt, so ist damit eine große tatsächliche Vermutung gegeben, daß er die Sorgfalt eines ordentlichen Reeders beachtet hat. b) Erfolgt die Genehmigung der Rechnung des Korrespondentreeders oder die Billigung seiner Verwaltung durch die Mehrheit, so h i n d e r t das die M i n d e r h e i t n i c h t , i h r R e c h t g e l t e n d zu m a c h e n . Das heißt: wenn sich der Korrespondentreeder durch einen Akt seiner Geschäftsführung der Reederei gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat, deren Mehrheit aber Folgerungen hieraus nicht ziehen will, so sollen die Anteile der einzelnen zur Minderheit gehörigen Mitreeder an der Schadensersatzforderung durch den Mehrheitsbeschluß nicht beseitigt werden, die Minderheitsmitglieder vielmehr befugt sein, jene Anteile, die sie normalerweise infolge gesellschaftlicher Gebundenheit nicht geltend machen konnten (Anm. 20 zu § 489 HGB), an denen aber die Gesamtheit kein Interesse zu haben erklärt hat, für sich allein geltend zu machen: der Anteil am Reedereirecht wird zum Individualrecht. Dementsprechend kommt das Erlangte ihnen allein, nicht der Gesamtheit zu (so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 167). Dieses Recht hat jeder Mitreeder, der zur Minderheit gehört, entsprechend seinem Anteil. § 500 Jeder Mitreeder hat nach dem Verhältnisse seiner Schiffspart zu den Ausgaben der Reederei, insbesondere zu den Kosten der Ausrüstung und der Reparatur des Schiffes, beizutragen. Ist ein Mitreeder mit der Leistung seines Beitrags im Verzug und wird das Geld von Mitreedern für ihn vorgeschossen, so ist er diesen zur Entrichtung von Zinsen von dem Zeitpunkte der Vorschüsse an verpflichtet. Durch den Vorschuß wird ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart für die Mitreeder begründet. Im Falle der Versicherung dieses Interesses hat der säumige Mitreeder die Kosten der Versicherung zu ersetzen. Der Paragraph behandelt die Elnsehußpfllcht der Mitreeder und Ihre Vorschüsse für einander. In einem Zusatz ist über die Vorschüsse des Korrespondentreeders zu sprechen. 106

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 500

1. Einschußpflleht. Soweit Mittel f ü r den Betrieb der Reederei erforderlich sind, weil sie als flüssige nicht vorhanden und auch nicht durch Eingänge von außerhalb oder durch Vorschüsse des Korrespondentreeders gedeckt sind, müssen sie durch U m l a g e n a u f d i e M i t r e e d e r beschafft werden. Die Festsetzung der Höhe der durch Umlage zu beschaffenden Summe und deren Verteilung auf die Mitreeder sind Verwaltungsmaßregeln, deren Ausführung dem Korrespondentreeder bzw. der geschäftsführenden Mehrheit obliegt. D i e V e r t e i l u n g a u f d i e M i t r e e d e r h a t p r o r a t a i h r e r S c h i f f s p a r t e n z u e r f o l g e n , soweit nicht der Reedereivertrag Entgegenstehendes bestimmt (§ 490 HGB). Die Mitreeder sind bezüglich der auf sie fallenden Quote zur Zahlung an die Reederei verpflichtet, die den Anspruch durch den Korrespondentreeder geltend macht ( R 6 Z 71, 27 ff.); sie haften dafür mit ihrem ganzen Vermögen (RGZ 40, 3) und können sich nur in den Ausnahmefällen des § 501 H G B durch unentgeltliche Aufgabe ihrer Parten von ihrer Verpflichtung befreien. Über die formelle Geltendmachung des Anspruchs s. auch Anm. 14 ff. zu § 489 HGB.

Anm. 1

2. Vorschüsse der Mitreeder füreinander. F ü r den Fall, daß der Einschuß eines Mitreeders aus irgendwelchen Gründen nicht zur Stelle ist, sobald er gebraucht wird — sei es, daß der betreffende Mitreeder nicht zu erreichen ist oder daß er nicht zahlen will oder kann — so ist jeder Mitreeder berechtigt, die Summe f ü r ihn zu verauslagen, f ü r ihn „in Vorschuß zu gehen". Nicht unter den Begriff des Vorschusses fällt die Hingabe eines Darlehns an den Einschußpflichtigen zum Zwecke der Bestreitung des Einschusses: hier zahlt der Einschußpflichtige s e l b s t (HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 386). Der Vorschießende h a t gegen den Beitragspflichtigen, f ü r den er vorgeschossen hat, zwei Kategorien von Rechten: die erste in allen Fällen, die zweite nur dann, wenn der Beitragspflichtige mit seinem Einschuß im Verzuge ist. Wann letzteres der Fall ist, ergibt das bürgerliche Recht (§ 284ff. BGB).

Anm. 2

A. Erste Kategorie. Der vorschießende Mitreeder h a t s t e t s a) Einen Anspruch auf Rückerstattung des Vorschusses, f ü r den der Einschußpflichtige mit seinem ganzen Vermögen haftet. Doch ist der letztere, wenn kein Fall von § 679 BGB vorliegt, mit der Einrede zu hören, der Vorschuß sei gegen seinen Willen gegeben (§683 BGB; indessen kann ein Bereicherungsanspruch übrigbleiben). Weiter kann er einwenden, die Ausschreibung des Einschusses sei, wenn auch formell ordnungsgemäß erfolgt, so doch materiell unnötig gewesen, daher habe die Zahlung seinem Interesse nicht entsprochen (§ 683 BGB). Der Anspruch gegen den Einschußpflichtigen bleibt bestehen, wenn dieser seine Schiffspart veräußert (§§ 477, 504 Abs. 1 HGB), und kann aufrechnungsweise auch gegen den Erwerber geltend gemacht werden (§ 504 Abs. 3 HGB). b) Bei Aufhebung der Gemeinschaft das Recht, die Berichtigung seiner Forderung aus der seinem Schuldner oder dessen Rechtsnachfolger gehörigen Schiffspart zu verlangen (§ 756 BGB). „Aufhebung der Gemeinschaft" kann im vorliegenden Fall nur so viel bedeuten wie „Endigung der Reederei"; wollte man unter sie auch die Fälle begreifen, in denen, ohne daß die Reederei endigt, die Gemeinschaft zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner durch Partenveräußerung beseitigt wird, so würde man dazu gelangen, den § 505 Abs. 3 H G B illusorisch zu machen. c) Ein Absonderungsrecht an der Schiffspart im weiteren Sinne (Anm. 23 f. zu § 489 HGB) des Einschußpflichtigen in dessen Konkurse (§ 51 KO). Diesem Rechte gehen die Rechte der Schiffsgläubiger und sonstiger Pfandgläubiger vor. d) Ein versicherbares Interesse an der Part der EinschuOpflichtigen. Denn wenn auch die Schiffspart nicht das e i n z i g e Haftungsobjekt f ü r den Vorschießenden ist, so dient sie doch zur Deckung seiner Forderung (§§ 805 HGB, 1 ADS), und zwar nach den Anschauungen des Verkehrs (Prot. 3721; R O H G 15, 115ff.; HansOLG HansGZ 1897 Nr. 28) und nach gesetzlicher Bestimmung (oben Anm. 4 u. 5) sogar v o r z u g s w e i s e . Die Versicherung kann nur genommen werden auf die Vorschußforderung selbst, aber nicht auf das Kasko zur Höhe der Forderung ( R i t t e r , Anm. 133 zu § 1 ADS; anders HansOLG a . a . O . und die Vorauflage dieses Kommentars). Das versicherbare Interesse erstreckt sich auch auf den Anteil an der Fracht ( B o y e n s Bd. 1 S. 271; R i t t e r a.a.O.; zweifelnd R O H G 15, 162).

Anm. 3

107

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

§501

Anm, 7

Anm. 8

Anm. 9 Anm. 10

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Ein versicherbares Interesse liegt dann n i c h t m e h r vor, wenn bereits Schiffsgläubigerrechte oder sonstige Pfandrechte auf dem ganzen Schiffe bzw. auf der Part in einem solchen Umfange lasten, so daß sie insoweit zur Befriedigung des Vorschießenden gar nicht mehr ausreicht (vgl. B r o d m a n n ZHR Bd. 54 S. 224; R i t t e r a.a.O.). Hat der Versicherer die das Interesse darstellende Summe dem Vorschußgläubiger ausbezahlt, so hat der letztere ihm seinen Anspruch gegen den Einschußpflichtigen abzutreten (§ 805 HGB). Für die ADS vgl. deren § 110 Abs. 3. e) Wenn er Kaufmann ist, einen Anspruch auf Verzinsung des Vorschusses vom Tage der Leistung desselben mit fünf Prozent (§§ 354 Abs. 2, 352 Abs. 2 HGB; anders Wagner HB 211 Note 31). B. Zweite Kategorie. Der vorschießende Mitreeder hat, w e n n der E i n s c h u ß p f l i c h t i g e im V e r z u g e („säumig") i s t , a u ß e r d e m a) selbst, wenn er nicht Kaufmann ist (vgl. Anm. 7), einen Anspruch auf Verzinsung de9 Vorschusses vom Tage seiner Leistung mit fünf Prozent (§ 352 Abs. 2 HGB). b) Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der (gemäß Anm. 6 erfolgten) Versicherung. Zusatz. Vorschüsse des Korrespondentreeders. Auch der Korrespondentreeder kommt vielfach in die Lage, im Interesse der Reederei zur Vermeidung von Verzögerungen, insbesondere auch, um der Au&ahme von Bodmereigeldern durch den Schiffer aus dem Wege zu gehen, für einzelne Mitreeder oder für die Reederei Voschüsse zu leisten (OAG Rostock Buchka u. Budde Bd. 6, S. 199ff.; ROHG 15, 177ff.). Ist er ein Mitreeder, so hat er alle oben (Anm. 2ff.) erwähnte Rechte. Ist er nicht Mitreeder, so gilt folgendes : 1. Der Anspruch auf Rückerstattung besteht nur insoweit, als der Korrespondentreeder die Ausgabe, zu der er den Vorschuß hergegeben hat, rechtfertigt (OAG Rostock Buchka und Budde Bd. 6 S 200) und sich nicht etwa das In-Vorschuß-Gehen im einzelnen Fall als ein Akt der Pflichtwidrigkeit darstellt, z.B. einem Reedereibeschluß widerspricht. Aber auch in Fällen der letzteren Art kann ein Erstattungsanspruch durch Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigte Bereicherung begründet sein. Über die Geltendmachung dieser Ansprüche gegen die einzelnen Mitreeder vgl. Anm. 9 zu § 492 HGB. 2. Über den Anspruch nach Verzinsung gilt nach allgemeinen Grundsätzen das oben Anm. 7 u. 8 Gesagte. 3. Die Forderung des Korrespondentreeders für Vorschußgelder ist versicherbar, wozu es einer analogen Anwendung der für die Mitreeder geltenden Bestimmungen nicht bedarf (anders die Vorauflage dieser Kommentars). Vgl. wegen Einzelheiten R i t t e r Anm. 132 zu § 1 ADS. 4. Auch der Anspruch auf Ersatz der Versicherungskosten gegen die säumigen Mitreeder kann nach allgemeinen Grundsätzen (§ 683 BGB) begründet sein. 5. Das Absonderungsrecht im Konkurse und das Vorabbefriedigungsrecht bei der Gemeinschaftsaufhebung bestehen nicht, weil diese Rechte ein Gemeinschafts Verhältnis voraussetzen. § 501 Wenn eine neue Reise oder wenn nach der Beendigung einer Heise die Reparatur des Schiffes oder wenn die Befriedigung eines Gläubigers beschlossen worden ist, dem die Reederei nur mit Schiff und Fracht haftet, so kann jeder Mitreeder, welcher dem Beschlüsse nicht zugestimmt hat, sich von der Leistung der zur Ausführung des Beschlusses erforderlichen Einzahlungen dadurch befreien, daß er seine Schiffspart ohne Anspruch auf Entgelt aufgibt. Der Mitreeder, welcher von dieser Befugnis Gebrauch machen will, muß dies den Mitreedern oder dem Korrespondentreeder binnen drei Tagen nach dem Tage des Beschlusses oder, wenn er bei der Beschlußfassung nicht anwesend und nicht vertreten war, binnen drei Tagen nach der Mitteilung des Beschlusses gerichtlich oder notariell kundgeben. 108

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§501

Die aufgegebene Schiffspart fällt den übrigen Mitreedern nach dem Verhältnis der Größe ihrer Schiffsparten zu. Der Paragraph enthält eine Ausnahme von dem Prinzip der Nachschußzahlungsverpflieh- Elnleitg. tung, indem er unter gewissen Umständen dem überstimmten Mitreeder die Möglichkeit gewährt, sieh durch Aufgabe seiner Part (Abandon) von der Zubuße zu befreien. Es liegt ein Sonderrecht der Minderheitsmitglieder vor, das ihnen durch einfachen Reedereibeschluß nicht genommen werden kann, dessen sich aber die Mitreeder, und zwar sowohl im Reedereivertrag als nachträglich begeben können. Zu seiner Beseitigung gehört Einstimmigkeit. Es handelt sieh nicht etwa um einen Fall beschränkter Haftung mit der Schiffspart, auch nicht um eine dem Mitreeder zur Wahl gestellte reine Sachhaftung — sonst würde dem Mitreeder ein sich etwa ergebender Überschuß des Haftungsobjekts über seine Schuld zugute kommen —, sondern um eine f a c u l t a s a l t e r n a t i v a , sich von seiner Schuld durch Aufgabe der Part befreien zu können. Die Vorschrift galt früher nicht in Mecklenburg-Schwerin. Dort galt als Landessonderrecht (Art. 19 Ziff. 1 EGHGB; §§ l l f f . Meckl. AusfVOzHGB) das altüberkommene „ S e t z u n g s r e c h t " . Die überstimmte Minderheit konnte in allen Fällen eines Mehrheitsbeschlusses für das Schiff einen bestimmten Preis veranschlagen und verlangen, daß die Mehrheit entweder das Schiff zu diesem Preis übernahm oder der Minderheit überließ. Die Mehrheit hatte sich binnen einer Woche zu entscheiden. Das Ergebnis war dann das Ausscheiden der betreffenden Mitreedergruppe durch Partverkauf an die andere. Durch MecklVO vom 18. 12. 1916 (RegBl. S. 1235) wurde das Recht auf Partbesitz aus der Zeit vor Ausbruch des ersten Weltkrieges beschränkt und ist damit allmählich abgestorben. 1. Voraussetzung des Aufgaberechts i s t ein R e e d e r e i b e s c h l u ß ü b e r e i n e d e r in A b s a t z 1 g e n a n n t e n A n g e l e g e n h e i t e n , d e m n i c h t s ä m t l i c h e M i t r e e d e r zug e s t i m m t h a b e n . Ist aber der Korreapondentreeder so frei gestellt, daß er Reedereibeschlüsse nicht einzuholen braucht, so m ü s s e n s e i n e e i g e n e n E n t s c h l i e ß u n g e n ü b e r die h i e r f r a g l i c h e n A n g e l e g e n h e i t e n R e e d e r e i b e s c h l ü s s e n , d e n e n n i c h t s ä m t l i c h e M i t g l i e d e r z u g e s t i m m t h a b e n , g l e i c h b e h a n d e l t w e r d e n (vgl. Anm. 6 zu § 496 HGB). So auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 158, auch für den Fall, daß der Korrespondentreeder Mehrheitsreeder ist. a) Ein ReedereibeschluD, d. h. (abgesehen von abweichenden Bestimmungen des Reedereivertrages) ein den Erfordernissen des § 491 HGB entsprechender Mehrheitsbeschluß. Liegt ein solcher nicht vor, ist z.B. bei der Beschlußfassung nur eine Partenmehrheit vorhanden, die nicht mehr als die Hälfte des Schiffes darstellt, so ist für die Partenaufgabe kein Raum: schreiten der Korrespondentreeder oder die geschäftsführenden Mitreeder zur Ausführung des gesetzwidrigen Beschlusses, so machen sie sich allen übrigen Mitreedern schadensersatzpflichtig, auch können die letzteren der Ausführung durch geeignete Maßregeln (Klage, Antrag auf einstweilige Verfügung) entgegentreten.

Anm. I

b) Über eine der im Absatz 1 genannten Angelegenheiten. Anm. 2 aa) Eine neue Reise. Über den Begriff derselben siehe Anm. 3 zu § 496 HGB. Der Beschluß einer neuen Reise liegt auch dann vor, wenn beschlossen wird, Einzahlungen behufs Ausrüstung für eine vorher noch nicht beschlossene Reise zu machen, die zur Ausführung eines vom Schiffer geschlossenen Frachtvertrages unternommen wird (ROHG 22, 290 ff.). Gleichgültig ist, ob zugleich mit der Reise auch Einzahlungen beschlossen werden; auch vor k ü n f t i g auf Grund des Reisebeschlusses notwendig werdenden, wenn auch zur Zeit noch nichit notwendigen Einschüssen sollte sich die Minderheit durch Partenaufgabe schützen können. A.M. S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 501 HGB, wonach der Begriff der neuen Reise aus § 757 HGB zu entnehmen ist. bb) Die Reparatur des Schiffs nach Beendigung der Reise, also nicht eine solche im Verlaufe Anm. 3 der Reise, etwa im Nothafen. Auf die Kostspieligkeit oder Außergewöhnlichkeit der Reparatur kommt es nicht an (LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 228 = ZHR Bd. 38, S. 251), ebensowenig auf ihre Ursache; doch dürften in der Regel nur „außergewöhnliche" Reparaturen im Sinne von § 496 HGB (s. Anm. 4 dazu) in Frage kommen, weil der Korrespondentreeder nur bei ihnen einen Reedereibeschluß einzuholen hat. War eine aus mehreren Reisen bestehende „Unternehmung"

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§501

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

Vierter Teil. Seehandelsrecht

beschlossen worden, so kommt f ü r § 501 nicht etwa nur eine nach Beendigung der ganzen Unternehmung, sondern jede nach Beendigung jeder einzelnen Reise beschlossene Reparatur in Betracht (anders B o y e n s Bd. 1 S.274). — Stellt sich nachträglich heraus, daß die Kosten der beschlossenen Reparatur den Anschlag erheblich übersteigen werden, so schafft der neu einzuholende Reedereibeschluß einen neuen Fall des § 501 (RGZ 58, 198). cc) Die Befriedigung eines Gläubigers, dem nur mit dem Schiffsvermögen gehaftet wird, aus dem Landvermögen. Die Fälle, in denen persönliche, dinglich-persönliche oder beschränktpersönliche Haftung gegeben ist (Anm. 2 ff zu § 486 HGB), scheiden hiernach aus. Ein Mehrheitsbeschluß, nichtpersönliche Gläubiger n i c h t aus dem Landvermögen zu befriedigen, sondern der Zwangsvollstreckung in das Schiffsvermögen freien Lauf zu lassen, ist selbstverständlich f ü r die Minderheit verbindlich (Prot. 1631). c) Dem nicht sämtliche Mitreeder zugestimmt haben. Gleichgültig ist, ob die nichtzustimmenden Mitreeder überstimmt oder überhaupt nicht gehört worden sind (Anm. 8 zu § 491 HGB). 2. Wer kann aufgeben? J e d e r M i t r e e d e r , d e r d e m f r a g l i c h e n B e s c h l ü s s e n i c h t z u g e s t i m m t h a t , mag er überstimmt oder überhaupt nicht gehört sein, mag er sich der Stimme enthalten oder sogar seines Stimmrechts begeben haben (Anm.3 zu § 491 HGB); denn in dem Verzicht auf Stimmabgabe oder auf Stimmrecht ist nicht ohne weiteres ein Verzicht auf die Befugnisse des § 501 zu sehen. So auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 157f.

3. Wie geschieht die Fartenaufgabe ? a) Welches ist ihr Inhalt ? Sie besteht in der Erklärung, daß der Aufgebende seine Schiffspart aufgebe; daß dies ohne Entgelt geschehe, braucht er, weil selbstverständlich, nicht hinzuzusetzen. Die Erklärung muß unbedingt und ohne Vorbehalt erfolgen (ROHG 22, 294). b) Weiches ist ihre Form ? Die Erklärung muß urkundlich, und zwar entweder notariell oder Anm. 8 gerichtlich, d.h. vor derjenigen Gerichtsabteilung, der die freiwillige Gerichtsbarkeit zugewiesen ist, abgegeben sein: eine Erklärung vor dem Prozeßrichter bei Gelegenheit eines Prozesses, etwa in einem gerichtlichen Vergleich, genügt nicht. Die Formvorschrift bezieht sich nur auf das Original der Urkunde: ist diese gerichtlich oder notariell aufgenommen, so genügt Bezugnahme auf sie in den einzelnen Mitteilungen (unten Anm. 9). Es muß sich um eine gerichtliche oder notarische Beurkundung handeln; so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 158; anders S c h l e g e l b e r g e r Anm. 4 zu § 501, der Beglaubigung (§183 FGG) f ü r ausreichend hält. Anm. 9 c) Wem gegenüber hat sie zu erfolgen? Die Aufgabe ist zu erklären dem Korrespondentreeder oder den Mitreedern, d.h. sämtlichen Mitreedern: es genügt nicht Mitteilung an die Mitglieder der Mehrheit, denn die Wirkungen der Aufgabe treffen auch diejenigen Minderheitsmitglieder, die von dem Rechte des § 501 keinen Gebrauch machen. Auswärts sich aufhaltenden Mitgliedern gegenüber kann billigerweise nur verlangt werden, daß der Aufgebende seine Mitteilungen durch die Post (rechtzeitig: Anm. 10) a b s e n d e t , und auch die Unterlassung der Absendung schadet ihm nicht, wenn er trotz Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt den Aufenthaltsort eines abwesenden Mitreeders nicht in Erfahrung gebracht hat. Wollte man §§ 130, 132 Abs. 2 BGB auf diese Fälle zur Anwendung bringen, so würde die Innehaltung der dreitägigen Frist in vielen Fällen absolut unmöglich sein (so auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 158; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 4 zu § 501). Noch mildere Anforderungen stellt B o y e n s Bd. 1 S. 276ff., dem es genügt, wenn die Erklärung in einer solchen Art erfolgt ist, daß sie dem Erklärenden unwiderruflich ist. Anm. 10 d) Binnen welcher Frist ? Die Kundgebung der Aufgabe an die unter c genannten Personen bindet das Gesetz an eine F r i s t v o n d r e i T a g e n , diese läuft aa) wenn der betreffende Mitreeder bei der Beschlußfassung z u g e g e n o d e r v e r t r e t e n war, mit dem auf den Beschluß folgenden Tage. Nichtmitteilung des Beschlusses an den Vertretenen seitens des Vertreters präjudiziert ersteren (Prot. 3722); bb) wenn er n i c h t z u g e g e n o d e r v e r t r e t e n war, vom Tage nach der Mitteilung des Beschlusses an ihn. Unter M i t t e i l u n g ist eine den Sachverhalt erkennenlassende ( B o y e n s Bd. 1 S.275ff.; vgl. RGZ 58, 198) offizielle Kundgabe durch den Korrespondentreeder oder, wo ein solcher nicht da ist, durch die Mehrheit zu verstehen; es genügt also nicht eine zufällige, gelegentliche Kenntnisnahme des Minderheitsmitgliedes (Prot. 3722) oder die Mitteilung in Anm. 7

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 502

Prozeßschriften anläßlich der Einklagung des Einschusses (LG Oldenburg, OldZ Bd. 16 S. 25 = ZHR Bd. 38 S.231). Die Mitteilung ist unter Abwesenden an dem Tage erfolgt, an dem dem Mitreeder das sie enthaltende Schreiben zugegangen ist, gleichviel, ob er davon Kenntnis genommen hat oder nicht (§ 130 BGB). Darüber, daß an sich eine Mitteilungspflicht nicht besteht, siehe Anm.8 zu § 491 HGB. Aber wenn nichts mitgeteilt ist, l ä u f t die F r i s t ü b e r h a u p t n i c h t . D a s s c h l i e ß t i n d e s s e n die W i r k s a m k e i t d e r t r o t z d e m a b g e g e b e n e n E r k l ä r u n g n i c h t a u s (RGZ 58, 199). Gleichgültig ist, ob zur Zeit der Mitteilung des Beschlusses die beschlossene Maßregel bereits zur Ausführung gebracht ist (ROHG 22, 292; RGZ 40, 4). 4. Wirkungen der Partenaufgabe. Die rechtzeitige Aufgabeerklärung wirkt an sich vom Anm. II Z e i t p u n k t i h r e r A u f g a b e . Ist aber die beschlossene Maßregel bereits ausgeführt oder mit ihrer Ausführung begonnen worden, so w i r k t die A u f g a b e e r k l ä r u n g z u r ü c k a u f d e n Z e i t p u n k t d e s B e g i n n s d e r A u s f ü h r u n g d e r M a ß r e g e l (RGZ 40, 4; 58, 199), d.h. es wird alles so angesehen, als wäre der Aufgebende zu jener Zeit nicht mehr Mitreeder gewesen. I m e i n z e l n e n sind die Wirkungen der Partenaufgabe die folgenden (vgl. die wesentlich andersartige Regelung des Abandonrechts in § 27 des GmbH-Gesetzes und §§ 268, 277 des Aktiengesetzes): a) F ü r d e n a u f g e b e n d e n M i t r e e d e r . Er verliert ohne Entgelt seine Schiffspart im weiteren Sinne (Anm. 23 f. zu § 489), also seine Eigentumsquote am Schiff, seinen Anteil am sonstigen Reedereivermögen und seine gesellschaftlichen Rechte und Pflichten (auch den Anteil am Gewinn und Verlust der laufenden Reise); insbesondere wird er frei von der Einschußpflicht in dem zur Aufgabe Anlaß gebenden Falle. U n b e r ü h r t bleiben seine früher begründeten persönlichen Rechte und Verbindlichkeiten gegen die Reederei (Anspruch auf den Anteil am Gewinn, Pflicht zur Tragung des Verlustes früherer Reisen, Anspruch auf Erstattung von Vorschüssen usw.) und gegen die Mitreeder sowie seine Haftung Dritten gegenüber nach § 507 HGB. Ist seine Part mit einem Partpfandrecht belastet (§ 503 Abs. 3), so hat er sie davon zu befreien ( B o y e n s Bd. 1 S. 278). b) F ü r die ü b r i g e n M i t r e e d e r . Durch die einseitige Erklärung des Aufgebenden Anm. 12 wächst ihnen die Part desselben an mit allem was dazu gehört, insbesondere mit der den Anlaß zur Aufgabe gebenden Einschußpflicht und dem Gewinn und Verlust der laufenden Reise. Sie können sich gegen diese Rechtswirkungen nicht wehren: es besteht eine „Akkreszenzpflicht" (Prot. 1511), eine „gesetzliche Anwachsung" ( P a p p e n h e i m HB 2 S. 107). Gegen den Aufgebenden haben sie einen Anspruch aufBefreiung vonPartenpfandrechten(obenAnm.ll). c) F ü r d e n D r i t t e n . Die unbeschränkte oder beschränkt-persönliche Haftung des Auf- Anm. 13 gebenden bleibt unverändert. Ebenso tritt in den Berechtigungen und Verpflichtungen des Dritten gegen die Reederei eine Änderung nicht ein. § 502 Die Verteilung des Gewinns und Verlustes geschieht nach der Größe der Schiffsparten. Die Berechnung des Gewinns und Verlustes und die Auszahlung des etwaigen Gewinns erfolgt jedesmal, nachdem das Schiff in den Heimathafen zurückgekehrt ist oder nachdem es in einem anderen Hafen seine Reise beendigt hat und die Schiffsmannschaft entlassen ist. Außerdem muß auch vor dem erwähnten Zeitpunkte das eingehende Geld, soweit es nicht zu späteren Ausgaben oder zur Deckung von Ansprüchen einzelner Mitreeder an die Reederei erforderlich ist, unter die einzelnen Mitreeder nach dem Verhältnis der Größe ihrer Schiffsparten vorläufig verteilt und ausgezahlt werden. Verteilung von Gewinn und Verlust und von disponiblen Geldern. Jeder Mitreeder ist pro rata seiner Schiffspart Gläubiger der Reedereischuldner, Schuld- Elnleitg. Der der Reedereigläubiger. Aber während die letzteren, soweit ihnen persönlich Forderungen zustehen, sich nicht ausschließlich an das Reedereivermögen zu halten brauchen, vielmehr unmittelbar jeden Mitreeder pro rata seiner Part in Anspruch nehmen können, ist umgekehrt

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§502

Vierter Teil. Seehandelsrecht

der Mitreeder auf Grund gesellschaftlicher Gebundenheit nicht berechtigt, über seinen Anteil an den Aktiven der Reederei zu verfügen (Anm. 19 ff. zu § 489 HGB). Er hat nur einen Ans p r u c h a u f V e r t e i l u n g des G e w i n n s , d e m die P f l i c h t z u r a n t e i l s w e i s e n T r a gung des Verlustes g e g e n ü b e r s t e h t , und auf v o r l ä u f i g e V e r t e i l u n g disponibler G e l d e r . Der Reedereivertrag kann Gegenteiliges bestimmen (§ 490 HGB). Das wird auch bei einem modernen Reedereivertrag regelmäßig der Fall sein, indem die Gewinnverteilung auf den Schluß des Geschäftsjahrs gelegt wird. Das Gesetz kennt keine Bestimmungen über Rücklagen, Abschreibungen und die Bilanz. Auch hierüber treffen die Reedereisatzungen heute meistens Bestimmungen; vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 156. Anm. 1

1. Definitive Gewinn- und Verlustverteilungen. a) Hauptprinzip: nur Gewinn und Verlust sind zu verteilen, nicht die einzelnen Aktiva und Passiva. Das hindert nicht, daß im Einzelfalle zum Zwecke der Verteilung ein Aktivum ganz oder zum Teil einem Mitreeder überwiesen werden kann.

Anm. 2

b) Verteilungsmodus. Die Verteilung erfolgt pro rata der Schiffsparten. Doch kann im Reedereivertrag oder durch einstimmigen Reedereibeschluß die Bevorzugung einzelner Mitreeder ausgesprochen werden. c) Verteilungsperioden. Die Berechnung vom Gewinn und Verlust und die Gewinnauszahlung erfolgt nach Beendigung des laufenden Unternehmens, also nachdem das Schiff entweder aa) in den Heimathafen (§ 480 HGB) „zurückgekehrt", d.h. nach Erledigung des Unternehmens heimgekehrt ist (also nicht, wenn es etwa den Heimathafen als Zwischen- oder Nothafen angelaufen hat): oder bb) in einem anderen Hafen seine Reise beendigt hat und die Mannschaft entlassen ist, endlich selbstverständlich auch im Falle der Endigung der Reederei. Regelmäßig sehen heute die Reedereistatute Gewinn- und Verlustverteilung nach Schluß des Geschäftsjahres vor (siehe oben). d) Das Recht auf Auszahlung des partenmäßigen Gewinnes zu den zu c genannten Verteilungszeiten ist ein wohlerworbenes Recht jedes Mitreeders, das ihm durch Mehrheitsbeschlüsse nicht genommen werden kann. Geltend zu machen ist es durch Klage gegen die R e e d e r e i (Anm. 14, 15 zu § 489 HGB). Indessen können G e g e n f o r d e r u n g e n der Gesamtheit, etwa Verlustanteile von früheren Unternehmungen, gegen den auszuzahlenden Gewinnanteil aufgerechnet werden, neu beschlossene Einschüsse aber erst dann, wenn der betreffende Mitreeder nicht von dem Abandonrecht des § 491 HGB Gebrauch gemacht hat. Aber auch Gegenforderungen des Korrespondentreeders (so OLG Oldenburg OldZ Bd. 16 S.205 = ZHR Bd. 38 S.250; RG SeuffA Bd. 45 Nr. 33 = Bolze Bd. 6 Nr. 206 und 625) oder eines anderen Mitreeders als solchen (so B o y e n s Bd. 1 S.273 für den Fall, daß dieser Mitreeder die Gewinnanteile auszuzahlen hat, und ganz allgemein W a g n e r HB 213)? Das kann nicht angenommen werden, denn Schuldner der Gewinnanteile ist die Gesamtheit mit dem Gesellschaftsvermögen, und diese kann nicht aus dem Rechte eines Dritten aufrechnen. Ob der Korrespondentreeder oder ein anderer Reeder die betreffenden Gelder in der Hand hat, ist gleichgültig. Der Gewinn anteilsberechtigte hat keine Ansprüche gegen ihn persönlich. Ohne eine Abtretung der Gegenansprüche seitens des Korrespondentreeders oder Mitreeders an die Reederei läßt sich also eine Aufrechnung nicht bewerkstelligen. Die Analogie von §§ 755, 756 BGB ( B o y e n s Bd. 1 S.287) trifft schon deshalb nicht zu, weil diese Vorschrift nur b e i A u f h e b u n g d e r Gem e i n s c h a f t anwendbar sind.

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5

2. (Abs. 3). Vorläufige Auszahlung disponibler Gelder. Auch v o r den in Anm. 3 erwähnten Zeitpunkten müssen disponible Gelder zur vorläufigen Verteilung gelangen. D i s p o n i b l e G e l d e r sind diejenigen Geldeingänge, deren anderweitige Verwendung bis auf weiteres nicht erforderlich ist. Das Gesetz hebt als anderweitige Verwendungszwecke hervor „Deckung von Ansprüchen einzelner Mitreeder an die Reederei" und „spätere Ausgaben": zu letzteren kann selbstverständlich auch die Befriedigung von Drittgläubigern gehören. Auch in dieser Hinsicht treffen moderne Reedereisatzungen meistens anderweitige Vorschriften. Auch auf sofortige Auszahlung seines partenmäßigen Anteils an den disponiblen Geldern hat jeder Mitreeder mangels anderweitiger Bestimmung im Reedereistatut ein S o n d e r r e c h t , und es bedarf keines Mehrheitsbeschlusses, um dasselbe festzustellen (anders HG Hamburg 112

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 503

HansGZ 1869 Nr. 186). Dieses Recht wird indessen illusorisch durch den Beschluß neuer Einschüsse (gegen den sich aber die Mitreeder in den Fällen des § 501 HGB wehren können), weil alsdann die Gelder den Charakter der Disponibilität verlieren. Aus Wortlaut und Sinn des Gesetzes, welches die Verteilung eingehender Gelder als die Regel, ihre Zurückhaltung als die Ausnahme ansieht, ist zu entnehmen, daß der die Auszahlung beanspruchende Mitreeder nicht die Disponibilität der Gelder, sondern nur deren Eingang zu beweisen hat, während es der Gegenseite vorbehalten bleibt, die Nichtdisponibilität darzutun ( W a g n e r H B 214; ROHG 24, 61). Der Korrespondentreeder braucht disponible Gelder, deren Auszahlung nicht verlangt wird, nicht zu verzinsen (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 186). § 503 Jeder Mitreeder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Einwilligung der übrigen Mitreeder ganz oder teilweise veräußern. Die Veräußerung bedarf der Eintragung in das Schiffsregister. Die Veräußerung einer Schiffspart, infolge deren das Schiff das Recht, die Reichsflagge zu führen, verlieren würde, kann nur mit Zustimmung aller Mitreeder erfolgen. Für die Belastung einer Schiffspart gelten die Vorschriften Uber die Belastung von Rechten. S c h r i f t t u m : K r o n e n b e r g , Das Wesen der Reedereipart und ihre Vinkulierung, Z H R Bd.119 S . l l l f l . ; B ö t t i c h e r , Die durch Reederei-Statut vinkulierte Schifispart in der allgemeinen Gütergemeinschaft, ZHR Bd. 114 S. 91 £E; S t i e r , Die Veräußerung der Schiffspart, Diss. Hamburg 1960. § 503 betrifft die rechtsgeschäftliche Veräußerung und Belastung von Schiffsparten und Einleitg. hat seine jetzige Fassung durch die DVOzSchRG vom 21.12.1940 (RGBl. I S. 1609) erhalten. Vgl. auch §§ 504,507 Abs. 2, 476,477 HGB, 58,57 SchRO f ü r den Fall der Veräußerung, § 1274 BGB f ü r den derVerpfändung, § 1069 BGB f ü r den der Bestellung eines Nießbrauchs. Vgl. über die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g in Schiffsparten eingetragener Schiffe Anm. 26 zu § 489 HGB. § 503 Abs. 1 s t e l l t den n u r d u r c h eine A u s n a h m e d u r c h b r o c h e n e n G r u n d s a t z d e r f r e i e n V e r ä u ß e r l i c h k e i t d e r S c h i f f s p a r t e n a u f (anders also als im Falle des §719 Abs. 1 BGB) ; § 504 HGB regelt die Beziehungen des Veräußerers und des Erwerbers zu den Mitreedern, §§ 477 und 507 Abs. 2 HGB diejenigen dieser Personen zu Dritten, während § 476 HGB (siehe die Erläuterung zu ihm) eine Dispositiworschrift f ü r den Fall der Veräußerung von Parten auf der Reise befindlicher Schiffe gibt. Unter Veräußerung ist nicht das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zur Veräußerung zu verstehen, sondern nur das dingliche Vollzugsgeschäft. 1. Die Form der Veräußerung. E r f o r d e r l i c h s i n d Einigung d e s V e r ä u ß e r e r s u n d Anm. 1 des E r w e r b e r s , die m a t e r i e l l r e c h t l i c h a u c h s t i l l s c h w e i g e n d erfolgen k a n n , und Eintragung des E r w e r b e r s z u m S c h i f f s r e g i s t e r . Das letztere ist eine Neuerung seit Inkrafttreten des SchRG. Nach früherem Rechte (vgl. den damaligen § 474 HGB) konnte die Partübertragung formlos geschehen. Die Übertragung kann bedingt oder befristet erfolgen. Eine entsprechende Anwendung von § 925 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht (BGH Hansa 1958 S. 984). Vgl. wegen der Anmeldung und Eintragung zum Schiffsregister §§ 18, 58 SchRO (Bd. I S. 258 u. 272). Ist das Schiff, an dem die Partenreederei besteht, noch nicht zum Schiffsregister eingetragen (z.B. der abgenommene Neubau) oder ist es wegen zu geringer Größe überhaupt nicht eintragungspflichtig (vgl. § 10 Abs. 1 SchRO, Bd. I S. 248), so muß die Einigung f ü r die Partveräußerung (entsprechend f ü r die Partbelastung) genügen. 2. Übertragen werden kann nur die gesamte Part in ihrem vollen Bestände oder ein Anm. 2 rechnerischer Bruchteil von ihr. Der Mitreeder kann also nicht über einzelne Partbestandteile frei verfügen, z.B. nicht über das bloße ideelle Miteigentum am Schiff (HansOLG HansRGZ 1938 B Nr. 11 ; W ü s t e n d ö r f e r SHR 159) oder über seinen Anteil an den Frachtforderungen. Anderenfalls würde die Schiffspart auseinandergerissen und die unerträgliche Folge wäre eine Verwirrung in der Geschäftsführung der Reederei. 8

Schaps-Abraham, Seerecht II

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 3

Anm. 4

Mit der Veräußerung der Schiffspart im engeren Sinne (Anm.23ff. zu § 489 HGB) und mit Umschreibung derselben im Register geht also auch der Anteil des Veräußerers am übrigen Reedereivermögen und alle mit ihm verbundenen sonstigen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten (Part im weiteren Sinne) auf den Erwerber über. Partveräußerung bedeutet also, daß der Veräußerer als bisheriger Mitreeder aus der Reederei ausscheidet, während der Erwerber als neuer Mitreeder in sie eintritt. 3. Im übrigen sind für die Rechtsverhältnisse zwischen Veräußerer und Erwerber einer Schiffspart in erster Reihe die Bestimmungen des V e r ä u ß e r u n g s v e r t r a g e s maßgebend. Mangels solcher Bestimmungen gilt folgendes: Der neue Mitreeder erwirbt die Part mit allen dinglichen Belastungen, mögen sie auf dem ganzen Schiff oder nur auf der Part ruhen. Gewinn und Verlust der laufenden Reise bestimmen sich nach der dispositiven Vorschrift des § 476 HGB; dagegen n i c h t persönliche Ansprüche gegen Dritte oder gegen einzelne Mitglieder (z.B. aus Vorschüssen) oder gegen die Reederei (aus Vorschüssen oder auf Herauszahlung des Gewinns früherer Reisen; Prot. 1555; Sammlung von Entsch. in Rostockschen Rechtsfällen, 2.Forts. S. 175 = SeuffA Bd. 11 Nr.35), auch nicht fällige persönliche Verpflichtungen gegen Dritte (soweit sie nicht das Reedereivermögen treffen) oder gegen Mitreeder oder gegen die Reederei. Gestaltet sich auf Grund des Verhältnisses zu den Mitreedern oder zu Dritten, etwa unter dem Einfluß des BGB, der §§ 504 oder 507 HGB, die Sache so, daß der Veräußerer oder der Erwerber Zahlungen macht oder Vorteile einstreicht, die nach der Absicht der Vertragsschließenden dem anderen hätten zufallen sollen, so muß eine nachträgliche Verrechnung stattfinden (Anm. 6 zu § 476 HGB). Zur Frage des auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung beim Erwerb eines Schiffsanteils siehe BGH Hansa 1960 S. 902. 4. a) Grundsatz: D a s R e c h t e i n e s M i t r e e d e r s , s e i n e S c h i f f s p a r t zu v e r ä u ß e r n , i s t — a b g e s e h e n v o n d e m A u s n a h m e f a l l des Abs. 2 — a n k e i n e S c h r a n k e n g e b u n d e n : die Schiffspart ist ganz oder teilweise, zu jeder Zeit und ohne Einwilligung der übrigen Mitreeder veräußerlich. Es handelt sich auch hier um ein durch Mehrheitsbeschluß nicht beschränkbares, aber durch Vereinbarung ausschließbares S o n d e r r e c h t . Vertragsmäßige oder testamentarische Vorkaufsrechte können existieren (Prot. 3725), von denen diejenigen, welche auf Reedereivertrag oder einstimmiger nachträglicher Vereinbarung der Mitreeder beruhen, auch spätere Mitreeder binden ( W a g n e r H B 216). Nach den §§ 503 f. HGB ist die Wirkung nur obligatorisch. Veräußerungsbeschränkungen (Vinkulierungen) im ReedereiStatut dergestalt, daß über den Fall des § 503 Abs. 2 hinaus die Zustimmung aller Mitreeder f ü r die Veräußerung gefordert wird, sind zulässig, haben aber im Hinblick auf § 137 BGB keine dingliche, sondern nur obligatorische Bedeutung. Vgl. B ö t t i c h e r , in der (nicht im Handel erschienenen) Festschrift f ü r W ü s t e n d ö r f e r , 1950, S.45 = ZHR Bd. 114 S. 91; K r o n e n b e r g , Das Wesen der Reedereipart und ihre Vinkulierung, ZHR Bd. 119 S. 111; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 503. b) Ausnahmefall (Abs. 2). S t e h t e i n e V e r ä u ß e r u n g in F r a g e , d i e z u r F o l g e h ä t t e , daß das Schiff das R e c h t zur F ü h r u n g der Bundesflagge verlieren w ü r d e (vgl. dazu § 2 Abs. 2a FlaggRG: Bei Partenreedereien muß die Mehrheit der Parten im Eigentum von Deutschen stehen und der Korrespondentreeder muß ein Deutscher sein und seinen Wohnsitz oder Sitz im Geltungsbereich des GG haben; siehe auch § 32 SchRO), so wird Z u s t i m m u n g s ä m t l i c h e r M i t r e e d e r gefordert, die ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen kann (anders W a g n e r HB 216). Zustimmung, n i c h t einstimmiger Reedereibeschluß : es müssen also auch diejenigen Mitreeder zustimmen, die sich des Stimmrechts für die Fälle, in denen das Gesetz Einstimmigkeit der Beschlüsse vorschreibt, begeben haben (Anm. 7 zu § 491 HGB). D i e o h n e Z u s t i m m u n g s ä m t l i c h e r M i t r e e d e r e r f o l g t e Veräußerung ist nicht bloß den übrigen Mitreedern gegenüber unwirksam (so B r o d m a n n Note 2 zu § 503), s o n d e r n n i c h t i g (ROHG 24, 46; HansOLG LZ 1907, 670; RGZ 68, 65, ausführlicher DJZ 1908, 593. Vgl. zur Frage der Rückführung des gezahlten Kaufpreises RG DJZ 1908, 593. Es ist ferner hervorzuheben, daß sich die Bestimmung bezieht aa) nur auf die Veräußerung einer S c h i f f s p a r t an einen Ausländer: es läßt sich nicht aus ihr folgern, daß für diejenige des g a n z e s Schiffes an einen Ausländer ein einstimmiger Beschluß erforderlich wäre (Prot. 1546ff.; B o y e n s Bd. 1 S. 284);

114

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB bb) nur auf die Veräußerung einer Schiffspart u n t e r L e b e n d e n , also nicht auf den Fall der Vererbung oder des Vermächtnisses an einen Ausländer; co) selbstverständlich n i c h t auf sonstige Fälle, in denen das Schill das Recht zur Fährung der Bundesflagge verliert, wie den des Verlustes der Bundesangehörigkeit auf Seiten eines Mitreeders. Zur Vermeidung der Schwierigkeiten, die sich aus der Nationalitätsfrage ergeben können, wird bisweilen auf die Umschreibung der Parten verzichtet. Das war nach dem früheren Recht möglich, ohne daß es bezüglich der Rechtsübertragung an diesen Bedeutung gehabt hätte. Nach der jetzt maßgeblichen Formulierung des § 503 Abs. 1 würde indessen ohne Eintragung eine Rechtsübertragung nicht mehr erfolgen. Anders liegt es, wenn die Umschreibung auf den Namen eines deutschenVerwandten oder des Korrespondentreeders oder einer sonstigen Person, die die deutsche Bundesangehörigkeit besitzt, erfolgt und es sich dabei um eine ernsthaft gemeinte fiduziarische Übertragung handelt. Diese Person wird, wenn auch die Einigung mit ihr vollzogen ist, dann wirklicher Rechtsinhaber und fungiert als Treuhänder f ü r den Ausländer. 5. a) Partbelastung. In Betracht kommen Bestellung eines Pfandrechts oder eines Nießbrauchs an ihr. Von wesentlicher Bedeutung ist nur das erstere. Gemäß Abs. 3 richtet sich die Verpfändung nach den Vorschriften über die Verpfändung von Rechten. Das Pfandrecht an der Schiffspart wird Schiffspartenpfandrecht genannt. Nach § 1274 BGB erfolgt die Bestellung des Pfandrechts an einem Recht nach den f ü r die Übertragung des Rechts geltenden Bestimmungen. Da f ü r die Übertragung der Schiffspart nach § 503 Abs. 1 Einigung und Eintragung in das Schiffsregister erforderlich sind, gilt dasselbe also auch f ü r die Verpfändung der Schiffspart. Eine Schiffshypothek kann an der Schiffspart nicht bestellt werden. Gemäß § 1069 BGB, § 503 Abs. 3 und 1 sind auch f ü r die Bestellung eines Nießbrauchs, Einigung und Eintragung notwendig. Die Beschränkung des § 9 SchRG gilt f ü r die Bestellung eines Nießbrauchs an der Schiffspart nicht. Wegen der Wirkung von Verfügungsbeschränkungen hinsichtlich der Verpfändung im Reedereistatut gilt dasselbe wie f ü r die Eigentumsübertragung (vgl. oben Anm. 4 a). Die Schiffspartenbelastung wird wie eine Schiffshypothek in Abt. I I I des Schiffsregisters eingetragen. Doch wird die Betragsspalte nicht ausgefüllt, sondern erhält nur einen waagerechten Strich. Vgl. § 29 SchRV.

Anm. 5

b) Gegenstand des Schiffspartenpfandrechts sind stets das Miteigentumsrecht am Schiff und der Anteil des Partenreeders am sonstigen Reedereivermögen. Ob auch das gesellschaftsrechtliche Stimmrecht und das Dividendenrecht mit zu den Belastungsgegenständen gehören, hängt davon ab, ob dies im Verpfändungsvertrag vereinbart ist. Vgl. auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 104 und H B 262 f. Siehe §§ 1273, 1213 BGB. Zwischen einer S c h i f f s h y p o t h e k am ganzen Schiff und einem Schiffspart e n p f a n d r e c h t b e s t e h t k e i n R a n g v e r h ä l t n i s . Von einem solchen kann nur dann die Rede sein, wenn der Belastungsgegenstand der konkurrierenden Rechte der gleiche ist. Die Schiffspart aber ist im Verhältnis zum ganzen Schiff ein besonderer Belastungsgegenstand. So auch W ü s t e n d ö r f e r H B 265 und SHR 104; K r i e g e r D J 1941 S. 183 und b e i P f u n d t n e r N e u b e r t N r . 76 Anm. 1 zu § 49 SchRO; A b r a h a m , Schiffshypothek 257. A.A. die zweite Aufl. dieses Komm. Allg. Einl. Anm. 70; P a p p e n h e i m H B 2 S. 196; H e i n e r i c i u n d G i l g a n 347, die das Vorliegen eines anderen Belastungsgegenstandes übersehen. Daß die Schiffshypothek am ganzen Schiff und das Schiffspartenpfandrecht in der gleichen Abteilung I I I des Schiffsregisters eingetragen werden, ist bedeutungslos. Insbesondere erfolgt die Realisierung des Schiffspartenpfandrechts nicht durch die Zwangsversteigerung des Schiffes oder einer Quote desselben, sondern durch die der P a r t ; deren Versteigerung läßt die am Schiff bestehenden Hypotheken unberührt, kann aber hinsichtlich der Höhe des Versteigerungserlöses ganz wesentlich davon abhängen, ob und in welchem Umfange solche bestehen. Mit der Zwangsversteigerung des ganzen Schiffes erlischt ein Partenpfandrecht nicht immer zwangsläufig. Wenn auch die Partenreederei an sich durch den Schiffsverlust aufgelöst wird, so gilt sie doch f ü r das Abwicklungsverfahren als fortbestehend; entsprechend ist auch daa Partpfandrecht an etwa noch vorhandenen Vermögensbestandteilen der P a r t im weiteren Sinne als fortbestehend anzusehen. Vgl. auch Anm. 8 zu § 25 SchRG (Bd. I S. 483).

Anm. 6

8'

115

§ 504

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Schiffspartenpfandrechte unter sich rangieren grundsätzlich nach der Reihenfolge ihrer Eintragung (analog § 25 SchRG, 49 SchRO; vgl. H e i n e r i c i u. G i l g a n 347 und W ü s t e n d ö r f e r SHR104). Gesetzliche Pfandrechte an Schifisparten, insbesondere in Gestalt des Schiffsgläubigerrechts, gibt es nicht. Anm. 7

7. Ob die die Schiffspart betreffende Eintragung zum Schiffsregister an dessen öffentlichen Glauben teilnehmen, ist umstritten, aber richtigerweise in entsprechender Anwendung des § 16 SchRG zu bejahen. Vgl. dazu im einzelnen Anm. 5 zu § 16 SchRG (Bd. I S. 474). § 504 Der Mitreeder, welcher seine Schiffspart veräußert hat, wird, solange die Veräußerung von ihm und dem Erwerber den Mitreedern oder dem Korrespondentreeder nicht angezeigt worden ist, im Verhältnisse zu den Mitreedern noch als Mitreeder betrachtet und bleibt wegen aller vor dieser Anzeige begründeten Verbindlichkeiten als Mitreeder den übrigen Mitreedern verhaftet. Der Erwerber der Schiffspart ist jedoch im Verhältnisse zu den übrigen Mitreedern schon seit dem Zeitpunkte der Erwerbung als Mitreeder verpflichtet. Er muß die Bestimmungen des Reedereivertrags, die gefaßten Beschlüsse und eingegangenen Geschäfte gleichwie der Veräußerer gegen sich gelten lassen; die übrigen Mitreeder können außerdem alle gegen den Veräußerer als Mitreeder begründeten Verbindlichkeiten in bezug auf die veräußerte Schiffspart gegen den Erwerber zur Aufrechnung bringen, unbeschadet des Rechtes des Erwerbers auf Gewährleistung gegen den Veräußerer. Verhältnis der Erwerbers einer Schiffspart zu den Mitreedern.

Anm. 1

1. Die Anzeige. Bis zum Erlaß des SchRG konnte auf Grund des bis dahin geltenden § 474 HGB die Übertragung der Schiffspart formlos geschehen (vgl. Anm. 1 zu § 503 HGB). Bei dieser Formlosigkeit war es zweckmäßig, eine Kundgebung nach außen, gegenüber Mitreedern und Dritten, anzuordnen, damit diese erfuhren, wen sie nach der Veräußerung als Mitreeder anzusehen hatten. Seit dem Inkrafttreten der DVOzSchRG sorgt f ü r diese Rechtssicherheit an sich schon das Formerfordernis der Partumschreibung im Register mit der SollVorschrift nachfolgender Bekanntmachung des Registergerichts an die Beteiligten, vor allem an den „eingetragenen Eigentümer", also im Fall der Schiffspart an die Mitreeder oder an den Korrespondentreeder (§§ 58, 57 SchRO). Dennoch wurde § 504 Abs. 1 unverändert gelassen. § 504 bedarf jetzt indessen einer Ergänzung zwecks besserer Abstimmung auf § 503: D e r g e m e i n s a m e n A n z e i g e v o n V e r ä u ß e r e r u n d E r w e r b e r s t e h t in d e r R e c h t s w i r k u n g g l e i c h die a m t l i c h e B e k a n n t m a c h u n g d e r P a r t u m s c h r e i b u n g (so zutreffend W ü s t e n d ö r f e r SHR 160; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 504).

Anm. 2

Insbesondere von der Anzeige des § 504 Abs. 1 gilt folgendes: a) I n h a l t . Sie hat die Mitteilung zu enthalten, daß eine oder mehrere der dem Veräußerer gehörigen Schifisparten auf den dem Namen nach zu benennenden und, wenn nötig, näher zu bezeichnenden Erwerber übergegangen sind. b) Eine F o r m ist f ü r sie nicht vorgeschrieben; sie geschieht also mündlich oder schriftlich, insbesondere auch durch Zirkular ( W a g n e r H B 217). c) Sie hat zu erfolgen entweder a n d e n K o r r e s p o n d e n t r e e d e r o d e r a n d i e M i t r e e d e r , d.h. alle Mitreeder, soweit dieselben nicht unbekannten Aufenthalts und zugleich ohne Vertretung sind. Bei auswärtigen, am Sitz der Reederei nicht vertretenen Mitreedern genügt Absendung der Anzeige. d) Sie hat zu erfolgen s e i t e n s d e s V e r ä u ß e r e r s u n d d e s E r w e r b e r s ; diejenige eines von beiden reicht nicht aus (Prot. 3727). Indessen steht nichts entgegen, daß einer von beiden sie zugleich im Namen und Auftrage des andern macht, wobei dem Auftrage die genehmigte Geschäftsführung ohne Auftrag gleichsteht. e) Sie w i r k t lediglich nach außen (unten Anm. 3ff. und Anm. 6 zu § 507 HGB), nicht zwischen Veräußerer und Erwerber. Insbesondere ist sie auf den Eigentumsübergang ohne 116

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB Einfluß: auch wenn sie nicht erfolgt ist, kann der Erwerber die Part weiter veräußern oder sie im Konkurs des Veräußerers aussondern. 2. Rechtsverhältnisse zwischen der Veräußerung und der Anzeige. a) Der V e r ä u ß e r e r wird im Verhältnis zu den Mitreedern weiterhin als Mitreeder angesehen und haftet auch f ü r die nach der Veräußerung, aber vor der Anzeige ihm als Inhaber der betreffenden P a r t erwachsenen persönlichen Verpflichtungen, derentwegen er sich evtl. (Anm. 3 zu § 503 HGB) bei dem Erwerber schadlos halten kann. Ebenso kann er sein Stimmrecht und seine sonstigen Gesellschafterrechte weiter geltend machen, insbesondere geschieht rechtsgültig an ihn die Auszahlung des Gewinns und der disponiblen Gelder; stellen sich die Zahlungen f ü r ihn dem Erwerber gegenüber als ungerechtfertigte Bereicherungen dar, so hat er sie demselben zu erstatten (Anm. 3 zu § 503 HGB). Er kann ferner auch noch die P a r t in den Fällen des § 501 HGB rechtswirksam aufgeben mit der Wirkung, daß das Eigentum des Erwerbers erlischt und den Mitreedern zuwächst.

Anm. 3

b) D e r E r w e r b e r hat bis zur Anzeige nicht die Rechte, sondern nur die Pflichten eines Mitreeders: er haftet f ü r die zwischen Veräußerung und Anzeige d e n M i t r e e d e r n g e g e n ü b e r begründeten Verpflichtungen gesamtschuldnerisch mit dem Veräußerer. Vgl. f ü r das Verhältnis gegenüber Dritten. § 507 Abs 2 HGB.

Anm. 4

c) Aus den Ausführungen zu a und b ergibt sich, daß vor der Veräußerung begründete Rechte und Pflichten des Veräußerers weder im Verhältnis zu den Mitreedern noch zu Dritten betroffen werden. Das diesbezügliche Verhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber richtet sich nach dem Veräußerungsvertrag. Zu beachten ist die Ausnahme in § 504 Abs. 3 S. 2. Vgl. dazu Anm. 7. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1902 Nr. 49; HansOLG Hansa 1935 S. 1167; HansOLG HansRGZ B 1938, 52. Vgl. auch Hansa 1938 S. 688 und S c h l ü t e r , Der Einfluß der Veräußerung einer Schiffspart auf die Haftung f ü r persönliche Reedereischulden, Hansa 1935 S. 1239.

Anm. 5

3. Rechtsverhältnisse nach erfolgter Anzeige. a) Der V e r ä u ß e r e r scheidet aus der Reederei aus, ohne daß in seinen bis dahin entstandenen persönlichen Verpflichtungen gegen die Mitreeder etwas geändert würde (§ 477 HGB; Prot. 1549). b) D e r E r w e r b e r tritt nunmehr vollständig in die Mitreederstellung des Veräußerers ein. Er gewinnt die Rechte eines Mitreeders, muß aber anderseits alle früher gefaßten Beschlüsse und deren Ausführung unter denselben Bedingungen gegen sich gelten lassen, wie dies der Veräußerer hätte tun müssen; er haftet insbesondere f ü r die nach der Veräußerung ausgeschriebenen Einschüsse (Prot. 1556Ü.) und kann sich davon in den Fällen des § 501 HGB nicht mehr durch Aufgabe der Part befreien, wenn der Veräußerer die Frist hierfür bereits versäumt hat. Die bis zur Anzeige zur Entstehung gelangten Berechtigungen des Veräußerers dagegen, z.B. der Anspruch auf den schon feststehenden, aber noch nicht zur Auszahlung gelangten Gewinn (Prot. 1552), gehen ihn nichts an. Ebenso strenggenommen die vor der Veräußerung entstandenen Verpflichtungen des Veräußerers, z.B. auf Zahlung von Verlusten früherer Reisen oder von Vorschüssen (§ 500 HGB): dieselben können nicht gegen ihn eingeklagt werden. Indessen haben kraft positiver Bestimmung die Mitreeder das Recht, die Verpflichtungen des Veräußerers in bezug auf die veräußerte Part gegen Forderungen des Erwerbers, z. B. auf Gewinnauszahlung (man spricht dann von „Abzügen auf seinen Ant e i l " : Prot. 1552) oder auf Rückzahlung von ihm geleisteten Vorschüsse, zur A u f r e c h n u n g zu bringen, eine Bestimmung, die darin ihren Grund findet, daß die Lage der Mitreeder durch die Veräußerung nicht verschlechtert werden soll. Natürlich kann jeder Mitreeder nur insoweit aufrechnen, als er selbst Schuldner des Erwerbers geworden ist (z.B. auf Grund von Vorschüssen): er kann nicht etwa auf alle Gelder Ansprüche erheben, die der Korrespondentreeder dem Erwerber zu zahlen hat (er müßte dann die betreffende Forderung gepfändet haben. Viel weitergehend W a g n e r H B 219; B o y e n s Bd. 1 S. 287). Vgl. Anm. 4 zu § 502 HGB. K r a f t Analogie wird man auch dem K o r r e s p o n d e n t r e e d e r , der nicht Mitreeder ist, ein Aufrechnungsrecht, das er gegen den Veräußerer hat (s. oben Anm. 9 zu § 492 HGB), auch dem Erwerber gegenüber gewähren müssen (anders B o y e n s Bd. 1 S. 287).

Anm. 6

117

Anm. 7

§ 505

Vierter Teil. Seehandelsreeht

Ist durch eine derartige Aufrechnung der Veräußerer zum Nachteil des Erwerbers ungerechtfertigt bereichert, so haftet er insoweit dem Erwerber (Anm. 3 zu § 503 HGB). Anm. 8

4. Der Paragraph bezieht sich nur aui die freiwillige Veräußerung von Schiffsparten, nicht auf die unfreiwillige, im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgende; er ist aber auf sie analog anzuwenden (Boyens Bd. 2 S. 43; P a p p e n h e i m H B 2 S. 196). § 505 Eine Änderung in den Personen der Mitreeder ist ohne Einfluß auf den Fortbestand der Reederei. Stirbt ein Mitreeder oder wird der Eonkurs über das Vermögen eines Mitreeders eröffnet, so hat dies die Auflösung der Reederei nicht zur Folge. Eine Aufkündigung von Seiten eines Mitreeders oder eine Ausschließung eines Mitreeders findet nicht statt.

Einleitg.

Der Paragraph verneint fttr die Reederei gewisse für sonstige Gesellschaften geltende Endigungsgrttnde. Wie bereits in Anm. 13 zu § 489 HGB hervorgehoben, gehört es gerade zu den Besonderheiten der Reederei, daß dieselbe, obschon keine juristische Person, in ihrem Bestände durch den Wechsel der Mitglieder unbeeinflußt bleibt, daß sie auch nicht durch Tod oder Dispositionsverlust einzelner Mitglieder aufgelöst wird, und daß Aufkündigung und Ausschließung von Mitgliedern bei ihr nicht existieren. Vereinigen sich indessen alle Parten in einer Hand, so endigt die Reederei (Prot. 3728; HansOLG HansRGZ 1938 B 62; W ü s t e n d ö r f e r SHR 168).

Über die e i n z e l n e n F ä l l e des § 505 (dessen Gehalt durch Reedereistatut abgeändert werden kann, § 490 HGB) ist zu sagen: Anm. 1 Anm. 2

Anm. 3

1. Änderungen des Personenbestandes der Reederei. a) Durch V e r ä u ß e r u n g v o n S c h i f f s p a r t e n ; s. § 504 HGB. b) Durch T o d e i n e s M i t r e e d e r s . Die Reederei wird nicht aufgelöst, der Korrespondentreeder behält seine Stellung. Die SchifEspart des Verstorbenen wird vertreten aa) b i s z u r A n n a h m e d e r E r b s c h a f t — sofern nicht der Erbe oder die Miterben erbschaftliche Geschäfte besorgen (§ 1959 BGB) — durch den f ü r den Nachlaß ernannten Pfleger (§ 1960 BGB) oder den bzw. die Testamentsvollstrecker, sofern sich nichts Gegenteiliges aus ihrer Vollmacht ergibt (§ 2208 BGB); bb) n a c h A n n a h m e d e r E r b s c h a f t : aaa) Bis zur A u s e i n a n d e r s e t z u n g d e r M i t e r b e n entweder durch den oder die Testamentsvollstrecker oder durch die Gesamtheit der Miterben gemäß dem bürgerlichen Recht (vgl. dort insbesondere §§ 2038, 745 BGB; betreffs der Haftung für die auf der Part ruhenden Verbindlichkeiten s. §§ 1967, 1975 ff., 2058ff. BGB). bbb) N a c h der A u s e i n a n d e r s e t z u n g ist derjenige Miterbe, dem die Schifispart zugeteilt ist, Mitreeder. Er steht, wie §§ 2042 Abs. 2, 756 BGB zeigen, zu der Gesamtheit der Miterben im Verhältnis des Erwerbers zum Veräußerer (§§ 503, 504, 507 HGB). Setzen die Miterben das Gemeinschaftsverhältnis fort, so gelten die §§ 741 ff. BGB. cc) Im Falle des V e r m ä c h t n i s s e s durch den Vermächtnisnehmer. 2. Verlust der Geschäftsfähigkeit oder Verfügungsbefugnis eines Mitreeders. Auch hierdurch wird die Reederei nicht aufgelöst, vielmehr wird der in der Geschäftsfähigkeit oder in der Verfügungsfähigkeit Beschränkte in allen die Schiffspart betreffenden Angelegenheiten vertreten a) in d e n F ä l l e n , in d e n e n n a c h b ü r g e r l i c h e m R e c h t ein V o r m u n d o d e r P f l e g e r e r n a n n t w i r d (Entmündigung wegen Geisteskrankheit, Verschwendung, Trunksucht, Gebrechlichkeit) durch diesen (§§ 104, 114, 1896ff., 1910 BGB). b) Im F a l l e des K o n k u r s e s durch den Konkursverwalter (§ 5 KO), der aber nicht durch Verfügung über die Part das Absonderungsrecht der Mitreeder (§ 44 KO; s.o. Anm. 5 zu § 500 HGB verletzen darf. 118

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 506

3. Kündigung seitens eines Mitreeders (vgl. § 723 BGB, §§ 132 ff. HGB) oder seitens der Gläubiger eines Mitreeders (vgl. § 725 BGB) findet nicht statt, erstere auch nicht, wenn der Mitreeder mehr als die Hälfte der Parten hat, ebensowenig Ausschließung eines Mitreeders (vgl. § 140 HGB), die insbesondere auch nicht in der zwangsweisen Veräußerung der Schiffspart zu sehen ist. Die Struktur der Reederei ist gerade in dieser Hinsicht gänzlich anders als die der Gesellschaft des BGB oder die der offenen Handelsgesellschaft.

Anm. 4

§ 506 Die Auflösung der Reederei kann durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluß, das Schiff zu veräußern, steht dem Beschlüsse der Auflösung gleich. Ist die Auflösung der Reederei oder die Veräußerung des Schiffes beschlossen, so muß das Schiff öffentlich verkauft werden. Der Verkauf kann nur geschehen, wenn das Schiff zu einer Reise nicht verfrachtet ist und sich in dem Heimathafen oder in einem inländischen Hafen befindet. Ist jedoch das Schiff als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemniert (§ 479), so kann der Verkauf, auch wenn das Schiff verfrachtet ist und selbst im Ausland erfolgen. Soll von diesen Vorschriften abgewichen werden, so ist die Zustimmung aller Mitreeder erforderlich. Endigung der Reederei durch Auflösung. Einleitg. Abgesehen von dem hier behandelten Endigungsgrunde endigt die Reederei durch Totalverlust, Notverkauf als Zwangsverkauf des Schiffes, Aufgabe sämtlicher Parten ( W a g n e r HB 193), Vereinigung derselben in einer Hand (Prot. 3728, HansOLG HansRGZ 1938 B 62; W ü s t e n d ö r f e r SHR 168: eine Einmanngesellschaft ist hier nicht anerkannt), Eröffnung des Konkurses über das Reedereivermögen (Anm. 18 zu § 489 HGB), dauernde Nichtverwendung des Schiffes zum Erwerb durch die Seefahrt. 1. Autlösung der Reederei i s t die E n d i g u n g d e r s e l b e n i n f o l g e g e g e n s e i t i g e r Anm. 1 Ü b e r e i n k u n f t . Sie setzt voraus einen A u f l ö s u n g s b e s c h l u ß , welchem sodann das A u f l ö s u n g s v e r f a h r e n zu folgen hat. Unrichtig und irreführend ist es, aus dem Wortlaut des Abs. 1 zu folgern, „die Reederei höre auf zu existieren durch Beschluß der Mehrheit, die Reederei auflösen zu wollen" ( W a g n e r HB 193; vgl. RGZ 11, 194, auch B o y e n s , Bd. 1 S. 290), denn der Beschluß, in Zukunft etwas zu tun, ist nicht das Tun selbst. 2. AuflösungsbeschluB ist der Beschluß der Mitreeder, die Reederei zur Auflösung zu Anm. 2 bringen. I h m s t e h t g l e i c h d e r B e s c h l u ß , d a s S c h i f f zu v e r ä u ß e r n . Für beide Beschlüsse genügt Stimmenmehrheit (§ 491 HGB). Sie können rechtsgültig j e d e r z e i t gef a ß t werden (ROHG 14, 421), also auch wenn das Schiff zu einer Reise verfrachtet ist oder sich in einem ausländischen Hafen befindet. Jeder Mitreeder hat ein w o h l e r w o r b e n e s R e c h t darauf, daß der gefaßte Auflösungs- Anm. 3 oder Veräußerungsbeschluß ausgeführt wird (ROHG 14, 421). Hieraus folgt, daß die Umstoßung des Beschlusses nur mit Zustimmung sämtlicher Mitreeder erfolgen kann, also auch derjenigen, die auf ihr Stimmrecht verzichtet haben (s. Anm. 7 zu § 491 HGB). Man kann deshalb in der Vornahme beschlußwidriger Handlungen, wie Fortsetzung des Reedereibetriebs, nur dann einen stillschweigenden Umstoßungsbeschluß erblicken (Prot. 1558; B o y e n s Bd. 1 S. 289), wenn jene Handlungen auf der Zustimmung sämtlicher Mitreeder beruhen; andernfalls sind sie Eigenmächtigkeiten des geschäftsführenden Organs oder der Mehrheit, gegen die jeder Mitreeder den Schutz der Gerichte anrufen kann. 3. Das Auflösungsverfahren besteht in dem V e r k a u f des S c h i f f s , welchem das L i q u i - Anm. 4 d a t i o n s v e r f a h r e n folgt. a) Der Verkauf des Schiffs. Für ihn stellt das Gesetz zwei Voraussetzungen und eine Formalbestimmung auf, von denen nur mit Zustimmung sämtlicher Mitreeder (s. Anm. 7 zu § 491 HGB), die auch stillschweigend erfolgen kann (OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908 S. 136), abgewichen werden kann. Ein entgegen den gesetzlichen Vorschriften vorgenommener Verkauf ist ungültig: selbst derjenige Mitreeder, der im voraus eine spezielle Einwilligung zum Zuschlag an eine bestimmte Person gegeben hat, ist hieran nicht gebunden, wenn der Verkauf nicht gültig erfolgt ist (RG Bolze Bd. 11 Nr. 463). Der Inhaber der Partenmehrheit, der sich 119

§507

Anm. 5

Anm. 6

Anm. 7

Anm. 8

Vierter Teil. Seehandelsreeht

unter Außerachtlassung der Bestimmungen des § 506 das Schiff zugesehlagen hat, haftet den Mitreedern auf das Interesse (RGZ 71, 29; das Urteil des R G Bolze Bd. 11 Nr. 137, nach dem unter Umständen nur Haftung auf die Bereicherung erfolgen soll, beruht auf gemeinem Recht). aa) V o r a u s s e t z u n g e n . Der Verkauf kann nur erfolgen, wenn das Schiff nicht zu einer Reise verfrachtet ist und sich im Heimathafen oder in einem inländischen Hafen befindet. Zweck dieser Bestimmung ist die Innehaltung geschlossener Frachtverträge und (Prot. 1559) die Vermeidung von Versteigerungen im Auslande. Über die Häfen, die nach Landesrecht dem H e i m a t h a f e n (Anm. 1 zu § 480 HGB) gleichstehen, s. Anm. 4 zu § 480 HGB. H a t das Schiff keinen inländischen oder überhaupt keinen bestimmten Heimathafen (Anm. 2 zu § 480 HGB), so kommt nur sein Aufenthalt in einem inländischen Hafen in Betracht. a) A u s n a h m e : Ist das Schiff als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig (§ 479 HGB) k o n d e m n i e r t (s. § 530 HGB), so kann der Verkauf, auch wenn das Schiff verfrachtet ist und im Auslande, erfolgen. bb) F o r m a l b e s t i m m u n g : der Verkauf muß ö f f e n t l i c h erfolgen. Über die Modalitäten als öffentlichem Verkauf sagt das Gesetz nichts. Richtiger Ansicht nach ist anzunehmen, daß entsprechend der f ü r Grundstücke geltenden Vorschrift des § 753 BGB die §§ 162 ff. ZVG zur Anwendung kommen, allerdings unter Berücksichtigung landesrechtlicher Besonderheiten, wie § 5 Hamb. AusfGzHGB (so auch S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 506; bestr., z.B. W ü s t e n d ö r f e r S H R 168: was öffentlich bedeutet, soll nach ihm das Landesrecht bestimmen). b) Das Liquidationsverfahren. Es dient — abgesehen vom Konkursfall — zur Erledigung aller noch schwebenden Beziehungen nach außen, die allerdings zum Teil schon durch das Verkaufsverfahren erledigt sein dürften, und zur Auseinandersetzung der Mitreeder unter sich. Vgl. auch HansOLG HansRGZ 1932 B 736. F ü r die Art und Weise, in der die Liquidation zu geschehen hat, gibt das Gesetz keine Vorschriften. Es entspricht dem praktischen Bedürfnis, f ü r dieses Stadium die das Reedereiverhältnis beherrschenden Grundsätze, insbesondere das der Mehrheitsbeschlüsse und die Vertretungsbefugnis des Korrespondentreeders aufrechtzuerhalten, soweit der Zweck der Auseinandersetzung dies erfordert (RGZ 11, 196; 42, 74 ; 71,21; 123, 108; R G HansRGZ 1932 B Nr. 250 Sp. 736; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1908 S. 136; HansOLG HansGZ 1890 S. 174; W ü s t e n d ö r f e r SHR 169; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 3 zu § 506; a.A. B o y e n s Bd. 1 S. 253 und 291; siehe auch AppG Celle SeuffA Bd. 24 Nr. 70).

§507 Die Mitreeder als solche haften Dritten, wenn ihre persönliche Haftung eintritt, nur nach dem Verhältnisse der Größe ihrer Schiffsparten. Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit zwischen der Veräußerung und der im § 504 erwähnten Anzeige etwa begründeten persönlichen Verbindlichkeiten rücksichtlich der Schiffspart sowohl der Veräußerer als der Erwerber. Einleltg.

Der Paragraph bestimmt: 1. die proratarische persönliche Haftung der Mitreeder als solcher Dritten gegenüber, 2. die gesamtschuldnerische Haftung von Veräußerer und Erwerber einer Schiffspart für die zwischen Veräußerung und Anzeige (§ 504 HGB) rücksichtlich der Schiffspart entstandenen persönlichen Verbindlichkeiten. Unter „ D r i t t e n " sind nicht nur solche Gläubiger, die Nicht-Mitreeder sind, zu verstehen: es können a u c h M i t r e e d e r sein, n u r n i c h t M i t r e e d e r a l s s o l c h e . Ein Mitreeder, der der Reederei Kohlen verkauft hat, unterscheidet sich durch nichts von einem Dritten, der dasselbe getan h a t : er ist gleichfalls „Dritter". Aber die in ihren Sonderrechten verletzte Minderheit, die die Mehrheit verantwortlich macht, besteht aus Mitreedern als solchen: wie ihnen gehaftet wird, bestimmt sich nicht nach § 507, sondern nach bürgerlichem Recht.

Anm. 1

1. (Abs. 1). Proratarische Haftung der Mitreeder Dritten gegenüber. a) Voraussetzungen. aa) E s muß sich um eine Reedereischuld (Anm. 15, 19ff zu § 489 HGB) handeln: f ü r eine solche haften die Mitreeder a l s s o l c h e , d . h . auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Reederei.

120

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§507

Dagegen gehören n i c h t hierher Verbindlichkeiten, die der einzelne Mitreeder, wenn auch a n l ä ß l i c h dieser Eigenschaft, aus S p e z i a l g r ü n d e n auf sich geladen hat, z.B. aus Vergehen (Prot. 1612; vgl. R G HansGZ 1885, 114), Verbürgungen f ü r Reedereischulden, Aufnahme von Darlehen unter Verpfändung der Schiffspart ( M i t t e l s t e i n , Schiffspfandrecht S. 205), auch nicht gewisse ihm als Schiffer (Anm. 33ff. zu § 486 HGB) oder als Korrespondentreeder (Anm. 5 zu § 493 HGB) Dritten gegenüber erwachsenen Verpflichtungen. Vgl. wegen der H a f t u n g der Reederei im einzelnen Anm. 21 zu § 489 H G B bb) Nur persönliche Reedereischulden (Anm. 21 zu § 489 HGB) kommen in Frage. F ü r unpersönliche Schulden haftet ausschließlich die Reederei mit dem ungeteilten Schiffsvermögen: es kann nicht etwa ein Mitreeder durch Zahlung der seiner P a r t entsprechenden Quote der Schiffschuld seinen Anteil am Schifisvermögen von der H a f t u n g befreien (vgl. § 763 HGB). Bestritten ist, ob sich § 507 auch auf die Fälle von R e e d e r e i s c h u l d e n m i t b e s c h r ä n k t p e r s ö n l i c h e r H a f t u n g (§§ 771 ff. HGB) bezieht. Die Frage ist von der Vorauflage dieses Kommentars bejaht worden (Anm. 2 zu § 507), außerdem von W a g n e r H B 189, H e c k , Große Haverei, S. 469; B r a b a n d , Freiwillige Veräußerung deutscher Seeschiffe, 1894, S. 58, P a p p e n h e i m H B 2 S. 284ff„ HansOLG HansGZ 1880 Nr. 19. Sie wird mit Recht verneint, weil aus Billigkeitsgründen dem Schiffsgläubiger f ü r sein verlorenes oder gefährdetes Pfandrecht ein möglichst vollkommener Ersatz gewährt werden muß, von RGZ 33, 87ff., HansOLG HansRGZ 1928 B Nr. 86 Sp. 215; W ü s t e n d ö r f e r S H R 162 u. H B 375; S i e v e k i n g 21 ; S e h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §507. Die Gläubigerinteressen müssen hier den Vorzug haben. Die Mitreeder haften in diesem Falle deshalb gesamtschuldnerisch.

Anm. 2

b) Durchführung: die Mitreeder haften für persönliche Reedereischulden persönlich nach Verhältnis der Größe ihrer Schiffspart (vgl. auch Anm. 21. zu § 489 HGB). aa) Die H a f t u n g der einzelnenMitreederfür die in Anm. 1 erwähnten Verbindlichkeiten, sowie die anläßlich derselben fentstandenen Prozeßkosten, Arrestkautionen (vgl. RG HansGZ 1885, 114) usw. ist pro rata geteilt nach der Größe der Schiffsparten. Ob M i t e r b e n , wenn sich im Nachlaß eine Schiffspart befindet, f ü r die auf letztere fallende R a t e wieder pro r a t a ihrer Erbteile oder solidarisch haften, richtet sich nach bürgerlichem Rechte (§§ 1967, 2058ff. BGB). Gehört die P a r t zum Vermögen einer offenen Handelsgesellschaft, so haften deren Teilhaber f ü r die auf die P a r t entfallende Rate gesamtschuldnerisch (§ 128 HGB). Siehe auch Prot. 1613. bb) Sie ist primär: der Gläubiger ist nicht verpflichtet, bevor er gegen einen einzelnen Mitreeder vorgeht, sich an die Reederei zu halten (Anm. 21 zu § 489 HGB). T u t er aber das letztere und erzielt er ein Urteil gegen die Reederei, so schafft dasselbe, weil Identität der Parteien nicht vorliegt (Anm. 15 zu § 489 HGB), nicht Recht gegen die einzelnen Mitreeder: es kann aus ihm nicht gegen die Mitreeder vollstreckt werden. Ist die Klage gegen sämtliche Mitreeder zusammen angestrengt und geht aus dem Urteilstenor hervor, zu welcher Höhe jeder einzelne verurteilt ist, dann kann natürlich gegen jeden vollstreckt werden : es lag dann eine Klage gegen die Reederei gar nicht vor, sondern nur eine solche gegen die einzelnen Mitreeder.

Anm. 3

c) Aufrechnungsbefugnis. aa) D e r p e r s ö n l i c h i n A n s p r u c h g e n o m m e n e M i t r e e d e r kann nur mit seinen Privatforderungen aufrechnen, nicht mit seinem Anteil an einer gegen seinen Gegner bestehenden Reedereiforderung (Anm. 21 zu § 489 HGB). bb) D e r v o n e i n e m M i t r e e d e r in A n s p r u c h g e n o m m e n e P r i v a t s c h u l d n e r kann als Reedergläubiger die der P a r t des Mitreeders entsprechende Quote seiner persönlichen oder dinglich-persönlichen Forderung aufrechnen (Anm. 21 zu § 489 HGB).

Anm. S

2. (Abs. 2). Bei Veräußerung einer Schiffspart macht sich auch im Verhältnis zu Dritten das Z w i s c h e n s t a d i u m zwischen Veräußerung und Anzeige an die Mitreeder (Anm. 6ff. zu § 504) insofern geltend, als f ü r alle w ä h r e n d d e s s e l b e n rücksichtlich der P a r t entstandenen p e r s ö n l i c h e n Verbindlichkeiten Veräußerer und Erwerber dem Dritten solidarisch haften. Der Satz des § 507 Abs. 2, der nicht analog angewendet werden kann auf den Fall der Partenaufgabe ( B o y e n s Bd. 1 S. 294), bezieht sich also n i c h t a) auf u n p e r s ö n l i c h e Verbindlichkeiten, weil f ü r sie die Person des Parteneigentümers gleichgültig ist,

Anm. 6

121

Anm. 4

§ § 508, 509

Vierter Teil. Seehandelsrecht

b) a u f p e r s ö n l i c h e , v o r B e g i n n des Z w i s c h e n s t a d i u m s e n t s t a n d e n e Verbindlichkeiten, weil in ihnen durch die Veräußerung nichts geändert wird (§ 477 HGB). Vgl. auch S c h l ü t e r , Der Einfluß der Veräußerung einer Schiffspart auf die Haftung für persönliche Reedereischulden, Hansa 1935 S. 1239. Siehe auch HansOLG Hansa 1935 S. 1167. Wie § 504 HGB bezieht sich auch § 507 Abs. 2 nur auf f r e i w i l l i g e Veräußerungen (vgl Anm. 8 zu § 504). Er ist aber wie § 504 auf unfreiwillige entsprechend anzuwenden. § 508 Die Mitreeder als solche können wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob dieser Ton einem Mitreeder oder von einem Dritten erhoben wird, vor dem Gericht des Heimatshafens (§ 480) belangt werden. Diese Vorschrift kommt auch dann zur Anwendung, wenn die Klage nur gegen einen Mitreeder oder gegen einige Mitreeder gerichtet wird. Gerichtsstand des Heimathafens für Klagen gegen die Mitreeder als solche. Anm.

Es ist Bezug zu nehmen auf die in § 488 HGB gemachten Ausführungen: schon auf Grund dieses Paragraphen gilt der Gerichtsstand des Heimathafens für alle gegen die R e e d e r e i geltend gemachten Verpflichtungen. Durch den vorliegenden Paragraphen wird die Zuständigkeit der Gerichte des Heimathafens auch auf Klagen gegen die e i n z e l n e n M i t r e e d e r als solche (Anm. 1 zu § 507 HGB) ausgedehnt, gleichviel, ob der geltend gemachte Anspruch a) gegen einen oder mehrere Mitreeder, b) von Mitreedern oder von Dritten erhoben wird, c) unbeschränkt oder beschränkt persönlicher Natur ist. Unpersönliche Ansprüche kommen nicht in Frage, weil dieselben nicht gegen einzelne Mitreeder geltend gemacht werden können (Anm. 2 zu § 504 HGB). § 509 Auf die Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefahrt zu verwenden, finden die Vorschriften der §§ 490, 491, 500, 505 sowie des § 507 Abs. 1 und, sobald das Schiff vollendet und von dem Erbauer abgeliefert ist, außerdem die Vorschriften der §§ 503, 504, 506 sowie des § 507 Abs. 2 Anwendung; die Vorschrift des § 500 gilt auch für die Baukosten. Ein Eorrespondentreeder (§ 492) kann schon vor der Vollendung des Schiffes bestellt werden; er hat in diesem Falle sogleich nach seiner Bestellung in bezug auf den künftigen Reedereibetrieb die Rechte und Pflichten eines Korrespondentreeders.

Einleltg.

Anm. t

Baureederei (vgl. von R o t h , Gewerbesteuerpflicht beim Übergang der Baureederei in die Partenreederei, Hansa 1958 S 2601) Siehe auch Anm. 8 zu § 489 HGB. Die Reederei setzt ein fertiges Schiff voraus (Anm. 2 zu § 489 HGB). Dennoch gilt eine Anzahl der für sie bestehenden Rechtssätze, der Sache entsprechend, auch für die sog. B a u r e e d e r e i , die Vereinigung mehrerer Personen zu dem Zwecke, ein Schiff a) zunächst für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen, b) u n d es sodann zur Seefahrt (richtiger: zum Erwerb durch die Seefahrt) zu verwenden. B e i d e s m u ß z u s a m m e n t r e f f e n : wird etwa Erbauung zwecks Weiterverkaufs beabsichtigt, so liegt eine Baureederei nicht vor (Prot. 1638). Auf die Baureederei finden, soweit sich aus § 509 nichts anderes ergibt, die Sätze des Gesellschaftsrechts Anwendung. Die Rechtssätze über die eigentliche Reederei, welche auch für die Baureederei gelten sollen — in ihrer Aufzählung ist selbstverständlich der Wille des Gesetzes zu sehen, daß die nicht aufgeführten Sätze n i c h t gelten sollen — zerfallen in d r e i G r u p p e n nach den Stadien des Unternehmens. 1. Rechtssätze, die vom Beginn des Unternehmens an gelten. 1 Die B e s t i m m u n g e n des R e e d e r e i v e r t r a g e s ü b e r das i n t e r n e V e r h ä l t nis d e r M i t r e e d e r h a b e n den V o r r a n g v o r den g e s e t z l i c h e n V o r s c h r i f t e n (§490 HGB). Der Baureedereivertrag ist keiner Form unterworfen. Enthalten muß er Be122

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§509

Stimmungen über alles f ü r den betreffenden Schiffsbau Wesentliche, wenn er nicht wegen Unbestimmtheit des Gegenstandes ungültig sein soll. 2. D e r G r u n d s a t z d e r M e h r h e i t s b e s c h l ü s s e (§ 491 HGB) m i t d e n in § 4 9 1 A b s . 2 a u f g e f ü h r t e n A u s n a h m e n . Ein Beispiel f ü r die Abänderung des Baureedereivertrages ist der Beschluß, das Schiff größer zu bauen als anfänglich beschlossen (Prot. 1645). 3. D i e S ä t z e ü b e r N a c h s c h u ß - u n d V o r s c h u ß l e i s t u n g e n (§ 500 HGB) mit der Maßgabe, daß sich dieselben zugleich auf die Baukosten beziehen. 4. D i e S ä t z e ü b e r d i e B e s t e l l u n g u n d A b b e r u f u n g d e s K o r r e s p o n d e n t r e e d e r s (§ 492 HGB), dagegen gelten diejenigen über seine gesetzlichen Befugnisse, seine Rechte und Pflichten nur in Beziehung auf den künftigen Reedereibetrieb (RG Recht 1919 Nr. 1655), nicht auf diejenigen der Baureederei. Ohne besondere Vollmacht hat deshalb der Korrespondentreeder nicht die Befugnis, mit der Werft zu kontrahieren (Prot. 1641); er kann insoweit auch nicht die Baureederei vor Gericht vertreten (RG a.a.O.). Dagegen darf er mit Rücksicht auf die demnächstige Vollendung des Schiffes f ü r die Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung desselben sorgen, unter Umständen Frachtverträge schließen usw. 5. D i e S ä t z e , b e t r e f f e n d A u s s c h l u ß d e r K ü n d i g u n g u n d d e r A u s s c h l i e ß u n g u n d d i e N i c h t - E n d i g u n g d e r R e e d e r e i a u s d e n in § 505 H G B g e n a n n t e n G r ü n d e n , letzteres mit der Maßgabe, daß die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen (§§ 503, 504 HGB) noch unzulässig ist (RG a.a.O. Nr. 1656), weil sonst ein Beteiligter willkürlich in der Lage wäre, seine Anteil an einen Zahlungsschwachen zu übertragen (Prot 1647). Vgl. auch § 719 BGB. 6. D i e H a f t u n g p r o r a t a d e r G e s e l l s c h a f t s a n t e i l e (§ 507 Abs. 1 HGB). Es kann, solange eine Reederei noch nicht vorhanden ist, nur eine persönliche Haftung überhaupt in Frage kommen. H. Rechtssätze, die außerdem gelten, sobald das Schiff vollendet und vom Erbauer abgellefert ist. Der Moment der A b l i e f e r u n g ist derjenige, in welchem den Baumitreedern seitens der Bauwerft das Schiff übergeben wird. Regelmäßig wird damit auch die Übereignung des Schiffes nach §§ 929 oder 929 a BGB verbunden sein, sofern nicht die Übereignung, wenn das Schiffsbauwerk zum Schiffsregister eingetragen war, gemäß §§ 78, 3 SchRG zu erfolgen hat. Vgl. dazu auch Anm. 3 Ziff. 6 zu § 76 SchRG (Bd. I S. 547). I. D i e B e f u g n i s z u r V e r ä u ß e r u n g v o n S c h i f f s p a r t e n (§§ 503, 504, 507 Abs. 2 HGB). Siehe oben Anm. 5. 2. D i e S ä t z e ü b e r d i e E n d i g u n g d e r R e e d e r e i d u r c h A u f l ö s u n g (§ 506 HGB). III. Rechtssätze, die erst mit dem Beginn der Verwendung zum Seefahrtservverb (Anm. 2 zu § 484 HGB; vgl. aueh dritter Teil erstes Kapitel Anm. 16), also mit dem Inslebentreten der Reederei, zur Anwendung kommen. Es sind dies die Sätze ü b e r die A u f g a b e v o n P a r t e n (§501 HGB), die V e r t e i l u n g v o n G e w i n n u n d V e r l u s t (§ 502 HGB) und den G e r i c h t s s t a n d des H e i m a t h a f e n s .

Anm. 2

Anm. 3 Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

Anm. 7

Anm. 8 Anm. 9

Anhang I zu §§ 489—509 Die Partenreederei (Miteigentum an Schiffen) im ausländischen Recht I. Überblick. Die Seerechte fast aller Länder treffen in dieser oder jener Form Bestimmungen über das Miteigentum an Schiffen. Doch entsprechen diese Normen der deutschen Reederei in manchen Punkten nur wenig. Vielmehr sind die Verhältnisse im einzelnen sehr unterschiedlich. Großbritannien kennt die Zerlegung des Schiffseigentums in 64 shares, Frankreich gemäß Art. 220 c. com. die copropriété du navire. I n den Niederlanden enthält das Wetboek van Koophandel in den Art. 323 bis 340 g eine Reihe von Vorschriften über die Vereinigung mehrerer Personen zur Ausrüstung eines Schiffes. In Belgien wiederholt das Gesetz vom 10. 2. 1908 im wesentlichen die französischen Bestimmungen. Für Italien vgl. Art. 239—244 cod. nav. Auch dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika sind Sonderbestimmungen bekannt. Für Spanien siehe Art. 589—601 HGB, f ü r die skandinavischen Länder die Art. 9 bis 128

Anm. 1

§509

Vierter Teil. Seehandelsrecht

23 der Seegesetze, für Argentinien Art. 876ÊE. c.com., für Chüe Art. 849—861 HGB, für Marokko Art. 743., 133S. Seehandelsgesetz. Anm. 2

11. Einzelne Länder. 1. Frankreich. Die Regelung des Art. 220 c. com. geht bereits auf die Ordonnance von 1681 zurück. Die Bestimmungen sind dementsprechend veraltet. Ihre praktische Bedeutung ist sehr gering. Man bedient sich für Schiffahrtsunternehmen der allgemeinen Formen der Handelsgesellschaften. Nur in der Fischerei spielt die copropriété du navire noch eine gewisse Rolle. Vgl. R i p e r t Nr. 780ff. Die copropriété du navire ist nicht, wie die copropriété des Zivilrechts ein zufälliger Zustand, den man nach Belieben auflösen kann (vgl. Art. 815 c. civ.), sondern ein auf die Dauer gewolltes Miteigentum, dessen Schicksale von der Mehrheit der Miteigentümer nach einer bestimmten Organisation bestimmt werden. Der Anteil des Miteigentümers wird als part oder quirat bezeichnet, der Miteigentümer als quirataire. Die Zahl der quirat ist im allgemeinen vierundzwanzig. Doch ist diese Anzahl nicht zwingend, sondern beruht nur auf Tradition. Die auf dem Miteigentum aufgebaute Organisation wird nach wohl überwiegender Ansicht als eine Handelsgesellschaft angesehen (vgl. R i p e r t Nr. 782 mit weiteren Angaben), und zwar als eine solche sui generis. Die Organisation richtet sich weitgehend nach dem Gesellschaftsvertrag, der zwar nicht von Gesetzes wegen, aber doch um des Beweises willen der Schriftform bedarf. Die Miteigentümer werden in dem registre des soumissions und auf dem acte de francisation vermerkt. Die copropriété du navire bezieht sich immer nur auf ein SchiS. Die Anteile sind frei übertragbar. Zweifelhaft ist es, ob der Organisation der Charakter einer juristischen Person zukommt. Gemäß Art. 220 c. com. kommt es für die Geschäftsführung auf den Willen der Mehrheit der quirataires an, gerechnet nach der Größe der quirats. Doch hat die Minderheit immer einen Anspruch darauf, gehört zu werden. Auch darf die Mehrheit keine willkürlichen Beschlüsse fassen. So muß sie immer den Zweck der Gesellschaft im Auge behalten, darf also z. B. das Schiff nicht für dauernd aus der Fahrt ziehen oder zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen. Sie darf den Gesellschaftsvertrag nicht ändern und kann der Minderheit auch nicht das Recht nehmen, ihre quirats frei zu veräußern. Gemäß Art. 3 des Gesetzes vom 10. 7. 1885 ist sie indessen berechtigt, das Schiff mit einer Hypothek zu belasten. Die Verwaltung des Schiffes wird in den meisten Fällen einer dem Korrespondentieeder des deutschen Rechts entsprechenden Person übertragen, dem armateur gérant oder armateur titulaire. Der code de commerce kennt ihn nicht. Seine Rechtsstellung richtet sich deshalb nach dem code civil und dem Gesellschaftsvertrag. Im allgemeinen schließt er die Transportverträge für das Schiff, stellt den Kapitän ein und schließt auch die Versicherungsverträge über das Schiff. Eine Schiffshypothek darf er nur mit Zustimmung der Mehrheit der quirataires bestellen (Art. 3 Gesetz vom 10. 7. 1885). Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß die Part frei veräußerlich ist und daß dieses Recht der Minderheit durch die Mehrheit nicht beschnitten werden kann, und zwar auch dann nicht, wenn die Veräußerung einer Part zur Folge haben könnte, daß das Schiff das Recht zur Führung der französischen Flagge verlieren würde ( R i p e r t Nr. 791; anders hier insbesondere das deutsche, englische, norwegische, schwedische, spanische und marokkanische Recht). Die quirataires haftet für die Verbindlichkeiten der copropriété du navire solidarisch, also nicht nur wie etwa nach § 507 deutsches HGB, Art. 9 schwedisches Seegesetz, Art. 590 spanisches HGB, Art. 326 niederländisches WvK, Art. 870 argentinisches H G B proratarisch.

Anm. 3

2. Großbritannien. Vgl. Chorley and Giles, ShippingLaw, 4. Aufl. 1958/59 S.4 ff. Das Miteigentum (co-ownership) an Schiffen hat zunächst insofern eine gegenüber dem allgemeinen Recht besondere Gestalt, als jedes Schiff in 64 Anteile (shares) zerlegt wird (sectö (i) MerchShA, 1894). Der Grund, weshalb man an dieser zunächst offenbar mehr oder weniger zufällig entstandenen Zahl festgehalten ist, scheint der zu sein, daß man von einer noch größeren Anzahl von Miteigentumanteilen eine zu große Schwerfälligkeit hinsichtlich der Registrierung und der Verwaltung befürchtete. Doch kann eine Person mehrere und auch alle Anteile haben. Eine juristische Person kann allein unter ihrem Namen unter Verzicht auf die Angabe von Anteilen am Schiff in das Register eingetragen werden (sect 5 (v)) MerchShA, 1894; Rules for balance sheets: Companies (Shipping Companies Exemption) Order, 1948. Dies und die sonstigen Vorteile, die

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§509

eine juristische Person mit sich bringt, hat dazu geführt, daß die co-ownership mit ihren 64 Parten auch in Großbritannien in der Praxis sehr zurückgetreten und vornehmlich durch die limited Company verdrängt worden ist. Bietet doch diese dem Reeder die doppelte Annehmlichkeit der Haftungsbeschränkung einmal nach ihrem eigenen Statut und sodann nach den seerechtlichen Bestimmungen. Nicht notwendig ist, daß die verschiedenen Parteigentümer eine partnership bilden, denn sie brauchen nicht, wie sect 1 (1) der Partnership Act, 1890, es vorsieht „carry on a business in common with a view to profit". Existiert unter den co-owners keine partnership, so ähnelt ihre Rechtsstellung, wenn man von der Frage ihrer H a f t u n g absieht, in vielem derjenigen von shareholders einer limited Company. Die Eigentumsübertragung des Schiffes erfolgt durch die Übertragung sämtlicher Parten. Gehört eine P a r t mehr als nur einer Person, so werden diese f ü r die Übertragung als eine Person angesehen. Sie sind joint owners of the undivided part. Aber auch auf eine solche Weise kann eine P a r t höchstens fünf Personen zustehen, was auch durch die equity nicht gemildert werden kann (sect 5 (ii) und 56 MerchShA, 1894). Dem Korrespondentreeder des deutschen Rechts entspricht der managing owner oder ship's husband. Die erstere Bezeichnung ist vornehmlich gebräuchlich, wenn der Korrespondentreeder co-owner ist, was nicht der Fall zu sein braucht. Er wird in das Schiffsregister eingetragen. Doch dient die Eintragung nur dem erleichterten Geschäftsverkehr der Registerbehörden. Der managing owner hat Vollmacht, die notwendigen Reparaturen f ü r die partowners zu kontrahieren, wenn er sie nicht vorher fragen kann, er kann Frachtverträge f ü r das Schiff achließen, abgeschlossene indessen nicht ändern oder annullieren. Einer neuen Reise müssen grundsätzlich alle co-owners zustimmen. Doch genügt auch eine Beschlußfassung durch die Mehrheit. Doch nimmt dann die Minderheit weder am Verlust noch am Gewinn einer solchen Reise teil und die Mehrheit ist verpflichtet, das SchifE nach Beendigung der Reise unversehrt zurückzugeben oder die Anteile der Minderheit zu einem vor der Reise festgesetzten Wert zu übernehmen. Die Parten sind frei veräußerlich. 3. Norwegen, Schweden, Dänemark. Vgl. §§ 9—23 der Seegesetze; N e e r g a a r d , Laerebog iS«ret, Kopenhagen 1948 S . 2 5 f f . ; S i n d b a l l e , D a n s k S0ret, Kopenhagen 1936—1938, S. 173ff. Die Partenreederei b a u t auf Miteigentumsbruchteilen verschiedener Personen am SchifE auf. Die Anteile können verschieden groß sein. Dieses Miteigentum wird, wie im deutschen Recht, von einem Gesellschaftsverhältnis eigener Art überdacht. Jeder Mitreeder haftet f ü r die Verbindlichkeiten der Reederei mit seinem eigenen Vermögen entsprechend seinem Anteil am Schiff (§ 9 SeeG). Es muß ein Korrespondentreeder bestellt werden (§ 10 SeeG). Dieser h a t von Gesetzes wegen Vollmacht, die Partenreederei im Rahmen der regelmäßigen Schiffahrtsgeschäfte zu vertreten. Insbesondere darf er den Kapitän anstellen und entlassen, er kann die Beiträge von den Mitreedern einfordern. Ohne besondere Vollmacht darf er keine Darlehen f ü r die Reederei aufnehmen, das Schiff verkaufen, hypothekarisch belasten oder versichern (§11 SeeG). Bei Abstimmungen entscheidet die Mehrheit der Mitreeder, nach der Größe ihrer Parten gerechnet. 5 0 % der Parten genügen, wenn die Entscheidung von dem Korrespondentreeder befürwortet wird, selbst wenn er keine eigenen Parten besitzt, was nicht erforderlich ist. Auch genügen f ü r die Bestellung eines Korrespondentreeders 50 % der Parten schlechthin. Bekommen dann zwei in Betracht kommende Personen jeder 50% der Stimmen, so entscheidet zwischen ihnen das Los (§ 12 SeeG). Der Korrespondentreeder soll die Meinung der Mitreeder bei wichtigen Entscheidungen hören, insbesondere wenn es sich um die Beschäftigung des Schiffes mit außergewöhnlichen Ladungen oder in außergewöhnlichen Fahrtgebieten handelt oder wenn es um die Anstellung oder Entlassung des Kapitäns geht (§ 13 SeeG). Der Korrespondentreeder kann jederzeit durch die Mehrheit der Partenreeder entlassen werden. H a t er selbst die Partenmehrheit, so kann jeder Mitreeder beim Gericht die Entlassung beantragen. Dem Antrag hat das Gericht stattzugeben, wenn gute Gründe f ü r ihn vorgebracht werden. Das Gericht hat dann gleichzeitig einen vorläufigen anderen Korrespondentreeder zu bestimmen (§ 14 SeeG). Die Rechnungslegung durch den Korrespondentreeder h a t jährlich zu erfolgen (§ 15 SeeG). Die Rechnungslegung ist jedem Partenreeder zu unterbreiten, jeder von ihnen h a t das Recht auf Bucheinsicht. Jede Beanstandung gegen die Rechnungslegung muß innerhalb von sechs Monaten erfolgen. Hinterher kann nur noch ein arglistiges Verhalten des Korrespondentreeders geltend gemacht werden (§ 16 SeeG). Wird ein Beschluß gefaßt, das 125

Anm. 4

§509

Anm. 6

Anm. 6

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Schiff auf eine neue Reise zu senden oder es hierfür instand zu setzen, und sind Einschüsse der Mitreeder erforderlich, um diesen Beschluß durchzuführen, so hat jeder Mitreeder da« Recht, sich von diesen Einschüssen zu befreien, indem er seine P a r t abandonniert, und zwar grundsätzlich ohne Gegenwert. Die abandonnierte P a r t wächst den übrigen Mitreedern im Verhältnis der Größe ihrer Parten an (§ 18 SeeG). Gewinn und Verlust verteilen sich unter die Mitreeder nach der Größe ihrer Parten (§ 19 SeeG). H a t die Übertragung der Schiffspart auf einen anderen zur Folge, daß das Schiff das Recht verlieren würde, die bisherige skandinavische Flagge zu führen, so ist die Zustimmung sämtlicher Mitreeder erforderlich, und zwar auch dann, wenn die Partübertragung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt (§20 A b s . 2 SeeG). Sonst kann die Übertragung der P a r t ohne Zustimmung der Mitreeder erfolgen. Vgl. über die Ausnahmen § 20 Abs. 3 SeeG. Siehe über den Fall, daß das Schiff infolge Erbfolge oder Heirat bezüglich der Part eines bisherigen Partinhabers in die Gefahr gerät, das bisherige Flaggenrecht eines skandinavischen Staates zu verlieren, § 20 Abs. 4 SeeG. Dann kann jeder Mitreeder verlangen, daß die betreffende P a r t verauktioniert wird, wenn nicht innerhalb von drei Monaten Vorsorge getroffen wird, daß das Schiff das betreffende skandinavische Flaggenrecht nicht verliert. Jeder Partenreeder, der mehr als die Hälfte der Parten besitzt, kann jederzeit die Auflösung der Partenreederei verlangen, ebenso eine Mehrheit der Partenreeder (§ 23 A b s . 1 SeeG). 4. Griechenland. Vgl. S t e f a n o p u l o s Z H R Bd. 122 S . 5 9 S . I n Griechenland spielt die Partenreederei noch eine bemerkenswerte Rolle. Sie ist in den Art. 10 bis 36 des Seegesetzes von 1958 geregelt. Vor der gesetzlichen Regelung hat die Parteivereinbarung den Vorrang (Art. 10 SeeG). Die Partenreederei erfordert, daß die Miteigentümer eines Schiffes die Seefahrt zusammen, also im gemeinsamen Namen und f ü r gemeinsame Rechnung zu betreiben (vgl. über die Baureederei Art.36 SeeG). Die Partenreederei ist eine Abart der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts; sie besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. Die Form des Vertrages richtet sich nach bürgerlichem Recht. I m Schiffsregister ist die Gemeinsamkeit des Eigentums zu vermerken. Beiträge und Gewinn sowie Verlust verteilen sich unter die Mitreeder nach der Größe ihrer Schiffsparten (Art. 24 SeeG). In den Fällen des § 20 SeeG hat jeder Mitreeder das Recht, sich von weiteren Einzahlungen durch unentgeltliche Preisgabe seiner Schiffspart an die übrigen Mitreeder zu befreien. I m allgemeinen liegt die Entscheidung über die Angelegenheiten der Reederei (wobei zwischen Geschäftsführung und Vertretungsbefugnis nicht unterschieden wird), bei der Mehrheit der Parteninhaber, nach Partengröße gerechnet ( A r t . 11 SeeG). Es kann ein Geschäftsführer bestellt werden, der nicht Mitreeder zu sein braucht. Bestellung, Widerruf und Rücktritt des Geschäftsführers haben Dritten gegenüber nur Kraft, wenn sie im Schiffsregister eingetragen worden sind ( A r t . 14 SeeG). Der Geschäftsführer ist zuständig f ü r alle den Schiffsbetrieb betreffenden Angelegenheiten. Er vertritt die Mitreeder auch vor Gericht. Diese gesetzlich umrissene Vollmacht kann Dritten gegenüber nicht beschränkt werden (Art. 16 SeeG). Der Kapitän hat den Anweisungen des Geschäftsführers Folge zu leisten (Art. 19 SeeG), der Geschäftsführer seinerseits denjenigen der Mehrheit der Mitreeder (Art. 15 SeeG). Die Part ist an sich frei veräußerlich und vererblich. Hätte die Veräußerung den Verlust der griechischen Flagge zur Folge, so ist die Zustimmung von vier Fünftel der Schiffsparten notwendig (Art. 29 SeeG). 5. Italien. Vgl. A n t o n i o L e f e b v r e d ' O v i d i o und G a b r i e l e P e s c a t o r e , Manuale di Diritto della Navigazione, 2.Aufl., 1953 S.165ff.; T a n t u r r i , Sulle comproprietè navele, Rivista di diritto delle navigazione, 1 9 3 5 S.305fi. Die comproprietà della nave baut auf dem bruchteilmäßigen Miteigentum mehrerer am Schiff auf. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in den Art. 1108—1116 codice civile und den Art. 258—264 cod.nav. Die 24 Bruchteile, in die das Schiff aufgeteilt wird, werden als carati bezeichnet. Jeder Bruchteil kann seinerseits in weitere Bruchteile zerlegt werden. Die Angelegenheiten des Schiffes werden grundsätzlich durch die gewöhnliche Mehrheit der Anteilseigner bestimmt, nach der Größe von ihren Anteilen berechnet. Vgl. über die Rechte der Minderheit Art. 259 cod. nav. I n gewissen Fällen (vgl. über die Einzelheiten Art.260 cod.nav.) ist eine Partenmehrheit von zwei Dritteln erforderlich, um einen Beschluß herbeizuführen. Das gilt insbesondere auch f ü r die Hypothekenbestellung an dem Schiff. Spricht sich nicht 126

§509

Zweites Kapitel. Viertes Buch des H 6 B

eine solche qualifizierte Mehrheit f ü r die Hypothekenbestellung aus, so kann diese nur mittels gerichtlicher Entscheidimg erfolgen (Art. 262 cod.nav.). Anhang II zu §§ 489—509 Die Partenreederei im internationalen Privatrecht S c h r i f t t u m : F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, Bd I I 1929 S 503f. Internationalprivatrechtlich richtet sich das E e c h t der Partenreederei nach dem Recht ihres Verwaltungssitzes, nicht nach dem Eecht der Plagge, die das ihr gehörende Schiff f ü h r t . Beide werden regelmäßig übereinstimmen, brauchen es aber nicht, indem manche Rechtsordnungen zulassen, daß ausländische Gesellschaften ihre Schiffe unter ihrer Plagge fahren lassen. Das Recht des Verwaltungssitzes ist maßgeblich f ü r alle inneren und äußeren Verhältnisse der Gesellschaft, so etwa dafür, unter welchen Voraussetzungen Beschlüsse der Gesellsehafter verbindlich sind, ob ein Korrespondentreeder bestellt werden muß und welche Befugnisse er hat, welche Umstände zur Auflösung der Gesellschaft führen. Das gilt auch f ü r die Präge der Gestaltung der persönlichen H a f t u n g jedes Mitreeders (anders hierfür P r a n k e n s t e i n , der hier primär das Heimatrecht jedes einzelnen Mitreeders entscheidend sein läßt; nur wenn dieses ihn auch f ü r seine persönliche H a f t u n g , wie das die Regel sein werde, dem Statut der Reederei unterwerfe, sei dieses in vollem Umfang maßgebend, sonst nicht). Anhang III zu § § 489—609 I. Beispiel eines Eeedereiyertrages R e e d e r ei v e r t r a g zwischen (1) (2)

(3)

§1 Die V e r t r a g s c h l i e ß e n d e n vereinigen sich, u m f ü r gemeinschaftliche R e c h n u n g d a s Fracht-Motorschiff z u m E r w e r b d u r c h S e e f a h r t zu v e r w e n d e n . Sitz d e r R e e d e r e i u n d d e r H e i m a t h a f e n des Schiffes ist § 2 D a s M i t e i g e n t u m a n d e m Schiff u n d die Gesellschaftsrechte w e r d e n in 100 Schiffsp a r t e n eingeteilt, v o n d e n e n die n a c h s t e h e n d g e n a n n t e n Mitreeder (1 ) (2 ) (3 )

... ... ... ... =

Parten Parten Parten Parten

100 P a r t e n

übernehmen. § 3 Die R e c h t s v e r h ä l t n i s s e d e r Mitreeder u n t e r e i n a n d e r u n d z u m K o r r e s p o n d e n t r e e d e r b e s t i m m e n sich, soweit sich a u s d e m I n h a l t dieses V e r t r a g e s u n d d e m I n h a l t des K o r r e s p o n d e n t r e e d e r v e r t r a g e s n i c h t s a n d e r e s ergibt, n a c h d e n gesetzlichen V o r s c h r i f t e n ü b e r die Reederei. Z u m K o r r e s p o n d e n t r e e d e r w i r d die Schiffahrtsgesellschaft in bestimmt. 127

§509

Vierter Teil. Seehandelsrecht

§4 Das Kalenderjahr ist das Geschäftsjahr der Reederei. Innerhalb der ersten . . . . Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres ist von dem Korrespondentreeder eine Einnahme- und Ausgabe-Uberschuß-Rechnung und außerdem eine nach kaufmännischen Grundsätzen, soweit notwendig auch nach steuerlichen Grundsätzen, erstellte Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung den Mitreedern zu übersenden und anschließend der ordentlichen Mitreederversammlung zur Genehmigung vorzulegen. Der Korrespondentreeder wird bemüht sein, diese Unterlagen wenn irgend möglich bereits bis zum eines jeden Jahres fertigzustellen. Der Ertragsrechnung werden alle mit dem Schiff gemachten Einnahmen in tatsächlicher Höhe gutgebracht und alle den unmittelbaren Schiffsbetrieb betreffenden Unkosten und Auslagen belastet. Zu den Ausgaben rechnet eine angemessene Rückstellung für Reparatur- und Klassifikationsarbeiten. Ferner hat der Korrespondentreeder auf Beschluß der Mitreeder diesen vierteljährlich einen Betriebsbericht zu geben. Die Einnahme- und Ausgabe-Überschuß-Rechnung und die Bilanz nebst Gewinnund Verlustrechnung sind auf Kosten der Reederei durch einen Wirtschaftsprüfer zu prüfen. Sofern über die Person dieses Wirtschaftsprüfers keine Einigung erzielt wird, ernennt diesen der Präses der Handelskammer Bereits während des laufenden Geschäftsjahres sind von dem Betriebsüberschuß Teilbeträge, die nach Beurteilung des Korrespondentreeders nicht als Umlaufmittel oder als Rückstellung für die Reederei benötigt werden (disponible Gelder), an die Mitreeder im Verhältnis ihrer Parten von Zeit zu Zeit auszuzahlen. Der in der JahresRechnung ausgewiesene Uberschuß ist nach Abzug der im abgelaufenen Geschäftsjahr vorgeleisteten Teilbeträge an die Mitreeder nach dem Verhältnis ihrer Parten auszuzahlen. §5 I. Für die Angelegenheiten der Reederei sind die Beschlüsse der Mitreeder maßgebend. Sie werden in Versammlungen schriftlich, fernschriftlich oder telegraphisch gefaßt. II. Alljährlich ist eine außerordentliche Versammlung einmal, spätestens bis zum jeden Jahres, durch den Korrespondentreeder einzuberufen, sofern nicht im einzelnen Fall alle Mitreeder schriftlich ausdrücklich darauf verzichten. I I I . Durch den Korrespondentreeder ist eine außerordentliche Versammlung mit eingeschriebenem Brief mit einer Frist von 8 Tagen unter Mitteilung der Tagesordnung am Sitz der Reederei einzuberufen, wenn ein Mitreeder es verlangt, welcher mehr als 1 0 % der Schiffsparten hat. Kommt der Korrespondentreeder dem Verlangen nicht nach, ist der Mitreeder selbst berechtigt, die außerordentliche Versammlung einzuberufen. IV. Die Mitreederversammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens 7 5 % der Schiffsparten vertreten sind. Abwesende Mitreeder können sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Dritten vertreten lassen, der jedoch kein Konkurrent der Schiffahrt sein darf. Ist die Versammlung nicht beschlußfähig, so hat der Korrespondentreeder eine zweite Versammlung unter Wahrung der allgemeinen Ladungsvorschriften einzuberufen. Diese zweite Versammlung ist auf jeden Fall beschlußfähig. V. In der Mitreederversammlung führt ein Mitreeder den Vorsitz, der mit einfacher Mehrheit durch die Versammlung bestimmt wird. 128

Zweites Kapitel. Viertes Buch des H G B

§509

VI. In der Mitreederversammlung sind Beschlüsse zu protokollieren und von den anwesenden Mitreedern oder deren Bevollmächtigten unter Angabe von Ort und Zeit zu unterschreiben*). VII. Die Mitreederversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit, soweit in diesem Vertrage und im Gesetz nichts anderes vorgesehen ist. VIII. Jede Schiffspart hat eine Stimme. §6 I. Wenn ein Mitreeder beabsichtigt, Schiffsparten zu veräußern, so hat er diese zunächst den anderen Mitreedern zum Erwerb unter Angabe des Preises und der Bedingungen anzubieten. Der veräußerungswillige Mitreeder hat seine Anbletungspflicht erfüllt, wenn er das Angebot durch eingeschriebenen Brief an die ihm bekannten Anschriften der übrigen Mitreeder versandt hat. II. Die Mitreeder haben untereinander das Recht, die zu veräußernden Schiffsparten im Verhältnis ihrer bisherigen Schiffsparten zu erwerben. Sofern und soweit ein Mitreeder von diesem Recht keinen Gebrauch macht, wächst es den anderen anteilsmäßig zu. III. Lehnen alle berechtigten Mitreeder die Übernahme ab oder geben sie innerhalb einer Ausschlußfrist von einem Monat nach Absendung des eingeschriebenen Angebotes keine Erklärung ab, so ist die Veräußerung auch an einen Dritten zu gleichem Erwerbspreis und zu sonst gleichen Bedingungen gestattet. Wenn für den Dritten der Preis oder die Bedingungen günstiger sind, als sie den Mitreedern angeboten wurden, so muß vorher ein nochmaliges Angebot zu diesem Preis und zu diesen Bedingungen an die Mitreeder erfolgen. Veräußert ein Mitreeder Schiffsparten entgegen den Bestimmungen dieses Vertrages, so können die Mitreeder, abgesehen von ihren Schadensersatzansprüchen, binnen eines Monats ab Kenntnis von der Person des Erwerbers die Weiterveräußerung zu dessen Einstandspreis pro rata an sich verlangen. IV. Schififsparten sollen nicht geteilt werden. V. Mit der Veräußerung der Schiffsparten verliert der Mitreeder seine Ansprüche zu Gunsten des Erwerbers, der seinerseits an den Reedereivertrag, an den Korrespondentreedervertrag und an die von der Mitreederversammlung gefaßten Beschlüsse gebunden ist. VI. Die Verpfändung der Schiffsparten ist an die Zustimmung sämtlicher Mitreeder gebunden. §7 Ist die Auflösung der Reederei oder die Veräußerung des Schiffes beschlossen, so finden die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches Anwendung mit der ausdrücklich vereinbarten Ausnahme, daß ein Verkauf des Schiffes auch dann erfolgen kann, wenn es sich im Ausland befindet. Der auf Grund eines Auflösungs- oder Veräußerungsbeschlusses erfolgende Verkauf braucht kein öffentlicher zu sein. §8 Alle mit diesem Vertrage zusammenhängenden Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien sollen unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht in entschieden werden den *) Diese Bestimmung bleibt in der Praxis weitgehend unbeachtet. 9

Schaps-Abraham, Seerecht II

129

§509

Vierter Teil. Seehandelsrecht

II. Beispiel eines Korrespondentreedervertrages Korrespondentreeder vertrag Zwischen den Mitreedern der Partenreederei M/S

in und

der Schiffahrtsgesellschaft

in § 1

Für den Reedereibetrieb des genannten Schiffes wird die Schiffahrtsgesellschaft in

zum

Korrespondent-

reeder bestellt. Das Vertragsverhältnis endet unbeschadet des gesetzlichen Widerrufsrechts der Partenreederei am

E s verlängert sich darüber hinaus um jeweils ein Jahr,

wenn es nicht mit einer Frist von

Monaten zum Jahresschluß gekündigt

wird. Soweit nachfolgend nichts anderes vereinbart ist, gelten für diesen Vertrag die gesetzlichen Bestimmungen. § 2 Der Korrespondentreeder nimmt im Namen der Partenreederei oder im eigenen Namen alle Geschäfte und Rechtshandlungen vor, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei gewöhnlich mit sich bringt. E r ist verpflichtet, das Schiff gegen alle einschlägigen Risiken zu versichern. Sofern keine Reedereibeschlüsse vorliegen, sind der Umfang der versicherten Risiken sowie die Höhe der Versicherungssummen in das Ermessen des Korrespondentreeders gestellt. E r wird sich dabei an die Grundsätze halten, die er bei seinen eigenen Schiffen anwendet. Der Korrespondentreeder wird ermächtigt, mit sich selbst Verträge abzuschließen. E r ist hierbei von der Vorschrift des § 181 B G B befreit. Das Schiff führt die Flagge und die Schornsteinmarke des Korrespondentreeders. §3 Der Korrespondentreeder haftet für die Sorgfalt eines ordentlichen Reeders. E r hat in den Angelegenheiten der Partenreederei mindestens die gleiche Sorgfalt anzuwenden wie für seine eigenen Schiffe. Die Partenreederei hält den Korrespondentreeder von allen Ansprüchen Dritter frei, die gegen ihn in seiner Eigenschaft als Korrespondentreeder geltend gemacht werden und mit dem Reedereibetrieb des Schiffes zusammenhängen. §4 Der Korrespondentreeder braucht zu neuen Reisen und Unternehmungen sowie zur Anstellung und/oder zur Entlassung von Schiffspersonal nicht die Beschlüsse der Partenreederei einzuholen. E r hat sich im übrigen nach den Mitreederbeschlüssen zu richten und sie durchzuführen.

180

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§509

Die Beschlüsse der Partenreederei sind von ihm einzuholen, wenn 1. ungewöhnliche Geschäfte, d.h. solche, die der Geschäftsbetrieb einer Reederei nicht gewöhnlich mit sich bringt, zu tätigen, 2. Ganzfracht- oder Zeitcharterverträge mit einer längeren Dauer als 12 Monate zu schließen, 3. für den Betrieb des Schiffes Kredite über DM 50000,— aufzunehmen, 4. Reparaturarbeiten am Schiff im einzelnen Fall über DM 50000,— hinaus auszuführen sind. § 5 Der Korrespondentreeder hat über seine die Partenreederei betreffende Geschäftsführung abgesondert Buch zu führen und die dazugehörigen Belege aufzubewahren. Es steht den Mitreedern jederzeit frei, selbst oder durch einen Vertreter Auskünfte über alle Geschäfte zu verlangen und Einsicht in die Bücher, in die dazugehörigen Belege und in den Schriftverkehr zu nehmen. Die Mitreeder sind verpflichtet, die dabei erlangten Kenntnisse Dritten gegenüber geheim zu halten. Der Korrespondentreeder ist verpflichtet, über jede Reise eine gesonderte Reiseabrechnung zu erstellen. § 6 Der Korrespondentreeder hat innerhalb der ersten . . . . Monate nach Ablauf des Kalenderjahres als Geschäftsjahr der Partenreederei eine Einnahme- und AusgabeÜberschußrechnung und außerdem eine nach kaufmännischen Grundsätzen, soweit notwendig auch nach steuerlichen Grundsätzen, erstellte Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung den Mitreedern zu übersenden und anschließend der ordentlichen Mitreederversammlung zur Genehmigung vorzulegen. Der Korrespondentreeder wird bemüht sein, diese Unterlagen wenn irgend möglich bereits bis zum eines jeden Jahres fertigzustellen. Der Ertragsrechnung werden alle mit dem Schiff gemachten Einnahmen in tatsächlicher Höhe gutgebracht und alle den unmittelbaren Schiffsbetrieb betreffenden Unkosten und Auslagen belastet. Zu den Ausgaben rechnet eine angemessene Rückstellung für Reparatur- und Klassifikationsarbeiten. Ferner hat der Korrespondentreeder auf Beschluß der Mitreeder diesen vierteljährlich einen Betriebsbericht zu geben. § 7 Der Korrespondentreeder ist berechtigt, für den Betrieb des Schiffes notwendige Betriebsgelder aus den besegelten Frachten einzubehalten. Soweit er für Kosten des Schiffes in Vorlage treten muß, weil die Reederei trotz Anfrage keine Mittel zur Verfügung stellt, werden ihm diese mit dem geltenden Tagessatz der Banken verzinst.

§ 8 Der Korrespondentreeder hat besondere Vorkommnisse den Mitreedern sofort anzuzeigen, insbesondere solche, die für die Entscheidung über die Ausübung des Abandonrechts gemäß § 501 HGB von Bedeutung sind. § 9 Der Korrspondentreeder hat alljährlich, spätestens bis zum die ordentliche Mitreederversammlung einzuberufen, sofern nicht im einzelnen Fall alle Mitreeder schriftlich ausdrücklich darauf verzichten. Er hat auch eine außerordentliche Versammlung zu berufen, wenn es nach dem Reedereivertrage erforderlich ist. 9*

131

§510

Vierter Teil. Seehandelsrecht

§ 10 Der Korrespondentreeder erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung von % der eingefahrenen Bruttofrachten, der verdienten Überliegegelder und etwaigen Hilfsund Bergelöhne. Bei Zeitfrachten beträgt die Vergütung % der Nettofrachten. Diese Sätze können geändert werden, wenn sie offenbar nicht mehr- angemessen sind. Durch diese Vergütung sind alle mit der Tätigkeit des Korrespondentreeders verbundenen Unkosten abgegolten. Ausgenommen davon sind die besonderen Unkosten, die in Havariefällen entstehen, und die Unkosten, die für das im Ausland befindliche Schiff durch Inspektionsreisespesen oder durch Reisespesen anläßlich eines Havariefalles entstehen. Solche Unkosten sind dem Korrespondentreeder nach erforderlichem Aufwand zu erstatten. § 11 Alle mit diesem Vertrage zusammenhängenden Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien — auch bezüglich der Mitwirkung der Mitreeder bei bestimmten Rechtshandlungen des Korrespondentreeders — sollen unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht in entschieden werden. den Partenreederei M/S als Mitreeder

Schiffahrtsgesellschaft

als Mitreeder

als Korrespondentreeder

§ 510 Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt fUr seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, wird im Verhältnisse zu Dritten als der Reeder angesehen. Der Eigentümer kann denjenigen, welcher aus der Verwendung einen Anspruch als Schiffsgläubiger herleitet, an der Durchführung des Anspruchs nicht hindern, es sei denn, daB die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war. S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r HB205ff. und SHR 115ff.; B o y e n s HansGZ 1922,222; I s e r n h a g e n , Der Ausrüster im deutschen und im ausländischen Recht, Diss. Göttingen 1931; J a n s s e n , Die Zeitcharter (Leipziger Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6) 1923; R i e d , Der Zeitcharterer als Reeder, Diss. Hamburg 1937; W i l l n e r , Die Zeitcharter (Heft22 der Überseestudien) 1953; L ü d e r s , Gedanken zum Zeitcharter- und Reederproblem, Diss. Hamburg 1939; R i e n s b e r g Hansa 1956 S. 2294; N e c k e r , Die Rechtsstellung des Zeitcharterers, Hansa 1957 S. 353; W ü r d i n g e r , Zur Rechtsnatur der Zeitcharter, MDR 1957 S. 257; F r a m h e i m , Das Anvertrauen der Schiffsführung, ein Beitrag zur Auslegung von § 510 HGB, Diss. Kiel 1929. Einleitg.

Die Reedereigenschaft ist nach § 484 HGB an das Eigentum eines dem Eigentümer zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes geknüpft. Liegen Eigentum und Verwendung zum Seefahrtserwerb nicht in einer Hand, ist ein Reeder im privatrechtlichen Sinne nicht vorhanden (Anm. 1 zu § 484 HGB). Zur Abstellung der sich hieraus ergebenden, dem Dritten schädlichen Folgen bestimmt § 510 (vgl. § 2 BSchG), daß unter gewissen Voraussetzungen im Verhältnis zu Dritten als der Reeder derjenige angesehen wird, der ein ihm nicht gehöriges 132

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§510

Schifi zum Erwerbe durch die Seefahrt verwendet. Mit dem üblichen Namen „Ausrüster" sollen im folgenden sämtliche von § 510 betroffenen Nichteigentümer bezeichnet werden, obschon er streng genommen nicht auf alle diese Personen zutrifft. Eine ähnliche Ausweitung des Reederbegriffs findet sich fast in allen Seerechten, wenn auch die Ausgestaltung im einzelnen verschieden ist; so kennt das angloamerikanische Seerecht den Begriff des „owner pro tempore" oder „owner pro hac vice", das französische den „armateur-affréteur", f ü r das italienische Recht vgl. Art.265, 272 cod. nav. Siehe im einzelnen unten Anm. 14ff. Die Vorschriften des § 510 sind zwar vom Gesetzgeber auf Nichterwerbsschiffe nicht ausgedehnt; erfolgt indessen die Schiffsverwendung nicht zum See-Erwerb, z . B . bei der Verwendung eines beschlagnahmten Schiffes durch den Staat während eines Krieges oder bei der Miete eines privaten Schiffes f ü r Vergnügungszwecke, so ist der Verwender in entsprechender Anwendung von Art. 7 EGHGB, §510 als Quasi-Ausrüster anzusehen (BGHZ 3, 321; 25,245 = MDR 1958 S. 93 [mit Anm. von Sieg] = BB 1957 S. 1056 = N J W 1957 S. 1717 = Hansa 1957 S.2480; anders die Vorauflage dieses Kommentars und L e o , Deutsches Seehandelsrecht 1902 S.23; wie hier W ü s t e n d ö r f e r SHR 116 und S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 510), wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 510 gegeben sind. 1. Begriff des Ausrüsters. A u s r ü s t e r i s t , w e r e i n i h m n i c h t g e h ö r i g e s S c h i f f i m eigenen N a m e n u n t e r s e l b s t b e s c h a f f t e r F ü h r u n g z u m E r w e r b d u r c h die Seefahrt verwendet. Es ist also erforderlich a) Verwendung eines Schiffes zum Seefahrtserwerb (s. Anm. 2ff. zu § 484 HGB). Vgl. oben f ü r den Fall, daß die Verwendung des Schiffes nicht zum Erwerb durch Seefahrt erfolgt. b) Durch einen Nichteigentümer, auf Grund eines d i n g l i c h e n o d e r o b l i g a t o r i s c h e n R e c h t s , wie Nießbrauch (Prot. 1657), Miete, Leihe oder auf Grund b l o ß e n B e s i t z e s , sei es, daß dieser g u t g l ä u b i g oder b ö s g l ä u b i g , wie der durch Diebstahl, Seeraub, Unterschlagung erworbene, ist. D e r p r a k t i s c h w i c h t i g s t e F a l l i s t a b e r d i e M i e t e (vgl. den Fall der Pacht einer Fähre OLG Kiel SchlHolstAnz. 1909 S 118) Beim Frachtvertrag verwendet nur der Verfrachter, beim Unterfrachtvertrag nur der Hauptverfrachter (vgl. über diesen Anm. zu § 605 HGB). Es kommt also f ü r den Ausrüsterbegriff auf das Innenverhältnis zwischen dem Schiffseigentümer und dem Schiffsverwender gar nicht an, insbesondere nicht darauf, ob die Verwendimg gegenüber dem Eigentümer rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgte. c) Im eigenen Namen: Das Gesetz sagt statt dessen „ f ü r eigene Rechnung", was nur ein ungenauer Ausdruck sein kann, weil das Handeln f ü r fremde Rechnung eine interne, die Außenwelt nichts angehende Handlung ist. Die Worte „ V e r w e n d u n g f ü r e i g e n e R e c h n u n g " sind deshalb nach heute herrschender Ansicht nicht wörtlich auszulegen, so daß es also nicht darauf ankommt, wer im Innenverhältnis die Betriebskosten zu tragen hat. Gemeint ist vielmehr „Verwendung im eigenen Namen", weil das Merkmal der Kostentragung f ü r Außenstehende nicht erkennbar ist (vgl. z. B . W ü s t e n d ö r f e r SHR 116f., der allerdings etwas einschränkend meint, das Handeln im eigenen Namen m ü s s e g e n ü g e n ; P a p p e n h e i m H B 2 S. 83 Note 4; Bd.3 S.97 Note 1; W i l l n e r , a.a.O., S. 13; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §510; anders RGZ 25, 113 und 103, 280; W ü s t e n d ö r f e r , Studien zur modernen Entwicklung der Seefrachtrechts, B d . I S.105). Allerdings weist S p i l i o p o u l o s Z H R Bd.92 S.272 nicht unzutreffend darauf hin, auch die selbstbeschaffte Schiffsführung sei kein nach außen erkennbares Merkmal. Auch geht die herrschende Auslegung nicht parallel zum Halterbegriff bei Kraft- und Luftfahrzeugen. Vgl. auch AG Hamburg Hansa 1951 S 539 und LG Hamburg Hansa 1951 S 1580. Derjenige, der als Befrachter einen Frachtvertrag, und zwar auch einen Raumfrachtvertrag (vgl. über diesen § 556 HGB) geschlossen hat, verwendet das Schiff weder im eigenen Namen noch f ü r eigene Rechnung. d) Der Verwender muß das Schiff selbst führen oder die Führung einem Schiffer anvertraut haben (Selbstbeschaffte Führung). Wie die Nebeneinanderstellung der beiden Fälle zeigt, ist ausschlaggebend, daß der Verwender die t a t s ä c h l i c h e G e w a l t , d i e V e r f ü g u n g ü b e r d a s S c h i f f haben muß (RGZ 25, 113), die es ihm ermöglicht, sich seiner, wie beabsichtigt, zu bedienen, insbesondere die übernommenen Transporte auszuführen, evtl. gegen den Willen

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Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

§510

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des Schiffseigentümers. D a f ü r besteht nur dann Sicherheit, wenn die Führung des Schiffes entweder in seiner eigenen H a n d liegt (was heute fast nur noch in der Küstenschiffahrt vorkommt) oder in der H a n d einer Person, die ausschließlich s e i n e n auf das Schiff bezüglichen Weisungen Folge zu leisten hat (vgl. § 855 BGB), nicht denjenigen des Eigentümers. N u r d a n n aber h a t der Schiffer ausschließlich den W e i s u n g e n des Verwenders Folge z u l e i s t e n , w e n n e r m i t i h m d u r c h e i n v e r t r a g l i c h e s B a n d v e r k n ü p f t i s t , sei es, daß der Verwender den Vertrag mit ihm geschlossen h a t (vgl. Prot. 1659), oder daß er in den bestehenden Heuervertrag an Stelle des Schiffseigentümers eingetreten ist (RGZ 48, 89; 56,360; 78,307; 98,186; 103,280; BGHZ 22,197 = N J W 1 9 5 7 , 8 2 8 = MDR1957 S. 281 = VRS 1956 S. 270; BGHZ 26,152 = Hansa 1958 S. 1957 = N J W 1958 S. 220; HansOLG HansGZ 1896, 103 = SeuffA Bd.51 S.439; 1899, 197; 1900, 83ff.; 1906, 32; 1908,177; HansOLG Hansa 1957 S.880 = Recht der Schiffahrt 1957 H e f t 7/8 (15-10-05); B o y e n s B d . l S.301; R i e n s b e r g a . a . O . ; M i t t e l s t e i n H B 36f.; R i e d , Der Zeitcharterer als Reeder S.42; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 510). Dem völligen Eintritt in den Vertrag muß der Fall gleichgestellt werden, daß dem Verwender zulässigerweise (vgl. § 613 Satz 2 BGB) die hier allein in Betracht kommenden Rechte des Reeders aus dem Dienstvertrage abgetreten sind (anders HansOLG HansGZ 1899, 198; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, 106): denn durch die Abtretung tritt der Verwender als Gläubiger des Schiffers an die Stelle des Reeders (§ 398 BGB). Dagegen genügt nicht der Abschluß eines Dienstverschaffungsvertrages zwischen Reeder und Verwender (anders HansOLG HansGZ 1904, 18; 1906, 226; richtig RGZ 56, 361; 98, 237 = HansGZ 1920, 470; BGHZ 22,197 = N J W 1957,828 = MDR 1957,281 = VRS 1956 S. 270; BGHZ 26,152 = Hansa 1958, 197 = N J W 1958, 220; R i e n s b e r g a . a . O . ; M i t t e l s t e i n H B 37; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1913, 399ff.; HansOLG HansGZ 1914, 284; auch W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, 106 und H B 308 entgegen S H R 117 f.). Und ebensowenig reicht es aus, daß der Schiffer vom Reeder mit Weisungen versehen worden ist, den Anordnungen des Verwenders vollen Umfanges oder in gewissen Beziehungen nachzukommen (HansOLG HansGZ 1899,197; SeuffA Bd. 61 S. 370). Auch die weitgehendsten und allgemeinsten Weisungen, mag aus ihnen selbst ein Sichbegeben des Besitzes des Schiffes zu entnehmen sein (vgl. B r o d m a n n KrVJSchr. Bd.48 S.91), bilden ein Internum zwischen Reeder und K a p i t ä n : e i n „ A n v e r t r a u e n " d e r S c h i f f s f ü h r u n g s e i t e n s des V e r w e n d e r s t r i t t e r s t d a d u r c h ein, d a ß dieser in v e r t r a g l i c h e B e z i e h u n g e n z u m K a p i t ä n t r i t t . Bleibt das Dienstverhältnis zu dem früheren Dienstherrn bestehen, ohne daß dieser auch nur die Rechte daraus dem Verwender abtritt, so hört im Falle des Widerrufs der Weisungen, mag dadurch der zwischen Reeder und Verwender geschlossene Dienstverschaffungsvertrag verletzt werden oder nicht, der Schiffer auf, dem Verwender zu unterstehen, und dieser wird der Verfügungsgewalt über das Schiff beraubt. — Andererseits verträgt sich mit dem Eintritt des Verwenders in den Dienstvertrag die Vereinbarung, daß der Schiffer nur im Einverständnis mit dem Eigner soll entlassen werden können ( B o y e n s B d . l S.500). Anm. 5

e) Aus vorstehendem ergibt sich, wann der Charterer eines Schiffes als Ausrüster anzusprechen ist und wann nicht. Bei Beantwortung der Frage, ob der C h a r t e r e r Ausrüster ist, muß davon ausgegangen werden, daß sich unter dem Namen des sog. Chartervertrages verschiedenartige Rechtsgestaltungen verbergen (Vorbem. vor § 556 Anm. 16). Der Chartervertrag kann Mietvertrag oder Frachtvertrag sein. Ist er Mietvertrag, so kann dem Charterer die Anstellung des Kapitäns vorbehalten sein („captain and crew to be appointed, paid and victualled b y t h e charterer": W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1 S.142; „the charterer to provide for and pay the captain, officers and crew"): vertraut er auf Grund hiervon einem K a p i t ä n die Schiffsführung an, so ist er Ausrüster (HansOLG OLGRechtspr. 2, 371), ebenso wenn er den bisherigen Kapitän unter E i n t r i t t in das Vertragsverhältnis übernimmt ( W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 143 und HansGZ 1908 Beil. 7. Anders G ü t s c h o w , Schiffsmiete, Charter- und Frachtvertrag S. 62 — Drucks, des Deutschen Seerechtsvereins 1909, der die Frage, wer den Schiffer angestellt hat, f ü r unerheblich hält). Doch läßt sich nicht verkennen, daß solche Fälle in der Praxis nicht sehr häufig sind und damit die praktische Bedeutung des Ausrüsterverhältnisses sehr eingeengt wird. Allerdings gibt es auch heute Fälle, wo der Tatbestand des § 510 bei dieser engen Auslegung unzweifelhaft gegeben ist. Es sind dies insbesondere diejenigen einer „bare boat charter" (vgl. auch RGZ 103,282f.). Mit Recht h a t AG Flensburg SchlHAnz. 1958 S.203 = Hansa 1958

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S. 2444 auch den Kauf-Charterer eines Fischkutters (die Eigentumsübertragung sollte erst erfolgen, nachdem der halbe Kaufpreis bezahlt war) als Ausrüster angesprochen. In der Regel aber wird beim Zeitchartervertrag (einerlei, ob es sich bei diesem um einen Miet- oder Frachtvertrag handelt) der vom Eigentümer angestellte K a p i t ä n nur innerhalb gewisser Vertragsgrenzen unter des Charterers Anordnungsbefugnis gestellt. Der Eigentümer tut das in der Absicht, die Aufsicht über das Schiff zu behalten. I n diesen Fällen ist der Charterer nicht Ausrüster, und zwar auch dann nicht, wenn zu der teilweisen Unterstellung des Kapitäns hinzukommt, daß das Schiff die Schornsteinmarke und die Kontorflagge des Charterers f ü h r t und auch sonst von ihm nach außen als „sein" Schiff bezeichnet wird (HansOLG HansGZ 1906., 32 = SeuffA Bd.61 S.370). Das gilt auch f ü r die sog. E m p l o y m e n t K l a u s e l : „ t h a t the captain shall be under the Orders and direction of the charterer as regards employment, agency or other arrangements" oder auch die Klausel „the captain to follow the instructions of the charterer as regards loading, discharging and departure", oder „the captain although appointed b y the owner, shall follow the instructions of the charterer, who will furnish him from time to time with the necessary sailing directions", oder „obwohl der K a p i t ä n von der Reederei angestellt ist, hat er doch die Anordnungen des Befrachters f ü r die Beschäftigung und Adressierung sowie sonstige ähnliche Anordnungen des Befrachters zu befolgen" und weitgehendst „Der Kapitän muß den Anordnungen des Befrachters ausschließlich Folge leisten" (HansGZ 1876. 44). Vgl. im übrigen die Ausführungen in Anm.4. Ist die Charter, insbesondere die Zeitcharter, ein Frachtvertrag (vgl. darüber, wann das der Fall ist, Vorbem. vor § 556 H G B Anm. 16) so scheidet ein Ausrüsterverhältnis auch schon deswegen aus, weil beim Frachtcharterer auch das sonst noch erforderliche Merkmal des § 510 fehlt, nämlich daß der Ausrüster das Schiff f ü r seine Rechnung verwenden muß. Der Frachtcharterer aber verwendet nicht in diesem Sinne. Vgl. auch oben Anm. 2 und 3. Die hier vertretene Ansicht entspricht der noch immer herrschenden Meinung. Auch der Bundesgerichtshof h a t sich ihr angeschlossen. Danach ist insbesondere der Baltime-Charterer nicht Ausrüster (BGHZ 26, 152 = Hansa 1958 S. 197 = N J W 1958 S.220). Vgl. ferner f ü r den Zeit-Frachtvertrag auf der Grundlage der Baltime (Deuzeit) BGHZ 22, 197 = N J W 1957 S. 828 = MDR 1957 S.281 = VRS 1956 S. 270 (entgegen HansOLG Hamburg Hansa 1955 S.538; vgl. auch RG HansRGZ 1941 B 237 Nr.86). Auch die entsprechende Anwendung des § 510 auf einen Deuzeit-Charterer ist nicht angängig. Auch die englische Rechtsprechung sieht einen Zeitcharterer nicht als Ausrüster (owner pro tempore) an. Über die Bedeutung der „demise"-Klausel s. K a t z e n s t e i n Hansa 1951 S. 1515. Vgl. über ausländisches Recht im einzelnen unter Anm. 14 ff. f ) Der herrschenden Ansicht wird entgegengehalten, daß sie zu Schwierigkeiten bei ZeitCharterverträgen führen könnte. H a t sich der Zeitcharterer die Befugnis ausbedungen, seine Schornsteinmarke anzubringen und seine Kontorflagge zu setzen, so könnte bei einem Dritten der Eindruck hervorgerufen werden, er sei Reeder oder Ausrüster. Von praktischer Bedeutung ist dies namentlich f ü r die Frage, ob der Eigentümer oder der Charterer f ü r Ansprüche gegen das Charterschiff passiv legitimiert ist. Nach der herrschenden Ansicht entstehen bei Charterverträgen mit employment-Klausel auch keine Schiffsgläubigerrechte, wenn Teile der Ausrüstung, z. B. der Brennstoff, vom Charterer zu beschaffen sind und auch beschafft werden. Anders liegt es nach § 754 Ziff. 7 H G B f ü r Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter: hier entsteht ein Schiffsgläubigerrecht auch, wenn der Verfrachter nicht gleichzeitig Reeder oder Ausrüster ist. So sind denn immer wieder Versuche gemacht worden, den Begriff des „Anvertrauens" anders als die herrschende Auffassung auszulegen. R i t t e r , Seeversicherung B d . I 1922 Anm.76 zu § 1 ADS meint, ein „Anvertrauen" setze nicht notwendig den Abschluß eines Dienstvertrages zwischen dem Anvertrauenden und dem K a p i t ä n voraus. Das Wort sei farblos. Es vertraue daher nicht nur derjenige die Führung des Schiffes dem Kapitän an, der ihn wie der Reeder anstelle, sondern auch derjenige, der über den Einsatz des Schiffes zu bestimmen habe und der dabei mit der Führung des Schiffes durch den vom Reeder angestellten Kapitän einverstanden sei. Denn er überlasse die Führung des Schiffes dem vom Reeder angestellten Kapitän in gleicher Weise, als wenn er ihn selbst angestellt habe. I n diesem Sinne auch HansOLG Hamburg a.a.O.; siehe auch R G HansRGZ 1941 B 237 Nr. 86.

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Anm 6

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Insbesondere von W ü s t e n d ö r f e r HB 303 und SHR 113 (siehe auch J. v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiffahrtsrecht 8. Aufl. 1958 S.593; K a t z e n s t e i n Hansa 1951 S.1515) ist die Auffassung vertreten worden, der Begriff des Ausrüsters ergreife über den Wortlaut des § 510 hinaus jeden, der sich nach außen als Reeder gebärde, jeden, der im eigenen Namen als Seefahrtsunternehmer mit einem fremden Schiff auftrete. Zur Stützung seiner Ansicht will W ü s t e n d ö r f e r in diesen Fällen nicht nur § 510 entsprechend anwenden, sondern weist auch auf § 5 HGB und das Gebot der Erklärungstreue hin. Gegen die analoge Anwendung des § 510 spricht, daß ea sich um eine eng umgrenzte Ausnahmevorschrift handelt (vgl. auch BGHZ 22, 197 = NJW 1957 S.828 = MDR 1957 S.281 = VRS 1956 S.270 = BB 1957 S.58). Man darf wohl auch rein tatsächlich die Schwierigkeiten des Zeitcharterproblems nicht überschätzen. In einschlägigen Kreisen sind Zeitchartern und ihre rechtliche Regelung meistens bekannt. Allerdings folgt aus dem G e b o t d e r E r k l ä r u n g s t r e u e , daß jemand, der den Eindruck erweckt, er sei Reeder oder Ausrüster, daran festzuhalten ist. Die Folge ist dann aber nicht, daß er Ausrüster ist, sondern nur, daß er wie ein solcher neben dem wirklichen Reeder oder Ausrüster haftet (anders die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 10 zu § 510, die auf eine Linienreederei als Zeitcharterer § 510 zur entsprechenden Anwendimg bringen wollte). Abzulehnen ist die von W i l l n e r , Die Zeitcharter (Heft 22 der Überseestudien), 1953 S.106ff. und Hansa 1953 S.929ff. vertretene Meinung. W i l l n e r will eine Aufsplitterung der Haftung vornehmen. Danach soll der sein Schiff auf Zeit vercharternde Eigentümer als Unternehmer des Schiffahrtsbetriebs wie der Reeder für den Schaden verantwortlich sein, den er, eine Person der Schiffsbesatzung oder einer seiner Leute durch ein Verschulden bei der Ausführung nautisch-technischer Verrichtungen einer anderen Person als den Ladungsbeteiligten zufügt. Der Mieter (Zeitcharterer) soll als Unternehmer des Transportbetriebs und Verfrachter wie dieser und wie der Reeder für den Schaden verantwortlich sein, der durch Verschulden bei der Ausführung transporttechnischer Verrichtungen entsteht (kommerzielles Verschulden). Die in § 754 Ziff. I—10 HGB bezeichneten Forderungen sollen durch ein Schiffsgläubigerrecht geschützt werden ohne Rücksicht darauf, ob ihr Schuldner der Eigentümer des gemieteten Schiffes oder der Mieter ist. Die Schiffsgläubigerklage soll gegen denjenigen zu richten sein, der Schuldner der mit dem Schiffsgläubigerrecht ausgestatteten Forderung ist. Vgl. auch P a p p e n h e i m H B 3 S.88 und L ü d e r s , Gedanken zum Zeitcharter- und Reederproblem, Diss. Hamburg 1939 S. 107. Gegen die von W i l l n e r vorgenommene Aufsplitterung ist anzuführen, daß Anweisungen, die den kommerziellen Einsatz des Schiffes betreffen, regelmäßig auch den nautischen Einsatz berühren werden und eine Unterscheidung zwischen beiden Einsätzen praktisch kaum möglich ist (so zutreffend HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 539). Anm. 7

2. Rechtliche Beziehungen des Ausrüsters als solchem zum Eigentümer. Sie regeln sich, falls die Verwendung des Schiffes auf Grund eines dinglichen oder obligatorischen Rechts des Verwenders erfolgt, nach dem zwischen ihm und dem Eigentümer bestehenden Rechtsverhältnis; aus ihm ergibt sich insbesondere, wieweit der Eigentümer wegen der Schiffsschulden, mit denen der Ausrüster das Schiff belastet hat, und wegen der von ihm eingezogenen Forderungen (unten Anm. 8) sich an ihn halten kann. Ist der Ausrüster M i e t e r , so haftet er f ü r Veränderungen und Verschlechterungen des Schiffes, also auch f ü r Belastungen mit Schiffsgläubigerrechten, soweit sie durch den vertragswidrigen Gebrauch herbeigeführt worden sind. Er hat also das Verschulden Dritter zu vertreten, denen er das Schiff anvertraut, insbesondere das des Schiffsführers, auch das der Leute des Schleppers, durch den er es schleppen läßt. Andererseits kann er sich selbstverständlich wegen des Verschuldens der Leute des Vermieters, zu denen er selbst in ein Vertragsverhältnis getreten ist, sich nicht an den Vermieter halten. Aber auch soweit ihm der Vermieter nur deren Dienste verschafft, sind sie nicht dessen Erfüllungsgehilfen. Hat derVerwender lediglich Besitz, so kann der Eigentümer das Schiff herausverlangen, soweit ihm das bürgerliche Recht dies gestattet (vgl. insbesondere §§ 985ff. BGB).

Anm. 8

3. Rechtliche Beziehungen des Ausrttsters als solchem zu Dritten. Nur von p r i v a t r e c h t l i c h e n Beziehungen ist hier die Rede, nicht auch von denjenigen des öffentlichen Rechts (Anmeldungspflicht zum Schiffsregister, Vermessungspflicht usw.). Der Ausrüster wird im Verhältnis zu Dritten als der Reeder angesehen. Abgesehen von gewissen ausschließlich dem Eigentümer zustehenden Befugnissen, wie der Veräußerung und Verpfändung des Schiffes (vgl. Prot. 3740), hat er Dritten gegenüber die R e c h t e und P f l i c h 186

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teil eines Reeders. Er ist insbesondere legitimiert zur Geltendmachung von Berge- und Hilfslöhnen ( B u r c h a r d t , Bergung und Hilfeleistung in Seenot, 1897 S. 310; LG Hamburg HansGZ 1912, 23 = SchlHolstAnz. 1912 S. 132; HansOLG HansGZ 1912, 104 = LZ 12, 488 = Hansa 1912 S. 124; LZ Flensburg SchlHolAnz. 1958, S. 203 = Hansa 1958 S. 2444), von Ansprüchen auf Schadenersatz aus Schiffszusammenstößen, von Beiträgen aus großer Haverei. Bezüglich der Haftung für die aus der Schiffsverwendung sich ergebenden Verbindlichkeiten ist folgendes zu bemerken: a) P e r s ö n l i c h e Ansprüche gegen den Ausrüster aus der Schiffsverwendung können nur gegen ihn, nicht auch gegen den Eigentümer geltend gemacht werden (OAG Lübeck Entsch. in Hamburger Rechtssachen N. F. Bd. 23; HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 221 = BuschA Bd. 23 S. 58ff.). Den Ausrüster trifft die b e s c h r ä n k t - p e r s ö n l i c h e Haftung der §§ 771ff. HGB (HansOLG HansGZ 1906, 299), und zwar im Falle des § 774 HGB auch bei Inseesendung des Schiffes in Kenntnis von Schiffsgläubigeransprüchen, die unter früheren R e e d e r n entstanden waren ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 280; mit Einschränkungen B o y e n s Bd. 1 S. 303; vgl. aber ZHR Bd. 61 S.262). Vgl. auch BGHZ 26, 102. b) U n p e r s ö n l i c h e Ansprüche, also solche von Schiffsgläubigern, sind, solange er Ausrüster ist, gegen ihn (HansOLG HansGZ 1901, 243), nicht gegen den Eigentümer (RGZ 78, 308; vgl. dazu auch L e o LZ 1909 S. 899), sobald aber seine Ausrüstereigenschaft aufhört, gegen den Reeder bzw. den späteren Ausrüster geltend zu machen (HG und OG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 227, 228; HansOLG HansGZ 1886 Nr. 28; RGZ 62, 374; 78, 310; BGHZ 3,45; 25,244). Im Prozesse gegen den passiv legitimierten Ausrüster dem Eigentümer den Streit zu verkünden, ist ebenso unzulässig ( T a n n e n w a l d DJZ 1910 S. 1023) wie zwecklos, weil das gegen den Ausrüster erstrittene rechtskräftige Urteil gegen den wieder Reeder gewordenen Eigentümer, an den das Schiff nach Eintritt der Rechtshängigkeit zurückgefallen ist, wirkt (§ 325 Abs. 1 ZPO; vgl. den Binnenschiffahrtsfall HansOLG u. RG HansGZ 1893 Nr. 24,1894 Nr. 18). Der Ausrüster, gegen welchen eine Pfandklage erhoben worden ist, bleibt auch dann passiv legitimiert, wenn im Laufe des Rechtsstreits ein Dritter Schiffseigentümer wird (RGZ 118, 182 = J W 1927 S. 3006 mit Anm. von S e b b a ) . (Abs. 2). Aus der Natur des unpersönlichen Anspruchs folgt, daß der Eigentümer denjenigen, welchem während der Dauer des Ausrüsterverhältnisses ein Schiifsgläubigeranspruch entstanden ist, an der Durchführung desselben nicht hindern kann, d.h. er kann den später gegen i h n gerichteten Angriff des Schiffsgläubigers nicht abschlagen und er hat andererseits, wenn der Anspruch gegen den Ausrüster oder den, der nach ihm das Schiff innehat, erhoben ist und es zur Vollstreckung kommt, kein Interventionsrecht aus § 771 ZPO (RGZ 62, 375). A n d e r s l i e g t d e r F a l l n u r , s o f e r n er z w e i e r l e i b e w e i s t : aa) d a ß die V e r w e n d u n g des Schiffes seitens des Ausrüsters i h m , dem Reeder, g e g e n ü b e r eine w i d e r r e c h t l i c h e w a r , d. h. daß der Ausrüster überhaupt nicht zur Verwendung des Schiffes befugt gewesen sei. Der Fall, daß der Ausrüster nur eine ihm seitens des Reeders nicht gestattete Handlung vorgenommen, z. B. das Schiff vertragswidrig in verbotene Meere gesandt hat (Prot. 1660), gehört nicht hierher. bb) d a ß d e r G l ä u b i g e r n i c h t in g u t e m G l a u b e n w a r , d.h. daß er die Widerrechtlichkeit der Verwendung gekannt oder grob fahrlässig nicht gekannt habe (so die h. A.: vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 122; M i t t e l s t e i n HB 38 für den enstprechenden § 2 BSchG; P a p p e n h e i m H B 2 S. 218 Anm. 2; siehe § 932 BGB; nach der Vorauflage dieses Kommentars sollte auch einfache Fahrlässigkeit genügen). Dieser Beweis ist auch zulässig gegenüber dem Zessionar des Schiffsgläubigers, dagegen, wenn sich dessen Forderung auf eine der in § 363 Abs. 2 HGB aufgeführten Urkunden, z.B. auf einen Bodmereibrief gründet, gegen den Indossatar nur unter den Beschränkungen des § 364 Abs. 2 HGB. W ü s t e n d ö r f e r SHR 122 meint, der Einwand der Schlechtgläubigkeit könne nicht einem Gläubiger aus unerlaubter Handlung, z.B. aus einem Schiffszusammenstoß, entgegengesetzt werden. Doch ist dem nicht zuzustimmen. c) D e r S c h i f f e r a u s r ü s t e r (Anm. 33 zu § 486) haftet wie ein Schifferreeder. 4. Mehrere Ausrttster bilden nach außen nicht eine Reederei (Prot. 1663, 3741; oben Anm. 3 zu § 489); denn das Miteigentumsverhältnis, auf dem die Sätze von der Reederei, insbesondere die Ratenhaftung des § 507 beruht, liegt nicht vor. Die Rechte und Pflichten mehrerer Aus137

Anm. 9

Anm. 10

Anm. 11

Anm. 13 Anm. 13

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rüster regeln sich vielmehr nach bürgerlichen, oder, wenn eine Handelsgesellschaft vorliegt, nach Handelsrecht. Asm. 14

5. Auslandsrechte, a) Im angloamerikanischen Recht entspricht dem Ausrüster der o w n e r p r o t e m p o r e oder o w n e r p r o h a c v i c e . Ist das Schiff einem anderen im Wege eines Mietoder Frachtvertrages so überlassen worden, daß er owner pro tempore wird, so bezeichnet man ihn als c h a r t e r e r b y d e m i s e . Vgl. dazu insbesondere auch K a t z e n s t e i n Hansa 1951 S. 1515. Ob eine demise-charter vorliegt, läßt sich nur an Hand des konkreten Prachtvertrages ermitteln. Entsprechend der herrschenden Auffassung im deutschen Recht wird der Charterer im allgemeinen nicht owner pro tempore, wenn der bisherige Kapitän an Bord bleibt und nicht in vollem Umfang der Befehlsgewalt des Charterers unterstellt wird. Nur die bare-boat-charter ist regelmäßig eine charter by demise.

Aim. 15

aa) Über die Natur der charter by demise insbesondere im e n g l i s c h e n Recht vgl. z.B. Baumwoll v. Gilchrest (1892). Dort führte Lord Esher aus: „the question depends, where other things are not in the way, upon this: whether the owner has by the charter, where there is a charter, parted with the whole possession and control of the ship, and to this extent, that he has given to the charterer a power and right independent of him, and without reference to him to do what he pleases with regard to the captain, the crew, and the management and employment of the ship. That has been called a letting or demise of the ship. The right expression is that it is a parting with the whole possession and control of the ship." I n der genannten Entscheidung handelte es sich darum, daß der Schiffseigentümer, der auch als managing owner zum Register eingetragen war, das Schiff f ü r vier Monate verchartert hatte. Er hatte auch eingewilligt, das Schiff dem Charterer nach Ablauf der Charter auf dessen Wunsch zu verkaufen. In der Charter war bestimmt, daß Kapitän, Offiziere und Mannschaft (mit Ausnahme des Leitenden Ingenieurs) vom Charterer ausgewählt und bezahlt werden sollten. Dementsprechend war auch verfahren worden. Der Eigentümer hatte das Schiff zu versichern und es mitsamt der Maschinenanlage in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Alle übrigen Lasten fielen dem Charterer zu. Es war weiter vorgesehen, daß der Charterer genügend Raum f ü r die Schiffsbesatzung und die Schiffsvorräte frei von Beladung lassen mußte. Schließlich war bestimmt, daß der Kapitän unter dem Befehl des Charterers stehen sollte und daß der Charterer den Eigentümer von allen Ansprüchen frei zu halten hatte, die aus der Konnossementszeichnung durch den Kapitän entstehen könnten. Das Gericht nahm eine charter by demise an. Vgl. über die Entscheidung B e r t i e , Shipping Law, S. 50f. I n zweifelhaften Fällen ist immer zu fragen, als wessen servants die Personen der Schiffsbesatzung anzusehen sind, als die des Eigentümers oder die des Charterers. Doch verlangt die charter by demise eine effektive Kontrolle des Charterers, und dazu reicht allein nicht aus, daß der Charterer die Löhne f ü r die Besatzung bezahlt. Selbst wenn der Charterer den Kapitän bestimmen kann, bleibt er doch der servant des Eigentümers, wenn dieser ihn bezahlt, ihn entlassen kann und ihm auch Anweisungen hinsichtlich der Navigation geben darf. Aber die Tatsache, daß der Eigentümer die Löhne zahlt und auch die Schiffsbesatzung entlassen kann, schließt anderseits eine Charter by demise nicht aus, wenn sonst alle Kontrollrechte auf den Charterer übergegangen sind. Der Charterer by demise wird f ü r die Dauer der Charter als Eigentümer angesehen. Das hat insbesondere zur Folge, daß er Dritten f ü r ein Verschulden der SchiSsbesatzung haftet. Etwaige Hilfs- und Bergungslöhne stehen ihm zu. Der Eigentümer haftet während dieser Zeit nicht.

Anm. 16

bb) Siehe über die demise-Charter insbesondere im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika G i l m o r e a n d B l a c k , The Law of Admiralty, 1957 S. 171 und 2153. Auf S. 171 heißt es „in this form the charterer takes over the ship, lock, stock and barrel, and mans her with his own people. He becomes, in effect, the owner pro hac vice, just as does the lessee of a house and lot, to whom the demise-charterer is analogous." Auf S. 215 wird ausgeführt, daß die demise-charter den Besitz am Schiff und die Kontrolle über dasselbe auf den Charterer übertrage. Das Hauptinteresse des Vercharterers beschränke sich darauf, die Miete zu erhalten und das Schiff nach Ablauf der Charter in ordnungsgemäßem Zustande zurückzubekommen. Der Hauptfall sei die bare-boat-charter. Nur wenn die Kontrolle über das Schiff so auf den Charterer übergegangen sei, daß der Kapitän Kapitän des Charterers, die 138

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übrige Besatzung Besatzung des Charterers sei, liege eine demise-charter vor. Vgl. Salmons Dredging Corp. v. The Herma, AMC 1950 S.839. Auch in den USA ist die wichtigste Folgerung aus der charter by demise, daß der Charterer als owner pro hac vice angesehen wird. Er haftet als Eigentümer und wie ein Eigentümer. Vgl. The Atlas AMC 1930 S. 1029. In der Charterzeit entstandene Schiffsgläubigerrechte muß der Eigentümer gegen sich gelten lassen. c) I n F r a n k r e i c h entspricht dem Begriff des deutschen Ausrüsters der des armateur- Amn. 17 affréteur. Vgl. R i p e r t Nr. 767ff.; C h a u v e a u , De l'armateur-affréteur, thèse Rennes 1923. Zum armateur-affréteur wird ein solcher Mieter eines Schiffes, der es selbst ausrüstet. Doch bleibt Dritten gegenüber die Haftung des Eigentümers von Bestand. Die Rechtsprechung und Rechtslehre neigt hierzu auch dann, wenn der Ausrüster den Kapitän selbst ausgewählt hat. Vgl. R i p e r t Nr. 779; A b r a m , L'affréteur qui a choisi le capitaine est-il responsable des engagements et des fautes du capitaine en vertu de l'article 1384 c. civ. ? Revue Autran Bd. 22 (1906—1907) S. 559; H o s t i e , Les responsabilités respectives du propriétaire de navire et de l'affréteur, in „Le Droit maritime belge" Bd. 2 (1911) S. 257, 365 und 457. Siehe die Gerichtsentscheidungen Revue Autran Bd. 12 S. 71 (Marseille), Bd. 13 S. 443 (Aix), Bd. 14 S. 298 (Kassationshof), aber auch Revue Dor Sup. Bd. 3 S. 602 (Marseille). d) Für I t a l i e n siehe Art. 265, 272 cod. nav. Für das g r i e c h i s c h e Recht vgl. Art. 105f. Anm. 18 SeeG. Danach ist Ausrüster derjenige, dem Benutzung und Nutzung eines fremden Schiffes zusteht. Er ist, wie im italienischen Recht, verpflichtet, zusammen mit dem Schiffseigentümer eine schriftliche Erklärung über das Ausrüstungsverhältnis vor der zuständigen Hafenbehörde abzugeben. Diese Erklärung enthält den Namen, die Nationalität und den Wohnort des Ausrüsters, die Dauer des Ausrüsterverhältnisses und die Schiffsmerkmale. Sie wird in das Schiffsregister eingetragen und auf dem Schiffszertifikat vermerkt. Unterbleibt die Erklärung, so wird vermutet, daß die Ausrüstung durch den Eigentümer selbst erfolgt sei. Vgl. S t e f a n o p u l o s ZHR Bd. 122 S. 65f. Der Ausrüster wird Dritten gegenüber als der Reeder angesehen. e) Für die S c h w e i z vgl. Art.45 des Seeschiffahrtsgesetzes. Danach umfaßt der Reeder- Anm. 19 begriff den des deutschen Reeders und Ausrüsters. Denn Reeder ist nach Art. 45 Abs. 1, wer ein Seeschiff als Eigentümer, Nutznießer oder Mieter in seinem Besitz hat und damit den Betrieb der Seeschiffahrt ausübt. Siehe über die besonderen Anforderungen, die an den schweizerischen Reeder gestellt werden, Art.46 des Gesetzes. Vgl. auch E r b a - T i s s o t , Die Formen der Schiffsverwendung, insbesondere der Ausrüster, nach schweizerischem Recht, Basel 1947. Dritter Abschnitt Schiffer Vorbemerkung (Soweit hier auf die sich aus dem SeemG e r g e b e n d e S t e l l u n g des K a p i t ä n s h i n g e w i e s e n wird, handelt es sich nur um einen Überblick. D i e e i n g e h e n d e E r l ä u t e r u n g d e r d i e s b e z ü g l i c h e n B e s t i m m u n g e n e r f o l g t in d e m SeemG.). S c h r i f t t u m (siehe auch die Angaben zu § 2 SeemG): a) Aus der Zeit der Geltung der SeemO und zum Teil auf sie bezogen: B o e t t c h e r , Die öffentlich-rechtliche Gewalt des Seeschiffers über die Schiffsmannschaft, Diss. Greifswald 1917 ; D a r s c h a u , Die Rechtsstellung des Schiffers, Diss. Leipzig 1907; E i c h h o r n , Grundzüge der Rechtsstellung des Kapitäns nach der SeemO, Diss. Freiburg 1905; G ö l l n i t z , Die Rechtsstellung des Schiffers, Diss. Leipzig 1911; G ü t s c h o w , Die Haftung der Kapitäne, Hansa 1914 S. 158ff. und 175ff.; H ü b n e r , Die rechtliche Stellung des Kapitäns zur Schiffsmannschaft, Diss. Leipzig 1906; F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, Bd. I I , 1929 § 48 I I I ; L ü d e m a n n , Die Haftung des Reeders aus Vertrags- und Deliktsobligationen des Schiffers, Diss. Marburg 1904; •Ohm, Die seetüchtige Ausrüstung der Kauffahrteischiffe, Diss. Greifswald, 1904; W. N e u h ä u s e r , Der Arbeitsvertrag des Schiffsmannes (Überseestudien, Heft 14, 1934) ; L . P e r e i s , Die Stellung des Kapitäns im deutschen Seerecht, Z H R 139

Anm. 1

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Anm. 2

Anm. 3 Anm. 4

Anm. 5

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Bd. 57 S. 336ff. und Bd. 58 S. lff.; P i e p e r , Haftet der Reeder für ein Verschulden der vom Schiffer freiwillig angenommenen Lotsen, Diss. Erlangen 1903; R i t t e r , Die öffentlichrechtlichen Pflichten des Schiffers vor Antritt der Reise, Diss. Greifswald 1894; S c h i e g e , Die Schififsgewalt, Diss. Leipzig 1910; W ä h r m a n n , Die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffers im Seerecht, Diss. Heidelberg 1911; W ü s t e n d ö r f e r HB 528ff. und SHR 178ff.; ders., Tarifrechtliches zum Arbeitsvertrag des Handelsschiffskapitäns, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, 1925, Sp. 29ff.; G o e s m a n n , Die Sorgfaltspflicht des Kapitäns im geltenden deutschen Seerecht, Diss. Leipzig 1932; A b r a h a m , Wann beginnt die Schiffsgewalt des Kapitäns, HansRGZ 1930 B 483. b) Zum SeemG: B e c k e r , Der Kapitän und das neue Seemannsgesetz, „Die Kommandobrücke" 1958 Nr. 3 (vgl. auch „Die Wasserschutzpolizei" 1958 S.49); ders., Die Stellung des Kapitäns im Handels-, öffentlichen und Arbeitsrecht, „Arbeit und Recht" 1957 Heft 2; ders., Die Sorgepflicht des Kapitäns für die Erhaltung von Ordnung und Sicherheit, „Die Kommandobrücke" 1958 Heft 5 und 6 (vgl. auch „Die Wasserschutzpolizei" 1958 S.73 und 85); D e r s c h , Das militärische Element in der rechtlichen Stellung des Schiffsführers, „Die Kommandobrücke" 1959 S. 102; ders., Die rechtliche Stellung des Handelsschiflsführers unter Berücksichtigung ihrerhistorischen Entwicklung „Die Kommandobrücke", 1960 Heft lff.; G l ä s e r , Die Wahrung des Arzt- und Fernmeldegehcimnisses durch den Kapitän, „Die Kommandobrücke" 1958 S. 143 ff. c) Zum ausländischen Recht: T h o m a , Die rechtliche Stellung des Kapitäns eines Seeschiffes, Diss. Basel 1943; R i p e r t , Droit Maritime, Bd.I Nr.519ff. 1. Begriff des Schiffers. S c h i f f e r im S i n n e d e s H G B i s t d e r F ü h r e r e i n e s z u m E r w e r b d u r c h die S e e f a h r t b e s t i m m t e n S c h i f f e s . Der Ausdruck „Schiffer ist gleichbedeutend mit dem in modernen Gesetzen gebrauchten Wort „Kapitän" (vgl. z.B. § 2 Abs. 1 SeemG, der auch davon handelt, wie der Kapitän zu bestellen ist). Der Kapitän ist a) n a u t i s c h e r L e i t e r des S c h i f f e s , b) V e r t r e t e r des R e e d e r s f ü r die d a s S c h i f f b e t r e f f e n d e n A n g e l e g e n h e i t e n in Gemäßheit seiner gesetzlichen oder einer davon abweichenden vertragsmäßigen Vertretungsmacht. Anders K o c h , Das Schiffsvermögen im Lichte der Personensubjektstheorie und der Lehre vom Zweckrechte, Diss. Greifswald, 1913 S. 33, wonach der Kapitän „gesetzlicher Vertreter des Schiffsvermögens" ist. Aber diese gesetzliche Vertretung kann vom Reeder eingeschränkt werden, ja beseitigt werden. Außerdem ermangelt Kochs Auffassung hinreichend der Bestimmtheit wegen der Relativität des Ausdrucks „Schiffsvermögen": Die noch nicht eingezogene Pracht einer früheren Reise gehört zum Schiffsvermögen und haftet den Schiffsgläubigern der betreffenden Reise, unterliegt aber nicht der gesetzlichen Vertretung des Kapitäns. c) V e r t r e t e r d e r L a d u n g s b e t e i l i g t e n nach Maßgabe des Gesetzes, d) I n h a b e r der S c h i f f s g e w a l t . Aus dieser vierfachen Stellung ergeben sich für ihn v i e r e r l e i K o m p l e x e v o n R e c h t e n und Pflichten. Für den Begriff des Kapitäns und seine rechtlichen Beziehungen zu dritten Personen ist es an sich gleichgültig, ob er bloßer Angestellter des Reeders oder zugleich Mitreeder oder gar Alleinreeder des von ihm geführten Schiffes ist, wenn dies auch für die Frage der Haftungsart von Bedeutung sein kann. Vgl. Anm. 33ff.zu § 486 HGB. Ebenso ist im erstgenannten Falle unerheblich, auf welche Weise er angestellt ist (unten Anm. 10). Die f ü r die F ü h r e r v o n K a u f f a h r t e i s c h i f f e n e r l a s s e n e n B e s t i m m u n g e n gelten f ü r die F ü h r e r sonstiger Seeschiffe n i c h t ohne weiteres. Mangels ausd r ü c k l i c h e r V e r w e i s u n g k a n n h ö c h s t e n s e i n e e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g im e i n z e l n e n in B e t r a c h t k o m m e n . Eine dem § 26 FlaggRG 1899 entsprechende Bestimmung findet sich im jetzigen FlaggRG nicht mehr. Bestimmungen über den Kapitän fanden sich früher in erster Linie in den §§ 511 ff. HGB und in der SeemO. Die SeemO hatte indessen Vorschriften nur insoweit getroffen, als es sich um die Rechtsstellung des Kapitäns an Bord und um sein Verhältnis gegenüber den übrigen Besatzungsmitgliedern handelte. Im übrigen war seine Rechtsstellung in den §§ 511 ff. HGB

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geregelt. In diesen waren auch arbeitsrechtliche Fragen angeschnitten, wenn auch nur in geringem Umfange, vornehmlich solche, die mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, der Erkrankung und dem Tod des Kapitäns in Zusammenhang standen. Bei Erlaß des SeemG sind die diesbezüglichen Bestimmungen des HGB (§§ 546—-551, 553—554 sowie 555 Satz 2, 3) aufgehoben, und das Arbeitsrecht des Kapitäns wurde mit in das SeemG einbezogen. Das SeemG regelt aber auch jetzt die Rechte und Pflichten des Kapitäns nur soweit, als er Vertreter des Arbeitgebers an Bord ist oder als sie sein arbeitsrechtliches Verhältnis zum Reeder betreffen. In den §§ 511 ff. HGB sind also die handelsrechtlichen Befugnisse und Pflichten des Kapitäns nach wie vor enthalten. 2. Persönliche Qualifikationen. Anm. 6 a) Körperliche und geistige Eigenschaften. Der Beruf des Kapitäns ist vielseitig und verantwortungsreich. Er läßt sich ohne ein gewisses Maß körperlicher Gesundheit und ohne gewisse geistige Eigenschaften, wie Gewissenhaftigkeit, Ausdauer, Kaltblütigkeit, Entschlußfähigkeit nicht ausfüllen. Erschöpfende positive Bestimmungen hierüber kann das Gesetz wohl nicht enthalten. Nach § 21 der Schiffsbesetzungsordnung wird der Nachweis ausreichenden Hör-, Seh- und Farbunterscheidungsvermögens durch die Bundesbehörden geregelt werden. Nach § 81 Abs. 1 SeemG darf als Kapitän nur beschäftigt werden, wer nach Maßgabe der gemäß § 143 Abs. 1 Nr. 12 und 13 erlassenen Rechtsverordnungen von einem von der Arbeitsschutzbehörde ermächtigten Arzt untersucht sowie von ihm als seediensttauglich erklärt worden ist und hierüber dann ein Zeugnis dieses Arztes vorliegt. Wird in dem Zeugnis nur eine beschränkte Seediensttauglichkeit festgestellt, so darf die Beschäftigung nur nach Maßgabe des Zeugnisses erfolgen. Das Fehlen solcher Eigenschaften, welche zur Ausübung seines Gewerbes erforderlich sind, kann unter Umständen dazu führen, daß dem Kapitän die Ausübung seines Gewerbes durch Seeamtsspruch entzogen wird (§ 26 SUG). Anm. 7 b) Die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik ist nicht erforderlich. c) Lebensalter. Nach § 20 der Schiffsbesetzungsordnung beträgt das Mindestalter f ü r die Anm. 8 Ausstellung der Befähigungszeugnisse f ü r den Kapitän und den Seeschiffer auf Küstenfahrt 23 Jahre, f ü r den Seeschiffer in kleiner Hochseefischerei 21 Jahre. Doch ist damit ein bestimmtes Mindestalter f ü r den Kapitän nur mittelbar vorgeschrieben. Die Geschäftsfähigkeit eines etwa minderjährigen Kapitäns richtet sich nach bürgerlichem Recht. e) Befähigungsnachweis. Der Kapitän muß Inhaber eines staatlichen Befähigungszeug- Anm. 9 nisses sein, das ihn zur Führung des Schiffs berechtigt (§ 2 Abs. 2 SeemG; § 3 Schiffsbesetzungsordnung). Der Befähigungsnachweis ist n i c h t Vorbedingung des Gewerbebetriebs f ü r den vom früheren Kapitän (§516 Abs. 2 HGB) oder vom Bundeskonsul eingesetzten Kapitän oder den eintretenden Ersten Offizier des Decksdienstes oder den Alleinsteuermann; anderenfalls würde die vom Gesetz f ü r Notfälle gewollte Übernahme des Kapitänsamtes durch diese Personen in vielen Fällen unmöglich sein. E i n A n s t e l l u n g s v e r t r a g des R e e d e r s m i t einer P e r s o n , welche die B e f u g nis zur A u s ü b u n g des S c h i f f e r g e w e r b e s n i c h t e r w o r b e n oder wieder verl o r e n h a t , ist, sofern er im Geltungsgebiet des SeemG wirksam werden soll, n i c h t i g , außer wenn er f ü r den Fall geschlossen ist, daß der als Schiffer Angestellte die erwähnte Befugnis erlangt oder wiedererlangt (§§ 300, 308 BGB). Wird dem Schiffer während der Dauer des Anstellungsvertrages das Patent entzogen, so wird der Vertrag wegen nachfolgender rechtlicher Unmöglichkeit der Leistung hinfällig (§§ 275, 280, 325 BGB: Schadensersatzpflicht des Schiffers, falls er den Grund der Entziehung zu vertreten hat). 3. Die Anstellung des Kapitäns erfolgt Anm. 10 a) durch V e r t r a g mit dem Reeder oder den Mitreedern. Der Anstellungsvertrag zwischen Reeder und Kapitän ist im Falle (der in der Praxis selten vorkommenden) Unentgeltlichkeit A u f t r a g (§ 662 BGB), sonst der in § 675 BGB genannte D i e n s t v e r t r a g , d e r e i n e Ges c h ä f t s b e s o r g u n g z u m G e g e n s t a n d e h a t ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 415); W ü s t e n d ö r f e r SHR 185 und andere, z.B. B o y e n s Bd. 1 S. 426, nehmen bei der Anstellung f ü r eine bestimmte Reise Werkvertrag an; mit Recht dagegen P a p p e n h e i m H B 2 S. 415f. aa) Indessen gelten die Vorschriften des BGB f ü r das Anstellungsverhältnis des Kapitäns nur subsidiär. I n erster Linie kommen die Bestimmungen des SeemG (vgl. dessen § 78), der

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Anm. i l

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§§ 511 ff. H G B und des Tarifvertrags in Betracht. Das SeemG regelt das Arbeitsverhältnis des Kapitäns als ein modifiziertes Heuerverhältnis, das eine Hinneigung zu dem Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten hat (so Begr. SeemG S. 61). Demgemäß gelten die Bestimmungen über das Heuerverhältnis der Besatzung auch f ü r den Kapitän, soweit es sich aus § 78 SeemG ergibt. Danach bedarf insbesondere der Vertrag einer Form nicht. E r kann also von Gesetzes wegen mündlich oder schriftlich geschlossen werden. Ein Heuerschein wird dem Kapitän nicht erteilt, da § 78 SeemG den § 24 SeemG auf den Kapitän nicht f ü r anwendbar erklärt hat. Schließt bei einer Partenreederei, wie regelmäßig, der Korrespondentreeder den Anstellungsvertrag mit dem Kapitän, so ist er hierzu k r a f t des gesetzlichen Vollmachtsumfangs des § 493 H G B befugt; im Innenverhältnis h a t er jedoch vorher die Beschlüsse der Reederei einzuholen, § 496 Abs. 2 HGB. bb) Bezüglich des I n h a l t s des Anstellungsvertrags mit dem Kapitän ist die an sich bestehende Vertragsfreiheit durch folgende P u n k t e eingeschränkt (vgl. dazu auch Anm. zu § 10 SeemG): § 78 SeemG erklärt eine Reihe von Vorschriften des SeemG über das Heuerverhältnis auch auf den Kapitän f ü r anwendbar. Insbesondere sind in § 78 Abs. 1 SeemG genannt die Vorschriften der §§ 23, 25, 26, 30 bis 37, 39, 40 Abs. 3, 41 bis 4 7 , 4 8 Abs. 2, 49 bis 60, 63 Abs. 3, 66, 75 bis 77. Vgl. dazu im einzelnen die Erläuterungen zu den einschlägigen Paragraphen des SeemG, insbesondere auch zu § 78 SeemG. Hier soll nur folgendes hervorgehoben werden: Gemäß § 25 SeemG beginnt das Arbeitsverhältnis mit dem Abschluß des Vertrages ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Dienstantritts. Hinsichtlich der Vergütung des Kapitäns kommen die Vorschriften der §§30 bis 37 über die Heuer einschließlich des Anteils an Pracht, Gewinn oder Erlös zur Anwendung. Wegen der Anreisekosten siehe § 26 SeemG. Die Einzelheiten der Vergütung richten sich regelmäßig nach dem Tarifvertrag. Zu der Barvergütung tritt die Naturalvergütung in Gestalt von Kost und Logis. Auch Vergütung s t a t t in einer festen Barsumme oder neben einer solchen in Prozenten der Pracht (Brutto- oder Nettofracht) oder des Gewinnes (auch Naturalgewinnes, z.B. des Pischfangertrages) kommt vor. Dagegen finden sich sonstige Vergütungsarten, die in früheren Zeiten von Bedeutung waren, kaum noch (z.B. vom Reeder gewährte Kaplaken: H G Hamburg HansGZ 1879, 213) oder die Verschaffung von Erwerbsgelegenheiten, wie Gestattung der Verladung von Gütern oder die Annahme von Belohnungen von Dritten (vgl. dazu P a p p e n h e i m H B 2 S. 416). Auf die Verpflegung, die Unterbringung und die Krankenfürsorge sind die diesbezüglichen Vorschriften des SeemG in den §§ 39 bis 52 SeemG sinngemäß anzuwenden, soweit sich nicht aus § 78 SeemG etwas anderes ergibt. cc) DieAnstellung des Kapitäns erfolgt entweder f ü r bestimmte Zeit, z. B. f ü r eine bestimmte Reise, oder auf unbestimmte Zeit. Bei Anstellung auf unbestimmte Zeit pflegt die Z u w e i s u n g e i n e s b e s t i m m t e n S c h i f f e s nicht wesentlich zu sein (vgl. auch P a p p e n h e i m H B I I 421 f.). Indessen gilt § 27 SeemG nicht f ü r den Kapitän. b) im Wege der S u b s t i t u t i o n durch den früheren Schiffer (§ 516 Abs. 2 HGB), der insoweit als Vertreter des Reeders auftritt, c) im Wege der E i n s e t z u n g durch den Bundeskonsul (vgl. §§ 35 und auch 33 KonsG), der insoweit nicht als Vertreter des Reeders (so ROHG 22, 47), sondern in Ausübung amtlicher Punktionen handelt ( P a p p e n h e i m GruchBeitr. Bd. 43 S. 364 Note 50; W ü s t e n d ö r f e r S H R 186); daher ist keine zivilrechtliche Anfechtbarkeit der Einsetzung gegeben (L. P e r e i s Z H R Bd. 57 S. 373). Vgl. auch Anm. 2 zu § 487 HGB. Vorbehaltlich der dortigen Ausführungen gelten die Ausführungen über das Dienstverhältnis des Kapitäns auch f ü r den auf Grund des § 35 KonsG oder des § 516 H G B eingesetzten Kapitän. Nicht Anstellung, sondern eine k r a f t S c h i f f s h i e r a r c h i e ( W ü s t e n d ö r f e r S H R 186) e r f o l g e n d e P u n k t i o n s ü b e r n a h m e liegt vor, wenn der erste Offizier (Steuermann) in die Stelle des verstorbenen oder sonst rechtlich oder tatsächlich behinderten Kapitäns, der von der Substitution (oben b) keinen Gebrauch gemacht h a t , eintritt. Vgl. über diesen Fall § 516 Anm. 6f. und § 2 Abs. 3 SeemG. 3. Die Stellung des Schiffers endet a) durch den T o d d e s S c h i f f e r s — nicht durch denjenigen des Reeders; b) durch Z e i t a b l a u f (Prot. 1957ff.) oder E i n t r i t t einer auflösenden Bedingung;

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c) durch t a t s ä c h l i c h e A u f g a b e ; d) durch K ü n d i g u n g (§ 78 SeemG), und zwar aus w i c h t i g e m G r u n d e , einerlei, ob der Dienstvertrag auf bestimmte oder unbestimmte Zeit eingegangen ist (§ 78 Abs. 4 SeemG). Die außerordentliche Kündigung aus einem nicht vom Reeder zu vertretenden wichtigen Grunde ist nur zulässig, wenn der Reeder ohne besondere Kosten u n d ohne Aufenthalt f ü r das Schiff einen geeigneten Ersatzmann erhalten kann. I m Streitfall kann das Seemannsamt, das zuerst angerufen werden kann, eine vorläufige Entscheidung über die Kündigung treffen. Der Verkauf des Schiffes ist ein wichtiger Kündigungsgrund f ü r den Kapitän. Bei der Vercharterung des Schiffes mit employment-Klausel wird ein solcher dagegen regelmäßig zu verneinen sein (anders S c h l e g e l b e r g e r Vorbemerkung zum dritten Abschnitt B Anm. 3). Die ordentliche Kündigung kommt bei dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Anstellungsvertrage in Betracht. Dieser kann in den ersten beiden Dienstjahren bei demselben Reeder mit einer Frist von sechs Wochen, vom Beginn des dritten Dienstjahres an mit einer Frist von drei Monaten f ü r den Schluß des Kalendervierteljahres gekündigt werden. Nach einer Beschäftigungsdauer von acht Jahren erhöht sich die Kündigungsfrist auf vier Monate, von zehn Jahren auf fünf Monate, von zwölf Jahren auf sechs Monate. Dienstjahre, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, werden bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer nicht berücksichtigt. Vgl. § 78 Abs. 2 SeemG i. Verb, mit dem Gesetz über die Fristen f ü r die Kündigung von Angestellten vom 9. 7. 1926 (RGBl. I S. 399). Die Kündigung muß schriftlich erfolgen. Vgl. § 545 H G B wegen der Untersagung der Kapitänsbefugnisse während der Kündigungsfrist. Wegen außerordentlicher Kündigung bei Verlust des Schiffes vgl. § 66 SeemG. Diese ist zulässig, wenn das Schiff dem Reeder durch ein unvorhergesehenes Ereignis verlorengegangen ist oder die Reise wegen Krieges, sonstiger kriegerischer Ereignisse, Embargo oder Blockade nicht angetreten hat oder sie nicht fortsetzen kann. Vgl. § 555 H G B : Auch nach Verlust des Schiffes h a t der Kapitän noch f ü r die Verklarung zu sorgen und überhaupt das Interesse des Reeders so lange wahrzunehmen, als es erforderlich ist. Gemäß § 78 Abs. 6 SeemG h a t er hierfür Anspruch auf Heuer, auf Ersatz der Aufwendungen f ü r Verpflegung und Unterkunft sowie auf freie Rückbeförderung nach Maßgabe der §§72 und 73 SeemG. I m Krankheitsfall (§ 49 SeemG), im Fall des § 66 SeemG und wenn der Kapitän sein Heuerverhältnis aus einem vom Reeder zu vertretenden wichtigen Grunde gekündigt hat, hat der Kapitän einen Anspruch auf Rückbeförderung unter Fortzahlung der Heuer (§§ 72, 73, 78 Abs. 3 SeemG). e) durch v e r m u t e t e m V e r l u s t v o n S c h i f f u n d B e s a t z u n g . Vgl. § 77 SeemG, 78 Abs. 1 SeemG. f ) durch P a t e n e n t z i e h u n g (oben Anm. 6); durch sie wird der Anstellungsvertrag wegen nachfolgender rechtlicher Unmöglichkeit der Leistung hinfällig, womit auch die auf diesem Vertrage beruhende Vertretungsmacht des Schiffers erlöschen muß. Über das Recht des Schiffers auf A u s s t e l l u n g e i n e s Z e u g n i s s e s nach Beendigung des Dienstverhältnisses sind besondere gesetzliche Bestimmungen nicht getroffen. Nach § 14 TV kann der Kapitän beim Ausscheiden aus dem Dienst des Reeders oder beim Schiffswechsel ein Zeugnis verlangen. 4. Die öffentlich-rechtliche Stellung des Kapitäns. Die öffentlich-rechtlichen Pflichten und Anm. 12 Befugnisse des Kapitäns sind in zahlreichen Rechtsvorschriften enthalten, insbesondere in den §§82 ff. SeemG. Die Notwendigkeit, dem Kapitän eine Reihe öffentlich-rechtlicher Pflichten und Befugnisse zu übertragen, erklärt sich vornehmlich daraus, daß ein Schiff mit der Abreise vom Heimatland vom eigenen Territorium losgelöst und dem Zugriff der Staatsgewalt in erheblichem Umfange entzogen ist. Die öffentlich-rechtliche Stellung des Kapitäns hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Ihre einzelnen Befugnisse werden zusammengefaßt als Schiffsgewalt bezeichnet. Bei der Schiffsgewalt handelt es sich also nicht u m einen einheitlichen Begriff. Sie umfaßt Befugnisse über das Schiff und die darauf befindlichen Sachen, sodann Befugnisse gegenüber bestimmten Personengruppen und endlich die Wahrnehmung gewisser im allgemeinen der Staatsgewalt zukommenden Funktionen während der Reise. Die Schiffsgewalt ist weder ein Institut rein öffentlich-rechtlicher Art, noch ein solches rein privatrechtlicher Natur. Es liegt vielmehr eine Mischung öffentlich-rechtlicher mit privaterchtlichen Elementen vor. Vgl. auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 182. 143

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E s k o m m e n in B e t r a c h t : Anm. 13

a) B e f u g n i s s e ü b e r d a s S c h i f f . Hierher gehört insbesondere das Hausrecht, kraft dessen der Kapitän Privatpersonen (nicht Organen der Staatsgewalt; Ausnahme: Strand vogt, § 7 Abs. 1 StrandO) das Betreten des Schiffes verbieten kann, selbst solchen, die in Seenot Hilfe leisten wollen, es sei denn, daß sein Verbot „unverständig" ist (vgl. § 742 Abs. 1 HGB). Das Hausrecht hat der Kapitän grundsätzlich auch dem Reeder gegenüber. Doch kann dieser sich durch Entlassung des Kapitäns mit der Wirkung wehren, daß die Schiffsgewalt auf dessen Nachfolger übergeht (vgl. P e r e i s ZHR Bd.57 S. 375). Hierher gehört ferner das Recht, dem Schiffe im Falle großer Haverei Schaden zuzufügen (§ 700 HGB). Die Befugnis über das Schiff bezieht sich auf auch die an Bord befindlichen Gegenstände, beinhaltet z.B. das Recht, gefährliche oder ohne das Wissen des Kapitäns an Bord befindliche Gegenstände (Ladungsoder Reisegut oder Eigentum von Schiffsleuten) an Land zu setzen bzw. über Bord zu werfen (§§ 564 Abs. 5, 564a und b HGB). Indessen gilt das f ü r das Anbordbringen von Personen und Gegenständen durch Besatzungsangehörige nur im Rahmen des § 111 SeemG. Nach diesem dürfen Besatzungsmitglieder Personen, die nicht zur Schiffsbesatzung gehören oder nicht im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätig sind (vgl. § 7 SeemG), im Hafen mit Erlaubnis an Bord bringen, wenn es sich um Familienangehörige des Besatzungsmitgliedes handelt und der Schiffsbetrieb nicht gestört wird. Persönliche Bedarfsgegenstände und Verbrauchsgüter dürfen die Besatzungsmitglieder in angemessenem Umfange an Bord bringen, sofern dadurch nicht gesetzliche Vorschriften verletzt, die Ordnung an Bord beeinträchtigt oder Menschen, Schiff oder Ladung gefährdet werden. Die Mitnahme von anderen Gegenständen durch Besatzungsangehörige, insbesondere von Waffen und Munition, ist nur mit Einwilligung des Kapitäns zulässig, die, wenn sie versagt wird, auf Antrag des Besatzungsmitglieds durch das Seemannsamt ersetzt werden kann. Bringt ein Besatzungsmitglied entgegen diesen Vorschriften Gegenstände an Bord, so kann der Kapitän sie in Verwahrung nehmen oder in anderer Weise sicherstellen. Gefährdet ihr Verbleib die Gesundheit der an Bord befindlichen Personen, das Schiff oder die Ladung oder könnte der Kapitän das Eingreifen einer Behörde veranlassen, so kann er die Beseitigung der Gegenstände verlangen. Kommt das Besatzungsmitglied diesem Verlangen nicht nach, so kann der Kapitän die Gegenstände vernichten. Doch sind dann die Tatsachen und der Grund der Vernichtung in das Schiffstagebuch einzutragen. Schließlich hat der Kapitän in Strandungsfällen die Befugnis, die Fortschaffung von Sachen aus dem Schiff zu verbieten (§ 12 StrandO), im Falle der großen Haverei kann er das Aufopfern von Gütern anordnen.

Anm. 14

b) B e f u g n i s s e g e g e n ü b e r R e i s e n d e n . Diese sind den die Schiffsordnung betreffenden Anweisungen unterworfen (§665 HGB). Kommt der Reisende den Anordnungen nicht freiwillig nach, so hat der Kapitän zwar keine Disziplinargewalt über ihn, kann aber die Befolgung der Anordnung evtl. durch Gewaltanwendung erzwingen. Eine ausdrückliche Bestimmung hierfür gibt es zwar nicht, doch folgt das aus der Natur der Sache. Ein Kapitän, der einen geflohenen Fremdenlegionär, der sich als blinder Passagier eingeschlichen hat, der ausländischen Macht wieder zuführt, ist nicht strafbar wegen eines Vergehens nach § 109 h StGB (§ 141 StGB), sondern allenfalls wegen einer versuchten Nötigung (§§ 240, 43 StGB). Vgl. LG Hamburg VerkBl. 1959 S.71.

Anm. 15

c) B e f u g n i s s e g e g e n ü b e r d e r B e s a t z u n g . Die SeemO hatte dem Kapitän gegenüber den Schiffsoffizieren und der Schiffsmannschaft Kommandogewalt (vgl. insbesondere § 34 SeemO) und Disziplinargewalt (vgl. §§ 84ff. SeemO) gegeben. Die diesbezüglichen Bestimmungen des SeemG sind modernem Rechtsempfinden angepaßt. Gemäß § 106 SeemG ist der Kapitän Vorgesetzter aller Besatzungsmitglieder und der sonstigen an Bord tätigen Personen. Er hat eine oberste Anordnungsbefugnis, f ü r die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit an Bord zu sorgen und in dieser Hinsicht erforderliche Maßnahmen zu treffen. Ein Besatzungsmitglied ist jedoch nicht mehr verpflichtet, eine Anordnung auszuführen, wenn es dadurch eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begehen würde (§§ 29, 89, 109 SeemG). In allen anderen Fällen wird die Nichtbefolgung einer Anordnung des Kapitäns durch ein Besatzungsmitglied als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geahndet (§§ 115, 124 SeemG). Bei unmittelbarer Gefahr

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§511

f ü r Menschen oder Schiff ist es zulässig, daß der Kapitän seine Anordnungen notfalls mit den erforderlichen Zwangsmitteln durchsetzt. Auch die vorübergehende Festnahme ist zulässig. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten die Erläuterungen zum SeemG. Nur gegenüber h e i m z u s c h a f f e n d e n S e e l e u t e n besteht noch Disziplinargewalt (§ 4 Abs. 3 Gesetz, betreffend die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute vom 2. 6. 1902); gegenüber dem wegen einer strafbaren Handlung Mitgenommenen hat Behandlung nach den Weisungen des Seemannsamts und Bewachung zu erfolgen (§ 4 Abs.2 des genannten Gesetzes).

§ 511 Der Führer des Schiffes (Schiffskapitän, Schiffer) ist verpflichtet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. Er haftet für jeden durch sein Verschulden entstehenden Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der in diesem und den folgenden Abschnitten ihm auferlegten Pflichten entsteht. § 511 bestimmt die von dem Kapitän bei allen Dienstverrichtungen anzuwendende Sorgfalt und die sieh daraus ergebende Haftung. 1. Die von dem Kapitän zu beachtende Sorgfalt ist die eines „ordentlichen Schiffers" (vgl. dazu RGZ 119, 397). Das ist die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB), angewendet auf die Berufstätigkeit des Kapitäns. Das Gesetz legt, wie bei der Sorgfalt eines ordentlichen Reeders (§ 497 HGB) einen a b s o l u t e n Maßstab an: nicht, wie der Kapitän in eigenen Angelegenheiten verfährt, soll er sich in Ausübung seiner Dienstverrichtungen benehmen, sondern wie ein gewissenhafter Schiffer handelt (RGZ 119, 400). Was der Kapitän in gewissen Lagen zu t u n und zu lassen hat, ist teils gesetzlich (im HGB oder in Spezialgesetzen, insbesondere auch in dem SeemG) vorgeschrieben, teils durch Seemannsbrauch geregelt, teils ergibt es sich aus der jeweiligen mit Klarheit und Besonnenheit zu beurteilenden Sachlage. E s d a r f a b e r m i t R ü c k s i c h t a u f d i e w e c h s e l n d e n S i t u a t i o n e n , in d e n e n s i c h g e r a d e d e r K a p i t ä n b e f i n d e t , d i e F r a g e , ob in e i n e r k o n k r e t e n S a c h l a g e d i e S o r g f a l t d e s § 5 1 1 H G B g e w a h r t i s t , k e i n e s f a l l s s c h e m a t i s c h b e a n t w o r t e t w e r d e n : es kann vielmehr eine Maßregel, deren Ausführung in dem einen Fall geboten ist, in dem anderen, äußerlich scheinbar gleichliegenden Falle zu unterlassen sein, ja es lassen sich Fälle denken, in denen sogar die Nichtbefolgung von gesetzlichen Vorschriften oder von Anweisungen des Reeders, die regelmäßig eine Verletzung des § 511 in sich schließt, entschuldbar, ja geboten ist. Maßgebend sind daher stets die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Anschauungen der beteiligten Kreise. Doch ist nicht in jedem error in judgement, in jeder unrichtigen Beurteilung der Sachlage und der daraus hervorgehenden Vornahme einer fehlerhaften oder Unterlassung einer gebotenen Maßregel ein Verschulden des Kapitäns zu sehen (vgl. auch Anm. 12 zu § 485 HGB). Die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers ist anzuwenden bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge, insbesondere der Fracht-, Passage-, Heuer- und Kreditverträge, auch des zwischen ihm und dem Reeder bestehenden Dienstvertrages. Stellt ein Reeder einen Kapitän an in Kenntnis seiner mangelnden Befähigung, so liegt darin die stillschweigende Vereinbarung zwischen beiden, daß der Kapitän dem Reeder (nicht auch Dritten) nur im Rahmen seiner persönlichen Eignung und Fähigkeit haftet, nicht also auch f ü r solchen Schaden, der durch Umstände verursacht wurde, denen der Kapitän nicht gewachsen war (RGZ 119, 397 = J W 1928 S. 1049 = HansRGZ 1928 B 90). Eine allgemeine Norm (im Sinne des § 276 BGB) läßt sich hieraus jedoch nicht entnehmen, weil diese das subjektive Moment nicht oder nicht in diesem Maße berücksichtigen darf (vgl. P a p p e n h e i m J W a.a.O.). Die Dienstverrichtungen können öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sein; sie können sich auf die nautische Leitung des Schiffes beziehen oder auf administrativem Gebiet liegen (vgl. auch Anm. 12 zu § 485 HGB). Wo der Kapitän nicht in Ausführung von Dienstverrichtungen handelt, hat er nur f ü r die bei dem fraglichen Rechtsverhältnis vorgeschriebene Sorgfalt einzustehen, z. B. haftet er als Geschäftsführer ohne Auftrag bei Hilfsleistung zur Abwendung dringender Gefahr (wenn nicht ein Fall von Art. 11 10

Schaps-Abraham, Seerecht II

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Anm. 1

Anm. 2

§511

Anm. 3

Vierter Teil. Seehandelsrecht

IÜS vorliegt) nur f ü r Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 680 BGB). Wenn das Gesetz die Sorgfalt bei der E r f ü l l u n g d e r v o m K a p i t ä n a u s z u f ü h r e n d e n V e r t r ä g e besonders hervorhebt, so soll damit Sorgfalt bei deren Abschluß nicht ausgeschlossen sein. Eine erschöpfende Aufzählung dessen, was zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers gehört, läßt sich hiernach nicht geben. Nachstehend sollen einzelne Beispiele aufgeführt werden: 2. Dem Kapitän liegt ob: a) Führung des Schiffes, d.h. seine nautische Leitung (HansOLG HansGZ 1912, 233; RGZ 82, 148) und die damit zusammenhängenden administrativen Handlungen (vgl. RGZ 72 Nr.39; 74, 339; RG HansGZ 1913, 44 = LZ 1913,163). Er hat zu sorgenfür die Seetüchtigkeit, gehörige Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung des Schiffes, Vorhandensein der erforderlichen Papiere (§ 513 HGB), die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen, gehörige Beladung und Stauung, Vorhandensein von Ballast und Garnierung (§ 514 HGB); er hat sich über individuelle Eigentümlichkeiten des Schiffes zu orientieren: Wirkung der Maschine (OSA Bd. 1 S.528), Wirkung der Schiffsschraube auf die Steuerung (HansOLG HansGZ 1895 Nr. 29), Art, Beschaffenheit und Wirkungsweise des Steuers (RG HansGZ 1909, 263), Stabilität des Schiffes (HansOLG HansGZ 1897, 83). Er hat die Reise rechtzeitig anzutreten und, sobald selbst verhindert, f ü r Vertretung zu sorgen (§ 516 HGB), nach Vorschrift des § 517 HGB an Bord zu sein, ja in schwierigen Situationen das Deck höchstens auf kurze Zeit zu verlassen (OSA Bd.3 S.695, 300; HansOLG HansGZ 1883 Nr.32; RGZ 8, 167) und auch dann nur nach Beschaffung geeigneter Vertretung (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 46; OSA Bd. 4 S. 107) und nach Erteilung genügender Instruktion an seinen Vertreter (OSA Bd. 1 S.526ff.; Bd.2 S.622; Bd.3 S.751 ff.). Er darf nicht unnötigerweise Umwege machen oder sonst schuldhaft die Reise verzögern, etwa Häfen anlaufen, um dort Privatangelegenheiten zu erledigen; dagegen muß er es tun, um zu geringen Brennstoffvorrat zu ergänzen (RG HansGZ 1913, 44 = LZ 1913 S. 163); andererseits darf er, wenn er erfährt, daß die Reise nach dem Bestimmungshafen, etwa wegen Blockade, nicht ausführbar ist, dieselbe nicht fortzusetzen, sondern er muß, je nach Umständen, entweder nach dem Abgangshafen zurückkehren oder einen Zwischenhafen anlaufen (Meier BuschsA Bd.30 S.62; ROHG 8,299), er müßte denn guten Grund zu der Annahme haben, daß das Hindernis zur Zeit seiner Ankunft beseitigt sein wird. Er hat die Regeln der Nautik mit Sorgfalt zu befolgen, sich über die Flutund Strömungsverhältnisse, über die Lage der Seezeichen zu orientieren (OSA Bd. 1 S.213ff.; Bd.2 S.722; Bd.3 S.240; Bd.4 S.144; Bd.5 S.476; Bd.6 S.85; bezüglich der Seezeichen: OSA Bd. 1 S.215, 541, Bd.2 S.313, 454, 622 usw.), Sorgfalt bei der Aufmachung des Bestecks anzuwenden (OSA B d . l S.213, Bd.4 S.150, 223; Bd.7 S.731), die nötigen Signale und Kommandos zu geben (OSA B d . l S.282, 526ff.; Bd.4 S.173; ROHG 13 Nr. 42 BOSA Hansa 1956 S.490; Hansa 1957 S.1324 u. 2124), Lotsen anzunehmen, wo Lotsenzwang besteht; dagegen liegt sonst nicht unbedingt Verschulden im Nichtannehmen eines Lotsen im sog. Lotsfahrwasser: ROHG 11, 332. Unter besonderen Umständen hat der Schiffer auch in die Manövrierung des Zwangslotsen einzugreifen (HansOLG HansGZ 1902, 115). I m Hafen hat er die nötige Vorsicht beim Ausbringen des Ankers anzuwenden (HansOLG HansGZ 1892 Nr. 76), f ü r die erforderliche Bewachung des Schiffes zu sorgen (RGZ 82, 149) usw. Er hat weiter die verkehrsrechtlichen Vorschriften (Seestraßenordnung, Seeschiffsstraßenordnung usw.) und die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft zu befolgen, sowie die ausländischen Rechtsvorschriften und die Gebote des Völkerrechts zu beobachten (§ 515 HGB). Er hat darauf zu achten, daß die Sorge f ü r die Sicherheit des Schiffes der Verpflichtung zur Schnelligkeit des Schiffes unbedingt vorgeht. Vgl. über die zu hohe Fahrt bei schlechter Sicht Hansa 1955 S. 1511, 1956 S.717, 1957 S.410, 696, 857, 1164. Siehe BOSA Hansa 1957 S.1074, daß unter einer mäßigen Geschwindigkeit eine solche zu verstehen ist, die dem Schiff ein Stoppen auf eine Entfernung erlaubt, die der halben Sichtweite entspricht. Vgl. wegen der Nichtbenutzung der wegen der Minengefahr f ü r die Schiffahrt eingerichteten Zwangswege BGH MDR 1958 S.489, wegen Nichtbeachtung der Vorfahrt BOSA Hansa 1957 S.1929, wegen der Benutzung einer nicht berichtigten Seekarte Hansa 1956 S. 634 und 1957 S. 1572, wegen Verpflichtung zur Überprüfung der See- und Witterungsverhältnisse HansOLG Hamburg Hansa 1954 S.2176, wegen mangelnder Überwachung der Mannschaft zur Verhütung übermäßigen Alkoholgenusses Hansa 1957 S. 1572, wegen Behinderung des durchgehenden Verkehrs durch unzulässiges Queren des Fahrwassers BGH Hansa 1957 S. 1867, BOSA dort S.857, wegen

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§511

Überlassung der Führung des Schiffes in navigatorisch schwierigem Seegebiet an einen jungen Schiffsoffizier mit wenig Erfahrung Hansa 1957 S.1494, wegen falschen Ausweichens BOSA Hansa 1957 S. 1717, wegen unrichtiger Auswertung des Radarbildes Hansa 1957 S . 6 5 9 (vgl. auch W i l l n e r Hansa 1953 S.148 u. 404, W o e r d e m a n n Hansa 1953 S.403, M a r i e n f e l d Hansa 1954 S. 1601), wegen der Zulassung der Bedienung von Vorrichtungen durch ungeübte Leichtmatrosen Hansa 1957 S. 1858, wegen mangelnder Sicherung des Landgangs Hansa 1956 S. 1950, 1957 S.626 und 2124. Vgl. über die Verantwortlichkeit des Kapitäns für die Stabilität B e n j a m i n Hansa 1924 S. 1361, über seine Verantwortlichkeit für das Kartenmaterial SA Hamburg Hansa 1928 S.407. Es besteht ein Seemannsbrauch und eine Seemannspraxis, daß der Kapitän das aufgegebene Schiff als letzter verläßt. Eine derartige ausdrückliche Rechtsregel ist jedoch nicht vorhanden. Vgl. jedoch Anm. 2 zu § 517 HGB. Über die Verantwortung und Pflichten des Schiffers bei Anwesenheit eines F ü h r u n g s z w a n g s l o t s e n s. Anm. 17 zu § 737 HGB. Einem N i c h t - F ü h r u n g s l o t s e n darf grundsätzlich der Schiffer das Kommando nicht abgeben: der Lotse bleibt lediglich Ratgeber des Schiffers, er wird nicht Schiffsführer (vgl. z.B. § 27 Seelotsgesetz). Doch können hier Verkehrserfordernisse und Seemannsbrauch zu anderen Ergebnissen führen ( B o y e n s Bd. 1 S.314). Jedenfalls ist ein Anspruch des Lotsen auf Gehorsam nur ein abgeleiteter und kann ihm vom Schiffer jederzeit entzogen werden ( W a g n e r H B 350; M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 563). b) Sorge für die ihm anvertrauten Rechtsgüter. E s kommt in Betracht die Fürsorge für Leben und Sicherheit der Mannschaft sowie der sonst an Bord befindlichen Personen, insbe sondere der Passagiere, und diejenige für das an Schiff und Ladung bestehende Eigentum: wo beide Pflichten zueinander in Gegensatz treten, geht die erstere vor (OSA Bd. 3, S. 572). Die Fürsorge für die Mannschaft ergibt sich aus den Bestimmungen des SeemG (insbesondere §§ 39ff. und 80ff.), diejenige für Schiff und Ladung aus den Bestimmungen über die gesetzliche Vollmacht des Schiffers (§§ 527ff., 535 HGB) und seine Tätigkeit bei Ausführung des Frachtvertrages (unten Anm. 5 und 6). Die Sicherheit der übrigen Ladung geht den Interessen gefährlicher Güter, die der Kapitän in dringenden Fällen über Bord werfen darf, vor (§§ 564 Abs. 5, 564a, 564b H G B ; siehe für die Habe der Schiffsbesatzung die Sonderregelung in § 111 SeemG). Geraten die Belange von Reeder und Ladungsbeteiligten in einen Gegensatz, so sind sie im Sinne eines Ausgleichs gegeneinander abzuwägen. Bei annähernder Gleichwertigleit der Belange des Reeders haben für den Kapitän diejenigen seines Reeders den Vorrang (RGZ 89, 329; 169, 261; W ü s t e n d ö r f e r S H R 190).

Anm. 4

c) Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen gegen den Reeder. E r hat die Grenzen seiner Vollmacht innezuhalten, den Anweisungen des Reeders Folge zu leisten (s. aber oben Anm. 1), denselben auf dem Laufenden zu halten und um Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, ihm Rechnung zu legen (§ 534 HGB).

Anm. 5

d) Rechtsgeschäftliche und gerichtliche Vertretung des Reeders. Innerhalb seiner gesetzliehen bzw. vertragsmäßigen Vollmacht hat er den Reeder zu vertreten, dessen Interessen wahrzunehmen (z.B. durch die Einwirkung auf die Aufnahme zweckdienlicher Klauseln in Frachtverträge und Konnossemente: HansOLG HansGZ 1902, 296) und zu verhüten, daß dieser den Ansprüchen Dritter ausgesetzt wird ( B e i s p i e l e von Verschulden auf diesem Gebiete : Nichtmitnahme der zur Verschiffung angenommenen Ladung (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 86), falsche Datierung des Konnossements (HG und OG Hamburg HansGZ 1877 Nr. 195; R O H G 23, 195ff.; LG und HansOLG HansGZ 1880 Nr. 77; RGZ 3 Nr. 31), falsche Deklaration von Ladungsgütern bei der Zollbehörde (LG Hamburg HansGZ 880 Nr. 84), Auslieferung der Ladung an einen anderen als den legitimierten Empfänger (HansOLG HansGZ 1906 Nr. 50), eigenmächtige Beseitigung von Identitätszeichen der Ladung und Zollblombierungen (RG Hansa 1910 S. 290). Aus der Vertretung des Reeders ergeben sich e i g e n e V e r p f l i c h t u n g e n des K a p i t ä n s g e g e n ü b e r d e n j e n i g e n P e r s o n e n , m i t d e n e n e r in A u s ü b u n g s e i n e s B e r u f s in B e z i e h u n g e n t r i t t , so gegenüber den Ladungsbeteiligten (§§ 512, 535, 560, 567, 592, 594, 601, 632 HGB), Reisenden (§§ 512, 675 HGB), gewissen Gläubigern, denen Schiff oder Ladung haften (§§ 512, 692 bis 694, 731, 752 HGB), „jedem Beteiligten" (§ 728 HGB). In den meisten Fällen wird ihm auch in Vertretung deB

Anm. 6

10»

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§511

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Reeders und der Ladungsbeteiligten die Erfüllung der Verpflichtung des § 819 H G B (§ 41 ADS) gegenüber dem Versicherer obliegen. Anm. 7

e) Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen. Der Kapitän hat sich, bevor er die Führung eines unter der Plagge der Bundesrepublik fahrenden Schiffes übernimmt, davon zu überzeugen, daß das Recht zur Führung dieser Flagge und die Befugnis zur Ausübung desselben vorliegt (vgl. im einzelnen die Bestimmungen des FlaggRG, abgedruckt im dritten Teil drittes Kapitel Bd. I S . 330). Abgesehen von den unter den vorstehenden Kategorien bereits ausgeführten, auch hierher gehörigen Verpflichtungen ist zu nennen die Pflicht zur Tagebuchführung (§§ 519fi. HGB), zur Wahrnehmung gewisser dem Kapitän durch Spezialbestimmungen auferlegter Obliegenheiten, so insbesondere durch den Schiffssicherheitsvertrag London 1948 und seiner deutschen Durchführungsbestimmungen.

Anm. 8

3. Haftung f ü r die S o r g f a l t e i n e s o r d e n t l i c h e n S c h i f f e r s . Wenn der Kapitän in Ausführung seiner, sei es nautischen, sei es kommerziellen, sei es gesetzlichen, sei es vertragsmäßig festgelegten Dienstverrichtungen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers außer Acht läßt, so handelt er schuldhaft und haftet f ü r den durch sein Verschulden entstandenen Schaden. Vgl. aus der Binnenschiffahrt das Urteil des BGH ZfBch. 1960 S.22 zur Frage der groben Fahrlässigkeit des Schiffers, wenn ein Schiff infolge zu hoher Deckslast kentert. H a t der Kapitän bei der Erfüllung der in seine Zuständigkeit fallenden Tätigkeit einen Erfüllungsgehilfen zugezogen, so haftet er f ü r ihn gemäß § 278 BGB. Das gilt auch dort, wo die Arbeitsteilung im modernen Großbetrieb der Linienreedereien ihn in gewissem Umfange von der persönlichen Wahrnehmung seiner vielfältigen Pflichten entlastet hat, denn stets bleibt er f ü r die Oberaufsicht verantwortlich (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 189). Anders liegt es nur dann, wenn der Kapitän im Rahmen des Üblichen bestimmte Angelegenheiten anderen Personen oder gewissen Instituten zu weitgehend selbständiger Erledigung überlassen hat und das auch durfte. Dann haftet er nur f ü r eigenes Verschulden bei der Auswahl und Überwachung, z.B. soweit in diesem Rahmen dem Schiffsmakler Geschäfte überlassen sind, insbesondere hinsichtlich der kaufmännischen Tätigkeit des Kapitäns. In Betracht kommen vornehmlich solche Angelegenheiten, die in gewissem Umfange dem Kapitän von einer Klassifikationsanstalt, der See-Berufsgenossenschaft, dem Technischen Büro der Reederei sowie deren Decks- und Maschineninspektion hinsichtlich der Überwachung und Instandhaltung von Schiffskörper, Schiffsmaschinen und Zubehör abgenommen werden. Der Kapitän kommt in diesen Fällen seiner Sorgfaltspflicht in der Regel durch Heranziehung jener Sachverständigen, Befolgung ihrer Weisungen, Meldung von Anforderungen bei der Inspektion der Reederei, Nachprüfung des Beschafften in den Grenzen seiner Sachkunde nach ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 188).—Über Beschädigung der Ladung eines längsseits liegenden Leichters durch Lenzwasser siehe HansOLG HansRGZ 1931 B 179.

Anm. 9

a) Wem gegenüber haftet der Kapitän? Nach dem Wortlaut des § 511 könnte es scheinen, als wenn durch ihn jeder vom Schiffer in Ausübung seiner Dienstverrichtungen irgendwie geschädigten Person ein Ersatzanspruch gewährt werden sollte. A u s § 512 H G B e r g i b t sich indessen, d a ß das Gesetz n u r den d o r t g e n a n n t e n P e r s o n e n Schadense r s a t z a n s p r ü c h e g e b e n w i l l , d i e sie b i s h e r n o c h n i c h t h a t t e n (vgl. Prot. 1928, 2615, 2860, 3749, 3787ff.). E r s a t z b e r e c h t i g t s i n d a u ß e r d e m d i e j e n i g e n , w e l c h e n g e g e n ü b e r n a c h a n d e r w e i t i g e n R e c h t s g r u n d s ä t z e n der S c h i f f e r die d u r c h s e i n e n B e r u f g e b o t e n e S o r g f a l t zu b e a c h t e n h a t . Hiernach haftet der Schiffer: aa) Dem R e e d e r auf Grund des Anstellungsvertrages; bb) Den L a d u n g s b e t e i l i g t e n , soweit er von diesen auf Grund des gesetzlichen „auftragsähnlichen" Vertretungsverhältnisses (Anm. 6 zu § 535 HGB) in Anspruch genommen ist (also z.B. n i c h t auf Grund nautischer Mißgriffe: s. aber zu dd); cc) N a c h d e n D e l i k t s v o r s c h r i f t e n d e s b ü r g e r l i c h e n R e c h t s , insbesondere nach § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 (vgl. RGZ 73, 8), 831 Abs. 2 (als Schifferreeder und Schiffsmitreeder auch nach § 831 Abs. 1 BGB, der nicht durch § 485 H G B modifiziert ist) unter Umständen nach § 832 BGB.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§512

dd) A u c h ü b e r d i e s e V o r s c h r i f t e n h i n a u s den in § 512 H G B genannten Reiseinteressenten. Ferner nach § 752 H G B dem Berge- und Hilfslohngläubiger, nach § 728 H G B „jedem Beteiligten". b) Wie hattet er? P r i m ä r , wenn auch Reeder und Ladungsbeteiligter vielfach neben Anm. 10 ihm haften (vgl. z . B . §§ 485, 512 Abs. 3, 533, 695, 731 Abs. 2, 752 Abs. 3 ; 563 Abs. 1 u. 2, 693, 726 Abs. 2, 753 Abs. 2 HGB); ferner p e r s ö n l i c h , d.h. mit seinem ganzen Vermögen, wie das Gesetz vielfach (§§ 693, 694, 731 Abs. 1, 734 Abs. 3, 752 Abs. 1 HGB) überflüssigerweise und irreführend hinzufügt. Der Dritten gemäß § 485 H G B als Gesamtschuldner mithaftende Reeder haftet regelmäßig nur mit Schiff und Fracht (§ 486 HGB). Über die Haftung des Schifferreeders und Schiffermitreeders s. Anm. 33 ff. zu § 486. Vgl. auch Anm. 24 zu § 485 H G B und Anm. 4 zu § 512 HGB. c) Wie lange? Nach §§ 902, 904 H G B verjähren die n e b e n S c h i f f s - u n d L a d u n g s - Anm. 11 g l ä u b i g e r a n s p r ü c h e n s t e h e n d e n F o r d e r u n g e n g e g e n den S c h i f f e r in einem Jahr, nur wenn es sich um Entschädigungsforderungen aus dem Zusammenstoße von Schiffen oder aus einem unter § 738 H G B fallenden Ereignis handelt, in zwei Jahren (über die daneben für unerlaubte Handlungen in Frage kommende 30 jährige Verjährung des § 952 Abs. 1 B G B s. L . P e r e i s ZHR B d 5 7 S. 400). Die Verjährungsfristen beginnen mit dem Ablauf der in § 903 H G B aufgeführten Zeiten. Über das Verhältnis der Verjährung des persönlichen Anspruchs gegen den Schiffer zu derjenigen des Schiffs- bzw. Ladungsgläubigeranspruchs gilt das in Anm. 4 zu § 487 H G B Gesagte. — Für die Verjährung s o n s t i g e r F o r d e r u n g e n , z . B . solcher des Reeders aus dem Heuervertrage, gelten die gewöhnlichen Regeln. d) Was hat er zu ersetzen ? Der Umfang der Ersatzpflicht bestimmt sich nach allgemeinen Anm. 12 Regeln (§§ 249ff. BGB). Der Schiffer haftet also für den Schaden, der sich als adäquate Folge seines Verschuldens darstellt. e) Vertragsmäßiger Haftungsausschluß. Die Haftung des Schiffers kann durch Vertrag Anm. 13 mit ihm im Rahman des § 276 Abs. 2 B G B ausgeschlossen werden. Ein Ausschluß der eigenen Haftung des Kapitäns durch den Verfrachter im Frachtvertrag oder im Konnossement ist ein Vertrag zugunsten des Kapitäns und gibt diesem eine entsprechende Einrede, führt aber nicht ohne weiteres zum Erlöschen der Ansprüche nach §§ 511, 512. Doch betrifft die Freizeichnung durch Reeder oder Verfrachter vielfach nur ihre eigene Haftung für den Kapitän, nicht die diesen selbst treffende. Siehe Anm. 24 zu § 485 H G B ; vgl. auch Gerichtshof Genua Revue Autran 1913 S. 31. Anm. 14

f) Beweislast. aa) S o w e i t d e m S c h i f f e r e i n e R e c h t f e r t i g u n g s p f l i c h t o b l i e g t , also in den Fällen a, aa und bb, hat er die Anwendimg der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers zu beweisen ( B r a n d i s Bd. 1 S. 48 u. 57; anders HansOLG HansGZ 1890, 217; 1901, 221). bb) I n den ü b r i g e n F ä l l e n (a, cc und dd) muß i h m die Außerachtlassung der Sorgfalt nachgewiesen werden. Anders für § 512 S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu §512 unter Bezugnahme auf RGZ 20, 269; sowie hier W ü s t e n d ö r f e r S H R 193. R e g e l m ä ß i g ist ihm der K a u s a l z u s a m m e n h a n g zwischen seiner Pflichtverletzung und der Schädigung zu beweisen: eine Rechtsvermutung dafür gibt es nicht (RGZ 8, 168), wenn auch tatsächliche Vermutungen für ihn sprechen können (vgl. Anm. 17 zu § 485). § 512 Diese Haftung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Reeder, sondern auch gegenüber dem Befrachter, Ablader und Ladungsempfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung und demjenigen Schiffsgläubiger, dessen Forderung aus einem Kreditgeschäfte (§ 5 2 8 ) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger. Der Schiffer wird dadurch, daß er auf Anweisung des Reeders gehandelt hat, den übrigen vorgenannten Personen gegenüber von der Haftung nicht befreit. Durch eine solche Anweisung wird auch der Reeder persönlich verpflichtet, wenn er bei der Erteilung der Anweisung von dem Sachverhältnis unterrichtet war.

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§512

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Einleitg.

Der Paragraph nennt die Personen, denen der Schitier über den Bereich sonstiger Vorschriften hinaus für die Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers direkt haften soll. Er regelt ferner den Fall, daß die schadenstiftende Handlung oder Unterlassung auf Anweisung des Reeders beruhte. Dem Reeder steht der Ausrüster des § 510 HGB gleich.

Anm. 1

1. (Abs. 1). Die sogenannten Reiseinteressenten (Wagner H B 368). Durch seine Berufstätigkeit kommt der Schiffer mit sehr vielen Personen in Berührung, mit denen er regelmäßig nicht in eigenem Namen, sondern als Vertreter des Reeders namens des letzteren in rechtliche Beziehungen tritt. Begeht er im Verlaufe derselben, insbesondere also bei Abschluß oder Erfüllung von Rechtsgeschäften, ein Verschulden, so muß der von ihm Vertretene dasselbe gegen sich gelten lassen, und regelmäßig hat nur er dafür aufzukommen. Um nun die Lage der Geschädigten, denen der Reeder ja in der Regel nur mit Schiff und Fracht haftet (§ 486 HGB), zu verbessern und zugleich den Schiffer durch die Gefahr der Selbsthaftung zur Anwendung größter Sorfalt anzuspornen, gibt das Gesetz gewissen Personen einen d i r e k t e n A n s p r u c h gegen den Schiffer, zwar nicht auf Erfüllung — deshalb zu allgemein RG Recht 1909 Nr. 1115, „der Schiffer sei in der Regel wie ein Mitkontrahent zu behandeln" —, aber auf Ersatz derjenigen Schäden, die er ihnen in Ausführung seiner Dienstverrichtung unter Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, also durch Verletzung der Vertragspflichten des R e e d e r s , dessen Erfüllungsgehilfe er ist, zugefügt hat. Die Haftung gegenüber diesen Personen tritt ein auf Grund von s c h u l d h a f t e n S c h a d e n s z u f ü g u n g e n im w e i t e s t e n S i n n e , sie geht also über die sich aus sonstigen Rechtsvorschriften ergebende außerkontraktliche Haftung hinaus. Denn die Worte des Gesetzes: „Diese Haftung besteht n i c h t nur g e g e n ü b e r dem R e e d e r , sondern auch . . . " besagen, daß sie ebenso weit geht wie die kontraktliche Haftung des Schiffers gegenüber dem Reeder (und dem Ausrüster). Selbstverständlich will der Paragraph nicht sagen, daß der Schiffer nur den in ihm genannten Personen wegen Sorgfaltsverletzungen außerkontraktlich hafte (RGZ 10, 20); s. o. Anm. 9 zu § 511. Doch kann gegenüber anderen Personen eine Haftung nur aus allgemeinen Rechtsvorschriften begründet werden, insbesondere aus §§ 823 ff. BGB, so etwa den Reisebeteiligten eines Schiffes, mit dem schuldhaft kollidiert wurde. Vgl. auch W ü s t e n d ö r fer SHR 193. Vgl. wegen der Beweislast in einem solchen Falle Anm. 14 zu § 511 HGB.

Anm. 2

Die Reiseinteressenten sind: a) der B e f r a c h t e r , diejenige Person, die mit dem Reeder, Ausrüster oder Unterverfrachter den Frachtvertrag (Chartervertrag, Stückgütervertrag) abgeschlossen hat; nicht der Schiffsmieter, und zwar auch dann nicht, wenn er nicht Ausrüster ist (ist er Ausrüster, so steht er dem Reeder gleich und gehört deshalb nicht unter die Rubrik des Befrachters). Dem Befrachter ist auch nicht gleichzustellen derjenige, der ohne Kenntnis des Kapitäns Güter an Bord gebracht hat, wenn der Kapitän die Güter an Bord behalten hat ( so S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 512). Zwar gewährt § 564a in einem solchen Falle hinsichtlich der Fracht Ansprüche wie bei einem bestehenden Frachtvertrag. Doch ist das nur eine Bestimmung zugunsten des Verfrachters. Würde man demjenigen, der heimlich Güter an Bord bringt, noch die Rechte gegen den Kapitän aus § 512 geben wollen, so wäre das gleichsam noch eine Belohnung für die Heimlichkeit. b) der A b l a d e r , derjenige, der die zu transportierenden Güter zum Seetransport übergibt; c) der L a d u n g s e m p f ä n g e r (vgl. dazu auch S c h a p s ZHR Bd. 42 S. 411ff.); d) der R e i s e n d e (§§ 664ff. HGB); e) die S c h i f f s b e s a t z u n g (§ 481 HGB; vgl. dazu auch P a p p e n h e i m H B 2 S. 429 Anm. 3); f) Gewisse S c h i f f s g l ä u b i g e r , die das Gesetz bevorzugen wollte, nämlich diejenigen, deren Forderung aus Kreditgeschäften des § 528 HGB, wozu auch die Verbodmung gehört, entstanden ist. Analoge Ausdehnung auf andere Schiffsgläubiger ist unstatthaft (Prot. 2860, 3748ff.; W a g n e r H B 368 Note 2; W ü s t e n d ö r f e r SHR 192; BGH Hansa 1955 S. 1866), wie überhaupt die Ausdehnung der in § 512 genannten Personen (RGZ 10, 19). 150

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§513

2. Handlungen des Schiffers auf Anweisung des Reeders. Beruht die Handlung oder Unterlassung des Schiffers, welohe die schädigende Wirkung gehabt hat, auf einer Anweisung des Reeders, so a) b e s e i t i g t d i e s D r i t t e n g e g e n ü b e r n i c h t d i e H a f t u n g d e s S c h i f f e r s (anders § 7 Abs. 2 Satz 1 BSchG). Denn letzterer ist selbst Sachverständiger und hat die Folgen seines Tuns zu ermessen, er kann sich mit der Autorität seines Reeders nicht decken, weil er sich von letzterem zur Begehung von Rechtsverletzungen nicht veranlassen lassen darf. Dem R e e d e r g e g e n ü b e r fällt dagegen durch die Anweisung die Haftung des Schiffes hinweg, es müßte denn sein, daß der Schiffer, der im Gegensatz zum Reeder den schädigenden Charakter der ihm befohlenen Handlung oder Unterlassung kennt, die Anweisung zu einer vorsätzlichen Schädigung des Reeders mißbraucht, oder auch nur voraussehen mußte, daß der Reeder bei Befolgung der Anweisung geschädigt werden würde. Eine Haftung gegenüber dem Reeder kann auch entfallen, weil dem Reeder der Mangel an Erfahrung des Kapitäns bekannt war. Der Reeder würde unter Umständen dann gegen Treu und Glauben handeln, wenn er gegen den Kapitän aus § 512 vorgehen würde. Vgl. RGZ 119, 297. b) f ü h r t d i e s u n t e r U m s t ä n d e n , nämlich wenn der Reeder von dem Sachverhältnis unterrichtet war (ein Verschulden des Reeders wird dann ohne weiteres angenommen, schon weil er nicht eingegriffen hat) d i e p e r s ö n l i c h e H a f t u n g d e s R e e d e r s h e r b e i , so daß dieser alsdann (gesamtschuldnerisch mit dem Kapitän) dinglich-persönlich haftet. Besteht eine Reederei, so hat gleiche Wirkung eine Anweisung der Mehrheit oder des Korrespondentreeders; die persönliche Haftung der Mitreeder regelt sich nach § 507 HGB. 3. De lege ferenda ist eine Abschwächung der Haftung des Kapitäns namentlich bei nautischem Versehen, zu fordern. Vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 194 (siehe auch L i n d e n m a i e r , Jahrbuch der Akademie f ü r Deutsches Recht 1939/40 S. 123). Eine Angleichung des Seerechts an die Tendenz des Luftrechts, die Besatzung nicht höher haften zu lassen als den Unternehmer selbst, ist wünschenswert. Die Tendenz zeigt sich bereits in Art. 6 des Brüsseler Übereinkommens über die beschränkte Reederhaftung von 1957, ferner auch in dem Entwurf des Haftungsabkommens f ü r die Passagierbeförderimg. Siehe f ü r das Luftrecht z.B. Art. 25 A des Haager Protokolls zur Ergänzimg des Warschauer Abkommens. Vgl. A b r a h a m , Die Haftung des Reeders, vornehmlich auch im Vergleich mit der Regelung f ü r andere Verkehrsmittel (Heft 5 der Schriften des Deutschen Vereins f ü r Internationales Seerecht, 1958 S. 21).

Anm. 3

Anm. 4

§513 Der Schiffer hat vor dem Antritte der Reise dafür zu sorgen, daß das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und verproviantiert ist und daß die zum Ausweise für Schiff, Besatzung und Ladung erforderlichen Papiere an Bord sind. Vorbemerkung zu §§ 513ff. Dieselben illustrieren die nach § 511 dem Schiffer obliegende Einleltg. Sorgfalt durch Aufzählung gewisser ihm auferlegter Verbindlichkeiten. Hervorzuheben ist, daß der Schiffer n i c h t f ü r den vom Gesetz erstrebten E r f o l g haftet, sondern nur f ü r Anw e n d u n g der S o r g f a l t eines o r d e n t l i c h e n Schiffers b e h u f s E r s t r e b u n g des E r f o l g e s (vgl. ROHG 19, 264ff.; HansOLG HansGZ 1896 Nr. 92). In den §§ 513 und 514 werden die Pflichten des Schiffers vor Antritt der Heise behandelt. Die durch sie geschaffene g e s e t z l i c h e K o n t r o l l p f l i c h t des Schiffers hinsichtlich gewisser Vorbereitungsakte f ü r die Seereise läßt unberührt die Ansprüche, die sich in bezug auf dieselben Verfrachtungsakte auf Grund des Frachtvertrages gegen den Verfrachter richten. Vgl. dazu § 559 HGB. § 513 betrifft die Sorge für die Seetüchtigkeit, Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung des Schiffes und die Schiffspapiere. I. Der Paragraph schreibt dem Schiffer die Sorge f ü r die darin erwähnten Tatsachen vor (während § 8 Abs. 1 BSchG nur sagt, daß der Schiffer „darauf zu sehen" hat). Damit scheint im Widerspruch die Vorschrift des § 526 HGB zu stehen, nach welcher Rechtsgeschäfte des Schiffers, eingegangen, während sich das Schiff im Heimathafen befindet, abgesehen von der 151

Anm. 1

§512

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Annahme der Schiffsmannschaft in der Regel f ü r den Reeder nicht verbindlich sind, so daß, wenn die Reise vom Heimathafen aus angetreten wird, die gesetzliche Vollmacht des Schiffers zur Durchführung seiner Pflicht nicht genügte. Der Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer. Zwar h a t der Schiffer, wenn er die Seetüchtigkeit, Ausrüstung usw. des Schiffes nicht f ü r genügend hält, zunächst nur bei dem Reeder auf Abstellung der Mängel hinzuwirken. Gelingt ihm dies aber aus irgendeinem Grunde nicht, so h a t er entweder die Führung des Schiffes abzulehnen (OSA Bd. 3 S. 422; Bd. 8 S. 688) oder er ist — die objektive Notwendigkeit der von ihm beantragten Anschaffungen vorausgesetzt — berechtigt, ohne, ja selbst gegen den Willen des Reeders als Geschäftsführer desselben aufzutreten, weil es sich u m Pflichten des Reeders handelt, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt (§ 679 BGB). Zu dieser Geschäftsführung, welche auch ohne nachträgliche Genehmigung einen „besonderen Verpflichtungsgrund" im Sinne von § 526 bildet, ist der Schiffer nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet: wenn er sich bei der Nichterklärung oder Weigerung des Reeders beruhigt und ohne gehörige Ausrüstung usw. in See geht, so handelt er schuldhaft und h a f t e t demgemäß unter Umständen dem Reeder selbst (Anm. 3 zu § 512). Die V e r p f l i c h t u n g e n des P a r a g r a p h e n t r e f f e n ü b r i g e n s den S c h i f f e r pers ö n l i c h : er ist auch dann verantwortlich, wenn er etwa durch zwingende Gründe genötigt ist, sich vor der Abreise vom Ort des Reiseantritts zu entfernen und sich vertreten zu lassen (OSA Bd. 8 S. 246, vgl. S. 596). Nur in den Fällen des § 2 Abs. 3 SeemG. oder denen des § 516 Abs. 2 H G B gehen die Verpflichtungen auf den Ersten Offizier des Decksdienstes oder den neuen Kapitän über. Die Tatsache, daß der Kapitän in der Praxis des modernen Schiffsbetriebs von der persönlichen Wahrnehmung der Sorgepflichten des § 513 vielfach durch die Schiffsoffiziere oder auch die Inspektoren seiner Reederei entlastet wird, seine Tätigkeit also vielfach zu seiner Oberaufsicht und Kontrollpflicht geworden ist, berührt seine H a f t u n g nach § 513 nicht. Vgl. auch Anm. 8 zu § 511 HGB. Anm. 2

Anm. 3

I I . Die einzelnen Verpflichtungen des Paragraphen. 1. Sorge für die Seetüchtigkeit. a) Seetüchtigkeit (Seefähigkeit) eines Schiffes i m e n g e r e n S i n n e ist s e i n e F ä h i g k e i t , die See zu h a l t e n u n d die G e f a h r e n d e r S e e s c h i f f a h r t , s o w e i t sie n i c h t g a n z a u ß e r g e w ö h n l i c h e r A r t s i n d , z u ü b e r s t e h e n ( W ü s t e n d ö r f e r S H R 238). Das Schiff muß so beschaffen sein, daß es instande ist, bei Eintritt jener Gefahren von sich und von der Ladung ungewöhnlichen Schaden fernzuhalten; der Ausschluß jeder noch so entfernt liegenden Gefährdungsmöglichkeit kann natürlich nicht gefordert werden (HansOLG HansGZ 1906, 295). Zuviel verlangt die Definition von P a p p e n h e i m H B 2 S. 49, der das HansOLG HansGZ 1910, 137 beitritt („ein Zustand, der das Schiff befähigt, den Einwirkungen der See erfolgreich Widerstand zu leisten"), weil sie auch Widerstandfähigkeit gegen g a n z a u ß e r g e w ö h n l i c h e Gefahren fordert. Auch die von RGZ 67, 302 übernommene Definition von W i t t m a a c k Z H R Bd. 53 S. 348, das Schiff müsse imstande sein, „die beabsichtigte Reise ohne einen durch unmittelbare Einwirkung der See oder des Seewassers auf Schiff oder Ladung entstehenden ungewöhnlichen Schaden an Schiff oder Ladung auszuf ü h r e n " , berücksichtigt den Fall der ganz außergewöhnlichen Gefahren nicht. Dagegen betont diesen Gesichtspunkt zutreffend das HansOLG HansGZ 1906, 295ff., auch HansGZ 1906, 226 = OLGRechtspr. 14,385 („nicht anormale Seegefahren"). Zu eng sind andererseits die Definitionen, nach denen es genügen soll, daß das Schiff die g e w ö h n l i c h e n Gefahren der Seefahrt zu überwinden imstande sei (so z. B. W ü s t e n d ö r f e r Studien Bd. 1 S. 466 — a n d e r s ders. S H R 238 (s. oben) — und RGZ 70, 96). Man unterscheidet u n b e s c h r ä n k t e und b e s c h r ä n k t e S e e t ü c h t i g k e i t i m e n g e r e n S i n n e , je nachdem das Schiff f ü r jede oder nur f ü r bestimmte Kategorien von Reisen, z. B. nur f ü r Reisen in kleiner F a h r t oder nur f ü r Reisen bei gutem Wetter (OSA Bd. 7 S.204) oder f ü r solche unter Ausschluß gewisser Arten von Ladung (RG LZ 1912, 242) taugt, und man unterscheidet weiter a b s o l u t e und r e l a t i v e Seetüchtigkeit, je nachdem das Schiff unter allen Umständen oder in Bezug auf die gerade bevorstehende Reise dem Erfordernisse der Seefähigkeit entspricht. I m allgemeinen hat der Schiffer nur f ü r relative, nicht f ü r absolute Seetüchtigkeit zu sorgen. b) Dieser Begriff der Seetüchtigkeit im engeren Sinne, der lediglich durch die Haltbarkeit und Brauchbarkeit der zu einem Ganzen verbundenen Schiffsteile (Anm. 2 zu § 478 HGB) also

152

Zweites Kapitel. Viertes Buch de3 HGB

§513

des Schiffskörpers ( W ü s t e n d ö r f e r Studien Bd. 1 S. 469ff.; HansOLG HansGZ 1883, 295; auch LG Hamburg HansGZ 1915, 170; vgl. M i t t e l s t e i n H B 79) bedingt ist, erfährt eine Ausweitung durch den der Seetüchtigkeit im weiteren Sinne. Dieser umfaßt außer der Tüchtigkeit des Schiffskörpers auch noch die Reisetüchtigkeit des Schiffes. Vgl. außer § 513 noch § 559 Abs. 1 HGB. Siehe RGZ 120, 44. Doch handelt es sich hierbei weitgehend um Formulierungsfragen, denn sicher ist, daß der Kapitän gemäß § 513 außer f ü r die Seetüchtigkeit im engeren Sinne auch f ü r die Reisetüchtigkeit haftet. Siehe auch S t u r m , Die Sorge f ü r die Seetüchtigkeit der Handelsschiffe, HansRGZ 1931 A 384; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 513 H G B ; Deutsches Seeschiedsgericht HansRGZ 1939 B 151. Reisetüchtig ist das Schiff, wenn es nicht nur seetüchtig im engeren Sinne ist, sondern dazu gehörig eingerichtet, ausgerüstet, bemannt, verproviantiert, ordnungsgemäß gestaut, richtig beladen ist, wenn seine Gerätschaften zum Laden und Löschen tüchtig sind und wenn der nötige Ballast und die erforderliche Garnierung vorhanden sind. I n der Rechtsprechung finden sich zahlreiche Fälle von Reiseuntüchtigkeit in diesem Sinne, z.B. Ausrüstung mit nur einem Anker s t a t t der vorgeschriebenen zwei (HansRGZ 1939 B Nr. 93), Fehlen von Längsschotten bei loser Getreideladung (HansGZ 1913 Nr. 39 und HansOLG Hamburg Hansa 1957 S. 357), unzureichender Vorrat an Bunkerkohlen (HansRGZ 1933 B Nr. 186), ungenügende Bemannung (RGZ 84, 384; HansOLG HansRZ 1925 Nr. 262), Einbuße an Stabilität (BGHZ 27, 79 = Hansa 1958 S. 1377; RGZ 70, 96), durch übergroße Holzladung (HansRZ 1926 Nr. 137), durch falsche Stauung der Decksladung (HansRGZ 1940 B Nr. 156), durch übergroße und falsche Verteilung der Decksladung (Deutsches Seeschiedsgericht HansRGZ 1939 B 151), mangelhafte Garnierung (RGZ 120, 44f.), Fehlen der zur Navigation erforderlichen Instrumente, Bücher und K a r t e n (RGZ 25, 106; HansOLG HansGZ 1912, 111; 1913, 160; R G D J Z 1914, 629 = Recht 1914Nr. 820), defekten Maschinentelegraphen BOSA Hansa 1952 S. 379). c) Mängel der speziellen LadungstUehtigkeit fallen regelmäßig nicht unter § 513. Das ist ein Unterschied in der Formulierung gegenüber § 559 HGB. S p e z i e l l e L a d u n g s t ü c h t i g k e i t (englisch "fitness") ist die Geeignetheit des Schiffes zur Unversehrterhaltung der konkreten Ladung im Hinblick auf andere Transportgefahren als Seegefahren ( W ü s t e n d ö r f e r Studien Bd. 1 S. 468; vgl. S i e v e k i n g 37). Ladeuntüchtig kann ein Schiff sein, etwa weil es die erforderlichen Spezialeinrichtungen nicht h a t (z.B. Gefriervorrichtungen f ü r frisches Fleisch; Ventilationseinrichtungen f ü r gewisse empfindliche vegetabilische Ladung: HansOLG HansGZ 1914 Nr. 111; diebessichere Räume f ü r Edelmetalle: W i t t m a a c k Z H R Bd. 53 S. 342; Vorrichtungen zur Anbringung von Deckslasten: HansOLG HansGZ 1914 Nr. 1; Einrichtungen zum Transport lebenden Viehs: Gerichtshof Genua, Diritto Marittimo 1913, S. 30 ff.); weil es verschmutzt ist (HansOLG HansGZ 1885, 66 = SeuffA Bd. 40 S. 333; HansGZ 1894, 256) oder Reste früherer Ladung enthält (HansOLG HansGZ 1903, 94; HansGZ 1906, 266 = OLGRechtspr. 14, 385; R G J W 1932 S. 744) oder mit von früherer Ladung herrührenden Gerüchen behaftet ist (HansOLG HansGZ 1897 Nr. 87; 1912, 111 = Hansa 1912, S. 218), die schädlich auf die neue Ladung einwirken müssen, oder weil seine verschiedenen Laderäume so ungenügend getrennt sind, daß sich Gerüche oder sonstige schädliche Eigenschaften der einen Ware der übrigen Ladung mitteilen müssen (HansOLG HansGZ 1900, 298 = OLGRechtspr. 1,442; HansGZ 1905,188; Admiralty Division ZVersWiss. Bd. 12 S.1280; vgl. Hansa 1951 S. 996); Fehlen ordnungsmäßiger Ventile an Ölpumpen bei einem Tanker (Schiedsgutachten HansRGZ 1941 B Nr. 59); Fehlen der Garnierung (RGZ 120, 44; siehe Hansa 1955 S. 1709). Der Schiffer h a t f ü r die spezielle Ladungstüchtigkeit nur insofern zu sorgen, als er die gehörige Reinigung des Schiffes zu veranlassen und außerhalb des Heimatshafens die evtl. erforderlichen Spezialeinrichtungen, soweit sie verständigermaßen beansprucht werden können, herstellen zu lassen h a t : im Heimathafen kann er nur auf ihre Herstellung hinwirken (s. oben Anm. 1). d) Als Ursache der Seeuntttchtigkeit sind u. a. in der Praxis angesehen worden: hohes Alter des Schiffes (OSA Bd. 1 S. 673; Bd. 2 S. 39, 442, 613, 789; Bd. 3 S. 340, 734; Bd. 4 S. 646; Bd. 6 S. 141, 315; aber nicht unbedingt OSA Bd. 7 S. 653; Bd. 8 S. 193), ungeeignete Bauart (OSA Bd. 2 S. 499, 698; Bd. 3 S. 422; Bd. 8 S. 689; Bd. 10 S. 72; RGZ 70, 96: mangelnde Stabilität); schlechter Zustand der Außenhaut (OSA Bd. 5 S. 298, 327), der Pumpen (OSA 153

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

§513

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Bd. 6 S. 96), eines Tankfüllrohrs (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 26), Vorhandensein fehlerhafter, Feuersgefahr begründender Anlagen (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 95; RG HansGZ 1894 Nr. 51), fehlerhafte Anbringung oder mangelhafte Anlage von Pumpen (LG Hamburg HansGZ 1916, 62), Schadhaftigkeit eines Wassertanks (HansOLG HansGZ 1898 Nr. 95; 1907 Nr. 126), eines Abflußrohrs (HansOLG HansGZ 1916, 84 = LZ 1916, 705 = SeufiA Bd. 71 S. 203); Undichtigkeit der eisernen Verbände des Quarterdecks (HansOLG 1899 Nr. 49), starke Durchbiegung des Kielschweins (HansOLG HansGZ 1891 HansGZ 1891 Nr. 107), Undichtigkeit eines Kohlenschachts (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 13), nicht schließendes Ventileines Klosettrohrs (HansOLG HansGZ 1907 Nr. 35; RGZ 67 Nr. 75), ordnungswidrige Öffnungen der Schiflswand (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 53 = OLGRechtspr. 22, 61), ungenügende Verschließbarkeit der Luken (HansOLG HansGZ 1914, 7; s. aber 1914, 161), ungenügende Stärke der Lukendeckel (HansOLG HansGZ 1914, 58), mangelnde Wasserdiehtigkeit des Decks (HansOLG HansGZ 1902 Nr. 65); Lockerung der Muffe einer Deckswasserleitung (LG Bremen Hansa 1951 S. 996), lecke Nieten (vgl. HansOLG 1935 B 299), Schäden an der Außenhaut und an den Pumpen (RGZ 67, 300), unklare Kommandoelemente (BOSA Hansa 1952 S. 379; SA Bremerhaven Hansa 1952 S. 239; SA Hamburg Hansa 1952 S. 267), Bruch und Beschädigung mehrerer Zähne des Quadranten der Ruderanlage (HansOLG HansRGZ 1932 B 575), fehlende Eisverstärkung und Scheinwerferanlage (HansOLG HansRGZ 1941 B 120); Mängel an der Motorenanlage (OLG Hamburg bei S a s s e , Deutsche Seeversicherung S. 442), nicht ordnungsmäßiger Verschluß der Trimmluken (HansOLG HansRGZ 1931 B 331), der Ladepforten (RG HansRGZ 1929 B 790), Verschmutzung des Brennstofftanks (HansOLG HansGZ 1927 Nr. 7 = HansRZ 1927, 179). Dagegen wurde keine Seeuntfichtigkeit gesehen in einer geringen Schlagseite des Schiffes in beladenem Zustande (OSA Bd. 2 S. 919; HansOLG HansGZ 1909, 225), kleinen Mängeln an der Steuerung (OSA Bd. 6 S. 93), Absplitterungen am Lukendeckel (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 46), ungenügender Beschaffenheit der Ventile eines Ballasttanks (RG HansGZ 1886 Nr.6), zu tiefer Lage der unteren Kohlenpforten (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 100; RG HansGZ 1911, 133 = Hansa 1911 S. 159); nicht unbedingt im Vorhandensein eines Lecks (OSA Bd. 1 S. 209,211,641,652; Bd. 6 S. 721; s. aber HansOLG HansGZ 1910,137 = OLG Rechtspr. 22, 61; W i t t m a a c k ZHR Bd. 53, 343). Vgl. wegen des Untergangs des Segelschulschiffes „Pamir" BOSA, BOSAE Bd. V Heft 1—5. Vgl. auch BOSA BOSAE Bd. IV Heft 3 S. 222 (Kentern des Schleppers „Blexen"). Anm. 7

e) Ob und inwieweit im Einzelfalle tatsächlich Seetüchtigkeit vorliegt (aber nicht nur ein Zweifel über die Umgrenzung des R e c h t s b e g r i f f s der Seetüchtigkeit: HansOLG HansGZ 1913, 91) ist nach den Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Nicht unbedingt maßgebend, aber höchst beachtlich ist dabei die Beachtung der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen über die Schiffssicherheit, die der Unfallverhütungsvorschriften der SBG (Vorliegen eines Fahrterlaubnisscheins der SBG) und das Vorhandensein eines Klassifikationsattests einer anerkannten Klassifikationsgesellschaft. Die Innehaltung der diesbezüglichen Vorschriften oder das Vorhandensein der vorgesehenen Urkunden sind f ü r die Erbringung des Beweises von besonderer Bedeutung und begründen in vielen Fällen eine tatsächliche Vermutung f ü r das Bestehen der Seetüchtigkeit ( W ü s t e n d ö r f e r H B 192f.; d e r s . SHR 242; C a p e l l e , Frachtcharter 143; R i t t e r , Recht der Seeversicherung Bd. I I S. 776; HansOLG HansGZ 1913, 89; HansRZ 1925, 942; HansRGZ 1936 B 431 und 1941 B 305; RG J W 1937 S. 1920 (Leitsatz) und bei S a s s e , Deutsche Seeversicherung S. 55ff.; RG bei S a s s e a. a. O. S. 62; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 3 zu § 559 H G B (zu weitgehend S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 513 H G B : Die Seetüchtigkeit wird durch den Fahrterlaubnisschein der SBG nachgewiesen); ebenso die französische Auffassung f ü r die „certificates de visite" und die belgische f ü r die „permis de navigation" (vgl. Revue Dor Bd. 2 S. 245f.; S m e e s t e r s Bd. I S. 414, siehe auch franz. Kassationshof Hansa 1953 S. 301 f ü r das Klassenattest; siehe f ü r die Niederlande Art. 459 WvK). Entscheidend sind diese Urkunden und Bestimmungen allein aber jedenfalls nicht (vgl. auch RG J W 1957 S. 1920: sie haben keine weitergehende Bedeutung als die eines vom Gericht nach seinem Wert zu würdigenden Beweismittels; ebenso Schiedsspruch HansRGZ 1937, 377). Sie entbinden den Kapitän niemals davon, sich ein eigenes Bild über die Seetüchtigkeit des Schiffes zu verschaffen, seine Offiziere und die übrige Schiffsbesatzung anzuhalten, die Seetüchtigkeit im Rahmen ihrer Dienst154

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

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Obliegenheiten im Auge zu behalten und etwaigen Meldungen ihrerseits unverzüglich nachzugehen. Der Kapitän muß sich immer die Möglichkeit vor Augen halten, daß der SBG oder der Klassifikationsgesellschaft Mängel entgangen sein können. Es gehört auch zu den Aufgaben des Kapitäns bezüglich der Überwachung der Seetüchtigkeit, die Entscheidungen des Bundesoberseeamts und die der Seeämter sorgfältig zu verfolgen, um sich ein Bild zu machen, welche Anforderungen von diesen Stellen nach dem jeweiligen Stande der Technik gestellt werden. aa) Von den ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e S c h i f f s s i c h e r h e i t sind insbesondere die umfangreichen Bestimmungen des Schiffssicherheitsvertrags London 1948 und die auf ihm beruhenden Durchführungsbestimmung der Bundesrepublik Deutschland zu erwähnen. Siehe den Abdruck derselben im dritten Teil fünftes Kapitel (Bd. I S. 583 ff.). Vornehmlich kommt hier die SchifEssicherheitsverordnung vom 31. 5. 1955 (siehe den Abdruck Bd. I S. 745) in Betracht. Vgl. weiter die VO über die Einrichtung von Auswandererschiffen vom 21. 12. 1956 (siehe den Abdruck Bd. I S. 855), die VO über den Freibord der Kauffahrteischiffe vom 25. 12. 1932 (siehe den Abdruck Bd. I S. 977). Dagegen dient das SeemG der Regelung des seemännischen Arbeitsverhältnisses und bezweckt dazu in einzelnen Bestimmungen auch den Arbeitsschutz der Besatzungsmitglieder. Für die Schiffssicherheit ist es höchstens mittelbar von Bedeutung. Vgl. auch H e r s c h e l , Recht der Arbeit 1959 S. 250.

Anm. 8

bb) Über die See-Berufsgenossenschaft und die von ihr erlassenen UnfallverhütungsVorschriften siehe dritter Teil fünftes Kapitel I I I (Bd. I S. 866ff.). Die See-Berufsgenossenschaft ist der Träger der Sozialversicherung f ü r Seeleute und seemännische Angestellte. Gleichzeitig ist ihr in Zusammenhang hiermit auch die Kontrolle der Schiffssicherheit übertragen worden, namentlich in Ausführung des Schiffssicherheitsvertrages London 1948. Die Unfallverhütungsvorschriften sind die Grundlage f ü r die von der See-Berufsgenossenschaft in regelmäßigen Zeitabständen erfolgenden Schiffsbesichtigungen und den darauf zu erteilenden Fahrterlaubnisschein. Die Sehiffsbesichtigungen erfolgen erstmalig vor der Indienststellung und sodann auf Fahrgastschiffen jährlich, auf Fracht- und Fischereifahrzeugen alle zwei Jahre (jedoch die Funkanlage jährlich). In Betracht kommen außerdem außerordentliche Besichtigungen und unvermutete Kontrollen, ferner besondere Besichtigungen wegen des Freibords in zweijährlichen Abständen. Die UVV sind nicht unbedingt maßgebend bei der Prüfung der Frage, ob das Schiff seetüchtig ist. Sie geben jedoch wichtige Anhaltspunkte hierfür (vgl. HansOLG HansGZ 1913 Nr. 39). Zumal in konstruktiver Hinsicht braucht der Reeder regelmäßig keinen strengeren Anforderungen an das Schiff zu stellen als die SBG (vgl. HansOLG LZ 1912, 246).

Anm. 9

cc) Einen ähnlichen Anhalt, aber keinen sicheren Beweis (vgl. z.B. OSA Bd. 1 S. 420; Anm. 10 Bd. 4 S. 705; aber auch Bd. 2 S. 857) f ü r die Seetüchtigkeit eines Schiffes bietet die K l a s s i f i z i e r u n g desselben bei einem Klassifikationsinstitut. Dieses bescheinigt, indem es dem Schiff eine bestimmte Klasse erteilt und ein dementsprechendes Klassifikationsattest ausstellt, daß das Schiff zu einem bestimmten Zeitpunkt eine gewisse Güte und Leistungsfähigkeit besessen hat. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Anm. 13 zu § 11 SchRO (dritter Teil zweites Kapitel Bd. I S. 261). Die Klassifikation ist von Bedeutung nicht nur f ü r die Möglichkeit und Höhe eines Frachtverdienstes, sondern auch f ü r die Höhe der Versicherungsprämien (RGZ 13, 83). Wenn, wie in der Regel, die Klasse a u f b e s t i m m t e Z e i t erteilt wird, so bedeutet das natürlich nicht, daß das Schiff f ü r diese ganze Zeit die Eigenschaften behalten oder daß es sie nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr haben werde; vielmehr soll damit gesagt sein, daß das Schiff zur Zeit der Erteilung der Klasse so sei, daß, wenn es nicht durch Unfälle betroffen oder verwahrlost werden sollte, es nach Meinung des Instituts am Ende des Zeitraums dieselben Eigenschaften noch haben werde (ROHG 21, 162). Deshalb wird jedenfalls durch ein Attest erster Klasse in hohem Grade eine Vermutung f ü r die Seetüchtigkeit begründet (vgl. auch P a p p e n h e i m H B 2 S. 51). Innerhalb des genannten Zeitraums pflegt übrigens das Institut periodenweise zu kontrollieren, ob die Voraussetzungen der Klassifizierung noch da sind. Der Klassenbescheinigung kommt also keineswegs die Bedeutung einer Gewährleistung der Klassifikationsanstalt f ü r die Erhaltung der Klasse während der angegebenen Wiederbesichtigungsperiode zu. 155

§513

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Die A b l e h n u n g d e r K l a s s i f i k a t i o n läßt ebensowenig einen sicheren Schluß auf die Seeuntüchtigkeit des Schiffes zu, wenn sie auch im konkreten Fall eine tatsächliche Vermutung f ü r dieselbe zu begründen vermag (OSA Bd. 6 S. 710). — Über den V e r l u s t d e r K l a s s e bei Lloyds s. LG Hamburg HansGZ 1890, 75. — Dritten, welche durch ein unrichtig ausgestelltes Klassifikationszertifikat geschädigt worden sind, haftet das Institut mangels vertraglichen Bandes nur nach deliktischen Bestimmungen (§§ 823ff. BGB). Siehe dazu auch B o y e n s ZVersWiss. Bd. 1 S.110; HansOLG HansGZ 1907 Xr.15; RG HansGZ 1908 Nr.77. Vgl. ferner Hansa 1917 S.248ff. (Fall „ A j a n a " : Verneinung der H a f t u n g gegenüber der Reederei f ü r ein der Werft erteiltes Zertifikat). Anm. 11

f) Die Sorge ittr die Seetüchtigkeit seitens des Schiffers besteht in einer O r i e n t i e r u n g s p f l i c h t und evtl. einer A b s t e l l u n g s p f l i c h t . Die Orientierung hat sich auf die Feststellung zu richten, ob r e l a t i v e Seetüchtigkeit (oben Anm. 2) vorliegt (Prot. 3848). Bezüglich der Untersuchung des Schiffes und der einzelnen Teile darf der Schiffer, soweit seine eigene Sachkunde reicht, sich nicht auf die Atteste von Sachverständigen verlassen, sondern m u ß sie kontrollieren (s. oben Anm. 7). H a t er die erforderliche Sachkenntnis nicht — und m a n kann dieselbe nicht hinsichtlich sämtlicher Details, insbesondere der Maschine, beanspruchen —, dann bleibt nichts übrig als die Annahme, daß der K a p i t ä n seiner Sorgfaltspflicht durch die Heranziehung von Sachverständigen (auch Seeberufsgenossenschaft, das technische Büro der Reederei; Decks- und Maschineninspektion) und die Befolgung ihrer Anweisungen genügt hat. — I n gewissen Fällen kann die Untersuchungspflicht des Kapitäns wesentlich herabgemindert sein, z. B. wenn das Schiff, das er übernimmt, eben nach umfassender Reparatur von der Werft gekommen ist (OSA Bd. 9 S. 512; auch OLG Rostock MecklZ Bd. 28 S. 193; s. aber HansOLG HansGZ 1909 Nr. a. E.) oder wenn ein die Seetüchtigkeit dartuendes Klassiiikationszertifikat aus neuester Zeit vorliegt (oben Anm. 7). H a t der Kapitän Mängel gefunden, so h a t er f ü r deren Abstellung zu sorgen (oben Anm. 1).

Anm. 12

g) A n d i e S o r g f a l t d e s S c h i f f e r s f ü r d e n B e s t a n d d e r S e e t ü c h t i g k e i t v o r A n t r i t t d e r R e i s e s i n d b e s o n d e r s h o h e A n f o r d e r u n g n z u s t e l l e n . Für den Fortbestand der Seetüchtigkeit nach Antritt der Reise h a f t e t er nicht mehr nach Maßgabe der ihm in § 513 besonders auferlegten Verpflichtung, sondern nur im R a h m e n der ihm nach § 5 1 1 H G B allgemein obliegenden Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, der darüber zu wachen hat, daß die Seetüchtigkeit dem Schiffe erhalten bleibt und daß sie, falls gemindert, nach Möglichkeit wiederhergestellt wird (ROGH 25, 144; W i t t m a a c k Z H R Bd. 53 S. 362). I n soweit kann es auch f ü r die H a f t u n g des Schiffers von Bedeutung sein, ob anfängliche Seeuntüchtigkeit vorgelegen h a t oder ob diese im Verlaufe der Reise eingetreten ist, eine Frage, die ihre volle Bedeutung allerdings erst f ü r § 559 H G B verlangt.

Anm. 13

h) Rechtsprechung und Rechtslehre gehen mit der Anforderung an die anfängliche Seetüchtigkeit sehr weit. Ein kleiner Mangel kann genügen, die anfängliche Seeuntüchtigkeit zu bejahen, sofern er nur die wirkliche Ursache des Schadens ist. I s t das der Fall, so haftet der Schiffer aus § 513 (und der Verfrachter gemäß § 559 HGB), wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers nicht beachtet hat. Voraussetzung hierfür ist aber stets, daß auch tatsächlich Seeuntüchtigkeit vorgelegen hat. D a s k a n n z w e i f e l h a f t s e i n , w e n n der Mangel zwar vor der Abreise v o r h a n d e n ist, im r e g e l m ä ß i g e n S c h i f f s b e t r i e b a b e r m i t seiner b a l d i g e n E n t d e c k u n g u n d B e h e b u n g zu r e c h n e n ist. Dann muß bei der Frage nach dem Vorhandensein der Seetüchtigkeit davon ausgegangen werden, daß normalerweise von dem Schiff und seinen Einrichtungen während der Reise ein ordnungsmäßiger Gebrauch gemacht wird, z. B. daß bei Reiseantritt noch offene Schiffspforten, Luken und Bullaugen bei eintretendem Schlechtwetter geschlossen werden, eine ungünstige Trimmlage durch richtige Bedienung des Ballasttanks rechtzeitig beseitigt wird, zur Selbstentzündung neigende Bunkerkohlen gekühlt und auch sonst alle Schiffseinrichtungen richtig bedient werden. Stellt man das bei der Beurteilung der an die anfängliche Seeuntüchtigkeit zu stellenden Anforderungen in Rechnung, so kann die bloße Möglichkeit ordnungswidriger Schiffsbedienung während der Reise zur Feststellung einer anfänglichen Seeuntüchtigkeit nicht immer herangezogen werden. Unterblieb dann die gehörige Schiffsbedienung, so kann darin ein (für den Verfrachter haftungsfreies) Verschulden 156

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§513

in t h e management of the ship liegen. I s t jedoch eine gehörige Bedienung aus subjektiven oder objektiven Gründen unwahrscheinlich (wie in der Entscheidung des HansOLG HansRGZ 1931 B 371, wo Trimmluken vor Beginn der Reise nicht ordnungsmäßig verschlossen waren und auch während der Reise nicht geschlossen werden konnten, weil die Deckladung den Zugang zu ihnen versperrte), dann muß der gefahrdrohende Zustand zur Peststellung einer Seeuntüchtigkeit herangezogen werden. Diese Unwahrscheinlichkeit ist besonders dann anzunehmen, wenn der gefahrdrohende Zustand dem f ü r seine Beachtung verantwortlichen Mitgliede der Schiffsbesatzung unbekannt ist (so z.B., wenn bei Reiseantritt ein Seehahn nicht bewußt, sondern versehentlich offengelassen wurde) oder seine Beseitigung vor Eintritt der Gefahr wegen Vorliegens äußerer Hindernisse nicht oder wegen plötzlich auftretender Hindernisse nicht rechtzeitig zu erwarten ist. I m übrigen ist man sich heute darüber klar, daß bei anfänglicher Seeuntüchtigkeit auch „mismanagement of the ship" keinen Entlastungsgrund bildet. Dies deuten die Haager Regeln in ihrer englischen Fassung an, wenn sie zwar in Art. I I I 2, nicht aber in Art. I I I 1 einen Vorbehalt machen hinsichtlich Art. IV, wozu auch Art. I V 2 a gehört (vgl. H a n s R G 1933 B Sp. 447; W ü s t e n d ö r f e r S H R 241; s. auch RGZ 110, 224). Nach dieser Auffassung werden heute derartige Mängel ziemlich einheitlich in Schriftt u m und Rechtsprechung beurteilt. So insbesondere M ü l l e r , Seeuntüchtigkeit und Management of t h e ship, 1937 S. 49ff.; ferner: G r a m m , Das neue deutsche Seefrachtrecht nach den Haager Regeln, 1938, Anm. I 3 zu § 559; W ü s t e n d ö r f e r S H R 241; S c h l e g e l b e r g e r L i e s e c k e Anm. 16 zu § 559 H G B ; RGZ 67, 300; 85, 129; 110, 224; HansOLG HansGZ 1886, 18; 1914, 5; 1915, 276; HansRGZ 1931 B 371; LG Hamburg HansGZ 1915, 170. Siehe auch M ü l l e r HansRGZ 1937 A Sp. 390. Diese Ansicht wird von der anglo-amerikanischen Rechtslehre und Rechtsprechung nicht nur geteilt, sondern h a t von dort aus sogar ihren Ausgangsp u n k t genommen. Vgl. z.B. M a c l a c h l a n , A treatise on the law of Merchant Shipping, 7. Aufl. 1932, S. 332; G i l m o r e a n d B l a c k , The Law of Admiralty, S. 138; K n a u t h , On Ocean Bills of Lading, S. 196ff.; C a r v e r , Carriage of Goods b y Sea, 10. Aufl. von Colinvaux, 1957 S. 183. Einzelne Beispiele aus der Rechtsprechung: Ladungsschaden entstanden, weil der Verschlußkasten eines Klosettrohrs, worin sich die zur Abschliessung des Rohres gegen hereinschlagendes Seewasser bestimmte Ventilklappe befand (sog. Sturmventil), undicht gewesen war. Dieser Kasten war nach oben durch einen die Ventilklappe tragenden Deckel mit Dichtung verschlossen, der ordnungsgemäß durch zwei Schraubbolzen mit dem Kasten verbunden sein mußte. E t w a zwei Tage nach der Abreise stellte sich heraus, daß durch einen Ventilator Wasser aus dem Zwischendeck, wo sich der Verschlußkasten befand, in den Laderaum hinunterlief und sich dort schon in so großen Mengen angesammelt hatte, daß das Schiff dadurch Schlagseite nach Backbord erhielt. Bei näherer Untersuchung ergab sich, daß das Wasser aus dem Verschlußkasten einströmte, weil an dem Deckel der eine Bolzen fehlte und so der Deckel an der betreffenden Seite durch das von See eindringende Wasser gehoben wurde. Dieser Bolzen h a t entweder bei der Abreise schon gänzlich gefehlt, oder es h a t ein zu kleiner Bolzen, an dem zugleich die Schaubenmutter fehlte, in dem Gewinde gesteckt und ist dann vor der Untersuchung herausgefallen. Der Kapitän ließ den Schaden sofort ausbessern. Das Reichsgericht hat anfängliche Seeuntüchtigkeit angenommen, ohne indessen eine Abgrenzung zum management of the ship vorzunehmen (RGZ 67, 300). — Güter waren auf dem Wege von Südamerika nach Hamburg beschädigt worden, weil man in Buenos Aires über die Peilrohre Viehställe gebaut hatte, so daß es nicht möglich war, an die Peilrohre heranzukommen. So konnte die Schiffsleitung das Steigen des Wassers im Laderaum nicht bemerken und die darin befindliche wasserempfindliche Leinsaatladung vor Wasserbeschädigung schützen. Das Reichsgericht h a t Seeuntüchtigkeit angenommen (RGZ 110, 224). — Ein Dampfer wurde f ü r seeuntüchtig befunden, weil er die Reise mit offenen Trimmluken antrat, und diese auch während der Reise infolge darüber gestapelter Holzladung nicht geschlossen werden konnten (HansOLG HansRGZ 1931 B 371). — Der Dampfer „Blücher" h a t t e die Ausreise aus dem Hamburger Hafen nach Nordamerika angetreten, ohne daß die Metallblenden vor den Bullaugen geschlossen waren. Auch war eine Luke im Zwischendeck nicht verschalkt. Daher gelangte Seewasser an die Zwischendecksladung, als durch grobe See ein Bullauge eingeschlagen wurde. LG Hamburg nahm an, daß das Schiff seetüchtig gewesen sei. Es könne nicht aner-

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§513

Vierter Teil. Seehandelsrecht

kannt werden, daß zur Seetüchtigkeit gehöre, daß schon beim Verlassen des Hamburger Hafens die Metallblenden geschlossen gewesen wären. Es genüge, daß sie in ordnungsgemäßem Zustande vorhanden gewesen wären. Geschlossen zu werden brauchten sie erst in dem Augenblick, wo irgendeine Veranlassung dazu vorlag. Unterbleibe dann das Schließen der Blenden, so möge das auf ein Verschulden der Schiffsbesatzung während der Reise zurückzuführen sein. Dadurch werde aber nicht gehindert, daß das Schiff beim Antritt der Reise seetüchtig gewesen sei, besonders auch, weil das Verschalken der Luke jeden Augenblick möglich gewesen sei. Das HansOLG h a t das LG aus hier nicht interessierenden Gründen aufgehoben, f ü h r t aber in dem hier interessierenden Punkte einschränkend aus: „ . . . Dem Satz der landgerichtlichen Gründe, ein Schiff sei immer dann seetüchtig, wenn diejenigen Vorkehrungen vorhanden seien, die bei bestimmungsgemäßer Benutzung die Gefahren der See abzuwenden vermögen, ist freilich nicht unbedingt zuzustimmen" (HansOLG HansGZ 1915, 170). — Als Test-Case wird im englischen Recht vielfach die Entscheidung „The Schwan" (1909) angesehen. Dort war der Schaden durch einen Dreiwegehahn verursacht, durch den Wasser entweder in die Bilge oder in die See geleitet werden konnte. Doch war die Konstruktion derartig, daß auch beide Leitungswege zu gleicher Zeit möglich waren. Bei der Abreise war der H a h n in dieser Weise eingestellt mit der Folge, daß Wasser in das Schiff lief. Vom Court of Appeal wurde angenommen, daß dem Ingenieur des Schiffes die Konstruktion des Hahnes bekannt sei und er deshalb die Schadensursache jederzeit beheben konnte. Das House of Lords hob auf und erkannte auf anfängliche Seeuntüchtigkeit, weil die Konstruktion des Hahnes ganz ungewöhnlich und dem Ingenieur nicht bekannt gewesen sei. Vgl. auch die Entscheidung The Elkten (AMC 1931 S. 1931), wo das Mannloch eines Tanks versehentlich nicht geschlossen war. — In einer früheren Leitentscheidung, die im J a h r e 1877 vom House of Lords in Sachen Steel gegen The State Steamship Co., ergangen war, h a t t e ein Schiff Weizen von Nordamerika nach England befördert. Ein Teil der Ladung war beschädigt, weil Wasser durch eine nicht gehörig verschlossene Seitenöffnung (port-hole) eingedrungen war. Die Frage war, ob das Schiff anfänglich seetüchtig gewesen sei. Das Urteil des House of Lords sprach sich hierüber (durch den Lordkanzler) folgendermaßen aus: Es komme darauf an, ob, wenn die Öffnung, als das Schiff New York verlassen habe, nicht fest geschlossen gewesen sei, selbige sich in einer solchen Lage befunden habe und so leicht zugänglich gewesen sei, daß sie in jedem Augenblick, sobald eine Änderung des Wetters zu erwarten gewesen sei, habe dichtgemacht werden können, und ob das Schiff bei der Abfahrt frei von jedem Vorwurf gewesen sei, daß es der übernommenen Reise nicht gewachsen sei, oder ob andererseits die Beschaffenheit der Öffnung bei der Abfahrt eine solche gewesen sei, daß hierdurch ein gewisser Grad von Seeuntüchtigkeit herbeigeführt werde, welchem nicht in jedem Falle abgeholfen werden konnte. — I n Sachen McFadden Brothers gegen Blue Star Line Ltd. (1905) h a t t e die Klägerin aus dem D. „Tolosa" der Beklagten eine Partie Baumwolle empfangen, die auf der Reise durch Seewasser beschädigt war. I n tatsächlicher Hinsicht stellte das Gericht fest: Der Seehahn war nach der Ladungsübernahme zwecks Füllung eines Ballasttanks geöffnet und dann infolge unbemerkt gebliebener Verstopfung nicht wieder völlig geschlossen worden. Die Packung des Ventilkastengewindes war vor Ladungsübernahme erneuert worden, aber nicht ausreichend, u m einem länger wirkenden Wasserdruck standzuhalten. Die Schleuse des Schottes war nach der Ladungsübernahme nicht vollkommen geschlossen worden. I n diesem Zustande war das Schiff in See gegangen. Die Seeuntüchtigkeit war in diesem Falle schon hinsichtlich der Packung des Ventilkastengewindes zu verneinen. Das Gericht h a t aber auch die Frage untersucht, wie zu entscheiden sein würde, wenn die Schleuse des Schottes schon bei Ladungsbeginn mangelhaft geschlossen gewesen wäre: Würde man sie bewußt offen gelassen haben, so könne darin keine Verletzung der Seeuntüchtigkeit liegen, weil man dann auch gewußt hätte, daß sie im Bedarfsfalle noch zu schließen war. Unterbleibe das dann, so liege darin lediglich ein Verschulden in der Bedienung des Schiffes. Ebenso sei es kein Mangel der Seetüchtigkeit, mit einer geöffneten Seitenpforte bei gutem Wetter in See zu gehen, weil man erwarten könne, daß vor jedem aufkommenden Sturm genügend Zeit sein werde, sie zu schließen. Würde man dagegen die Schleuse oder die Pforte unbewußt offen gelassen haben, so liege darin eine Verletzung der Seetüchtigkeit. — I n Sachen „The Silvia" h a t t e sich der US Supreme Court im J a h r e 1898 mit folgendem Tatbestand zu befassen: An der Seite des Schiffes befanden sich verschiedene Öffnungen, die mit großen Glasscheiben geschlossen waren.

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Es war außerdem ein eiserner Verschluß vorhanden, welcher jeden Augenblick ohne Mühe angebracht werden konnte. Als das Schiff abfuhr, hatte man unterlassen, den letzteren Verschluß vorzulegen, um die Beleuchtung des Raumes durch das Tageslicht nicht zu behindern. Auf der See wurde bei stürmischem Wetter eine Glasscheibe von den Wellen eingeschlagen und, da man versäumt hatte, den eisernen Verschluß rechtzeitig anzubringen, die Ladung beschädigt. Es wurde anfängliche Seetüchtigkeit angenommen. — Siehe weiter die in Hansa 1952 S. 1486 angeführte Entscheidung eines nicht genannten Gerichts: Wenn mehr als eine Ursache den Ladungsschaden herbeigeführt hat, und eine Ursache Seeuntüchtigkeit ist, dann kann der Umstand, daß die andere Ursache haftungsbefreiende Wirkung hat, den Verfrachter nicht entlasten. — Siehe weiter „The Steel Navigator", AMC 1938 S. 388; Cambell's Soup Co. gegen Federal M. S. Co., AMC 1935 S. 634; „The Vestris", AMC 1932 S. 863; „The Mauretania" AMC 1936 S. 1130; „The President Polk" AMC 1930 S. 1358; „The Walter Raleigh", AMC 1952 S. 618; Lockett & Co. gegen Cunard, AMC 1927 S. 1057. 2. Sorge für gehörige Einrichtung und Ausrüstung. E i n r i c h t u n g ist die Beschaffung Anm. 14 eines den ordnungsgemäßen Betrieb ermöglichenden Zustands des Schifies sowie von Vorrichtungen zur Verhütung von Unfällen. A u s r ü s t u n g ist die Beschaffung von Schiffszubehör und Vorräten. Beides wird vielfach ineinander übergreifen. Welches im Einzelfalle die erforderlichen und geeigneten Gegenstände f ü r die Einrichtung und Ausrüstung des Schiffes sind, f ü r deren Vorhandensein und guten Zustand der Schiffer zu sorgen hat, darüber entscheiden Größe und Zweck des Schiffes und der Reise, Stärke der Besatzung, Jahreszeit usw., abgesehen davon die seemännische Anschauung. Anweisungen geben u. a. die Unfallverhütungsvorschriften der See-Berufsgenossenschaft (vgl. die Strafbestimmungen bei Zuwiderhandlungen in §§ 1201 f., 1208 RVO), die Schiffssicherheitsverordnung, die VO über die Sicherung der Seefahrt, die VO über die Funkausrüstung und den Sicherheitsfunkwachdienst der Schiffe (Funksicherheitsverordnung), die VO über die Einrichtung der Auswandererschiffe, die VO über Positionslaternen, die Bestimmungen über die Schiffsdampfkessel (vgl. den Abdruck dieser verschiedenen Bestimmungen oder genauere Hinweise auf sie im dritten Teil fünftes Kapitel (Bd. I S. 583 ff.). Siehe insbesondere auch die VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen (Abdruck im dritten Teil, achtes Kapitel, Bd. I S. 1221). Im allgemeinen kann nicht gefordert werden, daß von allem Notwendigen sich stets das denkbar Neueste und Beste an Bord befindet: es muß genügen, daß das Notwendige vorhanden ist und sich in zweckentsprechendem Zustande befindet (RG DJZ 1914, 629 = Recht 1914 Nr. 820). B e i s p i e l e : Für maschinengetriebene Schiffe gehört zur gehörigen A u s r ü s t u n g ein geeigneter Vorrat an Treibstoff. In der Praxis der Seeämter wurde gerügt das Nichtvorhandensein des Loggs (OSA Bd. 2 S. 721; Bd. 4 S. 268; Bd. 9 S. 484; Bd. 10 S. 590; anders f ü r den besonderen Fall Bd. 7 S. 74), eines gehörig ausgerichteten Kompasses (OSA Bd. 5 S. 159; Bd. 11 S. 649; vgl. aber f ü r Fährboote HansOLG HansGZ 1884 Nr. 78), deä Chronometers (OSA Bd. 3 S. 176; anders f ü r Nordseefahrten Bd. 9 S. 142; vgl. Bd. 3 S. 176), von Vorkehrungen zur Abgabe von Notsignalen (OSA Bd. 10 S. 590), von richtigen, nicht veralteten Seekarten (OSA Bd. 2 S. 867; Bd. 3 S. 176, 468, 698; SA Flensburg, Entsch. des BOSA und der SÄ Bd. IV Heft 3 S. 199), Rettungsapparaten (OSA Bd. 7 S. 63, 699), brauchbarer Ketten (OSA Bd. 10 S. 131) und Tauwerks (OSA Bd. 3 S. 438; zu weit würde es indessen gehen, den Kapitän f ü r die gute Beschaffenheit jedes einzelnen Taus verantwortlich zu machen: OAG Lübeck, Samml. der Entsch. in bremischen Zivilrechtssachen Bd. 4 S. 10), einer größeren Pumpe und eines Peilstocks (OSA Bd. 6 S. 592). Vgl. OLG Kiel HansRGZ 1936 B 220 wegen fehlender Kompaßlampe und vermindert gebrauchsfähigem Ruderdraht. Zur Einrichtung ist ferner erforderlich die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Unterbringung der Schiffsbesatzung, ordnungsgemäße Kücheneinrichtungen und sonstige Nebengelasse. Siehe die Bek. betr. die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte f ü r die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen vom 2. 7. 1905 (RGBl. S. 563). Zur Einrichtung gehört auch die sorgfältige Reinigung des Schiffes und die Säuberung von Ungeziefer ( B o y e n s Bd. 1 S. 327), ferner kann dazu auch gehören die Herstellung spezieller Vorrichtungen f ü r bestimmte Ladungen (oben Anm. 5). Siehe wegen ausreichender Entlüftung bei der Lagerung von Kohle Hansa 1957 S. 1196. 159

§513

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Über die Sorge des Schiffers f ü r die E r h a l t u n g d e r g e h ö r i g e n E i n r i c h t u n g A u s r ü s t u n g n a c h A n t r i t t d e r F a h r t gilt das oben Anm. 12 Gesagte.

und

Anm. 15

3. Sorge lür gehörige Bemannung (Vgl. OLG H a m b u r g bei S a s s e S. 442; RGZ 122, 233 = HansRGZ 1929 B 324 = J W 1929 S. 927 mit Anm. vor S e b b a ; K G HansRGZ 1928 A 347). Gegenstand der Fürsorge des Schiffers ist die f ü r das betreffende Schiff erforderliche Z a h l von Schiffsmannschaften (OSA Bd. 1 S. 249; Bd. 3 S. 340; 5, 595 ; 826; 11, 725 usw.). — Vorschriften in dieser Hinsicht bestehen hinsichtlich einzelner Kategorien der Schiffsoffiziere (Steuerleute, Maschinisten: vgl. die S c h i f f s b e s e t z u n g s o r d n u n g vom 29. 6. 1931; S c h i f f s ä r z t e : § 11 VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen vom 21. 12. 1956 und (für Auswandererschiffe) § 23 VO über die Einrichtung der Auswandererschiffe vom 21. 12. 1956 (beide abgedruckt im ersten Band S. 1221 und S. 855) und sodann allgemein nach Maßgabe der B e m a n n u n g s r i c h t l i n i e n der See-Berufsgenossenschaft. Dabei ist auch auf die p e r s ö n l i c h e n Q u a l i t ä t e n , wie Alter, Gesundheit, Tüchtigkeit (OSA Bd. 2 S. 324; Bd. 3 S. 422; Bd. 6 S. 721; Bd. 8 S. 20, 657; Bd. 9 S. 10, 184), insbesondere die vorgeschriebenen beruflichen Qualifikationen (siehe die oben angegebenen Bestimmungen und die VO betr. Befähigungszeugnisse f ü r Funkoffiziere auf Handelsschiffen vom 8. 10. 1921 mit Bestimmungen über den Erwerb von Seefunkzeugnissen vom 28. 9. 1953) zu achten. Vgl. auch die Bek. betr. die Untersuchung von Schiffsleuten auf Tauglichkeit zum Schiffsdienste vom 1. 7. 1905, die VO über die Untersuchung der Seeleute auf Hör-, Seh- und Farbunterscheidungsvermögen vom 8. 5. 1929, die VO über die Eignung und Befähigung der Schiffsleute des Decksdienstes auf Kauffahrteischiffen vom 28. 5. 1956. Vgl. §§ 84 ff. und 138 ff. SeemG, deren Erfordernisse bei der Bemannung zu berücksichtigen sind, namentlich auch hinsichtlich der Arbeitszeitbestimmungen. Die Nationalität der Schiffsleute ist nach deutschen Recht gleichgültig. — Über die Pflicht zur E r h a l t u n g der gehörigen Bemannung gilt Entsprechendes wie oben Anm. 12 ausgef ü h r t . Siehe aber insbesondere § 38 Abs. 1 Satz 1 SeemG, nach welchem, wenn sich die Schiffsbesatzung während einer Reise vermindert und nicht zu erwarten ist, daß sich der dadurch entstehende vermehrte Arbeitsanfall im weiteren Verlaufe der Reise verringern wird, die Schiffsbesatzung zu ergänzen ist, soweit es die Umstände gestatten. Vgl. die Strafbestimmungen in §§ 125, 128 SeemG. Durch die VO über seemännische Heuerstellen vom 8. 1. 1924 (RGBl. I S. 739) (mit späteren Änderungen) ist nichtgewerbsmäßige Arbeitsvermittlung f ü r Seeleute durch p a r i t ä t i s c h e H e u e r s t e l l e n gesetzlich festgelegt.

Anm. 16

4. Sorge für die Verproviantierung des Schiffes, d.h f ü r nach Zeit und Ziel der Reise genügende Quantität und Qualität der mitzunehmenden Lebensmittel, insbesondere auch des Wassers (vgl. R O H G 17, 342ff.), wobei die Möglichkeit einer außergewöhnlichen Verlängerung der Reise zu berücksichtigen ist ( W a g n e r H B 409, W i t t m a a c k Z H R Bd. 53 S. 354). Während es früher üblich war, den Kapitän f ü r eigene Rechnung die Mannschaft verpflegen zu lassen und ihm dafür seitens der Reederei einen festen Satz zu vergüten, bestehen jetzt f ü r die Verpflegung gesetzliche Schutzbestimmung in Gestalt der §§ 39 ff. SeemG. Vgl. die Strafbestimmung in § 118 SeemG. Gemäß § 39 Abs. 2 SeemG regelt sich das Mindestmaß der dem Besatzungsmitglied zu gewährenden Speisen und Getränke nach der Speiserolle. Siehe f ü r diese die Ermächtigung in § 143 Abs. 1 Nr. 4 SeemG. Bis zum Erlaß der gemäß dieser ergehenden Bestimmungen gelten die im Wortlaut einheitlichen Speiserollen der Küstenländer: Hamburg (GVOB1. 1951 Nr. 25), Bremen (GBl. 1951 Nr. 27), Niedersachsen (GVOB1. 1951 S. 168), Schleswig-Holstein (GVOB1. 1951 A S. 135). Auf größeren Schiffen obliegt die Sorge f ü r den Proviant dem Zahl- oder Proviantmeister, ohne daß aber auch hier der Kapitän von seiner Oberaufsicht entbunden wäre.

Anm. 17

5. Sorge für das Vorhandensein der zum Ausweis für Schiff, Besatzung und Ladung erforderlichen Papiere. Der Schiffer h a t sich mit dem I n h a l t d e r S c h i f f s p a p i e r e , insbesondere auch der auf die Ladung bezüglichen (RG HansGZ 1880, 300) vertraut zu machen. a) Die f ü r das Schiff erforderlichen Papiere: aa) Das Sehiffszertifikat o d e r e i n v o m R e g i s t e r g e r i c h t b e g l a u b i g t e r A u s z u g a u s i h m . Vgl. § 3 Abs. 2 FlaggRG. Siehe wegen des Schiffszertifikats § 60 Abs. 1 SchRO,

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wegen des beglaubigten Auszugs § 60 Abs. 3 SchRO. Durch das SehifEszertifikat wird das Recht zur Führung der Bundesflagge nachgewiesen. Vor der Erteilung des Zertifikats darf das Recht nicht ausgeübt werden (§ 3 Abs. 1 FlaggRG). Siehe die Strafbestimmung in § 16 FlaggRG. Das Schiffszertifikat wird gemäß § 3 Abs. 3 FlaggRG durch das Flaggenzeugnis ersetzt, wenn das Recht zur Führung der Bundesflagge bei einem Seeschiff, das sich im Ausland befindet, entstanden ist. I n Betracht kommt vornehmlich der Ankauf eines bisher unter fremder Flagge fahrenden Schiffes und dessen Übergabe an den deutschen Käufer in einem ausländischen Hafen. Das Flaggenzeugnis h a t nur eine beschränkte Gültigkeit, nämlich gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 FlaggRG nur f ü r die Dauer eines Jahres seit dem Tage der Ausstellung, darüberhinaus nur f ü r die Dauer einer durch höhere Gewalt verlängerten Reise. Siehe wegen der Ausstellung des Flaggenzeugnisses 1. DVOzFlaggRG vom 23. 2. 1951 (RGBl. I I S. 19, abgedruckt in Bd. I S. 341). Gemäß § 8 Satz 2 dieser VO müssen der Grund und die Dauer der Verlängerung der Reise in das Schiffstagebuch eingetragen werden. I n den Fällen der §§ 10 (Überführungsreise eines neu erbauten Schiffes) und 11 (auf bare-boat-charter-Basis durch einen deutschen Ausrüster gecharterte ausländische Schiffe, denen auf Antrag vorübergehend das deutsche Flaggenrecht verliehen worden ist) wird das Recht zur Führung der Bundesflagge durch einen Flaggenschein nachgewiesen (§ 12 Abs. 1 FlaggRG). Siehe über dessen Ausstellung 2. DVOzFlaggRG vom 31. 3. 1957 (BGBl. I I S. 65; siehe den Abdruck in Bd. I S. 344). Seeschiffe im Eigentum und öffentlichen Dienst des Bundes, eines zum Bund gehörigen Landes oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt mit Sitz im Geltungsbereich des GG (also Schiffe, auf die § 513 H G B keine Anwendung findet, weil dieser nur f ü r Kauffahrteischiffe gilt) weisen sich gemäß § 4 Abs. 1 FlaggRG durch eine Flaggenbescheinigung aus. Auch dieses ist gemäß § 4 Abs. 2 FlaggRG stets mitzuführen. Vgl. über die Ausstellung der Flaggenbescheinigung die VO über die Flaggenbescheinigungen f ü r Seeschiffe des öffentlichen Dienstes vom 27. 4. 1951 (BA Nr. 83; siehe den Abdruck Bd. I S. 350). bb) Der Sehilfsmeßbrief. Er wird auf Grund der amtlichen Vermessung vom Bundesamt Anm. 18 f ü r Schiffsvermessung in Hamburg ausgestellt. Gegenwärtig (1. 2. 1960) ist formell noch die Schiffsvermessungsordnung vom 1. 3. 1895 (RGBl. S. 160) in K r a f t . Andererseits ist das Übereinkommen über ein einheitliches System der Schiiisvermessung vom 10. 6. 1947 f ü r die Bundesrepublik Deutschland am 7. 6. 1958 in K r a f t getreten. Praktisch wird nach diesem bereits verfahren. Vgl. im einzelnen dritter Teil sechstes Kapitel (Bd. I S. 1132ff.). Gemäß Art. 3 dieses Übereinkommens wird ein „Internationaler Schiffsmeßbrief" ausgestellt. Der Internationale Schiffsmeßbrief befreit nicht gänzlich von der Kontrolle in bezug auf die Vermessung, wenn ein Hafen eines Mitgliedstaates des Übereinkommens angelaufen wird. Doch beschränkt sich die Kontrolle auf die in Art. 8 Ziff. 1 (a) und (b) angegebenen Punkte. Vgl. über die Mitgliedstaaten des Übereinkommens dritter Teil sechstes Kapitel Bd. I I S. 1132 Anm.3 Auch außerhalb des genannten Abkommens wird die Geltung des Schiffsmeßbriefes in anderen Staaten in den Handels- und Schiffahrtsverträgen regelmäßig vereinbart. I n dem Schiffsmeßbrief sind die Angaben über die Größe des Schiffes, namentlich seinen Brutto- und Nettoraumgehalt enthalten. Diese Angaben dienen als Unterlage f ü r die Berechnung von Hafenabgaben, Lotsengeldern, Leuchtfeuergeldern und dergleichen. Besondere Meßbriefe sind erforderlich f ü r die F a h r t durch den Panama-Kanal und den Suez-Kanal. Vgl. die Vorschriften über die Vermessung der Schiffe f ü r die F a h r t durch den Suez-Kanal Bd. I S. 1213 und die Bekanntmachung betr. die Vermessung der Schiffe f ü r die F a h r t durch den Panama-Kanal Bd. I S. 1217. Auch diese Meßbriefe werden von dem Bundesamt f ü r Schiffsvermessung ausgestellt. cc) Das Klassenzertifikat. Vgl. dazu insbesondere Anm. 13 zu § 11 SchRO (Bd. I S. 251 f.). Anm. 19 Siehe § 19 Abs. 2 UVV (Bd. I S. 873), daß die klassifizierten Schiffe auch das Klassenzertifikat an Bord haben müssen. Das Klassenzertifikat (auch als Klassifikationszertifikat, Klassenzeugnis bezeichnet) wird durch eine Klassifikationsgesellschaft (vgl. über diese § 11 SchRG Anm. 3) ausgestellt, ist also ein privates, kein behördliches Zeugnis. I m allgemeinen werden Schiffe, die in der Bundesrepublik beheimatet sind, beim Germanischen Lloyd klassifiziert. Das Klassenzeugnis gilt im allgemeinen auf die Dauer von vier Jahren und wird getrennt f ü r Schiff und Maschine ausgestellt. Sein Inhalt gibt im wesentlichen die wichtigsten Daten über das Schiff und die Maschine wieder und enthält ferner die Klassenzeichen, in denen der 11

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

Grad der Festigkeit und der Erhaltungszustand von Schiff oder Maschine zum Ausdruck kommen, das Datum, von dem an die Klasse rechnet und die Zahl der Jahre, nach deren Ablauf eine neue Besichtigung vorgenommen werden muß. Ein die Seetüchtigkeit beeinträchtigender Unfall führt zum Verlust der Klasse. Das Schiff muß dann im nächsten Hafen besichtigt werden und erhält auf dem Klassenzeugnis, nachdem die Überholung erfolgt ist, einen Besichtigungsvermerk über die Seefähigkeit bis zu einem bestimmten Hafen oder über die Wiederherstellung der Klasse nach vorgenommener Reparatur. Ist im Ausland kein Vertreter des Germanischen Lloyd erreichbar, so kann der Vertreter einer anderen Klassifikationsgesellschaft ein sog. S e e f ä h i g k e i t s a t t e s t ausstellen, das nach der Vorschrift des Germanischen Lloyd bis zum nächsten Bestimmungshafen, in dem sich ein Vertreter des Germanischen Lloyd befindet, gilt. Die Klassifikationsgesellschaften stellen besondere Zertifikate aus für L a d u n g s - K ü h l a n l a g e n . Bei diesen muß die Besichtigung zwecks Klassenerneuerung alle sechs Monate erfolgen. Alle drei Monate erfolgen einfache Besichtigungen. Außerdem ist eine Besichtigung im Ladehafen in Zwischenräumen von zwei Monaten vorgesehen. Gemäß § 19 Abs. 5 UVV müssen Schiffe, die der Ausbildung seemännischen Personals dienen sollen (Schulschiffe), die höchste Klasse des Germanischen Lloyd oder einer anderen anerkannten Klassifikationsgesellschaft führen. Nach § 28 UVV Fisch (vgl. Bd. I S. 950) müssen neue F i s c h d a m p f e r nach der höchsten Klasse des Germanischen Lloyd oder gleichwertig stark gebaut sein. Ferner müssen T a n k s c h i f f e , in welchen Petroleumdestillate mit einem Entflammungspunkt bis 55° Celsius befördert werden, die höchste Klasse des Germanischen Lloyd oder eine gleichwertige Klasse einer anderen Klassifikationsgesellschaft haben. Alm. 20

dd) Der Fahrterlaubnisschein der See-Berufsgenossenschalt und damit in Zusammenhang stehende Urkunden.

aaa) Gemäß § 19 Abs. 2 U W muß jedes unter diese Bestimmungen fallende Schiff eine von der See-Berufsgenossenschaft ausgestellte Bescheinigung an Bord haben, daß das Schiff den vorgeschriebenen Überholungen unterzogen und nach dem Ergebnis derselben als den UVV genügend zur Seefahrt zugelassen ist ( F a h r t e r l a u b n i s s c h e i n ) . Einer solchen Urkunde bedürfen auch im Ausland gekaufte Schiffe für die Überführungsfahrt nach Deutschland. Vgl. § 4 l.DVO FlaggRG (siehe Bd. I S. 342). Vgl. für Schiffe, die sich auf deutschen Werften im Bau oder Umbau befinden, für Verholungen vor der Probefahrt die von der SeeBerufsgenossenschaft herausgegebenen „Grundsätze für die Sicherheit auf Seeschiffen bei Schifisbewegungen vor der Probefahrt". Für die Probefahrt von Seeschiffen vgl. die „Grundsätze für Seeschiffe auf Probefahrt" der See-Berufsgenossenschaft. Danach kann diese an Stelle des Fahrterlaubnisscheins eine P r o b e f a h r t s b e s c h e i n i g u n g erteilen. Vgl. auch § 19 Abs. 6 UVV. In dem Fahrterlaubnisschein für Schulschiffe ist gemäß § 19 Abs. 5 UVV auch zu bescheinigen die Geeignetheit f ü r Ausbildungszwecke hinsichtlich der Unterbringung der Zöglinge und des Ausbildungspersonals. Die Mitführung des Fahrterlaubnisscheins ist für das Schiff besonders wichtig. Vgl. wegen fehlenden Fahrterlaubnisscheins SA Flensburg, BOSAE Bd. IV Heft 3, S. 199. Er ist Hafen-, Musterungs- und Zollbehörden auf Anforderung vorzulegen (§ 19 Abs. 4 UVV). Die Sicherheitszeugnisse aller Art (vgl. auch Anm. 21 ff.) deutscher Seeschiffe befreien im Ausland von eingehender Untersuchung nach Maßgabe der Gegenseitigkeitsverträge, insbesondere des Internationalen Schiffsicherheitsvertrages London 1948. Die Gültigkeitsdauer des Fahrterlaubnisscheins beträgt längstens 24 Monate. Er ist indessen nach jedem die Seetüchtigkeit des Schiffes beeinträchtigenden Unfall zu erneuern. Reeder und Kapitäne sind verpflichtet, jeden derartigen Unfall unverzüglich der See-Berufsgenossenschaft zu melden (vgl. § 19 Abs. 2 UVV). Auch führt der Klassenverlust eines Schiffes regelmäßig zur Ungültigkeit des Fahrterlaubnisscheins. Anm. 21 bbb) Frachtschiffe unter 500 BRT oder solche ohne mechanischen Antrieb und Fischereifahrzeuge bedürfen nur des Fahrterlaubnisscheins (vgl. § 3 SSV). Alle anderen Frachtschiffe bedürfen gemäß § 11 Abs. 2 SSV noch eines von der See-Berufsgenossenschaft im Auftrage der Bundesregierung ausgestellten Ausrttstungs-Sicherheitszeugnisses, in welchem bescheinigt wird, daß das Schiff in wirksamer Weise die Vorschriften der SSV und alle sonstigen Sicherheitsvorschriften erfüllt. Vgl. wegen des Musters § 14 SSV 162

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und Anhang zur SSV (Bd. I S. 826). Das Zeugnis oder eine beglaubigte Abschrift von ihm ist an einer gut sichtbaren und leicht zugänglichen Stelle im Schiff aufzuhängen (§ 15 SSV). Siehe wegen der Geltungsdauer des Zeugnisses § 13 SSV. Danach beträgt die Geltungsdauer des Ausrüstungs-Sicherheitszeugnisses 24 Monate. Siehe wegen der Ausnahmen § 13 Abs 2 und 4 SSV. ccc) Ein F a h r g a s t s c h i f f (d. h. nach § 2 Ziff. 4 SSV ein Schiff, das mehr als 12 Fahrgäste Anm. 22 befördert oder f ü r die Beförderung von mehr als 12 Fahrgästen zugelassen ist) in A u s l a n d s f a h r t benötigt gemäß § 11 Abs. 1 SSV ein Sieherheitszeugnis, in welchem die See-Berufsgenossenschaft im Auftrage der Bundesregierung bescheinigt, daß das Schiff in wirksamer Weise die Vorschriften der SSV und der FunksicherheitsVO sowie alle sonstigen Sicherheitsvorschriften erfüllt. Das Zeugnis ist nach Überprüfung und B e s i c h t i g u n g durch die SeeBerufsgenossenschaft auszustellen, während f ü r das Ausrüstungs-Sicherheitszeugnis nur die Überprüfung erforderlich ist. Das Sicherheitszeugnis hat deshalb auch gleichzeitig den Charakter eines Fahrterlaubnisscheins. Es enthält auch Angaben über den Freibord. Ferner ersetzt es ein besonderes Telegraphiefunk-Sicherheitszeugnis nach § 8 FunksicherheitsVO. Siehe wegen der Musters § 14 SSV und Anhang zur SSV (Bd. I S. 824). Das Zeugnis oder eine beglaubigte Abschrift von ihm ist an einer gut sichtbaren und leicht zugänglichen Stelle im Schiff aufzuhängen (§ 15 SSV). Siehe wegen der Geltungsdauer des Zeugnisses § 13 SSV. Danach beträgt sie zwölf Monate. Siehe wegen der Ausnahmen § 13 Abs. 2 und 4 SSV. ddd) J e d e m S c h i f f , d e m v o n d e r S e e - B e r u f s g e n o s s e n s c h a f t a u f G r u n d Anm. 23 u n d in Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t e i n e r d e r V o r s c h r i f t e n d e r SSV e i n e A u s n a h m e g e w ä h r t w i r d , ist ein Ausnahmezeugnls auszustellen. Siehe das Muster f ü r dieses in Bd. I S. 827). Vgl. wegen der Geltungsdauer § 13 SSV. Ein öffentlicher Aushang ist nicht erforderlich. Vgl. § 15 SSV. ee) Das Internationale Freibordzeugnis. Schiffe in Auslandsfahrt mit einem Bruttoraum- Anm. 24 gehalt von 150 Tonnen und mehr, die nach den Bestimmungen der VO über den Freibord der Kauffahrteischiffe vom 25. 12. 1932 (vgl. den Abdruck Bd. I S. 977) besichtigt und mit einer Freibordmarke versehen sind, bedürfen gemäß Art.12 der VO eines I n t e r n a t i o n a l e n F r e i b o r d z e u g n i s s e s nach dem Muster im Anhang I I I der VO. Für die Durchführung der VO ist die See-Berufsgenossenschaft zuständig (Art. 11 Abs. 1 der VO). Siehe wegen der Geltungsdauer des Zeugnisses Art. 14 der VO. Gemäß Art. 12 Abs. 3 der VO verbleibt es f ü r die übrigen Schiffe bei den Vorschriften der See-Berufsgenossenschaft. Danach bedürfen kleine Fahrzeuge unter 150 BRT, Schlepper und Fischereifahrzeuge (die überhaupt nicht unter die FreibordVO fallen; vgl. Art. 1 Abs. 4) keines Freibordzeugnisses. In den Fahrterlaubnisschein der Kauffahrteifahrzeuge unter 150 BRT wird ein im Sommer und Winter einzuhaltender Mindestfreibord eingetragen. Fischereifahrzeuge haben gemäß § 20 U W Fisch einen ihrer Bauart und Verwendung entsprechenden Freibord innezuhalten. Vgl. auch die 1935 von der See-Berufsgenossenschaft im Einvernehmen mit dem Germanisehen Lloyd herausgegebenen Richtlinien, in denen Mindestfreiborde beim Auslaufen festgelegt sind. ff) Das Telegraphieiunk-Sicherhettszeugnis. Es ist ein von der See-Berufsgenossenschaft Anm. 25 im Auftrage der Bundesregierung gemäß § 8 FunksicherheitsVO (vgl. Bd. I S. 836) ausgestelltes Zeugnis f ü r SchifEe, die gemäß den Bestimmungen des Schiffssicherheitsvertrages London 1948 mit Telegraphiefunk ausgestattet sind. I n Betracht kommen hierfür Fahrgastschiffe ohne Rücksicht auf ihre Größe. Doch ist bei Passagierschiffen in der Auslandsfahrt das Zeugnis bereits im Sicherheitszeugnis enthalten (vgl. über dieses oben Anm. 22), ferner SchifEe von 1600 BRT und mehr, die nicht Fahrgastschiffe sind, ohne Rücksicht auf ihr Fahrtgebiet, endlich Frachtschiffe von 500 bis 1600 BRT, wenn sie die Grenzen der mittleren Fahrt überschreiten (§ 3 Abs. 1 FunksicherheitsVO). Siehe über den Begriff des Fahrgastschiffes § 2 Abs. 1 FunksicherheitsVO, über den der mittleren Fahrt § 2 Abs. 9 FunksicherheitsVO. Siehe über die Geltungsdauer des Zeugnisses § 8 Abs. 3 FunksicherheitsVO, über das Muster des Zeugnisses Anlage 2 FunksicherheitsVO (Bd. I S. 846). gg) Das Sprechlunk-Slcherheitszeugnis. Es ist ein von der See-Berufsgenossenschaft Anm. 26 gemäß § 8 FunksicherheitsVO im Auftrage der Bundesregierung ausgestelltes Zeugnis f ü r ll»

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Schiffe, die gemäß den Bestimmungen des Schiffssicherheitsvertrages London 1948 mit einer Sprechfunkanlage auszurüsten sind. Dies ist f ü r Schiffe ohne Telegraphiefunkanlage zwischen 500 und 1600 B R T vorgeschrieben. Siehe wegen der Einzelheiten § 3 Abs. 2 FunksicherheitaVO. Vgl. wegen der Geltungsdauer des Zeugnisses § 8 Abs. 3 FunksicherheitsVO, wegen des Musters des Zeugnisses Anlage 3 FunksicherheitsVO (Bd. I S. 847). Anm. 27

hh) Genehmigungsurkunde zur Errichtung und zum Betrieb einer Seefunkstelle. Sie ist erforderlich auf Grund des § 4 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (vgl. Bd. I S. 1320) und wird vom Fernmeldetechnischen Zentralamt der Bundespost in Darmstadt ausgestellt. I n ihr wird von der Bundespost bescheinigt, unter welchen Bedingungen die Errichtung und der Betrieb der Seefunkstelle genehmigt worden ist. Das Original der Genehmigungsurkunde verbleibt beim Reeder. Ein Doppel erhält der K a p i t ä n als Ausweis f ü r die Seefunkstelle und zum Aushang in dieser.

Anm. 28

ii) Genehmigungsurkunde zur Errichtung und zum Betrieb einer Ortungsfunkanlage (Peiler, Radar und dergleichen). Es wird von der zuständigen Oberpostdirektion ausgestellt. Auch hier ist das Doppel der Genehmigungsurkunde in der Nähe des Ortungsfunkgeräts auszuhängen.

Anm. 29

kk) Besichtigungsattest für Logis und Waschräume. Vgl. § 16 der Bek. betr. die Logis-, Wasch- und Baderäume sowie die Aborte f ü r die Schiffsmannschaft auf Kauffahrteischiffen. Die Urkunde wird vom Bundesamt f ü r Schiffsvermessung ausgestellt.

Anm. 30

11) Entrattungsbescheinigung oder Bescheinigung über die Befreiung von der Entrattung. Vgl. Art. 52 Internationale Gesundheitsvorschriften (siehe Bd. I S. 1302). Vgl. auch § 12 VO über die gesundheitliche Behandlung der Seeschiffe in deutschen Häfen vom 21. 12. 1931 (siehe Bd. I S. 1279).

Anm. 31

mm) A u ß e r d e n u n t e r a a ) b i s 11) a u f g e f ü h r t e n U r k u n d e n h a b e n e i n e Reihe nicht zum Ausweis erforderlicher Bücher an Bord zu sein, v o r a n das S c h i f f s t a g e b u c h , d a s M a s c h i n e n t a g e b u c h . Vgl. ü b e r d i e s e B ü c h e r § 5 1 9 H G B u n d die d o r t i g e n A n m e r k u n g e n .

Anm. 32

b) Die f ü r die Ausrüstung erforderlichen Papiere. aa) Ladegeschirrzeugnis. Vgl. 79 UVV. E s ist ein von der See-Berufsgenossenschaft ausgestelltes Zeugnis über die gesamte Prüfung des Ladegeschirrs, das an Bord mitzuführen ist. Es erlischt nach Ablauf von 5 Jahren, wenn es nicht gemäß § 80 UVV verlängert worden ist. Zur Zusammenfassung aller Bescheinigungen ist an Bord ein L a d e g e s c h i r r h e f t zu führen, und zwar nach dem von der See-Berufsgenossenschaft vorgeschriebenen Vordruck. I n dieses sind das Ladegeschirrzeugnis und die dazu gehörigen Bescheinigungen über die besondere Prüfung der Einzelteile einzuheften. Vgl. § 79 Abs. 7 UVV.

Anm. 33

bb) Vgl. wegen der Bescheinigungen überPrüfung und Kompensierung der Kompasse § 147 Abs. 1 und 2 UVV, über Atteste für Sextanten und Oktanten § 148 UVV, über BarometerAtteste § 149 UVV, über Prüfungsbescheinigung für Chronometer § 150 UVV.

Anm. 34

cc) Die Bescheinigung über Arzneimittelausrüstung und Krankenräume. Vgl. § 15 VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen vom 21. 12. 1956 (vgl. Bd. I S. 1226). I n Hamburg ist zuständig f ü r die Ausstellung der Hafenärztliche Dienst, Bernhard-NochtStraße 74.

Anm. 35

dd) Das Prüfungszeugnis für Positionslaternen. Vgl. §§ 8, 9 VO über Positionslaternen vom 11. 7. 1958 (siehe Bd. I S. 1116). Vgl. auch § 139 UVV.

Anm. 36

c) Die f ü r die Besatzung erforderlichen Papiere. aa) Die Musterrolle. Gemäß § 13 Abs. 1 SeemG h a t der K a p i t ä n während der Reise eine Urkunde mitzuführen, die über die jeweilige Zusammensetzung der Schiffsbesatzung und über die sonstigen im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätigen Personen (vgl. § 7 SeemG) Ausk u n f t gibt, die sog. Musterrolle. Sie wird vom Seemannsamt (vgl. über dieses § 9 SeemG) vor Antritt der Reise des Schiffs ausgestellt und ist dem Seemannsamt jederzeit auf Verlangen vorzulegen. Vgl. über den Inhalt der Musterrolle § 14 SeemG. Siehe über ihre Form § 9 und Anlage der SeemannsamtsVO vom 3. 6. 1959 (abgedruckt in der Anm. zu § 9 SeemG). Vgl. § 10

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§514

SeemannsamtsVO über die dem Seemannsamt bei der Ausstellung der Musterrolle vorzulegenden Urkunden: Nachweis über das Recht zum Führen der Bundesflagge, Meßbrief und Fahrterlaubnisschein der See-Berufsgenossenschaft. Über den Begriff der Generalmusterung siehe § 20 SeemG: Sind seit der Ausfertigung der Musterrolle zwei Jahre vergangen, so hat das Seemannsamt auf Antrag des Kapitäns eine der gegenwärigen Zusammensetzung der Schiffsbesatzung entsprechende neue Musterrolle auszufertigen. Das Seemannsamt seinerseits kann das verlangen, wenn die Musterrolle unübersichtlich oder unleserlich geworden ist. Gemäß § 21 SeemG sind ungültige Musterrollen einzuziehen. Nach § 22 SeemG hat die Kosten f ü r die Ausfertigung der Musterrolle der Reeder zu tragen. Siehe die Strafvorschrift in § 125 Nr. 1 SeemG. bb) Als p e r s ö n l i c h e A u s w e i s p a p i e r e der einzelnen Besatzungsmitglieder kommt in Anm. 37 Betracht das Seefahrtsbuch (vgl. § 11 SeemG). Es ist während der Reise vom Kapitän zu verwahren, der es nur in begründeten Fällen dem Besatzungsmitglied auf Verlangen auszuhändigen hat (§ 18 SeemG). Das Seefahrtsbuch dient auch als Ersatz f ü r den Reisepaß; vgl. § 1 Abs. 1 Ziff. 3 der VO über Reiseausweise als Paßersatz und über die Befreiung von Paß- und Sichtvermerkszwang vom 14. 2. 1955 (BGBl. I S. 77). Auch die Befähigungszeugnisse aller Art der Schiffsbesatzung, insbesondere die der Patentinhaber, müssen an Bord mitgeführt werden. d) Die f ü r die Ladung erforderlichen Papiere. Anm. 38 aa) Das Manifest. Es ist ein genaues Verzeichnis aller verladenen Güter, das auf Grund der Konnossemente von dem Verfrachter oder dessen Agenten zusammengestellt und vom Kapitän oder dessen Vertreter unterschrieben ist. Sein Inhalt variiert im einzelnen nach den in Betracht kommenden Zollgesetzen und sonstigen behördlichen Vorschriften. Das Manifest ist von Bedeutung vornehmlich gegenüber den Zollbehörden, sodann aber auch als Ausweis im Falle der Untersuchung durch ein Kriegsschiff. Nach § 24ff. der deutschen Seehafenzollordnung vom 3. 2. 1937 (RMB1. S. 651) muß dem Zollamt binnen 24 Stunden nach Ankunft des Schiffes ein Manifest übergeben werden, das den Namen des Schiffes, den Namen des Kapitäns, die Nationalität und Tragfähigkeit des Schiffes, den Abladehafen, den Ladungsempfänger, die Gattung der Waren, die Zahl der Kolli, deren Verpackung, Zeichen und Nummern enthält. Es muß mit der Versicherung, daß die Angaben richtig sind, vom Kapitän unterschrieben sein. bb) Verzeichnis der geladenen gefährlichen Güter. Nach § 7 der VO über gefährliche See- Anm. 39 frachtgüter vom 4. 1. 1960 (BGBl. I I S. 9) sind die auf einem Seeschiff verladenen gefährlichen Güter namentlich und nach ihrer Zugehörigkeit zu den einzelnen Klassen in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen, das vom Schiffsführer zu verwahren ist. Vgl. den Abdruck der VO im Nachtrag zum zweiten Band des Kommentars. e) Papiere in bezug auf die Gesundheit der an Bord befindlichen Personen. Nach Art. 95 Anm. 40 der Internationalen Gesundheitsvorschriften (siehe Bd. I S. 1309) können innerhalb der Mitgliedstaaten derselben (vgl. Bd. I S. 1294) Gesundheitspässe mit oder ohne Konsulats-Sichtvermerk oder irgendwelche Bescheinigungen, wie die Benennung auch lauten mag, über die gesundheitlichen Verhältnisse in einem Hafen von einem Schiff nicht verlangt werden. Nach Art. 96 des Übereinkommens muß der Kapitän auf einem besonders vorgeschriebenen Formular (vgl. dieses in Bd. I S. 1313) eine Seegesundheitserklärung abgeben. Ein Gesundheitspaß, der nur von Land zu Land gilt und in dem von der zuständigen Behörde bescheinigt wird, daß die Besatzung und der Abgangshafen bei der Abfahrt frei von ansteckenden Krankheiten waren, kann indessen noch in Staaten, die den Weltgesundheitsvorschriften nicht angehören, in Betracht kommen. § 514 Der Schiffer hat zu sorgen für die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen sowie für die gehörige Stauung nach Seemannsbrauch, auch wenn die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wird. Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen und daß es mit dem nötigen Ballast und der erforderlichen Garnierung versehen wird. 165

§514

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S c h r i f t t u m : B r a m s l ö w , Grundsätzliches zum Recht des Stauvertrages, HansRZ 1924, 561; R o t h e r m u n d - K o c h , Die Ladung, 5. Aufl. 1956, Bd. I ; M ü l l e r - K r a u s s , Handbuch f ü r die Schiffsführung, 2. Bd., 6. Aufl. 1959. Anm. 1

Der Schiffer hat nach § 514 zu sorgen: 1. Für die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen (ebenso § 8 Abs. 1 BSchG). Es kann normalerweise nicht die Untersuchung aller technischen Einzelheiten vom Schiffer verlangt werden, sondern nur eine allgemeine Prüfung, ob vom Standpunkt eines gewöhnlichen nautischen Sachverständigen Grund zur Nichtbenutzung der betreffenden Gegenstände vorliegt. Erst wenn dem Schiffer hierbei Bedenken hinsichtlich der Brauchbarkeit der Gegenstände aufstoßen, hat er, wenn nötig, Sachverständige zur Untersuchung zuzuziehen und evtl. f ü r Abhilfe der entdeckten Mängel zu sorgen. Die Sorgepflicht darf nicht dahin ausgedehnt werden, daß der Schiffer während der Zeit, wo die Gerätschaften von anderen Personen, z.B. Stauern, verwendet werden, sie ständig im Auge zu behalten und f ü r ihre Tüchtigkeit einzustehen hätte (HansOLG HansGZ 1909, 59). Gleichgültig ist, ob die Gegenstände zum Schiffsinventar oder zu den Hafenanlagen gehören oder ob sie endlich von einem Ladungsbeteiligten oder einem Stauer mitgebracht sind und bei der Ladung oder Löschung von Gütern zur Verwendung gebracht werden: auch in den beiden letzteren Fällen liegt dem Schiffer eine Überwachungs- und Prüfungspflicht ob, wie man sie von einem sorgsamen Fachgenossen im Einzelfalle verlangen kann (RGZ 10, 21). In der Technik des modernen Schiffsbetriebs muß sich der Schiffer in der Durchführung der Sorgepflicht vielfach der Mithilfe der Schiffsoffiziere bedienen. Trotzdem bleibt die Pflicht auf ihm persönlich haften. Es gilt gleiches wie in Anm. 1 zu § 513 H G B ausgeführt. Vgl. HansOLG HansRGZ 1930 B 355. In Betracht kommt f ü r die Prüfung nach § 514 beispielsweise die Beschaffenheit von Kränen ( W a g n e r H B 410), Kranketten (HansOLG HansGZ 1890 Nr. 90; vgl. RG HansGZ 1891 Nr. 81), Tauen zum Auf- und Herabwinden (RGZ 10 Nr. 5: Tau einer sog. Brook), Taljehaken (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 5), zum Aufhieven verwendeter Drahtseile (HansOLG HansGZ 1909 Nr. 28; HansGZ 1913 Nr. 73), Windeketten (HansOLG HansGZ 1906 Nr. 100). I n dem vom OLG Kiel SeuffA Bd. 41 Nr. 211 entschiedenen Falle handelt es sich um Unbrauchbarkeit einer auf einer Zwischendeckluke errichteten Stellage.

Anm. 2

Wird der Schiffer oder der Reeder (§ 485 HGB) a u ß e r k o n t r a k t l i c h wegen einer Beschädigung durch angeblich untüchtige Lade- oder Lösch gerätschaften in Anspruch genommen, so regelt sich die Beweislast wie folgt: Der Beschädigte hat zunächst die Untüchtigkeit der Gerätschaften zu beweisen: diese kann sich, braucht sich aber nicht aus deren Nichtfunktionieren oder Bruch zu ergeben (HansOLG HansGZ 1906, 215; 1913, 156). Steht aber sie und ihre gleichfalls vom Beschädigten darzutuende Ursächlichkeit f ü r den Schaden fest, dann hat der Beschädigte weiter, soweit nicht die Exkulpationspflicht des Schiffers durchgreift (Anm. 14 zu § 511), die Verletzung der Sorgepflicht des Schiffers zu beweisen. Wird indessen die Klage gegen den Reeder auf § 831 BGB gestützt (vgl Anm. 27 zu § 485 HGB), etwa auf Grund mittelbarer Bestellung des Stauers zu der Verrichtung des Löschens, so haftet der Reeder wegen vermuteten eigenen Verschuldens, solange er nicht die Entlastungsbeweise des § 831 Satz 2 f ü h r t . Dem Beweis, daß er bei der Beschaffung der Gerätschaften die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, genügt er aber regelmäßig schon dadurch, daß er sorgfältige Auswahl des Schiffers dartut, da diesem durch das Gesetz die Sorge f ü r die Gerätschaften als Vertreter des Reeders auferlegt ist: die Sorgfaltsbeobachtung auf Seiten des Schiffers braucht er nicht nachzuweisen. Handelt es sich aber um eine vertragliche Inanspruchnahme, so bestimmt sich die Beweislast nach § 606 HGB. Der Verfrachter hat also, nachdem seinerseits die Schadensursache aufgeklärt ist, den dort ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu führen.

Anm. 3

2 Für gehörige Stauung nach Seemannsbrauch. a) Stauung i s t d i e U n t e r b r i n g u n g u n d V e r t e i l u n g v o n L a d u n g u n d B a l l a s t i m S c h i f f (in dessen Inneren oder auf Deck). Da dieselbe von dem Bestreben geleitet sein muß, eine schädliche Einwirkung der verstauten Gegenstände aufeinander und auf das Schiff (vgl. HansOLG HansGZ 1897, 83) zu vermeiden, so muß sie je nach der Individualität des Schiffes und nach Qualität und Quantität des einzunehmenden Materials verschieden erfolgen. Wie zu verfahren ist, darüber entscheidet in erster Reihe der S e e m a n n s b r a u c h .

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B e i s p i e l e : Schwere Güter dürfen nicht auf leichte, Feuchtigkeit absondernde nicht auf oder neben trockene, saubere nicht direkt unter schmutzige, penetrant riechende nicht bei in dieser Hinsicht empfindlichen (Guano auf Kaffee: H G Hamburg HansGZ 1869 Nr. 93; Tee in der Nähe von naphthalinhaltigen Fellen: HansOLG HansGZ 1905 Nr. 84; RGZ HansGZ 1906 Nr. 132), leicht schmelzbare Ware nicht an einen Punkt verstaut werden, wo sie von der Maschinenhitze angegriffen werden kann (Ballons mit Salzsäure dürfen nicht aufeinander gestellt werden: HansOLG 12. 7. 1916 Bf. V 133/16). Die Ladung darf nicht zu fest zusammengepreßt oder zusammengeschraubt werden, auch nicht, wenn sie leicht entzündlich ist, in feuergefährlichen Räumen verstaut sein. Es entspricht n i c h t dem Seemannsbrauch, die leichteren Güter mittschiffs zusammenzustauen und das Schiff an den Enden mit schweren Teilen der Ladung zu belasten, schwere Ladung n u r in der Mitte des Schiffes zu verstauen. Vgl. über die Stauung von Getreideladungen §§ 157 ff. UVV (Bd. I S. 923). Siehe dazu auch Schiffssicherheitsvertrag London 1948 Kapitel VI Regel 2 (Bd. I S. 730). Für die Verladung von Tonerderückständen sowie f ü r alle Schüttladungen, die während der Reise breiartig werden können, siehe § 160 UVV, f ü r die Verladung von Steinkohlen § 161 U W und Klasse V I I I der Anlage zur VO über gefährliche Seefrachtgüter. Über eine dem Seemannsbrauch entsprechende, aber vom Seeamt Stettin als nicht sicher bezeichnete Art der Verstauung von loser Leinsaat vgl. OSA Bd. 2 S. 908; Bd. 3 S. 48, 66ff. Düngersalze sind mit möglichst dichter Unterlage zu versehen (OSA Bd. 10 S. 506). Über die Unzulässigkeit der Verladung von Kopra zusammen mit chinesischem Trockeneigelb siehe HansOLG Hamburg Hansa 1958, S. 1283, über die unsachgemäße Stauung von Kupferplatten OLG Kiel HansRZ 1927, 673, über zu große Stauung an Deck und unrichtige Verteilung an Deck Deutsches Seeschiedsgericht HansRGZ 1939 B 151. — Sind Güter auf Deck verladen (was nach § 566 HGB nur mit Zustimmung des Abladers erfolgen darf), so sind sie genügend zu befestigen (OSA Bd. 7 S. 207; HansOLG HansGZ 1914 Nr. 1); es ist auf deutschen Schiffen allgemein üblich, einen Teil der Holzladung selbst im Winter und auf atlantischen Reisen auf Deck zu verstauen (OSA Bd. 4 S. 432; vgl. aber MerchShA 1894 s. 451). Siehe auch § 21 UVV; vgl. Kokinopoulos HansGZ 1931 A 384. Siehe f ü r das Binnenschiffahrtsrecht die Entscheidung des BGH VersR 1959 S. 985: wenn infolge zu hoher Deckslast in Verbindung mit grober Fahrlässigkeit des Schiffers das Schiff kentert. — Eine Verpflichtung gegenüber den Ladungsbeteiligten, die einzelnen Teile einer Partie so zu verstauen, daß die Löschung ohne Unterbrechung vor sich gehen kann, ist nicht anzuerkennen (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 95 = SeuffA Bd. 56 Nr. 8), wenn auch aus praktischen Gründen das f ü r einen Löschplatz bestimmte Quantum kompakt zusammengestaut zu werden pflegt. Ein Mittel zur Bewirkung geeigneter Verstauung bildet die Garnierung (unten Anm. 11). Bei gefährlichen Gütern sind die gesetzlich vorgeschriebenen Sonderbestimmungen zu beachten. Siehe die im Nachtrag zum II. Band wiedergegebene VO ü b e r g e f ä h r l i c h e Seef r a c h t g ü t e r vom 4. 1. 1960. Gefährliche Güter im Sinne dieser VO sind die in ihrer Anlage genannten und in Klassen eingeteilten Stoffe und Gegenstände, nämlich explosive Stoffe und Gegenstände, mit explosiven Stoffen geladene Gegenstände, Zündwaren, Feuerwerkskörper und ähnliche Güter, verdichtete, verflüssigte oder unter Druck gelöste Gase, Stoffe, die in Berührung mit Wasser entzündliche Gase entwickeln, selbstentzündliche Stoffe, entzündbare flüssige Stoffe, entzündbare feste Stoffe, entzündend (oxydierend) wirkende Stoffe, giftige Stoffe, radioaktive Stoffe, ätzende Stoffe, ekelerregende oder ansteckungsgefährliche Stoffe, organische peroxyde Güter, insbesondere Massengüter, die verpackt, unverpackt oder als Schüttladungen zur Selbsterhitzung neigen. Diese Güter dürfen gemäß § 1 Abs. 2 der VO auf Seeschiffen nur unter den in der Anlage der VO angegebenen Bedingungen verladen werden. Überhaupt ist nach § 1 Abs. 1 der VO bei der Beförderung gefährlicher Güter auf Seeschiffen alles an Vorkehrungen zu treffen, um Schäden f ü r Menschenleben, Schiff oder Ladung nach Möglichkeit auszuschließen. Explosive Stoffe und Gegenstände, mit explosiven Stoffen geladene Gegenstände, Zündwaren, Feuerwerkskörper und ähnliche Güter, verdichtete, verflüssigte oder unter Druck gelöste Gase, Stoffe, die in Berührung mit Wasser entzündliche Gase entwickeln, selbstentzündliche Stoffe und organische Peroxyde dürfen, soweit sie in der Anlage der VO nicht genannt sind, vorbehaltlich des § 5 Abs. 1 der VO nicht verladen werden (§ 1 Abs. 3 der VO). Gemäß § 2 Abs. 1 der VO dürfen gefährliche Güter miteinander oder mit anderen Gütern in einem Versandstück nur zusammengepackt werden, soweit dies nach den Vorschrif167

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ten der Anlage der VO ausdrücklieh gestattet ist. Nach § 2 Abs. 2 der VO dürfen gefährliche Güter miteinander und mit anderen Gütern in demselben R a u m zusammen geladen werden, wenn nicht in den Verladungsvorschriften der Anlage I der VO etwas anderes bestimmt ist. Siehe § 3 der VO wegen Kennzeichnung der Versandstücke, § 4 der VO wegen der bei gefährlichen Gütern inländischer H e r k u n f t erforderlichen Bescheinigungen, § 5 wegen ausländischer Durchfuhrgüter, § 6 wegen Anmeldung und Übernahme der Ladung, § 7 wegen des Verzeichnisses der geladenen gefährlichen Güter. Siehe § 564 b H G B über die Befugnis des Kapitäns bei Ladung gefährlicher Güter. Vgl. auch Schiffssicherheitsvertrag London 1948 Anhang A Kapitel VI Regel 3 (Bd. I S.730). Anm. 4

b) Stauung nach Seemannsbrauch fällt oftmals nicht mit a b s o l u t r i c h t i g e r S t a u u n g zusammen (vgl. OSA Bd. 2 S. 908; Bd. 6 S. 680 usw.); es kommen vielmehr „usancemäßige Fehler" (vgl. OSA Bd. 1 S. 668 ff.) vor, f ü r deren Begehung der dem Seemannsbrauch folgende Schiffer in der Regel nicht verantwortlich gemacht werden kann. Von dem Satze, daß der Schiffer seiner Pflicht genügt, wenn er dem Seemannsbrauch nachkommt (ROHG 19, 265), ist freilich dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Seemannsbrauch ein offenbarer grober Mißbrauch ist: als einen solchen h a t das R G mit Recht trotz ihrer Üblichkeit am Verschiffungsplatze eine Stauung bezeichnet, die notwendig eine Beschädigung der Prachtgüter oder ihrer Emballage zur Folge h a t (RG HansGZ 1889, 98). Auch ist die Stauung nach Seemannsbrauch dann nicht maßgeblich, wenn dieser gegen ausdrückliche gesetzliche Vorschriften verstößt.

Anm. 5

c) Der SchifEer h a t f ü r gehörige Stauung nach Seemannsbrauch aueh dann zu sorgen, wenn die Auswahl der die Stauungsarbeiten versehenen Personen nicht ihm obliegt, sondern die Stauung durch „besondere" Stauer bewirkt wird, nämlich aa) durch Z w a n g s s t a u e r , „vereidigte Stauer", die nach den Gesetzen des Ladungsorts engagiert werden müssen. Auch hier liegt ihm eine Überwachung und Kontrollierung der Stauung ob, sofern diese nicht etwa durch örtliches Recht ausgeschlossen ist. Da er aber eine gefahrdrohende oder gesetzwidrige Stauung auf keinen Fall dulden darf, bleibt dem Kapitän dann als letztes Mittel, dem Zwangsstauer k r a f t seines Hausrechts das Betreten des Schiffes zu verbieten und, wenn eine Änderung der Stauung nicht rechtzeitig vorgenommen werden kann, die Mitnahme der Ladung zu verweigern (so zutreffend S c h l e g e l b e r g e r Anm. 5 zu § 514).

Anm. 6

Anm. 7

bb) D u r c h v o m A b l a d e r o d e r B e f r a c h t e r g e s t e l l t e S t a u e r , insbesondere durch Klauseln in der Chartepartie wie „the charterer's stevedore to be employed b y t h e ship" oder durch die fio-Klausel („free in and out, stowed and trimmed"). Vgl. aus der italienischen Rechtsprechung auch AppG Palermo II Diritto Marittimo 1913 S. 95 ff. Auch hier h a t der Kapitän die Pflicht zur Kontrolle, gleichviel ob das Schiff im ganzen verchartert ist oder nicht. Gegen fehlerhafte Stauung oder Garnierung h a t er demnach zunächst zu protestieren und sie evtl. zur Kenntnis des Reeders oder Abladers zu bringen: erst wenn dieser sie trotzdem geschehen läßt, wird der Schiffer i h m g e g e n ü b e r von der H a f t u n g frei, ohne daß damit die H a f t u n g gegenüber den übrigen in § 512 H G B genannten Personen oder sonstigen Beschädigten (§ 823 BGB) grundsätzlich in Wegfall käme. Vielmehr bleibt der Kapitän diesen Personen gegenüber verpflichtet, auch hier als letztes Mittel den Weg zu beschreiten, den Stauern das Betreten des Schiffes zu verbieten und, wenn eine Änderung der Stauung nicht rechtzeitig vorgenommen werden kann, die Mitnahme der Ladung zu verweigern. Die Gesamtsicherheit des Schiffes h a t stets den Vorrang vor Klauseln des Frachtvertrages. Vgl. oben Anm. 5. Gleiches gilt, wenn der Schiffer vom Ablader oder Befrachter von der Pflicht der Überwachung befreit wurde. Eine solche Befreiung von der Kontrollpflicht liegt aber nicht darin, daß vereinbart wird, das Schiff solle beladen werden unter Aufsicht von Inspektoren des Befrachters („vessel to load under inspection as to stowage b y the authorised inspectors appointed b y t h e charterers, free of charge t o vessel for such inspections": R O H G 19, 264ff., oder unter Aufsicht der Vertreter der Versicherer (Kassationshof Paris Revue Autran Bd. 18 S. 5ff.). cc) D u r c h v o m V e r f r a c h t e r o d e r i n d e s s e n N a m e n v o m K a p i t ä n o d e r A g e n t e n a n g e n o m m e n e S t a u e r , wenn also die dem Verfrachter obliegende Stauung nicht durch die Schiffsbesatzung, sondern durch selbständige Stauereiunternehmer durchgeführt

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wird. Diese werden haftungsmäßig der Schifisbesatzung im Sinne der §§ 481, 485 gleichgeachtet. Vgl. Anm. 14 zu § 481 HGB. d) Beweispflichtig f ü r eine Sorgeverletzung des Schiffers hinsichtlich der Stauung ist der Geschädigte, also in der Regel der Empfänger. Derselbe muß zunächst die schlechte Stauung und deren Ursächlichkeit f ü r den Schaden beweisen. Der Beweis der schlechten Stauung ist dem Schiffer persönlich gegenüber nicht ausgeschlossen, falls nach dem Konnossement das S t a u u n g s a t t e s t „conclusive evidence" f ü r gehörige Stauung bilden soll. — Ob den Schiffer, der in Fragen der Stauung einen Sachverständigen herangezogen hat, ein Vorwurf trifft, weil er sich auf dessen unzutreffendes Gutachten verlassen h a t (vgl. den Fall HansGZ 1909 Nr. 1), ist Frage des Einzelfalles. 3. Für Nichtüberladung des Schilfes. Weil es im Interesse des Verfrachters liegt, möglichst viel Ladung einzunehmen, um möglichst viel Fracht zu verdienen, liegt die Gefahr einer zu starken Beladung nahe. Aufgabe des Schiffers ist es, dieselbe zu verhüten. „ E i n S c h i f f i s t f ü r ü b e r l a d e n zu e r a c h t e n , w e n n s e i n e B e l a s t u n g m i t R ü c k s i c h t a u f d i e k o n k r e t e B e s c h a f f e n h e i t des Schiffes u n d der L a d u n g von der Art ist, d a ß es den g e w a l t s a m e n E i n w i r k u n g e n von W i n d u n d W e t t e r a u s d i e s e m G r u n d e d e n e r f o r d e r l i c h e n W i d e r s t a n d n i c h t z u l e i s t e n v e r m a g " (RG HansGZ 1891 Nr. 43). Deshalb ist es Sache des Schiffers, zu wissen, wie schwer er sein Schiff beladen kann, ohne es zu überladen. Bei Beantwortung dieser Frage ist nicht nur das Gewicht der Ladung, sondern auch Alter, Bauart und Material des Schiffes, Art der Belastung und Verhältnis der Auswässerung zum Tiefgang in Betracht zu ziehen. Vgl. von früheren Entscheidungen HansOLG HansGZ 1883 Nr. 135; RG HansGZ 1891 Nr. 43; OSA Bd. 3 S. 321; Bd. 5 S. 698; Bd. 8 S. 237; Bd. 6 S. 385 und folgende. Durch die VO ü b e r d e n F r e i b o r d d e r K a u f f a h r t e i s c h i f f e vom 25. 12. 1932 (vgl. den Abdruck Bd. I S. 977) ist die Anbringung einer F r e i b o r d m a r k e am Schiff vorgeschrieben. Vgl. auch die VO über den Freibord der Binnenschiffe auf Seeschiffahrtsstraßen vom 18. 7. 1956 (siehe den Abdruck Bd. I S. 1129). Gemäß Art. 8 Abs. 1 der VO über den Freibord der Kauffahrteischiffe darf kein Schiff tiefer als bis zur vorgeschriebenen Freibordmarke beladen werden. Wenn jedoch bei der Beladung bis zur Freibordmarke die Stabilität des Schiffes nicht gesichert ist, so darf es nur so weit weggeladen werden, daß es f ü r die bevorstehende Reise hinreichende Stabilität behält. Siehe die Sondervorschrift f ü r Fahrgastschiffe in Art. 8 Abs. 2 der FreibordVO. Vgl. § 27 SSV (Bd. I S. 762), wonach die Stabilität des unbeschädigten Schiffes unter allen Betriebsverhältnissen so groß sein muß, daß sie beim Endstadium der vollen Überflutung irgendeiner Hauptabteilung, die innerhalb der Grenzen der flutbaren Länge bleiben muß, ausreicht (vgl. auch Schiffssieherheitsvertrag London 1948 Kapitel I I Regel 7 — Bd. I S. 622). Siehe aus der neueren Rechtsprechung betr. Überladung und dadurch verursachte mangelnde Stabilität des Schiffes insbesondere auch BGHZ 27, 79 = MDR 1958 S. 487 = Hansa 1958 S. 1337 (Fall „Irene Oldendorf!"). Aus dieser Entscheidung ist hervorzuheben: Die in glattem Wasser vorhandene Stabilität genügt den auf offener See vorhandener Verhältnissen nicht immer, besonders wenn bei schwerem Wetter überkommendes Wasser zwischen den Koksstücken der Decksladung nur schwer abfliessen kann. Ein Schiff h a t keine ausreichende Stabilität, wenn sein Schwerpunkt so hoch und (oder) soweit seitlich der Mittelschiffsebene liegt, also sein von dem Produkt aus Gewicht und Hebelarm bestimmtes Aufrichtevermögen so gering ist, daß die Gefahr des Kenterns besteht. Die Stabilität muß in jedem Falle ohne Rücksicht auf den Tiefgang gewährleistet sein. Insoweit kommt es auch nicht auf eine Sondergenehmigung an, das Schiff f ü r bestimmte Fahrten bis zur Frischwassermarke abzuladen. Jedes Schiff muß gegenüber der Stabilität im glatten Wasser eine gewisse Reservestabilität besitzen, die auch bei schlechtem Wetter die Gefahr des Kenterns ausschließt. Dabei ist insbesondere die Deckslast in Rechnung zu stellen. Nach § 21 UVV darf nicht mehr Deckslast genommen werden, als mit der Stabilität des Schiffes vereinbar ist. Die Höhe der Deckslast ist so zu bemessen, daß das Schiff auch während der Reise keine erhebliche Schlagseite aus ungenügender Stabilit ä t erhält, wobei besondere Rücksicht auf die Gefahr der Gewichtszunahme infolge der Wasseraufsaugung durch die Deckslast zu nehmen ist. Der Reeder ist f ü r die Stabilität des Schiffes verantwortlich, wenn auch in erster Linie die Verantwortlichkeit des Kapitäns besteht (Art. 8 Freibordverordnung; § 1202 RVO; §§ 2, 6, 20 Abs. 1, 5, 21 Abs. 1, 6 UVV; nicht richtig M ü l l e r - K r a u s s , Handbuch f ü r die Schiffsführung Bd. 2 S. 338). § 21 Abs. 6 U W

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Anm. 8

Anm. 9

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schreibt vor, daß bei Neubauten und stabilitätsbeeinflussenden Umbauten f ü r die wichtigsten in Betracht kommenden Beladungsfälle und Tiefgänge die Hebelarmkurven der statischen Stabilität aufgestellt und dem Führer des Schiffes ausgehändigt und erläutert werden müssen. Vgl auch die binnenschiffahrtsrechtliche Entscheidung BGH MDR 1960 S. 30 = Hansa 1959 5. 2602, wonach dort genaue technische Kenntnisse (Hebelarmkurven etc.) des Kapitäns in der Regel nicht erforderlich sind. Siehe auch § 38 SSV mit den dort vorgeschriebenen Stabilitätsprüfungen f ü r Fahrgast und Frachtschiffe (Bd. I S. 776). Vgl. § 21 U W (Bd. I S. 874). Siehe wegen technischer Einzelheiten über die Stabilitätslehre M ü l l e r - K r a u s s , Handbuch der Schiffsführung, Bd. I I 6. Aufl. 1959 S. 337 ff. Nicht maßgebend f ü r das einzuladende Gewichtsmaximum ist die Vermessung, seitdem diese nicht mehr das Maximalgewicht der Ladung, sondern den kubischen Inhalt des Schiffes angibt (anders noch das Binnenschiffahrtsrecht). Eine r e l a t i v e Überladung, d.h. eine solche beim Passieren bestimmter Gewässer, soll vermieden werden durch Klauseln wie „the quantity loaded not to exceed, what the ship can carry to savely cross Martin Garcia Bar without lighterage" (HansGZ 1899 Nr. 33). Anm. 10

4. Für den nötigen Ballast. Die Beschaffung von geeignetem Ballast in genügender Menge, und zwar die r e c h t z e i t i g e Beschaffung desselben (OSA Bd. 2 S. 534) gehört zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, es müßte denn f ü r gewisse Arten von Schiffen (OSA Bd 1 S 668 ff., wo das Seeamt Königsberg von einem „usancemäßigen Fehler" spricht) oder bei gewissen Ladungen (OSA Bd. 1 S. 562: Holzladungen ohne Decklast) ein entgegenstehender befreiender Seemannsbrauch bestehen. Im allgemeinen ist es Seemannsbrauch, überall den dort üblichen Ballast einzunehmen (OSA Bd. 8 S. 292). In mehrfachen Entscheidungen der Seeämter wird die Verwendung von Sandballast als bedenklich bezeichnet, wenn das Schiff zugleich Ladung f ü h r t (OSA Bd. 7 S. 32; Bd. 8 S. 80). Ballasttanks sind zur Herstellung der Stabilität bei Getreideladungen mit Wasser zu füllen (OSA Bd. 4 S. 306ff.). Der Schiffer hat, wie f ü r die Verstauung der Ladung, so f ü r die gute B e f e s t i g u n g des Ballasts zu sorgen (OSA Bd. 6 S. 142); insbesondere ist Sand u. dgl. als Ballast durch Längsschotten zu sichern (OSA Bd. 9 S. 194, vgl. S. 404 ff.; Bd. 12 S. 73 ff.; bei kleinen Schiffen mißbräuchlicherweise nicht üblich).

Anm. 11

5. Für die erforderliche Garnierung. Unter Garnierung versteht man diejenigen Gegenstände, welche der Ladung als Unterlage dienen, damit sie nicht unmittelbar die Schiffsseiten berührt. Ihr Zweck ist hauptsächlich der Schutz der Ladung gegen den am Schiffsboden haftenden Schmutz und das eindringende Seewasser („Bilgenwasser"), daneben aber soll sie bei schweren Ladungen dazu dienen, den Schwerpunkt des Schiffes mehr nach oben zu verlegen, damit das Schiff nicht zu steif wird (anders RGZ 25, 106; vgl. aber B o y e n s Bd. 1 S. 337). Auch kann sie bei schwerer Ladung (Pflastersteine: OSA Bd. 1 S. 512) erforderlich sein, damit das Wasser nicht gehindert wird, direkt zu den Pumpen zu gelangen (vgl. auch OSA Bd. 2 S. 440, wo ein völlig abgedichtetes Garnier als einzige Sicherheit gegen die Verstopfung der Pumpen durch Sand bezeichnet wird). Das Material (Matten, Hölzer, Bretter, Lattengitter usw.) und die Art der Garnierung richtet sich nach Seemannsbrauch. Über die Garnierung bei Getreideladungen s. HansOLG und RG HansGZ 1904 Nr. 60, 142. Wo der Seemannsbrauch nicht von der Anbringung einer Garnierung überhaupt befreit (z. B. bei Eisenladungen in bestimmter Stauung, die das Schiff ausfüllen: OSA Bd. 1 S. 279; bei Brennholzladungen: OSA Bd. 7 S. 74), hat der Schiffer Sorge zu tragen dafür, daß eine Garnierung hergestellt werde, durch welche o h n e u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n K o s t e n a u f w a n d die Ladung möglichst gesichert wird (HansOLG HansGZ 1896 Nr. 92; HansGZ 1897 Nr. 90). Mit den sich hieraus ergebenden Einschränkungen haftet er f ü r die durch das Fehlen HansOLG HansGZ 1893 Nr. 27; 1915 S. 262; RGZ 25 Nr. 24; RG HansRG 1894 Nr. 45), Mangelhaftigkeit (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 91; 1905 Nr. 118; 1915 Nr. 67; fehlende Abmattung gegen gestreuten Kalk), schädliches Material (OAG Berlin SeuffA Bd. 24 Nr. 71), brauchwidrige Anbringung der Garnierung entstandenen Schäden. Wo eine schadenstiftende Berührung der Ladung mit Schmutz des Schiffsbodens und Bilgenwasser stattgefunden hat, ist das Fehlen des Garniers, also der durch Seemannsbrauch erprobten, üblichen und erforderlichen Maßregeln zur Verhütung derartigen Schadens unbe-

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denklich als ursächlich für den eingetretenen Schaden zu betrachten (HansOLG HansGZ 1896, 100). Da die Anbringung der Garnierung zur Stauung gehört, gilt von der Haftung für sie das oben Anm. 4ff. Gesagte. Unter die unsachgemässe Stauung („improper stowage") fällt auch der Mangel einer Garnierung (HansOLG HansGZ 1915, 262). §515 Wenn der Schiffer im Auslande die dort geltenden Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze, nicht beobachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Desgleichen hat er den Schaden zu ersetzen, welcher daraus entsteht, daß er Güter ladet, Ton denen er wußte oder wissen mußte, daß sie Kriegskonterbande seien. Haftung des Schiffers fttr Schaden, der entsteht aus der Nichtbeachtung ausländischen Rechts und aus der Verladung von Kriegskonterbande. Vgl. die einleitenden Bemerkungen zu § 513 HGB. 1. Nichtbeobachtung ausländischen Rechts an dessen Geltungsort macht den Schiffer ersatzpflichtig. a) Der Paragraph spricht nur von a u s l ä n d i s c h e n Vorschriften. Natürlich haftet der Schiffer auch wegen Verletzung der entsprechenden inländischen Vorschriften aus § 511 HGB; da indessen der inländische Reiseinteressent die letzteren gleichfalls zu kennen hat, so wird man, falls ein Tun oder Unterlassen des letzteren mit zu dem schädigenden Erfolge beiträgt, höhere Ansprüche an das Vorhandensein eines Verschuldens des Schiffers zu stellen bzw. leichter ein konkurrierendes Verschulden des Geschädigten (unten Anm. 5) anzunehmen haben als bei Verletzung des ausländischen Rechts. Dagegen hat im Verhältnis zu ausländischen Befrachtern bei Nichtbeobachtung inländischer Vorschriften durch den Schiffer der § 515zwar keine direkte (so B o y e n s Bd. 1 S. 339 Note 1), aber analoge Anwendung zu finden. b) Unter V o r s c h r i f t e n sind nicht nur gesetzliche, sondern Rechts- und VerwaltungsvorSchriften im weitesten Sinne zu verstehen. Es kommen in Betracht sowohl solche des öffentlichen Rechts, als auch solche des Privatrechts (z. B. des Seefrachtrechts). Beispiele: Verletzung von Ein- und Durchfuhrverboten, falsche Deklaration von Waren bei der Zollbehörde. c) Die Nichtbeobachtung muß auf Verschulden des Schiffers beruhen: denn § 515 bildet einen Anwendungsfall des § 511 HGB. Gerade auf dem Gebiet der Polizei-, Zoll- und Steuervorschriften sind Fälle häufig, in denen durch schuldlose Unkenntnis oder sonstige schuldlose Nichtbefolgung Schaden angerichtet wird: für letzteren hat der Schiffer nicht zu haften. Dagegen selbstverständlich für Schaden, der entsteht durch eine fahrlässige Nichtkenntnis: denn es entspricht der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, sich, sofern ihn die Reise in ausländische Gewässer oder Häfen führt, über die dort geltenden Vorschriften zu orientieren. Ob er hierbei auch für die Fahrlässigkeit seiner etwaigen Berater, bei deren Auswahl ihn kein Verschulden trifft, aufkommen muß, ist Frage des Einzelfalles und hängt davon ab, ob er die Auskunft des Beraters ohne Nachprüfung hinnehmen durfte. — Alle U s a n c e n fremder Häfen zu kennen, kann ihm nicht wohl zugemutet werden (HansOLG HansGZ 1902, 296). — Eine auch dem Schiffer zugute kommende Ü b e r w ä l z u n g gewisser Zollstrafen auf die Ladungsbeteiligten enthält die in HansGZ 1880, 218 wiedergegebene Klausel. 2. Verladung von Kriegskonterbande. Auch die Beobachtung völkerrechtlicher Normen gehört zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers. Völkerrechtliche Delikte sind insbesondere der B l o c k a d e b r u c h u n d die B e f ö r d e r u n g von K r i e g s k o n t e r b a n d e . Die Begriffe beider schwanken und sind in jedem Kriege anders, wie schon Prot. 1761 bemerkt und in den beiden Weltkriegen bestätigt wurde. Nach § 515 macht den Schiffer schadensersatzpflichtig schon die L a d u n g von Kriegskonterbande; er haftet also z.B. für die Verzögerung, die daraus ensteht, daß schon vor Beginn der Beförderung die geladene Kriegskonterbande durch die Behörde des Ladehafens beschlagnahmt wird. Das Erfordernis des V e r s c h u l d e n s ist in diesem Falle ausdrücklich im Gesetz genannt: der Schiffer haftet nur dann, wenn er w u ß t e oder wissen m u ß t e (§ 122 BGB), daß die von ihm geladenen Güter Kriegskonterbande

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Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

§516

Vierter Teil. Seehandelsrecht

seien. Erfährt er es erst nachträglich, so hat er die Verpflichtung, sich derselben in geeignetester Weise zu entledigen, in dringenden Fällen sogar, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, sie über Bord zu werfen (§ 564 Abs. 5 HGB). Anni. 5

3. Konkurrierendes Verschulden des Beschädigten. Für die Fälle des Abs. 1 und 2 gilt gemeinsam der Satz, daß, falls bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang desselben von den Umständen abhängt, insbesondere davon, wer den Schaden überwiegend verursacht hat (§ 254 BGB). Es entscheidet hierüber freies richterliches Ermessen. Hiernach dürfte der Schiffer dem Beschädigten haften, wenn die Übertretung der in § 515 genannten Normen vom Schiffer vorsätzlich, vom Beschädigten fahrlässig begangen ist, dagegen die Haftung gegenüber d i e s e n Interessenten wegfallen, wenn beide vorsätzlich handelten. Bei beiderseitiger Fahrlässigkeit sind deren Grade gegeneinander abzuwägen. So ist Nichtkenntnis ausländischer, den Transport betreffender Zollgesetze bei dem Schiffer weniger entschuldbar als bei dem Befrachter.

§516 Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, hat der Schiffer die Reise bei der ersten günstigen Gelegenheit anzutreten. Auch wenn er durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, darf er den Abgang des Schiffes oder die Weiterfahrt nicht ungebührlich aufhalten; er muß vielmehr, wenn Zeit und Umstände gestatten, die Anordnung des Reeders einzuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegengesetzten Falle einen anderen Schiffer einsetzen. Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verantwortlich, als ihm bei dessen Wahl ein Verschulden zur Last fällt. Pflicht des ungesäumten Reiseantritts. Verhalten des Schiffers in Behinderungsfällen. Anm. 1

1. Verpflichtung zum ungesäumten Reiseantritt. Wenn das Schiff zum A b g e h e n f e r t i g i s t , d.h. wenn ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis dem Reiseantritt nicht entgegensteht (Anm 2 zu § 482 HGB), so hat der Schiffer bei der ersten günstigen Gelegenheit die Abfahrt zu bewerkstelligen. Unmotiviertes Zögern macht ihn schadensersatzpflichtig. Vorhandensein und Gewichtigkeit der Hinderungsgründe hat er den Reiseinteressenten nachzuweisen.— O h n e w e i t e r e s i s t d i e B e s t i m m u n g d e s A b s . 1 a u f d a s V e r h a l t e n d e s Schiffers nach dem R e i s e a n t r i t t , also auf die F o r t s e t z u n g der Reise, analog a n z u w e n d e n (Meier BuschsA Bd. 30 S. 61). Der Schiffer darf also nicht ohne Not die Reise unterbrechen oder Abweichungen von der Reiseroute („Deviationen") vornehmen, und er muß, wenn eine Unterbrechung erfolgt ist, ohne überflüssigen Aufenthalt die Weiterreise antreten. Vgl. auch §§ 536, 636 a H G B und die dortigen Anmerkungen.

Anm. 2

2. Die Verhinderung des Kapitäns. Das Verhältnis der Vorschrift des Abs. 2 zu der Bestimmung des § 2 Abs. 3 SeemG ist nicht ohne weiteres klar. In § 2 Abs. 3 SeemG heißt es: Ist ein Kapitän nicht vorhanden oder ist er verhindert, so nimmt der Erste Offizier des Decksdienstes oder der Alleinsteuermann die Pflichten und Befugnisse des Kapitäns wahr. Zu § 2 Abs. 3 SeemG ist zunächst zu sagen, daß auch schon vor Inkrafttreten des SeemG angenommen wurde, daß der Steuermann, wenn der Schiffer gestorben oder sonst außerstande war, seinen Pflichten aus § 516 Abs. 2 zu genügen, an seine Stelle als „provisorischer Vertreter" trat. Vgl. die Vorauflage dieses Kommentars Anm. 6 zu § 516. E r wurde aus dem Wesen der Schiffshierarchie heraus als „heres necessarius" angesehen, dessen Eintritt ipso iure (Prot. 3830f.) erfolgte. Es wurde dieser gleichsam gewohnheitsrechtliche Eintritt gegenüber der sich aus § 516 Abs. 2 ergebenden Rechtslage aber nur als subsidiär angesehen. S c h l e g e l b e r g e r meint in der Anmerkung 2 zu § 516 HGB, die Vorschrift des § 516 Abs. 2 habe durch die Bestimmung von § 2 Abs. 3 SeemG erheblich an Bedeutung eingebüßt. Diese Vorschrift gebe der Entschließung des Reeders oder des Kapitäns keinen Spielraum. Der Erste Offizier des Decksdienstes oder der Alleinsteuermann übernehme kraft Gesetzes die

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§516

gesamten Aufgaben eines verhinderten Kapitäns mit allen Pflichten und Befugnissen und der zivil- und strafrechtlichen Verantwortung. Damit sei ein ungebührliches Aufhalten des Abgangs oder der Weiterfahrt des Schiffes als Folge der Verhinderung des Kapitäns ausgeschlossen, sofern nicht auch der Erste Offizier oder der Alleinsteuermann verhindert seien. Solange die gesetzliche Vertretung durchführbar sei, seien Reeder und Kapitän an sie gebunden. Der Reeder könnte diese Vertretung nur dadurch verhindern, daß er den Ersten Offizier und den Alleinsteuermann fristlos entlasse, falls ihr Verhalten dazu Anlaß gebe; und der K a p i t ä n könnte einen anderen Kapitän von sich aus nur einsetzen, wenn beide gesetzlichen Vertreter weggefallen seien. Sei der Kapitän verstorben, so sei es Pflicht des Reeders, einen anderen Kapitän zu bestellen; bis dahin liege die Führung des Schiffes bei dem Ersten Offizier oder Alleinsteuermann. Vorsichtiger ist die Formulierung bei S c h e l p - F e t t b a c k , Seemannsgesetz, Anm. 7 zu § 2 SeemG. Sie meinen, der Fall der Stellvertretung trete nur ein, wenn ein Kapitän entweder nicht vorhanden oder verhindert sei, z. B. wenn er verstorben sei oder in eine Krankenanstalt überführt wurde. Bei Verhinderung des Kapitäns würde es sich darum handeln müssen, daß der Kapitän vorübergehend nicht in der Lage sei, die Befugnisse auszuüben, z. B. bei Erkrankung oder Abwesenheit vom Schiff. Keine Verhinderung in diesem Sinne liege vor, wenn sich der Kapitän an Bord befinde und nur anderweitig beschäftigt sei. Vgl. auch § 106 Abs. 5 SeemG, wonach der Kapitän seine in § 106 Abs. 1 bis 4 erwähnten Befugnisse bezüglich der Ordnung an Bord auf den Ersten Offizier des Decks- und den Ersten Offizier des Maschinendienstes innerhalb ihrer Dienstzweige übertragen kann, wenn er nicht in der Lage ist, sie selbst auszuüben. Eine e i n d e u t i g e Rechtslage ergibt sich danach nur f ü r den Fall, daß der Kapitän verstorben ist. Dann greift § 516 Abs. 2 überhaupt nicht ein, denn er betrifft nur den durch Krankheit und andere Ursachen verhinderten Kapitän. Dann liegt die Führung des Schiffes ohne weiteres gemäß § 2 Abs. 3 SeemG bei dem Ersten Offizier des Decksdienstes oder bei dem Alleinsteuermann, bis der Reeder seiner Pflicht, einen neuen Kapitän zu bestellen, nachgekommen ist. Insoweit ist S c h l e g e l b e r g e r a.a.O. zuzustimmen. Fraglich kann dann nur das Verhältnis des § 2 Abs. 3 SeemG zu § 35 des Gesetzes, betr. die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln (KonsulatsG) vom 8. 11. 1867 (vgl. den Abdruck des Gesetzes in Bd. I S. 1218) sein. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei § 35 KonsulatsG nur um eine Befugnis des Konsuls handelt. Sollte der Erste Offizier des Deckdienstes oder der Alleinsteuermann sich als ungeeignet erweisen, so bestehen keine Bedenken, daß der Konsul von seiner Befugnis aus § 35 auch gegenüber der Regelung des § 2 Abs. 3 SeemG Gebrauch macht. Der zweite Fall des § 2 Abs. 3 SeemG ist der der Verhinderung des Kapitäns. Von einer „Verhinderung durch Krankheit oder durch andere Ursachen" redet auch § 516 Abs. 2. I m Gegensatz zu S c h l e g e l b e r g e r a.a.O. ist das Verhältnis beider Bestimmungen so zu verstehen, daß der Verhinderungsfall des § 2 Abs. 3 SeemG erst dann gegeben ist, wenn der Kapitän verhindert ist, der in § 516 Abs. 2 vorgesehenen Regelung nachzukommen. § 516 Abs. 2 h a t also den Vorrang vor § 2 Abs. 3 SeemG. Erst wenn der Kapitän so verhindert ist, daß er einen anderen Schiffer überhaupt nicht mehr einsetzen kann, greift die gesetzlich vorgesehene Vertretungsbefugnis aus § 2 Abs. 3 SeemG ein. Nur diese Auffassung entspricht der geschichtlichen Entwicklung. Nur sie erklärt, weshalb der Gesetzgeber bei dem Erlaß des SeemG den § 516 Abs. 2 nicht geändert hat. F ü r den Fall der Verhinderung des Kapitäns gilt f ü r das Verhältnis des § 35 KonsulatsG zu § 2 Abs. 3 SeemG gleiches wie f ü r den Fall des Todes des Kapitäns. H ä l t der Konsul es f ü r zweckmäßig, gegenüber einem unfähigen gesetzlichen Vertreter des Kapitäns auf Grund des § 2 Abs. 3 SeemG, von seiner Befugnis aus § 35 KonsulatsG Gebrauch zu machen, so ist nicht einzusehen, weshalb es dabei nicht sein Bewenden haben soll. 3. Die Regelung des § 516 Abs. 2 im einzelnen. Ist der Schiffer durch Krankheit oder andere Ursachen, z. B. Verhaftung, verhindert, das Schiff zu führen, so ist es alsdann Pflicht des zum Handeln fähigen Schiffers, u n g e b ü h r l i c h e n A u f e n t h a l t zu v e r m e i d e n . Indessen darf er nicht etwa im Krankheitsfalle sich zumuten, mit unzureichenden Körper- oder Geisteskräften die Führung des Schiffs beizubehalten (OSA Bd. 2 S. 393). Es gilt vielmehr folgendes :

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Anm. 3

§516

Vierter Teil. Seehandelsrecht

aa) I s t d a s H i n d e r n i s d e r a r t i g , d a ß es n a c h p f l i c h t g e m ä ß e m E r m e s s e n des S c h i f f e r s in e i n e r im V e r h ä l t n i s z u r D a u e r o d e r E i l i g k e i t d e r R e i s e k u r z e n Z e i t b e h o b e n sein w i r d , so hat der Schiffer, weil die Nachteile eines Kommandowechsels schwerer sind als diejenigen der Zeitversäumnis, den Abgang oder die Weiterfahrt des Schiffes aufzuhalten: der Aufenthalt ist alsdann kein ungebührlicher. Doch lassen sich sehr wohl Fälle denken, in denen der Schiffer aus praktischen Gründen das Schiff unter Führung seines gesetzlichen Vertreters nach § 2 Abs. 3 SeemG abgehen lassen wird, um es im nächsten Hafen, den er durch andere Verkehrsmittel schneller erreichen kann, wieder zu treffen. Amn. 4

b) I s t d a s H i n d e r n i s n a c h S a c h l a g e v o n u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g l a n g e r o d e r n i c h t v o r a u s z u s e h e n d e r D a u e r , wäre also ein Aufenthalt bis zur Beseitigung desselben ungebührlich, so hat der Schiffer, aa) w e n n Z e i t u n d U m s t ä n d e dies g e s t a t t e n , die Anordnungen des Reeders einzuholen und die bis zum Eintreffen derselben erforderlichen geeigneten Vorkehrungen zu treffen. Doch werden solche vielfach nicht erforderlich sein, da notfalls bis zu ihrem Eintreffen die Stellvertretung aus § 2 Abs. 3 SeemG eingreift. bb) W e n n die B e n a c h r i c h t i g u n g des R e e d e r s m i t R ü c k s i c h t a u f Z e i t o d e r U m s t ä n d e u n t u n l i c h i s t , sofort einen a n d e r e n S c h i f f e r einzusetzen. Er ist hierbei nicht (wie nach § 517 Abs. 1 HGB) an die Personen der Schiffsmannschaft gebunden, braucht auch nicht gerade eine Person zu wählen, welche den gewerberechtlichen Anforderungen entspricht (Anm. 9 Vorbem. vor § 511 HGB). Er haftet für culpa in eligendo, die ih m nachzuweisen ist (eine Milderung gegenüber BGB § 831 BGB), ist aber im übrigen für den Gewählten nicht verantwortlich, der in § 516 Abs. 2 Satz unzutreffend als Stellvertreter bezeichnet wird (vgl. auch M i t t e l s t e i n HB 80). Erst wenn der Kapitän seine Ernennungspflicht nicht erfüllt, greift wiederum § 2 Abs. 3 SeemG ein. Es kann aber auch dann der Bundeskonsul von seiner Befugnis aus § 35 KonsulatsG Gebrauch machen, was wiederum den Vorrang vor § 2 Abs. 3 SeemG hätte.

Anm. 5

Der vom Schiffer als gesetzlichem Vertreter des Reeders eingesetzte Kapitän hat die vollen Rechte und Pflichten eines Kapitäns, wie sie sich aus dem SeemG, aus §§511 ff. HGB oder aus sonstigen gesetzlichen Bestimmungen in privatrechtlicher und in öffentlich-rechtlicher Beziehung ergeben.

Anm. G

4. Ist der Erste Offizier des Decksdienstes oder der AUeinsteuermann gemäß § 2 Abs. 3 SeemG als Vertreter des Kapitäns eingetreten, so ist es fraglich, ob es ihm auch zusteht, unter den Voraussetzungen des § 516 Abs. 2 einen anderen Kapitän einzusetzen, wenn er selbst verhindert ist. Obwohl ihm § 2 Abs. 3 SeemG alle Pflichten und Befugnisse eines Kapitäns zuspricht, wird das zu verneinen sein. Eine so weittragende Verantwortung, wie sie mit der Einsetzung eines anderen Kapitäns verbunden ist, kann nur von dem vom Reeder eingesetzten Kapitän übernommen werden. Es ist dem Reeder nicht zumutbar, das Risiko zu übernehmen, das evtl. mit der Einsetzung eines Kapitäns durch einen Vertreter nach § 2 Abs. 3 SeemG. verbunden wäre. Denn der Reeder haftet für Handlungen oder Unterlassungen des Stellvertreters des Kapitäns ebenso wie für Handlungen oder Unterlassungen des Kapitäns. In einem solchen Falle muß deshalb § 35 KonsulatsG eingreifen.

Anm. 7

5. Ist auf dem Schiff nach Wegfall des Kapitäns auch ein Erster Offizier des Deckdienstes oder ein AUeinsteuermann nicht vorhanden und können weder Reeder noch Konsul eingreifen, so liegt der Eintritt in die Schifferstellung dem R a n g ä l t e s t e n , evt. bei gleichem Rang d e m a n L e b e n s a l t e r V o r g e h e n d e n ob. Das Rechtsverhältnis dieser Personen zu den Reiseinteressenten richtet sich nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag; eine Haftimg wird gemäß § 680 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit angenommen werden können (vgl. Prot. 3830ff.), dagegen bleibt die Haftung des Reeders für j e d e s Verschulden des Eintretenden (§ 485 HGB) unberührt. Hat der Eintretende nicht die zur Führung des Schiffes erforderlichen Fähigkeiten (Bildungsgrad, Erfahrung), so ist seine Hauptpflicht die tunlichst schleunige Stellung eines Antrages an den Bundeskonsul auf Ernennimg eines neuen Schiffers.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§517

§ 517 Vom Beginne des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung darf der Schiffer das Schiff gleichzeitig mit dem Steuermanne nur in dringenden Fällen verlassen; er hat in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsoffizieren oder der übrigen Mannschaft einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Dasselbe gilt auch vor dem Beginne des Ladens und nach der Beendigung der Löschung, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Heede liegt. Bei drohender Gefahr oder wenn das Schiff sich in See befindet, muß der Schiffer an Bord sein, sofern nicht eine dringende Notwendigkeit seine Abwesenheit rechtfertigt. Pflicht der Beaufsichtigung des Schilfes. Sie ist in gewissen Fällen insofern eine qualifi- Elnleltg. zierte, als der S c h i f f e r das Schiff n i c h t oder n u r u n t e r g e w i s s e n V o r a u s setzungen verlassen darf. Das SeemG kennt besondere Bestimmungen über eine Bordanwesenheitspflicht des Kapitäns nicht. Anders für die Besatzungsmitglieder, die nach § 28 SeemG grundsätzlich auch während ihrer dienstfreien Zeit zur Anwesenheit an Bord verpflichtet sind. I. Die einzelnen Fälle der qualifizierten Beaufsichtlgungspflieht. 1. Der Schiffer darf das Schiff nicht gleichzeitig mit dem Steuermann verlassen. Unter einem solchen ist in erster Linie der Erste Offizier des Decksdienstes oder der Alleinsteuermann zu verstehen, die nach § 2 Abs. 3 SeemG die geborenen Vertreter des Kapitäns sind. Der Schiffer und sein geborener Vertreter dürfen also nicht gleichzeitig von Bord entfernt sein: a) vom Beginne des Ladens bis zur Beendigung der Löschung, also in der Zeit, während derer Fürsorge für die Ladung zu treffen ist; b) auch außerhalb dieser Zeit, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Reede liegt. Ausnahmen sind nur in dringenden Fällen statthaft (bloßer Urlaub durch den Reeder wirkt nach § 512 Abs. 2 und 3 HGB); alsdann hat der Kapitän — ebenso der Erste Offizier des Decksdienstes oder der Alleinsteuermann als die geborenen Vertreter des Kapitäns, die in Abwesenheit des Kapitäns aus dringenden Gründen das Schiff verlassen — einen geeigneten Vertreter aus der Zahl der Schiffsbesatzung zu bestellen und ihn mit eingehenden Instruktionen zu versehen. In der Regel wird hierfür der nach dem Ersten Offizier des Decksdienstes anwesende rangnächste Offizier des Decksdienstes in Frage kommen. Der Vertreter, auch der Erste Offizier des Decksdienstes oder der AUeinsteuermann wird in Abwesenheit des Schiffers im Falle des § 517 nicht selbst zum Schiffer, doch hat er dessen Funktionen wahrzunehmen, also alles zu erledigen, was der Erledigung bedarf, insbesondere auch die Entgegennahme von Ladungsgütern (ROHG 20, 121). Aus der B e s t i m m u n g des Abs. 1 f o l g t ü b r i g e n s n i c h t , d a ß der S c h i f f e r s t e t s b e r e c h t i g t w ä r e , von B o r d zu g e h e n , s o b a l d der S t e u e r m a n n an B o r d i s t ; er darf dies vielmehr nur, wenn er es nach Sachlage mit der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers vereinen kann (Prot. 3753, 3892). 2. Der Schiffer muß stets an Bord sein:

Anm. 1

Anm. 2

a) Bei drohender Gefahr. Erfährt er von derselben, wenn er nicht an Bord ist, so hat er, wenn möglich, sich schleunigst an Bord zu begeben (Prot. 3893). Nichterkenntnis der Gefahr macht ihn, wenn sie durch Fahrlässigkeit verursacht ist, haftbar, wie wenn er sie gekannt hätte (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 71). B e i s p i e l e : Festsitzen des Schiffes (OSA Bd. 2 S. 161), Sturm (OSA Bd. 5 S. 586), Gefahr der Verschlechterung von Schiff oder Ladung nach der Strandung (OSA Bd. 2 S. 715; Bd. 9 S. 287) oder einem sonstigen Unfall (OSA Bd. 1 S. 647, 653); Explosionsgefahr (HansOLG HansGZ 1883 Nr. 32; RGZ 8, 167). Nach der wohlbegründeten Praxis der Seeämter trifft der Paragraph auch das nicht durch alle Umstände gebotene Verlassen eines leck ge175

§518

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wordenen oder gestrandeten Schiffes (OSA Bd. 3 S. 177, 447; Bd. 4 S. 33; Bd. 6 S. 106; Bd. 7 S. 570), weil hierbei Schiff und Ladung in drohender Gefahr zurückgelassen werden; ebenso das Verlassen des aufgegebenen Schiffes durch den Schiffer, bevor es der letzte Mann der Mannschaft verlassen hat (OSA Bd. 4 S. 88, 438), weil sonst der zurückbleibende Teil in Gefahr zurückgelassen wird. Siehe auch § 28 SeemG. Auch aus dieser Bestimmung kann jedenfalls mittelbar geschlossen werden, daß der Kapitän bei Schiffbruch als letzter das Schiff verläßt. In ihr ist bestimmt, daß bei drohendem Schiffbruch das Besatzungsmitglied das Schiff ohne Einwilligung des Kapitäns nicht verlassen darf, solange dieser selbst an Bord bleibt. So auch S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 517 HGB. b) Wenn sieh das Schill in See befindet. Ausnahmen sind nur durch dringende Notwendigkeit zu rechtfertigen (z.B. wenn der Kapitän das Schiff verläßt, um persönlich Hilfe zu holen, weil nur von seinen Bemühungen Erfolg zu erwarten ist: OSA Bd. 5 S. 217). II. Haftung und Beweislast. Anm. 3

1. Haftung. a) Der Schiffer, welcher ungerechtfertigt das Schiff verlassen hat, haftet f ü r alle diejenigen Schäden, f ü r die seine Pflichtwidrigkeit adäquat kausal ist (RGZ 8, 167 ff.), insbesondere diejenigen, welche er, wäre er an Bord gewesen, durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers hätte verhindern oder abschwächen können (vgl. HansOLG HansGZ 1884 Nr. 71). b) Der Schiffer, welcher gerechtfertigterweise das Schiff verlassen hat, haftet insofern f ü r das, was in seiner Abwesenheit geschieht, als er es unterläßt, unter Anwendung der Sorgfalt des § 511 HGB nach seiner Rückkehr eine Beaufsichtigung und Kontrolle auszuüben (z.B. über die in seiner Abwesenheit erfolgte Stauung, Garnierung, Verproviantierung usw.: Prot. 1779). Ferner haftet er nach § 831 BGB.

Anm. 4

2. Die Beweislast folgt den allgemeinen Regeln (Anm. 14 zu § 511). Wo sich also der Schiffer überhaupt zu entlasten hat, muß er beweisen, daß er nicht ohne gesetzliche Rechtfertigung das Schiff verlassen hat. In den übrigen Fällen ist ihm das Verlassen des Schiffes im Bestreitungsfalle nachzuweisen — dasselbe stellt sich, soweit die qualifizierte Beaufsichtigungspflicht reicht, prima facie als Pflichtwidrigkeit dar —, wogegen es ihm unbenommen bleibt, einen der gesetzlichen Ausnahmefälle darzutun. § 518 Wenn der Schiffer in Fällen der Gefahr mit den Schiffsoffizieren einen Schiffsrat zu halten für angemessen findet, so ist er gleichwohl an die gefaßten Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt stets für die von ihm getroffenen Maßregeln verantwortlich.

Einleitg.

Anm. 1

Schiffsrat. Jeder Schiffer wird in die Lage kommen, in gefahrvollen Situationen über die zu treffenden Maßregeln im Zweifel zu sein und des Rates anderer in der Seefahrtpraxis erfahrener Männer zu bedürfen. Um dem zu genügen, kann er einen Schiffsrat berufen. Schiffsrat ist eine Versammlung der Schiffsoffiziere, in Fällen der Gefahr vom Schiffer berufen zwecks Abgabe eines Gutachtens Uber die zu treffenden Maßregeln. Hierzu ist zu bemerken: 1. Der Schiffsrat ist eine Versammlung der Schiffsoffiziere. Wer Schiffsoffizier ist, sagt das HGB nicht. In Betracht kommt die Begriffsbestimmung des § 4 SeemG. Danach sind Schiffsoffiziere die Angestellten des nautischen oder des technischen Schiffsdienstes, die eines staatlichen Befähigungszeugnisses bedürfen, die Schiffsärzte, die Seefunker, die Inhaber eines Seefunkzeugnisses 1. oder 2. Klasse sind, und die Zahlmeister. Vgl. die näheren Erläuterungen in den Anm. zu § 4 SeemG. Siehe auch Anm. 5 zu § 481 HGB. Für den Schiffsrat kommt nicht in Betracht, wer f ü r die Offizierstellen angemustert ist, sondern wer sie tatsächlich wahrnimmt. Sonstige Besatzungsmitglieder, also die sonstigen Angestellten des § 5 SeemG und die Schiffsleute des § 6 SeemG, vor allem aber die gar nicht zur Schiffsbesatzung gehörigen Personengruppen des § 7 SeemG, gehören nicht in den Schiffsrat (Prot. 1788).

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§519

2. Eine vom Schiffer berufene Versammlung. Eine Versammlung der Offiziere unter sich ist noch kein Schiffsrat. Der Schiffer ist zur Berufung des Schiffsrats niemals verpflichtet; doch ist sie vielfach f ü r ihn praktisch wertvoll, weil er, wenn er den Beschlüssen des Schiffsrats folgt, Dritten gegenüber mehr als die eigene Autorität f ü r die von ihm getroffenen Maßregeln in die Schale werfen kann.

Anm. 2

3. Zwecks Abgabe einer gutachtlichen Äußerung: a) Der Schiffsrat hat einen Beschluß über die ihm vorgelegten Fragen zu fassen; hierbei entscheidet die Mehrheit der Stimmen ( G o l d s c h m i d t Z H R Bd. 35 S. 367). Die Beschlüsse sind in das Tagebuch einzutragen (§ 520 HGB). b) Der Beschluß hat nur die Bedeutung eines Gutachtens, durch das die Ansicht des Schiffers geklärt werden soll (OSA Bd. 15 S. 791). Der Schiffer ist nicht verpflichtet, danach zu handeln, und ist, wenn er es tut, dennoch f ü r seine Maßregeln verantwortlich. Der Schiffsrat hat also nur b e r a t e n d e Stimme.

Anm. 3

Anm. 4

§519 Auf jedem Schiffe muß ein Tagebuch geführt werden, in welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Einnehmen der Ladung oder des Ballastes begonnen ist, einzutragen sind. Das Tagebuch wird unter der Aufsicht des Schiffers von dem Steuermann und im Falle der Verhinderung des letzteren von dem Schiffer selbst oder unter seiner Aufsicht von einem durch ihm zu bestimmenden geeigneten Schiffsmanne geführt. S c h r i f t t u m : W ü s t e n d ö r f e r H B 545; M ü l l e r - K r a u s s , Handbuch f ü r die Schiffsführung, I I . Bd. 6. Aufl. 1959 S. 73ff.; B u d d e - K o c h , Die Seestraßenordnung und andere seerechtliche Vorschriften in der Praxis, 13. Aufl. 1958 IV 1. Die §§ 519—521 treffen Bestimmungen über die Führung des Schiffstagebuchs. Da sie Elnleltg. keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen, sind sie auf landesgesetzlichem Wege durch die in sämtlichen Bundesseeländern vereinbarungsgemäß gleichlautende Vorschrift, die „Tagebuchverordnung" (TBV) (abgedruckt im Anhang zu § 520), ergänzt. § 519 legt die Pflicht zur Ftthrung des Tagebuchs fest, gibt eine allgemeine Vorschrift über den Inhalt desselben und bezeichnet die Personen, die ffir die Führung zu sorgen haben. 1. 1. Begriff und Bedeutung des Tagebuchs. Soweit nicht drahtlose Verbindung besteht, Anm. 1 ist das Schiff während der Reise von der übrigen Welt abgeschlossen, bildet gewissermaßen eine Welt f ü r sich; was auf ihm vorgeht, gelangt erst, nachdem es das Land erreicht, vielfach erst nach Beendigung der Reise, zur Kenntnis der daran interessierten Personen. Deshalb ist es notwendig, daß über die vielen, teils privatrechtlich, teils staats- oder strafrechtlich erheblichen Vorfälle, die sich an Bord des Schiffes während der Reise ereignen, ein zuverlässiges Zeugnis geschaffen wird, welches f ü r den Beweis jener Begebenheiten als Grundlage zu dienen und evtl. das persönliche Zeugnis jener Personen zu ersetzen geeignet ist. Diesem Zwecke dient das T a g e b u c h (Schiffsjournal, englisch log book). Dasselbe ist eine nach Tagen geordnete Aufzeichnung aller das Schiff, die Ladung und zum Teil aueh die auf dem Schiff befindlichen Personen betreffenden privat- und öffentlichrechtlich erheblichen Vorgänge, welche sich während der Reise ereignen. 2. Inhalt des Tagebuchs. In das Tagebuch sind einzutragen f ü r j e d e R e i s e a l l e e r - Anm. 2 heblichen B e g e b e n h e i t e n , von dem Beginn des E i n n e h m e n s der L a d u n g oder des B a l l a s t e s an. a) Für jede Reise: s. u. zu 3b (Anm. 9). b) Alle erheblichen Begebenheiten. Dies sind nicht etwa nur außergewöhnliche Ereignisse, Anm. 3 sondern alles das, was auf einer Seereise überhaupt Wichtiges vorkommt. Was im einzelnen einzutragen ist, besagen § 520, die TBV und andere gesetzliche Bestimmungen. Die E r h e b l i c h k e i t der Eintragungen kann verschiedener Natur sein, nämlich: aa) A u s s c h l i e ß l i c h p r i v a t r e c h t l i c h . Hier sind zu nennen diejenigen Eintragungen, Anm. 4 die die Rechtsverhältnisse der Schiffsbesatzung betreffen (§ 520 Abs. 2 H G B : „Veränderungen im Personal der Schiffsbesatzung; §§ 15, 64 Abs. 2 SeemG). 12

Schaps-Abraham, Seerecht II

177

§519

Vierter Teil. Seehandelsrecht

4am. 5

bb) A u s s c h l i e ß l i c h o d e r v o r w i e g e n d ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h . Hierher gehören diejenigen Eintragungen, welche betreffen die Tätigkeit des Schiffers aaa) als V e r t r e t e r d e r S t a a t s g e w a l t , und zwar aaaa) als S t a n d e s b e a m t e n (§ 520 Abs. 3HGB, §46 VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 12. 8. 1957 [BGBl. I S. 1139]), bbbb) a l s I n h a b e r d e r o b e r s t e n A n o r d n u n g s b e f u g n i s an Bord (§ 520 Abs. 3 HGB; §§ 106 Abs. 5, 111 Abs. 3, 112 Abs. 2, 124 Abs. 2 SeemG), cccc) a l s N a c h l a ß v e r w a l t e r (§ l c Nr. 9 TBV).

Anm. 6

cc) Z u g l e i c h p r i v a t r e c h t l i c h u n d ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h . Hierher gehört die Eintragung der großen Masse der übrigen Reiseereignisse, mögen sie Beobachtungen geographischer oder nautischer Natur, Unfälle des Schiffes, der darauf befindlichen Personen oder der Ladung, Maßregeln des Schiffers, Beschlüsse des Schiffsrats oder sonstige Angelegenheiten von Bedeutung sein. Ihre Aufzeichnung hat den Zweck, aaa) dem R e e d e r und den R e i s e i n t e r e s s e n t e n ein Bild der sie betreffenden Vorgänge zu geben, mittels dessen sie die Angaben des Schiffers oder sonstiger Zeugen kontrollieren können; bbb) dem S c h i f f e r das Material zum Nachweis der von ihm beachteten Sorgfalt zu gewähren; ccc) dem S e e a m t , sofern es zur Untersuchung von Seeunfällen in Tätigkeit tritt, Untersuchungsmaterial zu liefern, insbesondere auch zur Beurteilung der Frage, ob dem Schiffer das Patent zu entziehen sei; ddd) auch dem Z i v i l - oder S t r a f g e r i c h t , das sich mit Vorgängen der Reise befaßt, Beweismaterial zu schaffen. Ganz allgemein soll sich aus dem Tagebuch ein Abbild des Verlaufs der Reise ergeben, das klar, wahrheitsgetreu und übersichtlich ist.

Anm. 7

c) Seit mit dem Einnehmen der Ladung oder des Ballastes begonnen ist. Frühere Ereignisse, die sich im Abgangshafen abspielen, brauchen demnach nicht berücksichtigt zu werden, soweit sich nicht ihre Wirkung auch auf die Zeit nach dem Ladungsbeginn erstreckt. — Wenn hiernach der Ladungsbeginn als der A n f a n g s m o m e n t der Reise im Sinne des § 519 anzusehen ist, so sagt das Gesetz nichts darüber, welchen Augenblick es als den E n d p u n k t der Reise betrachtet (vgl. Prot. 1792). Da aber mit W a g n e r HB 393 und B o y e n s Bd. 1 S. 349 unter Reise im Sinne des § 519 die Frachtreise zu verstehen ist, so ist die Tagebuchführungspflicht zu Ende, sobald aa) im Bestimmungshafen die eingenommene Ladung gelöscht wird, bb) die Rückladung, oder wenn das Schiff in Ballast zurückfährt, der Ballast im Ausgangshafen gelöscht wird. In der Praxis wird indessen meist Hin- und Rückreise des Schiffes als eine Reise angesehen und demgemäß die Tagebuchführung auch auf die Zwischenzeit zwischen Löschung der ausgehenden und Einnahme der Rückladung (bzw. des Ballasts) ausgedehnt. 3. Form des Tagebuchs. Dasselbe ist zu führen: a) nach einem einheitlich von sämtlichen Bundesseeländern festgestellten Schema, in welchem sich für jeden Tag die vorgeschriebenen Rubriken befinden (vgl. Anlage I u. I I zur TBV). b) Fortlautend, d. h. in einem mit laufenden Seitenzahlen versehenen Bande, bis dieser vollgeschrieben ist; also auch dann, wenn mehrere Reisen in Frage kommen: es darf nicht etwa für jede neue Reise ein neues Tagebuch angefangen werden (OSA Bd. 2 S. 616). Es ergibt dies der Text des Gesetzes, welches die Eintragung gewisser Begebenheiten in d a s Tagebuch für j e d e Reise anordnet.

Anm. 8

Anm. 9

Anm. 10

c) Einheitlich, d. h. es dürfen nicht auf einem Schiffe von mehreren Personen mehrere Tagebücher geführt werden (OSA Bd. 3 S. 151). Anm. 11 d) Äußerlich ordnungsmäßig. Hiernach ist jede Eintragung in die dazu bestimmte Kolonne zu bewirken (OSA Bd. 9 S. 312). Herausreißen von Blättern ist unter allen Umständen

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§519

ordnungswidrig (OSA Bd. 1 S. 307; Bd. 2 S. 95); auch Radierungen sind unstatthaft und ebenso wie Durchstreichungen, Einschaltungen und sonstige äußere Mängel zu vermeiden (OSA Bd. 1 S. 442ff., 473, 283; Bd. 2 S. 299; Bd. 3 S. 67,122, 209; Bd. 4 S. 562; Bd. 5 S. 716, 83; Bd. 8 S. 680). e) Mögliehst direkt In das Tagebuch Ist einzutragen, d. h. es darf nicht etwa nur eine Anm. 12 Kladde geführt werden, aus der nachträglich das Tagebuch zusammengeschrieben wird (OSA Bd. 2 S. 95, 619, 622; Bd. 6 S. 152, 296fl.). Wird, wie allgemein gebräuchlich, eine Kladde gef ü h r t , so ist der Inhalt t ä g l i c h zu übertragen (Prot. 1799; OSA Bd. 4 S. 61 ff.); nachträgliche Übertragungen müssen durch besondere Umstände gerechtfertigt sein (OSA Bd. 3 S. 351; Bd. 5 S. 716; Bd. 6 S. 591ff.). Nach Beendigung der Reise ist das Tagebuch a b z u s c h l i e ß e n (OSA Bd. 9 S. 209); nach dem Abschluß sind keine Eintragungen mehr zu machen (OSA Bd. 8 S. 240ff.). 4. Person des Ftthrungspflichtlgen. Das Tagebuch ist zu führen Anm. 13 a) regelmäßig: unter Aufsicht des Schiffers vom Steuermann (d. h. in diesem Sinne des Wachhabenden Offiziers oder des Ersten Offiziers). aa) Der zur Führung Verpflichtete Ist der Steuermann. Trotzdem wird man mit OSA Bd. 1 S. 326 die Führung durch den Schiffer selbst nicht als Ordnungswidrigkeit bezeichnen dürfen, und das Seeamt Stettin (OSA Bd. 5 S. 717) geht deshalb zu weit, wenn es in jedem Falle die Angabe der Hinderungsgründe des Steuermanns verlangt. I n gewissen besonders wichtigen Fällen (vgl. die Anführung derselben in Anhang I I zu § 520 HGB) sind die Eintragungen sogar von Gesetzes wegen vom Kapitän selbst zu machen, was richtigerweise aber nur bedeutet, daß die Eintragungen zwar von ihm unterschrieben, aber nicht selbst geschrieben zu sein brauchen (siehe dazu auch f ü r die frühere SeemO die Ausführungen von B r o d m a n n ZHR Bd. 55 S. 203ff. und P a p p e n h e i m H B 2 S. 576 Note 1). Sicherlich ist die Führung durch den Schiffer dann gerechtfertigt, wenn der Steuermann, wie in dem Falle OSA Bd. 5 S. 206ff., der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Aus der primären Verpflichtung des Steuermanns ergibt sich, daß derselbe auch bei Führung des Tagebuchs durch den Schiffer mitverantwortlich bleibt (OSA Bd. 5 S. 717) und daß ihm die Einsicht des Tagebuchs nicht verweigert werden darf (OSA Bd. 7 S. 529). bb) Unter Aufsieht des Schiffers. Pflicht des Schiffers ist es, die Eintragungen des Steuer- Anm. 14 mannes ständig (OSA Bd. 2 S. 689) zu beaufsichtigen und auf Form und Inhalt nachzuprüfen. Kann er seine abweichende Meinung nicht mit derjenigen des Steuermanns in Einklang bringen, so hat er ihr im Tagebuchtext Ausdruck zu geben, aber nicht in der Art, daß er Eintragungen des Steuermanns ohne dessen Genehmigung abändert oder, wie in dem Falle OSA Bd. 11 S. 490, ohne Rücksprache mit dem Steuermann der Eintragung des letzteren den Randvermerk „falsch" beifügt. — Der Schiffer haftet f ü r Verschulden bei der Überwachungspflicht. Aus der Pflicht des Schiffers, die Tagebuchführung zu beaufsichtigen, ergibt sich die Sorge f ü r ausreichende Tagebuchformulare (OSA Bd. 10 S. 73 ff.) und vor allem die Verpflichtung, bei Seeunfällen alles aufzubieten, damit das Tagebuch erhalten und gerettet wird (§ 5 TBV), ebenso die Kladde, falls eine solche geführt wird und ihr Inhalt noch nicht übertragen ist (OSA Bd. 6 S. 116, 571; Bd. 10 S. 639). Auch nach Beendigung der Reise ist das Tagebuch sicher aufzubewahren, und zwar nach § 4 TBV fünf Jahre vom Tage der letzten Eintragung an. b) Im Falle der Verhinderung des Steuermanns vom Schiffer selbst. Derselbe ist aber be- Anm. 15 fugt, die Tagebuchführung einem von ihm zu bestimmenden, dazu geeigneten Schiffsmann zu übertragen. Er haftet hierfür f ü r sorgfältige Auswahl und Überwachung nach § 831 BGB. Vgl. oben Anm. 14. c) In gewissen Fällen erfolgen Eintragungen durch das Seemannsamt, durch den Strand- Anm. 16 vogt (Anl. III zur TagebuchVO), durch einen von der See-Berufsgenossenschaft anerkannten Sachverständigen (vgl. § 76 Abs. 5 SSV). 5. Die Beweiskraft des Tagebuchs unterliegt den allgemeinen Regeln. Soweit die Ein- Anm. 17 tragungen ins Tagebuch nicht auf den öffentlichrechtlichen Funktionen des Schiffers beruhen (oben Anm. 5), sind sie bloße Privaturkunden (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 31). 12

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§519

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 18

6. Zuwiderhandlungen gegen die §§ 519 und 520 und gegen die Vorschriften der TBV bedroht § 7 der letzteren mit Geldstrafe. In der Praxis der Seeämter ist vielfach aus dei schlechten Führung des Tagebuchs auf den Mangel solcher Eigenschaften, die zur Ausübung des Gewerbes eines Schiffers erforderlich sind (§ 26 SeeUG) geschlossen worden. Siehe wegen der durch das SeemG vorgeschriebenen Eintragungen die Strafhorm in § 125 Ziff. 6 SeemG.

Anm. 19

II. Außer dem Schiffstagebuch müssen folgende Bttcher an Bord geführt werden: 1. Das Maschinentagebuch. Vgl. die im wesentlichen gleichlautende VO der Bundesseeländer, erlassen in Hamburg am 28.6.1893 (GS11 S. 28 ff.), in Oldenburg am 30. 10. 1893 (GBl. S. 61), in Lübeck am 12. 7. 1893 (Sammlung S. 35), in Bremen am 11. 5. 1893 (GBl. S. 67), in Preußen PolizeiVOen der einzelnen Regierungsbezirke, z. B. Schleswig vom 10. 6. 1893 (Amtsbl. S. 333). Zur Vorbereitung der Eintragung in das Maschinentagebuch werden weitgehend Notizen gemacht und durchweg in das sog. Manöverbuch eingetragen, dem das Seeamt vielfach den Vorzug als Beweismittel gegenüber dem Masehinentagebuch gibt. Vgl. wegen nachträglicher Änderung einer Manöverbucheintragung AG Hamburg und LG Bremen Hansa 1957 S. 1658. Die Hamburgische Fassung hat folgenden Wortlaut: Verordnung, betreffend die Führung und Behandlung des Maschinenjournals auf Seedampfschiffen des Handelsflotte Vom 28. J u n i 1893 § 1. Auf jedem in einem hamburgisehen Hafen beheimateten, zur Handelsflotte gehörigen Seedampfschiff ist ein Maschinenjournal unter Aufsicht des leitenden Maschinisten zu führen und von diesem täglich zu unterschreiben. Die Führung des Maschinenjournals kann unterbleiben bei allen Fahrten, auf welchen f ü r die Leitung der Maschine ein Maschinist IV. Klasse genügt, und bei regelmäßigen, unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht mehr als 12 Stunden andauernden Fahrten auch dann, wenn f ü r die Leitung der Maschine ein Maschinist I I I . Klasse erforderlich ist. g 2. Das Maschinenjournal ist nach einem Schema zu führen, welches den Zeitraum eines bürgerlichen Tages umfaßt und mindestens die in der Anlage A enthaltenen Angaben aufweist. Das Journal muß, bevor es in Gebrauch genommen wird, mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen sein. Das Herausreißen von Blättern ist nicht statthaft, auch dürfen Radierungen nicht vorgenommen werden. Etwaige Änderungen der Eintragungen sind durch einfaches Durchstreichen so zu bewirken, daß das Durchgestrichene leserlich bleibt. Nachträgliche Einschaltungen und Zusätze sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen. g 3. In das Maschinenjournal sind einzutragen: 1. von Tag zu Tag: Vorrat, Verbrauch und Rest des Heizmaterials; 2. von Wache zu Wache: Nr. 3. Salzgehalt im Kesselwasser, „ 4. Temperatur des Speisewassers, „ 5. Temperatur des Schraubenrohr-(Stevenrohr-)Wassers, „ 6. Temperatur des Seewassers; 3. von Stunde zu Stunde: Nr. 2. Dampfdruck im Kessel, „ 7. Temperatur im Maschinenraum, „ 8. Temperatur im Kesselraum, „ 9. Luftleere im Kondensator, „ 10. Umdrehungen in der Minute. Die Temperatur im Maschinenraum ist am Standorte des Maschinisten in Kopfhöhe, diejenige im Kesselraum möglichst nahe der Arbeitsstelle der Heizer, ebenfalls in Kopfhöhe zu messen.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§519

Unter den „Bemerkungen" sind alle den Kessel und die Maschine betreffenden erheblichen Vorfälle einzutragen, namentlich: a) die Zeit, zu welcher die Feuer angesteckt worden sind, b) die Zeit, zu welcher die Maschine in und außer Betrieb gesetzt worden ist, c) sämtliche größeren Arbeiten, welche zur Unterhaltung oder zur Reparatur der Maschine und der Kessel während der Reise vorgenommen werden, d) Änderungen und Unterbrechungen des Ganges der Maschine während der Fahrt oder wenigstens, soweit durch die Umstände, insbesondere durch häufige und schnelle Aufeinanderfolge des Wechsels in Revieren und Häfen, eine genaue Eintragung ausgeschlossen wird, allgemeine Vermerke über das Manövrieren mit der Maschine, e) sämtliche Maschinen- oder Kessel-Havarien, f) das Einnehmen und Auspumpen von Wasserballast. § 4. Bei allen Eintragungen ist der Zeitpunkt der Beobachtungen, welche den Eintragungen zugrunde liegen, anzugeben. § 5. Bei Fahrten, auf welchen für die Leitung der Maschine ein Maschinist I I I . Klasse genügt, kann die Ausfüllung folgender Spalten unterlassen werden: Nr. 4. Temperatur des Speisewassers, „ 5. Temperatur des Schraubenrohrwassers, „ 6. Temperatur des Seewassers, „ 7. Temperatur im Maschinenraum, „ 8. Temperatur im Kesselraum. § 6. Das Maschinenjournal ist fünf Jahre, vom Tage der letzten Eintragung an gerechnet aufzubewahren. Die Aufbewahrung kann an Bord oder am Lande erfolgen. § 7. Bei Seeunfällen hat der leitende Maschinist, soweit es nach Lage der Umstände geschehen kann, f ü r die Rettung des Maschinen] ournals zu sorgen. § 8. Dem Maschinenjournal ist eine Beschreibung der Maschine und der Kessel vorauszuschicken. Diese Beschreibung muß sich auf die in der Anlage B bezeichneten Angaben erstrecken und nach jedem Umbau der Maschine oder der Kessel oder wesentlicher Teile derselben berichtigt werden. § 9. Der Schiffer ist verpflichtet, einen Abdruck dieser Vorschriften an Bord zu führen, g 10. Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden mit Geldstrafe bis zu 100 DM bestraft. § 11. Diese Vorschriften treten am 1. April 1894 in Kraft. Anlage A siehe S, 183 Anlage B Verzeichnis der Angaben, auf welche die dem Maschinen]ournal voranzuschickende Besehreibung der Maschine und der Kessel sich zu erstrecken hat A. M a s c h i n e 1. Erbaut von wem und wann? System*) und indizierte Pferdekräfte. 2. Durchmesser, Steigung und Flügelzahl der Schraube und bei Raddampfern: Durchmesser der Räder, Anzahl und Größe der Schaufeln. 3. Anzahl und Durchmesser der Zylinder sowie Kolbenhublänge. 4. Anzahl, Länge und Durchmesser der Kondensatorrohre. 5. Anzahl, Hublänge und Kolbendurchmesser sämtlicher Pumpen. 6. Beschreibungen sämtlicher Lenzvorrichtungen mit Angabe darüber, ob und wo Retourventile vorhanden sind. 1. 2. 3. 4.

*) Es ist anzugeben, ob die Maschinen „horizontale, vertikale, schrägliegende, Hammermaachinen, oder oszillierende", „direkt-, indirekt- oder rückwirkend", „einfache, zweifache (Compound- oder Woolfsche), dreifache oder vierfache Expansionsmaschinen", „mit Einspritz- oder Oberflächenkondensator versehen oder ohne Kondensator" sind.

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§519 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Anm. 20

Vierter Teil. Seehandelsrecht

B. K e s s e l (nach Maßgabe der amtlichen Kesselpapiere) Erbaut von wem und wann? Anzahl, System und Material. Länge und Durchmesser des Kessels; Dicke der Außenwandung. Anzahl und Durchmesser der Heiz-(Siede-)Rohre. Anzahl, Durchmesser und Belastung der Sicherheitsventile an jedem Kessel. Gesamtzahl, Dimensionen und Blechstärke der Feuerstellen (Feuerbüchsen). Gesamtgröße der Rostfläche. Gesamte Heizfläche. Zulässiger Druck. Raumgehalt jedes einzelnen Kohlenbunkers.

2. Das Funktagebuch auf jedem mit einer Telegraphie- oder Sprechfunkanlage ausgerüsteten Schiff. Vgl. § 9 Abs. 1 FunksicherheitsVO (Bd. I S. 837). Das Funktagebuch ist nach den Bestimmungen der Anlage 5 der FunksicherheitsVO zu führen (Siehe den Abdruck dieser in Bd. I S. 849f.). Auf jedem mit einem Peilfunkgerät ausgerüstetem Schiff ist nach § 9 Abs. 2 FunksicherheitsVO ein Peilfunkbuch zu führen. Siehe das Muster in Anlage 6 zur FunksicherheitsVO (vgl. Bd. I S. 851 f.). Gemäß § 9 Abs. 3 FunksicherheitsVO ist das Funktagebuch im Funkraum, das Peilfunkbuch in unmittelbarer Nähe des Peilfunkgeräts aufzubewahren. Beide Bücher müssen den mit der Prüfung der Funkanlagen Beauftragten jederzeit zugänglich sein.

Anm. 21

3. Das öltagebuch. Es ist nach der VO ü b e r die F o r m u n d F ü h r u n g d e r Ö l t a g e b ü c h e r vom 22. 5. 1959 (BGBl. I I S. 560) — siehe deren Abdruck im Nachtrag im zweiten Band des Kommentars — vom 1. 6. 1959 an auf jedem Seeschiff ab 500 BRT als besonderes Buch nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Muster zu führen. Die Führung des öltagebuchs obliegt dem Kapitän, der dafür zu sorgen hat, daß die vorgeschriebenen Eintragungen von dem wachhabenden oder von dem von ihm bestimmten Offizier vorgenommen werden. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten die § 1 und 2 der VO. Gemäß § 3 Abs. I der VO sind in das Öltagebuch für Tanker einzutragen. 1. das Füllen der Ladetanks mit Ballastwasser, das Lenzen des Ballastwassers und die Reinigung der Ladetanks, 2. das Absetzen in Setztanks und das Lenzen von Wasser aus Setztanks, 3. die Abgabe von ölrückständen des Schiffs aus Setztanks und sonstigen Sammelstellen, 4. das ungewollte oder das durch außergewöhnliche Umstände verursachte Ablassen von öl. In das öltagebuch für Nichttanker sind einzutragen: 1. das Füllen der Bunkeröltanks mit Ballastwasser, das Lenzen dieses Ballastwassers und die Reinigung der Bunkeröltanks während der Reise, 2. die Abgabe von ölrückständen des Schiffes aus Bunkeröltanks und sonstigen Sammelstellen, 3. das ungewollte oder das durch außergewöhnliche Umstände verursachte Ablassen von ö l . Die geforderten Eintragungen sind unverzüglich vorzunehmen (§ 4 der VO). Siehe wegen Einzelheiten über die Eintragungen § 5 der VO, wegen der Aufbewahrung der Bücher deren § 6. Vgl. in der Anlage 3 die Richtlinien für die Führung des öltagebuchs f ü r Tanker, in der Anlage 4 die Richtlinien f ü r die Führung des Öltagebuchs für Nichttanker. Anm. 22 4. Auf Schiffen in der mittleren und großen Fahrt (im Sinne der Begriffsbestimmungen der SchiffsbesetzungsO) sowie in der kleinen und großen Hochseefischerei ist vom Schiffsarzt, auf Schiffen ohne Schiffsarzt vom Kapitän oder von dem mit der Krankenbehandlung beauftragten Schiffsoffizier ein Krankenbuch nach dem Muster der Anlage Teil D der VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen (vgl. Bd. I S. 1272) zu führen. Vgl. § 13 Abs. 1 dieser VO mit weiteren Einzelheiten. Der Schiffsarzt hat neben dem Krankenbuch während der Reise ein Gesundheitstagebueh nach dem Muster der Anlage Teil E der VO (siehe Bd. I 5. 1273) zu führen, in das ausführliche Angaben über hygienisch oder sonst ärztlich wichtige Wahrnehmungen an Bord und in den Anlaufhäfen sowie über getroffene Maßnahmen an Bord einzutragen sind; § 13 Abs. 2 der VO. Siehe über die Unterschrift in den beiden Büchern § 13 Abs. 3 der VO (Bd. I S. 1225). Nach § 7 der gleichen VO ist außerdem ein Betäubungsmittelbuch nach dem Muster der Anlage Teil C der VO (vgl. Bd. I I S. 1269) zu führen. (Fortsetzung S. 184)

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§519

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§ 520

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 23

5. Gemäß § 27 Abs. 1 UVV ist auf jedem Schiffe ein Unfalltagebuch zu führen, in das jeder Unfall einzutragen ist, durch welchen eine auf dem Schiffe beschäftigte Person auf der Reise getötet wird oder eine Körperverletzung erleidet, die eine völlige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod zur Folge hat. Weiter ist gemäß § 27 Abs. 2 UVV auf jedem Schiffe außerhalb der großen Küstenfahrt das von der See-Berufsgenossenschaft festgestellte Deviationstagebuch zu führen. Nach § 79 Abs. 7 UVV ist ein Ladescheingeschirrheft (siehe auch Anm. 32 zu § 514 HGB) zu führen.

Anm. 24

6. Gemäß § 101 SeemG sind auf jedem Schiff Arbeitszeitnachweise zu führen, aus denen Arbeitszeitverlängerungen für jedes Besatzungsmitglied zu ersehen sind, nämlich alle Arbeitszeitverlängerungen unter Angabe der Dauer und des Grundes (§§ 88 und 89 SeemG), ferner die zum Ausgleich für Sonn- und Feiertagsarbeit gewährte Freizeit (§ 91 SeemG) und schließlich die Freizeit nach § 100 SeemG und der Jugendlichen gewährte Urlaub (§ 54 Abs. 2 SeemG). § 520 Von Tag zu Tag sind in das Tagebuch einzutragen: die Beschaffenheit von Wind und Wetter; die von dem Schiffe gehaltenen Kurse und zurückgelegten Entfernungen; die ermittelte Breite und Länge; der Wasserstand bei den Pumpen. Ferner sind in das Tagebuch einzutragen: die durch das Lot ermittelte Wassertiefe; jedes Annehmen eines Lotsen und die Zeit seiner Ankunft und seines Abganges; die Veränderungen im Personal der Schiffsbesatzung; die im Schiffsrate gefaßten Beschlüsse; alle Unfälle, die dem Schiffe oder der Ladung zustoßen, und eine Beschreibung dieser Unfälle. Auch die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen sowie die vorgekommenen Geburts- und Sterbefälle sind in das Tagebuch einzutragen. Die Eintragungen müssen, soweit nicht die Umstände es hindern, täglich geschehen. Das Tagebuch ist von dem Schiffer und dem Steuermanne zu unterschreiben.

Elnleitg.

Anm. I

Der Paragraph — jetzt in der Fassung des § 146 Abs. 1 SeemG — zählt in Abs. 1 bis 3 einzelne In das Tagebuch einzutragende Punkte aui und gibt in Abs. 4 u. 5 Vorschriften über die Ftthrung und Unterzeichnung des Tagebuchs. Die V o r s c h r i f t e n ü b e r die E i n t r a g u n g e n w e r d e n d u r c h eine R e i h e weit e r e r V o r s c h r i f t e n a u ß e r h a l b des V i e r t e n B u c h e s des H G B e r g ä n z t . Hinsichtlich der Erläuterung wird deshalb so verfahren, daß zunächst die Bestimmungen des § 520 selbst erläutert werden. In einem Anhang I wird die VO betreffend die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs wiedergegeben und erläutert. In einem Anhang I I wird schließlich ein Überblick über alle nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung erforderlichen Eintragungen in das Schiffstagebuch gegeben. 1. Zu Abs. 1—3. Die nach Abs. 1—3 erforderlichen Eintragungen teilen sich in zwei Klassen: solche Eintragungen, die von Tag zu Tag zu erfolgen haben — weil ihr Inhalt einer täglichen Feststellung bedarf — und solche, die nur gegebenenfalls geschehen müssen (aber auch dann innerhalb 24 Stunden gemäß Abs. 3). § 1 TBV fügt eine dritte Kategorie hinzu, indem er bestimmt, daß vor dem Beginn der Reise einzutragen sind die zur S i c h e r u n g der L a d u n g , des B a l l a s t e s u n d der P u m p e n g e t r o f f e n e n V o r r i c h t u n g e n u n d der T i e f g a n g d e s Schiffes vorn und hinten. Zu e i n z e l n e n P u n k t e n , d e r e n E i n t r a g u n g v o n § 520 v o r g e s c h r i e b e n i s t , i s t zu b e m e r k e n : 184

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 520

a) „Die von dem Schiffe gehaltenen Kurse." § 1 TBV schreibt außerdem gemäß der Entsprechendes fordernden Praxis der Seeämter (vgl. OSA Bd. 2 S. 706; Bd. 3 S. 128; Bd. 4 S. 37; Bd. 5 S. 803 usw.) die Eintragung der b e i B e r i c h t i g u n g d e r K u r s e a n g e w a n d t e n M i ß w e i s u n g , ö r t l i c h e n A b l e n k u n g u n d A b t r i f t vor. Weiter verlangt OSA Bd. 8 S. 263 Eintragung der Resultate der Untersuchungen betreffend die Richtigkeit des Kompasses, weil dieselbe zur Feststellung der gefahrenen Kurse notwendig ist. Siehe Anm. 23 zu § 519 HGB wegen des gemäß § 27 Abs. UVV auf jedem Schiffe außerhalb der großen Küstenfahrt zu führenden Deviationsbuches.

Anm. 2

b) „Die ermittelte Breite und Länge." Die sichere Feststellung des Ortes, an dem sich das Schiff befindet, ist von erheblichster Bedeutung (vgl. die Ausführungen OSA Bd. 9 S. 542; Bd. 10 S. 187). Sie geschieht durch die A u f m a c h u n g des B e s t e c k s . Man unterscheidet o b s e r v i e r t e s (astronomisches) Besteck, gefunden durch Gestirnbeobachtungen, aus denen man Breite und Länge ableitet, und g e g i ß t e s (geschätztes) Besteck, gefunden durch sog. Koppelkurs oder durch Peilen (auch Funkpeilungen). Nur die astronomische Berechnung kann Anspruch auf Zuverlässigkeit machen. Deshalb kann die Eintragung der in Sicht der Küste vorgenommenen Landpeilungen, wenn die Entfernungen nicht genau vermerkt sind (OSA Bd. 2 S. 511), diejenige der ermittelten Breite und Länge nicht ersetzen.

Anm. 3

c) „Der Wasserstand bei den Pumpen." Er ist so oft als möglich zu messen und einzutragen. Macht das Schiff nur im gewöhnlichen Maße Wasser, so genügt die Eintragung „Pumpen lenz" (OSA Bd. 2 S. 510; vgl. Bd. 3 S. 409): unter besonderen Umständen, so wenn die Existenz eines Lecks in Frage steht, genügt sie nicht (OSA Bd. 2 S. 675). Ist eine Peilvorrichtung nicht vorhanden, so ist die Zahl der Schläge anzugeben, die jedesmal zum Lenzpumpen erforderlich sind (OSA Bd. 7 S. 602).

Anm. 4

d) „Die durch das Lot ermittelte Wassertiele." Es ist unrichtig, wenn OSA Bd. 1 S. 120 die Eintragungen derselben „von Tag zu Tag" (oben Anm. 1) verlangt: es ist tägliche Feststellung der Wassertiefe nirgends vorgeschrieben, wenn auch die häufige Lotung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers entspricht und das Resultat a l l e r , nicht nur einzelner Lotungen einzutragen ist (OSA Bd. 8 S. 103; vgl. Prot. 1797). Nach § 1 TBV ist ferner einzutragen d i e d u r c h d a s L o t e r m i t t e l t e B o d e n b e s c h a f f e n h e i t . e) „Das Annehmen eines Lotsen." Es dürfte zweckmäßig sein, zu bemerken, ob demselben etwa das Kommando übergeben ist.

Anm. 5

Anm. 6

f) „Alle Unfälle, die dem Schiffe oder der Ladung zustoßen, und die Beschreibung derselben." U n f ä l l e sind nicht bloß schädigende, plötzliche Ereignisse, sondern alle Vorfälle, die durch eine äußere Störung den regelmäßigen Verlauf der Fahrt unterbrechen (OSA Bd. 3 S. 101, 496). Die Entscheidung OSA Bd. 5 S. 754 sieht deshalb mit Recht jede Grundberührung als Unfall an, selbst wenn sie nicht mit einer Beschädigung verbunden ist. — Besondere Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit ist der Darstellung von Kollisions- und Havereifällen zu widmen, weil dieselben zu Prozessen und Untersuchungen des Seeamts führen können. — Über Unfälle, die einer auf dem Schiff beschäftigten P e r s on zustoßen, s. TBV Anl. I I I Nr. 27, ferner die UVV, die die Führung eines U n f a l l t a g e b u c h s (vgl. Anm. 23 zu § 519 HGB) vorschreiben.

Anm. 7

g) „Die Veränderungen im Personal der Schiffsbesatzung." vgl. insbesondere §§ 15 Abs. 2, 64 Abs. 2 SeemG.

Anm. 8

h) „Die vorgekommenen Geburts- und Sterbefälle." Näheres ergibt § 46 der AusführungsVO Anm. 9 zum PersonenstandsG vom 12. 8. 1957. Siehe den Abdruck in Bd. I S. 1349. Siehe Anm. zu § 2 der Tagebuchverordnung. i) „Die im Schiffsrate gefaßten Beschlüsse." Vgl. über den Schiffsrat § 518 HGB. Anm. 10 2. Zu Abs. 4 u. 5. Anm. 11 a) Die Eintragungen müssen, soweit die Umstände nicht hindern, täglich geschehen: d. h. a l l e T a g e sind die unter allen Umständen einzutragende Tatsachen des Abs. 1 und gegeb e n e n f a l l s i n n e r h a l b e i n e s T a g e s diejenigen des Abs. 2 aufzuzeichnen. Das Seeamt Rostock (OSA Bd. 1 S. 586) nimmt an, den Schiffer treffe kein Vorwurf, wenn er achtzehn Stunden nach der Ausfahrt noch keine Eintragung gemacht habe, es berechnet also den Tag 185

§520

Vierter Teil. Seehandelsrecht

von Augenblick zu Augenblick, während OSA Bd. 1 S. 591 ff. ihn von Mitternacht zu Mitternacht berechnet. Nach einem von W a g n e r HB 294 bekundeten Seemannsbrauch wird dagegen der Tag von Mittag zu Mittag berechnet. H i n d e r n die U m s t ä n d e die t ä g l i c h e E i n t r a g u n g , so ist wenigstens für die Eintragung der wesentlichsten Notizen in eine Kladde Sorge zu tragen. Wenn auch dies unterblieben ist und der Schiffer das Tagebuch nachträglich ausfüllen läßt, so dürfen selbstverständlich nur die wirklich im Gedächtnis der Beteiligten haftenden Daten, nicht etwa fingierte Notizen, die den Schein fortlaufender Tagebuchführung erwecken sollen, eingetragen werden (OSA Bd. 3 S. 351). Anm. 12 b) Das Tagebuch ist von dem Schiffer und dem Steuermann (bzw. dem sonstigen Tagebuchführer: Anm. 15, 16 zu § 519; Prot. 1801) zu unterschreiben, und zwar (vgl. Prot. 1800) entweder täglich oder mindestens am Schluß jeder Reise. Der Schiffer gibt durch seine vorbehaltlose Unterschrift die Erklärung ab, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt und nichta zu erinnern gefunden habe. Wo das Gesetz die Zuziehung anderer Personen anordnet, haben auch diese zu unterschreiben. Anm. 13 3. Über die Folgen der Zuwiderhandlungen gegen § 520 und die TBV 8. Anm. 18 zu § 519. Anhang I Verordnung betreffend die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs Erlassen 1904 als inhaltsgleiche VO der deutschen Seeuferstaaten. Vgl. für P r e u ß e n Polizeiverordnung des Ministeriums für Handel und Gewerbe vom 6. 2. 1904 (Ministerialblatt der Handels- und Gewerbeverwaltung Bd. 20 S. 37), für M e c k l e n b u r g - S c h w e r i n die VO vom 24. 3.1904 (RegBl. S. 25), für O l d e n b u r g die VO vom 2. 2.1904 (GBl. S.17), für L ü b e c k die VO vom 13. 2. 1904 (Sammlung S. 45), für B r e m e n das Gesetz vom 19. 2. 1904 (GBl. S. 49), für H a m b u r g die VO vom 21. 3. 1904 (GS11 S. 195). § 1 In das nach § 519 des Handelsgesetzbuchs zu fühlende Tagebuch ist, außer den im § 520 ebenda und durch sonstige gesetzliche Bestimmungen vorgeschriebenen Eintragungen, nachstehendes einzutragen: a) v o r B e g i n n j e d e r R e i s e : 1. die zur Sicherung der Ladung, des Ballastes und der Pumpen getroffenen Vorrichtungen ; 2. der Tiefgang des Schiffes vorn und hinten; b) v o n T a g z u T a g : die bei Berichtigung der Kurse angewandte Mißweisung, Ablenkung und Abtrift; c) i m e i n t r e t e n d e n F a l l e : 1. die durch das Lot ermittelte Bodenbeschaffenheit; 2. die wichtigen Peilungen von Landmarken und Seezeichen; 3. die Abgabe von Nebelsignalen und die F a h r t des Schiffes bei Nebel, dickem Wetter, Schneefall oder heftigen Regengüssen; 4. jede Einnahme von Trinkwasser, tunlichst mit kurzer Angabe der H e r k u n f t des Wassers; 5. Erkrankungen, wenn sie bei einer auf dem Schiffe beschäftigten Person eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen, oder wenn sie den Tod des Erkrankten oder dessen Ausschiffung zur Folge haben, nebst einer kurzen Beschreibung der Krankheitserscheinungen. Die Eintragung ist nicht erforderlich, wenn die Erkrankung von dem Schiffsarzt in das von ihm zu führende Tagebuch eingetragen ist; 186

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB 6. alle an Bord ausgeführten, dem Auftreten von Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken vorbeugenden Maßnahmen sowie die gegen die Weiterverbreitung dieser Krankheiten gerichteten Vorkehrungen; 7. alle von den Gesundheitsbehörden der auf einer Reise berührten Hafenplätze vorgenommenen Besichtigungen, Untersuchungen, Desinfektionen, Ausschiffungen usw.; 8. jede auf Grund des § 70 Nr. 10 der Vorschriften des Bundesrats über Auswandererschiffe vom 14. März 1898 dem deutschen Konsul erstattete Meldung, betreffend die Verbringung von Frauenspersonen zu Unzuchtzwecken; 9. ein Vermerk, daß der Kapitän gemäß § 70 Nr. 11 der Vorschriften des Bundesrats über Auswandererschiffe vom 14. März 1898 die zur Sicherung des Nachlasses der an Bord verstorbenen Auswanderer erforderlichen Maßnahmen getroffen und das vorgeschriebene Nachlaßverzeichnis aufgenommen hat, sowie ein Vermerk darüber, welchem Konsul das Nachlaßverzeichnis übergeben worden ist. Vgl. auch Anm. 1 ff. zu § 620. Die in Ziff. 8 und 9 erwähnten Vorschriften über Auswandererschiffe sind gemäß § 41 Abs. 2 der VO über die Einrichtung von Auswandererschiffen vom 21. 12. 1956 (vgl. den Abdruck in Bd. I S. 855) außer Kraft gesetzt worden. Eine dem § 70 der früheren VO entsprechende Bestimmung findet sich in der neuen VO nicht mehr. Damit ist Ziff. 8 gegenstandslos geworden. Wegen Ziffer 9 vgl. § 29 der VO vom 21. 12. 1956.

Anm.

§2 Bei der Eintragung von Geburten und Sterbefällen (§ 61 des Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes usw. vom 6. Februar 1875) sind die Zeitangaben nach der bürgerlichen mittleren Zeit des Ortes zu machen, an welchem das Schiff zur Zeit der Geburt oder des Sterbefalls sich befand. An Stelle des § 61 des Gesetzes vom 6. 2. 1875 ist jetzt § 46 der VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes vom 12. 8. 1957 getreten. Siehe den Abdruck in Bd. I S. 1349. Nach dieser Bestimmung und nach den in ihr in Bezug genommenen Vorschriften hat der Kapitän, wenn er auf Grund der Anzeige den zutreffenden Sachverhalt ermittelt hat, evtl auch ohne Anzeige, wenn er von dem Ereignis sichere Kenntnis erlangt hat, bei einer Geburt folgendes einzutragen: Vor- und Familiennamen der Eltern, deren Beruf und Wohnort, ferner im Falle ihres Einverständnisses ihre Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft, Ort, Tag und Stunde der Geburt des Kindes und dessen Vornamen, schließlich Vor- und Familiennamen des Anzeigenden und dessen Beruf und Wohnort. Im Todesfalle ist einzutragen der Vor- und Familienname des Verstorbenen, dessen Beruf und Wohnort, ferner der Ort und der Tag seiner Geburt und, im Falle des Einverständnisses des Anzeigenden, die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit des Verstorbenen zu einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft, ferner Vor- und Familienname des Ehegatten des Verstorbenen oder den Vermerk, daß der Verstorbene nicht verheiratet war, schließlich Ort, Tag und Stunde des Todes und Vor- und Familienname des Anzeigenden nebst dessen Beruf und Wohnort. Für beide Eintragungen ist endlich anzugeben der Ort und der Tag der Eintragung, die Bezeichnung der vor dem Kapitän zur Anzeige Erschienenen unter Angabe, wie ihre Persönlichkeit festgestellt wurde, schließlich die Angabe, daß der Eintragungsvermerk den Erschienenen vorgelesen und von ihnen genehmigt wurde. Die Eintragung bedarf der Unterschrift des zur Anzeige Erschienenen und ferner als Eintragung in das Schiffstagebuch derjenigen des Steuermanns und des Kapitäns. §8 Das Tagebuch ist nach einem Muster zu führen, welches den Zeitraum eines bürgerlichen Tages umfaßt und mindestens die Spalten einer der Anlagen I und II enthält. (Fortsetzung S. 190; Anlagen I u. I I siehe S. 188 f.)

187

Anm.

§520

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anlage

Tagebuch des deutschen Schifies

19.. den

ten

Stunden

Wind

Vm.

auf der Reise von Gesteuerter Kurs

Abtrift

nach

WasserAb- Mißweisender Seestand Begebenheiten lenund meilen bei den Kurs kung Bemerkungen Pumpen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

MlBwelsung Nm.

188

Schiffsort nach Loggrechnung Schilfsort nach astronomischer Beobachtung

§ 520

Zweites Kapitel. Viertes Buch dea HGB Tagebuch

Anlage II

dea deutschen Schifies 19 den

ten

Stunden

Wind

Vm.

auf der Heise von Gesteuerter Kurs

Abtrift

Ablenkung

nach Wahrer Kurs

WasserSeestand Begebenheiten und meilen bei den Pumpen Bemerkungen

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Mißweisung

Schiffsort nach Loggrechnung Schiffsort nach astronomischer Beobachtung

Nrn. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

11

189

§ 520

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Das Tagebuch muß, bevor es in Gebrauch genommen wird, mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen sein. Das Herausreißen von Blättern sowie Radierungen sind unstatthaft. Etwaige Änderungen der Eintragungen sind durch einfaches Durchstreichen so zu bewirken, daß das Durchstrichene leserlich bleibt. Nachträgliche Einschaltungen und Zusätze sind ausdrücklich als solche unter Beifügung des Datums zu bezeichnen. §4 Das Tagebuch ist während 5 Jahren, von dem Tage der letzten Eintragung an gerechnet, aufzubewahren. Die Aufbewahrung kann an Bord oder am Lande erfolgen. §5

Bei Seeunfällen hat der Kapitän, soweit es nach Lage der Umstände geschehen kann, für die Rettung des Tagebuchs zu sorgen. §6 Der Kapitän ist verpflichtet, einen Abdruck der in der Anlage III enthaltenen „Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schifftagebuchs" an Bord zu führen. Da diese Zusammenstellung die neuere Gesetzgebung nicht mehr berücksichtigt, ist in Anhang I I ein vollständiger Überblick über die gegenwärtigen Eintragungspflichten gegeben. § 7

Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften dieser Verordnung sowie gegen die Bestimmungen der §§ 519, 520 des Handelsgesetzbuchs werden, sofern die Zuwiderhandlung nicht durch eine andere Vorschrift mit Strafe bedroht ist, mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark bestraft. J e t z t DM. Vgl. auch Anm. 18 zu § 519 HGB. § 8

Die auf Grund des § 521 des Handelsgesetzbuchs ergangenen Bestimmungen, betreffend die Führung des Tagebuchs auf kleineren Fahrzeugen (Küstenfahrern u. dgl.) bleiben unberührt. Die vorstehenden Vorschriften treten am 1. April 1904 in Kraft. Anlage III Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs Soweit in der nachstehenden Zusammenstellung Zitate veraltet sind, sind sie berichtigt worden. Die Zusammenstellung ist nicht mehr vollständig. Vgl. deshalb die dem jetzigen Stande entsprechende Übersicht in Anhang I I . I. Auf jedem deutschen Kauffahrteischiffe muß ein Tagebuch geführt werden, in welches f ü r jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Einnehmen der Ladung oder des Ballastes begonnen ist, einzutragen sind (Handelsgesetzbuch § 519 Abs. 1). II. I n das Tagebuch sind insbesondere einzutragen: A. Vor Beginn Jeder Reise: 1. die zur Sicherung der Ladung, des Ballastes und der Pumpen getroflenen Vorrichtungen (Verordnung, betreffend die Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs, vom 21. 3. 1904 § l a N r . 1); Die Verordnung ist im weiteren kurz als „Tagebuchverordnung* 1 (TBV) bezeichnet.

2. der Tiefgang des Schiffes vorn und hinten (Tagebuchverordnung § l a Nr. 2).

190

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§520

B. Von Tag zu Tag: 1. die Beschaffenheit von Wind und Wetter (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 1); 2. die von dem Schiffe gehaltenen Kurse und zurückgelegten Entfernungen, sowie die bei Berichtigung der Kurse angewandte Mißweisung, Ablenkung und Abtrift (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 1 und Tagebuchverordnung § l b ) ; 3. die ermittelte Breite und Länge (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 1); 4. der Wasserstand bei den Pumpen (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 1). C. Im eintretenden Falle: 1. die durch das Lot ermittelte Wassertiefe und Bodenbeschaffenheit (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 2 und Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 1); 2. die wichtigen Peilungen von Landmarken und Seezeichen (Tagebuchverordnung § l c Nr. 2). Wenn zugleich Abstandsbestimmungen vorgenommen sind, müssen bei allen dazu benutzten Peilungen (z. B . 4 Strich und querab) genaue Uhrzeiten angegeben werden. Bei Winkelmessungen sind auch die für Instrumentenfehler verbesserten Winkel einzutragen. Satz 2 der Ziff. 2 ist durch Bek. vom 19.2.1909 eingefügt worden. Vgl. Hamb. Gesetzessamml. I I S. 23.

Anm.

3. die Abgabe von Nebelsignalen und die Fahrt des Schiffes bei Nebel, dickem Wetter, Schneefall oder heftigen Regengüssen (Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 3); 4. jedes Annehmen eines Lotsen und die Zeit seiner Ankunft und seines Abganges (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 1); 5. die im Schiffsrate gefaßten Beschlüsse (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 2); 6. alle Unfälle, welche dem Schiffe oder der Ladung zustoßen und die Beschreibung dieser Unfälle (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 2); 7. die beim Kapitän angebrachte Beschwerde eines Schiffsmanns über Seeuntüchtigkeit des Schiffes unter genauer Angabe des Sachverhalts. Dem Beschwerdeführer ist auf Verlangen eine Abschrift der Eintragung auszuhändigen. Im Falle von gleichartigen Beschwerden beim Seemannsamte hat dieses das Ergebnis der Untersuchung in das Schiffstagebuch einzutragen; Vgl. jetzt § 113 SeemG. Danach kann sich ein Besatzungsmitglied bei dem Seemannsamt mündlich zur Niederschrift oder schriftlich darüber beschweren, daß das Schiff nicht seetüchtig sei, seine Sicherheitseinrichtungen nicht in ordnungsmäßigem Zustand oder die Verpflegungsvorräte ungenügend oder verdorben seien. Bevor das Besatzungsmitglied das Seeamt anruft, hat es den Kapitän davon in Kenntnis zu setzen. Wenn der Kapitän der Beschwerde nicht abhilft, hat das Seemannsamt unverzüglich, erforderlichenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigen, auf Kosten des Reeders eine Untersuchung des Schiffs oder der Vorräte zu veranlassen und das Ergebnis in das Schiffstagebuch einzutragen. Erweist sich die Beschwerde als begründet, so hat das Seemannsamt für geeignete Äbhilfe zu sorgen.

8. der Befund über die mindestens einmal jährlich vorzunehmende Untersuchung der Beschaffenheit und Haltbarkeit der Fuß-, Spring- und Handpferde von sämtlichen Raaen und vom Klüverbaum, sowie der Vermerk über eine etwaige Erneuerung derselben (§ 63 UVV); 9. die vorgeschriebene periodische Untersuchung der Boote auf Seetüchtigkeit, das in bestimmten Zwischenräumen vorgeschriebene Ausschwingen derselben, die hierbei festgestellte Bereitschaft zum sofortigen Aussetzen, etwaige bei dem Ausschwingen gefundene Mängel, sowie die Gründe einer etwaigen Verzögerung (§§ 80 Abs. 2, 97 Abs. 5 SSV, 133 U W ) ; 10. der Befund über die mindestens einmal jährlich vorzunehmende Untersuchung der Beschaffenheit der Rettungsgürtel (§ 132 U V V ; siehe auch § 80 SSV); 11. die bei der vorgeschriebenen jährlichen Revision der Barometer an Bord außerhalb der großen Küstenfahrt beschäftigter Schiffe vorgefundenen Mängel, sowie die Feststellung ihrer sofort bewirkten Abstellung; vgl. jetzt § 149 U V V ; 191

Anm*

§ 520 Anm.

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Vgl. jetzt § 149 UVV.

12. der Verschluß der Türen in den wasserdichten Schotten der Passagierdampfer in außereuropäischer Fahrt; Anm.

Vgl. jetzt § 76 S W .

13. die Straffestsetzungen des Seemannsamts wegen Verstoßes gegen die von der See-Berufsgenossenschaft erlassenen Vorschriften, betreffend Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen, sowie Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen. Die Eintragung erfolgt durch das Seemannsamt. Den zur Kontrolle der Unfallverhütungsvorschriften bestellten technischen Aufsichtsbeamten, sowie den als solche sich legitimierenden Rechnungsbeamten der Seeberufsgenossenschaft und dem Seemannsamt ist das Tagebuch auf Verlangen zur Einsicht und zur Eintragung der Straffestsetzung vorzulegen (§ 1208 UVV); 14. jede Einnahme von Trinkwasser, tunlichst mit kurzer Angabe der Herkunft des Wassers (Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 4) ; 15. eine Kürzung der Rationen oder eine Änderung hinsichtlich der Wahl der Speisen und Getränke mit der Angabe, wann, aus welchem Grunde und in welcher Weise sie eingetreten ist (§ 40 Abs. 2 SeemG) ; 16. die beim Kapitän angebrachte Beschwerde eines Schiffsmanns über ungenügenden oder verdorbenen Proviant unter genauer Angabe des Sachverhalts. Dem Beschwerdeführer ist auf Verlangen eine Abschrift der Eintragung auszuhändigen. Im Falle von gleichartigen Beschwerden beim Seemannsamte (Seemannsordnung § 58) hat dieses das Ergebnis der Untersuchung in das Schiffstagebuch einzutragen; Anm.

Vgl. die Anm. zu Ziff. 7.

17. das Ergebnis der vorgeschriebenen Prüfung der Arzneimittel, der sonstigen Hilfs- und der Lebensmittel zur Krankenpflege (§ 15 Abs. 3 VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen) ; 18. die vorgekommenen Geburts- und Sterbefälle (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 3, § 46 VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes), wobei die Zeitangaben nach der bürgerlichen mittleren Zeit des Ortes, an welchem das Schiff zur Zeit der Geburt oder des Sterbefalls sich befindet, zu machen und die in der hier angehängten Anweisung zusammengestellten näheren Bestimmungen zu beachten sind; Anm.

Die Anweisung ist nicht mit abgedruckt.

19. die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 3) ; 20. die Gründe für eine Verzögerung oder Unterlassung der Anmusterung eines Schiffsmanns (§15 Abs. 2 SeemG) ; 21. die Veränderungen im Personale der Schiffsbesatzung (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 2), insbesondere auch a) die Herabsetzung eines Schiffsmanns im Range, wenn derselbe zu dem Dienste, zu welchem er sieh verheuert hat, untauglich ist, die die Anordnung begründenden Tatsachen und die damit verbundene verhältnismäßige Verringerung seiner Heuer nebst dem Vermerke, daß und wann die getroffene Anordnung dem Beteiligten vorgelesen worden ist. Die Eintragung und Vorlesung ist sobald als tunlich zu bewirken. Vor der Eröffnung und Eintragung tritt die Verringerung der Heuer nicht in Wirksamkeit (Seemannsordnung § 43). Dem Schiffsmann ist auf Verlangen eine vom Kapitän unterzeichnete Abschrift der Eintragung auszuhändigen; b) die Entlassung eines Schiffsmanns vor Ablauf der Dienstzeit, sowie der Grund der Entlassung, wenn diese aus einem der in der Seemannsordnung § 70 Abs. 1 Nr. 2—5 angegebenen Anlässe erfolgt. Die Eintragung muß spätestens geschehen, bevor der Schiffsmann das Schiff verläßt. Auf Verlangen ist ihm eine vom Kapitän unterzeichnete Abschrift der Eintragung auszuhändigen (Seemannsordnung § 70 Abs. 2). Die Unterlassung der Eintragung wird mit Geldstrafe bis zu 150 M oder mit Haft bestraft (Seemannsordnung § 114 Nr. 12) ;

192

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 520

Zu a) : Das SeemG kennt die Möglichkeit der Rangherabsetzung nicht mehr. Wegen b) siehe jetzt § 64 SeemG.

Anm.

22. jede gröbliche Verletzung der Dienstpflicht, deren sich ein Schiffsmann schuldig macht (Seemannsordnung § 96, vgl. auch Vorschriften über Auswandererschiffe § 70 Nr 2); die Eintragung ist mit genauer Angabe des Sachverhalts, sobald es geschehen kann, zu bewirken. Von dem Inhalt ist dem Schiffsmann unter ausdrücklicher Hinweisung auf die Strafandrohung des § 96 der Seemannsordnung Mitteilung zu machen ; auf Verlangen ist ihm eine Abschrift der Eintragung auszuhändigen. Unterbleibt die Mitteilung, so sind die Gründe der Unterlassung im Tagebuch anzugeben. I s t die Eintragung versäumt, so t r i t t keine strafrechtliche Verfolgung des Schiffsmanns wegen Verletzung der Dienstpflicht ein, soweit nicht im Falle des § 96 Abs. 2 Nr. 3 der verletzte Schiffsmann darauf anträgt (Seemannsordnung § 98) ; Vgl. jetzt § 106 SeemG.

Anm.

23. jede vom Kapitän zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Sicherung der Regelmäßigkeit des Dienstes getroffene Verfügung mit Angabe der Veranlassung (Seemannsordnung §§91,92). Die Eintragung ist, sobald es geschehen kann, zu bewirken. Die Unterlassung wird mit Geldstrafe bis zu 150 M oder mit H a f t bestraft (Seemannsordnung § 114 Nr. 12) ; Vgl. jetzt § 106 SeemG.

Anm.

24. die Anordnungen des Kapitäns gegen einen Schiffsmann, welcher ohne seine Erlaubnis Güter, Waffen oder Munition, Branntwein oder andere geistige Getränke oder mehr an Tabak oder Tabakswaren, als er zu seinem Gebrauch auf der beabsichtigten Reise bedarf, an Bord bringt oder bringen läßt (Seemannsordnung §§ 87, 88, 89). Die Eintragung ist, sobald es geschehen kann, zu bewirken. Die Unterlassung wird mit Geldstrafe bis zu 150 M oder mit H a f t bestraft (Seemannsordnung § 114 Nr. 12) ; Vgl. jetzt § 111 SeemG.

Anm.

25. die Beschwerde eines Schiffsmannes über ungebührliches Betragen des Vorgesetzten oder anderer Mitglieder der Schiffsmannschaft unter genauer Angabe des Sachverhalts (Seemannsordnung § 99). Dem Beschwerdeführer ist auf Verlangen eine Abschrift der Eintragung auszuhändigen. Die Unterlassung wird mit Geldstrafe bis zu 150 M oder mit H a f t bestraft (Seemannsordnung § 114 Nr. 12) ; Vgl. jetzt § 112 SeemG.

Anm.

26. der bei dem Kapitän zu Protokoll oder schriftlich eingelegte Einspruch eines Schiffsmanns gegen den Strafbescheid des Seemannsamts, wenn das Schiff vor Ablauf der zehntägigen Frist von der Verkündung oder der Zustellung des Bescheids ab den Hafen verlassen h a t (Seemannsordnung § 124 Abs. 2). Die Eintragung ist, sobald es geschehen kann, zu bewirken. Dem Schiffsmann ist auf Verlangen eine Bescheinigung über den erhobenen Einspruch auszuhändigen; Vgl. jetzt § 133 SeemG.

Anm.

27. jeder Unfall, durch welchen eine auf dem Fahrzeuge beschäftigte Person auf der Reise getötet wird oder eine Körperverletzung erleidet, die eine völlige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Tagen oder den Tod zur Folge hat, nebst kurzer Beschreibung des Unfalls (ReichsVersicherungsordnung § 1746). Nach den Bekanntmachungen des ReichsVersicherungsamts vom 23. 12. 1887 und 1. 10. 1900 (Amtliche Nachrichten des ReichsVersicherungsamts 1888 S. 8, 1900 S. 710) hat die Beschreibung des Unfalls in einem besonderen Anhange zum Tagebuch (Unfalltagebuch — § 27 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschriften) zu geschehen, während in das Tagebuch selbst nur ein kurzer, auf den Unfall bezüglicher Vermerk, bei gleichzeitigem Hinweis auf die betreffende Seite des Anhanges, aufzunehmen ist. Für die Beschreibung und den Anhang sind besondere Formulare vorgeschrieben. Der Kapitän h a t dem Seemannsamte, bei welchem es zuerst geschehen kann, eine von ihm beglaubigte Abschrift der Eintragung zu übergeben oder aber das Tagebuch zur Entnahme einer Abschrift gegen Rückgabe binnen 24 Stunden vorzulegen. Zuwiderhandlungen unterliegen einer Geldstrafe bis zu 300 M (Reichsversicherungsordnung §§ 1747, 1767); 13

Schaps-Abraham, Seerecht II

198

§ 520

Vierter Teil. Seehandelsrecht

28. Erkrankungen, wenn sie bei einer auf dem Schiffe beschäftigten Person eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Tagen, oder wenn sie den Tod des Erkrankten oder dessen Ausschiffung zur Folge haben, nebst einer kurzen Beschreibung der Krankheitserscheinungen. Die Eintragung ist nicht erforderlich, wenn die Erkrankung von dem Schiffsarzt in das von ihm zu führende Tagebuch eingetragen ist (Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 5); 29. alle an Bord ausgeführten, dem Auftreten von Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken vorbeugenden Maßnahmen, sowie die gegen die Weiterverbreitung dieser Krankheiten gerichteten Vorkehrungen (TagebuchVerordnung § 1 c Nr. 6); 30. alle von den Gesundheitsbehörden der auf einer Reise berührten Hafenplätze vorgenommenen Besichtigungen, Untersuchungen, Desinfektionen, Ausschiffungen usw. (Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 7); Fora T e ^ ü r ^ ' e * n Gründe angebender Vermerk über die etwa notwendig gewordene Verringerung Auswanderer der Beköstigungsmengen f ü r die Auswanderer, der vom Kapitän, dessen Stellvertreter und dem etwa vorhandenen Proviantverwalter zu unterzeichnen ist. Der Vermerk ist sofort einzutragen (§ 70 Nr. 6 der Vorschriften über Auswandererschiffe); Anrn.

Die Ziff. 31 ist durch das Außerkrafttreten der Vorschriften über Auswandererschiffe gegenstandslos geworden. Die VO über die Einrichtung von Auswandererschiffen enthält keine entsprechende Bestimmung mehr. Vgl. deren §§ 19 ff. (Bd. I S. 958).

32. Zahl, Art, Zeit und Ort der auf Auswandererschiffen abgehaltenen Bootsübungen (§ 50 (der Vorschriften über Auswandererschiffe); Alim.

Vgl. jetzt § 97 SSV.

33. Zuwiderhandlungen gegen die vom Kapitän eines Auswandererschiffs im Interesse der Sittlichkeit und Ordnung getroffenen Maßregeln; Anm.

Die Bestimmung ist infolge Außerkrafttretens der Vorschriften über Auswandererschiffe gegenstandslos geworden.

34. jede auf Grund des § 70 Nr. 10 der Vorschriften über Auswandererschiffe dem deutschen Konsul erstattete Meldung, betreffend die Verbringung von Frauenspersonen zu Unzuchtszwecken (Tagebuchverordnung § 1 c Nr. 8); Anm*

Die Vorschrift ist infolge Außerkrafttretens der Vorschriften über Auswandererschiffe gegenstandslos geworden.

35. ein Vermerk, daß der Kapitän gemäß § 70 Nr. 11 der Vorschriften über Auswandererschiffe die zur Sicherung des Nachlasses der an Bord verstorbenen Auswanderer erforderlicher Maßnahmen getroffen und das vorgeschriebene Nachlaßverzeichnis aufgenommen hat, sowie ein Vermerk darüber, welchem Konsul das Nachlaßverzeichnis übergeben worden ist (TagebuchVerordnung § 1 c Nr. 9). AllIII.

Zeltpunkt

Siehe jetzt § 29 Abs. 2 der VO über die Einrichtung der Auswandererschiffe (Bd. I S. 859).

m. Dj e Eintragungen müssen, soweit nicht die Umstände es hindern, täglich geschehen (Han-

der Bintra- , , , , '% ,, gungen d e l s g e s e t z b u c h § 5 2 0 A b s . 4).

IV. BeWirkung Das Tagebuch wird unter Aufsicht des Kapitäns von dem Steuermann und im Falle der Bintra- Verhinderung des letzteren von dem Kapitän selbst oder unter seiner Aufsicht von einem gongen durch ihn zu bestimmenden geeigneten Schiffsmanne geführt (Handelsgesetzbuch § 519 Abs. 2). Jedoch sind die Eintragungen unter I I C Nr. 7, 15, 16, 21 a und b, 22, 23, 24, 25, 26 und 33 von dem Kapitän persönlich und nur im Falle seiner Verhinderung von seinem Vertreter (dem Steuermanne) zu bewirken. Master des Tagebuchs Gleichlau-

V.

tend mit AnL Das Tagebuch ist nach einem Muster zu führen, welches den Zeitraum eines bürgerlichen Tagebuch- Tages umfaßt und mindestens die Spalten einer der Anlagen I und I I enthält (Tagebuchververorduung Ordnung § 3 A b s . 1).

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 520

VI. Das Tagebuch muß, bevor es in Gebrauch genommen wird, mit fortlaufenden Seitenzahlen ^ J ^ * ! ? 4 ' ^ versehen sein. Das Herausreißen von Blättern, sowie Radierungen sind u n s t a t t h a f t . Etwaigetjuc^a y, EinÄnderungen der Eintragungen sind durch einfaches Durchstreichen so zu bewirken, daß das Durchstriehene leserlich bleibt. Nachträgliche Einschaltungen und Zusätze sind ausdrücklich als solche unter Beifügung des Datums zu bezeichnen (Tagebuchverordnung § 3 Abs. 2). VII. Das Tagebuch ist von dem Kapitän und dem Steuermann, und zwar mindestens Schlüsse jeder Reise, zu unterschreiben (Handelsgesetzbuch § 520 Abs. 5).

gungen "

VIII. Das Tagebuch ist während fünfJahren, von dem Tage der letzten Eintragung an gerechnet, aufzubewahren. Die Aufbewahrung kann an Bord oder am Lande erfolgen (Tagebuchver- Tagebuchs Ordnung § 4). IX. Bei Seeunfällen h a t der Kapitän, soweit es nach Lage der Umstände geschehen kann, f ü i R e t t u n s und die Rettung des Tagebuchs zu sorgen (Tagebuchverordnung § 5). I m Falle der Bergung h a t Tagebuchs" der Strandvogt das Tagebuch an sich zu nehmen, dasselbe sobald als möglich mit dem D a t u m und seiner Unterschrift abzuschließen und es demnächst dem K a p i t ä n zurückzugeben (Strandungsordnung vom 17. 5. 1874 § 11). X.

Mltführung der VorDer Kapitän ist verpflichtet, einen Abdruck dieser Zusammenstellung an Bord zu f ü h r e n schrlflen (Tagebuchverordnung § 6). Schiffstagebuch Anhang II Die Anlage I I I zur Tagebuchverordnung ist unvollständig und teilweise auch ungenau geworden. Es soll deshalb im Anhang I I ein Überblick über die gegenwärtig vorgeschriebenen Eintragungen zum Schiffstagebuch gegeben werden. Vgl. auch H e l m e r s Hansa 1957 S. 2279. Eintragungen zum Schiffstagebuch sind gegenwärtig außer durch das H G B und die TagebuchVO vorgeschrieben durch das SeemG, die SSV, die U W , die RVO, die VO über gefährliche Seefrachtgüter, die VO über die Sicherung der Seefahrt, die VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrtteischiffen, die VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes, die I. DVOzFlaggRG und die StrandungsO. Folgt man dem Schema der TagebuchVO, so ergibt sich folgendes Bild: A. Eintragungen vor oder bei Beginn einer Reise 1. Die zur Sicherung der Ladung, des Ballastes und der Pumpen getroffenen Vorkehrungen (§ 1 a Nr. 1 TBV); 2. Der Bau von Getreideschotten und die Beachtung der sonstigen Vorschriften des § 157 UVV bei Getreideladungen (§ 157 Abs. 8 UVV); 3. Der Tiefgang des Schiffes vorn und hinten (§ l a Nr. 2 TBV); 4. Bei Reisedauer über vier Wochen gemäß § 2 der VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen (vgl. Bd. I S. 1222) das Ergebnis der Prüfung der Arznei- und sonstigen Hilfsmittel f ü r die Krankenfürsorge f ü r Schiff und Rettungsboote durch den Kapitän (auf Schiffen mit Schiffsarzt Eintragung nur in das Gesundheitsbuch, § 13 Abs. 2 der VO); 5. Das Ergebnis der vor jedem Auslaufen und bei jeder Musterung oder Übung vorgeschriebenen Prüfung der Rettungsmittel und der dabei festgestellten Mängel und die Maßnahmen zu deren Beseitigung (§ 80 Abs. 2 SSV): 6. Die in § 76 Ziffer 1 und 2 SSV vorgesehenen Eintragungen; 7. Die in § 97 Abs. 5 SSV vorgesehenen Eintragungen. is»

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Vierter Teil. Seehandelsrecht ß. Eintragungen von Tag zu Tag während der Reise 1. Die Beschaffenheit von Wind und Wetter (§ 520 H G B ) ; 2. Die von dem Schiff gehaltenen Kurse und zurückgelegten Entfernungen sowie die bei Berichtigung der Kurse angewandte Mißweisung, Ablenkung und Abtrift (§ 520 Abs. 1 H G B und § l b T B V ) ; 3. Die ermittelte Breite und Länge (§ 520 Abs. 1 H G B ) ; 4. Der Wasserstand bei den Pumpen (§ 520 Abs. 1 H G B ) ; 5. Bei Kohlenladungen in langer F a h r t das Ergebnis der täglich vorgeschriebenen Temperaturmessungen (§ 164 UVV; siehe auch Anlage der VO über gefährliche Seefrachtgüter, Anlage Klasse V I I I b I I I ) ; 6. Die nach § 76 Ziff. 22 SSV zu treffenden Feststellungen. C. Im eintretenden Falle zu machende Eintragungen 1. Die wichtigen Peilungen, Landmarken und Seezeichen (§ l c Ziff. 2 TBV); 2. Die Ergebnisse der Lotungen, evt. mit Bodenbeschaffenheit (§ 520 HGB, § 1 c Ziff. 1 TBV); 3. Die Abgabe von Nebelsignalen und die F a h r t des Schiffes bei Nebel, dickem Wetter, Schneefall oder heftigen Regengüssen (§ l c Ziff. 3 TBV); 4. Jede Einnahme von Trinkwasser, tunlichst mit kurzer Angabe der Herkunft des Wassers (§ l c Ziff. 4 TBV); 5. Jedes Annehmen eines Lotsen und die Zeit seiner A n k u n f t und seines Abgangs (§ 520 Abs. 2 HGB); 6. Die während der Reise im Personal der Schiffsbesatzung eintretenden Veränderungen (§520 Abs. 2 HGB); 7. Jeder Unfall, durch welchen eine auf dem Fahrzeuge beschäftigte Person auf der Reise getötet wird oder eine Körperverletzung erleidet, die eine völlige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod zur Folge h a t mit einem Hinweis auf die Eintragung in das Unfalltagebuch (§ 1746 RVO); 8. Erkrankungen, wenn sie bei einer auf dem Schiffe beschäftigten Person eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen, oder wenn sie den Tod des Erkrankten oder dessen Ausschiffung zur Folge haben (§ l c Ziff. 5 TBV); 9. Alle an Bord ausgeführten, dem Auftreten von epidemischen und Tropenkrankheiten entgegentretenden Maßnahmen (§ l c Ziff. 6 TBV); 10. Alle von den Gesundheitsbehörden der auf einer Reise berührten Hafenplätze vorgenommenen Besichtigungen, Untersuchungen, Desinfektionen, Ausschiffungen und dergleichen (§ l c Ziff. 7 TBV); 11. Grund und Dauer einer Reise Verlängerung bei einem f ü r eine bestimmte Zeit ausgestellten Flaggenzeugnis (§ 8, 1. DVO FlaggRG); 12. Eintragungen nach § 76 Ziff. 1 SSV; 13. Der wöchentlich abzuhaltende Bootsalarm (§134 UVV); 14. Die monatlich vorgeschriebene Boots- und Feuerlöschübung oder die Gründe f ü r die Unterlassung (§ 97 SSV); 15. Die beim Nichtvorhandensein eines Schiffsarztes dem K a p i t ä n vierteljährlich vorgeschriebene Prüfung der Apothekenausrüstung und der Sanitätskästen der Rettungsboote (§ 2 VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen); 16. Das Ergebnis der halbjährlich vorgeschriebenen P r ü f u n g und Erprobung der Feuerschutz- und Feuerlöscheinrichtungen (§ 72 Abs. 2 SSV); 17. Das Ergebnis der jährlich vorgeschriebenen P r ü f u n g der Rettungsmittel (§ 132 UVV); 18. Das Ergebnis der jährlich vorgeschriebenen Prüfung einer selbsttätigen Berieselungsanlage durch einen von der See-Berufsgenossenschaft anerkannten Sachverständigen. Die Eintragung ist von diesem selbst vorzunehmen (§ 76 Ziff. 5 SSV); 19. Die jährlich vorgeschriebene und durch die Behörde vorzunehmende Prüfung der Apothekenausrüstung und der Krankenräume ( § 1 5 VO über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen) ; 20. Der Befund über die mindestens einmal jährlich vorzunehmende Untersuchung der Beschaffenheit und Haltbarkeit der Fuß-, Spring- und Handpferde von sämtlichen Raaen

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und vom Klüverbaum sowie der Vermerk über eine etwaige Erneuerung derselben (§63 UVV); Auf Fahrgastschiffen die nach § 76 Ziff. 2 und 3 und § 97 Abs. 5 vorgesehenen Übungen und Erprobungen; Die Besehreibung von Unfällen, die dem Schiff oder der Ladung zustoßen (§ 520 Abs. 2 HGB); Die Gründe f ü r die Unterlassung eines Beistandes auf ein fremdes Seenotzeichen. Vgl. die Einzelheiten in § 5 Abs. 2 VO über die Sicherung der Seefahrt (Bd. I S. 829). Die Eintragung ist vom K a p i t ä n selbst vorzunehmen oder doch von ihm selbst zu unterschreiben; Die Gründe f ü r die Unterlassung des Beistandes nach einem Zusammenstoß (§ 6 Abs. 2 VO über die Sicherung der Seefahrt [Bd. I S. 829]). Die Eintragung ist vom K a p i t ä n selbst vorzunehmen oder doch von ihm selbst zu unterschreiben; Die im Schiffsrat gefaßten Beschlüsse (§ 520 Abs. 2 HGB); Nachkompensierungen durch einen Kapitän mit Befähigungszeugnis A 6 sowie jede andere Kompensierung der Kompasse (§ 147 I I 2 UVV); Die Gründe f ü r die Verzögerung oder Unterlassung einer An-, Ab- oder Ummusterung (§ 15 SeemG). Die Eintragung h a t durch den K a p i t ä n selbst zu erfolgen oder ist doch von ihm selbst zu unterschreiben; Grund, Zeitpunkt und Umfang eines notwendigen Abweichens von der Speiserolle. Die Eintragung h a t durch den Kapitän selbst zu erfolgen oder ist doch von ihm selbst zu unterschreiben (§ 40 SeemG); Die fristlose Entlassung eines Besatzungsmitglieds. Die Eintragung ist vom K a p i t ä n selbst vorzunehmen oder doch selbst zu unterschreiben (§ 64 SeemG); Maßnahmen des Kapitäns nach § 106 Abs. 3 und 4 SeemG sowie die Übertragung der Befugnisse nach § 106 Abs. 5 SeemG. Die Eintragung ist vom K a p i t ä n selbst vorzunehmen oder doch selbst zu unterschreiben; § 106 Abs. 6 SeemG (persönliche Eintragung oder Unterschrift); Die Vernichtung (sowie deren Begründung) von Gegenständen nach § 111 Abs. 3 SeemG (persönliche Eintragung oder Unterschrift); Auf Verlangen eines Besatzungsmitglieds dessen Beschwerde über das Verhalten von Vorgesetzten oder anderen Besatzungsmitgliedern sowie die Entscheidung des Kapitäns (§ 112 SeemG [persönliche Eintragung oder Unterschrift]);

33. Der Antrag eines Besatzungsmitglieds auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bußgeldbescheid eines Seemannsamts wegen einer Ordnungswidrigkeit; § 133 SeemG (persönliche Eintragung oder Unterschrift); 34. Die ordnungswidrige Verletzung der Dienstpflicht eines Besatzungsmitglieds (§ 124 SeemG). Die Eintragung ist durch den Kapitän selbst vorzunehmen oder doch zu unterschreiben ; 35. J e d e an Bord begangene strafbare Handlung (§ 520 Abs. 3 H G B ) ; 36. Die Mitteilung an die Besatzung über den Flaggenwechsel des Schiffes (§ 1055 RVO). Die Eintragung ist durch den Kapitän selbst vorzunehmen oder doch zu unterschreiben. Auch jedes Besatzungsmitglied h a t sie zu unterschreiben; 37. Die Geburts- und Sterbefälle während der Reise an Bord; § 520 Abs. 3; § 46 VOPersonenstandsges. (persönliche Eintragung oder Unterschrift); 38. Das Untersuchungsergebnis nach einer Beschwerde eines Besatzungsmitglieds beim Seemannsamt über Seeuntüchtigkeit des Schiffes sowie über ungenügenden oder verdorbenen Proviant (§113 SeemG). Die Eintragung h a t durch das Seemannsamt zu erfolgen; 39. Die Bestrafung des Kapitäns durch das Seemannsamt wegen Verstosses gegen die U W ; die Eintragung h a t durch das Seemannsamt zu erfolgen (§ 1208 RVO); 40. Der Abschluß des Schiffstagebuchs im Falle der Bergung durch den Strandvogt (§ 11 StrandO).

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§ § 521, 522

Vierter Teil. Seehandelsrecht

§ 521 Die Landesgesetze können bestimmen, daß auf kleineren Fahrzeugen (Küstenfahrern und dergleichen) die Führung eines Tagebuchs nicht erforderlich ist. Anm.

Durch gleichlautende Verordnungen der Seeuferstaaten sind danach von der Führung eines Tagebuchs befreit worden (mit Wirkung vom 1. 1. 1911): a) Schiffe in der Nahfahrt von weniger als 400 Kubikmeter Bruttoraumgehalt, b) Schiffe in der Küstenfahrt von weniger als 250 Kubikmeter Bruttoraumgehalt, welche nicht zur Beförderung von Reisenden dienen, c) Fahrzeuge in der Küstenfischerei, d) Fahrzeuge in der kleinen Hochseefischerei, e) Lustfahrzeuge von weniger als 400 Kubikmeter Bruttoraumgehalt. Auf Seeleichter finden die Bestimmungen unter a) und b) keine Anwendung. Vgl. für P r e u ß e n VO vom 9. 12. 1910 (GS S. 319), für M e c k l e n b u r g - S c h w e r i n VO vom 24. 3. 1911 (RegBl. S. 117), für Hamburg VO vom 2. 11. 1910 (GS11 S. 174), für Lübeck VO vom 22. 10. 1910 (Sammlung S. 181), für Bremen VO vom 20. 12. 1910 (GBl. S. 379). § 522 Der Schiffer hat über alle Unfälle, die sich während der Reise ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffes oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothafen oder einen sonstigen Nachteil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Personen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl von ihnen eine Verklarung abzulegen. Die Verklarung ist ohne Verzug zu bewirken, und zwar: im Bestimmungshafen oder bei mehreren Bestimmungshäfen in demjenigen, welchen das Schiff nach dem Unfälle zuerst erreicht; im Nothafen, sofern in diesem repariert oder gelöscht wird; am ersten geeigneten Orte, wenn die Reise endet, ohne daß der Bestimmungshafen erreicht wird. Ist der Schiffer gestorben oder außerstande, die Aufnahme der Verklarung zu bewirken, so ist hierzu der im Range nächste Schiffsoffizier berechtigt und verpflichtet. S c h r i f t t u m : W ö h l e r , Die Verklarung im Seerecht, Binnenschiffahrtsrecht und Flößereirecht, Diss. Erlangen 1913; W ü s t e n d ö r f e r SHR 191f.

Elnleltg.

Die §§ 522 - 525 behandeln die Ablegung der Verklarung. Wenn auch die Pflicht zur Verklarungsablegung privatrechtlicher Natur ist (unten Anm. 1, 2), so gehören doch die VorVorschriften darüber, wie ihr zu genügen ist, zum öffentlichen Recht. Die bundesrechtlichen Vorschriften werden landesrechtlich ergänzt. §§ 522 und 523 enthalten das materielle, §§ 524 und 525 das formelle Verklarungsrecht. Nach § 1 der bei den § 524, 525 abgedruckten V e r k l a r u n g s o r d n u n g vom 16. 8. 1944 (RGBl. I S. 183) sind die §§ 524, 525 bis auf weiteres nicht anzuwenden. Die Verklarungsordnung wird gegenwärtig aber noch allgemein angewandt. Zwar ist sie auf Grund der VO über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Handelsrechts während des Krieges vom 4. 10. 1940 (RGBl. 11337) ergangen. Da der Kriegszustand beendet ist, könnte ihre Fortgeltung zweifelhaft sein. Die VO vom 4.10.1940 selbst ist durch § 11 e des handelsrechtlichen Bereinigungsgesetzes vom 18. 4. 1950 (BGBl. I S. 90) aufgehoben worden. Allgemein wird indessen angenommen, daß dadurch nur Einzelmaßnahmen auf Grund der VO von 1940 (vgl. § 2 des Gesetzes vom 18. 4. 1950: die auf Grund der VO von 1940 erteilten Befreiungen und Verbote) außer Kraft gesetzt seien. So auch S c h l e g e l b e r g e r Anmerkung zu § 524, 525 HGB, der auch auf das Rechtspflegergesetz vom 8. 2. 1957 (RGBl. I S. 609) verweist, welches in § 15 Ziff. 3a die Entgegennahme des angemeldeten Verklarungsberichts und des nachfolgenden Verfah198

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB rens gemäß §§ 2, 3 der VO vom 16. 8. 1944 zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen dem Richter vorbehalte. Indessen kann auch hier ein Versehen vorliegen, wie Schlegelberger es für die Neufassung des § 145 FGG durch die Novelle zum Mitbestimmungsgesetz vom 7. 8. 1956 (BGBl. I S.707) annimmt, das noch § 524 HGB und nicht die VO von 1944 erwähnt. Der Versuch, die VO von 1944 noch als fortgeltendes Gesetzesrecht anzusprechen, erscheint deshalb doch von zweifelhaftem Erfolg und etwas gekünstelt. Da sie indessen, wie schon oben ausgeführt, in der Praxis allgemein zur Anwendung kommt, kann sie aber wohl als Gewohnheitsrecht angesprochen werden, so daß an der Geltung ihres Inhalts nicht gezweifelt zu werden braucht. Landesrechtliche Bestimmungen bestehen für die Verklarung nicht mehr. Das Hamburgische Gesetz, betreffend das Verklarungswesen v o m 30. 1. 1891 u n d die Hamburgische Be-

kanntmachung, betreffend das Verklarungswesen vom 25.5.1891 sind durch das Hamburgische Gesetz zur Aufhebung entbehrlich gewordenen Landesrechts vom 18.12.1959 (GVOB1.1 S. 207) aufgehoben worden. Die von Lübeck erlassene VO über Verklarungen vom 26. 7. 1890 ist auf Grund der VO über die Einführung landesrechtlicher Vorschriften in den nach dem Groß-Hamburg-Gesetz auf Preußen übergegangenen Gebietsteilen (RechtseinführungsVO) vom 18. 3. 1938 außer Kraft getreten. § 522 legt die Pflicht zur Ablegung der Verklarung fest und gibt Vorschriften über Voraussetzungen, Zeit und Ort derselben und über die beteiligten Personen.

Anm. 1

1. Begriff und Zweck der Verklarung. Die Verklarung ist eine gerichtlich abgegebene Erklärung des Schiffsführers und evt. auch anderer Personen der Schiffsbesatzung, die eine Darstellung von Unfällen während der Reise enthält. Ihr Zweck ist nicht die Wahrung öffentlicher, sondern diejenige privater Interessen (RGSt 19, 220ff.), nämlich neben der Entlastung (Verklarung = Reinigung) des Schiffers die Schaffung einer Unterlage f ü r die Regelung der aus einem Seeunfall erwachsenen privatrechtlichen Verhältnisse (OSA Bd. 1, S. 438; Bd. 8 S. 247; Bd. 10 S. 423ff.). Sie dient also als eine Art Beweissicherung. Vgl. auch HansOLG und RG HansGZ 1928 B 787; S e b b a J W 1928 S. 924. Der Verklarung entspricht in England etwa der sea-protest, eine uneidliche Verwahrung des Kapitäns, eingelegt vor einem Notar (vgl. aber auch Anm. 9, wonach der Seeprotest durch einen vollen Protest ergänzt werden kann), dem französischen rapport (Art. 242, 243 c. com.); vgl. für Belgien Art. 78 belg c. com.; für die Niederlande Art. 353ff. WvK; für Italien Art. 403f., 315 c. nav. Siehe auch unten Anm. 9 — Unabhängig von der Verklarung kann das zivilprozessualische V e r f a h r e n z u r S i c h e r u n g des B e w e i s e s (§§ 485ff. ZPO) betrieben werden. Vgl. weiter (namentlich auch wegen der Berechnung der Rechtsanwaltgebühren) OLG Köln als Rheinschiffahrtsobergericht ZfBSch 1959 S. 365. 2. Die Pflicht zur Ablegung der Verklarung.

Anm. 2

a) Wieweit besteht diese Pflicht? Da § 522 die Pflicht zur Verklarung festlegt, gehört ihre Erfüllung normalerweise zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, und der Verpflichtete macht sich durch ihre Verabsäumung den Interessenten für alle hierdurch entstandenen Schaden verantwortlich. I n d e s s e n g e h t es zu w e i t , d e n § 522 f ü r e i n e a b s o l u t v e r p f l i c h t e n d e V o r s c h r i f t zu h a l t e n (richtig Oberseeamt OSA Bd. 8 S. 247; anders Seeamt Stettin OSA Bd. 8 S. 571). Denn wo keine Interessenten da sind — z.B. wenn der Führer des unversicherten, in Ballast fahrenden Schiffs Alleinreeder desselben ist •—, hätte die Ablegung einer Verklarung keinen Sinn (Prot. 1809; OSA Bd. 7 S. 508; es müßten denn Passagiere oder Besatzung ein Interesse an derselben haben); ebenso kann derjenige Interessent, der auf sie verzichtet (Prot. 1810; OSA Bd. 8 S. 244,247; Bd. 9 S. 8), aus ihrer Nichtablegung keine Rechte herleiten. Ein o f f e n t Ii ehr e c h t Hoher Z w a n g existiert für die Erfüllung der Verklarungspflicht nicht; ihre zivilrechtliche Erzwingbarkeit regelt sich nach den Bestimmungen des Prozeßrechts. b) Wem gegenüber? Zunächst gegenüber den Reiseinteressenten (§ 512), dann aber auch sonstigen Personen, die durch den Unfall in direkte Beziehungen zu dem Schiffer getreten sind oder getreten sein können. Hierher können insbesondere gehören Angesegelte, Berge- und 199

Anm. 3

§522

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Hilfslohnberechtigte; Versicherer nur dann, wenn sie bereits in die Rechte ihrer durch den Unfall betroffenen Versicherungsnehmer eingetreten sind ( s. dazu § 43 ADS: die Herbeiführung einer Verklarung kann er verlangen, wenn er an ihr ein berechtigtes Interesse hat). Alle diese Personen können auf zivilrechtlichem Wege die Ablegung der Verklarung erzwingen; indessen kann der Antrag des Schiffers nicht durch ihren Antrag ersetzt werden. Daß ihnen der Schiffer u n e n t g e l t l i c h eine Ausfertigung der Verklarung zustellt, können sie n i c h t verlangen (HansGZ 1872, 149). Anm. 4

c) Wer Ist verpflichtet? Der S c h i f f e r (selbstverständlich derjenige des Schiffes, das den Unfall gehabt h a t : man kann nicht über den Unfall eines anderen Schiffes Verklarung ablegen: OSA Bd. 1 S. 439); ist er verstorben oder sonst außerstande, die Aufnahme der Verklarung zu bewirken, so ist der ihn ersetzende oder vertretende Schiffsoffizier (regelmäßig also der Erste Offizier des Decksdienstes; § 2 Abs. 3 SeemG und die Erläuterungen zu § 516 HGB, insbesondere Anm. 2 und 3) hierzu befugt und verpflichtet. Wenn die Behinderung des Schiffers nur eine vorübergehende, etwa durch Krankheit oder dringende Geschäfte verursachte ist, so entbindet ihn die Ablegung der Verklarung durch den Rangältesten nicht davon, dieselbe auf ihre Vollständigkeit nachzuprüfen und, wenn nötig, Nachverklarung zu beantragen.

Anm. 5

d) Unter welcher Voraussetzung? Die Pflicht zur Verklarungsablegung setzt einen U n f a l l voraus, d.h. ein Ereignis, welches störend in den regelmäßigen Gang der Reise eingreift (OSA Bd. 3 S. 101, 496), a b e r n u r e i n e n s o l c h e n U n f a l l , w e l c h e r v e r m ö g e n s rechtlichen Nachteil f ü r den Reeder oder einen Reiseinteressenten mit sich b r i n g t o d e r d o c h b r i n g e n k a n n . Doch ist mit einer solchen Möglichkeit bei fast allen Unfällen zu rechnen, insbesondere auch bei solchen, die die Tötung oder Verletzung von Menschen zur Folge haben, namentlich hier auch wegen §§ 485 HGB, 487 BGB. Weniger weitgehend die Vorauflage dieses Kommentars (Anm. 4 zu § 522), wonach keine Verklarung abzulegen sei wegen eines Unfalls, der ausschließlich die Verletzung oder Tötung von Menschen zur Folge h a t t e ; dagegen S c h l e g e l b e r g e r Anmerkung 1 zu § 522. Doch wurde auch in der Vorauflage zutreffend betont, daß ein vorsichtiger Kapitän auch in derartigen Fällen Verklarung ablegen würde, insbesondere auch dann, wenn der Erfolg eines Ereignisses, das schädlich zu wirken g e e i g n e t war, z.B. einer Grundberührung, noch nicht festgestellt war. Vgl. auch H G Hamburg HansGZ 1871 Nr. 195.

Anm. G

e) Wo? Der Schiffer braucht nicht eigens behufs Ablegung der Verklarung einen Hafen anzulaufen; das Gesetz schreibt ihm vielmehr f ü r jeden Fall vor, wo er die Verklarung abzulegen hat. Es hat dies zu geschehen aa) im N o t h a f e n , wenn das Schiff einen solchen nach dem Unfall — sei es auf Grund dieses oder eines späteren Unfalls — vor Erreichung eines Bestimmungshafens anläuft und in demselben gelöscht oder repariert wird (also z.B. n i c h t , wenn daselbst nur Proviant, Ausrüstungsgegenstände od. dgl. gekauft werden: Prot. 1813). bb) I m B e s t i m m u n g s h a f e n , wenn nicht bereits vorher Verklarung belegt ist; bei mehreren Bestimmungshäfen in demjenigen, den das Schiff nach dem Unfall zuerst erreicht. cc) Am e r s t e n g e e i g n e t e n O r t e , wenn die Reise ohne Erreichung eines Bestimmungshafens endet. Diese gesetzlichen Bestimmungen haben den Zweck, die Verklarungsablegung zu beschleunigen, damit die zu bekundenden Ereignisse noch möglichst frisch aus dem Gedächtnis der Beteiligten heraus niedergelegt werden. Deshalb sind die im Gesetz f ü r jeden einzelnen Fall festgelegten Orte als diejenigen anzusehen, an denen der Schiffer s p ä t e s t e n s Verklarung zu belegen hat. Erfüllt er seine Pflicht bereits eher, als das Gesetz es ihm vorschreibt, also in einem Hafen, der weder Nothafen im obengenannten Sinne noch Bestimmungshafen ist, so läßt sich hiergegen nichts einwenden (Prot. 1811 ff.); unterläßt er dagegen, ohne vorher Verklarung belegt zu haben, deren Belegung am rechten Orte, so kann er sich nicht beklagen, wenn das von ihm angerufene Gericht oder Konsulat eines später berührten Ortes wegen

200

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB U n z u s t ä n d i g k e i t (vgl. HansOLG HansGZ 1895, 235) die Entgegennahme der Verklarung ablehnt. Berechtigt ist dasselbe hierzu, es müßte ihm denn dargetan werden, daß der Schiffer an demjenigen Orte, an dem die Verklarung h ä t t e stattfinden sollen, zur Ablegung derselben aus tatsächlichen Gründen nicht imstande gewesen sei, etwa weil keine zur Verklarungsaufnahme geeignete Behörde am Orte war oder die Verklarungsablegung eine ungebührliche Verzögerung der Weiterreise zur Folge gehabt hätte (vgl. Prot. 1812ff.). Nur soweit eine derartige Voraussetzung vorliegt, läßt es sich rechtfertigen, wenn dem Kapitän eines von einer Rundreise in den deutschen Heimathafen zurückkehrenden Liniendampfers gestattet wird, „ f ü r die Aus- und Rückreise" oder bei mehreren Bestimmungshäfen „ f ü r eine Rundreise" Verklarung abzulegen. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1888 Nr. 53: Dem K a p i t ä n eines Paketfahrtdampfers von der Westindischen Linie, deren Schiffe damals gewöhnlich von H a m b u r g nach St. Thomas und von dort nach Berührung einer Anzahl westindischer Häfen über Le Havre zurück nach H a m b u r g gingen, war vorgeworfen, daß er über einen in Colon gehabten Unfall nicht in einem der zunächst angelaufenen westindischen H ä f e n , ferner aber nicht in Le Havre Verklarung belegt habe. Das OLG spricht ihn von diesem Vorwurfe frei: jene Westindischen, auf der Heimreise angelaufenen Häfen seien keine Bestimmungshäfen im Sinne von § 522 gewesen, und wenn der Kapitän nicht in Le Havre, das allerdings nächster Bestimmungshafen gewesen sei, Verklarung belegt habe, so habe er richtig gehandelt, weil er schon nach zwei Tagen Hamburg erreichen konnte. — Bezüglich der westindischen Häfen ist dem OLG beizustimmen, wenn wirklich festgestellt war, daß sie keine Bestimmungshäfen waren: wenn in ihnen auf Grund von Frachtverträgen Ladung zu löschen gewesen wäre, dann w ä r e n sie aber Bestimmungshäfen gewesen. Die Ausführungen betreffend Le Havre sind indessen sehr bedenklich, da sie dem Gesetze offen widersprechen (gegen sie auch B o y e n s Bd. 1 S. 357). Man kann nicht einmal sagen, daß eine ihnen entsprechende gesetzliche Bestimmung unbedingt praktisch wäre und dem Verkehrsbedürfnis entspräche; denn Schiff und Mannschaft können auf der Reise nach dem letzten Bestimmungshafen zugrunde gehen. Vgl. auch OLG Karlsruhe Zeitschrift f ü r Versicherungsrecht 1957 S. 148, wonach es auf die Gesamtheit der einzelnen Verhältnisse ankommt. Eine ohne zwingenden Grund am u n z u s t ä n d i g e n Orte abgelegte Verk l a r u n g b r a u c h t d e r j e n i g e , d e m g e g e n ü b e r der S c h i f f e r zu i h r e r A b l e g u n g v e r p f l i c h t e t i s t , n i c h t g e g e n s i c h g e l t e n zu l a s s e n ; der Schiffer ist f ü r den aus der Verspätung entstandenen Schaden verantwortlich. Die Verklarung verliert nämlich an Beweiskraft, je später sie abgelegt wird. Anders K G J W 1924 S. 101 = E E Bd. 40 S. 206, wonach § 522 nur den Zeitpunkt einer Verklarung angibt, aber keine Norm über die Zuständigkeit des Gerichts enthält; ein Gericht des Orts, welcher nach § 522 nicht der Verklarungsort ist, soll nicht berechtigt sein, den Verklarungsantrag abzulehnen. H a t der Schiffer bereits an einem zuständigen Orte Verklarung abgelegt, so braucht er sie bezüglich desselben Unfalls nicht im letzten Bestimmungshafen zu wiederholen (LG Hamburg HansGZ 1889 Nr. 83). f) W a n n ? O h n e V e r z u g . Der Schiffer hat, soweit ihn nicht andere Geschäfte, die er, weil es die Sorfalt eines ordentlichen Schiffers verlangt, vorziehen muß (vgl. Prot. 1814), oder sonst erhebliche Umstände (z.B. zeitweilige Abwesenheit eines erheblichen Zeugen: H G Hamburg HansGZ 1874 Nr. 199 — vgl. aber jetzt § 3 Abs. 1 VerklarungsO —) davon abhalten, u n v e r z ü g l i c h , d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), nicht nur die Anmeldung der Verklarung zu bewirken, sondern auch das Seinige zur Durchführung zu tun. Bei der Relativität des Begriffs der Unverzüglichkeit (franz. Code de commerce, Art. 243, und ebenso das belgische Recht, Art. 78 des dortigen Code de commerce verlangen, daß der K a p i t ä n seinen rapport binnen 24 Stunden seit der Ankunft erstattet) wird in dieser Hinsicht viel gesündigt. Das Gericht kann aber aus der Säumigkeit nicht die Befugnis herleiten, die Entgegenahme der Verklarung abzulehnen (HansOLG HansGZ 1901, 202; anders W a g n e r H B 402). Der Schiffer haftet f ü r den durch seine Säumnis, aber nicht f ü r den durch Säumnis der Verklarungsbehörde entstandenen Schaden (Prot. 1815). Siehe auch OLG Karlsruhe Zeitschrift f ü r Versicherungsrecht 1957 S. 148.

Anm. 7

g) Während nach § 522 der Schiffer a l l e Personen der Schiffsbesatzung oder eine nach seinem und nach dem Ermessen der Behörde (§ 525) g e n ü g e n d e Anzahl von ihnen hinzuzuziehen hat, bedarf es nach § 3 Abs. 1 VerklarungsO der Mitwirkung von Personen der

Anm. 8

201

§523

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Schiffsbesatzung nicht. Der Richter ist nach § 3 Abs. 2 VerklarungsO lediglich befugt, zum Zwecke der besseren Aufklärung außer dem Schiffer auch andere Personen der Schiffsbesatzung zu vernehmen. Macht der Richter hiervon Gebrauch, so wird er vornehmlich diejenigen Personen der Schiffsbesatzung vernehmen, welche den fraglichen Unfall selbst wahrgenommen haben. Anm. 9

3. Schon oben (Anm. 1) wurde darauf hingewiesen, daß auch die Auslandsrechte regelmäßig etwas der deutschen Verklarung Entsprechendes kennen. Wenn das nach dem Gesetz zutreffende Gericht im Ausland liegt, so hat der deutsche SchifEer die Wahl, ob er vor der nach dem ausländischen Recht zuständigen Behörde nach dortigem Gesetz (Nach der belgischen Rechtsprechung ist auch der Kapitän eines nichtbelgischen Schiffes in einem belgischen Hafen zum rapport de mer bei einem belgischen Gericht verpflichtet) oder vor dem nach § 36 KonsG (vgl. Bd. I S. 1219) zuständigen Bundeskonsul nach den Bestimmungen des HGB bzw. den dienstlichen Anweisungen zu obigem Gesetz Verklarung ablegen will (OSA Bd. 1 S. 437). Wählt er den letzteren Weg, so läuft er freilich Gefahr, daß seine Verklarung vor den ausländischen Gerichten nicht als beweiskräftig angesehen wird (Prot. 1818). Bei der Entscheidung der Frage, ob er der Verklarung im Ausland vor einem Konsul oder vor der nach dem ausländischen Recht zuständigen Stelle den Vorzug geben soll, wird er deshalb wohl die letztere dann bevorzugen, wenn insbesondere Interessen von Angehörigen des Aufenthaltsstaats auf dem Spiel stehen. In Belgien ist der rapport de mer binnen 24 Stunden nach der Ankunft des Schifies vor dem Handelsgericht oder dem Friedenrichter abzulegen. Gleiches gilt für Frankreich. In Dänemark hat die Verklarung vor dem Handels- und Seegericht spätestens an dem auf das Einlaufen folgenden Tage zu erfolgen, in Finnland vor dem Ortsgericht spätestens am zweiten Tage nach dem Einlaufen, in Norwegen muß sie vor dem Ortsgericht vorgenommen werden, in Schweden vor dem Rathausgericht nach vorheriger Meldung an das Kommerzkollegium. In Griechenland ist ein beglaubigter Bericht an das Landgericht zu richten. Spanien verlangt eine Protesterklärung binnen 24 Stunden nach der Ankunft des Schiffes vor dem Zivilgericht, bei Kollisionen außerdem noch vor der Marinebehörde, Portugal eine solche innerhalb der gleichen Zeit vor dem Hafenkapitän. Die Niederlande schreiben eine Verklarung binnen 24 Stunden nach der Ankunft des Schiffes vor dem Zivilgericht vor, Italien eine solche binnen der gleichen Zeit vor der Seebehörde. Siehe auch oben Anm. 1. In Großbritannien, seinen Gliedstaaten und in den Vereinigten Staaten von Amerika findet sich der regelmäßig vor einem Notar oder Konsul abzugebende Seeprotest. Unter ihm ist ein kurzer Bericht über den Verlauf der Reise und über den Zustand des Schiffes vor der Reise verbunden mit einem Protest gegen fremde Ansprüche zu sehen. Dieser Seeprotest kann zu einem vollen Protest erweitert werden, der insbesondere auch Grundlage für die große Haverei ist. Siehe über Spanien auch Hansa 1933 S. 587. § 523 Die Verklarung muß einen Bericht Uber die erheblichen Begebenheiten der Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Erzählung der erlittenen Unfälle unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachteile angewendeten Mittel, enthalten.

Anm.

Inhalt der Verklarung Die Verklarung muß enthalten einen B e r i c h t ü b e r die e r h e b l i c h e n B e g e b e n h e i t e n der R e i s e , also nicht nur einen solchen über die Unfälle selbst, sondern auch über das, was ihnen vorhergeht -— denn hieraus wird sich oft die Ursache des Unfalls erkennen lassen — und was ihnen nachfolgt. Besonderer Wert ist auf die Darstellung der Unfälle selbst zu legen; auch sind die erlittenen Schäden möglichst spezialisiert anzugeben, weil nur dann die Verklarung für den Assekuradeur von Wert ist. Die Angabe der zur Anwendung oder Verringerung der Nachteile angewendeten Mittel soll ein Urteil darüber gewähren, ob der Schiffer und seine Leute nach dem Unfall ihre Pflicht getan haben.

202

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ § 5 2 4 , 525

8 524 Im Gebiete dieses Gesetzbuchs muß die Verklarung, unter Vorlegung des Tagebuchs und eines Verzeichnisses aller Personen der Schiffsbesatzung, bei dem zuständigen Gericht angemeldet werden. Das Gericht hat nach Eingang der Anmeldung sobald als tunlich die Verklarung aufzunehmen. Der dazu anberaumte Termin wird in geeigneter Weise öffentlich bekanntgemacht, sofern die Umstände einen solchen Aufenthalt gestatten. Die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die etwa sonst bei dem Unfälle Beteiligten sind berechtigt, selbst oder durch Vertreter der Ablegung der Verklarung beizuwohnen. Die Verklarung geschieht auf der Grundlage des Tagebuchs. Kann das geführte Tagebuch nicht beigebracht werden oder ist ein Tagebuch nicht geführt (§ 521), so ist der Grund hiervon anzugeben. § 525 Der Richter ist befugt, außer den gestellten noch andere Personen der Schiffsbesatzung, deren Abhörung er angemessen findet, zu vernehmen. E r kann zum Zwecke besserer Aufklärung dem Schiffer sowie jeder anderen Person der Schiffsbesatzung geeignete Fragen zur Beantwortung vorlegen. Der Schiffer und die zugezogenen übrigen Personen der Schiffsbesatzung haben ihre Aussagen zu beschwören. Die über die Verklarung aufgenommene Verhandlung ist in Urschrift aufzubewahren und jedem Beteiligten auf Verlangen eine beglaubigte Abschrift zu erteilen. In der Einleitung zu § 522 HGB wurde darauf hingewiesen, daß die §§ 524, 525 gegenwärtig nicht zur Anwendung kommen. An ihre Stelle ist die VO zur Vereinfachung des Verfahrens Uber Verklarungen vom 16. 8. 1944 (RGBl. I S.183) getreten. Doch gilt auch diese ihrem Wortlaut nach wiederum, wie auch früher die §§ 524, 525 HGB, nur wenn die Verklarung vor einem deutschen Gericht abgelegt wird. Sie kommt jedoch zur entsprechenden Anwendung, wenn die Verklarung vor einem deutschen Konsul abgelegt wird. Vgl. Anhang I I . Siehe wegen der Zuständigkeit der Konsuln § 36 des Gesetzes betr. die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln (KonsulatsG) vom 8. 1. 1867 (siehe Bd. I S. 1219). Von einer Erläuterung der §§ 524, 525 selbst ist im Hinblick auf ihr gegenwärtiges Außerkraftgetretensein Abstand genommen worden.

Anm.

Anhang I Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen Vom 16. August 1944 (RGBl. I S. 183) Auf Grund des § 4 der Verordnung über weitere Maßnahmen auf dem Gebiete des Handelsrechts während des Krieges vom 4. 10. 1940 (RGBl. I S. 1337) wird folgendes verordnet:

§1

Die Vorschriften der §§ 524, 525 HGB sind bis auf weiteres nicht anzuwenden. 1. Vgl. über die Frage der noch fortdauernden Gültigkeit der VO die Einleitung zu § 522 HGB. 2. Die VO gilt ihrem Wortlaut nach nur, wenn die Verklarung vor einem deutschen Gericht abgelegt wird, kommt aber zur entsprechenden Anwendung, wenn diese vor einem deutschen Konsul erfolgt. Vgl. Anhang II. 203

Anm. 1 Anm. 2

§525

Vierter Teil. Seehandelsrecht §2

Die Verklarung (§ 522 des HGB) wird dadurch bewirkt, daß der Schiffer oder der hierzu verpflichtete Schiffsoffizier den Verklarungsbericht (§ 523 des H G B ) bei dem zuständigen Gericht einreicht. Der Schiffer oder der Schiffsoffizier hat zugleich eine vor dem Gericht oder vor einem Notar abgegebene Versicherung an Eides Statt beizufügen, daß der Bericht vollständig und richtig sei; das Gericht oder der Notar haben bei der Abnahme der Versicherung an Eides Statt erforderlichenfalls auf eine Ergänzung oder Richtigstellung des Verklarungsberichts hinzuwirken. D e m Verklarungsbericht sind ferner eine gerichtliche oder notarisch beglaubigte Abschrift der den Unfall betreffenden Eintragungen im Schiffstagebuch und ein Verzeichnis aller Personen der Schiffsbesatzung beizufügen. Anm. 1 Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5

1. Die Vorschrift trifft Bestimmungen über die „Bewirkung" der Verklarung durch Einreichung des Verklarungsberichts sowie über die ferner beizufügenden Unterlagen. 2. Erforderlich ist zunächst, daß der Kapitän oder der hierzu verpflichtete Schiffsoffizier, in erster Linie also der Erste Offizier des Decksdienstes als der geborene Vertreter des Kapitäns, wenn ein solcher nicht vorhanden oder ein vorhandener behindert ist (vgl. Anm. 2 f. zu § 516 HGB, § 2 Abs. 3 SeemG) einen V e r k l a r u n g s b e r i c h t e i n r e i c h t . Dessen Inhalt ergibt sich aus § 523 und muß danach einen Bericht über die erheblichen Begebenheiten der Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Erzählung der erlittenen Unfälle unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachteile angewendeten Mittel enthalten. Mit der Einreichung dieses Berichts ist die Verklarung „bewirkt", der Kapitän oder sein Stellvertreter h a t also damit zunächst die sich f ü r ihn nach § 522 H G B ergebende Pflicht zur Ablegung der Verklarung erfüllt. Damit kann sich die Ablegung der Verklarung gegenüber dem Rechtszustand nach § 524 gegenwärtig sehr vereinfachen. Nach §§ 524, 525 H G B war stets eine gerichtliche Verhandlung unter Hinzuziehung mindestens eines Teiles der Schiffsbesatzung erforderlich. Gegenwärtig ist eine solche nicht unbedingt notwendig. Vielmehr ist der Richter nur nach § 3 Abs. 2 Satz 1 b e f u g t , zum Zwecke der besseren Aufklärung den Schiffer und Personen der Schiffsbesatzung zu vernehmen. 3. Der Verklarungsbericht ist bei dem z u s t ä n d i g e n G e r i c h t einzureichen. S a c h l i c h zuständig ist nach § 145 PGG das A m t s g e r i c h t . F ü r das Verfahren gelten die „Allgemeinen Vorschriften" (§§ 1 bis 34) des FGG. Außerdem kommt § 146 FGG in Betracht (vgl. auch § 4 der VO). Über die örtliche Zuständigkeit siehe Anm. 6 zu § 522 HGB. 4. Dem Verklarungsbericht sind v e r s c h i e d e n e A n l a g e n beizufügen, nämlich: a) Eine von dem Kapitän oder dem an seiner Stelle handelnden Offizier v o r d e m Gericht oder vor einem Notar abgegebene Versicherung an Eides s t a t t , daß d e r B e r i c h t v o l l s t ä n d i g u n d r i c h t i g sei. Diese eidesstattliche Versicherung ist z u g l e i c h , also gleichzeitig mit dem Verklarungsbericht einzureichen. Anderenfalls ist die Verklarung nicht gemäß § 522 Abs. 2 H G B „ohne Verzug" bewirkt. Durch die in Satz 2, 2. Hälfte vorgeschriebene Verpflichtung des Gerichts oder Notars, vor dem die eidesstattliche Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit des Verklarungsberichts abgegeben wird, erforderlichenfalls auf eine Ergänzung oder Richtigstellung des Verklarungsberichts hinzuwirken, soll erreicht werden, daß nach Möglichkeit eine mündliche Verhandlung sich erübrigt. Auch soll der K a p i t ä n vor den Folgen unvollständiger Berichte tunlichst bewahrt werden. Vgl. über den Rechtszustand vor der VerklarungsO auch K ü h l , Der Eid bei der Verklarung Hansa 1929 S.1117; d e r s . , Hansa 1930 S.278; K u n s t m a n n Hansa 1930 S. 278. Das Gericht, vor dem die eidesstattliche Versicherung abgegeben wird, braucht nicht mit dem gemäß Anm. 6 zu § 522 H G B zuständigen Gericht identisch zu sein. b) Eine g e r i c h t l i c h o d e r n o t a r i s c h b e g l a u b i g t e A b s c h r i f t d e r d e n U n f a l l b e t r e f f e n d e n E i n t r a g u n g e n i m S c h i f f s t a g e b u c h . Diese braucht indessen nicht gleichzeitig mit dem Verklarungsbericht eingereicht zu werden. Ihre Nachreichung ist zulässig. § 524 H G B verlangte demgegenüber regelmäßig die Vorlegung des Tagebuchs selbst. Doch 204

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§525

macht das keinen sachlichen Unterschied. In beiden Fällen bedeutet es nämlich nicht, daß in der Verklarung nichts stehen dürfte, was nicht im Tagebuch steht (Prot. 1823; HansOLG HansGZ 1888, 122). Vielmehr ist Ergänzung, Berichtigung und Erläuterung des Tagebuchs statthaft und geboten, doch müssen sich Abweichungen von ihm als solche zu erkennen geben. Kann eine Abschrift der Tagebucheintragungen nicht beigebracht werden, weil dieses verlorengegangen ist oder gemäß § 521 HGB nicht geführt zu werden brauchte, so ist dies im Verklarungsbericht anzugeben. c) E i n V e r z e i c h n i s aller Personen der S c h i f f s b e s a t z u n g . Auch dieses braucht nicht gleichzeitig mit dem Verklarungsbericht eingereicht zu werden. In Betracht kommt hier nicht der Begriff der Schiffsbesatzung, wie er sich in § 481 HGB findet. Entscheidend ist vielmehr der gemäß § 13 SeemG in die Musterrolle einzutragende Personenkreis. Zu diesem gehören außer den Besatzungsmitgliedern des § 3 SeemG auch noch die Personengruppen des § 7 Abs. 2 und 3 SeemG. Entspricht die Musterrolle noch dem letzten Stand hinsichtlich der in Betracht kommenden Personen, so kann sie oder eine Abschrift von ihr eingereicht werden. Ist das nicht mehr der Fall (vgl. dazu auch § 15 SeemG), so ist außerdem ein ergänzendes Verzeichnis einzureichen.

Anm. 6

§3 Der Mitwirkung von Personen der Schiffsbesatzung bei der Ablegung der Verklarung bedarf es nicht. Der Richter ist befugt, zum Zwecke der besseren Aufklärung den Schiffer und Personen der Schiffsbesatzung zu vernehmen. E r hat in diesem Fall die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die etwa sonst an dem Unfall Beteiligten von dem Vernehmungstermin zu benachrichtigten; die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist. 1. Aus § 2 und § 3 Abs. 1 ergibt sich, daß es einer Verhandlung über die Verklarung nicht unbedingt bedarf, und zwar dann nicht, wenn das Gericht nach ordnungsgemäßer Einreichung der in § 2 vorgeschriebenen Urkunden den Sachverhalt für genügend aufgeklärt ansieht.

Anm. 1

2. Aba. 2 befugt indessen den Richter, den Kapitän und Personen der Schiffsbesatzung nach seinem Ermessen zu vernehmen. Über den hier in Betracht kommenden Begriff der Schiffsbesatzung siehe Anm. 8 zu § 2 der VO. In diesem Falle sind, wenn es nicht untunlich ist, die Interessenten von Schiff und Ladung (Reeder, Ladungsinteressenten) und die etwa sonst an dem Unfall Beteiligten (Angesegelte, Lotsen, Berger) von dem Verhandlungstermin zu benachrichten. Vgl. im übrigen die §§ 1 bis 34 FGG, insbesondere wegen des persönlichen Erscheinens (§13 FGG), wegen der Vereidigung eines Beteiligten (§15 FGG).

Anm. 2

3. Das Verfahren kann nicht einem Rechtspfleger überlassen werden. Vgl. § 15 Ziff. 34 Rechtspflegergesetz vom 8. 2. 1958 (BGBl. I S. 18).

Anm. 3

§4 Die §§ 145, 146 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten sinngemäß. Die Bestimmungen lauten, soweit sie hier in Betracht kommen:

Anm.

§ 145 (1) Die Amtsgerichte sind zuständig für die nach . . . § 524 Abs. 1 . . . des Handelsgesetzbuchs . . . vom Gericht zu erledigenden Angelegenheiten. (2) Ist die Führung des Handelsregisters für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen worden, so gehören zur Zuständigkeit dieses Amtsgerichts auch die im Abs. 1 bezeichneten Angelegenheiten, mit Ausnahme derjenigen Geschäfte, welche den Gerichten nach § 524 Abs. 1 . . . des Handelsgesetzbuchs obliegen.

205

§525

Vierter Teil. Seehandelsrecht 8 146

(1) ihn das (2) statt. (3) buchs .

Soweit in den im § 145 bezeichneten Angelegenheiten ein Gegner des Antragstellers vorhanden ist, h a t Gericht wenn tunlich zu hören. Gegen die Verfügung, durch welche über den Antrag entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde Eine Anfechtung der Verfügung, durch welche einem nach § 524 Abs. 1 und 2 . . . des Handelsgesetz. . gestellten Antrage stattgegeben wird, ist ausgeschlossen.

§5

Die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die etwa sonst am Unfall Beteiligten können Abschrift des Verklarungsberichtes und der Niederschrift über eine nach § 3 Abs. 2 vorgenommene Vernehmung verlangen. Die Abschrift ist auf Verlangen zu beglaubigen. Die Vorschriften des Gesetzes über die Einsicht in gerichtliche öffentliche Bücher und Register vom 30. September 1936 (RGBl. I S. 853) bleiben unberührt. Anm. 1 Anm. 2

1. Wegen des Begriffs der Interessenten siehe Anm. 2 zu § 3 der VO. 2. Die Niederschrift über eine nach § 3 Abs. 2 vorgenommene Vernehmung sowie die vor dem Gericht oder Notar gemäß § 2 der VO abzugebende eidesstattliche Versicherung begründen, vorbehaltlich des Beweises unrichtiger Beurkundung, v o l l e n B e w e i s der d a r i n b e u r k u n d e t e n V o r g ä n g e (§415ZPO). Im übrigen güt das Prinzip der freien Beweiswürdigung. Doch ist immer zu bedenken, daß der Kapitän und etwaige übrige Mitglieder der Schiffsbesatzung leicht geneigt sein werden, den Unfall in einem f ü r sie günstigen Licht darzustellen. Unter diesen Umständen sinkt die Ablegung der Verklarung in vielen Fällen zu einer Form herab, die weder öffentlich-rechtlich, nämlich für die Untersuchung des Seeunfalls (OSA Bd. 10 S. 423) noch als Beweis im Zivilprozeß eine irgendwie erhebliche Bedeutung hat. Vgl. W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, 156; L i l i e Hansa 1913 S. 244 und ArchcivPrax. Bd. 110 S. 395; B r u d e r s Hansa 1913 S. 530. Soweit die Verklarung als beweiskräftig überhaupt in Betracht kommt, ist es unerheblich, ob sie nach inländischem Recht oder im A u s l a n d e n a c h der lex loci, wenn auch nach anderen Prinzipien, z.B. wie in England vor Notaren und ohne eidliche Bestärkung, aufgenommen ist. Doch muß dabei vorausgesetzt werden, daß die ausländische Urkunde sich objektiv als etwa der deutschen Verklarung entsprechend darstellt und nicht nur von den Parteien so genannt wird. Über die Beweiskraft einer v e r s p ä t e t e n V e r k l a r u n g lassen sich im Hinblick auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung allgemeine Sätze nicht aufstellen.

Anm. 3

3. Abs. 2 ist durch die Aufhebung des Gesetzes über die Einsicht in gerichtliche öffentliche Bücher und Register vom 30. 9. 1936 durch KontrollratsG Nr. 24 gegenstandslos geworden.

Anm. 4

Zusatz. Nachverklarung. Oftmals leidet die aufgenommene Verklarung an Dunkelheiten oder Fehlern oder sie bedarf, um von irgend welchem Wert zu sein, einer Ergänzung, z.B. hinsichtlich der erst nach der Ablegung zutage getretenen Beschädigungen. In diesen Fällen pflegt der Schiffer eine N a c h v e r k l a r u n g anzumelden. Vgl. HansOLG HansGZ 1909, 36. Für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts gilt im allgemeinen dasselbe wie bei der Hauptverklarung; doch wird man, ohne hart zu sein, dem Schiffer die Ablegung der Nachverklarung auch in einem späteren Hafen nicht versagen dürfen, wenn feststeht, daß er ohne sein Verschulden früher nicht dazu imstande gewesen ist, z.B. daß die nunmehr festgestellten Schäden früher noch nicht zu entdecken waren. Die Aufnahme der Nachverklarung ist vom Gericht nicht unter allen Umständen zuzulassen. Sie ist abzulehnen, wenn sie erhebliche Zeit nach der Hauptverklarung beantragt wird oder wenn ihr offensichtlicher Zweck die Gewinnung eines Beweismittels in einem schwebenden oder bevorstehenden Prozeß ist. Gerade mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Nachverklarung meist zu dem letzterwähnten Zwecke beantragt wird, ist, wenn sie erfolgt, ihre Beweiskraft besonders problematisch. Eine gesetzliche Regelung fehlt.

206

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§525

§6 An Grerichtsgebühren werden erhoben: a) für die Entgegennahme des Verklarungsberichts und das nachfolgende gerichtliche Verfahren die Hälfte der vollen Gebühr, b) für die Aufnahme der Versicherung an Eides Statt nach § 2 Satz 2, einschließlich der Ergänzung des Verklarungsberichts, die Hälfte der vollen Gebühr; die Gebühr wird auch bei Aufnahme der Versicherimg durch das zuständige Gericht besonders erhoben. Verklarungskosten sind als Prozeßkosten (die auch die vor dem Prozeß erwachsenen Kosten umfassen) erstattungsfällig. Vgl. OLG als Rheinschiffahrts-Obergericht Hansa 1934 S. 1450.

Anhang II Die Verklarung vor einem Eonsul der Bundesrepublik Schon in der Anmerkung zu §§ 524, 525 H G B wurde darauf hingewiesen, daß außerhalb der Bundesrepublik deren Konsuln gemäß § 36 des Gesetzes, betr. die Organisation der Bundeskonsulate sowie die Amtsdauer und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8. 2. 1867 (siehe Bd. I S. 1219) befugt sind, Verklarungen aufzunehmen. Auf das Verfahren vor diesen kamen die §§ 524, 525 H G B ihrem Wortlaut nach nicht zur Anwendung. Es richtete sich vielmehr nach der Allgemeinen Dienstinstruktion der Bundeskonsuln vom 6. 6. 1876 mit späteren Änderungen, deren die Verklarung betreffender Inhalt zwar formell noch nicht aufgehoben ist, in der Praxis aber nicht mehr zur Anwendung kommt. Durch Diensterlasse des Auswärtigen Amts kommen nunmehr auch die Vorschriften der VO zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen vom 16. 8. 1944 (siehe oben Anhang I) zur Anwendung, obwohl sie ihrem Buchstaben nach nur f ü r Verklarungen vor Gerichten gelten. Die diesbezüglichen Erlasse des Auswärtigen Amts haben folgenden Wortlaut: A U S W Ä R T I G E S AMT 553—06 V 18663/51

Bonn, den 23. November 1951

An sämtliche diplomatischen und berufskonsularischen Auslandsvertretungen B e t r . : Verklarungsverfahren Anlg.: 2 Ereignet sich während der Reise eines deutschen Schiffes ein Seeunfall, der eine Beschädigung des Schiffes oder seiner Ladung oder einen sonstigen Nachteil zur Folge hat, so h a t der Kapitän zur beweismäßigen Sicherung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche der Interessenten gemäß § 522 H G B in dem dort bezeichneten Hafen eine Verklarung abzulegen. Liegt der Hafen, in dem die Verklarung zu bewirken ist, im Inland, so h a t die Verklarung vor dem zuständigen deutschen Gericht zu erfolgen. Ist die Verklarung in einem ausländischen Hafen vorzunehmen, so ist gemäß § 36 des Konsulargesetzes vom 8. November 1867 das zuständige Konsulat der Bundesrepublik befugt, die Verklarung aufzunehmen. Bei der Aufnahme einer Verklarung durch ein Konsulat sind die Verfahrungsvorschriften die f ü r die Ablegung der Verklarung vor einem deutschen Gericht gelten, entsprechend anzuwenden. Diese Verfahrensvorschriften, die ursprünglich in den §§ 524, 525 H G B enthalten waren, finden sich jetzt in der „Verordnung zur Vereinfachung des Verfahrens über Verklarungen" vom 16. 8. 1944 (RGBl. I S. 183), deren Wortlaut in der Anlage beigefügt ist.

207

Airm.

Vierter Teil. Seehandelsreeht Diese Verordnung bringt in Anlehnung an ausländische Vorschriften eine wesentliche Vereinfachung des früheren Verfahrens. Sie gilt trotz Aufhebung der ihrem Erlaß zu Grunde liegenden Ermächtigung noch heute fort und ist daher von den Konsulaten bei der Aufnahme von Verklarungen anzuwenden. Die in der Allgemeinen Dienstinstruktion vom 6. 6. 1871 enthaltenen Erläuterungen zu § 36 des Konsulatgesetzes sind insoweit, als sie die §§ 524, 525 H G B zur Grundlage haben, durch den Erlaß der Verordnung vom 16. 8. 1944 überholt. Nach dem jetzt geltenden Recht ist bei der Aufnahme einer Verklarung durch ein Konsulat folgendes zu beachten: 1. Die Verklarung (§ 522 HGB) wird vor einem Konsulat der Bundesrepublik dadurch bewirkt, daß der Kapitän oder der hierzu verpflichtete Schiffsoffizier den Verklarungsbericht (§ 523 HGB) dem Konsul übergibt und an Eidesstatt versichert, daß der Bericht vollständig und richtig sei. Dem Bericht ist eine Abschrift der den Unfall betreffenden Eintragungen im Schiffstagebuch und ein Verzeichnis aller Mitglieder der Schiffsbesatzung beizufügen. Einer Mitwirkung von Mitgliedern der Schiffsbesatzung bedarf es nicht. Der Konsul hat bei Abnahme der Versicherung an Eidesstatt erforderlichenfalls auf eine Ergänzung und Richtigstellung des Verklarungsberichts hinzuwirken. Er hat die Abschrift aus dem Schiffstagebuch mit den Eintragungen im H a u p t b u c h zu vergleichen und deren Übereinstimmung festzustellen. Über die Verklarung ist eine Niederschrift nach dem beigefügten Muster aufzunehmen. 2. Erscheinen nach Ablegung der Verklarung in besonders begründeten Ausnahmefällen Ursachen und Umstände des Unfalls weiterer Aufklärung zu bedürfen, so ist der Konsul befugt, den Kapitän und Mitglieder der Schiffsbesatzung zu vernehmen. E r hat in diesem Fall die Interessenten von Schiff und Ladung und die sonst an dem Unfall Beteiligten, soweit sie bekannt und erreichbar sind, von dem Vernehmungstermin zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn sie untunlich ist, insbesondere wenn sie ihren Zweck, eine Mitwirkung der Beteiligten zu erwirken, wegen Unaufschiebbarkeit der Vernehmung oder weiter Enfemung des Aufenthaltsortes der Beteiligten verfehlen würde. Eine öffentliche Bekanntmachung des Vernehmungstermins findet nicht s t a t t . Die Auswahl der zu vernehmenden Besatzungsmitglieder steht dem Konsul zu. Zu beeidigen sind die Vernommenen nur, wenn der Konsul dies mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage f ü r geboten erachtet und die Beteiligten auf die Beeidigung nicht verzichten. Die Form der Beeidigung richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 392, 481). Über die Vernehmung ist eine Niederschrift aufzunehmen. 3. Der Kapitän, die Interessenten von Schiff und Ladung sowie die sonst am Unfall Beteiligten können Abschriften der Verklarungsniederschrift und des Verklarungsberichts und gegebenenfalls der Niederschrift über eine nach Nr. 2 vorgenommene Vernehmung verlangen. Die Abschriften sind auf Verlangen zu beglaubigen. 4. Da die Verpflichtung zur Ablegung einer Verklarung gemäß § 522 H G B privatrechtlicher N a t u r ist und dem K a p i t ä n nur gegenüber den Interessenten von Schiff und Ladung und den sonst am Unfall Beteiligten obliegt, kann die Verklarung mit öffentlich-rechtlichen Mitteln nicht erzwungen werden. Verlangt keiner der Interessenten die Verklarung, ist von Amtswegen nichts zu veranlassen. 5. § 36 des Konsulargesetzes begründet zwar, soweit die Verklarung gemäß § 522 H G B im Ausland abzugeben ist, die Befugnis der Konsulate zur Entgegennahme einer Verklarung, nicht aber ihre ausschließliche Zuständigkeit. Der K a p i t ä n hat also die Wahl, ob er eine Verklarung nach deutschem Recht vor einem Konsulat der Bundesrepublik oder nach Ortsrecht vor der danach zuständigen ausländischen Behörde ablegen will. Dieses Wahlrecht kann ihm schon deswegen nicht genommen werden, weil das ausländische Recht zum Teil nur den nach seinen Vorschriften aufgenommenen Verklarungen Beweiskraft beimißt. Der Konsul wird die Interessenten daher gegebenenfalls darauf aufmerksam zu machen haben, daß eine nach deutschem Recht aufgenommene Verklarung von nicht-deutschen Behörden möglicherweise nicht als Beweismittel anerkannt werden wird. I m Auftrag gez. v. B e r g e n

208

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Muster für eine Verklarung

Konsulat der Bundesrepublik Deutschland Tgb. Nr

Verklarung den

Vor dem unterzeichneten

19...

Konsul erschien heute zur Ablegung der Verklarung

der Kapitän

Führer des Schiffes

(Heimathafen

Unterscheidungssignal

)

Jahre alt,

wohnhaft in Der Erschienene übergab den anliegenden Verklarungsbericht, eine auszugsweise Abschrift aus dem Schiffstagebuch und eine Liste sämtlicher Mitglieder seiner Besatzung. Der Auszug aus dem Schiffstagebuch wurde mit den Eintragungen im Hauptbuch verglichen und übereinstimmend befunden. Auf Befragen gab der Erschienene in Ergänzung — zur Richtigstellung — seines Verklarungsberichts folgendes an:

Der Erschienene wurde mit der Bedeutung einer Versicherung an Eidesstatt und den Folgen einer falschen Versicherung an Eidesstatt bekannt gemacht. Er erklärte: Ich versichere an Eidesstatt, daß der von mir übergebene Verklarungsbericht — mit den sich aus meinen heutigen Erklärungen ergebenden Ergänzungen und Richtigstellungen — vollständig und richtig ist. Der Erschienene bat um Ausfertigung(en) der Verklarungsniederschrift und des Verklarungsberichts. Er erhielt das Schiffstagebuch zurück. Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben (Unterschrift des Kapitäns)

Verhandelt wie oben (Siegel)

14

(Unterschrift und Dienststellung des Konsuls)

Schaps-Abraham, Seerecht I I

209

§ 525 AUSWÄRTIGES

Vierter Teil. Seehandelsrecht

AMT

501—531—01—11—12687/55

Bonn, den 19. Oktober 1955

An alle diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland (Grundlegender Runderlaß — f ü r die Runderlaßsammlung bestimmt). B e t r . : Aufnahme von Verklarungen durch Wahlkonsuln und Beamte des gehobenen Dienstes.

Nach § 2 der Verklarungs-Verordnung (VerklVO) vom 16. 8. 1944 (Anl. zum Runderlaß vom 23. 11. 1951 — 553—06—V 18663/51 —) wird die Verklarung dadurch bewirkt, daß der Schifier oder Schiffsoffizier dem Verklarungsbericht eine vor dem Gericht oder vor einem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung beifügt, daß der Bericht vollständig und richtig sei. Gemäß § 36 des Konsulargesetzes (KG) vom 8. 11. 1867 in der Fassung vom 16.12.1950 (BGBl. I S. 784) sind zur Aufnahme von Verklarungen auch die Konsuln befugt; aus dieser Zuständigkeit ergibt sich die Ermächtigung zur A b n a h m e der in § 2 VerklVO vorgeschriebenen Versicherung an Eides Statt. Die A b n a h m e der eidesstattlichen Versicherung erfolgt wie bei dem Gericht oder dem Notar in der Weise, daß der Konsul die Erklärung selbst „ a u f n i m m t " (vgl. § 6, Buchst, b VerklV), d.h. b e u r k u n d e t (vgl. § 16, Abs. 3 und 4 K G ; Nr. 43 der Allgemeinen Dienstvorschriften zu §§ 16, 16a, 17 KG). Die Tätigkeit des Konsuls bei der Abnahme dieser eidesstattlichen Versicherung geht erheblich über die eines bloßen „Empfangsboten" hinaus. E r h a t die Versicherung nicht nur entgegenzunehmen, sondern erforderlichenfalls auch auf eine Ergänzung oder Richtigstellung des Verklarungsberichts hinzuwirken (§ 2 VerklVO) und außerdem auf die Einhaltung der Formvorschriften zu achten. Der Bedeutung dieser Vorgänge entspricht es, daß in der VerklVO die Abgabe der Versicherung vor dem Gericht ( n i c h t vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) oder vor einem Notar vorgeschrieben ist. Dementsprechend (vgl. § 16 Abs. 4 KG) kann die Aufnahme der Versicherung durch einen Konsul nur in der Form der öffentlichen Beurkundung nach § 16 KG, nicht etwa in Form eines schriftlichen Zeugnisses gemäß § 15 K G (vgl. Nr. 43 der Dienstvorschriften f ü r den auswärtigen Dienst, Abschnitt „Behandlung von Rechtsangelegenheiten" zu § 16ff. KG) erfolgen. Die Befugnis zur öffentlichen Beurkundung einer solchen eidesstattlichen Versicherung steht gemäß § 37a Abs. 1 und 2 K G nur den besonders d a z u e r m ä c h t i g t e n Konsuln und in Abs. 2 a.a.O. genannten Beamten, die nicht Konsul sind, zu, nicht dagegen den in Abs. 3 a . a . O . erwähnten Beamten. Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß Wahlkonsuln eine auf bestimmte Amtshandlungen beschränkte Ermächtigung nach § 37 a Konsulargesetz, nämlich die Ermächtigung zur Beurkundung von eidesstattlichen Versicherungen bei Verklarungen, erteilt wird. Voraussetzung ist, daß der zu ermächtigende Wahlkonsul nach Lebenserfahrung und Persönlichkeit die Gewähr dafür bietet, daß er die in Frage stehenden Funktionen ordnungsgemäß wahrnehmen kann, daß er also Wesen, Bedeutung und Praxis der Verklarungen sowie die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung kennt (auf den Runderlaß vom 23. 11. 1951, Runderlaß-Sammlung Bd. 2 Referat 501 lfd. Nr. 8 über das Verklarungsverfahren wird in diesem Zusammenhang verwiesen) und die erforderlichen Erklärungen zu beurkunden vermag. Bei Wahlkonsuln, die beruflich — etwa als Reedereiagenten u. ä. — mit der Schiffahrt zu t u n haben, ist diese Frage im allgemeinen zu bejahen. Falls im Amtsbezirk der dortigen Vertretung das Bedürfnis besteht, einem Wahlkonsul eine derartige beschränkte Ermächtigung zu erteilen, wird gebeten, dem Auswärtigen Amt einen begründeten Antrag vorzulegen.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 526

Nach der derzeit gültigen Passung des K G ist es dem Auswärtigen Amt nicht möglich, einen Beamten des gehobenen Dienstes zur Aufnahme der eidesstattlichen Versicherung bei Verklarungen zu ermächtigen. Sofern bei der Emreichung des Verklarungsberichts lediglich eine bereits vor einem Gericht oder einem Notar aufgenommene Urkunde in Empfang zu nehmen ist, bestehen keine Bedenken dagegen, daß diese Urkunde von einem Wahlkonsul, dem eine beschränkte Ermächtigung nach § 37 a Abs. 1 nicht verliehen worden ist, oder einem Konsulatsbeamten, der nicht die Voraussetzungen des § 37 a Abs. 1 oder 2 erfüllt, entgegen genommen wird. Es wird gebeten, für eine Bekanntgabe dieses Runderlasses an die im dortigen Bezirk vorhandenen Wahlkonsuln Sorge zu tragen. Der Runderlaß vom 5. 3. 1955 —101—7—109—00—61/55 betreffend Unterrichtung der Wahlkonsuln über ihre Dienstobliegenheiten (Mitteilungsblatt Nr. 4 des Auswärtigen Amtes vom 28. 4. 1955, lfd. Nr. 26) Buchstabe B Absatz 2 erhält folgende Passung: Die bei Verklarungen abzugebende eidesstattliche Versicherung kann der Wahlkonsul unter der Voraussetzung entgegennehmen, daß ihm auf Grund des § 37 a Kons. Ges. die beschränkte Ermächtigung zur Beurkundung von eidesstattlichen Versicherungen bei Verklarungen erteilt wurde (vgl. Runderlaß vom 19. 10. 1955 —501—531—01—11 12687/55). Der Runderlaß vom 22. 1. 1955 —501—531—01 I I 12744— wird hiermit aufgehoben. § 626 Rechtsgeschäfte, die der Schiffer eingeht, während sich das Schiff im Heimatshafen befindet, sind für den Reeder nur dann verbindlich, wenn der Schiffer auf Grund einer Vollmacht gehandelt hat oder wenn ein anderer besonderer Verpflichtungsgrund vorhanden ist. Zur Annahme der Schiffsmannschaft ist der Schiffer auch im Heimatshafen befugt. S c h r i f t t u m : F i l z i n g e r , Der Kapitän als Vertreter des Reeders im deutschen Seerecht, Diss. Leipzig 1931; L. P e r e i s , Die Stellung des Kapitäns im deutschen Seehandelsrecht, ZHR Bd. 57 S. 336ff. und Bd. 58 S. lfif.; W i t t i c h , Zur Auslegung des § 526 Abs. 2 HGB, ZHR Bd. 57 S. 161; W ä h m a n n , Die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffers im Seerecht, Diss. Heidelberg 1911; W ü s t e n d ö r f e r H B 583ff. und S H R 199ff.; J . v. G i e r k e , Handelsrecht und Schiflahrtsrecht, S. 603; internationalprivatrechtlich siehe F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht Bd. I I , 1929, § 48 IV, S. 505 £f. I. Vorbemerkungen zu den §§ 526 bis 533. Diese Paragraphen sprechen von der Vertretungsmacht (Vollmacht: § 166 BGB) des Schiliers, und zwar behandeln §§ 526 bis 530 den Umfang derselben, §§ 531 und 532 besondere Fälle, § 533 die Wirkung der vollmachtsgemäß vom Schiffer abgeschlossenen Rechtsgeschäfte.

Anm. 1

Vorauszuschicken ist folgendes: 1. Sie § § 526 bis 530 HGB bestimmen unmittelbar nur, wieweit der Schiffer Dritten gegenüber zur Vertretung des Reeders berechtigt ist, n i c h t a u c h , wieweit diese Vertretung auch dem R e e d e r g e g e n ü b e r eine gerechtfertigte ist: wieweit letzteres der Fall ist, ergibt sich aus dem Anstellungsvertrage (Anm. 9 zu § 511 H G B : im folgenden soll das Innenverhältnis zur Vermeidung von Wiederholungen als „Auftrag" bezeichnet werden, obschon es anders geartet sein kann) oder etwaigen Spezialaufträgen, subsidiär aber aus § 534 H G B (somit mittelbar doch aus §§ 526 bis 530 HGB). Eine vom Schiffer vorgenommene Rechtshandlung kann vollmachtsgemäß, daher Dritten gegenüber gültig, aber auftragswidrig sein und den Schiffer dem Reeder haftbar machen; sie kann umgekehrt auftragsgemäß sein und doch über die Vollmacht der §§ 526ff. hinausgehen. 2. Die Vertretungsmacht des Schiffers hat, wenn auch auf Rechtsgeschäft beruhend, einen gesetzlich festgelegten, aber nicht unbeschränkbaren Umfang ( L a b a n d ZHR Bd. 10 S. 220). a) S i e i s t e i n e g e s e t z l i c h e , d.h. sie wirkt in dem vom Gesetz bestimmten Umfange nicht nur aa) soweit sich letzterer mit dem Inhalt des Auftrags deckt, sondern auch 14*

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Anm. 2

§526

Vierter Teil. Seehandelsrecht

bb) soweit der Auftrag nichts bestimmt und selbst cc) im Widerspruch mit dem Auftrage, nämlich dem Dritten gegenüber, wie ihre Beschränkungen nicht kennt (§ 531 HGB). b) I h r U m f a n g i s t n i c h t u n b e s c h r ä n k b a r wie derjenige der P r o k u r a : indessen können Beschränkungen einem Dritten nur unter den Voraussetzungen des § 531 H G B entgegengesetzt werden. Andererseits kann der Dritte, der mit dem Schiffer ein innerhalb der gesetzlichen Vertretungsmacht liegendes, aber auftragswidriges Geschäft abgeschlossen hat, sich dem Reeder gegenüber nicht auf die Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht berufen. Anm. 3

3. Die Vertretungsmacht des Schiffers dauert grundsätzlich nur so lange, wie er diese Stellung bekleidet. Hieraus ergibt sich eine Erkundigungspflicht des Dritten und im Prozeß seine Beweispflicht dafür, daß sein Gegenkontrahent zur Zeit des Vertragsschlusses Schifferbefugnisse hatte. B e s o n d e r e s muß indessen f ü r den Fall der E n t l a s s u n g des Schiffers angenommen werden (vgl. W a g n e r H B 245): Erst wenn letztere äußerlich in die Erscheinung tritt, erlischt die Vertretungsmacht des Entlassenen gegenüber dem Dritten, welcher die Tatsache der Entlassung nicht kannte oder kennen mußte. Die gegenseitige Annahme würde dazu führen, daß jeder, der mit einem gehörig legitimierten, sein Schiff befehligenden K a p i t ä n kontrahieren will, erst beim Reeder anfragen müßte, ob nicht etwa der K a p i t ä n inzwischen entlassen sei.

Anm. 4

4. Vollmachtsüberschreitungen machen den Schiffer h a f t b a r ; s. u. § 533 Abs. 2 HGB.

Anm. 5

5. Die Vorschriften des HGB Uber die Vertretungsmacht des Schiffers entsprechen zum großen Teil nicht mehr den Bedürfnissen und der tatsächlichen Übung des Verkehrs. Die Umwälzung, die das moderne Nachrichtenwesen herbeigeführt hat, die Einrichtung von ständigen Vertretungen des Reeders in auswärtigen Häfen, von paritätischen Heuerstellen und Expeditionsabteilungen des Reeders im Heimathafen haben t a t s ä c h l i c h dazu geführt, den Schiffer des größeren Teils seiner nicht nautischen Befugnisse zu entkleiden, ihn kommerziell zum Erfüllungsgehilfen des Reeders herabzudrücken (vgl. P a p p e n h e i m H B 2 S. 404, W ü s t e n d ö r f e r S H R 200). Aber r e c h t l i c h bestehen die alten Vorschriften f o r t ; f ü r die Kleinschiffahrt, in der sich jene Umwälzungen weniger fühlbar gemacht haben, sind sie von unmittelbarer praktischer Bedeutung geblieben (s. auch § 15 BSchG). Der Umfang der Schiffervollmacht richtet sich danach, o b s i c h d a s S c h i f f i m H e i m a t h a f e n befindet (§ 526) oder nicht (§§ 527—530); in letzterem Falle steigern sich die Befugnisse des Schiffers.

Anm. 6

Der Vollmachtsumfang unterliegt, als gesetzliche Folge der Anstellung, im Zweifel dem Gesetz der Flagge (ROHG 22, 98; HansOLG HansGZ 1895 Nr. 49; 1896, 103; RGZ 34, 75; F r a n k e n s t e i n a . a . O . S. 506; B o y e n s Bd. 1 S. 23; ebenso die englische und die französische Ansicht; anders W a g n e r , der die lex fori entscheiden lassen will). „Gesetz der Flagge" braucht aber nicht identisch zu sein mit „Gesetz des Heimathafens", denn letzterer kann auch im Auslande liegen oder braucht überhaupt nicht vorhanden zu sein (Anm. 1 zu § 480). Insbesondere wegen der Befugnis zur Ausstellung von Konnossementen durch den K a p i t ä n siehe Anm. 29 zu § 642 HGB.

Anm. 7

II. § 526 ordnet die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers, während das Schiff sieh im Heimathafen befindet. Befindet sich das Schiff (nicht: der Schiffer) im Heimathafen, so ist normaler- und regelmäßigerweise der Reeder selbst in der Lage, Dispositionen in allen dasselbe betreffenden Angelegenheiten zu treffen. Deshalb sind die Befugnisse des Schiffers dortselbst erheblich geringere als dann, wenn sich das Schiff außerhalb des Heimathafens befindet. Die ratio legis darf indessen nicht zu Folgerungen führen, die mit dem Gesetz selbst nicht mehr im Einklang stehen würden: der Schiffer h a t nicht etwa erhöhte Befugnisse, wenn der Reeder im Heimathafen weder anwesend ist noch f ü r geeignete Vertretung gesorgt h a t (Prot. 1885), und seine Vertretungsmacht schrumpft andererseits nicht auf den in § 526 normierten Umfang zusammen, falls sich das Schiff zwar nicht im Heimat- oder einem demselben gleichstehenden Hafen, aber in der Nähe desselben befindet (so noch H e i s e und C r o p p , Jurist. Abhandlungen Bd. 1 S. 459ff.; vgl. Prot. 376611.) oder wenn der Reeder außerhalb des Heimathafens

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§526

gegenwärtig ist (Prot. 1882). Über den Begriff des H e i m a t h a f e n s Anm. 1 ff. zu § 480, über d i e i h m l a n d e s r e c h t l i c h g l e i c h g e s t e l l t e n H ä f e n Anm. 4 zu § 480. 1. Als Grundsatz gilt, daß der Schiller als solcher während der Anwesenheit des Schilles im Heimathafen den Reeder nicht mit Verpflichtungswirkung vertreten kann, s o w e i t er nicht schon aus sonstigen, auf seiner Schiffereigenschaft nicht b e r u h e n d e n G r ü n d e n h i e r z u i n d e r L a g e i s t . Letzteres ist der Fall a) auf Grund einer V o l l m a c h t , die natürlich schon im Anstellungsvertrage erteilt werden kann. Es ist zu verweisen auf das in Anm. 18 zu § 486 HGB über die besondere „Vollmacht" Gesagte. Ist der Schiffer zugleich Korrespondentreeder, so verpflichtet er die Mitreeder auf Grund seiner gesetzlichen Korrespondentreederbefugnisse (§ 493 HGB). Hieraus ergibt sich, daß z.B. Forderungen aus Proviantlieferungen und Reparaturen im Heimathafen nicht zum Entstehen einer Schiffsgläubigerforderung führen (§§ 486 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 HGB greifen nicht ein — vgl. HansOLG HansRGZ 1928 B 54).

Anm. 8

b) Auf Grund eines anderen b e s o n d e r e n V e r p f l i c h t u n g s g r u n d e s , wie Geschäftsführung ohne Auftrag (Beispiel: Anm. 1 zu § 513 HGB), ungerechtfertigte Bereicherung. Vgl. dazu HansRZ 1921, 908 = HansGZ 1921, 273.

Anm. 9

Anm. 10 2. Ausnahmen. a) Eine Ausnahme besteht zunächst f ü r die Annahme der Schiffsmannschaft. Gemeint sind alle unter § 3 SeemG fallenden Personengruppen, also die Schiffsoffiziere des 4 SeemG, die sonstigen Angestellten des § 5 SeemG und die Schiffsleute des § 6 SeemG. Daraus aber, daß der Reeder die vom Schiffer geschlossenen Heuerverträge gegen sich gelten lassen muß, folgt nicht, daß der Reeder selbst keinerlei Einfluß auf die Annahme der Schiffsmannschaft hätte ( W a g n e r H B 248; B o y e n s Bd. 1 S. 371). Es ergibt sich vielmehr aus dem Vertragsverhältnis zwischen Schiffer und Reeder, daß der erstere den Anweisungen des letzteren hinsichtlich der Anmusterung Folge zu leisten und evtl. auch vom Reeder selbst angenommene Personen als Mannschaftsmitglieder aufzunehmen hat (vgl. Prot. 1965), sofern ihm dieselben nicht etwa so ungeeignet erscheinen, daß er von ihnen eine Gefährdung der ihm anvertrauten Rechtsgüter befürchtet. In diesem Falle würde er sich durch ihre Aufnahme zwar nicht dem Reeder, aber den übrigen Reiseinteressenten aus § 512 H G B verantwortlich machen. Übernimmt es der Schiffer, die Sachen eines von ihm angemusterten Schiffsjungen zu versichern, so wird dadurch der Reeder gemäß § 526verpflichtet. Dieser haftet nach § 487 HGB auch persönlich, weil die Übernahme der Versicherung eine Nebenverpflichtung aus dem Dienst- und Heuervertrage ist. Vgl. HansOLG HansGZ 1922, 307 = HansRZ 1923, 141. W»s f ü r die Annahme der Schiffsmannschaft gilt, gilt auch f ü r a n d e r e m i t d e m H e u e r V e r h ä l t n i s d e r M a n n s c h a f t z u s a m m e n h ä n g e n d e G e s c h ä f t e , insbesondere f ü r ihre E n t l a s s u n g (siehe dazu auch W i t t i c h ZHR Bd. 57 S. 161 ff.). Doch kann die ordentliche Kündigung gemäß § 62 Abs. 2 SeemG gegenüber den Schiffsoffizieren des § 4 SeemG und den sonstigen Angestellten des § 5 SeemG nur von dem Reeder ausgesprochen werden. Der Annahme der Schiffsmannschaft gleichzustellen ist auch die Annahme eines Lotsen und dessen Entlassung (vgl. dazu auch § 28 SeelotsG). b) Eine weitere Ausnahme bildet die p a s s i v e p r o z e s s u a l e V e r t r e t u n g d e s R e e - Anm. 11 d e r s , s o w e i t d e s s e n n i c h t p e r s ö n l i c h e H a f t u n g in Frage kommt (§ 761 Abs. 2 HGB). c) Schließlich kommt in Betracht die früher gewohnheitsrechtlich anerkannte, jetzt in Anm. 12 § 642 Abs. 4 HGB gesetzlich festgelegte Befugnis zur A u s s t e l l u n g v o n K o n n o s s e m e n t e n f ü r d e n V e r f r a c h t e r und f ü r die damit in Zusammenhang stehenden Rechtshandlungen, wie die Empfangsnahme und Auslieferung der Ladung, die Entgegennahme der Fracht, die Annahme von Stauern zum Lade- und Löschdienst (vgl. f ü r letztere HansOLG HansGZ 1887 Nr. 128 = SeuffA Bd. 43 Nr. 211). So auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 201; S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 526. 3. Ü b e r V e r t r e t u n g s m a c h t d e s K a p i t ä n s u n d I n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t siehe oben Anm. 6. Ausländisches Recht. I n Großbritannien ist der der Kapitän (master) stets bevollmächtigt, alle Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die sich auf die gewöhnliche Verwendung (usual employ-

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Anm. 13

§527

Vierter Teil. Seehandelsrecht

ment) des SchiSes beziehen. Gleichgültig ist dabei, an welchem Ort sich das Schiff befindet. Zu außergewöhnlichen Maßnahmen, insbesondere auch zur Aufnahme eines Bodmereidarlehens, ist er nur befugt, wenn sie unumgänglich notwendig sind und die Weisung des Reeders nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann. Die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika ist ähnlich. Auch dort wird überwiegend angenommen, daß der Kapitän stets zu allen Rechtsgeschäften befugt ist, die f ü r die normale Verwendung des Schiffes erforderlich sind. I m französischen Recht ist der K a p i t ä n normalerweise bevollmächtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die f ü r die Ausführung der Reise erforderlich sind. Vgl. R i p e r t , Bd. I Nr. 818. Insbesondere ist es ihm gestattet, die Besatzung anzunehmen, Reparaturen vor Beginn der Reise und während derselben ausführen zu lassen, Ausrüstungsgegenstände und Verbrauchsgüter einzukaufen sowie Frachtverträge über das Schiff abzuschließen. Vgl. dazu Revue Dor Sup. Bd. 9 S. 246. Anders als im angloamerikanischen Recht sind aber, ähnlich wie in Deutschland, die Befugnisse des Kapitäns eingeschränkt, wenn das Schiff in dem Hafen eines Ortes liegt, an dem sich die Wohnung des Eigentümers befindet. Vgl. Art. 223, 232 c. com. Dann haben Anordnungen des Eigentümers vor solchen des Kapitäns den Vorrang, wenn der Eigentümer oder ein sonstiger Bevollmächtigter von diesen tatsächlich a n wesend ist. Diese Bestimmungen werden durch Art. 191 c. com. idF des Gesetzes vom 19. 2. 1949 ergänzt, wonach ein Vorzugsrecht der Gläubiger bei Verträgen, die der K a p i t ä n im Heimathafen im Namen des Reeders geschlossen hat, nicht entsteht. Ein Dritter, der gutgläubig hinsichtlich der Abwesenheit des Eigentümers ist, wird geschützt. Soweit der Eigentümer nicht verpflichtet wird, haftet der Kapitän persönlich. Eine ähnliche Regelung wie in Frankreich findet sich in Italien (Art. 286 c. nav.), in den Niederlanden (Art. 360 WvK, der auf den Aufenthalt des Schiffes im Ausland abstellt), in Belgien (Art. 60 bis 68 Gesetz vom 10. 2. 1908); Marokko (Art.142 Seegesetz) verlangt die Anwesenheit des Eigentümers an dem Orte des Vertragsschlusses, um die Befugnisse des Kapitäns einzuschränken. Die Regelung in den skandinavischen Staaten entspricht im großen und ganzen mehr der des angloamerikanischen Rechts. Vgl. 48, 49, 52 des norwegischen Seegesetzes. Art. 48 (Abs. 1): Der Kapitän als solcher h a t Vollmacht, f ü r den Eigentümer alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die f ü r die Erhaltung des Schiffes und f ü r die Durchführung der Reise erforderlich sind, auch Fracht- und gegebenenfalls Passageverträge abzuschließen. Er ist auch zur Vertretung vor Gericht befugt, wenn es sich um Angelegenheiten des Schiffes handelt. (Abs.2): Der Kapitän eines Fischerei- oder Fangschiffes kann nur mit besonderer Vollmacht Verträge eingehen, die die Ausrüstung des Schiffes mit Fisch- oder Fanggeräten betreffen, wie Netze, Leinen, Köder, Eis, Salz, Fässer. Ist das Schiff nicht größer als 300 B R T und befindet es sich innerhalb des Landes, so kann der K a p i t ä n Bunkervorräte, Paraffinöl, Petroleum oder anderes ö l f ü r Rechnung des Eigentümers nur mit besonderer Vollmacht kaufen. Art. 49: Wird f ü r die in Art. 48 erwähnten Zwecke Geld benötigt, so ist der K a p i t ä n befugt, Darlehen aufzunehmen oder von dem Eigentum des Schiffseigentümers oder sogar von der Ladung zu verkaufen. War eine Notwendigkeit hierzu f ü r den Kapitän nicht gegeben, so werden Gutgläubige geschützt. Art. 52: Der Kapitän soll ständig den Eigentümer auf dem Laufenden halten über den Standort des Schiffes, den Fortgang der Reise, eingegangene Verträge und über alles, was den Eigentümer interessieren könnte. In allen wichtigen Angelegenheiten soll er soweit als angängig die Instruktionen des Eigentümers oder einer Person, auf die der Eigentümer ihn verwiesen hat, einholen. Bei Geldbedarf soll der Kapitän, wenn die Instruktionen des Eigentümers nicht abgewartet werden können, versuchen, das Geld in der f ü r den Eigentümer am wenigsten kostspieligen Weise zu beschaffen; zum Verkauf der Ladung ist er nur im äußersten Notfall befugt. §527

Befindet sich das Schiff außerhalb des Heimatshafens, so ist der Schiffer Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung befugt, für den Reeder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, die Bemannung, die Verproviantierung und die Erhaltung des Schiffes sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit sich bringen. 214

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§527

Diese Befugnis erstreckt sich auf die Eingehung Ton Frachtverträgen; sie erstreckt sich ferner auf die Anstellung von Klagen, die sich auf den Wirkungskreis des Schiffers beziehen. §§ 527 bis 530 bebandeln den Umfang der Schiffervollmacht, wenn sich das Schiff außerhalb Elnleltg. des Heimathafens befindet. § 527 gibt den Grundsatz, §§ 528 bis 530 Einschränkungen desselben. Außerhalb des Heimathafens: s. Anm. 7 zu § 526. 1. Das Prinzip: Der Schiffer ist Dritten gegenüber (Anm. 1 zu § 526) kraft seiner Anstellung befugt, für den Reeder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, die Bemannung, die Verproviantierung und die Erhaltung des Schiffes sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit sich bringen (vgl. § 15 Abs. 1 BSchG). Vgl. auch § 531 H G B und die dortigen Anmerkungen, insbesondere über die Bedeutung etwaiger Anweisungen des Charterers bezüglich der Einschränkung der dem Kapitän nach § 527 zustehenden Vollmacht. a) D e r S c h i f f e r i s t V e r t r e t e r d e s R e e d e r s n i c h t i n d e s s e n g e s a m t e n Ges c h ä f t s b e t r i e b (wie der Prokurist des kaufmännischen Reeders, der Korrespondentreeder der Reederei), s o n d e r n n u r a l s F ü h r e r e i n e s b e s t i m m t e n S c h i f f e s a u f e i n e r b e s t i m m t e n Reise. Seine Befugnisse r i c h t e n sich also n a c h der S i t u a t i o n des k o n k r e t e n Schiffes auf der k o n k r e t e n Reise. aa) D e s k o n k r e t e n S c h i f f e s . Der Schiffer ist nicht gesetzlich befugt zum Abschlüsse von Geschäften, die die Ausrüstung, Bemannung usw. seines Schiffes in einer dessen Charakter nicht entsprechenden Weise bezwecken. Wenn er etwa seinen Passagierdampfer mit Geräten zum Walfischfang versieht oder f ü r das von ihm geführte Lotsenschiff einen Schifisarzt einstellt, so verpflichtet er seinen Reeder damit nicht. bb) A u f d e r k o n k r e t e n R e i s e . Der Schiffer ist nicht gesetzlich befugt zum Abschluß von Geschäften, welche die Ausführung dieser Reise nicht mit sich bringt. E r kann also mit verpflichtender Wirkung f ü r den Reeder keine Rechtsakte vornehmen, die sich auf die gegenwärtige Reise gar nicht beziehen, etwa das Schiff f ü r zukünftige Reisen verfrachten oder ein f ü r allemal zusagen, daß es sich in Zukunft stets an einen bestimmten Schiffsmakler wenden werde (HG Hamburg HansGZ 1876 Nr. 130; K l e e m a n n , Der Schiffsmakler im Seeverkehr, 1934, S. 3). Unter R e i s e im Sinne des § 527 ist nicht die einzelne Frachtreise zu verstehen (Prot. 4479), sondern die ganze Expedition, auf Grund deren das Schiff vom Heimathafen fern ist; wenn also ein Hamburger Schiff den Winter über regelmäßige Fahrten im Mittelmeer unternimmt, so dauert die Reise von seiner letzten Abfahrt von Hamburg bis zu seiner Rückkehr dorthin.

Anm. 1

b) Geschäfte, welche die in § 527 gedachten Zwecke m i t s i c h b r i n g e n , sind nicht identisch mit solchen, welche solche Zwecke e r f o r d e r l i c h m a c h e n (wie es in § 15 Abs. 1 BSchG heißt; vgl. M i t t e l s t e i n H B 101): es genügt, wenn sie mit demselben i n Z u s a m m e n h a n g s t e h e n (Prot. 3768; RGZ 13, 83). Es braucht also nicht die objektive Notwendigkeit des Geschäfts festzustehen, damit dieses den Reeder verpflichte, und dem Dritten liegt eine entsprechende Erkundigungspflicht nicht ob (Prot. 3767ff.). Nur wenn dem Gegenkontrahenten bekannt war, daß das Geschäft „offenkundig anderen Zwecken diente" (Prot. 3768), kann er den Reeder aus ihm nicht in Anspruch nehmen.

Anm. 2

c) Innerhalb obiger Grenzen ist der Schiffer Dritten gegenüber nicht nur zum Abschluß von Geschäften befugt, die die Ausführung der Reise gewöhnlich mit sich bringt, sondern auch zu u n g e w ö h n l i c h e n G e s c h ä f t e n (Prot. 1896), z.B. zum Abschluß von Berge-und Hilfsleistungensverträgen (ROHG 9, 368 ff.; RGZ 165, 168), zu außergewöhnlichen Reparaturen (§ 496 Abs. 2 HGB), besonders reichlichen Anschaffungen (vgl. B u c h k a und B u d d e , Entsch. des OAG Rostock Bd. 6 S. 206).

Anm. 3

2. Einzelfälle. a) Ausrüstung: s. Anm. 14 zu § 513. In Betracht kommen Neuanschaffung, Reparatur, Ausrangierung und Verkauf (vgl. § 534 Abs. 4 HGB und Prot. 1890) von Ausrüstungsgegen-

Anm. 4

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§527

Vierter Teil. Seehandelsrecht

ständen. Auch außergewöhnliche Anschaffungen sind gültig, selbst wenn ein „ F a l l der Notwendigkeit" (§ 534 Abs. 3 HGB) nicht vorliegt. Anm. 5

b) Bemannung: s. Anm. 15 zu § 513. Der Schiffer ist befugt, die Schiffsmannschaft einzustellen, f ü r die ganze Reise oder f ü r bestimmte Reiseteile (z.B. arabische Heizer f ü r die Reise durch das Rote Meer), sie zu entlassen, Verträge über Abänderung der Höhe der Heuer mit ihnen abzuschließen (HansOLG HansGZ 1896 Nr. 53), natürlich nur im R a h m e n des SeemG und der tarifvertraglichen Ordnungen. Vgl. wegen der ordentlichen Kündigung der Schiffsoffiziere die auch hier geltenden Ausführungen in Anm. 10 zu § 526.

Anm. G

c) Verproviantierung: s. Anm. 8 zu § 513. Überflüssigen Proviant kann der Schiffer verkaufen (Prot. 1890).

Anm. 7

d) Erhaltung des Schiffes (Anm. 14 zu § 493 HGB). D a ß das Gesetz nicht bloß die Erhaltung der Substanz (so RGZ 83, 134), sondern die Erhaltung des Schiffes f ü r seinen Erwerbszweck meint, zeigt es dadurch, daß es ein Geschäft zur Erhaltung des Schiffes als ein solches auffaßt, das die Ausführung der Reise mit sich bringt (vgl. RGZ 70, 277). I n Betracht kommen, außer den in § 528 genannten Geschäften, insbesondere Verträge über R e p a r a t u r des Schiffes, selbst wenn bei Außergewöhnlichkeit der R e p a r a t u r ein „Fall der Notwendigkeit" (§ 534 Abs. 3 HGB) nicht vorliegt, und selbst wenn die Reparatur nicht Herstellung der Seetüchtigkeit, sondern Erhaltung der Klassifikation bezweckt (HansOLG HansGZ 1883 Nr. 7; RGZ 13, 83), ferner Verträge über Bergung und Hilfsleistung (ROHG 9, 369; R G Z 70, 277; 165,168), über Loskauf von Seeräubern oder Feinden ( W a g n e r H B 251) usw.; dagegen n i c h t die Versicherung des Schiffes, der Ladung (HG H a m b u r g HansGZ 1872 Nr. 298), der F r a c h t oder Havereigelder (Prot. 188611.; W ü s t e n d ö r f e r S H R 202; anders f ü r Fracht, Havereigelder und Ladung S c h l e g e l b e r g e r Anm. 2 zu § 526, der sich dabei irrtümlich auf Wüstendörfer a . a . O . bezieht). Auch schädigende Eingriffe in fremdes Eigentum (§ 904 HGB) fallen unter Umständen unter die gesetzliche Vollmacht des Schiffers (RGZ 88, 215).

Anm. 8

e) Überhaupt die Ausführung der Reise. Außer den bereits genannten u n d unter f und g noch zu nennenden können die verschiedensten Geschäfte und Rechtshandlungen in Frage kommen, und zwar solche aa) z i v i l r e c h t l i c h e r N a t u r . Beispiel: Vergleiche (HG Hamburg HansGZ 1878, 184; RGZ 13, 84) und Anerkenntnisse ( H G und OG H a m b u r g HansGZ 1874 Nr. 66; RGZ 13, 84ff.) hinsichtlich solcher Rechtsverhältnisse, die in den Wirkungskreis des Schiffers gehören; Eingehung der Verpflichtung, sich während der Reise an einen bestimmten Schiffsmakler zu wenden (HG H a m b u r g HansGZ 1875 Nr. 277; 1876 Nr. 130, 131; H G und OG H a m b u r g HansGZ 1879 Nr. 58; HansOLG HansGZ 1897 Nr. 38); Zurückzahlung zuviel empfangener Gelder; Abschluß von Frachtverträgen behufs Weiterbeförderung von auf Durchkonnossement abgeladenen Gütern; Beauftragung einer Maklerfirma mit der Klarierung des Schiffes (OLG Kiel HansRGZ 1935 B 343). Dagegen ist der Schiffer, weil dies die Ausführung der Reise n i c h t mit sich bringt, nicht befugt zum Einkauf von Waren zwecks Verschiffung und Weiterverkauf (Prot. 1896).

Anm. 9

bb) ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e r N a t u r . Beispiele: Abgabe erforderlicher Erklärungen bei Behörden; Stellung von Strafanträgen zum Schutz der dem Schiffer anvertrauten Rechtsgüter, z.B. aus §§ 303, 370 Ziff. 5 StGB (vgl. RGSt 1, 710). f ) Eingehung von Frachtverträgen (anders BSchG § 15). Der Schiffer ist zu derselben nur befugt, soweit es die Ausführung der Reise mit sich bringt: Abs. 2 des Paragraphen ist dem Abs. 1 unterzuordnen. Insoweit auch zum Abschluß von Durchfrachtverträgen. Die sehr bestrittene Frage, ob der Schiffer auch berechtigt ist, v o m R e e d e r a b g e s c h l o s s e n e F r a c h t v e r t r ä g e z u m o d i f i z i e r e n o d e r zu a n n u l l i e r e n (dagegen U l l r i c h Bd. 1 Nr. 27, 36; dafür U l l r i c h Bd. 2 Nr. 332; LG Hamburg HansGZ 1882, 248), ist mit dem OAG Lübeck (SeuffA Bd. 12 Nr. 292 = Entsch. in Brem. Zivilrechtssachen Bd. 4 S. 33ff.) und RGZ 36 Nr. 17 dahin zu entscheiden, daß eine Abänderung oder Aufhebung zum Nachteil des Reeders, insbesondere ein Verzicht auf dessen Rechte ohne entsprechende Gegenleistung, nur unter ganz besonderen, dem Dritten erkennbaren Umständen s t a t t h a f t ist, z.B. wo die Erhaltung des Schiffes oder der Abschluß eines neuen vorteilhaften Frachtvertrages davon abhängt (ähnlich W ü s t e n d ö r f e r SHR 202). Dagegen ist der Schiffer ermächtigt, den Reeder

216

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§527

bei Verhandlungen über Streitigkeiten aus Frachtverträgen zu vertreten, sich über Aufhebung von lästigen Frachtverträgen zu vergleichen (HG H a m b u r g HansGZ 1878, 184), Abkommen über die zweckmäßigste Ermittlung der Höhe des Frachtanspruchs zu treffen (HG H a m b u r g Nathans Hamburger Gerichtszeitung 1865 S. 19), Schiffsgläubigeransprüche des Empfängers wegen der Ladung vergleichsweise zu erledigen, zuviel gezahlte Fracht zurückzuerstatten, die Fracht einzukassieren (vgl. Prot. 1886), ebenso Liegegelder (ROHG bei Stegemann Rechtssprechung Bd. 3 S. 249) usw. I n der Konnossementsausstellung ist der K a p i t ä n Vertreter des Verfrachters, nicht des Heeders, namentlich auch, wenn Verfrachter und Reeder nicht identisch sind (§§ 642 Abs. 1 und 4, 650 HGB). Daraus ist zu folgern, daß er Vertreter des Verfrachters auch f ü r die damit z u s a m m e n h ä n g e n d e n R e c h t s h a n d l u n g e n ist, insbesondere Annahme und Auslieferung der Ladung, sowie Frachteinziehung (vgl. §§ 567 Abs 1, 588 Abs. 1, 594 Abs. 1, 601, 604, 606 Satz 1, 614 Abs. 2, 615 Abs. 1, 648f., 654 HGB) und entsprechend außerhalb des Heimathafens auch f ü r Eingehung von Frachtverträgen ( W ü s t e n d ö r f e r S H R 206). Schwierig ist die Frage in welcher Höhe der Kapitän einen solchen Verfrachter verpflichtet. Sind Verfrachter und Reeder (Ausrüster) identisch, so ist die H a f t u n g im Rahmen des § 486 H G B auf das Schiffsvermögen begrenzt. W ü s t e n d ö r f e r a.a.O. meint, auch der K a p i t ä n verpflichte den vom Schiffseigentümer und Ausrüster verschiedenen Verfrachter, wenn er als sein gesetzlicher Bevollmächtigter handle, nur beschränkt-persönlich bis zur Höhe des Wertes von Schiff und Konnossementsfracht (sich W ü s t e n d ö r f e r anschließend S c h l e g e l b e r g e r Anmerkung 13 zu § 556 HGB). Wüstendörfer gibt f ü r seine Ansicht keine Begründung. Er meint nur, sie verdiene den Vorzug vor einer Lösung, daß der Verfrachter zu dinglicher H a f t u n g mit den eigenen konnossementsmäßigen Frachtforderungen und dem fremden Schiff, nach Vorbild der Ausrüsterhaftung verpflichtet werde. F ü r keine dieser Ansichten, insbesondere aber auch nicht f ü r diejenige, der Wüstendörfer den Vorzug gibt, findet sich im geltenden Recht ein Anhaltspunkt. Vielmehr: Der Verfrachter, der nicht Reeder oder Ausrüster ist, haftet, auch wenn der Kapitän ihn k r a f t gesetzlicher Vollmacht vertritt, mit seinem ganzen Vermögen ( p e r s ö n l i c h in der Sprache des § 486 HGB), summenmäßig durch § 660 H G B beschränkt. Außerdem steht dem Ladungsbeteiligten ein Schiffsgläubigerrecht an dem fremden Schifl zu, allerdings ausdrücklich nur f ü r Forderungen wegen Nichtablieferung und Beschädigung der Ladungsgüter bestimmt (§ 754 Ziff. 7 HGB). Zweifelhaft ist, ob nach § 754 Ziff. 7 H G B Entsprechendes auch f ü r andere Ansprüche aus der gesetzlichen Vertretung des Verfrachters durch den K a p i t ä n zu gelten h a t ; bej ahend W ü s t e n d ö r f e r SHR 206, gegen den jedoch zu sagen ist, daß die Schiffsgläubigerrechte grundsätzlich einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind, zudem auch die auf den Verfrachter bezügliche Bestimmung des § 754 Ziff. 7 noch als Ausnahmebestimmung angesehen ist. g) Anstellung von Klagen. Der Schiffer ist zur prozessualen Vertretung des Reeders außer- Anm. 10 halb des Heimathafens a k t i v l e g i t i m i e r t , s o w e i t s i c h d i e a n z u s t e l l e n d e n K l a g e n a u f s e i n e n W i r k u n g s k r e i s b e z i e h e n . Dieser Wirkungskreis ist aber weiter als der Umfang seiner Vertretungsbefugnis: der Schiffer kann also auch Ansprüche einklagen, die aus dem vom Reeder abgeschlossenen, von ihm, dem Schiffer, auszuführenden Verträgen oder aus Delikten, von denen das Schiff betroffen ist (vgl. Prot. 3785: insbesondere Zusammenstöße), oder aus großer Haverei herrühren. Diese Befugnis dauert indessen nur so lange wie er Schiffer ist: sie erlischt insbesondere mit dem Untergang des Schiffes (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 147; 1877 Nr. 1 5 0 ; H G u n d OG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 68, 192; anders W a g n e r H B 256; OLG Rostock MecklZ Bd. 22 S. 9), während der Wechsel des Eigentums am Schiff die K r a f t einer von ihm ausgestellten Prozeßvollmacht nicht a u f h e b t (OG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 75). D e r S c h i f f e r h a t , w o e r f ü r s e i n e n R e e d e r k l a g t , s i c h a l s V e r t r e t e r d e s - Anm. 11 s e l b e n zu b e z e i c h n e n : es muß klagen „der Reeder N . N . des Schiffes X., vertreten durch den Schiffer desselben A.", und durchaus inkorrekt ist die Praxis, laut deren sich „A. als Schiffer des Schiffes X . " als Kläger bezeichnet. Es widerspricht dieselbe offenbar § 253 ZPO, nach welchem die Klage die Bezeichnung der Parteien enthalten m u ß ; denn Partei ist nicht der Schiffer, sondern der Reeder, der allein f ü r die Parteivernehmung nach den §§ 445ff. ZPO in Frage kommt, aus dessen Person allein Aufrechnungs- und sonstige Einreden geltend gemacht werden können, dessen Tod allein im Sinne von § 239 ZPO das Verfahren unter217

§ 528

Vierter Teil. Seehandelsrecht

bricht usw. Freilich ist eine derartig fehlerhaft angestrengte Klage dann nicht ohne weiteres aus diesem Grunde abzuweisen, wenn ein nachträgliches Vorbringen des Klägers die wirkliche Parteirolle klargestellt hat (HansOLG HansGZ 1886 Nr. 111). In gleichem Sinne RG HansGZ 1898, 274 = SeuffA Bd. 44 S. 102. P a s s i v l e g i t i m i e r t ist der Schiffer nur f ü r Klagen von Schiffsgläubigern (§§ 696, 761 HGB), also nicht f ü r Klagen oder Widerklagen auf Grund persönlicher Haftung des Reeders. Ebenso f ü r Arreste auf Grund von Schiffsgläubigeransprüchen (diesen Fall übersieht das HansOLG OLGRechtspr. 11, 119, das die Passivlegitimation des Schiffers f ü r Arreste überhaupt leugnet; wie hier W ü s t e n d ö r f e r SHR 202), nicht auf Grund von persönlichen Ansprüchen (anders E h r e n b e r g 194; gegen ihn B o y e n s Bd. 1 S. 377 Note 7). K l a g e u n d A r r e s t a n t r a g sind in d i e s e n F ä l l e n g e g e n d e n S c h i f f e r zu r i c h t e n , ohne daß es der Hinzufügung des Namens des von ihm vertretenen Reeders bedarf. Über die Befugnis des Schiffers, den Reeder vor den S t r a n d b e h ö r d e n u n d S e e m a n n s ä m t e r n sowie in P r i s e n s a c h e n zu vertreten s. L. P e r e l s ZHR Bd. 58 S. lOf. 3. Regelmäßig wird die Vertretungsbefugnis des Schiffers mit dem Untergang des SchifAnm. 13 fes oder dessen Notverkauf enden. In bestimmten Fällen ist aber ihr Fortbestehen anzunehmen, so hinsichtlich der Einziehung der Distanzfracht oder des Abschlusses einer Bergungsvertrages, wenn Aussicht zur Hebung von Schiff und Ladung besteht und der Kapitän kraft seiner Fürsorgepflicht zu diesem Zweck tätig wird (vgl. § 555 HGB; RGZ 165, 168f.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 202). 4. Rechtsvergleichend siehe die Anm. 13 zu § 526 HGB. Vgl. f ü r das belgische Recht auch Anm. 14 die Entscheidung des belgischen Kassationshofs Jurisprudence du Port d'Anvers 1958 S. 394, nach welcher der Reeder aus der gesetzlichen Vollmacht des Kapitäns nur dann verpflichtet wird, wenn der Kapitän oder ein von diesem Bevollmächtigter handelt, nicht aber, wenn etwa der Zeitcharterer einem Stauereiunternehmen einen Auftrag erteilt. Anm. 12

§ 628 Zur Aufnahme von Darlehen, zur Eingehung von Käufen auf Borg sowie zum Abschluß ähnlicher Kreditgeschäfte ist der Schiffer nur dann befugt, wenn es zur Erhaltung des Schiffes oder zur Ausführung der Reise notwendig, und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Ein Bodmereigeschäft einzugehen ist er nur dann befugt, wenn es zur Ausführung der Reise notwendig, und nur insoweit, als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Die Gültigkeit des Geschäfts ist weder von der wirklichen Verwendung, noch von der Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl noch von dem Umstand abhängig, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden hat, es sei denn, daß der Dritte in bösem Glauben war. Einschränkung des Prinzips des g 527 für Kreditgeschäfte. Anm. 1

1. Ein Kreditgeschäft ist ein solches, bei dem die dem einen Teil — hier dem Reeder — obliegende Leistung nicht Zug um Zug mit der Gegenleistung erfolgen soll, sondern vertragsmäßig hinausgeschoben ist, sei es, daß dies, wie bei darlehensartigen Geschäften, im Wesen derselben liegt, oder daß es, wie beim Kauf auf Borg, ein Akzidentale des Geschäfts ist. § 528 bezieht sich auf alle Kreditgeschäfte, zu deren Eingehung der Schiffer überhaupt befugt ist ( W a g n e r H B 252 Anm. 12). Das Gesetz nennt ausdrücklich nur die Aufnahme von Darlehen, die Eingehung von Käufen auf Borg und das Bodmereigeschäft, d. h. im vorliegenden Zusammenhang die Verbodmung von Schiff oder Fracht. Daneben spricht es von „ähnlichen Kreditgeschäften": hierher gehört das Herstellenlassen von Reparaturen auf Borg; die Verbodmung der Ladung und die Verfügung über Ladungsteile durch Verkauf oder Verwendung gemäß § 540 HGB (es wird so angesehen, als wenn der geschädigte Ladungsbeteiligte den Wert der eingebüßten Güter dem Reeder kreditiert h ä t t e : § 541 HGB). Geldbeschaffungen pflegen, wenn ihre Vornahme durch einen Havereifall erforderlich geworden ist, als A u f n a h m e v o n H a v e r e i g e l d e r n (§ 779 HGB) bezeichnet zu werden, unter denen freilich nicht nur die von Dritten, sondern auch die vom Reeder selbst hergegebenen Gelder verstanden werden (§ 826

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 528

H G B ; vgl. RG HansGZ 1891, 252; anders V o i g t S. 374, 496ff.). Nicht als solche ist Kreditgeschäft die vertragsmäßige Anerkennung einer Forderung (RGZ 13, 85). Oft liegt ein Kreditgeschäft den Tratten zugrunde, welche der außerhalb des Heimathafens befindliche Schiffer auf seinen Reeder zieht (HansOLG HansGZ 1896 Nr. 37; vgl. ROHG 25 Nr. 12; HansOLG HansGZ 1895 Nr. 19). Vgl. OLG Königsberg HansRGZ 1929 B 483: Ein Vorschuß des Kapitäns beim Schiffsmakler ist vermutlich im Namen des Reeders, nicht in dem des Zeitscharterers aufgenommen. 2. Zum Abschluß eines derartigen Kreditgeschäfts ist der Schiffer nur mit zwei Einschränkungen befugt, nämlich nur a) wenn es zur Erhaltung des Schiffes (Anm. 14 zu § 493 H G B ; Anm. 7 zu § 527 HGB) oder zur Ausführung der Reise, beim Bodmereigeschäft nur, wenn es zur Ausführung der Reise notwendig ist. Der Kreditgeber hat sich zu informieren, ob ein entsprechendes Bedürfnis vorliegt; dazu gehört aber auch die Untersuchung der Frage, ob diesem durch die Kreditgewährung überhaupt abgeholfen werden kann: denn wenn z. B. die f ü r die Reparatur eines nicht mehr transportablen Schiffes erforderlichen Anstalten nicht am Orte sind, auch nicht herbeigeschafft werden können (vgl. W a g n e r H B 252), wird von der Notwendigkeit des Geschäfts kaum gesprochen werden können. Maßregeln zur Erhaltung des Schiffes können mit solchen zur Ausführung der Reise zusammenfallen. Dies ist aber nicht notwendig der Fall, es können vielmehr auch dann Maßnahmen zum Zwecke der Erhaltung des Schiffes erforderlich sein, wenn ohne diese das Schiff zwar seine Reise vollenden, aber in unverhältnismäßig schlimmerem Zustande („nur als Wrack") ankommen würde, oder wenn es die Reise gar nicht fortsetzen, sondern dort, wo es sich befindet, verkauft werden soll (Prot. 3769); unter solchen Umständen liegt der Bedürfnisfall eines gewöhnlichen Kreditgeschäfts, aber nicht derjenige einer Bodmerei vor. Grund f ü r ein Kreditgeschäft zwecks Ausführung der Reise kann z. B. sein das Bedürfnis nach Mitteln zur Ausbesserung, Ausrüstung, Verproviantierung, Bemannung des Schiffes, zur Bestreitung des Aufenthalts im Nothafen (Prot. 1892), zur Bezahlung einer Zollstrafe, ohne die das Schiff den Hafen nicht verlassen kann (HG Hamburg HansGZ 1876, 357), sowie zu seiner Befreiung von einem darauf ausgebrachten oder drohenden Arrest ( s o L e w i s B d . 2 S . 8 ; vgl. HansOLG HansGZ 1896, 104; anders B o y e n s Bd. 1 S. 380). Siehe auch OLG Kiel HansRGZ 1934 B 343. b) Insoweit als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist, wobei allerdings nicht streng nach Heller und Pfennig gerechnet werden darf (AppG Marienwerder BuschsA Bd. 20 S. 283; OLG Kiel SchlHolstAnz. 1910 S. 156). Die Erkundigungspflicht des Kreditgebers erstreckt sich mithin auch darauf, welchen Umfang das Kreditbedürfnis hat (vgl. hierzu E h r e n b e r g 58). So dürfen Kohlen und Proviant nur in dem Umfange beschafft werden, wie sie f ü r die Reise bis zum Heimathafen notwendig sind. Doch besteht dadurch kein Zwang f ü r den Schiffer, seinen Kurs so zu nehmen, daß er den Heimathafen anläuft. Der Lieferant hat selbst zu prüfen, welche Mengen f ü r die Reise erforderlich sind: BGHZ 29, 194 = Hansa 1959 S. 677 = N J W 1959 S. 721 = MDR 1959 S. 278 und 463 (Anm. von Sieg). 3. Das Gesetz f ü h r t gewisse Umstände auf, von denen die Gültigkeit des Geschäfts an sich nicht abhängt, es sei denn, daß der Dritte, d.h. der Kreditgeber, in bösem Glauben war. Es sind dies: a) Die wirkliche Verwendung der durch das Kreditgeschäft erlangten Gelder oder sonstigen Gegenstände zur Befriedigung des Bedürfnisses. Der Dritte wird kaum in der Lage sein, sich im v o r a u s zu vergewissern, ob der Kapitän das durch das Kreditgeschäft Erlangte dem Bedürfnis entsprechend verwenden wird, oder gar n a c h Hergabe der kreditierten Gegenstände einen Einfluß in dieser Richtung auszuüben (Prot. 1905). Ist ihm indessen bei Hergabe der Gelder oder Gegenstände bekannt, daß der Kapitän gar nicht die Absicht hat, sie zur Befriedigung des vorhandenen Bedürfnisses zu verwenden, u n d verwendet der Schiffer sie in Wirklichkeit (auf die Absicht des Schiffers allein kommt es nicht an: W ü s t e n d ö r f e r ZHR Bd. 74 S. 210) nicht dazu, so ist er in bösem Glauben und das Kreditgeschäft ungültig, d.h. f ü r den Reeder nicht bindend, und der Kreditgeber hat höchstens einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, wenn solche vorliegt. b) Die Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl. Auch in dieser Hinsicht mutet das Gesetz dem Kreditgeber eine Informationspflicht nicht zu. Ist 219

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5

§528

Vierter Teil. Seehandelsrecht

ihm aber bei Eingehung des Geschäfts bekannt, daß der Schiffer, indem er dieses Kreditgeschäft anstelle eines vorteilhafteren wählt, absichtlich gegen das Interesse seines Reeders handelt — nur dieser Fall kann in Frage kommen; man kann von dem Kreditgeber unmöglich verlangen, daß, wenn er eine für den Reeder vorteilhaftere Geschäftsmöglichkeit weiß, etwa wenn er s e l b s t in der Lage wäre, vorteilhafter für den Reeder, als er es tut, zu kontrahieren, er den Schüler hierauf aufmerksam machen soll —, so ist er in bösem Glauben und es treten die zu a erwähnten Folgen ein. Amn. 6

c) Der Umstand, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden hat. Der Schiffer ist nicht verpflichtet, aus eigenen Mitteln für den Reeder vorzuschießen (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 331). Dagegen kann es sehr wohl vorkommen, daß der Schiffer, obwohl ihm die nötigen Gelder zu Gebote stehen, ein Kreditgeschäft des § 528 abschließt, insbesondere daß er mit mehreren Personen gleichzeitig dasselbe Geschäft eingeht. Zu untersuchen, ob ein solcher Fall vorliegt, ist nicht Pflicht des Kreditgebers; ist ihm aber diese Sachlage bei Eingehung des Geschäfts bekannt, so befindet er sich in bösem Glauben und es treten die zu a aufgeführten Rechtsfolgen ein.

Anm. 7

I n a l l e n diesen F ä l l e n i s t a b e r g r o b e s V e r s c h u l d e n dem V o r s a t z n i c h t g l e i c h z u s t e l l e n (so mit B o y e n s Bd. 1 S.381ff. — vgl. RGZ 21, 165ff. — gegen W a g n e r H B 252 und S c h l e g e l b e r g e r Anm. 4 zu § 528).

Anm. 8

4. Beweislast. a) Der klagende Kreditgeber hat zu behaupten und im Bestreitungsfalle zu beweisen, aa) daß das K r e d i t g e s c h ä f t zur E r h a l t u n g des S c h i f f e s bzw. zur A u s f ü h rung der R e i s e n o t w e n d i g w a r , wozu auch der Beweis gehört, daß es zur Befriedigung des Bedürfnisses unter den vorliegenden Umständen g e e i g n e t war (oben Anm. 2). Es genügt nicht der allgemeine Hinweis auf „dringende Schulden" (ROHG 25, 49) oder die Behauptung, daß „zwecks Deckung von Schiffsbedürfnissen" kontrahiert sei (HansOLG HansGZ 1895, 51). Im Falle der Bodmerei kann sich der Geldgeber indessen dadurch, daß er sich vor der Ausstellung des Bodmereibriefs die Notwendigkeit der Eingehung des Geschäfts von dem deutschen Konsul und in dessen Ermangelung von dem Gericht oder der sonst zuständigen Behörde des Ortes der Ausstellung und, wenn auch eine solche nicht vorhanden ist, von den Schiffsoffizieren urkundlich bezeugen läßt, eine — durch Gegenbeweis entkräftbare — Vermutung dafür schaffen, daß der Schiffer zur Eingehung des Geschäfts in dem vorliegenden Umfange befugt gewesen sei (§ 685 HGB). bb) D a ß das G e s c h ä f t a u c h in dem v o r l i e g e n d e n U m f a n g e a b g e s c h l o s s e n werden m u ß t e (oben Anm. 3. Anders AppG Marienwerder BuschsA Bd. 20 S. 282, nach welchem dem Gläubiger die Überschreitung des Bedürfnisses nachzuweisen ist). Für die Bodmerei gilt § 685 HGB (oben zu aa).

Anm. 9

Anm. 10

b) Demgegenüber muß der in Anspruch genommene Reeder — wenn er nicht b e i der B o d m e r e i den ihm n a c h § 6 8 5 v e r s t a t t e t e n G e g e n b e w e i s führt — beweisen, daß der K r e d i t g e b e r in e i n e m der oben (zu 3a, b oder c) d a r g e l e g t e n S i n n e in b ö s e m G l a u b e n gewesen sei. 5. Der Kreditgeber ist Reiseinteressent (Anm. 1 ff. zu § 512).

Anm. 11

6. Nach § 534 Abs. 2 HGB hat der Schiffer in den Fällen des § 528 bei seinem Reeder, wenn die Umstände es gestatten, um Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen. Die Verabsäumung dieser Vorschrift, die das interne Verhältnis zwischen Schiffer und Reeder betrifft, hat auf die Gültigkeit des Kreditgeschäfts keinen Einfluß.

Anm. 12

7. Ein gemäß § 528 abgeschlossenes Kreditgeschäft läßt ein Schiffsgläubigerrecht nach § 754 Nr. 6 und nicht nach § 754 Ziff. 8 HGB entstehen; vgl. BGH a.a.O. (oben Anm. 3). Ein Schiffsgläubigerrecht entsteht nicht, wenn der Kapitän z. B. Kohlen auf Grund eines vom Reeder geschlossenen Rahmenvertrags bestellt; vgl. HansOLG Hansa 1933 S. 559; siehe auch Hansa 1933 S. 817. Kreditgeschäfte zwischen Schifferreeder und Schiffsmakler begründen kein Schiffsgläubigerrecht, wenn beide in laufender Geschäftsverbindung miteinander stehen (OLG Oldenburg Hansa 1935 S. 1405; anders OLG Kiel Hansa 1935 S. 1497). Vgl. auch HansOLG HansRGZ 1928 B 211.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§529

§ 529 Aul den persönlichen Kredit des Reeders Geschäfte abzuschließen, insbesondere Wechselverbindlichkeit für den Reeder einzugehen, ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht (§ 486 Abs. 1 Nr. 1) befugt. Verhaltungsmaßregeln und dienstliche Anweisungen, die der Schiffer vom Reeder erhält, genügen nicht, die persönliche Haftung des Reeders dem Dritten gegenüber zu begründen. Einschränkung des Prinzips des § 527 für Geschäfte auf den persönlichen Kredit des Ree- Einleitg. ders. In Frage kommen nur solche außerhalb des Heimathafens (§ 527 HGB): denn der analoge Fall ist f ü r Rechtsgeschäfte im Heimathafen bereits in § 526 H G B (Anm. 8 zu § 526) geregelt. 1. Der Paragraph bestimmt nicht, daß alle Geschäfte, zu deren Abschluß der Schiffer vom Reeder besonders bevollmächtigt ist, den letzteren persönlich verpflichten, sondern umgekehrt, daB der Schiffer zum Abschluß solcher Geschäfte, die den Reeder nach der Absicht der Kontrahenten persönlich verpflichten sollen, einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht bedarf. D a s e r s t e r e f o l g t a b e r a u c h d e m l e t z t e r e n : liegt eine dem Gesetz entsprechende Vollmacht, eine „besondere" Vollmacht (§ 486 Abs. 1 Nr. 1 HGB), gleichviel, ob der Abschluß des Geschäfts im Rahmen der gesetzlichen Schifierbefugnisse liegt oder nicht (Anm. 17 zu § 486 HGB), vor und wird unter Bezugnahme auf sie abgeschlossen, so haftet der Reeder nicht dinglich, sondern persönlich (RG WarnRspr. 1917 Nr. 78; OLG Stuttgart Recht 1917 Nr. 1134; BGHZ 29, 194 = Hansa 1959 S. 677 = N J W 1959 S. 721 = MDR 1959 S. 278; A l b r e c h t , Schifisgläubigerrechte des Schiffsmaklers, Hansa 1953 S. 1261, 1291). Ist sie aber n i c h t v o r h a n d e n , so haftet der unter Bezugnahme auf die angebliche Vollmacht abschließende Schiffer als falsus procurator nach § 533 Abs. 2 H G B ; der Reeder selbst haftet, soweit der Abschluß innerhalb der gesetzlichen Schifierbefugnisse lag, dinglich ( B o y e n s Bd. 1 S. 383), sonst höchstens auf Grund ungerechtfertigter Bereicherung. Nichts hindert natürlich den Schiffer, von der Vollmacht keinen Gebrauch zu machen und statt dessen auf Grund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht mit der Wirkung, daß nur beschränkte Haftung entsteht, abzuschließen (RG Recht 1917 Nr. 1134 = EisenbB Bd. 34 S. 228 = WarnRspr Bd. 10 S. 109); BGH a.a.O.; A l b r e c h t a.a.O.).

Anm. 1

2. Im einzelnen ist zu bemerken: a) Unter den Geschäften auf den persönlichen Kredit des Reeders hebt das Gesetz die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten für ihn hervor. aa) E i n g e h u n g v o n W e c h s e l v e r b i n d l i c h k e i t e n ist die Vornahme solcher Wechselakte, aus denen eine wechselmäßige Verpflichtung entsteht. Es gehören also nicht hierher Prokuraindossament, Indossament nach Protest, Ausstellung eines Wechsels an eigene Order, Indossament ohne Obligo: diese Akte kann der Schiffer unter den Voraussetzungen des § 527 namens des Reeders vornehmen. Eingehung von Wechselverbindlichkeiten f ü r den Reeder liegt n i c h t vor, -wenn der Schiffer im eigenen Namen auf seinen Reeder Tratten zieht (vgl. Anm. 1 zu § 528 HGB; anders W ü s t e n d ö r f e r 205 und S c h l e g e l b e r g e r Anm. 1 zu § 529).

Anm. 2

bb) W e c h s e l v e r b i n d l i c h k e i t e n , die der Schiffer zulässigerweise f ü r den Reeder eingeht, k ö n n e n a l s s o l c h e , w e n n ü b e r h a u p t , n u r e i n e p e r s ö n l i c h e H a f t u n g d e s R e e d e r s b e g r ü n d e n : denn zur unpersönlichen Haftung wäre der durch den Wechsel und angesichts der Abstraktheit der Wechselobligation nicht zu führende Nachweis erforderlich, daß alle Voraussetzungen des § 528 HGB vorliegen (was nicht hindert, daß das Schiffsvermögen aus dem dem Wechselakt zugrunde liegenden Rechtsgeschäft haften kann: Anm. 1 zu § 528 HGB). Wechsel aber, die der Schiffer nicht auf den Reeder, sondern a u f d a s S c h i f f s v e r m ö g e n („zu Lasten des Schiffes") ziehen wollte, sind, wie B o y e n s Bd. 1 S. 384 mit Recht gegen W a g n e r (HB 258 Note 6; vgl. Ullrich 1 Nr. 199 u. 312) verficht, nichtig, weil weder der Name einer bestimmten natürlichen noch einer juristischen Person genannt ist (unentschieden: HansOLG HansGZ 1895, 51).

Anm. 3

cc) H i n s i c h t l i c h d e r a n s i c h v e r p f l i c h t e n d e n W e c h s e l a k t e d e s S c h i f f e r s (vgl. oben zu a) — Ausstellung, Akzept, Indossament, Aval usw. — gilt folgendes:

Anm. 4

221

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 5

Anm. 6

aaa) E r s t e r F a l l : d e r S c h i f f e r h a t V o l l m a c h t (unten Anm. 6). Er muß alsdann, um durch seine Unterschrift den Reeder zu verpflichten, dessen Namen oder Firma zeichnen, dem er den seinigen mit Vollmachtszusatz beifügen kann. Zeichnet er nur seinen eigenen Namen, so haftet hieraus lediglich er selbst. Fügt er zwar nicht Namen oder Firma des Reeders als Vollmachtgebers hinzu, stellt aber durch einen sonstigen Zusatz, wie „ f ü r das Schiff X " . „als Kapitän des Schiffes X " klar, daß er nicht f ü r sich selbst, sondern als Vertreter des Reeders zeichnen will, so entbehrt diese Erklärung der wechselrechtlichen Bedeutung: der von ihm derartig ausgestellte Wechsel ist ungültig wegen Fehlens des Erfordernisses von Art. 1 Nr. 8 WG (Art. 2 WG), das Indossament hat weder übertragende noch verpflichtende Kraft, und auch Akzept, Wechselbürgschaft usw. können den darin nicht genannten Reeder nicht wechselrechtlich verpflichten (die eventuelle Verpflichtung des Reeders aus dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft bleibt unberührt!). Aber auch der Schiffer haftet nicht aus dem Wechsel ( B o y e n s a.a.O.), wenn er deutlich genug kundgegeben hat, daß er nur als Vertreter zeichne. bbb) Z w e i t e r F a l l : d e r S c h i f f e r h a t k e i n e V o l l m a c h t (unten Anm. 6). Der Reeder wird nie verpflichtet, es sei denn aus dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft. Zeichnet der Schiffer Namen oder Firma des Reeders unter Hinzusetzung seines Namens, so haftet er selber wechselmäßig aus Art. 8 WG und § 533 Abs. 2 BGB ; zeichnet er nur den eigenen Namen, so haftet er aus seiner Wechselerklärung ebenfalls wechselmäßig. Zeichnet er, ohne den Namen oder die Firma des Reeders zu nennen, mit einem der Anm. 4 erwähnten Zusätze, so trifft, weil er nicht als Bevollmächtigter des Reeders gezeichnet hat, Art. 8 WG nicht zu: die Zeichnung hat keine wechselrechtliche K r a f t (oben Anm. 4). Die zivilrechtliche Haftbarkeit des Schiffers (§§ 779, 823, 826, 812 usw. BGB) bleibt unberührt. b) Zum Abschluß von Geschäften auf den persönlichen Kredit des Reeders ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu, d.h. zu dem betreifenden Geschäft, ermächtigenden Vollmacht befugt. Diese Vollmacht kann beruhen auf Vertrag, letztwilliger Verfügung oder Gesetz. A u f d i e v e r t r a g l i c h e V o l l m a c h t bezieht sich der zweite Satz des Paragraphen: „Verhaltungsmaßregeln und dienstliche Anweisungen, welche der Schiffer vom Reeder erhält, genügen nicht, um die persönliche Haftung des Reeders dem Dritten gegenüber zu begründen." Dieser Satz kann nichts anderes bedeuten, als daß es zur Herstellung der Befugnis des Schiffers zur persönlichen Verpflichtung des Reeders einer a u s d r ü c k l i c h e n Vollmacht bedarf ( B o y e n s Bd. 1 S. 383; W ü s t e n d ö r f e r SHR 205). Diese braucht aber nicht f ü r den Einzelfall erteilt zu sein: es würde z.B. der Schiffer zur Eingehung von Wechselakten f ü r den Reeder befugt sein, wenn ihn derselbe ganz allgemein bevollmächtigt hätte, Wechselverpflichtungen f ü r ihn zu übernehmen. Der Vollmachtserteilung steht die Genehmigung gleich. — Auf den Fall der g e s e t z l i c h e n und der d u r c h l e t z t w i l l i g e V e r f ü g u n g e r t e i l t e n V o l l m a c h t , an die das Gesetz vielleicht gar nicht gedacht hat, paßt Satz 2 offenbar nicht: Ausdrücklichkeit der Vollmacht ist also in diesen Fällen nicht zu fordern. § 580 Die Befugnis zum Verkaufe des Schiffes hat der Schiffer nur im Falle dringender Notwendigkeit und nur, nachdem diese durch das Ortsgericht nach Anhörung von Sachverständigen und mit Zuziehung des deutschen Konsuls, wo ein solcher vorhanden, festgestellt ist. Ist keine Gerichtsbehörde und auch keine andere Behörde, welche die Untersuchung übernimmt, am Orte vorhanden, so hat der Schiffer zur Rechtfertigung seines Verfahrens das Gutachten von Sachverständigen einzuholen und, wenn dies nicht möglich ist, sich mit anderen Beweisen zu versehen. Der Verkauf muß öffentlich geschehen.

Einleitg.

Einschränkung des Prinzips des § 527 für den Verkauf des Schiffes. Die Befugnis zu demselben kommt nur in Frage außerhalb des Heimathafens. Die B e s t i m m u n g e n des vorliegenden P a r a g r a p h e n gelten u n m i t t e l b a r n u r f ü r das V e r h ä l t n i s zwischen S c h i f f e r , R e e d e r u n d K ä u f e r des S c h i f f e s ,

222

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§530

nicht f ü r dasjenige zwischen Reeder und Versicherer (Prot. 1913; ROHG 12, 399; 18, 283; HansOLG HansGZ 1890, 177; RG HansGZ 1905, 161). Das letztere ist durch § 873 HGB geregelt und weiter durch § 77 ADS insofern abweichend bestimmt, als die Voraussetzungen, unter denen der SchifEsverkauf zu Lasten des Versicherers zulässig ist, engere und die Formalitäten des Verkaufs strengere sind. Der Schiffer ist a n sich n i c h t verpflichtet, sich nach den Vorschriften des ADS statt nach denen des HGB zu richten (HansOLG HansGZ 1893, 13), vielmehr nur dann, wenn ihm dies seitens des Reeders ausdrücklich oder stillschweigend auferlegt war, oder er, etwa aus dem ihm bekannten Kaskoversicherungsvertrage, erkannte oder erkennen mußte (§ 122 BGB), daß nur ein versicherungsrechtlich ordnungsmäßiger Verkauf dem Reeder zustatten komme (ROHG 12, 999; 18, 284). 1. Die Befugnis des Schiffers, das Schiff zum Verkauf zu bringen, ist an zwei VorausSetzungen gebunden: a) Es muß ein Fall dringender Notwendigkeit vorliegen. Ob ein solcher gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalles: im allgemeinen ist zu fordern einerseits negativ die Unmöglichkeit, unter den obwaltenden Verhältnissen die Reise fortzusetzen, anderseits positiv die Zwangslage, dem bestehenden Zustand verständigermaßen nur durch Verkauf des Schiffes und nicht anders ein Ende zu machen (ähnlich Prot. 1912). Wenn sich also durch Reparaturen, durch Aufnahme von Geldern, durch Abwarten das Hindernis der Weiterreise nach verständigem Ermessen beseitigen läßt, so ist von dringender Notwendigkeit des Verkaufs keine Rede. Bei Beurteilung der Frage, ob dringende Notwendigkeit vorliegt, hat ausschließlich das Interesse des Reeders entscheidend zu sein (ROHG 18, 283).

Anm. 1

H a u p t f ä l l e der dringenden Notwendigkeit sind Reparaturunfähigkeit (vgl. franz. c. com Art. 237 ; belg. c. com Art. 73 : Hors le cas d'innavigabilité légalement constatée, le capitaine ne peut, à peine de nullité de la vente, vendre le navire, sans un pouvoir spécial des propriétaires) und Reparaturunwürdigkeit (oben § 479 HGB). Das HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 129 und RGZ 21, 88 bezeichnen diese Fälle als die einzigen Kondemnationsgründe, aber vom Standpunkt des Versicherungsrechts (§ 873 HGB und § 77 ADS: „wenn das Schiff infolge des Versicherungsfalls reparaturunfähig und die Reparaturunfähigkeit auf die im § 74 bestimmte Weise festgestellt ist) ; es kann ferner in Betracht kommen Unabbringlichkeit eines gestrandeten Schiffs oder unverhältnismäßige Kostspieligkeit der Abbringung (HG und OG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 146, 306; vgl. HansGZ 1875 Nr. 33; ROHG 18 Nr. 79; RGZ 13, 122; HansOLG HansGZ 1890 Nr. 63), Unmöglichkeit, in absehbarer Zeit die erforderliche Schiffsmannschaft zusammenzubringen ( B o y e n s Bd. 1 S. 387), oder das zur Reparatur, Abbringung, Beschaffung von Schiffsbedürfnissen usw. erforderliche Geld zu beschaffen.

Anm. 2

b) Der Fall der dringenden Notwendigkeit muß vorschriftsmäßig festgestellt sein („Kondemnierung"), und zwar aa) regelmäßig durch das Ortsgericht nach Anhörung von Sachverständigen und mit Zuziehung des etwa vorhandenen deutschen Konsuls. aaa) Es muß ein g e r i c h t l i c h e r A u s s p r u c h eingeholt werden (nicht erforderlich nach § 77 i.V.m. § 74 ADS). Es genügt nicht, wie es in dem in HansGZ 1876 Nr. 77 entschiedenen Fall geschehen war, eine notarielle Erklärung des Schiffers, „daß er das Schiff den Versicherern abandonniere" oder dgl. Über die Zuständigkeit des Gerichts, den Gang des Verfahrens und die Modalitäten des Richterspruchs entscheidet die lex loci. Im Gebiet des deutschen Rechts sind nach § 145 FGG die Amtsgerichte zuständig. Eine Anfechtung der dem Antrage stattgebenden gerichtlichen Verfügung ist nach § 146 Abs. 3 ausgeschlossen (hierzu KG OLGRechtspr. 7, 215). Die Verfügung wird wirksam mit der Bekanntmachung an den Kapitän (§ 16 FGG). Bei Ablehnung des Antrags auf Kondemnierung ist sofortige Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntmachung an den Beschwerdeführer zulässig (§§ 146, 22 FGG). bbb) Derselbe muß ergehen nach A n h ö r u n g v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n (vgl. § 77 i.V.m. § 74 ADS). Ob deren Gutachten gerichtsseitig oder schon, bevor das Gericht mit der Sache befaßt war, vom Antragsteller veranlaßt war, ist unerheblich. ccc) D a s G u t a c h t e n d e r S a c h v e r s t ä n d i g e n m u ß m i t G r ü n d e n v e r s e h e n sein (ROHG 16, 108): ungenügende Begründung kann wegen des zwingenden Charakters

Anm. 3

228

Anm. 4

Anm. 5

§530

Anm. 6

Anm. 7

Anm. 8

Anm. 9

Vierter Teil. Seehandelsrecht

der vorschriftsmäßigen Feststellung nicht oder nur aus besonderen Gründen des Einzelfalls (HansOLG HansGZ 1889, 303) durch nachträgliche Beweisführung nachgeholt werden (HG Hamburg HansGZ 1873, 102; R O H G 16,110). Die Begründung braucht nicht mit Rechtsbegriffen zu operieren, also nicht z. B. zwischen Reparaturunfähigkeit und Reparaturunwürdigkeit im Sinne des deutschen Rechts ausdrücklich zu unterscheiden: es genügt, wenn sie die tatsächlichen Gründe f ü r die dringende Verkaufsnotwendigkeit zweifellos erkennen läßt. Wird auf Grund von Schäden des Schiffes die Kondemnierung ausgesprochen, so ist die Scheidung zwischen Alters-, Fäulnisschäden u. dgl. einerseits und Unfallschäden andererseits nicht f ü r den Geltungsbereich des § 530, sondern höchstens aus versicherungsrechtlichen Gründen, und auch da nicht unbedingt erforderlich (vgl. HansOLG HansGZ 1887, 141; 1889, 303; 1896 Nr. 58; R G HansGZ 1891, 226; s. § 74 (5) Nr. 4 ABS). Der gerichtliche Spruch ist im Z u s a m m e n h a n g mit den S a c h v e r s t ä n d i g e n g u t a c h t e n , auf d e n e n er b e r u h t , zu b e t r a c h t e n u n d b r a u c h t d e r e n Beg r ü n d u n g n i c h t z u w i e d e r h o l e n (HansOLG HansGZ 1888, 257). Eine ausdrückliche Bezeichnung des Kondemnierungsgrundes ist nicht erforderlich, und wenn sie erfolgt, f ü r den Prozeßrichter nicht unbedingt maßgebend (RGZ 21, 88); d e r S p r u c h b r a u c h t n u r d i e „ d r i n g e n d e N o t w e n d i g k e i t " f e s t z u s t e l l e n , nicht auch ausdrücklich dem Schiffer die Verkaufsbefugnis zu erteilen ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 54; anders RGZ 21, 88; HansOLG HansGZ 1904, 247 und a contrario R G HansGZ 1905, 161). Ergibt sich die Begründung der Kondemnierung nicht unmittelbar aus dem Gerichtsausspruch, so hat der Schiffer sich den Text der zugrunde liegenden Gutachten, womöglich in beglaubigter Form, zu beschaffen. Von Gesetzes wegen ist eine Begründung des gerichtlichen Spruches nicht vorgesehen. ddd) Worin die T ä t i g k e i t d e s B u n d e s k o n s u l s bei der Untersuchung bestehen soll, darüber sagt das H G B nichts, ebensowenig der lediglich auf Art. 499 des A D H G B verweisende § 37 des Gesetzes, betr. die Organisation der Bundeskonsulate (Bd. I S. 1219). Doch h a t in solchen Fällen der Konsul einerseits dem Schiffer allen Beistand zur Herbeiführung einer prompten Entscheidung des Ortsgerichts zu leisten, andererseits darauf hinzuwirken, daß sachgemäß und den Interessen des Reeders entsprechend entschieden wird. eee) W e i t e r e D o k u m e n t e , betreffend Umstände, auf denen die Begutachtung beruht, z. B. über die Schätzung des Werts des Schifies in unbeschädigtem Zustande (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 120; R G HansGZ 1891 Nr. 86), oder eine spezifizierte Taxation der Reparaturkosten (vgl. aber die versicherungsrechtliche Entscheidung des HansOLG HansGZ 1882 Nr. 28, insbesondere S. 50), sind n i c h t e r f o r d e r l i c h . fff) Hinsichtlich der B e w e i s k r a f t d e r K o n d e m n i e r u n g s d o k u m e n t e h a t sich im Verhältnis zwischen Reeder und Versicherer die einheitliche Praxis herausgebildet, daß gegen die in äußerlich tadellosen Dokumenten enthaltenen Darlegungen der Sachversändigengutachten ein Gegenbeweis, abgesehen von Fällen des behaupteten Betruges od. dgl., nicht zulässig ist (OAG Lübeck, HansGZ 1868, 5; R O H G 4, 92; 12, 402; 16, 110; HansOLG HansGZ 1889, 303). Wenn diese Praxis schon auf seeversicherungsrechtlichem Gebiet, soweit sie sich nicht auf die lex contractus stützt, anfechtbar ist, so h a t sie sicherlich keine Berechtigung im Verhältnis zwischen Reeder und Schiffer, Reeder und Schiffskäufer (unten Anm. 16fi.), Schiffsgläubiger und Schiffskäufer (unten Anm. 20). U n t e r d i e s e n P e r s o n e n muß also der Gegenbeweis gegen die Richtigkeit der Kondemnierungsunterlagen durchaus zugelassen werden (vgl. W a g n e r H B 255). Zu weitgehend ist hiernach der Ausspruch von P a p p e n h e i m H B 2 S. 52, der Eintritt der Rechtswirkungen der Kondemnierung sei nicht dadurch bedingt, daß ihre Feststellungen dem wirklichen Sachverhalt entsprechen.

Anm. 10

bb) Ausnahmefälle. Ist keine Gerichtsbehörde a m Orte anwesend oder zur Übernahme der Untersuchung bereit, so hat der Schiffer eine a n d e r e B e h ö r d e hierüber anzugehen. Findet sich keine solche, die zur Prüfung der Angelegenheit bereit ist, so hat er selbständig G u t a c h t e n v o n S a c h v e r s t ä n d i g e n einzuholen (über deren Begründung das oben Anm. 5 Gesagte gilt) und, wenn dies nicht möglich ist, sich mit a n d e r e n B e w e i s m i t t e l n zu versehen (z.B. mit Zeugenaussagen, Photographien beschädigter Schiffsteile).

Anm. 11

2. Der Verkauf muß öffentlich, d.h. in öffentlicher Versteigerung (ROHG 14, 331), geschehen. Über die Modalitäten desselben entscheidet die lex loci. Daß der Verkauf stets von einem Beamten geleitet werden müßte, wie B o y e n s Bd. 1 S. 389 behauptet, ist nicht anzu224

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB nehmen (s. Anm.7 zu § 506): das von B o y e n s zitierte Urteil des HansOLG HansGZ 1890 Nr. 68 stellt diesen Satz nirgends auf; es sagt nur (S. 200), daß die Leitung des Verkaufs durch staatliche Beamte eine Vermutung f ü r die Ordnungsmäßigkeit desselben ergebe. Dagegen ist B o y e n s beizustimmen, wenn er es f ü r ratsam erklärt, falls ausländische Schiffsgläubiger beteiligt sind, einen g e r i c h t l i c h e n Zwangsverkauf herbeizuführen, da nur ein solcher nach den meisten ausländischen Rechten bestehende Schifisgläubigerrechte aus der Welt schafft. 3. Rechtsfolgen des ordnungsmäßigen und des nlchtordnungsmäßigen Verkaufs. Anm. 12 Nur wenn die sämtlichen oben besprochenen Erfordernisse — dringende Notwendigkeit, ordnungsgemäße Feststellung derselben und Öffentlichkeit des Verkaufs — vorliegen, ist der Verkauf des Schiffes ordnungsmäßig und rechtswirksam. Freilich kann auch ein ordnungswidriger Verkauf von den Beteiligten im voraus oder nachträglich genehmigt werden: aber die Genehmigung eines jeden der Beteiligten h a t auf die Wirksamkeit des Geschäfts den übrigen gegenüber keinen Einfluß. H a t z.B. der Reeder den Schiffer im voraus oder nachdem ihn derselbe gemäß § 534 Abs. 2 H G B um Verhaltungsmaßregeln bittet, von der Erfüllung der gesetzlichen Formalvorschriften befreit, so präjudiziert er damit nicht den Rechten der Schiffsund Schiffshypothekengläubiger, des Käufers, des Versicherers. Siehe über die versicherungsrechtlichen Folgen einer unberechtigten Kondemnierung auch HansOLG HansGZ 26, 535. a) Der ordnungsmäßige, den Vorschriften des § 530 entsprechende Verkauf h a t zur Folge Anm. 13 aa) daß der Reeder sein Eigentum an dem Schiff zugunsten des Käufers verliert, und zwar ohne, daß es bei einem eingetragenen Schiff der Umschreibung zum Schiffsregister bedürfte. Auch eine Übergabe ist im Hinblick auf die §§ 2 SchRG und 929a BGB nicht erforderlich. bb) daß alle Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken am Schiff erlöschen, unbeschadet der Pfandhaftung des ausstehenden Kaufgeldes (§ 764 HGB). H a t der Reeder dieses eingezogen, so haftet er den Gläubigern persönlich. Vgl. §§ 733, 771, 772 HGB. Diese Rechtswirkungen treten, weil der Verkauf auf der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffers beruht, auch dann ein, wenn der Schiffer auftragswidrig gehandelt h a t (Anm. 2 zu § 526 HGB); hierdurch macht er sich nur dem Reeder gegenüber schadensersatzpflichtig. War dem Käufer die Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse des Schiffers bekannt, so kann der Reeder sich auf ihre Nichtinnehaltung dem Käufer gegenüber berufen (§ 531 HGB), aber nicht der Schiffs- oder Schiffshypothekengläubiger; ebensowenig der Käufer dem genehmigenden Reeder gegenüber. Wie weit der nach § 530 ordnungsgemäße Verkauf zu Lasten des Versicherers wirkt, entscheiden das Versicherungsrecht und die Versicherungsbedingungen (s. oben Einleitung und Anm. 12). b) Der ordnungswidrige Verkauf ist relativ nichtig (vgl. § 135 BGB): die Nichtigkeit kann Anm. 14 nur seitens desjenigen Vertragspartners geltend gemacht werden, der nicht in Kenntnis der Ordnungswidrigkeit abgeschlossen oder den ordnungswidrigen Verkauf nachträglich genehmigt hat. Was die übrigen Beteiligten betrifft, so ist ihnen gegenüber der von den Vertragsschließenden aufrechterhaltene Verkauf zwar nicht nichtig, sie brauchen ihn aber, wenn sie nicht eingewilligt oder genehmigt haben, nicht als Notverkauf gemäß § 530 sich gegenüber gelten lassen. Im einzelnen kommen in Betracht die Rechtsbeziehungen Anm. 15 aa) zwischen Reeder und Schiffer. Der Schiffer, der die Vorschriften des § 530 nicht innehält, handelt, sofern er nicht durch besondere Umstände — z . B zwingendes ausländisches Recht, Einwilligung oder Genehmigung des Reeders — entschuldigt ist, dem Reeder gegenüber schuldhaft und macht sich ihm schadensersatzpflichtig (§ 512 HGB). Der Schadensersatzanspruch des Reeders gegen den Schiffer gehört aber nicht, wie S c h r ö d e r Z H R Bd. 32 S. 248 annimmt, ins Schiffsvermögen: es handelt sich nicht etwa um eine „Entschädigung, die im Falle des Verlusts des Schiffes von demjenigen zu zahlen ist, welcher den Schaden durch eine rechtswidrige Handlung verursacht h a t " (§ 775 Abs. 2 HGB). Denn von einem Verlust des Schiffes oder auch nur etwas Ahnlichem ist keine Rede; die Rechtslage der Schiffsgläubiger wird ja durch den inkorrekten Verkauf nicht geändert (§ 764 HGB), unter Umständen erhalten sie sogar noch direkte Forderungen gegen den Schiffer (vgl. hierzu W a g n e r H B 299; B o y e n s Bd. 1 S. 386 Note 2 [s. unten Anm. 22]). 15

Schaps-Abraham, Seerecht II

225

§ 530

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Zwischen R e e d e r u n d S c h i f f e r einea d e u t s c h e n Schiffes, das seinen H e i m a t h a f e n (§ 4 8 0 HGB) i n n e r h a l b d e s G e l t u n g s g e b i e t s d e s H G B h a t , k o m m t d e u t sches R e c h t zur A n w e n d u n g , n i c h t das a b w e i c h e n d e R e c h t des V e r k a u f s o r t e s . Anm. 16 bb) Zwischen Reeder und Käufer. aaa) K a n n t e n b e i d e T e i l e d i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t d e s V e r k a u f s o d e r m u ß t e n s i e sie k e n n e n (§ 122 BGB: an die Sorgfalt des anwesenden Käufers werden höhere Ansprüche zu stellen sein als an die des abwesenden Reeders), so ist das Geschäft zwar nicht als Notverkauf, also auch nicht mit der Wirkung des § 764 HGB, aber als gewöhnliches Kaufgeschäft gültig (vgl. S c h r ö d e r ZHR Bd. 32 S. 248); e b e n s o w e n n b e i d e T e i l e d i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t g e n e h m i g e n o d e r e i n e r sie k a n n t e b z w . k e n n e n m u ß t e u n d d e r a n d e r e sie g e n e h m i g t . Anm. 17

bbb) K a n n t e n u r e i n T e i l d i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t d e s V e r k a u f s n i c h t , so ist er an ihn nicht gebunden: der Reeder kann das Schiff, soweit nicht der redliche Erwerber geschützt ist (§§ 16 SchRO, 932aff. BGB), gegen Herausgabe des Kaufpreises vindizieren, der Käufer den Kaufpreis gegen Rückgabe des Schiffes zurückfordern. Wer die Nichtigkeit des Verkaufs behauptet, muß sie beweisen (anders z.T. W a g n e r H B 254). Außerdem ist der Reeder, der an sich aus Vollmachtsüberschreitungen des Schiffers nicht haftet (Anm. 9 zu § 533 HGB), trotzdem dem Käufer schadensersatzpflichtig, wenn er den Schiffer in Kenntnis des Sachverhältnisses zu dem ordnungswidrigen Verkauf angewiesen hat. Seine Haftung ist in diesem Falle eine persönliche (§ 486 Abs. 2 HGB).

Anm. 18

ccc) Ebenso wie zu bbb ist zu entscheiden, w e n n b e i d e T e i l e d i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t n i c h t k a n n t e n : insbesondere ist auch gegen den gutgläubigen Käufer der Vindikationsanspruch des Reeders gegeben, weil sein guter Glaube hinsichtlich der Befugnis des Schiffers, über das Schiff zu verfügen, ihn nach §§ 16 SchRO, 932 äff. BGB nicht schützt. F ü r die R e c h t s w i r k u n g e n zwischen R e e d e r u n d K ä u f e r gilt das R e c h t d e s V e r k a u f s o r t e s (vgl. B o y e n s Bd. 1 S. 389 und RGZ 28, 111).

Anm. 19

cc) Zwischen Schiffer und Käufer. K a n n t e d e r K ä u f e r d i e O r d n u n g s w i d r i g k e i t d e s V e r k a u f s o d e r m u ß t e e r sie k e n n e n , s o hat er keinerlei Rechte gegen den Schiffer. I m e n t g e g e n g e s e t z t e n F a l l e dagegen ist ihm der Schiffer schadensersatzpflichtig, soweit dieser durch den ordnungswidrigen Verkauf seine Befugnisse überschritten hat (§ 533 Abs. 2 HGB). D a es s i c h u m e i n e n A n s p r u c h h a n d e l t , d e r s i c h a u f d e n U m f a n g d e r g e s e t z l i c h e n V o l l m a c h t g r ü n d e t , so g i l t f ü r i h n d a s R e c h t d e r F l a g g e (Anm. 6 zu § 526 HGB). L i e g t d e m A n s p r u c h e t w a e i n D e l i k t z u g r u n d e , so k a n n i h n d e r k l a g e n d e K ä u f e r a u c h a u f d i e l e x l o c i d e l i c t i c o m m i s s i gründen.

Anm. 20

dd) Zwischen Käufer und Schiffsgläubiger oder Schiffshypothekengläubiger. Durch den unvorschriftsmäßigen Verkauf werden die Rechtswirkungen des § 764 HGB nicht erzeugt: es bleiben also Schiffsgläubigerrechte und Schiffspfandgläubigerrechte bestehen. D a s i c h indessen die W i r k u n g e n des V e r k a u f s n a c h dem R e c h t e des V e r k a u f s o r t e s r i c h t e n (vgl. B o y e n s Bd. 1 S. 77), kann es geschehen, daß nach dem maßgebenden ausländischen Recht der nach deutschem Recht vorschriftswidrige Verkauf in concreto doch Wirkungen hat, die denjenigen des § 764 HGB entsprechen. Alsdann entstehen keinerlei rechtliche Beziehungen zwischen den Gläubigern und dem Käufer, selbst wenn letzterer die Ordnungswidrigkeit des Verkaufs gekannt hat. Nur f ü r den Fall, daß der Käufer mit dem Schiffer behufs absichtlicher Schädigung der Gläubiger kolludiert hätte, würde er nach Maßgabe des betreffenden ausländischen Rechts denselben zu haften haben.

Anm. 21

ee) Zwischen Reeder und Schiffs- oder Schiffshypothekengläubiger. An sich wird durch den ordnungswidrigen Verkauf die bisherige Rechtslage nur insofern geändert, als nunmehr der Käufer der den Schiffsgläubigern und Schiffshypothekengläubigern allein m i t d e m S c h i f f e Haftende ist. Sofern aber trotz der nach deutschem Recht bestehenden Vorschriftswidrigkeit des Verkaufs d a s m a ß g e b e n d e O r t s r e c h t an ihn dem § 764 HGB entsprechende Rechtsfolgen knüpft, wird den Schiffsgläubigern und Schiffshypothekengläubigern das Pfandrecht an der Kaufgeldforderung (§ 764 HGB) und, soweit der Reeder dasselbe eingezogen hat, die beschränkt persönliche Haftung des Reeders (§ 773 HGB) nicht versagt werden können. 226

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§530

Aus der Vollmachtsüberschreitung des Schiffers haftet der Reeder an sich nicht. Ob der Reeder, wenn er in den vorschriftswidrigen Verkauf des Schiffes einwilligt oder ihn genehmigt, den Gläubigern schadensersatzpflichtig wird, ist nach seinem Rechtsverhältnis zu denselben zu beurteilen: was den Schiffshypothekengläubigern gegenüber erlaubt ist, braucht dem Bodmereigläubiger gegenüber noch nicht gerechtfertigt zu sein. W e n n er haftet, so handelt es sich stets um persönliche Haftung (§ 486 Abs. 2 HGB). Liegt auf Seiten des Schiffers eine Sorgfaltsverletzung vor, und hat derselbe auf Anweisung des von dem Sachverhältnis unterrichteten Reeders gehandelt, so haftet letzterer den im § 512 HGB genannten Schiffsgläubigern persönlich für allen Schaden (§ 512 Abs. 3). D i e s e A n s p r ü c h e u n t e r l i e g e n d e m R e c h t e des H e i m a t h a f e n s . ff) Zwischen Schiller und Schills- oder Schiitshypothekengläubiger. Über die Frage, ob Anm. 22 und wieweit der Schiffer diesen Personen für den Schaden haftet, der aus dem ordnungswidrigen Schiffsverkauf entsteht, herrscht Streit (vgl. Anm. 20, unter welchen Voraussetzungen den genannten Personen doch ein Schaden entstehen kann, obwohl regelmäßig durch den unvorschriftsmäßigen Verkauf die Rechtswirkungen des § 764 HGB nicht erzeugt werden). Nach E h r e n b e r g S. 259ff., 302 haftet der Schiffer nicht einmal den in § 512 HGB aufgeführten Schiffsgläubigern (mit Ausnahme des Bodmereigläubigers wegen §§ 692 und 693 HGB) aus dem inkorrekten Schiffsverkaufe, weil letzterer an sich gar nicht zu den Handlungen gehöre, durch die der Schiffer den Gläubigern des Reeders verpflichtet werde: ob der Schiffer pflichtgemäß bei der Verfügimg über das Schiffsvermögen verfahre, sei interne Angelegenheit zwischen Schiffer und Reeder. Lewis Bd. 1 S. 143 und B o y e n s Bd. 1 S. 386 (unter Bezugnahme auf Lewis' Begründung) lassen dagegen den Schiffer aus der Ordnungswidrigkeit des Verkaufs haften, da die Beobachtung der in § 530 gegebenen Vorschriften zu den Pflichten des Schiffers gehöre, f ü r die er nach §§ 511 u. 512 HGB auch den Reiseinteressenten aufzukommen habe. E i n e M i t t e l m e i n u n g s c h e i n t die r i c h t i g e zu sein. Der Schiffer haftet nach §§ 511 u. 512 HGB den Reiseinteressenten für den Schaden, der ihnen entsteht durch Nichtbeobachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers. Ob diese verletzt ist, ist Frage des Einzelfalles. Sie ist aber nicht schon ohne weiteres verletzt durch einen dem § 530 nicht entsprechenden Schiffsverkauf. Denn § 530 legt keine absoluten Pflichten des Schiffers fest, sondern regelt gesetzliche Befugnisse desselben, Befugnisse, die der Reeder erweitern oder beschränken kann. Erweitert er sie — und das ist der Fall, wenn er in einen unvorschriftsmäßigen Verkauf einwilligt oder ihn genehmigt —, dann hat der Schiffer innerhalb seiner Befugnisse gehandelt, und wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, daß sich auch dann der ordnungswidrige Verkauf als eine Sorgfaltsverletzung darstellt, so kann man dies unmöglich als Regel aufstellen. Auch andere Umstände, wie zwingendes ausländisches Recht, können den Schiffer entlasten. Es h a f t e t a l s o der S c h i f f e r d e n in § 512 H G B g e n a n n t e n S c h i f f s g l ä u b i g e r n w e g e n e i n e s d e n V o r s c h r i f t e n d e s § 530 n i c h t e n t s p r e c h e n d e n S c h i f f s v e r k a u f s n u r , s o f e r n sich d i e s e r i h n e n g e g e n ü b e r a l s Sorgf a l t s v e r l e t z u n g d a r s t e l l t (Beweislast: Anm. 14 zu § 511 HGB), n u r d e m B o d m e r e i g l ä u b i g e r s c h ä r f e r n a c h §§ 692 u n d 693 H G B ; d e n ü b r i g e n S c h i f f s g l ä u b i g e r n u n d S c h i f f s p f a n d g l ä u b i g e r n h a f t e t er n u r u n t e r d e n V o r a u s s e t z u n g e n v o n §§ 823 oder 826 BGB. Voraussetzung für die Haftung ist aber stets, daß der ordnungswidrige Schiiisverkauf ausnahmsweise gemäß den Ausführungen in Anm. 20 überhaupt Rechtswirkungen erzeugt hat. D i e s e A n s p r ü c h e r e g e l n sich n a c h d e m R e c h t e des H e i m a t h a f e n s . Nicht ohne weiteres ist übrigens ein S c h a d e n für den Gläubiger schon darin zu sehen, daß das Schiff in die Hände einer schwerer als der bisherige Reeder erreichbaren Person gelangt. Sonst müßte auch jeder sonstige Verkauf des Schiffes als eine den Gläubiger schädigende Handlung angesehen werden. gg) Zwischen den sonstigen Reiseinteressenten und dem Schiller. Auch dem Befrachter, Anm. 23 Ablader, Ladungsempfänger, Reisenden und der Schiffsbesatzung haftet der Schiffer wegen eines sich ihnen gegenüber als Sorgfaltsverletzung darstellenden ordnungswidrigen Verkaufs f ü r allen Schaden (§512 HGB). D e r A n s p r u c h u n t e r l i e g t d e m R e c h t e des H e i m a t hafens. 16'

227

§ 530

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 24

hh) Zwischen den sonstigen Reiseinteressenten und dem Reeder. Der Reeder haftet im Falle gg den dort erwähnten Personen aus von ihm nicht genehmigten Vollmachtsüberschreitungen des Schiffers im Falle eigenen Verschuldens nach Maßgabe von § 486 Abs. 2 HGB, aus sonstigen Sorgfaltswidrigkeiten des Schiffers nach Maßgabe von §§ 485, 486, 512 Abs. 2 und 3 HGB. D e r A n s p r u c h w i r d g e r e g e l t d u r c h d a s R e c h t d e s H e i m a t h a f e n s .

Anm. 25

ii) Zwischen Versicherer einerseits, Schilfer und Reeder andererseits. Ob und wieweit der Versicherer einen nicht vorschriftsmäßigen Schiffsverkauf als nicht f ü r seine Rechnung geschehen zurückweisen darf, bestimmt das Versicherungsrecht (s. oben Einl.). Rechtsbeziehungen zwischen Schiffer und Versicherer bestehen nicht und werden auch durch den unvorschriftsmäßigen Schiffsverkauf, der dem Versicherer übrigens nur Vorteil bringen kann, nicht erzeugt. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1926, 535.

Anm. 26

4. Einfluß des Verkaufs auf die Befugnisse des Schiffers. Durch den Verkauf des Schiffes erlöschen nicht ohne weiteres die sämtlichen gesetzlichen oder vertragsmäßigen Befugnisse des Schiffers : vielmehr reduziert sich lediglich seine Vertretungsbefugnis auf die Abwicklung der übriggebliebenen Geschäftsverhältnisse. Der Schiffer ist hiernach befugt, am Orte des Schiffsverkaufs die laufenden, die Liquidation des Schiffsvermögens betreffenden Angelegenheiten zu erledigen, insbesondere die Kaufgelder entgegenzunehmen (vgl. § 764 Abs. 1 HGB), Frachtgelder einzukassieren, Ansprüche aus Schiffszusammenstößen und Havariegrossebeiträgen (anders H G Hamburg HansGZ 1877, 252) einzuziehen (vgl. ROHG 15, 66), Heuerforderungen zu tilgen, Verträge über Rückbeförderung der Mannschaft zu schließen usw. Seine Fähigkeit, Ansprüche des Reeders oder der Ladungsbeteiligten ohne Spezialvollmacht g e r i c h t l i c h geltend zu machen, wird überwiegend verneint (vgl. Anm. lOzu § 527 H G B und HG Hamburg HansGZ 1877 Nr. 150; andererseits W a g n e r H B 256).

Anm. 27

5. Einfluß des Verkaufs auf Frachtverträge. Vgl. §§ 628 Abs. 1 Nr. 1, 630, 641, 668 HGB. Sonstige rechtliche Bedeutsamkeit: §§ 1172 bis 1174 RVO, §§ 17, 20 SchRO.

§ 531 Der Reeder, welcher die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers beschränkt hat, kann dem Dritten die Nichteinhaltung dieser Beschränkungen nur entgegensetzen, wenn sie dem Dritten bekannt waren. Einleltg.

Beschränkungen der gesetzlichen Befugnisse des Schiffers und Wirkung derselben. Beschränkbar Dritten gegenüber sind selbstverständlich nur die rechtsgeschäftlichen, nicht die nautischen Befugnisse des Schiffers (Prot. 1911) oder die sich f ü r ihn aus dem öffentlichen Recht ergebenden Pflichten.

Anm. 1

1. Die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers sind beschränkbar, und zwar örtlich, zeitlich oder inhaltlich, im letzteren Falle entweder generell hinsichtlich gewisser Gattungen von Geschäften oder speziell f ü r den Einzelfall. Die Beschränkung kann im Anstellungsvertrage festgelegt sein, aber auch durch spätere Anweisung des Reeders geschaffen werden. Eine Beschränkung der gesetzlichen Befugnis des Schiffers, Frachtverträge einzugehen (§ 527 Abs. 2 HGB) liegt z. B. in der Erteilung der Anweisung, nur Frachtverträge zwischen bestimmten Orten und zu einem Minimalfrachtsatze abzuschließen (HansOLG HansGZ 1884, 202; abweichend RGZ 15, 207 = HansGZ 1885, 8). Eine Beschränkung ist nicht ohne weiteres dann anzunehmen, wenn das Schiff sich in einem Hafen befindet, wo ein Spezialbevollmächtigter (Korrespondent, Agent) des Reeders oder wo letzterer selbst anwesend ist (vgl. ROHG 17, 236), auch wenn der Schiffer an einen solchen Korrespondenten ausdrücklich „adressiert" ist ( B o y e n s Bd. 1 S. 390): es müßte denn sein, daß der Reeder — was im modernen Großschiffahrtsbetrieb die Regel bildet — ausdrücklich oder stillschweigend zu erkennen gibt, daß dem Korrespondenten gewisse Geschäfte unter Ausschluß des Schiffers übertragen sind (über die Rechtslage in Auslandsrechten vgl. Anm. 13 zu § 526 HGB). Auch kann eine Vollmachtseinschränkung durch schlüssige Handlung z.B. darin liegen, daß eine Linienreederei eine besondere Abfertigungsabteilung auch f ü r Konnossementszeichnung oder s t ä n d i g e A g e n t u r e n in Anlaufhäfen f ü r den Abschluß von Stückgutfrachtverträgen unterhält, oder ein eigenes Heuerbüro im Anlaufhafen f ü r das 228

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 532

Anwerben der Schiffsmannschaft, oder ein Proviantamt, und die diesbezüglichen Rechtsgeschäfte ü b u n g s m ä ß i g nur durch jene besonderen Reedereiorgane ausgeführt werden ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 205). Vgl. auch Anm. 20 zu § 486 HGB. Die Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse ist von dem, der sich auf sie beruft, zu beweisen. Die Beschränkung muß durch den Reeder als derjenigen Person, die den Kapitän angestellt hat, erfolgen, evtl. durch einen anstellenden Ausrüster im Sinne des § 510 HGB. Beschränkungen der gesetzlichen Vollmacht des Kapitäns durch einen Charterer, der nicht Ausrüster ist, kommen nicht in Betracht (vgl. auch BGHZ 22, 202). 2. Die Wirkung der Beschränkung äußert sich a) nur zugunsten des Reeders: nur er kann sich, wenn die Voraussetzung zu b zutrifft, darauf berufen, nicht der von ihm an Anspruch genommene gut- oder bösgläubige Dritte. Der R e e d e r k a n n also die Ü b e r s c h r e i t u n g der g e s e t z l i c h e n V o l l m a c h t , soweit sich diese in den G r e n z e n der g e s e t z l i c h e n B e f u g n i s s e h ä l t , j e d e r z e i t genehmigen.

Anm. 2

b) Nur gegenüber dem bösgläubigen Dritten, d.h. demjenigen, dem bewiesen wird, aa) d a ß ihm die B e s c h r ä n k u n g der g e s e t z l i c h e n B e f u g n i s s e bekannt war oder grobfahrlässig unbekannt war. Es hat keine Bedenken, trotz des beschränkteren Wortlauts des Gesetzes, dem Vorsatz die grobe Fahrlässigkeit gleichzustellen (so auch M i t t e l s t e i n HB 98, W ü s t e n d ö r f e r SHR 205, S c h l e g e l b e r g e r Anmerkung 4 zu § 531 HGB; weitergehender die Vorauflage dieses Kommentars, B o y e n s Bd. I S. 390, W a g n e r HB 261, P a p p e n h e i m HB 3 S. 227 Anm. 2, die sogar die gewöhnliche Fahrlässigkeit der Kenntnis gleichstellen wollen; anders L a b a n d ZHR Bd. 10 S. 224). Grobe Fahrlässigkeit dürfte z.B. dann vorliegen, wenn der Dritte die ihm vorgelegte Kapitänsvollmacht durchzulesen unterließ oder wenn er t r o t z w a c h g e r u f e n e n e r h e b l i c h e n V e r d a c h t s eine Erkundigung über das Vorhandensein von Vollmachtsbeschränkungen unterließ. Doch ginge es zu weit, eine allgemeine Erkundigungspflicht des Dritten anzunehmen (ebenso M i t t e l s t e i n HB 98). Eine solche besteht nicht einmal hinsichtlich des Umstandes, ob der Schiffer der Verpflichtung des § 534 Abs. 2 HGB genügt hat: die Kenntnis des Dritten, daß dies nicht der Fall ist, ist der Kenntnis einer Vollmachtsbeschränkung nicht gleichzustellen (Anm. 10 zu § 534). Hat der Dritte durch einen Vertreter abgeschlossen, so kommt es, abgesehen vom Falle des § 166 Abs. 2 BGB, nur auf das Kennen oder Kennenmüssen des Vertreters an. Als solcher ist auch der Schiffsmakler anzusehen, der „by authority of the charterer" kontrahiert (HansOLG HansGZ 1884, 202).

Anm. 3

bb) U n d zwar z u r Zeit des V e r t r a g s a b s c h l u s s e s ; später erworbene Kenntnis ist gleichgültig. § 582 Hat dei Schiffer ohne besonderen Auftrag für Rechnung des Reeders aus eigenen Mitteln Vorschüsse geleistet oder sich persönlich verpflichtet, so stehen ihm gegen den Reeder wegen des Ersatzes keine größeren Rechte als einem Dritten zu.

Anm. 4

Geschäftsführung ohne Auftrag seitens des Schiffers. Der Schiffer ist nicht verpflichtet, bei entgegenstehender Instruktion nicht einmal berech- Einleitg« tigt (Prot. 1907), als Geschäftsführer ohne Auftrag für seinen Reeder aufzutreten, insbesondere für denselben in Vorschuß zu gehen oder sich persönlich zu verpflichten (Salmann ZHR Bd. 41 S. 382; HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 331). Tut es es dennoch, so stehen ihm gegen den Reeder wegen des Ersatzes keine größeren Rechte als einem Dritten zu. Es bezieht sich dies sowohl auf den Haftungsumfang als auf die Haftungsdauer. 1. Haftungsumfang. a) Der Reeder haftet auch dem Schiffer nur unpersönlich aa) wegen e i n e r L e i s t u n g , d u r c h die a u c h ein D r i t t e r den R e e d e r n u r u n p e r s ö n l i c h v e r p f l i c h t e t h ä t t e , also insbesondere einer solchen, die beruhen würde auf einem mit dem Schiffer innerhalb der gesetzlichen Befugnisse desselben abgeschlossenen 229

Anm. 1

Vierter Teil. Seehandelsrecht Rechtsgeschäft. Es entsteht für den Schiffer das gleiche Schiffsgläubigerrecht, das dem Dritten erwachsen wäre (HansOLG HansGZ 1899, 175). bb) W e g e n B e f r i e d i g u n g e i n e s A n s p r u c h s , f ü r d e n d e r R e e d e r n u r u n p e r s ö n l i c h g e h a f t e t h ä t t e (§§ 486, 632, 679, 726, 753 HGB). Das Schiffsgläubigerrecht des befriedigten Gläubigers geht auf den Schiffer über (unten Anm. 4). Wäre dies nicht der Fall, so stünde es im Belieben des Schiffers, die Vorschriften über den Haftungsumfang des Reeders illusorisch zu machen (Prot. 1908): er könnte das Verbot des § 529 HGB ohne weiteres umgehen. Anm. 2

b) In allen übrigen Fällen regelt sich das Rechtsverhältnis zwischen Schiffer und Reeder nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts über Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. B G B ) : der Reeder haftet, wo er haftet, persönlich.

Beispiele: Der Schiffer zahlt aus Eigenem der Besatzung die Heuer (vgl. § 487 HGB), er verbürgt sich für den Reeder, er kauft im Heimathafen im eigenen Namen die zur Schiffsausrüstung erforderlichen Gegenstände (vgl. Anm. 1 zu § 513 HGB, Anm. 9 zu § 526 HGB), er erfüllt Verträge, die der Reeder gewährleistet hat (§ 486 Abs. 2 HGB). Soweit der Schiffer persönliche V e r b i n d l i c h k e i t e n eingegangen ist, k a n n er n i c h t Z a h l u n g , s o n d e r n n u r B e f r e i u n g v o n der V e r b i n d l i c h k e i t v e r l a n g e § 257 BGB); b e i N i c h t f ä l l i g k e i t der V e r b i n d l i c h k e i t k a n n d e r R e e d e r , s t a t t i h n zu b e f r e i e n , S i c h e r h e i t l e i s t e n . Anm. 3

Anm. 4

2. Haftungsdauer. Während im allgemeinen für die Forderungen des Geschäftsführers ohne Auftrag die regelmäßige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) gilt, steht sich der Schiffer in den Fällen des § 532 nicht besser als der Dritte: für seine Forderungen gilt also dieselbe kurze Verjährung, die für Forderungen des Dritten in Betracht kommen würde (§§ 196, 197 BGB; §§ 901 ff. HGB). 3. W e n n das Gesetz b e s t i m m t , daß dem Schiffer wegen seiner Auslagen keine größeren

Rechte als dem Dritten zustehen, so folgt daraus noch nicht, daß ihm stets gleich große Rechte gegeben sind. So steht sich in den hauptsächlich in Betracht kommenden Fällen des § 528 HGB der in Vorschuß gehende Schiffer schlechter1, als sich der dritte Kreditgeber gestanden hätte, weil ihm auf Grund seines Vertragsverhältnisses zum Reeder im Bestreitungsfalle der dem Dritten nicht obliegende Beweis (§ 528 Abs. 2) aufzuerlegen ist, daß das Geld wirklich verwendet ist ( S a l m a n n ZHR Bd. 41 S. 383) und daß seine Wahl unter mehreren Kreditgeschäften eine zweckmäßige war (Prot. 1907ff.; E h r e n b e r g 201). — Die gleiche Erscheinung zeigt sich, wenn der Schiffer dinglich-persönliche Schulden des Reeders aus eigenen Mitteln berichtigt, z. B. Heuerforderungen bezahlte. Er hat in diesem Falle auf Grund seiner Geschäftsführung lediglich einen persönlichen Anspruch gegen den Reeder (vgl. HansOLG HansGZ 1914, 279), sofern ihm nicht etwa der Gläubiger seinen Anspruch (und damit das Schiffsgläubigerrecht: § 1250 BGB) abgetreten hat. Bezahlt freilich der Schiffer eine unpersönliche Forderung (oben Anm. l a bb), so ergibt sich der Übergang des Schiffsgläubigerrechts auf ihn daraus, daß ihm das Gesetz größere Rechte, als sie der frühere Gläubiger hatte, abspricht, und beschränkte Haftung ohne Schiffsgläubigerrecht nach deutschem Recht nicht existiert (Anm. 6 zu § 486 HGB). Anm. 5

Zusatz. Geschäftsführung ohne Auftrag seitens eines Dritten. Die dargestellten G r u n d -

sätze sind analog anzuwenden auf den Fall, daß ein nicht dazu verpflichteter Dritter, z. B. der Konsul oder ein Besatzungsmitglied, als Geschäftsführer ohne Auftrag auftritt ( E h r e n b e r g 201). § 533

Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung des Reeders, innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse schließt, wird der Reeder dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Reeders mit Schiff und Fracht begründet. Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft nicht verpflichtet, es sei denn, daß er eine Gewährleistung für die Erfüllung übernimmt oder seine Befug230

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§533

nlsse überschreitet. Die Haftung des Schiffers nach Maßgabe der §§ 611, 612 wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Wirkung der vom Schiller als solchen abgeschlossenen Rechtsgeschäfte. Was von Rechtsgeschäften gilt, muß auch von Prozeßhandlungen gelten, zu denen der Schiffer legitimiert ist (Anm. lOff. zu § 527 HGB), nicht dagegen von jeder Erklärung, die er ohne die Absicht und das Bewußtsein, damit eine Verpflichtung des Reeders herbeizuführen, abgibt. Die Wirkung ist verschieden, je nachdem sich der Schiffer Innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse gehalten hat oder nicht.

Elnleltg.

1. Die Wirkungen eines vom Schiffer in seiner Eigenschaft als Schiftsftthrer innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse abgeschlossenen Geschäfte treffen den Reeder. a) Erste Voraussetzung: D e r S c h i f f e r m u ß i n s e i n e r E i g e n s c h a f t a l s F ü h r e r d e s S c h i f f e s („als solcher": § 486 Abs. 1 Nr. 1 HGB), d . h . a l s V e r t r e t e r d e s R e e d e r s o d e r A u s r ü s t e r s , g e h a n d e l t h a b e n , also unter ausdrücklicher oder stillschweigender (vgl. ROHG 15, 122) erkennbarer Bezugnahme auf den Reeder oder Ausrüster oder auf das Schiff oder seine Schiffsführereigenschaft (Prot. 1903; vgl. P a p p e n h e i m H B 2 S. 511 f ü r die Ausstellung der Heuernote). Die Bezeichnung des Reeders ist, wie das Gesetz hervorhebt, nicht erforderlieh. Vgl. dazu auch HansOLG HansGZ 23,100 = HansGZ 23, 503: Für Schleppkosten haftet der Schiffer nicht persönlich, auch wenn er den Schuldschein nur im eigenen Namen unterzeichnet hat. Tritt der Schiffer ohne eine derartige Bezugnahme im eigenen Namen auf, so wird nur er berechtigt und verpflichtet (ROHG 23, 58; RGZ 2, 166; vgl. § 164 Abs. 2 BGB), handelt er im Namen der Ladungsbeteiligten, nur diese (s. auch die Anm. 5, 14 zu § 537 HGB). Daß der Schiffer „in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes" gehandelt hat, hat derjenige zu beweisen, der Rechte hieraus herleiten will: es muß also dem in Anspruch genommenen Reeder bewiesen werden, daß der Schiffer als sein Vertreter aufgetreten ist. Indessen werden, da das Kontrahieren des Schiffers f ü r den Reeder, soweit dasselbe zu den gesetzlichen Schifferbefugnissen gehört, die Regel bildet, an diesen Beweis übermäßig strenge Anforderungen nicht zu stellen sein (vgl. W a g n e r 256). Umgekehrt braucht der Schiffer, welcher behauptet, im eigenen Namen abgeschlossen zu haben, dies nicht zu beweisen (OLG Rostock MecklZ Bd. 13 S. 205).

Anm. 1

b) Zweite Voraussetzung: D e r S c h i f f e r m u ß d i e G r e n z e n s e i n e r g e s e t z l i c h e n B e f u g n i s s e (§§ 526ff. HGB) i n n e g e h a l t e n h a b e n . Auf den A u f t r a g , den er vom Reeder oder Ausrüster hatte, kommt es nicht an: es ist gleichgültig, ob er gar keinen Auftrag hatte oder denselben bewußt oder aus Mißverständnis überschritt. Über den Fall der Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht s. o. § 531 HGB.

Anm. 2

c) Liegen beide Voraussetzungen vor, so t r e f f e n d i e W i r k u n g e n nach Maßgabe von §§ 164, 166 BGB

des G e s c h ä f t s

Anm. 3

aa) was die regelmäßig entstehende Haftung mit Schiff und Fracht anlangt, den R e e d e r ; bb) was die Rechte aus dem Geschäft und die aus ihm resultierende persönliche Haftung anlangt (vgl. z.B. §§486 Abs. 2,487 HGB; Anm. 28ff. zu § 486 HGB) d e n j e n i g e n , d e r z u r Z e i t d e s G e s c h ä f t s a b s c h l u s s e s R e e d e r o d e r A u s r ü s t e r (Anm. 9 zu § 510) w a r ;

Anm. 4

cc) r e g e l m ä ß i g n i c h t d e n S c h i f f e r s e l b s t (vgl. bezüglich der Heuerforderungen der von ihm angenommenen Mannschaft Anm. 4 zu § 487 HGB). D o c h h a f t e t d e r s e l b e aus dem G e s c h ä f t in f o l g e n d e n F ä l l e n :

Anm. 5

aaa) J e d e m D r i t t k o n t r a h e n t e n , w e n n er d i e G e w ä h r l e i s t u n g f ü r d i e E r f ü l l u n g ü b e r n o m m e n h a t . Dies geschieht entweder dadurch, daß der Schiffer sich als Gesamtschuldner neben dem Reeder verpflichtet ( „ J bind myself and my ship": ROHG 13, 242; mit Vorsicht aufzunehmen, da in den meisten Fällen hierin höchstens ein Versprechen des Schiffers zu sehen ist, seine ihm als Schiffsführer obliegenden Pflichten zu erfüllen; vgl. Prot. 1902, W a g n e r 260) oder dadurch, daß er die Erfüllung seitens des Reeders garantiert. I m Falle der Verpflichtung als Gesamtschuldner haftet der Schiffer auf Erfüllung, evtl. Schadensersatz, im Falle des Garantievertrages nur auf Schadensersatz. Über die Form des

Anm. 6

231

§534

Amn.

Amn. Amn.

Amn.

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Gewährleistimgsvertrages entscheidet die lex loci; liegt ein nach deutschem Recht zu beurteilender Garantievertrag vor, so ist trotz seiner Bürgschaftsähnlichkeit Schriftlichkeit nicht erforderlich (RGZ 140, 218). 7 bbb) Dem R e i s e i n t e r e s s e n t e n (§ 512 HGB) als D r i t t k o n t r a h e n t e n a u f Schad e n s e r s a t z , w e n n ihm g e g e n ü b e r der S c h i f f e r bei E i n g e h u n g oder E r f ü l l u n g des G e s c h ä f t s die S o r g f a l t eines o r d e n t l i c h e n S c h i f f e r s v e r n a c h l ä s s i g t h a t (vgl. ROHG 23, 200). 8 ccc) J e d e m D r i t t k o n t r a h e n t e n auf Schadensersatz n a c h D e l i k t s g r u n d s ä t z e n , z.B. im Falle des Betruges. 9 2. Hat der Schiffer seine gesetzlichen Befugnisse, ohne erweiterte Vollmacht zu besitzen (unten Anm. 11), fiberschritten, so wirkt das Geschäft a) nicht für oder gegen den (nicht genehmigenden) Reeder oder Ausrttster. Es ergibt sich durch Umkehrschluß aus Abs. 1, daß das vom Schiffer abgeschlossene Geschäft den Reeder weder berechtigt noch verpflichtet: das schließt aber nicht aus, daß der Reeder für den Schaden, den der Schiffer durch schuldhafte Vollmachtsüberschreitung einem Dritten zufügt, nach § 485 HGB haftet. — Weiter ist nicht ausgeschlossen, daß der Reeder durch die infolge der Vollmachtsüberschreitung des Schiffers geschehene Leistung des Dritten ungerechtfertigt bereichert wird und demgemäß aus §§ 812ff. BGB dem Dritten, und zwar persönlich ( E h r e n b e r g 202), haftet. Aber nicht jede nützliche Verwendung für das Schiff ist schon eine Bereicherung des Reeders, besonders ist dies dann nicht der Fall, wenn das Schiff mit Schiffsschulden überlastet ist (Boyens Bd. 1 S. 391). 10 b) Sondern für und gegen den Schiffer selbst: derselbe haftet als falsus procurator gemäß § 179 BGB. Die Haftung tritt nicht ein, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte, ebenso wenn er ihn kennen mußte. W a g n e r 260 bestreitet letzteres und hält eine entsprechende Einredebehauptung des Schiffers für unzulässig; er folgert dies aus dem Wortlaut des Gesetzes. Das Gesetz will indessen diese Einrede so wenig ausschließen, wie diejenige, daß der andere Teil den Mangel gekannt h a b e : es nimmt dadurch, daß es die Haftung des seine Befugnisse überschreitenden Schiffers festlegt, Bezug auf die früher imAHGB, jetzt im BGB enthaltenen allgemeinen Grundsätze über die Haftung des falsus procurator, akzeptiert also auch deren Einschränkungen (ebenso P a p p e n h e i m Bd. 3 S. 314 Anm. 2; Schlegelb e r g e r Anm. 4 zu § 533).

Anm. 11

3. Ist die Vollmacht des Schiffers vertragsmäßig Uber die gesetzliehen Befugnisse hinaus erweitert, so wirkt auch ein über die gesetzlichen Befugnisse hinausgehendes, aber sich innerhalb der vertragsmäßigen Befugnisse haltendes Geschäft für und gegen den Reeder bzw. Ausrüster: es bewirkt indessen eine dingliche Haftung nur, wenn die Voraussetzungen des § 486 Abs. 1 Ziff. 2 HGB gegeben sind. Vgl. Anm. 22 zu § 486 HGB. Der Schiffer selbst wird nicht verpflichtet, sofern er nicht gewährleistet hat (oben Anm. 6) oder ihn eigenes Verschulden trifft (oben Anm. 7, 8). Überschreitet er seine vertragsmäßigen Befugnisse, so gilt das oben Anm. 10 Gesagte. § 534 Auch dem Reeder gegenüber sind für den Umlang der Befugnisse des Schiffers die Vorschriften der §§ 626 bis 630 maßgebend, soweit nicht der Reeder diese Befugnisse beschränkt hat. Der Schiffer ist verpflichtet, von dem Zustande des Schiffes, den Begebnissen der Reisen, den von ihm geschlossenen Verträgen und den anhängig gewordenen Prozessen den Reeder in fortlaufender Kenntnis zu erhalten und in allen erheblichen Fällen, namentlich in den Fällen der §§ 528, 530 oder wenn er eine Reise zu ändern oder einzustellen sich genötigt findet, oder bei außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen, die Erteilung von Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, sofern die Umstände es gestatten. Zu außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen, selbst wenn er sie mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des Reeders bestreiten kann, darf er nur im Falle der Notwendigkeit schreiten. 232

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§534

Wenn er sich das zur Bestreitung eines Bedürfnisses nötige Geld nicht anders verschaffen kann als durch Bodmerei oder durch den Verkauf von entbehrlichem Schiffszubehör oder von entbehrlichen Schiffsvorräten, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welche für den Reeder mit dem geringsten Nachteile verbunden ist. Er muß dem Reeder nach der Rückkehr in den Heimathafen und außerdem, so oft se verlangt wird, Rechnung legen. Inneres Verhältnis zwischen Schiffer und Reeder. Der Paragraph bestimmt den gesetzlich Elnleltg. vermuteten Umfang der dem Schiffer durch den Auftrag erteilten Befugnisse und erwähnt einzelne sich ausdem Anstellungsverhältnis (Anm. 10 Vorb. vor § 511 HGB) ergebende Verpflichtungen des Schiffers. Dieselben gelten natürlich auch, wenn der Schiffer nicht vom Reeder direkt, sondern vom Bundeskonsul oder von dem bisherigen Schiffer (§ 516 Abs. 2 HGB) angestellt worden ist ( W a g n e r 263) oder wenn der Erste Offizier des Decksdienstes nach § 2 Abs. 3 SeemG als Vertreter eingetreten ist. 1. Der Schiffer hat sich nach seinem Auftrage zu richten, gleichviel, ob sich die ihm darin gewährten Befugnisse mit den gesetzlichen decken oder ob die letzteren beschränkt bzw. erweitert werden. Handelt er dem Auftrage zuwider, so macht er sich, soweit er nicht durch die Umstände entschuldigt wird (Anm. 8 zu § 511 HGB), dem Reeder schadensersatzpflichtig.

Anm. 1

2. Hinsichtlich des Umfangs der dem Schiffer durch den Auftrag eingeräumten Befugnisse wird kraft gesetzlicher Vermutung angenommen, daß er sich mit dem Umfang der gesetzlichen Befugnisse deckt: Beschränkungen sind, wie der Gesetzeswortlaut ergibt, im Bestreitungsfalle vom Reeder zu beweisen, Erweiterungen vom Schiffer. Es sind also die dem Schiffer f ü r sein Verhältnis zu Dritten durch §§ 526 bis 530 erteilten Befugnisse auch f ü r das Auftragsverhältnis als natürlicher Umfang anzusehen ( L a b a n d Z H R Bd. 10 S. 220ff.).

Anm. 2

Besonderheiten gelten a) für außergewöhnliche Reparaturen und Anschaffungen. Über den Begriff der e r s t e r e n s. Anm. 4 zu § 496 HGB; das dort Ausgeführte gilt entsprechend auch f ü r die außergewöhnlichen Anschaffungen.

Anm. 3

aa) Zu ihnen darf der Schiffer n u r i m F a l l e d e r N o t w e n d i g k e i t schreiten. Es genügt also nicht, daß sie nützlich oder empfehlenswert sind, sondern sie müssen zur Erhaltung des Schiffes oder zur Ausführung der Reise notwendig (Anm. 2 zu § 528 HGB) sein. Daß der Schiffer die zu außergewöhnlichen Reparaturen oder Anschaffungen erforderlichen Gelder nur im Falle der Notwendigkeit b e i D r i t t e n aufnehmen darf, ergibt sich bereits aus § 528 H G B und dem Absatz 1 des vorhegenden Paragraphen: Abs. 3 fügt, da die ratio die gleiche ist, hinzu, daß der Schiffer a u c h d a n n an den Fall der Notwendigkeit gebunden ist, w e n n e r d i e e n t s p r e c h e n d e n M i t t e l d e s R e e d e r s z u r V e r f ü g u n g h a t (vgl. Prot. 1889).

Anm. 4

bb) Sofern die Umstände es gestatten, muß der Schiffer die E r t e i l u n g v o n V e r h a l t u n g s m a ß r e g e l n n a c h s u c h e n (s. u. zu 3b).

Anm. 5

b) Der Schiffer hat bei der Beschaffung von Geld stets diejenige Maßregel zu ergreifen, die für den Reeder mit dem geringsten Nachteile verbunden ist. Ein Ausfluß dieses Prinzips ist der Abs. 4 des vorliegenden Paragraphen. Aus ihm ergibt sich, daß der Schiffer erst alle anderen Mittel zur Befriedigung des Geldbedürfnisses zu versuchen hat, ehe er zur Bodmerei oder zum Verkauf entbehrlichen Schiflszubehörs oder entbehrlicher Schiffsvorräte schreitet (womit nicht gesagt sein soll, daß er nicht in gewissen Fällen, auch ohne den Fall der Not, befugt wäre, ü b e r f l ü s s i g e Vorräte zu verkaufen: Prot. 1890). Unter diesen Maßregeln hat er die dem Reeder vorteilhafteste zu wählen. Befolgt er diese Vorschrift nicht, so sind die mit dem gutgläubigen Dritten geschlossenen Kreditgeschäfte dennoch gültig (Anm. 5 zu § 528 HGB).

Anm. 6

3. Besonders hervorgehobene, aus dem Anstellungsverhältnis sich ergebende Pflichten des Schiffers. a) Informationspflicht. Der Schiffer hat, auf Verlangen (§§ 666, 675 BGB) und unaufgefordert, den Reeder in fortlaufender Kenntnis zu erhalten über den Zustand des Schiffes, die Begebnisse der Reise, die abgeschlossenen Verträge und die anhängig gewordenen Prozesse.

Anm. 7

233

§535

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 8

b) Pflicht des Nachsuchens von Verhaltungsmaßregeln. Sie liegt dem Schiffer ob in a l l e n e r h e b l i c h e n F ä l l e n , wenn die U m s t ä n d e es g e s t a t t e n , insbesondere in den Fällen der §§ 528 u. 539 HGB, ferner in den Fällen der Änderung oder Einstellung der Reise (vgl. § 536 HGB) und bei außergewöhnlichen Reparaturen oder Anschaffungen (oben Anm. 3). Diese Pflicht liegt ihm ob, er darf sich nicht darauf verlassen, daß andere, z.B. die Adressaten des Schiffes, sie erfüllen (HG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 182). Die Instruktionen sind, falls eine Reederei besteht, beim Korrespondentreeder nachzusuchen. In diesem Falle hat der Schiffer seine Pflicht getan, wenn er die Anordnungen des Korrespondentreeders befolgt, auch wenn sie einem ihm unbekannten Mehrheitsbeschluß der Mitreeder widersprechen, ebenso umgekehrt, wenn er sich nach einem ihm bekannten Mehrheitsbeschluß richtet, der den Anordnungen des Korrespondentreeders widerspricht (Wagner HB Bd. 58 S. 205. 264; L. P e r e i s ZHR Bd. 58 S. 23), dagegen gehen ihn Anweisungen einzelner Mitreeder nichts an (Anm. 19 zu § 493 HGB) — Von dem Agenten des Reeders (Anm. 1 zu § 531 HGB) statt von dem Reeder selbst sich Instruktionen zu holen, ist ihm nur gestattet, wenn der Reeder ihn entsprechend instruiert hat oder ihm bekannt ist, daß der Korrespondent Vollmacht zur Erteilung derselben hat. — Selbstverständlich kann der Schiffer von der Pflicht, Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, befreit werden (Beispiel: Hermann und Hirsch Nr. 68, wo der Schiffer ermächtigt wurde, in Havereifällen so zu handeln, wie es ihm den Umständen nach am zweckmäßigsten erscheine).

Anm. 9

Zweifelhaft kann es im Einzelfalle sein, wieweit der S c h i f f e r v e r p f l i c h t e t i s t , den V e r h a l t u n g s m a ß r e g e l n des R e e d e r s F o l g e zu l e i s t e n . Sicherlich braucht und darf er dies nicht, soweit ihm eine Verletzung seiner nautischen Pflichten zugemutet wird. Zu weit geht aber W a g n e r (264; vgl. Prot. 1916), wenn er überhaupt die Pflicht der Befolgung aufhören läßt, sobald der Schiffer durch die letztere anderen Personen, z.B. dem Bodmereigläubiger oder den Konnossementsinhabern, schadensersatzpflichtig werden könnte. In solchen Fällen bedarf es einer vernünftigen Abwägung der sich widersprechenden Interessen, (vgl. Anm. 11 ff. zu § 535 HGB). Muß der Schiffer infolge der Anweisungen des mit der Sachlage vertrauten Reeders Schadensersatz leisten, so wird er sich regelmäßig deswegen an den Reeder halten können.

Anm. 10

R e c h t s g e s c h ä f t e , die der S c h i f f e r a b s c h l i e ß t , ohne V e r h a l t u n g s m a ß r e g e l n seines R e e d e r s n a c h z u s u c h e n , s i n d g ü l t i g , und zwar auch dann, wenn der Dritte die Sachlage kennt (Anm. 3 zu § 531 HGB). Für den letzteren Fall scheint anderer Ansicht E h r e n b e r g 195 unter Berufung auf § 528 Abs. 2 HGB zu sein. Doch ist die analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall nicht richtig: der Dritte ist nur dann bösen Glaubens, wenn er weiß, daß der Reeder das Geschäft verboten hat, nicht aber, wenn er nur weiß, daß der Reeder nicht angefragt ist.

Anm. II

c) Rechenschaftspflicht. Der Schiffer hat dem Reeder Rechnung zu legen (Näheres L. P e r e i s a.a.O. S. 25), und zwar u n b e d i n g t , so oft er in den Heimathafen (§ 480 HGB) zurückkehrt, a u ß e r d e m aber, so oft es verlangt wird. Der Inhalt der Pflicht regelt sich nach § 259 BGB (vgl. § 163 FGG). Rechenschaftspflichtig ist der S c h i f f e r m i t r e e d e r den übrigen Mitreedern, selbst wenn ihm die Hälfte oder die Mehrheit der Parten gehört (vgl. Anm. 2 zu § 499).

§ 585 Im Interesse der Ladungsbeteiligten hat der Schiffer während der Reise zugleich für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so liegt ihm ob, das Interesse der Ladungsbeteiligten als deren Vertreter wahrzunehmen, wenn tunlich ihre Anweisungen einzuholen und, soweit es den Verhältnissen entspricht, zu befolgen, sonst aber nach eigenem Ermessen zu verfahren und überhaupt tunlichst dafür zu sorgen, daß die Ladungsbeteiligten von solchen Vorfällen und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntnis gesetzt werden.

284

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 535

Er ist in solchen Fällen namentlich auch berechtigt, die Ladung ganz oder zu einem Teile zu löschen, äußerstenfalls, wenn ein erheblicher Verlust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen anders nicht abzuwenden ist, zu verkaufen oder behufs der Beschaffung der Mittel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung zu verbodmen, sowie im Falle der Anhaltung oder Aufbringung zu reklamieren oder, wenn sie auf andere Weise seiner Verfügung entzogen ist, ihre Wiedererlangung außergerichtlich und gerichtlich zu betreiben. Vorbemerkungen zu §§ 535 bis 542. Diese Paragraphen behandeln die g e s e t z l i c h e n Bef u g n i s s e u n d V e r p f l i c h t u n g e n des S c h i f f e r s als V e r t r e t e r der L a d u n g s b e t e i l i g t e n , und zwar spricht § 535 Abs. 1 den G r u n d s a t z der „ g l e i c h z e i t i g e n " F ü r s o r g e p f l i c h t f ü r die L a d u n g a u s , § 535 Abs. 2 u. 3 und die §§ 536—540 geben E i n z e l b e s t i m m u n g e n , § 541 t r i f f t A n o r d n u n g e n ü b e r die W i r k u n g gewisser die L a d u n g b e t r e f f e n d e n R e c h t s g e s c h ä f t e des S c h i f f e r s g e g e n ü b e r dem Reed e r , §542 s c h r ä n k t die G ü l t i g k e i t gewisser die L a d u n g a n g e h e n d e r G e s c h ä f t e dem D r i t t k o n t r a h e n t e n g e g e n ü b e r f ü r den F a l l der B ö s g l ä u b i g k e i t desselben ein. I. Vorauszuschicken Ist folgendes: 1. Ladung Im weitesten Sinne sind Güter, welche zur See befördert werden, befördert werden sollen oder befördert worden sind (Wagner 224; vgl. P a p p e n h e i m HB 2 S. 324). Ladung Im engeren Sinne werden sie erst mit der Übernahme in das Schill, mit dem Eintritt in die seerechtliche Gemeinschaft (HansOLG HansGZ 1883, 10; RGZ 9, 161). Und zwar gehören alsdann zur Ladung, ganz unabhängig davon, ob Frachtverträge über sie geschlossen sind, alle Gegenstände, die sich behufs Beförderung auf dem Schiff befinden, auch Güter, die unentgeltlich befördert werden, solche, die dem Verfrachter selbst gehören oder die hinter dem Rücken des Schiffers an Bord gebracht sind ( P a p p e n h e i m HB 2 S. 324; HansOLG HansGZ 1911, 231 = LZ 1911 S. 564 = SeuffA Bd. 66 S. 416 = EisenbE 28, 35 = Recht 1911 Nr. 2437). Zur Ladung gehören auch die Postsachen ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 333; R i t t e r LZ 1911 S. 89ÉE.; HansOLG HansGZ); dagegen nicht der Ballast, der nur Mittel zur Ermöglichung der Seefahrt ist ( P a p p e n h e i m HB 2 S. 324), und Bunkerkohlen (Hamb. Schiedsspruch LZ 1910 S. 713; anders B o y e n s Bd. 2 S. 546). Gleichgestellt ist ihr in mancher Hinsicht (§ 673 HGB) das Reisegut der Reisenden, auf das auch andere Vorschriften entsprechend anzuwenden sind ( P a p p e n h e i m HB 2 S. 325). Ladungsbeteiligter im weitesten Sinne ist jeder, der an der Erhaltung oder Beförderung dieser Güter ein Interesse hat. Ladungsbeteiligte Im engeren Sinne sind diejenigen, welche die Ladung zum Seetransport liefern oder liefern sollen oder sie, nachdem sie im Gewahrsam des Schiffers gewesen, zurückerhalten sollen oder zurückerhalten haben (Wagner 224). Das Eigentum an der Ladung oder auch nur die Verfügungsberechtigung darüber ist dem Ladungsbeteiligten nicht wesentlich : der Kommissionär, der einen Frachtvertrag über fremde Güter schließt, der Dieb, der sie ablädt, der Spediteur, der sie im eigenen Namen empfängt, sind, obschon sämtlich nicht Eigentümer und zum Teil nicht einmal verfügungsberechtigt, Ladungsbeteiligte, während dies in allen diesen Fällen der Eigentümer nicht ist (vgl. E h r e n b e r g 37; P a p p e n h e i m HB 2 S. 329). E h r e n b e r g 35ff. unterscheidet zwei Gruppen von Ladungsbeteiligten im engeren Sinne, nämlich solche vom S t a n d p u n k t des V e r f r a c h t e r s — Ablader, Befrachter, Empfänger — und solche v o m S t a n d p u n k t der D r i t t g l ä u b i g e r — Empfänger und Dritterwerber der Ladung —. Diese Unterscheidung ist theoretisch nicht zu beanstanden ; das Gesetz braucht den Ausdruck „Ladungsbeteiligte" aber nur in dem ersteren Sinne). Die in Betracht kommenden Personen sind a) derjenige, der selbst oder durch Vertreter mit dem Verfrachter den Frachtvertrag abgeschlossen hat: der Befrachter. b) Derjenige, welcher die Güter auf Grund des Frachtvertrags an das Schiff geliefert hat : der Ablader. Beiden steht gleich der R e i s e n d e bezüglich desReiseguts (mit Unterscheidungen: § 673 HGB), sowie in mancher Beziehung d e r j e n i g e , der ohne W i s s e n u n d W i l l e n des 285

Anm. 1

Anm. 2

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

S c h i f f e r s , insbesondere ohne Frachtvertrag, G ü t e r b e h u f s B e f ö r d e r u n g a n B o r d g e b r a c h t h a t (§ 564a HGB). c) Derjenige, dem die Ladung durch den Schiffer abgeliefert werden s o l l (Empfänger im un technischen Sinne: Ehrenberg 115 Note 50; W ü s t e n d ö r f e r S H R 226, 260: Sollempfänger) und derjenige, der sie im eigenen Namen selbst oder durch Vertreter k r a f t seiner Legitimation entgegengenommen h a t (Empfänger im technischen Sinne: Schaps Z H R Bd. 42 S. 412ff.; vgl. RGZ 41, 117ff.; W ü s t e n d ö r f e r S H R 345: Istempfänger). Dem letzteren steht in manchen Beziehungen gleich d e r j e n i g e , d e r o h n e L e g i t i m a t i o n , insbesondere auf Grund von Unredlichkeit oder Fahrlässigkeit des Schiffers, d i e L a d u n g i n d i e H ä n d e b e k o m m e n h a t , aber nicht derjenige, an den sie der Schiffer auf Grund seiner gesetzlichen Befugnisse veräußert h a t ( W a g n e r 224 Note 2; E h r e n b e r g 115ff.). 2. Die §§ 535 bis 542 beziehen sich nur auf die Tätigkeit des Schiffers während der Reise. I n bezug auf die Güter aber beginnt die Reise, sobald sie in die unmittelbare Gewalt des Schiffers gekommen sind, und sie endet mit der Ablieferung durch ihn ( W ü s t e n d ö r f e r S H R 208; RG HansRGZ 1942 B 249; RGZ 56, 394). Anders W a g n e r 290, 293; B r o d m a n n Note 2 zu § 476 und HansOLG HansGZ 1894, 305 (vgl. ROHG 4, 442ff.), welche das Verlassen des Abgangshafens und das Erreichen des Bestimmungshafens als die maßgebenden Zeitpunkte ansehen. Doch ist das zu eng. Nicht in Betracht kommt die Zeit bis zur vollendeten Anlieferung der Ladung durch den Ablader und die Zeit nach der vollendeten Ablieferung an den Empfänger. Die Anlieferung kann aber schon erfolgt sein, wenn die Ladung f ü r das betreffende Schiff vom Kai übernommen ist, und die Ablieferung braucht noch nicht erfolgt zu sein mit der Löschung aus dem Schiff (vgl. dazu im einzelnen Anm. 15 und 16 zu § 606 HGB). Danach gehört unbedenklich hierher die Tätigkeit des Schiffers im Nothafen (ROHG 9, 369) und im Bestimmungshafen vor der Ablieferung (Hans OLG HansGZ 1885, 138 = SeuffA Bd. 40 S. 439; anders HansOLG HansGZ 1894 Nr. 107); dagegen nicht ohne weiteres die Vertretung der Ladungsbeteiligten durch den Schiffer über diesen Zeitpunkt hinaus (OG Hamburg HansGZ 1874, 173; H G Hamburg HansGZ 1879, 286; s. ferner die Klausel: ships responsability to cease upon discharging and storing of thegoods, same being placed in charge of any mercantile agent: RGZ 89, 329). F ü r den Fall der A u f l ö s u n g d e s F r a c h t v e r t r a g e s gibt Sonderbestimmungen § 632 H G B (s. auch Anm. 3 zu § 555 HGB). 3. Eine gesetzliche Vertretungsmacht zum Abschluß von Rechtsgeschäften für die Ladungsbeteiligten h a t der Schiffer a) z w e c k s A b w e n d u n g o d e r V e r r i n g e r u n g e i n e s d i e L a d u n g b e t r e f f e n d e n V e r l u s t s — nach Maßgabe von § 535 Abs. 2 und 3; b) w e n n u n d s o w e i t d i e s e l b e n z u m Z w e c k e d e r F o r t s e t z u n g d e r R e i s e n o t w e n d i g s i n d — nach Maßgabe von §§ 538 bis 540. F ü r einzelne der von ihm abzuschließenden Rechtsgeschäfte stellt das Gesetz besondere Voraussetzungen auf, deren Nichtvorhandensein indessen der Gültigkeit des Geschäfts nicht immer Eintrag t u t (§ 542 HGB). Beschränkungen der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffers sind nur insoweit zulässig, als es sich um Geschäfte im ausschließlichen Interesse des betreffenden Ladungsbeteiligten handelt ( W a g n e r 297). Soweit sie zulässigerweise erfolgt sind, kann dem Dritten ihre Nichteinhaltung nur insoweit entgegengesetzt werden, als sie ihm bekannt waren oder hätten sein müssen (analog § 531 HGB). Die Haftung des Ladungsbeteiligten aus Rechtsgeschäften, die der Schiffer innerhalb der gesetzlichen Vertretungsmacht f ü r ihn abgeschlossen hat, ist r e g e l m ä ß i g e i n e b e s c h r ä n k t e (Anm. 12, 13 zu § 537 HGB). 4. Verauslagungen des Schiffers. Anstatt f ü r die Ladungsbeteiligten als deren Vertreter abzuschließen, kann der Schiffer geeignetenfalls, sofern ihm dies nicht untersagt ist, entweder selbst oder f ü r seinen Reeder die aufzuwendenden Beträge verauslagen. Vgl. hierzu Anm. 21 ff. zu § 537 HGB. II. § 535 legt die Pflicht des Schiffers zur „gleichzeitigen" Fürsorge für die Ladung fest und gibt ihm Verhaltungsmaßregeln, insbesondere Vertretungsmacht, für den Fall des drohenden Verlustes des Ladung und ähnliche Fälle. Vgl. auch RGZ 121, 300.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 535

1. Verhältnis des Schiffers zu den Ladungsbeteiligten im allgemeinen. Das Interesse der Ladungsbeteiligten geht dahin, daß die Ladung wohlbehalten und mit möglichst geringem Aufwand an Zeit und Unkosten ihren Bestimmungsort erreicht. I n den seltensten Fällen aber sind die Ladungsbeteiligten in der Lage, den Transport persönlich oder durch einen eigens ausgewählten Vertreter zu überwachen. Das Gesetz gibt deshalb dem Kapitän Anweisungen darüber, in welcher Weise er das Interesse der Ladungsbeteiligten wahrzunehmen hat, ohne die sonstigen ihm anvertrauten Interessen zu vernachlässigen. Rechtlich charakterisiert sich das Verhältnis zwischen Schiffer und Ladungsbeteiligten als ein aus dem Gesetz entspringendes auftragsähnliches Vertretungsverhältnis (so W a g n e r 298; W ü s t e n d ö r f e r S H R 206; R G HansGZ 1895, 55. Anders F u c h s , Vermögen und Vermögensverwaltung 1911 S. 94, der von einem „selbständigen Verwaltungsrecht am Vermögen der Ladungsbeteiligten" spricht), ähnlich der Vormundschaft oder Pflegschaft. Von der Geschäftsführung ohne Auftrag (so Prot. 2396; ROHG 15, 67; E h r e n b e r g 47; s. auch Z H R Bd. 14 S. 131) unterscheidet es sich grundlegend dadurch, daß der Schiffer nicht nur berechtigt, sondern v e r p f l i c h t e t ist (ebenso P a p p e n h e i m H B 3 S. 588), die Vertretung auszuüben; der Unterschied zum eigentlichen Auftrag liegt darin, daß der Schiffer unter Umständen mit Rücksicht auf das Wohl der ihm unterstellten Gesamtheit auch gegen den Willen des oder der einzelnen Ladungsbeteiligten handeln muß. Der Schiffer haftet den Ladungsbeteiligten, die zu den Reiseinteressenten (§ 512 HGB) gehören, f ü r jede Verletzimg der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers. S o w e i t e r a l s i h r V e r t r e t e r g e h a n d e l t h a t , trifft ihn eine Rechtfertigungspflicht, er hat sich also zu entlasten (Anm. 14 zu § 511 HGB). I m ü b r i g e n , z.B. wenn nautische Mißgriffe in Frage kommen, muß ihm die Außerachtlassung der Sorgfalt nachgewiesen werden. W ü s t e n d ö r f e r S H R 207 meint, hinsichtlich der Ladung sei er somit nicht etwa Besitzdiener des Reeders, wie in bezug auf das Schiff, sondern unmittelbarer Fremdbesitzer f ü r die Ladungsbeteiligten (§ 868 BGB). Doch ist das sehr zweifelhaft. Bei aller Würdigung der sich aus §§ 535ff. gegenüber den Ladungsbeteiligten ergebenden Rechte und Pflichten geht doch letzten Endes f ü r den K a p i t ä n die Anweisung seines Reeders vor, auch wenn ihre Durchführung den K a p i t ä n gegenüber den Ladungsbeteiligten ersatzpflichtig machen könnte. Deshalb ist auch der Kapitän hinsichtlich der Ladung nur Besitzdiener. So auch M i t t e l s t e i n H B 77; Pappenheim H B 2 S. 333. Vgl. aber auch Anm. 14. Zu bemerken ist, daß der Schiffer aus eigenem Recht bzw. aus eigener Pflicht, nicht etwa als Vertreter des Reeders, die Ladungsbeteiligten v e r t r i t t : daher ist nach Wegfall des Schiffers nicht etwa der Reeder zu ihrer Vertretung legitimiert (RG Bolze Bd. 6 Nr. 305; vgl. AG Ritzebüttel und OG Hamburg HansGZ 1879 S. 179, 181), was nicht hindert, daß, w e n n der Reeder Angelegenheiten des Schiffers selbst in die H a n d nimmt, ihm keine geringeren Pflichten gegenüber den Ladungsbeteiligten obliegen als dem Schiffer (HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 107; HansOLG HansGZ 1902, 71). Der Agent des Reeders in auswärtigen Häfen erledigt tatsächlich vielfach Geschäfte, die nach dem Gesetze dem Schiffer obliegen, auch solche die unter § 535 fallen. E r ist als Vertreter der Schiffers anzusehen (RGZ 121, 302 = JW1928 S. 2628 = HansRGZ 1928 B 675); den Ladungsbeteiligten verantwortlich ist aber nur der letztere und mit ihm der Reeder nach § 485 HGB. I n HansOLG OLGRechtspr 37, 50 ist angenommen, daß die überseeische Ortsagentur der Linienreederei, welche den Notverkauf durchgeführt hatte, dies als Beauftragte und in Vertretung des Schiffers getan hatte. Siehe auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 208.

Amn. 7

Anm. 8

Anm. 9

Irgendwelche besondere Vergütung h a t der Schiffer f ü r seine Tätigkeit im Interesse der Anm. 10 Ladungsbeteiligten nicht zu beanspruchen (OG Bremen, BuschsA Bd. 31 S. 71; HansOLG HansGZ 1887 Nr. 106 = SeuffA Bd. 44 Nr. 269; anders R O H G 15, 66; L e o zu § 632; B r a n d i s Bd. 1 S. 57; P a p p e n h e i m Bd. 3 S. 589 Anm. 1. 2. Die Pflicht der „gleichzeitigen" Fürsorge für die Ladung während der Reise. Anm. 11 a) Der Schiffer hat im Interesse der Ladungsbeteiligten fUr das Beste der Ladung naeh Möglichkeit Sorge zu tragen, z. B. dafür zu sorgen, daß sie sachgemäß behandelt, nicht ohne Not verletzt (LG Oldenburg OldZ Bd. 16 S. 91 ff.) oder ihrer Identitätszeichen, des Zollverschlusses beraubt (RG Hansa 1910 S.290), wenn erforderlich,ventiliert (HG Marseille ZVersWiss. Bd. 12 S 1279) oder umgestochen (Getreideladungen), überhaupt, daß sie vor schädlichen 287

Vierter Teil. Seehandelsrecht Einflüssen nach Möglichkeit bewahrt wird. Besteht sie aus lebenden Tieren, so ist f ü r ihre sachgemäße Ernährung und Wartung zu sorgen. Über seineVerpflichtungen zwecks Abwendung oder Verringerung eines Verlustes treffen Abs. 2 u. 3 Bestimmungen (unten Anm. 16ff.). Aus der Fürsorgepflicht des Schiffers folgt auch seine Befugnis, wegen Verletzung der ihm anvertrauten Ladung S t r a f a n t r ä g e zu stellen (vgl. RGSt 1, 710). Bezüglich der Frage, ob der Schiffer die Interessen der Ladungsbeteiligten richtig wahrgenommen hat, ist der s u b j e k t i v e Maßstab anzulegen (OAG Lübeck Nathans Hamburger Gerichtszeitung 1861 S. 64; vgl. OG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 326). Anm. 12 b) „Zugleich". Wenn das Gesetz dem Schiffer nicht absolut die Sorge f ü r das Beste der Ladung vorschreibt, sondern nur besagt, daß er z u g l e i c h f ü r das Beste der Ladung n a c h Möglichkeit Sorge zu tragen hat, so zeigt es, daß es kollidierenden Interessen Berücksichtigung aiigedeihen lassen will (vgl. RGZ 14, 40; 89, 329): was aber nicht dazu führen kann, mit M. F u c h s , Vermögen und Vermögensverwaltung 1911 S. 94, seine Vertretereigenschaft zu leugnen, die das Gesetz in Abs. 2 anerkennt. Es können die Interessen der Ladung kollidieren mit denjenigen: Anm. 13 aa) der dem Schiffer anvertrauten Menschenleben. D i e S i c h e r h e i t d e r l e t z t e r e n g e h t g r u n d s ä t z l i c h d e r j e n i g e n des dem Schiffer a n v e r t r a u t e n E i g e n t u m s vor (OSA Bd. 3 S. 572; Bd. 15 S. 145 usw.;). Dies gilt zunächst unbedingt, soweit das Leben der Schiffspassagiere in Betracht kommt. Das gleiche ist aber auch bezüglich der Schiffsmannschaft zu sagen. Freilich besteht gerade der Beruf des Seemanns darin, sich vielfach Lebensgefahren auszusetzen, denen der Nichtseemann sich nicht oder nur ausnahmsweise darbietet. Indessen der häufige Anblick der Gefahr verkleinert dieselbe, stählt gegen sie, indem er die jede Gefahr verschlimmernde Furcht verringert oder gänzlich beseitigt. Dies hat der Schiffer zu berücksichtigen bei Entscheidung der Frage, ob überhaupt ernstliche Lebensgefahr f ü r seine Schiffsbesatzung vorliegt. Erachtet er aber solche f ü r vorliegend, so darf er nicht zwecks Erhaltung von Schiff oder Ladung mit dem Leben der ihm anvertrauten Mannschaft spielen: das Interesse der letzteren geht vor. Anm. 14 bb) Des Reeders. Dieser stellt gegen Entgelt sein Schiffsmaterial den Ladungsbeteiligten zwecks Ausführung des Transports zur Verfügung: er wird hierdurch in gewissem Maße in der Verfügung über sein Eigentum beschränkt. S o w e i t d i e s e s e l b s t ü b e r n o m m e n e n B e s c h r ä n k u n g e n r e i c h e n , kann ei regelmäßig nicht beanspruchen, daß seine Interessen denen der Ladungsbeteiligten vorzugehen hätten. Hieraus folgt z.B., daß der Schiffer, wenn er nach Eingehung eines Frachtvertrages eine Gelegenheit findet, das Schiff f ü r den Reeder besser zu verwerten, sich der übernommenen Pflichten gegenüber den Ladungsbeteiligten nicht entziehen darf. A n d e r e r s e i t s gibt es Fälle, in denen er keinen Zweifel darüber haben k a n n , d a ß e r u m d e s S c h i f f e s w i l l e n d i e I n t e r e s s e n d e r L a d u n g o p f e r n m u ß , so in den Fällen der §§ 564, 564a, 564b HGB, in denen er Güter, die das Schiff gefährden, ans Land zu setzen, nötigenfalls über Bord zu werfen befugt ist. A b g e s e h e n v o n d e r a r t i g e n F ä l l e n i s t es S a c h e d e s S c h i f f e r s , d i e w i d e r s t r e i t e n d e n I n t e r e s s e n in v e r s t ä n d i g e r W e i s e g e g e n e i n a n d e r a b z u w ä g e n u n d d a n a c h z u h a n d e l n (vgl. RGZ 89, 329). In den Fällen der großen Haverei wird er manchmal sich die Frage vorzulegen haben, ob er dem Schiff oder der Ladung Schaden zufügen soll: sein pflichtgemäßes Ermessen entscheidet. I n § 540 wird er angewiesen, die eingreifendsten Maßregeln gegenüber den Ladungsbeteiligten zu ergreifen, wenn die Wahl einer anderen, an sich auch zur Abstellung des Mangels geeigneten Maßnahme einen u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n S c h a d e n f ü r den Reeder zur Folge haben würde: der in § 540 ausgesprochene Grundsatz hat ihm auch in anderen Fällen zur Richtschnur zu dienen. K o m m t er unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Ergebnis, daß die widerstreitenden Interessen von Schiff und Ladung g l e i c h w e r t i g sind, dann h a t er allerdings die Interessen seines Reeders in erster Reihe wahrzunehmen (ROHG 25, 10; RGZ 14, 40; 15, 159ff.). E r darf also nicht um der Fürsorge f ü r die Ladung willen auf gesetzliche Rechte seines Reeders verzichten (ROHG 25, 10; RGZ 14, 45); bei Ausbruch eines Krieges wird er, wenn es im Interesse des Reeders liegt, gemäß § 629 Nr. 2 H G B vom Frachtvertrage zurückzutreten haben, selbst wenn es f ü r die Ladung vorteilhafter sein sollte, das Ende des Krieges abzuwarten (HG H a m b u r g BuschsA Bd. 23 S. 66).

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

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cc) Anderer Ladung. Auch hier h a t sich der Schiffer zunächst die Frage vorzulegen, o b Anm. 15 g l e i c h w e r t i g e I n t e r e s s e n v o r l i e g e n . Das Gesetz erachtet das Interesse derjenigen Güter, welche die übrige Ladung gefährden, regelmäßig nicht f ü r gleichwertig mit dem Interesse der letzteren: denn es gestattet dem Schiffer in §§ 564, 564a, 564b HGB, die gefährdenden Güter ans Land zu setzen und nötigenfalls über Bord zu werfen. Bei g l e i c h w e r t i g e n I n t e r e s s e n entscheidet das pflichtgemäße Ermessen des Schiffers. Verlangen gewisse beschädigte Güter eine zeitraubende Behandlung am Lande (RGZ 14, 40) oder würde die Reklamation beschlagnahmter Güter erhebliche Zeit erfordern (HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 267), so ist der Schiffer regelmäßig verpflichtet, im Interesse der übrigen Ladung und demjenigen des Reeders nicht zu warten, sondern die Reise fortzusetzen. 3. Verhaltungsmaßregeln für den Schiffer behufs Abwendung oder Verringerung eines Anm. 16 Verlustes, insbesondere Vertretungsmacht (Abs. 2 und 3). a) Voraussetzung der in Abs. 2 und 3 gegebenen Vorschriften i s t a l s Z w e c k d i e A b w e n d u n g o d e r V e r r i n g e r u n g e i n e s die L a d u n g t r e f f e n d e n V e r l u s t e s . Und zwar ist, sofern Güter verschiedener Ladungsbeteiligter in Frage kommen, zu fordern, daß G e f a h r u n d M a ß r e g e l n d i e g l e i c h e n G ü t e r b e t r e f f e n , daß also nicht zugunsten der einen Güter über die anderen verfügt wird. Die entgegengesetzte, von E h r e n b e r g S. 54 und 85ff. verteidigte Ansicht findet im Gesetz keine Stütze: die Grundsätze der großen Haverei können auf Fälle der vorliegenden Art keine Anwendung finden, weil es an der f ü r sie wesentlichen Gefahrgemeinschaft fehlt ( W a g n e r 292 Note 12; B o y e n s Bd. 1 S. 400; RGZ 14, 41). Anders im Falle des § 538 HGB. — Ob es die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers erfordert, wegen einer noch nicht festgestellten, sondern nur m ö g l i c h e r w e i s e erlittenen Beschädigung Maßregeln wie die Löschung der Ladung vorzunehmen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. HansOLG HansGZ 1890, 218). b) Einholung von Instruktionen und Benachrichtigung der Ladungsbeteiligten. I m Falle Anm. 17 der Gefährdung der Ladung (nicht auch bei einer o h n e diese Voraussetzung erfolgten vorübergehenden Beförderungsunterbrechung: RG HansGZ 1910, 188 = Hansa 1910 S. 559 = Recht 1910 Nr. 1299) h a t der Schiffer „ w e n n t u n l i c h " (vgl. § 632 H G B : „im Falle der Dringlichkeit auch ohne Anfrage"), die Anweisungen der Ladungsbeteiligten einzuholen und, sow e i t es d e n V e r h ä l t n i s s e n e n t s p r i c h t , zu befolgen, sonst aber ebenso, wie wenn er keine Antwort erhielt (HansOLG SeuffA Bd. 65 S. 287 = OLG Rechtspr. 22, 62), nach eigenem Ermessen zu verfahren. Die Vorschrift zeigt, daß im wesentlichen das pflichtgemäße Ermessen des Schiffers entscheidend ist: denn selbst wenn er Instruktionen des Ladungsbeteiligten erhalten hat, untersteht es seinem Urteil, ob er dieselben als „den Verhältnissen entsprechend" befolgen soll oder nicht. Die Auffassung des LG Hamburg (HansGZ 1893 Nr. 35), der Kapit ä n sei n u r berechtigt, nach freiem Ermessen zu handeln, „wenn die Anordnungen der Ladungsinteressenten unter Annahme ganz anderer Verhältnisse gegeben sind, als zur Zeit ihres Empfanges vorliegen", bedeutet eine unzulässige Einengung des Gesetzes. Das Gesetz geht davon aus, daß der Schiffer ein besseres Urteil über die Sachlage habe als die a b w e s e n d e n Ladungsbeteiligten. E r h a t deshalb ihre Anordnungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen und, wenn er nach pflichtgemäßem Ermessen zu der Überzeugung gelangt, daß sie den Verhältnissen nicht entsprechen, das Recht und die Pflicht, sie nicht zu befolgen. Sind freilich die Ladungsbeteiligten a n w e s e n d , so h a t er ihren Instruktionen nachzukommen, soweit er dies mit den übrigen von ihm vertretenen Interessen vereinigen kann. Vgl. auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 208. Als derjenige Ladungsbeteiligte, an den er sich zu wenden hat, kommt r e g e l m ä ß i g d e r Anm. 18 i m K o n n o s s e m e n t b e n a n n t e L a d u n g s e m p f ä n g e r in Betracht, nicht der Ablader, der ja nach der Zeichnung der Konnossemente, wenn er nicht in ihnen selbst als Empfänger figuriert, keine Dispositionsbefugnisse über die Ladung mehr zu haben braucht. Voraussetzung der Instruktionseinholung ist E r m i t t l u n g s m ö g l i c h k e i t des Ladungsbeteiligten. Welche Maßregeln der Schiffer zur Ermittlung desselben zu ergreifen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden (Erk. des OAG Lübeck, in H a m b . Rechtssachen Bd. 2 S. 758ff.). Ermittlungsmöglichkeit ist regelmäßig nicht vorhanden, wenn Orderkonnossemente gezeichnet sind, da deren Inhaber dem Schiffer in den seltensten Fällen bekannt sein dürften (Prot. 2464; HansOLG HansGZ 1890, 219). I n solchen Fällen, und ebenso dann,

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

wenn mehrere Ladungsbeteiligte hinsichtlich derselben Ladung verschiedene Anweisungen geben (Prot. 2464), bleibt dem Schiffer nichts übrig, als selbständig die Entscheidung zu treffen. Er wird alsdann gut tun, sich, wenn tunlich, mit Rechtfertigungsmaterial (Besichtigungsattesten u. dgl.) zu versehen. Unter Umständen wird f ü r ihn der Willen der Mehrheit der Empfänger, wenn diese eine Gemeinschaft bilden, maßgebend sein (RG HansGZ 1895, 55 = Bolze Bd. 19 Nr. 507). — Vgl. wegen der Aushändigung der Ladung an den Ablader auch R G HansRGZ 1928 B 675. Anm. 19 D e r S c h i f f e r h a t , wie das Gesetz verallgemeinernd fortfährt, ü b e r h a u p t t u n l i c h s t d a f ü r z u s o r g e n , das die Ladungsbeteiligten von solchen — d.h. mit einer Gefahr f ü r die Ladung verbunden gewesenen — Vorfällen und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntnis gesetzt werden. Eine zu weitgehende Folgerung aus § 535 wäre es, daß der Schiffer, der im Orderhafen keine Order vorfindet, sich telegraphisch an den säumigen Befrachter zu wenden h ä t t e (RGZ 9, 53ff.). Anm. 20 Der Schiffer, und mit ihm gemäß §§ 485, 486 H G B der Reeder, h a f t e t d e n L a d u n g s b e t e i l i g t e n f ü r den aus der schuldhaften Nichterfüllung obiger Pflichten entstehenden Schaden. Natürlich kann der Ladungsbeteiligte den SchifEer von der Pflicht der Instruktionseinholung entbinden, auch nach erfolgter Angehung eine eigene Äußerung zur Sache ablehnen (vgl. H G H a m b u r g HansGZ 1875 Nr. 21). I m V e r h ä l t n i s zu d e m a n w e i s e n d e n L a d u n g s b e t e i l i g t e n macht die Befolgung der Anweisung den Schiffer von der H a f t u n g frei, sofern ihn nicht etwa der Vorwurf ungenügender Information t r i f f t ; jedoch schließt die Befolgung einer unsachgemäßen Verhaltensmaßregel nicht aus, daß der Schiffer dem R e e d e r oder a n d e r e n L a d u n g s b e t e i l i g t e n verantwortlich wird. Anm. 21

Dritten gegenüber ist das abgeschlossene Geschäft gültig, auch wenn es ohne oder gegen die Instruktion des betroffenen Ladungsbeteiligten abgeschlossen ist, es müßte denn sein, daß der Gegenkontrahent bösgläubig war (ROHG 9, 369; E h r e n b e r g 62; vgl. §§ 542, 528 Abs. 2 HGB). Bösgläubigkeit liegt aber nicht ohne weiteres in der Kenntnis, daß der SchifEer ohne Instruktion gehandelt oder seiner Instruktion zuwider gehandelt hat, weil er unter den im Gegensatz genannten Voraussetzungen hierzu befugt ist. Anm. 22 c) Die zur ergreifenden Maßregeln. Ihre Aufzählung im Gesetz kann keine erschöpfende sein. Wo der Schiffer Verträge f ü r die Ladungsbeteiligten abschließt, genügt, wenn er nicht weiß, wer zur Zeit Ladungsbeteiligter ist, Abschluß „ f ü r Rechnung, wen es angeht". — I n Betracht kommen hauptsächlich aa) zeitweise Trennung der Ladung vom Schill. Der Schiffer ist berechtigt, die Ladung ganz oder teilweise zu löschen aus Gründen, die das Schiff, oder solchen, die die Ladung betreffen (RGZ 14, 35: das Schiff bedarf der R e p a r a t u r ; HansGZ 1893, Nr. 35: die feuchtgewordene Ladung muß getrocknet werden; HansGZ 1890, 220: Löschung zwecks Trennung des Gesunden vom Ungesunden). Anm. 23 bb) Dauernde Trennung der Ladung vom Schiff, wiederum aus Gründen, die das Schiff oder die Ladung betreffen können (vgl. z.B. RGZ 14 Nr.14). Wenn irgend möglich, h a t der Schiffer in diesem Falle d a f ü r Sorge zu tragen, daß die Ladung, evt. nach erfolgter Bearbeitung, mit anderer Transportgelegenheit weiter befördert wird (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 133). Nur im äußersten Falle, nämlich wenn ein erheblicher Verlust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen (z. B. wenn die Kosten der Niederlegung unverhältnismäßig groß sein würden; vgl. H G Hamburg BuschsA Bd. 23 S. 69) anders nicht abzuwenden ist — welche Voraussetzung er zu beweisen h a t (OG H a m b u r g HansGZ 1869 Nr. 326; M e i e r BuschsA Bd. 30 S. 47) — ist er befugt, die Ladung zu verkaufen („Verkauf im alleinigen Interesse des Ladungsbeteiligten" im Gegensatz zu demjenigen im allgemeinen Interesse nach §§ 538 ff.). Beim Verkauf verdorbener Ladung kann Aussonderung der unbeschädigten Teile, falls kostspielig oder zeitraubend, nach Sachlage unterbleiben (HansOLG HansGZ 1910, 208). I n bezug auf die Gültigkeit des Verkaufs finden die Vorschriften des § 528 Abs. 2 Anwendung (§541 HGB). Eine Vorschrift, daß derVerkauf nur öffentlich zu erfolgen habe, gibt es nicht. Durch den Verkauf e r l ö s c h e n a l l e b i s h e r e n t s t a n d e n e n P f a n d r e c h t e a n d e r L a d u n g ; es tritt indessen f ü r die Pfandgläubiger an die Stelle der Ladung das Kaufgeld, solange es beim Käufer aussteht oder noch in den Händen des Schiffers ist (§§ 777, 764 HGB). Zieht derjenige, f ü r dessen Rechnung der Verkauf erfolgt ist, das Kaufgeld ein, so h a f t e t

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er denPfandgläubigern beschränkt persönlich gemäß § 773 (§ 777 HGB). Dem in § 764 ausgesprochenen Rechtsgedanken muß im Wege der Analogie entnommen werden, daß a u c h j e d e s f r ü h e r b e g r ü n d e t e E i g e n t u m a n d e r v e r k a u f t e n L a d u n g e r l i s c h t , daß es also gleichgültig ist, ob der Erwerber hinsichtlich des Eigentums oder der Verfügungsberechtigung des Ladungsbeteiligten in gutem Glauben ist, ja selbst ob das Gut gestohlen oder verloren war, als es zur Beförderung gegeben wurde (im ersten Punkt nicht übereinstimmend P a p p e n h e i m H B 2 S. 335ff.). Vgl. Schiedsgericht HansGZ 1921, 105 = HansRZ 1921, 500: I m Falle des § 535 hat der Reeder in erster Linie den im Nothafen in der Währung des Platzes eingegangenen Erlös der Güter an diesem Orte und in dieser Währung den Ladungseigentümern auszuzahlen. H a t er das Guthaben in pflichtgemäßer Verwaltung in deutsche Währung umgesetzt und nach Deutschland remittiert, so schuldet er den Betrag in deutscher Währung. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1921, 133. Siehe F r i e d b e r g , Verkauf von Nothafenladungen durch den Reeder während des Krieges, HansGZ 1921, 25, S t e f f e n s , Verkauf von Nothafenladungen durch den Reeder während des Krieges, HansRZ 1920, 623; F e u c h t , Das Schicksal der Nothafenladungen, HansRZ 1919, 322. Die verkauften Güter sind im Sinne des § 606 HGB verloren gegangen, so daß dem Verfrachter der Entlastungsbeweis nach § 606 Satz 2 HGB obliegt. D a s Ü b e r b o r d w e r f e n s e e b e s c h ä d i g t e r L a d u n g ist dem SchiSer nur dann gestattet, wenn die Voraussetzungen der §§ 564a oder 564b H G B 564 vorliegen (vgl. HansOLG HansGZ 1891, 221). cc) Belastung der Ladung mit dinglichen Rechten zwecks Ermöglichung der Weiterbe- Anm. 24 förderung. In Betracht kommen Verträge über Berge- oder Hilfslohn (ROHG 9 Nr. 106) und Verbodmung der Ladung zwecks Beschaffung der Mittel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung. Diese Verbodmung der Ladung „im alleinigen Interesse der Ladungsbeteiligten" (§ 680 Abs. 1 Nr. 2 H G B : genauer des b e t r e f f e n d e n Ladungsbeteiligten: oben Anm. 14) unterscheidet sich von derjenigen im allgemeinen Interesse (§§ 538 bis 540) dadurch, daß bei ihr die Ladung auch ohne Schiff und Fracht verbodmet werden kann (§ 680 Abs. 2 HGB). In bezug auf die Gültigkeit der Verbodmung finden die Vorschriften des § 528 Abs. 2 Anwendung (§ 541 HGB). Geht der Schiffer ein die Ladung belastendes Geschäft ein, so braucht er regelmäßig nichtdarauf Rücksicht zu nehmen, ob der Ladungsbeteiligte von seinem Versicherer Ersatz verlangen kann (OAG Lübeck SeuffA Bd. 6 Nr. 247). dd) Versicherung der Ladung? Eine Verpflichtung des Schiffers hierzu ist nur f ü r ganz Anm. 25 besondere Ausnahmefälle anzuerkennen, etwa wenn das durch die getroffenen Maßnahmen geschaffene Risiko von der bisherigen Versicherung nicht gedeckt wird (HansOLG HansGZ 1909, 16). ee) Prozessuale und außerprozessuale Vertretung der Ladungsbeteiligten bei Einziehung Anm. 26 der Ladung aus öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Gründen. Wird die Ladung auf Grund eines völkerrechtlichen Akts, einer strafprozessualen Beschlagnahme, einer Arrestierung oder irgendeines privaten Eingriffs der Verfügung des Schiffers entzogen, so ist er a k t i v l e g i t i m i e r t , alle erforderlichen Schritte zu ihrer Wiedererlangung zu tun. Als v e r p f l i c h t e t hierzu kann er nur insoweit erachtet werden, als ein Vorgehen nicht von vornherein aussichtslos erscheint (Prot. 1867) und er durch dasselbe nicht kollidierende Interessen anderer seiner Fürsorge unterstehenden Personen verletzen würde, z.B. durch übermäßig langes Liegenbleiben in dem betreffenden Hafen (HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 267). Aufwendungen zur Wiedererlangung der Ladung aus eigener Tasche zu machen (vgl. den Fall HansGZ 1891 Nr. 31), ist er berechtigt; als verpflichtet hierzu kann er jedoch nur erachtet werden, wenn die Verauslagung nach Sachlage f ü r ihn ohne Schwierigkeit und Risiko möglich war (über seine Ersatzansprüche s. Anm. 21 zu § 537 HGB). Er ist weiter befugt und unter den oben dargelegten Voraussetzungen verpflichtet, Schadensersatzansprüche oder Ansprüche aus großer Haverei ( B r u h n s Entsch. des OAG Lübeck Bd. 2 S. 286) f ü r die Ladungsbeteiligten geltend zu machen, unter Umständen durch Ausübung des Pfandrechts aus § 725 H G B gegenüber anderen Ladungsbeteiligten. P a s s i v l e g i t i m i e r t zur Vertretung der Ladungsbeteiligten ist er, wie sich aus dem Grundgedanken des § 535 ergibt, in allen Fällen, wo der Verlust der Güter oder eine Unter16 Schap5-Abraham, Seerecht II

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Vierter Teil. Seehandelsrecht brechung des Weitertransports in Frage steht (Boyens Bd. 1 S. 403; Beispiel: LG Hamburg HansGZ 1884 Nr. 126), nicht bloß im ordentlichen Prozeß, sondern auch im strandamtlichen Verfahren. Speziell hervorgehoben ist seine Passivlegitimation in §§ 696 Abs. 2 und 751 Abs. 2 HGB. Diese Fälle unterscheiden sich von den übrigen dadurch, daß kraft positiver Bestimmung gegen d e n S c h i f f e r als gesetzlichen Vertreter der Ladungsbeteiligten geklagt werden muß, so daß es hier auf die Anwesenheit der letzteren nicht ankommt, während in allen anderen Fällen auch der b e t r e f f e n d e L a d u n g s b e t e i l i g t e s e l b s t klagen oder verklagt werden kann. Letzteres wird aber stets die tatsächliche Ausnahme bilden; wo Orderkonnossemente ausgestellt sind, läßt sich die Person des Ladungsbeteilgten während der Reise kaum feststellen. Wo der Schiffer zur prozessualen Vertretung befugt ist, ist er es regelmäßig vollen Umfanges: es kann ihm also nicht allgemein die Befugnis abgesprochen werden, sich über einen dem Ladungsbeteiligten dem Grunde nach zuerkannten Schadensersatzanspruch der Höhe nach zu vergleichen (es tut dies HG Hamburg HansGZ 1877 Nr. 122). U n t e r U m s t ä n d e n ist der S c h i f f e r n i c h t in der L a g e , die L a d u n g s b e t e i l i g t e n zu v e r t r e t e n , wenn er nämlich gegen sie als Vertreter des Reeders oder anderer Ladungsbeteiligter auftreten muß (vgl. §§ 623, 731 Abs. 3 HGB). Wie er sich im Falle der Geltendmachung des Fracht- oder des Havariegrossepfandrechts zu verhalten hat, sagt § 623 Abs. 4 HGB. Soweit sich eine Klage vernotwendigt, wird der Schiffer unter Umständen die Bestellung eines Pflegers gemäß § 1913 BGB bzw. nach der entsprechenden Bestimmung des ausländischen Rechts veranlassen müssen.

§ 686 Wird die Fortsetzung der Reise in der ursprünglichen Richtung durch einen Zufall verhindert, so ist der Schiffer befugt, die Reise in einer anderen Richtung fortzusetzen oder sie auf kürzere oder längere Zeit einzustellen oder nach dem Abgangshafen zurückzukehren, je nachdem es den Verhältnissen und den möglichst zu berücksichtigenden Anweisungen entspricht. Im Falle der Auflösung des Frachtvertrags hat er nach den Vorschriften des § 632 zu verfahren. Anm. 1

1. Der Paragraph behandelt einen Fall der rechtsmäDigen Deviation. Der S c h i f f e r h a t den g e e i g n e t e s t e n Weg f ü r die R e i s e zu w ä h l e n (Anm. 1 zu § 516 HGB). Es braucht dies nicht der geographisch nächste zu sein; vielmehr ist nur zu verlangen, daß er einen üblichen oder doch zweckmäßigen Weg einschlägt (RGZ 10 Nr. 7). Bei der Wahl hat also für ihn nicht nur die Rücksicht auf die Kürze des Weges, sondern auch diejenige auf die Witterungsverhältnisse, die Gefährlichkeit usw. bestimmend zu sein. Vgl. BGH Hansa 1958 S. 982 = VersR 1958 S. 297 über die Einhaltung der wegen Minengefahr festgelegten Zwangswege.

Anm. 2

W e i c h t der S c h i f f e r von d e m j e n i g e n Wege, den er als den g e e i g n e t e s t e n e r k a n n t h a t oder h ä t t e e r k e n n e n m ü s s e n , a b , so l i e g t D e v i a t i o n vor. Diese ist g r u n d s ä t z l i c h u n z u l ä s s i g und nur a u s n a h m s w e i s e rechtsmäßig.

Anm. 3

2. Rechtsmäßig ist sie: a) im Falle des § 536, wenn ein Z u f a l l die F o r t s e t z u n g der R e i s e in der u r s p r ü n g l i c h e n R i c h t u n g h i n d e r t . Die in Betracht kommenden Zufälle können völkerrechtliche Vorgänge (vgl. HansOLG Hansa 1916 S. 505 u. RG Hansa 1916 S. 654 = Recht 1917 Nr. 97, z.B. die Sperrung eines der großen Seeschiffahrtskanäle aus politischen Gründen), Naturereignisse oder sonstige das Schiff oder die Ladung betreffende Geschehnisse sein. Vgl. § 3 VO über die Sicherung der Seefahrt vom 15. 12. 1959 (Bd. I S. 829): Eisgefahr. Welche der in § 536 aufgezählten Eventualitäten der Schiffer zu wählen hat, entscheidet er nach pflichtgemäßem Ermessen, unter möglichster Berücksichtigung der von den Ladungsbeteiligten und auch vom Reeder (§ 534 Abs. 2 HGB) einzuholenden Instruktionen. Für den Fall der A u f l ö s u n g des F r a c h t v e r t r a g e s (§ 628 HGB) verweist das Gesetz überflüssigerweise auf § 632 HGB (der seinerseits wieder auf die §§ 535 bis 537 bezug nimmt). 242

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB b) wenn B e t t u n g von M e n s c h e n l e b e n als Gebot der Menschlichkeit sie erforderlich macht. Dies war gewohnheitsrechtlich schon lange international anerkannt, ist aber jetzt innerhalb gewisser Grenzen nach deutschen und zwischenstaatlichem Recht gesetzlich verankert worden. Vgl. § 636a HGB; Art. 11 IÜS; Art. 3 Ges. über den Zusammenstoß von Schiffen usw. vom 7. 1. 1913: Verpflichtung, Personen, sogar feindlichen, die auf See in Lebensgefahr sind, Beistand zu leisten, soweit der Kapitän dazu ohne ernste Gefahr für Schiff, Besatzung oder Reisende imstande ist; Kapitel V Regel 10 Internationaler Schiffssicherheitsvertrag London 1948: Der Kapitän eines auf See befindlichen Schiffes, der von irgendeiner Seite eine Meldung erhält, daß ein Schiff oder ein Luftfahrzeug oder deren Rettungsfahrzeuge sich in Not befinden, ist verpflichtet, mit größter Geschwindigkeit den in Seenot befindlichen Personen zu Hilfe zu eilen (ebenso § 5 VO über die Sicherung der Seefahrt vom 15. 12. 1956; Bd. I S. 829). c) wenn der Zweck die R e t t u n g von E i g e n t u m auf See ist oder sie „sonst g e r e c h t f e r t i g t e r W e i s e " erfolgt (§ 636a HGB). Diese an sich zunächst nur für den Frachtvertrag bestimmte Vorschrift kommt auch außerhalb eines solchen mindestens zur entsprechenden Anwendung. Die Formulierung des § 636a beruht auf Art. IV 4 HR und hat eine häufige Freizeichnungsklausel „to deviate for saving life or property" gesetzlich verankert. Handelt es sich um die Rettung von Eigentum, so ist nach der Fassung des § 636 a eine Prüfung, ob sie „gerechtfertigter Weise" unternommen wird, nicht erforderlich. Im übrigen ist für die Nachprüfung, ob die Deviation gerechtfertigt ist („any reasonable deviation") nicht genügend, daß die Abweichung den einseitigen Interessen des Verfrachters oder Reeders dienlich war, vielmehr kommt es auf die objektive Gesamtheit der Reiseinteressen an (Gramm Seefrachtrecht 147; W ü s t e n d ö r f e r SHR 257). Eine Deviation, die den e r k e n n b a r e n Z w e c k des F r a c h t v e r t r a g e s vereitelt oder gefährdet, wird in der Regel als nicht gerechtfertigt gelten. Siehe wegen weiterer Einzelheiten die Erläuterungen zu § 636a. Vgl. auch § 6 der VO über die Sicherung der Seefahrt vom 15. 12 1956 (Bd. I S. 829) mit seinen besonderen Vorschriften über das Verhalten nach Schiiiszusammenstößen: Gemäß § 6 Abs. 2 haben nach einem solchen die Schiffsführer mit ihren Schiffen solange beieinander zu bleiben, bis sie sich darüber Gewißheit verschafft haben, daß weiterer Beistand nicht mehr erforderlich ist.

Anm. 4

3. a) Ist hiernach die Deviation r e c h t m ä ß i g , so ist der Kapitän für den aus ihr entstehenden Schaden nicht verantwortlich. Auch auf die Rechte und Pflichten der Parteien des Frachtvertrages hat sie keinen Einfluß, insbesondere entsteht auch eine Schadensersatzpflicht des Verfrachters nicht (§ 636a HGB). Ein etwaiges Rücktrittrecht des Befrachters richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (z.B. nach § 629 Abs. 1 Ziff. 2 HGB).

Anm. 6

b) Bei u n e r l a u b t e r D e v i a t i o n haften für den durch sie verursachten Schaden aa) der K a p i t ä n dem Reeder und den übrigen Reisebeteiligten des § 512 HGB, besonders den Ladungsbeteiligten (§§ 511f. HGB);

Anm. 7

Anm. 5

bb) der R e e d e r nach Maßgabe der §§ 485f. HGB. cc) der V e r f r a c h t e r den Ladungsbeteiligten aus §§ 606ff. HGB für Ladungsschäden und nach §§ 278, 286f. B G B für Verspätungsschäden. aaa) Nach Maßgabe und im Rahmen der §§662ff. HGB ist die Haftung des V e r f r a c h t e r s für Ladungsschäden dem Konnossementsinhaber gegenüber zwingend. Doch gilt das nicht für Verspätungsschäden (bestr. vgl. etwa W ü s t e n d ö r f e r SHR 294). Im Rahmen der zwingenden Haftung des Verfrachters können die Parteien auch nicht in Konnossementsklausein frei vereinbaren, was als Deviation „reasonable" sein soll (vgl. W ü s t e n d ö r f e r , The Hague Rules 1922, Überseestudien Heft 2, 1923, S. 28 Anm. 4 und SHR 257). Der Verfrachter haftet jedoch — anders als der Kapitän — für eine unerlaubte Deviation dann nicht, wenn sie durch n a u t i s c h e s V e r s c h u l d e n s e i n e r L e u t e (z.B. falsche Standortbestimmung) verursacht wurde (§ 607 Abs. 2 HGB). Doch gilt das nur von nautischem Verschulden als Deviationsursache, nicht für nautisches Verschulden während der Deviation.

Anm. 8

bbb) Vielmehr ist zu ersetzen j e d e r Schaden, der durch den unzulässigen Reiseweg verursacht wurde, also auch Zufallschaden und Schaden aus nautischem Verschulden der SchifEs-

Anm. 9

16'

243

§537

Vierter Teil. Seehandelsrecht

besatzung während der Deviationsfahrt. Der Ersatzpflichtige kann sieh nur nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 249 BGB) von der Haftung durch den strikten Nachweis befreien, daß derselbe Schaden auch bei Innehaltung des richtigen Transportweges eingetreten wäre; es genügt aber nicht der Beweis, daß auch bei direkter Beförderung die Unfallstelle passiert worden wäre und der Unfall hätte eintreten können (s. HansOLG HansGZ 1883, 102; 1884, 1303.; RGZ 10, 32 und HansGZ 1884, 295). Streiten die Parteien darüber, ob der Schaden aus einer Deviation zur Bettung von Leben oder Eigentum zur See entstand, so gilt zugunsten des Verfrachters die Beweisvermutung des § 608 Abs. 1 Ziff. 6 und Abs. 2 HGB. A l m 10

ccc) Auch soweit hiernach eine Freizeichnung des Verfrachters f ü r die Haftung von unzulässiger Deviation gestattet ist, sind derartige Freizeichnungsklauseln eng auszulegen ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 257f.). Als typische Bestandteile des Chartervertrages finden sich z.B. folgende Deviationsklauseln (vgl. C a p e l l e Frachtcharter 295): „The vessel shall have liberty to sail with or without pilots, to call at any ports for coal or other supplies or for any purpose of any kind whatsoever, to tow and to be towed, to assist vessels in distress, and to deviate for the purpose of saving live or property" oder „Der Dampfer hat Freiheit, andere Häfen anzulaufen, mit oder ohne Lotsen zu fahren, zu zu schleppen oder sich schleppen zu lassen, sowie anderen Schiffen Hilfe oder Beistand zu leisten und vom Kurse abzuweichen, um Leben oder Eigentum, auch Dritter, zu retten." Auch diese Klauseln geben dem Verfrachter keine unbeschränkte Freiheit in der Bestimmung des Reisewegs (C a p e 11 e a. a. 0.). So bezieht sich die Formulierung „to call at any ports" nicht etwa auf irgendwelche Häfen an fernen Meeren; vielmehr sind nur solche Häfen gemeint, die auf dem Reisewege gelegen sind, und auch diese darf das Schiff nur in der dem Verlauf der Reise entsprechenden geographischen Reihenfolge anlaufen. Etwas anderes gilt nur, wenn die angezogenen Klauselbestandteile etwa die Zusätze enthalten „in any order" oder „in beliebiger Reihenfolge". Mit der Frage der Deviation befassen sich auch noch gewisse S p e z i a l k l a u s e l n (vgl. C a p e l l e a.a.O., 297f.), so wenn dem Verfrachter, der das Recht haben soll, das Schiff mit einer Teilladung abgehen zu lassen und andere Güter zur Komplettierung der Ladung aufzunehmen, die Befugnis gewährt wird, dieserhalb andere Häfen anzulaufen, auch wenn sie nicht auf dem ursprünglich vorgesehenen Reiseweg des Schiffes liegen. Vgl. wegen der Regel V und X D E K 1940 C a p e l l e HansRGZ 1943 A Sp. 35 und L e b u h n , Neuzeitliche Konnossementsfragen S. 41 ff.

Anm. 11

5. Über Bedeutung und Wirkung der Deviation im S e e v e r s i c h e r u n g s r e c h t s. § 814 HGB und § 24 ADS. Vgl. wegen des Einflusses der Deviation auf die Haftung des Seeversicherers gegenüber dem Schiffshypothekengläubiger § 36 Abs. 2 ZifE. 3 SchRG und die dortige Erläuterung in Anm. 2 litt, c (Bd. I S. 506 und 507). § 537 Auf den persönlichen Kredit der Ladungsbeteilgten Geschäfte abzuschließen, ist der Schiffer auch in den Fällen des § 585 nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht befugt.

Einleitg.

Der Paragraph spricht aus, daß der Schiffer durch die von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäfte die Ladungsbeteiligten persönlich nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht verpflichten kann.

Anm. I

Zum V e r s t ä n d n i s dieser G e s e t z e s b e s t i m m u n g u n d in V e r b i n d u n g m i t ders e l b e n i s t d i e Haftung der Ladungsbeteiligten überhaupt zu b e h a n d e l n . 1. Die Haftung der Ladungsbeteiligten hat im deutschen H G B keine so klare und systematische Regelung gefunden wie diejenige des Reeders. Während die letztere durch ausdrückliche Gesetzesbestimmungen durchgreifend geordnet wird, begnügt sich das Gesetz be244

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§537

züglich der ersteren mit vereinzelten und nicht erschöpfenden Bestimmungen (§§ 537, 623, 679, 696, 697, 699, 725, 726, 751, 753, 777 HGB), aus denen das System entnommen werden muß. Es liegt nahe, dabei die Analogie der Reederhaftung heranzuziehen; man darf sich aber hierbei nicht, wie E h r e n b e r g und W a g n e r teilweise mit Recht vorgeworfen wird ( B o y e n s Bd. 1 S.406; S c h r ö d e r ZHR Bd. 32 S. 246), dazu verleiten lassen, über das Gesetz hinauszugehen und Theorien, die de lege ferenda sehr wohl Berücksichtigung verdienten, als geltendes Recht vorzutragen. 2. Die verschiedenen Arten der Haftung des Ladungsbeteiligten. Der Ladungsbeteiligte haftet nach deutschem Recht entweder A. unbeschränkt („persönlich"), d.h. mit seinem ganzen Vermögen, nicht bloß mit dem Ladungsvermögen (unten Anm. 6ff.). D i e u n b e s c h r ä n k t e H a f t u n g b i l d e t r e c h t l i c h d i e R e g e l ( W a g n e r 227): sie gilt, wo das Gesetz nichts anderes bestimmt. N e b e n i h r k a n n ein g e s e t z l i c h e s P f a n d r e c h t a m L a d u n g s v e r m ö g e n ( L a d u n g s g l ä u b i g e r r e c h t ) b e s t e h e n (unten zu C); oder

Anm. 2

B. beschränkt, und zwar a) e n t w e d e r a u f e i n e n b e s t i m m t e n K r e i s v o n V o l l s t r e c k u n g s o b j e k t e n , a u f d a s L a d u n g s v e r m ö g e n : nichtpersönliche Haftung. Mit ihr ist verbunden ein L a d u n g s g l ä u b i g e r r e c h t , nach positiver Vorschrift nur in drei Fällen (§§ 679, 725, 751 HGB), das aber analog auch in den übrigen Fällen der nicht persönlichen Haftung zu gewähren ist (unten Anm. 13). Über L a d u n g s g l ä u b i g e r r e c h t e des Ladungsbeteiligten an der eigenen Ladung s. Anm. 7 zu § 777 HGB.

Anm. 3

b) O d e r a u f e i n e n n a c h g e w i s s e n k o n k r e t e n U m s t ä n d e n s i c h b e m e s s e n d e n H ö c h s t b e t r a g : beschränkt persönliche Haftung. Sie tritt ein insbesondere, wenn die mit dem zu a erwähnten Pfandrecht belasteten Güter an den hiermit bekannten Empfänger ausgeliefert (§§697,726, 753 HGB) oder wenn gewisse in das Ladungsvermögen fallende Forderungen (Kaufgelder, Havariegrossevergütungen, Entschädigungen: unten Anm. 6) von dem Ladungsbeteiligten eingezogen werden (§ 777 HGB). Ein weiterer Fall ist der des § 630 Abs. 2 HGB; oder

Anm. 4

C. dinglich-persönlich, d.h. unbeschränkt- oder beschränkt-persönlich, während dem Gläubiger daneben ein Ladungsgläubigerrecht (oben B, a) zusteht. Die persönliche H a f t u n g k a n n e n t w e d e r a) m i t d e r d i n g l i c h e n z u g l e i c h w i r k s a m w e r d e n : dies gilt in der Regel f ü r die Ansprüche des Verfrachters aus dem Frachtvertrage, ferner f ü r Prozeßzinsen und Prozeßkosten, die anläßlich der Eintreibung einer Forderung mit beschränkter Haftung entstanden sind (vgl. Anm. 31 zu § 486; übereinstimmend L. P e r e i s ZHR Bd. 58 S. 78; E h r e n b e r g S. 41 u. 125, sofern nicht der Schiffer belangt ist; anders B o y e n s Bd. 1 S. 41111.; P a p p e n h e i m H B 2 S. 359);

Anm. 5

b) o d e r zu i h r h i n z u t r e t e n : so wenn zu der an sich nicht persönlichen Haftung des Ladungsbeteiligten ein neuer Verpflichtungsgrund, z.B. Gewährleistung oder Verschulden, hinzukommt. 3. Ladungsvermögen. Dem Schiffsvermögen, mit welchem der Reeder oder Ausrüster haftet, entspricht als die fortune de mer, mit welcher der Ladungsbeteiligte haftet, das L a d u n g s v e r m ö g e n , bestehend aus der L a d u n g , a n d e r er i n t e r e s s i e r t i s t , und den in gewissen Fällen a n i h r e S t e l l e t r e t e n d e n G e l d b e t r ä g e n . Es sind dies a) im Falle des Notverkaufs (§ 535 Abs. 3 HGB) das K a u f g e l d , solange es bei dem Käufer aussteht oder noch in den Händen des Schiffers ist (§§ 777, 764 HGB). Dasselbe gilt entsprechend f ü r den Verkauf durch die Strandbehörde nach § 18 StrandO ( E h r e n b e r g 104) und den Verkauf durch die zuständige Behörde im Falle von § 25 StrandO; b) in den Fällen der großen Haverei die V e r g ü t u n g f ü r A u f o p f e r u n g e n u n d B e s c h ä d i g u n g e n (§§ 777, 775 Abs. 1 HGB; vgl. § 732 HGB); 245

Aiim. 6

§537

Vierter Teil. Seehandelsrecht

c) in den Fällen der Beschädigung durch rechtswidrige Handlungen die von dem Verursacher des Schadens zu zahlende E n t s c h ä d i g u n g (§§ 777, 775 Abs. 2 HGB), aber n i c h t die V e r s i c h e r u n g s g e l d e r ( E h r e n b e r g 105). Wie entsprechend beim Schiffsvermögen ist darauf hinzuweisen, daß das L a d u n g s v e r m ö g e n n i c h t T e i l des V e r m ö g e n s des d a m i t h a f t e n d e n L a d u n g s b e t e i l i g t e n zu sein b r a u c h t (Anm. 2 zu § 535 HGB), daß dieser also unter Umständen mit ihm nicht gehörenden Vermögensgegenständen haftet. Deshalb ist es nicht erschöpfend, von einer Haftung des „Eigentümers der Ladung" zu sprechen. Anm. 7

Anm. 8

Der U m f a n g des Ladungsvermögens ist für die einzelnen in Betracht kommenden Fälle ein v e r s c h i e d e n e r : auch soweit etwa an ihm nur ein einziger Ladungsbeteiligter interessiert ist, bildet es nicht in dem Sinne eine Einheit, daß es von der Haftung stets als Ganzes ergriffen würde ( P a p p e n h e i m HB 2 S. 328fi.). So ist Haftungsobjekt für den Bodmereigläubiger nur die verbodmete Ladung, für den Havereigläubiger nur der noch vorhandene beitragspflichtige Teil der Ladung, für den Berge- und Hilfskostengläubiger nur der geborgene oder gerettete Teil der Ladung, für den Verfrachter die ganze noch vorhandene beförderte Ladung. Der A u s d r u c k „ L a d u n g s v e r m ö g e n " i s t a l s o r e l a t i v . E i n z e l n e Teile d e s s e l b e n L a d u n g s v e r m ö g e n s h a f t e n s o l i d a r i s c h (z. B. verschiedene Ballen oder Fässer einer einheitlichen Sendung). Verschifft aber derselbe Ladungsbeteiligte auf Grund verschiedener Frachtverträge verschiedene Güter mit demselben Schiffe, so bildet jedes derselben ein von den anderen unabhängiges besonderes Ladungsvermögen. Unter Umständen h a f t e n aber auch Bestandteile verschiedener Ladungsv e r m ö g e n s o l i d a r i s c h : so, wenn sie zusammen verbodmet (§ 691 HGB), zusammen geborgen oder gerettet sind (Prot. 4146).

Anm. 9

4. Wesen der nichtpersönllchen Haftung. Die nichtpersönliche Haftung des Ladungsbeteiligten ähnelt derjenigen des Reeders, ohne ihr völlig zu gleichen. Das Gemeinsame beider Haftungen liegt darin, daß in beiden Fällen der Schuldner kraft Gesetzes oder Vertrages (Bodmerei) nicht mit seinem ganzen Vermögen, sondern nur mit gewissen Vermögensgegenständen, einem Sondergute, haftet, und daß neben dieser Haftung ein Pfandrecht steht, das ihre Realisierung in dritter Hand ermöglicht. Verschiedenheiten ergeben sich aber aus der reinen Mobiliarnatur des Ladungsvermögens: die Haftung der Bestandteile des letzteren in dritter Hand, wie sie durch §§ 755 Abs. 2 u. 771 Abs. 3 HGB f ü r Schiff und Fracht vorgeschrieben ist, läßt sich mit Rücksicht auf das bürgerliche Mobiliarsachenrecht nur in beschränktem Maße auf das Ladungsvermögen übertragen.

Anm. 10

In den Fällen der nichtpersönlichen Haftung hat der Gläubiger ein o b l i g a t o r i s c h e s R e c h t g e g e n d e n bzw. die a n d e r b e t r e f f e n d e n L a d u n g B e t e i l i g t e n a u f Bef r i e d i g u n g bei V e r m e i d u n g der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g in d a s L a d u n g s v e r mögen. Schuldner ist derjenige, der zur Zeit des die Forderung begründenden Ereignisses der an der Ladung Interessierte, „derjenige, den es angeht", ist, gleichviel ob der ihn vertretende Schiffer oder derjenige, der Gläubigerrecht gegen ihn erwirbt, weiß, wer der derzeitig Interessierte ist. Je nach Sachlage kann es sich handeln um den Befrachter, den im Namenskonnossement genannten Empfänger oder den legitimierten Inhaber des Orderkonnossements. Diese Person bleibt der Schuldner, auch wenn sie nicht mehr Ladungsbeteiligter ist; aber ihre Haftung hat aufgehört, sobald die allein haftenden Gegenstände sie „nichts mehr angehen". Nun aber tritt das dem Ladungsgläubiger zustehende P f a n d r e c h t ein. Auf Grund seiner haftet jeder, der in der Folgezeit Ladungsbeteiligter •wird, und schließlich derjenige, der die betreffende Ladung, sei es als Empfänger (§ 614 HGB), sei es als Befrachter (§§ 582, 627 Abs. 2 HGB; vgl. § 44 KO), ausgeliefert erhalten hat, außerdem nur ein bösgläubiger Dritter (§§ 696, 725, 751 HGB). In den Händen sonstiger Personen sind die Güter für den Ladungsgläubiger nicht erreichbar. Der Eigentümer der Ladung, der nicht Ladungsbeteiligter ist, kann analog § 510 HGB gegenüber dem Pfandrecht mit seinem Eigentumsanspruch nur dann durchdringen, 'wenn er beweist, daß die Verwendung der Güter zum Seetransport ihm gegenüber widerrechtlich und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war ( W a g n e r 225; anders S c h r ö d e r ZHR Bd. 32 S. 247; B o y e n s Bd. 1 S. 409; aber zustimmend P a p p e n h e i m H B 2 S. 354ff.: a n d e r s b e i m V e r f r a c h t e r p f a n d r e c h t ) . Die Pfandrechte der Ladungsgläubiger gehen (anders das Verfrachterpfandrecht, das neben unpersönlicher

246

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§537

Haftung steht und f ü r das auch sonstige Abweichungen gelten: s. Anm. 3 zu § 623 HGB) landrechtlichen Pfandrechten vor (über diese im Gesetz nicht geregelte und sehr bestrittene Frage s. P a p p e n h e i m HB 2 S. 348 und Anm. 18 zu § 777 HGB). 5. Fälle der nichtpersönlichen Haftung. Sie zerfallen in s o l c h e , in d e n e n G e s e t z o d e r Anm. 11 V e r t r a g a u s d r ü c k l i c h ein P f a n d r e c h t g e w ä h r e n , und s o l c h e , in d e n e n e i n P f a n d r e c h t im W e g e d e r A n a l o g i e z u z u b i l l i g e n ist. a) F ä l l e d e r e r s t e n K l a s s e . Durch Gesetz bzw. Vertrag ist ein Pfandrecht in folgen- Anm. 12 den Fällen beschränkter Haftung des Ladungsbeteiligten gegeben: aa) im Falle der V e r b o d m u n g an den verbodmeten Gütern (§ 679 HGB) zugunsten des Bodmereigläubigers; bb) im Falle der H a v a r i e g r o s s e an den beitragspflichtigen Gütern zugunsten der Ersatzberechtigten (§ 725 HGB); cc) im Falle der B e r g u n g oder H i l f e l e i s t u n g an den geborgenen bzw. geretteten Gütern zugunsten des Berge- bzw. Hilfskostengläubigers (§ 751 HGB), gleichviel, ob die Bergung oder Hilfeleistung auf Vertrag beruht oder nicht. Die Rangordnung dieser Pfandrechte und ihr Verhältnis zu dem Pfandrecht des Verfrachters ordnet § 777 HGB. Im übrigen soll auf diese Pfandrechte hier noch nicht eingegangen werden. Über die Fälle hinzutretender persönlicher Haftung s. Anm. 14. b) F ä l l e d e r z w e i t e n K l a s s e . Aus dem Gesetz ist eine Anzahl von Fällen ersichtlich, Anm. 13 in denen die Haftung des Ladungsbeteiligten auf das Ladungsvermögen beschränkt ist, ohne daß daneben der Existenz eines Pfandrechts an dem haftenden Sondergut, als Ausgleich f ü r die Sachhaftung, Erwähnung getan wird. Auf Grund dieses Schweigens des Gesetzes wird für diese Fälle ein Pfandrecht überwiegend verneint ( S c h r ö d e r ZHR Bd. 32 S. 246; B o y e n s Bd. 1 S. 406ff. und ZHR Bd. 61 S. 263; B r o d m a n n Note 1; B r a n d i s Bd. 1 S. 118). Die entgegenstehende Ansicht dagegen will sämtliche Fälle der unpersönlichen Haftung gleich behandeln (so — abgesehen von E h r e n b e r g 119, der überall ein Pfandrecht leugnet — W a g n e r 227, P a p p e n h e i m Bd. 2 S. 236ff.; W ü s t e n d ö r f e r HB 263ff. und SHR 209; S c h l e g e l b e r g e r Anmerkung 2 zu § 537 HGB), also auch hier Pfandrechte gewähren. Dieser Ansicht, die eine empfindliche Lücke des Gesetzes im Wege der Analogie ausfüllen will, ist beizutreten. Forderungen, für die nur beschränkt gehaftet wird, ohne daß ihnen ein Pfandrecht zur Seite steht, müßten nicht nur hinter Forderungen mit Ladungspfandrecht, sondern auch hinter solchen mit gemeinrechtlichen, durch Gesetz oder Vertrag begründeten Pfandrechten, seien sie auch später entstanden, zurücktreten; sie hätten nicht einmal einen Vorzug vor irgendwelchen ungeschützten Landforderungen gegen die Ladungsbeteiligten, für die ja das Ladungsvermögen gleichfalls in Anspruch genommen werden kann. Eine solche stumpfe und meist nahezu wertlose Waffe kann das Gesetz nicht denjenigen haben gewähren wollen, denen zugemutet wird, Aufwendungen für eine auf der Reise befindliche fremde Ladung zu machen. Dem Rechts- und Verkehrsbedürfnis kann hier nur genügt werden, wenn man im Wege der Analogie dem Gläubiger die entsprechende Sicherung zuteil werden läßt, welche das deutsche Recht in sämtlichen Fällen der beschränkten Haftung des Reeders und in den Fällen der ersten Klasse (oben Anm. 12) gewährt. Die Schwierigkeit der Einfügung dieser Pfandrechte in die Rangordnung ( B r a n d i s Bd. 1 S. 118) ist zuzugeben, aber nicht unüberwindbar (Papp e n h e i m HB 2 S. 371). F ä l l e d e r z w e i t e n K l a s s e sind vor allem die der E i n g e h u n g v o n V e r p f l i c h t u n - Anm. 14 gen d u r c h d e n S c h i f f e r als g e s e t z l i c h e m V e r t r e t e r d e r L a d u n g s b e t e i l i g t e n (Anm. 7ff.zu § 535 HGB), abgesehen von der Verbodmung. In Betracht kommen namentlich Arbeitslöhne, Lagerkosten, Provisionen, Reklamekosten und sonstige Aufwendungen. Daß in diesen Fällen mangels besonderer Abrede eine persönliche Verpflichtung des Schiffers entsteht ( B o y e n s Bd. 1 S. 407), ist zu leugnen. — Ferner gehören hierher die nach Analogie der großen Haverei zu beurteilenden Ansprüche eines Ladungsbeteiligten gegen den anderen wegen Aufopferung von Gütern des einen behufs Rettung der beiderseitigen Güter aus gemeinsamer Gefahr ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 346). 6. Persönliche Haftung der Ladungsbeteiligten auf Grund besonderer Vollmacht des Anm. 15 Schiffers oder sonstiger Umstände.

247

§537

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Sie tritt ein: a) A u s G e s c h ä f t e n , d i e d e r S c h i f f e r b e f u g t e r w e i s e (§ 537 HGB) a u f d e n p e r s ö n l i c h e n K r e d i t d e r L a d u n g s b e t e i l i g t e n a b g e s c h l o s s e n h a t . Der Schifier ist daf ü r nur befugt auf Grund einer ihn hierzu, d.h. zu dem betreffenden Geschäft, ermächtigenden V o l l m a c h t und er muß, wenn aus dem Geschäft die persönliche Haftung der Ladungsbeteiligten entstehen soll, m i t B e z u g , auf diese Vollmacht gehandelt haben (vgl. Anm. 18f. zu § 486 HGB): es genügen nicht interne Instruktionen ( E h r e n b e r g 50). Natürlich haftet persönlich nur derjenige Ladungsbeteiligte, der die Vollmacht erteilt hat. Anm. 16

b) A u f G r u n d v o n G e w ä h r l e i s t u n g d e s L a d u n g s b e t e i l i g t e n

( W a g n e r 230).

Anm. 17

c) A u f G r u n d e i n e s h i n z u t r e t e n d e n V e r s c h u l d e n s des an sich nur beschränkt haftenden Ladungsbeteiligten ( W a g n e r 230).

Anm. 18

d) A u f G r u n d d e s P r o z e s s e s . Läßt es der Ladungsbeteiligte zum Prozeß kommen, so haftet er f ü r Prozeßzinsen und Prozeßkosten persönlich, da die Prozeßführung einen selbstständigen Verpflichtungsgrund bildet, und zwar auch dann, wenn der Schiffer auf Grund seiner gesetzlichen Vertretungsmacht diesen Verpflichtungsgrund schafft (oben Anm. 5). Nicht in die zweite Klasse fallen Ansprüche des Staats aus § 25 StrandO (Deckung der Kosten obrigkeitlichen Eingreifens, RGZ 73, 10); auf deren Erstattung besteht zwar ein privatrechtlicher Anspruch; f ü r dessen Realisierung bedarf es aber der Heranziehung des Pfandrechts kraft Analogie nicht.

Anm. 19

I n d e n F ä l l e n b bis d b l e i b t d a s L a d u n g s p f a n d r e c h t n e b e n d e r p e r s ö n l i c h e n H a f t u n g b e s t e h e n . I m F a l l e a g e l a n g t es z u r E n t s t e h u n g n u r i m F a l l e d e r B o d m e r e i , weil es begrifflich zu dieser gehört.

Anm. 20

7. Der Schiffer als Ladungsbeteiligter. Ob der Ladungsbeteiligte, der zugleich der Schiffer ist, aus Geschäften, deren Abschluß innerhalb der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffers f ü r die Ladungsbeteiligten liegt, persönlich oder nichtpersönlich haftet, diese vom Gesetze nur f ü r den Fall der Bodmerei in § 699 HGB ausdrücklich entschiedene Frage ist streitig wie die entsprechende Frage bezüglich des Schifferreeders (Anm. 33ff. zu § 486). Für die nichtpersönliche Haftung sprechen sich aus E h r e n b e r g 51 und W a g n e r 296 Note 20; gegen sie L e w i s Bd. 1 S. 153 und B o y e n s Bd. 1 S. 413. Die Frage ist mit S a l m a n n ZHR Bd. 41 S. 452ff. dahin zu beantworten, daß der Schiffer, sofern er mit Bezug auf seine Eigenschaft als Ladungsbeteiligter abschließt, persönlich (bzw. dinglich-persönlich: oben Anm. 5 u. 19), sonst nichtpersönlich haftet (vgl. auch Prot. 3835).

Anm. 21

Zusatz. Verauslagungen. Anstatt in den Fällen des § 535 H G B i m N a m e n der Ladungsbeteiligten abzuschließen, kann der Schiffer dies f ü r R e c h n u n g derselben entweder persönlich (vgl. Prot. 2630) oder im Namen des von ihm vertretenen Reeders (oder Ausrüsters) tun. Als v e r p f l i c h t e t hierzu ist er höchstens dann zu erachten, wenn der Gegenkontrahent sich auf eine nichtpersönliche Haftung des Ladungsbeteiligten nicht einlassen will und die Verauslagung sich ohne erhebliches Opfer und Risiko f ü r den Schiffer oder den Reeder bewerkstelligen läßt.

Anm. 22

a) Der Schiffer verpflichtet sich persönlich. E r hat alsdann einen Rückgriffs- bzw. Freihaltungsanspruch (§ 257 BGB) nicht gegen den Verfrachter (wie das LG Hamburg HansGZ 1891 Nr. 31 annimmt), sondern nach Analogie von §§ 670, 683 BGB gegen den betreffenden Ladungsbeteiligten. Dieser haftet ihm, da eine dem § 532 HGB entsprechende Bestimmung f ü r das Verhältnis zwischen Schiffer und Ladungsbeteiligten nicht existiert, persönlich (so auch E h r e n b e r g 48ff. Note 19, und S a l m a n n Z H R Bd. 41 S.385ff., anders W a g n e r 297); doch hat er nicht, wie B o y e n s Bd. 1 S. 406 (vgl. auch LG Hamburg im HansGZ 1891 Nr. 31) meint, ein Zurückbehaltungsrecht an der Ladung, weil mithin nur der Reeder (Verfrachter) der „zur Herausgabe Verpflichtete" und nach § 273 Abs. 2 BGB zur Zurückbehaltung Berechtigte ist. Erstattet er sich seine Auslagen aus der Schiffskasse — was ihm gestattet ( B o y e n s Bd. 1 S. 406), daher nach § 181 BGB unbedenklich ist —, so geht sein Anspruch gegen den Ladungsbeteiligten allerdings auf den Reeder (Verfrachter) über, und letzterem steht das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 BGB zu, welches vom Schiffer auszuüben 248

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 538

ist. Dagegen ist zu bestreiten, daß der Reeder (Verfrachter) wegen seiner Zahlung an den Schiffer (s. Anm. 23 zu § 614) das Pfandrecht der §§ 614, 623 HGB an der Ladung gewinnt, wie B o y e n s Bd. 1 S. 406 behauptet: die Berichtigung einer persönlichen Schuld des Ladungsbeteiligten an den Schiffer ist keine Auslage auf die Ladung, selbst wenn jene Schuld durch eine Auslage des Schiffers auf die Ladung entstanden ist. — Berichtigt der Schiffer eine auf der Ladung haftende Haverei-, Bergungs-, Hilfslohns- oder Bodmereischuld aus eigenen Mitteln, so erlischt diese, und der Schiffer hat nur einen persönlichen Anspruch gegen den Ladungsbeteiligten. Anders, wenn sich der Schiffer die Forderung abtreten läßt (§ 1250 BGB). b) Der Schiffer verpflichtet den Reeder. Auch Verauslagungen des Schiffers f ü r Ladungs- Anm. 23 beteiligte im Namen des Reeders können Rechtshandlungen sein, welche die Ausführung der Reise mit sich bringt (§ 527 HGB), also zu den gesetzlichen Befugnissen des Schiffers gehören. Daher haftet, wenn der Schiffer ersichtlich nicht im Namen des Ladungsbeteiligten, sondern im Namen seines Reeders abschließt, dieser mit Schiff und Pracht (§§ 486 Nr. 1, 533 HGB). Der Reeder hat gegen den Ladungsbeteiligten regelmäßig (§§ 677, 812 BGB) einen persönlichen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen, welcher durch das Pfandrecht des § 623 HGB, in den Fällen des § 615 Abs. 1 HGB außerdem durch ein Zurückbehaltungsrecht gesichert ist. Wegen verbotswidrig vorgenommener Verauslagungen hat der Reeder einen Ersatzanspruch gegen den Schiffer. § 538 Außer den Fällen des § 585 ist der Schiller zur Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungsteile durch Verkauf oder Verwendung nur befugt, soweit es zum Zwecke der Fortsetzung der Reise notwendig ist. Vorbemerkung zu den §§ 538 bis 541. Diese zusammengehörigen Bestimmungen betreffen die Befugnis des Schiffers zur Verbodmung der Ladung und zur Verfügung über Ladungsteile im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten. § 538 stellt das Grundprinzip auf, § 539 behandelt den Fall der großen Haverei, § 540 die übrigen Fälle, § 541 die Rechtsfolgen einer gemäß § 540 vorgenommenen Verfügung. § 538 gestattet dem Schiffer die daselbst genannten Vertilgungen nur, soweit sie zum Zwecke der Fortsetzung der Reise notwendig sind. Vgl. dazu RGZ 121, 300. 1. Die Vorbedingung. Das Gesetz geht davon aus, daß die Fortsetzung der Reise im Interesse aller Beteiligten liegt. Sie kann behindert werden durch eine f ü r Schiff und Ladung gemeinsame Gefahr (§ 539 HGB) oder durch irgendein anderes Hindernis (§ 540 HGB). Diese Hindernisse darf der Schiffer durch außerordentliche, zunächst nur die Ladung betreffende Maßregeln beseitigen.

Anm. 1

2. Diese Maßregeln sind a) Verbodmung der Ladung, auch von L a d u n g s t e i l e n ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 356 Note 2), nur zulässig mit der des Schiffes und der der Fracht zusammen (§ 680 Abs. 2 HGB; demnach niemals im Heimathafen: § 526 HGB), nach näherer Maßgabe der §§ 679ff. HGB.

Anm. 2

b) Verkauf von Ladungsteilen. Nicht die g a n z e Ladung darf verkauft werden, weil ohne sie von einer Fortsetzung der Reise ( = Frachtreise) keine Rede mehr sein würde (Prot. 2462; OG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 182). Gehört die ganze Ladung demselben Befrachter, so muß der Schiffer, wenn er einen verhältnismäßig großen Teil davon verkaufen will, sich die Frage vorlegen, ob es wirklich dem vernünftigen Interesse des Verfrachters entspricht, mit dem Reste die Reise fortzusetzen (OG Hamburg a.a.O.). Jedenfalls darf nur so viel verkauft werden, als zur Deckung des Bedürfnisses erforderlich ist (HG Hamburg a.a.O. 254).

Anm. 3

c) Verwendung von Ladungsteilen, z. B. von Kohlenladung zur Feuerung des Schiffes, wenn Kohle fehlt. Von ihr gilt das gleiche, was unter b von dem Verkauf gesagt ist.

Anm. 4

I n bezug auf die Gültigkeit der nach § 538 abgeschlossenen Rechtsgeschäfte gelten die Vorschriften des § 528 Abs. 2 HGB (s. Anm. 1 ff. zu § 542 HGB). Für den Verkauf der Ladung kommt § 777 HGB Abs. 2 nicht in Betracht, doch ist betreffs des Erlöschens der auf der Ladung haftenden Pfandrechte § 764 HGB entsprechend anzuwenden. Für das Erlöschen früher bestehenden Eigentums gilt das in Anm. 22 zu § 535 HGB Gesagte.

Anm. 5

249

§ § 5 3 9 , 540 Asm. 6

Vierter Teil. Seehandelsrecht

3. Die Wirkung der ergriffenen Maßregel trifft im Endergebnisse a) in den Fällen der großen Haverei (§ 539 HGB) alle B e t e i l i g t e n ; b) in allen anderen Fällen (§ 540 HGB) den R e e d e r (§§ 528, 541 HGB), der insoweit unpersönlich haftet (§§ 754 Nr. 6, 486 HGB). § 539 Gründet sich das Bedürfnis auf eine große Haverei und kann der Schiffer ihm durch verschiedene Maßregeln abhelfen, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welche für die Beteiligten mit dem geringsten Nachteile verbunden ist. Auswahl unter verschiedenen Maßregeln im Falle der großen Haverei.

Anm.

Die große Haverei (§§ 700ff. HGB) erfordert ein freiwilliges Opfer. Soweit dieses in der Aufwendung von Geldbeträgen besteht und der Schiffer diese nicht zur Verfügung hat und nicht durch ein einfaches Darlehnsgeschäft (§ 528 HGB) sich verschaffen kann, muß er unter den zur Beschaffung des Geldes in Betracht kommenden außerordentlichen Wegen denjenigen wählen, der nach Sachlage für die Beteiligten mit dem geringsten Nachteile verbunden ist. In Frage kommen Aufnahme von Havereigeldern (Anm. 1 zu § 528 HGB), Verbodmung des Schiffes, Verbodmung der Fracht, Verkauf von Schiffszubehör, Verkauf von Schiffsvorräten, Verbodmung von Schiff, Fracht und Ladung, Verkauf von Ladungsteilen (Prot. 3822). Von der Zweckmäßigkeit der getroffenen Wahl hängt die Gültigkeit des gewählten Geschäfts nicht ab, es sei denn, daß der Dritte in bösem Glauben war (vgl. Anm. 3 zu § 542 HGB). § 540 Liegt der Fall einer großen Haverei nicht vor, so ist der Schiffer zur Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungsteile durch Verkauf oder Verwendung nur befugt, wenn er dem Bedürfnis auf anderem Wege nicht abhelfen kann oder wenn die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnismäßigen Schaden für den Reeder zur Folge haben würde. Auch in diesen Fällen kann er die Ladung nur zusammen mit dem Schiffe und der Fracht verbodmen (§ 680 Abs. 2). Er hat die Verbodmung vor dem Verkaufe zu wählen, es sei denn, daß die Verbodmung einen unverhältnismäßigen Schaden für den Reeder zur Folge haben würde. Beschränktere Auswahl des Schiffers in Fällen, die nicht große Haverei sind.

Anm. I

1. Besteht das Hindernis für die Fortsetzung der Reise nicht In einem Falle der großen Haverei, sondern in besonderer Haverei, z.B. Reparaturbedürftigkeit des Schiffes (vgl. OAG Lübeck, Sammlung in Hamb. Rechtssachen Bd. 2 S. 933; Prot. 2463) oder einem sonstigen Notfall, z.B. Axrestierung des Schiffes, so ist die Auswahl des Schiffers zwischen den ihm zu Gebote stehenden Maßregeln eine beschränktere als im Falle des § 539. Das Gesetz beschränkt dieselbe nämlich nach folgender Richtung:

Anm. 2

a) Verbodmung der Ladung oder Verkauf von Ladungstellen darf er nur vornehmen, wenn entweder aa) dem Bedürfnis auf keinem anderen Wege abgeholfen werden kann, oder bb) die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnismäßigen Schaden für den Reeder zur Folge haben würde. Daß eine dieser Voraussetzungen vorliegt, hat im Streitfalle der Schiffer zu beweisen.

Anm. 3

b) Verbodmung ist vor dem Verkauf zu wählen, es müßte denn sein, daß — was evtl. gleichfalls der Schiffer zu beweisen hat — die Verbodmung einen unverhältnismäßigen Schaden für den Reeder zur Folge haben würde.

Anm. 4

2. Die Berücksichtigung eines dem Reeder sonst entstehenden unverhältnismäßigen Schadens begründen die Protokolle (3823) mit der Erwägung, daß der aus der Maßregel resul250

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 541, 542

tierende Schaden nach § 541 HGB unter allen Umständen dem Reeder zur Last falle: wenn auch diese Ersatzpflicht nach § 541 keine persönliche sei, so bedeute dies nicht viel f ü r die Ladungsbeteiligten, da meist mit dem SchiSe auch die Ladung untergehe. D i e s e B e g r ü n d u n g i s t r e c h t u n b e f r i e d i g e n d . Sie berücksichtigt, abgesehen von der nicht so abseits liegenden Möglichkeit, daß die Ladung nicht mit dem Schiff untergeht, sondern daß sie entweder vor dem Untergang des Schiffes an ihrem Bestimmungsorte ausgeladen, oder daß sie gerettet wird, den Fall nicht, daß eine Befriedigung aus dem Schiffsvermögen wegen Überschuldung desselben nicht zu erlangen ist. Mangels einer genügenden Begründung erscheint aber die übergroße Berücksichtigung des Interesses des Reeders gegenüber demjenigen der Ladungsbeteiligten weder zweckmäßig noch gerecht. § 541 Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über Ladungsteile durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des § 540 als ein für Rechnung des Reeders abgeschlossenes Kreditgeschäft (§ 528, § 754 Nr. 6) angesehen. Auf den Ersatz, den der Reeder zu leisten hat, findet § 658 Anwendung. Übersteigt im Fall der Verfügung über die Güter durch Verkauf der Reinerlös den im § 658 bezeichneten Wert, so tritt an dessen Stelle der Reinerlös. § 541 betrifft die Ersatzpflicht des Reeders für eine nicht durch einen Fall großer Haverei gebotene Aufopferung gemäß § 540. Während im Falle des § 539 der durch Verbodung der Ladung und durch Verkauf oder Verwendung von Ladungsteilen dem betreffenden Ladungsbeteiligten entstandene Schaden als große Haverei auf alle beitragspflichtigen Interessenten verteilt wird, hat in den übrigen Fällen der Reeder als derjenige, dessen Sache die Herbeischaffung der f ü r den Transport erforderlichen Gelder ist, mit seinem Schiffsvermögen den geschädigten Ladungsbeteiligten ihren Schaden nach Maßgabe von § 541 Abs. 2, der durch die Novelle von 1937 eingefügt wurde und inhaltlich dem früheren § 612 a . F . entspricht, zu ersetzen. Regelmäßig ist der gemeine Handelswert zu erstatten (§ 658 HGB). Übersteigt der vom Kapitän erzielte Reinerlös diesen Wert, so hat der Reeder den Reinerlös zu ersetzen, da er sich sonst auf Kosten der Ladungsbeteiligten ungerechtfertigt bereichern würde. Das gilt auch dann, wenn der Reinerlös die Haftungssumme des § 660 übersteigt ( G r a m m , Seefrachtrecht Anm. 1 zu § 541 HGB). Die Forderung des Ladungsbeteiligten ist durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert, § 754 Nr. 6 HGB.

A m 1

H a t der Kapitän durch den Abschluß des den Ladungsbeteiligten schädigenden Rechtsgeschäfts seine Vertretungsmacht schuldhaft überschritten, so haftet er dem Ladungsbeteiligten persönlich aus § 512 H G B auf vollen Schadensersatz. Auch der Reeder hat in diesem Falle vollen Ersatz zu leisten, und zwar hinsichtlich des den gemeinen Handelswert bzw. den Reinerlös übersteigenden Betrages nach §§ 485, 486 Abs. 1 Nr. 3, 754 Nr. 9 H G B (Vgl. S a l m a n n ZHR Bd. 41 S. 387 Note 57). Doch gilt hier die summenmäßige Beschränkung der Haftung aus § 660 HGB, da es sich um eine vertragliche Haftung auf Schadensersatz handelt (vgl. G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. I I zu § 541).

Anm. 2

§ 542 In bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der §§ 535, 538 bis 540 von dem Schiffer abgeschlossenen Rechtsgeschäfte finden die Vorschriften des § 528 Abs. 2 Anwendung. Die Gültigkeit der Kreditgeschäfte, welche der Schiffer in den Fällen der §§ 535, 538 bis 540 Einlettg. abschließt, ist abhängig weder von der wirkliehen Verwendung der ihm durch sie zufließenden Gelder noch von der Zweckmäßigkeit der unter mehreren derselben getroffenen Wahl noch von dem Umstand, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden hat — es sei denn, daß der Dritte in bösem Glauben war. Über den Begriff der Kreditgeschäfte s. Anm. 1 zu § 528 HGB. 251

§543

Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Der Paragraph bezieht sich nicht nur auf die Kreditgeschäfte der §§ 538 bis 540, sondern auch auf die des § 535 H G B (Verbodmung zur Beschaffung der Mittel zur Erhaltung und Weiterbeförderung der Ladung), dagegen n i c h t auf sonstige in den zitierten Paragraphen genannte Geschäfte ( B o y e n s Bd. 1 S. 418). 1. Zur Gültigkeit dieser Kreditgeschälte ist erforderlich, daß das Bedürfnis objektiv vorliegt und daß die Eingehung des Geschäfts zur Befriedigung des Bedürfnisses objektiv erforderlich ist. Das Gesetz f ü h r t aber durch die Bezugnahme auf § 528 Abs. 2 ausdrücklich gewisse Umstände auf, von denen die Gültigkeit des Geschäfts nicht abhängen soll, es sei denn, daß der Dritte, d.h. der Kreditgeber, in bösem Glauben war. Bs sind dies: a) Die wirkliche Verwendung des durch das Kreditgeschäft erlangten Geldes zur Befriedigung des Bedürfnisses. Der Dritte kann sich nicht im voraus vergewissern, ob der Schiffer das Geld wirklich f ü r das Bedürfnis verwenden wird; ebensowenig ist er in der Lage, nach Hergabe des Geldes einen Einfluß in dieser Richtung auszuüben. Ist ihm aber bei Hergabe des Geldes bekannt, daß der Schiffer nicht die Absicht hat, dasselbe zur Befriedigung des Bedürfnisses zu verwenden, so ist er in bösem Glauben: das Kreditgeschäft ist, wenn der Schiffer das Geld wirklich nicht bestimmungsgemäß verwendet, ungültig, d.h. f ü r den von dem Schiffer Vertretenen nicht bindend, und der Kreditgeber h a t höchstens einen Anspruch auf Erstattung der etwaigen ungerechtfertigten Bereicherung. b) Die Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditgeschäften getroffenen Wahl. Der Kreditgeber h a t in dieser Hinsicht keine Informationspflicht; auch seine Kenntnis von einer f ü r den Reeder vorteilhafteren Geschäftsmöglichkeit schadet ihm nichts (Anm. 5 zu § 528 HGB). Er ist nur in bösem Glauben, wenn er weiß, daß der Schiffer durch die Wahl dieses Geschäfts statt eines anderen, das f ü r den Ladungsbeteiligten vorteilhafter ist, absichtlich gegen die Interessen des Reeders handelt. Es treten alsdann die zu a erwähnten Folgen ein. c) Der Umstand, ob dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden hat. Auch insoweit liegt dem Kreditgeber eine Erkundigungspflicht nicht ob (Prot. 3816 ff., 3827): das Nichtverwenden zur Verfügung stehender Gelder h a t oft seine guten Gründe und braucht keine Pflichtwidrigkeit des Schiffers zu bedeuten. Liegt aber eine solche vor und ist dies dem Geldgeber bei Hingabe des Geldes bekannt, so ist er in bösem Glauben, und es treten die unter a angegebenen Folgen ein. In allen diesen Fällen s t e h t Wissenmüssen dem Wissen, grobes Verschulden dem dolus nicht gleich. 2. Beweislast. a) Der klagende Kreditgeber h a t zu behaupten und evtl. zu beweisen aa) d a s o b j e k t i v e V o r h a n d e n s e i n d e s B e d ü r f n i s s e s , bb) d i e o b j e k t i v e E r f o r d e r l i c h k e i t d e r E i n g e h u n g d e s G e s c h ä f t s i n d e m v o r l i e g e n d e n U m f a n g e (vgl. Prot. 3827; anders AppG Marienwerder BuschsA Bd. 20 S. 282, nach welchem dem Gläubiger die Überschreitung des Bedürfnisses nachzuweisen ist) z u r B e f r i e d i g u n g d e s B e d ü r f n i s s e s . I m Falle der Bodmerei kann er sich auf dem im § 685 H G B angegebenen Wege eine Vermutung in dieser Richtung schaffen. b) Demgegenüber muß der In Anspruch genommene Ladungsbeteiligte aa) beweisen, d a ß d e r K r e d i t g e b e r in bösem Glauben (oben Anm. 2, 3, 4) gewesen sei. bb) oder bei der B o d m e r e i d e n i h m i n § 6 8 5 v e r s t a t t e t e n G e g e n b e w e i s führen. § 543

Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Ladungsempfänger außer der Fracht als Kaplaken, Primage oder sonst als Belohnung oder Entschädigung, gleichviel unter welchem Namen, erhält, hat er dem Reeder als Einnahme in Rechnung zu bringen. Vergütungen jeder Art seitens der Ladungsbeteilgten hat der Schiffer dem Reeder als Einnahme in Rechnung zu stellen.

252

Zweites Kaptel. Viertes Buch des HGB

§543

1. Vielfach werden dem Schiffer Vergütungen seitens der Ladungsbeteiligten zugewendet oder versprochen, u m ihn zu reger Tätigkeit in ihrem Interesse anzuspornen. Als Bedingung f ü r solche Vergütungen pflegt der E i n t r i t t eines objektiven Erfolges — z . B . der A n k u n f t der W a r e in gutem Zustande (HG H a m b u r g H a n s G Z 1875 Nr. 120) oder mit einem verhältnismäßig geringen Gewichtsverlust (HansOLG H a n s G Z 1904, 284), das Eintreffen des Schiffes a m Bestimmungsort bis zu einem gewissen Termin (z.B. d e m des I n k r a f t t r e t e n s eines höheren Zollsatzes: OAG Lübeck SeuflA B d . 9 Nr. 153 = Bremer Sammlung Bd. 1 S. 541 ff.) — gestellt zu werden. Doch k a n n die Leistung auch abhängig gemacht werden von der subjektiven Zufriedenheit des Versprechenden (HG H a m b u r g Ullrich B d . 1 N r . 65; Bd. 2 N r . 360) oder des Empfängers (HG H a m b u r g HansGZ 1870 Nr. 332: „ g r a t u i t y of one Shilling per t o n delivered, in case he delivered his cargo t o t h e consignee's entire satisfaction"; vernünftiges Ermessen entscheidet!) oder der Passagiere (Ullrich B d . 1 Nr. 65; der Versprechende, der nicht zahlen will, m u ß beweisen, daß den Passagieren Veranlassung zur Unzufriedenheit gegeben sei). Diese Vergütungen, im Verkehr bezeichnet als K a p l a k e n (ursprünglich Zahlung f ü r Tuch zu einer Kappe), Prämie, Primage (doch werden d a r u n t e r jetzt in erster Linie prozentuale Prachtzuschläge, die dem Verfrachter abredegemäß vom Befrachter zu zahlen sind, verstanden, welche d a n n u n t e r b e s t i m m t e n Voraussetzungen zurückgewährt werden; s. auch W ü s t e n d ö r f e r S H R 194), Primgeld, Gratiale, Gratifikation, g r a t u i t y ( H e r m a n n u. Hirsch Nr. 120; HansGZ 1875 Nr. 120), Schreibegeld (Prot. 1924) usw., sind geeignet, Interessenkonflikte in d e m Schiffer zu erzeugen. Diese will das Gesetz durch die vorliegende Vorschrift beseitigen. Siehe wegen eines andersartigen Begriffs der K a p l a k e n auch u n t e r A n m . 7.

Anm, 1

2. Verhältnis zu § 667 BGB. B e i d e V o r s c h r i f t e n g e l t e n n e b e n e i n a n d e r . N a c h § 667 (675) B G B ist der B e a u f t r a g t e verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausf ü h r u n g des Auftrages erhält u n d was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben: Daneben verpflichtet ihn § 543 H G B , gewisse Belohnungen u n d Entschädigungen, die er von den Ladungsbeteiligten erhalten h a t , dem Reeder als E i n n a h m e in R e c h n u n g zu bringen. Mit P a p p e n h e i m H B 2 S. 484 ist in § 543 eine W i e d e r h o l u n g d e s s e n , w a s s i c h o h n e h i n a u s § 6 6 7 B G B e r g i b t , f ü r e i n e n e n g e r a b g e g r e n z t e n T a t b e s t a n d zu sehen. a) Die engere Abgrenzung des Tatbestands liegt nicht bloß in der K o n z e n t r i e r u n g a u f d a s R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n S c h i f f e r u n d R e e d e r , sondern sie bezieht sich auch auf die P e r s o n d e s G e b e r s : § 543 trifft nur Gaben der Ladungsbeteiligten, § 667 B G B dagegen auch alles von anderen Personen aus der Geschäftsbesorgung Erlangte, also auch Belohnungen u n d Entschädigungen von Reisenden (vgl. Ullrich Bd. 1 Nr. 65), Lieferanten, Stauern, Schiffsmäklern ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 484 will auf solche den § 543 analog anwenden) : den E l t e r n eines vom Schiffer angemusterten Schiffsjungen (HG H a m b u r g H a n s G Z 1872 N r . 192).

Anm. 2

b) Persönliche Zuwendungen. Wie nach § 667 B G B dem Auftraggeber nicht herausgegeben zu weiden brauchen Zuwendungen, die dem B e a u f t r a g t e n a n l ä ß l i c h der Geschäftsbesorgung f ü r s e i n e e i g e n e P e r s o n gemacht werden (RGZ 55, 91), so b r a u c h t auch der Schiffer p e r s ö n l i c h e Z u w e n d u n g e n , d i e i h m n i c h t i m H i n b l i c k a u f s e i n e d i e n s t l i c h e T ä t i g k e i t g e m a c h t s i n d , dem Reeder nicht in R e c h n u n g zu stellen ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 484; anders R O H G 6, 64ff.). D a aber die Grenze meist sehr schwer zu ziehen ist u n d Liberalitäten k a u m v e r m u t e t werden können, trifft im Streitfall den Schiffer die Beweislast d a f ü r , daß er die betreffende Zuwendung nicht „als K a p i t ä n " erhalten habe (L. P e r e i s Z H R Bd. 58 S. 34). N i c h t als persönliche Zuwendung k a n n b e t r a c h t e t werden eine Vergütung, die sich der Schiffer f ü r seine dienstlichen Verrichtungen (vgl. H a n s O L G H a n s G Z 1914, 106), z. B. Bemühungen gemäß § 632 H G B h a t zahlen lassen (OG Bremen BuschsA Bd. 31 S. 73), oder eine von ihm f ü r einen Ladungsbeteiligten v e r e i n n a h m t e E i n f u h r p r ä m i e , auf die dieser ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet h a t (vgl. L e w i s Bd. 1 S. 160 zu d e m v o m R O H G 6, 62ff. entschiedenen Falle).

Anm. 4

3. A n den dem Schiffer gegebenen Vergütungen oder Belohnungen erwirbt nicht etwa der Reeder das E i g e n t u m ; er h a t n u r schuldrechtlichen Anspruch d a r a u f , d a ß ihm der Schiffer dieselben bzw. ihren W e r t als E i n n a h m e in R e c h n u n g stellt.

Anm. 5

4. Die Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Reeder m i t dem Versprechen oder der Hingabe der Vergütung a n den Schiffer sich einverstanden erklärt (Prot. 1922, 3789).

Anm. 6

253

Anm. 3

6 544 Anm- 7

Vierter Teil. Seehandelsrecht

5. Unter dem Namen Kaplaken wird aber auch dem Schiffer häufig vom Reeder kontraktlich eine prozentuale Tantieme von der Brutto- oder Nettofracht zugesagt (HG Hamburg Sammlung der Erk. des OAG Lübeck in Hamb. Sachen Bd. 2 S. 617ff.), die ihm im Zweifel auch dann gebührt, wenn der Reeder die Ladung franko befördert (HG Hamburg Hermann u. Hirsch Nr. 111), und f ü r die der Reeder, ebenso wie f ü r die Heuer, dinglich-persönlich haftet (vgl. Anm. 1 zu § 487 HGB). Es ist anzunehmen, daß derartige Kaplaken („sonst bedungene Vorteile") im Zweifel nicht erst beim Abschluß der Reise verdient sein sollen. Ein Fall in dem das Gegenteil vereinbart war, ist entschieden vom OG Hamburg HansGZ 1880 Nr. 41. § 544 Der Schiffer darf ohne Einwilligung des Reeders für eigene Rechnung keine Güter verladen. Handelt er dieser Vorschrift zuwider, so hat er dem Reeder die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht zu erstatten, unbeschadet des Anspruchs des Reeders auf den Ersatz eines ihm verursachten höheren Schadens.

Einleltg.

Verbot für den Schiffer, ohne Einwilligung des Heeders für eigene Rechnung Güter zu verladen. Die Vorschrift ist nicht analog anzuwenden auf die unbefugte unentgeltliche B e f ö r d e r u n g v o n P a s s a g i e r e n : hier sind die Interessen des Reeders durch § 511 H G B genügend geschützt (HansOLG SeuffA Bd. 58 S. 75). Ebenso untersteht der Fall der ungenehmigten Verladung von Gütern f ü r f r e m d e R e c h n u n g o h n e Abschluß eines Frachtvertrages ( P a p p e n h e i m Bd. 2 S. 480) den allgemeinen Regeln.

Anm. 1

1. Umfang des Verbots. Dasselbe soll den Schiffer hindern, das ihm als Vertreter des Reeders anvertraute Schiff im eigenen Interesse zu benutzen und zu verwerten. Das Gesetz will sich nicht beziehen auf Fälle der Veruntreuung, die eines besonderen Verbots nicht bedürfen (Prot. 1924 ff.). Dem Schiffer soll es vielmehr auch dann verboten sein, f ü r eigene Rechnung Güter zu verladen, wenn er f ü r sie die volle Fracht zahlen will, ja auch dann, wenn der sonst verfügbare Laderaum unbenutzt bliebe (Prot. 1926): denn es soll jede Möglichkeit spekulativer Konkurrenz zwischen Reeder und Schiffer ausgeschlossen sein.

Anm. 2

2. Durch Einwilligung des Reeders — die auch stillschweigend erfolgen kann (HansOLG HansGZ 1903, 228) und natürlich vom Schiffer zu beweisen ist (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 331) — wird das gesetzliche Verbot beseitigt. Hieraus folgt, daß der Schiffermitreeder, der die Partenmehrheit besitzt, an dasselbe überhaupt nicht gebunden ist.

Anm. 3

3. Als Folge der Übertretung des Verbots nennt das Gesetz die Pflicht des Schiffers zur Leistung einer Vergütung, die vielfach über den Betrag des wirklichen Schadens hinausgeht. Der R e e d e r hat zu beanspruchen a) die h ö c h s t e a m A b l a d u n g s o r t e z u r A b l a d u n g s z e i t f ü r s o l c h e R e i s e n u n d G ü t e r b e d u n g e n e F r a c h t . Er braucht nicht zu beweisen, daß er dieselbe erzielt haben würde, sondern nur, daß irgend jemand sie erzielt h a t : einen Schaden braucht er weder zu behaupten noch darzutun (L. P e r e i s ZHR Bd. 58 S. 36).

Anm. 4

b) E v e n t u e l l d e n E r s a t z s e i n e s d i e s e H ö c h s t f r a c h t ü b e r s t e i g e n d e n S c h a d e n s . Hieraus folgt, daß er, wenn sich nicht nachweisen läßt, daß überhaupt am Abladungsorte zur Abladungszeit Frachten f ü r solche Reisen und Güter bedungen sind, er jedenfalls die a n g e m e s s e n e Fracht verlangen kann, weil diese seinen Minimalschaden darstellt. Auch den vom Reeder verschiedenen L a d u n g s b e t e i l i g t e n macht sich der Schiffer nach §§511,512 HGB schadensersatzpflichtig ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 480ff.); doch hängt dies vom Belieben des Reeders ab, der die Übertretung genehmigen kann. Die Einwilligung oder Genehmigung ist dem Schiffer gegenüber auch dann wirksam, wenn der Reeder dem Charterer gegenüber zu ihrer Versagung verpflichtet ist (vgl. § 558 HGB).

Anm. 5

4. Ein strafrechtliches Verbot, das mit demjenigen des § 544 im Einzelfalle konkurrieren kann, enthält § 297 StGB (siehe Bd. I S.20). Vgl. dazu RGSt 42, 294 und P a p p e n h e i m , Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft Bd. 13 S. 842ff.

254

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§§ 545—552

§ 545 Hat der Reeder dem Schiffer gekündigt, so kann er ihm während der Kündigungsfrist die Ausübung seiner Befugnisse untersagen. Die Ansprüche aus dem Heuerverhältnis regeln sich nach dem Seemannsgesetz vom 26. Juli 1967 (Bundesgesetzblatt H S. 713). 1. § 545 idF des § 146 Abs. 2 SeemG.

Anm. 1

2. Vgl. wegen der Kündigungsbestimmungen zwischen Reeder und Kapitän § 78 SeemG, wo in Abs. 3 die ordentliche und in Abs. 4 die außerordentliche Kündigung behandelt ist.

Anm. 2

3. Die Bestimmung gibt dem Reeder die Möglichkeit, nach der Kündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist einem Kapitän, der etwa sein Vertrauen nicht mehr hat, oder auch aus einem anderen Grunde, ein Tätigwerden in seiner Punktion als Kapitän zu untersagen. Die Bestimmung hat nur Bedeutung f ü r die ordentliche Kündigung, da bei der außerordentlichen eine Kündigungsfrist nicht besteht. Die Regelung des § 545 mag so dazu beitragen, die Härte einer vielleicht an sich berechtigten außerordentlichen Kündigung f ü r den Kapitän zu vermeiden.

Anm. 3

gg 546 bis 551 sind durch g 146 Abs. 3 SeemG aufgehoben worden. § 562 Die Schiffspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit den übrigen Reedern getroffenen Vereinbarung als Mitreeder an dem Schiffe beteiligt ist, ist im Falle seiner unfreiwilligen Entlassung auf sein Verlangen von den Mitreedern gegen Auszahlung des durch Sachverständige zu bestimmenden Schätzungswerts zu übernehmen. Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die Erklärung, davon Gebrauch zu machen, ohne Grund verzögert. Recht des unfreiwillig entlassenen Schiffermitreeders auf Übernahme seiner Schiffspart Einleitg. durch die Übrigen Mitreeder. Der Schifispart stehen nicht gleich Aktien (vgl. Hansa 1910 S. 170) oder Anteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1. Voraussetzung des Rechts. Dasselbe hat nicht jeder Schifiermitreeder, sondern nur derjenige Schiffer, „der auf Grund einer mit den übrigen Reedern getroffenen Vereinbarung als Mitreeder an dem Schiffe beteiligt ist", d.h. dessen Doppelstellung auf Vereinbarung (z.B. also nicht auf Erbgang) beruht, gleichviel ob er erst Mitreeder oder erst Kapitän, oder beides gleichzeitig geworden ist (L. P e r e i s Z H R Bd. 58 S. 69). Ein solcher Schiffer soll nicht gezwungen sein, nach seiner unfreiwilligen Entlassung, gleichviel aus welchem Grunde diese geschehen ist (Prot. 1947), das Gesellschaftsverhältnis mit den Mitreedern fortzusetzen.

Anm. 1

2. Inhalt des Rechts. Der Schiffer kann verlangen, daß die Mitreeder seine Schifispart gegen Auszahlung ihres durch Sachverständige zu bestimmenden Schätzungswerts (zur Zeit des Verlangens) übernehmen (Beispiel einer solchen Wertfeststellung: Bolze 6 Nr. 520). Der Anspruch richtet sich nicht gegen die Reederei, sondern, wie das Gesetz deutlich sagt, gegen die Mitreeder (anders referierend Bolze 6 Nr. 520), und zwar gemäß § 507 gegen jeden nach dem Verhältnis der Größe seiner Schiffspart. Betrug also die Part des Schiffers 1 / s , die des Mitreeders A 1 / t , die des Mitreeders B 1 / i , die des Mitreeders C 1 / a des Schiffes, so hat A 4 j m , B 2/jj> C 1 / m zu übernehmen. Darüber, was zur Schiffspart gehört und nicht gehört, s. Anm. 24 zu § 489 HGB.

Anm. 2

3. Ausübung des Rechts. Die Ausübung des Rechts erfolgt durch E r k l ä r u n g d e s S c h i f f e r s : diese ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Der Absicht des Gesetzes entspricht es, daß der Schiffer sein Recht nur e i n h e i t l i c h gegen seine sämtlichen Mitreeder ausüben kann: „die Schiffspart" ist von den Mitreedern zu übernehmen, nicht Quoten der Schiffspart. Er muß deshalb seine Erklärung entweder an sämtliche Mitreeder oder f ü r sie an den Korrespondentreeder richten. Macht er sein Recht nur gegen einzelne Mitreeder geltend,

Anm. 3

255

§ § 553—555

Vierter Teil. Seehandelsrecht

so muß denselben die Einrede verstattet werden, daß das Recht, weil nicht ordnungsgemäß allen Mitreedern gegenüber ausgeübt, erloschen sei. Anm. 4

4. Wirkung der Ausübung des Rechts. Die einseitige Erklärung des Schiffers bewirkt nicht den Übergang des Eigentums an der Schiffspart auf die übrigen Mitreeder (so P a p p e n h e i m H B 2 S. 109, der dies aber nachher dahin einschränkt, daß der Eigentumsübergang erst Zug um Zug gegen Leistung des Schätzungswerts eintrete), sondern die obligatorische Verpflichtung des Schiffers zur Übertragung und der Mitreeder zur quotenweisen Übernahme der P a r t gegen Zahlung des Schätzungswerts (vgl. R i t t e r ArchBürgR Bd. 31 S. 228). Mit der Zahlung kommen die Mitreeder nicht in V e r z u g , solange der Schätzungswert der Part noch nicht feststeht; trotzdem sind die geschuldeten Beträge seit dem Tage des rechtzeitig gestellten Verlangens zu verzinsen (RG Recht 1912 Nr. 1236). Bezüglich der W i r k u n g d e r V e r ä u ß e r u n g zwischen dem Veräußerer, den Übernehmem und den Reedereigläubigern gilt entsprechend das in Anm. 3 zu § 503 HGB, Anm. 4, 6 zu § 476 HGB, Anm. 19 zu § 489, Anm. 1 ff. zu § 504 HGB, Anm. 6 zu § 507 H G B Gesagte; natürlich fällt das dort behandelte Zwischenstadium zwischen Veräußerung und Anzeige weg.

Anm. 5

5. Wegfall des Hechts tritt ein a) durch v e r t r a g s m ä ß i g e n A u s s c h l u ß , bei Eingehung des Vertrages oder infolge späteren Verzichts; b) d u r c h g r u n d l o s e V e r z ö g e r u n g der Erklärung, selbst wenn diese Verzögerung nur einen Teil der Mitreeder betrifft (oben Anm. 3). § 553 bis § 554 sind durch § 146 Abs. 3 SeemG aufgehoben worden. § 565 Auch nach dem Verluste des Schiffes ist der Schiffer verpflichtet, noch für die Verklarung zu sorgen und überhaupt das Interesse des Reeders solange wahrzunehmen, als es erforderlich ist.

Anm. 1

1. § 555 Satz 2 und 3 sind durch § 146 Abs. 3 SeemG aufgehoben worden. Der Gehalt des Satz 2 findet sich jetzt in § 76 Abs. 6 SeemG.

Anm. 2

2. Pflichten des Schiffers im Interesse des Reeders nach dem Verlust des Sehiffes. Zu unterscheiden ist zwischen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses im Falle des Schiffsverlustes und dem Verlust der Kapitänsbefugnisse in einem solchen Falle. Den ersten Fall regelt § 66 SeemG, der gemäß § 78 Abs. 1 SeemG auch auf den Kapitän sinngemäße Anwendung zu finden hat. § 555 betrifft nur den zweiten Fall und legt dem Schiffer f ü r diesen Fall bestimmte Pflichten auf. Er hebt insbesondere die Verklarung (§§ 522 ff. HGB) hervor und beschränkt sich im übrigen darauf, dem Schiffer allgemein die Wahrnehmung der Interessen des Reeders, solange dies erforderlich ist, aufzuerlegen. In Betracht kommen insbesondere Havarieangelegenheiten (ROHG 15, 66), Bergungssachen, Verträge über die Rückbeförderung der Mannschaft (Hamb. Schifferalten HansGZ 1868 Nr. 143), Empfangnahme des Kaufgeldes im Falle des Notverkaufs (vgl. § 764 Abs. 1 HGB), der Distanzfracht und der auf der Ladung ruhenden Haverei-, Bergungs-, Hilfskosten und Bodmereigelder (§ 632 Abs. 2 HGB), der Entschädigungszahlungen wegen Schiffszusammenstoß usw. Wegen der Prozeßführung nach Untergang des Schiffes vgl. Anm. 10 zu § 527 HGB.

Anm. 3

3. Die Pflichten des Schiffers gegenüber den Ladungsbeteiligten nach Verlust des Schiffes ordnet § 632 HGB. Auch den Ladungsbeteiligten ist er zur Ablegung der Verklarung verpflichtet: s. Anm. 3 zu § 522 HGB. Für seine Tätigkeit hat er eine besondere Vergütung nicht zu beanspruchen (so OG Bremen BuschsA Bd. 31 S. 71, und HansOLG HansGZ 1887 Nr. 106; anders ROHG 15, 66). Erhält er eine solche, so hat er sie gemäß § 543 dem Reeder in Rechnung zu stellen (OG Bremen a.a.O. S. 73).

256

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Vor § 556

Vierter Abschnitt Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern Vorbemerkungen vor § 556 HGB Schrifttum Das hier angeführte Schrifttum will nicht erschöpfend sein. Wegen weiterer Literatur wird auf die Angaben bei den einzelnen Paragraphen verwiesen. a) Zum deutschen Recht oder doch Überwiegend zu diesem: A b r a h a m GR 2. Aufl. S. 92ff.; A l b r e c h t , Freizeichnungsklauseln im Seefrachtrecht nach Aufnahme der Haager Regeln in das Handelsgesetzbuch, Hansa 1950 S. 163011.; B e h m , Zur Ladungshaftung des Reeders, Hansa 1951 S. 364ff.; B l o m e y e r , Die Haftung des Seeverfrachters aus § 608 I Ziff. 7 HGB, Hansa 1957 S. 1810ff.; B o y e n s , Gesetzlicher Schutz der Ansprüche aus Konnossementen, ZHR Bd. 86 S. 44911.; C a p e l l e , Die Frachtcharter in rechtsvergleichender Darstellung, 1940 (Überseestudien Heft 17); D e l o u k a s , Die Haftung des Verfrachters aus schuldhafter Unrichtigkeit des Konnossements nach deutschem, englischem und amerikanischem Recht, 1940 (Überseestudien Heft 16); D e n n i n g e r , Die Traditionsfunktion des Seekonnossements im internationalen Privatrecht, Arbeiten zur Rechtsvergleichung, Heft 6, 1959; E g e r , Zweifelsfragen im Eisenbahn-Seeverkehr der CIM, Deutsche Verkehrs-Zeitung 1958 Nr. 40/41; E h l e r s , Die Übernahme der Haager Regeln in das deutsche Seefrachtrecht, Hansa 1937 S. 1588ff.; ders., Die Haager Regeln und das deutsche Seerecht, J W 1937 S. 300611.; G e h i s e n , Über den rückwirkenden Beginn der gesetzlichen Mindesthaftung des Verfrachters/Reeders bei Begebung eines Charterkonnossements an Dritte, VersR 1958 S. 663ff.; ders., Nochmals: Rückwirkung der Verfrachterhaftung bei Begebung eines Charterkonnossements, VersR 1959 S. 5ff.; J. v. G i e r k e , Handelsrecht- und Schiffahrtsrecht, S. 606ff.; G ö t z , Die Haftung des Verfrachters für See- und Ladungstüchtigkeit nach § 559 Abs. 2 HGB, Hansa 1960 S. 492; G r a m m , Das neue deutsche Seefrachtrecht (Kommentar), 1938; H a a g e , Das Abladegeschäft, 4. Aufl. 1958; H a s c h e , Die Haftung des Reeders für an Deck verladene Güter, Hansa 1951 S. 1184; J a e s c h k e , Die Rechtsstellung der Kaianstalten im Seeverkehr, 1932 (Überseestudien Heft 12); K a t z e n s t e i n , Konnossementsfragen, Hansa 1951 S. 1514; K ü h l , Die Abänderung des deutschen Seefrachtrechts durch Einführung der Haager Regeln, Hansa 1937 S. 1860ff.; ders., Zur Auslegung der Haager Regeln, HansRZ 1926 Sp. 571 ff.; ders., Das kommerzielle und das nautisch-technische Verschulden in den Haager Regeln, Hansa 1926 S. 631 ff. und 668ff.; O. R. v. L a u n , Der Geltungsbereich der Haager Regeln, Recht der internationalen Wirtschaft 1954/55, S. 202ff.; K. v o n L a u n , Die Haftung für den fremden Transportabschnitt beim Durchkonnossement, ZHR Bd. 118 S. lff.; L e b u h n , Neuzeitliche Konnossementsfragen, 1950; ders., Das Linienkonnossement, 1958; ders., Bemerkungen zu Deviationsklauseln, Hansa 1952 S. 1345; ders., Konnossementsmäßige Disponierungsrechte des Verfrachters, Hansa 1951 S. 1743ff.; ders., Haftung für Feuerschäden an Bord nach geltendem Recht, Hansa 1949 S. 1146S.; ders., Zur Anwendung und Auslegung zwingender Vorschriften über das Seefrachtrecht (erörtert an Hand der Reklamationsfrist gem. §§ 612/ 662 HGB), Hansa 1956 S. 1826; L i e s e c k e siehe unter Schlegelberger-Liesecke; L i n d e n m a i e r , Adäquate und nächste Ursache, ZHR Bd. 113 S. 239; M ö l l e r , Umbruch des Seefrachtrechts, HansRGZ 1937 A 405; M ü l l e r , Seeuntüchtigkeit und Management of the ship nach den Haager Regeln, Diss. Hamburg 1937; ders., Seeuntüchtigkeit und technische Bedienung ("management") des Schiffes nach der Seefrachtnovelle vom 10. 8.1937 (HR 1922), HansRGZ 1937 A 371ff.; P a p p e n h e i m HB 3; R ö h r e k e , Unbekanntklauseln im Seefrachtrecht, Hansa 1951 S. 1464; ders., Die Haftung des Reeders und Verfrachters für schuldhafte Handlungen, insbesondere Ladungsdiebstähle von Schauerleuten, Hansa 1952 S. 223 ff., 251ff.; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , Seehandelsrecht, Kommentar, 1959; S t ö d t e r , Geschichte der Konnossementsklauseln, 2. Aufl. 1954 (Überseestudien Heft 21); ders., Zur 17

Schaps- Abraham, Seerecht II

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Vor § 556

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Statutenkollision im Seefrachtrecht, Bemerkungen zu Art. X der Haager Regeln, in Liber Amicorumfür Bagge, Stockholm 1956, S. 220; W i l l n e r , Die Zeitcharter, 1953 (Überseestudien Heft 22) ; W ü s t e n d ö r f e r , Studien zur modernen Entwicklung des Seefrachtvertrages 1,1905 — 1909; d e r s . , SHR 224ff.; d e r s . , The Hague Rules 1922, 1923 (Überseestudien H e f t 2); ders., Die kommende Reform des deutschen Seerechts, Veröffentlichungen der Vereinigung der Handelsrechtslehrer deutscher Hochschulen, Heft 1,1928; d e r s . , Zur Haftung f ü r Feuerschäden an Bord von Seehandelsschiflen nach den Haager Regeln, MDR 1949 S. 450ff. b) Vorwiegend zum ausländischen Recht (das spezielle Schrifttum zu den Haager Regeln ist in a und b eingestreut und f ü r sich gesondert in der Vorbemerkung zu den H R zusammengestellt): A r g a n , Considerazioni sul limite legale del debito per risarcimento del vettore marittimo, Il Diritto Marittimo 1955 S. 177fi.; A s t l e , Shipowners' cargo liabilities and immunities, 2. Aufl. London 1954; A u b r u n , Les transports de marchandises par mer, Paris 1938; A u d o u i n , De la responsabilité de l'armateur pour l'innavigabilité du navire au départ, Revue Dor Bd. 7 S. Iff.; A u l e t t a , Limitazione di responsabilità del vettore marittimo, Rivista del diritto della navigazione 1952 I S. 180ff.; B e r l i n g i e r i , La polizza di carico e la convenzione internazionale di Bruxelles, 25 agosto 1924, Genua 1932; B e r l i n g i e r i j u n . , I concetti di „package" e „ u n i t " della convenzione di Bruxelles e di „unità di carico" del art. 423 cod. nav., Il Diritto Marittimo 1952 S. 3ff. ; ders., La convenzione di Bruxelles sulla polizza di carico ed il codice della navigazione, Il Diritto Marittimo 1952 S. 489ff.; ders., Prescrizione e decadence nel transporto marittimo di merci, Padua 1953; v. B l a d e l , Connaissements et règles de la Haye, Brüssel 1929; B r a j k o v i c , Les principes fondamentaux de la loi sur les contrats relatifs à l'utilisation des navires de mer, Le Nouveau Droit Yougoslave Bd. 10 (1959) S. 30ff. ; B r u n e t t i , Legge internazionale e responsabilità degli armatori, Rivista del diritto della navigazione 1940 I S. 254ff.; C a l e r o , El contrato de transporte marítimo de mercancías, Rom-Madrid 1957; d e r s . , El Contrato de Transporte Marítimo de Mercancías según la Ley de 22 de dicembre de 1949, que introduce las normas del Convenio de Bruselas de 1924, Cuadernos del Instituto Jurídico Español, Heft 8, 1957; C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, 10. Ausgabe von Colinvaux, 1957; C h a u v e a u , Les responsabilités des transporteurs, Le droit privé français au milieu du 20. siècle, Etudes offertes à George Ripert, 1950, Bd. I I S. 398ff.; C h o t e a u , Les effets de l'adoption contractuelle des Règles de la Haye, Revue Dor Bd. 16 S. 18ff.; C o l e , The Hague Rules explained, being the Carriage of Goods by Sea Act, 1924 with introduction, notes and appendices, London 1924; Colinvaux; The Carriage of Goods by Sea Act, 1924, London 1954; D e v l i n , The English rules on choice of law with reference to maritime contracts (charterparties and bills of lading), Göteborg 1952; D i m i n i , Onere della prova in caso di incendio della merce trasportata, Rivista del diritto della navigazione 1958 I I S. 217ff.; D o r , Bill of Lading Clauses and the Brussels International Convention of 1924 (Hague Rules), Study in comparative law, 1956; D u b o s c , De la loi applicable au contrat de transport maritime, DMF 1951 S. 211ff.; F a r i ñ a , Qelques aspects de la loi espagnole de 1949 relative aux connaissements pour embarquement, DMF 1953 S. 415ff.; F r a i k i n , Traité de la responsabilité du transporteur maritime, 1957; G ö t z , Der zwingende Geltungsbereich der Haager Regeln nach anglo-amerikanischen Recht, ZHR Bd. 121 S. 47ff.; ders., Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960 (Schriften zum deutschen und europäischen Zivil-, Handels- und Prozeßrecht, Bd. 7); ders., in „The Canadian Bar Review", Bd. 38 S. 96ff.; de la G r a s s i è r e , La responsabilité du transporteur des marchandises par mer aux termes de la loi de 1936 peut-elle être recherchée sur le terrain de la responsabilité quasi-délictuelle? DMF 1957 S. 327ff.; G r ö n f o r s , Befraktarens Hävningsrätt och Sjöfraktavtalets Konstruktion, Schriftenreihe der Handelshochschule Göteborg, Nr. 2, 1959; d e r s . , Om tarfiks kadeansvar utanför kontraksförhalländan, Upsala 1952; d e r s . , Om ansvaret för lossat man icke mottaget gods vid sjötransporter, 1959; H a r t m a n n , Die Haftung des Verfrachters aus dem Frachtvertrag nach den Haager Regeln, Diss. Bern 1945; Sir Norman Hill, Le project de la loi anglais sur le transports des marchandises par mer, Revue Dor Bd. 3 S. Iff.; H e i n i , Das Durchiconnossement (Through Bill of Lading), Freiburg/Schweiz 1957; H o d g s o n , The Carriage of Goods by Sea Act, 1924, Liverpool 1932; H o s n e r , La responsabilité du transporteur maritime (Etude de droit suisse), Diss. Lausanne 1956; J a n t z e n - D y b w a d , Handbok i Godsbefordring til Sj0s, 1952; d e J u g l a r t , Le chargement en pontée et la responsabilité du transporteur, DMF 1957 S. 391ff.; 258

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Vor § 556

K l u g e , Grundsätze der Verfrachterhaftung nach französischem Recht im Geltungsbereich des französischen Ausführungsgesetzes zu den Haager Regeln, ZHR Bd. 120 S. 24ff. ; K n a u t h , On Ocean Bills of Lading, 4. Aufl. 1953; K o m a c h i y a , La nouvelle loi japonaise relative aux transports internationaux des marchandies par mer, DMF1958 S. 117ff.; 0 . R. v o n L a u n , Die Haager Regeln im Ausland, Hansa 1951 S. 1841; L e b u h n , Die Haager Regeln im Spiegel der ausländischen Gesetzgebung, Hansa 1951 S. 1346ff.; Lefebvre d'Ovidio, Leggi nazionali e responsabilità degli armatori, Rivista del Diritto della navigazione 1940 I S . 285 ff. ¡ L e f e b v r e d ' O v i d i o u n d P e s c a t o r e , Manuale di Diritto della Navigazione, 2. Aufl. 1953, S. 334ff.; L e g e n d r e , Le péril de mer en droit français, DMT 1955 S. 323ff.; L u r e a u , Le cas de force majeure et la loi du 2 avril 1936, DMF 1949 S. 179ff.; ders., Dol, faute lourde et responsabilité du transporteur, DMF 1956 S. 6 7 f f . ; M a l i n t o p p i , La legge regolatrice della prescrizione delle azioni per perdita od avaria della merce, Il Diritto Marittimo 1953 S. 211 ff.; ders., L'ambito di applicazione delle norme italiane di adattamento alla convenzione di Bruxelles del 1924 sulla polizza di carico, Il Diritto Marittimo 1955 S. 22ff.; M a l v a g n i , La forza maggiore nel diritto civile e la fortuna di mare (perils of the sea) nella Convenzione di Bruxelles del 1924, relativa a talcune clausole della polizza di carico, Il Diritto Marittimo 1955 S. 148ff.; M a r a i s , Les transports de marchandises par mer et la jurisprudence (loi du 2 avril 1936), 1948; ders., Les transports internationaux de marchandises par mer et la jurisprudence en droit comparé, 1949; ders., De la portée juridique du terme „fautes nautiques" du capitaine et autres préposé du transporteur maritime d'après la loi du 2 avril 1936, Revue Dor Bd. 38 S. Iff.; N e e r g a r d , Laerebog i Saret, 3. Aufl. 1948, S. 189ff.; P a y n e ' s Carriage of goods by Sea, 6. Aufl. von Holden, 1954; P e r s i c o , La convenzione di Bruxelles del 1924 sulla polizza di carico e la sua pretesa abrogazione, Il Diritto Marittimo 1953 S. 439ff.; P o o r , American Law of Charter Parties and Bills of Lading, 4. Aufl. 1954; P r o d o r o m i d è s , Champs d'application respectifs de la convention de Bruxelles du 25 août 1924 sur les connaissements et de la loi du2 avril 1936, DMF 1953 S. 123 ff.; ders., Les usages des transports face à la responsabilité du transporteur dans le transport international des marchandises, DMF 1960 S. 259ff.; O f f e r h a u s , Carriers liability under uniform Hague Rules law, Göteborg 1955; R e n a r d , Charte-partie et connaissement, DMF 1955 S. 3ff. und 67ff.; R i p e r t , Droit Maritime, Bd. II, Nr. 1450ff.; ders., La commission de Bruxelles, Revue Dor Bd. 4 S. 55ff.; ders., La conférence diplomatique de Bruxelles (17—26 octobre 1922), Revue Dor Bd. 2 S. 49ff.; ders., La loi française du 2 avril 1936 sur les transports de marchandises par mer, Rivista del Diritto della Navigazione 1936 I S. 357ff. ; ders., Le sectionnement du transport maritime, DMF 1950 S. 471 ff.; R o y e r , Hoofdzaken der vervoerdersaansprakelejkheid in het zeerecht, Zwolle 1959; R u s s o , Colpa nautico, barrateria del commandante e responsabilità del vettore e del noleggiante, Rivista del Diritto Marittimo 1953 I I S. 255S.; S a u v a g e , Manuel pratique du transport des marchandises par mer, 1955; S c a p e l , Traité theorique et pratique sur les transports par mer, terre, eau, air, ferre : Le destinataire de marchandises, 1958; S c h m i d t , W i l k e n s , G r ö n f o r s , Huvudlinjer i svensk Frakträtt, Stockholm 1955; S c r u t t o n , Charterparties and Bills of Lading, 16. Aufl. herausgegeben von McNair und Mocatta, 1955; Sieg, Aktuelle Fragen des Seefrachtrechts, eine rechtsvergleichende Auswertung neuerer französischer Judikatur, MDR 1956 S. 708ff.; S i e v e k i n g , Die Haager Regeln in englischer Beleuchtung, HansRZ 1923, Sp. 315ff. ; ders., Arten des Seefrachtvertrages und die Versuche des Comité Maritime zur Vereinheitlichung des Seefrachtrechts, HansRZ 1925 Sp. 15ff. ; S t r a n d g a a r d , The internationality of shipping I : The international rules relating to bills of lading, Kopenhagen 1939; Suc, La nouvelle loi yougoslave sur les contrats relatifs à l'utilisation des navires de mer, DMF 1959 S. 696; T e m p e r l e y , Carriage of Goods by Sea Act, 4. Aufl. 1932; T i b e r g , The Law of Demurrage, 1960; T r i s o t , De l'influence de la faute lourde sur le droit du transporteur maritime de limiter sa responsabilité, Jurisprudence du Port d'Anvers 1949 S. 389ff.; V o l l i , Osservazioni in tema di parziale inesecuzione del trasporto e di decadenza ex art. I l i n. 6 delle convenzione di Bruxelles Rivista del Diritto della Navigazione 1956 I S. 50ff.; W i l l i a m s o n - P a y n e , Carriage of Goods by Sea Act, 1924, London 1934; Y i a n n o p o u l o s , Conflict problems in international bills of lading: Validity of „negligence" — clauses, Louisiana Law Review Bd. 18 S. 609ff.; Z ü g e r , Die Haager Regeln über Konnossemente und das rechtliche Schicksal der Ware während des Seetransportes, Freiburg/Schweiz 1953. 17*

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Anm. 1

Anm. 2

Anm. 3

Anm. 4

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Siehe auch die Schrifttumsangaben in Bd. I S. 37ff. und als Nachtrag G r ö n f o r a , Mandatory and contractial Regulation of Sea Transport, The Journal of Business Law, January 1961; ders., Avtalsreglering och tvângsreglering av sjötransportes, Rättsvetenskapliga studier ägnade minnet av Phillips Huit, Upsala 1960 S. 148ff., L e b u h n , Beweislastfragen betr. das Seerecht im französischen Rechtskreis, Internationale Transport-Zeitschrift 1957 Nr. 5; ders., Beweislastfragen im Seefrachtverkehr des englischen Rechtskreises, Internationale Transport-Zeitschrift 1956 S. 2309 und 1957 S. 173; S e l v i g , Unit Limitation of Carrier's Liability, The Vagne Rules Art. IV (5), 1960. c) Nicht In erster Linie für den Juristen bestimmt, aber fttr diesen sehr nützlich ist folgendes Schrifttum; Bes, Chartering and Shipping Terms, Handbuch für die Tramp- und Linienschiffahrt, 5. Aufl. 1961 (Deutsche Übersetzung 1956); H e r l a u , ABC des Seeverkehrs, 2. Aufl. 1957; L e u e , Die Praxis des Seefrachtgeschäfts, 1958; R o t e r m u n d - K o c h , Die Ladung, Bd. I 6. Aufl. 1959, Bd. I I 4./6. Aufl. 1961. I. Das HGB unterscheidet das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern (§§ 556—663b HGB) und das Frachtgeschäft zur Beförderung von Reisenden (§§ 664—67S HGB). Das erstere wird im eigentlichen Sinne Frachtvertrag (Seefrachtvertrag), das letztere Überfahrtsvertrag oder Passagevertrag, auch Passaglervertrag genannt. Beide Geschäfte fallen unter den O b e r b e g r i f f des S e e b e f ö r d e r u n g s v e r t r a g e s . Dieser ist, wie auch Beförderungsverträge mit anderen Verkehrsmitteln, ein Werkvertrag mit (beim Prachtvertrage eingehender) gesetzlicher Sonderregelung. Das Werk, das der Unternehmer herzustellen verspricht, ist der durch seine Dienstleistung herbeizuführende Beförderungserfolg. Dieser E r f o l g , die Verbringung der Güter oder Personen an den Bestimmungsort, nicht die dazu als Hilfeleistung unerläßliche Gewährung des Schiffsraums oder die Dienstleistung als solche, ist der eigentliche Zweck des Vertrags. Vgl. auch unten Anm. 15. II. B e g r i f f des S e e f r a c h t v e r t r a g e s (maritime contract of affreightment; contrat d'affrètement, contrat de transport de marchandises par mer; contratto di noleggio oder contratto di trasporto di cose determinate) : Seefrachtvertrag ist derjenige Vertrag, durch den sich der eine Kontrahent, der Verfrachter, dem anderen, dem Befrachter, zur Beförderung von Gtttern nach einem Ort Uber See gegen Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Zu den einzelnen Begriffsmerkmalen ist zu bemerken: 1. Verfrachter (im Binnenschiffahrtsrecht und im gewöhnlichen Landfrachtgeschäft als Frachtführer, im Luftfrachtrecht als Luftfrachtführer bezeichnet, englisch carrier, französisch fréteur, schweizerisch Seefrachtführer, italienisch noleggiante oder vettore) i s t d i e j e n i g e V e r t r a g s p a r t e i , d i e sich v e r p f l i c h t e t , im e i g e n e n N a m e n die v e r e i n b a r t e B e f ö r d e r u n g d u r c h z u f ü h r e n . Gewerbsmäßigkeit ist nicht erforderlich. Liegt sie vor, so ist der Verfrachter Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Ziff. 5 HGB. Der Verfrachter braucht nicht der Reeder des zur Beförderung verwendeten Schiffes zu sein; er kann auch ein fremdes Schiff für eigene oder fremde Rechnung (hinsichtlich der fremden Rechnung anscheinend anders RGZ 25, 112) für den Transport verwenden (z.B. als Spediteur-Verfrachter; vgl. P a p p e n h e i m HB 3 S. 26f. und 37), indem er sich dann entweder ein Schiff im Wege der Mietcharter verschafft, gleichviel, ob die Voraussetzungen der Ausrüstereigenschaft vorliegen oder nicht (vgl. § 510 HGB), oder indem er als Unterverfrachter auftritt, der seinerseits mit einem Hauptverfrachter einen Frachtvertrag abgeschlossen hat (vgl. dazu die Anm. zu § 605 HGB). Dann wälzt er die Ausführung der Beförderung auf einen Vermieter oder Hauptverfrachter ab, der (jedenfalls beim Unterfrachtvertrag) sein Erfüllungsgehilfe und (regelmäßig) zugleich Reeder oder Ausrüster ist. In der groBen Mehrzahl der Fälle ist der Verfrachter aber aueh zugleich Reeder oder Ausriister. a) Durch die Übernahme der Güter z u r B e f ö r d e r u n g unterscheidet sich der Verfrachter vom Spediteur (§§ 407ff. HGB), der — abgesehen von seinem Selbsteintrittsrecht nach § 412 HGB — nicht selbst befördert, sondern sich nur zur Besorgung der Beförderung durch einen Verfrachter oder Frachtführer für Rechnung des Versenders verpflichtet. Macht der Spediteur von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch und handelt es sich um eine Güterbeförderung zur See, so erhält der Spediteur dadurch gegenüber dem Versender zugleich die Stellung eines Spediteurs und eines Verfrachters. Handelt es sich um eine Spedition mit festen Kosten (§ 413 HGB), so hat er nur die Rechte und Pflichten eines Verfrachters. Kommen die All260

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Vor § 556

g e m e i n e n D e u t s c h e n S p e d i t e u r b e d i n g u n g e n auf das Rechtsverhältnis zwischen Versender und Spediteur zur Anwendung, so gelten sie nach ihrem § 2a auch für Prachtgeschäfte des Spediteurs. Doch können dann nach ihrem §2c abweichende Vereinbarung für den vom Spediteur als Verfrachter ausgeführten Seetransport getroffen werden. Die ADSp. haben aber stets den Nachrang gegenüber dem nach §§ 662 ff. HGB zwingenden Recht. Vgl. auch S c h l i c h t i n g , Der Seehafenspediteur in der deutschen Volkswirtschaft, 1931. Ist der Verfrachter gleichzeitig Reeder oder Ausrüster, so kommt ihm die Haftungsbeschränkung des § 486 HGB auf das Schiffsvermögen zugute. Unabhängig davon erfreut er sich der Wohltat des § 660 HGB, der beim Frachtvertrag regelmäßig eine summenmäßige Begrenzung der Haftung vorsieht. Er genießt also eine doppelte Haftungsbeschränkung. Dem Verfrachter, der nicht zugleich Reeder oder Ausrüster ist, kommt zwar § 660 HGB, nicht aber § 486 HGB zugute. Vielmehr haftet er innerhalb oder außerhalb der summenmäßigen Begrenzung des § 660 HGB mit seinem ganzen Vermögen. Anders W ü s t e n d ö r f e r SHR 131 sowie HB 376 und, ihm folgend, S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 13 zu § 556 HGB. W ü s t e n d ö r f e r a.a.O. meint, einen im Gesetz nicht geregelten Sonderfall beschränkt-persönlicher Haftung, die von vornherein, nicht erst ergänzend eintrete, bilde die Haftung des Charterers, der nicht zugleich Ausrüster oder Quasiausrüster sei. In diesen —• nach W ü s t en d ö r f e r s Ansicht, die bestrebt ist, den Ausrüsterbegriff auszudehnen (vgl. § 510 Anm. 6) seltenen — Fällen hafte der Charterer persönlich bis zum Werte von Schiff und Fracht, z. B. aus den Konnossementen, die der Kapitän als sein gesetzlicher Bevollmächtigter (§ 642 Abs. 4 HGB) zeichne. Diese Ansicht W ü s t e n d ö r f e r s findet im Gesetz keinerlei Stütze und ist unzutreffend. Wie W ü s t e n d ö r f e r auch LG Bremen Hansa 1958 S. 2329 und 1959 S. 1963. b) Der Verfrachter schließt den Frachtvertrag entweder selbst oder durch einen Vertreter ab. Als Vertreter kommt namentlich ein Schiffsmakler in Betracht. Der in § 527 Abs. 2 HGB erwähnte Fall der Vertretung durch den Schiffer, der hierzu außerhalb des Heimathafens befugt ist, ist in der Praxis heute von geringerer Bedeutung. Über die „Demise"-Klausel und die „Identity of Carrier"-Klausel vgl. Anm. 4 zu § 642 HGB. Vgl. über die irrtümliche Unterzeichnung eines Chartervertrages mit der Klausel „for and on behalf of owners" HansOLG Hansa 1955 S. 602. Der Seefrachtvertrag ist ein rein schuldrechtliches Verhältnis zwischen dem Befrachter (vgl. über diesen unten Anm. 6) und demjenigen, der nach den vorstehenden Ausführungen als Verfrachter anzusehen ist. Veräußert dieser das für den Frachtvertrag in Aussicht genommene Schiff, dessen Eigentümer er zugleich ist, so bleibt er der Verpflichtete aus dem Frachtvertrag. Eine der Regelung für die Schiffsmiete in § 580 a BGB entsprechende Bestimmung (vgl. Bd. I S. 371) fehlt für den Frachtvertrag. Eine Haftung des Schiffserwerbers gegenüber den aus dem Frachtvertrag Berechtigten kommt nur im Wege der Schuldübernahme (§§ 414ff. BGB) in Betracht, evt. auch nach Maßgabe des § 25 HGB bei Firmenfortführung des Erwerbers. Siehe auch § 477 HGB.

Anm. 5

2. Befrachter (Charterer, freighter, shipper; affréteur, chargeur, noleggiatore, caricatore) s t d e r G e g e n k o n t r a h e n t des V e r f r a c h t e r s . Er ist Ladungsbeteiligter im Sinne der §§ 535ff. HGB und Reiseinteressent im Sinne des § 512 HGB. Eigentümer der Ladung braucht er nicht zu sein. Die Sprache des Gesetzes und die des Verkehrs stimmen hinsichtlich der Bezeichnung des Befrachters nicht immer überein. Dieser wird im Verkehr oft auch als Charterer oder Verlader bezeichnet, gelegentlich sogar als Verfrachter. Dem Befrachter entspricht bei den übrigen Verkehrsmitteln der Absender. Läßt er die Güter während der Reise durch einen besonderen Vertreter begleiten, so wird dieser als S u p e r c a r g o bezeichnet. 3. Der Befrachter braucht nicht identisch zu sein mit dem Ablader (engl, shipper, franz. chargeur, italinisch caricatore, aber in diesen Rechten ohne deutliche Scheidung dieser Bezeichnungen vom Befrachter, insbesondere vom Stückgutbefrachter, vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 225). A b l a d e r i s t d e r j e n i g e , der die G ü t e r r e g e l m ä ß i g a u f G r u n d des zwischen V e r f r a c h t e r und B e f r a c h t e r geschlossenen F r a c h t v e r t r a g e s , ausn a h m s w e i s e o h n e e i n e n s o l c h e n (der Verfrachter verschifft eigene Güter) dem Schiffe oder dem Verfrachter auch sonstwie (z.B. am Kai) zur Beförderung übergibt. Ablader kann entweder der Befrachter selbst oder ein Dritter sein, der im Namen des Befrachters — nicht

Anm. 6

261

Anm. 7

Vor § 556

Anm. 8

Vierter Teil. Seehandelsrecht

im eigenen Namen —, aber als dessen selbständiger Vertreter, nicht als dessen Angestellter handelt (vgl. W ü s t e n d ö r f e r , a.a.O. und Studien I S. 332; P a p p e n h e i m H B 3 S. 39; anders S c h r ö d e r Z H R B d . 32S. 249 : i m e i g e n e n Namen). I m Talle seiner Nichtidentität mit dem Befrachter kann das interne Rechtsverhältnis beider Personen auf den verschiedensten Rechtsgründen beruhen, z.B. auf Kauf, Spedition, Einkaufskommission, Unterfrachtvertrag, bloßem Auftrag. Nach außen ist der Ablader dem Verfrachter gegenüber zunächst nicht Kontrahent, sondern Vertreter des Befrachters, und zwar ein Vertreter, der präsumtiv bevollmächtigt Ist, zwar nicht zur Aufhebung des Frachtvertrages (vgl. §577 HGB) oder zu dessen Abänderung ( B o y e n s Bd. 2 S. 84), aber zur Vornahme aller mit der Lieferung und Verschiffung der Güter zusammenhängenden Rechtshandlungen (HansOLG HansGZ 1906, 188; HansOLG OLGRechtspr. 13, 43; ROHG 23, 22; RG HansGZ 1892,137 = SeuffA. Bd. 49 S. 61; RG HansGZ 1907, 216). W e g e n N i c h t v e r b i n d l i c h k e i t d e r A b l a d u n g s v e r w e i g e r u n g siehe § 577. Dem Binnenschiffahrtsrecht ist ein Ablader als ein besonderer Ladungsbeteiligter unbekannt. Vgl. auch RG Recht 1928 Nr. 368. Eine Besonderheit des deutschen Seerechts zum Unterschied von anderen Seerechten ist, daß der Ablader, nachdem er zunächst nur Vertreter des Befrachters ist, später in ein unmittelbares Vertragsverhältnis zum Verfrachter eintritt und hieraus eigene Rechte gewinnt. E r wird alsdann zum Ladungsbeteiligten (Anm. 2 zu § 535 HGB) und Reiseinteressenten (§ 512 HGB), dem der Schiffer f ü r jedes Verschulden haftet. I m einzelnen gilt folgendes: Sobald ihm schiffsseitig die Beförderung zugesagt ist, hat er einen Anspruch auf diese Beförderung, evtl. auf Schadensersatz gegen den Verfrachter (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 55 = SeuffA Bd. 44 Nr. 271; HansGZ 1893, 261; vgl. auch OLG Rostock SeuffA Bd. 71, 36; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 16 zu § 556 H G B ; anders W a g n e r H B 284, der die direkten Rechte des Abladers erst im Augenblick der Übernahme der Ladung entstehen läßt; ähnlich B o y e n s Bd. 2 S. 88; B r a n d i s Bd. 1 S. 70 und P a p p e n h e i m H B 3 S. 39: „mit der Lieferung der Güter"). Sobald die Abladung erfolgt ist, hat er Anspruch auf Ausstellung des Konnossements, nicht der Befrachter (§ 642 HGB). Dagegen erachtet B r o d m a n n Z H R Bd. 70 S. 9, daß der Ablader auch das Konnossement in Vertretung des Befrachters entgegennehme. Aber nach § 642 H G B kann der Ablader verlangen, daß ihm das Konnossement ausgehändigt wird; nach § 643 Nr. 3 H G B ist sein Name, nicht der des Befrachters aufzunehmen, und nach § 647 Abs. 1 S. 2 ist unter Order die des Abladers zu verstehen. Daher hat er auch das Recht zu bestimmen, wer konnossementsmäßiger Empfänger sein soll (§ 643 Ziff. 5 H G B in Verb, mit § 642 HGB. Von ihm ist die Zustimmung zur Decksverladung zu erklären (§ 566 HGB). E r besitzt die volle Verfügungsbefugnis über die Ladung, wenn sich alle Exemplare des Konnossements in seinem Besitz befinden (§ 654 Abs. 1 HGB) oder im Falle des NamensKonnossements der in ihm bezeichnete Empfänger sich mit den Verfügungen des Abladers einverstanden erklärt. Der Grund f ü r diese Selbständigkeit in der Rechtsstellung des Abladers liegt in der Technik des Überseekaufs. Der Ablader ist oft Verkäufer nach Übersee und muß sich als solcher hinsichtlich der Kaufpreisforderung sichern. Dazu benötigt er die Möglichkeit, mit Hilfe des Konnossements das Verfügungsrecht über die schwimmende Ware vorläufig festzuhalten. Vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 226. 4. Gegenstand des Frachtvertrages i s t d i e B e f ö r d e r u n g d e r G ü t e r a l s P r o d u k t der T ä t i g k e i t des V e r f r a c h t e r s , also das R e s u l t a t , n i c h t die e i n z e l n e n T r a n s p o r t h a n d l u n g e n (ROHG 20, 342; RGZ 25, 110). Den regelmäßigen, sich von selbst verstehenden Schlußakt der Beförderung bildet die Ablieferung an den legitimierten Empfänger; sie ist aber begrifflich nicht notwendig (unten Anm. 14). Über die verschiedenen Arten des Seefrachtvertrages s. § 556 HGB. D e r B e f r a c h t e r k a n n s i c h n a c h d e u t s c h e m R e c h t g r u n d s ä t z l i c h seinen inoder ausländischen Verfrachter frei wählen (vgl. aber § 18 des im Anhang IV zum vierten Abschnitt wiedergegebenen Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. 4. 1961, BGBl. I S. 481). I n sehr vielen Staaten (vgl. den Überblick in Bd. I S. 107) ist die Küstenschiffahrt Schiffen der eigenen Plagge vorbehalten. So grundsätzlich auch in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund des § 2 des Gesetzes über die Küstenschiffahrt vom 26. 7. 1957 (Bd. I S. 109). Steht indessen an dem Ort, an dem die Beförderung beginnen soll, ein Schiff nicht oder nur zu erheblich ungünstigeren Bedingungen zur Verfügung, so kann die örtlich zuständige Wasser* und Schiffahrtsdirektion auch die Beförderung mit einem Schiff fremder Flagge erlauben. 262

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Vor § 556

Der Beförderungsvertrag bleibt aber auch bei Verstoß gegen § 2 reohtswirksam. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten die Bemerkung zu § 2 des erwähnten Gesetzes (Bd. I S. 110). Gleiches gilt z. B. bei einem Verstoß gegen das Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren vom 14. 4. 1926 (vgl. die Wiedergabe im Anhang zu § 564 HGB). Soweit sich sonstwie ein Verbot bestimmter Beförderungen findet, ist jeweils zu prüfen, ob dies zur Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB f ü h r t oder nicht. Bei einem Verstoß gegen Zoll- oder Einfuhr bestimmungen kann Nichtigkeit des Frachtvertrages gegeben sein, wenn im Hinblick hierauf etwa eine besonders hohe Pracht gewährt wurde und der Verfrachter als Mittäter und Gehilfe in Betracht kommt. Siehe RG J W 1926, S. 2169, 1931 S. 928; vgl. G ö r t z HansRGZ 1931 A 427; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 30 zu § 556 HGB. — Die Bevorzugung deutschen Schiffsraums ist mit den Versorgungsaufgaben der Einfuhr- und Vorratsstelle f ü r Getreide vereinbar (OLG Frankfurt/Main Hansa 1961 S. 1002). Ein Kontrahierungszwang besteht f ü r den Seefrachtvertrag grundsätzlich nicht (ebenso wie f ü r den Frachtvertrag in der Binnenschiffahrt und auch beim Gütertransport zu Lande und in der Luftfahrt; anders f ü r die Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs nach § 3 Eisenbahnverkehrs*!)). Anders kann es liegen, wenn die Voraussetzungen des Monopolmißbrauchs (auf Grund des § 826 BGB) vorliegen. Für einen solchen soll es nach HansOLG Hamburg HansRGZ 1935 B 413 aber nicht genügen, wenn auf einer Route nur ein einziger Linienreeder verkehrt und sich einem bestimmten Befrachter gegenüber verpflichtet hat, nur mit ihm abzuschließen. Das anglo-amerikanische Recht kennt einen Abschlußzwang f ü r den sog. common carrier, d.h. denjenigen Beförderer, der sich öffentlich durch Ankündigungen gegenüber jedermann erboten hat, Beförderungsverträge durchzuführen. Nach deutscher Auffassung ist in der Anzeige von Fahrplänen nur eine Aufforderung zur Abgabe einer Offerte zu sehen. Der Vertrag kommt dann erst durch die Annahme derselben durch den Verfrachter zustande. Als Kontrahierungszwang kann sich ferner im Ergebnis die Schadensersatzpflicht beim Verstoß gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7.1957 (vgl. Anhang I I zum vierten Abschnitt) auswirken. Nach den gesetzlichen Bestimmungen bedarf der Abschluß eines Seefrachtvertrages k e i n e r F o r m . Formlos ist der S t ü c k g ü t e r v e r t r a g auch in der Rechtswirklichkeit. Größere Partien werden meistens vor der Anlieferung beim Verfrachter oder dessen Agenten angemeldet („vorgebucht"). Indessen ist zweifelhaft, ob darin bereits ein rechtsverbindlicher Frachtvertrag zu erblicken ist. Kleine Parteien werden meistens ohne Voranmeldung am Schuppen oder auch unmittelbar am Schiff angeliefert, wobei dann ein „Schiffszettel" ausgestellt wird. In beiden Fällen wird regelmäßig über die Verfrachtungsbedingungen nicht gesprochen werden, sofern es sich nicht um die Vereinbarung dieser oder jener Spezialklausel handelt. Der Befrachter weiß, daß der Verfrachter „Allgemeine Geschäftsbedingungen" hat, die in den Konnossementsformularen niedergelegt sind. Die Konnossementsformulare sind jederzeit erhältlich, so daß sich der Befrachter auch über die Bedingungen rechtzeitig unterrichten kann (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 233f.). I n vielen Konnossenenten ist auch ausdrücklich betont, daß der Konnossementsinhalt nicht nur im Verhältnis Verfrachter-Empfänger, sondern auch in dem des Befrachters zum Verfrachter gelten soll. vgl. z. B. die in BGHZ 6, 127 erwähnte Klausel: „ I n accepting this Bill of Lading shippers, receivers as well as Owners of the goods shipped or their respective Agents unreservedly agree and submit themselves to all the stipulations and conditions, whether printed, stamped or handwritten hereforth or overpage, notwithstanding any laws or local usages that might exist to the contrary or otherwise a t the ports of shipment or destination or elsewhere." Vgl. auch Vorbem. vor § 642 HGB Anm. 11. Auch der Abschluß von R a u m f r a c h t v e r t r ä g e n ist an sich formlos. Üblich ist jedoch die Beurkundung in Gestalt einer Chartepartie (§ 557 HGB). Über V e r s c h u l d e n b e i A b s c h l u ß des Frachtvertrages und p o s i t i v e V e r t r a g s v e r l e t z u n g siehe BGH N J W 1954 S. 229 und HansOLG Hamburg Hansa 1959 S. 2166. 5. Güter sollen befördert werden, also transportable Gegenstände jeder Art (RGZ 20, 49), auch S c h i f f e , w e l c h e m i t g e s c h l e p p t w e r d e n u n d i n d i e O b h u t d e s V e r f r a c h t e r s g e l a n g t s i n d (RGZ 67,10; 86,429; P a p p e n h e i m H B 3 S. 17 Anm. 2); nicht l e b e n d e M e n s c h e n — auf diese beziehen sich die Bestimmungen des fünften Abschnitts des vierten Buches des HGB —, während menschliche Leichen als Frachtgut anzusehen sind. Reise263

Anm. 9

Vor § 556

Vierter Teil. Seehandelsrecht

effekten (Reisegepäck) sind „Güter" nur, sofern sie unabhängig von der Beförderung des Passagiers selbst zum Transport gelangen; anderenfalls gelten für sie die Vorschriften der §§ 672ff. HGB über das Reisegut. Die zu befördernde W a r e n g a t t u n g wird regelmäßig fest vereinbart. Doch findet sich beim Raumfrachtvertrag (vgl. über diesen § 556 HGB) auch häufig, daß der Befrachter nach seiner Wahl verschiedene Güter verladen darf. Ist im Vertrage vorgesehen, daß „general merchandise" befördert werden soll, so kann es sich dabei um eine volle Ladung eines bestimmten Massengutes oder um eine Teilladung von Massengütern gemischt mit Stückgütern oder um Stückgüter der verschiedensten Art handeln. Amn. 10

Ladung im eigentlichen, engeren Sinne (vgl. Anm. 1 zu § 535 HGB) werden die zu befördernden Güter erst mit der Übernahme in das Schiff ( P a p p e n h e i m H B 2 S. 324), mit ihrem Eintritt in die seerechtliche Gemeinschaft (RGZ 9, 161).

Anm. 11

6. Nach einem Orte über See muß die Beförderung erfolgen. Es darf also jedenfalls keine reine Binnenreise vorliegen. Vgl. dazu auch Bd. I S. 231 ff. Nicht erforderlich ist, daß die Verpflichtung übernommen wird, die Beförderung mit einem Seeschiff vorzunehmen. Auch die Beförderung über See mit einem Binnenschiff ist ein Seefrachtvertrag. Anders die 2. Aufl. dieses Kommentars, Vorbemerkung I 5 vor § 556 (Anm. 9). Wie hier auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 46; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e § 556 Anm. 8. Vgl. im übrigen wegen der Abgrenzung von See- und Binnenschiffahrtsrecht dritter Teil erstes Kapitel Anm. 13ff. (Bd. I S. 231 ff.). Macht ein Seeschiff gelegentlich eine reine Binnenreise, so kommt für den Frachtvertrag, sofern nicht eine anderweitige Parteivereinbarung vorliegt, Binnenschiffahrtsrecht zur Anwendung (so auch W ü s t e n d ö r f e r a.a.O.; anders S c h l e g e l b e r g e r L i e s e c k e a.a.O.). Es wäre in keiner Weise gerechtfertigt, hier den Beförderungsunternehmer der dem deutschen Binnenschiffahrtsrecht unbekannten zwingenden Mindesthaftung nach den §§ 662 ff. HGB zu unterwerfen. Bei kombinierten Reisen, d. h. solchen Reisen, bei denen See- und Binnengewässer durchfahren werden, ist ausschließlich Seerecht anzuwenden, wenn das Binnengewässer mir der verlängerte Arm des Seewegs ist (vgl. wegen weiterer Einzelheiten Bd. I S. 233, Anm. 14). Bei echten kombinierten Reisen, bei denen also der Seeweg und der Binnenweg in ihrer Bedeutung gleichwertig sind, kommt es in erster Linie auf die Parteivereinbarung an. Doch kann für den Seeweg, soweit er unter den zwingenden Geltungsbereich der Haager Regeln fällt (vgl. §§ 662ff. HGB), die zwingende Haftung nach §§ 662ff. HGB nicht wegbedungen werden, wohl aber für den Binnenschiffahrtsweg. Insoweit findet dann notwendig ein Wechsel des anzuwendenden Rechts statt, was S c h l e g e l b e r g e r L i e s e c k e a.a.O. mit ihrer Stellungnahme gegen A b r a h a m , GR l.Aufl. S. 3f. übersehen. Vgl. im übrigen Bd. I S. 233.

7. Von einem bestimmten oder doch bestimmbaren Orte aus ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 23) nach einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Orte, letzteres dann, wenn dem Befrachter ein Wahlrecht (Option) eingeräumt ist und dann der Schiffer vielfach erst später, z.B. in einem späteren Hafen, dem sog. Orderhafen, oder drahtlos auf See oder auch nach zeitweiliger Aufbewahrung der Güter im Schiffe (HansOLG HansGZ 1901 Nr. 54; RG HansGZ 1902, 41; M i t t e l s t e i n H B 127) vom Befrachter oder Ablader sein Reiseziel angegeben werden soll. Der Schiffer hat aber regelmäßig nicht nötig, seinerseits vom Orderhafen aus Instruktionen bei diesen Personen einzuholen (RGZ 9 Nr. 8) ; doch können Treu und Glauben etwas anderes ergeben. Befördert wird nicht von Ortschaft zu Ortschaft, sondern von Ort zu Ort; Ziel der Beförderung kann z.B. auch ein Ort in der See sein, z.B. die Ladung soll in das Meer geschüttet werden oder soll an dieser Stelle in ein anderes Schiff übernommen werden (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 108 = SeuffA Bd. 50 Nr. 110; M i t t e l s t e i n H B 130; a.A. P a p p e n h e i m H B 3 S- 23 Anm. 1). Auch mehrere Lade- oder Löschhäfen können in Betracht kommen. Bei sog. „konsekutiven Reisen" wird im allgemeinen ein sehr weitgespannter Rahmen für Lade- und Löschhäfen festgelegt. 13 8. Gegen Zahlung einer Vergütung, der P r a c h t (das Gesetz vermeidet streng, als Fracht auch die Ladung zu bezeichnen, was in der Praxis häufig geschieht), die regelmäßig vom Empfänger zu entrichten ist (vgl. §§ 614, 625, 626, 627 HGB), aber auch vom Befrachter oder Ablader ganz oder zum Teil, provisorisch oder definitiv, vorausbezahlt werden kann (Näheres zu § 617 HGB). Die Fracht kann, wenn ihre Höhe überhaupt vereinbart ist (§ 619 HGB),

Anm. 12

Anm.

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

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bedungen sein nach Maß, Gewicht oder Menge der Güter (§ 620 HGB) oder nach Zeit (§ 622 HGB). Schließlich kommt noch die „Lumpsum-Fracht" des § 616 Abs. 4 HGB in Betracht. Bei dieser Fracht in „Bausch und Bogen" erhält der Verfrachter eine bestimmte Pauschalfracht und wird dadurch des Risikos enthoben, daß z.B. bei sperrigem Gut weniger Ladung als von ihm kalkuliert eingenommen wird. Der Frachtanspruch v e r j ä h r t nach Maßgabe des § 196 Abs. 1 Nr. 3 BGB (RGZ 86, 423). Die H ö h e d e r F r a c h t unterliegt beim Seefrachtvertrag keiner zwingenden oder auch nur dispositiven Regelung. Sie wird beim Raumfrachtvertrag regelmäßig zwischen den Parteien auf der Basis von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelt. Beim Stückgütervertrag finden sich überwiegend vom Verfrachter einseitig bestimmte Tarife, die meistens in Verfrachterkartellen (Schiffahrtskonferenzen) festgelegt werden. Vgl. über diese Anhang I I zum 4. Abschnitt. 9. Nicht wesentlich ist für den Seefrachtvertrag das Vorhandensein eines Ladungsemp- Anm. 14 fängers (consignée, receiver — nicht charterer's agent, wie das HansOLG HansGZ 1895, 144 annimmt —; consignataire, réceptionaire, destinataire — vgl. S c a p e l , Traité theorique et pratique sur les transports par mer, terre, eau, air, fer: Le destinataire de marchandise, Paris 1958; italienisch ricevitore, destinatario). Dieser (vgl. über ihn auch Anm. 2 zu § 535 HGB, § 614 HGB und die dortigen Anm.) fehlt z.B., wenn der Verfrachter es übernimmt, die Ladung ins offene Meer hinauszubringen und dort zu versenken (HansOLG HansGZ 1894 Nr. 108 = SeuffA Bd. 50 Nr. 110; über den Fall der Kabellegung vgl. B o y e n s Bd. 2 S. 86; B r a n d i s Bd. 2 S. 5: hier liegt ein Frachtvertrag nicht vor, wohl aber ein Werkvertrag; P a p p e n h e i m H B 3 S. 23). Doch handelt es sich dabei um Ausnahmefälle. Fast stets wird vom Befrachter oder Ablader ein Ladungsempfänger im Bestimmungshafen genannt. Der Empfänger hat eigene Rechte gegen das Schiff zunächst dann, wenn ein Konnossement ausgestellt wurde und er dessen berechtigter und legitimierter Inhaber Ist. Wie aber, falls kein Konnossement ausgestellt ist? Das Gesetz schweigt. Mit Recht nimmt die herrschende Ansicht an, daß dann der Empfänger gemäß §§ 328 ff BGB und in entsprechender Anwendung, von § 435 HGB die Befugnis hat, im Bestimmungshafen die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte gegen Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen im eigenen Namen geltend zu machen. Der Frachtvertrag ist insoweit ein Vertrag zugunsten eines Dritten, des Empfängers. Diese Lösung ist im Hinblick auf die Regelung beim Frachtgeschäft des HGB die natürliche. Vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 226, auch S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 17 zu § 556 HGB. B o y e n s Bd. 2 S. 86 (ebenso P a p p e n h e i m HB 3 S. 47) sieht den Empfänger, wenn kein Konnossement gezeichnet ist, nur als Vertreter des Abladers an und meint deshalb, die Anweisung des letzteren sei bis zur Ablieferung des Gutes stets unwiderruflich. Praktisch nicht durchführbar ist eine weitere Ansicht, § 328 Abs. 2 BGB darüber entscheiden zu lassen, ob dem Empfanger ein eigenes Recht auf Auslieferung gegen den Verfrachter zusteht oder ob ihm dieses durch Verfügungen des Abladers oder Befrachters wieder entzogen werden kann (vgl. etwa C o s a c k , Handelsrecht, 7. Aufl. 1910, S. 478). Denn der Verfrachter, der das innere Verhältnis zwischen Befrachter und Empfänger nicht kennt, darf nicht im unklaren darüber sein, ob und wie lange er dem Widerruf des ersteren stattgeben darf. Folgt man der herrschenden Meinung, so ist es eine Nebenfrage ohne praktische Bedeutung, ob man den resolutiv bedingten Rechtsübergang durch gesetzliche Zession (so die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 12 zu § 556 HGB) oder durch Abschluß eines Vertrages zugunsten eines Dritten erklären will (vgl. dazu W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1, 323; siehe ferner RG J W 1900 S. 314). Wurde ein Konnossement ausgestellt, wie das regelmäßig der Fall ist, so richtet sich gemäß § 656 Abs. 1 HGB die Rechtsstellung des Empfängers nach diesem. Doch ist gerade für den Raumfrachtvertrag zu beachten, daß, soweit bei diesem ein Konnossement ausgestellt wurde, sich vielfach die Klausel findet „all other conditions as per charterparty", wodurch dann in vieler Hinsicht, z. B. vornehmlich bezüglich Liegegeld, Auslieferung, Frachtzahlung, doch wieder auf die Bedingungen des Frachtvertrages verwiesen wird. Zu beachten ist jedoch, daß der Frachtvertrag zwar ein Vertrag zugunsten Dritter, jedoch nicht zu Lasten Dritter ist. Soweit das Gesetz deshalb von Verpflichtungen des Empfängers redet, wie etwa in §§ 604 Abs. 1, 614 HGB, sind darunter nur Bedingungen für die Geltendmachung von Rechten zu verstehen. 265

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Vierter Teil. Seehandelsrecht

D e r E m p f ä n g e r k a n n m i t d e m B e f r a c h t e r o d e r A b l a d e r i d e n t i s c h sein. Meistens ist es aber ein Dritter (Überseekäufer, Kommissionär, eine mit der Abwicklung des Überseekaufs betraute Inkassobank oder ein Empfangsspediteur). Der Empfänger kann das Empfangsrecht für eigene oder f ü r fremde Rechnung (Kommissionär, Empfangsspediteur) erwerben. 10. E s i s t n i c h t e r f o r d e r l i c h , d a ß die A u s f ü h r u n g des T r a n s p o r t e s m i t Anm. 15 e i n e m bestimmten Schilf z u g e s a g t w i r d , wenn dies auch beim Raumfrachtvertrag anders als beim Stückgütervertrag, die Regel ist. Vgl. dazu die Einzelausführungen in Anm. 4 zu § 556 HGB und in den Anm. zu § 525 HGB. Anm. 16

III. Juristische Natur des Seefrachtvertrages S c h r i f t t u m : A r g y r i a d e s MDR 1958 S. 728; J a n s s e n , Die Zeitcharter, Leipz. Rechtswissenschaftliche Studien, Heft 6, 1923; L ü d e r s , Gedanken zum Zeitcharter- und Reederproblem, Diss. Hamburg 1939; N e c k e r , Die Rechtsstellung des Zeitcharterers, Hansa 1957 S. 353; R i e n s b e r g , Die rechtliche Natur der Zeitcharter, Hansa 1956 S. 2294; W i l l n e r , Die Zeitcharter, Überseestudien, Heft 22, 1953; W ü r d i n g e r , Zur Rechtsnatur der Zeitcharter, MDR 1957 S. 257; W ü s t e n d ö r f e r SHR 228f. und J W 1925 S. 1250; D u s e n d s c h ö n , Der sog. „Deutzeit-Frachtvertrag" als Chartermiete, Diss. Hamburgl926; E c k h a r d t , Probleme des Zeitchartervertrages, in Pestschrift für Pappenheim, 1931, S. 74ff.; R i e d , Der Zeitcharterer als Reeder, Diss. Hamburg 1937; S p i l i o p o u l o s , Rechtsfragen des Chartervertrages ZHR Bd. 92 S. 261 ff; T a n n e n w a l d , Prachtvertrag und Schiffsmiete WZ 1911 S. 534ff.; W e i b g e n , Der Zeitchartervertrag, ZHR Bd. 99 S. 284ff. 1. E s b e s t e h t h e u t e E i n i g k e i t d a r ü b e r , d a ß d e r S e e f r a c h t v e r t r a g a l s ein U n t e r f a l l d e s B e f ö r d e r u n g s V e r t r a g e s ein Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) mit eingehender gesetzlicher Sonderregelung ist. Vgl. z.B. W ü s t e n d ö r f e r Studien S. 95 und 136; C a p e l l e , Prachtcharter 96, S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 3 zu § 556. Das Werk, das der Verfrachter herzustellen verspricht, ist der durch seine Dienstleistungen herbeizuführende Beförderungserfolg. Dieser Erfolg, also die Verbringung der Güter an den Bestimmungsort, nicht die dazu als Hilfsleistung unerläßliche Gewährung des Schiffsraums, ist der eigentliche Zweck des Vertrages ( C a p e l l e a.a.O.), durch den auch etwa vorhandene Elemente der Gebrauchsüberlassung des Schiffes konsumiert werden. Deshalb ist der Prachtvertrag reiner Werkvertrag, nicht etwa ein mixtum compositum aus Beforderungsvertrag, Miete und Dienstverschaffungsvertrag, bei dem im konkreten Falle das eine oder andere Element mehr oder weniger hervortritt (a.A. R i e n s b e r g a.a.O.). Auch das RG hat in RGZ 15, 76 und 25, 112, ferner in LZ 1910, 290 = HoldheimsMSchr. 1910, 221, das HansOLG in HansGZ 1897, 284 und weiteren Entscheidungen den Frachtvertrag als Werkvertrag angesehen. Dagegen ist nach RGZ 48, 92 der Frachtvertrag „im Zweifel", nach B r o d m a n n KrVJSchr. Bd. 48 S. 92 „in der Regel, aber nicht notgedrungen" Werkvertrag. Überhaupt überwog in der älteren Theorie die Meinung, daß der Seefrachtvertrag nicht immer als locatio conductio operis, sondern in manchen Fällen als locatio conductio rei anzusehen sei ( C r o p p , Heises und C r o p p s Juristische Abhandlungen Bd. 2 S. 635ff.; V o i g t , Neues Archiv für Handelsrecht Bd. 2 S. 224 ff.). Der Frachtvertrag ist auch dann Werkvertrag, wenn der Verfrachter dem Befrachter zwecks Unterbringung der Ladung das ganze Schiff, einen verhältnismäßigen Teil oder bestimmte Räume desselben zur Verfügung stellt, wie dies beim Chartervertrage, sofern dieser ein Frachtvertrag ist, geschieht, und zwar gleichviel, ob in diesem Falle die Charterung des Schiffes für eine bestimmte Reise oder auf Zeit (time-charter) erfolgt ist (HansOLG HansGZ 1897, 284 = SeuffA Bd. 54 S. 35; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, 97; P a p p e n h e i m H B 3 S. 55; C a p e l l e a.a.O.; vgl. OLG Karlsruhe DJZ 1898, 475); letzterenfalls sind eben die einzelnen Transporte, die während der Dauer der Charterung ausgeführt werden sollen, die vom Verfrachter zu erbringenden Erfolge, selbst wenn er deren Zahl und Ziel nicht zu bestimmen hat (Hamb. Schiedsgericht HansGZ 1915, 98). D i e s e E r f o l g e w e r d e n a u c h in d e n F ä l l e n der C h a r t e r u n g e i n e s g a n z e n S c h i f f e s h e r b e i g e f ü h r t n i c h t d u r c h d e n C h a r terer mit dem S c h i f f s m a t e r i a l des V e r f r a c h t e r s , s o n d e r n d u r c h den Verf r a c h t e r , in dessen Dienst und Lohn und unter dessen Befehlen der Schiffer und die übrige Besatzung verbleibt, wenn auch vereinbart sein kann, daß in e i n z e l n e n B e z i e h u n g e n 266

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diese Personen den Anweisungen des Charterers nachzukommen haben sollen (sog. employment-Klausel). So ist also die beim Chartervertrag als typisch anzusehende Vereinbarung der Beförderung mit einem b e s t i m m t e n S c h i f f (§ 556 Anm. 4 HGB; §565 HGB; oben Anm. 14) nichts mit einem Werkvertrage Unvereinbares. Solche „Individualisierung des Werkzeugs" kommt auch sonst gelegentlich vor. Vgl. W ü s t e n d ö r f e r Studien 98; C a p e l l e a.a.O. S. 97. 2. Der Ausdruck „Zeitcharter" ist als solcher rechtlich farblos. So liegt bei einer Zeit- Anm. 17 charter S a c h m i e t e vor, wenn ein Schiff mit Besatzung jemanden gegen Entgelt in einer Weise überlassen wird, d a ß n u r er w ä h r e n d der Z e i t d e r Ü b e r l a s s u n g ü b e r d e s s e n V e r w e n d u n g soll b e s t i m m e n k ö n n e n , die Befugnisse des Charterers also über diejenigen bei einer Employment-Klausel (vgl. über diese Anm. 5 zu § 510 HGB) hinausgehen. Vgl. auch BGH Hansa 1958 S. 1769 = Recht der Schiffahrt 40—07—05 (Bd. I I Heft 2). Indessen kann die Frage, ob im konkreten Falle ein Raumfrachtvertrag oder ein Mietvertrag mit Dienstverschaffungsleistung der Besatzung (im Gegensatz zu der bloßen bare-boat-charter) vorliegt, schwierig zu entscheiden sein. Entscheidend dafür ist weder die von den Parteien gewählte Bezeichnung noch der Besitz am Schiff, dessen Übergang auf den Charterer zwar zeigt, daß ein Mietvertrag vorliegt, aus dessen NichtÜbergang aber nicht in allen Fällen zu entnehmen ist, daß ein Frachtvertrag gegeben ist. Denn der Kapitän kann auch bei einem Mietvertrag die tatsächliche Gewalt für den Reeder als dessen Besitzdiener behalten (RGZ 71, 333). E s k o m m t v i e l m e h r d a r a u f a n , ob der R e e d e r s e l b s t f ü r s e i n e n G e g e n k o n t r a h e n t e n T r a n s p o r t l e i s t u n g e n v o r n e h m e n o d e r es i h m n u r e r m ö g l i c h e n will, d a s S c h i f f u n d die D i e n s t e d e r B e s a t z u n g s e i n e r s e i t s s e l b s t ä n d i g a u s z u n u t z e n . I m e r s t e n F a l l h a n d e l t es sich u m e i n e n F r a c h t v e r t r a g , im l e t z t e n um e i n e S c h i f f s m i e t e . Dabei steht der Annahme eines Frachtvertrages nicht entgegen, daß etwa der Charterer das Recht hat, Zahl und Ziel der auszuführenden Reisen innerhalb der Grenzen der Charter zu bestimmen, oder daß er den notwendigen Treibstoff zu beschaffen hat (vgl. dazu auch Hamb. Schiedsgericht HansGZ 1915, 98). Es muß aber beim Frachtvertrag immer ein jedenfalls doch bestimmbarer Leistungserfolg versprochen sein, der im Zusammenhang mit typischen Reederaufgaben des Vercharterers steht. So wird ein Zeitchartervertrag mit Employment-Klausel, wenn der Charterer nicht selbst Seetransportunternehmer, vornehmlich auch in seiner Haupttätigkeit ist, Frachtvertrag sein, denn hier will sich der Charterer gerade auch der Reedererfahrung des Unternehmens des Vercharterers im Sinne eines werkvertraglichen Erfolgversprechens bedienen. Die ölgesellschaft, die auf zehn Jahre einen Tanker chartert, der Erzgroßhändler, der auf zwei Jahre einen Frachter in Zeitcharter nimmt, hat im allgemeinen nur geringe eigene Reedererfahrung. Ihm liegt nicht nur an der bloßen Zurverfügungstellung des Schiffes und der Dienste seiner Besatzung. Er erwartet den Transporterfolg. Er wird, wenn sich diesem Hindernisse in den Weg stellen, in den meisten Fällen weder willens noch in der Lage sein, helfend einzuspringen. Ein Mietvertrag wird dagegen im Zweifel dann anzunehmen sein, wenn eine Linienreederei in Ergänzung ihres Schiffsparks ein Schiff chartert, um es in ihre Linie einzustellen (vgl. W ü s t e n d ö r f e r Archciv. Prax. Bd. 110, S. 261 ff.; siehe auch LG Bremen Hansa 1951, S. 115; vgl. auch BGH NJW 1957 S. 828). Eine charternde Reederei verfügt über eigene Seetransporterfahrungen. Sie kann sich mit der bloßen Überlassung von Schiff und den Diensten der Besatzung begnügen. Sie wird sogar in der Regel auch nicht mehr wollen, und es wird ihr vielleicht angenehm sein, wenn der Vercharterer sich auf diese Funktionen beschränkt. Soweit in den Vertragsformularen dem Rechtscharakter des Vertrages eine andere Bezeichnung gegeben worden ist, als ihm in Wirklichkeit zukommt, verbleibt es bei der Anwendung derjenigen Rechtsnormen, denen der Vertrag nach seinem Inhalt zuzusprechen ist. Die hier angesprochenen Fragen werden wohl bis zu einem gewissen Grade immer zweifelhaft bleiben. Bei einer Überlassung des Schiffes mit den Diensten der Besatzung nehmen stets einen Frachtvertrag an R i e n s b e r g a.a.O., W ü r d i n g e r a.a.O., N e c k e r a.a.O., A r g y r i a d i s a.a.O., S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e § 510 HGB Anm. 2. Vgl. dagegen z.B. BGH Hansa 1958 S. 1709 = Recht der Schiffahrt 40-07-05 (Bd. I I Heft 2): Werde ein Schiff mit Bemannung einem anderen zur Verfügung gestellt, so kÖDne es fraglich erscheinen, ob die Vertragsbeziehungen als Gesamtraumfrachtvertrag oder als Sachmiete mit Dienstverschaffungsvertrag zu beurteilen seien. Hiervon werde die inBGZ22, 197 = N J W 1957 S. 828 behan267

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delte Frage des Ausrüsterverhältnisses nicht berührt. Ein Frachtvertrag liege in der Regel vor, wenn dem anderen der Besitz an dem Schiff nicht eingeräumt werde und die Obhutspflicht über die Schiffsladung beim Schiffseigner verbleibe. Wo aber das Schiff dem Charterer zur Verfügung gestellt und ihm die Art der Verwendung überlassen werde, sei die Annahme einer Sachmiete bedenkenfrei. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes, Bundessteuerblatt 1957 I I I S. 306 = Hansa 1957 S. 2038 ist die Zeitcharter kein Miet- oder Pachtverhältnis im Sinne des § 8 Ziff. 8 des Gewerbesteuergesetzes. Auch im a n g l o - a m e r i k a n i s c h e n Recht scheint über die Natur der Zeitcharter keine weitergehende Klarheit als im deutschen Recht zu bestehen. Überwiegend wird sie anscheinend als hire angesehen (locatio navis et operarum magistri) im Gegensatz zu dem contract for the carriage and delivery of the oharterer's goods (locatio operis vehendarum mercium). Von praktischer Bedeutung scheint nur die Abgrenzung gegenüber der charter by demise zu sein. Der Demise-Charterer entspricht etwa dem Ausrüster des deutschen Rechts (vgl. weitere Einzelheiten in Anm. 14 zu § 510 HGB). Die charter by demise wird weitgehend als ein Unterfall der lease betrachtet. Im f r a n z ö s i s c h e n Recht ist zunächst ganz allgemein f ü r den Seetransportvertrag umstritten, ob er, soweit ein Raumfrachtvertrag vorliegt, nicht als Mietvertrag anzusehen ist. Vgl. R i p e r t , Droit Maritime, Bd. I I S. 245ff. Ripert sieht ihn als einen Vertrag „d'entreprise de transport par mer" an, ebenso D a n j o n Bd. 2 Nr. 744ff. Die Zeitcharter insbesondere sieht R i p e r t als einen reinen Unterfall des Frachtvertrages an, weil der Eigentümer des Schiffes sich verpflichte, die ihm vom Charterer im Rahmen des Chartervertrages aufgegebenen Reisen durchzuführen. Der Charterer habe zwar die Wahl, welche Reiseziele er im Rahmen einer etwaigen Abgrenzung des Chartervertrages bestimmen wolle. Der Vercharterer verspreche aber die Durchführung dieser Reisen genau in dem gleichen Sinne wie die Durchführung einer Einzelreise. Vgl. R i p e r t a.a.O. Bd. I I Nr. 1380ff. Ebenso für das b e l g i s c h e Recht S m e e s t e r s und W i n c k e l m o l e n ' , Droit Maritime et Droit Fluvial, Bd. 1 Nr.211.FürdasniederländischeRechtbestimmt Art. 453Abs.2WvK: „L'affrètement à temps est la Convention par laquelle l'une des parties (le fréteur) s'engage à mettre un navire désigné pendant un certain temps à la disposition de l'autre partie (l'affréteur), afin que ce dernier l'utilise à son profit pour la navigation maritime moyennant un prix calculé d'après le temps écoulé." Vgl. dazu auch V ö l l m a r , Zee-en Binnenvaartrecht, 1952 S. 113. Nach App. G. Genua II Diritto Marittimo 1959 S. 106 bilden Reise-Charter und Zeitcharter denselben Vertragstyp nach Art. 384 c. nav. Das s c h w e i z e r i s c h e Recht regelt in Art. 90ff. des Seeschiffahrtsgesetzes vom 23. 9. 1953 zunächst die Schiffsmiete. Schiffsmiete ist danach nur die bare-boat-charter. Die Bestimmungen, die als die eines modernen Gesetzes angeführt werden mögen, lauten im einzelnen: „Artikel 90 (Begriff und Form) Durch den Mietvertrag über ein Seeschiff verpflichtet sich der Schiffseigentümer, dem Mieter ein unbemanntes, nicht ausgerüstetes Seeschiff zu Gebrauch und Betrieb zu überlassen, und der Mieter, dem Schiffseigentümer hierfür einen Mietzins zu leisten. Die Schiffsmiete bedarf zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Artikel 91 (Miete und Untermiete) Die Untermiete ist nur zulässig, wenn sie im Mietvertrag vorgesehen worden ist. Auf die Miete und Untermiete eines Seeschiffes finden im allgemeinen die Bestimmungen des Obligationsrechtes über die Miete Anwendimg. Artikel 92 (Rechte und Pflichten der Parteien) Der Vermieter ist verpflichtet, das Seeschiff in seetüchtigem Zustand nebst Zubehör und Bestandteilen und den notwendigen Schiffspapieren zu übergeben. Der Mieter hat das Seeschiff, unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Abnutzung, in demselben Zustand und in demselben Hafen, in dem er es erhalten hat, zurückzugeben. Der Mietzins ist vom Tage hinweg, an dem das Seeschiff dem Mieter übergeben wird, bis zum Tage der Rückgabe an den Schiffseigentümer geschuldet. Eine auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Schiffsmiete kann jederzeit mit einer Kündigungsfrist von vier Monaten gekündigt werden. 268

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Artikel 93 (Anmerkung der Miete) Solange eine Vermietung des Seeschiffes nicht im Register der schweizerischen Seeschiffe angemerkt ist, gilt der Schiffseigentümer als Reeder, sofern dem Dritten das Bestehen der Schiffsmiete zur Zeit der Entstehung seines Anspruches nicht bekannt gewesen ist." Der Chartervertrag wird nicht als Seefrachtvertrag angesehen. Das ergibt sich aus der Gegenüberstellung von Art. 101 ff. und Art. 94ff. des Seeschiffahrtsgesetzes. Die ersteren sind überschrieben „Der Seefrachtvertrag", die letzteren „Der Chartervertrag". Die Begriffsbestimmung für den Seefrachtvertrag in Art. 101 Abs. 1 lautet: „Durch den Seefrachtvertrag verpflichtet sich der Seefrachtführer, den mit dem Ablader vereinbarten Transport von Gütern über Meer gegen Entrichtung der Fracht auszuführen.'' Demgegenüber lauten die Art. 94 ff. über den Chartervertrag wie folgt: „Artikel 94 (Begriff) Durch den Chartervertrag verpflichten sich der Reeder als Verfrachter, den Raumgehalt eines bestimmten Seeschiffes ganz oder teilweise für eine bestimmte Zeit (Zeitcharter) oder für eine oder mehrere bestimmte Seereisen (Reisecharter) dem Befrachter zur Verfügung zu stellen, und der Befrachter zur Leistung einer Vergütung. Verfrachter und Befrachter können verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (Chartepartie) ausgestellt wird. Artikel 95 (Haftung des Verfrachters) Der Verfrachter hat das Seeschiff in seetüchtigem Zustand zu erhalten und dem vertraglichen Zweck entsprechend auszurüsten, zu bemannen und zu verproviantieren und mit den erforderlichen Schiffspapieren zu versehen. Der Verfrachter haftet dem Befrachter für den Schaden, der aus einem Mangel des Seeschiffes entsteht, sofern er nicht nachweist, daß dieser Mangel trotz sorgfältiger Prüfung bis zum Antritt der Seereise nicht zu entdecken war. Artikel 96 (Verhältnis zwischen Reeder, Kapitän und Befrachter) Der Kapitän bleibt hinsichtlich der Führung des Seeschiffes uneingeschränkt dem Reeder unterstellt. Dagegen kann der Chartervertrag dem Befrachter das Recht einräumen, dem Kapitän Weisungen für die Annahme, Beförderung und Auslieferung der Ladung zu erteilen; handelt der Kapitän gestützt auf solche Weisungen, so verpflichtet er den Befrachter. Hat der Kapitän in diesen Fällen Dritten gegenüber im Namen oder für Rechnung des Befrachters gehandelt, so haften der Reeder und der Befrachter solidarisch. Vorbehalten bleibt der Rückgriff des Reeders auf den Befrachter. Der Reeder haftet jedoch dem Befrachter gegenüber nicht für Handlungen des Kapitäns, die sich auf Weisungen des Befrachters stützen. Artikel 97 (Verteilung der Kosten) Die Kosten für Betriebsstoffe und für den gewöhnlichen Umschlag der Ladung sowie die gewöhnlichen Schiffahrts- und Hafenabgaben gehen beim Zeitchartervertrag zu Lasten des Befrachters. Benötigt der Reeder für die Erhaltung des Schiffes in seetüchtigem Zustand und für die Bemannung mehr als vierundzwanzig aufeinanderfolgende Stunden, so hat ihm der Befrachter für die Überzeit keine Vergütung zu bezahlen. Die Entschädigung für Überzeitarbeit der Schiffsbesatzung geht beim Chartervertrag zu Lasten des Befrachters. Artikel 98 (Rücktritt vom Vertrag) Der Zeitchartervertrag verpflichtet den Verfrachter nicht, eine Reise auszuführen, welche das Seeschiff und die Schiffsbesatzung einer bei Vertragsabschluß nicht vorgesehenen, erst nachträglich eingetretenen oder erkannten größeren Gefahr aussetzen würde.

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Ist in diesem Falle die vertragsgemäße Versendung des Seeschiffes unmöglich geworden, so kann der Befrachter jederzeit vom Vertrag zurücktreten und die Vorauszahlung, soweit keine Gegenleistung erbracht worden ist, zurückverlangen. Artikel 99 (Beendigung des Vertrages) Bei Beendigung des Zeitchartervertrages hat sich das Seeschiff wieder in demjenigen Hafen zu befinden, in dem die erste Reise angetreten worden ist. Wird die vereinbarte Dauer des Zeitchartervertrages durch die letzte Reise des Seeschiffes überschritten, so gilt der Vertrag bis zur erfolgten Rückkehr als verlängert und eine zusätzliche Vergütung ist entsprechend der entstandenen Verzögerung geschuldet. Der Verfrachter kann den Antritt einer Reise verweigern, welche unter gewöhnlichen Umständen die vereinbarte Dauer des Zeitchartervertrages wesentlich überschreiten wird. Steht das Seeschiff nicht zur vertragsmäßig bestimmten Zeit und am vereinbarten Ort dem Befrachter zur Verfügung, so kann dieser ohne besondere Mahnung und Inverzugsetzung sofort mittels schriftlicher Anzeige vom Chartervertrag zurücktreten und Schadensersatz geltend machen, sofern der Verfrachter nicht beweist, daß er den Verzug nicht zu vertreten hat. Artikel 100 (Pflichten des Befrachters) Die volle Vergütung ist auch dann geschuldet, wenn der Befrachter den vereinbarten Raumgehalt des Seeschiffes nicht vollständig in Anspruch nimmt, es sei denn, daß der Verfrachter den unbenutzten Raumgehalt anderweitig verwenden konnte. Der Verfrachter bestimmt den Reiseweg zwischen Lade- und Löschhafen. Das Laden und das Löschen der Güter obliegt dem Befrachter. Anm. 18

3. Die Frage, ob Fracht- oder Mietvertrag bei einer Zeitcharter vorliegt, wird erschwert, weil für alle Zeitcharterverträge regelmäßig vorgedruckte Standardformulare (vgl. die Beispiele im Anhang zu § 557 HGB) verwendet werden, die von internationalen Reederorganisationen ausgearbeitet sind oder auch von Gremien, die aus Reedern und Verladern zusammengesetzt sind. Die Formulare sind in der Praxis die gleichen, ohne Rücksicht darauf, ob der Jurist Miete oder Frachtvertrag annimmt. In diesen Standardformularen werden insbesondere geregelt die im allgemeinen nach Monaten festgesetzte Dauer der Zeitcharter, die einzuhaltenden Grenzen der Fahrt, die zur Beförderung erlaubten und die von ihr ausgeschlossenen Güter, der Zeitpunkt und der Ort der Anlieferung des Schiffes, die vom Reeder zu tragenden Kosten — vornehmlich diejenigen für die Erhaltung des Schiffes im seetüchtigen Stande, für den Unterhalt der Mannschaft, für die Kaskoversicherung —, die vom Charterer zu übernehmenden Kosten — insbesondere für Kesselwasser, Brennstoffe, Hafenabgaben, Lotsengebühren, Kanal- und Schleppgebühren, Kosten für Laden, Stauen, Trimmen, Löschen. Die Zeitfracht ist im allgemeinen monatlich im voraus zu zahlen und wird entweder für das Schiff im ganzen festgesetzt oder nach der Tragfähigkeit berechnet. Bei Vertragsende ist das Schiff in gleich gutem Zustande in einem Hafen innerhalb der vertraglich festgelegten Grenzen (ränge) nach Wahl des Charterers zurückzuliefern. Ist nach den Ausführungen, vornehmlich auch in Anm. 16, der Vertrag ein Frachtvertrag, so kann die Vertragsdauer auf eine bestimmte Zeit vereinbart sein (eigentliche Frachtzeitcharter). Es kann aber auch so liegen, daß das Schiff für eine oder mehrere bestimmte Reisen verfrachtet wird, die zu zahlende Fracht indessen nach Zeitabschnitten bemessen wird, z.B. nach angefangenen Monaten (§§ 622, 637 Abs. 2, 638 Satz 2 HGB). Dann wird das Risiko unverschuldeter Reiseverzögerung zum Teil auf den Charterer abgewälzt (vgl. § 622 Abs. 4 HGB). Handelt es sich bei der Zeitcharter um eine Schiffsmiete, so kann eine reine Miete mit Dienstnebenleistung oder eine solche, die mit einem DienstverschafEungsvertrage kombiniert ist, vorliegen, je nachdem, ob die Arbeitsleistung nur nebensächliche oder verhältnismäßig große Bedeutung hat (HansOLG OLGRechtspr. Bd. 36 S. 49; RGZ 98, 328). Die Mietzeit wird regelmäßig für eine bestimmte Frist vereinbart sein. Doch ist auch hier, wie bei der Frachtzeitcharter, denkbar, daß die Mietzeit auf die Dauer einer oder mehrerer bestimmter Reisen begrenzt, das Chartergeld aber nach Zeitabschnitten bedungen wird. 270

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4. A u c h d e r j e n i g e , d e r e i n S e e s c h i f f so v e r m i e t e t , d a ß d e r M i e t e r n i c h t z u m A u s r ü s t e r w i r d (vgl. darüber im einzelnen die Erläuterungen zu § 510 HGB), b e t r e i b t E r w e r b d u r c h S e e f a h r t u n d i s t d a m i t R e e d e r (vgl. Anm. 1 zu § 484 HGB). A u s r ü s t e r ist der Mieter nur dann, wenn er die Führung selbst beschafft hat, also bei reiner Sachmiete: beläßt dagegen der Vermieter seinen Schiffer auf dem Schiff und stellt nur dessen Dienste in gewissem Umfange dem Mieter zur Verfügung, so liegt eine das Vorliegen eines Ausrüsterverhältnisses ausschließende Verbindung von S a c h m i e t e u n d D i e n s t v e r s c h a f f u n g s v e r t r a g (locatio conductio navis et operarum magistri) vor (vgl. Anm. 4 zu § 510 HGB) und zwar im Zweifel eine untrennbare Verbindung, d.h. der Mieter kann nicht das ihm vermietete Schiff in Gebrauch nehmen unter Verzicht auf die Dienste des Schiffers (anders HansOLG HansGZ 1908, 212). Den Vorwurf, kein juristisch klarer Begriff, „nur eine Mitteilung des äußeren Tatbestandes, eine Bezeichnung, die nur beschreibt, nichts erklärt", zu sein ( B r o d m a n n KrVJSchr. Bd. 48 S. 87), verdient dieses Mischgebilde nicht: es subsumiert einen Tatbestand unter vorhandene Rechtsbegriffe, und es erweist sich als unentbehrlich, eben weil dieser Tatbestand anderweitig nicht unterzubringen ist (anders G ü t s c h o w ZVersWiss. Bd. 13, S. 371). 5. I m Verhältnis zu Dritten ist es von e r h e b l i c h e r B e d e u t u n g , o b e i n e M i e t e o d e r e i n F r a c h t v e r t r a g v o r l i e g t . Zwar entstehen Rechte und Pflichten stets nur unter den Vertragsparteien, wenn der Mieter oder der Befrachter Verträge mit Dritten abschließt. Das gilt insbesondere auch dann, wenn ein Frachtcharterer Unterfrachtverträge abschließt oder (ein seltenerer Fall) das Schiff im ganzen weiterverchartert, namentlich bezüglich der Konnossementsverpflichtung und der Haftung f ü r Ladungsschäden (vgl. § 605 H G B und die dortigen Anmerkungen; anders der durch das SFrG aufgehobene ehemalige § 662 HGB, der die Haftung aus vom Frachtcharterer geschlossenen Unterfrachtverträgen weitgehend auf den Hauptverfrachter abwälzte). Wird aber während der Dauer der Frachtcharter das Schiff mit Schiffsschulden belastet — z.B. aus § 754 Ziff. 7 HGB am Ende, durch welchen f ü r die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung und des im § 673 Abs. 2 H G B erwähnten Reisegutes auch dann ein Schiffsgläubigerrecht gewährt wird, wenn der Verfrachter nicht zugleich der Reeder oder Ausrüster ist —, so können diese bei der Frachtcharter stets nur gegen den Reeder geltend gemacht werden. Bei der Mietcharter dagegen trifft das nur dann zu, wenn der Mieter nicht zum Reeder oder Ausrüster wird. Wird er zu einem solchen (vgl. § 510 HGB und die dortigen Anmerkungen, wann das der Fall ist), so ist er im Verhältnis zu Dritten als Reeder anzusehen, so daß er dann allein f ü r die Dauer einer solchen Schiffsmiete f ü r Schiffsgläubigerklagen passiv legitimiert ist. Vgl. dazu auch W i l l n e r , Die Zeitcharter, 1953 (Überseestudien Heft 22) S. 101 ff. 6. Auch unter den Parteien selbst i s t d i e F r a g e v o n W i c h t i g k e i t , ob d e r V e r t r a g s e i n e r R e c h t s n a t u r n a c h e i n M i e t - o d e r F r a c h t v e r t r a g i s t . Zwar können in beiden Fällen die Vertragsbedingungen unter den Parteien frei vereinbart werden. Doch ist beim Frachtvertrag § 663 a HGB zu berücksichtigen: Gelangt das Konnossement in die Hände eines Dritten, so kommen die zwingenden Bestimmungen des § 662 HGB zur Anwendung. Siehe auch § 580a BGB, nach welchem die „überlassene" Schiffsmiete (vgl. § 571 BGB) gegenüber einem Schiffserwerber gilt. Diese Bestimmung ist im Hinblick auf die oft schwierige Abgrenzung der Schiffsmiete gegenüber einem Frachtvertrage recht unglücklich und kann zu sehr ungerechten Ergebnissen führen. Es kommt auch bei Bejahung einer Schiffsmiete die schwierige Frage hinzu, wann das Schiff dem Mieter „überlassen" ist. Vgl. dazu die Erläuterungen zu § 580 a BGB im dritter Teil, vierten Ted, Anhang zu § 2 SchRG Bd. I S. 371. 7. Einzelheiten. Liegt Schiffsmiete mit Dienstverschaffung der Besatzung vor, so haftet der Mieter dem Vermieter nicht, wenn die von ihm verwendeten Leute des letzteren durch ihr Verschulden das Schiff mit Schiffsgläubigerrechten belasten (LG Hamburg HansGZ 1913 Nr 27; RG HansRG 1913, 286 = Hansa 1913, S. 984). Andererseits haftet der Vermieter dem Mieter nicht f ü r den Schaden, den die vom Vermieter zur Verfügung gestellten, an sich ordnungsgemäß ausgewählten Besatzungspersonen dem Mieter verursachen (HansOLG HansGZ 1904 Nr. 15 = SeuffA Bd. 59 Nr. 120 = OLGRcchtspr. 8, 392; HansGZ 1908 Nr 99; 1914, 284; LG Hamburg HansGZ 1913 Nr. 27; R G HansGZ 1913, 286 = Hansa 1913, 984 = EisenbE 30, 227; P a p p e n h e i m Bd. 3, S. 94 Anm. 1; M i t t e l s t e i n H B 40; anders D a l b e r g J W 1911 S. 140ff.; AG und LG Hamburg HansGZ 1912 Nr. 57). Vgl. über die Ersatzpflicht 271

Anm. 19

Anm. 20

Anm. 21

Anm. 22

Vor § 556

Vierter Teil. Seehandelarecht

für Schäden an einem auf Deuzeit-Charter vermieteten Schiff Hansa 1927 S. 1742. Bei einer Vermietung einer Schute durch den Makler ist der Eigentümer der Schute Vertragskontrahent; HansOLG HansRGZ 1929 B 53. Die Hebung einer vermieteten Schute durch Taucher ist noch keine Rückgabe (wesentlich für die Frage der Verjährung nach § 558 BGB); RG HansRZ 1927,426. Die Frage, ob der Mieter das Verschulden des von ihm angenommenen S c h l e p p e r s gegenüber dem Vermieter zu vertreten hat, ist im bejahenden Sinne zu beantworten. Der Mieter haftet nicht für den Schaden, der dem vermieteten Fahrzeug durch die beiden Teilen bekannte, dem Gebrauchszweck entsprechende Verwendung entsteht (HansOLG HansGZ 1916, 36; kriegsmäßiges Bunkern). Hat der Reeder sich im Chartervertrag die Anstellung und Entlassung der Schiffsbesatzung vorbehalten, so daß der Charterer keinen oder nur unwesentlichen Einfluß auf die Tätigkeit der Besatzung hat, so ist der Charterer nicht verpflichtet, einen Teil des Schadens zu tragen, den das Schiff Dritten verursacht. Vgl. HansOLG HansGZ 1925,115 = HansRZ 1925, 458. Vgl. auch HansOLG HansGZ 1906, 15. Im Falle einer bloßen Miete (ohne Ausrüsterverhältnis) haftet der Mieter nicht für einen von dem (mit Dienstverschaffungsvertrag) gemieteten Schiffe angerichteten Kollisionsschaden. Der Vermieter, welcher diesen Schaden bezahlt hat, kann sich also nicht an den Mieter halten (RG HansRZ 1922, 203). Vgl. BGH Hansa 1958 S. 627 wegen der Beschädigung eines Charterschiffes bei Übernahme von Kesselwasser (Verschulden der Besatzung des Wasserbootes). Ist ein Schiff unter Baltime-Charter verchartert, so kann der Charterer, der Lieferungsverträge über Betriebsmittel für das Schiff geschlossen hat, vom Lieferanten Ersatz des dem Reeder am Schiff durch Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten entstandenen Schadens verlangen (sog. Schadensliquidation im Drittinteresse); vgl. BGH MDR 1958, S. 307. Siehe HansOLG Bremen Hansa 1952 S. 1312 = Recht der Schiffahrt 40—16—01 (Bd. I Heft 9/10) wegen der Zuständigkeit des deutschen Gerichts als das des Erfüllungsortes aus einem Zeitchartervertrag mit einer britischen Reederei. Vgl. British Court of Appeal LI. L. R1957, Recht der Schiffahrt 85—07—02 (Bd. I Heft 9/10) über die Zulässigkeit eines im Zeitchartervertrag enthaltenen Schiedsgerichtsverfahrens in London trotz eines Klageverfahrens vor US-Gerichten. Siehe Oslo Byrett, Hansa 1953 S. 468, wegen Umdeutung einer Schiedsrichterklausel in einer Baltime-Charter zwischen norwegischen Parteien. Vgl. Tribunal de Saigon in „Journal de la Marine Marchande" = Recht der Schiffahrt 85—07—05 (Bd. I Heft 9/10) über die Schiedsgerichtsklausel in der Baltic-Charter 1912, die auch für Rückgriffsansprüche der Befrachter gegen den Verfrachter gilt. Über Haftung des Charterers f ü r Unfälle durch seeuntüchtige Beschaffenheit der von ihm gestellten Ausrüstungsgegenstände vgl. USA Court of Appeals, Ninth Circuit, vom 8. 11. 1955, AMC 1956, S. 144 = Hansa 1957, S. 1409. Siehe Norges Hojessteret vom 28. 6. 1957 in „Skipperen" vom 15. 8. 1957 = Hansa 1957, S. 2223 über Beschädigung eines unter der Baltime-Charter zeitvercharterten Schiffes durch eine ungewöhnliche Ladung; Hilfeleistung durch den Ablader; Haftung des Zeitcharterers nach Ziff. 132 der Charter; Verantwortlichkeit des Kapitäns. Vgl. LG Lübeck Hansa 1958, S. 199: Der Reeder eines vercharterten Schiffes haftet nicht für die Bezahlung einer vom Charterer bestellten und zu dessen Lasten gehenden Lieferung von Bunkerkohle; aus dieser Lieferung entsteht auch kein Schiffsgläubigerrecht zugunsten der Lieferfirma. Ein Mietvertrag über einen Fischdampfer, der, wie der Vermieter wissen mußte, zu Schmuggelfahrten mit Sprit benutzt werden sollte, ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig; HansOLG HansRZ 1925, 51. Vgl. über die Änderung der Geschäftsgrundlage im Rahmen einer Fischdampfercharter Bremer Schiedsgericht vom 22. 1. 1951 Hansa 1951 S. 299. Über die „Andienung" nach dem Deutzeit-Charterformular siehe K a t z e n s t e i n Hansa 1951 S. 511, über den Erfüllungsort bei einem Zeitchartervertrag OLG Bremen Hansa 1952 S. 1312. Über Deviation unter Zeitcharter vgl. Hansa 1952 S. 1718, über Haftung des Reeders für Anordnungen des Zeitcharterers (USA) Hansa 1954 S. 998. Die Weitervercharterung eines Schiffes durch den Charterer zu einer höheren Frachtrate ist mangels gegenseitiger Vereinbarung in dem Chartervertrag grundsätzlich zulässig; siehe HansOLG Hansa 1955 S. 602. Vgl. über norwegische Rechtsprechung zur Baltime-Charter (Zusicherung einer bestimmten deadweight-Tragfähigkeit, Deviation, Zeitpunkt der Geltendmachung einer Reklamation, Greiferschaden) auch Hansa 1955 S. 1002. Siehe Queen's Bench Division vom 1. 12. 1958, LL vom 2. 12. 1958 = Hansa 1959 S. 1710 wegen der Auslegung einer Vereinbarung betr. die Übernahme des Bunkerbestandes in einem Zeitchartervertrag. 272

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Vor § 556

III. Der Sehleppvertrag. S o h r i f t t u m : B e c k e r , Das Verhältnis von Schlepper und ge- Anm. 23 schlepptem Schiff, „Die Kommandobrücke" 1960 S. 73ff. ; D o r e t V i l l e n e a u , Le remorquage en droit maritime, 1959; J u g l a r t , Le remorquage portuaire dans la jurisprudence française, Rivista del Diritto délia Navigazione 1956 S. 284fi.; L e g e n d r e , Le Contrat de Remorquage maritime, DMF 1958 S. 3; P a p p e n h e i m HB 3 S. 20ff.; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , Anm. 5 zu § 556 HGB; S o t i r o p o u l o s , Die Haftung für die Hilfspersonen der Schiffsbesatzung nach deutschem und englischem Recht, ZHR Bd. 123 S. 1ff.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 225. 1. Schlepper. Schiffe, welche keine oder keine ausreichende Fähigkeit zur Selbstbewegung haben, bedienen sich der Hilfe eines mit solcher Fähigkeit versehenen Schiffes, eines Schleppers (tug). Seeschiffe bedürfen der Hilfe eines Schleppers namentlich im engen Fahrwasser (Flüsse, Häfen), auf der See nur, wenn sie in Seenot sind, wenn sie als Seeschiffe Beschleunigung ihrer Fahrt wünschen (s. Fälle in HansGZ 1902 Nr. 39; 1907 Nr. 132; 1911 Nr. 28; 1912 Nr. 69), ferner stets als Seeleichter wegen ihrer Bauart (s. Fälle in HansGZ 1911 Nr. 33; 1912 Nr. 36 u. 94, 90 u. 177; 1913 Nr. 35). Der Schlepper eines Seeschiffes (Dampfer oder Motorschiff) wird in Häfen und auf Flüssen bald ein Binnenschiff, bald aber ein Seeschiff sein. Ein solcher Seeschlepper dient dem Erwerb durch Seefahrt, weshalb der Eigentümer, der den Schlepper so verwendet, ein Reeder ist (§ 484 HGB). Der Schleppschiffahrtsunternehmer ist Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 HGB. 2. R e c h t s v e r h ä l t n i s z w i s c h e n S c h l e p p e r u n d S c h l e p p s c h i f f , (tow). Meistens Anm. 24 liegt ein Vertragsverhältnis zugrunde, doch kommt ein Schleppen auch ohne solches vor. Letzteres trifft namentlich oft zu im Falle der Hilfeleistung in Seenot. Es kann aber auch vorkommen, daß z.B. ein Schlepper ein Seeschiff im Hafen im Auftrage eines anderen Schiffes entfernt, um diesem Platz zu machen (vgl. M i t t e l s t e i n H B 319), oder dies im Auftrage eines Hafenbeamten tut, z.B. weil das Schiff durch eine Feuersbrunst gefährdet ist (RG Recht 1909 Nr. 2936). Besteht ein Vertragsverhältnis (engl, towage, franz. remorquage), so spricht man von einem S c h l e p p v e r t r a g (vgl. § 742 Abs. 3 HGB). Da dieser einen sehr verschiedenen Inhalt haben kann, ist es irreleitend, von einem Schleppvertrag als einem besonderen Rechtsinstitut zu sprechen (RGZ 67, 12; M i t t e l s t e i n , HB 320 und HansRZ 2, 559). Es kann sich bei dem sog. Schleppvertrag um einen F r a c h t v e r t r a g handeln. Das ist dann anzunehmen, wenn der Schlepper nicht nur die Führung, sondern auch den Gewahrsam des Schleppschiffes erhalten hat (BGH VersR 1956 S. 367 = Internationale Transport-Zeitschrift 1957 S. 302 = NJW 1956 S. 1065 = BB 1956 S. 577 = DMF 1957 S.446 = Hansa 1956, S. 1208; RGZ 6, 100; 67, 12; ROHG 23,320; W ü s t e n d ö r f e r SHR225; M i t t e l s t e i n H B 320 und HansRZ 2,560). So liegt ein Frachtvertrag vor, wenn das Schleppschiff unbesetzt ist (HansOLG HansGZ 1903 Nr. 126) oder wenn es vom Schlepper mit eigenen Leuten besetzt ist, z.B. im Falle der Beförderung eines zum Abbruch bestimmten Kabeldampfers; RGZ 67, 12 gegen HansOLG HansGZ 1907 Nr. 33 (s. ferner RGZ 46 Nr. 61; auch RGZ 84 Nr. 71; ferner für den Fall des Dockens eines unbemannten Schiffes HansGZ 1910 Nr. 71; 1911 Nr. 48). Ist das Schleppverhältnis ein Frachtvertrag, so können die Parteien den Charakter dieses Vertrags nicht dadurch ändern, daß sie ihm eine andere Bezeichnung geben (was vielfach in den Allgemeinen Schleppbedingungen geschieht, indem diese bestimmen, daß das Schleppen von Schiffen jeder Art als Dienstvertrag anzusehen sei) ; vgl. BGH a. a. O. Es gelten für einen derartigen Vertrag — aber auch für die weiter unten anzusprechenden Formen des Schleppvertrages -— die Grundsätze über die Ausnutzung einer Monopolstellung, vornehmlich über die übermäßige Begrenzung des Haftungsausschlusses, insbesondere die Unzulässigkeit der Freizeichnung von der Haftung für verschuldete Seeuntüchtigkeit (vgl. über diese § 559 HGB) (BGH a.a.O.). Andere Rechtsformen des Schleppvertrages sind der W e r k v e r t r a g (§ 631 BGB) und der D i e n s t v e r t r a g (§ 611 BGB). In solchen Fällen bleibt das Schleppschiff im Gewahrsam seiner Besatzung (HansOLG HansGZ 1905 Nr. 27; M i t t e l s t e i n H B 318 und HansRZ 1, 699; anders RG J W 1918 S. 561 Nr. 16). Werkvertrag liegt vor, wenn der Schlepper es übernommen hat, gegen Entgelt ein Schiff nach einem bestimmten Platz oder Hafen oder ein bestimmtes Stück (z.B. einen Seeleichter von Hamburg nach Bremen) zu schleppen (HansOLG HansGZ 1902, 99; RGZ 112, 41; RG J W 1927 S. 241; siehe vornehmlich auch BGH Hansa 1957 S. 1094 = VersR 1957 S. 286: Entlastungspflicht des Unternehmers; Beweis 18

Schaps-Abraham, Seerecht II

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des ursächlichen Zusammenhangs und Anscheinsbeweises beim Bruch der Schleppverbindung; siehe auch BGH 2f Bd. 1961 S. 28 und Hansa 1961 S. 654). Den Werkvertrag als Regel hinzustellen (so RGZ 67,12 ; Schaps 1. Aufl. S. 297) trifft nicht zu. Oft will der Schlepper nur Bugsierdienste leisten. Anderseits geht auch B o y e n s ZHR Bd. 50 S. 76 zu weit, wenn er den Vertrag, ein Seeschiff zu schleppen, regelmäßig für einen Dienstvertrag erklärt, bei welchem dem leitenden Seeschiff vom Schlepper nur Vorspanndienste geleistet werden (vgl. dazu auch M i t t e l s t e i n HansRZ Bd. 2 Sp. 5). Doch wird ein Dienstvertrag namentlich anzunehmen sein beim Verholen eines Seeschiffes mit mitlaufender Maschine unter Assistenz eines oder mehrerer Schlepper (HansOLG HansGZ 1903 Nr. 65; auch 1902 Nr. 15). Schließlich kann es sich bei dem Schleppvertrag auch noch um einen M i e t v e r t r a g handeln. Gerade hier werden Grenzfälle gegenüber den oben erörterten Möglichkeiten vorkommen, bei denen dann ähnliche Zweifel auftauchen können wie bei der Unterscheidung zwischen Raumfrachtvertrag und der Schiffsmiete (vgl. dazu oben Anm. 15ff.). Nach HansOLG HansGZ 1897 Nr. 109 liegt ein Werkvertrag vor, wenn ein Schlepper gegen festen Tagelohn angenommen war, um die ihm jeden Tag neu aufzugebenden Schleppleistungen auszuführen, während in einem anderen Pali vom HansOLG (HansGZ 1898 Nr. 41) Miete angenommen ist, wo der Schlepper nebst Mannschaft „vermietet" war und von dem „Mieter" in seinem Betrieb zur Ausführung von ihm geschlossener Schleppverträge verwandt wurde. Soweit der Schleppvertrag gewöhnlicher Werkvertrag oder Dienstvertrag ist, hat er eine gesetzliche Sonderregelung nicht erfahren. Die Rechtswirklichkeit wird von allgemeinen Geschäftsbedingungen beherrscht. Vgl. US Supreme Court Hansa 1955 S. 1944 über Auslegung und Wirksamkeit von Haftungsklauseln in Schleppbedingungen. Siehe auch die oben angeführte Entscheidung des BGH VersR 1956 S. 367 = NJW 1956 S. 1065 = BB 1956 S. 577. Der Vertrag kann formlos geschlossen werden. Mit dem Vorhandensein von Allgemeinen Schleppbedingungen muß gerechnet werden, so daß diese Vertragsbestandteil werden, wenn nicht ausdrücklich gegen sie Einspruch erhoben worden ist. Die Schleppbedingungen betreffen vornehmlich die Beschränkung der Haftung des Schleppers. Vgl. etwa die durchweg in mehr oder weniger ähnlicher Passung in den deutschen Häfen geltenden Schleppbedingungen für das Assistieren von Seeschiffen vom 25. 9. 1934: „Bei der Ausführung von Schleppaufträgen gilt als vereinbart, daß die Schleppfahrzeuge nur die fortbewegende Kraft des geschleppten Schilfs sind; Kapitän und Besatzungsmitglieder des oder der Schleppfahrzeuge werden Angestellte des Reeders bzw. des Kapitäns oder Lotsen des geschleppten Schiffs. Sie unterstehen dem Befehl und der Kontrolle der Genannten und sind demgemäß nicht verantwortlich für Fehler und/oder Irrtümer in der Navigierung des Schleppzuges. Auch wenn die Besatzung des geschleppten Schiffs von dem Schleppfahrzeugreeder angenommen ist, gilt sie als vom Reeder des geschleppten Schiffs angestellt. Der Schleppfahrzeugreeder ist nicht verantwortlich für die Verzögerung durch Streik oder nicht vorherzusehenden, durch die Besatzung der Schlepper verursachten Aufenthalt, noch für Unfälle außerhalb ihrer Kontrolle, auch dann nicht, wenn dieselben durch Nachlässigkeit oder Fehler der Kapitäne oder Besatzungsmitglieder der Schleppfahrzeuge verursacht sind. Die vereinbarten Raten schließen etwaige Leistungen der Schleppfahrzeuge bei gestrandeten oder sich in irgendeiner anderen Notlage befindlichen Schiffen nicht ein; insbesondere gilt nicht als eingeschlossen Hilfs- und/ oder Bergelohn, und zwar auch dann nicht, wenn Strandung, andere Notlage, Hilfeleistungs- und Bergungsfall im Verlauf der Schleppreise eingetreten sind. Im Falle der Unterbrechung und Nichtfortsetzung einer Schleppfahrt durch Unfälle oder aus anderen Gründen soll die vereinbarte Schlepprate anteilig im Verhältnis der geschleppten Distanz zu zahlen sein. Es gilt ferner als vereinbart, daß das Schleppen von Fahrzeugen und Schwimmkörpern jeder Art, auch Wracks, zum Abbruch bestimmten Schiffen usw., Schuten, Baggern und sonstigen Spezialfahrzeugen, Pontons, Docks und ähnlichen Objekten, auch wenn der Schleppfahrzeugreeder die Besatzung dafür stellt, als Dienstvertrag und nicht als Werkvertrag anzusehen ist. Der Reeder des Schleppfahrzeugs und dessen Besatzung sind nicht verantwortlich für irgendwelche Unfälle und/oder Beschädigungen der geschleppten Schiffe oder Gegenstände, gleichgültig aus welchen Ursachen, besonders aber nicht für Brechen oder Slippen der Schlepptrosse oder des Schleppgeschirrs, noch für irgendeinen Fehler oder Unfall in anderen Einrichtungen des Schleppfahrzeugs oder irgendeinen durch deren Beschaffenheit verursachten Unfall. Die Haftung für alle evtl. auch Dritten zugefügten Schäden, welche durch die geschleppten Gegenstände verursacht werden, auch wenn diese durch die Schuld oder Nachlässigkeit der Besatzung des Schleppers oder durch Maschinen- oder Materialfehler derselben entstanden sind, trägt der Eigentümer bzw. Auftraggeber. Sollte für eine solche Schadensersatzforderung, die hiernach von dem Eigentümer bzw. Auftraggeber des geschleppten Fahr-

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

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zeugs zu tragen ist, der Schleppfahrzeugreeder haftbar gemacht werden, so sind die ersteren verpflichtet, den Schleppfahrzeugreeder schadlos zu halten."

Vgl. zu dem Inhalt dieser Bedingungen auch die Ausführungen weiter oben. a) Verhältnis der Besatzungen von Schlepper und Schleppschiff. Liegt nicht ein Pracht- Anm. 25 vertrag vor, so haben Schlepper und Schleppschiff eigene Schiffsbesatzung mit eigenem Schiffsführer. Schlepper und Schleppschiff werden durch eine Trosse verbunden zu einem Schleppzug, der einer einheitlichen Führung bedarf, um sein Ziel zu erreichen. Aber in diesem Rahmen bleibt jedes Schiff selbständig und kann jederzeit in die Lage kommen, plötzlich selbständige Entschlüsse zu treffen ( M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 561). Die früher in der hanseatischen Rechtsprechung herrschende Lehre: d e r S c h l e p p z u g sei ein S c h i f f mit e i n e r Besatzung, ist durch die neuere Rechtsprechung aufgegeben (s. Anm. 11 zu § 481). N u r d a n n , w e n n t a t s ä c h l i c h d a s geschleppte Seeschiff die Führung des Schleppzuges hatte, muß dessen Reeder sich im Verhältnis zu Dritten, insbesondere kollidierenden Schiffen (siehe dazu vornehmlich §§ 734 ff. HGB) gefallen lassen, daß er in analoger Anwendung der §§ 485, 735 H G B für ein Verschulden der Schlepperbesatzung wie für die Besatzung seines eigenen Schiffes zu haften hat (vgl. RGZ 65, 382; 78, 177; siehe die Ausführungen in Anm. 10 zu § 485 H G B und im Anhang zu § 735 HGB). Es kommt daher auch hier alles auf die Umstände des Falles an. Regelmäßig wird das geschleppte Seeschiff als das größere und höhere Schiff, auf dem sich der Lotse befindet, den Befehl über den Schleppzug haben ( B o y e n s ZHR Bd. 50 S. 76 und 82; W ü s t e n d ö r f e r S H R 174; HansOLG HansGZ 1910 Nr. 37; BOSA Hansa 1957 S. 622 = Recht der Schiffahrt 50—07—09 (Bd. I , Heft 7/8): Die Kommandogewalt liegt bei der Führung des geschleppten Seeschiffes); anders, wenn es sich bei dem Schleppschiff um einen Seeleichter oder um ein Binnenschiff handelt, die dem Schlepper nur nachzusteuern haben (RGZ 78, 177; R G HansGZ 1916 Nr. 12; 1912 Nr. 36; 1913 Nr. 35; BGHZ 3, 37; BGH VersR 1955 S. 420). Aber auch dann, wenn die Führung beim geschleppten Schiff bleibt, wird dieses befugt sein, dem Schlepper, wenn dieser mit dem Fahrwasser besonders vertraut ist, Freiheit in der Kursführung zu belassen (HansOLG HansGZ 1910 Nr. 35; 1907 Nr. 132; auch 1902 Nr. 39; M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 563). b) Rechte und Pflichten von Schlepper und gcschlcpptem Schiff. Sie bestimmen sich nach Anm. 26 dem Inhalt des einzelnen Schleppvertrages. Allgemein läßt sich sagen, daß der Schlepper gehörig ausgerüstet und bemannt sein muß, daß er sich rechtzeitig einzustellen und ohne Unterbrechung (RG gegen HansOLG HansGZ 1912 Nr. 74; s. ferner HansGZ 1912 Nr. 117; 1913 Nr. 66 = RGZ 81 Nr. 81; HansGZ 1913 Nr. 136; 1914 Nr. 102) seine Arbeiten zu bewerkstelligen hat. Nach § 276 B G B hat der Schleppunternehmer Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten; er haftet für das Verschulden der Besatzung des Schleppers — sofern er sich nicht freigezeichnet hat — nach §§ 485, 486 Nr. 3 H G B oder, sofern der Schlepper ein Binnenschiff ist, nach §§ 3, 4 BSchG. Bringt der Schlepper das Schleppschiff in Schaden, z . B . durch Festfahren oder einen Zusammenstoß, so ist er verantwortlich, mag auch die Leitung beim Schleppschiff gewesen sein, falls nicht der Unfall auf einen Befehl des Schleppschiffes zurückzuführen ist (LG und HansOLG HansGZ 1889 Nr. 40). Die zahlreichen für das Binnenschiffahrtsrecht auf diesem Gebiet ergangenen Entscheidungen (vgl. M i t t e l s t e i n H B 324) dürfen nicht ohne weiteres auf das Seerecht übertragen werden, insbesondere auch nicht hinsichtlich der Frage, wer für die Bildung des Schleppzuges verantwortlich ist. Nach Binnenschiffahrtsrecht liegt solche Pflicht dem Schlepper als dem Leiter des Schleppzuges ob. Die Entscheidungen des HansOLG HansGZ 1900 Nr. 35 und des R G HansGZ 1900 Nr. 58 heben aber ausdrücklich hervor, daß dies bei größeren Schiffen, welche die Leitung haben, anders liegen möge. Erkannt ist, daß beim Schleppen eines Seeschiffes auf der Unterelbe beide Teile auf die richtige Länge der Trosse zu achten haben (HansOLG HansGZ 1907 Nr. 132; 1910 Nr. 37; 1902, 100). Über Behinderungen und Unmöglichwerden des Unternehmens bestimmt das bürgerliche Recht. §§ 628 ff. H G B finden nur auf Frachtverträge Anwendung. Wird die Verbindung von Schlepper und Schleppschiff gelöst oder läuft das Schleppschiff auf, so wird der Schlepper aus dem Vertrage verpflichtet sein, sich nach Kräften um die Fortsetzung des Unternehmens zu bemühen (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 121 und R G daselbst = RGZ 46 Nr. 51). Sind die Dienste, welche der Schlepper dem Schleppschiff bei solcher Gelegenheit leistet, außergewöhnlich, so kann er dafür Berge- oder Hilfslohn beanspruchen, wenn die 18*

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Dienste nicht als zur Erfüllung des Schleppvertrags gehörig angesehen werden können (§ 742 Abs. 2 HGB und Art. 4 IÜS). Assistiert ein Schlepper einem Seeschiff beim Docken, Drehen, Festmachen, Losmachen, Ankern, Rückwärtsfahren oder dergleichen, so muß der Schlepperkapitän damit rechnen, daß das geschleppte Schilf seine eigene Maschine voraus oder zurücklaufen läßt und deshalb davor und den dadurch möglichen Bewegungen des Schiffskörpers des geschleppten Schiffes achtgeben (Becker a.a.O. S. 70). Überhaupt ist vom Schlepperkapitän zu erwarten, daß er auf Grund seiner besonderen Fach- und Ortskunde in der Lage ist, eine Situation fachmännisch zu beurteilen (Becker a.a.O.). Wann der Schlepper die vereinbarte Vergütung verdient hat und ob er auch im Falle der nicht vollendeten Leistung Entgelt beanspruchen kann, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht ( M i t t e l s t e i n HansRZ 2, 565). Die Lage des Schleppers ist hier beim Dienstvertrage günstiger als beim Werkvertrage, wo grundsätzlich nur für die vollendete Leistung die Vergütung geschuldet wird (§ 641 BGB; HansOLG HansGZ 1901 Nr. 61). Deshalb wird in den Schleppbedingungen häufig Vergütung pro rate der geschleppten Distanz ausbedungen oder die Vergütung soll nach der Zeit, während welcher geschleppt wurde, erfolgen. Gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjähren die Schlepplohnforderungen in vier Jahren (RGZ 118, 27). Der Schiffer des geschleppten Schiffes hat für dessen fahrtüchtigen Zustand, seine gehörige Einrichtung, Ausrüstung, Beladung und Bemannung zu sorgen (§§ 514 HGB, 8 BSchG). Auf der Fahrt (vgl. dazu auch BGH MDR 1958 S. 487) obliegt ihm vor allem das richtige Nachsteuern, aber auch sonst hat der Führer des Schleppschiffes alle ihm zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die geeignet, sind, Gefahren abzuwenden, die einem Schiff drohen oder von ihm ausgehen; vgl. BGHZ 27,236 = VersR 1958, S. 441 = Hansa 1958, S. 1437 = VRS Bd. 15, S. 84 = MDR 1958, S. 582. Insbesondere wenn die Führung des Schleppzugs beim geschleppten Schiff liegt, haben die von diesem zu gebenden Anordnungen auf die Navigation und Sicherheit aller am Schleppzug beteiligten Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen ( B e c k e r a.a. O.). Es besteht aber f ü r das geschleppte Schiff nicht die Verpflichtung, dem Schlepper dauernd Verhaltensanordnungen zu geben, vornehmlich nicht für den typischen Pflichtenkreis des Schlepperkapitäns ( B e c k e r a.a.O.). Vgl. auch BOSA Hansa 1960 S. 1688. Über die Haftung auf Grund des Bugsierschleppvertrages nach der französischen Rechtsprechung vgl. Sieg Hansa 1958 S. 1565 und französischer Kassationshof in Internationale Transportzeitschrift 1957 S. 3227. Siehe auch Cour d'Appel de Douai, Hansa 1955 S. 1311, über Haftung des geschleppten Seeschiffes für am Schlepper entstandenen Schaden trotz Verschuldens der Schlepperführung. Leistet der Schlepper Bugsierdienste, so wird auch in Frankreich wie in Deutschland Dienstvertrag (louage de services) angenommen. Siehe über den Beginn des Schleppmanövers Cour de Cassation Revue Dor 1939 S. 167. In diesem Urteil ist ausgesprochen, daß zum Schleppmanöver auch die notwendigen, diesem unmittelbar vorangehenden Akte gehören, da durch die Nähe der beiden Schiffe das Schleppschiff bereits durch seine Manöver einen direkten Einfluß auf den Schlepper ausüben könne. So ist auch die Aufnahme der Schlepptrosse integrierender Bestandteil des Schleppvorgangs. Vgl. auch Tribunal de Commerce de Marseille, DMF 1952 S.197; anders Cour d'Appel d'Aix, DMF 1952 S. 652. Über Schadensersatzansprüche gegen den Schlepper aus Vertrag und unerlaubter Handlung und deren Verjährung im niederländischen Recht vgl. Hansa 1959 S.4 und Schip en Schade 1959 S. 31 = Hansa 1959 S. 2524. Nach Admiralty Division LL vom 8.2.1951 = Hansa 1957 S. 497 = Recht der Schiffahrt 50—07—08 (Bd. I Heft 7/8) trägt der Schlepperführer die nautische Verantwortlichkeit für die Manöver zur Herstellung der Schleppverbindung. Anm. 27 c) Beweislast. Erleidet das geschleppte Schiff einen Unfall, so hat sich der Schleppunternehmer aus dem Schleppvertrag grundsätzlich zu entlasten, wenn das Schleppschiff — gegebenenfalls unter Zuhilfenahme des Anscheinsbeweises — bewiesen hat, daß jede mögliche Schadensursache ausscheidet, die in seinen Verantwortungsbereich oder in die eines Dritten fällt, für den das Schleppschiff nicht einzustehen hat. Steht die Verletzung von Pflichten aus sich überschneidenden Verantwortungsbereichen in Frage, so muß sich der Schleppunternehmer für seinen Obhutsbereich entlasten (BGHZ 27, 236 = Hansa 1958 S. 1437 = VRS 15 S. 84 = VersR 1958 S. 441 = MDR 1958 S. 582; siehe ferner Mittelstein HansRZ Bd. 2 Sp. 565; ders. H B 327; HansOLG HansGZ 1905 Nr. 27; 1909 Nr. 77). 276

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IV. Das anzuwendende Recht in intertemporaler und internationalprivatreehtlieher Hin- Anm. 28 sieht. 1. Das intertemporale Recht. I s t ein Frachtvertrag unter der Herrschaft eines früheren Rechts geschlossen und tritt vor seiner Erledigung neues Recht in Kraft, so bleiben grundsätzlich die bisherigen Gesetze f ü r die Vertragspartner maßgebend. Das gilt auch, wenn auf diese Beziehungen gewisse Ereignisse, z.B. Havariefälle, einwirken, die sich erst unter der Herrschaft des neuen Rechts ereignet haben (anders H G Hamburg HansGZ 1869, 374). Dagegen regeln sich die Rechtsbeziehungen, welche durch solche Ereignisse zwischen den Kontrahenten des Prachtvertrages und dritten Personen (z.B. Bodmereigläubigern, Bergern) hervorgerufen worden sind, nach neuem Recht. 2. Das internationale Privatrecht. Dessen Probleme sind f ü r den Seefrachtvertrag seit der Anm. 29 Einführung der Haager Regeln keineswegs bedeutungsloser geworden. Abgesehen davon, daß die Haager Regeln im wesentlichen das Konnossement betreffen und auch f ü r dieses nur gewisse Fragen regeln, haben die Mitgliedstaaten der H R die Möglichkeit, diese in der Weise einzuführen, daß sie sie in ihr nationales Recht einbauen. Da hiervon sehr viele Mitgliedstaaten Gebrauch gemacht haben, sind die H R in der Rechtswirklichkeit kein einheitliches Gebilde mehr und haben gerade dadurch wieder Fragen des internationalen Privatrechts heraufbeschworen. Vgl. auch die Ausführungen zu den H R in Anhang I zum 4. Abschnitt. a) Die deutsche Auffassung. Anm. 30 S c h r i f t t u m : D o n n e r , Der Seefrachtvertrag im internationalen Privatrecht, Diss. Göttingen 1910; F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht, Bd. I I , 1929 S. 500 f. u. 512ff.; G ü t s c h o w , Das internationale Seefrachtrecht, HansRZ 1924, 641 ff.; N e c k e r , Zum Problem der Statutenkollision im Seefrachtrecht, Recht der Schiffahrt Bd. I H e f t 9/10 S. 3 ff.; N u ß b a u m , Deutsches Internationales Privatrecht, 1932 S. 283; R a a p e , Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961 S. 455 ff; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , Anm. 5 Vorbemerkung vor §§ 556ff. H G B ; W o l f f , Internationales Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. 1954 S. 123; S t ö d t e r , in Liber Amicorum f ü r Bagge, 1955, S. 244; D a b e i s t e i n , Recht der Schiffahrt Bd. I Heft 9/10. Über ausländisches Schrifttum vgl. Anm. 43. Allgemein rechtsvergleichend siehe R a b e l , Conflict of Laws, Bd. I I S. 424£f., Bd. I I I S. 251. aa) Die Form des Frachtvertrages bestimmt sich nach den Gesetzen, welche f ü r das den Gegenstand des Geschäfts bildende Vertragsverhältnis, also f ü r den Inhalt des Vertrages maßgebend sind. Das ist das vereinbarte Recht oder dasjenige, welches sonst nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts zur Anwendung kommen würde —- Anm. 32 ff.; doch genügt die Beobachtung der am Orte des Vertragsschlusses geltenden Gesetze. Vgl. Art. 11 EGBGB. Aber das f ü r den ausländischen Richter maßgebende Gesetz kann andere Bestimmungen treffen, insbesondere nach dem Satz locus regit actum primär das Recht des Vertragsortes f ü r maßgebend erklären. bb) Die materielle Gültigkeit des Vertrages bezüglich der persönlichen Verhältnisse der Vertragsschließenden (z.B. deren Geschäftsfähigkeit) ist nach den Personalstatuten der Vertragsparteien zu beurteilen, nach deutscher Auffassung also nach den f ü r ihre Staatsangehörigkeit maßgeblichen Rechten (ebenso die meisten kontinental-europäischen Rechte; anders das anglo-amerikanische Recht, nach welchem es auf das Recht des Wohnorts ankommt). cc) Der Inhalt des Vertrages. Anm. 31 aaa) In erster Linie gilt f ü r den Seefrachtvertrag dasjenige Recht, dessen Geltung von den Parteien des Vertrages ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden ist (RGZ 122, 318; BGHZ9, 221;BGH VersR 1956 S.380; W ü s t e n d ö r f e r S H R 3 5 ; F r a n k e n s t e i n a.a.O. S. 513; vgl. auch HansOLG HansRGZ 1930 B 598 und 1940 B 356). Jedoch gilt das f ü r den Frachtvertrag vereinbarte Recht nicht auch ohne weiteres f ü r das Konnossement (HansOLG HansGZ 1914, 188). Vielmehr ist das, abgesehen von dem Fall der freiwilligen Unterwerfung, nur dann der Fall, wenn auf die betreffende Bestimmung des Frachtvertrages im Konnossement ausdrücklich Bezug genommen ist oder sich das vereinbarte Recht aus dem Konnossement direkt ergibt (vgl. HansOLG HansGZ 1898 Nr. 105). Um eine stillschweigende Vereinbarung anzunehmen, genügt aber f ü r sich allein weder der Gebrauch einer fremden Sprache noch der typischer ausländischer, namentlich englischer Klauseln (BGH Hansa 1956 S. 1499; 277

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L i e s e c k e VersR 1960 S. 865; Anm. 5f. zu § 557 HGB), noch die Ausländerqualität der Ver" tragsschließenden, noch der Vertragsabschluß im Auslande, noch endlich die fremde Nationalität des Schiffes ( W a g n e r H B 136). Aus einer Konnossementsklausel, in der ein deutsches Gericht f ü r zuständig erklärt ist, kann darauf geschlossen werden, daß die Parteien deutsches Recht maßgeblich sein lassen wollten (HansOLG H a m b u r g Hansa 1958 S. 2029). Siehe auch HansOLG HansRGZ 1935 B 299. wo die Anwendung deutschen Rechts als vereinbart angesehen wurde in der Klausel „under Jurisdiction H a m b u r g " , ferner HansGZ 1917 Nr. 58 (Vereinbarung des deutschen Seeschiedsgerichts). Vgl. ferner HansRGZ 1936 A 386. Die „Paramount-KIausel" im Koimossment bedeutet, daß die Haager Regeln in der Form anzuwenden sind, wie sie in einem bestimmten Land wirksam sind, auch wenn sonst anderes Recht vereinbart ist. Vgl. zu der Paramount-KIausel insbesondere auch Anm. 14 Vorbem. zu den H R (Anhang I zum vierten Abschnitt); HansOLG Bremen Hansa 1958 S. 2443; LG Bremen Hansa 1959 S. 1963: Verweisung auf indisches Seefrachtrecht; N e c k e r , Die Paramount-KIausel, insbesondere ihre Verwendung in Charterparties, Hansa 1959 S. 1810; House of Lords i. S. Adancestos Shipping gegen Anglo-Saxon Petroleum Co., L). L. Rep. 1958 S. 73 = Hansa 1958 S. 624. D u r c h d i e U n t e r w e r f u n g d e r P a r t e i e n u n t e r e i n f r e m des R e c h t w e r d e n R e c h t e n i c h t b e r ü h r t , die ein D r i t t e r nach dem gesetzlich a n z u w e n d e n d e n R e c h t e g e g e n d a s S c h i f f e r w i r b t (Wagner H B 136). — Vgl. auch HansOLG 1961 S. 551. Nicht erforderlich ist, daß sich das vereinbarte Recht auf alle Wirkungen des Frachtvertrages beziehen muß (RGZ 126, 206). Auch im Wege der Auslegung kann sich ergeben, daß der Vertrag bezüglich bestimmter Rechte und Pflichten einem anderen Recht unterworfen sein soll, so etwa bezüglich der Entladung dem Recht des Bestimmungshafens. Doch darf einer solchen Auslegung kein erklärter Parteiwille entgegenstehen (RGZ 122, 316; BGHZ 9, 223). Ist eine aus dem Auslande stammende, in fremder Sprache abgefaßte Klausel des Vertrages nach dem Recht des Auslandsstaates zu interpretieren, so handelt es sich um eine Auslegung nach dem Sinne des fremden Rechts, nicht um dessen Anwendung ( R a b e l a . a . O . Bd. I I S. 534; vgl. etwa HansOLG Hamburg MDR 1955 S. 109, RGZ 39, 66, R G J W 1911 S. 225; siehe auch S e r i c k , RabelsZ 1953 S. 645f.). Siehe auch HansOLG, H a n s R G Z 1934 B 303. Die Parteien können ihre Rechtsverhältnisse indessen nur insoweit einer von ihnen bezeichneten Rechtsordnung unterstellen, a l s z w i n g e n d e s R e c h t des nach der lex fori ohne die Vereinbarung zur Anwendung gelangenden Rechtsordnung dem nicht entgegensteht und die Hinwegsetzung über diese zwingenden Normen mit dem ordre public der lex fori (vgl. f ü r das deutsche Recht Art. 12 EGBGB) nicht vereinbar ist (BGH N J W 1961 S. 1061). U m solche zwingenden Normen handelt es sich im deutschen Recht bei den §§ 662 ff H G B jedenfalls dann, wenn die Parteien ein Recht gewählt haben, das die Grundsätze der Haager Regeln nicht übernommen hat. Die lex fori entscheidet somit auch darüber, ob gewisse Rechtsnormen zwingenden Charakter haben. Vgl. F r a n k e n s t e i n a.a.O. S. 501. Siehe auch B o y e n s Bd. I S. 53. Das ist von Bedeutung vornehmlich auch f ü r die Verpflichtung aus dem Konnossement, die die deutsche Rechtsprechung sekundär dem Recht des Bestimmungshafens unterwirft. Internationalprivatrechtlich ist ebenso die französische Auffassung, die f ü r die Verpflichtung aus dem Konnossement die lex loci contractus anwendet und deshalb vor Inkrafttreten der Haager Regeln bei allen in den Vereinigten Staaten von Amerika abgeschlossenen Frachtverträgen den H a r t e r Act angewandt und die weiter gehende Freizeichnung f ü r nichtig erklärt hat. Vgl. die hierzu bei F r a n k e n s t e i n a . a . O . Anm. 19 angegebenen Entscheidungen. Siehe wegen der Paramount-KIausel oben u n d Anhang I zum vierten Abschnitt Vorbem. Anm. 14. — Die Beachtung eines ausländischen ordre public durch ein einheimisches Gericht kommt nur in Betracht, wenn zu dem Recht des betreffenden Staates ein Anknüpfungspunkt besteht (OLG Karlsruhe HansRZ 1934 B 79). Auch wenn indessen Freizeichnungsklauseln nach dem hiernach maßgeblichen Recht zulässig sind, so kann doch ihrer Anerkennung durch Gerichte dritter Staaten deren ordre public entgegenstehen ( R i e s e a . a . O. 392). So verweigern die Gerichte der USA einem vereinbarten Recht insoweit die Anerkennung, als es mit dem Harter Act nicht vereinbar ist (US Supreme Court, U . vom 20. 2. 1905, Revue Autran Bd. 20 S. 786; R i p e r t , Droit Maritime, Nr. 1345). Gleiches gilt f ü r den USCarriage of Goods b y Sea Act ( G ö t z , Das Seefracht278

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recht der Haager Regeln S. 39). Vgl. auch die Entscheidung des US Court of Appeals in Sachen Petition of Isbrandtsen Co., 1953, 201 Federal Reporter Second Series 281, wo es sich um eine Verschiffung seitens der amerikanischen Armee von Bremen nach Korea handelte und das amerikanische Gericht den US CarriageofGoods by Sea Act für anwendbar erklärte, ohne zu den zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts Stellung zu nehmen. In Frankreich wird ein Verstoß gegen die Haager Regeln als mit dem ordre public nicht vereinbar angesehen ( R i p e r t , a.a.O.; ebenso in Belgien, vgl. Rev. Dor 1934 S. 114; S m e e s t e r s und W i n k e l m o l e n Bd. II, No. 645 und 646). Doch weichen die Auffassungen der Gerichte der einzelnen Staaten hier erheblich voneinander ab. Vgl. auch B o y e n s Bd. I S. 52 Anm. 43; F r a n k e n s t e i n a.a.O. S. 502; siehe auch RGZ 20, 115. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß die Gerichte der anglo-amerikanischen Staaten die für sie geltende Fassung der HR als lex fori für unabdingbar ansehen. Vgl. bezüglich der Haltung der anglo-amerikanischen Gerichte gegenüber der neben ihrer nationalen Gesetzgebung parallel laufenden Gesetzgebung dritter Länder. G ö t z , Das Seefrachtrecht der H R nach anglo-amerikanischer Praxis 1960 S. 39 ff. In The Torni (brit. Court of Appeal, The Law Reports 3rd Ser., Admiralty Div. 1932, S. 78; siehe auch G ö t z a.a.O. S.40) wurde die zwingende Kraft fremden Haftungsrechts anerkannt. Siehe auch das bei G ö t z a.a.O. erwähnte British Maritime Law Association (Gold-Clause) Agreement vom 1. 8. 1950 (Text bei C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, 10. Aufl. 1957 S. 1078 und bei S c r u t t o n , Charterparties and Bills of Lading, 16. Aufl. 1955 S. 575), in dem faktisch die zwingenden Haftungsnormen des jeweiligen Verschiffungs- oder Bestimmungslandes als unabdingbar anerkannt wurden. Das Abkommen wurde von Reedern, deren Vereinigungen, Versicherern sowie Protection and Imdemnity Clubs gezeichnet und hat dadurch jedenfalls eine große praktische Wirkung, mag auch die rechtliche Bedeutung zweifelhaft sein. Demgegenüber wird von C a r v e r a.a.O. S. 214f. und von S c r u t t o n a.a.O. S. 455f. unter Berufung auf die Entscheidung des Privy Council von Neuschottland in Sachen Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co (1939 Dominion Law Reports 1; G ö t z a.a.O. S. 41; siehe auch brit. Court of Appeal in Sachen Ocean S. S. Co. von Queensland State Wheat Board, 1941, 1 The Law Reports (Third Series) King's Bench Division 403) die Ansicht vertreten, es sei möglich, die HR zu umgehen, wenn der Rechtsstreit in einem dritten Staat oder in einem Bestimmungsland geführt werde, das die H R nur auf seinen ausgehenden Verkehr anwende. Vgl. kritisch gegenüber den angeführten Entscheidungen im Sinne eines Schutzes der H R gegen Umgehungsversuche G u t t e r i d g e , The Law Quarterly Review Bd. 55 (1939) S. 323; J. H. C. M o r r i s , The Choice of Law Clause in Statutes, The Law Quarterly Review Bd. 62 (1946) S. 170; siehe auch Columbia Law Review Bd. 58 (1958) S. 212; K n a u t h , The American Law on Ocean Bills of Lading, 4. Aufl. 1953 S. 155. Siehe vornehmlich auch G ö t z a.a.O. S. 42f. — Ü b e r die Gültigkeit von G e r i c h t s s t a n d s v e r e i n b a r u n g e n siehe Anm. 7 zu § 557 HGB. Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen zwingende Vorschriften des von den Parteien vereinbarten Rechtes, ohne daß sie nach der „an sich" zuständigen Rechtsordnung nichtig wäre, so entscheidet die Vertragsauslegung über ihre Gültigkeit. Doch ist regelmäßig davon auszugehen, daß die Parteien sich zwingenden Normen der von ihnen gewählten Rechtsordnung nicht entziehen können. Die Parteien sind in der Auswahl des von ihnen zu vereinbarenden Rechts grundsätzlich frei. Es ist nicht erforderlich, daß dieses mit dem Sachverhalt irgendwelche Verbindung hat, sofern nur irgendein anerkennenswertes Interesse an der Herrschaft des gewählten Rechts erkennbar ist ( K e g e l , Internationales Privatrecht 1960 S. 208; bestr.). bbb) Rechtswissenschaft und Rechtslehre wollen in Ermangelung einer ausdrücklichen Anm. 32 oder stillschweigenden Parteivereinbarung das Rechtsverhältnis einheitlich dem Recht unterstellen, das nach dem mutmaßlichen vernünftigen Willen der Vertragsparteien anzuwenden wäre (vgl. z.B. W ü s t e n d ö r f e r SHR 35; K o f f k a - B o d e n s t e i n - K o f f k a , Kommentar zum LVG und WA, 1937 S. 24; R i e s e a.a.O. S. 393; RGZ 68, 203: Ein von englischen Schiffsmaklern in London f ü r ein englisches Schiff geschlossene Charter ist nach englischem Recht zu beurteilen, auch wenn der Bestimmungsort in Frankreich liegt; BGHZ 9, 221; BGH VersR 1956 S. 380). Es soll dann dasjenige Recht zur Anwendung gebracht werden, welches die Parteien vereinbart haben würden, wenn sie an eine Vereinbarung hierüber gedacht 279

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hätten. Dabei soll allerdings nach neuerer Auffassung nicht entscheidend sein die hypothetische subjektive Vorstellung der Parteien, sondern das, was bei objektiver Abwägung der Interessen von ihnen vereinbart worden wäre (vgl. BGHZ 7, 331; 9, 23). Indessen ist zutreffend daraufhingewiesen worden ( A c h t n i c h ZLR 1952/334; R i e s e a.a.O. S. 393), besonders im internationalen Linienverkehr würde eine solche Feststellung in der Regel eine bloße Fiktion sein. Vgl. auch Admiraly Division, Hansa 1953 S. 1826, wo auf Grund solcher Erwägungen über den hypothetischen Parteiwillen bei einem Frachtvertrag zwischen einer französischen Regierungsstelle und einer italienischen Reederei über eine Bulkladung Weizen von Dünkirchen nach einem französischen Hafen italienisches Recht zur Anwendung gebracht wurde als das Flaggenrecht des Schiffes; die Chartepartie war englisch, das Konnossementsformular französisch, die Fracht in italienischer Währung zu bezahlen. Siehe ferner aus der Rechtsprechung (vgl. auch Anm. 5 zu § 557 HGB): Ein Chartervertrag, den eine deutsche Reederei mit dem Eigner eines niederländischen Binnenschiffes in Deutschland schließt und der in Deutschland auch zahlungsmäßig abgewickelt werden soll, unterliegt deutschem Recht, weil sein Schwerpunkt in Deutschland liegt und für dessen Recht der hypothetische Parteiwille spricht; BGH Hansa 1958 S. 1709 = Recht der Schiffahrt 40-07-03 (Bd. I I Heft 2). Nach RGZ 75, 95 und 137, 301 kommt bei Charterverträgen in deutschen Häfen in erster Linie deutsches Recht zur Anwendung (so auch HansOLG HansGZ 1910 Nr. 76; dagegen F r a n k e n s t e i n a.a.O. S. 514) und zwar auch wenn der Chartervertrag in englischer Sprache abgefaßt ist. Vgl. aber auch RG HansRGZ 1933 B 737 und HansOLG HansRGZ 1934 B 303 für den Fall der Benutzung typischer ausländischer Charterformulare. Auf einen Chartervertrag zwischen Deutschen kommt in erster Linie deutsches Recht zur Anwendung (RG J W 1911 S. 225). In RGZ 119,215 ist holländisches Recht zur Anwendung gebracht, weil trotz deutschen Bestimmungsortes der Ladeschein in holländischer Sprache abgefaßt war und zur Beförderung ein holländisches Schiff benutzt wurde. Siehe auch RGZ 19, 33; 39, 67; 68, 203 (eine von englischen Schiffsmaklern für ein englisches Schiff in England geschlossene Charter ist auch bei französischem Bestimmungsort nach englischem Recht zu beurteilen). Anm. 33 cc) Liegt der Fall der Vereinbarung nicht vor und läßt sich auch ein hypothetischer Parteiwille nicht ermitteln, so hat der Richter nach dem f ü r ihn maßgeblichen internationalen Privatrecht das alsdann anzuwendende Recht zu bestimmen. Dann ist eine große Anzahl von Lokalisierungsmöglichkeiten denkbar: das Recht des Ortes des Vertragsschlusses (so die romanische Auffassimg; vgl. etwa R i p e r t Bd. I I Nr. 1464; bei gleicher Staatsangehörigkeit der Parteien wenden die romanischen Länder deren Heimatrechte an; siehe R i p e r t Nr. 1456 und die dort angeführte Rechtsprechung), das des Abgangsortes oder Verschiffungsortes (vgl. R a b e l a.a.O. Bd. I I S. 264; Exchequer Court of Canada i.S. Nabob Food Ltd. v. The Cape Corso, 1954, 2 Lloyd's List Law Reports; US District Court i.S. Peter Paul Inc. v. The M/S Christer Sälen, 1957, 152 Federal Reports 410), das des Flaggenlandes des Schiffes (wozu die englische Auffassung neigt; für den Stückgüterverkehr auch F r a n k e n s t e i n a.a.O. S. 513 und 523), das des Erfüllungsortes, das Recht der Hauptniederlassung des Verfrachters (dafür im Luftrecht R i e s e a.a.O. S. 397; ebenso das schweizerische Bundesgericht, U. v. 20. 1. 1948 ZLR 1954 S. 309f.) und schließlich die lex fori. Auszugehen ist davon, daß der F r a c h t v e r t r a g R e c h t s v e r h ä l t n i s s e sowohl a m A b l a d e p l a t z e wie a m B e s t i m m u n g s o r t e d e s S c h i f f e s , m ö g l i c h e r w e i s e n o c h an d r i t t e n Orten, b e g r ü n d e t , und daß diese R e c h t s v e r h ä l t n i s s e nicht notwendig d e m s e l b e n R e c h t e u n t e r s t e h e n (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 119 =SeuffA Bd. 45 Nr. 161; LG Hamburg HansGZ 1891 Nr. 31; vgl. auch RGZ 9,53 und RG HansGZ 1892,136). Anm. 34 aaa) Das Recht des Abladungsplatzes ist anzuwenden für alle Rechtsverhältnisse, die mit der Beladung des Schiffes zusammenhängen (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 103). Dazu gehört zunächst der Akt der Abladung als solcher ( B o y e n s Bd. 1 S. 51), also die Voraussetzung f ü r die ordnungsmäßige oder ordnungswidrige Abladung (z.B. die Vorbedingungen für den Beginn und die Unterbrechung der Lade- und der Überliegezeit und die daraus für die Vertragsparteien sich ergebenden Rechtsfolgen (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 119 = SeufEA Bd. 45 Nr. 161; HansGZ 1913, 181), die Ansprüche des Verfrachters wegen unvollständiger oder verzögerter Beladung, diejenigen des Befrachters oder Abladers wegen nicht erfolgter Einnahme der Ladung (HansOLG HansGZ 1892 Nr. 1), das Recht der Parteien, vor Ausführung des Frachtvertrages von demselben zurückzutreten.

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bbb) Das Recht des Bestimmungsortes ist nach deutscher Auffassung maßgebend f ü r Anm. 35 alle Rechtsverhältnisse, die mit der Erfüllung des Frachtvertrages Im Zusammenhang stehen (ROHG 25, 292; RGZ 9, 61; 25, 104; 34, 78; 39, 65; 122, 319; BGHZ 6, 127; 9, 221; 25, 250; HansOLG HansGZ 1898 Nr. 105; HansOLG Hansa 1958 S. 2029), und zwar auch dann, wenn das Schiff nicht die deutsche Plagge f ü h r t (RGZ 34, 78; HansOLG SeuffA Bd. 65 Nr. 103). Diese in ständiger Rechtsprechung gefestigte Ansicht (vgl. kritisch dazu F r a n k e n s t e i n Bd. 2 S. 517ff.) ist theoretisch auf S a v i g n y zurückzuführen, der die Maßgeblichkeit des Erfolgsortes gelehrt hat, praktisch aber auf die Möglichkeit, so häufig deutsches Recht anwenden zu können, da die deutschen Gerichte vornehmlich aus Streitigkeiten im einkommenden Verkehr in Anspruch genommen werden. Nach dem Recht des Bestimmungsorts ist somit zu entscheiden, wer zum Empfange der Ladung legitimiert ist (RGZ 9, 53), wieweit Schiffer und Reeder dem Empfänger aus dem Frachtvertrag haften (ROHG 25, 194), ob eine Vertragsstrafe wegen einer am Bestimmungsort zu erfüllenden Leistung verfallen ist, welche Ansprüche aus der Entlöschung dem Schiffe bzw. dem Empfänger zustehen (HansOLG HansGZ 1889 Nr. 108), wie sich der Schiffer bei Annahmeverweigerung des Empfängers zu verhalten hat, welche Schritte der Empfänger behufs Feststellung von Schäden und Mankos zu t u n hat und welche Voraussetzungen hierfür bestehen, ob ein Frachtvorschuß zurückgefordert werden kann usw. Insbesondere ist auch f ü r Ansprüche und Verpflichtungen aus dem Konnossement im allgemeinen nach ständiger deutscher Rechtsprechung das Recht des Bestimmungshafens als des Erfüllungsortes maßgebend, wenn sich ein wirklicher oder hypothetischer Parteiwille nicht ermitteln läßt (BGH Hansa 1960 S. 1134; BGHZ 6,127; 9, 221; 25,250 = VersR 1957 S. 705; RGZ 122, 319; HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2029; W ü s t e n d ö r f e r SHR 35). Siehe auch die Erläuterungen in § 642 Anm. 21 ff. Bei z u s a m m e n g e s e t z t e n F r a c h t v e r t r ä g e n kommen mehrere Bestimmungsorte in Anm. 36 Betracht. Bleibt indessen der Gegenstand der gleiche und ist die in betreffs desselben übernommene Verpflichtung eine einheitliche, so ist mit B o y e n s Bd. 1 S. 51 anzunehmen, daß der ganze Vertrag von demselben Recht beherrscht wird. Vgl. auch Rechtsbank Amsterdam Schip en Schade 1958 Nr. 40. Nach dem Recht des Bestimmungsorts regeln sich auch diejenigen Rechtsverhältnisse, die Anm. 37 durch vorzeitige Trennung von Schiff und Ladung entstehen. Es bestimmt sich also nach ihm, wie der Kapitän sich im Nothafen den Ladungsbeteiligten gegenüber zu verhalten hat, ferner, ob und inwieweit Distanzfracht geschuldet wird f ü r im Nothafen verkaufte Güter (ROHG 25, 7; HansOLG und RG HansGZ 1903 Nr. 102; B o y e n s Bd. 1 S. 48ff. Anders f ü r das Verhältnis des Verfrachters zum Befrachter (nicht Empfänger) RGZ 13, 122, und g r u n d s ä t z l i c h anders HansOLG HansGZ 1896 Nr. 73 und RGZ 38 Nr. 38, nach welchem das Recht des Trennungsorts maßgebend sein soll, sowie HansOLG HansGZ 1906 Nr. 61 = OLGRechtspr 13, 42, das das Recht des Schuldners anwendet: aufhebend RGZ 68 Nr. 53). Steht dem Befrachter die Wahl unter mehreren Bestimmungsorten frei, so kommt das Anm. 38 Recht des Ortes zur Anwendung, der nachher tatsächlich Bestimmungsort wird. Streit herrscht, welches Recht zur Anwendung gelangt, wenn ein Bestimmungshafen noch Anm. 39 nicht festliegt und Orte mit verschiedenem Recht zur Wahl stehen, indessen ein Orderhafen bestimmt ist, vor dessen Erreichen der Frachtvertrag, etwa durch Untergang des SchifEes, aufgelöst wird. Für diesen Fall ist, sofern keine Unterwerfung unter ein bestimmtes Recht vorliegt, maßgebend nicht das Recht des wahrscheinlichen Bestimmungsorts, auch nicht das Recht des Hafens, in dem sich Schiff und Ladung trennen (so W a g n e r H B 141: dieses Kriterium dürfte oft versagen), oder das Recht des Orderhafens, ebensowenig das rein zufällige Recht des Vertragsorts oder das Heimatrecht jedes einzelnen Verpflichteten, sondern das Recht des Heimathafens des Schiffes (HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 172; 1879, 69; H G und OG Hamburg HansGZ 1879 Nr. 182; B o y e n s Bd. 1 S. 49; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Vorbemerkung vor § 556 Anm. 12). Wird indessen der gewählte Orderhafen erreicht, so ist dessen Recht maßgeblich. ccc) Das Recht des Orderhafens gilt f ü r diejenigen Rechtsverhältnisse, welche Im Order- Anm. 40 hafen Ihre Wirkung äußern sollen (vgl. RGZ 9, 53). Nach ihm entscheidet sich z.B. die Wirkung der Säumnis des Befrachters in der Erteilung der Order. Ob aber die gegen ihn etwa 281

Vor § 556

Vierter Teil. Seehandelsrecht

entstandenen Entschädigungsansprüche auch gegen den Empfänger geltend gemacht werden können, darüber entscheidet das Recht des Bestimmungshafens (RG a.a.O.). Anm. 41

ddd) Das Recht des Heimathafens gilt im Zweifel —• anders z.B., wenn die Benutzung des Schiffs auf ein bestimmtes Rechtsgebiet beschränkt sein soll ( B o y e n s Bd. 1 S. 56) — f ü r den Zeitfrachtvertrag (Anm. 2 zu § 556). Dagegen folgt die Bestimmung des f ü r die Rechtsverhältnisse aus den einzelnen Unterverfrachtungen und Konnossementen geltenden Rechts den allgemeinen Regeln.

Anm. 42

dd) Soweit hiemach ausländisches Recht zur Anwendung gekommen ist, kann auf dessen Verletzung die Revision vor dem Bundesgerichtshof grundsätzlich gemäß § 549 ZPO nicht gestützt werden, und zwar auch nicht bei Übereinstimmung des deutschen und des ausländischen Rechts (BGH MDR 1959 S. 992).

Anm. 43

b) Ausländische Auffassungen über das anzuwendende Recht. S c h r i f t t u m : R i p e r t , Droit Maritime Nr. 1427 ff.; D e r l i n , The English Rules on Choice of Law withe reference to Maritime Contracts (Charterparties and Bills of Lading), Handelshögskolans i Göteborg, Skriftserie Nr. 1, 1952; M o l e n g r a a f , Revue de droit international et de législation comparée, Bd. XIV, 1882 S. 39 und 257; K e r l i n , Revue Autran Bd. IV, 1888—89 S. 481 ; F r o m a g e o t , Revue Autran, Bd. XVIII, 1902—1903 S. 472. D u b o s c , De la loi applicable au contrat de transport maritime, DMF 1951 S. 211; M a l i n t o p p i , Diritto uniforme e diritto internazionale privato in tema di trasporto, Mailand 1955; M o r t i l l a r o , Wirksamkeit der vexatorischen und Jurisdiktions-Klauseln in Charter- und Konnossementsformularen unter Berücksichtigung der Art. 1341 und 1342 des Codice civile italiano, Recht der Schiffahrt Bd. IV Heft 2 S. 20; T r u f f e r , La loi applicable au contrat de transport international de marchandise selon la règle suisse de conflit, 1943; M a k a r o w , Das internationale Recht der See- und Luftschiffahrt im italienischen Schiffahrtsgesetzbuch von 1942, RabelsZ 1949/50 S. 50fi. Vgl. auch die Angaben in Bd. I S. 42 Anm. 4. Siehe ferner E y n a r d , La loi du pavillon, Recherche d'une règle générale de solution des Conflits de lois en Droit Maritime Internationale, Paris 1926; v a n S l o o t e n , Dutch International Law Relating to the Carriage of Goods by Sea, 1936.

Anm. 44

aa) I m Hinblick auf die zum Teil sehr unterschiedlichen Auffassungen in den einzelnen Staaten, kann es sich im folgenden nur darum handeln, mehr oder weniger einzelne Hinweise zu geben. I n Italien bestimmt sich die Form des Rechtsgeschäfts nach Art. 26cod.civ. (vgl. M a k a r o w a.a.O. S. 60). Danach richtet sich die Form des Rechtsgeschäfts unter Lebenden nach dem Recht des Ortes, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird, oder nach dem Recht, das den Inhalt des Rechtsgeschäfts regelt, oder nach dem Heimatrecht der Parteien, wenn dieses gemeinsam ist. Die Anwendbarkeit der Art. 1341 und 1342 des Codice civile wird als eine die Form des Vertrages betreffende Frage angesehen. Vgl. M o r t i l l a r o , Recht der Schiffahrt, Bd. IV Heft 2 S. 20. Stellt sich heraus, daß eines der drei genannten Rechte die besondere Unterschrift unter die vexatorischen Klauseln (die Art. 1341 c. civ. fordert) nicht verlangt, dann werden sie als wirksam angesehen (Gericht Genua II Diritto Marittimo 1957 S. 221). Nach französischer Auffassung ist das Recht des Ortes des Vertragsschlusses auf den Frachtvertrag zur Anwendung zu bringen hinsichtlich der Form (HG Marseille Revue Autran Bd. X I S. 129 und Revue Dor Bd. 9 S. 118), der Verpflichtung zur Frachtzahlung (HG Paris DMF 1950 S. 179) und der Berechnung derselben, und, im Grundsatz jedenfalls, bezüglich der Verantwortlichkeit des Verfrachters, der Gültigkeit von Freizeichnungsklauseln (HG Le Havre DMF 1951 S. 235), einer Vertragsstrafe, einer Schiedsgerichtsklausel (HG Marseille, Journal de Jurisprudence Commercial et Maritime de Marseille, 1920 S. 56) und des Gerichtsstandes. Vgl. R i p e r t a.a.O. Nr. 1428; F r o m a g e o t a.a.O. S. 442; F r a n k e n s t e i n Bd. 2 S. 517: K l u g e ZHR Bd. 120 S. 28; D e s j a r d i n s , Traité de droit commercial maritime Bd. 3 Nr. 780ff. ; Kassationshof Paris Internationale Transport-Zeitschrift 1960 S. 1455). Schwierigkeiten können sich aus der Frage ergeben, welcher Ort als der des Vertragsschlusse« anzusehen ist. Vgl. dazu K l u g e a.a.O. S. 29. Für die Erfüllung des Frachtvertrages sieht man auch in Frankreich das Recht des Bestimmungshafens als maßgeblich an. Vgl. F r o m a g e o t 282

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a. a. O. S. 742. Und zwar gilt das im einzelnen f ü r die Art und Weise der Ausladung, die Berechnung der Liegezeit (vgl. Revue Autran Bd. X X V S. 404), f ü r die prozeßhindernde Einrede einer Mängelanzeige nach Art. 435 c.com. (vgl. HG Paris Revue Dor Bd. 11 S. 284 mit Anm. von R i p e r t ) und nach allerdings umstrittener Auffassung auch f ü r die Verjährung (vgl. dazu R i p e r t Nr. 1430, Anm. zu Note 8; siehe K l u g e a.a.O. S. 30). Bei gleicher Staatsangehörigkeit der Parteien soll deren Heimatrecht zur Anwendung kommen (HG Rouen Revue Autran Bd. IV S. 31; Aix Revue Dor 1923 S. 539). Das ist auch die Auffassung in Belgien (vgl. die Entscheidungen Revue Autran Bd. X I I I S . 388; Bd. XV S. 200, Bd. X X I V S. 273; Bd. X X V I S. 856; gegenteilig Revue Autran Bd. XVI S. 842), in Portugal (Revue Autran Bd. I I I S. 230) und in den Vereinigten Staaten. Für die letzteren ist indessen zu beachten, daß sie in erheblichem Umfange nationales Recht unter dem Gesichtspunkt des ordre public anwenden. Etwa der deutschen Auffassung folgen: Griechenland (vgl. Revue Autran Bd. I I I S. 493) und die m e i s t e n S t a a t e n S ü d a m e r i k a s , so Brasilien (Art. 628 HGB), Chile (Art. 575 HGB), Argentinien (Art. 1091 HGB). Die englischen Gerichte neigen dazu, nach Möglichkeit einen Parteiwillen in den Vertrag hineinzulegen. Vgl. S c r u t t o n , On Charterparties and Bills of Lading, S. 21: „the proper law which as just and reasonable persons they ought to have intended". Ist das nicht möglich, so wenden sie das Recht des Flaggenstaates an (High Court of Justice, Revue Autran Bd. VII S. 62; Bd. I X S. 575; B o y e n s Bd. I S. 46 Anm. 36; F r a n k e n s t e i n Bd. 2 S. 517). Auch in Italien gilt gemäß Art. 10 c.nav. mangels eines abweichenden Parteiwillens f ü r den I n h a l t des Vertrages (siehe f ü r die Form des Vertrages oben) das Recht der Flagge. Auch in den Niederlanden ist nach Art. 518 g W v K bei einem Zeitfrachtvertrag, sofern nicht anderes vereinbart wurde, niederländisches Recht anzuwenden, wenn das verfrachtete Schiff ein niederländisches ist. Beim Reisefrachtvertrag wird das niederländische Recht zur Anwendung gebracht, wenn die Parteien kein anderes Recht vereinbart haben und das Schiff ein niederländisches ist, ferner Abgangs- oder Bestimmungshafen ein niederländischer ist; Art. 520f. WvK. Bei Erforschung des mutmaßlichen Parteiwillens scheint dem Recht des Abschlußortes erhebliche Bedeutung beigelegt zu werden. Siehe f ü r die Niederlande auch Gerichtshof Den Haag Schipen Schade 1960 S. 61 = Hansa 1960 S. 2543 und Schip en Schade 1958 S. 169 = Hansa 1959 S. 1901. bb) Weitere einzelne ausländische Entscheidungen

Anm. 45

Die Vereinbarung, daß die an sich nicht anwendbaren Bestimmungen des US Carriage of Goods by Sea Act gelten sollen, bezieht sich auch auf dessen Beweislastregelung; vgl. US District Court Southern District of New York, AMC 1956 S. 1550 = LL vom 4. 1. 1957 = Hansa 1957 S. 998 = Recht der Schiffahrt 35-04-14 (Bd. 2 Heft 2). — Siehe Obergericht Den Haag vom 12. 4. 1956 (RabelsZ 1959 S. 306) über einen Chartervertrag mit „Centrocon"Formular zwischen griechischem Reeder und niederländischem Befrachter. Der vorgedruckte Ort des Vertragsschlusses „London" war durchstrichen und durch „Den H a a g " ersetzt. Das wurde vom Gericht zwar als gewisses Indiz f ü r die Anwendung niederländischen Rechts angesehen, f ü r die Anwendung englischen Rechts sei jedoch entscheidend, daß die Urkunde in englischer Sprache abgefaßt sei und die Klausel enthalte, daß Streitigkeiten zwischen den Parteien durch Arbitrage in London zu entscheiden seien. —• Ist niederländisches Recht ausdrücklich vereinbart worden und auch Amsterdam als Gerichtsstand vorgesehen, so sprechen auch f ü r das gegenüber der Empfängerin anzuwendende Recht die stärksten Gründe f ü r das niederländische Recht (Landgericht Amsterdam RabelsZ 1959 S. 309. — Auch bei grundsätzlicher Anwendung niederländischen Rechts ist die Verweisung auf das deutsche Einheitskonnossement 1940 zulässig, da dessen Inhalt auch in den Niederlanden ohne Schwierigkeiten feststellbar ist (Landgericht Rotterdam RabelsZ a.a.O.). — Vgl. weiter brit. Court of Appeal LL vom 18. 12. 1953 = Hansa 1954 S. 238: Anwendung italienischen Rechts bei in Paris in englischer Sprache geschlossenem Frachtvertrag über italienisches Schiff und von Dünkirchen nach Venedig zu befördernde Ladung (Konnossement in Dünkirchen in französischer Sprache aufgemacht); brit. High Court of Justice HansRGZ 1936 H 386: Aus der handelsüblichen englischen Schiedsgerichtsbarkeit ergibt sich die Anwendbarkeit englischen Rechts; HansOLG HansRGZ 1934 B 303: Anwendung englischen Rechts auf eine „Russian Black Sea and Azoff Charter party"'. Siehe Schiedsspruch Rotterdam Hansa 1959 S. 1345 wegen des auf einen Frachtvertrag mit „Arbitration in Rotterdam" anzuwendenden Rechts. 283

Vierter Teil. Seehandelsrecht § 556 Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht sich entweder 1. aul das Schill im ganzen oder einen verhältnismäßigen Teil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes oder 2. auf einzelne Güter (Stückgüter). S c h r i f t t u m : Vgl. die Angaben zu Beginn der Vorbemerkung vor § 550; siehe insbesondere davon C a p e l l e , Frachtcharter S. 89ff.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 224ff. Vgl. ferner S a n m a n n , „Stückgut" und „Massengut" oder „Stückgut" und „Schüttgut", Hansa 1957 S. 213. Es gibt zwei Arten von Seefrachtverträgen: Raumfrachtverträge (§ 556 Ziff. 1) und Stück gttterfrachtverträge (§ 556 Ziff. 2). Anm. 1

1. Raumfrachtvertrag, ungenau Chartervertrag genannt (engl, charter = carta, Urkunde) — deutlicher schon wäre die Bezeichnung „Frachtcharter" (so das Buch von Capelle : Die Frachtcharter in rechtsvergleichender Darstellung, 1940) zum Unterschiede von „Mietcharter" (vgl. über diese Vorbemerkung vor §§ 556 ff. Anm. 16) —• ist der Seefrachtvertrag, bei welchem dem Befrachter entweder das Schiff im ganzen (en rouge) oder ein verhältnismäßiger Teil oder ein bestimmt bezeichneter Raum desselben (z. B. das Zwischendeck) zur Befrachtung eingeräumt wird. Diese drei Arten des Raumfrachtvertrages weisen zwar untereinander Verschiedenheiten auf, verdanken aber ihre Einordnung unter den gleichen Begriff dem Umstände, daß bei ihnen, im Gegensatz zum Stückgütervertrage, gewöhnlich eine Chartepartie ausgestellt wird (§ 557 HGB), und dem, daß bei ihnen die Beförderungsleistung mehr nach dem B e f ö r d e r u n g s m i t t e l als nach dem Gegenstand der Ladung individualisiert wird. Die Abstellung „auf das Schiff im Ganzen" (§ 556 Abs. 1 l.Fall HGB, Ganzcharter, Vollcharter) ist der häufigste Fall, diejenige auf „einen verhältnismäßigen Teil" oder „bestimmt bezeichneten Raum" des Schiffes (§ 556 Abs. 1 2. und 3.Fall HGB: Teilcharter, affrètement partiel, trasporto di carico parziale) ist selten. Vgl. die Beispiele bei W ü s t e n d ö r f e r SHR 228: Nach dem Ende des ersten Weltkrieges charterte eine Hamburger Linienreederei von einer norwegischen Linienreederei, deren Schiffe damals auf der Fahrt nach Südamerika Hamburg anliefen, jeweils ein Drittel des Laderaums und belegte ihn mit Ladungen, die sie durch Abschluß von Stückgüterverträgen geworben hatte. Eine Teilholzladung, die drei Achtel der Tragfähigkeit des Schiffes ausmacht, wird verfrachtet von einem unwirtlichen afrikanischen Küstenort aus, wo es keinen Linienverkehr gibt (HansRGZ 1929 Nr. 81). Auch wird bisweilen leer gebliebener Teilraum heimkehrender Liniendampfer mit Hilfe von Teilcharterverträgen ausgefüllt,wenn der hohe Stückguttarif dem Befrachter für die Beförderung kleinerer Partien Massengut zu kostspielig ist (z.B. „Laderaum Luke 3"). Eine Raumcharter über das ganze Schiff liegt auch dann vor, wenn mehrere Befrachter, die unter sich eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bilden, insgesamt das ganze Schiff chartern, es aber unter sich nach bestimmten Räumen oder in einem bestimmten Verhältnis aufteilen. Vgl. Anm. 4 zu § 587 HGB. Gleiches kann auch gelten, wenn jeder von ihnen nur einen Teil des Schiffes chartert, die Teile aber zusammen das ganze Schiff ausmachen. Doch kommt es dann schon sehr auf die Umstände des konkreten Falles an. — Siehe aber den Begriff des Raumfrachtvertrages auch HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 87.

Anm. 2

Seiner Verwendungsart nach ist der Raumfrachtvertrag überwiegend eine Reisecharter. Meist handelt es sich um eine einfache Reise. Aber auch zusammengesetzte Reisen kommen vor (Hin- und Rückladung; Zureise in Ballast; Weiterreise mit neuer Ladung). Aber auch als Zeitfrachtvertrag findet sich der Raumfrachtvertrag häufig (timecharter). Vgl. Anm. 16 zu den Vorbemerkungen vor §§ 556 ff. darüber, wann sich unter der rechtlich farblosen Bezeichnung time-charter ein Frachtvertrag verbirgt und wann ein Mietvertrag vorliegt. Die Zeitcharter kann als Frachtcharter als uneigentliche Zeitcharter oder als eigentliche Zeitcharter begegnen (vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 228f.). Im Falle der u n e i g e n t l i c h e n Z e i t c h a r t e r wird das Schiff für eine oder mehrere bestimmte Reisen verfrachtet, die zu zahlende Fracht aber nach Zeitabschnitten bedungen, z.B. nach angefangenen Monaten (§§ 622, 637 Abs. 2, 638 Satz 2 HGB). Bei ihr wird das Risiko unverschuldeter Reiseverzögerung vom Verfrachter 284

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§556

zum Teil auf den Charterer abgewälzt (§ 622 Abs. 4 HGB). Die uneigentliche Zeitcharter ist heute selten. Vgl. das Beispiel bei W ü s t e n d ö r f e r SHR 229: Eine deutsche Großfirma baut ein Kraftwerk in Norwegen. Zum Hinüberschaffen von Baumaterial und Arbeitsgerät chartert sie einen Dampfer für mehrere Norwegenfahrten, unter Bemessung der Fracht nach Zeitabschnitten. Bei der e i g e n t l i c h e n Z e i t c h a r t e r wird das Schiff f ü r bestimmte Zeit, aber mehr oder weniger unbestimmte Reisen gechartert, z.B. für 6 Monate zu Fahrten in den Seegebieten Westindiens. Eine solche Frachtcharter auf Zeit sichert den Befrachter vor den Schwankungen des Seefrachtenmarktes, indem er sich f ü r längere Zeit Beförderungsmöglichkeit zu gleichbleibendem Frachtsatz sichert (siehe dazu auch R i e d , Der Zeitcharterer als Reeder, Diss. Hamburg 1937 S. 20), z.B. eine große ölfirma chartert einen Tanker auf zwei Jahre für ihre Ölimporte. Über einen Frachtvertrag über konsekutive Reisen und eine Gesamt-Ladungsmenge siehe Rotterdamer Schiedsspruch vom 26. 1. 1959 Hansa 1959 S. 1345. 2. Stückgütervertrag ( W ü s t e n d ö r f e r Studien 1,187ff.) ist der Seefrachtvertrag, der sich auf einzelne Ladungsgüter oder einzelne Partien von Ladungsgütern (Spezies- oder Gattungssachen) bezieht. Die Beförderungsleistung wird hier in erster Linie durch den G e g e n s t a n d d e r L a d u n g , nicht durch das Beförderungsmittel bestimmt ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 229). „Stückgüter" sind hier nicht im verkehrstechnischen Sinne als Gegensatz zu Massengut zu verstehen, sondern im juristischen: Auch Massengut in loser Schüttung wird von heimkehrenden Liniendampfern bisweilen auf Grund von Stückgüterverträgen befördert. Doch kann es sich dann auch um einen Teilchartervertrag (s. Anm. 1) handeln. Der Stückgütervertrag kommt besonders im Falle des Seehafenspediteurs als Befrachters auch vor in Gestalt des D a u e r f r a c h t v e r t r a g e s : Eine Gesamtbeförderung von Stückgütern bestimmter Art und Menge soll durch die Schiffe einer Linie zu einheitlichem Frachtsatz in Teilbeförderungen binnen bestimmter Gesamtfrist ausgeführt werden — insoweit liegt Zeitbefrachtung vor •— und innerhalb gewisser vertraglicher Grenzen ist die Beförderungsleistung bestimmbar durch, den Befrachter ( W ü s t e n d ö r f e r Studien, 210ff. und SHR 229). Die Vorschrift des BSchG, daß Stückgüterverträge über mehr als 10000 kg als Raumfrachtverträge anzusehen sind, ist dem Seerecht unbekannt.

Anm. 3

3. a) Z w a r i s t b e i m R a u m f r a c h t v e r t r a g die R e g e l , d a ß die B e f ö r d e r u n g m i t e i n e m b e s t i m m t e n S c h i f f v e r e i n b a r t wird. Vgl. auch § 565 HGB und die dortigen Anmerkungen. Doch kommt es auch bei ihm vor, daß generische Transportleistungsverpflichtungen übernommen werden (HansOLG LZ 1917 S. 1282 = HansGZ 1917 S. 247). Abgesehen hiervon sieht aber der Verfrachter des Charterverkehrs nur ausnahmsweise von der Bezeichnung eines bestimmten Schiffes im Chartervertrage ab ( C a p e l l e , Frachtcharter S. 125). Auch behält er sich nur selten das Recht vor, an die Stelle des im Vertrage genannten Schiffes ein anderes zu setzen. Geschieht es aber dennoch, so etwa durch die kurze Klausel „or Substitute at owners option" oder durch die ausführliche „Der Reederei steht das Recht zu, für eine bzw. mehrere Reisen einen anderen Dampfer von ungefähr gleicher Ladefähigkeit und Position zu den Bedingungen des vorliegenden Vertrages zu stellen, in welchem Falle dem Befrachter mindestens 10 Tage vor Beladung unter Angabe des Schiffsnamens Nachricht zu geben ist" oder „The owners are at liberty, in case of emergency, to Substitute another steamer of the same class and condition and of simliar size, type and position" (Vgl. für die Klauseln C a p e l l e a.a.O. S. 126). Die Klauseln beseitigen für den Verfrachter die dispositive Vorschrift des § 565 HGB, nach welcher der Verfrachter nicht befugt ist, die Güter ohne Erlaubnis des Befrachters in ein anderes Schiff zu laden. Sie begründen aber k e i n e V e r p f l i c h t u n g zur Beförderung mit einem anderen Schiff ( C a p e l l e a.a.O.). Wird durch die genannten Klauseln die typische Festlegung des Beförderungsversprechens auf ein bestimmtes Schiff schon abgeschwächt, so gibt es in besonderen Fällen darüber hinaus auch die völlige Unbestimmtheit des Beförderungsmittels zur Zelt des Vertragsschlusses ( C a p e l l e a.a.O. S. 126ff.). So kann es für den Vercharterer zweckmäßig sein, wenn ein Chartervertrag für mehrere aufeinanderfolgende Reisen geschlossen wird, sich die Benennimg des Schiffes für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten, z.B. durch die Klausel „steamer to be named hereafter". Bei dieser Klausel kann der Verfrachter nicht mehr wie bei den erstgenannten als Schuldner einer reinen Speziesschuld betrachtet werden. Vielmehr ist der Verfrachter solange an den Vertrag gebunden, als ihm die Stellung irgendeines Schiffes aus der — im Chartervertrage gewöhnlich begrenzten •— Gattung

Anm. 4

285

§556

Vierter Teil. Seehandelsrecht

möglich ist (§ 279 BGB). Es liegt dann eine „hinkende Speziesschuld" vor (vgl. W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, 203ff.; ders. ZHR Bd. 88 S. 241 ff.). Der Verfrachter hat mangels anderer Vereinbarung ein Schiff mittlerer Art und Güte zu stellen (§ 243 Abs. 1 BGB). Die Konkretisierung ist anzunehmen, wenn der Verfrachter mit der Benennung eines bestimmten Schiffes, der Andienung, das seinerseits Erforderliche getan hat, sofern nur das Schiff alsbald ladebereit sein kann (das war nicht der Fall in HansGZ 1917 Nr. 127). Nur dies entspricht dem Sinn der Klausel, denn anders als eine Linienreederei ist der Verfrachter des Charterverkehrs in der Regel nicht in der Lage, an die Stelle des dem Charterer zunächst genannten Schiffes ein gleichartiges in passender Position zu setzen ( C a p e l l e 128). Über Unzulässigkeit einseitiger Prachterhöhung bei Gestellung eines Substitutschiffes vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1952 S. 1312; siehe US Court of Appeals Hansa 195 S. 1032 über das mehrfache Gebrauchmachen von einer Substitutionsklausel. Vgl. auch § 565 HGB und die dortigen Anmerkungen. Anm. 5

b) Im Stttckgtttcrverkehr der festen Sccschiffahrtslinien ist die Rechtslage hinsichtlich der Schiffsbenennung fast regelmäßig durch Klauseln anders gestaltet. Die Schiffe einer Linie sind meistens einander ähnlich oder gleichwertig. Auch liegen die Abfahrtszeiten regelmäßig verhältnismäßig kurz auseinander. Der Befrachter behält sich deswegen entweder die Befugnis vor, die Güter auf einem anderen als dem genannten Schiff zu verladen (so gesetzlich nach Art. 451 c. nav.), oder er übernimmt zur Beförderung mit dem Dampfer X oder einem anderen an die Stelle tretenden oder nachfolgenden Dampfer derselben Linie. Im letzteren Fall endet der Frachtvertrag nicht, wenn das namentlich benannte Schiff durch Zufall zugrunde geht, solange der Verfrachter noch über ein Schiff der gleichen Gattung verfügt (Wüs t e n d ö r f e r SHR 237). Diese weit gefaßten Substitutionsklauseln der Linienreedereien haben eine andere Beurteilung zu erfahren als solche in Raumfrachtverträgen. Deshalb kann im Stückgüterverkehr der Linienreedereien die Konkretisierung des Gattungsschuldelements bis zur Verladung, ja sogar bis zur Ankunft der Güter im Bestimmungshafen hinausgeschoben sein (Capelle a.a.O., S. 128).

Anm. 6

Die Tendenz des Stückgüterfrachtvertrages geht also immer mehr dahin, die Beförderungsverpflichtung aus ihm nicht an ein bestimmten Schiff zu binden, sondern zu einer Wahlschuld mit Wahlrecht des Verfrachters oder gar zu einer Gattungsschuld zu gestalten. W ü s t e n d ö r f e r SHR 236, auch ZHR Bd. 88 S. 241 und Studien S. 203ff. spricht von einer „hinkenden Speziesschuld": Aufnahme von Gattungsschuldelementen in eine Verpflichtungserklärung, die im übrigen eine Speziesschuld schafft (siehe oben Anm. 5). Zweifelhaft kann dann sein, wann die K o n k r e t i s i e r u n g d e r G a t t u n g s s c h u l d e l e m e n t e zur reinen Speziesschuld eintritt. Regelmäßig geschieht sie in diesen Fällen (vgl. §§ 263 Abs. 2, 243 Abs. 2 BGB) durch Erklärung des Verfrachters, also in der Regel durch seine an den Befrachter gerichtete Aufforderung, die Abladung auf ein bestimmtes der in Frage kommenden Schiffe zu bewirken, wenn aber der Verfrachter vorher bereits die Güter übernommen hat, mit der vollendeten Abladung. W ü s t e n d ö r f e r SHR 237 meint, die Konkretisierung erfolge erst mit der gattungsmäßigen Durchführung der Beförderung bis zum Bestimmungshafen; bis dahin bestehe eine gattungsmäßig umgrenzte Beförderungspflicht; nicht Sachleistung, sondern Werkleistung der Stückgutbeförderung mit einem Gattungsschiff stehe in Frage. Indessen weist Wüstendörfer selbst darauf hin, daß ohne gleichzeitige Ausbedingung der Umladungsbefugnis u n t e r w e g s (z.B. die Klausel: „mit Freiheit, die Güter in andere Schiffe umzuladen") dem Verfrachter nach vollzogener Erst-Verladung auch bei der Substitutionsklausel nicht die Befugnis zustehe, ohne Zustimmung des Abladers die Güter willkürlich unterwegs in ein anderes Schiff umzuladen (§242 BGB, §44 Abs. 2 BSchG; L i n d e n m a i e r JahrbAKDR 1939/40 S. 130). Nur ausnahmsweise kann deshalb der Transportakt selbst als generischer gedacht, d.h. der Verfrachter zur eventuellen Substitution eines anderen Schiffes bis zur Ankunft des Gutes am Bestimmungsorte verpflichtet sein (siehe auch W ü s t e n d ö r f e r Studien 208ff.; HansOLG HansGZ 1917, 247 = LZ 1917 S. 1282).

Anm. 7

4. Die V e r s c h i e d e n h e i t d e r e i n z e l n e n F ä l l e des S e e f r a c h t v e r t r a g e s äußert sich rechtlich darin, daß gewisse G e s e t z e s b e s t i m m u n g e n n i c h t a u f a l l e , s o n d e r n nur auf einzelne jener Fälle Anwendung finden. 286

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 557

Es gelten nämlich: § 557 HGB (Errichtung einer Chartepartie) nur für den Raumfrachtvertrag; § 558 HGB (Verladung von Gütern in die Kajüte) nur für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes; §§ 567—586 HGB (Abladung, Fautfracht und was damit zusammenhängt) nur für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes; dagegen für die beiden anderen Arten des Raumfrachtvertrages mit den Modifikationen des § 587 HGB; §§ 588 und 590 HGB (Abladung, Fautfracht, Reiseantritt) nur für den Stückgütervertrag; §§ 594—602 HGB (Löschung und was damit zusammenhängt) für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes und (§ 603 HGB) für die beiden anderen Arten des Raumfrachtvertrages; § 604 HGB (Löschung usw.) nur für den Stückgütervertrag; § 605 HGB (Unterfrachtverträge über Stückgüter) nur für den Raumfrachtvertrag; §§ 628—640 HGB (Endigung des Frachtvertrages, Distanzfracht usw.) nur für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes, dagegen § 641 HGB f ü r die übrigen Fälle des Raumfrachtvertrages und den Stückgütervertrag. Wird bei einem Raumfrachtvertrag ein Konnossement ausgestellt, so gilt § 662 HGB (zwingende Mindesthaftung des Verfrachters) erst von dem Zeitpunkt ab, in dem das Konnossement an einen Dritten begeben wird (§ 663a HGB). Der Grund f ü r die unterschiedliche rechtliche Behandlung von Raum- und Stückgüterverträgen liegt einmal darin, daß der Raumbefrachter, insbesondere als Ganzbefrachter eines anderen Einflusses auf die Durchführung der Reise bedarf als der Stückgutbefrachter, zum anderen darin, daß für diesen ein stärkerer Schutz durch zwingende Rechtsnormen notwendig ist, weil er allein — anders als regelmäßig der Raumbefrachter — sich gegenüber dem Verfrachter kaum durchsetzen vermag. In der letzteren Tatsache haben die Haager Regeln ihren Grund, die allerdings in erster Linie den Konnossementsberechtigten schützen. § 557 Wird das Schill im ganzen oder zu einem verhältnismäßigen Teile oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum des Schifles verfrachtet, so kann jede Partei verlangen, daß über den Vertrag eine schriftliche Urkunde (Chartepartie) errichtet wird. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 112ff.; H a r d y - I v a m y , Recent Charterparties (Current Legal Problems 1958, herausgegeben von der Universität London) Bd. II S. 208; M o r t i l l a r o , Wirksamkeit der vexatorischen und jurisdiktions-Klauseln in Charterund Konnossementsformularen unter Berücksichtigung der Art. 1341 u. 1342 des Codice civile italiano, Recht der Schiffahrt Bd. IV Heft 2 S. 14; W ü s t e n d ö r f e r SHR 232; R 0 r d a m , Treatises on the Baltcon-Charterparty, 1954; R ö h r e k e Hansa 1957 S. 982; J a n t z e n , Händbok i Baltconcertepartiet, Oslo 1925. Chartepartie. Über die Ableitung und Bedeutung des Wortes im einzelnen siehe P a p p e n - Einleitung h e i m HB 3 S. 115f., W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 232. Er rührt her von „carta partita" = geteilter Urkunde, weil in früheren Zeiten der Vertrag in mehrfachem Text, nach der Zahl der Beteiligten, auf dasselbe Blatt geschrieben und dieses dann durch zackigen Schnitt getrennt wurde. Jede Partei erhielt eines der Teilblätter, deren Echtheit man dann durch Aneinanderhalten leichter feststellen konnte. Die Chartepartie wurde früher und gelegentlich auch noch jetzt als „Certepartie" bezeichnet (vgl. RGZ 114, 325). Der französische Ausdruck lautet „chartepartie", der englische „charterparty", der italienische „contratto di noleggio". Vielfach üblich ist die Abkürzung C/P. Das Binnenschiffahrtsrecht kennt eine entsprechende Urkunde nicht. In der Praxis findet sich die Ausstellung eines Schiffsbefrachtungsscheines. 1. a) Die Bedeutung des § 557. Die Bestimmung verlangt nicht notwendig die schriftliche Abfassung des Chartervertrages, sondern besagt nur, daß jeder Vertragsteil des an sich formlosen Vertrages die Errichtung einer Vertragsurkunde, der sog. Chartepartie, verlangen kann, auch wenn keine Beurkundung verabredet ist (RG HansRZ Bd. 3, 97). Die Chartepartie ist also keine rechtsbegründende (konstitutive) Urkunde, sondern nur eine Beweisurkunde über den schon geschlossenen Raumfrachtvertrag. 287

Anm. 1

§557

Vierter Teil. Seehandelsreoht

Auf die Befugnis, die Errichtung einer Vertragsurkunde zu verlangen, kann verzichtet werden. Ist positiv vereinbart worden, daß eine Chartepartie errichtet werden soll, so wird dadurch die blosse Beweisfunktion der Chartepartie nicht berührt. Die Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB kommt also nicht zum Zuge. Vgl. RG HansGZ 1920, 95. Eine vorläufige Beweisurkunde ist der sog. „fixing letter", in dem vor Errichtung der Chartepartie oft wichtige Punkte des Chartervertrages niedergelegt werden. Er ist keine sog. unverbindliche Punktation im Sinne des §154 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 2 zu §557 HGB). Siehe auch Anm. 3. Gerät ein Teil mit der Vollziehung oder Übersendung der Chartepartie in Verzug, so stehen regelmäßig dem anderen Teil nicht die Rechte aus § 326 BGB zu. Die Errichtung der Chartepartie ist meistens nur Nebenpflicht. Der andere Teil ist also darauf beschränkt, einen etwa erlittenen Verzugsschaden geltend zu machen (§ 286 BGB). So zutreffend C a p e l l e Frachtchaxter S. 113f.; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 2 zu §557; anders die Vorauflage dieses Kommentars, Anm. 1 zu § 557 (mit Vorbehalt von M i t t e l s t e i n ) . Das Gesetz sagt nicht, wie z.B. in § 2 SchRG, daß die Kosten der Beurkundung dem sie Beantragenden zur Last fallen. Es muß daher im Zweifel angenommen werden, daß sie als Vertragsspesen von den Kontrahenten zu gleichen Teilen zu tragen sind. Doch sind die Kosten in der Praxis gewöhnlich in der Provision des Maklers mitenthalten, der in den meisten Fällen die Chartepartie aufmacht. Die Maklerprovision aber wird in aller Regel vollständig vom Verfrachter getragen. Das ist in vielen Charterverträgen ausdrücklich bestimmt (Cap e l l e a.a.O., S. 114). Anm. 2

c) Ausländisches Recht. I n Frankreich ist die Errichtung einer Chartepartie ausdrücklich vorgeschrieben (Art. 273 c. com.). Doch ist auch hier die Wahrung der Schriftform nicht Voraussetzung f ü r die Gültigkeit des Vertrages. Die Bedeutung des Art. 273 liegt vielmehr nur darin, daß die Parteien in der Benutzung anderer Beweismittel beschränkt sind. Darüber, wie weit diese Beschränkungen gehen, sind die Meinungen geteilt. Beweis durch Eid und Geständnis wird im allgemeinen als zulässig angesehen, nicht dagegen der Zeugenbeweia und überwiegend auch nicht die Vorlegung des Schriftwechsels der Parteien und der Handelsbücher. In anderen Ländern hat die Unterlassung der Beurkundung keine ungünstigen Folgen f ü r die Beweislage der Parteien. In Finnland und Holland besteht, wie in Deutschland, das Recht der Parteien, voneinander die Errichtung einer Chartepartie zu verlangen. Weder eine Beschränkung der Beweismittel noch einen Anspruch auf Mitwirkung bei der Errichtung einer Chartepartie kennt das anglo-amerikanlsche Seerecht. Die skandinavischen Seegesetze enthalten keine Vorschriften über die Chartepartie mehr. Vgl. zur Rechtsvergleichung Cap e l l e a.a.O., S. 112ff.

Anm. 3

2. Somit ist also die schriftliche Form des Chartervertrages nirgends zu seiner Gültigkeit erforderlich. Dennoch ist in der Rechtswirklichkeit der Abschluß unter Verzicht auf jegliche schriftliche Festlegung der Abreden sehr selten. Die sehr ins einzelne gehenden Vertragsbedingungen machen in aller Regel eine jedenfalls teilweise Niederschrift notwendig. Das braucht nicht immer in einer umfangreichen Chartepartie zu geschehen, kann vielmehr auch durch Aufzeichnungen in Schlußnoten, Engagementnoten und „fixing letters" des vermittelnden Maklers, Bestätigungsschreiben und Telegrammen geschehen ( C a p e l l e a.a.O., S. 115; vgl. zu der Verwendung einer Engagementnote HansRGZ 1930, 67511.). Siehe auch Anm. 1.

Anm. 4

Überhaupt ist eine bestimmte Form f ü r die Chartepartie nirgends vorgeschrieben. Meistens pflegen sich die beteiligten Kreise gedruckter Formulare zu bedienen, welche, auch wo deutsche Kontrahenten beteiligt sind, vielfach in fremder, insbesondere englischer Sprache abgefaßt sind (vgl. z.B. HansRZ 2, 434). Es werden Musterformulare benutzt, die von Reedern, Konferenzen, Schiffsmaklern oder von Reedererorganisationen zusammengestellt oder gebilligt sind, wie etwa die angesehene Formularsammlung „Forms of approved documents", die vom Documentary Committee of the Chamber of Shipping of the United Kingdom veröffentlicht ist, oder die von der Baltic and White Sea Conference herausgegebenen Formulare. Siehe die Beispiele im Anhang zu § 557. Als zweiseitige Verlautbarung ist die Chartepartie von jeder der beiden Parteien zu unterzeichnen. Eine Ausstellung in mehreren Exemplaren ist häufig. Die räumliche Trennung 288

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§557

oder zeitweilige Abwesenheit bewirkt oft, daß der vermittelnde Schiffsmakler als Vertreter der abwesenden Partei oder gar beider, also gleichsam als Selbstkontrahent (§§ 181 BGB, 346 HGB) zeichnet (Vgl. RGZ 116, 156; W ü s t e n d ö r f e r SHR S. 232). Auch kommt es vor, daß der Makler als „Charterers Agent" ohne Nennung seines Auftraggebers zeichnet (§ 179 BGB), oder daß er sich, entsprechend § 95 HGB, die Aufgabe des Gregners vorbehält ( W ü s t e n d ö r f e r a.a.O.). Gelegentlich erscheinen auch Chartepartien in einer strengeren Form, so als „charterparty under seal" und als „acte authentique" (Vgl. dazu mit weiteren Angaben C a p e l l e a.a.O.). 3. Ist aus der Tatsache allein, daß die Chartepartie in fremder Sprache abgefaßt ist, zu folgern, daß die Parteien sich hinsichtlich der rechtliehen Folgen des Frachtvertrages dem fremden Recht unterwerfen wollen ? Die Frage ist zu verneinen. So HansOLG und R G in ständiger Rechtsprechung; vgl. HansOLG HansGZ 1881 Nr. 41; 1892 Nr. 21; 1896, 218; 1904, 134; 1910, 179; HansRGZ 1934 B 303; HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 347 und 1509; 1956 S. 1499 = BB 1956 S. 545 = VersR 1956 S. 380; Hansa 1958 S. 1439 = MDR 1958 S. 519 = VersR 1958 S. 214; RGZ 38, 144; 39, 65; R G HansGZ 1905 Nr. 28; 1911, 140 = Hansa 1911 S. 200 = LZ 1911 S. 469 = J W 1911 S. 225; ZVersWiss. Bd. 17 S. 565; HansRGZ 1933 B 737; BGH Hansa 1956 S. 1499 (anders RGZ 19, 33; 68, 203; siehe über diese beiden Entscheidungen auch die folgende Anmerkimg); aus dem Schrifttum F r a n k e n s t e i n , Internationales Privatrecht Bd.2 S. 514; P a p p e n h e i m H B 3 S. 124 Anm. 4; S i e v e k i n g S. 299; L i e s e c k e VersR 1960 S. 865; vgl. auch C a p e l l e HansRGZ 1932 A 12711. Vielmehr ist davon auszugehen, daß deutsche Parteien, wenn sie in Deutschland einen Frachtvertrag abschließen, mangels Vorhandenseins gegenteiliger Anhaltspunkte deutsches Recht auf ihren Vertrag zur Anwendung bringen wollen, auch wenn die Chartepartie in ausländischer Sprache abgefaßt ist. Das gilt grundsätzlich f ü r alle Teile des Vertrages. Die englische Sprache insbesondere ist noch immer in den meisten Weltgegenden internationale Seesprache; sie eignet sich darum zum Gebrauch f ü r Urkunden, f ü r deren Inhalt ein ausländischer Vertrags- oder Erfüllungsort irgendwie in Frage kommt. Hierauf beruht vielfach die Anwendung der fremden Sprache in Verträgen, ohne daß hieraus weitergehende Folgerungen gezogen werden dürfen.

Arno. 5

Es müssen also zu dem Gebrauch der fremden Sprache noch weitere Tatsachen hinzukommen, welche die Unterwerfung der Parteien unter das fremde Recht unzweifelhaft machen, also entweder eine ausdrückliche Unterwerfungsklausel („any question arising under this charter to be settled according to English law", HansGZ 1871 Nr. 266; „contract, whereever made, to be construed by English law", HansGZ 1898 Nr. 105) oder Umstände, aus denen der stillschweigende Unterwerfungswille hervorgeht. Beispiele: Abschluß eines Frachtvertrages seitens eines deutschen Kaufmanns mit einer englischen Reederei in Japan, wo damals der Seehandel zum größten Teil in englischen Händen war (HansOLG HansGZ 1898 Nr. 105); Abschluß durch englische Vertreter der Kontrahenten in England (RGZ 19, 34; LG Hamburg HansGZ 1893 Nr. 101; HansOLG HansGZ 1908, 248; RGZ 68, 209; entsprechend Anwendung deutschen Rechts bei Abschluß durch d e u t s c h e Vermittler in Hamburg: RG LZ 1912 S. 548 = HansGZ 1912, 227; vgl. auch HansOLG HansGZ 1910, 179; RGZ 75, 96). Doch ist die Rechtsprechung in diesem Punkt schwankend gewesen. Vgl. HansOLG HansGZ 1904 Nr. 67 und RG HansGZ 1905 Nr. 28, wo bei einem Transport-Vertrag (nicht Charter-Vertrag), der zwischen deutschen Parteien in England durch englische Makler abgeschlossen war, beide Gerichte deutsches Recht f ü r maßgeblich erklärt haben. Ein weiterer Umstand, aus dem auf die Unterwerfung unter fremdes Recht geschlossen werden k a n n , ist die Aufnahme von Vertragsbestimmungen, die der fremden Geschäftsweise und Rechtsauffassung eigentümlich sind. So ist die Unterwerfung unter englisches Recht — neben anderen Umständen geschlossen worden aus der Aufnahme der Klausel „the captain has an absolute lien on the cargo for demurrage (HansOLG HansGZ 1881 Nr. 46; anders HansOLG HansGZ 1881, 127), aus der Aufnahme der Penalty-Klausel (HG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 159; anders OG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 266; HG Hamburg HansGZ 1872 Nr. 172; HansOLG HansGZ 1881 Nr. 46; HansOLG Hansa 1955 S. 348), aus der Aufnahme der Cesser-Klausel (RGZ 19, 35), aus der Freizeichnung von den Acts of (Jod usw., in Verbindung mit der unselbständigen Negligence-Klausel (RGZ 68, 209; anders HansOLG HansGZ 1904, 134). Doch ist in dieser

Anm. G

19

Schaps-Abraham, Seerecht II

289

§557

Vierer Teil. Seehandelarecht

Hinsicht Vorsicht geboten, weil Chartepartien englischen Wortlauts in der ganzen Welt verwendet worden und auch die spezifisch englischen Klauseln längt Gemeingut der mit Seerecht befaßten Kreise aller Nationen geworden sind. Trotz derartiger Bestandteile sind in vielen Entscheidungen Chartepartien, die z w e i d e u t s c h e P a r t e i e n abgeschlossen haben, als dem deutschen Recht unterstehend angesehen worden: vgl. HansOLG HansGZ 1904, 134; RG HansGZ 1905, 57; RG HansGZ 1911, 200 = Hansa 1911 S. 139 = LZ 1911 S. 469 = J W 1911 S. 225. Es ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Parteien zwar einzelne Bestimmungen nach der fremden Rechtsauffassung ausgelegt wissen wollen, im übrigen aber eine Unterwerfung unter das fremde Recht nicht beabsichtigen (Vgl. AG und LG Hamburg HansGZ 1899 Nr. 27; RGZ 39, 68; RG HansGZ 1911, 140 = Hansa 1911 S. 200 = LZ 1911 S. 469 = J W 1911 S. 225; R G ZVersWiss. 17, 565; R G HansRGZ 1929 B Nr. 148; HansOLG Hansa 1955 S. 348 = MDR 1955 S. 109; f ü r die Penalty-Klausel RGZ 39, 67). Doch kann die Auslegung einzelner Klauseln nach fremder Rechtsauffassung nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um Klauseln handelt, die typisch fremdes Rechtsdenken widerspiegeln (HansOLG Hansa 1955 S. 348). Siehe dort wegen der Berechnung der Maklerprovision. Vgl. auch Vorbem. vor § 556 H G B Anm. 31. Anm. 7

4. Inhalt. Bestimmungen über den Inhalt der Chartepartie sind dem deutschen Recht unbekannt, ebenso den meisten ausländischen Seegesetzen. Art. 273 des franz. c. com. enthält eine Aufzählung von Angaben, die in der Chartepartie enthalten sein sollen, doch handelt es sich dabei nicht um zwingende Vorschriften. Die Haager Regeln kommen auf die Chartepartien nicht zur Anwendung (§ 663 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Die zwingenden Bestimmungen des § 662 H G B gelten f ü r ein bei einem Raumfrachtvertrag ausgestellte Konnossement erst dann, und auch dann nur f ü r die Verpflichtung aus ihm selbst, wenn das Konnossement an einen Dritten begeben wird. Dann kann es kommen, daß der Verfrachter aus dem Konnossement strenger haftet als aus der Chartepartie bzw. dem Raumfrachtvertrag, namentlich f ü r kommerzielles Verschulden, f ü r das er sich im Raumfrachtvertrag — zulässigerweise — freigezeichnet hatte. Er kann dann vom Charterer verlangen, daß er hinsichtlich der Mehrhaftung aus dem Konnossement gegenüber dem Chartervertrag schadlos gestellt wird (Vgl. BGH VersR 1956 S. 380; siehe auch L i e s e c k e VersR 1960 S. 867). Doch enthält die Chartepartie in der Praxis zumindestens Bestimmungen über die wesentlichen Punkte des Frachtvertrages. Oft ist auch in sie eine Schiedsgerichtsklausel aufgenommen (Vgl. RGZ 10, 33, vorwiegend vom Standpunkt des französischen Rechts.). Ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts f ü r den Fall vereinbart: „should any difference arise as to the meaning and intention of this charter", so hat das Schiedsgericht lediglich über den Sinn der Charter, nicht über tatsächliche Vorgänge und die Anwendung der Charter auf dieselbe, zu entscheiden (HansOLG HansGZ 1900 Nr. 69); solange das Schiedsgericht nicht entschieden hat, ist die gerichtliche Klage verfrüht. Einige Länder erkennen Gerichtsstandsklauseln nicht oder doch nur unter gewissen Voraussetzungen an. So A u s t r a l i e n (vgl. sect. 9 Australian Carriage of Goods by Sea Act; siehe dazu G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, S. 189; vgl. Hansa 1955 S. 1086). In G r o ß b r i t a n n i e n , K a n a d a und den USA bleibt die innerstaatliche Gerichtsbarkeit unberührt, auch wenn ausländische Gerichte f ü r zuständig erklärt sind (vgl. G ö t z a.a.O. S. 192 und die dort in Anm. 10 zitierten Entscheidungen, z. B. Wm. H. Müller & Co v. Swedish American Trine Ltd., US Court of Appeals, 1953,224 Federal Reporter Second Series 806 = AMC 1955 S. 1687 = Hansa 1956 S. 936; The Fehenares, brit. Court of Appeal, 1957, 2 LL Rep. 531. Nach einer früher herrschenden Auffassung waren Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten ausländischer Gerichte und Schiedsklauseln schlechthin unwirksam. Eine neuere Meinung stellt es in das Ermessen des Gerichts, ob es den Rechtsstreit an das ausländische Gericht abgeben will, was möglichst geschehen soll, wenn die Vereinbarung vernünftig erscheint. Vgl. G ö t z a.a.O. S. 193. Über A r g e n t i n i e n siehe Hansa 1958 S. 462. Über Zuständigkeit und Jurisdiktionsbefugnis der britischen Gerichte nach den Supreme Court Rules, wenn im Frachtvertrag eine Schiedsgerichtsklausel enthalten war, wonach etwa entstehende Streitigkeiten durch ein New Yorker Schiedsgericht entschieden werden sollten, das Schiff aber bald nach dem Auslaufen und vor Aufgabe des Bestimmungshafens sank und mit der Ladung total verlorenging, vgl. britischer Court of Appeal LL vom 24. 11. 290

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§557

1959 = Hansa 1960 S. 294. Siehe Cour de Cassation DMF 1959 S. 395 = Hansa 1959 S. 295 über die Bedeutung von Gerichtsstandsklauseln im Konnossement bei mehreren Beklagten. Schiedsgerichts- oder Prorogationsklauseln der Chartepartie gelten nicht ohne weiteres für Streitigkeiten zwischen Konnossementsinhaber und Verfrachter (vgl. zu dieser Frage f ü r das italienische Recht M o r t i l l a r o a . a . O . S. 14). Anders wenn das Konnossement eine Klausel enthält, die allgemein auf die Klauseln der Chartepartie Bezug nimmt (zu denen auch die Schiedsgerichtsklausel gehört) und die Bezugnahme eindeutig ist und f ü r vernünftige Zweifel keinen Raum läßt (BGHZ 29, 120 = VersR 1959 S. 286 = Hansa 1959 S. 927 = MDR 1959 S. 370; BGH VersR 1960 S. 308 = Hansa 1960 S. 1135; anders HansOLG HansGZ 1914, 188 für die Klausel „all other conditions as per charterparty"). Doch ist, wenn die §§ 662, 663 a HGB § 612 HGB zum zwingenden Recht machen, eine Schiedsgerichtsklausel, die Geltendmachung des Anspruchs innerhalb von drei Monaten vorsieht, wegen Verstosses gegen § 612 HGB nichtig. Siehe wegen BGHZ 29, 120 auch B ö t t i c h e r MDR 1960 S. 645. Vgl. auch HansOLG Hamburg MDR 1958 S. 519, wo das Gericht zwar die Gültigkeit der Klausel bejaht hat, jedoch die in ihr vorgesehene Frist auf 12 Monate verlängert hat. Zeitcharterpartien enthalten meist die sog. Bunkerklausel, lautend z. B. „that the charterers shall accept und pay for all coals in ship's bunkers on delivery, and the owners shall on the expery of this charter-party pay for all coals then left in the bunkers in both cases at current market prices of respective ports" oder „coals on board on delivery and redelivery of the steamer to be received by charterers and owner respectively at the current price of place" (HansGZ 1913, 59). Der „price of place" ist nicht der des nächsten Kohlenhafens, sondern der des Lieferungsbzw. Rücklieferungshafens (HansOLG HansGZ 1913, 60). Gewisse Zusicherungen betreffend Eigenschaften und Leistungsfähigkeit des Schiffes sind vielfach gebräuchlich. Sofern sich solche Zusicherungen nicht offensichtlich als leere, dem Gegner als solche erkennbare Anpreisungen darstellen und Tatsachen betreffen, die geeignet sind, das Urteil des Gegenkontrahenten über das Schiff zu beeinflussen, richten sich die Rechte des Befrachters bei Nichtinnehaltung der Zusagen nach den Grundsätzen des allgemeinen Rechts (§ 633 ff. BGB). Doch kann die Haftung der Verfrachters, abgesehen von derjenigen f ü r eigenen Vorsatz, vertraglich ausgeschlossen sein, z.B. durch die Klausel: these particulars are believed to be correct, but not guaranteed (HansGZ 1900, 163). Auch bei Kenntnis des Befrachters von der Unrichtigkeit der Zusage entfällt die Haftung. Von den üblichen Zusagen des Verfrachters sind zu erwähnen diejenigen, welche betreffen

Anm. 8

a) die Nationalität des Schiffes. Diese ist von rechtlicher Bedeutung für das Schiff und mit- Anm. 9 telbar auch für die Güter, z.B. hinsichtlich der Erhebung von Abgaben in fremden Häfen (z.B. die Klauseln: „all duties payable in consequence of the steamer being other than British to be paid by the steamer", oder „Dampfer, die unter einer Flagge fahren, die keine Vertragsflagge ist, haben den dadurch entstehenden Mehrbetrag an Hafenkosten selbst zu tragen"; siehe C a p e l l e , Frachtcharter, S. 164 Anm. 63), vornehmlich aber wegen der Behandlung des Schiffes im Kriegsfalle. Auch in den Kriegsklauseln wird vielfach an die Nationalität des Schiffes angeknüpft; vgl. C a p e l l e a.a.O., S. 499£f. b) Die Schnelligkeit des Schiffes und den Treibstoffverbrauch (HansOLG HansGZ 1900 Anm. 10 Nr. 78). Anm. 11 c) Den Tiefgang des Schiffes. d) Die Angabe des Schiffstyps, ob nämlich die Beförderung geschehen soll mit einem Anm. 12 Dampfer, Motorschiff oder Segler. Vgl. zu der Bezeichnung des Schiffes als „füll powered motor-vessel" HansRGZ 1928, 275f. e) Das Alter oder das Baujahr des Schiffes, die hier und da im Vertrage genannt werden. Anm. 13 f) Die Klassifikation. Vgl. C a p e l l e a.a.O., S. 153ff. Die Zusicherung einer bestimmten Anm. 14 Klasse ist besonders geeignet, dem Charterer eine gewisse Sicherheit zu gewähren. Liegt eine Klassenbescheinigung vor, so bedeutet das in der Regel eine tatsächliche Vermutung f ü r das Bestehen der Seetüchtigkeit. Es bedeutet damit auch ein wichtiges Anzeichen für den einwandfreien Zustand des Schiffes. Die Art der Klasse ist auch von Bedeutung f ü r die Höhe der f ü r die Güterversicherung zu zahlenden Prämie. Die Zusicherung einer bestimmten Klasse findet sich z.B. in folgenden Formen: „classed 100 A 1, British Lloyds or equivalent", 19*

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§557

Vierter Teil. Seehandelsrecht

oder „mindestens 90 A 3 Germanischer Lloyd oder entsprechend"; vgl. C a p e l l e a.a.O.» S. 154 Anm. 6. Die Zusage einer gültigen Klassenbescheinigung bezieht sich nach international übereinstimmender Anschauung im Zweifel nur auf den Augenblick des Vertragsschlusses ( C a p e l l e a.a.O., S. 154; W ü s t e n d ö r f e r H B S. 193; HansGZ 1890, 77; siehe die weiteren Schrifttumsangaben bei C a p e l l e a.a.O.). Es liegt also in ihr nicht ohne weiteres die Zusicherung, daß die Klassifikation während der Vertragsdauer erhalten bleiben werde, von unvorhergesehenen Zwischenfällen abgesehen. Es bedeutet also keine Verletzung des Chartervertrages, wenn die Klasse unmittelbar nach Vertragsschluß abläuft. Nur hier und da wird die Klassenzusicherung ausdrücklich auch auf einen späteren Zeitpunkt bezogen, z.B. durch die Klauseln „ . . . and to be of that class at the time of loading" oder „ . . . and to be of t h a t class, when the vessel sails with her cargo under this Charter". Die Zusicherung einer bestimmten Klasse bedeutet die Gewährübernahme des Verfrachters, daß ihm eine gültige Klassenbescheinigung der angegebenen Art tatsächlich vorliegt und auch richtig ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so kann der Charterer vom Vertrage zurücktreten, und zwar f ü r das deutsche Recht gemäß § 634 BGB. I m englischen Recht handelt es sich um die Geltendmachung der „option of cancelling" wegen Nichterfüllung einer „condition precedent" ( C a p e l l e a.a.O., S. 155). Gelegentlich wird dies Rücktrittsrecht im Vertrage besonders erwähnt. Ein Schaden des Charterers, weil das Schiff die zugesicherte Klasse nicht besitzt, wird in der Regel entstehen, weil er eine erhöhte Versicherungsprämie zu zahlen hat. Anm. 15 g) Die Größe des Schilfes und die damit zusammenhängende Tragfähigkeit. Beide werden gewöhnlich in der Charter angegeben. Zuweilen gibt diese auch Auskunft über die Aufnahmefähigkeit der einzelnen Räume. Die Größe des Schiffes findet ihren Ausdruck in dem Raumgehalt (tonnage) nach Brutto- oder Nettoregistertonnen. Gelegentlich wird auch noch die „gram capacity", d.h. der Kubikinhalt des Schiffes, der durch Bulkladung ausgenutzt werden kann, oder die „bale capacity", d.h. der Raum, der f ü r Stückgüter zur Verfügung steht, angegeben; vgl. C a p e l l e a.a.O., S. 155 Anm. 13. Ein genauer Schluß von der Größe des Schiffes auf seine Tragfähigkeit ist meistens nicht möglich. Die Tragfähigkeit gibt an, welche Gütermenge das Schiff aufnehmen kann. Diese wird meistens nach Gewicht (sehr häufig nach englischen Tonnen = 1016,0475 kg = 2240 lbs.) angegeben, gelegentlich aber auch nach Raummaßen, so bei Holzladungen (St. Petersburg Standards = Raummaß von je nach der Art der Holzladung wechselnder Größe, gewöhnlich = 165 eng. Kubikfuß = 4,672 cbm). Anders als der Raumgehalt des Schiffes ist seine Tragfähigkeit ein relativer Begriff. Sie hängt von der Jahreszeit mit Rücksicht auf besondere Vorschriften über die Beladung der Schiffe im Winter und im Sommer ab, sodann aber auch vornehmlich von der Art der verladenen Güter. Zwar liegt fest, durch welches Gewicht das Schiff im Seewasser auf seine Tiefladelinie gebracht wird, und nach englischer Auffassung handelt es sich bei der Angabe der Tragfähigkeit im Zweifel um die Angabe dieser abstrakter Tragfähigkeit ohne Rücksicht auf die konkrete Ladung ( C a p e l l e a.a.O., S. 156 Anm. 17 mit weiteren Nachweisen). Doch ist dieses Gewicht von praktischer Bedeutung nur bei solchen Gütern, deren spezifisches Gewicht ein gewisses Mindestmaß erreicht, weil das Schiff von leichteren Gütern nicht eine entsprechende Gewichtsmenge aufnehmen kann. Das wird gewöhnlich dadurch zum Ausdruck gebracht, daß es sich um die „dead weight (d. w.) cargo capacity" handle. Der Zusatz „d. w." bedeutet nicht etwa nur, daß von der Tragfähigkeit des Schiffes, ausgedrückt in Gewichtstonnen, die Rede ist. Vielmehr besagt er auch, daß das Schiff in der angegebenen Menge Güter von einem gewissen spezifischen Mindestgewicht tragen kann ( C a p e l l e a.a.O., S. 156). Dabei muß es sich um sog. „Schwergut" handeln (d. w. cargo), d.h. nach deutscher Auffassung um Güter, von denen eine Menge im Gewicht von 1000 kg sich nicht über 1 cbm ausdehnt ( B o t s c h Hansa 1930 S. 1849), nach englischer um solche, von denen eine Gewichtstonne (engl.) weniger als 40 Kubikfuß einnimmt ( C a p e l l e a.a.O.). Neben der Tragfähigkeitsangabe kommt auch noch ein besonderer Hinweis auf die zur Beförderung vorgesehenen Güter vor. Typisch f ü r die Angabe des Raumgehalts in der Chartepartie ist etwa die Formel: „. . . of . . . tons net register", f ü r die der Tragfähigkeit etwa „ . . . a füll and complete cargo (but not exceeding . . . tons nor less than . . . tons)", oder „ . . . Carrying a b o u t . . . tons of dead weight cargo", oder Ladefähigkeit ungefähr . . o d e r bei gleichzeitiger Angabe von Raum292

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gehalt und Tragfähigkeit „. . . o f . . . tons net register, . . . tons or thereabouts dead weight, exclusive of bunkers" (vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 156f.). Ist das Schiff kleiner als angegeben und kann der Charterer deswegen weniger Güter beför- Anm. 16 dem lassen als im Vertrage vorgesehen, so hat das f ü r die Höhe der Fracht, wenn sich diese nach Maß oder Gewicht der Güter bestimmt, ohne weiteres die Bedeutung, daß der Verfrachter nunmehr einen geringeren Gesamtbetrag beanspruchen kann, als wenn das Schiff der in der Chartepartie angegebenen Größe entsprochen hätte. Ist dagegen der Gesamtbetrag der Fracht nicht abhängig von der Menge der beförderten Güter (Lumpsumfracht), so folgt aus der geringeren Menge der verladenen Güter n i c h t o h n e w e i t e r e s eine Frachtherabsetzung. Doch ergibt sich die Befugnis für den Befrachter hierzu aus § 634 BGB, im niederländischen Recht aus der ausdrücklichen Sonderbestimmung des Art. 518 j WvK. Eine entsprechende Herabsetzung wird gelegentlich auch ausdrücklich im Vertrage vorgesehen; vgl. z.B. die bei C a p e l l e a.a.O. S. 158, angegebene Klausel: „In the event of steamer not being able to furnish the guaranteed cubic capacity mentioned, the lumpsum herein menti onedto be reduced in proportion." Außerdem kann sich eine Schadensersatzpflicht des Verfrachters ergeben. Doch sind Abweichungen innerhalb gewisser Grenzen nach Parteiabrede und Handelsbrauch, in einigen ausländischen Rechten auch nach gesetzlichen Bestimmungen, nicht ausreichend für einen solchen Ersatzanspruch des Charterers. Als Parteiabrede in diesem Sinne kommen etwa in Betracht die Hinzufügung der Worte bei der Angabe der Gütermenge „ungefähr", „about", „or there-abouts", „circa", „environ", „10% more or less at owners option", bei Holzcharters „The shipowner having a margin of 7 l / 2 per cent more or less up to 750 standards and in addition 5 per cent upon any further quantity beyond the 750 standards", dagegen nicht die Klausel „not exceeding what she can reasonably carry" (vgl. für diese Klauseln C a p e l l e a. a. O. S. 159). Eine gewisse Abweichung gestattende gesetzliche Vorschriften finden sich in Frankreich (Art. 290 cod.com.), in Belgien (Art. 119), in Finnland (984). Bei Überschreitung des danach zulässigen Spielraums ist nach französischer und belgischer Auffassung Ersatz wegen der ganzen Abweichung zu leisten. Für die erwähnten Klauseln kann das jedoch nicht angenommen werden ( C a p e l l e a.a.O. S. 160). Über die Rechtsfolgen der Aufgabe einer „approximation"-Ladungsmenge durch den Kapitän bei einem Vertrag über eine volle, bequeme Ladung siehe britischer Court of Appeal in Sachen Dreyfuss v. Parnaso Co., LL vom 24. 2. 1960 = Hansa 1960 S. 694. Muß zu der objektiv unzulässigen Abweichung noch ein Verschulden des Verfrachters hinzukommen? Das ist jedenfalls zu verneinen bei ausdrücklicher Garantie des Verfrachters für die Richtigkeit seiner Angaben, z. B. durch die Klauselüberschrift „tons guaranteed" oder die Vereinbarung „The shipowners undertake that the vessel shall not load more than . . . tons nor less than . . . tons, English weight (groß)", oder „the said steamship being . . . guaranteed able to carry . . . tons (2240 lbs) of dead weight cargo . . . and having a guaranteed measurement o f . . . cubic feet, grain space, available for such cargo" ( C a p e l l e a.a.O.). Eine Ablehnung der Garantie liegt in den Worten „not guaranteed" oder „estimated", oder in der Klausel „The said steamship being . . . according to builders scale and plan, which owners believe to be correct but do not guarantee, able to carry. . . tons (2240 lbs) of wheat or maize." Vgl. C a p e l l e a.a.O. Fehlt es, wie meistens, an derartigen ausdrücklichen Hinweisen, so ist bei der erheblichen Bedeutung der Angabe der Tragfähigkeit f ü r den Charterer im Zweifel die Übernahme einer Garantie anzunehmen ( C a p e l l e a.a.O.). Es liegt also mehr vor als die Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne des § 633 BGB, bei deren Unrichtigkeit der Verfrachter nur im Falle des Verschuldens zum Schadenersatz verpflichtet wäre (§§ 635, 276 BGB). Vielmehr sind bei der Zusicherung die gleichen Rechtsfolgen wie bei der Zusicherung von Eigenschaften einer verkauften Sache (§ 463 BGB). Dem entspricht auch die Rechtsansicht im Ausland (vgl. z.B. Art. 518 j niederl. WvK). Anders liegt es im allgemeinen bei der Angabe der Größe des Schiffes nach seinem Raumgehalt. Diese hat, wenn sie neben der Angabe der Tragfähigkeit steht, keine selbständige Bedeutung, sondern dient dann nur der genaueren Beschreibung des Schiffes ( C a p e l l e ) . Deshalb besteht in diesem Falle bei Unrichtigkeit auch keine Ersatzpflicht des Verfrachters. Anders,"wenn'der Raumgehalt nur allein angegeben ist; doch kommt das nur selten vor. Dann gilt das" Gleiche wie von der Angabe der Tragfähigkeit, weil der Raumgehalt dann f ü r den 293

§557

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Befrachter der einzige Anhaltspunkt ist, welche Gütermengen er verschiffen kann. Vgl. für Frankreich Art. 289, 290c.com., für Belgien Art. 118, 119 Seeges.; danach hat der Verfrachter einzustehen für die Richtigkeit der Angabe des Raumgehalts („port", „tonnage"; doch entfällt die Haftung, wenn die Angabe mit dem Inhalt des Meßbriefs (certificat de jauge) übereinstimmt. Zu der Frachtherabsetzung und der Schadensersatzpflicht kann die Rückgängigmachung des Vertrages hinzukommen (§ 634 BGB). Es ergibt sich auch aus einem öfter vorkommenden Zusatz zu der typischen Cancelling-Klausel, nach welchem der Charterer den Vertrag soll aufheben können auch im Falle von „misrepresentation . . . respecting the size . . . of the vessel", dabei size als die in der Charter angegebene Tragfähigkeit verstanden. Doch kommt nur eine erhebliche Abweichung in Betracht, wenn gleichzeitig ein Spielraum ausbedungen wurde (Capelle a.a.O. S. 162). Anm. 17

Geht, was seltener vorkommt, die Größe oder Tragfähigkeit des Schiffes über das vertragliehe Maß hinaus, so wird in der Regel für einen Schadensersatzanspruch des Charterers kein Raum sein, da ein Schaden nur bei ganz besonderer Sachlage entstehen kann. Selbstverständlich ist, daß der Verfrachter nicht befugt ist, andere Güter in das Schiff zu laden, soweit dessen Tragfähigkeit über das im Vertrag vorgesehene Maß hinausgeht. Nutzt der Charterer die über die Vertragsangabe hinausgehende Tragfähigkeit des Schiffes aus und ist die Fracht nach Maß oder Gewicht der beförderten Güter bedungen, so ist ihr Gesamtbetrag höher (§ 619 Abs. 2 HGB). Doch ist der Charterer nur dann verpflichtet, mehr Güter als der im Vertrage angegebenen Tragfähigkeit des Schiffes entsprechen, zu liefern, wenn über die Menge der Güter nur in allgemeinen Wendungen wie „a füll and complete cargo" oder „a füll and convenient cargo" oder dergleichen die Rede ist (Capelle a.a.O. S. 163). Ist eine Lumpsumfraeht vereinbart, so kommt es für die Frachtbemessung auf die Menge der verladenen Güter überhaupt nicht an.

Anm. 18

h) Den Ort der Bereitstellung des Schiffes. Vgl. Capelle a.a.O. S. 165ff. Die Bestimmung des Ladehafens erfolgt entweder unmittelbar im Chartervertrage oder nachträglich durch den Charterer auf Grund eines entsprechenden Vorbehalts in der Chartepartie. Ein solcher Vorbehalt ist häufig. Vgl. auch die Beispiele bei P a p p e n h e i m H B I I I S. 150 Anm. 6. Doch ist der Kreis der zur Wahl bestellten Häfen immer irgendwie beschränkt durch Aufzählung einzelner bestimmter Häfen oder durch Benennung eines bestimmten Küstengebiets (z.B. „to a safe port in the United Kingdom or on the Continent between Havre and Hamburg both included", W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, S. 183). Auch eine Kombination beider Möglichkeiten der Benennung findet sich. Die Beförderungsverpflichtung des Verfrachters erhält so in gewisser Beziehimg den Charakter einer Wahlschuld ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1, S. 182f.; Capelle a.a.O. S. 165f.). Der wahlberechtigte Charterer muß einen sicheren Hafen („safe port") wählen. Vgl. dazu P a p p e n h e i m a.a.O. S. 151 f.; B o y e n s Bd. 2 S. U l f . ; C a p e l l e a.a.O. S. 170ff.). Das gilt an sich auch ohne besondere Abrede, wird aber oft ausdrücklich vereinbart. Der Hafen muß für das Schiff in jeder Hinsicht sicher sein, in natürlicher wie in politischer Hinsicht. Hindernisse, die der Erreichung des Hafens entgegenstehen, und Kosten, welche die Zureise erforderlich macht, gehen grundsätzlich zu Lasten des Schiffes (§ 621 Abs. 2 HGB). Um das hierdurch von dem Verfrachter grundsätzlich auf sich zu nehmende Risiko zu vermindern, wird häufig der Bestimmung über den Ladehafen eine Klausel hinzugefügt: „oder so nahe wie der Dampfer sicher kommen kann" oder „or so near thereunto as she may safely get". Die Klausel findet sich sowohl bei der Benennung eines bestimmten Ladehafens als auch dann, wenn der Charterer zwischen mehreren Ladehäfen die Wahl hat (sog. „Near"-KIausel; vgl. über sie im einzelnen Anm. 5 zu § 592 HGB). Der Fall, daß das Schiff durch Eis daran gehindert ist, den Ladehafen zu erreichen, was nach § 637 HGB grundsätzlich ohne Einfluß auf die Rechte und Pflichten der Parteien ist, ist häufig in besonderen Eisklauseln geregelt (vgl. über sie Anm. 7 zu § 592 HGB). Nach ihnen wird vorgesehen, daß das Schiff den nächstgelegenen eisfreien Hafen anzulaufen hat, um dort zu laden, oder auch, um dort die Order des Charterers für einen anderen Hafen entgegenzunehmen, vereinzelt auch, daß dem Verfrachter das Warten auf den Fortfall des Hindernisses durch Zahlung von Liegegeld vergütet werden soll (vgl. Capelle a.a.O. S. 174). Auch wird dem Charterer zuweilen die Wahl zwischen diesen Möglichkeiten gelassen. Auch die Auflösung des

294

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Vertrages wird durch die Eisklausel häufig vorgesehen. Vgl. über das Eisrisiko nach der Deutholzneu-Charter S c h a c k o w , Hansa 1942 S. 1075ff.; siehe auch Hansa 1942 S. 996. i) Die Zeit der Bereitstellung des Schiffes. Hierfür wird im allgemeinen in der Chartepartie Anm. 19 ein bestimmter Zeitpunkt festgesetzt. Vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 189 ff. Den beiderseitigen Interessen werden die Parteien gerecht durch Festsetzung zweier Zeitpunkte, des Ladedatums und des Cancelling-Datums, innerhalb deren das Schiff gestellt werden muß und die Beladung zu beginnen hat. Die Cancelling-Klausel lautet etwa: „Die Ladezeit beginnt nicht zu zählen vor dem . . . . Sollte der Dampfer nicht spätestens am . . . ladefertig sein, hat der Befrachter das Recht, von diesem Vertrage zurückzutreten", oder „Lay days not to count before . . . Should the vessel not be ready to load at 6 a. m. . . . on . . . charterers to have the option of cancelling this charter." Die Cancelling-Klausel gewährt dem Charterer unter gewissen Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht (§§ 636, 634 BGB; vgl. RGZ 116, 156 = J W 1927 S. 1092 mit Anm. von D o v e ; doch kann sich der Befrachter auf eine geringe Verspätung nicht berufen; RGZ 117, 354: Verspätung von einer halben Stunde), dessen Voraussetzung ein Verschulden des Verfrachters nicht ist (RGZ 117, 354). Der Verfrachter kann, wenn er voraussieht, daß es zu einer Überschreitung des Cancelling-Datums kommen wird, den Befrachter nach § 355 BGB unter Fristsetzung auffordern, sich zu erklären, ob er zurücktreten will oder nicht ( C a p e l l e , Frachtcharter S. 193). Über die Geltendmachung eines etwa entstandenen Schadens besagt die Cancelling-Klausel nichts. Erfüllt der Verfrachter nicht rechtzeitig, so kann der Befrachter bei Verschulden des Verfrachters (etwa wenn dieser das Schiff auf eine zu lange Zwischenreise geschickt hat) entweder den Vertrag aufrechterhalten und gemäß § 286 BGB Verzugsschaden fordern oder die Erfüllung ablehnen und nach § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, regelmäßig mit Fristsetzung oder ohne solche, wenn sein Interesse fortgefallen ist. Ist die Stellung des Schiffes unmöglich geworden und ist die Unmöglichkeit vom Verfrachter zu vertreten, so kann der Befrachter Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen (§ 325 BGB). Wahlweise hat der Befrachter in den Fällen der §§ 325, 326 BGB auch die Befugnis, vom Vertrage zurückzutreten (vgl. MDR 1954 S. 158; HansOLG Bremen Hansa 1957 S. 1518; C a p e l l e , Frachtcharter S. 200). Neben der Cancelling-Klausel finden sich noch gewisse andere Hinweise auf den Zeitpunkt Anm. 20 der Stellung des Schiffes, insbesondere die Positionsangabe des Schiffes, eine Vertragsklausel, deren Inhalt dem Befrachter als Grundlage f ü r die Berechnung der Ankunftszeit des Schiffes dienen soll. Diese Angabe hatte ihre besondere Bedeutung in der Zeit der Segelschiffahrt, als Genaueres über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Ankunft des Schiffes im Ladehafen nicht gesagt werden konnte. Sie hat sich aber bis heute erhalten, indem sich in vielen Charterformularen unter den Angaben über das Schiff die Worte „zur Zeit in . . ." oder „now . . hinter denen der Standort des Schiffes bezeichnet werden soll, finden. Dazu wird nicht selten die Klausel gefügt ( C a p e l l e a.a. 0 . S. 198): if any misrepresentation be made respecting the . . . position . . . of the steamer, charterers to have the option of cancelling this charter." C a p e l l e a.a.O. weist zutreffend darauf hin, daß trotz solcher Betonung in Wahrheit eine Formel ohne nennenswerte Lebensbedeutung vorliege. Das folge schon daraus, daß die Parteien häufig an die Stelle der Standortsangabe das nichtssagende Wort „trading" setzten, vor allem aber aus dem Umstände, daß meistens gleichzeitig die typische Cancelling-Klausel vereinbart werde. Dann habe der Charterer nach der im Charterverkehr geltenden Anschauung stets nur ein Rücktrittsrecht unter den Voraussetzungen der Cancelling-Klausel, aber kein solches wegen falscher Angabe der Position. Wenn sich jedoch der Verfrachter mit der Stellung des Schiffes im Verzug befindet, bevor das Cancelling-Datum eingetreten ist, indem sich aus der Positionsangabe ein wesentlich früherer Zeitpunkt der Fälligkeit der Schiffsstellung ergibt, dann kann sich aus der unrichtigen Positionsangabe ein Anspruch des Charters auf Ersatz des Verzugsschadens ergeben ( C a p e l l e a.a.O. S. 199). k) Die Angaben über die zu befördernden Güter, die mehr oder weniger zum festen Bestand Anm. 21 der Parteivereinbarungen gehören. Vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 242ff. Die Festsetzung der Gütermenge geschieht typischerweise durch Bezugnahme auf die Ladefähigkeit des Schiffes. Der Befrachter sagt zu „eine volle und bequeme Ladung", „a füll and convenient cargo". Es sollen also soviel Güter befördert werden, wie das Schiff ordnungsgemäß laden kann. Häufig f ü g t der Verfrachter, um übermäßigen Ansprüchen des Charterers vorzubeugen, hinzu: „not ex295

§557

Anm. 22

Anm. 23

Anm. 24

Anm. 25

Vierter Teil. Seehandelsrecht

ceeding what she can reasonably stow and carry over and above her tackle, apparel, provisions and furniture." Doch versteht sich diese Einschränkung von selbst. Maß oder Gewicht der Ladung bestimmen sich genauer durch die an anderer Stelle des Vertrages vorgesehene Angabe über die Tragfähigkeit des Schiffes. Oft tritt zu dem Vermerk, daß es sich um eine ganze Schiffsladung handeln solle, noch die nähere Bestimmung der Gütermenge in Tonnen oder Standards, gewöhnlich mit einem gewissen Spielraum versehen, etwa „say a b o u t . . . tons", „circa", „environ", oder auch unter Nennung bestimmter Prozentsätze f ü r den Spielraum. Stets enthält der Vertrag eine Bestimmung über die Art der Güter. Die Artbezeichnung kann enger oder weiter sein. Die Bezeichnung der Güter kann auch ganz allgemein erfolgen, indem meistens im Anschluß an die Anführung einzelner bestimmter Güter hinzugefügt wird „other law-full merchandise" oder „approved general cargo" ( C a p e l l e a.a.O. S. 246). 1) Über die Verwendung der Paramount-KIausel in Chartepartien vgl. N e c k e r Hansa 1939 S. 1810. Siehe über Klausel Vorbem. vor § 556 HGB Anm. 31 und Anm. 14 Vorbem. zu den Haager Regeln (Anhang I zum vierten Abschnitt). 6. Die Auslegung der Chartepartie folgt den allgemeinen Regeln. Sie ist danach im Einzelfalle regelmäßig gegen denjenigen auszulegen, der sie verfaßt bzw. die unklare Bestimmung des Vertrages eingefügt hat. H a t f ü r eine Partei ein Vertreter abgeschlossen, so ist f ü r die Auslegung des Vertrages Wille und Rechtsauffassung des Vertreters, nicht des Vertretenen maßgebend. Wer eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Auslegung behauptet, muß sie beweisen. Handschriftlich eingefügte Bestimmungen gehen denen des gedruckten Formulars vor, farbig gedruckte Klauseln im Zweifel dem schwarz gedruckten Text. Ausnahmebestimmungen kommen im Zweifel beiden Teilen zugute (Hans OLG HansGZ 1893 Nr. 1; 1915,131: Force majeure-Klausel; anders nach Lage des Falles HansOLG HansGZ 1899 Nr. 33 und f ü r die Klausel „strikes or stoppages of labourers are excepted" HansOLG HansGZ 1902 Nr. 123. Vgl. bezüglich der Klausel „the acts of God, perils of the sea, fire, barratry of the master etc. excepted", welche nach englischer Auffassung nur f ü r den Verfrachter gilt, sofern nicht Geltung f ü r beide Teile durch die Bestimmung „mutually excepted" ausgemacht ist: HansOLG HansGZ 1896 Nr. 28; 1898 Nr. 55; R G HansGZ 1899 Nr. 26; W ü s t e n d ö r f e r Studien S. 288; P a p p e n h e i m H B 3 S. 126 Anm. 2. Werden mehrere Originalchartepartien ausgestellt, so hat bei Verschiedenheiten derjenige, der sich auf die Richtigkeit seines Exemplars beruft, diese zu beweisen (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 182; ROHG 13 Nr. 78), ohne daß es darauf ankommt, welches der Exemplare später vollzogen ist. 6. Abweichungen zwischen Chartervertrag und Chartepartie Vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 115. Die Chartepartie ist Beweisurkunde über den bereits vor ihrer Errichtung geschlossenen Frachtvertrag (RGZ 114, 324). Doch besteht die Vermutung der Vollständigkeit und der Richtigkeit des Inhalts der Chartepartie (RG a.a.O., besonders S. 326). a) Weicht der Inhalt der Chartepartie von den vorher getroffenen Vereinbarungen ab, so kann daraus nicht ohne weiteres auf eine nachträgliche Änderung des Vertragsinhalts geschlossen werden. Die Parteien können vielleicht gemeinsam wollen, den Vertrag nach außen in anderer Form erscheinen zu lassen als sie ihn untereinander gelten lassen wollen. Dann werden die wahren Abmachungen vielfach in einem besonderen neben der Chartepartie ausgestellten Schriftstück („back-letter") niedergelegt. Der Grund hierfür kann sein, daß der Verfrachter nicht zeigen will, daß er zugunsten des Charterers von den Bedingungen der ihm von seinem Verbände oder sonstwie zur Pflicht gemachten Standardcharter abgewichen ist. Es kann aber auch mit den Abweichungen eine Abänderung des vorher formlos Vereinbarten gemeint sein. Ob in der widerspruchslosen Hinnahme einer von dem Chartervertrag abweichenden Chartepartie eine Änderung des Vertrages liegt, hängt von der einzelnen Sachlage ab. Vgl. dazu RGZ 116,156 ff. = J W 1 9 2 7 S. 1092: Keine Zustimmung zur Änderung anzunehmen, wenn es sich bei Abweichung der Chartepartie nicht um eine beabsichtigte Vertragsänderung, sondern nur um eine versehentlich den konkreten Vereinbarungen nicht genau angepaßte Klausel des formularmäßigen Textes handelt. I m allgemeinen wird aber wie bei einem Bestätigungsschreiben in der widerspruchslosen Hinnahme der Chartepartie ein Einverständnis mit ihrem Inhalt zu erblicken sein (vgl. f ü r das Bestätigungsschreiben BGHZ 7, 190; 11, 3). 296

Zweites Kapitel. Viertes Buch des H6B

§557

b) Eine Abweichung kann sich auch ergeben, weil nach der Ausstellung der Urkunde der Anm. 26 Vertrag außerhalb derselben geändert oder ergänzt wird. Abweichende Klauseln des Konnossements bedeuten nicht ohne weiteres eine Abänderung des ursprünglichen Vertrages und damit eine Divergenz zwischen diesem und der Chartepartie. Beim Chartervertrag dient das Konnossement nicht, wie beim Stückgütervertrag, der Beurkundung der Vertragsbedingungen. Um deshalb auf eine Änderung der Vertragsbedingungen durch abweichenden Konnossementsinhalt beim Chartervertrag schließen zu können, sind besondere Umstände erforderlich, so, wenn das Konnossement Klauseln enthält, die nur im Verhältnis zwischen Verfrachter und Charterer einen Sinn haben können. Einer Auslegung, daß eine Vertragsänderung vorliegen könnte, wird durch die Charterklausel, daß die Konnossementszeichnung zu geschehen habe „without prejudice to this charterparty" vorgebeugt. Vgl. zu allem diesem C a p e l l e a.a.O. S. 116f.; W ü s t e n d ö r f e r Studien 189f., 287fi.; d e r s . ZHR 88, 243; P a p p e n h e i m a.a.O. S. 121 ff. Die ausländische Rechtsauffassung entspricht grundsätzlich der deutschen. 7. Die Rechte aus der Chartepartie sind übertragbar, sowohl seitens des Verfrachters wie Anm. 27 seitens des Befrachters. Doch bleibt der Zedent an seine Verpflichtungen gebunden, solange er nicht aus ihnen entlassen ist. Es gelten die allgemeinen Grundsätze für die Übertragung von Rechten und Pflichten. Die Chartepartie folgt als Beweisurkunde der Forderung nach (§ 952 BGB). Durch Indossament also solches kann eine Chartepartie nicht übertragen werden, denn sie ist nach deutschem Recht weder geborenes noch gekorenes Orderpapier; ein auf die Vertragsurkunde gesetztes Indossament kann deshalb nur als Beweis für die Tatsache einer vollzogenen Abtretung in Betracht kommen (RG Jur. Rundschau 1926 Nr. 2235). Im französischen und belgischen Recht kann die Chartepartie an Order gestellt und durch Indossament übertragen werden; dann gehen nicht nur die Rechte, sondern auch die Verbindlichkeiten auf den Indossatar über; vgl. R i p e r t Nr. 1142 Anm. 1. Auch nach Art. 457 niederl. WvK kann die Chartepartie an Order gestellt werden. Doch kommt es in der Praxis der genannten Länder selten vor. Von der Übertragung der Rechte des Charterers aus der Chartepartie zu unterscheiden ist die Weitervercharterung des Schiffes durch den Charterer, die grundsätzlich zulässig ist, auch zu einer höheren Frachtrate. Vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 602; C a p e l l e Frachtcharter S. 26. 8. Die Veräußerung des vercharterten Schiffes hat f ü r den Befrachter weder Gläubiger- Anm. 28 noch Schuldnerwechsel zur Folge. Vgl. für die Verpflichtungen des Verfrachters, sofern dieser bisheriger Schiffseigentümer war, ausdrücklich § 477 HGB. Die Voraussetzungen der §§ 580a, 571 BGB sind nicht gegeben, denn weder liegt ein Mietvertrag vor noch ist das Schiff dem Charterer im Sinne des § 571 BGB überlassen. Vgl. dazu Bd. I S. 371. Die Übertragung der Ansprüche und Verbindlichkeiten richtet sich also nach den allgemeinen Vorschriften über die Abtretung von Forderungen und die Schuldübernahme. Besonderheiten können sich ergeben, wenn die Voraussetzungen des § 25 HBG vorliegen. Vgl. auch oben Anm. 27. Im niederländischen Recht ist dagegen der Erwerber neben dem Veräußerer zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet, Art. 456 WvK. Im französischen Recht ist die Frage umstritten. Anm. 29

9. Die Chartepartie hat nicht die Bedeutung eines Ersatzmittels des Frachtbriefs.

10. Nicht Urkunde über den Frachtvertrag ist der Schiffszettel, ein Begleitschein, mit Anm. 30 dem der Ablader von Stückgütern dieselben an das Schiff sendet. Derselbe enthält lediglich eine Anweisung zur Annahme der Güter behufs Ausführung eines bereits errichteten oder noch zu errichtenden Frachtvertrages: HansOLG HansGZ 1901 Nr. 60. Vielfach rührt das vom Ablader auszufüllende Schiffszettelformular bereits vom Verfrachter her, dessen Bedingungen in ihm enthalten sind. Vgl. P a p p e n h e i m HB 3 S. 124; Anl. V bei W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1, S. 216. Ein Legitimationspapier ist der Schiffszettel nicht ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1,190ff.). 11. Vgl. die Ausführungen über die juristische Natur des Seefrachtvertrages in Vorbem. vor Anm. 31 § 556 HGB Anm. 16ff., insbesondere auch die Darlegungen über die „Zeitcharter" in Anm. 17 und die in Anm. 22 ausgeführten Einzelheiten aus der Rechtsprechung. 297

§557

Vierter Teil. Seehandelsrecht Anhang zu §§ 557

Fachgruppe Reeder Hamburg

Muster von Charterlormularen I . Allgemeiner Einheits-Fracbtvertrag Ausgabe April 1940

Name

(auf Grund der Gencon-Charter 1922)

Dentgeneon

., den . Reederei

1 2 3 4

Zwischen der Firma

Befrachter

als Reederei des Dampfers oder Motorschiffes Bruttovon Register-Tonnen Nettound einer Schwergut-Ladefähigkeit von etwa und der Firma

Ladebereitschaft

als Befrachter wurde heute nachstehender Vertrag geschlossen: 1. Da« genannte Schiff, zur Zeit unter diesem Vertrage ladefertig erwartet ungefähr

Ladehafen

soll abgehen nach

Ladung

oder so nahe, wie es mit Sicherheit gelangen und wo es stets sicher und flott liegen kann und dort eine Tolle und bequeme Ladung

Löschhafen

einnehmen. Die Befrachter verpflichten sich, hierin bezeichnete Ladung zu verschiffen. Etwa vereinbart« Deckladung reist auf Gefahr der Befrachter. Die Befrachter haben Matten, Garnier- und Stauholz sowie alles Material für etwa erforderliche Trennung von Ladungspartien zu liefern. Die Reederei gestattet auf Anforderung die Verwendung etwa an Bord befindlichen Garnier- und Stauholzes. Nach erfolgter Beladung soll das Schiff nach

Fracht

abgehen, wie beim Zeichnen der Konnossemente beordert, oder so nahe, wie es mit Sicherheit gelangen und wo es stets sicher und flott liegen kann. Dort ist die Ladung abzuliefern gegen Bezahlung der Fracht von

Verantwortlichkeit der Reederei

auf die eingenommene/ ausgelieferte Ladungsmenge. 2. Die Reederei ist für Verlust oder Beschädigung oder Verzögerung bei der Auslieferung der Ladung nur verantwortlich, wenn Verlust, Beschädigung oder Verzögerung verursacht sind durch

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

a) unsachgemäße oder nachlässige Veretauung der Ladung, es sei denn, daß die Verstauung durch die Ablader, deren Stauer oder Beauftragte ausgeführt wurde, b) Mangel an gebührender persönlicher Sorgfalt seitens der Reederei oder deren beauftragten Vertreter, das Schiff in jeder Hinsicht seetüchtig zu machen und dafür zu sorgen, daß es richtig bemannt und ausgerüstet ist, c) persönliche Handlungen oder Unterlassungen der Reederei oder deren beauftragten Vertreter. Die Reederei ist nicht verantwortlich für Verluste, Schäden oder Verzögerungen aus irgendwelchen anderen Gründen, selbst wenn sie durch Nachlässigkeit oder Fehler des Kapitäns oder der Besatzung oder irgendeiner von der Reederei an Bord oder an Land beschäftigten Personen verursacht sind, für deren Handlungen oder Unterlassungen die Reederei ohne diese Bestimmung verantwortlich wäre, oder die auf Seeuntüchtigkeit des Schiffes während der Beladung oder bei Antritt der Reise oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt zurückzuführen sind.

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Tonnen

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§557

Schaden, der durch Berührung mit anderen Gütern oder durch Leckage, Geruch oder Verdunstung anderer Güter oder durch entzündliche oder explosive Eigenschaften oder durch ungenügende Verpackung anderer Güter verursacht ist, soll nicht als Schaden durch unsachgemäße oder nachlässige Verstauung angesehen werden, selbst dann nicht, wenn dies tatsächlich der Fall ist. 3. Das Schiff hat das Recht, andere Häfen in beliebiger Reihenfolge und zu jedem Zwecke anzulaufen, ohne Lotsen zu fahren, Schiffe in allen Lagen zu Bchleppen oder ihnen beizustehen und auch zum Zwecke der Rettung vom Leben und / oder Eigentum von seinem Kurse abzuweichen. 4. Die Fracht ist bei Auslieferung der Ladung in bar ohne Abzug zum Mittelkurse des Zahlungstages zu zahlen. Die Ladungsempfänger sind verpflichtet, auf Verlangen des Kapitäns oder der Reederei während der Entlöschung Abschlagszahlungen auf die Fracht zu leisten. Auf Anforderung haben die Befrachter im Ladehafen einen Frachtvorachuß zur Deckung der üblichen Schiffsausgaben gegen eine Vergütung von 2% für Versicherung und andere Kosten zur Verfügung zu stellen. 5. Die Ladung ist derart Längsseite des Schiffes anzuliefern, daß das Schiff imstande ist, die Ladung mit seinem eigenen Geschirr überzunehmen und die gesamte Ladung in

laufenden Arbeitstagen einzunehmen. Die Befrachter haben die für die Arbeit an Land oder an Bord von Leichtern erforderlichen Arbeiter zu stellen und zu bezahlen. Das Schiff hat die Ladung nur mit seinem Geschirr an Bord zu nehmen. Wenn die Beladung des Schiffes mit Schüttgut durch mechanische Vorrichtungen, wie Elevatoren, Heber, Greifer oder Transportbänder erfolgt, ist die Ladung frei in die Schiffsräume zu bringen. Die Reederei hat lediglich die Triramkosten zu tragen. Stücke im Gewicht von über 2000 kg sind von den Befrachtern auf ihre Gefahr und Kosten zu laden, zu verstauen und zu entlöschen. Die Ladezeit beginnt zu zählen um 13.00 Uhr, wenn die Ladebereitschaft vor 12 Uhr angezeigt ist, und um 6.00 Uhr am nächsten Arbeitstage, wenn die Anzeige der Ladebereitschaft während der Geschäftsstunden nach 12.00 Uhr erfolgt. Die Ladebereitschaft des Schiffes ist den Abladern anzudienen. Zeitverlust durch Warten auf einen Ladeplatz zählt als Ladezeit. 6. Die Ladung ist von den Empfängern für ihre Rechnung und Gefahr Längsseite des Schiffes innerhalb der Reichweite seines Geschirrs in Empfang zu nehmen und in

laufenden Arbeitstagen zu löschen. Die Löschzeit beginnt zu zählen um 13.00 Uhr, wenn das Schiff vor 12.00 Uhr lösohbereit angedient ist, und um 6.00 Uhr am nächsten Arbeitstage, wenn die Andienung während der Geschäftsstunden nach 12.00 Uhr erfolgt. Zeitverlust durch Warten auf einen Löschplatz zählt als Löschzeit. 7. Den Befrachtern stehen in den Lade- und Löschhäfen insgesamt 10 laufende Überliegetage an einem Satz von für den Tag oder im Verhältnis für einen Teil des Tages zur Verfügung. Das Liegegeld ist Tag für Tag zu zahlen. 8. Die Reederei hat ein Pfandrecht an der Ladung für Fracht, Fehlfracht, Liegefracht und Verluste durch Aufenthalt. Die Befrachter bleiben verantwortlich für Fehlfracht und Liegegeld sowie Verluste durch Aufenthalt, die im Ladehafen entstanden sind. Die Befrachter bleiben auch verantwortlich für Fracht, Liegegeld und Verluste durch Aufenthalt im Löschhafen, aber nur insoweit, als die Reederei durch Ausübung des Pfandrechtes keine BeZahlung erlangen konnte. 9. Der Kapitän hat die Konnossemente mit der Frachtrate zu zeichnen, wie sie ihm vorgelegt werden, ohne Präjudiz für diesen Frachtvertrag. Sollte die Konnossementsfracht weniger betragen als die Gesamtfracht nach diesem Frachtvertrage, so ist der Unterschied bei Zeichnung der Konnossemente in bar an den Kapitän zu bezahlen. 10. Streikklausel, Kriegsklausel und Eisklausel siehe am Schluß dieses Vertrages.

11. Wenn das Schiff nicht spätestens am ladebereit ist (einerlei, ob es einen Ladeplatz hat oder nicht), haben die Befrachter das Recht, diesen Vertrag aufzuheben. Dieses Recht ist auf Verlangen wenigstens 48 Stunden vor der erwarteten Ankunft des Schiffes im Ladehafen auszuüben. Sollte das Schiff infolge einer Haverei oder sonstwie aufgehalten werden, sind die Befrachter so schnell wie möglich zu unterrichten. Wenn die Verzögerung (gerechnet vom Tage der ursprünglich aufgegebenen Ladebereitschaft an) mehr als 10 Tage beträgt, haben die Befrachter das Recht, von diesem Vertrage zurückzutreten, wenn kein Annullierungstag vereinbart ist. 12. Große Haverei ist nach den York-Antwerpener Regeln von 1950 abzurechnen. Die Eigentümer der Ladung haben auch dann den Anteil der Ladung an den Kosten der Großen Haverei zu bezahlen, wenn sie durch Nachlässigkeit oder Fehler von Angestellten oder Beauftragten der Reederei verursacht sind. (Siehe auch Klausel 2.) 13. Als Entschädigung für etwaige Nichterfüllung dieses Frachtvertrages hat der schuldige Teil dem anderen Teil den nachgewiesenen Schaden, höchstens aber den geschätzten Frachtbetrag, zu vergüten.

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Abweichung vom Kurs Frachtzahlung

Beladung

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Entlöschung

Liegegeld

Pfandrecht der Reederei

Konnossemente

Streik, Kriegsund Eisklausel Aufhebung des FrachtVertrages

Große Haverei

Vertragsbruch

§557 Makler Befrachtung gebühr

Vierter Teil. Seehandelsrecht

14. Die Reederei hat in jedem Falle ihren eigenen Makler im Ladehafen und Loschhaien zu ernennen. 15 % Befrachtungsgebühr auf die eingefahrene Fracht ist zu zahlen an

109 110 111 112 Wenn der Frachtvertrag nicht ausgeführt wird, ist mindestens 1 / 3 der Befrachtungsgebühr »berechnet auf den ge- 113 schätzten Betrag der Fracht und Fehlfracht, als Entschädigung für aufgewandte Kosten und Arbeit von der 114 Reederei an die Befrachtungsmakler zu zahlen. 115 Wenn dieser Vertrag mehrere Reisen umfaßt, ist die Höhe der Entschädigung zu vereinbaren. 116

Allgemeine Streikklausel

Weder die Befrachter noch die Reederei sind für Folgen etwaiger Streiks oder Aussperrungen verantwortlich, die die Erfüllung irgendwelcher unter diesem Vertrag bestehender Verpflichtungen verhindern oder verzögern. Wenn zur Zeit der Abfahrtsbereitschaft des Schiffes von dem letzten Hafen nach dem Ladehafen oder zu irgendeiner Zeit während der Reise nach dem Ladehafen oder den Ladehäfen oder nach Ankunft des Schiffes dortselbst ein Streik oder eine Aussperrung besteht, welche die Einnahme der Ladung beeinträchtigt, kann der Kapitän oder die Reederei die Befrachter auffordern zu erklären, daß sie damit einverstanden sind, die Liegetage zu berechnen, als ob kein Streik und keine Aussperrung bestände. Wenn die Befrachter eine solche schriftliche Erklärung (wenn nötig, telegraphisch) nicht innerhalb 24 Stunden abgegeben haben, so hat die Reederei das Recht, diesen Vertrag aufzuheben. Wenn bereits eine Teilladung eingenommen ist, muß die Reederei diese befördern (Fracht zahlbar nur auf die geladene Menge) und hat das Recht, auf dem Wege andere Ladung für eigene Rechnung beizuladen. Wenn Streik oder Aussperrung, durch welche die Entlöschung der Ladung beeinträchtigt wird, bei oder nach Ankunft des Schiffes in oder vor dem Löschhafen besteht und nicht innerhalb 48 Stunden beigelegt ist, haben die Empfänger die Wahl, das Schiff gegen Zahlung des halben Liegegeldes nach Ablauf der für die Entlöschung vorgesehenen Zeit solange liegen zu lassen, bis der Streik oder die Aussperrung beendet ist, oder das Schiff nach einem sicheren Hafen zu beordern, wo es sicher und ohne Streik- oder Aussperrungsgefahr löschen kann. Hierüber haben sich die Empfänger innerhalb 48 Stunden zu erklären, nachdem der Kapitän oder die Reederei den Befrachtern mitgeteilt hat, daß Streik oder Aussperrung die Entlöschung beeinträchtigt. Bei Auslieferung der Ladung in solchem Hafen finden alle Bedingungen dieses Frachtvertrages und des Konnossementes Anwendung und das Schiff hat die gleiche Fracht zu erhalten, als ob es die Ladung in dem ursprünglichen Bestimmungshafen gelöscht hätte. Wenn die Entfernung des Ersatzhafens 100 sml. übersteigt, ist die Fracht für die in dem Ersatzhafen ausgelieferte Ladung proportioneil zu erhöhen.

Allgemeine Kriegsklausel

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Wenn das Land, unter dessen Flagge das Schiff fahrt, in einen Krieg verwickelt werden sollte, der die sichere Schiffahrt gefährdet, haben beide Parteien das Recht, diesen Vertrag aufzuheben. Bis zur Aufhebung des Verträges bereits an Bord genommene Ladung ist entweder im Ladehafen oder, wenn das Schiff die Reise bereits angetreten hat, in dem nächsten sicheren Hafen auf Kosten und Gefahr der Befrachter oder der Ladungseigentümer zu löschen. Wenn infolge des Ausbruchs von Feindseligkeiten die unter diesem Vertrage geladenen oder zu ladenden Güter oder ein Teil derselben zu unbedingter oder bedingter Bannware werden oder nach internationalem Recht oder einer Erklärung einer der kriegsführenden Mächte der Einziehung oder Einbehaltung unterliegen, haben beide Parteien das Recht, diesen Vertrag aufzuheben, soweit er derartige Güter angeht. Bereits geladene Bannware ist im Ladehafen oder, wenn die Reise bereits begonnen hat, in dem nächsten sicheren Hafen für Rechnung der Ladungseigentümer zu löschen. Die Reederei hat das Recht, an Stelle der Bannware andere Güter beizuladen. Sollte ein Hafen, in dem das Schiff unter diesem Vertrage zu laden hat, blockiert werden, so ist dieser Vertrag hinsichtlich der in einem solchen Hafen einzunehmenden Ladung null und nichtig. Es dürfen keine Konnossemente für einen blockierten Hafen gezeichnet werden. Wenn der Bestimmungshafen nach der Zeichnung der Konnossemente für blockiert erklärt wird, muß die Reederei die Ladung gegen Zahlung der Löschkosten im Ladehafen wieder löschen, wenn das Schiff noch nicht abgegangen ist. Hat das Schiff den Ladehafen bereits verlassen, ist die Ladung nach näherer Weisung der Verschiffer in einem beliebigen sicheren Hafen unterwegs oder, wenn keine Weisung gegeben wird, im nächsten sicheren Hafen gegen Zahlung der vollen Fracht zu löschen.

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Ladehafen: a) Der Frachtvertrag soll aufgehoben sein, wenn der Ladehafen, sei es zu der Zeit, wo das Schiff von seinem letzten Hafen abgangsfertig oder schon unterwegs ist, oder wenn es dort ankommt, Eises wegen nicht erreichbar ist, desgleichen ,wenn nach Ankunft des Schiffes vor Beginn der Beladung Frostwetter einsetzt und der Kapitän befürohtet, einzufrieren. l» b) Nach Beginn der Beladung hat der Kapitän das Recht, den Ladehafen mit der an Bord befindlichen Teilladung jederzeit zu verlassen, sofern er befürchtet, mit dem Schiff einzufrieren. In diesem Falle hat der Kapitän das Recht, in anderen Häfen zugunsten der Reederei nach dem Löschhafen oder einem oder mehreren anderen Häfen beizuladen.

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Allgemeine Elsklausel

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Zweites Kapitel. Viertes Buch dea HGB

§ 557

Die für Rechnung der Befrachter unter diesem Vertrage an Bord befindliche Ladung ist gegen Zahlung der darauf entfallenden Fracht nach dem Bestimmungshafen zu befördern, sofern den Empfängern der Ladung dadurch keine Extrakosten entstehen. Die Fracht wird auf die ausgelieferte Menge bzw. bei einer LumpsumFracht im Verhältnis gezahlt. Alle anderen Bedingungen dieses Vertrages bleiben in Kraft. c) Wenn unter diesem Vertrage mehr als ein Ladehafen vorgesehen ist und einer oder mehrere dieser Häfen durch Eis gesperrt sind, hat der Kapitän oder die Reederei das Recht, entweder die Teilladung in dem offenen Hafen einzunehmen und in einem oder mehreren anderen Häfen für Rechnung der Reederei wie unter b) andere Ladung beizuladen, oder diesen Vertrag aufzuheben, es sei denn, daß die Befrachter sich bereiterklären, das Schiff in dem offenen Hafen voll zu beladen. Diese Eisklausel hat im Frühling keine Geltung. Löschhafen: a) Sollte das Schiff {außer im Frühling) den Bestimmungshafen Eises halber nicht erreichen können, haben die Empfänger der Ladung das Recht, das Schiff bis zur Wiedereröffnung der Schiffahrt gegen Zahlung von Liegegeld warten zu lassen oder es nach einem sicheren und sofort erreichbaren Hafen zu beordern, wo die Entlöschung sicher und ohne Gefahr der Verzögerung durch Eis ausgeführt werden kann. Diese Order ist spätestens innerhalb 48 Stunden zu geben, nachdem der Kapitän oder die Reederei den Befrachtern die Unmöglichkeit der Erreichung des Bestimmungshafens angezeigt hat. b) Der Kapitän hat das Recht, den Löschhafen mit der noch an Bord befindlichen Ladung zu verlassen und nach dem nächsten erreichbaren Hafen zu fahren, wo die Ladung sicher gelöscht werden kann, sofern er fürchtet, daß das Schiff in dem ursprünglichen Löschhafen einfrieren würde. c) Bei Auslieferung der Ladung in einem solchen Ersatzhafen sollen alle Bedingungen dieses Frachtvertrages und des Konnossementes Anwendung finden, und das Schiff hat die gleiche Fracht zu erhalten, als wenn es die Ladung in dem ursprünglichen Bestimmungshafen gelöscht hätte. Wenn die Entfernung des Ersatzhafens von dem ursprünglichen Löschhafen indessen 100 sml. übersteigt, ist die Fracht für die in dem Ersatzhafen ausgelieferte Ladung im Verhältnis zu erhöhen. Ii.

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Zeit-Frachtvertrag erste Ausgabe

I

auf Grundlage der „BALTIME"

Baltic and White Sea Conference

Name: Uniform Time-Charter 1912 „Deutzeil" für europäische und überseeische Fahrt 19. Erste Ausgabe 1909, zweite 1911, zuletzt nachgeprüft 1912 in Berlin Am heutigen Tage ist folgender Zeit-Frachtvertrag vereinbart worden zwischen der Reederei

als Verfrachter

Brutto -Register-Tonnen, 6 Netto klassifiziert mit einer Maschine von indizierten Pferdestärken, Tragfähigkeit ungefähr Tonnen von 1000 kg Schwergut auf Sommer-Freibord einschließlich Bunkerkohlen Getreide Laderäume laut Plan des Erbauers Kubikmeter unter Ausschluß der festen Bunker Ballen die ungefähr Tonnen Kohlen fassen, Fahrgeschwindigkeit ungefähr Seemeilen in der Stunde bei gutem Wetter und ruhiger See, bei einem täglichen Kohlenverbrauch von ungefähr Tonnen bester Kohle, zur Zeit: einerseits, hierin die R e e d e r e i genannt, und in andererseits, hierin der B e f r a c h t e r genannt: 1. Die Reederei verfrachtet und der Befrachter befrachtet den genannten Dampfer für die Dauer von Kalender-Monaten, anfangend — jedoch nicht an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertage, es sei denn, daß der Befrachter oder sein Vertreter seine Zustimmung dazu gibt — sobald eine schriftliche Andienung, und zwar an einem Wochentage in den Stunden zwischen 9 Uhr vorm. und 6 Uhr nachm. bzw. 2 Uhr nachm. an einem Sonnabend gegeben ist, daß der Dampfer in ladefertigem Zustande zu seiner Verfügung gestellt ist. Die Anlieferung soll erfolgen in und zwar in einem Dock oder an einem anderen geeigneten Platze, wie von dem Befrachter beordert. Der Liegeplatz muß sofort erreichbar und frei sein und der Dampfer daselbst immer sicher und flott liegen können. Der Dampfer muß dicht, stark und in jeder Weise für gewöhnliche Frachtfahrt ausgerüstet und mit gehöriger Besatzung an Offizieren und Mannschaft versehen sein. Der Dampfer darf nur in gesetzlich erlaubter Fahrt und mit der Beförderung von gesetzlich erlaubten Kaufmannsgütern beschäftigt werden. Ausgeschlossen von der Beförderung sind, wenn nicht anders vereinbart,

des Dampfer

von

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Beschreibung des Dampfers

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Dauer des Vertrages

AnlieferungsHafen

Ladung

§557

Fahrt

Kosten der Reederei

Kosten des Befrachters

Kohlen

Zeitfracht

Vierter Teil. Seehandelsreclit

gefährliche, d.h. ohne Hinzutritt offener Flamme entzündbare oder sonst gefahrbringende Stoffe, wie z . B . ätzende Sauren,Explosivstoffe, Calcium Carbid, Ferro Silicium, Barrium superoxyd, Benzol, Naphtha, Petroleum oder deren gefährliche Produkte, auch solche von Teer. Auch darf kein lebendes Vieh verladen werden.

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Der Dampfer darf nur zwischen guten und sicheren Häfen oder Plätzen innerhalb der folgende Grenzen beschäftigt werden:

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wie von dem Befrachter oder seinem Vertreter beordert, doch muß der Dampfer immer sicher und flott liegen können. 2. Die Reederei hat die Besatzung, die gesamte Deck- und Maschinen-Ausrüstung sowie den Schiffsproviant zu beschaffen und zu bezahlen; sie h a t Schiff und Maschine für die Dauer des Vertrages in einem völlig brauchbaren, seetüchtigen Zustande, zu erhalten. Die Versicherung des Dampfers ist Sache der Reederei.

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Die Reederei stellt j e einen Mann der Besatzung zur Bedienung einer Winde an jeder Lade/Löschluke. Falls mehr Windenleute erforderlich sind, oder falls die Stauer oder deren Leute nicht mit den Leuten von der Besatzung an den Winden arbeiten wollen, hat der Befrachter oder dessen Vertreter Windenleute vom Lande zu stellen und zu bezahlen, ebenfalls, wenn die Leute der Besatzung ihrer gesetzlichen Arbeitszeit zufolge verweigern, Überstunden zu arbeiten. 3. Der Befrachter liefert für seine Rechnung alles Feuerungsmaterial und das Kesselwasser; er bezahlt alle Hafenkosten, Lotsengelder (Zwangslotsen oder andere), Kanalsteuer, Leuchtfeuerabgaben, Boots- und Schlepper-Beihilfe, Konsulats-Gebühren (ausgenommen die Konsulats-Gebühren für das An- und Abmustern der B e Satzung), Kanal-, Dock-, K a i - , Tonnengelder, Vertreter-Gebühren, Kommissionen, Kosten für Laden, Trimmen, Stauen, Löschen, Wiegen, Zählen und Ausliefern von Ladungen, auch etwaige Gebühren für Stauatteste und Lukenbesichtigungen, die Ladung betreffenden Protest- und Verklarungskosten und alle sonstigen Abgaben, Lasten und Unkosten auf Schiff und Ladung mit Ausnahme der in Absatz 2 erwähnten. Die Versicherung der Arbeiter ist Sache des Befrachters. Der Befrachter h a t auch alle Dock-, K a i - , Hafen- und Tonnengelder im Anlieferungs- sowie im Rücklieferungshafen zu bezahlen, es sei denn, daß diese Kosten durch Ladung verursacht sind, die der Dampfer vor Anlieferung an Bord hatte bzw. im Rücklieferungshafen nach Ablieferung an Bord nahm. Alle anderen Kosten des Dampfers bis zur Anlieferung und nach der Rücklieferung trägt die Reederei. 4. Der Befrachter h a t im Anlieferungshafen und die Reederei hat im Ablieferungshafen alle Kohlen, die bei Übergabe des Dampfers in den Bunkern verbleiben, zu übernehmen und dafür den zur Zeit der Übernahme ortsüblichen Tagespreis in den betreffenden Häfen zu bezahlen. Der Dampfer darf nicht mit weniger als . . . Tonnen und nicht mit mehr als Tonnen Kohlen in den Bunkern zurückgeliefert werden; falls die Menge nicht

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vereinbart ist, darf sie bei Anlieferung bzw. Ablieferung einen fünftägigen Kohlenverbrauch nicht übersteigen.

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5. Der Befrachter h a t als Zeitfracht für den genannten Dampfer: für den Kalender-Monat zu zahlen, beginnend mit dem Zeitpunkte, an dem der Dampfer zur Verfügung des Befrachters gestellt ist, bis zur Rücklieferung an die Reederei. F ü r die einzelnen Tage, die bei der letzten Zeitfracht-Abrechnung einen Kalender-Monat überschreiten, gilt die monatliche Zeitfracht für dreißig Tage und ist dementsprechend die Zeitfracht für einen Tag zu berechnen.

Zahlung

Laden und Löschen

Rücklieferung

Die Zahlung der Zeitfracht hat zu geschehen: monatlich bar im voraus, ohne Diskont in an die Reederei oder nach deren Verfügung. Falls die Zahlung oder die Zahlungen, wie hierin vereinbart,nicht pünktlich erfolgen,hat dieReoderei das R e c h t , dem Befrachter den Gebrauch des Dampfers zu entziehen, ohne sich ihres Rechtes für irgendwelche Forderungen, die sie an den Befrachter aus diesem Vertrage hat, zu begeben. 6. Die Beladung und die Entlöschung des Dampfers haben durch die von dem Befrachter zu stellenden Stauer unter gehöriger Rücksichtnahme auf die Seetüchtigkeit des Dampfers zu erfolgen. Die Reederei hat das gewöhnliche feste Ladegeschirr bis zu zwei Tonnen Tragfähigkeit zu liefern und in gutem Zustande zu erhalten. J e d e s besondere Geschirr zum Laden und Löschen, auch solches für schwere Lasten, hat der Befrachter für seine Rechnung zu beschaffen, oder, wenn es vom Schiffe gegeben wird, dafür zu zahlen. Alle während der Dauer dieses Vertrages zum Laden und Löschen benötigten Läufer, Trossen und Schiingen sind von dem Befrachter zu bezahlen. Besondere Trossen, Tauwerk und K e t t e n , die durch die Verhältnisse oder Gebäude eines Hafens zum Festmachen erforderlich und nicht an Bord sind, sondern vom Lande gemietet werden müssen, gehen zu Lasten des Befrachters. 7. Bei Ablauf dieses Vertrages ist der Dampfer in dem gleichen guten Zustande, in dem er angeliefert wurde (gewöhnlicher Gebrauch und Abnutzung ausgenommen), von dem Befrachter zurückzuliefern, in einem eisfreien Hafen nach Wahl des Befrachters anf dem Kontinent zwischen Hamburg und Harre, beide H&fen eingeschlossen, oder in Großbritannien, nicht nördlicher als Leith oder Glasgow,

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§557

und zwar in der Zeit zwischen 6 Uhr vorm. und 6 Uhr nachm. bzw. 2 Uhr nachm. an einem Sonnabend, indessen nicht an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertage, es sei denn, daß die Reederei bereit ist, den Dampfer, auch zu einer anderen Zeit zurückzunehmen. Der Befrachter hat der Reederei mindestens zehn Tage vorher schriftlich anzuzeigen, in welchem Hafen und an ungefähr welchem Tage der Dampfer zurückgeliefert werden wird. Befindet sich der Dampfer bei Ablauf des Vertrages auf einer Reise, dann kann der Befrachter den Dampfer zu derselben Zeitfracht und denselben Bedingungen, wie in diesem Vertrage vorgesehen, weiter gebrauchen, um die Reise zu vollenden, vorausgesetzt, daß diese Reise vernünftigerweise so berechnet war, daß sie etwa in der Zeit, die für die Beendigung des Vertrages vorgesehen ist, beendet sein konnte. Streitige Beträge sind auf gemeinschaftlichen Namen beider Parteien dieses Vertrages bei einer sicheren Bank an dem Orte zu hinterlegen, der für das Schiedsgericht (Absatz 27) vorgesehen ist, bis der Streitfall durch das anzurufende Schiedsgericht erledigt ist. 8. Der ganze Laderaum unter und auf Deck, soweit die gesetzliche Ladefähigkeit des Dampfers in Verbindung mit seiner Seefähigkeit es gestattet, ist zur Verfügung des Befrachters. Ausgenommen sind die Räume für Kapitän, Offiziere, Schiffsmannschaft, für Tauwerk, Segel, Ladegeschirr, Gerätschaften, Mobiliar, Schiffsproviant und Ausrüstungsgegenstände. Falls Ladung auf Deck verladen wird, geschieht es auf Gefahr des Befrachters bzw. Abladers. Auf Deck verladene Güter sind von dem Ablader in den Konnossementen als solche zu bezeichnen. 9. Der Kapitän hat die Reisen mit möglichster Beschleunigung auszuführen; er und die Schiffsmannschaft haben dem Befrachter jede übliche Beihilfe zu leisten. Obwohl der Kapitän von der Reederei angestellt ist, hat er doch die Anordnungen des Befrachters für die Beschäftigung und Adressierung sowie sonstige ähnliche AnOrdnungen des Befrachters zu befolgen. Der Befrachter ist jedoch verpflichtet, die Reederei schadlos zu halten von aller Verantwortlichkeit und allen Folgen, die dadurch entstehen, daß Kapitän und Offiziere persönlich oder durch Befrachters Vertreter Konnossemente oder andere Schiffspapiere zeichnen oder sonstigen Anordnungen des Befrachters nachkommen. Auch für irgendwelche Unregelmäßigkeiten in den Schiffspapieren, soweit diese die Ladung betreffen, und für unrichtige Ablieferung der Ladung hat der Befrachter die Reederei schadlos zu halten. Die Reederei ist nicht verantwortlich für Gewicht, Maß, Manko, Vermischung, Marken und Stückzahl der Ladung, auch nicht für Verpackungen und Inhalt. Für Schäden an der Ladung oder Forderungen seitens der Ladungseigner, die durch schlechte Stauung oder sonstwie verursacht werden, ist die Reederei nicht verantwortlich, da der Stauer von dem Befrachter angestellt wird. 10. Falls der Befrachter Ursache hat, mit dem Verhalten des Kapitäns, der Offiziere oder Maschinisten unzufrieden zu sein, ist die Reederei verpflichtet, die Beschwerde nach Empfang der Einzelheiten zu untersuchen, den Schuldigen zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten und, falls notwendig und Ersatz ohne besondere Schwierigkeit möglich ist, eine Änderung in der Besetzung eintreten zu lassen. 11. Der Befrachter hat den Kapitän rechtzeitig mit allen nötigenAnordnungen und Segelanweisungen schriftlich zu versehen. Der Kapitän sowie der Maschinist haben vollständige und genaue Tagebücher zu führen. Die Tagebücher sind dem Befrachter oder dessen Vertreter zugänglich und die Eintragungen für den Tatbestand maßgebend. 12. Im Falle von Zeitverlust durch ungenügende Besatzung, durch mangelnde Schiffsausrüstung, durch Untauglichwerden der Maschine oder ihrer Teile, durch Schaden am Schiff oder durch einen anderen Unfall, wodurch der Betrieb des Dampfers länger als vierundzwanzig laufende Stunden verhindert ist, hört die Verpflichtung zur Zahlung der Zeitfracht von dem Anfang eines solchen Zeitverlustes auf, bis der Dampfer sich wieder in dem gehörigen Zustand befindet, um seinen Dienst aufnehmen zu können. Falls der Dampfer infolge schweren Wetters oder infolge eines durch die Ladung verursachten Unfalles Zuflucht in einem Hafen oder auf Ankergrund nehmen muß, geht die verlorene Zeit zu Lasten des Befrachters. Wenn der Dampfer nach flachen Häfen oder Flüssen fährt oder nach Häfen oder Gewässern, wo Barren sind, und durch Aufgrundkommen oder anderswie Aufenthalt erleidet, dann zählt die verlorene Zeit, und die entständenen Kosten sind vom Befrachter zu bezahlen, ausgenommen solche Kosten, die wie Reparaturen an Schiff und Maschine unter die gewöhnliche Versicherung fallen. 13. Der Befrachter muß der Reederei genügend Zeit für die Reinigung der Kessel geben; erfordert diese besonderen Aufenthalt, ist solcher von der Zeitfracht zu kürzen. 14. Unter diesem Vertrage ist die Reederei nicht verantwortlich für Verluste oder Schäden, die an der Ladung oder am Schiffe durch die folgenden Ursachen entstehen: Höhere Gewalt, Gefahren der See und anderer Gewässer; Feuer an Bord, in Hulks, Leichtern oder am Lande; rechtswidrige oder unehrliche Handlung des Kapitän oder der Mannschaft; durch Maßnahmen von Feinden, durch Seeräuberei, Raub oder Diebstahl, Beschlagnahme oder Zurückhalten von Machthabern, Regierungen oder Völkern; durch Kollisionen, Strandungen, Explosionen, Platzen von Kesseln oder Rohrleitungen, Bruch von Wellen oder durch irgendwelche verborgene Mängel an Schiff, Kessel, Maschinerie oder Zubehör, selbst wenn solche schon bei Beginn der Reise vorhanden, jedoch trotz gehöriger Sorgfalt seitens der Reederei nicht erkennbar waren; durch Nachlässigkeit, Fehler oder Irrtum der Lotsen, des Kapitäns oder der Mannschaft oder anderer in unmittelbaren oder mittelbaren Diensten der Reederei stehenden Personen oder durch Fehler in der geschäftlichen oder nautischen Leitung des Dampfers. Der Dampfer hat die Freiheit, Häfen für Bunkerkohlen anzulaufen, ohne Lotsen zu fahren, zu schleppen oder sich schleppen zu lassen, vom Kurse abzuweichen, um Schiffen Hilfe zu leisten und Leben oder Eigentum, auch Dritter, zu retten.

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Rücklief erungsAnzeige Verzögerte Rücklieferung

Hinterlegung

Laderäume

Deckladung Kapitän

Beschwerden

Tagebuch

Zeitverlust und Unfall

Kesselreinigung Haftungsbeschränkung

Abweichung vom Reisewege

§557

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Vorschüsse

15. Die in allen anzulaufenden Häfen für die gewöhnlichen Schiffsbedürfnisse benötigten Gelder sind dem Kapitän auf sein Verlangen von dem Befrachter oder dessen Vertretern für Rechnung der Reederei vorzuschießen. Solcher Vorschuß und 2% zur Deckung aller Kosten sind von der nächsten Zeitfracht-Zahlung zu kürzen. Der Befrachter ist für die richtige Verwendung solcher Vorschüsse nicht verantwortlich.

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Epidemien

16. Der Dampfer darf nicht nach einem Hafen beordert werden, wo Fieber oder ansteckende Krankheiten herrschen. Der Dampfer ist nicht nach einem Hafen zu beordern, wo im gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Gefahr besteht daß er Eises wegen nicht im Stande wäre, ihn zu erreichen oder ihn wieder zu verlassen, nachdem die Entlöschung und/oder Beladung beendet ist, ebenso nicht nach Häfen oder Gewässern oder durch Fahrstraßen, deren Leuchtfeuer, Feuerschiffe, Leuchtbojen oder Seezeichen infolge von Eis usw. eingezogen bzw. ausgelöscht sind oder es voraussichtlich demnächst werden, so daß dadurch die Fahrt des Schiffes gefährdet wird. Falls der Kapitän infolge Eises es für gefährlich erachtet, im Lade- oder Löschhafen zu bleiben, und befürchtet, daß der Dampfer einfrieren und/oder beschädigt werden könnte, so ist er berechtigt, aber nicht verpflichtet, nach einem geeigneten offenen Platze abzudampfen und neue Anordnungen des Befrachters einzuholen. Der Dampfer ist nicht verpflichtet, Eis zu zwingen. Erleidet der Dampfer durch irgendwelche der vorgenannten Ursachen Aufenthalt, so geht solcher zu Lasten des Befrachters. 17. Aufenthalt und alle Kosten, die durch Quarantäne, Desinfektion, Ausräucherung, Giftlegen, oder durch Streiks und Aussperrungen von Leuten (Streiks und Aussperrungen von Schiffs-Offizieren und Mannschaften ausgenommen) verursacht werden, hat der Befrachter zu tragen. Die Reederei ist für jeden Zeitverlust und für alle Kosten des Dampfers verantwortlich, die daraus entstehen, daß Zollbehörden oder andere Behörden den Dampfer infolge Schmuggels oder anderer Übertretung der Landesgesetze durch Kapitän oder Mannschaft zurückhalten.

147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165

18. Sollte der Dampfer verloren gehen oder vermißt werden, so hört die Zahlung der Zeitfracht mit dem Tage auf, an dem er verloren gegangen oder zuletzt gesprochen oder gesehen worden ist. Im voraus bezahlte, aber nicht verdiente Zeitfracht ist dem Befrachter in solchem Falle zurückzuzahlen. 19. Der Dampfer hat auf Verlangen zu jeder Tages- und Nachtzeit zu arbeiten. Sämtliche Überstunden zahlt der Befrachter zum Satze von für Mann und Stunde an Maschinisten-Assistenten und an die Mannschaft. Für sämtliche an Lotsen, Stauer. Zählleute, Zollbeamte, Vorleute und Arbeiter verabreichte Mahlzeiten hat der Befrachter die Kosten zu vergüten. 20. Der Befrachter hat das zum Stauen und Trennen der Ladung sowie zum Festmachen von Decksladung erforderliche Material für seine Rechnung zu liefern; es steht ihm jedoch die Benutzung des etwa an Bord des Dampfers befindlichen Stauholzes ohne Vergütung frei. 21. Die Reederei hat ein Pfandrecht an den Ladungen und an sämtlichen Unterfrachten für ihre Zeitfracht bzw. für Beiträge zur Großen Havarei, ferner für alle Kosten und Schäden, die unter diesem Frachtvertrage fällig sind, sowie für Schadenersatz wegen Nichterfüllung dieses Vertrages. 22. Alle während der Dauer dieses Frachtvertrages von dem Dampfer verdienten Berge- und Hilfslöhne gehen zu gleichen Teilen zu Gunsten der Reederei und des Befrachters. Von dem Hilfs- und Bergelohn sind vor der Verteilung folgende Abzüge zu machen: Die auf den Kapitän und die Mannschaft entfallenden gesetzlichen Anteile, die Zeitfracht vom Beginn der Hilfsleistung bis zur Wiederaufnahme der vereinbarten Fahrt, der Kohlenund Materialverbrauch während dieser Zeit, die Reparaturen von Schäden an Schiff, Maschine und Zubehör, die durch die Hilfeleistung verursacht sind — soweit sie nicht durch die Versicherung ersetzt werden — und der Zeitverlust während der etwaigen Reparatur, ferner diejenigen Unkosten und Auslagen, die mit der Hilfeleistung bzw. der Bergung im ursächlichen Zusammenhang stehen einschließlich derjenigen Ausgaben, die zur Herbeiführung und Vollstreckung eines Urteils und bezüglich der Zahlung des Hilfs- bzw. Bergelohnes aufgewendet werden. 23. Der Befrachter ist berechtigt, den Dampfer auf „Deuzeit" weiterzuverfrachten. Von dem Abschluß eines Unterfrachtvertrages hat er der Reederei unverzüglich Anzeige zu machen. Alle Verpflichtungen des ursprüngliehen Befrachters der Reederei gegenüber bleiben unverändert bestehen. 24. Der Dampfer soll nicht nach einem blockierten Hafen oder nach Gewässern oder durch Fahrstraßen gesandt werden, wo Feindseligkeiten ausgetragen oder voraussichtlich demnächst ausgetragen werden, oder wo Leuchtfeuer, Feuerschiffe, Leuchtbojen oder Seezeichen wegen Kriegsgefahr usw. eingezogen bzw. ausgelöscht sind oder es voraussichtlich demnächst werden und die Gefahren der Schiffahrt somit durch Krieg vergrößert sind. Es soll keine Reise unternommen, auch sollen keine Güter, Dokumente oder Personen an Bord gebracht werden, die den Dampfer der Gefahr des Anhaltens, der Wegnahme, der Heimbeförderungspflicht oder der Strafe von Machthabern oder Regierungen aussetzen. Im Falle die Nation, unter deren Flagge der Dampfer fährt, bzw. der der Befrachter angehört, in einen Krieg verwickelt wird und der Dampfer dadurch in Gefahr kommt, hat sowohl die Reederei wie auch der Befrachter das Recht, den Frachtvertrag aufzuheben. Das Rücktrittsrecht braucht nicht sofort, sondern kann von jedem Teil jederzeit während der ganzen Dauer des Kriegs ausgeübt werden. Bereits verladene Güter sind am Ladeplatz wieder zu löschen, falls nicht angängig oder falls der Dampfer die Reise angetreten hat, im nächsten nach Ansicht des Kapitäns sicheren Hafen.

166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204

Eis

Quarantäne, Streiks usw.

Verlust des Dampfers Überstunden

Stauholz

Pfandrecht

Bergelöhne

UnterVerfrachtung Krieg

804

§557

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

Der durch obige Ursachen entstanden© Aufenthalt des Dampfers, die Hafenkosten sowie die Kosten der Wiederentlöschung gehen zu Lasten des Befrachters. 25. Der Befrachter hat das Recht, diesen Frachtvertrag für weitere Zeiträume von je Kalender-Monaten zu verlängern. Will er von diesem Recht Gebrauch machen, so h a t er hiervon der Reederei wenigstens Tage vor Ablauf des jeweilig laufenden Zeitraumes schriftliche Anzeige zu machen. 26. Der Dampfer ist unter diesem Frachtvertrage anzuliefern:

205 200 207 208 209 210

Falls der Dampfer nicht spätestens am 19 angeliefert ist, h a t der 211 Befrachter das Recht, von diesem Vertrage zurückzutreten. 212 Falls die Reederei nachweist, daß es durch unvorhergesehene, nicht von ihr verschuldete Umstände 213 unmöglich werden wird, den Dampfer bis zu dem Tage, an dem der Befrachter zum Rücktritt vom Vertrage be- 214 rechtigt ist, zu liefern, so hat der Befrachter sich auf Verlangen innerhalb 48 Stunden nach erfolgter Mitteilung bei 215 Verlust des Rücktrittsrechts zu erklären, ob er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen will oder nicht. 216 Falls der Dampfer danach abermals Aufenthalt erleidet, steht dem Befrachter das Rücktrittsrecht zu, 217 sobald die Reederei dem Befrachter die Fertigstellung angezeigt hat. 218 Nachdem die Reederei Kenntnis von einem den Verzug verursachenden Umstand erlangt hat, muß sie dem 219 Befrachter jedesmal unverzüglich Anzeige davon machen. Die Reederei hat den Befrachter über die erwartete 220 Fertigstellung des Dampfers fortlaufend unterrichtet zu halten. 221 27. Etwaige aus diesem Vertrage entstehende Streitigkeiten sind unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte 222 zu entscheiden durch ein Schiedsgericht mit dem Sitz in Hamburg. 223 Das Schiedsgericht wird in der Weise gebildet, daß die Reederei und der Befrachter je einen Schiedsrichter 224 ernennen. Können sich die Schiedsrichter über die abzugebende Entscheidung nicht einigen, so haben sie einen 225 Obmann zu ernennen. Können sie sich auch über einen Obmann nicht einigen, so haben sie die Handelskammer 226 am Platze des Schiedsgerichts zu ersuchen, einen solchen zu ernennen. 227 Das Urteil des Schiedsgerichts ist endgültig und für beide Parteien bindend. Nur schiffahrtskundige Kaufleute 228 dürfen zu Schiedsrichtern und zum Obmann ernannt werden, es sei denn, daß sich beide Parteien anders einigen. 229 28. Große Haverei ist nach den York-Antwerpener Regeln mit den neuesten Zusätzen und Abänderungen 230 zu ordnen. 231 29. Im Falle der Nichterfüllung dieses Frachtvertrages ist seitens des schuldigen Teiles dem Vertragstreuen 232 Teile der nachgewiesene Schaden zu ersetzen; die Vergütung darf jedoch nicht den Betrag der Zeitfracht für zwei 233 Monate überschreiten. 234 30. Die Befrachtungs-Gebühr von vom Hundert auf die unter diesem Frachtvertrage und auf jede 235 Fortsetzung desselben bezahlte Zeitfracht ist von der Reederei zahlbar an: 236 Die Zeilen des vorliegenden Urdrucks dürfen weder nach Inhalt noeh nach Zahl geändert werden, ebensowenig wie die der Baltime. Änderungen durch Schreibmaschinen- oder Handschrift oder durch Druck sind statthaft, jedoch nur In der Weise, daß der ursprünglich gedruckte Wortlaut des Vertrages und die Abänderungen deutlich zu erkennen sind.

III. TANKER VOYAGE CHARTER PARTY. Hamburg,

19

I T IS THIS DAY MUTUALLY AGREED between Steam Owners of the good Tank Vessel, called the of . . . . tons net register, Motor having a capacity of of Oil, or thereabouts, and classed now and Charterers, of 1.— That the said Vessel subject to the exceptions hereinafter mentioned being tight, staunch and strong, and in every way fitted for the voyage and to be maintained in such condition during the voyage, shall, with all convenient speed sail and proceed to or so near thereunto as she may safely get (always afloat), and there load from the factors of the said Charterers a full and complete cargo of in bulk, not exceeding what she can reasonably stow and carry over and above her Tackle, Bunkers, Stores, Apparel, Provisions and Furniture (sufficient space to be left in the Expansion Tanks to provide for the expansion of the cargo) and being so loaded shall therewith proceed (as ordered on signing Bills of Lading), to or so near thereunto as she may safely get (always afloat,) and deliver the same on being paid Freight at and after the rate of per ton of 20 Schaps-Abrahem, Seerecht I I

Oil intaken quantity.

805

Verlängerung

Zeit der Anlieferung Aufhebung

Schiedsgericht

Große Haverei Vertragsverletzung Befrachtungs gebühr

§557

Vierter Teil. Seehandelsrecht

2.— The freight to be payable at before breaking bulk by first class bankcheque on London, less any advances made to the Captain at port of loading and cost of insurance thereon. Cash to be advanced if required for disbursements at port of discharge at current rate of Exchange. 3.— The dues and other charges upon the cargo shall be paid by the Charterers, and dues and other charges upon the Vessel shall be paid by the Owners. 4.— The cargo shall be pumped into the Vessel at the expense, risk and peril of the Charterers, and pumped out of the Vessel at the expense of the Vessel, but at the risk and peril of the Vessel a3 far as the rail only. The Vessel to supply her pumps and the necessary steam in all ports where the regulations permit of fire on board, as well as the necessary hands. If fires not allowed on board Charterers to provide steam at their expense for loading and discharging purposes. 5. — running hours (Sundays and Holidays excepted unless used) weather permitting, shall be allowed the Charterers for loading and discharging, the Charterers having the right of loading and discharging during the night, they paying all extra expenses incurred thereby whatsoever. 6.— The Vessel shall load and discharge at a place or at a dock or alongside lighters reachable on her arrival, which shall be indicated by Charterers, and where she can always lie afloat, any lighterage being at the expense, risk and peril of the Charterers. Charterers have the right of shifting the Vessel at port of discharge from one discharging berth to another on payment of all expenses incurred. Time used in shifting to count. 7.— The laying days shall commence from the time the Vessel is ready to receive or discharge her cargo, the Captain or agent giving six hours' notice to the Charterers' Agents, berth or no berth. 8.— The demurrage shall be payable at the rate of per running hour (per running day or pro rata for part of a day), but if by accident a delay should take place at port of loading or discharge by fire or a breakdown of machinery of Charterers, the rate of demurrage shall be reduced to per running hour (per running day or pro rata for of a day) for the time so lost. 9.— The Act of God, Perils of the Sea, Tire, Barratry of the Master and Crew, Enemies, Pirates, Assailing Thieves, Arrests and Restraints of Princes, Rulers and People, Collisions, Stranding, and other accidents of manage* ment and navigation excepted, even when occasioned by negligence, default, or errors in judgment of the Pilot, Master, Mariners or other Servants of the Shipowners. Ship not answerable for unseaworthiness, losses through Explosions, Bursting of Boilers, Breakage of Shafts, or any latent defect in the Machinery, Hull or equipment not resulting, however, from want of due diligence by the Owners of the Ship, or any of them, or by the Ship's Husband or Manager. 10.— Should the Charterers be unable to supply a full and complete Cargo, the Vessel shall not be required to proceed to sea until such of her tanks are filled so as to place her in seaworthy condition, and the freight shall always be paid as if the Vessel were loaded with a full and complete Cargo. 11.— Owners to have an absolute lien upon the Cargo for all Freight. Dead Freight, Demurrage and costs of recovering same. 12.— The Vessel shall have liberty to call at any ports in any order to sail with or without pilots, to tow or to be towed, to go to the assistance of vessels in distress, to deviate for the purpose of saving life or property or of landing any ill or injured person on board, and to call for Coal and for Oil fuel and/or Dieseloil at any port or ports in or out of the regular course of the voyage. Any salvage shall be for the sole benefit of the Owner, 13.— This Contract shall be governed by the laws of the Flag of the Vessel carrying the goods, except in cases of average or general average, when same to be settled in Hamburg according to York-Antwerp Rules 1924. 14.— In case port of loading or discharge should be inaccessible owing to ice, the vessel shall proceed to the nearest safe and open accessible port and notify her arrival there by telegraph to the Charterers or Consignees of the Cargo, who are bound to telegraph orders for another port (at their option), which is free from ice, and where there are facilities for loading or discharging the cargo as the case may be. The whole of the time occupied from the time the Vessel is stopped by ice until her arrival at the final port of loading or discharge (resp. loading or discharging place or installation) shall be paid for by Charterers at the rate of per running hour (per running day or pro rata for part of a day). 15.— If on Vessel's arrival off the port of loading or discharge there is danger of the Vessel being frozen in, the Captain shall communicate with the Charterers by telegraph, who will telegraph him in reply, giving orders to proceed to one of the other ports mentioned above, where there is no danger of ice and where there are the necessary facilities for the loading or discharge of Oil in bulk, as the case may be, or to remain at the original port at their risk, and paying for the time that the Vessel may be detained, at the rate of per running hour (per running day or pro rata for part of a day). 16.— The Captain is bound to keep the tanks, pipes and pumps of the Vessel always clean, but at the expense of the Charterers if they load in the tanks cargo of different nature to those previously shipped. The Vessel is not to be responsible for any consequences arising through Charterers shipping different kinds of cargo and/or placing of cargo for two or more receivers in any one tank. The Vessel is not to be accountable for leakage. 17.— Should the Charterers send the Vessel to any port where there is quarantine, time to count for every hour the Vessel is detained, and Clause 8 to come into operation when all the lay days granted by this Charter Party have been consumed, but should the quarantine only be declared whilst the Vessel is on passage to the port, they are not to be liable for the delay caused by such quarantine.

806

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 558

18.— Any dispute arising during execution of this Charter Party shall be settled in Hamburg. Owners and Charterers each appointing an Arbitrator, — who shall be a Merchant or Broker — and the two thus chosen, if they cannot agree, shall nominate a third, whose decision shall be final. Should one of the parties neglect or refuse to appoint his Arbitrator within twentyone days after receipt of request from the other party, the single Arbitrator appointed shall have the right to decide alone, and his decision shall be binding on both parties. For the purpose of enforcing awards, this agreement shall be made a Rule of Court. 19.— Penalty for non performance of this Contract shall be based upon estimated amount of damages, and cost of recovering same. 20.— Vessel to be addressed to Owner's Agents at ports of loading and discharge for Custom House business. 21.— Lay days not to commence before the unless with Charterers sanction. 22.— Should Vessel not be ready to load by the Charterers to have the option of cancelling this Charter. 23.— Vessel's last cargo consisted or will consist of

§ 558 I n der V e r f r a c h t u n g eines g a n z e n Schiffes ist die K a j ü t e nicht einbegriffen; es dürfen jedoch ohne Einwilligung des B e f r a c h t e r s in die K a j ü t e keine Güter verladen werden. Der Paragraph bezieht sich nur auf den Fall des Raumfrachtvertrages Uber ein ganzes Schiff (beim Stückgütervertrag werden gelegentlich wertvolle Einzelsendungen in der Kajüte untergebracht) und enthält: Anm. 1 1. Eine Dispositivvorschrift, dahingehend, daß die Kajüte, d.d. der Wohn- und Schlafraum des Kapitäns mit Nebenräumen, in der Verfrachtung nicht einbegriffen ist; der Charterer darf also ohne Einverständnis des Verfrachters oder des Kapitäns •—• das letztere muß genügen, da es sich um eine Vorschrift zugunsten des Kapitäns handelt — in dieselbe weder Güter laden noch Passagiere aufnehmen, selbst wenn er nach dem Vertrage „a full and complete cargo" zu liefern hat. Tut er es trotzdem, so muß er eine angemessene Entschädigung zahlen, die aber nicht notwendig mit der in der Chartepartie vereinbarten Frachtrate zusammenzufallen braucht. D a ß in den R ä u m e n d e r S c h i f f s o f f i z i e r e u n d d e r ü b r i g e n S c h i f f s b e s a t z u n g u n d in die R ä u m e f ü r A u f b e w a h r u n g des P r o v i a n t s u n d d e r S c h i f f s u t e n s i l i e n , f e r n e r i n s b e s o n d e r e a u c h in die M a s c h i n e n r ä u m e , keine Ladung verstaut werden darf, versteht sich von selbst (Prot. 2059). Ob der Charterer die Ladung von Gütern a u f D e c k fordern kann, ist Frage des Einzelfalles (HansOLG HansGZ 1903, 44), die gelegentlich (etwa bei Holzladungen) auch aus den Umständen bejaht werden kann. Regelmäßig muß indessen die Zulässigkeit der Deckverladung besonders vereinbart sein ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 199f.; C a p e l l e , Frachtcharter S. 253f.). Die Vereinbarung, daß etwaige Deckladung befördert werden solle „at merchants risk", genügt dazu nicht ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 204). Dagegen wird ihm ein Recht auf Beförderung einer Deckladung gewährt durch die Klauseln: „The whole of the said steamer including . . . deck room, consistent with seaworthiness of the vessel . . . shall be for the sole use and at the disposal of charterers for cargo." und „The charterers to have the option of shipping a reasonable deckload" (vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 2S5). 2. Ein Verbot an den Verfrachter und den Schiffer, In die Kajüte ohne Einwilligung des Anm. 2 Befrachters Güter zu verladen. So soll vermieden werden, daß der Verfrachter und der Kapitän dem Befrachter, sei es auch nur in kleinem Umfange, Konkurrenz macht. Handelt der Kapitän diesem Verbot entgegen, so macht er sich dem Befrachter schadensersatzpflichtig. Vgl. § 544HGB. Was die vercharterten Räume anlangt, so versteht es sich von selbst, daß es dem Verfrachter oder dem Kapitän nicht erlaubt ist, in sie ohne Genehmigung des Befrachters Güter für e i g e n e Rechnung zu verladen, auch wenn der Befrachter bei einer Ganzcharter die Tragfähigkeit des Schiffes nicht ausnützt (HansOLG HansGZ 1909,180; P a p p e n h e i m H B 3 S. 200f.). Keinesfalls darf der Verfrachter durch Ladung eines größeren als des erforderlichen Brennstoffquantums den Befrachter an der Ausnutzung des Schiffes hindern; etwaige auf den übermäßigen Brennstoffvorrat zurückzuführende Leichterkosten gehen zu seinen Lasten (High Court of Justice, Blätter für vergleichende Rechtswissenschaft Bd. 2 S. 244). Etwaiger Extraverdienst durch Passagierverträge kommt dem Verfrachter zu (anders HansOLG HansGZ 1901, 159 = OLG Rechtspr 2, 371, das ihn zwischen Reeder und Charterer teilt), weiter auch solcher aus Bergung und Hilfsleistung (Anm. 2 zu § 749 HGB). 20*

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§559

Vierter Teil. Seehandelsrecht § 659

Bei jeder Art von Frachtvertrag hat der Verfrachter dafür zu sorgen, daß das Schiff in seetüchtigem Stand, gehörig eingerichtet, ausgerüstet, bemannt und mit genügenden Vorräten versehen ist (Seetüchtigkeit) sowie daß sich die Laderäume einschließlich der Hühl- und Gefrierräume in dem für die Aufnahme, Beförderung und Erhaltung der Güter erforderlichen Zustand befinden (Landungstüchtigkeit). Er haftet dem Ladungsbeteiligten für den Schaden, der auf einem Mangel der Seeoder Ladungstüchtigkeit beruht, es sei denn, daß der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum Antritt der Reise nicht zu entdecken war. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Prachtcharter S. 128ff.; G ö t z , Die Haftung des Verfrachters f ü r See- und Ladungstüchtigkeit nach § 559 Abs. 2 HGB, Hansa 1960 S. 492; d e r s . , in „The Canadian Bar Review" Bd. 38 S. 96ff.; d e r s . , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln 1960, S. 82ff. und 90ff.; G r a m m , Das neue deutsche Seefrachtrecht, 1938, S. 90; L e b u h n , Linienkonnossement S. 26; M a r k i a n o s , Die Übernahme der Haager Regeln in die nationalen Gesetze über die Verfrachterhaftung, Überseestudien Heft 26, 1960 S. 128ff.; M ü l l e r , Seeuntüchtigkeit und Management of the Ship, Diss. Hamburg 1937; d e r s . , Seeuntüchtigkeit und technische Bedienung („management") des Schiffes nach der Seefracht-Novelle vom 10. 8. 1937 (Haager Regeln 1924), HansRGZ 1937 A 375ff.; P a p p e n h e i m H B 3 S. 134; S i e g , Aktuelle Fragen des Seefrachtrechts, MDR 1956 S. 708; S t a h l , Betrieb 1956 S. 861; S t u r m , HansRGZ 1931 A 385ff.; W i l l n e r , Die Zeitcharter (Heft 22 der Überseestudien), 1938, S. 90; W i t t m a c k ZHR Bd. 53 S. 337; Wüstendörfer SHR 238; D o r , Bill of Lading Clauses and the International Convention of Brüssels 1924 (Hague Rules), 1956. Einleitung

Die Bestimmung regelt eine der Haftpflichten des Verfrachters, nämlich die Stellung eines Schiffes, das Seetüchtigkeit (engl, seaworthiness, franz navigabilité, norwg. sjödygtighet, holl. zeewaardigkeit, italienisch navigabilità) und Ladungstüchtigkeit besitzt. Vgl. Art. I I I 1 und IV 1 HG, die die Veranlassung zu der jetzigen Fassung des § 559 H G B gegeben haben, die auf dem SFrG beruht. Von der Seetüchtigkeit ist auch in § 513 H G B die Rede, und zwar in dem Sinne, daß der Kapitän vor dem Antritt der Reise dafür zu sorgen hat, daß das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und verproviantiert ist.

Anm. 1

I. 1. Vgl. über den Begriff der Seetüchtigkeit im einzelnen Anm. 2—4 zu § 513 HGB. Der Begriff der Seetüchtigkeit in § 559 umfaßt n e b e n d e r S e e t ü c h t i g k e i t i m e n g e r e n S i n n e (§ 559 a . F . : Bezug nur auf die Tauglichkeit des Schiffskörpers) a u c h d i e R e i s e t ü c h t i g k e i t , d.h. die Einrichtung, Ausrüstung, Bemannung und Verproviantierung des Schiffes. Damit ist insoweit die Haftung des Verfrachters der des Kapitäns nach § 513 HGB angeglichen. Hinsichtlich der Fürsorgepflicht gleichgestellt ist die L a d u n g s t ü c h t i g k e i t des Schiffes. Vgl. dazu auch Anm. 5 zu § 513. Ausreichend ist auch f ü r den Fall des § 559 r e l a t i v e Seetüchtigkeit, d.h. die Tauglichkeit des Schiffes in bezug auf die gerade bevorstehende Reise ( W ü s t e n d ö r f e r Studien 469; ders. SHR 238 (. . . Fähigkeit des Schiffes, mit der konkreten Ladung die vorgesehene Reise zur vereinbarten Jahreszeit zu bestehen, soweit es sich nicht handelt um Gefahren ganz außergewöhnlicher Art); G r a m m , Seefrachtrecht Anm. I l a zu § 559; C a p e l l e , Frachtcharter 130f.; B o y e n s Bd. 1 S. 324). Weiter reicht das Interesse des Befrachters nicht. Vgl. auch Anm. 2 zu § 513 HGB. Nicht ordnungsgemäße Stauung fällt nur dann unter § 559, wenn sie Seeuntüchtigkeit des Schiffes zur Folge hat, z.B. weil sie die Stabilität in ganz besonderem Maße ungünstig beeinflußt. I m übrigen richtet sich die Haftung f ü r sie nach §§ 606 ff. HGB.

Anm. 2

2.Die besondere L a d u n g s t ü c h t i g k e i t (fitnes; aptitude) gehört n i c h t zur Seetüchtigkeit. Sie hat mit dem Umstände, daß die Güter zur See befördert werden, nicht zu tun. Sie ist die Geeignetheit des Schiffes zur unversehrten Erhaltung der k o n k r e t e n Ladung im Hinblick auf andere Transportgefahren als Seegefahren (vgl. im einzelnen § 513 H G B Anm. 5). Das Schiff ist danach ladungsuntüchtig, wenn es nicht mit den f ü r den Transport der konkreten Ladung erforderlichen Spezialeinrichtungen (z.B. Kühl- und Gefrierräumen, Ventilatoren, diebessicheren Räumen f ü r Edelmetalle, ordnungsgemäß schließbaren Ventilen der ölpumpe 808

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§559

an Tankeinrichtungen bei Öltransporten (Schiedsgutachten in HansRGZ 1941 B Nr. 59) eingerichtet ist, desgleichen wenn die Güter durch im Schiff verbliebene Reste früherer Güter (vgl. z.B. RG J W 1932 S. 443: Steinkohlenteer; OLG Hamburg HansRGZ 1932 Nr. 50; BGH VersR 1960 S. 244 = Hansa 1960 S. 904 = MDR 1960 S. 378: wurden vorher Chemikalien (Dichlorphenol) befördert, so kann unter Umständen Rückfrage bei Handelschemikern wegen der besonderen Geruchsempfindlichkeit der neuen Ladung (Kaffee) erforderlich sein) Schaden nehmen oder die Laderäume nicht ordnungsgemäß voneinander getrennt sind, so daß sich die schädlichen Eigenschaften von Ladungsgütern auf in anderen Räumen untergebrachte nachteilig auswirken ( G r a m m , Seefrachtrecht Anm. 11 c zu § 559; W ü s t e n d ö r f e r SHR 239). Unter Laderäume sind alle tatsächlich f ü r die Aufnahme von Gütern benutzten und nicht nur die dazu bestimmten Teile des Schiffes zu verstehen (Amtl. Begr. Nov. 1937). Über verschuldete Ladungsuntüchtigkeit wegen vorangegangener Ammoniakverschiffung siehe StadtGericht Oslo Hansa 1957 S. 1410. Vgl. wegen weiterer Einzelheiten Anm. 5 zu § 513 HGB. Wegen fehlerhafter Stauung siehe oben Anm. 1. Siehe wegen der Klausel „that vessel will have holds property deaned before starting loading, holds to be washed in such manner as will avoid any damage to the cargo" Schutzverein Deutscher Rheder, Jahresbericht 1958/59 S. 16. In französischen Häfen empfiehlt es sich, die Eignung der Laderäume durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen, wie dies nach Art. 225 c. com. vorgesehen ist. II. 1. Die Verpflichtung des Verfrachters besteht in der L i e f e r u n g des S c h i f f e s in s e e t ü c h t i g e m Z u s t a n d e . Dieser Zustand muß grundsätzlich schon beim B e g i n n d e r B e l a d u n g vorhanden sein (vgl. f ü r § 559 a.F. B o y e n s ZHR Bd. 73 S. 532; B r a n d i s Bd. 2 S. 10; HansOLG HansGZ 1913, 66; a n d e r s Prot. 2060; W i t t m a a c k ZHR Bd. 53 S. 366; M a r t i n ArchöflR Bd. 9 S. 461; wie hier f ü r § 559 in der jetzigen Fassung W ü s t e n d ö r f e r SHR 241; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 13 zu §559; G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 91; für das Recht der USA Union Carbide & Carbon Corp. v. United States, US Court of Appeals, 1953, 200 Federal Reports, Second Series 908; J . C. Penney Co. v. American Exp. Co., US District Court, 1951, 102 Federal Supplement 742; für Kanada Maxime Footwear Co. v. Canadian Government Merchant Marine Ltd., Canadian Privy Council, 3 The Weekly Law Reports 232), denn man kann dem Ablader regelmäßig nicht zumuten, in ein seeuntüchtiges Schiff zu verladen. Wenn freilich die die Seeuntüchtigkeit begründenden Mängel so unerheblich sind, daß sich die Weigerung des Abladers, zu verladen, als ein Mißbrauch seines Rechts darstellt, so muß man dem Verfrachter das Recht, noch wähwährend der Beladung Reparaturen vorzunehmen, sofern diese die Beladung nicht hindern, zubilligen ( P a p p e n h e i m HB 3 S. 139). Nach Art. I I I § 1 HR trifft die Haftungfür anfängliche Seeuntüchtigkeit den Verfrachter "before and at the beginning of the voyage". Reisebeginn in diesem Sinne liegt vor, wenn die für die Reise gewollte Fortbewegung des Schiffes beginnt, indem das Schiff seinen Lade- oder Liegeplatz in der Absicht verläßt, nunmehr unmittelbar auszulaufen, also nicht nur, um seinen Platz im Hafen zu wechseln; vgl. G ö t z Hansa a.a.O. und die von ihm angeführte Entscheidung des US District Court, Eastern District of Louisiana, Zander & Co. v. Mississipi Shipping Co., AMC 1959 S. 553: "A voyage begins only when the vessel breaks ground or leaves her moorings in complete readiness for sailing and proceeding to sea". Reisebeginn ist vom US Court of Appeals, Fifth Circuit, in Sachen SS "Del Sud" (vgl. AMC 1959 S. 2143 = Hansa 1960 S. 1317) auch in folgendem Falle angenommen worden: Das SchifE hatte am Kai nichts mehr zu erledigen; es war seeklar gemacht und befand sich in einem Drehmanöver zum Zwecke des Auslaufens. Die noch zum Kai führenden Leinen sollten das Schiff nicht f ü r einen weiteren Aufenthalt festhalten, sondern waren ein wichtiges Hilfsmittel bei der Durchführung des Ablegemanövers. Sie waren ebenso wichtig wie die Trossen zu dem Schlepper. Die Maschinen des Schiffes arbeiteten, um die Drehung zu vollenden; Offiziere und Besatzungsmitglieder befanden sich auf ihren Plätzen für das gleichzeitige Ablegen und Auslaufen. Aus Art. I I I § 1 HR ist mit Sicherheit zu entnehmen, daß das Schiff auch noch bei Antritt der Reise seetüchtig sein muß. Siehe Mississipi Shipping Co. v. Zander & Co., US Court of Appeals, 1959,270 Federal Report, Second Series, 345. Umstritten aber ist, ob die Haftung aus § 559 nur gilt für den Zeitpunkt des Ladebeginns (das ist der Augenblick, in dem die Ladimg 309

Anm. 3

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Anm. 4

Vierter Teil. Seehandelsrecht

tatsächlich in den Schutzbereich des Schiffes kommt, in dem sie in seinen Gewahrsam übergeht = sous palan = tackle to tackle; vgl. G ö t z Seefrachtrecht der Haager Regeln S. 494. Dabei ist für alle rechtlich und wirtschaftlich einheitlich unter einem Frachtvertrag beförderten Güter mit der Einladung begonnen, sobald das Schiff die ersten von ihnen übernimmt) einerseits und den Zeitpunkt des Reisebeginns andererseits, aber nicht f ü r den dazwischenliegenden Zeitraum (so W. M ü l l e r HansRGZ 1937 A 375f., 387; G ö t z Hansa a.a.O.). Für die dazwischenliegende Zeit läßt Müller aus § 606 ff. HGB haften mit Haftungsfreiheit für management of the ship. Er und Götz berufen sich dabei auf die Entstehungsgeschichte der Haager Regeln und auf die im anglo-amerikanischen Recht geltende "doctrine of stages" (vgl. dazu S c r u t t o n , Charterparties and Bills ofLading, 16. Aufl. 1955 S. 96ff.; C a r v e r , Carriage of Goods by Sea Act, 10. Aufl. 1957 S. 86ff.; M a r k i a n o s a.a.O. S. 131), nach der die gesamte Beförderung in einzelne Abschnitte zerfällt und das Schiff jeweils nur f ü r den Beginn eines Abschnitts see- und ladungstüchtig sein muß. Es ist aber W ü s t e n d ö r f e r SHR 241 zuzustimmen (so auch S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 12 zu § 559; im Ergebnis wie hier auch die Entscheidung der Kanadischen Judical Committee of the Privy Couril in Sachen Maxime Footwear Co. v. Canadian Government Merchant Marine Co, LI. L. Rep. 1959 S. 105 = Hansa 1959 S. 2275; dazu kritisch G ö t z , The Canadian Bar Review Bd. 38 S. 96ff.), daß diese Auffassung zu sehr unbilligen Ergebnissen führen kann. Bei Wüstendörfer findet sich das Beispiel: 1. Bei Ladungsbeginn (genauer v o r Ladungsbeginn; vgl. G ö t z Hansa 1960 S. 494) oder 2. im Zuge der fortschreitenden Beladung oder 3. bei Reisebeginn wird ein Ballasttank fahrlässig gelenzt. Das Schiff erhält Schlagseite, die Ladung erleidet Wasserschaden. Dann ist es eine lebensfremde Aufspaltung eines einheitlichen Tatbestandes, den Verfrachter aus § 559 im ersten und dritten Fall haften zu lassen, aus § 607 Abs. 2 HGB dagegen im Mittelfall. Mit Wüstendörfer ist deshalb Art. I I I § 1 HR richtig dahin zu verstehen, daß die Haftung aus § 559 v o m B e g i n n d e r V e r l a d u n g b i s z u m A n t r i t t d e r F r a c h t r e i s e besteht. Nicht zu folgen ist Wüstendörfer dagegen, wenn er meint, es sei einerlei, ob die Ladungspartie schon vorher von der Reederei übernommen oder unmittelbar an Bord abgeladen wurde. Vielmehr kann die Haftung aus § 559 immer frühestens dann beginnen, wenn die Einladung unmittelbar bevorsteht. Beginn des Einladens und Annahme der Güter im Sinne des § 606 HGB brauchen nicht identisch zu sein, insbesondere nicht, wenn der Kaischuppen bei ausgehender Ladung die Allonge des Schiffes sein sollte (vgl. dazu Anm. 19 zu § 606 HGB). Unerheblich ist es für die Haftung aus § 559 Abs. 2, in welchem Zustand das Schiff vor der Beladung ist, und zwar auch dann, wenn es wegen des see- oder ladungsuntüchtigen Zustands nur mit Verzögerungen oder überhaupt nicht zur Einladung der Güter kommt ( G ö t z Hansa 1960 S. 493). Eine andere Frage ist, ob dem Ladungsbeteiligten dann nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen in Verbindung mit § 559 Abs. 1 Schadensersatzansprüche wegen Verzugs oder Unmöglichkeit der Beförderungsleistung erwachsen. Vgl. G ö t z a.a.O. So die herrschende Ansicht und mit ihr auch das Kanadische Judical Committee of the Privy Council in Sachen Maxime Footwear Co. v. Canadian Government Merchant Marine Co. LI. L. Rep. 1959 S. 105 = Hansa 1959 S. 2275 (siehe dazu G ö t z , The Canadian Bar Review Bd. 38 S. 96ff.). 2. a) Die Haftung des Verfrachters entfällt, wenn der Mangel der See- oder Ladungstüchtigkeit nicht b i s z u m A n t r i t t d e r R e i s e zu entdecken war. Wird das Schiff also nach Antritt der Reise seeuntüchtig, so ist eine Haftung aus § 559 nicht gegeben, es müßte denn sein, daß der die See- oder Ladungsuntüchtigkeic verursachende Mangel, wenn auch in geringem Grade, bereits beim Reiseantritt vorhanden gewesen ist. Die neue Fassung des § 559 hat es also entsprechend der im Art. I I I § 1 HR getroffenen Regelung bei der auch nach § 559 a.F. geltenden Rechtslage belassen, daß der Verfrachter nur für a n f ä n g l i c h e See- und Ladungstüchtigkeit einzustehen hat ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 240; G r a m m Seefrachtrecht Anm. I 2a zu § 559; M a r k i a n o s a.a.O. S. 130; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 12—16 zu § 559; siehe für Großbritannien C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S. 183; S c r u t t o n Charterparties and Bills ofLading; King's Bench Division (1936) LI. L. Rep. Bd. 55 S. 21 und in derselben Sache Court of Appeal (1937) LI. L. Rep. Bd. 57 S. 78). Unter „Antritt der Reise" ist Antritt der F r a c h t r e i s e der einzelnen Ladung zu verstehen ( W ü s t e n d ö r f e r a.a.O; G r a m m a.a.O.: S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , a.a.O. Anm. 14 zu § 559), nicht Antritt der Schiffsreise. In jedem angelaufenen Ladehafen wird also die Haftung f ü r anfäng-

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liehe Schiffsuntiichtigkeit in bezug auf die dort geladenen Partien praktisch. Anders die englische „doctrin of stages" (siehe oben Anm. 3; sieheUS Court of Appeals, SS "Del Sud" AMC 1959 S. 2143 = Hansa 1960 S. 1317). Dort ist Reiseantritt nicht nur der Anfang der Reise jeder einzelnen Ladung, sondern auch jeder evtl. nachher folgende Beginn jedes einzelnen Reiseabschnitts (stage). Vgl. zu der Doktrin C a r v e r a.a.O. S. 86ff.; S c r u t t o n a.a.O S. 98, 473. Siehe die weiteren Literaturangaben bei M a r k i a n o s S. 131 Anm. 8. Wird das Schiff nach Antritt der Frachtreise seeuntüchtig, so haftet der Verfrachter nur nach Maßgabe der §§ 606 ff. HGB; US Court of Appeals SS "Del Sud" AMC 1959 S. 2143 = Hansa 1960 S. 1317; US Supreme Court in Sachen Mey v. Hapa, AMC 1959 S. 1565; W ü s t e n d ö r f e r SHR 240; G r a m m , a.a.O.; RGZ110,226. Die Erhaltung der Seetüchtigkeit während der Reise ist dann ein Sonderfall der allgemeinen Pflicht des Verfrachters zur ununterbrochenen Ladungsfürsorge. Diese f ü r spätere Seeuntüchtigkeit eintretende Haftung aus §§606 ff. deckt sich in ihren Voraussetzungen und Folgen nicht durchweg mit derjenigen aus § 559. Vgl. die Erläuterungen zu §§ 606 ff. Zuweilen finden sich Charterklauseln, die einen ausdrücklichen Hinweis auf die Seetüchtigkeit des Schiffes während der Reise enthalten, etwa "being maintained by owners in a seaworthy condition" oder " and to be maintained in such condition during the voyage" (vgl. HansOLG und RG in HansGZ 1902, 265 ff., 275 und die Angaben bei C a p e l l e , Frachtcharter S. 137 Anm. 49). Die Klauseln bedeuten keine Garantie f ü r ununterbrochene Fortdauer der Seetüchtigkeit oder eine vereinbarte Fortdauer der Haftung aus § 559 während der Reise, sondern besagen nur, daß, falls während der Vertragsdauer zur Wiederherstellung der Seetüchtigkeit Reparaturen erforderlich werden, der Verfrachter sie auf seine Kosten auszuführen hat. Es handelt sich also um das Hervorkehren einer Seite der allgemeinen Pflicht des Verfrachters zur ununterbrochenen Ladungsfürsorge, die er •während der Reise durch den Kapitän ausüben läßt ( W ü s t e n d ö r f e r H B 566). Zu dieser Pflicht gehört auch die dauernde Überwachung und — wenn nötig und zumutbar — die Wiederherstellung der Seetüchtigkeit ( C a p e l l e a.a.O. 138; vgl. Anm. 9 zu § 513; RGZ 110, 226 = HansGZ 1925, 97. Kritisch L e o , Schiffahrts-Jahrbuch 1928 S. 142). b) Es würde eine Überspannung des Rechtsgedankens des § 559 bedeuten, den Verfrachter f ü r jeden bei Beginn der Reise vorhandenen Mangel der See- oder Ladungstüchtigkeit haften zu lassen. Vielmehr muß geprüft werden, ob dieser Mangel bei verständiger Würdigung der Verhältnisse das Schiff tatsächlich see- oder ladungsuntüchtig macht. Vgl. im einzelnen dazu Anm. 13 zu §513 HGB. Siehe dazu auch G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, 1960, S. 80 und folgende Entscheidungen: In Sachen Middleton & Co. Ltd. v. Ocean Dominion S.S. Corp., US Court of Appeals, 1943, 137 Federal Reporter, Second Series, 619, strandete das Schiff, weil der Kapitän ein Wrack f ü r ein entgegenkommendes Schiff hielt. Es war nur eine ältere Seekarte an Bord, in der das Wrack nicht verzeichnet war. Dennoch wurde Seetüchtigkeit angenommen, weil sich neben der Seekarte Informationsmaterial an Bord befand, in dem auf das Wrack hingewiesen wurde und aus dem die Karte rechtzeitig hätte berichtigt werden können, bevor das Schiff das fragliche Gebiet erreichte. In Sachen International Packers Ltd. gegen Ocean SS Co, US District Court, 1951, 109 Federal Supplement 781, entstanden an Ladungsteilen Seewasserschäden, weil die Persenninge durch schwere See von den Luken gerissen waren. Nach Ansicht des Klägers hätten Sicherungsbalken angebracht werden müssen. Das Gericht nahm Seetüchtigkeit an, weil die Anbringung von Sicherungsbalken nur dann erforderlich gewesen wäre, wenn beim Auslaufen schwere See zu erwarten gewesen wäre. Die Balken konnten notfalls während der Reise in ganz kurzer Zeit befestigt werden.

Anm. 5

III. Die Haftung für anfängliche See- und Ladungstttchtigkeit. 1. Die Haftung trifft entsprechend Art. I I I § 1 und I a H R den V e r f r a c h t e r , und zwar haftet er als solcher unbeschränkt-persönlich. Ist er indessen, wie meistens, mit dem Reeder oder Ausrüster identisch, so haftet er nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, wenn der Fall der Haftung aus § 559 zugleich unter die §§ 485, 486 H G B fällt. So insbesondere dann, wenn der Anspruch auf einen Frachtvertrag gegründet wird, den der Kapitän als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse, also außerhalb des Heimathafens geschlossen hat (§ 486 Abs. 1 Ziff. 1 HGB), aber auch dann, wenn es sich um einen vom Reeder oder Ausrüster geschlossenen Frachtvertrag handelt, bei dem dieser, weil das Schiff sich auswärts befindet, die Vorbereitung dem Schiffer überlassen durfte (wie überhaupt ja die Durchführung eines

Anm. 6

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Anm. 7

Vierter Teil. Seehandelsrecht

jeden Frachtvertrages zu den wesentlichen Aufgaben des Kapitäns gehört), der Fall des § 486 Abs. 1 Ziff. 2 HGB ( B o y e n s Bd. 1 8. 321£f. und ZHR Bd. 63 S. 330; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1,474 und SHR 242; P a p p e n h e i m H B 3 S. 144; im wesentlichen auch W i t t m a a c k ZHR Bd. 53 S. 369ff.). § 559 will auch nicht etwa für den Reederverfrachter und den Ausrüsterverfrachter eine Ausnahme von § 486 HGB schaffen. Ist indessen streitig, ob ein Fall des § 486 HGB gegeben ist, so haftet der Verfrachter so lange unbeschränkt-persönlich, bis er das Vorliegen eines Falles beschränkter Haftung nachweist. Die persönliche Haftung des Verfrachters kann mit dinglicher Haftung verbunden sein (vgl. § 754 Nr. 7, 8 HGB; P a p p e n h e i m H B 3 S. 144 Anm. 2), und zwar gemäß § 754 Ziff. 7 HGB auch dann, wenn der Reeder nicht zugleich der Verfrachter oder Ausrüster ist. Nicht zu folgen ist der von W ü s t e n d ö r f e r SHR 131 und, sich ihm anschließend, von S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 13 zu § 556 HGB und Anm. 18 zu § 559 vertretenen Ansicht, unter den Voraussetzungen des § 486 HGB beschränke sich auch f ü r den Verfrachter, der nicht Reeder oder Ausrüster sei, die persönliche Haftung auf die Höhe des Wertes des Schiffsvermögens. Für diese Ansicht gibt das gegenwärtige Recht, keine Anhaltspunkte. Die Haftung des Reeders, der nicht zugleich der Verfrachter ist, für anfängliche See- und Ladungstüchtigkeit kann sich nur aus § 485 HGB — z.B. bei schuldhaftem Verhalten des Kapitäns (§ 513 HGB) — oder aus den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über die unerlaubte Handlung ergeben (vgl. § 485 und die dortigen Anm. 29). Dabei ist f ü r § 485 zu beachten, daß nach seinem Satz 2 der Reeder den Ladungsbeteiligten jedoch nur soweit haftet, wie der Verfrachter ein Verschulden der Schiffsbesatzung zu vertreten hat (siehe dazu § 485 HGB Anm. 19) 2. D i e G r u n d l a g e d e r H a f t u n g a u s § 559 i s t n i c h t , wie vielfach angenommen wird (so die Vorauflage dieses Kommentars Anm. 3 zu § 559; G r a m m , Seefrachtrecht Anm. I I b zu § 559; RGZ 120, 45; HansOLG HansRGZ 1935, 299 und HansGZ 1916, 84 = LZ 1916, 705), f r a c h t r e c h t l i c h e G e w ä h r l e i s t u n g . V i e l m e h r h a t d e r V e r f r a c h t e r n u r S o r g f a l t s h a f t u n g m i t E n t l a s t u n g s p f l i c h t zu v e r t r e t e n (so zutreffend W ü s t e n d ö r f e r SHR 239; siehe auch L e b u h n , Neuzeitliche Konnossementsfragen S. 16f.). Von einer Erfolgshaftung kann nur insofern gesprochen werden, als die Seeuntüchtigkeit im Sinne des § 559 auch ein Z u f a l l s e r e i g n i s sein kann, weil das Verschulden des Verfrachters sich nicht zu beziehen braucht auf Herbeiführung der Seeuntüchtigkeit und auch nicht auf Handlungen zu deren Beseitigung. E s g e n ü g t s c h u l d h a f t e s N i c h t e n t d e c k e n o d e r N i c h t e r k e n n e n d e r S e e u n t ü c h t i g k e i t . Der Ausdruck „entdecken" ist weit auszulegen: er umfaßt auch das Erkennen. Der Verfrachter haftet mithin auch dann, wenn er zwar einen Mangel, z. B. das schlechte Funktionieren eines Maschinenteils, entdeckt, jedoch unter Verletzung der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Verfrachters nicht erkennt, daß dieser Mangel das Schiff seeuntüchtig macht ( G r a m m , Seefrachtrecht Anm. I I b zu § 559; G ö t z , Hansa 1960 S. 493). Der Zustand des Schiffes ist daher in gehöriger Weise und in angemessener Wiederholung vom Verfrachter nachzuprüfen, je älter das Schiff, desto häufiger und gründlicher ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 240). Doch schließt die gesetzliche Regelung des § 559 eine Erweiterung der Haftung des Verfrachters im Sinne einer Garantiehaftung (warranty of seaworthiness) durch vertragliche Vereinbarung nicht aus. Vgl. dazu im einzelnen unten Anm. 9. — § 559 ist eine vertragliche Norm, kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 997). Vgl. aus der anglo-amerikanischen Rechtsprechung Spencer Kellogg & Sons v. Great Lakes Transit Corp., US District Court, 1940,32 Federal Supplement 520; Waddle v. Wallsend Shipping Co., Queen's Bench Division, 1952, 2 LI. L. R. 105; General Foods Corp. v. The Troubadour, US District Court, 1951, 98 Federal Supplement 207; The Assunzione, br. Admiralty Division, 1956, 2 LI. L. R. 468. Vgl. G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, S. 82 Anm. 17. Es kommt auf dasjenige technische Wissen an, das in dem f ü r die Seetüchtigkeit maßgeblichen Zeitpunkt zur Verfügung stand. Siehe Western Canada S. S. Co. v. Canadian Commercial Corp., British Columbia Supreme Court, 1958,14 Dominion Law Reports, Second Series, 487; A/S J . Ludwig Mowinckels Rederi v. Accinanto Ltd., US Court of Appelas, 1952. 199, Federal Reporter, Second Series 134. Doch ist eine sorgfältige Untersuchung geboten, z.B. auch durch Hammer- und Bortests. Vgl. Ore S. S. Corp. v. D/S A/S Hassel, US Court of Appeals, 1943, Federal Reporter, Second Series 326; siehe auch Standard Oil Co. (N.J.) v, Anglo-Mexican Petroleum Corp., US District Court, 1953, 122, Federal Supplement 630. 812

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Indessen ist der Verfrachter nicht verpflichtet, jede Niete des Schiffskörpers zu prüfen (Charles Brown & Co. v. Nitrate Producers' S.S. Co., Kings Bench Division, 1937, 68 Ll.L R. 188). Besondere Sorgfalt ist anzuwenden, wenn das Schiff bezüglich der Konstruktion bestimmte Eigenarten aufweist, so bezüglich der Prüfung der Beplattung eines in Längsspantenbauweise gebauten Schiffes: General Motors Corpr. v. The Olancho, US District Court, 1953, Federal Supplement 107. Siehe G ö t z a.a.O. S. 82 f. mit weiteren Angaben. 3. D e r V e r f r a c h t e r h a t f ü r ein V e r s c h u l d e n s e i n e r E r f ü l l u n g s g e h i l f e n im Anm. 8 R a h m e n d e r V e r p f l i c h t u n g a u s § 559 e b e n s o e i n z u s t e h e n , wie für eigenes (§ 278 BGB); ist er Reeder oder Ausrüster, auch für Verschulden der Schiffsbesatzung (§485HGB). G r a m m a.a.O. Anm. I I b zu § 559 will die Haftung auf § 607 Abs. 1 HGB stützen. Doch bezieht sich diese Bestimmung nur auf die §§ 606 ff. HGB. Zu den Personen, deren sich der Verfrachter in Beziehung auf die sich aus dem Frachtvertrag ergebende Untersuchungspflicht als Erfüllungsgehilfen bedient, gehört in erster Linie der Kapitän, dem ja durch § 513 HGB die „Sorge" f ü r die Seetüchtigkeit auferlegt ist, bezüglich der Maschinen das Maschinenpersonal, überhaupt allgemein je nach ihren konkreten Funktionen die Personen der Schiffsbesatzung, ferner vom Reeder angestellte Schiffsinspektoren (Deck- und Maschinen). Vgl. für das anglo-amerikanische Recht S c r u t t o n , Charterparties and Bills of Lading S. 473f., 482; C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S. 182f.; The Zarembo, US District Court, 1942,44 Federal Supplement 915; W. Angliss & Co. Pty. v. Peninsular & Oriental Steam Nav. Co., King's Bench Division, 1927, 2 The Law Reports, Third Series, King's Bench Division 456; General Motors Corp. v. The Olancho, US District Court, 1953, 115 Federal Supplement 107; Riverstone Meat Co. v. Lancashire Shipping Co., Queen's Bench Division, 1958, 3 The Weekly Law Reports 482; siehe G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, 1960 S. 83, insbesondere auch Anm. 25. Nicht zu den Erfüllungsgehilfen gehört die Werft, die seinerzeit das Schiff geliefert (RGZ 67, 305; vgl. auch HansOLG Bremen Hansa 1957 S. 1518) oder die es repariert hat. Das entspricht grundsätzlich auch der Auffassung in den anglo-amerikanischen Ländern. Vgl. G ö t z a. a. O. S. 84ff. Der Verfrachter hat bezüglich der Werft nur für culpa in eligendo einzustehen (vgl. z.B. BGH VersR 1957 S. 596 wegen der Bestätigung der Werft über die Tragfähigkeit eines Laderaums und die ordnungsgemäße Ausrüstung). Allerdings muß er deren Arbeit durch eigene technische Inspektoren überwachen lassen, f ü r deren Verschulden er voll einzustehen hat. Ebensowenig wie die Werft selbst sind auch die auf dieser angestellten Werftarbeiter Erfüllungsgehilfen des Verfrachters bezüglich der anfänglichen Seetüchtigkeit. Vgl. W. Angliss & Co. v. Peninsular & Oriental Steam Nav. Co. a. a. O.; Riverstone Meat Co. v. Lancashire Shipping Co., Court of Appeal LL v. 27. 11. 1959 = Hansa 1960 S. 575; anders in letzterer Sache House of Lords LL. v. 8. 2. 1961 = Hansa 1961 S. 877; C a r v e r a.a.O. S. 182; S c r u t t o n a.a.O. S. 473f. Siehe für Kanada Canadian Transportion Co. v. Hunt, Leuchars, Hepburn Ltd., 1947, 2 Dominion Law Reports 647; Western Canada S. S. Co. v. Canadian Commercial Corp. 1958, 14 Dominion Law Reports, Second Series, 487. Anders der British Columbia Supreme Court in Sachen Australian Newsprint Mills Ltd. v. Canadian Union Line Ltd, 1932, 1 Dominion Law Reports 850, wo bezüglich eines nicht ordnungsgemäß gesicherten Sturmventils entschieden wurde, daß hinsichtlich der laufenden Überholung der Verfrachter auch f ü r das Verschulden der Werft und ihrer Arbeiter einzustehen habe. Im Sinne der herrschenden Auffassung siehe für die USA The Toledo, US District Court, 1939, 30 Federal Supplement 93; The Waterville Victory, US District Court, AMC 1951 S. 320. Anders als grundsätzlich die englische Ansicht neigen die amerikanischen Gerichte bei der laufenden Überholung mehr dazu, den Verfrachter f ü r Fehler der Werft und der Werftarbeiter haften zu lassen. Vgl. Bethlehem Shipbuilding Corp. v. Joseph Gutradt Co., US Court of Appeals, 1926, 10 Federal Reporter, Second Series, 769; Standard Oil Co. (N.J.) v. Anglo-Mexican Petroleum Corp. a.a.O.; General Motors Corp. v. The Olancho a. a. O. Bedient sich der Verfrachter bei der Prüfung der Seetüchtigkeit einer K l a s s i f i k a t i o n s g e s e l l s c h a f t , so kann zweifelhaft sein, ob der Verfrachter dann nicht nur f ü r deren sorgfältige Auswahl (culpa in eligendo), sondern auch für deren fachmännisches Verschulden bei Besichtigung des Schiffes aufzukommen hat (dafür W ü s t e n d ö r f e r Studien Bd. 1 S. 479ff., 497f.; P a p p e n h e i m H B 3 S. 142 und die dort Genannten; dagegen C a p e l l e , Frachtcharter 135; G r a m m , Seefrachtrecht, a.a.O.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 240; B o y e n s Bd. 2 S. 103; 318

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Anm. 9

Vierter Teil. Seehandelsrecht

B r a n d i s Bd. 2 S. 10; W i t t m a a c k ZHR Bd. 53 S. 372; S i e v e k i n g 36; S t u r m HansRG-Z 1931 A 393; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 10 zu § 559; HansOLG HansRGZ 1935, 300). Zuzustimmen ist der verneinenden Ansicht. Zwar kann Erfüllungsgehilfe auch der im Einzelfall angestellte selbständige Unternehmer sein. Doch handelt es sich bei der Klassifikationsgesellschaft um ein selbständiges Unternehmen besonderer Art. Die mehr oder weniger monopolartige Stellung der Klassifikationsgesellschaften führt dazu, daß der Reeder sich dieser Anstalten und ihrer Sachverständigen bedienen muß; irgendeine Möglichkeit der Einwirkung auf das Verhalten dieser Gehilfen hat er nicht. Er steht insoweit dem Schuldner gleich, der sich der Eisenbahn oder Post bedient. In diesen Fällen ist aber die Anwendbarkeit des § 278 BGB verneint mit dem Hinweis darauf, daß hier der Einwirkungsgedanke versage (vgl. insbesondere B r o d m a n n Jherings Jahrbücher Bd. 58 S. 224ff.). Auch ist zu erwägen, daß der Zusammenhang zwischen der einzelnen Frachtreise und den regelmäßig alle fünf Jahre wiederkehrenden Besichtigungen doch recht entfernt ist (Die Frage, ob f ü r die Klassifikationsgesellschaft seitens des Verfrachters wie für einen Erfüllungsgehilfen gehaftet werden muß, hat nichts mit der anderen zu tun, ob etwa die Klassifikationsgesellschaft in dem Klassifikationsvertrag ihre Haftung gegenüber dem Reeder ausgeschlossen hat; so in der Tat § 8 der Vertragsbedingungen des Germanischen Lloyd, wonach dieser keine Haftung übernimmt für Schäden, die aus Fehlentscheidungen oder Verschulden seiner Besichtiger entstehen). Vgl. über die Bedeutung der Zertifikate einer Klassifikationsgesellschaft im französischen Recht Kassationshof DMF 1959 S. 272 = Hansa 1960 S. 5; Appellationshof Rouen DMF 1956 S. 148; Appellationshof Paris DMF 1956 S. 153 (siehe zu den beiden letztgenannten Urteilen auch Sieg a.a.O. S. 710): Die Rechtsprechung schwankt, ob ein von der Klassifikationsgesellschaft nicht entdeckter Mangel ein „verborgener" Fehler im Sinne des Gesetzes vom 2. 4. 1936 sei. Vgl. auch M a r k i a n o s a.a.O. S. 138. Die Rechtslehre bejaht aber, daß die Experten einer Klassifikationsgesellschaft Gehilfen („préposés") des Beförderers seien, für deren Verschulden dieser einzustehen habe (so auch für die Niederlande R o y e r , Hoofdzaken der vervoerdersaanspraKelijkheid in het zeerecht, 1959, S. 329f.). Für das englische und nordamerikanische Recht siehe G ö t z a.a.O. S. 87 ff. Bei der Neuindienststellung eines Schiffes wird von der englischen Rechtsprechung angenommen, daß der Reeder für Fehler einer Klassifikationsgesellschaft bei der Prüfung der Schiffskonstruktion nicht verantwortlich sei. Vgl. W. Angliss & Co. P t y v. Peninsular & Oriental Steam Nav. Co. a. a. O. ; Waddle v. Wallsend Shipping Co., Queen's Bench Division, 1952, 2 LI. L. R. 105; Riverstone Meat Co. v. Lancashire Shipping Co. Bei der laufenden Überwachung des Schiffszustandes werden dagegen die Zertifikate der Klassifikationsgesellschaften nicht als allein ausschlaggebend angesehen, weil hier erwartet wird, daß ein ordentlicher Verfrachter den Schiffszustand auch durch seine eigenen Inspektoren überwachen läßt. Vgl. Q. Angliss & Co. P t y v. Peninsular & Oriental Steam Nav. Co. a. a. O. ; The Assunzione, br. Admiralty Div., 1956, 2 LI. L. R. 468; siehe auch Australian Newsprint Mills Ltd., British Columbia Supreme Court, 1952, 1 Dominium Law Reports 850: Das Zertifikat hat keinerlei Bedeutung, wenn es nichts über den Tatbestand aussagt, der die Seeuntüchtigkeit begründen soll. Die Rechtsprechung der USA und diejenige Kanadas sind geneigt, nicht nur bei der Überwachung des laufenden Zustands, sondern auch bei der Konstruktion von Neubauten die Klassifikationsgesellschaften als Verfrachtergehilfen anzusehen. Vgl. f ü r die Überholung etwa Western Canada SS Co. v. Canadian Commercial Corp., British Columbia Supreme Court, 1958, 14 Dominium Law Reports, Second Sériés, 487; General Foods Corp. v. The Troubadour, US District Court, US District Court, 1951, 98 Fédéral Supplement 207; The Abbazia, US District Court, 1904, 127, Fédéral Reports 495; The Louise, US District Court, 1943, 54 Fédéral Supplement 157, The Ninfa, US District Court, 1907, 152 Fédéral Supplement 410, für den Schiffsbau Peter Paul Inc. v. The M. S. Christer Sälen, US District Court, 1957, 152 Fédéral Supplement 410. Die Haftung entfällt auch für Versehen der Aufsichtsbeamten der See-Berufsgenossenschaft und der Behörden für das Auswanderungswesen (§ 30 VO über die Einrichtung von Auswandererschiffen vom 21. 12. 1956; siehe Bd. I S. 862). Sie üben obrigkeitliche Befugnisse aus und sind weder Erfüllungsgehilfen des Verfrachters noch von ihm zu einer Verrichtung bestellt ( S t u r m HansRGZ 1931 A 393; W ü s t e n d ö r f e r SHR 240). 4. Die Haftung aus § 559 entfällt, wenn der Mangel der anfänglichen See- und Ladungstüchtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht zu entdecken 314

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§559

war. Dagegen kann sich der Verfrachter bei anfänglicher See- oder Ladungsuntüchtigkeit nicht auf die Haftungsbefreiung des § 607 Abs. 2 HGB (management of the ship als Ursächlichkeit) berufen. Das deuten die HR in ihrer englischen Fassung an, wenn sie zwar in Art. I I I § 2, nicht aber in Art. I I I § 1 einen Vorbehalt machen hinsichtlich Art. IV, wozu auch Art. IV § 2 a gehört (HansRGZ1933 A447). D i e H a f t u n g a u s §559 i s t d e m K o n o s s e m e n t s i n h a b e r g e g e n ü b e r im Rahmen der §§ 662ff. HGB als M i n d e s t h a f t u n g z w i n g e n d . Um die Haftung aus § 559 zu beseitigen, ist ein Entlastungsbeweis erforderlich, vermittels dessen der Verfrachter zunächst die U r s a c h e d e r N i c h t e n t d e c k u n g des M a n g e l s a u f z u k l ä r e n u n d s o d a n n h i n s i c h t l i c h des sich h i e r a u s e r g e b e n d e n T a t b e s t a n d s d a r z u t u n h a t , d a ß i h m u n d d e n P e r s o n e n , f ü r die er v e r a n t w o r t l i c h i s t , b e i Z u g r u n d e l e g u n g d e r S o r g f a l t e i n e s o r d e n t l i c h e n V e r f r a c h t e r s ein V e r s c h u l d e n n i c h t z u r L a s t f ä l l t (RGZ 67, 304; HansOLG HansGZ 1916, 84 = LZ 1916, 705 = SeuffA Bd. 71 S. 204; s. auch HansGZ 1900, 299 = OLG Rechtspr. 1, 442). Falls die Ursache der Nichtentdeckung des Mangels aufgeklärt ist, genügt der Nachweis, daß den Verfrachter und seine Leute in dieser Hinsicht kein Verschulden trifft. Es darf der Entlastungsversuch nicht um deswillen für ungenügend erachtet werden, „weil bei der Nichtentdeckung besondere Zufälligkeiten mitgespielt haben, oder die Entdeckung bei außergewöhnlicher, nicht allgemein vorauszusehender Sachkunde oder bei Kenntnis besonderer Umstände gelungen wäre" (RGZ 67, 303). Unrichtige Beurteilung der Seetüchtigkeit braucht nicht auf Mangel an Sorgfalt, sondern kann auf Mangel an technisch-fachmännischen Urteil beruhen, der beim Verfrachter — der die Sorgfalt eines solchen und nicht die eines Schiffbauers oder Schiffsingenieurs zu vertreten hat (HansOLG HansGZ 1917, 132) — um so mehr zu entschuldigen ist, wenn seine Erfahrungen mehr kaufmännischer als technischer Art sind (RG Hansa 1913 S. 43 = EisenbE Bd. 29 S. 425 = Recht 1913 Nr. 568); bei Beurteilung von Konstruktionen braucht er regelmäßig nicht strenger zu sein als die See-Berufsgenossenschaft (HansOLG OLGRechtspr Bd. 24 S. 205 = ZVersWiss. 1912 S. 1278 = LZ 1912 S. 246 = Hansa 1912 S. 59). D i e Z u l ä s s i g k e i t des E n t l a s t u n g s b e w e i s e s f ä l l t f o r t , w e n n der V e r f r a c h t e r das Vorhandensein der S e e t ü c h t i g k e i t ohne E i n s c h r ä n k u n g g a r a n t i e r t h a t (HansOLG HansGZ 1913, 159). Doch kommt eine solche Gewährleistung in der Praxis selten vor ( W ü s t e n d ö r f e r HB 350) und kann aus der bloßen Erwähnung, daß das Schiff f ü r die Reise seetüchtig ausgerüstet gestellt werde, nicht entnommen werden (Capelle, Frachtcharter S. 144). Vgl. dazu auch HansOLG Bremen Hansa 1957 S. 1518. In englischen Charterverträgen ist seit langem eine typische Klausel heimisch über die Beschaffenheit des Schiffes und hat von dort aus fast überall im Charterverkehr Eingang gefunden. Sie lautet etwa „The said steamship being tight, staunch and strong and in every way fitted for the voyage" (vgl. HansOLG HansGZ 1913 Nr. 74) oder „Der Dampfer, der für diese Reise gut und seetüchtig ausgerüstet ist,...." oder,,.... dicht, hecht und zu der vorhabenden Seereise vollkommen seetüchtig ausgerüstet" oder „Le v a p e u r . . . étant solide et étanche et sous tous les rapports en état d'entreprendre le présent voyage" (vgl. C a p e l l e , Frachtcharter 144). Nach anglo-amerikanischer Rechtsauffassung handelt es sich bei diesen Klauseln um die ausdrückliche Verlautbarung der G a r a n t i e h a f t u n g , die dem Verfrachter nach dortigem Recht — der Carriage of Goods by Sea Act 1924 ist auf Charterverträge nicht ohne weiteres anwendbar — ohnehin obliegen kann, nur daß sich die ausdrückliche Garantie im allgemeinen auf einen anderen Zeitpunkt bezieht als die „implied warranty of seaworthiness", nämlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder des Antritts der Zureise (Capelle, Frachtcharter 144f.). Bei Anwendung deutschen Rechts sind aber diese Formeln im Zweifel trotz der englischen Auffassung nicht im Sinne einer Garantieerklärung aufzufassen. Das würde eine erhebliche Abweichung von dem in § 559 enthaltenen Verschuldensgrundsatz zugunsten des Befrachters bedeuten. Es ist vielmehr, wenn nicht ein deutlicher Hinweis wie bei der im vorhergehenden Absatz erwähnten Formel hinzutritt, davon auszugehen, daß die Parteien nur die Wiederholung der gesetzlichen Regel beabsichtigen (Capelle, Frachtcharter 145; P a p p e n h e i m H B 3 S. 147; anders HansOLG HansGZ 1926, 64 mit Bezug auf die deutsche Formel). In Art. 4 § 2p H R ist die Rede davon, daß der Verfrachter nicht aus verborgenen, bei Anwendung gehöriger Sorgfalt nicht zu entdeckenden Mängeln haften soll. Diese Bestimmung hat in der deutschen Fassung der H R keine ausdrückliche Erwähnung gefunden, weil sie 815

§559

Vierter Teil. Seehandelsreeht

selbstverständlich ist, denn verborgene Mängel können nicht schuldhaft unentdeckt sein ( G ö t z , Das Seefrachtrecht der H R , S. 94). H a f t e t der Verfrachter wegen eines bestimmten Mangels f ü r Seeuntüchtigkeit, so kommt ein verborgener Mangel nicht in Betracht. Verborgene Mängel sind Beschaffenheitsfehler des Materials (also nicht beim Gebrauch der betreffenden Sache eintretende Abnutzungswirkungen), die vom Verfrachter durch keinen technisch bekannten und praktisch üblichen Test festgestellt werden konnte ( G ö t z a . a . O . S. 94; vgl. aus der anglo-amerikanischen Rechtsprechung The Bill, US District Court 1942, 47, Federal Supplement 969; Waterman S. S. Corp. v. United States Smelting, Refining & Mining Co, US Court of Appeals. 1946, 155 Federal Reporter Second Series 687; General Motors Corp. v. The Olancho, US District Court, 1953, 115 Federal Supplement 107; Charles Brown & Co. v. Nitrate Producer's S. S. Co., King's Bench Division, 1937, 58 LI. L. R. 188; siehe auch C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S. 199; S c r u t t o n , On Charterparties and Bills of Lading, S. 485). Der Materialfehler kann das Schiff selbst betreffen, aber auch alles vom Verfrachter bei der Erfüllung des Frachtvertrages sonst benutzte Gerät. Nach C a r v e r a. a. O. kommt auch fremdes Ladungsgut in Betracht, wenn es Schaden an anderer Ladung, um dessen Ersatz es geht, verursacht. Anm. 10 5. Umfang der Haftung des Verfrachters. E r haftet f ü r jeden Schaden, nicht nur auf den gemeinen Handelswert nach Maßgabe der §§ 658, 659 HGB. Vgl. dazu Hansa 1957 S. 30: in großer Haverei gezahlten Hilfslohnanteil. Jedoch gilt auch im Falle des § 559 die s u m m e n m ä ß i g b e s c h r ä n k t e H a f t u n g aus § 660 HGB. Der Verfrachter, der gleichzeitig Reeder oder Ausrüster ist, haftet im Rahmen des § 486 HGB beschränkt auf das Schiffsvermögen. § 486 kommt aber auf einen Verfrachter, der nicht Reeder oder Ausrüster ist, auch nicht in dem Sinne zur Anwendung, daß er nur in Höhe des Wertes des Schiffsvermögens haftet. I m Rahmen des § 660 H G B haftet ein solcher Verfrachter vielmehr unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen. Vgl. auch oben Anm. 6. Die Forderung wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Güter wird, auch wenn sie ihren Grund in anfänglicher Seeuntüchtigkeit hat und sie sich allein gegen einen Verfrachter richtet, der nicht Reeder oder Ausrüster ist, durch ein S c h i f f s g l ä u b i g e r r e c h t gesichert (§ 754 Nr. 7 HGB). I m übrigen, z.B. bei den Forderungen wegen verspäteter Ablieferung der Güter, besteht ein solches nur bei gegen den R e e d e r v e r f r a c h t e r gerichteten Ansprüchen aus §§ 486 Nr. 1 und 2 HGB (§ 754 Nr. 8 HGB) oder wenn der Reeder f ü r ein Verschulden der Schiffsbesatzung nach §§ 485, 486 Nr. 3 H G B einzustehen hat (§ 754 Nr. 9 HGB). Anm. 11

G. Freizeichnungen. I s t ein Konnossement ausgestellt, so können bei der Verschiffung von Stückgütern dieVerpflichtungen desVerfrachters aus § 559 durch Rechtsgeschäft im voraus nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das gleiche gilt f ü r die sich aus diesenVerpflichtungen ergebenden Schiffsgläubigerrechte, § 662 Abs. 1. Ausnahmen ergeben sich aus §§ 663f. HGB. Siehe auch die dortigen Anmerkungen. Bei einem Raumfrachtvertrag ist danach die Freizeichnung nicht schon dann unzulässig, wenn ein Konnossement ausgestellt ist, sondern erst von dem Zeitpunkt ab, in dem dieses an einen Dritten gegeben wird, dann allerdings mit rückwirkender Kraft, § 663 a HGB. Vereinbarungen über die Erweiterung der Haftung bedürfen der Aufnahme in das Konossement, § 662 Abs. 3 HGB. Siehe über die Vereinbarkeit der Regel I D E K 1940 mit § 559 L e b u h n , Neuzeithehe Konnossementsfragen S. 16f.

Anm. 12

Soweit nach dem Vorstehenden noch eine Freizeichnung zulässig ist, gilt folgendes: Eine Freizeichnung des Verfrachters von der Verpflichtung, ein seetüchtiges Schiff zu stellen, würde gegen die guten Sitten verstoßen, ebenso die Freizeichnung f ü r die ihm bekannte Seeuntüchtigkeit ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1,482, s. aber P a p p e n h e i m H B 3 S. 148 Anm. 3; vgl. BGH N J W 1956 S. 1065 = VersR 1956 S. 367 = BB 1956 S. 377 über unzulässige Freizeichnung in den Schleppbedingungen f ü r verschuldete Seeuntüchtigkeit und wegen mißbräuchlicher Monopolstellung; dazu auch S t a h l , Betrieb 1956 S. 861). Abgesehen hiervon ist aber die Ablehnung der Haftung f ü r die Folgen der Seeuntüchtigkeit bei der L i e f e r u n g d e s S c h i f f e s zulässig (vgl. W i t t m a a c k ZHR Bd. 53 S. 393; anders M a r t i n ArchöffR Bd. 9 S. 461), ebenso diejenige der Haftung f ü r die Folgen des Übersehens der Seeuntüchtigkeit ( B r a n d i s Bd. 2 S. 10) oder eines Verschuldens des Schiffers in Erfüllung der Sorgepflicht des § 513 H G B (anders W i t t m a a c k a.a.O. S. 394). Jedenfalls muß die — wenig übliche — Freizeichnung von Seetüchtigkeit, soweit sie zulässig ist, unzweideutig erklärt werden (HansOLG HansGZ 316

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§559

1910, 138; C a p e l l e , Frachtcharter 146). Allgemein gehaltene Wendungen genügen zur Freizeichnung des Verfrachters nicht. Daher läßt die übliche Freizeichnung von „perils of the sea" und „accidents of navigation" (RG HansGZ Nr. 108, S. 205) die Haftung für Seetüchtigkeit unberührt, ebenso auch die typische Negligence-Klausel ( B o y e n s Bd. 2 S. 109, C a p e l l e , Frachtcharter 146; RGZ 120, 46; RG HansGZ 1910, 138 und 1916 Nr. 44; HansOLG HansRZ 1926, 422 ff. = HansGZ 1926 Nr. 26), und der Verfrachter ist auf den Beweis des § 559 Abs. 2 angewiesen. Ebensowenig wird die Haftung für anfängliche See- und Ladungstüchtigkeit ausgeschlossen durch Klauseln wie „frei von Beschädigung", durch die Freizeichnung von Bruch oder Leckage (HansOLG HansGZ 1916, 84 = LZ 1916, 705). Auch die Freizeichnung von der Haftung für gewisse Schäden, die mit der Beschaffenheit des Schiffskörpers zusammenhängen, nämlich von „explosions, bursting of boilers, breakage of shafts or any latent defects in or accidents to hull and/or machinery and/or boilers", oder „loss or damage resulting from. . . accidents from machinery, boilers, steam excepted" oder „not responsible for losses or averages occasioned b y . . . defects in hull, tackle boilers or machinery or appurtenances" (HansOLG HansGZ 1907, 299), befreit den Verfrachter nicht von der Verpflichtung, das Schiff bei Beginn der Reise seetüchtig zu halten. Alle diese Klauseln beziehen sich nur auf die Zeit nach Antritt der Reise, es müßte denn sein, daß die Freizeichnung einen Zusatz wie „whether such defect existed before the commencement of the voyage" oder „even if existing at the time the vessel starts on her voyage" trägt (s. auch C a p e l l e , Frachtcharter 147). — Nach BGH N J W 1956 S. 1065 = VersR 1956 S. 367 = BB 1956 S. 377 ist eine Freizeichnung von dem eigenen Verschulden des Verfrachters, seiner Organe und leitenden Angestellten auch bei Chartepartien unwirksam. Aus der englischen Praxis nach Deutschland herübergekommen sind Klauseln, die auf die Anm. 13 Milderung der strengen Haftung des anglo-amerikanischen Rechts wegen des Grades der Sorgfaltshaftung gerichtet sind. Hierher gehört die Bezugnahme auf den Carriage of Goods by Sea Act: „The owners in all matters arising under this contract shall also be entitled to the like privileges and rights and immunities as are contained in sections 2 and 5 of the Carriage of Goods by Sea Act, 1924, and in Article IV of the Schedule thereto". Eine derartige Klausel ist wirksam, denn sect. 2 des Gesetzes beseitigt den Grundsatz der Garantiehaftung; nach Art. I I I 1 und IV 1 des Rules haftet der Verfrachter nur im Falle der Sorgfaltsverletzung. Die Bedeutung der Klausel liegt also in der Beschränkung auf Haftung für Verschulden (Capelle, Frachtcharter 148). Das gilt auch, wenn -— wie fast immer •— gleichzeitig die feststehende Formel „tight, staunch and strong" verwendet wird. Die Haftung für eigenes Verschulden und das eines Erfüllungsgehilfen wird durch die Klausel nicht berührt. Klauseln wie (vgl. C a p e l l e , Frachtcharter S. 148): „The shipowners shall not be liable for loss or damage arising or resulting from unseaworthiness unless caused by want of due diligence on the part of the shipowner to make the ship seaworthy..." oder nicht verantwortlich f ü r . . . Explosionen, Platzen der Kessel... Seeuntüchtigkeit des Schiffes, selbst wenn solche Mängel bei Beginn der Reise vorhanden w a r e n . . . vorausgesetzt, daß nicht Mangel an gehöriger Sorgfalt seitens der Reederei vorliegt, vor Antritt der Reise das Schiff seetüchtig zu machen" führen zu demselben Ergebnis. Zweifelhaft aber ist, ob die gleiche Rechtswirkung der Bezugnahme auf den Harter Act zukommt, denn dieser gestattet lediglich die Freizeichnung bis auf „due diligence", beschränkt aber von sich aus die Haftung für Seetüchtigkeit gegenüber der überkommenen anglo-amerikanischen Garantiehaftung nicht (Capelle, Frachtcharter S. 147f.). Eine weitere Gruppe von Klauseln beschränkt die Haftung des Verfrachters auf den Anm. 14 Fall p e r s ö n l i c h e n V e r s c h u l d e n s des V e r f r a c h t e r s u n d g e w i s s e r i h m g l e i c h g e s t e l l t e r P e r s o n e n . So wenn der Verfrachter für auf Seeuntüchtigkeit zurückzuführende Verluste, Schäden und Verzögerungen nur zu haften hat im Falle von „personal want of due diligence on the part of the owners or their manager to make the vessel in all respects seaworthy . . . " (vgl. Schiedsspr. HansRGZ 1937 B 371 ff.), oder bei der Klausel „all the above exemptions are conditional on the ship being seaworthy when she sails on the voyage, but any latent defects in the hull (machinery) shall not be considered unseaworthiness, provided the same do not result from want of due diligence of the owners or any of them or by the ship's husband or manager" (vgl. HansOLG HansGZ 1902,151 und 1913,256; über die Entstehungsgeschichte der Klausel s. C a p e l l e , Frachtcharter 149f.). Nach HansOLG HansGZ 1902, 151 soll sich die Klausel ausschließlich beziehen auf den Fall von Fehlern, die nicht bloß ohne Verschulden 817

§559

Vierter Teil. Seehandelsrecht

unerkannt geblieben sind, sondern die objektiv ihrer N a t u r nach unentdeokbar waren. Richtiger Auffassung nach besagt die Klausel, daß es genügt, wenn der Verfrachter alle erforderliche Sorgfalt aufgewendet h a t ( C a p e l l e , Frachtcharter S. 150). Die Klausel beseitigt darüber hinaus jede H a f t u n g außer bei Verschulden des Verfrachters selbst. Die Hervorhebung des owners neben „the ship's husband or manager" ist in diesem Sinne zu deuten ( W ü s t e n d ö r f e r , Studien S. 379, 391, 482; C a p e l l e s. a.a.O.). Zu erwähnen sind weiter die Klauseln: „it ia expressly declared, t h a t the company is not liable for loss or damage occasioned by any defects whatsoever in t h e hull, machinery or equipment of this v e s s e l . . . whether such defects existed before the commencement of or arose or developed during t h e voyage p r o v i d e d a l l r e a s o n a b l e m e a n s h a v e b e e n t a k e n t o m a k e t h e v e s s e l s e a w o r t h y " , oder „free for damage from unseaworthiness of the vessel, p r o v i d e d a l l r e a s o n a b l e m e a n s h a v e b e e n t a k e n t o p r o v i d e a g a i n s t t h e s a m e ( B o y e n s Bd. 2 S. 109 Note 10). Besonders weitgehend ist die Klausel: „in accepting this bill of lading the shipper expressly agrees t h a t t h e steamer is seaworthy and reasonable fit for the carriage of t h e cargo herein contracted t o be carried, at t h e time of starting on t h e voyage, and under no circumstances is such seaworthiness or fitness to be questioned". Diese Klausel schließt aber Anfechtung wegen I r r t u m s nicht aus ( B o y e n s Bd. 2 S. 109 Note 10; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1 S. 483). Anm. 15

Haftungsablehnung f ü r w ä h r e n d d e r R e i s e durch Verschulden von Organen des Reeders nachträglich eintretende Seeuntüchtigkeit erfolgt namentlich durch die Negligence-Klausel. Vgl. Anm. 49 Anhang zu §§ 662—663 HGB.; siehe auch W ü s t e n d ö r f e r , Studien a. a. O. S. 483.

Anm. 16

7. Die Beweislast regelt sich verschieden, j e n a c h d e m d e r B e f r a c h t e r d i e L a d u n g mit dem ihm gestellten Schiff vorbehaltlos h a t abreisen lassen oder nicht (vgl. R O H G 23 Nr. 5). a) H a t e r es n i c h t g e t a n , ist er z.B. mit Rücksicht auf den ihm bekannt gewordenen seeuntüchtigen Zustand des vor der Abreise stehenden Schiffes gemäß §§ 326, 327 B G B vom Vertrage zurückgetreten, so h a t der Rechte aus dem Vertrage herleitende Verfrachter seine Erfüllungsbereitschaft zu erweisen; hierzu gehört der Nachweis der bestrittenen See- und Ladungstüchtigkeit (vgl. W i t t m a a c k Z H R Bd. 63 S. 390; G r a m m , Seefrachtrecht A n m . I V 2 zu § 559).

Anm. 17

b) H a t e r es g e t a n , so nahm die zu § 559 a . F . herrschende Lehre an (vgl. die Vorauflage dieses Kommentars Anm. 6 zu § 559), er habe dann stets „die ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen". I h n treffe also nach § 363 BGB die Beweislast dafür, daß das Schiff im Augenblick der Abreise nicht seetüchtig gewesen sei (ROHG 23, 21; B r a n d i s Bd. 2 S. 10; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 585; M a r t i n A r c h ö f f R Bd. 9 S. 461; s. W i t t m a a c k ZHR Bd. 53 S. 385). Eine Ausnahme wurde nur f ü r den Stückgüterverkehr anerkannt, weil der Befrachter hier wohl stets nicht in der Lage sein werde, den Zustand des Schiffes prüfen zu können ( B o y e n s Bd. 2 S. 10; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 586). P a p p e n h e i m Bd. 3 S. 145 Anm. 1 machte geltend, daß dies auch beim Raumfrachtvertrage nicht stets anders liege. Hingegen legte HansOLG HansRGZ 1932 B 51 dem Befrachter auch im Stückgutfrachtvertrag den Beweis dafür auf, daß das Schiff bei Beginn der Reise seeuntüchtig war (dagegen S c h a r l a c h Hans RGZ 1932 A 237). Nach der jetzigen Fassung des § 559 Abs. 2, in dem nicht mehr von der H a f t u n g des Verfrachters f ü r den aus d e m mangelhaften Zustand des Schiffes entstehenden Schaden, sondern ganz allgemein von e i n e m Mangel der See- oder Ladungstüchtigkeit gesprochen wird, braucht der Befrachter nicht mehr nachzuweisen, daß es sich um eine a n f ä n g l i c h e See- oder Ladungsuntüchtigkeit handelt. Es genügt der Nachweis irgendeines Mangels der See- oder Ladungstüchtigkeit, seines Schadens und des ursächlichen Zusammenhangs zwischen beiden, wofür ihm in vielen Fällen die Grundsätze des prima-facie-Beweises zur Seite stehen mögen, z.B. wenn das Schiff bald nach Verlassen des Hafens ohne erkennbaren Grund leckspringt oder sinkt ( G r a m m , Seefrachtrecht Anm. IV 1 zu § 559; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 19 zu § 559). Sache des Verfrachters ist es sodann, sich und seine Leute in der Verschuldensfrage zu entlasten (Schiedspr. in HansRGZ 1937 B Nr. 152), indem er nachweist, daß es sich u m eine n a c h t r ä g l i c h e See- oder Landungsuntüchtigkeit handelt oder um einen solchen Mangel, der bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters bis zum A n t r i t t der Reise 818

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§559

des Schiffes nicht zu entdecken war ( G r a m m , Seefrachtrecht a.a.O.; W ü s t e n d ö r f e r SRH 242; s. auch C a p e l l e , Frachtcharter S. 1413; M a r k i a n o s a.a.O. S. 135 Anm. 29). Vgl. f ü r die Rechtslage im englischen R e c h t C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S. 195 Note 3, S c r u t t o n , On Charterparties and Bills of Lading S. 482, A s t l e , Shipowners cargo liabilities and immunities, 2. Aufl. London 1954 S.227, im italienischen Recht B e r l i n g i e r i , La polizza di carico e la convenzione internazionale di Bruxelles, 1932 S. 186f., f ü r das französische A u d o u i n , Revue Dor Bd. 7 S. lff. Bei dieser Verteilung der Beweislast wird es gegenüber dem Stückgutbefrachter in den allermeisten Fällen bleiben (anders die oben erwähnte, aber noch zur Zeit der alten Fassung des §559 erlassene Entscheidung des HansOLG in HansRGZ 1932 B 51 ff.). Zuungunsten des Charterers kann sich eine Verschiebung der Beweislast aus § 363 BGB nur ergeben, wenn er das als Erfüllung angebotene, schuldhaft seeuntüchtige Schiff nach den Fallumständen „als Erfüllung angenommen" hat. Ob das vorliegt, können nur die k o n k r e t e n Umstände ergeben. Die Unterlassung eines Vorbehalts allein genügt dazu nicht mehr ( C a p e l l e , Frachtcharter 142). Vielmehr wird im allgemeinen zu fordern sein, daß der Gläubiger die Möglichkeit hat, die angebotene Leistung bei der Annahme auf ihre Vertragsmäßigkeit zu prüfen. Eine solche Möglichkeit kann f ü r den Raumbefrachter gelegentlich gegeben sein. I m allgemeinen wird ihm die Prüfung jedoch dadurch erschwert, daß er kein Recht zum Betreten des Schiffes hat, soweit ihm dies nicht ausdrücklich gestattet ist. Konnte er aber vor der Beladung das Schiff durch einen Sachverständigen auf seine Seetüchtigkeit prüfen lassen und lädt dann vorbehaltlos ab, so ist der Fall des §363 BGB gegeben ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 242; C a p e l l e a.a.O.). Art. 459 W v K gewährt dem Charterer ausdrücklich das Recht, das Schiff vor dem Beginn der Beladung auf seinen Zustand prüfen zu lassen. Ein S e e t ü c h t i g k e i t s a t t e s t (Fahrterlaubnisschein) der Seeberufsgenossenschaft oder Anm. 18 die K l a s s e n b e s c h e i n i g u n g des Germanischen Lloyd oder einer anderen international anerkannten Klassifikationsanstalt sind f ü r die Erbringung des Beweises von besonderer Bedeutung und begründen in vielen Fällen eine tatsächliche Vermutung f ü r das Bestehen der Seetüchtigkeit ( W ü s t e n d ö r f e r H B 192f.; d e r s . SHR 242; C a p e l l e , Frachtcharter 143; RG J W 1937 S. 1920; RG HansRGZ 1935 B 299; Hans OLG HansRZ 1925 Sp. 942; Hansa 1957 S. 537; LG Hamburg HansRGZ 1943 B 63; ebenso die französische Auffassung f ü r die „certificats de visite" und die belgische f ü r die „permis de navigation" — vgl. Revue Dor Bd. 2 S. 254f.; S m e e s t e r s Bd. I S. 414; siehe f ü r die Niederlande auch Art. 459 WvK). Entscheidend sind diese Urkunden aber nicht (RG J W 1937 S. 1920: keine weitergehende Bedeutung als die eines vom Gericht nach seinem Wert zu würdigenden Beweismittels ; ebenso Schiedspr. HansRGZ 1937, 377). Vgl. D o r , Bill of Lading bleuses, S. 131ff.; M a r k i a n o s a.a.O. S. 138; R o y e r a.a.O. S. 333 f.; K n a u t h , The American Lawof Ocean Bills of lading, 4. Aufl. 1953, S. 187; F r a i k i n , Traité de la responsabilité du transporteur maritime, 1957 5. 223. Siehe auch HG Rouen DMF 1953 S. 84; HG Seine DMF 1954 S. 486; 1951 S. 514. IV. Ausländische Rechte. Nach anglo-amerikanischem Seerecht hat außerhalb der Haager Anm. 19 Regeln der Verfrachter f ü r die Schiffstauglichkeit u n b e d i n g t e i n z u s t e h e n . Er wird so angesehen, als habe er eine Garantie („implied warranty") f ü r sie übernommen ( C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S.76, 80; K n a u t h a.a.O. S. 192f.; S c r u t t o n a.a.O. S. 96, 100). I m nordamerikanischen Harter Act wurde diese Rechtslage zwar nicht abgeändert; es wurde jedoch dem Verfrachter gestattet, eine Sorgfaltshaftung (due diligence) zu vereinbaren. Die H R verlangen die „implied warranty of seaworthiness" nicht, und so wurde sie auch in sect. 5 des englischen Carriage of Goods by Sea Act, 1924, abgeschafft, ebenso im kanadischen Water Carriage of Goods Act (sect. 3), im australischen Sea Carriage of Goods Act (sect. 5), in den entsprechenden Gesetzen von Indien (sect. 3), Ceylon (sect. 3) und Neuseeland (sect. 8), ferner in allen sonstigen die Haager Regeln in Teilen des Britischen Commonwealth einführenden Gesetzen (vgl. M a r k i a n o s a.a.O. S. 133). Auch der US Carriage of Goods by Sea Act von 1936 erwähnt die warranty nicht mehr. Die Doktrin wird deshalb in den USA bezüglich des auswärtigen Verkehrs, f ü r den das Gesetz gilt, nicht mehr zur Anwendung gebracht. Dagegen hat sie f ü r den innerstaatlichen Küstenverkehr nach wie vor Gültigkeit (vgl. K n a u t h , On Ocean Bills of Lading, 4. Aufl. 1953 S. 193). Der Begriff der due diligence bezieht sich auf das sorgsame Verhalten eines ordentlichen Verfrachters (vgl. dazu z.B. Spencer Kellog & Sons 319

§560

Vierter Teil. Seehandelsrecht

v. Great Lakes Transit Corp., US District Court, 1940, 32 Fédéral Supplement 520; General Foods Corp. v. The Troubador, US District Court, 1951, 98 Fédéral Supplement 203; The Assunzione, brit. Admiralty Division, 1956, 2 LLR 468; Compagnie Algérienne de Meunerie v. Katana, brit. Court of Appeal LL vom 2. 3. 1960 = Hansa 1960 S. 695). Die zu stellenden Anforderungen hängen viel von den Umständen des einzelnen Falles ab, wobei nur das in dem maßgeblichen Zeitpunkt verfügbare technische Wissen in Betracht kommt (Götz, Seefrachtrecht der H R S. 82; Western Canada S. S. Co. v. Canadian Commercial Corp., British Colonial Supreme Court, 1958, 14 Dominion Law Reports, Second Sériés 487; Peter Paul Inc. v. The Motor Ship „Christer Salen", US District Court, 1957, 152 Fédéral Supplement 410). Der Begriff umfaßt insbesondere die Verpflichtung zur Überprüfung der Schiffsanlagen und -einrichtungen zwecks Feststellung von Mängeln und Schäden, bevor diese gefährlich werden können. Stellen sich Fehler heraus, die bei ordnungsgemäßer Überprüfung rechtzeitig hätten entdeckt werden können, so ergibt sich hieraus allein eine Pflichtverletzung des Verfrachters (US Court of Appeals, Fifth Circuit, AMC 1956 S. 1750 = LL vom 4. 1. 1957 = Hansa 1957 S. 998 = Recht der Schiffahrt 35-16-15 (Bd. I I Heft 2). — Über prima-facie-Beweis für die Seeuntüchtigkeit eines 39 Jahre alten Schiffes, das seit Jahren nicht überholt war, vgl. brit. Admiralty Division LL vom 8. 2. 1956 = Hansa 1957 S. 430. Auch in den Ländern des r o m a n i s c h e n R e c h t s k r e i s e s hatte der Verfrachter vor Einführung der Haager Regeln ähnlich wie nach damaligem anglo-amerikanischem Recht für das Vorhandensein der Seetüchtigkeit unbedingt einzustehen (vgl. R i p e r t , Droit Maritime Nr. 1398 und 1707 und f ü r Belgien S m e e s t e r s Bd. I S. 415f.). Doch wurde in Frankreich und in Belgien von dem Grundsatz der Garantiehaftung eine Ausnahme f ü r „verborgene Fehler" (vices cachés) gemacht. Mit Ausnahme des die Haager Regeln in Frankreich einführenden Gesetzes vom 2. 4. 1936, das keine Vorschrift über die See- und Ladungstüchtigkeit enthält, wird aber nach Einführung der Haager Regeln heute auch in den sonstigen Ländern des romanischen Rechtskreises von der Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Schiffstüchtigkeit ausgegangen (vgl. M a r k i a n o s a. a. 0 . S. 133). Doch kommt die Rechtslage in Frankreich derjenigen in den sonstigen Mitgliedstaaten der HR im Ergebnis sehr nahe. Nach dem Gesetz vom 2. 4. 1936 obliegt dem Verfrachter der Nachweis, daß der Schaden, wenn er nicht für ihn haften will, auf einer der in Art. 4 des Gesetzes aufgeführten Ursachen beruht. Insbesondere kommen hierfür die schon in Anm. 6 erwähnten verborgenen Mängel des Schiffes in Betracht. Vielfach wird angenommen, ein verborgener Mangel liege vor, wenn er durch eine aufmerksame, aber nicht über das verkehrsübliche Maß hinausgehende Sorgfalt nicht zu entdecken gewesen sei (vgl. M a r k i a n o s a.a.O. S. 136 und die dort in Anm. 32 gemachten Angaben aus Schrifttum und Rechtsprechung, insbesondere Cour Rouen DMF 1953 S. 84 und 1956 S. 148). Dagegen wurde vom Appellhof Paris DMF 1956 S. 153 = MDR 1956 S. 710 (mit Anm. von Sieg) = Recht der Schiffahrt 35-16-14 (Bd. I I Heft 2) eine über das verkehrsübliche Maß hinausgehende Sorgfalt verlangt, eine „vérification plus attentive". Insbesondere soll die Vorlage des Klassifikationsattestes nicht ausreichen. Vgl. weiter Kassationshof Paris DMF 1959 S. 274 = Hansa 1959 S.2525 wegen Beschädigung der Ladung durchWasser aus den Ballasttanks wegen Undichtigkeit des Mannlochverschlusses. Siehe das gleiche Gericht DMF 1960 S. 141 = Hansa 1960 S. 1851 wegen Durchrostens einer Platte und dadurch verursachten Wassereinbruch. In beiden Fällen wurde die Annahme eines verborgenen Fehlers abgelehnt, ebenso vom AppG Aix-en-Provence, Internationale Transport-Zeitschrift 1961 S. 105, wo Korrosionsschäden am ölbunker nicht festgestellt waren. In allen übrigen Ländern, die die Haager Regeln eingeführt haben, hat der Verfrachter nur gehörige Sorgfalt bezüglich der anfänglichen See- und Ladungstüchtigkeit zu vertreten. Vgl. M a r k i a n o s a.a.O. S. 132ff. mit weiteren Nachweisen. Das gilt auch nach den Gesetzen von Indonesien, Surinam und Curacao, weil diese es dem Verfrachter gestatten, seine Haftung auf „due diligence" zu beschränken. — Siehe für die Niederlande auch Gerichtshof Amsterdam Schip en Schade 1957 Nr. 70. § 560 Der Schiffer hat zur Einnahme der Ladung das Schiff an den vom Befrachter oder, wenn das Schiff an mehrere verfrachtet ist, von sämtlichen Befrachtern ihm angewiesenen Platz hinzulegen. 820

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§560

Erfolgt die Anweisung nicht rechtzeitig oder wird nicht von sämtlichen Befrachtern derselbe Platz angewiesen oder gestatten die Wassertiefen, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht, so hat der Schiffer an dem ortsüblichen Ladungsplatz anzulegen. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 165£f.; J a n t z e n , Quelques observations sur la règle „so near as", Revue Dor 1925 S. 1; P a p p e n h e i m H B 3 S. 150fif.; W a r o t , La clause „Aussi près que . . ." et les clauses de „Safe port" et de „Safe b e r t h " d a n s les chartesparties, DMF 1960 S. 323ff.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 247; d e r s . Studien 182fL; S t e p h e n s , The Law relating to Demurrage, 1907; T i b e r g , The Law of Demurrage, 1960. Ladungsplatz. Die Bestimmung bezieht sich nicht auf den Fall, daß der Schiffer vom Einleitung Befrachter angewiesen wird, in einem auswärtigen Hafen Ladung einzunehmen; er betrifft nur die Wahl des Ladungsplatzes innerhalb des Abladehafens (vgl. ROHG 19, 285ff.). E r gilt seinem Buchstaben nach f ü r jede Art des Frachtvertrages (anders §§ 27, 40 BSchG), ist jedoch im S t ü c k g ü t e r v e r k e h r von der Verkehrstechnik überholt. Wurde hier das Ladungsgut nicht schon vorher in einem bestimmten, öffentlich bekannt gemachten Lagerschuppen der Reederei am Kai übernommen, so erfolgt die Abladung am festen Liegeplatz der betr. Linie, f ü r Außenseiterschiffe am ortsüblichen Liegeplatz ( W ü s t e n d ö r f e r Studien 1, S. 196undSHR247). 1. Abladungshafen. 1. D e r Ladungsplatz setzt einen Abladungshafen voraus, d.h. einen Anm. 1 Hafen, in welchem das Schiff die zu befördernden Güter aufnehmen soll ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 150). Die Bestimmung desselben erfolgt entweder von vornherein im Vertrage oder sie soll erst später durch den Charterer auf Grund eines entsprechenden Vorbehalts in der Charter vorgenommen werden, z.B. im Orderhafen (vgl. M a c l a c h l a n , Law of Merchant Shipping, 7. Aufl. 1932 S. 301; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 182£f.; C a p e l l e a.a.O. S. 165). Dabei ist der Kreis der zur Wahl gestellten Häfen regelmäßig irgendwie beschränkt. Entweder wird ein bestimmtes Küstengebiet genannt („to a safe port in the United Kingdom or on the Continent between Havre and Hamburg both included", vgl. W ü s t e n d ö r f e r Studien I S . 183) öderes werden auch mehrere bestimmte Häfen einzeln aufgezählt. Auch eine Kombination von beidem findet sich. Es entsteht so eine Verbindlichkeit mit Wahlschuldmoment unter Wahlrecht des Gläubigers, wob ei die Fracht verschieden bemessen sein kann, je nachdem, welchen Hafen der Chartererwählt ( C a p e l l e a.a. O. S. 166). Mangels anderer Vereinbarung gelten f ü r die Wahl die §§ 262ff. BGB. Wenn auch der Charterer seine Wahl a l s b a l d zu treffen hat, so entspricht es doch mangels sonstiger Vereinbarung der Interessenlage, daß seine Wahlerklärung solange rechtzeitig ist, als es dem Schiff noch möglich ist, den Ladehafen zu dem im Vertrage vorgesehenen Zeitpunkt zu erreichen ( C a p e l l e a.a.O. S. 167). Bei der Ordererteilung handelt es sich um eine zur Bewirkung der Leistung des Verfrachters erforderliche Gläubigerhandlung ( W ü s t e n d ö r f e r Studien S. 184) die der Ablader nur als Vertreter des Befrachters (Charterers) ausüben kann. Kommt deshalb der Charterer ihrethalben in Verzug (§ 295 BGB), so hat er dem Verfrachter nach § 304 BGB seine Mehraufwendungen zu ersetzen und ihm nach § 642 BGB eine angemessene Entschädigung zu gewähren ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 399; vgl. von Auslandsrechten Art 519c niederl. W v K ; Art. 294 franz. c com.; Art. 96, 99 skand. Seegesetz und zu letzterem C a p e l l e a.a.O. S. 168). Unter den Voraussetzungen des § 264 Abs. 2 BGB geht das Wahlrecht auf den Verfrachter über. Indessen ist in den üblichen Charterklauseln vorgesehen, daß die Verzögerung der Wahl zunächst nur in der Weise zu Lasten des Charterers gehen soll, daß die Zeit des „waiting for order" als Ladezeit zählt. Es erhöht sich also f ü r den Charterer die Gefahr, liegegeldpflichtig zu werden, oder es ist f ü r die übermäßige Wartezeit ohne weiteres Liegegeld zu zahlen (vgl. C a p e l l e a.a. O. S. 169 mit näheren Angaben über die Klauseln). In derartigen Klauseln ist gleichzeitig die Hinausschiebung des Übergangs der Wahlbefugnis auf den Verfrachter bis zum Ablauf der Wartezeit zu sehen ( C a p e l l e a.a.O.). Vgl. über die Anwendbarkeit des § 265 BGB auf den hier behandelten Sachverhalt C a p e l l e a.a.O., W ü s t e n d ö r f e r SHR 259 und RGZ 90, 294: Wird die Zureise zu einem der wählbaren Häfen unmöglich, so t r i t t nicht gemäß dem nachgiebigen § 265 BGB eine Konzentration der Wahlschuld auf die übrigen Leistungsfälle ein. Vielmehr erfordert die Interessenlage, daß der Charterer sich endgültig f ü r den von der Unmöglichkeit betroffenen Hafen entscheiden kann mit den Rechtsfolgen der §§ 306, 275, 323 BGB (anders W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 185). 2. Der Befrachter hat, wo ihm die nachträgliche Wahl zusteht, nur einen safe port zu wählen, d. h. einen solchen Hafen, in welchem das Schiff weder aus politischen Ursachen (Kings Bench 21

Schaps-Abraham, Seerecht II

821

Anm. 2

§ 560

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Division ZVersWiss. Bd. 17 S. 566; P a p p e n h e i m H B 3 S. 151: Gefahr der Wegnahme; safe and convenient port : RGZ 89, 329) noch aus sanitären oder elementaren Gründen Gefahr läuft. Das Schiff muß ohne Gefahr in den Hafen gelangen können, ebenso muß ihm das Verlassen des Hafens in beladenem Zustand in voller Sicherheit möglich sein. Vorübergehende Erschwerungen, wie zeitweiliger besonders niedriger Wasserstand, bleiben dabei außer Betracht ( C a p e l l e a.a.O.; HansOLG HansGZ 1900, 201; siehe für das australische Recht auch Hansa 1956 S. 1713). Schäden am Schiff durch Zufälle in einem im übrigen sicheren Hafen gehen zu Lasten des Verfrachters (Rotterdamer Schiedsspruch, Schip en Schade 1960 S. 33). Die Eigenschaft eines Hafens als safe port wird indessen nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Schiff bei normalem Wasserstande in beladenem Zustand ihn nicht erreichen bzw. nicht verlassen kann, so daß Ableichterung erforderlich bzw. die Beladung außerhalb des Hafens vorzunehmen ist (HansOLG HansGZ 1892 Nr. 21 und HansGZ 1900 Nr. 100; RG HansGZ 1901 Nr. 90; P a p p e n h e i m H B 3 S. 151 Anm. 2; anders B o y e n s Bd. 2 S. 112). Wieweit und mit welchen Rechtsfolgen der Verfrachter, der bei Eingehung des Vertrages bzw. Annahme der Order den vereinbarten Hafen irrtümlich für einen safe port gehalten hat, den Vertrag anfechten kann, regelt sich nach §§ 119ff. BGB (Näheres bei B o y e n s Bd. 2 S. 112; P a p p e n h e i m HB 3 S. 152; W ü s t e n d ö r f e r Studien 1 S. 185). Nach B r o d m a n n KrVJSch Bd. 48 S. 95 und C a p e l l e a.a.O. S. 170 Anm. 36 ist f ü r eine Anfechtung kein Raum: Kennt der Verfrachter die Eigenschaften des Hafens nicht und hatte der Charter ihm schuldhaft die Order erteilt, so werde man ihm einen Anspruch auf Ersatz des etwa entstandenen Schadens zuerkennen müssen. Dieser sei mit W ü s t e n d ö r f e r a.a.O. f. durch analoge Anwendung der §§ 304, 642 BGB zu begründen. Über beschränkte Geltung einer Streikklausel bei mehreren wahlweise zugelassenen Ladehäfen und Ladungsarten siehe brit. Court of Appeal LL. von 21. 12. 1959 = Hansa 1960 S. 294 (in Bestätigung von Queen's Bench Division Hansa 1959 S. 1048 = L L vom 17. 2. 1958 i.S. South African Despatch Line v. Owners of S.S. „Viki"). Anm. 3

3. Hindernisse der Fahrt zum Abladungshafen können Unmöglichkeit der Erfüllung herbeiführen oder zum Rücktritt vom Vertrage berechtigen (§ 629 HGB). Sind sie nur vorübergehend (Eis, niedriger Wasserstand), so ist in der Regel ihre Beseitigung abzuwarten; wo nicht, so sind etwaige Mehrkosten, sofern sie nicht vom Befrachter verschuldet sind oder in der Natur der Ladung oder in persönlichen Verhältnissen des Befrachters ihren Grund haben, im Zweifel nach § 621 HBG vom Verfrachter zu tragen (vgl. P a p p e n h e i m HB 3 S. 152 und HG und OG Hamburg HansGZ 1875 S. 207 und 327). Wenn aber der Frachtvertrag die Klausel enthält, es sei zu laden , , a t t h e p o r t of X . or so n e a r u n t o as s h e s a f e l y m a y g e t a l w a y s a f l o a t " oder dergleichen (in Zeitcharterverträgen etwa : „The vessel to be employed between good and safe ports or places where she can safely lie always afloat"; vgl. Baltimel939), so ist das Schiff nur verpflichtet, so nahe an den Abladungshafen heranzukommen, als es ohne Gefahr •— beim Einlaufen und beim späteren Auslaufen im beladenen Zustande ( S t e p h e n s , Demurrage, 1907, S. 27) — dazu imstande ist. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Klausel ist zwar nicht ein dauerndes (so P a p p e n h e i m HB 3 S. 153 und die Vorauflage dieses Kommentars), aber auch nicht bald vorübergehendes, durch dem Verfrachter zuzumutendes Warten oder verständige Maßregeln zu umgehendes Hindernis. Vgl. f ü r das englische Recht, das bezüglich der zumutbaren Wartezeit eine gewisse Strenge gegenüber dem Verfrachter zeigt (reasonable time fixed by commercial considérations and by the nature of the voyage), C a r v e r , Carriage of Goods by Sea, S. 421, 675; S c r u t t o n , Charter Parties Art. 37; S t e p h e n s a.a.O. S. 23; für das amerikanische Recht P o o r , On Charter Parties, S. 36; für das belgische Recht Gericht Ostende Revue Autran Bd. 23 S. 104, Gericht Gent Revue Autran Bd. 15 S. 539, Gericht Antwerpen, Jurisprudence du Port d'Anvers 1943 S. 101 : „que le tirant d'eau trop élevé du navire ne peut pas être considéré comme rendant l'accès du port impossible lorsqu'un allégement modéé et raisonable aurait permis au navire de poursuivre sa route". Für die Niederlande vgl. die gesetzliche Regelung der „so near as"-Klausel in Art. 519 g WvK. Siehe auch Gericht Amsterdam Revue Dor Bd. 25 S. 392 und Bd. 30 S. 367. Im französischen Recht ist bestritten, ob die Klausel nur in Fällen höherer Gewalt zur Anwendung kommt (so Gericht Caën DMF 1958 S. 456; vgl. W a r o t a.a.O. S. 327); siehe auch die Entscheidungen Revue Autran Bd. 21 S. 848 (Gericht Bordeaux) und Revue Autran Bd. 31 S. 477) oder auf Ereignisse, die bei Abschluß des Vertrages voraussehbar waren (vgl. 322

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§560

G o v a r e DMF 1959 S. 54; Capelle a.a.O. S. 172f.; siehe auch die Entscheidungen Revue Autran Bd. 21 S. 115, Gericht Aix Revue Autran Bd. 17 S. 719 und Gericht Rennes Revue Autran Bd. 22 S. 289). Die Blockierung des Hafens durch Eis gibt z.B. regelmäßig dem Schiff nicht das Recht, sich auf die Klausel „oder so nahe wie der Dampfer sicher kommen kann", zu berufen (HansOLG HansRGZ 1920, 135; Grau v. General S . N . C o . , 1950, 2 Kings' Bench Division 383), ebenso nicht die Tide oder das Warten auf das Eindocken. Liegt aber ein Hindernis in dem oben geschilderten Sinne vor, so hat der Verfrachter seine Pflicht getan, wenn er das Schiff nur bis zu dem Punkte bringt, zu dem das Schiff sicher kommen kann, gleichviel ob derselbe in oder auch nur in der Nähe des vereinbarten Abladehafens belegen ist oder nicht. Ob dem Befrachter, der sich auf die Klausel eingelassen hat, bei berechtigtem Nichteinlaufen des Schifies in den Abladehafen die Beladung außerhalb des letzteren zuzumuten ist, ob er also daraus einen ihm nicht schon auf Grund Gesetzes oder sonstiger Vertragsbestimmungen zustehenden Rücktrittsgrund herleiten kann, ist Frage des Einzelfalles. Daß er, nicht das Schiff die Kosten der Hinschaflung der Ladung zu tragen hat, ergibt § 561 HGB. Über die mehr für die Löschung als für die Ladung praktisch werdende Klausel, welche von der älteren deutschen Praxis meist mißverstanden worden ist, vgl. auch Anm. 5 zu § 592 HGB. Siehe auch Capelle a.a.O. S. 174 mit weiteren Einzelheiten. — Vgl. auch § 637 HGB und die dortigen Anmerkungen. — Umstritten ist, ob die Klausel zur Anwendung kommen kann, wenn das Nichterreichen des Hafens in den „Verhältnissen des Schiffes" selbst begründet ist, z. B. in seinen zu großen Abmessungen. Das wird im Falle der culpa in contrahendo zu verneinen sein. Bejahender die neue anglo-amerikanische Rechtsprechung; vgl. z.B. The Dean H (New Yorker Schiedsspruch AMC 1953 S. 593); vgl. zu der Frage T i b e r g a.a.O. S. 227 f. — Ist behördlicherseits das Anlaufen des Ladehafens von einer besonderen Erlaubnis abhängig gemacht und wird diese nur erteilt, wenn nachgewiesen wird, daß die Ladung am Ladeplatz tatsächlich bereit gestellt ist, so ist die Beschaffung der Erlaubnis Sache des Befrachters oder seines Abladers (so für das englische Recht Queen's Bench Division L L vom 19. 11. 1957 = Hansa 1958 S. 315 = Recht der Schiffahrt 35-19-02). II. Ladungsplatz im Abladehafen. 1. Die Wahl des Ladungsplatzes hat, sofern nicht etwa das Schiff ohne Rücksicht hierauf an b e h ö r d l i c h v o r g e s c h r i e b e n e n P l ä t z e n seine Ladung einzunehmen hat oder eine genaue Bezeichnung des Ladeplatzes nicht bereits in der Charter erfolgt ist, grundsätzlich der Befrachter (ebenso § 77 skand. Seegesetz; Art. 5181 niederl. WvK) bzw. der ihn vertretende Ablader ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 155). Wenn er, sei es im voraus, sei es nach erfolgter Anzeige der Ladebereitschaft (ROHG 19, 290; RG Bolze Bd. 15 Nr. 337) dem Schiffer einen bestimmten Ladungsplatz angewiesen hat, so hat dieser an denselben das Schiff zur Einnahme der Ladung hinzulegen. Ein Recht hierauf hat aber der Befrachter immer nur dem Schiffe gegenüber, er hat nicht etwa bei der Kaiverwaltung den Liegeplatz des Schifies auszumachen ( M a t h i e s HansGZ 1913, 226). Der Befrachter haftet für Verschulden in der Auswahl des Ladeplatzes aus positiver Vertragsverletzung (vgl. BGHZ 11, 83; siehe auch RGZ 40, 301; dagegen nimmt P a p p e n h e i m H B 3 S. 160 an, daß der Befrachter nur aus unerlaubter Handlung haftet; ebenso M i t t e l s t e i n H B 160, sofern es sich um eine öffentliche Anlegestelle handelt). Regelmäßig kann nach deutschem Recht (sofern nicht ein anderer Hafenbrauch besteht; vgl. P a p p e n h e i m H B 3 S. 155; Anm. 7 zu § 592 HGB; anders teilweise § 78 skandinavische Seegesetze, Art. 5181 Abs. 3 niederl. WvK) der Charterer nur verlangen, daß an e i n e m Ladeplatz angelegt wird. Doch kann die Weigerung, weitere Plätze aufzusuchen, nach den Umständen einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellen, wenn der Charterer sich erboten hat, die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen. Anders, wenn ausdrücklich „one berth only" vereinbart ist.

Anm. 4

Sind m e h r e r e B e f r a c h t e r vorhanden, so steht die Wahl ihnen allen zusammen zu. Ob und wie sie sich einigen, ist ihre Sache (ROHG 19, 290); die Anweisung an den Schiffer hat von allen übereinstimmend zu ergehen. Siehe unten zu 2b. 2. Das Recht des bzw. der Befrachter, den Ladungsplatz anzuweisen, ist bedingt (RGZ 15, 159), und zwar auch wenn es auf Vertrag beruht, a) durch rechtzeitige Ausübung. R e c h t z e i t i g ist sie, wenn sie so frühzeitig erfolgt, daß der Beginn der Ladezeit nicht dadurch verzögert wird (ROHG 19, 290). Das Recht 21'

828

Anm. 5

§560

Amn. 6

Anm. 7

Vierter Teil. Sechandelsrecht

erlischt durch Verweigerung einer Erklärung, der eine ausweichende Antwort gleichzustellen ist (ROHG a.a.O.). Enthält die Charter die Klausel: „The ship shall load (discharge) always afloat in a customary manner at any safe berth . . . as ordered by Charterer's Agents, if required . . ." oder dgl., vermöge deren die Ladezeit (Löschzeit) erst nach Erreichung des vom Agenten des Charterers angewiesenen Ladeplatzes (Löschplatzes) beginnen soll (vgl. P a p p e n h e i m H B 3 S. 159 Anm.2), so bedeuten die Worte „if required", daß das Anweisungsrecht durch Nichtausübung sich erledigt (HansOLG HansGZ 1913, 184). Vgl. wegen der Schadensersatzpflicht der (Hamburger) Kaiverwaltungsgesellschaft wegen verspäteter Bereitstellung eines vorbestellten Kailiegeplatzes LG Hamburg Hansa 1956 S. 2337; sie ist privatrechtlicher Natur und besteht nur bei schuldhaftem Verhalten. b) Bei einer Mehrheit von Befrachtern durch Ubereinstimmende Ausübung: machen nur einzelne Befrachter von ihrem Rechte Gebrauch, so kann und darf deren Anweisung vom Schiffer nicht berücksichtigt werden (ROHG 19, 291). c) Durch sachgemäße Ausübung, d.h. durch die Wahl eines g e e i g n e t e n Ladungsplatzes (RGZ 15, 159). U n g e e i g n e t ist der Ladungsplatz, wenn sich seine Benutzung verbietet mit Rücksicht auf aa) d i e W a s s e r t i e f e , oder bb) d i e S i c h e r h e i t d e s S c h i f f e s . Ob diese gefährdet ist, hat der Schiffer nach pflichtgemäßem Ermessen, wenn nötig, nach Einholung geeigneter Auskünfte, zu beurteilen, und das Resultat dieses Ermessens hat der Befrachter, auch im Falle seiner objektiven Unrichtigkeit, gegen sich gelten zu lassen( RGZ 15,159 ff.). Beider Prüfung der Sicherheitsfrage ist auch in Betracht zu ziehen, ob die R ü c k f a h r t des Schiffes vom Ladungsplatz mit Gefahr verbunden sein würde (ROHG 5 Nr. 85; RGZ 15, 158) — oder cc) d i e ö r t l i c h e n V e r o r d n u n g e n o d e r E i n r i c h t u n g e n . Bezüglich der V e r o r d n u n g e n ist es gleichgültig, ob es sich um generell gültige Normen handelt (Beispiel: ROHG 17 Nr. 23) oder um f ü r den Einzelfall erlassene Anordnungen (z.B. ein Verbot des Hafenmeisters: Ullrich Nr. 254) — oder

Anm. 8

Anm. 9

Amn. 10

dd) e i n e a n d e r w e i t i g e B e s e t z u n g d e s P l a t z e s (ROHG 15 Nr. 66; HansOLG HansGZ 1914 Nr. 37; P a p p e n h e i m H B 3 S. 1 5 8 A n m . 2 ; M i t t e l s t e i n H B 159). Ist aber vereinbart, daß in regulär turn oder gemäß der in Anm. 5 verzeichneten Klausel geladen werden soll, so ist der Ladeplatz nicht ungeeignet, weil er durch ein in der Reihe vorgehendes Schiff besetzt ist, und die Verzögerung trifft den Verfrachter (ROHG 21, 227; HansOLG HansGZ 1893 Nr. 40; B o y e n s Bd. 2 S. 137 Anm. 2; P a p p e n h e i m H B 3 S. 159 Anm. 2). Anders bei der Vereinbarung „free of t u r n " und der Klausel „whether in berth or not". Nach dieser soll es so angesehen werden, als befinde sich das Schiff am Ladeplatz, auch wenn das tatsächlich nicht der Fall ist. Der Verfrachter hat aber auch bei dieser Klausel nicht das Recht, das Aufsuchen des Ladeplatzes olme rechtlichen Grund abzulehnen (vgl. C a p e l l e a.a.O. S. 186; OLG Königsberg HansRGZ 1929, 675 = J W 1930 S. 1982), auch darf das Hindernis f ü r das Nichterreichen des Ladeplatzes nicht in der Person des Verfrachters begründet (Schiedsspruch HansRGZ 1923, 539) oder gar von ihm verschuldet sein. Vgl. auch Anm. 5 zu § 567 HGB. — Hinzuweisen ist darauf, daß unter der Bezeichnung „berth-Klausel" Verschiedenartiges verstanden wird. So wird die in Anm. 5 genannte Klausel als „berth-Klausel" bezeichnet, wie es auch in diesem Kommentar geschieht. B e s , Chartering andShipping Terms, Deutsche Ausgabe, S. 80, setzt die „berth-Klausel" gleich mit „in reguler Furn". C a p e l l e S. 186 bezeichnet als „berth-Klausel" die Formel „whether in berth or n o t " . — Vgl. auch Anm. 5 zu § 594 HGB. Nach Queen's Bench Div. LL. v. 29. 6. 1955 = Hansa 1956 S. 1707 setzt die Klausel „Time lost waiting for berth to count as loading Time" Ladebereitschaftsmeldung voraus. Stellt sich n a c h t r ä g l i c h heraus, daß der Ladungsplatz ein ungeeigneter (im Sinne von Anm. 11 aa—dd) ist, so hat der Befrachter dem Schiffer n a c h t r ä g l i c h e i n e n g e e i g n e t e n L a 824

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§561

d u n g s p l a t z a n z u w e i s e n , widrigenfalls der Schiffer zu verfahren hat, als wäre ihm überhaupt kein Ladungsplatz angewiesen worden (HansOLG HansGZ 1890 Nr. 93; M i t t e l s t e i n H B 159). 3. Fehlt es an einer der Bedingungen zu 2, so hat der Schiffer an einem o r t s ü b l i c h e n Anm. 12 L a d u n g s p l a t z anzulegen. Unter mehreren ortsüblichen Ladungsplätzen hat der Schiffer die Wahl ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 157; vgl. § 27 Abs. 2 BSchG). I n der Praxis erfolgt die Bestimmung des ortsüblichen Ladungsplatzes meistens durch die Hafenverwaltung. 4. Über die Wirkung der sieh dem Schiffe entgegenstellenden Hindernisse, zum Ladungs- Anm. 13 platz zu gelangen, s. Anm. 2 ff. zu § 567 HGB. III. 1. Gehört der vom Befrachter angewiesene oder ortsübliche Ladungsplatz einer öffent- Anm. 14 liehen Körperschaft oder Anstalt, so gilt hinsichtlich der Haftung f ü r die Verkehrssicherungspflicht folgendes: Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob im Verhältnis zu den Verkehrsbenutzern der Häfen die Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht privatrechtlichen Charakters ist und im Falle der Vernachlässigung die §§ 823, 30, 31, 89 BGB zur Anwendung kommen oder nur die beamtenrechtliche Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG, wenn es sich nämlich um eine dem öffentlichen Recht unterstellte Pflicht handelt. Die herrschende Rechtsprechung, insbesondere auch die des Reichsgerichts, der sich der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, hat seit jeher die Vernachlässigung der Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht auf den Wasserstraßen nach den bürgerlichrechtlichen Vorschriften beurteilt, auch wenn die Verantwortung den Staat oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft trifft (so auch BGHZ 9, 373 = N J W 53 S. 1297 = Hansa 53 S. 1647; BGH Betrieb 1956 S. 743 = VersR 1956 S. 504 (Kennzeichnung von Gefahrenstellen); BGHZ 20, 57 = VersR 1956 S. 287 (Betrieb einer Schleuse), BGH VersR 1959 S. 991 = MDR 1960 S. 611 = Hansa 1960 S. 235 (Einschleppen des Schiffes in die Schleusenkammer); OLG Köln als Rheinschiffahrtsobergericht ZfBSch 1952 S. 308f. = Hansa 1953 S. 308; OLG Hamm als Schiffahrtsobergericht ZfBSch 1952 S. 309; OLG Celle Hansa 1952 S. 1503 = ZfBSch 1952 S. 309; RGZ 54, 53 ; 68, 358; 106, 340; 147, 275 u.a. A.A. OLG Stuttgart (Nebenstelle Karlsruhe, angeführt bei L i n d e c k ZfBSch 1952, 14); F o r s t h o f f DVB1. 1952 S. 162. Wie hier auch L i n d e c k a.a.O.; HansOLG MDR 1953 S. 167 = Hansa 1953 S. 466). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Träger der Verkehrssicherungspflicht ihr durch einen ausdrücklichen Organisationsakt hoheitsrechtlich genügen will (vgl. BGHZ 9,373). •— Vgl. über die Verkehrssicherungspflicht des Inhabers eines Anlegers, der durch diesen auf einem f ü r den allgemeinen Verkehr größerer Schiffe nicht bestimmten Teil eines Flusses außerhalb des eigentlichen Fahrwassers mit behördlicher Genehmigung einen Verkehr f ü r die bei ihm anlegenden Schiffe eröffnet hat OLG Oldenburg VersR 1960 S. 1108. — Über die Voraussetzungen f ü r eine private Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Wasserstraßen in den Niederlanden siehe Gerichtshof Den Haag, Schip en Schade 1959 S. 161 = Hansa 1960 S. 1320. — Über Verkehrssicherungspflicht des Eigners einer Löschanlage im Verhältnis zu derjenigen der Wasserstraßenverwaltung siehe BGH Hansa 1961 S. 1138. 2. Über die Kais als Ladeplatz siehe Anm. 21 zu § 592 HGB.

Anm. 15

§ 561 Sötern nicht durch Vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen des Abladungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Ortsgebrauch ein anderes bestimmt ist, sind die Güter von dem Befrachter kostenfrei bis an das Schiff zu liefern, dagegen die Kosten der Einladung in das Schiff von dem Verfrachter zu tragen. S c h r i f t t u m : C a p e l l e Frachtoharter S. 257 ff; P a p p e n h e i m H B 3 S. 205; W ü s t e n d ö r f e r SHR 247. Der Paragraph trifft subsidiäre Bestimmungen Aber die Verteilung der Kosten der Abladung. Einleitung Hierbei stellt er zugleich die G r e n z e fest, bis zu welcher — mangels anderer Abrede —• einerseits der Befrachter zur Bewirkung der Abladung tätig zu werden hat (vgl. HansOLG HansGZ 325

§561

Vierter Teil. Seehandelsrecht

1913 Nr. 7; P a p p e n h e i m H B 3 S. 206), und von der ab andererseits die Tätigkeit des Schiffes zu beginnen hat (so HansOLG HansGZ 1899 Nr. 114 = SeuffA Bd. 55 Nr. 93 hinsichtlich des entsprechenden § 593 H G B ; anders R O H G 18, 132). Und ebenso gewährt er einen Anhalt für die Bestimmung des Z e i t p u n k t s der A n n a h m e d e r G ü t e r d u r c h d e n V e r f r a c h t e r (OLG Kiel SeuffA Bd. 56 S. 146 = SchlHolstAnz. 1900 S. 339). Vgl. für das Binnenschiffahrtsrecht § 41 BSchG. Unter Abladung ist die Gesamtheit derjenigen Maßnahmen zu verstehen, durch die die Beförderung der Güter an Bord des Schiffes bewirkt wird. Anm. 1

1. Das Gesetz verteilt die Abladungskosten in folgender Weise: a) Der Befrachter trägt (sofern nicht ein anderer örtlicher Gebrauch besteht; nach Art. 442 c. nav. und nach der Hafenordnung von Genua ist vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung der Ablader verantwortlich für die Beladungsvorgänge bis zum Anhieven; ital. Kassationshof DMF 1959 S. 92) die Kosten der Lieferung der Güter bis an das Schiff. Das bedeutet: b i s l ä n g s s e i t des S c h i f f e s (le long du bord, alongside the vessel), bis unter die Schiffswinde (sous palan), so daß das Schiff sie mit seinem Ladegeschirr übernehmen kann. Dahin gehört zunächst selbstverständlich die Binnenfracht (HansOLG HansGZ 1896, 119), sodann alle Transport- und sonstigen Kosten, die durch die Anlieferung an das Schiff selbst oder ,wo die Kaianstalten für das Schiff die Ladung übernehmen, an den Kai entstehen. Dem Befrachter fallen hierbei auch a u ß e r g e w ö h n l i c h e K o s t e n zur Last, z . B . Leichterkosten, die entstehen, wenn das Schiff nicht in der Lage ist, hart am Lande anzulegen (HansOLG, HansGZ 1892 Nr. 1; nicht widersprechend HG und OG Hamburg HansGZ 1875 Nr. 148, 225, wo angenommen wurde, daß Leichterkosten infolge Ankerns des SchifEes außerhalb einer den Abladungshafen abschließenden Barre, a l s o a u ß e r h a l b des A b l a d u n g s h a f e n s , mangels besonderer Vereinbarung vom Schiffe zu tragen seien; vgl. Anm. 1 und 4 zu § 560 HGB), weiter Mehrkosten infolge obrigkeitlicher Verfügungen, die dem Schiffe das Anlegen an der vereinbarten Stelle verbieten (HG Hamburg H e r m a n n und H i r s c h Nr. 175), ferner Kosten, die dadurch entstehen, daß die Ladung, ohne daß Verschulden oder bestimmte Zusagen des Verfrachters vorliegen, an Schiffsseite warten muß (AG Hamburg HansGZ 1882 Nr. 47; HansOLG HansGZ 1888, 227), die Kosten des Zumessens oder Zuwägens (HansOLG HansGZ 1899, 311 = SeuffA Bd. 55 S. 192). Zu weit geht das HG Hamburg HansGZ 1875 Nr. 148 (und mit ihm das OG Hamburg daselbst Nr. 225), wenn es dem Befrachter, dessen Ladung in Leichtern längsseit des SchifEes gebracht ist, die Kosten „des Rollens der Gebinde in den Leichtern unter die Schiffswinde und des Einschlagens in die K e t t e " auferlegt: diese Kosten gehören vielmehr zu den vom Verfrachter zu tragenden Kosten der Einladung. •—• Vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 419 wegen der Haftung des Befrachters für das Verschulden eines Kranführers bei der Beladung.

Anm. 2

b) Der Verfrachter trägt die Kosten der Einladung in das Schiff, d.h. diejenigen Kosten, welche durch die Beförderung der Ladung von der Schiffsseite bis in den Schiffsraum entstehen (LG Hamburg HansGZ 1888 Nr. 66). Hierher gehören die Kosten des Anschlagens der Kollis, der Befestigung am Ladegeschirr, des Hinaufrollens, Hinaufwindens oder Hinaufziehens der Ladung auf das Schiff (anders zum Teil die in Anm. 1 zitierten Urteile HansGZ 1875 Nr. 148 u. 225) und des ferneren Transports der Ladung durch die Luken in den Schiffsraum (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 40; anders HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 31, in einem Falle, in welchem die Ladung besondere Vorkehrungen erheischte: dagegen OG Hamburg daselbst), ebenso, wenn die Ladung an den K a i zu liefern ist (vgl. Prot. 3861), die Kaigebühren (HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 244; siehe aber unten Anm. 4). Das schließt nicht aus, daß die Kosten gewisser Manipulationen, welche der Befrachter in seinem Interesse noch nach der Unterbringung im Schiffsraum mit der Ladung vornehmen läßt, ihm zur Last fallen ( H e r m a n n u. H i r s c h Nr. 47: Pressen von Baumwolle). Hat das Schiff, wie vom Gesetz vorgesehen, die Kosten der Einladung zu tragen, so trägt es auch die Verantwortung dafür, ob mit Schiffsgeschirr oder mit Landkränen geladen wird, sofern diese Frage nicht durch das Kaireglement zwingend geregelt wird. — Hat sich das Schiff zur Einnahme eines bestimmten Ladungsplatzes verpflichtet und kann es diesen aus vom Befrachter nicht verschuldeten Ursachen nicht erreichen, so hat der Verfrachter dem Befrachter die Mehrkosten der Lieferung der Ladung zu ersetzen oder die Ladung auf eigene Kosten und Gefahr von dem vereinbarten Ladungsplatz 326

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§561

ans Schiff zu schaffen ( B o y e n s Bd. 2 S. 115). — Dem Verfrachter fallen auch die Kosten eines gemieteten Schwimmkrans zur Last, wenn ein solcher für das Laden oder Löschen erforderlich ist (vgl. W o d r i c h Hansa 1959 S. 294 und 305). — Soweit den Verfrachter die Pflicht des Ladens trifft, sind die dabei verwendeten Personen seine Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Erfüllung des Prachtvertrages (siehe auch W o d r i c h a.a.O.). Doch ist der Verfrachter dem Befrachter gegenüber nach HansOLG VersR 1961 S. 51 nicht verpflichtet, zu kontrollieren, ob bei der Verschiffung von Stückgütern zu viel verladen wird. Indessen soll nach der angeführten Entscheidung eine Zuvielverladung einen Anspruch gemäß § 485 HGB begründen können, falls die mit der Ladungskontrolle befaßten Personen des Seeschiffes (sofern sie im Sinne des §§ 481, 485 HGB zu der Schiffsbesatzung oder der dieser entsprechende zu behandelnden Personenkreis — vgl. dazu § 481 HGB Anm. 8 ff. — gehören) die Zuvielverladung erkannt oder schuldhaft verkannt haben. Vgl. auch Anm. 1 zu § 563 HGB am Ende. 2. Die Vorschriften des Gesetzes sind nur subsidiär. Es g e h e n i h m v o r a) vertragliehe Bestimmungen. Oft wiederholen diese das Gesetz, so die Klauseln „the cargo delivered alongside free on board" (HG Hamburg HansGZ 1875 Nr_ 148; OLG Kiel SeuffA Bd. 56 S. 146; anders P a p p e n h e i m HB 3 S. 207 Anm. 5); „the cargo to be brought to and taken from alongside the steamer at freigther's expense and risk" (LG Hamburg HansGZ 1888 Nr. 66; vgl. HansOLG HansGZ 1888 Nr. 89), „to be brought alongside and taken from alongside at the merchants risk and expense" (HansOLG HansGZ 1893 Nr. 40). Nicht anders ist vom RG (Bolze Bd. 11 Nr. 363) die Klausel verstanden worden: „Die Ladung wird geliefert und empfangen an der Seite des Dampfers, indem die Arbeiten des Ladens und Löschens durch die Agenten der Linie für Rechnung und Gefahr des Befrachters oder Empfängers ausgeführt werden."

Anm. 3

Werden Stückgüter, wie im Großbetrieb häufig, schon vorher von der Reederei am Kai übernommen, dann trägt der Befrachter mangels anderer Vereinbarung die Kosten b i s a n d e n K a i ( W ü s t e n d ö r f e r SHR 248; ders. H B 190; P a p p e n h e i m H B 3 S. 196).

Anm. 4

Großablader von Massengut bedingen sich häufig aus, Verladung und Stauung solle auf ihre Kosten durch den von i h n e n s e l b s t g e s t e l l t e n S t a u e r o d e r a u c h d u r c h L e u t e d e s e i g e n e n B e t r i e b s geschehen (Fio-Klausel: „free in and out, stowed and trimmed"). Die Vereinbarung bedeutet, daß alle mit der Beladung und Entlöschung in Zusammenhang stehenden Kosten dem Befrachter oder Empfänger zur Last fallen. Vgl. auch HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 419. Ein solcher Stauer ist weder Erfüllungsgehilfe des Verfrachters nach § 278 BGB noch dessen Verrichtungsgehilfe nach § 831 BGB. Der Reeder-Verfrachter haftet für ihn auch nicht in analoger Anwendung des §485 HGB (vgl. Anm. 15 zu §481 HGB; siehe auch W ü s t e n d ö r f e r SHR 247; C a p e l l e , Frachtcharter 259ff.), und zwar unabhängig davon, ob bei den Lade- und Löscharbeiten das Schiffsgeschirr oder Kräne an Land verwendet werden (AppG Triest DMF 1959 S. 199). Doch entbindet auch die Fio-Klausel den Kapitän nicht von der Pflicht der Beaufsichtigung der Stauung (§ 514 HGB). Auf etwaige Mängel muß er den Charterer hinweisen, vornehmlich auch, wenn sie zu einer Gefährdung der Seetüchtigkeit des Schiffes führen könnten, denn die Haftung für diese bleibt auch bei Fio-Klausel beim Verfrachter in vollem Umfange (HansOLG Hamburg Hansa 1955 S. 1509; BGH VersR 1956 S. 380 = Hansa 1956 S. 1499). Bei der Fio-Klausel fallen die Kosten des Öffnens und Schließens der Luken dem Verfrachter nicht zur Last (vgl. Hansa 1958 S. 1084), wohl aber die Betriebskosten und die Bedienungskosten für die Schiffswinden während der normalen Arbeitszeit und die Kosten für die Beleuchtung während des Ladens und Löschens. Lautet die Klausel nur „free in and out" so bleibt zweifelhaft, ob dann auch die Kosten für das Stauen zu Lasten des Befrachters gehen (verneinend Rechtsb. Rotterdam Schip en Schade 1958 Nr. 19, anders das gleiche Gericht für die Gencon-Charter). Um hinsichtlich der Einbeziehung der Staukosten sicher zu gehen, lautet die Klausel deshalb zweckmäßig „Frei ein und aus gestaut bzw. getrimmt" oder „geladen, gestaut bzw. getrimmt und gelöscht frei von Kosten für das Schiff" (vgl. B e s , Chartering and Shipping Terms, Deutsche Ausgabe S. 38). Hat der Befrachter die Stauer gestellt, so haftet er für durch sie am Schiff verschuldete Schäden in entsprechender Anwendung des § 278 BGB (vgl. BGH NJW 1954 S. 1193; OLG Hamburg VersR 1957 S. 356 und Hansa 1958 S. 419. C a p e l l e a.a.O. S. 264; eine unmittelbare An-

Anm. 5

327

Vierter Teil. Seehandelsrecht Wendung des § 278 B G B kommt nicht in Betracht, weil es sich bei der Beladung nicht um eine Schuldnerpflicht der Befrachters handelt). Der Stauunternehmer haftet dem Verfrachter für ein Verschulden seiner Leute dann regelmäßig nur nach § 831 B G B (RGZ 119, 237), nach § 278 B G B nur, wenn ausnahmsweise der zwischen ihm und dem Befrachter geschlossene Vertrag auch als ein Vertrag zugunsten des Verfrachters anzusehen ist. Anm. 6

Von der Fio-Klausel zu unterscheiden ist die sog. S t a u e r k l a u s e l , etwa „At port of loading steamer to clear with charterers broker and to employ their stevedore at current rate" (vgl. OLG Stettin HansRGZ 1933 B Sp. 622). Durch sie behält sich der Befrachter lediglich die Benennung eines ihm genehmen Stauers vor. Der Abschluß des Stauervertrages erfolgt zwischen dem Verfrachter und dem Stauerunternehmen. Die Pflicht zur Stauung und deren Kosten bleiben im Verhältnis zum Befrachter beim Verfrachter. Gelegentlich wird der Klausel noch hinzugefügt „not exceeding current rate as during ordinary working hours". Dadurch wird noch deutlicher hervorgehoben, daß der Verfrachter die Kosten eines solchen Stauers nur in dem normalerweise entstehenden Umfange oder doch zu dem normalen Satz übernimmt.

Anm. 7

b) örtliche Verordnungen des Abladehafens, mögen dies Gesetze oder Verwaltungsverordnungen sein. Nach § 7 Hamb.AGHGB ist die Deputation für Handel- und Schiffahrt zum Erlaß örtlicher Verordnungen im Sinne von § 561 zuständig. In Betracht kommen insbesondere staatliche oder kommunale Kaireglements. Vgl. etwa § 9 Abs. 1 Satz der Hamburger Kaibetriebsordnung, wonach die Benutzung von schiffseigenem Ladegeschirr zwischen Kai und Schiff der Zustimmung der Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG bedarf. Unerheblich für die Regelung des § 561 ist es, wenn die Kaiverwaltung die Gebühren von dem Schiff einzieht und es diesem überläßt, von den einzelnen Ladungsbeteiligten den auf sie entfallenden Teil einzuziehen.

Anm. 8

c) Eventuell ein im Abladungshafen bestehender Ortsgebrauch, d. h. nicht eine tatsächliche Übung (so Prot. 3840 und P a p p e n h e i m H B 3, S. 11), sondern ein l o k a l e s G e w o h n h e i t s r e c h t (HansOLG HansGZ 1880 Nr. 104; RGZ 3 Nr. 42; LG Hamburg und HansOLG HansGZ 1888 Nr. 66). Die Bildung eines solchen ist hier ausnahmsweise bundesgesetzlich sanktioniert. Im Hamburger Hafen ist der Grundsatz des § 561, daß die Heranschaffung der Ladung an das Schiff Sache des Befrachters bzw. des Abladers ist, durch Ortsgebrauch nicht abgeändert worden. Vgl. HansOLG HansRGZ 1930 B 357. Für Antwerpen soll nach B e s , Chartering and Shipping Terms, Deutsche Ausgabe S. 38 ein Hafengebrauch bestehen, der nur Lieferung der Ware auf den Kai, aber nicht notwendig in Reichweite des Schiffsgeschirrs verlangt.

Anm. 9

3. Über die Rechtstellung der Kaianstalten vgl. Anm. 21 ff. zu § 592 HGB. § 662 Der Verfrachter ist verpflichtet, statt der vertragsmäßigen Güter andere, von dem Befrachter zur Verschiffung nach demselben Bestimmungshafen ihm angebotene Güter anzunehmen, wenn dadurch seine Lage nicht erschwert wird. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Güter im Vertrage nicht bloß nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichnet sind. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 247f.; J a n t z e n , Haandbok i Baltcon-Certepartiet, Oslo 1925 S. 16f.; ders., Ny Haandbok i Godsbefordring til Sj0s, Oslo 1938 S. 326; P a p p e n h e i m H B 3 S. 191f.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 244.

Einleitung

Der Paragraph gewährt dem Befrachter unter gewissen Begrenzungen ein Substitutionsrecht hinsichtlich der zu liefernden Ladung. Er bezieht sich auf alle Arten von Frachtverträgen (Prot. 2231). An sich stellt er einen Eingriff in die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts dar und läßt sich nur rechtfertigen durch eine gesetzliche Auslegung des Vertragswillens dahin, daß die Bezeichnung der zu befördernden Güter im Zweifel nur als beispiels328

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 563

weise erfolgt anzusehen sei (Prot. 2152; ROHG 24, 419; noch weiter geht § 43 BSchG, indem dort eine einschränkende Bestimmung, wie sie der Abs. 2 des § 562 aufstellt, nicht aufgenommen ist). 1. Die Substitutionsbefugnis des Befrachters kommt nur in Frage, wenn die Parteien Aber die Art der zu transportierenden Güter etwas vereinbart haben. Ist dies nicht der Fall — was insbesondere bei Charterverträgen, unter Umständen aber auch bei Stückgüterverträgen vorkommt, z.B. dann, wenn die Güter lediglich als „Stückgüter" oder nach ihrem Kubikinhalt (z.B. „400—500 Kubikfuß Güter") oder Gewicht (general cargo net capacity) bezeichnet sind, so kann der Verfrachter die angelieferten Güter nicht wegen ihrer Schwere oder wegen der Unbequemlichkeit der Stauung zurückweisen (OAG Lübeck Seebohm Nr. 68). Ablehnen kann er nur die Annahme von Gütern, welche das Schiff oder die übrigen Ladung gefährden: dies ergibt sich aus § 564 Abs. 5 (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 259).

Anm. 1

2. Die Substitutionsbefugnis des Befrachters, die übrigens vielfach vertragsmäßig vereinbart wird (z.B. durch die Klausel: „in case other produces should be loaded, freight for the same to be paid in a fair and right proportion": V o i g t , Neues Archiv für Handelsrecht Bd. 2 S. 292; L e w i s , Endemanns Handb. Bd. 4 S. 134; C a p e l l e , Frachtcharter S. 247f.) ist an folgende Bedingungen geknüpft: a) Die substituierten Güter müssen d e n s e l b e n B e s t i m m u n g s h a f e n haben wie die vertragsmäßigen.

Anm. 2

b) D i e L a g e d e s V e r f r a c h t e r s d a r f d u r c h die S u b s t u t i t i o n n i c h t e r s c h w e r t w e r d e n . Der Verfrachter braucht also nicht anzunehmen gefährlichere Güter als vereinbart (z. B. Eisen oder Kohlen statt Getreide); Güter, für deren Transport das Schiff nicht eingerichtet ist; Schwergut statt Leichtgut; Güter, welche geringeren Wert haben und deshalb geringere Sicherheit bieten ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 192 Anm. 9); ferner Güter, für die regelmäßig eine höhere Fracht zu zahlen ist (Prot. 215211., 3854). Auf Güter mit niedrigerer Fracht braucht er sich nur einzulassen, wenn es bei der vereinbarten höheren Fracht bleiben soll (Prot. 3854fL).

Anm. 3

3. Versagt ist dem Befrachter die Substitutionsbefugnis a) I m F a l l e v e r t r a g s m ä ß i g e n A u s s c h l u s s e s (vgl. HG Hamburg HansGZ 1875, 206). b) (Abs. 2). W e n n d e r F r a c h t v e r t r a g sich n i c h t b l o ß a u f n a c h A r t o d e r G a t t u n g , s o n d e r n a u f s p e z i e l l b e z e i c h n e t e G ü t e r b e z i e h t . Natürlich kann sie vertragsmäßig dem Befrachter auch für diesen Fall eingeräumt sein.

Anm. 4

4. Den Auslandrechten ist eine dem § 562 entsprechende Bestimmung unbekannt. Vgl. über die Stellungnahme des ausländischen Schrifttums C a p e l l e a.a.O. S. 248.

Anm. 5

§ 568 Der Betrachter und der Ablader sind dem Verfrachter für die Richtigkeit ihrer Angaben über Maß, Zahl oder Gewicht sowie über Merkzeichen der Güter verantwortlich. Jeder haftet dem Verfrachter für den Schaden, der aus der Unrichtigkeit seiner Angaben entsteht. Den übrigen im § 512 Abs. 1 bezeichneten Personen haftet er nur, wenn ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt. Die Verpflichtungen, die dem Verfrachter auf Grund des Frachtvertrages gegenüber anderen Personen als dem Befrachter oder dem Ablader obliegen, werden durch Abs. 1 nicht berührt. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 248f.; E h l e r s , Die Bezeichnung der Ladung im Konnossement HansRGZ 1938 A 249ff.; G r a m m , Seefrachtrecht S. 97; W ü s t e n d ö r f e r S H R 245. 1. § 563 (idF des SFrG; vgl. Art. III Nr. 5 HR) betrifft unrichtige Angaben über Maß, Zahl, Gewicht und Merkzeichen. Der Befrachter und der Ablader haben dem Verfrachter f ü r die R i c h t i g k e i t i h r e r A n g a b e n e i n z u s t e h e n . Sie haften ihm auf vollen Schadens829

Anm. 1

Vierter Teil. Seehandelsrecht ersatz auch ohne Verschulden. Es ist ein Fall der G e w ä h r l e i s t u n g (so W ü s t e n d ö r f e r S H R 245; G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. zu § S63. S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 3 zu § 563; L e b u h n , Neuzeitliches Konnossementsrecht S. 47: Erfolgshaftung). Diese Gewährleistung soll Befrachter und Ablader veranlassen, bei den erwähnten Angaben mit größter Genauigkeit zu verfahren. Mittelbar dient deshalb § 563 der Beweiskraft des Konnossements, in welches die fraglichen Angaben aufgenommen werden. Befrachter u n d Ablader haften jeder f ü r die eigenen Angaben, gesamtschuldnerisch daher nur bei Gleichheit der unrichtigen Angaben und des entstandenen Schadens. Bei unrichtiger Bezeichnung der Güter nach Menge und Merkzeichen wird in der Regel die H a f t u n g des Abladers in Betracht kommen, weil seine Angaben der Beschreibung der Güter im Konnossement zugrunde zu legen sind (§ 645 HGB). Nur eine H a f t u n g des Abladers besteht, wenn dieser lediglich unrichtige Angaben des Befrachters an ihn weitergegeben hat. Dann entscheidet ihr Innenverhältnis (z.B. ein Speditionsverhältnis) darüber, wer von ihnen beiden intern den Schaden zu tragen hat. Eine Verpflichtung des Verfrachters zur Nachprüfung der in Abs. 1 erwähnten Angaben gegenüber dem Befrachter oder Ablader besteht nicht. Soweit der Verfrachter Kontrollen insbesondere bezüglich der Stückzahl, der äußeren Beschaffenheit u n d der Markierung vornimmt, t u t er es im eigenen Interesse. Deshalb kann der Ablader auch nicht dartun, der Verfrachter habe Zusätze zu den Angaben des Konnossements nach § 646 H G B machen sollen, weil Anlaß bestanden hätte, die Angaben des Abladers anzuzweifeln (siehe E h l e r s HansRGZ 1938 B 261). I m übrigen kommt § 254 BGB zur Anwendung. K e n n t der Verfrachter die wahre Beschaffenheit der Güter, so hat er keinerlei Anspruch (weitergehend Art. 479 Abs. 1 niederl. W v K , der dem Kennen das Kennenmüssen gleichstellt). Vgl. auch § 609 H G B und Art. IV § 6 H R . — Siehe auch Anm. 2 zu § 561 H G B am Ende. Anm. 2

2. Die H a f t u n g besteht nicht nur gegenüber dem Verfrachter, sondern auch gegenüber den übrigen R e i s e b e t e i l i g t e n (§ 512 Abs. 1 HGB), diesen gegenüber aber nur i m F a l l e e i n e s V e r s c h u l d e n s . Zu dem in § 512 Abs. 1 genannten Personenkreis gehört der Reeder auch dann, wenn er nicht zugleich der Verfrachter ist; vgl. dazu auch RGZ 20, 84. Ein mitwirkendes Verschulden des Verfrachters, der Leute, f ü r die er nach § 607 H G B einzustehen hat, oder der Reiseinteressenten ist zu beachten (§ 254 BGB; RGZ 96, 279; 37, 12). Doch wird die H a f t u n g dadurch nur gegenüber dem Mitschuldigen, nicht auch gegenüber den anderen Personen beseitigt oder beschränkt. Vgl. Anm. 6, 7 und 10 zu § 564 HGB.

Anm. 3

3. § 563 Abs. 1 ist dispositives Recht. Die Parteien können also die H a f t u n g des Befrachters und des Abladers durch Rechtsgeschäft ausschließen oder beschränken.

Anm. 4

4. Nach Abs. 2 werden die Verpflichtungen, die dem Verfrachter gegenüber anderen Personen als dem Befrachter oder dem Ablader obliegen, durch § 563 Abs. 1 nicht berührt. Der Verfrachter kann deshalb ihm nach § 563 Abs. 1 zustehende Ersatzansprüche dem konnossementsmäßigen Ladungsempfänger im Regelfall nicht entgegensetzen. Die Ansprüche des Verfrachters gegen Befrachter und Ablader nach Abs. 1 gehören nicht zu den dem Empfänger obliegenden Verpflichtungen im Sinne des § 614 H G B (anders, wenn dieser Vertreter des Befrachters oder Abladers ist). § 563 Abs. 2 ist im Falle der Konnossementsausstellung zwingendes Recht gegenüber dem Konnossementsinhaber (§ 662 HGB, anders in den Fällen der §§ 564, 564b H G B ; siehe die Ausnahmen in §§ 663 und 663a HGB). Über die Vereinbarkeit der Regel V I I D E K 1940 hiermit siehe L e b u h n , Neuzeitliches Konnossementsrecht S. 47. § 564 Bei unrichtigen Angaben über die Art und die Beschaffenheit der Güter haftet der Befrachter oder der Ablader, wenn ihm dabei ein Verschulden zur Last fällt, dem Verfrachter und den übrigen i m § 512 Abs. 1 bezeichneten Personen für den Schaden, der aus der Unrichtigkeit der Angaben entsteht. Das gleiche gilt, wenn er Kriegskonterbande oder Güter schuldhaft verladet, deren Ausfuhr, Einfuhr oder Durchfuhr verboten ist, oder wenn er bei der Abladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze schuldhaft übertritt.

330

Zweites Kapitel. Viertes Buch des BHG

§564

Seine Verantwortlichkeit den übrigen Personen gegenüber wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß er mit Zustimmung des Schiffers handelt. Er kann aus der Beschlagnahme der Güter keinen Grund herleiten, die Bezahlung der Fracht zu verweigern. Gefährden die Güter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Schiffer befugt, die Güter ans Land zu setzen oder in dringenden Fällen über Bord zu werfen. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 249; E h l e r s HansRGZ 1938 A 258; G r a m m , Seefrachtrecht S. 98; L e b u h n , Recht der internationalen Wirtschaft 1955 S. 88; P a p p e n h e i m H B 3 S. 249; W ü s t e n d ö r f e r SHR 245. § 564 (idF des SFrG) entspricht im wesentlichen § 563 a. F. E r betrifft die Haftung von Einleitung Befrachter und Ablader f ü r die unrichtigen Angaben über die Art (Natur) und die Beschaffenheit (Verfassung) der Güter. Vgl. auch § 564b H G B wegen des Anbordbringens entzündlicher, explosiver oder sonst gefährlicher Güter. Für das Binnenschiffahrtsrecht siehe § 45 BSchG. Der gegen Ablader oder Befrachter entstandene Anspruch kann nicht gegen den schuldlosen E m p f ä n g e r geltend gemacht werden. Vgl. Anm. 4 zu §563; W ü s t e n d ö r f e r SHR 245; G r a m m , Seefrachtrecht Anm. I I zu § 563; HG und OG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 242; anders HansOLG HansGZ 1891 Nr. 31; W a g n e r 228, 274ff.; gegen letzteren S c h r ö d e r Z H R Bd. 32 S. 246); ist er indessen Vertreter des Abladers, so sind Einreden aus dessen Person gegen ihn zulässig (weitergehend LG Hamburg HansGZ 1880, 338). Auch kann der Empfänger haftbar gemacht werden, wenn er die Güter annimmt und sich im Konnossement eine Klausel findet, die seine Haftung f ü r gefährliche Güter vorsieht (siehe auch RGZ 170, 233). Anders als im Falle d e s § 5 6 3 i s t Voraussetzung f ü r die Haftung aus § 564 stets ein s c h u l d h a f t e s H a n d e l n von Ablader oder Befrachter. Vgl. über die Berechtigung dieser unterschiedlichen Behandlung unrichtiger Angaben W ü s t e n d ö r f e r SHR 245. I. 1. Die Bestimmungen des Abs. 1 und Abs. 2. Anm. 1 1. Die Fälle der Haftung des Befrachters oder Abladers sind sämtlich solche, in denen ein fehlerhaftes Verhalten vorliegt, das entweder eine körperliche Beschädigung von Schiff oder Ladung, völkerrechtliche, straf- oder verwaltungsrechtliche Eingriffe oder irgend welche Einbußen an Zeit oder Geld herbeigeführt hat. a) Unrichtige Angaben Uber die Art und Beschaffenheit der Güter. Die Angaben müssen Anm. 2 so sein, daß der Verfrachter sich ein Urteil über die Zulässigkeit ihrer Verschiffung und die Art ihrer Behandlung bilden und dementsprechend seine Maßregeln treffen kann. Unter die Angaben über Art und Beschaffenheit fallen nicht die in § 563 HGB erwähnten Merkzeichen. Dem Fall der unrichtigen Angabe von Art und Beschaffenheit (z. B. Steinsalz statt Bisulfat, RGZ 93, 163) steht es gleich, wenn die Ware unvollständig (Nichtangabe konkreter Besonderheiten, z.B. der Gefährlichkeit der Verpackung: RGZ 20, 81 ff.) oder zu allgemein (Bezeichnung von Würstchen in losem Salz als „merchandise": HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 242; von Kanonen und dgl. als „lawful merchandise", von Waffen als „Eisenwaren": HansOLG Hansa 1914 S. 486) oder wenn sie in einer Sprache bezeichnet ist, welche die sie entgegennehmenden Schiffsorgane nicht verstehen und nicht zu verstehen brauchen (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 259). Bedeutet die gewählte Bezeichnung am Abladungsorte etwas anderes als am Bestimmungsorte, so entscheidet darüber, ob eine unrichtige Angabe vorliegt, der Sprachgebrauch des Abladungsortes (HansOLG HansGZ 1180 Nr. 123). Über Ladungsschäden durch Selbstentzündung einer ordnungsgemäß als „Sprengkapseln" deklarierten Ladung siehe RG HansGZ 1903 Nr. 45. Zu beachten ist, daß § 564 „unrichtige Angaben" verlangt. Doch hat das Reichsgericht bereits in RGZ 93, 163 entschieden (zu § 45 BSchG), daß der schuldhaft unrichtigen Angabe des Absenders das Unterlassen jeglicher Angabe gleichsteht, wenn der Absender den schädigenden oder gefährlichen Charakter des Frachtgutes kennt oder kennen muß. I n der Entscheidung des BGH MDR 1960 S. 739 = Hansa 1960 S. 1951, die ebenfalls das Binnenschifffahrtsrecht betrifft, aber auch auf das Seerecht anzuwenden ist, wird zutreffend zum Ausdruck gebracht, diese Prüfungs- und Mitteilungspflicht sei eine dem Ablader obliegende, aus dem Frachtvertrag entspringende Schuldnerverpflichtung, die dem Schutz des Verfrachters diene. Dabei sei unerheblich, ob der Befrachter in eigener Person diese Verpflichtung erfüllen 331

Vierter Teil. Seehandelsrecht konnte (RGZ 160, 310). Wenn mit seinem Willen ein anderer die Abladung übernommen habe, so habe er für dessen Verschulden einzustehen (RGZ 66, 402; BGHZ 13, 111). Anm. 3

b) Verladung von Kriegskonterbande. Vgl. HansOLG HansGZ 1895 Nr. 93 und die dort angeführten Zitate. Der Begriff der Kriegskonterbande ergibt sich aus dem jeweils geltenden Seekriegsrecht.

Anm. 4

c) Verladung von Gütern, bezüglich deren ein Ausfuhrverbot oder ein Einfuhrverbot oder ein Durchfuhrverbot besteht, (vgl. das im Anhang zu § 564 wiedergegebene Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren vom 14. 4. 1926; siehe OLG Schleswig Hansa 1955 S. 1141 = Schleswig Holsteinische Anzeigen 1955 S. 101) oder die Übertretung gesetzlicher Vorschriften bei der Abladung, insbesondere der Polizei-, Steuer- und Zollgesetze. Zu den in Betracht kommenden Polizeigesetzen gehören die Bestimmungen über die Beförderung gefährlicher Güter in Kauffahrteischiffen, die in der VO ü b e r g e f ä h r l i c h e S e e f r a c h t g ü t e r vom 4. 1. 1960 (siehe den Abdruck im Nachtrag zum 3. Bd.) enthalten sind. Doch greift hier regelmäßig die verschärfte Haftung aus § 564b ein. Vgl. die Erläuterungen zu diesem. — Siehe ferner das während der Drucklegung erschienene, im Anhang V zum vierten Abschnitt wiedergegebene A u s f ü h r u n g s g e s e t z zu A r t . 26 Abs. 2 des G r u n d g e s e t z e s ( G e s e t z ü b e r d i e K o n t r o l l e v o n K r i e g s w a f f e n ) v. 20. 4. 1961 (RGBl. I S. 444) und dazu v. d. H a g e n Hansa 1961 S. 1231.

Anm. 5

2. Voraussetzung der Haftung ist Verschulden. Die Tatsache allein, daß durch das abgeladene Gut ein Schaden verursacht ist, macht den Befrachter oder Ablader nicht schadensersatzpflichtig (RGZ 15, 151ff.; 20, 87; RG LZ 1915, 763 = HansGZ 1915, 120; RG HansGZ 1919, 3), auch nicht der Umstand, daß der Transport des Gutes vermöge seiner besonderen Beschaffenheit mit Gefahren verbunden ist (HansOLG HansGZ 1911, 307). Es muß ein f ü r den Schaden adäquat kausales Verschulden von Befrachter oder Ablader oder eines ihrer Gehilfen (§ 278 BGB) vorliegen. Ein Verschulden ist insbesondere in der Unterlassung der Orientierung über die in Betracht kommenden ausländischen Vorschriften zu erblicken. Das Verschulden ist von dem Geschädigten zu behaupten und zu beweisen (HansOLG HansGZ 1888 Nr. 67); in vielen Fällen werden indessen die Tatsachen eine t a t s ä c h l i c h e S c h u l d v e r m u t u n g begründen, der gegenüber sich der in Anspruch genommene Befrachter oder Ablader zu exkulpieren hat (vgl. Prot. 2082); daß er die zu einer erforderlichen Anzeige nötigen Schritte getan hat, hat der Befrachter zu beweisen (RGZ 93, 166).

Anm. 6

Im Falle des k o n k u r r i e r e n d e n V e r s c h u l d e n s des V e r f r a c h t e r s gilt im Verhältnis zu letzterem § 254 BGB. Als konkurrierendes Verschulden gilt im Falle der unrichtigen Bezeichnung der Güter nicht ohne weiteres eine Nichtanfrage des Verfrachters (HG Hamburg HansGZ 1874 Nr. 242). Ist der Schaden nicht nur auf schuldhaften Verstoß des Befrachters gegen § 564, sondern zugleich auf vom Verfrachter zu vertretende Seeuntüchtigkeit des Schiffes zurückzuführen (vgl. LG Hamburg HansGZ 1880, 338), so hat § 254 BGB zur entsprechenden Anwendung zu kommen. Auch ein Verschulden der Leute, für die der Verfrachter nach § 607 Abs. 2 HGB einzustehen hat, muß der Verfrachter sich zurechnen lassen. Dagegen schließt nichtschuldhafte Zustimmung des Schiffers oder anderer Leute des Verfrachters, z.B. eine solche, die auf Irreleitung des Abladers beruht, die Haftung des Befrachters oder Abladers nicht aus. Bei k o n k u r r i e r e n d e m V e r s c h u l d e n e i n e s a n d e r e n g e s c h ä d i g t e n R e i s e i n t e r e s s e n t e n gilt im Verhältnis zwischen ihm und dem Befrachter bzw. Ablader gleichfalls § 254 BGB. Die Haftung aus § 564 ist dispositives Recht. Sie kann also gemildert oder verschärft werden. Eine Verschärfung findet sich vielfach, indem die Haftung auch f ü r den Fall festgelegt wird, daß ein Verschulden nicht vorliegt. Vgl. auch L e b u h n , Linienkonnossement 5. 79.

Anm. 7

3. Wem gegenüber wird gehaftet? S ä m t l i c h e n R e i s e i n t e r e s s e n t e n (Anm. 2 zu § 512 HGB), also nicht nur dem Verfrachter, sondern auch den anderen Ladungsbeteiligten, den Reisenden, der Schiffsbesatzung und denjenigen Schiffsgläubigern, deren Forderung aus einem Kreditgeschäft entstanden ist, auch dem mit dem Verfrachter nicht identischen Reeder (vgl. zu letzterem auch RGZ 30, 84). 332

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB 4. Für den gesamten Schaden wird gehattet (RG J W 1912 S. 743 Nr. 5; vgl. RGZ 93, 165). Insbesondere sind zu ersetzen die Kosten der Wiederausladung, Umladung, Verzögerung (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 259); der Verfrachter kann nicht nur Erstattung des von ihm an andere Ladungsbeteiligte bereits Gezahlten, sondern auch Freihaltung von künftig zu erwartenden Ansprüchen derselben verlangen (OAG Lübeck, Hamb. Sammlung Bd. 2 S. 1056; LG Hamburg HansGZ 1880, 338). Aus der Schadensersatzpflicht des Befrachters bzw. Abladers folgt weiter, daß derselbe den Schaden selbst zu tragen hat, von dem infolge seines Verschuldens s e i n e i g e n e s Ladungsgut betroffen wird (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 104).

Ann. 8

5. Wieweit wird gehaftet? Unbeschränkt-persönlich: daher fällt die Haftung nicht weg mit dem Untergang des Gutes, und der Kapitän präjudiziert den Verfrachter nicht durch die Auslieferung der Ladung an den Empfänger und durch Ausübung des Rechts aus Abs. 5.

Anm. 9

II. Die Bestimmungen der Abs. 3-5. Anm. 10 1. (Abs. 3). Durch die Zustimmung des Kapitäns wird die Verantwortlichkeit des Schuldigen gegenüber den übrigen Reiseinteressenten nicht ausgeschlossen. Das gleiche gilt nach § 564c von der Kenntnis des Verfrachters oder Schiffsagenten. Hieraus ist das a l l g e m e i n e P r i n z i p herzuleiten, daß die H a f t u n g g e g e n ü b e r j e d e m d e r R e i s e i n t e r e s s e n t e n u n a b h ä n g i g i s t v o n d e r j e n i g e n g e g e n ü b e r d e n a n d e r e n . Also nicht nur die Zustimmung, sondern auch jedes sonstige Mitverschulden des Kapitäns, Verfrachters oder Schiffsagenten oder eines anderen Reiseinteressenten ist ohne Einfluß auf die Haftung gegenüber den anderen. Bei Kenntnis des Verfrachters oder seines Schiffsagenten entfällt selbstverständlich der Ersatzanspruch des Verfrachters. 2. (Abs. 4). Beschlagnahme der Güter. Das Gesetz sagt, daß aus derselben keine Gründe Anm. I i zur Verweigerung der Frachtzahlung hergeleitet werden können. Das will sagen, daß die B e s c h l a g n a h m e f ü r s i c h a l l e i n den Frachtanspruch f ü r beschlagnahmte Güter nicht aus der Welt schafft (Prot. 2069, 2082, 3850), was nicht ausschließt, daß e r d u r c h a n d e r e U m s t ä n d e beseitigt wird. 3. (Abs. 5). Gefährdung. Wird durch die Ladung des s c h u l d i g e n Abladers bzw. Befrach- Anm. 12 ters das Schiff oder die übrige Ladung gefährdet, so ist der Kapitän befugt, sie a n s L a n d zu s e t z e n und in dringenden Fällen ü b e r B o r d z u w e r f e n , und zwar ohne Entschädigung und ohne daß dem Verfrachter der Frachtanspruch verlorengeht (§423 Abs. 1 BGB; vgl. auch § 636 Abs. 3 HGB). Seine Befugnis wird zur Verpflichtung gegenüber den anderen Reiseinteressenten (ROHG 21, 157). Eine Gefährdung bedeutet eine bereits eingetretene, gegenwärtige oder doch zum mindestens unmittelbar drohende Gefahr f ü r das Schiff oder die Ladung (vgl. G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. I I § 564). Fällt Ablader oder Befrachter kein Verschulden zur Last, so kann der Kapitän die Güter Anm. 13 nur dann ans Land setzen oder über Bord werfen, wenn ein Fall der großen Haverei gegeben ist (§ 700 HGB) oder es sich um entzündliche, explosive oder sonst gefährliche Güter handelt (§ 564b HGB). Mit diesen Gütern darf der Kapitän auch dann in der angegebenen Weise verfahren, wenn sie die übrige Ladung oder das Schiff nicht gefährden. Über den Begriff der gefährlichen Güter vgl. § 564b. Liegt keiner dieser beiden Fälle vor, so hat der Kapitän unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nach vernünftigem Ermessen zu handeln (Anm. 12, 13 zu § 535 HGB). Oft wird er nicht die gefährdenden, sondern nach § 535 Abs. 2 gerade die gefährdeten Güter ans Land zu setzen haben. Setzt er einzelne Güter ans Land, so kann er, sofern nicht ein Fall des § 636 Abs. 3 HGB vorliegt, keine Fracht verlangen (ein Fall der Distanzfracht ist nicht gegeben); wirft er sie über Bord, so ist der Frachtanspruch nach § 617 HGB verloren, es müßte denn ein Fall des § 618 HGB vorliegen oder nach wieder erfolgter Bergung der Transport zu Ende geführt werden (HansOLG HansGZ 1905, 155 = SeuffA Bd. 62, 162). Ob d e r A b l a d e r e i n e s g e f ä h r d e t e n G u t e s s c h u l d h a f t g e h a n d e l t h a t , wird der Kapitän freilich im kritischen Augenblick nicht immer entscheiden können. Es bleibt ihm dann nichts übrig, als nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln; welches die Rechtswirkungen seines Handels sind, entscheidet sich später. 383

§ 564

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anhang zu § 564 Gesetz über die Verfrachtung alkoholischer Waren Vom 14. April 1926 (RGBl. II S. 230)

§ 1 Alkoholische Waren im Sinne des Gesetzes sind Alkohol (Weingeist) und alkoholartige Flüssigkeiten, die zum Genuß oder zur Herstellung von Getränken geeignet sind. Alkoholische Waren sind auch Weine, weinähnliche und weinhaltige Getränke, Arzneiweine, Schaumweine und schaumweinartige Getränke, wenn ihr Alkoholgehalt 180 g in einem Liter oder 22 Raumhundertteile überschreitet. Bier und ähnliche Getränke mit einem Alkoholgehalt von weniger als 12 Raumhundertteilen, auch wirksam (vollständig) vergällter Spiritus und Lacke gelten nicht als alkoholische Waren. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nicht anwendbar auf alkoholische Waren, die einen Teil des Schiffproviants des sie befördernden Schiffes bilden oder Fahrgästen oder Personen der Schiffsbesatzung gehören, wenn diese Waren die für die Reise erforderliche Menge nicht überschreiten und bei der Einreise in einen der im § 3 genannten Staaten nach dessen Zollvorschriften angemeldet werden. §2 Schiffen von weniger als 100 Registertons Nettoraumgehalt ist die Beförderung alkoholischer Waren, insbesondere die Ausfuhr aus deutschem Gebiet ins Ausland, verboten. Als deutsches Gebiet gelten auch Zollausschlüsse (Freihäfen) und Freibezirke. Diese Vorschrift gilt nicht für mechanisch angetriebene Schiffe in regelmäßiger Linienfahrt und für die Beförderung auf Binnengewässern. §3 Schiffe von geringerem als 500 Registertons Nettoraumgehalt, die einem Staate angehören, der dem auf der Konferenz in Helsingfors vom 19. August 1925 abgeschlossenen Abkommen zur Bekämpfung des Alkoholschmuggels beigetreten ist, dürfen alkoholische Waren aus deutschem Gebiet, auch aus deutschen Zollausschlüssen (Freihäfen) und Freibezirken, ins Ausland nur ausführen, wenn sie im Besitz einer schriftlichen amtlichen Genehmigung der zuständigen Behörde des Flaggenlandes sind. Anm.

Vgl. über das in Helsinki am 19. 8. 1925 geschlossene Abkommen zur Bekämpfung des Alkoholschmuggels Bd. I S. 173.

§4 Die im § 3 genannten Genehmigungen erteilt in Deutschland die Hafenbehörde des Heimathafens. Deutschen Schiffen darf diese Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Ehrenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Reeders durch das Zeugnis einer in Sachen des Handels und der Schiffahrt zuständigen öffentlichen oder privaten Stelle erwiesen wird. Die Genehmigung wird für die Dauer von 3 Jahren von dem Tage der Ausstellung ab erteilt; sie erlischt, wenn das Schiff den Reeder wechselt. 334

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 564

§5 Die Ausreise der im § 3 bezeichneten Schiffe ins Ausland darf nur erfolgen: 1. wenn offensichtlich kein Schmuggelhandel vorliegt, 2. wenn der Kapitän des Schiffes oder der Ablader der alkoholischen Waren schriftlich erklärt hat, daß die an Bord des Schiffes verladenen alkoholischen Waren rechtmäßig ausgeführt und tatsächlich am Bestimmungsorte nach den dort gültigen Bestimmungen eingeführt werden sollen und 3. wenn die im § 6 vorgeschriebenen Nachweise über die frühere Ausfuhr von alkoholischen Waren geführt sind. §6

Mit der in den §§ 3 und 4 genannten schriftlichen amtlichen Genehmigung ist ein Anhang durchnumerierter freier Blätter fest zu verbinden und darin die jedesmalige Menge, Art und Bestimmung der alkoholischen Waren, die auf den im § 3 erwähnten Schiffen ins Ausland ausgeführt werden sollen, zu verzeichnen. Dieses Verzeichnis hat der Kapitän zu unterschreiben und die Hafenbehörde des Ausgangshafens abzustempeln. Der Kapitän hat dafür zu sorgen, daß die zuständigen Behörden im Bestimmungshafen ebenfalls auf dem Anhang unter Beidruck eines Stempels bescheinigen, daß die Waren ordnungsgemäß gelöscht worden sind. Wenn in einem Löschhafen diese Bescheinigung der zuständigen Behörden nicht zu erhalten ist, darf der im Abs. 2 geforderte Nachweis in anderer ausreichender Weise geführt werden. Kann der Kapitän infolge von Havarien oder aus anderen stichhaltigen Gründen den ordnungsgemäßen Nachweis nicht führen, so hat er diese Hinderungsgründe nachzuweisen. §7 Die zur Durchführung der §§ 2 bis 6 erforderlichen Maßnahmen sind von den Regierungen der Küstenländer zu treffen. Die Reichszollverwaltung ist in dem durch die jeweiligen Verhältnisse gebotenen Umfang zu beteiligen. §8 Wenn ein Kapitän gegen das Verbot im § 2 alkoholische Waren befördert oder ins Ausland ausführt, wird er mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Ein Kapitän, der ohne die im § 3 vorgeschriebene schriftliche Genehmigung oder ohne die im § 5 vorgeschriebene Erklärung alkoholische Waren ins Ausland ausführt, wird mit Gefängnis bis zu 3 Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. Alkoholische Waren, die Gegenstand der strafbaren Handlung sind, können eingezogen werden, auch wenn sie nicht dem Verurteilten gehören. §9 Im Falle nachgewiesenen Mißbrauchs kann die im § 3 erwähnte Genehmigung deutschen Schiffen durch die Hafenbehörde, die sie erteilt hat, wieder entzogen werden. § 10 Dieses Gesetz tritt 30 Tage nach der Hinterlegung der deutschen Ratifikationsurkunde des im § 3 genannten Abkommens in Kraft. 335

§ 564a

Vierter Teil. Seehandelsrecht § 564 a

Auch wer ohne Kenntnis des Schiffers Güter an Bord bringt, ist nach § 564 zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Der Schiffer ist befugt, solche Güter wieder ans Land zu setzen oder, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, nötigenfalls über Bord zu werfen. Hat der Schiffer die Güter an Bord behalten, so ist dafür die höchste, am Abladungsort zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht zu bezahlen. S c h r i f t t u m : G r a m m Seefrachtrecht S. 100; P a p p e n h e i m H B 3 S. 514f.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 246. Anm. 1

Heimliche Anbordbringung von Gütern. § 564a entspricht § 564 a.F. Wegen gefährlicher Güter siehe § 564 b. Wegen des Anbordbringens von Sachen durch Besatzungsmitglieder siehe § 111 Abs. 2 SeemG. 1. Dieser Fall ist nach dem Gesetz gegeben, wenn jemand ohne Kenntnis des Kapitäns, des Verfrachters oder seines Schiffsmaklers (vgl. § 564c) Gttter an Bord bringt. Kontrolliert eine andere Person, etwa ein Schiffsoffizier, die Abladungen, so genügt es selbstverständlich, wenn die Anbordbringung in deren Einverständnis geschieht. D e r F a l l , d e n d a s G e s e t z t r e f f e n w i l l , i s t a l s o d e r , d a ß s c h u l d h a f t e r w e i s e (vorsätzlich oder fahrlässig) — dies ergibt sich aus den Worten „nach § 564" —• G ü t e r o h n e E i n v e r s t ä n d n i s d e r d i e B e l a d u n g d e s S c h i f f e s l e i t e n d e n P e r s o n a n B o r d g e b r a c h t w e r d e n , sei es, daß kein Frachtvertrag vorliegt oder daß trotz geschlossenen Frachtvertrages die Güter nicht angenommen worden sind, etwa wegen ihres gefährdenden Charakters, oder weil das Schiff bereits voll beladen ist.

Anm. 2

2. Wer heimlich Güter an Bord bringt, versetzt sich in folgende Rechtslage (vgl. f ü r Besatzungsangehörige § 111 Abs. 2 SeemG): a) Er ist nach Maßgabe von § 564 H G B zum E r s ä t z e d e s e n t s t e h e n d e n S c h a d e n s (der z.B. durch Verzögerung bei der Zollabfertigung entsteht) verpflichtet (Anm. 8ff. zu § 564 HGB).

Anm. 3

b) Der Kapitän ist befugt, die Güter, gleichviel ob sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden oder nicht, w i e d e r a n s L a n d zu s e t z e n , natürlich auf Kosten desjenigen, der sie an Bord gebracht hat.

Anm. 4

c) Der Kapitän darf die gefährdenden Güter nötigenfalls über Bord werfen (Anm. 12 ff. zu § 564).

Anm. 5

d) H a t der Kapitän die Güter an Bord behalten, so ist dafür F r a c h t zu zahlen, und zwar nicht die angemessene, sondern d i e h ö c h s t e , a m B e l a d u n g s o r t e z u r A b l a d u n g s z e i t f ü r s o l c h e R e i s e n u n d G ü t e r b e d u n g e n e F r a c h t (vgl. § 544 HGB). Der Verfrachter braucht nicht zu beweisen, daß er dieselbe erzielt haben würde, sondern nur, daß i r g e n d j e m a n d sie erzielt hat.

Anm. 6

e) Auf Grund des kraft Gesetzes zustande gekommenen v e r t r a g s ä h n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e s finden die Vorschriften über den Frachtvertrag Anwendung ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 515), also auch §§ 617, 623, 633 usw. HGB.

Anm. 7

3. Fällt dem, der die Güter an Bord gebracht hat, kein Verschulden zur Last, z.B. wegen entschuldbaren Irrtums, so besteht eine Verpflichtung zum E r s a t z d e s S c h a d e n s nur bei gefährlichen Gütern (§ 564b). Doch ist der Kapitän berechtigt, die Güter auf Kosten des Einbringers ans Land zu setzen, weil vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen. Behält der Kapitän die Güter an Bord, so kann der Verfrachter, sofern überhaupt ein Frachtvertrag zustande gekommen ist, nur die angemessene Fracht fordern. Berechtigt, die Güter über Bord zu werfen, ist der Kapitän, wenn sich die Gefährdung des Schiffes als große Haverei darstellt (§ 700 HGB), oder wenn es sich um gefährliche Güter (§ 564b HGB) handelt. I m letzteren Falle braucht nicht einmal eine Gefährdung des Schiffes oder der übrigen Ladung vorzuliegen. 336

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 564b

§ 564 b Werden entzündliche, explosive oder sonst gefährliche Güter an Bord gebracht, ohne daß der Schiffer von ihnen oder ihrer gefährlichen Art oder Beschaffenheit Kenntnis erlangt hat, so haftet der Befrachter oder der Ablader nach § 564, auch ohne daß ihn ein Verschulden trifft. Der Schiffer ist in diesem Fall befugt, die Güter jederzeit und an jedem beliebigen Ort auszuschiffen, zu vernichten oder sonst unschädlich zu machen. Hat der Schiffer der Abladung in Kenntnis der gefährlichen Art oder Beschaffenheit der Güter zugestimmt, so ist er berechtigt, in gleicher Weise zu verfahren, wenn die Güter das Schiff oder die übrige Ladung gefährden. Auch in diesem Fall ist der Verfrachter und der Schiffer zum Ersatz des Schadens nicht verpflichtet. Die Vorschriften über die Verteilung des Schadens im Fall der großen Haverei bleiben unberührt. S c h r i f t t u m : C a p e l l e Frachtcharter S. 249; E h l e r s HansRGZ 1938, 249; G r a m m Seefrachtrecht S. 102; W ü s t e n d ö r f e r SHR 246; S t o r k e BB 1958 S. 362. § 564b ist durch das SFrG eingefügt worden. Vgl. Art. IV § 6 HR.

Einleitung

1. 1. § 564b Abs. 1 Satz 1 erwähnt e n t z ü n d l i c h e , e x p l o s i v e oder s o n s t g e f ä h r l i c h e Güter. Gefährlichkeit ist also der Oberbegriff. Soweit es sich danach also um ein sonst gefährliches Gut handelt, ist es belanglos, ob es auch entzündlich oder explosiv ist (vgl. wegen Palmkernschrot RG HansRGZ 1937 B 143). Die Gefährlichkeit eines Gutes kann in seiner Art oder in seiner Beschaffenheit ihren Grund haben, aber auch in der Weise, wie es verpackt ist (RGZ 20, 87). Insbesondere sind e n t z ü n d l i c h alle feuergefährlichen Stoffe, also auch solche, die zur Selbstentzündung neigen, wie Kohlen und Briketts (vgl. RGZ 170, 233: zu hohe Temperatur). Unter e x p l o s i v e n Gütern sind alle Stoffe zu verstehen, bei denen die Gefahr besteht, daß sie infolge plötzlichen Ausdehnens von Gasen oder Dämpfen ihre Umhüllung zersprengen und ihre Daseinsform verändern, ohne Rücksicht darauf, ob die Gase oder Dämpfe bereits vor der Explosion vorhanden waren oder erst bei derselben gebildet worden sind (vgl. G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. 1 2 zu § 564b). Unter die s o n s t g e f ä h r l i c h e n Güter fallen derartige, die nach physischer oder chemischer Beschaffenheit a l l g e m e i n geeignet sind, das Schiff oder andere Ladungsgüter zu zerstören oder zu beschädigen ( G r a m m , a.a.O., Anm. I I 3). Es genügt also nicht, daß ein an sich ungefährliches Gut nur im konkreten Falle, z.B. durch seinen üblen Geruch, weil es im konkreten Falle verdorben ist, auf andere geruchsempfindliche Güter schädigend einwirken kann ( G r a m m a.a.O.).

Anm. 1

2. Die Verladung gefährlicher Güter, insbesondere auch solche entzündlicher oder explosiver Art ist nach der VO über gefährliche Seefrachtgüter vom 4. 1. 1960, die im Nachtrag im 3. Band abgedruckt und an die Stelle der VO über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen vom 12. 12. 1955 getreten ist, entweder verboten oder nur zu bestimmten Bedingungen zugelassen. Die Bedeutung der VO liegt zunächst auf öffentlich-rechtlichem Gebiet. Doch ist die der VO beigegebene Anlage, in der die bedingt zur Beförderung zugelassenen Güter genannt sind, indem andere gefährliche Güter (vgl. die Aufführung in § 1 Abs. 3 der VO) von der Beförderung grundsätzlich ausgeschlossen sind, auch eine maßgebliche Richtschnur dafür, was im Sinne des § 564b unter gefährlichen Gütern zu verstehen ist. Ein Frachtvertrag, in dem die Beförderung gefährlicher Güter unter Verletzung von Vorschriften der VO über gefährliche Seefrachtgüter vereinbart ist, ist wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nicht. Bei der genannten VO handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Vgl. auch das ebenfalls im Nachtrag zum 3.Band wiedergegebene G e s e t z ü b e r d i e f r i e d l i c h e V e r w e n d u n g d e r K e r n e n e r g i e (Atomgesetz) v. 23. 12. 1959. Doch ist zu beachten, daß die VO über gefährliche Seefrachtgüter für den § 564b immer nur ein wesentlicher Anhaltspunkt ist. Es kann deshalb nicht allgemein ausgeschlossen werden, daß unter § 564 b auch Güter fallen, mit denen sich die genannte VO nicht befaßt.

Anm. 2

II. 1. Die Rechtsfolgen der Verladung gefährlicher Güter sind v e r s c h i e d e n , je nachdem der Kapitän (nach § 564c auch Verfrachter und Schiffsmakler) k e i n e K e n n t n i s hatte von den Gütern oder ihrer gefährlichen Art, oder in K e n n t n i s der gefährlichen Art zustimmte.

Anm. 3

22 Schaps-Abraham, Seerecht I I

337

§ 564b

Anm. 4

Anm. 5

Anm. 6

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Dabei überschneidet sich der Tatbestand des § 564b mit denen der §§ 564 und 564a, denn er umfaßt Fälle sowohl der unrichtigen Angaben über die Art und Beschaffenheit der Güter (§ 564 Abs. 1) wie auch solcher heimlicher Verladung (§ 564a), darüber hinaus aber auch Fälle, in denen trotz richtiger Angaben über die Art und Beschaffenheit des Gutes der Kapitän dessen gefährliche Natur nicht erkennt. a) Haben der Kapitän oder die ihm nach § 564c gleichgestellten Personen (vgl. auch Anm. 1 zu § 564) von den Gütern n i c h t s g e w u ß t o d e r i h r e g e f ä h r l i c h e A r t o d e r B e s c h a f f e n h e i t n i c h t g e k a n n t (siehe dazu LG Bremen Hansa 1952 S. 1503), so ist der Kapitän befugt, die Güter jederzeit und an jedem beliebigen Ort auszuschiffen, zu vernichten oder sonst unschädlich zu machen und zwar ohne Verpflichtung zur Ersatzleistung gegenüber Befrachter, Ablader oder Empfänger. Es kommt allein darauf an, ob der genannte Personenkreis die gefährliche Natur der Güter n i c h t e r k a n n t h a t (einerlei, ob bezüglich des Nichterkennens Fahrlässigkeit vorliegt oder nicht). Ist das der Fall, und zwar auch trotz richtiger Bezeichnung der Güter durch Befrachter oder Ablader, so haften diese auch ohne Verschulden f ü r den gesamten Schaden, also auch f ü r die Kosten der Ein- und Ausschiffung und für den Zeitverlust, und zwar allen Reiseinteressenten. Siehe dazu auch BGH Hansa 1960 S. 605 = ZfBsch. 1960 S. 278 = MDR 1960 S. 739; RGZ 93, 165. Vgl. §§ 4, 5 VO über gefährliche Seefrachtgüter, wonach gefährliche Güter auf einem Seeschiff erst verladen werden dürfen, wenn der Verladeschein (Schiffszettel) mit den Erklärungen des Abladers über die vorschriftsmäßige Verpackung oder die erforderliche Genehmigung dem Kapitän ausgehändigt worden ist. — H a t der Verfrachter den Transport einer Ladung „beschädigter Gerste" übernommen, so ist der Befrachter nicht verantwortlich für die Kosten der wegen Selbstentzündung während der Reise notwendig gewordenen Entlöschung, denn der Verfrachter muß selbst mit den beschädigtem Gftre'de drohenden Gefahren vertraut sein (HansGZ 1911 Nr. 138). Aus der Bezeichnung einer Ladung Bisulfat als Steinsalz ergibt sich nichts für die stark ätzende Wirkung des Bisulfats (RG 93, 163). Vgl. zur Haftung des Befrachters f ü r eine Säurebeschädigung des Schiffes durch eine Ladung Schwefelkies RG HansGZ 1916 Nr. 9; HansOLG HansGZ 1915 Nr. 136. Über Selbstentzündlichkeit von „tol-puff"-Material vgl. Court of Inguiry London i.S. MS „Seistan 1 ' LL vom 7. 3. 1953. Über bengalische Zündhölzer siehe RGZ 15, 146. Eine Haftung des Empfängers besteht von Gesetzes wegen nicht. Vgl. auch Anm. 2 zu § 563 HGB. Doch kann sie begründet werden, indem er die Güter annimmt und die Haftung im Konnossement vorgesehen ist. Vgl. etwa Regel VI DEK. Siehe RGZ 170, 233: Ist eine Brikettladung mit zu hoher Temperatur abgeladen worden, ein Teil von ihr unterwegs verbrannt und nimmt der Empfänger die Restladung an, so haftet er für den Schaden am Schiff, mag dieser auch den Wert der Restladung erheblich übersteigen. b) Hat der Kapitän oder eine ihm nach § 564 c gleichgestellte Person oder auch jemand, der im Auftrage des Kapitäns die Abladung kontrollierte, die g e f ä h r l i c h e B e s c h a f f e n h e i t d e r G ü t e r e r k a n n t (erforderlich ist positives Kennen, Kennenmüssen genügt nicht) und sie trotzdem an Bord genommen, so müssen sich Befrachter oder Ablader, falls die Güter das Schiff oder die übrige Ladung gefährden (vgl. über den Begriff der Gefährdung § 564 Anm. 12 f.; doch betrifft § 564b Abs. 2 nur die Gefährdung durch gefährliche Güter; die Gefährdung durch andere, z.B. stark oder übelriechende Güter fällt unter § 564 und 564a HGB), die Ausschiffung, Vernichtung oder sonstige Unschädlichmachung gefallen lassen, und zwar ohne Ersatz durch den Verfrachter, auch nicht gegenüber dem Empfänger. Anders als im Falle des Abs. 1 sind aber auch Befrachter oder Ablader hier nicht ersatzpflichtig, und zwar auch nicht nach §564 HGB; vgl. E h l e r s a.a.O. 255. Gemäß § 324 Abs. 1 BGB behält der Verfrachter den Frachtanspruch. Die Übernahme von Gütern trotz Kenntnis von ihrer Gefährlichkeit kann für den Kapitän eine Verletzung der ihm nach §§ 511, 512 HGB obliegenden Sorgfaltspflichten bedeuten und für den Verfrachter eine Haftung nach §§ 607, 485 HGB zur Folge haben. 2. Nach Abs. 2 Satz 3 sollen die Vorschriften über die Verteilung des Schadens im Fall der großen Haverei nicht berührt werden. Trotz ihrer Stellung in Abs. 2 gilt die Vorschrift auch für die Fälle des Abs. 1. Das bedeutet: Sind Maßnahmen zur Beseitigung der gemeinsamen Gefahr, die sich für Schiff und Güter aus den gefährlichen Gütern ergeben, getroffen worden, die gemäß § 700 HGB einen Fall der großen Haverei bilden (doch ist Voraussetzung f ü r diese stets eine g e m e i n s a m e G e f a h r f ü r Schiff und Ladung, die fehlt, wenn die gefähr888

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§§ 564c, 565

liehen Güter nur die Ladung gefährden oder die gesamte Ladung als gefährliches Gut geworfen wird; vgl. G r a m m , Seefrachtrecht, Anm. VI zu § 564b), so kann der Schaden auf Schiff, Fracht und Ladung verteilt werden. Die große Haverei wird durch das Verschulden eines Beteiligten nicht ausgeschlossen. Doch kann dieser (hier also Befrachter oder Ablader) gemäß § 702 HGB wegen des ihm entstandenen Schadens keine Vergütung fordern. Wählt der Reeder den Weg der großen Haverei (und macht damit seinen Ersatzanspruch gegen Befrachter oder Ablader nicht geltend), so können die im Havereiverfahren Beitragspflichtigen ihrerseits Rückgriffe gegen Befrachter oder Ablader nehmen. § 664 c In den Fällen der §§ 564 bis 564b steht der des Schiffers die Kenntnis des Verfrachters oder des Schiffsagenten gleich. § 564e idF des SeefrG. Vgl. Art. IV § 6 H R Nach Art. IV § 6 H R sind Befrachter und Ablader nicht ersatzpflichtig, wenn der Kapitän, der Verfrachter oder sein Agent der Verladung in Kenntnis der gefährlichen Art und Beschaffenheit zugestimmt haben. Dem entspricht § 564 c, wobei er aber diese Regelung auch auf die Fälle der §§ 564 und 564a ausdehnt. Schiffsagent ist der Agent (Schiffsmakler), der f ü r den Verfrachter die Frachtverträge abschließt und sich mit den aus der Verladung der Güter ergebenden Fragen zu befassen hat (Amtl. Begr. SFrG zu §§ 563—564c). In entsprechender Anwendung ist aber die Kenntnis l e i t e n d e r A n g e s t e l l t e r des Verfrachters seiner Kenntnis gleichzusetzen ( G r a m m Seefrachtrecht zu § 564c).

Anm. 7

§ 565 Der Verfrachter ist nicht befugt, ohne Erlaubnis des Befrachters die Güter in ein anderes Schiff zu verladen. Handelt er dieser Vorschrift zuwider, so ist er für jeden daraus entstehenden Schaden verantwortlich, es sei denn, daß der Schaden auch dann entstanden und dem Befrachter zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen worden wären. Auf Umladungen in ein anderes Schiff, die in Fällen der Not nach dem Antritte der Reise erfolgen, finden die Vorschriften des Abs. 1 keine Anwendung. S c h r i f t t u m : B o y e n s Bd. 2 S. 126, 344; B r o d m a n n Z H R Bd. 70 S. 40; C a p e l l e S. 122ff. und 290ff.; D o r , Bill of Lading Clauses, S. 49, 61; M i s c h l e r HansRGZ 1934 A 90; P a p p e n h e i m H B 3 S. 127ff.; W ü s t e n d ö r f e r SHR 235; d e r s . ZHR Bd. 88 S. 241ff.; d e r s . Studien 1 S. 204ff., 300. Substitution eines anderen Schiffes. W a s h i e r v o m V e r f r a c h t e r i m V e r h ä l t n i s z u m Ginleitung B e f r a c h t e r b e s t i m m t ist, gilt a u c h v o m V e r f r a c h t e r im V e r h ä l t n i s z u m K o n n o s s e m e n t s i n h a b e r . Für das Binnenschiffahrtsrecht siehe § 44 BSchG. 1. Bereits an anderer Stelle (Vorbem. zum4. Abschnitt Anm. 15 und Anm. 4f. zu§ 556HGB) ist betont, daß die Vereinbarung eines bestimmten Schilfes, vermittels dessen der Frachtvertrag zur Ausführung gebracht werden soll, f ü r diesen n i c h t b e g r i f f s w e s e n t l i c h i s t , aber beim Raumfrachtvertrag die Regel bildet. Anders beim Stückgütervertrag in der Liniensohiffahrt, insbesondere auf Grund der Klausel „mit dem MS „ X " oder einem anderen Schiff dieser Linie" (aber dann ist die Wahl beschrankt und § 565 gilt entsprechend f ü r diesen Kreis von Schiffen; vgl. P a p p e n h e i m a.a.O. S. 127). Ebenso bei Hinzufügung der Worte „ohne Verbindlichkeit" zu dem Namen des Dampfers (HG Hamburg HansGZ 1873 Nr. 74) oder anderer dem Verfrachter das Recht der Substitution oder Umladung gewährenden Klauseln (unten Anm. 6). Umladungsbefugnis ist selbstverständlich bei Verladung von Gütern auf durchgehendem Konnossement (siehe Anhang I zu §656 HGB). Recht und Pflicht zur Leichterung hat das Schiff, wo der Bestimmungshafen ohne Überwindung von Barren nicht ungefährdet erreicht werden kann (hierzu Anm. 4 zu § 592 HGB). 22»

339

Anm. 1

§ 565

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Anm. 2

2. Ist ein bestimmtes Schiff vereinbart worden, so darf der Verfrachter ohne Erlaubnis des Befrachters die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen: sonst haftet er nach Maßgabe des § 565 für den Schaden (vgl. § 44 BSchG). Der Befrachter braucht ein E r s a t z s c h i f i sich nicht gefallen zu lassen, es sei denn, daß Schikane (§ 226 BGB) anzunehmen sein würde (HansOLG und RG HansRZ Bd. 2 S. 432). a) Verboten ist dem Verfrachter sowohl die V e r l a d u n g i n e i n a n d e r e s a l s d a s v e r e i n b a r t e S c h i f f v o r A n t r i t t der Reise als a u c h d i e U m l a d u n g (transhipment) n a c h A n t r i t t d e r s e l b e n (wie sich deutlich aus § 565 Abs. 2 ergibt), mag auch das neue Schiff gleichwertig oder gar besser sein ( B o y e n s Bd. 2 S. 344; B r o d m a n n Z H R Bd. 70 S. 40; P a p p e n h e i m H B 3 S. 128; M i t t e l s t e i n H B 155 C a p e l l e a . a . O . S.290). E r darf auch nicht ohne Genehmigung einen Teil des Transports bis zu dem in einem anderen Hafen liegenden Seeschiff per Leichter ausführen (die Klausel „the carriers shall have liberty to convoy goods in lighters to and from the ship a t the risk of the owners of t h e goods" gibt dem Schiffer nur das Recht des Leichtertransports innerhalb des Verschiffungs- und Ankunftshafens, wozu er berechtigt ist, wenn nicht ausdrücklich Ladung ab K a i oder Löschung auf dem K a i vereinb a r t ist: HansOLG HansGZ 1913, 298; 1925 Nr. 81). Doch sind in Abs. 2 ausdrücklich ausgenommen U m l a d u n g e n i n N o t f ä l l e n n a c h A n t r i t t d e r R e i s e . Vgl. dazu Anm. 10. Diese Ausnahme bezieht sich aber nur auf zeitweilige Umladungen f ü r die Dauer der Not und befugt den Kapitän nicht, bei Eintritt von Notfällen f ü r den Rest der Reise ein anderes Schiff an die Stelle des ursprünglichen zu setzen (so mit Recht B o y e n s Bd. 2 S. 126; gegen L e w i s Endemanns H B Bd. 4 S. 129); f ü h r t der Notfall zur Auflösung des Frachtvertrages, so h a t möglicherweise der K a p i t ä n die Pflicht der Weiterbeförderung mit einem anderen Schiffe (§§ 535, 632, 634 HGB). Eine Umladung wegen Notfalls v o r Antritt der Reise ist zulässig unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag ( L e w i s a.a.O.).

Anm. 3

b) Die vom Verfrachter zu beweisende Erlaubnis des Befrachters kann entweder schon im Prachtvertrag (oben Anm. 1) oder nachträglich gegeben sein. D a der Ablader präsumtiv be vollmächtiger Vertreter des Befrachters ist (Vorbemerkung zum vierten Abschnitt Anm.7), so genügt, soweit jene Vermutung reicht, die Erlaubnis des Abladers (Prot. 2075; anders B r a n d i s Bd. 2 S. 21). Die gleiche Wirkung wie die Erlaubnis des Befrachters hat seine nachträgliche Genehmigung (vgl. HansOLG HansGZ 1894 Nr. 77 I I , wo nachträgliche Genehmigung des Konnossementsinhabers vorlag, in welchem Falle bei einem Orderkonnossement in rechtsähnlicher Anwendung des § 654 H G B sämtliche Konnossementsexemplare vorgelegt werden müssen; vgl. W ü s t e n d ö r f e r S H R 235; L i n d e n m a i e r J a h r b A k D R 1939/40 S. 130). Auch bei im Frachtvertrag (oder im Konnossement) erlaubter Umladung darf der Verfrachter nicht willkürlich von ihr Gebrauch machen, sondern nur bei Vorliegen eines berechtigten Grundes (vgl. D o r a . a . O . S. 61), denn auch diese Klausel steht unter seiner Sorgfaltspflicht nach § 606 HGB. F ü r Verlust und Beschädigung der Güter infolge der Umladung h a f t e t er im Rahmen der §§ 662ff. H G B zwingend, so daß insoweit entgegenstehende Klauseln, z.B. daß die Umladung auf Gefahr des Ladungsbeteiligten erfolgt, unwirksam sind.

Anm. 4

c) Der Verfrachter, welcher das Verbot des § 565 s c h u l d h a f t (an einem Verschulden fehlt es, wenn z.B. durch unverschuldeten I r r t u m in ein anderes Schiff verladen wird; § 254 BGB kommt zur Anwendung) verletzt ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 131), haftet für jeden aus seiner vertragswidrigen Handlungsweise sich ergebenden Schaden, a l s o a u f d a s v o l l e I n t e r e s s e , nicht nur auf den gemeinen Handelswert, jedoch nur bis zum Höchstbetrage von DM 1250.— je Einheit (§ 660 HGB), und zwar aus positiver Vertragsverletzung, z.B. f ü r Gewichtsverlust der Ware infolge der Umladung (HG H a m b u r g HansGZ 1875 Nr. 172, 174), f ü r Schaden infolge verspäteter Ankunft (Konjunkturverlust: H G H a m b u r g HansGZ 1875 Nr. 174), f ü r Nachteile, die dem Befrachter infolge Ungültigwerdens seiner Versicherung oder daraus erwachsen, daß die Ware seitens seines Abnehmers, der Verladung mit einem bestimmten Schiffe gekauft h a t (vgl. RGZ 30 Nr. 18), zurückgewiesen wird. Streitig ist, ob der Verfrachter dem Befrachter, wenn das vereinbarte Schiff untergegangen ist, das vertragswidrig verwendete aber mit dem Gute den Bestimmungshafen erreicht h a t , f ü r den Unterschied zwischen der — gegenüber dem Verkaufserlös höheren — Policentaxe und dem Verkaufserlöse der Ware aufzukommen hat. Die Frage ist vom Reichsgericht — im Gegensatz zum HansOLG HansGZ 1891 Nr. 59, dem P a p p e n h e i m H B 3 S. 130 Anm. 3

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 565

beitritt — verneint (RGZ 28 Nr. 36), ebenso, mit verschiedenartiger Begründung von M a x R ü m e l i n ArchivPrax Bd. 90 S. 286ff., B r a n d i s Bd. 2 S. 22; O e r t m a n n , Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch S. 227, C a p e l l e a.a.O. S.124, S c h l e g e l b e r g e r L i e s e c k e Anm. 9 zu § 565. M i t R e c h t , denn das vertragswidrige Verhalten des Verfrachters war ohne nachteilige Wirkung: es hat gerade die Vertragsleistung, den ungefährdeten Transport des Gutes, ermöglicht. Daß der Befrachter nicht statt des Gutes den Betrag der Policentaxe erhalten hat, war f ü r ihn, vom Standpunkt des Frachtvertrages gesehen, kein Schaden, jedenfalls kein solcher, der sich als adäquate Folge des Verschuldens des Verfrachters darstellt. d) Der Verfrachter kann sieh von seiner Haftung freimachen, w e n n u n d s o w e i t e r beweist, d a ß der Schaden auch ohne sein v e r t r a g s w i d r i g e s V e r h a l t e n ents t a n d e n u n d d e m B e f r a c h t e r z u r L a s t g e f a l l e n s e i n w ü r d e (Abs. 1 Satz 2). Der Verfrachter hat also darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, daß ein zwingender Zusammenhang zwischen der Umladung und dem Schaden fehlt. Diese Regelung der Beweislast ist ein Abweichen von allgemeinen Grundsätzen, nach denen der Befrachter seinen Schaden und den Zusammenhang mit der Andersverladung darzutun hätte, wenn auch nur durch den Beweis des ersten Anscheins. Nach allgemeinen Grundsätzen hat aber der Befrachter das vertragswidrige Verhalten des Verfrachters und den entstandenen Schaden zu beweisen.

Anm. 5

3. Substitutions- und Umladeklauseln. a) Vgl. die Beispiele in Anm. 4 zu § 556 HGB oben in Anm. 1. Weiter die Klauseln „mit Freiheit, die Waren in andere Dampfschiffe zu verladen" (HansOLG HansGZ 1909, 46; RG HansGZ 1910, 186 = Hansa 1910 S. 599 = Recht 1910 Nr. 1299); „das Schiff ist berechtigt, die Güter sowohl vor Beginn als während der Reise mit einem anderen Dampfer zu verladen oder dieselben umzuladen" (RG HoIdheimsMSchr. 1907 S. 171 = LZ 1907, 660); „the steamer to have liberty, to substitute or transship the goods by any other steamer" (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 133; RGZ 14, 34); „to transship cargo from any intermediate port to its destination at ships expense and merchant risk" (HansGZ 1886, 4). Eine Umladebefugnis gewährt n i c h t die Klausel „steamer to be at liberty to touch at intermediate ports" (HansOLG HansGZ 1884, 129). I m Charterverkehr finden sich Umladungsklauseln nur selten, ebenso wie Substitutionsklauseln, wenn sie auch vorkommen (vgl. M i s c h l e r a.a.O.). Durch eine einfache Substitutionsklausel wird der Verfrachter nicht zur Umladung berechtigt ( P a p p e n h e i m a.a.O., S. 128; C a p e l l e a.a.O., S. 291). Zu den Umladungsklauseln gehören auch die eigentlichen Leichterklauseln. So z.B. die bei C a p e l l e a.a.O., 291 angegebenen Klauseln: „Owners to have liberty to lighten if required to cross bars and / or shoals in the River Paraná at the steamers expense and the merchant risk . . . but the master to give notive before lightening to chable the charterers to send their representative on board." oder „Should it be necessary to lighten the vessel to reach the open sea the same to be a t steamers expense and merchants risk." Beide Klauseln gewähren dem Verfrachter die Befugnis zur Leichterung, regeln die Kostenfrage u.U. abweichend von § 621 Abs. 2 HGB und befreien in der Regel den Verfrachter von der Leichterungsgefahr ( C a p e l l e , Frachtcharter 291).

Anm. 6

b ) U n m i t t e l b a r sollen die S u b s t i t u t i o n s - u n d U m l a d e k l a u s e l n n u r die VorS c h r i f t d e s A b s . 1 u n t e r d e n B e t e i l i g t e n a u f h e b e n (siehe US Court of Appeals Hansa 1955 S. 1052 über das mehrfache Gebrauchmachen von einer Substitutionsklausel). M i t t e l b a r können die Substitutions- und Umladeklauseln weitergehendere Bedeutung gewinnen. Wer unterwegs umladen darf, muß die Güter, soweit dies erforderlich ist, im Umladehafen in Leichter oder Lagerhäuser einlagern dürfen (HansOLG HansGZ 1909, 15 und 46; R G HansGZ 1910, 188); unter Umständen rechtfertigt sich mit Rücksicht auf bestehende Übungen die Auslegung, daß das Schiff zwecks Vornahme der Umladung einen Umweg machen darf (RG HansGZ 1910, 187 = Hansa 1910 S. 599 = Recht 1910 Nr. 1299). Umladung kann auch sein die Ausladung und Wiedereinladung zum Zwecke der Ermöglichung der Ausladung anderer Güter (RG HoldheimMSchr. 1907, 171 = LZ 1907, 660).

Anm. 7

341

§ 565

Vierter Teil. Seehandelsrecht

Die Klauseln begründen f ü r den Verfrachter keine Verpflichtung, ein Ersatzschiff zu stellen, wenn das namentlich benannte Schiff verloren geht (§ 628 Abs. 1 Satz 1 HGB). Es liegt nur eine alternative Ermächtigung des Verfrachters vor. Der Verfrachter, d e r v o n e i n e r s o l c h e n B e f u g n i s G e b r a u c h m a c h t , ist aber nur von der Verbindlichkeit befreit, die Beförderung mit dem ursprünglichen und keinem anderen Schiff zu bewirken, nicht etwa auch von seinen sonstigen Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag (HansOLG HansGZ 1886, 6 = SeuffA Bd. 41 S. 199; vgl. See- und HandelsG Stettin BuschsA Bd. 2, S. 197). Die f ü r das Ersatzschiff zu zahlende Fracht ist die gleiche wie die f ü r das ursprünglich vorgesehene Schiff. Vgl. OLG Hamburg Hansa 1952 S. 1312. Ersatzschiff und ursprüngliches Schiff müssen sich in ihren wesentlichen Merkmalen, wie Klasse, Tragfähigkeit und Geschwindigkeit entsprechen. Wesentlich sind alle solchen Merkmale, die in der Charter besonders aufgezählt sind. Ist das bezüglich der Schraubenzahl nicht der Fall, so ist der Verfrachter nicht verpflichtet, als Ersatzschiff auch ein Einschraubenschiff zu stellen, nur weil mit der Möglichkeit von Eis gerechnet werden mußte. Vgl. RGZ114,324 f ü r den Fall, daß das Schiff nicht namentlich, sondern nur der Gattung nach bezeichnet war. F ü h r t das Ersatzschiff eine andere Flagge als das ursprünglich vorgesehene, so braucht der Befrachter sich hiermit nur dann einverstanden zu erklären, wenn ihm daraus keine Nachteile erwachsen. Geht das gestellte Schiff u n t e r w e g s verloren, so braucht der Verfrachter beim Raumfrachtvertrag kein anderes Schiff zu stellen (anders beim Stückgutvertrag; siehe unten). Anm. 8

c) Erfolgt die Umladung in ein dem ersten Verfrachter fremdes Schiff, also ein Schiff, dessen Reeder oder Ausrüster er nicht ist, so t r i t t der zweite Verfrachter in keine Vertragsbeziehungen zum Befrachter des Vormanns noch zu den Inhabern der von diesem ausgestellten Konnossemente. E r ist nur Erfüllungsgehilfe des ersten Verfrachters; dieser h a f t e t deshalb f ü r sein Verschulden mit Entlastungspflicht (§§ 278, 282 BGB, 559 Abs. 2, 606, 607 Abs. 1 HGB), und zwar dem Konnossementsinhaber gegenüber im Rahmen der §§ 662ff. H G B zwingend. Es ist deshalb mindestens mißverständlich, wenn RGZ 14, 38 (zustimmend S c h i l l i n g , Durchfrachtvertrag Diss. Bonn 1913 S. 28) ausgeführt, es solle dasjenige Schiff, in welches auf Grund der Umladungsklausel die Güter übergeladen werden, „ganz und in jeder Beziehung an die Stelle des ursprünglichen Schiffes treten." Vielmehr : Der V e r f r a c h t e r h a t a u f G r u n d des F r a c h t v e r t r a g e s d a f ü r e i n z u s t e h e n , daß der T r a n s p o r t m i t dem s u b s t i t u i e r t e n S c h i f f , m a g es i h m s e l b s t g e h ö r e n o d e r e i n f r e m d e s s e i n , v e r t r a g s m ä ß i g s t a t t f i n d e t . E r h a f t e t f ü r dessen Seetüchtigkeit, er darf nicht, entgegen den Bestimmungen des mit seinem Befrachter geschlossenen Vertrages oder des von ihm erteilten Konnoss» ments, dem neuen Verfrachter Verladung auf Deck gestatten. I m Verhältnis zu seinem Befrachter gelten auch f ü r denWeitertransport nur die Bestimmungen des u r s p r ü n g l i c h e n Frachtvertrages. Nur dann entstehen unmittelbare vertragliche Beziehungen, wenn der zweite Verfrachter die Schuld des Vormannes aus Frachtvertrag oder Konnossement übernommen hat. Die zu einer privativen Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB erforderliche Genehmigung des Gläubigers liegt aber nicht ohne weiteres in der Entgegennahme eines vom zweiten Verfrachter ausgestellten neuen Konossements, selbst wenn sie im Umtausch gegen das alte erfolgt. Eine kumulative Schuldübernahme des zweiten Verfrachters analog § 449 H G B ist abzulehnen (anders die Vorauflage Anm. 10 zu § 565). — Unter den Voraussetzungen der § 754 Abs. 7 H G B erhält der erste Verfrachter ein Schiffsgläubigerrecht an dem Schiff des zweiten Verfrachters.

Anm. 9

d) Ein wirkliches Bedürfnis, die Güter umzuladen, findet sich nur im L i n i e n v e r k e h r . Die hier üblichen Klauseln lassen hinsichtlich des f ü r den Transport zu verwendenden Schiffes von vornherein eine begrenzte Gattungsschuld entstehen (siehe Anm. 5, 6 zu § 556 H G B ; vgl. W ü s t e n d ö r f e r SHR 236 und Z H R Bd. 88 S. 241 ff.; siehe auch C a p e l l e , Frachtcharter S. 127; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e , Anm. 4 zu § 565). Geht deshalb das benannte Schiff verloren, so muß der Verfrachter ein anderes Schiff stellen, solange das aus der benannten Gattung möglich ist. Die §§ 628, 629, 630, 634, 641 H G B kommen nicht zur Anwendung. I s t ein beliebiges Schiff der Linie vereinbart worden, muß der Verfrachter auch bei Unterwegsverlust des Schiffes, in das zuerst verladen war, etwa gerettete Güter mit einem anderen Schiff der Linie bis zum Bestimmungshafen weiterbefördern. — Über den „short-shipped" 342

Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§ 566

Vermerk im Konossement als Einverständnis mit der Verladung in ein nachfolgenden Schiff siehe HansOLG Bremen Hansa 1961 S. 997. 4. I n A b s a t z 2 s i n d a u s d r ü c k l i c h ausgenommen v o n d e m V e r b o t d e r U m l a - Anm. 10 d ü n g e n s o l c h e i n N o t f ä l l e n n a c h A n t r i t t d e r R e i s e . Diese Ausnahme bezieht sich aber nur auf zeitweilige Umladungen f ü r die Dauer der Not und befugt den Verfrachter oder dessen Kapitän nicht, bei Eintritt von Notfällen in einem Zwischenhafen f ü r den Rest der Reise ein anderes Schiff an die Stelle des ursprünglichen zu setzen (so mit Recht B o y e n s Bd. 2 S. 126 gegen L e w i s Endemanns Handb. Bd. 4 S. 129). Führt der Notfall zur Auflösung des Frachtvertrages, so hat möglicherweise der Kapitän die Pflicht zur Weiterbeförderung der Ladung mit einem anderen Schiff (§§ 535, 632, 634 HGB). Eine Umladung wegen Notfalls v o r Antritt der Reise ist zulässig unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 680 BGB; L e w i s a.a.O.). § 566 Ohne Zustimmung des Abladers dürfen dessen Güter weder auf das Verdeck Terladen noch an die Seiten des Schiffes gehängt werden. Die Landesgesetze können bestimmen, daß diese Vorschrift, soweit sie die Beladung des Verdecks betrifft, auf die Küstenschiffahrt keine Anwendung findet. S c h r i f t t u m : C a p e l l e , Frachtcharter S. 254; D o r , Bill of Lading Clauses S. 55; H a s c h e , Hansa 1951 S. 1184; K o k k i n o p o u l o s HansRGZ 1931 A 257fi.; L e b u h n , Linienkonnossement S. 63ff.; P a p p e n h e i m H B 3 S. 201 fi.; S i e g , Aktuelle Fragen des Seefrachtrechts MDR 1956 S. 308; W ü s t e n d ö r f e r SHR 247. Unterbringung von Gütern auf Deck oder an den Seiten des Schiffes. Die Vorschrift des Einleitung § 566 bezieht sich nur auf das Rechtsverhältnis der am Frachtvertrage Beteiligten ( P a p p e n h e i m H B 3, S. 202), nicht ohne weiteres auch auf das Verhältnis zwischen Spediteur und Versender (HansOLG HansGZ 1906, 131). Beim Überseekauf sind im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer die Güter grundsätzlich unter Deck zu verladen. Vgl. Art. 21 der einheitlichen Richtlinien und Gebräuche f ü r Dokumentenakkreditive, wonach die Versicherung das Risiko der Decksverladung decken muß, wenn derartige Konnossemente aufnahmefähig sein sollen. Dem Binnenschiffahrtsrecht ist eine dem § 566 entsprechende Bestimmung unbekannt. 1. Die besonderen Verladungsarten des § 566. Regelmäßig erfolgt die Verladung unten im S c h i f f s r a u m . Daneben kommt vor die früher vielfach (vgl. v. D u h n , Neues Archiv f ü r Handelsrecht Bd. 1 S. 204) aus öffentlichrechtlichen Gründen verbotene V e r l a d u n g a u f D e c k , und sehr selten auch das H ä n g e n v o n G ü t e r n a n d i e S e i t e n d e s S c h i f f e s . Gleichzustellen ist das Verladen in dem Schiff angehängten Booten. Verladung auf dem „Verdeck" im Sinne des § 566 bedeutet eine solche auf dem obersten Deck außerhalb der Luken oder geschlossener Räume, die oberhalb der Luken mit dem Schiffskörper fest verbunden sind. I m Einzelfalle kann es zweifelhaft sein, ob eine Verladung auf Deck vorliegt, z.B. bei Unterbringung der Güter in auf dem Deck aufgestellten H ü t t e n (in der Steuermannskajüte: HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 35; in Passagierkabinen: Prot. 1869) oder auf dem außerbord befindlichen „Hafendeck" der sog. Turmschiffe (turret-steamer). Vgl. auch die weiteren Angaben in Anm. 4 zu § 663 HGB und in Anm. 15 zu Abs. 1 H R .

Anm. 1

2. Zustimmung des Abladers. Es bedarf keiner Ausführung, daß Güter, die nicht unter Deck verladen sind, den Gefahren der See in viel größerem Maß ausgesetzt sind als die unter Deck untergebrachten (auch Gefahren f ü r das Schiff können entstehen durch Überlastung desselben oder Behinderung der Bewegungsfreiheit der Mannschaft an Deck). Nach § 708 Nr. 1 H G B (vgl. YAR I) bleiben die sie betreffenden Beschädigungen und Verluste in den Fällen der großen Haverei bei der Schadensberechnung außer Ansatz und auch seeversicherungsrechtlich genießen sie eine andere Behandlung als sonstige Güter (vgl. §§ 62, 85 ADS). Gemäß § 663 Abs. 2 Nr. 1 HGB sind f ü r Decksladungen, die im Konnossement als solche bezeichnet worden sind, die sonst zwingenden Bestimmungen des § 662 HGB abdingbar. Es ist daher nur gerechtfertigt, wenn das Gesetz die Befugnis des Verfrachters, Güter auf Deck

Anm. 2

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§ 566

Vierter Teil. Seehandelsrecht

zu verladen oder an die Seiten des Schifies zu hängen, von der Z u s t i m m u n g des A b l a d e r s derselben abhängig macht. Die Zustimmung ist nach deutschem Recht formfrei (vgl. über Auslandsrechte Anm. 12). Sie kann auch formularmäßig erteilt werden (siehe dazu L e b u h n , Linienkonnossement S. 66). Diese Zustimmung, welche den Befrachter bindet (HansOLG HansGZ 1906, 188; RG HansGZ 1907, 216; P a p p e n h e i m H B 3 S. 203), übrigens auch durch dessen eigene Zustimmung ersetzt werden kann (HansOLG HansGZ 1906, 188), kann neben dem Vertrag gegeben werden oder sich unmittelbar aus dem Vertragsinhalt ergeben. Für den Empfänger, der nicht Vertreter des Abladers oder Befrachters ist, ist sie nur verbindlich, wenn sie aus dem Konnossement hervorgeht (§ 656 Abs. 1 HGB; HG Antwerpen Jurisprudence du Port d'Anvers 1906 S. 59; RGZ 57, 63; W ü s t e n d ö r f e r , Studien 1, S. 350; P a p p e n h e i m HB 3 S. 203). Regelmäßig genügt auch für den Ablader die widerspruchslose Entgegennahme des eine entsprechende Klausel enthaltenden Konnossements (BGHZ 6, 127 = NJW 1952 S. 1134; HansOLG Bremen Hansa 1959 S. 2168 = Recht der Schiffahrt 35-28—25 Bd. IV Heft 1 ; anders Quebec Superior Court in Sachen Shaw, Savill & Albion Co. v. Electric Reductions Sails Co, 1955, 3 Dominion Law Reports, Second Series 617); anders, wenn der Ablader durch das von ihm vorbereitete Konnossement unmißverständlich zu verstehen gegeben hatte, daß er das Gut unter Deck verladen haben wolle, z.B. durch die Klausel „Mawehandise effectivement chargée en cale" und der Verfrachter das von ihm einseitig abgeänderte Konnossement dem Ablader erst nach dem Abgang des Schiffes zugehen läßt, weil darin ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt; vgl. HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2099 = Recht der Schiffahrt 35—28—20 (Bd. I I Heft 5). Siehe AG Hamburg MDR 1953 S. 369 über den Aufdruck auf dem Konnossement „stowed under deck". Anm. 3

Konnossementsklauseln, welche die Zustimmung des Absenders zur Verladung auf Deck ergeben, sind insbesondere „on deck at shippers risk" (Vgl. Pannell v. The S. S. American Flyer, US District Court, 1957, 157 Federal Supplement 422; Pioneer Import Co. v. The Lafcomo, US. District Court, 1943, 49 Federal Supplement 559), „on deck at proprietors risk" (Globe Solvents Co. v. The California, US Court of Appeals, 1948, 167 Federal Reporter 2d, 859), „loaded on deck at merchants risk", „The vessel shall be provided with a deck load at charterer's risk", „Deckladung auf Verfrachters Gefahr" (HansOLG HansGZ 1884 Nr. 101 = 1887 Nr. 48; HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2030; HansOLG Bremen Hansa 1959 S. 2168; BGHZ a.a.O.) „Steamer has liberty to carry goods on deck and shipowners will not be responsible for any loss damage or claim arising therefrom (Svenska Traktor Aktiebolaget v. Maritime Agencies (Southampton) Ltd., Queen's Bench Division, 1953, 2 The Law Reports (Third Series) Queen's Bench Division 295). Derartige Klauseln berechtigen den Verfrachter zur Verladung an Deck, verpflichten ihn aber nicht dazu (HansOLG HansGZ a.a. O. ; anders HG Hamburg HansGZ 1870, 59). Der Verfrachter zeichnet sich durch sie zugleich von allem Risiko frei, das speziell auf der Verladung auf Deck beruht (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 97; HansOLG HansGZ 1884 Nr. 101 = 1887 Nr. 48). Doch entbinden diese Klauseln den Verfrachter nicht von der Verpflichtung zui ordnungsgemäßen Plazierung und Befestigung (HG Hamburg HansGZ 1869 Nr. 97; OSA Bd. 7 S. 207; See- und Handelsgericht Kopenhagen Recht der Schiffahrt 35—28—06, 1957 Heft 5/6) und ihrer sonstigen sorgfältigen Behandlung, z.B. beim Löschen (siehe dazu f ü r das französische Recht Hansa 1956 S. 2066; f ü r das Recht der USA G ö t z , Das Seefrachtrecht der Haager Regeln, S. 57 Anm. 58). Vgl. HansOLG Bremen Hansa 1957 S. 1656 und Hansa 1961 S. 997. Doch wird regelmäßig anzunehmen sein, daß eine Verschiebung der Beweislast insoweit eintritt, als es dem Befrachter obliegt, ein schuldhaftes Verhalten des Verfrachters nachzuweisen (Capelle, Frachtcharter S. 256). Auch entbinden die Klauseln den Verfrachter nicht von der Anwendung der nötigen Sorgfalt, ob Umstände einer solchen Art der Verladung überhaupt entgegenstehen (z.B. empfindliche Felle). Eine Freizeichnung von dieser Pflicht gemäß §§ 606, 607 HGB ist unzulässig (Vgl. BGHZ 6, 127 = N J W 1952 S. 1134; HansOLG Bremen Hansa 1959 S. 2168 = Recht der Schiffahrt 35—28—26 Bd. IV Heft 1), und zwar auch dann, wenn die Klausel die weitere Bestimmung enthält, daß jede Haftbarkeit des Verfrachters für Beschädigungen der Decksladung durch Einwirkung von Seewasser, Regen oder durch sonstige Witterungseinflüsse entfällt. Es bedarf deshalb auch gegenüber den obigen Klauseln der Überprüfung, ob in der Verladung an Deck trotz der Zustimmung des Abladers ein kommerzielles Verschulden zu

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§566

sehen ist, f ü r das der Verfrachter nach § 662 Abs. 1 HGB zwingend einzustehen hat, insbesondere wenn nach den Fallumständen (Beschaffenheit der Güter) die Gefahr der SeewassereinWirkung naheliegend ist. Die ordnungsgemäß erteilte Zustimmung des Abladers gilt f ü r die ganze Reise. Sie ermächtigt den Kapitän auch zur nachträglichen Verladung von zunächst im Raum untergebrachten Gütern auf Deck (BGHZ a.a.O.). Eine Mitteilung von der sofortigen oder im Laufe der Reise erfolgenden Verladung an Deck an den Ablader bedarf es nicht (anders die französische Rechtssprechung, die eine Mitteilung fordert; vgl. C a p e l l e , Frachtcharter S. 256 Anm. 71). Dagegen bedeuten Klauseln wie „mit Freiheit, Güter auf Deck zu laden" oder „with liberty to carry a deckload", „los armadores se reservan el derecho de conducir géneros sobre cubierta" nicht, daß dem Verfrachter das Recht gewährt wird, die i m K o n n o s s e m e n t b e z e i c h n e t e n G ü t e r auf Deck zu verladen, vielmehr befugen sie ihn nur, a n d e r w e i t i g Deckladung zu nehmen. Die Klauseln haben also nur die Bedeutung, daß sich der Verfrachter den ü b r i g e n Ladungsinteressenten gegenüber von der Verantwortlichkeit freizeichnet, die aus der Übernahme einer sonstigen Deckladung (Schaden am Schiff oder der Raumladung) überhaupt entstehen kann (HansOLG HansGZ 1901, 137; 1903, 162; HansOLG Hamburg Deutsche VerkehrsZtg. 1957 Nr. 143; BGHZ 6, 127; vom Gegenteil ausgehend die binnenschiffahrtsrechtliche Entscheidung des OLG Karlsruhe DJZ 1914 S. 832 = E E Bd. 31 S. 99). Siehe weiter unten Anm. 7 ff. wegen der Wirkung solcher Klauseln. Vgl. H a s c h e Hansa 1951 S. 1184.

Anm. 4

Die Üblichkeit, gewisse Ladungen auf Deck zu verladen (Beispiel: Prot. 1758; OSA Bd. 4 S. 432) ersetzt die Zustimmung des Abladers nicht (anders mit der englischen Praxis HansOLG HansGZ 1894, 34; P a p p e n h e i m H B 3 S. 204; W ü s t e n d ö r f e r H B 565; C a p e l l e , Frachtcharter 255; S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 4 zu §566). Dagegen ist letztere unnötig, sobald durch g e s e t z l i c h e oder polizeiliche Bestimmungen die Verladung auf Deck angeordnet ist, wie etwa f ü r gewisse gefährliche Güter durch die VO über gefährliche Seefrachtgüter vom 4. 1. 1960 (siehe den Abdruck im Nachtrag zum zweiten Band).

Anm. 5

3. Schadenersatzpflicht des Verfrachters. Der Verfrachter, welcher ohne Zustimmung des Abladers die Güter auf Deck verladet, haftet den Interessenten der betreffenden Ladung f ü r den aus seiner Handlungsweise entstehenden Schaden, es müßte denn sein, daß er sich von den Folgen seiner Vertragswidrigkeit erlaubterweise freigezeichnet hat (vgl. dieserhalb bei erlaubter Freizeichnung f ü r die Insurance-Klausel HansOLG HansGZ 1894, 34). Die Frage ist, ob und wann dem Verfrachter im Rahmen der §§ 662 ff. HGB eine Freizeichnung erlaubt ist. § 663 Abs. 2 Ziff. 1 HGB kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung, weil er erlaubte Verladung voraussetzt. Siehe Anm. 3 zu § 663 HGB und allgemein H a s c h e Hansa 1951 S.1184. Für den Umfang der Haftung gilt § 660 HGB, der gegenüber einem Konnossementsinhaber im Rahmen des § 662 HGB zwingend ist. § 566 selbst ist in § 662 HGB nicht zum zwingenden Recht erklärt. Soweit aber die unerlaubte Verladung an Deck zum Verlust oder zur Beschädigung der Ladung im Rahmen der §§ 606 bis 608 H G B f ü h r t , haftet der Verfrachter nach diesen Bestimmungen, da dann keine Rede davon sein kann, daß der Verlust des betreffenden Gutes oder seine Beschädigung auf Umständen beruhen, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten (HansOLG Hamburg Hansa 1958 S. 2029 = Recht der Schiffahrt 35—28—21; Bd. I I I H e f t 1). I m Rahmen des § 662 H G B ist dann die Haftung nach §§ 606ff. zwingend, eben weil, wie schon erwähnt, bei unerlaubter Verladung an Deck, § 663 Abs. 2 Ziff. 1 HGB nicht zur Anwendung kommt. Aus dem verdorbenen Zustand des auf Deck verladenen Gutes wird sich häufig eine tatsächliche Vermutung dafür ergeben, daß er durch die Verladung auf Deck entstanden ist (HG Hamburg HansGZ 1870 Nr. 57). Soweit ein Ersatz aus §§ 606 bis 608 HGB in Betracht kommt, gilt auch die Beschränkung nach §§658, 659 HGB (anders S c h l e g e l b e r g e r - L i e s e c k e Anm. 7 zu § 566, der die Ersatzpflicht nicht aus §§ 606, 607 herleitet, sondern die Verletzung einer besonderen Vertragspflicht annimmt, was die bedenkliche Konsequenz hätte, daß nach den obigen Ausführungen eine solche besondere Vertragspflicht abdingbar wäre).

Anm. 6

Von den Ausführungen im vorstehendem Absatz ist der Fall zu unterscheiden, daß bei erlaubter Verladung an Deck diese im konkreten Fall gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters verstoßen kann. Vgl. dazu oben Anm. 3.

845

Vierter Teil. Seehandelsrecht Anm. 7

4. Anderen, d.h. an der Deckladung nicht beteiligten Reiseinteressenten, haftet der Verfrachter nach allgemeinen Grundsätzen, wenn sie durch die Deckladung beeinträchtigt werden, etwa wegen ungehöriger Verstauung der Deckladung oder einer durch sie hervorgerufenen Überladung (HansOLG HansGZ 1891 Nr. 53 = SeuffA Bd. 47 Nr. 48). Diese Haftung ist unabhängig davon, ob der Ablader der Deckverladung die Verladung derselben auf Deck genehmigt (Prot. 3751). § 566 betrifft also nur das Verhältnis des Befrachters der Deckladung zum Verfrachter. Das bedeutet im einzelnen:

Anm. 8

a) Sind durch die Deckladung geschädigte Güter in dem gleichen Hafen an Bord genommen worden wie die Deckladung und ist dadurch die Stabilität des Schiffes geschädigt worden oder hindert die Deckladung den ordnungsgemäßen Gebrauch der Einrichtungen des Schiffes, so kann anfängliche Seeuntüchtigkeit nach § 559 H G B vorliegen. Vgl. HansRGZ 1940 B Nr. 156 über Seeuntüchtigkeit durch falsche Stauung der Deckladung.

Anm. 9

b) Sind die Belange eines anderen Reiseinteressenten erst nach dem Reisebeginn der Deckladung geschädigt worden, z . B . weil dessen Güter erst im späteren Zeichenhafen an Bord genommen sind, so richtet sich die Haftung des Verfrachters nach § 606 ff. HGB. Auch der Ablader, welcher die Unterbringung seiner Ladung auf Deck genehmigt hatte, kann deshalb Schadensersatz beanspruchen, wenn sein Gut dort durch andere von ihm nicht genehmigte Deckladung geschädigt wurde ( P a p p e n h e i m H B 3 S. 202). Der Verfrachter sucht sich dieser Haftung für Deckladung gegenüber anderen Reiseinteressenten durch die oben in Anm. 4 erwähnten Klauseln zu entziehen. Das ist möglich, wenn die geschädigten Güter des Dritten selbst gemäß § 663 Abs. 2 Ziff. 1 i. Verb, mit § 566 zulässigerweise auf Deck verladen worden sind oder sonst einer der Ausnahmefälle des § 663 H G B eingreift. Wo das aber nicht der Fall ist, also im Rahmen des § 662 H G B , sind die Klauseln, soweit sie die Haftung aus §§ 559, 606ff. H G B betreffen, wirkungslos.

Anm. 10

5. Von dem Vorbehalt des Abs. 2, für die Küstenschiffahrt von § 566 abzuweichen, hat die Landesgesetzgebung keinen Gebrauch gemacht. — Dem Binnenschiffahrtsrecht ist das Verbot der Deckladung nicht bekannt ( M i t t e l s t e i n H B 276).

Anm. 11

6. § 5 6 6 handelt davon, daß der Verfrachter Güter nicht ohne Erlaubnis des Abladers auf Deck verladen darf. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob d e r C h a r t e r e r die V e r l a d u n g v o n G ü t e r n a u f D e c k v e r l a n g e n k a n n , woran er bei der LumpsumFracht Interesse haben kann, um eine möglichst große Gütermenge auf dem Schiff unterzubringen (vgl. C a p e l l e , Frachtcharter S. 254). Das ist nicht der Fall. Vielmehr muß etwas derartiges im Frachtvertrag ausbedungen sein, etwa durch die Klausel „The whole of said steamer including deck room, consistent with seaworthiness of the vessel shall be for the sole use at the disposal of charterers for cargo" oder „The charterers to have the option of shipping a reasonable deckload". Dagegen genügt nicht die Vereinbarung, daß etwaige Deckladung „at merchants risk" befördert werden solle (vgl. P a p p e n h e i m H B 3 S. 204; C a p e l l e a.a.O.).

Anm. 12

7. Das grundsätzliche Verbot der Deckladung ist seit altersher Bestandteil fast aller Seerechte. Vgl. D u h n , Neues Archiv für Handelsrecht, Bd. 1 S.201ff.; B o y e n s Bd. 2 § 566 Note 1; BGHZ 6, 127; C a p e l l e Frachtcharter S. 255. Siehe für Großbritannien sect. 294 MerchShA 1894, sect. 10 MerchShA 1906 (betrifft die Beförderung von Holzladungen in der Zeit zwischen dem 31. 10. und dem 16. 4.); S c r u t t o n , The Contract of Affreightment as expressed in Charterparties and Bills of Lading, 16. Aufl. 1955, Art. 49, für Frankreich Art. 229 c.com., für die Niederlande Art. 518 W v K ; für Skandinavien § 117 Seeges. Art. 229 franz. c.com. und Art. 66 des belgischen Seegesetzes machen die Beförderung als Deckladung von dem schriftlichen Einverständnis des Abladers abhängig. Mangels einer solchen (vgl. dazu auch Handelsgericht Marseille Hansa 1956 S. 2066; das Recht von Marokko läßt n u r eine schriftlich unterzeichnete Erteilung genügen; Handelsgericht Casablanca Hansa a.a.O.) und wenn auch nicht einmal ein konnossementsmäßiger Vorbehalt gemacht worden ist, haftet der Verfrachter auch dann, wenn die Decksverladung in Übereinstimmung mit ministeriellen Erlassen und den behördlichen Vorschriften vorgenommen wurde; vgl. Cour d'Appel de Bordeaux MDR 1956 S. 771 (mit Anm. von S i e g ) = Recht der Schiffahrt 35-28-16 (Bd. I I Heft 2). Außer dem schriftlichen Einverständnis verlangt die französische Rechtsprechung

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Zweites Kapitel. Viertes Buch des HGB

§567

noch, daß der Verfrachter den Ablader in Kenntnis setzt, wenn er von der Befugnis der Deckverladung Gebrauch gemacht hat, damit dieser entsprechende Versicherung nehmen kann ( C a p e l l e Frachtcharter S. 256 mit weiteren Nachweisen). Die zulässige Verladung an Deck befreit den Verfrachter in Prankreich nicht von der Verpflichtung, alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen f ü r die an Deck verladenen Güter zu treffen. Er wird nicht entlastet wegen solcher Schäden, die nicht ausschließlich auf die Verladung zurückzuführen sind und dieser eigentümlich sind, z.B. wegen Beraubung oder rücksichtsloser Behandlung der Deckladung beim Löschen (AppG Paris, Handelsgericht Rouen, Handelsgericht Seine Hansa 1956 S.2066 = Recht der Schiffahrt 35-28-01 (1957 Heft 3/4)). Nach englischer Auffassung kann sich die Zulässigkeit der Deckverladung auch aus einer entsprechenden Verkehrsübung ergeben ( C a p e l l e a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Über Abdecken gefährlicher Deckladung mit Persenningen zum Schutz gegen direkte Sonnenbestrahlung vgl. US-Court of Appeals, Second Circuit, AMC 1958 S. 277 = Hansa 1958, S. 1747 = Recht der Schiffahrt 35-28-17 (Bd. I I Heft 2). — In den USA wird unzulässige Verladung an Deck als „Deviation" angesehen (vgl. US Court of Appeals AMC 1952 S. 1687; US District Court, Southern District of New York AMC 1954 S. 259 = Hansa 1954 S. 836) mit der Folge, daß die f ü r den Verfrachter sonst geltenden Haftungsbeschränkungen in Fortfall kommen. Siehe dazu auch Anm. 3 zu § 636 a HGB. §567 Bei der Verfrachtung eines Schiffes im Ganzen hat der Schiffer, sobald er zur Einnahme der Ladung fertig und bereit ist, dies dem Befrachter anzuzeigen. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Ladezeit. Über die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Überliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern nicht das Gegenteil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen hat der Befrachter dem Verfrachter für die Überliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) zu gewähren. S c h r i f t t u m : C a p e l l e Frachtcharter S. 187ff., 202ff.; von L a u n , Anzeige der Ladebereitschaft, Hansa 1951 S. 239; L i n d e n m a i e r Hansa 1951 S. 204; M i t t a g , Das Liegegeld, Diss. Hamburg 1935; P a p p e n h e i m H B 3 S. 159, 165ff.; S t e p h e n s , The law relating to demurrage, 1907; T i b e r g , The law of demurrage, London 1960; W a r n e k e n , Lade- und Löschfristen des Seerechts, Diss. Erlangen 1908; W ü s t e n d ö r f e r SHR 248f.; G o v a r e , Staries, surestaries, dispatch-money, 1928; R 0 r d a m , Treatises on the Baltcon-Charterparty, 1954 S. 44ff., 83ff. Die §§ 567 bis 579 treffen Bestimmungen Aber die Zeit, binnen deren die Abladung zu Einleitung erfolgen hat, und die Folgen ihrer Nichteinhaltung. Sie beziehen sich unmittelbar nur auf den Fall des Chartervertrages über ein g a n z e s Schiff, gelten aber auch f ü r die übrigen Fälle des Chartervertrages (vgl. § 587 HGB), während f ü r den Stückgütervertrag die abweichenden Regeln des § 588 HGB gegeben sind. § 567 spricht von der Anzeige der Ladebereitsehaft (Abs. 1), der Ladezeit (Abs. 2), der Überliegezeit (Abs. 3 Anm. 1) und dem Liegegeld (Abs. 4). 1. Ladebereitschaft und ihre Anzeige a) Ladebereitschaft liegt vor, wenn der Schiffer zur Einnahme der Ladung, und zwar zu füner normalen Art ihrer Einnahme (HansOLG HansGZ 1889, 144), „fertig und bereit", d.h. imstande und willens ist (ebenso P a p p e n h e i m H B 3 S. 160). Z u r L a d e b e r e i t s c h a f t i s t z w a r e r f o r d e r l i c h , d a ß s i c h d a s S c h i f f b e r e i t s i m A b l a d e h a f e n b e f i n d e t („arrived ship": ROHG15, 234; 23, 416; LG Hamburg Hansa 1954 S. 1029; Queen's Bench Division in Sachen Sociedad Financiera de Bienes Raices v. Agrimpex Hansa 1958 S. 315; Court of Appeal in gleicher Sache LL vom 28. 6. 1958 = Hansa 1959 S. 2; House of Lords in gleicher Sache L L vom 3. 6. 1960 = Hansa 1960 S. 1848; W ü s t e n d ö r f e r SHR 249; L i n d e n m a i e r Hansa 1959 S. 204; C a r v e r S. 864; siehe auch See- und Handelsgericht Kopenhagen Hansa 1953 S. 425 [mit Anm. von L e b u h n ] — Nach Ortsgebrauch kann auch die Ankunft in einem 847

Anm. 1

§567

Vierter Teil. Seehandelsrecht

bestimmten Bezirk oder an einer bestimmten Stelle des Hafens in Betracht kommen; vgl. S c r u t t o n S. 142), a b e r n i c h t s c h l e c h t h i n , d a ß es b e r e i t s d e n L a d u n g s p l a t z (§ 560 HGB) e i n g e n o m m e n h a t (ROHG 15, 234; K G OLG Rechtspr. 2, 370). Es genügt vielmehr, d a ß es s e i n e r s e i t s i n d e r L a g e i s t , s i c h u n v e r z ü g l i c h , jedenfalls bis zum Morgen des auf die Meldung folgenden Tages, a n d e n a n g e w i e s e n e n o d e r o r t s ü b l i c h e n L a d u n g s p l a t z zu b e g e b e n (ROHG 15, 234; R G Bolze Bd. 15, Nr. 337; OLG Rostock MecklZ Bd. 19 S. 291; P a p p e n h e i m H B 3 S. 181; M i t t e l s t e i n H B 161; W ü s t e n d ö r f e r a . a . O . 249; C a p e l l e Frachtcharter S. 205f.; L i n d e n m a i e r a . a . O . ; K . v. L a u n Hansa 1951 S. 239 ff.; vgl. aber auch Queen's Bench Division Hansa 1957 S. 884). I s t freilich von vornherein ein bestimmter Ladeplatz festgesetzt, so ist nach englischer Anschauung die Erreichung des angewiesenen Platzes Voraussetzung der Ladebereitschaft (HansOLG HansGZ 1913, 182; Queen's Bench Division L L v. 22. 7. 1955 = Hansa 1956 S. 678), es müßte denn sein — wie man hinzufügen muß —, daß Hindernisse vorliegen, die der Befrachter zu vertreten hat (unten Anm. 2). Zur Ladebereitschaft gehört weiter zwar nicht unter allen Umständen, daß sämtlicher Ballast der Vorreise oder Zureise gelöscht ist (vgl. H G H a m b u r g HansGZ 1876, 69; R G S o e r g e l 1906 S. 756), aber daß das Schiff keine fremde Ware mehr in den Räumen, die die neue Ladung aufnehmen sollen, h a t (HansOLG HansGZ 1911, 137; C a p e l l e Frachtcharter S. 205; HansOLG Bremen Hansa 1960 S. 1802), es müßte denn aus dem Vertrage das Gegenteil zu entnehmen sein (so f ü r mitgebrachten Ballast oder stiffening cargo, die durch ein entsprechendes Quantum von anderem stiffening cargo ersetzt werden sollen, R G Hansa 1905 S. 607; 1912 S. 691 = HansGZ 1912, 226ff.). Die Ladebereitschaft erfordert, daß die Räume gesäubert sind, das Ladegeschirr bereit und die erforderlichen Anmeldungsformalitäten f ü r das Schiff erledigt sind (vgl. f ü r ein Schiff, das f ü r eine volle Getreideladung verfrachtet ist, HansOLG Bremen Hansa 1960 S. 1802). Die Luken brauchen zwar noch nicht geöffnet zu sein. Doch müssen alle derartigen Arbeiten bis zum Beginn der Ladezeit ohne besondere Umstände zu erledigen sein. Charterklauseln heben das Erfordernis des Leerseins der Räume und der Bereitschaft des Schiffes zur Ladungsaufnahme oft ausdrücklich hervor, z.B. die Klausel „vessel being completely discharged of inward cargo and ballast in all her holds and ready to load". Vgl. auch C a p e l l e Frachtcharter S. 205, 210. I m Streitfalle muß der Verfrachter die Ankunft im Ladehafen und die Ladebereitschaft beweisen. Der Zustand der Ladebereitschaft hat nicht nur anfänglich zu bestehen, sondern muß fortdauern (RG Bolze Bd. 19 Nr. 508), es müßte denn eine Befreiung des Abladers vorliegen (vgl. RG HansGZ 1903 Nr. 130). Anm. 2

b) Wem aber fallen — für die Frage des Beginns der Ladebereitschaft — die Hindernisse zur Last, die sich dem Vordringen des Schiffes zu dem Ladungsplatze entgegenstellen (entsprechende Grundsätze gelten, wenn das Schiff den Ladungsplatz wechselt (vgl. LG H a m b u r g HansGZ 1887, 259; R G Bolze Bd. 19 Nr. 508)? aa) Jedem Teil fallen die Hindernisse zur Last, die auf von ihm selbst zu vertretenden Umständen beruhen. Trifft z. B. den Befrachter ein Verschulden in der Auswahl des Ladungsplatzes oder an der Nichtanweisung desselben durch den Hafenmeister (OLG Rostock MecklZ Bd. 19 S. 391) und kann infolgedessen das Schiff daselbst nicht anlegen, so muß er sich gefallen lassen, daß Ladebereitschaft in dem Augenblick angenommen wird, in welchem das Schiff, wenn der Ladeplatz geeignet oder angewiesen wäre, an denselben hätte gelangen können. Ebenso wenn er sich zur Stellung eines „safe loading berth ready on arrival" verpflichtet h a t (vgl. R G Bolze Bd. 21 Nr. 450).

Anm. 3

bb) Unverschuldete Hindernisse auf Seiten des Schiffes, z. B. Einfrieren, Aufgrundgeraten oder Beschädigungen, welche seine Bewegungsfähigkeit und damit sein Vordringen zum Ladungsplatze hindern (RG Bolze Bd. 19 Nr. 508; HansOLG HansGZ 1889 Nr. 59 = SeuffA Bd. 44 Nr. 274), Streik der Schiffsmannschaft (vgl. HansOLG HansGZ 1897 Nr. 117) schließen die Ladebereitschaft aus (vgl. M i t t e l s t e i n H B 163).

Anm. 4

cc) Hindernisse auf Seiten des Befrachters oder Abladers schließen die Ladebereitschaft nicht aus. Beispiele: Verzögerung der Anweisung des Ladungsplatzes, auch wenn sie nicht verschuldet ist (ROHG 19, 288); Hindernisse auf Grund von Besonderheiten des angewiesenen Ladungsplatzes (sofern derselbe nicht zugleich der einzige ortsübliche Ladungsplatz ist:

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OG Hamburg HansGZ 1871 Nr. 285), etwa wegen ungenügender Tiefe, anderweitiger Besetzung der angewiesenen Stelle (ROHG 15, 235; vgl. 17 S. 96 u. 19, 286; HansOLG HansGZ 1899, 4 8 ; 1914, 82; vgl. auch HansGZ 1908, 176: „der Verfrachter hat einen Anspruch darauf, daß ihm a n e i n e r d e r S t e l l e n , wo a n z u k o m m e n i s t , der Liegeplatz bestimmt werde"). Konkurriert aber mit einem vom Befrachter oder Ablader zu vertretenden Umstand ein Verschulden des Verfrachters, ist z . B . der angewiesene Ladeplatz nur deshalb besetzt vorgefunden worden, weil die Ankunft des Schiffes schuldhaft verzögert worden ist (OG Hamburg HansGZ 1871, 405), so fällt die Verzögerung dem Verfrachter zur Last. Wird behördlicherseits das Anlaufen des Ladehafens von einer besonderen Erlaubnis abhängig gemacht und diese nur erteilt, wenn nachgewiesen ist, daß die Ladung am Ladeplatz tatsächlich bereitgestellt ist, so ist die Beschaffung der Erlaubnis Sache des Befrachters oder seines Abladers (Queen's Bench Division L L vom 19. 11. 1957 = Hansa 1958 S. 315 = Recht der Schiffahrt 35-19-02; Bd. I I Heft 1). dd) Hindernisse, die weder auf selten des Schiffes noch auf selten des Befrachters liegen („objektive Hindernisse"), schließen die Ladebereitschaft aus. Beispiele: Überfüllung des Hafens (ROHG 17, 96; HansOLG HansGZ 1908, 176; 1913, 17), Besonderheiten oder anderweitige Besetzung des ortsüblichen Löschplatzes ( B o y e n s B d . 2 S. 114), polizeiliche Weisungen (ROHG 17, 94), Nichtanweisung eines Ladeplatzes durch den Hafenmeister (OLG Rostock MecklZ Bd. 19 S. 291); Notwendigkeit einer besonderen Ladeerlaubnis des Hafenmeisters, House of Lords in Sachen Sociedad Financiera de Bienes Raices v. Agrimpex L L vom 3. 6 . 1 9 6 0 = Hansa 1960 S. 1848 (vgl. auch die Vorentscheidungen Queen's Bench Division Hansa 1958 S. 15 und Court of Appeal Hansa 1959 S. 2); Anordnungen der Gesundheitsbehörde, Nichtabfertigung im Zollhaus (HansOLG HansGZ 1907, 161), Feuersbrunst, Unwetter (ROHG 17, 96; OLG Rostock MecklZ Bd. 19 S. 292). Die Folgen der Hafenüberfüllung werden durch Klauseln wie „the time for loading to commence . . . first high water after arrival" auf den Befrachter übergewälzt (HansOLG HansGZ 1913, 17). Über das Abhängigmachen des Anlaufens des Ladehafens von einer behördlichen Erlaubnis, weil das Schiff auf früheren Reisen ein dem Staat des Ladehafens feindliches Land angelaufen hatte und gleichzeitige Unmöglichkeit der Abladung wegen Ausfuhrverbots siehe Queen's Bench Division (Commercial Court) L L vom 6. 12. 1958 = Hansa 1959 S. 1049 und die Berufungsentscheidung des Court of Appeal L L vom 2. 3. 1960 = Hansa 1960 S. 695.

Anm. 5

ee) Insbesondere der regulär turn. U n t e r r e g u l ä r t u r n v e r s t e h t m a n e i n e d u r c h ö r t l i c h e V o r s c h r i f t e n o d e r G e b r ä u c h e o d e r V e r e i n b a r u n g (vgl. z. B . H G Hamburg HansGZ 1870, 194: „a regulär turn to be allowed for loading said ship") g e r e g e l t e R e i h e n f o l g e b e i d e r B e l a d u n g o d e r L ö s c h u n g v o n S c h i f f e n (Näheres bei S t e p h e n s Demurrage S. 43fif.; C a p e l l e Frachtcharter S. 187; vgl. zu der Klausel „Schiff löscht schleunigst in Tour nach schwedischem Seegesetz" HansOLG HansRGZ 1939, 391 ff.). E r spielt vornehmlich bei Massengutladungen eine Rolle (z. B . Kohle, Erz). Das Schiff muß warten, bis es an der Reihe ist und an den Ladeplatz gehen kann. F ü r die Reihenfolge können unterschiedliche Gesichtspunkte maßgeblich sein, etwa die Ankunft des Schiffes im Hafen oder seine Meldung bei der Hafenbehörde. Regelmäßig bildet der regulär turn, sofern er das Vordringen des Schiffes nach dem Ladungsplatze verzögert, ein objektives Hindernis (oben Anm. 5), d.h. er schiebt den Beginn der Ladebereitschaft hinaus: seine Folgen treffen also, mangels anderweitiger Vereinbarung („le navire devra toujours recevoir toujours ä flot e t s a n s a u c u n t o u r de r ö l e " HG Marseille Revue Autren Bd. 16 S. 395), die z . B . in der Festsetzung eines Endtermins für die Beladung erblickt werden kann (RG Bolze Bd. 15 Nr. 337), den Verfrachter