Das deutsche Seerecht. Kommentar zum vierten Buche des Handelsgesetzbuchs: Band 1 (Handelsgesetzbuch: Viertes Buch.) [2. Aufl., Reprint 2021] 9783112605844, 9783112605837

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Das deutsche Seerecht. Kommentar zum vierten Buche des Handelsgesetzbuchs: Band 1 (Handelsgesetzbuch: Viertes Buch.) [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112605844, 9783112605837

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Das deutsche Seerecht. Kommentar zum vierten Buche des Handelsgesetzbuchs (als Ergänzung zu Staub's Kommentar) nebst

Erläuterungen zu den seerechtlichen Nebengesetzen. Von

Reichsgerichtsrat Dr. Georg Schaps^. Zweite, vollständig umgearbeitete Auflage.

Nach dem Tode des Verfassers sertiggestellt

und herausgegeben von

Dr. Max Mittelstein, Senatspräsident am Hanseatischen Oberlandesgericht, Vorsitzender des Prisengerichts Hamburg.

Dr. Julius Sebba,

und

Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Königsberg,

Erster Band. (Handelsgesetzbuch: Viertes Buch.)

Berlin und Leipzig 1921. Vereinigung wissenschaftlicher Verleger Walter de Gruyter & Eo. vormals G. 3- Göschen'sche Verlagshandlung — I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit & Gomp.

Roszberg'sche Buchdruckerei, Leipzig.

Vorwort zur zweiten Auflage. Schaps hat das Vorwort zur ersten Auflage seines Kommentars am 31. De­ zember 1905 geschrieben. Er war damals noch Amtsrichter, hat aber bald als Vorsitzender einer Kammer für Handelssachen und später am Hanseatischen Ober­ landesgericht reiche Gelegenheit gehabt, an der praktischen Gestaltung des Seerechts mitzuarbeiten. Im Frühjahr 1918 ist Schaps an das Reichsgericht berufen worden; im August desselben Jahres erlag er einem Herzschlag (vgl. HansRZ. 1, 663). Schon seit Jahren hatte er an der zweiten Auflage seines Kommentars gearbeitet. Er war ein gründlicher Arbeiter, der ein gewaltiges Material — namentlich aus dem Rechte des Auslandes — zusammentrug und seinen Stoff mit großer Schärfe und Überlegung formte. Er hat die 2. Auflage bis zum § 651 Anm. 23 einschließ­ lich geführt. Bis hierher war der Kommentar stets durch Nachträge für die Zeit bis 1917 ergänzt und so gut wie druckreif. Im scharfen Gegensatz hierzu war für die weiteren Teile nichts vorgearbeitet; nur vereinzelte Bemerkungen in einem Handexemplar fanden sich, so daß von § 651 Anm. 24 ab die zweite Auflage ganz neu herzustellen war: Schaps selbst hatte, um seine Arbeit rascher zu fördern, noch kurz vor seinem Tode den unterzeichneten Dr. Sebba als Mitherausgeber herangezogen. Dr. Sebba und Dr. Mittelstem — an den als Freund des Verstorbenen dessen Testaments­ vollstrecker herangetreten waren — haben sich in die Herausgabe der zweiten Auf­ lage so geteilt, daß Dr. Mittelstein die Kommentierung bis § 678 einschließlich und Dr. Sebba die Kommentierung der §§ 679—777, 901—905 sowie die Erläute­ rung der im Anhang zum 7. und 8. Abschnitt behandelten Nebengesetze übernommen hat. Die Aufgabe der Herausgeber war daher im wesentlichen verschieden: Dr. Sebba hatte einen neuen Kommentar zu schreiben, bei welchem die erste Auflage selbst­ verständlich, soweit wie irgend möglich, benutzt worden ist, aber natürlich insbeson­ dere mit Rücksicht auf die Änderung des Gesetzes auf einigen der von ihm be­ arbeiteten Gebiete sehr viel Neues gebracht und Altes geändert werden mußte. Insbesondere hat Dr. Sebba, namentlich bei dem Schiffszusammenstoß, das nautisch­ technische Moment stärker als bisher betont, womit er den praktischen Zwecken des Kommentars zu dienen glaubte. Dagegen hatte Dr. Mittelstem nur die §§ 652—678 neu zu kommentieren sowie die von Schaps offen gelassenen Ausführungen über Schleppvertrag (Anm. 30—35 vor § 556), Kaianstalten (Anm. 19—26 zu § 592) und Durchkonnossement (Anm. 24 bis 30 zu § 651) neu zu bearbeiten. Im übrigen war der von Schaps fertiggestellte

IV

Vorwort zur zweiten Auflage.

Kommentar nur durch Nachträge aus dem Schrifttum (s. insbesondere Pappenheim Seerecht Bd. 3, auch Mittelstem Binnenschiffahrtsrecht in Ehrenbergs Hand­ buch VII. 1) und Rechtsprechung zu ergänzen. Alle solche Zugaben sind dadurch kenntlich gemacht, daß sie in eckige Klammern [ ] geschlossen sind. Nur in einzelnen wichtigen Punkten ist Dr. Mittelstein den neuen Ausführungen von Schaps entgegengetreten und hat dies durch den Vermerk (M.) kenntlich gemacht. Bei ihren neuen Ausführungen haben die Herausgeber Abweichungen von Schaps Auflage 1 vermerkt mit: „anders 1. Auf!.". Mußten daher die Herausgeber — und namentlich Dr. Sebba — viel Eigenes beitragen, so bleibt doch die Arbeit im Kern der alte Kommentar von Schaps, der sich mit Recht des besten Ansehens erfreut hat und auch in seiner neuen Fassung das Andenken des um das Seerecht so verdienten Reichsgerichtsrats Dr. Schaps hochhalten wird. Hervorzuheben ist schließlich noch eine Änderung in der Anordnung. Die vielen Nebengesetze, welche Schaps in der 1. Auflage hinter den einzelnen Abschnitten zum Abdruck gebracht hat, sollen, abgesehen von einigen durch die Zweckmäßigkeit gebotenen Ausnahmen (s. die Einleitung und Abschnitt 7 u. 8), in einem Anhang zusammen gebracht werden. Da hier noch mit gesetzgeberischen Änderungen, ins­ besondere für die Seemannsordnung, zu rechnen ist, so wird der Anhang einstweilen zurückgehalten und erscheint später als zweiter Band, dem dann auch die Register und ein Nachtrag über inzwischen neu erfolgte Entscheidungen und Erscheinungen beigegeben werden sollen. Dem vielseitigen Wunsch, die Hauptarbeit, den voll­ ständigen Kommentar zum vierten Buch des HGB-, schon jetzt erscheinen zu lassen, stand keinerlei Bedenken entgegen. Möge er der deutschen Reederei ein Hilfsmittel für neuen Aufstieg sein!

Hamburg und Königsberg, Oktober 1920.

Dr. Max Mittelstein. Dr. Julius Sebba.

Abkürzungen Abbott — Abbott, A Treatise of Law relating to Merchant Ship and Seamen, 13. ed., 1892. A.D.SVB. = Allgemeine deutsche Seeversicherungsbedingungen von 1920. ASVB. — Allgemeine Seeversicherungs-Bedingungen von 1867. B. = Bekanntmachung. BGBl. = Bundesgesetzblatt. Bbl. = Beiblatt zur Hanseatischen Gerichtszeitung. Bolze — Bolze, Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen. Borchardt = Borchardt, Handelsgesetze des Erdballs. Boyens — Doyens, Deutsches Seerecht. 2 Bde. 1897/1901. Brandis = Brandis, Das deutsche Seerecht. 1908. Brodmann = Brodmann, Seegesetzgebung des Deutschen Reichs. 2. Ausl. 1905. Burchard — Burchard, Bergung und Hilfeleistung in Seenot. 1897. Carver — Carver, Carriage of Goods. 5. ed. 1909. Cosack = Cosack, Handelsrecht. 7. Ausl. 1910. Denkschrift BGB. = Denkschrift zum Entwurf eines BGB. Denkschrift Entwurf = Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches. Denkschrift Reichstag — Denkschrift zum Entwurf eines HGB. (Drucksachen des Reichstags 9. Leg.-Per., IV. Session 1895/97 zu Nr. 632). E. (oder Endem.) Hdb. = Endemanns Handbuch des Handelsrechts. 1881—1885. Ehrenberg = Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handels­ recht. 1880. Ehrenbergs Handb. = Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts. 1913 ff. Gareis = Gareis, Handelsrecht. 1909. GBl. = Gesetzblatt. Goldschmidt --- Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts. 2. Aufl. 1875. GoldschmidtsZ. = Goldschmidts Zeitschrift für das Handelsrecht. GS. = Gesetzsammlung. Gütschow = Gütschow, Reform und Vereinheitlichung des Seerechts. 1911. von Hahn = von Hahn, Kommentar zum Allgemeinen deutschen HGB. Band 1 1894, Band 2 1875/83. HansRZ. — Hanseatische Rechtszeitschrift, herausgegeben von Dr. Max Mittelstein. Hbl. = Hauptblatt der Hanseatischen Gerichtszeitung. Heck = Heck, Das Recht der großen Haverei. 1889. Hermann u. Hirsch = Hermann und Hirsch, Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse des Handels­ gerichts zu Hamburg. 1871. Jakobi = Jakobi, Wertpapiere in Ehrenbergs Handbuch des ges. HR. IV 1. Knitschky-Rudorff = Knitschky-Rudorff, Die Seegesetzgebung des Deutschen Reichs (Guttentag). 5. Aufl. 1913. Laband = Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reichs. 5. Aufl. 1913. Leo ----- Leo, Deutsches Seehandelsrecht. *1902.

VI

Abkürzungen.

Lewis — Lewis, Das deutsche Seerecht. 2. Aufl. 1883/84. Lyon-Caen & Renault = Lyon-Caen et L. Renault, Trait6 de Droit commercial. 4. ed. Band 5 1911, Band 6 1912. Maclachlan — Naelaehlan, Merchant Shipping. 5. ed. 1911. Makower -- Makower, Kommentar zum Handelsgesetzbuch. 12. Ausl. 1898/1904. Makower-Löwe — Makower-Löwe, Binnenschiffahrtsgesetz. 5. Aufl. 1913. MecklZ. = Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft. Mittelstein I, II — Mittelstein, Deutsches Binnenschisfahrtsrecht. 2. Aufl. Band 1 1903, Band 2 1900. Mittelstein Handb. = Mittelstein, Das Recht der Binnenschiffahrt in Ehrenbergs Handbuch des gesagten Handelsrechts. Band VII, 1. 1918. Mittelstein, Schiffspfandrecht = Mittelstein, Deutsches Schiffspfandrecht und Schiffsgläubigerrecht. 1889. OLGRspr.; Rspr. = Viugdan und Falkmann, Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. OSeeA. — Oberseeamt. Pappenheim = Pappenheim, Handbuch des Seerechts. Band 2 1906. Band 3 1918. Perels, Intern. Seerecht = F. Perels, Das internationale öffentliche Seerecht der Gegenwart. 1882. Perels, öff. Seerecht — F. Perels, Handbuch des öffentlichen Seerechts. 1884. Prien — Prien, Der Zusammenstoß von Schiffen. 1896. Prot. — Lutz, Protokolle der Kommission zur Beratung des A.D.HGB. RegBl. — Regierungsblatt. RG. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGSt. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. ROHG. — Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts. Revue oder RJM. — Revue du droit international maritime. Sammlung = Sammlung von Erkenntnissen des OAG. Lübeck in Hamburger Sachen. 1840/68. Schauseil = Schauseil, Seeunfallversicherung. 1913. SchlHolstAnz. — Schleswig-Holsteinische Anzeigen. Schröder = Schröder, Endemanns Handbuch IV, 1. Scrutton — Scrutton, Charterparties and Bills of Lading. 6. ed. 1910. Seebohm — Seebohm, Sammlung seerechtlicher Erkenntnisse des Handelsgerichts zu Hamburg. 1866. SeuffA. = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten GerichteSieveking — Sieveking, Das deutsche private Seerecht. 1904. Staub = Staub, Kommentar zum HGB. 8. Aufl. 1907 (falls keine neuere Aufl. zitiert ist). Ullrich = Ullrich, Sammlung von seerechtlichen Erkenntnissen des Handelsgerichts zu Hamburg. Band 1 1858, Band 2 1861. V. — Verordnung. Voigt — Voigt, Deutsches Seeversicherungsrecht. 1887. Wagner = Wagner, Handbuch des Seerechts. Band 1 1880. Wüstendörfer = Wüstendörfer, Studien zur modernen Entwicklung des Seefracht­ vertrags. Band 1 1905/1909.

Inhalt Seite

Allgemeine Einleitung

1

Erstes Kapitel. Begrenzung der Aufgabe Zweites Kapitel. Quellen des Seerechts Drittes Kapitel. See. Schiff. See- und Binnenschiff. Schiffsregister. Seegericht Viertes Kapitel. Flaggenrecht. Pfandrecht. Zwangsvollstreckung. Arrest A. Flaggengesetz vom 22. Juni 1899/29. Mai 1901 Flaggenrechtliche Verordnungen B. Pfandrecht an eingetragenen Schiffen und Parten I. BGB. §§ 1259—1272 II. Landesrechtliche Vorschriften III. Freiwillige Gerichtsbarkeit. Gesetz §§ 100—124 C. Zwangsvollstreckung und Arrest I. Zwangsvollstreckung in eingetragene Schiffe 1. Zivilprozeßordnung §§ 864—870 2. Zwangsversteigerungsgesetz §§ 162—171 II. Zwangsvollstreckung in Parten. ZPO. § 858 III. Arrestvollziehung. ZPO. § 931

1 1 6 18 18 31 39 39 57 61 69 69 69 70 75 76

Handelsgesetzbuch. Viertes Buch:

Seehandel.

Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften. §§ 474—483

77 Dazu: Landesgesetzliche Ergänzungen 88 Zweiter Abschnitt. Reeder und Reederei. §§ 484—510 95 Dazu: Landesgesetzliche Ergänzungen 159 Dritter Abschnitt. Schiffer. §§ 511—555 180 Dazu: Landesgesetzliche Ergänzungen 182, 183, 212, 213—224, 225, 233—238 Anhang zum dritten Abschnitt: Schiffsmäkler 294 Bierter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung vonGütern 300 Vorbemerkungen 300 Schleppvertrag 307 §§ 556—663 309 Dazu: Ortsgebräuche 326, 343—344, 387, 389—390 Kaianstalten 376 Landesgesetze zu § 609 444 Durchkonnoss erneut 550 Fünfter Abschnitt. Frachtgeschäft zur Beförderung vonReisenden 574 Vorbemerkungen 574 §§ 664—678 576 Sechster Abschnitt. Bodmerei. §§ 679—699 586

VIII

Inhalt. Seite

Siebenter Abschnitt. Haverei. 608 Erster Titel. Große (gemeinschaftliche) und besondere Haverei. §§ 700—733 608 Anhang. York-Antwerp-Rules 1890 670 Zweiter Titel. Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen. §§ 734—739 678 Anhang zu § 735. Die Stellung des Schleppzugs im Kollisionsrecht 739 Anhang zu § 737. Rechtsstellung des Lotsen. 777 Anhang I zum 2. Titel. Internationales Übereinkommen zur einheitlichen

Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen vom 23. Sep­ tember 1910 Anhang II zum 2. Titel. § 145 des Reichsstrafgesetzbuches Anhang III zum 2. Titel. Seestraßenrecht Anhang IV zum 2. Titel. Ergänzende Nebengesetze a) Verordnung über die Abblendung der Seitenlichter und die Einrichtung der Positionslaternen auf Seeschiffen vom 16. Okt. 1900 b) Bekanntmachung betreffend die Einrichtung der Positionslaternen auf Seeschiffen vom 8. Dez. 1900 c) Verordnung betreffend Lotsensignalordnung vom Y. Febr. 1907 d) Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammensioß von Schiffen auf See vom 15. Aug. 1876 e) Verordnung betreffend das Ruderkommando vom 18. Okt. 1903. f) Bekanntmachung betreffend die Bezeichnung der Fahrwasser und Un­ tiefen in den deutschen Küstengewässern vom 13. Mai 1912 Achter Abschnitt. Bergung und Hilfsleistung in Seenot. §§ 740—753 Anhang. Internationales Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von

787 801 802 860 850

850 852 852 853 854 868

Regeln über die maritime Bergung und Hilfsleistung vom 23. Sept. 1910 964 Neunter Abschnitt. Schiffsgläubiger. §§ 754—777 973 Anhang. Die Brüsseler Vorentwürfe zum internationalen Übereinkommen über die beschränkte Haftung der Schiffseigentümer und über die Schiffshypo­ theken und Schiffsprivilegien 1027 Elfter Abschnitt. Verjährung. §§ 901—904. 1034

Allgemeine Einleitung Erstes Kapitel. Begrenzung der Ausgabe. Seerecht ist die Gesamtheit der die Seeschiffahrt betreffenden Rechtssätze. Allgemeine Man unterscheidet privates und öffentliches Seerecht. Der Scheidung liegt kein ab- Einleitung, solutes Prinzip zugrunde, vielmehr bietet den Einteilungsgrund ein vorzugsweise maßgebender Anm. 1. Gesichtspunkt: Dem Privatrecht gehören diejenigen Rechtssätze an, bei denen die Interessen der beteiligten Individuen in erster Reihe in Betracht kommen, dem öffentlichen Recht die­ jenigen, für welche das allgemeine Interesse in erster Reihe das bestimmende ist (Dernburg 1,49). Trotz dieser Flüssigkeit der Grenzen läßt sich das private Seerecht bezeichnen als die Ge­ samtheit derjenigen Seerechtssätze, die sich auf das Verhältnis mehrerer Privat­ personen zueinander beziehen. Einen Ausschnitt daraus bildet das private SeehandelSrecht oder Privatseerecht i. e. S., die Summe derjenigen Rechtssätze, welche sich um das Kauffahrteischiff gruppieren. Das öffentliche Seerecht umfaßt die außerhalb des Privatrechts liegenden seerecht­ lichen Normen. Dieselben sind ihrem Inhalt nach sehr mannigfaltiger Natur. Sie betreffen entweder das Verhältnis mehrerer oder aller Staaten zueinander und' gehören alsdann den: Völkerrecht an (Seevölkerrecht, internationales öffentliches Seerecht). Oder sie ge­ hören zum öffentlichen Recht eines bestimmten Staats, zu dessen Seestaatsrecht, Seeverwaltungsrecht, Seestrafrecht, Seeprozeßrecht. Aufgabe deS vorliegenden Werkes ist grundsätzlich die Behandlung deS deutschen pri-Anm. 2. vateu Seehandelsrechts. 1. Deutschen Rechts: Reichsrechts wie Landesrechts. Die Darstellung ausländischenRechts liegt außerhalb des Rahmens des Werkes. In Einzelfällen werden indessen Hinweise auf das­ selbe erforderlich sein, insbesondere zum Verständnis von Vertragsbestimmungen, die auf ausländischer Rechtsanschauung beruhen. 2. Privaten Seehandelsrechts (mit Ausschluß des eine Spezialmaterie bildenden See­ versicherungsrechts). Daneben ist die Wiedergabe des sonstigen privaten Seerechts un­ umgänglich. Weiter aber greifen privates und öffentliches Seerecht nach vielen Richtungen derartig ineinander, daß sich eine strenge Aussonderung des letzteren nicht durchführen läßt (Perels Hdb. 3; Wagner 2). Es sollen daher diejenigen Teile des öffentlichen Seerechts be­ rücksichtigt werden, die mit dem privaten Seerecht in Zusammenhang stehen.

Zweites Kapitel. Quellen des deutschen Seerechts. A. Reichtzrecht. 1. DaS vierte Buch deS HGB., „Seehandel". Anm. 3. a) Geschichte. Über die allgemeine Entstehungsgeschichte des alten HGB. vgl. Goldschmidt Handb? 1, 90 ff.; Staub, Allg. Einleitung Anm. 1. Auf der Nürnberger Konferenz trat die Ansicht zutage, daß es zweckmäßig und für die Sache förderlich erscheine, die Beratung über SchavS, Seerecht.

Aufl.

1

2 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

das Seerecht in einer Seestadt vorzunehmen (Prot. 697, 813). Nachdem von Hamburg und Bremen Einladungen ergangen waren, entschied sich die Konferenz am 30. Juni 1857 für Hamburg (Prot. 869), wo sie vom 26. April 1858 bis zum 22. August 1860 tagte (Prot. 1466, 1473, 4490). Den Beratungen lag ein preußischer Entwurf zugrunde (Prot. Bei­ lageband 1, 1 ff.). Nach zwei Lesungen war ein „schließlicher" (Prot. 3691) Entwurf fertig­ gestellt, das fünfte Buch des A.D.HGB. (vgl. Goldschmidt Handb? 1, 102 ff.). Dasselbe wurde in den Jahren 1861—1867 in den Bundesseestaaten eingeführt (näheres bei Wagner 90 ff.). Die Beratungen der Hamburger Konferenz sind niedergelegt in Bd. 4—8 der Proto­ kolle (vgl. dazu die Vorrede in Bd. 1): Bd. 4—7 enthalten die erste, Bd. 8 die zweite Lesung. Ihr Inhalt ist auch heute, wo die Ansichten über die Bedeutung der Vorarbeiten für die Aus­ legung eines Gesetzes nicht mehr die gleichen sind wie früher (vgl. Goldschmidt Handb.? 1, 311 ff.), als wissenschaftliches Material von hohem Werte. Durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 5. Juni 1869 wurde das A.D.HGB. Bundesgesetz und späterhin Reichsgesetz. Der vierte Teil des fünften Buchs wurde durch § 110 der SeemO. vom 27. Dez. 1872 außer Kraft gesetzt und Art. 453 durch § 68 des­ selben Gesetzes ersetzt. Schon vorher hatte des Bundesgesetz vom 25. Okt. 1867 die Art. 432 bis 438 ohne ausdrückliche Aufhebung in sich ausgenommen. Bei der Neufassung des HGB. im Jahre 1897 ist das Seerecht, „das ein in sich ge­ schlossenes Ganzes bildet und nur zu einem geringen Teile in einem engeren Zusammen­ hänge mit dem sonstigen Inhalt des Handelsgesetzbuchs und dem bürgerlichen Rechte steht" (DE. 4), nur in wenigen Punkten geändert worden; man hat sich in der Hauptsache — nicht immer mit Erfolg (vgl. §§ 611, 613) — darauf beschränken wollen, die Fassung der seerecht­ lichen Vorschriften mit denjenigen der vorhergehenden Bücher so weit in Übereinstimmung zu bringen, als es zur Wahrung der einheitlichen Gestalt des Gesetzbuchs notwendig erschien (DR. 276). Seitdem sind — abgesehen von der durch Gesetz vom 30. Mai 1908 (RGBl. 307 ff.) erfolgten Änderung seeversicherungsrechtlicher Vorschriften — durch Gesetz vom 2. Juni 1902 (RGBl. 218 ff.) die §§ 481, 547—549, 553 und 749 durch die daselbst angeführten Vorschriften ersetzt und hinter § 553 die §§ 553a und 553 b eingeschaltet worden; das Gesetz vom 12. Mai 1904 (RGBl. 167 ff.) hat den § 553 wiederum abgeändert; endlich sind durch Gesetz vom 7. Jan. 1913 (RGBl. 90 ff.) die §§ 734—739, 740—748, 750 durch neue Vorschriften ersetzt und die §§ 901, 903 und 904 in ihrer Fassung verändert worden.

Anm. 4. b) Auslegung. Da das vierte Buch des HGB. ein in sich geschlossenes Ganzes, die Kodifikation eines besonderen Rechtsteils (Wagner 123) bildet, ist es zunächst aus sich selbst heraus auszulegen; erst in zweiter Linie ist auf den übrigen Inhalt des HGB. zurückzugreifen. Um den eigenartigen Lebensbedingungen auf dem Anwendungsgebiet des Seerechts gerecht zu werden, ist es erforderlich, die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Schiffahrtsverkehrs auch bei der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften nicht un­ berücksichtigt zu lassen. Derartigen Gesichtspunkten trägt in erfreulicher Weise die Rechtsprechung des Reichsgerichts Rechnung (vgl. z. B. RG. 34, 80; 78, 178); wichtige Wege haben die Untersuchungen Wüstendörfers über die moderne Entwicklung des Seefrachtvertrages gewiesen. Aus ähnlichen Gesichtspunkten wird iu der seerechtlichen Literatur und Rechtsprechung mehr als auf sonstigen Rechtsgebieten die ausländische Praxis, insbesondere die des eng­ lischen Rechts mit ihrem reichen Erfahrungsschatz, zur Auslegung mit herangezogen,

«nm. 5. c) Verhältnis zum übrigen Inhalt deS HGB. a) Die Vorschriften des vierten Buchs finden Anwendung, gleichviel ob die an den Ge­ schäften des Seeverkehrs beteiligten Personen Kaufleute sind oder nicht (DR. 189).

Anm. 6.

ß) Die Vorschriften der ersten drei Bücher finden auf die Geschäfte des Seeverkehrs dann Anwendung, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung des Handels­ rechts gegeben sind. [(M.) Dem ist aber hinzuzufügen, daß das Landfrachtrecht und das

Allgemeine Einleitung.

3

Seefrachtvertrag völlig unabhängig voneinander geregelt sind und deshalb nicht ohne Grund Allgemeine die Sätze des einen auf das andere übertragen werden dürfen (vgl. Mittelstem Handb. 210, Einleitung. 215). Das gilt insbesondere für HGB. §§ 434 ff., darüber s. unter Vorbemerkung zum 4. Abschnitt Anm. 12.] y) Die durch die Seefahrt direkt oder indirekt Erwerb suchenden Personen sind als solche nur Anm. 7. dann Kaufleute, wenn

1. Entweder ihr Gewerbebetrieb eine der in 8 1 Abs. 2 aufgezählten Geschäftsarten zum Gegenstände hat. In Betracht kommen namentlich die Über­ nahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmungen (§ 1 Nr. 5), die Übernahme von Seeversicherungen

gegen Prämie (§ 1 Nr. 3) und die Geschäfte gewisser Handelsmäkler (§ 1 Nr. 7, § 93: Vermittelung von Verträgen über Seeversicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffsmiete oder sonstige Gegenstände des Seehandelsverkehrs). 2. Oder das von ihnen betriebene gewerbliche Unternehmen, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen, nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert und ihre Firma in das Handelsregister eingetragen ist (§ 2). 8. Oder es sich um Handelsgesellschaften (§ 6 Abs. 1), eingetragene Genossen­ schaften (GenG. 8 17 Abs. 2) oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG. 8 13 Abs. 2) handelt. Sind sie Kaufleute, so finden auf sie alle für letztere geltenden gesetz­ lichen Bestimmungen Anwendung; diejenigen über Firmen, Handelsbücher und Pro­ kuren jedoch dann nicht, wenn ihr Gewerbebetrieb nicht über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht. Diese Einschränkung gilt jedoch nach 8 6 Abs. 2 nicht für Vereine, denen das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kauf­ mannes beilegt, d. h. für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, ein­ getragene Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Staub, Anm. 2 ru 8 6).

8) Handelsgeschäfte sind, nachdem die Kategorie des objektiven Handelsgeschäfts gefallen Anm. 8. ist, nur noch die Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören (8 343; vgl. die Präsumtion des 8 344 Abs. 1) oder doch gemäß 8 343 Abs. 2 in diesem Betriebe geschlossen worden. Nur auf Seeverkehrsgeschäfte eines Kaufmanns finden deshalb die allgemeinen Vorschriften des dritten Buchs über Han­ delsgeschäfte Anwendung. d) Verhältnis zum BGB. und zu sonstigen Reichsgesetzen.

Anm. 9.

a) Nach Art. 2 Abs. 1 EG.HGB. kommen in Handelssachen die Vorschriften des BGB. nur insoweit zur Anwendung, als nicht im HGB. oder im EG. ein anderes bestimmt ist. Das heißt: in erster Reihe gilt in Handelssachen das HGB. nebst EG. bzw. dasjenige Recht, welches diese Gesetze aufrechterhalten oder auf welches sie Bezug nehmen (Reichsgesetze, Landesrecht); im übrigen gilt ergänzend das bürgerliche Recht. ß) Nach Art. 2 Abs. 2 EG. werden im übrigen die Vorschriften der Reichsgesetze durch Anm. 10. durch das HGB. nicht berührt. Das heißt: die Vorschriften sonstiger Reichsgesetze gelten in Handelssachen nicht, wie das BGB., nur subsidiär; sie sollen in Handelssachen dem HGB. vorgehen (Pappenheim GoldschmidtsZ. 46, 261; Staub Allg. Einleitung Anm. 21). Denn sie werden als Spezialgesetze betrachtet.

e) vrtlicheS AnwendungSgebiet. Das HGB. gilt im Deutschen Reich, ferner, soweit nicht dort Anm. 11. geltendes Handelsgewohnheitsrecht ein anderes bestimmt, in den deutschen Konsulargerichts­ bezirken (KonsGG. 83 19, 40) und in den deutschen Schutzgebieten (SchutzgebG. 8 3).

f) Zeitliches Anwendungsgebiet. Es ist Bezug zu nehmen auf das bei Staub, Allg. Einleitung Anm. 12. Anm. 7—15 Ausgeführte.

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Allgemeine Einleitung.

Allgemeine 2. Sonstige Reichtzgesetze, und zwar Einleitung, a) Seerechtliche Nebengesetze. Zu nennen sind Anm. 13. das Gesetz, betr. das Flaggenrecht der Kauffahrteischiffe, vom 22. Juni 1899 (NGBl. 319 ff.), das Gesetz, betr. die Küstenfrachtfahrt, vom 22. Mai 1881 (RGBl. 97 ff.), die Seemannsordnung vom 2. Juni 1902 (NGBl. 175 ff.), das Gesetz, betr. die Verpflichtung der Kauffahrteischiffe zur Mitnahme heimzuschaffender Seeleute, vom 2. Juni 1902 (NGBl. 212ff.), das Gesetz, betr. die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 18. Juni 1911 (NGBl. 253 ff.), das Gesetz, betr. die Untersuchung von Seeunfällen, vom 27. Juli 1877 (NGBl. 549 ff.), die Strandungsordnung vom 17. Mai 1874 (NGBl. 73 ff.), die auf Grund von StGB. § 145 erlassene Seestraßenordnung vom 5. Febr. 1906 (NGBl. 120 ff.), die auf Grund von NV. Art. 54 erlassene Schiffsvermessungsordnung vom 1. März 1895 (NGBl. 161 ff.).

Anm. 14. b) Gesetze allgemeinen Inhalts, die stellenweise seerechtliche Materien regeln. Hierher gehören das BGB., die ZPO., das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung, die Gewerbeordnung, das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes, das Gesetz über die Angelegenheiren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das Vereinszollgesetz, die Reichstersicherungsordnung, das Versicherungsgesetz für Angestellte, das Gesetz über das Auswanderungswcsen, das Stellenvermittlergesetz.

Anm. 15. 3. Staatsverträge und internationale Übereinkommen.

Soweit dieselben Nechtsvorschriften enthalten, welche das bestehende Recht aufheben, abändern, ergänzen, oder wenn sie auch nur einen Gegenstand betreffen, der im Deutschen Reich in der Form der Gesetzgebung erledigt zu werden pflegt, bedürfen sie, um staatsrechtlich bindend zu sein, der verfassungsmäßigen Gesetzesform (Laband 2, 158). In dieser Form sind z. B- zustande gekommen swas leider nicht aus dem RGBl, ersichtlich ist, vgl. Mittelstem HansRZ. 1. Beiheft ©. 53—54] die Staats­ verträge, durch welche gemäß KFrG. § 2 ausländischen Schiffen das Recht der Küstenfracht­ fahrt eingeräumt worden ist. Ferner die Internationalen Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen (JÜZ.) vom 23. Sept. 1910 (RGBl. 1913, 49 ff.) und über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot (JÜS.) vom 23. Sept. 1910 (RGBl. 1913, 66 ff.); der Internationale Vertrag zum Schutze des mensch­ lichen Lebens auf See svom 20. Jan. 1914 (vgl. Mittelstein HansRZ. 1, 555) ist noch nicht im RGBl, veröffentlicht]. Handelt es sich dagegen um Vereinbarungen über allgemeine Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, die zur Ausführung von Reichsgesetzen dienen, so war nach RV. Art. 7 Nr. 2 der Bundesrat zum Erlaß von Anordnungen befugt, falls nicht der Erlaß solcher An­ ordnungen dem Kaiser oder einer Neichsbehörde übertragen war. So sind gemäß SchVO. § 37 seitens des Reichskanzlers Bestimmungen über die gegenseitige Anerkennung der Schiffs­ vermessungen zwischen Deutschland und anderen Ländern, nach vorausgegangener Ver­ ständigung mit diesen, erlassen worden." sJetzt ist nach NV. Art. 77 die Neichsregierung zuständig.]

Anm. 16. 4. Gewohnheitsrecht? Gemeines SeehandelSgewohnheittzrecht kann auch künftig entstehen, und zwar sowohl in Abänderung wie in Ergänzung jedes geschriebenen Rechtssatzes. Denn da das HGB. und dessen EG. über die Wirkung des Gewohnheitsrechts schweigt, gilt in dieser Hinsicht das BGB., und nach diesem ist das Gewohnheitsrecht als dem Gesetz koordinierte Rechtsquelle anzuerkennen (Dernburg 1, 80; Oertmann, Allg. Teil des BGB., XV; Cosack, Bürger!. Recht 1, 28). Die Frage, zu deren Bejahung auf anderem Wege auch Staub Allg. Einleitung Anm. 23 ff. gelangt, ist bei der Schwierigkeit, die der Bildung eines derartigen

Allgemeine Einleitung.

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Gewohnheitsrechts entgegensteht, ohne erhebliche Bedeutung [f. aber die gewohnheitsrechtlich Allgemeine anerkannte Nechtsvermutung für das Eigentum des als Schiffseigentümer Eingetragenen Einleitung.

(Wüstendörfer GoldschmidtsZ. 81, 29; Mittelstem Handb. 33)]. Zu unterscheiden vom Handelsgewohnheitsrecht sind „die im HandelsvertehrAnm. 17. geltenden Gewohnheiten und Gebräuche" des § 346, welche nicht Nechtssätze sind, sondern tatsächliche Übung und Berkehrssitte; auf sie ist „unter Kaufleuten", also auch unter den Kauf­ leuten des Seerechts (oben Anm. 7) in Ansehung der Bedeutung mit) Wirkung von Hand­ lungen und Unterlassungen Rücksicht zu nehnien. Das Gegenstück zu der Übung derjenigen, die sich mit Seefahrtsbetrieb und den damit zusammenhängenden Gewerben kommerziell befassen, ist diejenige der Personen, welche die Schiffahrt technisch betreiben, der im § 514 erwähnte Seemannsbranch Auch er ist nicht Rechtsguelle (Brandis 1, 17; anders Wagner 123 ff ), sondern Tatsache, dienend einmal als Auslegungsmittel für Handlungen und Unter­ lassungen, vor allem aber als Maßstab für das ordnungsniäßige Verhalten gewisser den see­ männischen Streifen angehöriger Personen (z. B. für die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers: § 511). Seinen Niederschlag hat der Seemannsbrauch in vielfachen Entscheidungen der Seeäiilter gefunden. B. Landesrecht.

Bezüglich der Geltung des landesrechtlichen Seehandelsrechts ist zu unterscheiden Anm. 18. zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Vorschriften. 1. Die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze bleiben insoweit — und nur insoweit — unberührt, als es im EG. bestimmt oder im HGB. auf sie verwiesen ist (EG. Art. 15 Abs. 1). Unter Landesgesetz ist zu verstehen jede nach der in Frage kommenden Rechtsverfassung gültige Rechtsnorm (Lesse GoldschmidtsZ. 14, 43; von Hahn 1, 76), also auch Gewohnheitsrecht (Prot. 5068) und landesherrliche Verordnungen (vgl. auch EG.BGB. Art. 3). Soweit die Landesgesetze unberührt bleiben, können auch neue landesgesetzliche Vor­ schriften erlassen werden (EG. Art. 15 Abs. 2). a) Im EG. ist bestimmt, daß unberührt bleiben:

oc) Nach EG. Art. 19 Nr. 1 für das Großherzogtum Mecklenburg^Schwerin die §§ 51—53, 55 der V. vom 28. Dez. 1863, betr. die Publikation des A.D.HGB. (RegBl. 1864, Beilage zu Nr. 41), sowie die zur Abänderung dieser Verordnung ergangene V. vom 22. Okt. 1869 (RegBl. 959 ff.). Diese Verordnungen sind ersetzt durch §§ 9—21 der AV.HGB. vom 9. April 1899 (RGBl. 283 ff.). ß) Nach EG. Art. 19 Nr. 2 für die freie Hansestadt Bremen die V. vom 12. Febr. 1866, betr. die Löschung der Seeschiffe (GBl. 2 ff.), nebst den dazu später ergangenen Gesetzen (sie gilt zur Zeit in der Fassung des Ges. vom 20. Nov. 1879 sGBl. 357 ff.] mit Abänderungen vom 12. Mai 1883 sGBl. 49 ff.] und vom 12. Juni 1889 sGBl. 144]. Hinzugekommen ist ein weiteres Abänderungsgesetz vom 12. Juli 1901 sGBl. 138]). y)

Nach EG. Art. 19 Nr. 3 für die freie und Hansestadt Hamburg der § 50 des EG.HGB. vom 22. Dez. 1865 (Lappenberg, Sammlung Hamb. Verordnungen, 1865, 533 ff.). Diese Bestimmung ist ersetzt durch § 8 AG.HGB. vom 25. Dez. 1899 (GS. I 236 ff.).

8) Nach EG. Art. 20 die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen ein Pfandrecht an einem im Bau begriffenen Schiffe ohne Übergabe des Schiffes durch Eintragung in ein besonderes Register bestellt werden kann, sowie die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangs­ versteigerung eines solchen Schiffes. In Betracht kommt nur das bremische Recht (zur Zeit: § 30 AG.BGB. vom 18. Juli 1899 sGBl. 61] und § 5 AG.ZVG. vom 18. Juli 1891 sGBl. 135] — unten Anm. 76. Vgl. DR. 302. Durch Art. 20 wird aber auch den übrigen Bundesstaaten das Recht zur Einführung derartiger Vorschriften eingeräumt (Boyens 2, 54; Pappenheim GoldschmidtsZ. 46, 262, Mittelstem Handb. 33]). Hiervon hat Oldenburg Gebrauch gemacht (Ges. vom 10. März 1903, GBl. 574 ff.): unten Anm. 72.

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Allgemeine Einleitung.

Allgemeine b) Im HGB. ist auf die Landesgesetze verwiesen, und zwar entweder, indem die RegeEinleitung. lung einer Materie dem Landesrecht überwiesen ist (vgl. §§ 480 Abs. 2, 566 Abs. 2, 678)/) oder die Normen des HGB. sich selbst nur als subsidiär bezeichnen (vgl. §§ 561, 568, 595, 599)* Alles übrige partikuläre Privatseehandelsrecht ist aufgehoben (vgl. DR. 300). Daraus folgt, daß solches auf Gebieten, die der Landesgesetzgebung nicht Vorbehalten sind, auch in Zukunft weder gesetzlich noch gewohnheitsrechtlich zur Entstehung gelangen kann. Anm. 20» 2. Die öffentlichrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze werden, soweit sie mit dem HGB. oder dessen EG. nicht in Widerspruch stehen, durch diese Gesetze nicht be­ rührt. Sie gelten also weiter, nicht nur, soweit dem Landesrecht ausdrücklich die Erledigung der Materie zugewiesen wird (§§ 480 Abs. 2, 527, 678)/) sondern auch soweit sie bei oder nach Erlaß des A.D.HGB. als Ergänzung desselben eingeführt sind oder soweit das HGB. auch ohne Verweisung auf die Landesgesetze einzelne Rechtsinstitute oder Rechtsverhältnisse nicht oder nicht erschöpfend regeln will (Führung des Schiffstagebuchs, Ablegung der Ver­ klarung usw.). Dem Erlaß neuer landesgesetzlicher Vorschriften öffentlichrechtlichen Inhalts steht in gleichen Grenzen nichts entgegen. Anm. 21. Die Seeuferstaaten (Preußen, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Hamburg, Lübeck, Bremen) haben auf der Landesgesetzgebung Vorbehalten gebliebenen Gebieten sich mehr­ fach über den Erlaß gleichlautender Verordnungen geeinigt, so hinsichtlich der Führung und Behandlung des Schiffstagebuchs/Zusatz 2 hinter § 520], die Beförderung gefährlicher Anm. 19

Güter in Kauffahrteischiffen [f. Anhang].

Drittes Kapitel. Grundlegende Begriffe: See. Schiff. Seeschiff und Binnenschiff. Kauffahrteischiffe. Schiffs­ register. Gerichte für Seesachen und Seebehörden. See ist das Meer. Der Begriff bedarf keiner Definition. Aber Zweifel tatsächlicher Art können darüber bestehen, wo die See anfängt und wo sie aufhört. Diese Zweifel zu lösen, ist der Laie meist nicht fähig. Welche Gewässer See sind, darüber entscheidet die An­ schauung der seemännischen Kreise, und maßgebend für deren Auffassung ist vor allem das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein jener Gefahren und Schwierigkeiten für die Beauf­ sichtigung und Einwirkung von Land aus, welche der Seeschiffahrt gegenüber der Binnen­ schiffahrt eigentümlich sind (Mot. des preuß. Entw. z. A.D.HGB. 214; RG. 13, 72; Weyl, Zum Begriff „See" im deutschen Reichsrecht 14). Nicht See sind hiernach Strommündungen, Föhrden, Watten, die Ostseehaffs, der Greifswalder Bodden, die Meerengen bei Rügen, was nicht ausschließt, daß die Fahrt auf ihnen für den Geltungsbereich gewisser Gesetze der Seefahrt gleichgestellt ist oder „als Seefahrt gilt" (SStrO., Einl.; VSchuZ. § 3; RVO. § 1047 (vgl. StrandO. 8 22); sReichsbeihilfengesetz § 1 (s. HansRZ. 2, 44)]. Im Einzelfall bedarf die seemännische Anschauung, soweit sie nicht gerichtsnotorisch ist, der Feststellung durch Ver­ nehmung von Sachverständigen. Nur für das Gebiet des Flaggenrechts und der auf dasselbe Bezug nehmenden Gesetze bindend sind die in § 1 der B. des Bundesrats vom 10. Nov. 1899 betr. Ausführungsbestimmungen zu § 25 des FlG. (unten Anm. 67) angegebenen Grenzen, außerhalb deren eine Fahrt als Seefahrt anzusehen sein soll: Obschon sie einen Anhalt für die Auffassung der seemännischen Kreise geben (RG. 13, 72), decken sie sich nicht durchgängig mit diesen (vgl. HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 42). Erst außerhalb derselben Grenzen gilt der Verkehr auf See als Seefahrt auch im Sinne von RVO. § 163 (RVO. § 1047 Nr. 1); da­ neben aber ist Seefahrt im Sinne dieser Vorschrift die Fahrt auf Buchten, Haffen und Watten der See, dagegen nicht die Fahrt auf anderen mit der See verbundenen Gewässern, auch wenn sie von Seeschiffen befahren werden.

Anm. 22. I. See.

x) über den Einfluß des AuswG. auf diese Vorschrift vgl. Anm. 1 zu 8 678.

Allgemeine Einleitung.

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Zur Streitfrage, ob Seenot im Sinne der §§ 740 ff. und der StrandO. eine auf hoher Allgemeine See eingetretene Gefahr voraussetzt, s. Anm. 10 zu § 740. Einleitung. Die Frage, ob Seefahrt im Sinne von BGB. § 16 vorliegt, wenn das in See gehende Schiff noch diesseits der von seemännischen Sachverständigen angenommenen Grenze der offenen See war, wird verschieden-beantwortet: Weyl 17 ff. und Oertmann, Allg. Teil Nr. 2 zu § 16; ebenso die entsprechende Frage des Begriffs der Seereise im Sinne von BGB. § 2251: Weyl 23 ff.

II. Schiff. Schiff ist ein einen Hohlraum darstellendes Wasserfahrzeug von nichtAnm. 23. ganz unbedeutender Größe svgl. Mittelstem Handb. 10—14; Sebba HansNZ. 1,502—510, welcher verlangt, daß der Hohlranm von oben her zugänglich ist].

1. Ein Wasserfahrzeug: es genügt nicht, daß es sich um einen schwimmfähigen Gegenstand handelt, er muß auch zur Fortbewegung auf dem Wasser, mindestens für gewisse Fälle, be­ stimmt sein (NG. 86, 430). Weil nicht Söafferfstfjrseufje, sind nicht Schiffe schwimmende Magazine (Mittelstem 1, 42 [n. Handb. 12]) oder Badeanstalten (HG. Hamburg Hbl. 1878,247), Pontons, Fischkästen, Marine-Schießscheiben, Schwimmdocks oder Docksektionen, selbst wenn sie behufs Erreichung oder Veränderung ihres Liegeplatzes auf dem Wasser geschleppt werden können (HansOLG. Hbl. 1914, 295 = LZ. 1914 S. 1819; RG. 86, 430), Taucherglocken, schwimmende Leuchttürme (Pappenbeim 2 S. 4), Gasbojen (Aspinall VIII N. S. 114), Kaissons (HansOLG. Hbl. 1893, 312). Als Wasserfahrzeuge, wenn auch nicht als Schiffe (unten Anm. 24) sind (maiifpredjen Flöße, der Fortbewegung auf dem Wasser fähige Luft­ fahrzeuge (Zeppelinsche Luftschiffe, Wasserflugzeuge). Dagegen sind Wasserfahrzeuge und, weil auf sie auch dieMerkmale zu 2 und 3 zutreffen, auch Schiffe: Unterseeboote (Sebba, ASchSch. 1, 1.0 ff.), Schleppkähne sMittelstein Handb. 11; Sebba HansNZ. 1, 505], Leichter (RG. 78, 178), Fähr- und Trajektboote, Getreideheber (HansOLG. Hbl. 1914, 295 LZ. 1914 S. 1819), Kohlenheber, der Ortsverändernng fähige [(M.) richtiger wohl: dazu bestimmte (vgl. Mittelstem Handb. 12); Sebba 507: Funktionsschiffe] Bagger, Baggerkähne und Bagger­ schuten (HansOLG. Hbl. 1893, 312; HansOLG. SeuffA. 63, 326; RG. 51, 334; OPrG. LZ. 1917, 1191), ent mit Steven versehener Fischheger (HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 4), ein aus mehreren zusammengekuppelten Schiffskörpern gebildetes Hebefloß (HansOLG. Hbl. 1906, 190 --- Rechtspr. 13, 40), ein Hebeprahm (RG. 55, 820; HansOLG. Hbl. 1914, 295 = LZ. 1914 S. 1819), Feuerschiffe (vgl. RG. 88 Nr. 86; 47 Nr. 45; sSebba 507 A. 17]; dagegen Doyens 1, 97 und 2, 51; Pappenheim 2, 4), letztere, weil sie nach ihrer Bauart zur Fort­ bewegung geeignet und für außergewöhnliche Fälle auch bestimmt sind. Als Begriffsmerkmal kann nicht allgemein gefordert werden eigene Bemannung oder eine bestimmte Art der Kon­ struktion („eigenes Steuerruder und besondere Mannschaft"; Boyens 1, 97; „Steven und Steuer": Mittelstem 1, 42 [11. Handb. 11]; gegen letzteren KG. Recht 1910 Nr. 277 --- RIA. 10, 138 ff.). Ebensowenig die Möglichkeit der Eigenbewegung (OStG. LZ. 1917, 1191); es gibt Schiffe, denen Vorrichtungen hierzu gänzlich fehlen, weil sie bestimmt sind, durch fremde Kraft (Schlepper, von Land and ziehende Pferde oder Menschen) fortbewegt zu werden (RG. IW. 1896, 705 -- Bolze 23 Nr. 272; HansOLG. Hbl. 1887, 19; 1906, 190 -Rechtspr. 13, 40; Mittelstem Handb. 11; Sebba HansNZ. 1, 508]). Dagegen sind „Fahrzeuge" im Sinne von Art. 1 SeeStrO. nur solche, die von Natur Manövrierfähigkeit besitzen (Perels 167; vgl. HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 48; RGSt. 20, 372). 2. Einen hohlen Raum muß es darstellen: Nicht Schiffsgefäße, daher nicht Schiffe sindAnm. 24. Flöße s(Mittelstein Handb. 10)] „und ähnliche unförmliche Körper" (RGSt. 20, 373), der Wasserfahrt fähige Luftfahrzeuge (oben Anm. 23), schwimmende Maschinen und sonstige Vorrichtungen ohne schiffsähnliche Form (HansOLG. Hbl. 1914, 296 = LZ. 1914 S. 1820).

3. Von nicht ganz unbedeutender Größe: daher sind keine Schiffe: Boote, Nachen, Gon-Anm. 25. deln (Begr. z. Entw. des BSchG. 36; Mittelstem 1, 43 [n. Handb. 13]; vgl. RG. IW. 1896, 705 Nr. 47 a. E.; KG. Recht 1910 Ziff. 277 sRJA. 10, 138 ff.]); OPrG. LZ. 1916, 1259; 1917, 1191).

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Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

Noch nicht Schiff ist ein in der Erbauung begriffenes Schiff [(M.); wohl aber dann, wenn es vom Stapel gelassen ist (Mittelstem Handb. 13; Sebba HansNZ. 1, 510)], nicht mehr Schiff ein Wrack (Pappenheim 2, 4ff.; Mittelstem Handb. 14 und namentlich Sebba Anm. 26. HansNZ. 1, 510]). Dagegen verliert ein Schiff die Eigenschaft als solches nicht durch vorüber­ gehende Außerdienststellung und Entnahme wesentlicher Teile zu Neparaturzwecken (RG. IW. 1896, 705 = Bolze 23 Nr. 272; Mittelstem Handb. 14. Für ein reparaturunfähiges Schiff vgl. NG. 95, 228]). Anm. 26 a, Das Schiff ist eine zusammengesetzte Sache, ein „Gesamtbauwerk". Es gehört zu den beweglichen Sachen (RG. Hansa 1913, 414), wird nur in ganz bestimmten Punkten nach Art der unbeweglichen Sachen behandelt (vgl. Goldschmidt Handb? 2, 5 und dazu Pappenheim 2, 31). Am schärfsten tritt die „Immobilisierung" (Mittelstem GoldschmidtsZ. 46, 89 ff.) hervor bei den ins Schiffsregister eingetragenen Schiffen, deren Verpfändung nur in der Form der Eintragung zulässig ist (BGB. §§ 1259 ff.) und welche der Zwangs­ vollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (ZPO. §§ 864, 870; ZVG. §§ 162 ff.). Anm. 27. III.Seeschiff und Binnenschiff. Ein regelmäßig zur Seefahrt verwendetes Schiff wird Seeschiff, ein regelmäßig der Fahrt auf Binnengewässern dienendes wird Binnenschiff genannt (RG. SeuffA. 38, 82; Bolze 13 Nr. 228 - Hbl. 1892 Nr. 3; Bolze 19 Nr. 31 ----- GruchotsBeitr. 38, 1142; HansOLG. Hbl. 1894, 123; 1894, 214; 1902, 116; 1903 Nr. 86). Ausschlaggebend ist nicht die meist aus der Bauart ersichtliche ursprüngliche Be­ stimmung des Fahrzeuges (Wagner 150; NG. 13, 70) oder die früher einmal erfolgte Ver­ wendung f(OPrG. Entsch. 1918, 194)] oder die Eintragung ins Seeschiffs- oder Binnen­ schiffsregister, so wichtig diese Tatsachen auch als Indizien sein mögen (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1903, 272; HansOLG. Hbl. 1903, 200), sondern allein seine jetzige regelmäßige Ver­ wendung. Nun können freilich Schiffe gleichzeitig sowohl zur Seefahrt wie zur Binnenschiffahrt regelmäßig verwendet werden, sei es, daß die eine Verwendungsart überwiegt oder nicht. Ein solches Schiff kann nicht zugleich Seeschiff und Binnen­ schiff sein; könnte man es auch, je nach Art der einzelnen Fahrt, dem See- oder Binnenschifsahrtsrecht unterstellen (Förtsch HoldheimsMSchr. 8, 181; Pappenheim 2, 20 Anm. 3; HansOLG. Hbl. 1903, 199; vgl. hierzu unten Anm. 29 ff.), für gewisse allgemeine Gesichts­ punkte muß man sich für ein einheitliches Recht entscheiden, will man nicht unlösliche Streitfragen schaffen (Anwendbarkeit des § 474 HGB., SeemO. oder GewO.? Rangordnung der Schiffsgläubigerrechte? usw.). Es muß deshalb dem RG. beigetreten werden, wenn es für ein Seeschiff nicht ausschließliche oder vorzugsweise Verwendung zur Seefahrt fordert (RG. Bolze 19 Nr. 31 = GruchotsBeitr. 38, 1142; Hbl. 1894, 251; anders HansOLG. Hbl. 1902,116; LG. Hamburg Hbl. 1903,272), somit ein regelmäßig zur See - und zur Binnen­ schiffahrt verwendetes Schiff als Seeschiff ansieht (im Ergebnis ebenso HansOLG. SeuffA. 69, 414 = Hbl. 1914, 251). Eine Gegenüberstellung von Seeschiff und Binnenschiff findet sich z. B. in Art. 1 JÜZ. und in Art. 1 JÜS.

Anm. 28.

Die deutschen seerechtlichen Vorschriften haben nicht etwa einheitlich für Seeschiffe Geltung. Es sind vielmehr folgende Kategorien zu scheiden: 1. Für alle Schiffe (d. h. sogar weitergehend für alle Fahrzeuge), die in gewisse Situationen kommen, gilt die SeeStrO. und andere auf Grund vom StGB. § 145 erlassenen Verord­ nungen (VSchnZ., VRK.), ferner die StrandO. 2. Für im Schiffsregister eingetragene Schiffe gelten die schiffspfandrechtlichen Vor­ schriften des BGB. und des FGG., ferner gewisse Bestimmungen der ZPO. und des ZVG. (vgl. übrigens § 171 des letzteren). 3. Für deutsche Seefahrzeuge gelten gewisse Vorschriften der RVO. und des AngVG. Um ein deutsches Seefahrzeug zu sein, muß dasselbe, wenn es unter das FlG. fällt, nicht nur das Recht zur Führung der Reichsflagge haben, sondern auch davon Gebrauch machen: läßt ein deutscher oder im Falle von FlG. § 3 Abs. 1 ein ausländischer Eigentümer sein Schiff unter fremder Flagge fahren, so ist es kein deutsches Fahrzeug.

Allgemeine Einleitung.

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4. Für zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmte Schiffe, auch Kauffahrteischiffes Allgemeine genannt, gelten das vierte Buch des HGB., das FlG. (wenigstens in erster Reihe), die SeemO. Einleitung, (für „alle Kauffahrteischiffe, die das Recht, die Reichsflagge zu führen, ausüben dürfen"), das HeimschG. (für „jedes deutsche soben unter 3] Kauffahrteischiff, welches von einem außer­ deutschen Hafen nach einem deutschen Hafen oder nach einem Hafen des Kanals, Groß­ britanniens, des Sundes oder des Kattegatt oder nach einem außerdeutschen Haien der Nord­ see oder der Ostsee bestimmt ist"), das StVG., das SchiffsmG. Doch finden HGB. §§ 474, 475 auch im Fall der Veräußerung eines Seeschiffs, das nicht zum Erwerb durch die See­ fahrt bestimmt ist (EG. Art. 6), ferner HGB. §§ 485, 486 Abs. 1 Nr. 3, 734—739 auch dann Anwendung, wenn die Verwendung eines Schiffs zur Seefahrt nicht des Erwerbes wegen erfolgt (EG. Art. 7), wodurch die Unterscheidung zwischen Seeschiff und See-Erwerbsschiff wesentlich an Bedeutung verliert (Brodmann 6). Und weiter: nach FlG. § 26 Abs. 1 unter­ liegen gewisse Nichtkauffahrteischiffe, wenn sie von dem Recht zur Führung der Reichsflagge Gebrauch machen, den für Kauffahrteischiffe geltenden Vorschriften-?) ferner kann nach § 26 Abs. 2 die Geltung der in Abs. 1 bezeichneten Vorschriften durch Kaiserl. V. mit Zustimmung des Bundesrats auch auf andere, nicht zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmte Seefahrzeuge erstreckt werden. Für die Anwendung der Vorschriften zu 1 und 2 ist die Unterscheidung zwischen durch b) durch c) durch d) durch

Anm. 8.

den Tod des Schiffers — nicht durch denjenigen des Reeders; Zeitablauf (Prot. 1957 ff.) oder Eintritt der Resolutivbedingung; tatsächliche Aufgabe (L. Perels 371); dauernde Behinderung des Schiffers, z. B. wenn derselbe geisteskrank oder

sonst von langdauernder Krankheit befallen wird (HansOLG. Hbl. 1905, 255) oder während der Reise wegen Erkrankung oder Verwundung am Lande zurückgelassen wird (vgl. § 653); e) durch Untergang des Schiffes oder ihm gleichzustellende äußere Ereignisse (Ehlers Hansa 1915, 176) — vorbehaltlich gewisser ihm gerade für diesen Fall obliegenden Verpflichtungen (vgl. §§ 565, 632). Ist der Schiffer von einem Reeder mehrerer Schiffe nicht für ein bestimmtes Schiff engagiert, so endet sein Engagement überhaupt mit dem Untergang des von ihm zur Zeit befehligten Schiffes nicht; f) durch Absetzung seitens des Neichskonsuls (siehe Note 1 zu Anm. 7);

g) durch Entlassung (§§ 646 ff.), mit welcher aber nicht in allen Fällen sofort die Vertretungsmacht des Schiffers erlischt (Anm. 4 zu 8 545); ebenso infolge Kündigung des Schiffers nach Vertrag, 8 651 oder bürgerlichem Recht (Anm. 1 ff. zu 8 651); h) durch Patententziehung (oben Anm. 6); durch sie wird der Anstellungsvertrag wegen nachfolgender rechtlicher Unmöglichkeit der Leistung hinfällig, womit auch die auf diesem Vertrage beruhende Vertretungsmacht des Schiffers erlöschen muß (anders Wagner 245; L. Perels 63). Wenn der Reeder den Schiffer trotz Patententziehung als tatsächlichen Schiffsführer auf dem Schiffe beläßt, so kann diesem vom Gesetz gemißbilligten und mit Strafe bedrohten Tatbestand keinerlei rechtliche Bedeutung beigemessen werden.

4. SchisfSgewalt. Solange der Schiffer seine Stellung bekleidet, ist er Inhaber der Schiffs- Anm. 9. gewalt. Ihr Begriff ist kein einheitlicher (Neumeyer DIZ. 1912, 131); sie umfaßt Herr­ schaftsrechte über das Schiff und die darauf befindlichen Sachen, sodann Herrschaftsrechte *) Entweder auf Grund von dessen Polizeigewalt, nach Absetzung des bisherigen Schissers (vgl. von König § 73), oder auf Antrag. Die in Betracht kommenden Bestimmungen der KonsOG. lauten:

§ 33. Sie sind befugt, über diese Schiffe [sc. die Schiffe der Bundeshandelsmarine: § 32] die Polizeigewalt auszuüben. § 35. Die Bundeskonsuln sind befugt, an Stelle eines gestorbenen, erkrankten oder sonst zur Führung des Schiffes untauglich gewordenen Schiffers auf den Antrag der Beteiligten einen neuen Schiffsführer einzusetzen.

184 8 611.

III. Abschnitt: Schiffer.

gegenüber bestimmten Personengruppen und endlich die Wahrnehmung gewisser im allge­ meinen der Staatsgewalt zukommenden Funktionen während der Reise. Die Schiffsgewalt ist weder ein Institut rein öfsentlichrechtlicher Art (so Zorn, Staats­ recht 2, 856 ff.; Stoerck 219; Bernsten, Die Schiffsgewalt, Göttinger Dissertation 1904, 89ff.; Weber 30 ff., 64; wohl auch L. Perels 374: „wesentlich dem öffentlichen Recht angehörend"), noch ein solches rein privatrechtlicher Natur (so Neumeyer DIZ. 1912, 131 ff., der die unter die dritte Gruppe fallenden Tätigkeiten als „Zufallsgeschäste staatlicher Art" bezeichnet); es liegt vielmehr eine Mischung öffentlichrechtlicher mit privatrechtlichen Elementen vor (Wagner S- 309,317,346; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte 246; Be­ gründung zur SeemO. sDrucks. des Reichstags, 10. Legisl.-Periode, II. Session 1900/1901 Nr. 4] 39). Auf Einzelheiten dieses Streites kann hier nicht eingegangen werden.

Es kommen in Betracht: Anm. 10. a) Herrschaftsrechte über das Schiff. Hierher gehört insbesondere das Hausrecht (Weber 4 ff.), kraft dessen der Schiffer Privatpersonen (nicht Organen der Staatsgewalt: Näheres Weber 4 Note 2; s. auch RBO. § 1213 und Hamb. Hafenordnung § 22; Ausnahme: Strandvogt, StrandO. § 7 Abs. 1) das Betreten des Schiffes verbieten kann, selbst solchen, die in Seenot Hilfe leisten wollen, es sei denn, daß sein Verbot „unverständig" ist (vgl. § 742 Abs. 1); das Hausrecht gilt grundsätzlich selbst dem Reeder gegenüber, der sich aber durch Entlassung des Schiffers mit der Wirkung wehren kann, daß die Schiffsgewalt auf dessen Nach­ folger übergeht (L. Perels 375; Weber 8). Ferner gehört hierher das Recht, dem Schiffe im Falle großer Haverei Schäden zuzufügen (§ 700).

Anm. 11. b) Herrschaftsrechte über an Bord befindliche Gegenstände, z. B. das Recht, ge­ fährliches oder ohne sein Wissen an Bord gebrachtes Ladungs- oder Reisegut oder Eigentum von Schiffsleuten an Land zu setzen bzw. über Bord zu werfen (§§ 563 Abs. 4, 564, 673 Abs. 4; SeemO. §§ 87, 88), in Strandungsfällen die Fortschaffung von Sachen aus dem Schiff zu verbieten (StrandO. § 12), im Falle großer Haverei das Aufopfern von Gegen­ ständen anzuordnen (§ 700). Anm. 12. c) Herrschaftsrechte gegenüber bestimmten Personengruppen, nämlich oc) den Schiffsoffizieren und der Schiffsmannschaft (Wagner 352 ff.; L. Perels 94ff.; Weber 17 ff.): Recht der Erzwingung des Dienstantritts und der Dienstfortsetzung (SeemO. § 33), Kommandogewalt (SeemO. § 34 usw.), Disziplinargewalt (SeemO. §§ 84 ff.). Anm. 13. ß) Heimzuschaffenden Seeleuten: Disziplinargewalt (HeimschG. § 4 Abs. 3); gegenüber dem wegen einer strafbaren Handlung Mitgenommenen Behandlung nach den Weisungen des Seemannsamts und Bewachung (HeimschG. § 4 Abs. 2). Anm. 14. y) Reisenden (Wagner 350 ff.; Weber 11 ff.): Unterwerfung unter die die Schiffsordnung betreffenden Anweisungen (§ 665), nicht durch Disziplinarstrafen, aber evtl, durch Gewalt­ anwendung zu erzwingen (das ergibt die Natur der Sache svgl. Anm. 1 zu 8 665], es bedarf nicht des von L. Perels 376 und Neumeyer 132 herangezogenen § 91 Abs. 2 SeemO.).

Anm. 15. d) Wahrnehmung von Funktionen der Staatsgewalt (Wagner317 ff.;L. Perels376ff.; Weber 12ff. usw.; Neumeyer 131 ff.). Der Kapitän fungiert a) als Hilfsorgan der Strafrechtspflege. Gesetzlich umgrenzt sind seine Befugnisse hier nur, soweit Schiffsleute (SeemO. §§ 126, 127), nicht auch soweit Passagiere in Be­ tracht kommen; die von Wagner 323 ff. befürwortete analoge Anwendung auf Reisende, für die natürlich § 127 Abs. 2—4 nicht gilt, erscheint gerechtfertigt (s. auch Perels Handb. 267; Bernsten 54; anders Meves, Strafrechtl. Bestimmungen 93). Dazu kommt das Recht der vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO. (Bedenken hiergegen bei Neumeyer 133). Mit Recht weist schließlich Weber 13 auf HGB. § 520 Abs. 3 hin, nach dem die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen ins Tagebuch einzutragen sind: hierdurch werden sich oft Ermittlungen vernotwendigen, wie sie jedes Strafverfahren erfordert. Weiter aber ist die Grenze nicht zu ziehen. Insbesondere ist die Festnahme einer Person, die vor der Einschiffung eine strafbare Handlung begangen hat,

III. Abschnitt: Schiffer. durch

ß)

Y)

8)

e)

185

den Kapitän de lege late nicht zu rechtfertigen (so mit Recht Neu- § 511.

meyer 134; vgl. auch Niemeyer LZ. 1914, 919 ff.). Als Standesbeamter für die Beurkundung von Geburten und Sterbefällen (§ 520Anm. Abs. 8; PStG. §§ 61 ff.; SeemO. § 65 Abs. 1). Als Nachlaßverwalter bezüglich der an Bord befindlichen Nachlaßgegenstände (§ 675,Anm. SeemO. § 61 Abs. 2—4; B., betr. Vorschriften für Auswandererschiffe, vom 14. März 1898 [f. im Anhang) § 70 Nr. 11). Als Behörde für die Entgegennahme von Einsprüchen gegen BescheideAnm. des Seemannsamts (SeemO. § 124 Abs. 2). „In einer Mittelstellung zwischen Obrigkeit und Privatperson" (L. Perels 377) bei der Anm. Verteilung des Berge- und Hilfslohns unter die Besatzung (§ 749).

16. 17.

17a.

18.

5. Der Anstellungdvertrag zwischen Reeder und Schiffer ist im Falle der Unentgeltlichkeit Anm. 19. Auftrag (BGB. § 662), sonst der in BGB. § 675 genannte Dienstvertrag, der eine Geschaftsbesorgung zum Gegenstände hat (Pappenheim 2, 415; Brandis 1, 48; L. Perels 17; Boyens 1, 426 und Lüdemann 9 nehmen bei Anstellung für eine bestimmte Reise Werkvertrag an swogegen s. Pappenheim 2, 415—416]). Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gelten aber nur in Ergänzung derjenigen der §§ 511 ff. Die wichtigste Abweichung der letzteren ist die Vorschrift der jederzeitigen Entlaßbarkeit des Schiffers (§ 545), auch wenn er durch Dienstvertrag angestellt ist. Eine Form ist für den Anstellungsvertrag nicht vorgeschrieben. Bezüglich des In-Anm. 20. Halts herrscht Vertragsfreiheit bis auf folgende besondere Punkte (L. Perels 21 ff.): a) Die Vorschriften von SeemO. § 63 über die Fälligkeit, Berechnungsart und Bezahlung von aus Dienst- und Heuerverträgen herrührenden Forderungen des Kapitäns eines verschollenen Schiffes sind der Abänderung durch Vertrag entzogen (SeemO. § 1 Abs. 2). b) Vereinbarungen, welche der Vorschrift des § 749 Abs. 1 über die Verteilung des Berge­ oder Hilfslohns zuwiderlaufen, sind nichtig (§ 749 Abs. 4; vgl. Anm. 23 zu § 749). c) Vertragsbestimmungen, welche zum Nachteil des Schiffers die Anwendung der Vorschriften der RVO. ganz oder teilweise ausschließen, sind nichtig (RVO. 88 1225, 139). d) Eine Vereinbarung, nach der das Recht der jederzeitigen Entlassung des Schiffers eingeschränkt wird, ist nichtig (8 545). Die Anstellung erfolgt entweder für eine bestimmte Reise oder auf Zeit (be-Anm. 21. stimmte oder unbestimmte Zeit, Lebenszeit); hiernach richtet sich die ausdrücklich oder still­ schweigend (BGB. 8 612) vereinbarte Vergütung (Gage, Heuer), die entweder in Bausch und Bogen oder nach der Zeit zu zahlen ist. Die Vergütung kann aber auch, statt oder neben der Gage (vgl. 8 546: „sonst bedungene Vorteile"), in Prozenten der Fracht (Brutto­ oder Nettofracht) oder des Gewinnes (auch Naturalgewinnes, z. B. des Fischfangertrages: Pappenheim 2, 417; L. Perels 38), in sonstigen Gratifikationen (z. B. vom Reeder ge­ währten Kaplaken: HG. Hamburg Hbl. 1879, 213) oder endlich in der Berschaffung von Erwerbsgelegenheiten (Gestattung der Verladung von Gütern oder der Annahme von Be­ lohnungen von Dritten: Pappenheim 2, 421) bestehen. Dazu tritt die Naturalvergütung (Kost und Logis: dazu Pappenheim 2, 416). Bei Anstellungen auf Zeit pflegt die Zuweisung eines bestimmten Schiffes nicht wesentlich zu sein s(vgl. Pappenheim 2, 421/422)]. Über das Recht des Schiffers auf Ausstellung eines Zeugnisses nach Beendigung

des Dienstverhältnisses s. L. Perels 67 ff.

6.

Die Vorschriften des HGB. über das Dienstverhältnis des Schiffers gelten auch für solche Anm. 22. Kapitäne, die zwischen verschiedenen Reisen die Interessen von Schiff und Ladung wahr­ nehmen, dagegen nicht für ausschließlich als Ladungs- oder Schiffsinspertor.il angestellte Kapitäne (Pappenheim LZ. 1915, 1624 ff.).

186

§ 511.

III. Abschnitt: Schiffer.

8 611 bestimmt die von dem Schiffer bei allen Dienstverrichtungen anzuwendende Sorg­ falt und die sich daraus ergebende Haftung. 1. Die von dem Schiffer zu Prästierende Sorgfalt ist die „eines ordentlichen Schiffers". Das ist die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (BGB. § 276), angewendet auf die Berufstätigkeit

des Schiffers (Weyl, System der Berschuldensbegriffe im BGB. 126 ff.; vgl. L. Perels 379). Das Gesetz legt, wie bei der „Sorgfalt eines ordentlichen Reeders" (§ 497), einen absoluten Maßstab an: nicht, wie der Schiffer in eigenen Angelegenheiten verfährt, soll er sich in Aus­ übung seiner Dienstverrichtungen benehmen, sondern wie ein ordentlicher Schiffer normalerweise handelt. Was der Schiffer in gewissen Lagen zu tun und zu lassen hat, ist teils gesetzlich (im HGB. oder in Spezialgesetzen) vorgeschrieben, teils durch Seemanns­ brauch (Allg. Einl. Anm. 17) geregelt, teils ergibt es sich aus der jeweiligen mit Klarheit und Besonnenheit zu beurteilenden Sachlage. Es darf aber mit Rücksicht auf die wechselnden Situationen, in denen sich gerade der Schiffer befindet, die Frage, ob in concreto die Sorgfalt des § 511 gewahrt ist, keinesfalls schematisch beant­ wortet werden: es kann vielmehr eine Maßregel, deren Ausführung in dem einen Falle geboten ist, in dem anderen, äußerlich anscheinend gleichliegenden Falle zu unterlassen sein, ja es lassen sich Fälle denken, in denen sogar die Nichtbefolgung von gesetzlichen Vorschriften oder von Anweisungen des Reeders (L. Perels 23), die regelmäßig eine Verletzung der Sorg­ falt des § 511 in sich schließt, entschuldbar, ja geboten ist. Maßgebend sind daher stets die Um­ stände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Anschauungen der beteiligten Kreise (Wagner 371; L. Perels 383; svgl. NG. Holdheim 1906, 256 in einer Binnenschiffahrtssachej). Daß nicht in jedem error in judgement, in jeder unrichtigen Beurteilung der Sachlage und der daraus hervorgehenden Vornahme einer fehlerhaften oder Unterlassung einer gebotenen Maßregel ein Verschulden des Schiffers zu sehen ist, ist Anm. 4 zu 8 485 ausgeführt. Anm. 23. Die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers ist anzuwenden bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge. Die Dienstverrich­ tungen können sein öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur; sie können sich auf die nautische Leitung des Schiffes oder auf die Administration beziehen (vgl. Anm. 3 zu 8 485). Wo der Schiffer nicht in Ausführung von Dienstverrichtungen handelt, hat er nur für die bei dem fraglichen Rechtsverhältnis vorgeschriebene Sorgfalt einzustehen (L. Perels 382), z. B. haftet er als Geschäftsführer ohne Auftrag bei Hilfsleistung zur Abwendung dringender Gefahr (wenn nicht ein Fall von JÜS. Art- 11 vorliegt) nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (BGB. 8 680). Wenn das Gesetz die Sorgfalt bei der Erfüllung der vom Schiffer aus­ zuführenden Verträge besonders hervorhebt, so soll damit diligentia in contrahendo nicht ausgeschlossen sein (L. Perels 380). Eine erschöpfende Aufzählung dessen, was zur Sorgfalt einer ordentlichen Schiffers gehört, läßt sich hiernach nicht geben. Nachstehend sollen einzelne Beispiele aufgeführt werden. Anm. 24. 2. Dem Schiffer liegt ob: a) Führung des Schiffes, d. h. feine nautische Leitung (HansOLG. Hbl. 1912, 233; RG. 82,148) und die damit zusammenhängenden administrativen Handlungen (vgl. RG. 72 Nr. 39; 74,339; RG. Hbl. 1913, 44 = LZ. 1913,163). Er hat zu sorgen für die Seetüchtigkeit, gehörige Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung des Schiffes, Vorhandensein der erforderlichen Papiere (8 513), die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen, gehörige Beladung und Stauung, Vorhandensein von Ballast und Garnierung (§ 514); er hat sich über individuelle Eigentümlichkeiten des Schiffes zu orientieren (Wirkung der Maschine: OSeeA. 1,528; Wirkung der Schiffsschraube auf die Steuerung: HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 29; Art, Beschaffenheit, Wirkungsweise des Steuers: RG. Hbl. 1909, 263; Stabilität des Schiffes: HansOLG. Hbl. 1897, 83; die Reise rechtzeitig anzutreten und, sobald selbst verhindert, für Vertretung zu sorgen (8516); nach Vorschrift des 8 517 an Bord zu sein, ja in schwierigen Situationen das Deck höchstens auf kurze Zeit zu verlassen (OSeeA. 3 S. 295, 300; HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 32; RG. 8, 167) und auch dann nur nach Beschaffung geeigneter Vertretung (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 46; OSeeA. 4, 107) und nach Erteilung genügender Instruktion

III. Abschnitt: Schiffer. an leinen Vertreter (OSeeA. 1, 526 ff.; 2, 622; 3, 751 ff.).

187 Er darf nicht unnötigerweise 8 611.

Umwege machen oder sonst schuldvoll die Reise verzögern (Ullrich 1 Nr. 51; Kierulff Entsch. des OAG. Lübeck 6, 482 ff.), etwa Häfen anlaufen, um dort Privatangelegenheiten zu er­ ledigen (Lewis 1,107); dagegen muß er es tun, um zu geringen Kohlenvorrat zu ergänzen: RG. Hbl. 1913, 44 = LZ. 1913, 163); andererseits darf er, wenn er erfährt, daß die Reise nach dem Bestimmungshafen, etwa wegen Blockade, nicht ausführbar ist, dieselbe nicht fort­ setzen, sondern er muß, je nach Umständen, entweder nach dem Abgangshafen zurückkehren oder nach einem Zwischenhafen segeln (Meier BuschsA. 30, 62; NOHG. 8, 299; vgl. Erk. des OAG. Lübeck in Hamb. Rechtssachen 21, 538 ff.), er müßte denn guten Grund zu der An­ nahme haben, daß das Hindernis zur Zeit seiner Ankunft beseitigt sein wird. Er hat die Regeln der Nautik mit Sorgfalt zu befolgen, so sich über Flut- und Strömungsverhältnisse, über die Lage der Seezeichen zu orientieren (OSeeA. 1, 213 ff.; 2, 722; 3, 240; 4, 144; 5, 476; 6, 85), die erforderlichen Lotungen vorzunehmen (OSeeA. 1 S. 215, 541; 2 S. 313, 454, 622 usw.), Sorgfalt bei der Aufmachung des Bestecks anzuwenden (OSeeA. 1, 213; 4 S. 150, 223; 7, 731), die nötigen Signale und Kommandos zu geben (OSeeA. 1, S. 282, 526 ff.; 4,173; ROHG. 13 Nr. 42 usw.), Lotsen anzunehmen, wo Lotsenzwang besteht (Maclachlan p. 288; Ehrenberg 234 ff.; dagegen liegt sonst nicht unbedingt Verschulden im Nichtannehmen eines Lotsen im sog. Lotsfahrwasser: NOHG. 11, 332, aber unter besonderen Umständen in die Manövrierung des Zwangslotsen einzugreifen (HansOLG. Hbl. 1902, 115). Im Hafen hat er die nötige Vorsicht beim Ausbringen des Ankers anzuwenden (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 76), für die erforderliche Bewachung des Schiffes zu sorgen (RG. 82, 149) usw. Er hat weiter die Vor­ schriften der SeeStrO. und die Unfallverhütungsvorschriften der Seeberufsgenossenschaft zu befolgen, sowie die ausländischen Rechtsvorschriften und die Gebote des Völkerrechts zu beobachten (§ 515). Uber die Verantwortung und die Pflichten des Schiffers beim Eintreten eines ZWangslotsen s. Anm. 18 zu § 737. Einem Nichtzwangslotsen darf grundsätzlich der Schiffer das Kommando nicht abgeben: der Lotse bleibt lediglich Ratgeber des Schiffers, er wird nicht Schiffsführer (vgl. Hamb. HafenG. § 5 Abs. 1). Doch können hier Verkehrserfordernisse und Seemannsbrauch zu anderen Ergebnissen führen (vgl. Wagner Beitr. 39; Boyens 1, 314). Jedenfalls ist das Recht des Lotsen auf Gehorsam seitens der Mannschaft nur ein abgeleitetes und kann ihm vom Schiffer jederzeit entzogen werden (Wagner 350 Wittelstein HansRZ. 2,563]). b) Sorge für die ihm anvertrauten RechtSgüter. Es kommt in Betracht die Fürsorge für Leben Anm. 25. und Sicherheit der Mannschaft und diejenige für das in Schiff und Ladung bestehende Eigen­ tum: wo beide Pflichten zueinander in Gegensatz treten, geht die erstere vor (OSeeA. 3, 572). Die Fürsorge für die Mannschaft ergibt sich aus den Bestimmungen der SeemO. (insbes. §§ 54 ff.), diejenige für Schiff und Ladung aus den Bestimmungen über die gesetzliche Voll­ macht des Schiffers (§§ 527 ff., 535) und seine Tätigkeit bei Ausführung des Frachtvertrages (unten Anm. 27). c) Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen gegen den Reeder. Er hat die Grenzen seiner Anm. 26. Vollmacht innezuhalten, den Anweisungen des Reeders Folge zu leisten (s. aber oben Anm. 22), denselben auf dem laufenden zu erhalten und um Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, ihm Rechnung zu legen (§ 534). 6) Rechtsgefchaftliche und gerichtliche Vertretung deS Reeders. Innerhalb seiner gesetzlichen Anm. 27. bzw. vertragsmäßigen Vollmacht hat er den Reeder zu vertreten, dessen Interesse wahrzu­ nehmen (z. B. durch Einwirkung auf die Aufnahme zweckdienlicher Klauseln in Frachtverträge und Konnossomente: HansOLG. Hbl. 1902, 296) und zu verhüten, daß dieser den Ansprüchen Dritter ausgesetzt wird (Beispiele von Verschulden auf diesem Gebiete: Nichtmitnahme der zur Verschiffung angenommenen Ladung: HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 86; Nichtbeachtung des § 658: HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 30; falsche Datierung des Konnossements: HG. und OG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 195, 215; ROHG. 25, 195 ff.; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 77; RG. 3 Nr. 31; falsche Deklaration von Ladungsgütern bei der Zollbehörde: LG. Hamburg Hbl. 1880 Nr. 84; widerrechtlicher Verkauf der Ladung: Hermann und Hirsch

188 § 511.

III. Abschnitt: Schiffer.

Nr. 146; Auslieferung der Ladung an einen anderen als an den legitimierten Empfänger:

HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 50; eigenmächtige Beseitigung von Jdentitätszeichen der Ladung und Zollplombierungen: RG. Hansa 1910, 290). Aus der Vertretung des Reeders ergeben sich eigene Verpflichtungen des Schiffers gegenüber denjenigen Personen, mit denen er in Ausübung seines Berufs in Beziehungen tritt, so gegenüber den Ladungsbeteiligten (§§ 512, 535, 560, 567, 592, 594, 601, 632, 645, 646, 650, 658-661), Reisenden (§§ 512, 675), gewissen Gläubigern, denen Schiff oder Ladung haften (§§ 512, 692—694, 731, 752), „jedem Beteiligten" (§ 728). In den meisten Fällen wird ihm auch in Vertretung des Reeders und der Ladungsbeteiligten die Erfüllung der Verpflichtung des § 819 sA.D.SBB. § 41] gegenüber dem Versicherer obliegen. über die Substitution des Schiffers durch den Schiffsmäkler s. Anhang zum dritten Abschnitt. Anm. 28. e) Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen. Der Schiffer hat sich, bevor er die Führung eines unter der Reichsflagge fahrenden Schiffes übernimmt, davon zu überzeugen, daß das Recht zur Führung der Reichsflagge und die Befugnis zur Ausübung desselben vorliegt (Straf, bestimmungen: FlG. §§ 18,19). Abgesehen von den unter den vorstehenden Kategorien bereits aufgeführten, auch hierher gehörigen Verpflichtungen ist zu nennen die Pflicht zur Tagebuch, führung (§§ 519 ff.), zur Wahrnehmung gewisser dem Schiffer durch Spezialvorschnften auferlegten Obliegenheiten, so durch die SeemO. (§§ 12, 65, 89, 92,126,127 usw.), die SchVO. (§§ 32—34), die VSchnZ., das SchiffsmG., das HeimschG., die RVO. (§§ 1202,1213, 1219, 1220 usw.), das PStG. (§§ 61 ff.), die landesgesetzlichen ^Vorschriften betr. die Beförderung gefährlicher Güter, die Quarantänevorschriften usw. Anm. 29. 3. Haftung für Vertretung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers. Wenn der Schiffer in Ausführung seiner, sei es nautischen, sei es kommerziellen, sei es gesetzlich, sei es Vertragsmäßig (anders Wagner 369) normierten Dienstverrichtungen die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers außer acht läßt, so handelt er schuldhaft und haftet für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden. Insbesondere hat diese zivilrechtliche Wirkung die Verletzung der dem Schiffer ausdrücklich durch Gesetz auferlegten Pflichten, auch der öffentlichrechtlichen (Prot. 1930).— Neben seiner zivilrechtlichen steht seine strafrechtliche und ge­ werberechtliche Haftung (Gütschow 159). Anm. 30. a) Wem gegenüber haftet er? Nach dem Wortlaut des § 611 könnte es scheinen, als wenn durch ihn jeder vom Schiffer in Ausübung seiner Dienstverrichtungen irgendwie geschädigten Person ein Ersatzanspruch gewährt werden sollte. Aus § 512 ergibt sich indessen, daß das Gesetz nur den dort genannten Personen Schadensersatzansprüche geben will, die sie bisher noch nicht hatten (vgl. Prot. 1928, 2615, 2860,3749,3787 ff.). Ersahberechtigt sind außerdem diejenigen, welchen nach anderweitigen Rechtsgrundsätzen der Schiffer die durch seinen Beruf gebotene Sorgfalt zu prästieren hat. Hiernach haftet der Schiffer: a) Dem Reeder auf Grund des Anstellungsvertrages; ß) Den Ladungsbeteiligten, soweit er von diesen auf Grund des gesetzlichen „auftrags­ ähnlichen" Vertretungsverhältnisses (Anm. 6 zu 8 535) in Anspruch genommen ist (also z. B. nicht auf Grund nauüscher Mißgriffe: s. aber zu 8); Y) Nach den Deliktsvorschriften des bürgerlichen Rechts, insbesondere nach § 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 (vgl. RG. 73, 8), 831 Abs. 2 (L. Perels 391; als Schifferreeder und Schiffsmitreeder auch nach § 831 Abs. 1, der nicht, wie L. Perels 391 Note 271 annimmt, durch HGB. § 485 modifiziert ist: s. Anm. 22 zu § 485), unter Umständen nach § 832 (L. Perels 394). 8) Auch über diese Vorschriften hinaus den in § 512 genannten Reiseinteressenten. Ferner: nach § 752 dem Berge- und Hilfslohngläubiger, nach § 728 „jedem Beteiligten". Anm. 31. b) Wie haftet er? Prinzipal, wenn auch Reeder und Ladungsbeteiligter vielfach neben ihm haften (vgl. z. B. §§ 485, 512 Abs. 3, 533, 695, 731 Abs. 2, 752 Abs. 3; 563 Abs. 1 u. 2, 693, 726 Abs. 2,753 Abs. 2); ferner persönlich, d. h. mit seinem ganzen Vermögen, wie das Gesetz

III. Abschnitt: Schiffer.

189

vielfach (§§ 693, 694, 731 Abs. 1, 734 Abs. 3, 752 Abs. 1) überflüssigerweise und irreführend § 511. (Ehrenberg 8) hinzufügt. Der Dritten gemäß § 485 als Gesamtschuldner mithastende Reeder haftet regelmäßig nur mit Schiff und Fracht (§ 486). über die Haftung des Schifferreeders

und Schiffermilreeders s. Anm. 35 ff. zu § 486. c) Wie lange? Nach §§ 902, 904 verjähren die neben Schiffs- und Ladungsgläubiger.Anm. ansprüchen stehenden Forderungen gegen den Schiffer in einem Jahr, nur wenn es sich um Entschädigungsforderungen aus dem Zusammenstöße von Schiffen oder aus einem unter § 738 fallenden Ereignis handelt, in zwei Jahren (über die daneben für unerlaubte Handlungen in Frage kommende 30jährige Verjährung des § 852 Abs. 1 BGB. s. L. Perels 400). Die Verjährungsfristen beginnen mit dem Ablauf der in § 903 aufgeführten Zeiten, über das Verhältnis der Verjährung des persönlichen Anspruchs gegen den Schiffer zu derjenigen des Schiffs, bzw. Ladungsgläubigeranspruchs gilt das in Anm. 4 zu 8 487 Gesagte. — Für die Verjährung sonstiger Forderungen, z. B. solcher des Reeders aus dem Heuervertrage, gelten die gewöhnlichen Regeln (L. Perels 399). d) WaS hat er zu ersetzen? Der Umfang der Ersatzpflicht bestimmt sich nach allgemeinen Regeln Anm. (VGV. 88 249 sf.). Der Schiffer haftet also für den Schaden, der sich als adäquate Folge seines Verschuldens darstellt. e) Vertragsmäßiger HastungSauSschluß. Die Haftung des Schiffers kann durch Vertrag aus- Anm, geschlossen werden (BGB. 8 278 Satz 2). Die Vertrags- oder konnossementsmäßige FreiZeichnung von der Haftung für Verschulden des Schiffers betrifft aber im Zweifel nur die Haftung des Reeders, nicht die des Schiffers (Pappenheim KrBJSchr. 44,198; auch L. Perels 386, 388 Note 253; Gerichtshof Genua Droit Mar. 1913, 31; anders Gütschow 176). f) BeweiSlast. Anm. a) Soweit dem Schiffer eine Rechtfertigungspflicht obliegt, also in den Fällen a, a und ß, hat er die Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers zu beweisen (Brandis 1 S. 48 u. 57; HG. Hamburg Seebohm Nr. 132; HG. Hamburg Hbl. 1869, 214; OG. Hamburg Hbl. 1869, 378; anders HansOLG. Hbl. 1890, 217; 1901, 221; zur Frage der Exkulpationspflicht des Beauftragten vgl. einerseits RG. 20, 169; Dernburg 2 8 70 Anm. 6; Staub Anm. 2 zu 8 241; andererseits RG. 76, 186; Fürst LZ. 1912, 14). ß) In den übrigen Fällen (a, y intb 8) muß ihm die Außerachtlassung der Sorgfalt nach­ gewiesen werden. Regelmäßig ist ihm der Kausalzusammenhang zwischen seiner Pflichtverletzung und der Schädigung zu beweisen: eine Rechtsvermutung dafür gibt es nicht (RG. 8, 168), wenn auch tatsächliche Vermutungen für ihn sprechen können (vgl. Anm. 11 zu 8 485).

§ 512. Diese Haftung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Reeder, sondern auch gegenüber dem Befrachter, Ablader und Ladungsempfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung und demjenigen Schiffsgläubiger, dessen Forderung aus einem Kreditgeschäfte (§ 528) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger. Der Schiffer wird dadurch, daß er auf Anweisung des Reeders gehandelt hat, den übrigen vorgenannten Personen gegenüber von der Haftung nicht befreit. Durch eine solche Anweisung wird auch der Reeder persönlich verpflichtet, wenn er bei der Erteilung der Anweisung von dem Sachverhältnis unter­ richtet war. Der Paragraph nennt die Personen, denen der Schisser über de« Bereich sonstiger Bor. schrlste« hinaus für die Berletznng der Sorgfalt eines ordentliche« Schissers direkt haste« soll.

32.

33.

34.

35.

§ 512.

190

III. Abschnitt: Schiffer.

§ 512. Er regelt ferner den Fall, daß die schadenstiftende Handlung oder Unterlassung aus Anweisung

des Reeders beruhte. Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Die sogenannten Reiseinteressenten (Wagner 368; von Lüdemann 25 „dritte Beteiligte" genannt). Durch seine Berufstätigkeit kommt der Schiffer mit sehr vielen Per­ sonen in Berührung, mit denen er regelmäßig nicht in eigenem Namen, sondern als Vertreter des Reeders namens des letzteren in rechtliche Beziehungen tritt s(vgl. Pappenheim 2, 334)]. Begeht er im Verlaufe derselben, insbesondere also bei Abschluß oder Erfüllung von Rechts­ geschäften, ein Verschulden, so muß der von ihm Vertretene dasselbe gegen sich gelten lassen, und regelmäßig hat nur er dafür aufzukommen. Um nun die Lage der Geschädigten, denen der Reeder ja in der Regel nur mit Schiff und Fracht haftet (§ 486), zu verbessern und zugleich den Schiffer durch die Gefahr der Selbsthaftung zur Anwendung größter Sorgfalt anzu­ spornen, gibt das Gesetz gewissen Personen einen direkten Anspruch gegen den Schiffer, zwar nicht auf Erfüllung — deshalb zu allgemein RG. Recht 1909 Nr. 1115, „der Schiffer sei in der Regel wie ein Mitkontrahent zu behandeln" —, aber auf Ersatz derjenigen Schäden, die er ihnen in Ausführung seiner Dienstverrichtungen unter Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, also durch Verletzung der Vertragspflichten des Reeders, dessen Erfüllungsgehilfe er ist (Titze, Unmöglichkeit der Leistung 330; L. Perels 396) zugefügt hat. Die Haftung gegenüber diesen Personen tritt ein auf Grund von schuldhaften Sch adenzufügungen im weitesten Sinne, sie geht also über die sich aus sonstigen RechtsVorschriften ergebende außerkontrattliche Haftung hinaus. Denn die Worte des Gesetzes: „Diese Haftung besteht nicht nur gegenüber dem Reeder, sondern auch ..." besagen, daß sie ebenso weit geht wie die kontraktliche Haftung des Schiffers gegenüber dem Reeder (und dem Ausrüster: Anm. 4 zu § 510 und L. Perels 395). Selbstverständlich will der Paragraph nicht sagen, daß der Schiffer nur den in ihm genannten Personen wegen Sorgfaltsverletzungen außerkontraktlich haste (RG. 10, 20); s. o. Anm. 30 zu § 511).

Anm. 2.

Die Reifeinteressenten sind: a) der Befrachter, diejenige Person, die mit dem Reeder, Ausrüster oder Unterverfrachter den Frachtvertrag (Chartervertrag, Stückgütervertrag) abgeschlossen hat; nicht der Schiffs­ mieter, der nicht Ausrüster ist; b) der Ablader, derjenige, der die zu transportierenden Güter zum Seetransport übergibt; e) der Ladungsempfänger (Schaps GoldschmidtsZ. 42, 411 ff.); d) der Reisende (§§ 664ff.); e) die Schiffsbesatzung (§ 481; svgl. Pappenheim 2, 429 Anm. 3]); f) Gewisse Schiffsgläubiger, die das Gesetz bevorzugen wollte, nämlich diejenigen, deren Forderung aus Kreditgeschäften des § 528, wozu auch die Verbodmung gehört, entstanden ist. Analoge Ausdehnung auf andere Schiffsgläubiger ist unstatthaft (Prot. 2860, 3748ff.; Wagner 368 Note 2), wie überhaupt die Ausdehnung des Kreises der in § 512 genannten Per­ sonen (RG. 10, 19).

Anm. 3. 2. Handlungen deS Schiffers auf Anweisung des Reeders. Beruht die Handlung oder Unter­ lassung des Schiffers, welche die schädigende Wirkung gehabt hat, auf einer Anweisung des Reeders, so

a) beseitigt dies Dritten gegenüber nicht die Haftung des Schiffers standers BSchG. § 7 Abs. 2 Satz 1)]. Denn letzterer ist selbst Sachverständiger und hat die Folgen seines Tuns zu ermessen, er kann sich mit der Autorität seines Reeders nicht decken, weil er sich von letzterem zur Begehung von Rechtsverletzungen nicht veranlassen lassen darf. Dem Reeder gegenüber fällt dagegen durch die Anweisung die Hastung des Schiffers hinweg, es müßte denn sein, daß der Schiffer, der im Gegensatz zum Reeder den schädigenden Charakter der ihm befohlenen Handlung oder Unterlassung kennt, die Anweisung zu einer vorsätzlichen Schädigung des Reeders mißbraucht, oder auch nur voraussehen mußte, daß der Reeder bei Befolgung der Anweisung geschädigt werden würde (L. Perels 23).

III. Abschnitt: Schiffer.

191

b) Führt dies unter Umständen, nämlich wenn der Reeder von dem Sachverhältnis unter- § 512. richtet war, ihm also das Verschuldens in gleicher Weise zur Last fällt wie dem Schiffer, die persönliche Haftung des Reeders herbei, so daß dieser alsdann (solidarisch mit dem Schiffer) dinglich-persönlich haftet (Anm. 31 zu § 486). Besteht eine Reederei, so hat gleiche Wirkung eine Anweisung der Mehrheit oder des Korrespondentreeders; die persönliche Haftung der Mitreeder regelt sich nach § 607.

8 513.

§ 513.

Der Schiffer hat vor dem Antritte der Reise dafür zu sorgen, daß das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, gehörig bemannt und verproviantiert ist und daß die zum Ausweise für Schiff, Be­ satzung und Ladung erforderlichen Papiere an Bord sind. Vorbemerkung zu §§ 513 sf. Dieselben illustrieren die nach § 611 dem Schiffer obliegende Sorgfalt durch Aufzählung gewisser ihm auferlegter Verbindlichkeiten. Hervorzuheben ist, daß der Schiffer nicht für den vom Gesetz erstrebten Erfolg haftet, sondern nur für Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers behufs Erstrebung des Erfolges (vgl. ROHG. 19, 264ff.; HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 92). In den 88 513 und 514 werden die Pflichten des Schiffers vor Antritt der Reife Einleitung, behandelt. Die durch sie geschaffene gesetzliche Kontrollpflicht des Schiffers hinsichtlich ge­ wisser Vorbereitungsakte für die Seereise läßt unberührt die Ansprüche, die sich in bezug auf die­ selben Verfrachtungsakte auf Grund des Frachtvertrages gegen den Verfrachter richten (Wüsten­ dörfer 475 ff.). 8 513 betrifft die Sorge für die Seetüchtigkeit, Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung des Schiffes und die Schiffspapiere.

1. Der Paragraph schreibt dem Schiffer die Sorge für die darin erwähnten Tatsachen vor Anm. 1. (während BSchG. § 8 Abs. 1 nur sagt, daß der Schiffer „darauf zu sehen" hat (Mittelstem Handb. 80)]. Damit scheint im Widerspruch die Vorschrift des § 626 zu stehen, nach welcher Rechtsgeschäfte des Schiffers, eingegangen, während sich das Schiff im Heimatshafen befindet, abgesehen von der Annahme der Schiffsmannschaft in der Regel für den Reeder nicht ver­ bindlich sind, so daß, wenn die Reise vom Heimatshafen aus angetreten wird, die gesetzliche Vollmacht des Schiffers zur Durchführung seiner Pflicht nicht genügte. Der Widerspruch ist aber nur ein scheinbarer. Zwar hat der Schiffer, wenn er die Seetüchtigkeit, Ausrüstung usw. des Schiffes nicht für genügend hält, zunächst nur bei dem Reeder auf Abstellung der Mängel hinzuwirken. Gelingt ihm dies aber aus irgendeinem Grunde nicht, so hat er entweder die Führung des Schiffes abzulehnen (OSeeA. 3, 422; 8, 688) oder er ist — die objektive Not­ wendigkeit der von ihm beantragten Anschaffungen vorausgesetzt — berechtigt, ohne, ja selbst gegen den Willen des Reeders als Geschäftsführer desselben aufzutreten, weil es sich um Pflichten des Reeders handelt, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt (BGB. § 679). Zu dieser Geschäftsführung, welche auch ohne nachträgliche Genehmigung einen „besonderen Berpflichtungsgrund" im Sinne von § 626 bildet, ist der Schiffer nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet: wenn er sich bei der Nichterklärung oder Weigerung des Reeders be­ ruhigt und ohne gehörige Ausrüstung usw. in See geht, so handelt er schuldhaft und haftet demgemäß unter Umständen dem Reeder selbst (Anm. 3 zu 8 612). Die Verpflichtungen der Paragraphen treffen übrigens den Schiffer persönlich: er ist auch dann verantwortlich, wenn er etwa durch zwingende Gründe ge­ nötigt ist, sich vor der Abreise vom Ort des Reiseantritts zu entfernen und sich vertreten zu lassen (OSeeA. 8, 246, vgl. 596). x) (M.) das Gesetz spricht ganz allgemein nur von der Sachkenntnis, weshalb an sich ein Ver­ schulden nicht erforderlich ist (vgl. Mittelstem Handb. 53 zu BSchG. § 7 Abs. 3).

192

IIL Abschnitt: Schiffer.

§ 513. 2. Die einzelnen Verpflichtungen deS Paragraphen.

Anm. 2. a) Sorge für die Seetüchtigkeit. oc) Seetüchtigkeit (Seefähigkeit) eines Schiffes ist seine Fähigkeit, See zu halten und die Gefahren der Seeschiffahrt, soweit sie nicht ganz außergewöhnlicher Art sind, zu überstehend) Das Schiff muß so beschaffen sein, daß es imstande ist, bei Eintritt jener Gefahren von sich und von der Ladung ungewöhnlichen Schaden fern­

zuhalten; der Ausschluß jeder noch so entfernt liegenden Gefährdungsmöglichkeit kann natürlich nicht gefordert werden (HansOLG. Hbl. 1906, 295).

Man unterscheidet un­

beschränkte und beschränkte Seetüchtigkeit, je nachdem das Schiff für jede oder nur für bestimmte Kategorien von Reisen, z. B. nur für Reisen in kleiner Fahrt (Ritter 12) oder nur für Reisen bei gutem Wetter (OSeeA. 7, 204) oder für solche unter Ausschluß

gewisser Arten von Ladung (RG. LZ. 1912, 242; Scrutton 80) taugt, und man unter­

scheidet weiter absolute und relative Seetüchtigkeit, je nachdem das Schiff unter allen Umständen oder in bezug auf die gerade bevorstehende Reise dem Erfordernisse der See­

fähigkeit entspricht (HG. Hamburg Hbl. 1874, 219; OSeeA. 8, 687 ff.; Scrutton 76 ff.; Stoerk in v. Holtzendorffs Handb. des Völkerrechts 2, 545; Ritter 12; Boyens 1, 324; Sieveking 36). Ob und wieweit im Einzelfalle tatsächlich Seetüchtigkeit vorliegt (aber nicht über die Umgrenzung des Rechtsbegriffs der Seetüchtigkeit: HansOLG. Hbl.

1913, 91), ist nach den Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen. Nicht unbedingt maßgebend, aber höchst beachtlich sind dabei die UVB. (HansOLG. Hbl. 1913, 89).

Anm. 3.

Die Seetüchtigkeit ist lediglich bedingt durch die Haltbarkeit und Brauchbarkeit der zu einem Ganzen verbundenen SchiffSteile (Anm. 2 zu 8 478), also deS Schiffs­ körpers (Brodmann Note 2; Wüstendörfer Studien 1, 469 ff.; HansOLG. Hbl. 1883, 295; auch LG. Hamburg Hbl. 1915, 170 svgl. Mittelstein Handb. 79)).

Seeuntüchtigkeit

begründen also nicht:

Anm. 4. aa) Sonstige Mängel der Reisetüchtigkeit.

Die Reisetüchtigkeit begreift außer der See­ tüchtigkeit des Schiffes in sich die gehörige Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung,

Verproviantierung, ordnungsmäßige Stauung, richtige Beladung, Tüchtigkeit der Gerät­ schaften zum Laden und Löschen sowie das Vorhandensein des nötigen Ballasts und der

erforderlichen Garnierung (Wüstendörfer 1, 468).

Sollte alles das schon zur Seetüchtigkeit

gehören, so hätte das Gesetz es nicht neben diesen in §§ 513,514 besonders aufgezählt (vgl.

auch § 821 Nr. 1 sA.D.SBB. §58 aber: „insbesondere"); fernerAuswG. §§ 33 ff.; UVV. Dampfer § 1; UVB. Segelsch. § 1).

Und wenn § 479 von der Reparaturunfähigkeil und

Reparaturunwürdigkeit „seeuntüchtig" gewordener Schiffe spricht, so denkt er offenbar nur an die Untauglichkeit des Schiffskörpers, nicht an dessen mangelnde Ausrüstung mit Zubehörx) Erk. des OAG. Lübeck in Hamb. Rechtssachen 1, 739: „Zu der Seetüchtigkeit, die der Ver­ sicherer auf Kasko fordern kann, gehört mehr, als daß das Schiff bei günstigem Winde und Wetter die Reise in gewöhnlicher Zeit vollende; es muß vielmehr auch bei längerer Fahrt dem Sturm und den Wellen widerstehen können" [für die Kaskoversicherung vgl. HGB- § 821 Nr. 1, A.D.SBB. § 58]. Zu viel verlangt die Definition von Pappenheim 2, 49, der das HansOLG. Hbl. 1910, 137 beitritt („ein Zustand, der das Schiff befähigt, den Einwirkungen der See erfolgreich Widerstand zu leisten"), weil sie auch Widerstandsfähigkeit gegen ganz außergewöhnliche Gefahren fordert. Soll daraus, daß ein Schiff einem Taifun oder einem Eisberg erliegt, geschlossen werden, daß es nicht seetüchtig war? Auch die vom RG. 67, 302 übernommene Definition von Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 348, das Schiff müsse imstande sein, „die beabsichtigte Reise ohne einen durch unmittelbare Einwirkung der See oder des Seewassers auf Schiff oder Ladung entstehenden unge­ wöhnlichen Schaden an Schiff oder Ladung auszuführen", berücksichtigt den Fall der ganz außer­ gewöhnlichen Gefahren nicht. Dagegen betont diesen Gesichtspunkt zutresfend das Hans OLG. Hbl. 1906, 295 ff., auch Hbl. 1906, 266 = Rechtspr. 14, 385 („nicht anormale Seegefahren"). Zu eng sind andererseits die Definitionen, nach denen es genügen soll, daß das Schiff die gewöhnlichen Gefahren der Seefahrt zu überwinden imstande ist (so z. B. Wüstendörser Studien 1, 466 und RG. 70, 96).

III. Abschnitt: Schiffer.

193

stücken und Reisebedürfnissen (Wüstendörfer 1, 469) oder an ungenügende Bemannung, § 513. Stauung und Garnierung. Damit widerlegt sich die Ansicht Wittmaacks (GoldschmidtsZ. 53, 348), der die Einrichtung und Ausrüstung, Bemannung und Verproviantierung in den Begriff der Seetüchtigkeit hineinzieht. Inkonsequent aber sind diejenigen, die dies allein für die Ausrüstung mit gewissen unentbehrlichen Zubehörstücken tun wollen (so Boyens l, 323; auch GoldschmidtsZ. 73, 531; Brandis 1, 87; Sieveking 35; [f. auch Pappenheim 3, 137 Anm.6j; mit Recht hiergegen Wüstendörfer 470 ff.); „unentbehrlich für ein sicheres Fahren" eines Dampfschiffes ist, wie ein brauchbarer Kompaß oder ausreichende Signalvorrich­ tungen, so auch genügende Bemannung und ausreichender Kohlenvorrat. — Die Praxis faßt überwiegend die Seetüchtigkeit Wetter als hier angenommen; darunter ist begriffen worden das Vorhandensein der zur Navigation erforderlichen Instrumente, Bücher und Karten (RG. 25, 106; HansOLG. Hbl. 1912, 111; 1913, 160; RG. DIZ. 1914, 629 -Recht 1914 Nr. 820), ausreichender Bemannung (HansOLG. Hbl. 1912, 111; RG. 84, 383 --Hbl. 1914 Nr. 93), genügenden Kohlenvorrats (OAG. Lübeck Kierulff 1, 1147; Hans­ OLG. Hbl. 1897, 38; dahingestellt gelassen RG. 74, 339), richtiger Stauung (RG. 25, 106; HansOLG. Hbl. 1903, 143 und 1913, 90 sFchlen von Längsschotten bei Getreideladungeuj; HansOLG. Hbl. 1903, 44 sNehmen von Decksladung in gewisser Höhej; RG. 70, 96 smangelnde Stabilität wegen unrichtiger Gewichtsverteilungj; LG. Hamburg Hbl. 1916, 63 sRankheit infolge schlechter Stauung); RG. 85, 131; vgl. Stoerk 228). Dagegen wurde nicht als zur Seetüchtigkeit gehörig erachtet das Vorhandensein einer brauchbaren Krahnkette (HansOLG. Hbl. 1890, 276; s. aber RG. Hbl. 1891, 216), eines Peilrohrs des Süß­ wassertanks (HansOLG. und RG. Hbl. 1892 Nr. 20, 89), der erforderlichen Garnierung (RG. 25, 106; HansOLG. Hbl. 1893, 83; anders RG. 85, 131, das hier „relative See­ untüchtigkeit" annimntt); endlich Überladung (HansOLG. Hbl. 1883, 296). über den Proviant s. OAG. Lübeck Hbl. 1868 Nr. 118; vgl. Ohm 28). Die Streitfrage hat übrigens für das Anwendungsgebiet der §§ 513, 514 keinen praktischen Wert, weil dem Schiffer die gleiche Sorge wie für die Seetüchtigkeit auch für die übrigen zur Reisetüchtigkeit gehörigen Dinge auferlegt ist. Eben­ sowenig richtiger Ansicht nach für das Anwendungsgebiet des § 559: s. Anm. 9 zu 8 559. ßß) Mängel der speziellen Ladungstüchtigkeit. Spezielle Ladungstüchtigkeit (englisch Anm. 5. „fitness“) ist die Geeignetheit des Schiffes zur Unversehrterhaltung der konkreten Ladung im Hinblick auf andere Transportgefahren als Seegefahren (Wüstendörfer Studien 1, 468; vgl. Sieveking 37). Ladeuntüchtig kann ein Schiff sein, etwa weil es die erforderlichen Spezialeinrichtungen nicht hat (z. B. Gefriervorrichtungen für frisches Fleisch: Wüsten­ dörfer a. a. O.; Ventilattonseinrichtungen für gewisse empfindliche vegetabilische Ladung: HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 111; diebessichere Räume für Edelmetalle: Wittmaack Gold­ schmidtsZ. 53, 342; Vorrichtungen zur Anbringung von Deckslasten: HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 1; Einrichtungen zum Transport lebenden Viehs (Gerichtshof Genua Dir. Mar. 1913, 30 ff.), weil es verschmutzt ist (HansOLG. Hbl. 1885, 66 = SeuffA. 40, 333; Hbl. 1894, 256) oder Reste früherer Ladung enthält (HansOLG. Hbl. 1903, 94; Hbl. 1906, 266 = Rechtspr. 14, 385) oder mit von früherer Ladung herrührenden Gerüchen behaftet ist (HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 87; 1912, 111---Hansa 1912, 218 - ZVersWiss. 12, 1279), die schädlich auf die neue Ladung einwirken müssen, oder weil seine verschiedenen Lade­ räume so ungenügend getrennt sind, daß sich Gerüche oder sonstige schädliche Eigenschaften der einen Ware der übrigen Ladung mitteilen müssen (HansOLG. Hbl. 1900, 298 = Rechtspr. 1, 442; Hbl. 1905, 188; Admiralty Division ZBersWiss. 12, 1280). In allen derartigen Fällen mag der Verfrachter seiner Vertragspflicht, ein für die betteffende Ladung tüchtiges Schiff zu liefern, nicht erfüllt haben; aber mit der Frage der Seetüch­ tigkeit haben diese Tatbestände nichts zu tun. Alle Gefahren, denen die Ladung auf Grund ihrer ausgesetzt ist, sind solche, die weder der Seeschiffahrt, noch überhaupt irgend­ einer anderen Transportterungsart eigentümlich sind: nur auf die Widerstandsfähigkeit Schaps, Seerecht. 2. Aufl.

13

194 § 513.

III. Abschnitt: Schiffer. des Schiffes gegen See und Sturm aber bezieht sich schon sprachlich das Wort „See­

tüchtigkeit" (vgl. die Definition Wittmaacks und des RG. oben Note 1 zu Ann. 2). Wenn trotzdem die meisten der oben genannten Entscheidungen (auch HansOLG. Hbt. 1910, 137) in Übereinstimmung mit einem Teile der Theorie (Wagner 309; Brodmanr Note 1 zu

Anm. 5a.

Anm. 6.

§ 559; Brandis 1, 87) Schiffe, welche vertragswidrig mit derartigen Märgeln gestellt werden, als relativ seeuntüchtig bezeichnen (dagegen Doyens 2, 104 Note 5 mb nament­ lich GoldschmidtsZ. 63, 330; Wüstendörfer, Studien 1, 472; [f. auch Papperheim 3, 136 Anm. 5]), so mag hierfür, neben einer irrtümlichen Auffassung des § 559 Abs. 2, das Bestreben entscheidend gewesen sein, die strenge Haftung des § 559 auf Fa.le derartiger Art anzuwenden. Daß dieser Weg gar nicht erforderlich ist, darüber s. Anrr. 9 zu § 559. Der Schiffer hat für die spezielle Ladungstüchtigkeit gesetzlich insofern zr sorgen, als er die gehörige Reinigung des Schiffes zu veranlassen und außerhalb des Heimatshafens die evtl, erforderlichen Spezialeinrichtungen, soweit sie verständigermaßen beansprucht werden können, herstellen zu lassen hat: im Heimatshafen kann er nur auf ihre Herstellung hinwirken (s. o. Anm. 1). yy) Mängel, die nicht im Zustande deS Schiffes, sondern in schuldhaftem Verhalten der Besatzung ihren Grund haben. Ein an sich seetüchtiges Schiff kann nicht dann, wenn eine seiner Luken schuldhafterweise nicht verschallt, ein Ventil oder Bullauge nicht ver­ schlossen oder verblendet worden, eine Rohrleitung nicht richtig gehandhabt ist, obschon die erforderlichen Vorrichtungen in an sich ordnungsmäßigem Zustande vorhcnden waren, als seeuntüchtig bezeichnet werden (anders HansOLG. Hbl. 1910, 137 = Recitspr. 22, 61; Hbl. 1915, 171; richtig RG. Hbl. 1886, 18; RG. 85, 130; LG. Hamburg Hbl. 1915, 170; HansOLG. Hbl. 1915, 276). Auch die englische Praxis spricht in solchen Fäl'en nicht von Seeuntüchtigkeit, sondern von „improper opening of valves, sluices and ports“ (Scrutton 218). Als Ursache der Seeuntüchtigkeit sind u. a. in der Praxis angesehen worden: hohes Alter des Schiffes (OSeeA. 1, 673; 2 S. 39, 442, 613, 789; 3 S. 734, 340; 4, 646; 6 S. 141, 315; aber nicht unbedingt: OSeeA. 7, 653; 8,193), ungeeignete Bauart (OSeeA. 2 S. 499 ff., 698; 3, 422; 8, 689 ff.; 10, 72; RG. 70, 96: mangelnde Stabilität); schlechter Zustand der Außenhaut (OSeeA. 5 S. 298, 327 ff.), des Steuerruders (OAG. Lübeck Kierulff 3, 462), der Pumpen (OSeeA. 6, 96), eines Tankfüllrohrs (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 26), Vorhandensein fehlerhafter, Feuersgefahr begründender Anlagen (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 95; RG. Hbl. 1894 Nr. 51), fehlerhafte Anbringung oder mangelhafte An­ lage der Pumpen (HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 372; LG. Hamburg Hbl. 1916, 62), nicht ausreichendes Funktionieren derselben (House of Lords Aspinall N. S. 3, 23), nicht hin­ reichendes Getrenntsein von Ladungs- und Maschinenraum (HG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 120), Schadhaftigkeit eines Wassertanks (HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 95; Hbl. 1907 Nr. 126), eines Abflußrohrs (HansOLG. Hbl. 1916,84 = LZ. 1916, 705 = SeuffA. 71,203); Undichtigkeit der eisernen Verbände des Quarterdeckes (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 49), starke Durchbiegung des Kielschweins (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 107), Undichtigkeit eines Kohlenschachts (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 13), nicht schließendes Ventil eines Klosettrohrs (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 35; RG. 67 Nr. 75), ordnungswidrige Öffnungen der Schiffs­

wand (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 53 = Rechtspr. 22, 61), ungenügende Verschließbarkeit der Luken (HansOLG. Hbl. 1914, 7; s. aber 1914, 161), ungenügende Stärke der Luken­ deckel (HansOLG. Hbl. 1914, 58), mangelnde Wasserdichtigkeit des Decks (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 66). Dagegen wurde keine Seeuntüchtigkeit gesehen in einer geringen Schlagseite des Schiffes in beladenem Zustande (OSeeA. 2, 919; HansOLG. Hbl. 1909, 225), kleinen Mängeln an der Steuerung (OSeeA. 6, 93), Absplitterungen am Lukendeckel (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 46), ungenügender Beschaffenheit der Ventile eines Ballasttanks (RG. Hbl. 1886 Nr. 6), zu tiefer Lage der unteren Kohlenpforten (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 109; RG. Hbl. 1911, 133 = Hansa 1911, 159); nicht unbedingt im Vorhandensein eines Lecks

III. Abschnitt: Schiffer.

195

(OSeeA. 1 S- 209, 211, 641, 652; 6, 721 usw.: s. aber HansOLG. Hbl. 1910, 137 = § 513. Rechtspr. 22, 61; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 343). Einen gewissen Anhalt, aber keinen sicheren Beweis*) für die Seetüchtigkeit eines Anm. 7. Schiffes bietet die Klassifizierung desselben bei einem Klassifikationsinstitut (Thumm ZHWiss. 1, 64 ff.; Schwarz und v. Halle, Die Schiffsbauindustrie 193 ff.),*2) welches da­ durch, daß es dem Schiffe eine gewisse in Buchstaben und Zahlen ausgedrückte Klasse (z. B. A. I. 1.) erteilt, bescheinigt, daß das Schiff eine gewisse Güte und Leistungsfähig­ keit besitze. Die Klassifikation ist von Bedeutung nicht nur für die Möglichkeit und Höhe eines Frachtverdienstes, sondern auch für die Höhe der Versicherungsprämien (NG. 13, 83). Wenn, wie in der Regel, die Klasse auf bestimmte Zeit erteilt wird, so bedeutet das natür­ lich nicht, daß das Schiff für diese ganze Zeit diese Eigenschaften behalten oder daß es sie nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr haben werde; vielmehr soll damit gesagt sein, daß das Schiff zur Zeit der Erteilung der Klasse so sei, daß, wenn es nicht durch Unfälle betroffen oder verwahrlost werden sollte, es nach Meinung des Instituts am Ende des Zeitraums dieselben Eigenschaften noch haben werde (NOHG. 21, 162). sEs wird daher durch ein Attest erster Klasse eine Vermutung für die Seetüchtigkeit begründet (Pappenheim 2, 51).] Innerhalb des Zeitraums pflegt übrigens das Institut periodenweise zu kontrollieren, ob die Voraussehungen der Klassifizierung noch da sind. — Die Ablehnung der Klas­ sifikation läßt ebensowenig einen sicheren Schluß auf die Seeuntüchtigkeit des Schiffes zu, wenn sie auch in concreto eine tatsächliche Vermutung für dieselbe begründen mag (OSeeA. 6, 710). — Uber den Verlust der Klasse bei Lloyds s. LG. Hamburg Hbl. 1890, 75. — Dritten, welche durch ein unrichtig ausgestelltes Klassifikationszertifikat ge­ schädigt worden sind, haftet das Institut mangels vertraglichen Bandes nur nach BGB. § 826, nicht auch im Falle der Fahrlässigkeit (Boyens ZVersWiss. 1, 110; HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 15; NG. Hbl. 1908 Nr. 77). Vgl. auch Hansa 1917, 248ff. (Fall „Ajana": Verneinung der Haftung gegenüber der Reederei für ein der Werft erteiltes Zertifikat), ß) Die Sorge für die Seetüchtigkeit besteht in einer Orientierungspflicht und evtl, einerAnm. 8. Abstellungspflicht. Die Orientierung hat sich auf die Feststellung zu richten, ob relative Seetüchtigkeit (oben Anm. 2) vorliegt (Prot. 3848). Bezüglich der Untersuchung des Schiffes und der einzelnen Teile darf der Schiffer, soweit seine eigene Sachkunde reicht, sich nicht auf Atteste von Sachverständigen verlassen, sondern muß sie kontrollieren (OSeeA. 4, 692). Hat er die erforderliche Sachkenntnis nicht — und man wird dieselbe nicht hin­ sichtlich sämtlicher Details, insbesondere der Maschine, beanspruchen können —, dann bleibt nichts übrig, als die Untersuchung durch Sachverständige zu bewerkstelligen (OSeeA. 3 S. 422, 437), deren Haftung Dritten gegenüber die gleiche ist wie die der Klassifikations­ institute (Boyens ZVersWiss. 1, 110). Freilich kann seine Untersuchungspflicht in ge­ wissen Fällen wesentlich herabgemindert werden, z. B. wenn das Schiff, das er über­ nimmt, eben nach umfassender Reparatur von der Werft gekommen ist (OSeeA. 9, 512 sauch OLG. Rostock Meckl.Z. 28, 193, s. aber HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 3 a. E.]), oder wenn ein die Seetüchtigkeit dartuendes Klassifikationszertifikat vorliegt (oben Anm. 7). Hat er Mängel gefunden, so hat er für deren Abstellung zu sorgen (oben Anm. 1). y) Für den Bestand der Seetüchtigkeit nach Antritt der Reise haftet der Schiffer nicht Anm. 9. mehr unbedingt. Es folgt indessen aus der ihm obliegenden Sorgfalt eines ordentlichen *) Als nicht genügenden Beweis für die Seeuntüchtigkeit eines Schiffes sieht das Oberseeamt OSeeA. 1, 420 eine vor acht Monaten erfolgte, das Seeamt Hamburg OSeeA. 4, 705 ff. eine vor zwei Jahren erfolgte und vor der Ausfahrt des Schiffes visierte Klassifizierung an, während das See­ amt Stralsund OSeeA. 2, 857 eine vor fünf Jahren geschehene Klassifizierung, deren Zeit überdies abgelaufen war, für einen unzweifelhaften Beweis der Seetüchtigkeit hält. 2) Die wichtigsten Klassifikationsinstitute sind Lloyds in London, das Bureau Veritas in Paris und der Germanische Lloyd in Berlin. Weitere Angaben bei Brüders Seeversicherungsjahrbuch 1914. — Der Germanische Lloyd hat 1906 „Rules for the survey and Classification and for the building and equipment of steel seagoing vessels“ herausgegeben.

196 § 518.

III. Abschnitt: Schiffer.

Schiffers, daß er darüber zu wachen hat, daß die Seetüchtigkeit dem Schiffe erhalten bleibt und daß sie, falls gemindert, nach Möglichkeit wiederhergestellt wird (ROHG. 25,144; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 362). Über die diesbezüglichen Vollmachten des Schiffers

außerhalb des Heimatshafens s. u. §§ 527 ff. 8) Aus der Haftung des Schiffers wegen schuldhaft unterlassener Sorge für die Seetüchtig­ keit ergibt sich die gesamtschuldnerische Haftung des Reeders gemäß §§ 485, 486, 754. Über die selbständige Haftung des Verfrachters wegen Seeuntüchtigkeit s. u. § 559. fÜber die Richthaftung des Kaskoversicherers, wenn das Schiff nicht seetüchtig ist, s. § 821 Nr. 1, A.D.SVB. § 58 ] Anm. 11. b) Sorge für gehörige Einrichtung und Ausrüstung. Einrichtung ist die Beschaffung eines den ordnungsgemäßen Betrieb ermöglichenden Zustands des Schiffes sowie von Vorrich­ tungen zur Verhütung von Unfällen (NVO. § 1199), Ausrüstung die Beschaffung von Schiffszubehör und Vorräten. Beides wird vielfach ineinander übergreifen. Welches im Einzelfalle die erforderlichen und geeigneten Gegenstände für die Einrichtung und Aus­ rüstung des Schiffes sind, für deren Vorhandensein und guten Zustand der Schiffer zu sorgen hat, darüber entscheidet Größe und Zweck des Schiffes und der Reise, Stärke der Besatzung, Jahreszeit usw., abgesehen davon die seemännische Anschauung (Ritter 15 ff.). Anweisungen geben u. a. die UVV. (s. Anhang), die B., betr. Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen, vom 3. Juli 1905 (s. Anhang) und der Internationale Vertrag zum Schutze des mensch­ lichen Lebens auf See vom 20. Jan. 1914 [ der zwar vom Reichstag angenommen (s. Mittel­ stein HansNZ. 1, 555), aber noch nicht im RGBl, veröffentlicht ist], für Auswandererschiffe die B. vom 14. März 1898 (s. Anhang). Im allgemeinen kann nicht gefordert werden, daß von allem Notwendigen sich stets das denkbar Neueste und Beste an Bord befindet: es muß genügen, daß das Notwendige vorhanden ist und sich in zweckentsprechendem Zustande befindet (RG. DIZ. 1914, 629 = Recht 1914 Nr. 820). Beispiele: Für Dampfschiffe gehört zur gehörigen Ausrüstung ein geeigneter Vor­ rat brauchbarer Kohlen (oben Anm. 4). In der Praxis der Seeämter wurde gerügt das Nichtvorhandensein des Loggs (OSeeA. 2, 721; 4, 268; 9, 484; 10, 590; anders in concreto 7, 74), eines gehörig adjustierten Kompasses (OSeeA. 5, 159; 11, 649; vgl. aber für Fähr­ bote HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 78), des Chronometers (OSeeA. 3, 176; anders für Nord­ seefahrten 9, 142; vgl. 3, 176), von Vorkehrungen zur Abgabe von Notsignalen (OSeeA. 10, 590), von richtigen, nicht veralteten Seekarten (OSeeA. 2, 867 ff.; 3 S. 176, 468, 698 usw.; sUVV. § 60: die für die Fahrt zweckdienlichen Seekarten und Segelanweisungen]), Rettungs­ apparaten (OSeeA. 7 S. 63,699), der erforderlichen Anzahl von Rettungsbooten (OSeeA. 4 S. 431, 623; unter ganz besonderen Umständen wurde ein Schiffsboot nicht als unbedingt erforderlich angesehen OSeeA. 1, 571), brauchbarer Ketten (OSeeA. 10, 131) und Tau­ werks (OSeeA. 3, 438; zu weit würde es indessen gehen, den Schiffer für die gute Be­ schaffenheit jedes einzelnen Taus verantwortlich zu machen: OAG. Lübeck Samml. der Entsch. in bremischen Zivilrechtssachen 4, 10), einer größeren Pumpe und eines Peilstocks (OSeeA. 6, 592). Weiteres Material bei Ohm 19 ff. — Über die Einrichtung der Logis Anm. 10.

für die Schiffsbesatzung vgl. SeemO. §§ 55,56 und die dazu ergangenen Bekanntmachungen. — Nach SeemO. § 133 müssen im Volkslogis zur jederzeitigen Einsicht der Schiffsleute ein Exemplar der SeemO. und die für das Schiff über Kost und Logis geltenden Vorschriften vorhanden sein, ebenso nach StVG. § 11 ein Abdruck dieses Gesetzes. Nach § 6 der TBB. (Zusatz 2 zu 8 520) ist der Schiffer verpflichtet, einen Abdruck der in Anl. III dazu enthal­ tenen „Zusammenstellung der Vorschriften über die Führung und Behandlung des Schiffs­ tagebuchs", nach § 9 der B., betr. Führung usw. des Maschinenjournals (Zusatz 3 zu 8 520) ein Exemplar dieser an Bord zu führen. sNach den UVV. für Dampfer (8 106) bzw. für Segelschiffe (8 86) hat ein Exemplar der UVV. in den Mannschaftslogis öffentlich auszu­ hängen.] Der Führer eines Auswandererschiffe-s hat nach 8 70 Nr. 12 der B. vom 14. März 1898 einige Stücke des AuswG. und der auf Grund der §§ 21 u. 36 desselben erlassenen Vor-

III. Abschnitt: Schiffer.

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schriften zur Kenntnisnahme der Auswanderer an Bord des Schiffes, insbesondere auch im § 513.

Auswandererdeck, bequem sichtbar anschlagen oder aushängen zu lassen. Zur Einrichtung gehört auch die sorgfältige Reinigung des Schiffes und Säuberung von Ungeziefer (Boyens 1, 327), ferner kann dazu gehören die Herstellung spezieller Vor­ richtungen für bestimmte Ladungen (oben Anm. 5). Über die Sorge des Schiffers für die Erhaltung der gehörigen Einrichtung und Ausrüstung nach Antritt der Fahrt gilt das oben Anm. 9 Gesagte. c) Sorge für gehörige Bemannung. Gegenstand der Fürsorge des Schiffers ist die für das Anm. 12. betreffende Schiff erforderliche Zahl von Schiffsmannschaften (OSeeA. 1, 249; 3, 340; 5 S. 595, 826; 11, 725 usw.) — Vorschriften in dieser Hinsicht bestehen nur hinsichtlich der Schiffsoffiziere (Steuerleute, Maschinisten: vgl. die zu SeemO. § 4 ergangenen Verord­ nungen, s. Anhang), wobei er aber auch ihre persönlichen Qualitäten, wie Alter, Ge­ sundheit, Tüchtigkeit (OSeeA. 2, 324; 3, 422; 6, 721; 8 S. 20, 657; 9 S. 10, 184), ins­ besondere auch die nach den Gewerbegesetzen für den Steuermann und Maschinisten ver­ langte Qualifikation (OSeeA. 4, 641; 8, 246) zu berücksichtigen hat. Die Nationalität der Schiffsleute ist nach deutschem Recht gleichgültig. — Über die Pflicht zur Erhaltung ge­ höriger Bemannung gilt Entsprechendes wie oben Anm. 9 ausgeführt. d) Sorge für die Verproviantierung des Schiffes, d. h. für nach Zeit und Ziel der Reise ge-A«m. 13. nügende Quantität und Qualität der mitzunehmenden Lebensmittel, insbesondere auch des Wassers (vgl. aus der Praxis OAG. Lübeck Hbl. 1868 Nr. 118; ROHG. 17, 342 ff.; HG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 121; Seeamt Hamburg OSeeA. 4, 330), wobei die Möglich­ keit einer außergewöhnlichen Verlängerung der Reise zu berücksichtigen ist (Wagner 409; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 354). Etwaige Angaben und Maßregeln des Kochs hin­ sichtlich der Verproviantierung hat der Schiffer zu kontrollieren (HG. Hamburg a. a. O.). über die Beköstigung der Mannschaft s. SeemO. § 66 und die dazu ergangenen Verord­ nungen; über die Beköstigung von Auswanderern auf Auswandererschiffen s. §§ 24 ff. der B. vom 14. März 1898 (RGBl. 57 ff.; s. Anhang). — Nicht unter § 513 und die gegen Kontraventionen desselben bestehende Strafbestimmung des § 112 der SeemO. gehört die Sorge für das Berproviantiertbleiben des Schiffes (RG. DIZ. 1897, 494); für sie gilt das oben Anm. 9 Gesagte. e) Sorge für daS Borhandenfein der zum Ausweis für Schiff, Befatzuug und Ladung er- Anm. 14. forderlichen Papiere (Schulze ZHWisf. 1, 334 ff.). Es sind dies das Schiff-zertifikat (FlG. § 10), oder der Zertifikatauszug (FlG. § 10), evtl, das Flaggenzeugnis (FlG. § 12), die Musterrolle (SeemO. § 14) und das Ladungsmanifest (BZG. § 75), ferner das Sicherheitszertifikat (Internat. Vertrag zum Schutz des menschlichen Lebens auf See Art. 57, 62), unter Umständen ein Gesundheitsattest (Ritter 78 und Zitate [f. aber OPrG.HansRZ. 1, 604 und Mittelstem das. 605]), die etwa gebotene Ausgangser­ laubnis der Zollbehörde (HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 21), Ursprungsatteste und Sanitätspässe für gewisse Waren (Schulze 835), Stauungsplan, Kesselpapiere (Schulze 340). Nicht erforderlich ist die Mitführung des Meßbriefes (da das Resultat der Vermessung schon im Zertifikat steht; so mit Recht Ritter 88; anders Wagner 381; Stoerk, Holtzendorffs Handb. des Völkerrechts 2, 533; Boyens 1, 329), der Chartepartien und Konnossemente in Original oder Kopie (Wagner 381; anders Goldschmidt Handb.2 676 Note 30 [(M), dem aber der Herausgeber beitritt, vgl. auch Mittelstem Handb. 84]; in Kriegszeiten freilich empfehlenswert!), des Klassifikationszertifikats (oben Anm. 7) und der Seefahrtsbücher (Boyens 1, 329). Bon nicht zum Ausweis erforderlichen Papieren haben an Bord zu sein das Schiffstagebuch und bei Dampfschiffen das Maschinentagebuch, ferner das Abrech­ nungsbuch mit der Schiffsbesatzung (SeemO. § 49) und nach den UVB. das Un­ falltagebuch. Der Schiffer hat sich mit dem Inhalt der Schiffspapiere, insbesondere der auf die Ladung bezüglichen (RG. Hbl. 1880, 300), vertraut zu machen.

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§ 514.

III. Abschnitt: Schiffer.

§ 514. Der Schiffer hat zu sorgen für die Tüchtigkeit der Gerätschaften zürn Laden und Löschen sowie für die gehörige Stauung nach Seemannsbrauch, auch wenn die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wird. (Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen und daß es mit dem nötigen Ballast und der erforderlichen Garnierung versehen wird.

Vgl. Vorbemerkung und Einleitung, auch Anm. 1 zu § 513. Der Schisser hat nach § 514 zu sorgen: Anm. 1. 1. Für die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen [(ebenso BSchG. § 8 Abs. 1)]. Es kann normalerweise nicht die Untersuchung aller technischen Einzelheiten vom Schiffer verlangt werden, sondern nur eine allgemeine Prüfung dahingehend, ob vom Standpunkt eines gewöhnlichen nautischen Sachverständigen Grund zur Nichtbenutzung der betreffenden Gegenstände vorliegt (Wagner 409). Erst wenn dem Schiffer hierbei Bedenken hinsichtlich der Brauchbarkeit der Gegenstände aufstoßen, hat er, wenn nötig, Sachverständige zur Unter­ suchung zuzuziehen und evtl, für Abhilfe der entdeckten Mängel zu sorgen. Die Sorgepflicht darf nicht dahin ausgedehnt werden, daß der Schiffer während der Zeit, wo die Gerätschaften von anderen Personen, z. B. Stauern, verwendet werden, sie ständig im Auge zu behalten und für ihre Tüchtigkeit einzustehen hätte (HansOLG. Hbl. 1909, 59). Gleichgültig ist, ob die Gegenstände zum Schifssinventar oder zu den Hafenanlagen gehören oder ob sie endlich von einem Ladungsbeteiligten oder einem Stauer mitgebracht sind und bei der Ladung oder Löschung von Gütern zur Verwendung gebracht werden: auch in den beiden letzteren Fällen liegt dem Schiffer eine Uberwachungs- und Prüfungspflicht ob, wie man sie von einem sorgsamen Fachgenossen im Einzelfalle verlangen kann (RG. 10, 21). In Betracht kommt beispielsweise die Beschaffenheit von Kränen (Wagner 410), Kranketten (HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 90; vgl. RG. Hbl. 1891 Nr. 81), Tauen zum Auf- und Herabwinden (RG. 10 Nr. 5: Tarr einer sog. Brook), Taljehaken (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 5), zum Aufhieren verwendeten Drahtseilen (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 28; Hbl. 1913 Nr. 73), Windeketten (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 100). In dem vom OLG. Kiel SeuffA. 41 Nr. 211 entschiedenen Falle handelte es sich um Unbrauchbarkeit einer auf einer Zwischendeckluke errichteten Stellage. Anm. 2. . Wird der Schiffer oder der Reeder (§ 485) außerkontraktlich wegen einer Beschädigung durch angeblich untüchtige Lade- oder Löschgerätschaften in Anspruch genommen, so regelt sich die Beweislast wie folgt. Der Beschädigte hat zunächst die Untüchtigkeit der Gerätschaften zu beweisen: diese kann sich, braucht sich aber nicht aus deren Nichtfunktionieren oder Bruch zu ergeben (HansOLG. Hbl. 1906, 215; 1913, 156). Steht aber sie und ihre gleichfalls vom Beschädigten darzutuende Ursächlichkeit für den Schaden fest, dann hat der Beschädigte weiter, soweit nicht die Exkulpationspflicht des Schiffers durchgreift (Anm. 36 zu § 511), die Ver­ letzung der Sorgepflicht des Schiffers zu beweisen. Wird indessen die Klage gegen den Reeder auf § 831 BGB. gestützt (vgl. Anm. 22 zu § 485), etwa auf Grund mittelbarer Bestellung (vgl. RGR.Komm. Note 2 zu § 831) des Stauers zu der Verrichtung des Löschens, so haftet der Reeder wegen präsumtiv eigenen Verschuldens, solange er nicht die Entlastungsbeweise des § 831 Satz 2 führt (vgl. Urt. des HansOLG. vom 13. Mai 1908 in Sachen Rehding gegen Elder, Demster & Co., Bf. I 894/07). Dem Beweis, daß er bei der Beschaffung der Gerät­ schaften die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, genügt er aber regelmäßig schon dadurch, daß er diligentia in eligendo des Schiffers dartut, da diesem durch das Gesetz die Sorge für die Gerätschaften als Vertreter des Reeders auferlegt ist: die Sorgfaltsbeobachtung auf feiten des Schiffers braucht er nicht nachzuweisen. Handelt es sich aber um eine kontraktliche Inanspruchnahme ex recepto, so bestimmt sich die Beweislast nach § 606. Der Verfrachter hat also, nachdem seinerseits die Schadens­ ursache aufgeklärt ist, den dort ihm auferlegten Exkulpationsbeweis zu führen (Anm. 22 ff.

III. Abschnitt: Schiffer.

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zu § 606), es müßte denn sein, daß vertragsmäßig die Beweislast geändert worden ist (Anm. 81 § 514. zu § 606). Hat sich der Verfrachter von dem schädlichen Erfolge freigezeichnet, z. B. durch die Klauseln „frei von Bruch", „frei von Beschädigung" (Anm. 72 zu § 606), so liegt dem Be­ schädigten die Jnkulpation ob (§ 657). 2. Für gehörige Stauung nach Seemannsbrauch (Rühl ZHWiss. 1, 408 ff.). Anm. 3. a) Stauung ist die Unterbringung von Ladung und Ballast im Schiff. Da dieselbe von dem Bestreben geleitet sein muß, eine schädliche Einwirkung der verstauten Gegenstände aufeinander und auf das Schiff (vgl. HansOLG. Hbl. 1897, 83), zu vermeiden, so muß sie je nach der Individualität des Schiffes und nach Qualität und Quantität des einzunehmenden Materials verschieden erfolgen. Wie zu verfahren ist, darüber entscheidet in erster Reihe der Seemannsbrauch (Allg. Einl. Anm. 17). Beispiele: Schwere Güter dürfen nicht auf leichte (Wagner 411; vgl. Ullrich 1 Nr. 14; HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 10), Feuchtigkeit absondernde nicht auf oder neben trockene (Ullrich 1 Nr. 13; 2 Nr. 291; Herrmann und Hirsch Nr. 81), saubere nicht direkt unter schmutzige (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1892 Nr. 95), penetrant riechende nicht bei in dieser Hinsicht empfind­ lichen (Guano auf Kaffee: HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 93; Tee in der Nähe von naphthalin­ haltigen Fellen: HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 84; RG. Hbl. 1906 Nr. 132), leicht schmelzbare Ware nicht an einen Punkt verstaut werden, wo sie von der Maschinenhitze angegriffen werden kann (Ullrich 2 Nr. 236, 258; Ballons mit Salzsäure dürfen nicht aufeinander gestellt werden (HansOLG. 12. Juli 1916, Bf. V133/16). Die Ladung darf nicht zu fest zusammengepreßt (RG.

Hbl. 1889Nr.37) oder zusammengeschraubt (Fässer-.HansOLG.Hbl. 1895Nr. 116) werden, auch nicht, wenn sie leicht entzündlich ist, in feuergefährlichen Räumen verstaut sein (HansOLG. Hbl. 1893,296). Es entspricht nicht dem Seemannsbrauch, die leichteren Güter mittschiffs zusammenzustauen und das Schiff an den Enden mit schwereren Teilen der Ladung zu be­ lasten (OSeeA. 2, 688), schwere Ladung nur in der Mitte des Schiffs zu verstauen (Tonerde: OSeeA. 6, 255 ff.). Steinkohlen werden richtig gestaut, wenn sie bis zur gleichen Höhe im Raume aufgeschüttet und nur in der Mitte des Schiffs etwas höher aufgehäuft werden (OSeeA. 1, 204); Schottung ist bei ihnen nicht erforderlich (OSeeA. 7, 392). Getreideladungen von schwererem Korn bedürfen unbedingt der Abschottung (OSeeA. 3, 324; Roggen: OSeeA 6, 274; Weizen: OSeeA. 6, 680; 11, 660; 14, 473; HansOLG. Hbl. 1903 Nr. 63; 1913 Nr. 39; Gerste: OSeeA. 5, 821; 11,16); bei Haferladungen genügt, wenigstens sobald kleinere Schiffe in Betracht kommen (vgl. OSeeA. 7, 255; 10, 55), Feststampfung, soweit die Raumhöhe des Schiffes dies zuläßt (OSeeA. 3 S. 719, 826). Über eine dem Seemannsbrauch entsprechende,

aber vom Seeamte Stettin als nicht sicher bezeichnete Art der Verstauung von loser Leinsaat vgl. OSeeA. 2, 908; 3 S. 48, 66 ff. Düngersalze sind mit möglichst dichter Unterlage zu ver­ sehen (OSeeA. 10, 506). Weitere Beispiele bei Rühl 409 ff. — Sind Güter auf Deck verladen (was nach § 566 nur mit Zustimmung des Abladers erfolgen darf), so sind sie genügend zu befestigen (OSeeA. 7,207; HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 1); es ist auf deutschen Schiffen allgemein üblich, einen Teil der Holzladung selbst im Winter und auf atlantischen Reisen auf Deck zu verstauen (OSeeA. 4, 432), svgl. aber M. Sh. Act 1894 s. 451]. Bei gefährlichen Gütern sind die gesetzlich vorgeschriebenen Spezialbestimmungen zu beachten (s. Anhang). — Eine Verpflichtung gegenüber den Ladungsbeteiligten, die einzelnen Teile einer Partie so zu verstauen, daß die Löschung ohne Unterbrechung vor sich gehen kann, ist nicht anzuerkennen (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 95 = SeuffA. 56 Nr. 8), wenn auch aus praktischen Gründen das für einen Löschplatz bestimmte Quantum kompakt zusammengestaut zu werden pflegt (Rühl 410).

Ein Mittel zur Bewirkung geeigneter Verstauung bildet die Garnierung (unten Anm. 10). b) Stauung nach Seemannsbrauch fällt oftmals nicht mit absolut richtiger Stauung zu-Anm. 4. sammen (vgl. OSeeA. 2, 908; 6, 680 usw.); es kommen vielmehr „usancemäßige Fehler" (vgl. OSeeA. 1, 668 ff.) vor, für deren Begehung der dem Seemannsbrauch folgende Schiffer in der Regel nicht verantwortlich gemacht werden kann. Von dem Satze, daß der Schiffer seiner Pflicht genügt, wenn er dem Seemannsbrauch nachkommt (ROHG. 19, 265), ist freilich

200 § 514.

III. Abschnitt: Schiffer.

dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Seemannsbrauch ein offenbarer grober Mißbrauch ist: als einen solchen hat das RG. mit Recht trotz ihrer Üblichkeit am Berschiffungsplatze eine

Stauung bezeichnet, die notwendig eine Beschädigung der Frachtgüter oder ihrer Emballage zur Folge hat (RG. Hbl. 1889, 98). Anm. 5. c) Der Schiffer hat für gehörige Stauung nach Seemannsbrauch auch dann zu sorgen, wenn die Auswahl der die Stauungsarbeiten versehenden Personen nicht ihm obliegt, sondern die Stauung durch „besondere" Stauer bewirkt wird, nämlich a) durch Zwangsstauer, „vereidigte Stauer", die nach den Gesetzen des Ladungsorts engagiert werden müssen. Auch hier liegt ihm eine Überwachung und Kontrollierung der Stauung ob, sofern diese nicht etwa durch örtliches Recht ausgeschlossen ist (auch in diesem Falle empfiehlt sich die Aufnahme einer Freizeichnungsklausel im Konnossement, um die Haftung gegenüber dem Empfänger auszuschließen: Wagner 413). — Durch die für die Verstauung gewisser feuergefährlicher Gegenstände in Auswandererschiffen vorgeschriebene Aufsicht eines Feuerwerksoffiziers oder Oberfeuerwerkers der Marine (B. vom 14. März 1898 [f. Anhang) § 35) wird die Überwachungspflicht des Schiffers nicht ausgeschlossen. Anm. 6. ß) Durch vom Ablader oder Befrachter gestellte Stauer (vgl. Chartepartieklauseln wie „the charteret’s stevedore to be employed by the shipu; auch AppG. Palermo Dir Mar 1913, 95 ff). Auch hier hat der Schiffer die Pflicht der Kontrolle, gleichviel ob das Schiff im ganzen verchartert ist oder nicht (OAG. Berlin SeuffA. 24 Nr. 71; anders HG. Ham­ burg bei Ullrich 2 Nr. 290). Gegen fehlerhafte Stauung oder Garnierung hat er demnach zu protestieren und sie eventuell zur Kenntnis des Abladers bzw. Befrachters zu bringen: erst wenn dieser sie trotzdem geschehen läßt, wird der Schiffer ihm gegenüber von der Haftung frei (Ullrich 2 Nr. 339; HG. und OG. Hamburg GoldschmidtsZ. 19, 229 ff.; OAG. Berlin a. a. O.), ohne daß damit die Haftung gegenüber den übrigen in § 512 genannten Personen oder sonstigen Beschädigten (BGB. § 823) grundsätzlich in Wegfall käme. Die­ selbe Wirkung tritt ein, wenn der Schiffer vom Ablader oder Befrachter von der Pflicht der Überwachung dispensiert wird: die Haftung gegenüber dem konnossementsmäßigen Empfänger würde hier nur durch Aufnahme einer entsprechenden Konnossementsklausel zu beseitigen sein (Ullrich 1 Nr. 26). Eine solche Dispensation von der Kontrollpflicht liegt aber nicht darin, daß vereinbart wird, das Schiff solle beladen werden unter Aufsicht von Inspektoren des Befrachters („vessel to load under inspection as to stowage by the authorised inspectors appointed by the Charterers, free of Charge to vessel for such inspections“: ROHG. 19, 264 ff.), oder unter Aufsicht der Vertreter der Versicherer (Kassationshof Paris Revue 18, 5 ff.). Anm. 7. d) BeweiSpflichtig für eine Sorgeverletzung des Schiffers hinsichtlich der Stauung ist der Ge­ schädigte, also in der Regel der Empfänger. Derselbe muß zunächst die schlechte Stauung und deren Ursächlichkeit für den Schaden beweisen. Der Beweis der schlechten Stauung ist dem Schiffer persönlich gegenüber nicht ausgeschlossen, falls nach dem Konnossement das Stauungs­ attest „conclusive evidence“ für gehörige Stauung bilden soll (Anm. 83 zu § 606). — Ob dem Schiffer, der in Fragen der Stauung einen Sachverständigen herangezogen hat, ein Vor­ wurf trifft, weil er sich auf dessen unzutreffendes Gutachten verlassen hat (vgl. den Fall Hbl. 1909 Nr. 1), ist Frage des Einzelfalles. Anm. 8. 3. Für Richtüberladung des Schiffes. Weil es im Interesse des Verfrachters liegt, möglichst viel Ladung einzunehmen, um möglichst viel Fracht zu verdienen, liegt die Gefahr einer zu starken Beladung nahe. Aufgabe des Schiffers ist es, dieselbe zu verhüten. „Ein Schiff ist für überladen zu erachten, wenn seine Belastung mit Rücksicht auf die konkrete Beschaffenheit des Schiffes und der Ladung von der Art ist, daß es den gewaltsamen Einwirkungen von Wind und Wetter aus diesem Grunde den erforderlichen Widerstand nicht zu leisten vermag" (RG. Hbl. 1891 Nr. 43). Deshalb ist es Sache des Schiffers, zu wissen, wie schwer er sein Schiff belasten kann, ohne es zu überladen. Bei Beantwortung dieser Frage ist nicht nur das Gewicht der Ladung, sondern auch Alter, Bauart und Material des Schiffes, Art der Belastung und Verhältnis der Aus-

III. Abschnitt: Schiffer.

201

Wässerung zunr Tiefgang in Betracht zu ziehen (OSeeA. 3, 231; 5, 698; 8, 237; 6, 385 usw.; § 514. HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 185; RG. Hbl. 1891 Nr. 43). Nicht maßgebend für das einzuladende Gewichtsmaximum ist die Vermessung, seitdem diese nicht mehr das Maximalgewicht der Ladung [tote das nach Binnenschiffahrtsrecht der Fall ist, s. Mittelstem Handb. 26], sondern den kubischen Inhalt des Schiffes angibt (SchVO. § 2); aber auch die Um­ rechnungssätze des § 33 der alten SchVO. von 1872 ergeben, toie die Seeämter toiederholt ausgesprochen haben (OSeeA. 1 S. 202 ff., 206, 69,118, 275; 4, 494; 5, 695; 6, S. 383, 308; 7. 512 ufto.) nicht das toirkliche Maximum der Beladungsfähigkett. Es wird vielmehr nach Seemannsbrauch dieses Maximum für normale Schiffe und normale Ladungen mit iVrMal soviel Tonnen (ä 1000 kg) angenommen, als der Nettoraumgehalt Negistertons zählt (OSeeA. 1, 281; 2 S. 767, 418, 550, 607; 3, 231; 4 S. 478, 526; 5, 724; 6, 383 ufto.). [Durch § 6 UVV. für Dampfer (s. Ausgabe 1909) und § 5 UVV. für Segelschiffe (s. Ausgabe 1909) ist für jeden in der langen und atlantischen Fahrt, sotote in der großen Küsten­ schiffahrt beschäftigten Dampfer und für die außerhalb der kleinen Küstenfahrt verkehrenden Segelschtsfe die Anbringung einer Tiefladelinie vorgeschrieben, über welche hinaus das Schiff unter keinen Umständen beladen werden darf (vgl. Hansa 1903, 520ff.: für das englische Recht vgl. MShA. s. 441—445).] Eine relative Überladung, d. h. eine solche beim Passieren bestimmter Gewässer, soll vermieden werden durch Klauseln toie „the quantity loaded not to exceed, what the ship can carry to savely cross Martin Garcia Bar without lighterage“ (Hbl. 1899 Nr. 33). 4. Für den nötigen Ballast. Die Beschaffung von geeignetem Ballast in genügender Menge, Anm. 9. und zwar die rechtzeitige Beschaffung desselben (OSeeA. 2, 534) gehört zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, es müßte denn für gewisse Arten von Schiffen (OSeeA. 1, 668 ff., wo das Seeamt Königsberg von einem „usancemäßigen Fehler" spricht) oder bei gewissen Ladungen (OSeeA. 1, 562: Holzladungen ohne Decklast) ein entgegenstehender befreiender Seemannsbrauch bestehen (Wagner 409). Im allgemeinen ist es Seemannsbrauch, überall den dort üblichen Ballast einzunehmen (OSeeA. 8, 292). In mehrfachen Enrscheidungen der Seeämter wird die Verwendung von Sandballast als bedenklich bezeichnet, wenn das Schiff zugleich Ladung führt (OSeeA. 7, 32; 8,80). Ballasttanks sind zur Herstellung der Stabilität bei Getreideladungen mit Wasser zu füllen (OSeeA. 4, 306 ff.). Der Schiffer hat, wie für die Verstauung der Ladung, so für die gute Befestigung des Ballasts zu sorgen (OSeeA. 6,142); insbesondere ist Sand u. dgl. als Ballast durch Längsschotten zu sichern (OSeeA. 9,194, vgl. 404 ff.; 12, 73 ff.; bei kleinen Schiffen mißbräuchlicher­ weise nicht üblich). 5. Für die erforderliche Garnierung. Unter Garnierung versteht man diejenigen Gegenstände, Anm. 10. welche der Ladung als Unterlage dienen, damit sie nicht unmittelbar die Schiffsseiten berührt. Ihr Zweck ist hauptsächlich der Schutz der Ladung gegen den am Schiffsboden haftenden Schmutz und das eindringende Seewasser („Bilgenwasser"), daneben aber soll sie bei schweren Ladungen dazu dienen, den Schwerpunkt des Schiffes mehr nach oben zu verlegen, damit das Schiff nicht zu steif wird (anders RG. 25, 106; vgl. aber Boyens 1, 337 ; Ritter 66). Auch kann sie bei schwerer Ladung (Pflastersteine: OSeeA. 1, 512) erforderlich sein, damit das Wasser nicht gehindert wird, direkt zu den Pumpen zu gelangen (vgl. auch OSeeA. 2, 440, wo ein völlig abgedichtetes Garnier als einzige Sicherheit gegen die Verstopfung der Pumpen durch Sand bezeichnet wird). Das Material (Matten, Hölzer, Bretter, Lattengitter usw.) und die Art der Garnierung richtet sich nach Seemannsbrauch. Über die Garnierung bei Getreideladungen s. HansOLG.

und RG. Hbl. 1904 Nr. 60, 142. Wo der Seemannsbrauch nicht von der Anbringung einer Garnierung überhaupt befreit (z. B. bei Eisenladungen in bestimmter Stauung, die das Schiff ausfüllen: OSeeA. 1, 279; bei Brennholzladungen: OSeeA. 7,74), hat der Schiffer Sorge zu tragen dafür, daß eine Garnierung hergestellt werde, durch welche ohne unverhältnis­ mäßigen Kostenaufwand die Ladung möglichst gesichert wird (HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 92; Hbl. 1897 Nr. 90). Mit den sich hieraus ergebenden Einschränkungen hastet er für

202 § 514.

§ 515.

III. Abschnitt: Schiffer.

die durch das Fehlen HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 27; 1915, 262; (RG. 25 Nr. 24; NG. Hbl. 1894 Nr. 45), Mangelhaftigkeit (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 91; 1905 Nr. 118; 1915 Nr. 67: fehlende Abmattung gegen gestreuten Kalk), schädliches Material (OAG. Berlin SeuffA. 24 Nr. 71), brauchwidrige Anbringung der Garnierung entstandenen Schaden. Wo eine schadenstiftende Berührung der Ladung mit Schmutz des Schiffsbodens und Bilgenwasser stattgefunden hat, ist das Fehlen des Garniers, als der durch Seemannsbrauch erprobten, üblichen und erforder­ lichen Maßregeln zur Verhütung derartigen Schadens unbedenklich als ursächlich für den eingetretenen Schaden zu betrachten (HansOLG. Hbl. 1896, 100). Da die Anbringung der Garnierung zur Stauung gehört, gilt von der Haftung für sie das oben Anm. 4 ff. Gesagte. Unter die unsachgemäße Stauung („improper stowage“) fällt auch der Mangel einer Garnierung (HansOLG. Hbl. 1915, 262). § 515.

wenn der Schiffer int Auslande die dort geltenden Vorschriften, ins­ besondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesehe, nicht beobachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Desgleichen hat er den Schaden zu ersetzen, welcher daraus entsteht, daß er Güter ladet, von betten er wußte oder wissen mußte, daß sie Kriegs­ konterbande seien. Haftung des Schiffers für Schaden, der entsteht aus der Nichtbeobachtung ausländischen Rechts und auS der Verladung von Kriegskonterbande. Vgl. Vorbemerkung, Einleitung und Anm. 1 zu 8 513. Anm. 1. 1. Richtbeobachtung ausländischen Rechts an dessen GeltungSort macht den Schiffer ersatz­ pflichtig. a) Der Paragraph spricht nur von ausländischen Vorschriften. Natürlich haftet der Schiffer auch wegen schuldhafter Verletzung der entsprechenden inländischen Vorschriften aus § 511 (svgl. Mittelstem Handb. 89 für das entsprechende Binnenschiffahrtsrechr)); da indessen der inländische Reiseinteressent die letzteren gleichfalls zu kennen hat, so wird man, falls ein Tun oder Unterlassen des letzteren mit zu dem schädigenden Erfolge beiträgt, höhere Ansprüche an das Vorhandensein eines Verschuldens des Schiffers zu stellen bzw. leichter ein konkurrierendes Verschulden des Geschädigten (unten Anm. 5) anzunehmen haben als bei Verletzungen des ausländischen Rechts. Dagegen hat im Verhältnis zu ausländischen Be­ frachtern bei Nichtbeobachtung inländischer Vorschriften durch den Schiffer der § 615 zwar keine direkte (so Doyens 1, 339 Note 1), aber analoge Anwendung zu finden. Anm. 2. b) Unter Vorschriften sind nicht nur gesetzliche, sondern Rechts- und Berwaltungsvorschriften im weitesten Sinne zu verstehen. Es kommen sowohl in Betracht solche des öffentlichen Rechts, als solche des Privatrechts (z. B. des Seefrachtrechts). Beispiele aus der Praxis: Verletzung von.Ein- und Durchfuhrverboten (OAG. Lübeck Entsch. in Hamb. Rechtssachen 4, 456ff.; OAG. Lübeck Kierulff 2,413); falsche Deklaration von Waren bei der Steuerbehörde (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 84). Anm. 3. c) Die Nichtbeobachtung muß auf Verschulden des Schiffers beruhen (L. Perels 388): denn § 515 bildet einen Anwendungsfall des § 511. Gerade auf dem Gebiete der Polizei-, Zollund Steuervorschriften sind Fälle häufig, in denen durch schuldlose Unkenntnis oder sonstige schuldlose Nichtbefolgung Schaden angerichtet wird: für letzteren hat der Schiffer nicht zu haften. Dagegen selbstverständlich für Schaden, der entsteht durch eine fahrlässige Nichtkenntnis: denn es entspricht der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers, sich, sofern ihn die Reise in aus­ ländische Gewässer oder Häfen führt, über die dort geltenden Vorschriften zu orientieren. Ob er hierbei auch für die Fahrlässigkeit seiner etwaigen Berater, bei deren Auswahl ihn kein Ver­ schulden trifft, aufkommen muß (bejahend Wagner 371 Note 12,388; verneinend L. Perels 388 Note 256), ist Frage des Einzelfalles und hängt davon ab, ob er die Auskunft des Beraters

III. Abschnitt: Schiffer.

203

ohne Nachprüfung hinnehmen durfte. — Alle Usancen fremder Häfen zu kennen, kann ihm § 51L. nicht wohl zugemutet werden (HansOLG. Hbl. 1902, 296). — Eine auch dem Schiffer zugute kommende Überwälzung gewisser Zollstrafen auf die Ladungsbeteiligten enthält die Hbl.

1880, 218 wiedergegebene Klausel. 2. Verladung von KriegSkonterbande. Auch die Beobachtung völkerrechtlicher Normen gehört Anm. 4. zur Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers. Völkerrechtliche Delikte sind insbesondere der Blockadebruch und die Beförderung von Kriegskonterbande. s(Daß dieser Begriff schwankend und in jedem Kriege anders ist, ist schon Prot. 1761 bemerkt und durch die Ent­ wicklung dieses Begriffs im Weltkrieg bestätigt (s. die PrO. vom 30. Sept. 1909 und ihre vielfachen, zuletzt in der VO. vom 18. Jan. 1918, RGBl. 43, aufgezählten Änderungen)).

Nach § 515 macht den Schiffer schadensersatzpflichtig schon die Ladung von Kriegskonterbande; er haftet also z. B. für die Verzögerung, die daraus entsteht, daß schon vor Beginn der Be förderung die geladene Kriegskonterbande durch die Behörde des Ladehafens beschlagnahmt wird. Das Erfordernis des Verschuldens ist in diesem Fall ausdrücklich im Gesetz genannt: der Schiffer haftet nur dann, wenn er wußte oder wissen mußte (BGB. § 122), daß die von ihm geladenen Güter Kriegskonterbande seien. Erfährt er es erst nachträglich, so hat er die Verpflichtung, sich derselben in geeignetster Weise zu entledigen, in dringenden Fällen sogar, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, sie über Bord zu werfen (§ 563 Abs. 4). 3. KonturrierendeS Verschulden des Beschädigten. Für die Fälle des Abs. 1 u. 2 gilt gemeinsam Anm. 5. der Satz, daß, falls bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mit­ gewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang desselben von den Umständen ab­ hängt, insbesondere davon, wer den Schaden überwiegend verursacht hat (BGB. § 254). Es entscheidet hierüber freies richterliches Ermessen. Hiernach dürfte der Schiffer dem Be­ schädigten haften, wenn die Übertretung der in § 515 genannten Normen vom Schiffer vor­ sätzlich, vom Beschädigten fahrlässig begangen ist, dagegen die Haftung gegenüber diesen Interessenten wegfallen, wenn beide vorsätzlich handelten. Bei beiderseitiger Fahrlässigkeit sind deren Grade gegeneinander abzuwägen. So ist Nichtkenntnis ausländischer, den Transport betreffender Zollgesetze bei dem Schiffer weniger entschuldbar als bei dem Befrachter (vgl. OAG. Lübeck Kierulff 2, 412 ff.).

§ 516.

8 516.

Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, bat der Schiffer die Reise bei der ersten günstigen Gelegenheit anzutreten. Auch wenn er durch Arankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, darf er den Abgang des Schiffes oder die lveiterfahrt nicht ungebührlich aufhalten; er muß vielmehr, wenn Zeit und Umstände gestatten, die Anordnung des Reeders einzuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegengesetzten Falle einen anderen Schiffer einsetzen. Für diesen Stell­ vertreter ist er nur insofern verantwortlich, als ihm bei dessen lvahl ein verschulden zur Last fällt. Pflicht des ungesäumten Reiseantritts. Verhalten des Schiffers in Behinderungsfällen. 1. Verpflichtung zum «ugesäumte« Reiseantritt. Wenn das Schiff zum Abgehen fertigAnm. 1. ist, d. h. wenn ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis dem Reiseantritt nicht entgegen­ steht (Anm. 2 zu 8 482), so hat der Schiffer bei der ersten günstigen Gelegenheit die Abfahrt zu bewerkstelligen. Unmotiviertes Zögern macht ihn schadensersatzpflichtig; Vorhandensein und Gewichtigkeit der Hinderungsgründe hat er den Reiseinteressenten nachzuweisen. — Ohne weiteres ist die Bestimmung des Abs. 1 auf das Verhalten des Schiffers

204 § 516.

III. Abschnitt: Schiffer.

nach dem Reiseantritt, also auf die Fortsehung der Reise, analog anzuwenden (Meier BuschsA. 30, 61). Der Schiffer darf also nicht ohne Not die Reise unterbrechen oder Abweichungen von der Reiseroute („Deviationen": Zusatz zu §536) vornehmen, anb er muß, wenn eine Unterbrechung erfolgt ist, ohne überflüssigen Aufenthalt die Weiterreise antreten (OAG. Lübeck Sammlung in Hamb. Rechtssachen 1, 317 und bei Kierulff 6, 482 ff.; Ullrich 1 Nr. 51 svgl. den hamburgischen Schiedsspruch HansNZ. 2, 579]). Uber Kriegsgefahr als

Hinderungsgrund der Ab- und Weiterreise s. Anm. 24 zu § 511. Anm. 2. 2. Verhalten deS Schiffers in Behinderungsfällen. Der Schiffer kann durch Krankheit oder andere Ursachen, z. B. Verhaftung, verhindert sein, das Schiff zu führen. Es ist alsdann, gleichviel, ob es sich um Abgang oder um Weiterfahrt des Schiffes handelt, Pflicht des zum Handeln fähigen Schiffers, ungebührlichen Aufenthalt zu vermeiden. Indessen darf er nicht etwa im Krankheitsfälle sich zumuten, mit unzureichenden Körper- oder Geisteskräften die Führung des Schiffs beizubehalten (OSeeA. 2, 393). Es gilt vielmehr folgendes. a) Ist das Hindernis derartig, daß es nach pflichtgemäßem Ermessen des Schif­ fers in einer im Verhältnis zur Dauer oder Eiligkeit der Reise kurzen Zeit behoben sein wird, so hat der Schffer, weil die Nachteile eines Kommandowechsels schwerer sind als diejenigen der Zeitversäumnis, den Abgang oder die Weiterfahrt des Schiffes aufzuhalten: der Aufenthalt ist alsdann kein ungebührlicher. Doch lassen sich sehr wohl Fälle denken, in denen der Schiffer aus praktischen Gründen das Schiff unter Führung eines Ver­ treters abgehen lassen wird, um es im nächsten Hafen, den er durch andere Verkehrsmittel schneller erreichen kann, wieder zu treffen. Anm. 3. b) Ist das Hindernis nach Sachlage von unverhältnismäßig langer oder nicht vorauszusehender Dauer, wäre also ein Aufenthalt bis zur Beseitigung desselben unge­ bührlich, so hat der Schiffer, a) wenn Zeit und Umstände dies gestatten, die Anordnungen des Reeders einzuholen und die bis zum Eintreffen derselben erforderlichen geeigneten Vorkehrungen zu treffen. Zu rechnen ist hierher die Bestellung eines vorläufigen Vertreters oder, wenn nicht sofortige Anordnungen des Reeders zu erwarten sind, gemäß KonsOG. § 35 (Anm. 7 zu § 511 Note 1) ein Antrag an den zuständigen Reichskonsul auf Ernennung eines neuen Schiffsführers. Anm. 4. ß) Wenn die Benachrichtigung des Reeders mit Rücksicht auf Zeit oder Um­ stände untunlich ist, sofort einen anderen Schiffer einzusetzen. Er ist hierbei nicht (wie nach § 517 Abs. 1) an die Personen der Schiffsmannschaft gebunden, braucht auch nicht gerade eine Person zu wählen, welche den gewerberechtlichen Anforderungen entspricht (Anm. 5 zu § 511). Er haftet für culpa in eligendo, die ihm nachzuweisen ist (eine Milderung gegenüber BGB. § 831: L. Perels 393), ist aber im übrigen für den Gewählten nicht ver­ antwortlich s(der in § 516II^unzutreffend als Stellvertreter bezeichnet wird (vgl. Mittelstein Handb. 80)]. Erfüllt er seine Ernennungspflicht nicht, so kann im Auslande der Reichskonsul einen neuen Schiffer ernennen, entweder auf Antrag der Beteiligten (Reeder, Besatzungs­ mitglieder, Reisenden, Ladungsbeteiligten) nach KonsOG. § 35, oder auch ohne diesen Antrag, auf Grund seiner Polizeigewalt nach Absetzung des bisherigen Schiffers gemäß § 33 dieses Gesetzes (Anm. 7 zu § 511 Note 1). Anm. 5. Der von dem Schiffer oder von bem Reichskonsul, als gesetzlichen Vertretern des Reeders eingesetzte Schiffer hat, mangels anderweitiger Vereinbarung, Anspruch auf an­ gemessene Vergütung; falls der Ernannte zur Mannschaft gehört hat, hat diese, sofern keine besonderen Umstände hinzutreten, der im Heimatshafen für derartige Reisen üblichen Kapitänsgage zu entsprechen (ROHG. 22, 54), dagegen bietet für ein Nicht-Mannschafts­ mitglied die am Ernennungsort gebräuchliche Kapitänsgage eine geeignetere Richtschnur dar. Anm. 6. Zusatz. Eintritt deS Steuermanns als Schiffer. Ist der Schiffer gestorben oder sonst außerstande, den oben dargestellten Pflichten zu genügen, so tritt an seine Stelle als „proviso­ rischer Vertreter" (Ehrenberg KrBJSchr. 21, 173) der Steuermann. Wenn das Gesetz dies auch nicht ausdrücklich sagt, so folgt es doch aus §§ 517 Abs. 1, 522 Abs. 3; SeemO. §§ 2, 65

III. Abschnitt: Schiffer.

205

und PStG. § 63, sowie überhaupt aus dem Wesen der Schiffshierarchie (Prot. 1769 ff.; ROHG. § 516. 22, 49): er ist „heres necessarius“ des Schiffers (Maclachlan 175). Der Eintritt des Steuer­ manns erfolgt ipso jure (Prot. 3830 ff.), ist deshalb davon unabhängig, ob der Eintretende die gewerberechtliche Schifferqualifikation hat oder nicht. Der eingetretene Steuermann hat die Rechte und Pflichten eines jeden Schiffers, in nautischer wie in rechtsgeschäftlicher Beziehung (anderes Prot. 1770 und Wagner 244; richtig Doyens 1, 342 Note 4). Er hat gemäß § 534 dem Reeder über die Sachlage zu berichten und, wenn der letztere eine andere Person zum Schiffer macht, seinen Platz wieder zu räumen. Ferner ist er berechtigt, gemäß KonsOG. § 35 beim Reichskonsul den Antrag auf Ernennung eines neuen Schiffers zu stellen. Eine Pflicht hierzu besteht dagegen — von Ausnahmefällen abgesehen — nicht (richtig: Lewis 1,115 Anm. 2; Boyens 1, 341 Note 2). Die Ansicht von Ehrenberg (a. a. £).), der Steuermann müsse so handeln, wie der dauernd verhinderte Schiffer hätte handeln müssen, d. h. er müsse bei Untunlichkeit der Anrufung des Reeders sofort für Einsetzung eines neuen Schiffers sorgen, würde dazu führen, daß der Steuermann gemäß Abs. 2 einen neuen Schiffer einsetzen könnte. Der eingetretene Steuermann hat keinen Anspruch auf Kapitänsgage. Es geht dies daraus hervor, daß der evtl. Eintritt in die Kapitänsstellung zu seinen aus dem Gesetze sich ergebenden Steuermannspflichten gehört. [(M) Daraus möchte ich nicht folgern, daß der Steuermann die neue Stellung ohne entsprechende Erhöhung seiner alten Gage übernehmen muß.] Wenn auf einem Schiff ein Steuermann nicht vorhanden oder derselbe gleichfalls Anm. 7. weggesallen ist, liegt der Eintritt in die Schifferstellung dem Rangältesten, evtl, bei gleichem Range dem an Lebensalter Vorgehenden ob. Das Rechtsverhältnis dieser Personen zu den Reiseinteressenten richtet sich nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag; eine Haftung wird gemäß BGB. § 680 nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit angenommen werden können (vgl. Prot. 3830 ff.; Ehrenberg a. a. O.; Boyens 1, 342), dagegen bleibt die Haftung des Reeders für jedes Verschulden des Eintretenden (§ 485) unberührt. Hat der Ein­ tretende nicht die zur Führung des Schiffes erforderlichen Fähigkeiten (Bildungsgrad, Er­ fahrung), so ist seine Hauptpflicht die tunlichst schleunige Stellung eines Antrages an den Reichs­ konsul auf Ernennung eines neuen Schiffers.

8 517.

§ 517.

Vom Beginne des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung darf der Schiffer das Schiff gleichzeitig mit dem Steuermanne nur in dringenden Fällen verlassen; er hat in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsoffizieren oder der übrigen Mannschaft einen geeigneten Vertreter zu bestellen. Dasselbe gilt auch vor dem Beginne des Ladens und nach der Be­ endigung der Löschung, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Reede liegt. Bei drohender Gefahr oder wenn das Schiff sich in See befindet, muß der Schiffer an Bord sein, sofern nicht eine dringende Notwendigkeit seine Abwesenheit rechtfertigt. Pflicht der Beaufsichtigung des Schiffes. Sie ist in gewissen Fällen insofern eine quali- Einleitung, fixierte (Wagner 217), als der Schiffer das Schiff nicht oder nur unter gewissen Kautelen verlassen darf. I. Die einzelne« Fälle der qualifizierten Beaufsichtigungspflicht. An«. 1. 1. Der Schiffer darf daS Schiff nicht gleichzeitig mit dem Steuermann, feinem natiirliche» Vertreter (Anm. 6 zu 8 516) verlassen — d. h. beide dürfen nicht gleichzeitig von Bord entfernt sein:

a) vom Beginne des Ladens bis zur Beendigung der Löschung, also in der Zeit, während deren Fürsorge für die Ladung zu treffen ist;

206

III. Abschnitt: Schiffer.

§ 517. b) auch außerhalb dieser Zeit, wenn daS Schiff in einem nicht sicheren Hasen oder auf einer

Anm. 2. 2. a)

b)

II. Anm. 3. 1. a)

b)

Anm. 4. 2.

nicht sicheren Reede liegt. Ausnahmen sind nur in dringenden Fällen statthaft (bloßer Urlaub des Reeders wirkt nach § 512 Abs. 2 u. 3); alsdann hat der Schiffer — ebenso der Steuermann, der in Ab­ wesenheit des Schiffers aus dringenden Gründen das Schiff verläßt — einer, geeigneten Vertreter aus der Zahl der Schiffsmannschaft zu bestellen und ihn mit eingehenden In­ struktionen zu versehen (vgl. OSeeA. 7, 602); außerdem muß auf einem Dampfschiff mindestens ein Maschinist oder geeigneter Vertreter an Bord sein (UVV. § 4 Abs. 4). Der Steuermann bzw. der bestellte Vertreter wird in Abwesenheit des Schiffers nickt selbst zum Schiffer, doch hat er dessen Funktionen wahrzunehmen, also alles zu erledigen, was der Er­ ledigung bedarf, insbesondere auch die Entgegennahme von Ladungsgütern (ROchG. 20, 121). Aus der Bestimmung des Abs. 1 folgt übrigens nicht, daß der Schiffer stets berechtigt wäre, von Bord zu gehen, sobald der Steuermann an Bord ist; er darf dies vielmehr nur, wenn er es nach Sachlage mit der Sorgfalt eines ordent­ lichen Schiffers vereinen kann (Prot. 3753, 3892). Der Schiffer mutz stets an Bord fein bei drohender Gefahr. Erfährt er von derselben, wenn er nicht an Bord ist« so hat er, wenn möglich, sich schleunigst an Bord zu begeben (Prot. 3893). Nichterkenntnis der Gefahr macht ihn, wenn sie durch Fahrlässigkeit verursacht ist, haftbar, wie wenn er sie gekannt hätte (HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 71). Beispiele: Festsitzen des Schiffes (OSeeA. 2, 161), Sturm (OSeeA. 5, 586), Gefahr der Verschlechterung von Schiff oder Ladung nach der Strandung (OSeeA. 2, 715; 9, 287) oder einem sonstigen Unfall (OSeeA. 1 S. 647, 653); Explosionsgefahr (HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 32; RG. 8, 167). Nach der wohlbegründeten Praxis der Seeämter trifft der Paragraph auch das nicht durch die Umstände gebotene nötige Verlassen eines leck gewordenen oder ge­ strandeten Schiffes (OSeeA. 3 S. 177, 447; 4, 603; 5, 33; 6, 106; 7, 570), weil hierbei Schiff und Ladung in drohender Gefahr zurückgelassen werden; ebenso das Verlassen des aufgegebenen Schiffes durch den Schiffer, bevor es der letzte Mann der Mannschaft ver­ lassen hat (OSeeA. 4 S. 88, 438), weil sonst der zurückbleibende Teil in Gefahr zurück­ gelassen wird. Wenn sich das Schiff in See befindet. Ausnahmen sind nur durch dringende Notwendigkeit zu rechtfertigen (z. B. wenn der Kapitän das Schiff verläßt, um persönlich Hilfe zu holen, weil nur von seinen Be­ mühungen Erfolg zu erwarten ist: OSeeA. 5, 217). Doch gilt auch hier der Satz des Abs. 1 und, für Dampfschiffe, derjenige des § 4 Abs. 4 der UVV. (oben Anm. 1). Haftung und BeweiSlast. Haftung. Der Schiffer, welcher ungerechtfertigt das Schiff verlassen hat, haftet für alle diejenigen Schäden, für die seine Pflichtwidrigkeit kausal ist (RG. 8, 167 ff.), insbesondere diejenigen, welche er, wäre er an Bord gewesen, durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers hätte verhindern oder abschwächen können (vgl. HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 71). Der Schiffer, welcher gerechtfertigterweise das Schiff verlassen hat, haftet insofern für das, was in seiner Abwesenheit geschieht, als er es unterläßt, unter Anwendung der Sorgfalt des § 511 nach seiner Rückkehr eine Beaufsichtigung und Kontrolle auszuüben (z. B. über die in seiner Abwesenheit erfolgte Stauung, Garnierung, Verproviantierung usw.: Prot. 1779). Ferner haftet er nach BGB. § 831 (L. Perels 393). Die BeweiSlast folgt den allgemeinen Regeln (Anm. 31 zu § 511). Wo sich also der Schiffer überhaupt zu exkulpieren hat, muß er beweisen, daß er nicht ohne gesetzliche Rechtfertigung das Schiff verlassen hat. In den übrigen Fällen ist ihm das Verlassen des Schiffes im Be­ streitungsfalle nachzuweisen — dasselbe stellt sich, soweit die qualifizierte Beaufsichtigungs­ pflicht reicht, prima facie als Pflichtwidrigkeit dar —, wogegen es ihm unbenommen bleibt, einen der gesetzlichen Ausnahmefälle darzutun.

III. Abschnitt: Schiffer.

207

§ 518.

8 518.

wenn der Schiffer in Fällen der Gefahr mit den Schiffsoffizieren einen Schiffsrat zu halten für angemessen findet, so ist er gleichwohl an die ge­ faßten Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt stets für die von ihm getroffenen Maßregeln verantwortlich. Schisssrat.

Einleitung.

Jeder Schiffer wird in die Lage kommen, in gefahrvollen Situationen über die zu tref­ fenden Maßregeln im Zweifel zu sein und des Nates anderer in der Seefahrtspraxis erfahrener Männer zu bedürfen. Um dem zu genügen, kann er einen Schiffsrat berufen.

SchiffSrat ist eine Versammlung der SchiffSofsiziere, in Fallen der Gefahr vom Schiffer berufen zwecks Abgabe eines Gutachtens über die zu treffenden Maßregeln. Hierzu ist zu bemerken:

1. Der Schiffsrat ist eine Versammlung der SchiffSossiziere.

1.

2.

2.

3.

a)

b)

Wer Schiffsoffizier ist, sagt Anm. das HGB. nicht (vgl. darüber Anm. 4 zu § 481). Für den Schiffsrat kommt nicht in Be­ tracht, wer für die Ofsiziersstellen angemustert ist, sondern wer sie tatsächlich wahr­ nimmt. Sonstige Mannschaftsmitglieder gehören nicht in den Schiffsrat (Prot. 1788). Eine vom Schiffer berufene Versammlung. Eine Versammlung der Offiziere unter sich Anm. ist kein Schiffsrat. Der Schiffer ist zur Berufung des Schiffsrats niemals verpflichtet; doch ist sie vielfach für ihn praktisch wertvoll, weil er, wenn er den Beschlüssen des Schiffs­ rats folgt, Dritten gegenüber mehr als die eigene Autorität für die von ihm getroffenen Maßregeln in die Schale werfen kann. Zwecks Abgabe einer gutachtlichen Äußerung. Anm. Der Schiffsrat hat einen Beschluß über die ihm vorgelegten Fragen zu fassen; hierbei ent­ scheidet die Mehrheit der Stimmen (Goldschmidt GoldschmidtsZ. 35, 367). Die Beschlüsse sind in das Tagebuch einzutragen (§ 520). Der Beschluß hat nur die Bedeutung eines Gutachtens, durch das die Ansicht des Schiffers Anm. geklärt werden soll (OSeeA. 15, 791). Der Schiffer ist nicht verpflichtet, danach zu handeln, und ist, wenn er es tut, dennoch allein für seine Maßregeln verantwortlich. Der Schiffsrat hat also nur beratende Stimme.

§ 519.

3.

4.

§ 51».

Auf jedem Schiffe muß ein Tagebuch geführt werden, in welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Einnehmer: der Ladung oder des Ballastes begonnen ist, einzutragen sind. Das Tagebuch wird unter der Aufsicht des Schiffers von dem Steuer­ mann und im Falle der Verhinderung des letzteren von dem Schiffer selbst oder unter seiner Aufsicht von einem durch ihn zu bestimmenden geeigneten Schiffsmanne geführt. Die §§ 519—521 treffen Bestimmungen über die Führung des Schiffstagebuchs. Da Einleitung, sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen, so stand ihrer Ergänzung auf landesgesetz­ lichem Wege nichts entgegen. Diese ist in sämtlichen Bundesseestaaten durch eine verein­ barungsgemäß gleichlautende Vorschrift, die „Tagebmhverordmmg", erfolgt sabgedruckt Zu­ satz 2 zu § 520).

8 519 statuiert die Pflicht zur Führung deS Tagebuchs, gibt eine allgemeine Vorschrift über den Inhalt desselben «nd bezeichnet die Personen, die für die Führung z« sorgen haben. 1. Begrifs «nd Bedeutung deS Tagebuchs. Den größten Teil der Zeit, welche sich das Schiff Anm. 1. auf der Reise befindet, ist es, soweit nicht funkentelegraphische Verbindung besteht, von der

208 § 519,

III. Abschnitt: Schiffer.

übrigen Welt abgeschlossen, bildet gewissermaßen eine Welt für sich; was auf ihm vorgeht, gelangt erst, nachdem es das Land erreicht, vielfach erst nach Beendigung der Reise, zur Kenntnis der daran interessierten Personen. Deshalb ist es notwendig, daß über die vielen, teils privatrechtlich, teils staats- oder strafrechtlich erheblichen Vorfälle, die sich an Bord des Schiffes während der Reise ereignen, ein zuverlässiges Zeugnis geschaffen wird, welches für den Beweis jener Begebenheiten als Grundlage zu dienen und evtl, das persönliche Zeugnis jener Personen zu ersetzen geeignet ist. Diesem Zwecke dient das Tagebuch (Schiffsjournal, englisch log book). Dasselbe ist eine nach Tagen geordnete Aufzeichnung aller das Schiff, die Ladung und zum Teil auch die auf dem Schiff befindlichen Per­ sonen betreffenden privat- und öffentlichrechtlich erheblichen Vorgänge, welche sich während der Reise ereignen.

Anm. 2. 2. Inhalt deS Tagebuchs. In das Tagebuch sind einzutragen für jede Reise alle erheb­ lichen Begebenheiten, von dem Beginn des Einnehmens der Ladung oder des Ballastes ab.

a) Für jede Reise: s. u. zu 3d (Anm. 9). Anm. 3. b) Alle erheblichen Begebenheiten. Dies sind nicht etwa nur außergewöhnliche Ereignisse, sondern alles das, was auf einer Seereise überhaupt Wichtiges vorkommt. Was im ein­ zelnen einzutragen ist, besagen § 520, die TBV. und andere gesetzliche Bestimmungen. Die Erheblichkeit der Eintragungen kann verschiedener Natur sein, nämlich:

Anm. 4.

oc) Ausschließlich privatrechtlich. Hier sind zu nennen diejenigen Eintragungen, die Rechtsverhältnisse der Schiffsbesatzung betreffen (§ 520 Abs. 2 s„ Veränderungen im Per­ sonal der Schiffsbesatzung"j; SeemO. §§ 43, 57, 70, 89). Anm. 5. ft) Ausschließlich oder vorwiegend öffentlichrechtlich. Hierher gehören diejenigen Eintragungen, welche die Tätigkeit des Schiffers aoc) als Vertreters der Staatsgewalt (Anm. 15 zu § 511), und zwar 1. als Standesbeamten (§ 520 Abs. 3; PStG. § 61), 2. als Inhabers der Polizeigewalt (§ 520 Abs. 3; SeemO. §§ 98, 99, 126 ff.), 3. als Nachlaßverwalter (TBV. § 1 c Nr. 9), 4. als Behörde für die Entgegennahme von Einsprüchen gegen seeamtliche Bescheide (SeemO. § 124 Abs. 2); ftft) als Inhabers der Disziplinargewalt (§ 520 Abs. 3; SeemO. § 92) betreffen. Anm. 6. y) Zugleich privatrechtlich und öffentlichrechtlich. Hierher gehört die Eintragung der großen Masse der übrigen Reiseereignisse, mögen sie Beobachtungen geographischer oder nautischer Natur, Unfälle des Schiffes, der darauf befindlichen Personen oder der Ladung, Maßregeln des Schiffers, Beschlüsse des Schiffsrats oder sonstige Angelegen­ heiten von Bedeutung sein. Ihre Aufzeichnung hat den Zweck, aoc) dem Reeder und den Reiseinteressenten ein Bild der sie betreffenden Vorgänge zu geben, mittels dessen sie die Angaben des Schiffers oder sonstiger Zeugen kontrollieren

können; ftft) dem Schiffer das Material zum Ausweis seiner Diligenz zu gewähren; YY) dem Seeamt, sofern es zur Untersuchung von Seeunfällen in Tätigkeit tritt, Unter­ suchungsmaterial zu liefern, insbesondere auch zur Beurteilung der Frage, ob dem Schiffer

das Patent zu entziehen fci; 88) auch dem Zivil- oder Strafgericht, das sich mit Vorgängen der Reise befaßt, Beweis­ material zu schaffen.

Anm. 7. c) Seit mit dem Einnehmen der Ladung oder deS Ballastes begonnen ist. Frühere Er­ eignisse, die sich im Abgangshafen abspielen, brauchen demnach nicht berücksichtigt zu werden, soweit sich nicht ihre Wirkung auch auf die Zeit nach dem Ladungsbeginn erstreckt. — Wenn hiernach der Ladungsbeginn als der Anfangsmoment der Reise im Sinne des § 519 anzusehen ist, so sagt das Gesetz nichts darüber, welchen Augenblick es als den Endpunkt der Reise betrachtet (vgl. Prot. 1792). Da aber mit Wagner 393 und Boyens 1, 349 unter

209

III. Abschnitt: Schiffer.

Reise im Sinne des § 519 die Frachtreise zu verstehen ist, so ist die Tagebuchführungspflicht § 51V. zu Ende, sobald a) im Bestimmungshafen die eingenommene Ladung gelöscht wird, ß) die Rückladung, oder wenn das Schiff in Ballast zurückfährt, der Ballast im Ausgangs­

hafen gelöscht wird. In der Praxis wird indessen meist (vgl. auch Lewis Endemann Handb. 4, 78 Anm. 5) Hin- und Rückreise des Schiffes als eine Reise angesehen und demgemäß die Tagebuch­ führung auch auf die Zwischenzeit zwischen Löschung der ausgehenden und Einnahme der Rückladung (bzw. des Ballasts) ausgedehnt. 3. Form deS Tagebuchs. Dasselbe ist zu führen Anm. a) nach einem nunmehr einheitlich von sämtlichen Bundesseestaaten festgestellten Schema, in welchem sich für jeden Tag die vorgeschriebenen Rubriken befinden (vgl. Anlage I u. II zur TBV.). b) Fortlaufend, d. h. in einem mit laufenden Seitenzahlen versehenen Bande, bis dieser voll- Anm. geschrieben ist; also auch dann, wenn mehrere Reisen in Frage kommen: es darf nicht etwa für jede neue Reise ein neues Tagebuch angefangen werden (OSeeA. 2, 616; Wagner 393; anders Lewis 1, 118). Es ergibt dies der Text des Gesetzes, welches die Eintragung ge­ wisser Begebenheiten in das Tagebuch für jede Reise anordnet. c) Einheitlich, d. h. es dürfen nicht auf einem Schiffe von mehreren Personen mehrere Tage-Anm. bücher geführt werden (OSeeA. 3, 151). d) Äußerlich ordnungsmäßig. Hiernach ist jede Eintragung in die dazu bestimmte Kolonne Anm. zu bewirken (OSeeA. 9, 312). Herausreißen von Blättern ist unter allen Umständen ord­ nungswidrig (OSeeA. 1, 307; 2, 95); auch Radierungen sind unstatthaft und ebenso wie Durchstreichungen, Einschaltungen und sonstige äußere Mängel zu vermeiden (OSeeA. 1 S. 442 ff., 473, 283; 2, 299; 3 S. 67, 122, 209; 4, 562; 5 S. 716, 83; 8, 680). e) Möglichst direkt in daS Tagebuch ist einzutragen, d. h. es darf nicht etwa nur eine Kladde Anm. geführt werden, aus der nachträglich das Tagebuch zusammengeschrieben wird (OSeeA. 2 5. 95, 619, 622; 6 S. 152, 296 ff.). Wird, wie-allgemein gebräuchlich, eine Kladde ge­ führt, so ist der Inhalt täglich zu übertragen (Prot. 1799; OSeeA. 4, 61 ff.); nachträgliche Übertragungen müssen durch besondere Umstände gerechtfertigt sein (OSeeA. 3, 351: 5, 716;

8.

9.

10. 11.

12.

6, 591 ff.). Nach Beendigung der Reise ist das Tagebuch abzuschließen (OSeeA. 9, 209); nach dem Abschluß sind keine Eintragungen mehr zu machen (OSeeA. 8, 240 ff.). 4. Person deS FührungSpflichtigen. Das Tagebuch ist zu führen Anm. 13. a) regelmäßig: unter Aussicht deS Schissers vom Steuermann. «) Der zur Führung Verpflichtete ist der Steuermann. Trotzdem wird man mit OSeeA. 1, 326 die Führung durch den Schiffer selbst nicht als Ordnungswidrigkeit bezeichnen dürfen, und das Seeamt Stettin (OSeeA. 5, 717) geht deshalb zu weit, wenn es in jedem Falle die Angabe der Hinderungsgründe des Steuermanns verlangt. Denn da gewisse besonders wichtige Eintragungen, wie diejenigen nach PStG. § 61 und nach SeemO. §§ 43, 57, 70, 89, 92, 98, 99, 124 vom Schiffer selbst zu machen sind (anders für die Eintragungen nach der SeemO. Brodmann GoldschmidtsZ. 56, 203 ff. Es ge­ nügt natürlich die Unterschrift der von anderer Hand gemachten Eintragung durch den Schiffer: Pappenheim 2, 676 Note 1; L. Perels 412 svgl. über die Streitfrage Hansa 1903, 446]), kann nicht angenommen werden, daß ihm dies in anderen Fällen verwehrt sein soll (OSeeA. 1, 443). Sicherlich ist die Führung durch den Schiffer dann gerecht­ fertigt, wenn der Steuermann, wie in dem Falle OSeeA. 5, 206 ff., der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Aus der primären Verpflichtung des Steuermanns ergibt sich, daß derselbe auch bei Führung des Tagebuchs durch den Schiffer mitverantwortlich bleibt (OSeeA. 5, 717) und daß ihm die Einsicht des Tagebuchs nicht verweigert werden darf (OSeeA. 7, 529). ß) Unter Aussicht deS Schiffers. Pflicht des Schiffers ist es, die Eintragungen des Steuer- Anm. 14. manns ständig (OSeeA. 2, 689) zu beaufsichtigen und auf Form und Inhalt nachzuSchaps, Seerecht. 2. Aufl.

14

210

§ 519.

Anm. 15. b)

Anm. 16. c) Anm. 17. 5.

Anm. 18. 6.

8 520.

III. Abschnitt: Schiffer.

prüfen. Kann er seine abweichende Meinung nicht mit derjenigen des Steuermanns in Einklang bringen, so hat er ihr im Tagebuchtext Ausdruck zu geben, aber nicht in der Art, daß er Eintragungen des Steuermanns ohne dessen Genehmigung abändert oder, wie in dem Falle OSeeA. 11, 490, ohne Rücksprache mit dem Steuermann der Ein­ tragung des letzteren den Randvermerk „falsch" beifügt. — Der Schiffer haftet für culpa in inspiciendo. Aus der Pflicht des Schiffers, die Tagebuchführung zu beaufsichtigen, ergibt sich die Sorge für ausreichende Tagebuchformulare (OSeeA. 10, 73 ff.) und vor allem die Verpflichtung bei Seeunfällen alles aufzubieten, damit das Tagebuch erhalten und gerettet wird (TBV. § 5), ebenso die Kladde, falls eine solche geführt wird und ihr Inhalt noch nicht übertragen ist (OSeeA. 6 S. 116, 571; 10, 639). Auch nach Beendi­ gung der Reise ist das Tagebuch sicher aufzubewahren, nach OSeeA. 2, 616 ff. solange das Schiff existiert, nach TBB. § 4 fünf Jahre vom Tage der letzten Eintragung. Im Falle der Verhinderung deS Steuermanns vom Schiffer selbst. Derselbe ist aber befugt, die Tagebuchführung einem von ihm zu bestimmenden, dazu geeigneten Schiffs­ mann zu übertragen. Er haftet hierbei für culpa in eligendo nach BGB. § 831 und (wie oben Anm. 14) in inspiciendo. In gewissen Fällen erfolgen Eintragungen durch das SeemarmSamt, durch d als falsus procurator (BGB. § 179) oder bei Überschreitung seiner Befug-Anm. 21. nisse (Beispiele: Seebohm Nr. 3, 59). Doch fällt in diesem Falle seine Haftung (die Hasselmann 77 ohne gesetzliche Stütze auf den Betrag beschränken will, der durch Voll*) Persönliche Haftung des mehrere Reedereien vertretenden Schiffsmäklers, der ohne Benen­ nung einer derselben abschließt und sie auch nachher nicht benennt: HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 104; HG. Antwerpen Dr. Mar. 1912. 352.

300

Anh. zum S. Abschnitt. Anm. 21».

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

streckung in Schiff und Fracht erzielt worden wäre) durch Genehmigung des Schiffers oder Reeders fort; 8) sgemäß HGB. § 95 bei Anwendung der Aufgabeklausel (Pappenheim 3, 114; HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 104)].

Anm. 22. 6. Haftung des Schiffers. Der Schiffer haftet jedem Dritten für Verschulden des Schiffs­ mäklers nur (§ 533), a) im Falle der Gewährleistung; b) falls er durch Genehmigung der Geschäftsführung des Schiffsmaklers selbst seine Befugnisse überschreitet. Dem Reeder und den Reiseinteressenten haftet er außerdem nach §§ 511, 512 für jedes Verschulden, insbesondere für culpa in eligendo und instruendo des Schiffsmäklers. Soweit er sich des Schiffsmaklers zur Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeiten bedient, haftet er für dessen Verschulden aus BGB. § 278.

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. toorTsM Einleitung.

Vorbemerkungen. Das HGB. unterscheidet das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern (§§ 556—663) und das Frachtgeschäft zur Beförderung von Reifenden (§§ 664—678). Das erstere wird im eigentlichen Sinne Frachtvertrag (Seefrachtvertrag), das letztere Uberfahrtsvertrag oder Passagiervertrag genannt.

Anm. 1.

I- Begriff des Seefrachtvertrages. Seefrachtvertrag ist derjenige Vertrag, durch den sich der eine Kontrahent, der Verfrachter, dem anderen, dem Befrachter, zur Beförderung von Gütern mit einem Seeschiffe s(vgl. Pappenheim 3, 17: mittels Seeschiffes; vgl. Mittelstem Handb. 124)] nach einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Orte gegen Zahlung eines Lohnes s(vgl. Pappenheim 3, 25)] verpflichtet. Zu den einzelnen Begriffsmerkmalen ist folgendes zu bemerken:

Anm. 2. 1- Verfrachter*) ist derjenige, der vertragsmäßig im eigenen Namen die Ausführung der er­ wähnten Beförderung übernimmt. ((Gewerbsmäßiger Betrieb ist nicht, wie beim Fracht­ führer (HGB. § 425), erfordert (Pappenheim 3, 25).] Er braucht nicht der Reeder deß zur Beförderung zu verwendenden Schiffes zu sein; er kann auch ein fremdes Schiff, für eigene oder fremdes Rechnung ((Spediteur-Verfrachter, vgl. Pappenheim 3 S. 26—27, 37)], zum Seefahrtserwerb verwenden, gleichviel ob die Voraussetzungen der Ausrüsterschaft (§ 510) oder die Unterverfrachtung (§ 662) vorliegen oder nicht, er braucht aber überhaupt nicht selbst ein Schiff zum Seefahrtserwerb zu verwenden, sondern kann die Beförderung in der Weise beabsichtigen, daß er mit einem anderen Verfrachter einen Frachtvertrag schließt (Einl. zu § 662). Das Gesetz behandelt aber den Fall als den typischen, daß Reeder und Verfrachter identisch sind. *) Englisch regelmäßig als shipowner bezeichnet; französisch freteur; italienisch locatore, noleggiante. 2) Anders anscheinend RG. 25, 112 ff. Aber es ist nicht verständlich, weshalb kein Frachtvertrag vorliegen sollte, wenn jemand sich im eigenen Namen zur Beförderung von Gütern verpflichtet, das Geschäft aber für fremde Rechnung schließt. Sein internes Verhältnis zu demjenigen, dem die Vorteile und Nachteile des Geschäfts zukommen sollen, geht dm Dritten nichts an und kann auf den juristischen Charakter des Geschäfts keinen Einfluß ausüben. In der zitierten Entscheidung kam es dem RG. wohl nur darauf an, zu betonen, daß der Vermieter eines Kahns, der für den Mieter Transporte ausführte, nicht Frachtführer war, weil er für fremde Rechnung, nämlich für diejenige seines Mieters, dessen Gütertransporte ausführte. Jedenfalls drückt sich das RG, namentlich auf S. 113, zu allgemein aus. Siehe Anm. 3 zu § 510.

300

Anh. zum S. Abschnitt. Anm. 21».

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

streckung in Schiff und Fracht erzielt worden wäre) durch Genehmigung des Schiffers oder Reeders fort; 8) sgemäß HGB. § 95 bei Anwendung der Aufgabeklausel (Pappenheim 3, 114; HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 104)].

Anm. 22. 6. Haftung des Schiffers. Der Schiffer haftet jedem Dritten für Verschulden des Schiffs­ mäklers nur (§ 533), a) im Falle der Gewährleistung; b) falls er durch Genehmigung der Geschäftsführung des Schiffsmaklers selbst seine Befugnisse überschreitet. Dem Reeder und den Reiseinteressenten haftet er außerdem nach §§ 511, 512 für jedes Verschulden, insbesondere für culpa in eligendo und instruendo des Schiffsmäklers. Soweit er sich des Schiffsmaklers zur Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeiten bedient, haftet er für dessen Verschulden aus BGB. § 278.

Vierter Abschnitt.

Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. toorTsM Einleitung.

Vorbemerkungen. Das HGB. unterscheidet das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern (§§ 556—663) und das Frachtgeschäft zur Beförderung von Reifenden (§§ 664—678). Das erstere wird im eigentlichen Sinne Frachtvertrag (Seefrachtvertrag), das letztere Uberfahrtsvertrag oder Passagiervertrag genannt.

Anm. 1.

I- Begriff des Seefrachtvertrages. Seefrachtvertrag ist derjenige Vertrag, durch den sich der eine Kontrahent, der Verfrachter, dem anderen, dem Befrachter, zur Beförderung von Gütern mit einem Seeschiffe s(vgl. Pappenheim 3, 17: mittels Seeschiffes; vgl. Mittelstem Handb. 124)] nach einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Orte gegen Zahlung eines Lohnes s(vgl. Pappenheim 3, 25)] verpflichtet. Zu den einzelnen Begriffsmerkmalen ist folgendes zu bemerken:

Anm. 2. 1- Verfrachter*) ist derjenige, der vertragsmäßig im eigenen Namen die Ausführung der er­ wähnten Beförderung übernimmt. ((Gewerbsmäßiger Betrieb ist nicht, wie beim Fracht­ führer (HGB. § 425), erfordert (Pappenheim 3, 25).] Er braucht nicht der Reeder deß zur Beförderung zu verwendenden Schiffes zu sein; er kann auch ein fremdes Schiff, für eigene oder fremdes Rechnung ((Spediteur-Verfrachter, vgl. Pappenheim 3 S. 26—27, 37)], zum Seefahrtserwerb verwenden, gleichviel ob die Voraussetzungen der Ausrüsterschaft (§ 510) oder die Unterverfrachtung (§ 662) vorliegen oder nicht, er braucht aber überhaupt nicht selbst ein Schiff zum Seefahrtserwerb zu verwenden, sondern kann die Beförderung in der Weise beabsichtigen, daß er mit einem anderen Verfrachter einen Frachtvertrag schließt (Einl. zu § 662). Das Gesetz behandelt aber den Fall als den typischen, daß Reeder und Verfrachter identisch sind. *) Englisch regelmäßig als shipowner bezeichnet; französisch freteur; italienisch locatore, noleggiante. 2) Anders anscheinend RG. 25, 112 ff. Aber es ist nicht verständlich, weshalb kein Frachtvertrag vorliegen sollte, wenn jemand sich im eigenen Namen zur Beförderung von Gütern verpflichtet, das Geschäft aber für fremde Rechnung schließt. Sein internes Verhältnis zu demjenigen, dem die Vorteile und Nachteile des Geschäfts zukommen sollen, geht dm Dritten nichts an und kann auf den juristischen Charakter des Geschäfts keinen Einfluß ausüben. In der zitierten Entscheidung kam es dem RG. wohl nur darauf an, zu betonen, daß der Vermieter eines Kahns, der für den Mieter Transporte ausführte, nicht Frachtführer war, weil er für fremde Rechnung, nämlich für diejenige seines Mieters, dessen Gütertransporte ausführte. Jedenfalls drückt sich das RG, namentlich auf S. 113, zu allgemein aus. Siehe Anm. 3 zu § 510.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

301

Der Verfrachter schließt den Frachtvertrag entweder selbst ab oder durch einen Ber- Botbem. tretet, insbesondere den Schiffer, der hierzu außerhalb des Heimatshafens befugt ist (§ 527 bot § K56.

Abs. 2), den Schiffsmakler (Anhang zum dritten Abschnitt) oder seinen Agenten in fremden Häfen. Anm. 3.

2. Befrachter*) ist der Gegenkontrahent des Verfrachters. Er ist Ladungsbeteiligter im Sinne Anm. 4. der §§ 535 ff. und Reiseinteressent im Sinne des § 512; aber nicht notwendig Eigen­ tümer der Ladung (Anm. la zu § 535). Er braucht nicht identisch zu sein mit dem Abladers) d. h. demjenigen, der die Güter, Anm. 5. regelmäßig auf Grund des zwischen Verfrachter und Befrachter geschlossenen Frachtver­ trages, ausnahmsweise ohne einen solchen (der Reeder verschifft eigene Güter sals Selbstablader]; der Frachtvertrag ist nichtig usw.), dem Schiffe im eigenen Namen (Schröder GoldschmidtsZ. 32, 249) zur Beförderung übergibt. Im Falle seiner Nichtidentität mit dem Befrachter s(Drittablader)] kann das interne Verhältnis beider Personen auf den ver­ schiedensten Nechtsgründen beruhen (Wagner 283; HansOLG. Hbl. 1889, 118 = SeuffA. 44, 438; Hbl. 1889, 300; RG. Hbl. 1892, 137 = SeuffA. 49, 61), z. B. auf Kauf, Spedition, Einkaufskommission, Unterfrachtvertrag, bloßem Auftrag'?) nach außen ist der Ablader dem Verfrachter gegenüber zunächst nicht Kontrahent snicht ein im eigenen Namen Handelnder, wie es aber l.Aufl. unter Bezugnahme auf Schröder GoldschmidtsZ. 32, 249 hieß, wogegen s. Wüstendörfer 332, Pappenheim 3, 39)], sondern Vertreter des Kon­ trahenten, und zwar ein Vertreter, der präsumtiv bevollmächtigt ist, zwar nicht zur Aufhebung des Frachtvertrages (vgl. § 577) oder zu dessen Abänderung (Boyens 2, 84; HG. Marseille Revue 5, 514), aber zur Vornahme aller mit der Lieferung und Verschiffung der Güter zusammenhängenden Rechtshandlungen (OAG. Lübeck Nathans Hamb. GZ. 1864, 391 = Hamb. Sammlung 5*2 3Nr. 24; OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31; HansOLG. Hbl. 1889, 118 = SeuffA. 44, 438; Hbl. 1906, 188; Rechtspr. 13, 43; ferner OAG. Lübeck Bremer Sammlung 1,52; ROHG. 23, 22; RG. Hbl. 1892,137 = SeuffA. 49,61; RG. Hbl. 1907, 216; Nichtverbindlichkeit der Abladungsweigerung: § 577). Dies ändert sich, sobald dem Ablader schiffsseitig die Beförderung der Güter zugesagt wird. Hierdurch tritt der Ablader in ein unmittelbares Vertragsverhältnis, das ihn nicht nur zum Ladungsbeteiligten (Anm. la zu 8 535) und Reiseinteressenten (§ 512) macht, dem der Schiffer für jedes Verschulden haftet, sondern auf Grund dessen er auch eigene Ansprüche auf Beförderung der Ladung, evtl. Schadensersatz, gegen den Verfrachter erwirbt (so mit dem HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 55 - SeuffA. 44 Nr. 271; Hbl. 1893, 261; Lehmann 918; vgl. auch OLG. Rostock SeuffA. 71, 36; anders Wagner 284, der die direkten Rechte des Ab­ laders erst im Augenblick der Übernahme der Ladung entstehen läßt; ähnlich Boyens 2, 88; Brandis 1, 70 fund Pappenheim 3, 39: „mit der Lieferung der Güter"]). Noch umfang­ reicher werden die Rechte des Abladers mit der Ausstellung des Konnosse­ ments: er hat alsdann dem Schiffer gegenüber die volle Verfügungsbefugnis über die Ladung, wenn alle Exemplare desselben sich in seinem Besitz befinden (§ 669 Abs. 1 u. 4 Schlußsatz) oder im Falle des Namenskonnossements der in ihm bezeichnete Empfänger sich mit den Ver­ fügungen bes Abladers einverstanden erklärt (§ 659 Abs. 4). (Dagegen erachtet Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 9, daß der Ablader auch das Konnossement in Vertretung des Verfrachters entgegennehme. Aber nach § 642 kann der Ablader verlangen, daß ihm das Konnossement ausgehändigt wird; nach § 643 Nr. 3 ist sein Name, nicht der des Befrachters, aufzunehmen, und nach 8 644 ist unter Order die des Abladers zu verstehen.] 3.

Gegenstand deS Frachtvertrages ist die Beförderung der Güter als Produkt der Tätigkeit Anm. des Verfrachters, also das Resultat, nicht die einzelnen Transporthandlungen

*) Englisch charterer bzw. freighter; französisch affreteur; italienisch noleggiatore. fVgl. Pappenheim 3, 25 Anm. 3.] 2) Englisch shipper; französisch chargeur; italienisch caricatore. 3) Bgl. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 239 (wo der Ablader als „factor of the affreighters“ bezeichnet war).

6.

302

Borbem. vor § 556.

Anm. 7.

Anm. 8.

Anm. 9.

Anm. 10.

Anm. 11.

Anm. 12.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

(ROHG. 20, 342; RG. 25,110). Den regelmäßigen, sich von selbst verstehenden (RS. Bolze 19 Nr. 511) Schlußakt der Beförderung bildet die Ablieferung an den legitimierten Empfänger; sie ist aber begrifflich nicht notwendig (unten Anm. 12). Über die verschiedenen Arten des Seefrachtvertrages s. § 556, seine Form § 557. Der Frachtvertrag kann mit Geschäften anderer Art verbunder. sein, so mit Abladegeschäften a conto meta (OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 1 Nr. 105) oder Spe­ ditionen (vgl. OAG. Lübeck Kierulff 2 Nr. 48, in welchem Falle diese Verbindung verneint wurde). 4. Güter sollen befördert werden, also transportable Gegenstände jeder Art (RG. 20,49; Näheres bei Staub Anm. 6 zu 8 425), ^insbesondere auch Schiffe, welche mitgeschleppt werden, s. RG. 67, 10; 86, 429; Pappenheim 3, 17 Anm. 2; Mittelstem Handb. 129]; nicht lebende Menschen — auf diese beziehen sich die Bestimmungen des fünften Abschnitts —, während menschliche Leichen als Frachtgut zu erachten sind (HansOLG. Hbl. 1887, 212). Reiseeffekten sind „Güter" nur, sofern sie unabhängig von der Beförderung des Passagiers selbst zum Transport gelangen (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 20). Ladung im eigentlichen, engeren Sinne (vgl. Anm. 1 zu § 535) werden die zu befördern­ den Güter erst mit ihrer Übernahme in das Schiff s(Pappenheim 2, 324)], mit ihrem Eintritt in die seerechtliche Gemeinschaft (LG. Hamburg Hbl. 1882 Nr. 89; HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 6; NG. 9, 161). 5. Mit einem Seeschiff. Über den Begriff des Seeschiffes s. Allg. Einl. Anm. 27. Beförderung mit einem Binnenschiff, selbst wenn sie über See erfolgt, regelt sich nach Binnenschiffahrts­ recht Wanderer Ansicht ist Mittelstem 1, 40 und Handb. 17 ff.)], während andererseits eine Be­ förderung mit einem Seeschiff auf einem Binnengewässer, z. B. auf der Elbe Don Hamburg nach Cuxhaven, den Vorschriften des Seefrachtvertrages unterliegt (sebenso Mittelstein a. a. O.)] — die Parteien müßten denn etwas anderes vereinbart haben (Allg. Einl. Anm. 34, 36). 6. sVon einem bestimmten Orte auS (Pappenheim 3, 23).] Nach einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Orte, letzteres dann, wenn dem Schisser erst später, z. B. in einem späteren Hafen, dem sog. Orderhafen, oder nach zeitweiliger Aufbewahrung der Güter im Schiffe (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 54; RG. Hbl. 1902, 41; Mittelstem Handb. 127]) vom Befrachter oder Ablader sein Reiseziel angegeben werden soll (der Schiffer hat nicht nötig, seinerseits vom Orderhafen aus Instruktionen bei diesen Personen einzuholen: RG. 9 Nr. 8). Trans­ portiert wird nicht von Ortschaft zu Ortschaft, sondern von Ort zu Ort: Ziel der Beförderung kann z. B. auch das hohe Meer sein (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 108 = SeuffA. 50 Nr. 110; Mittelstem Handb. 130; anderer Ansicht ist Pappenheim 3, 23 Anm. 1]>. 7. Gegen Zahlung eines Lohnes, der Fracht f(vgl. Pappenheim S. 3, 24—26)], die regelmäßig vom Empfänger zu entrichten ist (vgl. §§ 614, 625, 626, 627), aber auch vom Befrachter oder Ablader ganz oder zum Teil, provisorisch oder definitiv, vorausbezahlt werden kann (Näheres zu § 617). Die Fracht kann, wenn ihre Höhe überhaupt vereinbart ist (§ 619), bedungen sein in Bausch und Bogen (§ 616 Abs. 4), nach Maß, Gewicht oder Menge der Gü er (§ 620) oder nach Zeit (§ 622). Der Frachtanspruch verjährt nach Maßgabe von BGB. § 196 Abs. 1 Nr. 3 (RG. 86, 423). 8. Nicht begriffswesentlich ist dem Frachtverträge die Existenz eines LadungSempfängerS?) Dieser fehlt z. B., wenn der Verfrachter es übernimmt, die Ladung ins offene Meer hinaus­ zubringen und dort zu versenken (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 108 = SeuffA. 50 Nr. 110; über den Fall der Kabellegung Boyens 2, 86; Brandts 2, 5) shier liegt ein Frachtvertrag nicht vor, wohl aber ein Werkvertrag (Pappenheim 3, 23)]. Der Empfänger hat eigene Rechte gegen das Schiff zunächst dann, wenn er legitimierter Konnossementsinhaber ist. Wie aber, falls kein Konnossement ausgestellt ist? Da das Gesetz schweigt, will Cosack478

T) Englisch consignee, receiver (nicht charterer’s agent, wie das HansOLG. Hbl. 1895, 144 annimmt: s. Anhang zum 3. Abschnitt Anm. 5 Note 3); französisch consignataire, r6ceptionnaire; italienisch la persona, cui d diretta la spedizione (Codice di commercio art. 555), ricevitore.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

303

das bürgerliche Recht (BGB. § 328 Abs. 2) darüber entscheiden lassen, ob dem Empfänger einBorbem. eigenes Recht auf Auslieferung gegen den Verfrachter zusteht und ob ihm dieses durch Ver- vor § 556. fügungen des Abladers oder Befrachters wieder entzogen werden kann. Aber das ist praktisch nicht durchführbar; der Verfrachter, der das innere Verhältnis zwischen Befrachter und Emp­ fänger nicht kennt, darf nicht im Unklaren darüber sein, ob und wie lange er dem Widerruf des ersteren stattgeben darf. Man muß also eine der Rechtssicherheit genügende Entscheidung finden. Boyens 2,86 trifft sie dahin, daß der Empfänger, wenn kein Konnossement gezeichnet ist, nur Vertreter des Abladers und des letzteren Anweisung bis zur Ablieferung des Guts stets widerruflich sei (ebenso Carver sect. 484, 485; [ferner Pappenheim 3, 47, dem beigetreten wird (M.)]). Aber das zur Regel zu machen ist bedenklich, da es nur in der geringen Minder­ zahl der Fälle von den Kontrahenten gewollt ist. Das Natürliche ist, in Anwendung der all­ gemeinen für den Frachtvertrag geltenden Grundsätze (§ 435) und im Hinblick auf die §§ 592, 608 ff. dem Destinatär die Berechtigung zuzuerkennen, nach Ankunft des Schiffes im Be­ stimmungshafen die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte gegen Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen im eigenen Namen geltend zu machen, sofern ihm nicht Befrachter oder Ablader mit einer gegenteiligen Anweisung zuvorgekommen.ist (anders Leh­ mann 936; zweifelnd Wüstendörfer 1,322). Ob man diesen resolutiv bedingten Nechtsübergang durch gesetzliche Zession oder durch Abschluß eines Vertrages zugunsten eines Dritten erklären will (Zitate bei Wüstendörfer 1,323, ss. auch Mittelstein Handb. 205]), ist eine Nebenfrage ohne praktische Bedeutung. Ich nehme mit Goldschmidt Handb. 749 gesetzliche Zession an (vgl. auch RG. IW. 1900, 314). 9. Ebensowenig ist notwendig die Stipulierung der Ausführung des Transports mitAnm. 13. einem bestimmten Schiff: wenn eine derartige Abrede auch die Regel bildet (vgl. § 565), so ist es doch nichts Seltenes, daß generische Transportleistungsverpflichtungen übernommen werden (HansOLG. LZ. 1917,1282 [= Hbl. 1917, 247]), insbesondere daß einem Verfrachter, insbesondere einer regelmäßigen Linie, Stückgüter zum Transport mit irgendeinem Schiffe übergeben werden, oder daß ein derartiger Reeder sich unter Ausschaltung der Vorschrift des § 565 das Recht vorbehält, ein anderes Schiff dem vereinbarten zu substituieren („mit dem Dampfer A. oder dem nächsten fahrplanmäßigen Dampfer der Linie": Wahlschuld mit Wahlrecht des Schuldners): Näheres Wüstendörfer 1, 204ff., sauch Pappenheim 3, 17—18 und Anm. 24 zu § 651]. II. Juristische Natur des Seefrachtvertrags. Während in der älteren Theorie die Meinung Anm. 14. überwog, daß der Seefrachtvertrag nicht immer als locatio conductio operis, sondern in manchen Fällen als locatio conductio rei anzusehen sei (Cropp in Heises und seinen Juristischen Abhandlungen 2, 635 ff.; Voigt, Neues Archiv für Handelsrecht 2, 224ff.; dagegen Ullrich daselbst 317 ff.), ist die neuere Theorie und Rechtsprechung nahezu darüber einig, daß er in allen Fällen eine locatio conductio operis, ein Werkvertrag, ist (Prot. 2041; Lewis 1,239 ff. und in Endemann Handb. 4, 124; Boyens 2, 82; Cosack 429; Dernburg 22, 512; Gütschow Reform 14; Tannenwald LZ. 1911,635; Mittelstein Miete 42 fund Handb. 125]; Lehmann 917; Wüstendörfer Studien 475 sPappenheim 3, 105]; ROHG. 20, 342; 23, 322; RG. 15, 76; 25, 112; RG. LZ. 1910, 290 = HoldheimsMSchr. 1910, 221; HansOLG. Hbl. 1897, 284 usw. Nach RG. 48, 92 ist der Frachtvertrag „im Zweifel", nach Brodmann KrBJSchr. 48, 92 „in der Regel, aber nicht notgedrungen" Werkvertrag). Wie bereits oben (Anm, 6) betont, über­ nimmt der Verfrachter in dem Transport die Herstellung eines Resultats. Dies ist auch dann der Fall, wenn er dem Befrachter behufs Unterbringung der Ladung das ganze Schiff, einen verhältnismäßigen Teil oder bestimmte Räume desselben zur Verfügung stellt, wie dies beim Charterverträge, sofern dieser ein Frachtvertrag ist (Anm. 1 zu 8 556), geschieht. Und zwar gleichviel, ob in diesem Fall die Charterung des Schiffes für eine bestimmte Reise oder auf Zeit (time-charter) erfolgt ist (HansOLG. Hbl. 1897, 284 = SeuffA. 54, 35; Wüsten­ dörfer Studien 1, 97 sPappenheim 3, 55]; vgl. OLG. Karlsruhe DIZ. 1898, 475): letzterenfalls sind eben die einzelnen Transporte, die während der Dauer der Charterung ausgeführt werden sollen, die vom Verfrachter zu Prästierenden Erfolge; selbst wenn er deren Zahl und Ziel

304

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Borbem. Vor § 556*

nicht zu bestimmen hat (Hamb. Schiedsgericht Hbl. 1915, 98). Tiefe Erfolge werden auch in den Fällen der Charterung eines ganzen Schiffs herbeigeführt nicht durch den Charterer mit dem Schiffsmaterial des Verfrachters, sondern durch den Verfrachter, in dessen Dienst und Lohn und unter dessen Befehlen der Schiffer und die übrige Besatzung verbleibt, wenn auch vereinbart sein kann, daß in einzelnen Beziehungen diese Personen den Anweisungen des Charterers nachzukommen haben sollen.

Anm. 15.

Dagegen liegt Sachmiete vor, wenn ein Schiff jemandem gegen Entgelt zum vertrags­ mäßigen Gebrauch in einer Weise überlassen wird, daß nur er während der Zeit der Überlassung über dessen Verwendung soll bestimmen können. Dazu braucht nicht der Besitz des Schiffes, die tatsächliche Gewalt über dasselbe (so Carver sect. 112,113; Wüstendörfer Studien 1, S. 54 und 101; Brodmann KrVJSchr. 48, 89; Tannenwald LZ. 1911, 535) auf den Mieter über­ zugehen: diese kann der Kapitän für den Reeder behalten (RG. 71, 333; Mittelstein Miete 697). Ausrüster ist der Mieter nur bei selbstbeschaffter Führung (Anm. 4 ff. zu § 510), also bei reiner Sachmiete: beläßt dagegen der Vermieter seinen Schiffer auf dem Schiff und stellt nur dessen Dienste in gewissem Umfange dem Mieter zur Verfügung, so liegt eine das Borliegen eines Ausrüsterverhältnisses ausschließende Verbindung von Sachmiete und Dienst­ verschaffungsvertrag (locatio conductio navis et operarum magistri) vor (RG. 25 Nr. 25; 48, 92; 56, 360; 69,129; 71, 333; HansOLG. LZ. 1907, 925; 1908, 289; Hbl. 1914, 284; Hamb. Schiedsgericht LZ. 1910, 710; AG. und LG. Hamburg Hbl. 1912 Nr. 67; Dernburg 22, 447; Wüstendörfer Studien 1,102 ff. und Hbl. 1908 Beilage 7; Tannenwald LZ. 1911, 535; Mittelstein Miete 42 ff. fund Handb. 371]; vgl. jetzt auch Boyens GoldschmidtsZ. 63, 329), und zwar im Zweifel eine untrennbare Verbindung, d. h. der Mieter kann nicht das ihm ver­ mietete Schiff in Gebrauch nehmen, unter Verzicht auf die Dienste des Schiffers (anders HansOLG. Hbl. 1908, 212). Den Vorwurf, kein juristisch klarer Begriff, „nur eine Mitteilung des äußeren Tatbestandes, eine Bezeichnung, die nur beschreibt, nichts erklärt", zu sein (Brod­ mann KrVJSchr. 48, 87), verdient dieses Mischgebilde nicht: es subsumiert einen Tatbestand unter vorhandene Rechtsbegriffe, und es erweist sich als unentbehrlich, eben weil dieser Tat­ bestand anderweitig nicht unterzubringen ist (anders Gütschow ZVersWiss. 13, 371). Für den Schaden, den in diesem Falle die vom Vermieter zur Verfügung gestellten, an sich ordnungs­ mäßig ausgewählten Besatzungspersonen dem Mieter verursachen, haftet diesem der Ver­ mieter nicht (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 15 = SeuffA. 59 Nr. 120 = Rechtspr. 8, 392; Hbl. 1908 Nr. 99; 1914, 284; LG. Hamburg Hbl. 1913 Nr. 27; RG. Hbl. 1913, 286 = Hansa 1913, 984 = EisenbE. 30, 227 sPappenheim 3, 94 Anm. 1; Mittelstem Handb. 40]; anders Dalberg IW. 1911,140 ff.; AG. und LG. Hamburg Hbl. 1912 Nr. 57); ebensowenig aber hat der Mieter dem Vermieter gegenüber es zu vertreten, wenn die von ihm verwendeten Leute des ersteren durch ihr Verschulden das Schiff mit Schiffsgläubigerrechten belasten (LG. Hamburg Hbl. 1913 Nr. 27; RG. Hbl. 1913, 286 = Hansa 1913, 984). Die Streitfrage, ob der Mieter das Ver­ schulden des von ihm angenommenen Schleppers zu vertreten hat, ist im bejahenden Sinne zu beantworten (s. Mittelstem Miete 315 und die daselbst Anm. 12 angeführten Erkenntnisse). Der Mieter haftet nicht für Schaden, der dem vermieteten Fahrzeug durch die beiden Teilen be­ kannte, dem Gebrauchszweck entsprechende Verwendung entsteht (HansOLG. Hbl. 1916, 36: kriegsmäßiges Bunkern).

Anm. 16. III. Das anzuwendende Recht. 1. In zeitlicher Beziehung. Ist ein Frachtvertrag unter der Herrschaft des alten Rechts ge­ schlossen und tritt vor seiner Erledigung neues Recht in Kraft, so bleiben die bisherigen Gesetze für die Beziehungen der Kontrahenten maßgebend (EG.BGB. Art. 170), selbst wenn auf diese Beziehungen gewisse Ereignisse, z. B. Havariefälle, einwirken, die sich erst unter der Herrschaft des neuen Rechts ereignet haben (anders HG. Hamburg Hbl. 1869, 374). Dagegen regeln sich die Rechtsbeziehungen, welche durch solche Ereignisse zwischen den Kontrahenten des Frachtvertrags und dritten Personen (z. B. Bodmereigläubigern, Bergern) hervorgerufen worden sind, nach neuem Recht.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

2. In örtlicher Beziehung. Borbem. a) Die Form des Frachtvertrages bestimmt sich nach den Gesetzen, welche für das den Gegen- vor § 556. stand des Geschäfts bildende Rechtsverhältnis, also für den Inhalt des Vertrages, maßgebend Anm. 17. sind (das würde sein das vereinbarte Recht — Anm. 19 —, evtl, das Recht des Bestimmungs­ ortes — Anm. 22): doch genügt die Beobachtung der am Orte des Vertragsschlusses geltenden Gesetze. So hat der deutsche Richter nach EG.BGB. Art. 11 zu entscheiden. Aber das für den ausländischen Richter maßgebende Gesetz kann andere Bestimmung treffen, insbesondere nach dem Satze locus regit actum primär das Recht des Vertragsortes für maßgebend erklären, wie dies vor dem BGB. auch bei uns geschah (vgl. HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 41). b) Die materielle Gültigkeit des Vertrages ist kumulativ nach den Heimatsrechten der beiden Anm. Kontrahenten zu bestimmen; nur richtet sich die Verpflichtungsfähigkeit jeder Partei nach ihrem eigenen Recht (Zitelmann 2, 441). c) Der Inhalt des Vertrages. Anm. a) In erster Reihe gilt für den Seefrachtvertrag dasjenige Recht, dessen Geltung die Kontra­ henten des Frachtvertrages ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben/) im Ver­ hältnisse zu dem konnossementsmäßigen Empfänger allerdings, abgesehen von dem Falle der freiwilligen Unterwerfung, nur dann, wenn auf die betreffende Bestimmung des Fracht­ vertrages im Konnossement ausdrücklich Bezug genommen ist (§ 651 Abs. 2; doch gilt das nur für den Frachtvertrag vereinbarte Recht nicht ohne weiteres auch für das Konnossement: HansOLG. Hbl. 1914, 188) oder sich das vereinbarte Recht aus dem Konnossement direkt ergibt (vgl. HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 105). Um eine stillschweigende Vereinbarung anzu­ nehmen, genügt aber für sich allein lveder der Gebrauch einer fremden Sprache (Anm. 2 zu § 557), noch die Ausländergualität der Kontrahenten, noch der Vertragsabschluß im Aus lande, noch endlich die fremde Nationalität des Schiffes (Wagner 136). Durch die Unter­ werfung der Parteien unter ein fremdes Recht werden Rechte nicht be­ rührt, die ein Dritter nach dem gesetzlich anzuwendenden Rechte gegen das Schiff erwirbt (Wagner 136). — Die Rechtsprechung neigt dazu, in Ermangelung einer Vereinbarung das Rechtsverhältnis einheitlich dem Rechte zu unter­ stellen, welches nach dem mutmaßlichen vernünftigen Willen der Kontra­ henten anzuwenden ist (vgl. insbesondere RG. 68, 205 ff. und die dort aufgeführten Beispiele). ß) Liegt der Fall der Vereinbarung im obigen Sinne nicht vor, so ist davon auszugehen, Anm. daß der Frachtvertrag Rechtsverhältnisse sowohl am Abladeplatze wie am Bestimmungsorte des Schiffes, möglicherweise noch an dritten Orten, be­ gründet, und daß diese Rechtsverhältnisse nicht notwendig demselben Rechte unterstehen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 119 = SeuffA. 45 Nr. 161; LG. Hamburg Hbl. 1891 Nr. 31; vgl. Wagner 141; auch RG. 9, 53; RG. Hbl. 1892, 136). aa) Das Recht des Abladungsplatzes ist anzuwenden für alle Rechtsverhältnisse, die mit Anm. der Beladung deS Schiffes Zusammenhängen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 103; Wittel­ stein Handb. 128]). Dazu gehört zunächst der Akt der Abladung als solcher (Boyens 1, 51), also die Voraussetzungen für die ordnungsmäßige oder ordnungswidrige Abladung (z. B. die Vorbedingungen für den Beginn und die Unterbrechung der Lade- und der Uberliegezeit und die daraus für die Kontrahenten sich ergebenden Rechtsfolgen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 119 = SeuffA. 45 Nr. 161; Hbl. 1913, 181; anders HG. und OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 265, 294, wo trotz englischen Abladeplatzes deutsches Recht für anwendbar erachtet wurde, weil ein von zwei Deutschen über ein deutsches Schiff geschlossener Frachtvertrag vorlag), die Ansprüche des Verfrachters wegen unvollständiger oder verzögerter Beladung (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 226), diejenigen des Befrachters oder Abladers wegen nicht *) [(M.) Das deutsche Recht gibt hier volle Freiheit (vgl. Pappenheim 3, 12). Das gilt im allgemeinen auch für die ausländischen Rechte, doch stehen die zwingenden Vorschriften des nord­ amerikanischen und australischen Rechts hinderlich entgegen (vgl. Pappenheim 3, 13 Anm. 5).] Schaps, Seerecht. 2. Ausl.

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18.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Borbem. Vor § 556.

erfolgter Einnahme der Ladung (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 1), das Recht der Parteien, vor Ausführung des Frachtvertrages von demselben zurückzutreten (vgl. Hamburg HG- Hbl. 1871 Nr. 259).

Anm. 22.

ßß) Das Recht deS Bestimmungsortes ist maßgebend für alle Rechtsverhältnisse, die mit der Erfüllung deS Frachtvertrages im Zusammenhang stehen (NG. Hbl. 1892 Nr. 47 = SeuffA. 49 Nr. 36; NG. 34, 78; HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 105), selbstverständlich auch für fremde Schiffe (NG. 34 Nr. 18; HansOLG. SeuffA. 65 Nr. 103). Nach dem Rechte des Bestimmungsorts ist somit zu entscheiden, wer zum Empfange der Ladung legitimiert ist (NG. 9, 63), wieweit Schiffer und Reeder dem Empfänger aus dem Frachtverträge haften (NOHG. 25, 194), ob eine Vertragsstrafe wegen einer am Bestimmungsort zu er­ füllenden Leistung verfallen ist (vgl. Hermann u. Hirsch Nr. 18), welche Ansprüche aus der Entlöschung dem Schiffe bzw. dem Empfänger zustehen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 108), wie sich der Schiffer bei Annahmeverweigerung des Empfängers zu Verhalten hat (OAG. Lübeck Kierulff 3 Nr. 39), welche Schritte der Empfänger behufs Feststellung von Schäden und Mankos zu tun hat und unter welchem Präjudiz (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 160 und 1879 Nr. 59), ob ein Frachtvorschuß zurückgefordert werden kann (OG. Ham­ burg Hbl. 1875 Nr. 271) usw. Bei zusammengesetzten Frachtverträgen kommen mehrere Bestimmungsorte in Betracht. Bleibt indessen der Gegenstand der gleiche und ist die in betreff desselben über­ nommene Verpflichtung eine einheitliche, so ist mit Boyens 1,51 anzunehmen, daß der ganze Vertrag von demselben Recht beherrscht wird. So gilt deutsches Recht als Recht des Beftimimiuo5ort5 für eine in Deutschland abgeschlossene Charter, auch wenn das Schiff vou Deutschland nach Schottland fahren soll, um eine Kohlenladuug zu holen (OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 266; anders HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 1). Nach dem Recht deS Bestimmungsorts regeln sich auch diejenigen Rechtsverhältnisse, die durch vorzeitige Trennung von Schiff und Ladung entstehen. Es bestimmt sich also nach ihm, wie sich der Schiffer im Nothafen den Ladungsbeteiligten gegenüber zu Verhalten hat (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 46), ferner, ob und wieweit Distanzfracht ge­ schuldet wird für im Nothafen verkaufte Güter (so mit der älteren Judikatur: OAG. Lübeck SeuffA. 15 Nr. 183; vgl. OG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 220 uud OAG. Lübeck Hbl. 1870 Nr. 231 = SeuffA. 24 Nr. 268; HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 151; ROHG. 25, 7; HansOLG. und NG. Hbl. 1903 Nr. 102; Boyens 1, 48 ff. Anders für das Verhältnis des Reeders zum Befrachter flücht Empfängers NG. 13, 122, und grundsätzlich anders HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 73 und NG. 38 Nr. 38, nach welchem das Recht des Trennungsorts maß­ gebend sein soll: sowie HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 61 = Rechtspr. 13, 42, das das Recht des Schuldners anwendet: aufhebend NG. 68 Nr. 63). Steht dem Befrachter die Wahl unter mehreren Bestimmungsorten frei, so kommt das Recht des Ortes zur Anwendung, der nachher tatsächlich Bestimmungsort wird. Streit herrscht, welches Recht zur Anwendung gelangt, wenn ein Bestimmungsort noch nicht fixiert,*) sondern nur ein Orderhafen (Anm. 10) bestimmt ist, vor dessen Er­ reichung der Frachtvertrag, etwa durch den Untergang des Schiffes, ausgelöst wird. Für diesen Fall ist, sofern keine Unterwerfung unter ein bestimmtes Recht vorliegt (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1879 Nr. 11; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 100), maßgebend nicht das Recht des wahrscheinlichen Bestimmungsortes (so Asser-Rivier, Elements de droit international privG Nr. 111). auch nicht das Recht des Hafens, in dem sich Schiff und Ladung

Anm. 23.

Anm. 24.

Anm. 25.

Anm. 26.

*) Eine Fixierung ist als vorliegend zu erachten, wenn vereinbart ist, daß die Wahl des Ver­ frachters auf einen Kreis von mehreren Häfen desselben Rechts (z. B. „a port of the United King­ dom“) beschränkt sein soll; „Recht des Bestimmungsorts" ist dann das gemeinschaftliche Reck)t dieser Häfen: Boyens 1, 49. Anders, wenn Orte verschiedenen Rechts zur Wahl stehen (z. B. „a port in the United Kingdom or on the Continent between Hävre and Hamburg“: Hbl. 1879 Nr. 11, 182; Hbl. 1900 Nr. 100; auch ROHG. 7 Nr. 38).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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trennen (so Wagner 141: dieses Kriterium dürfte oft versagen), oder das Recht des Order-BorbkM. Hafens, ebensowenig das rein zufällige Recht des Vertragsorts (vgl. HG. und OG. Hamburg vor § 55k. in Nathans Hamb. GZ. 1862 S. 105 ff., 316 ff. = Hermann u. Hirsch Nr. 5) oder das Personalrecht jedes einzelnen Verpflichteten, sondern das Recht deS HeimatShafenS deS SchiffeS (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 172; 1879, 69; HG. und OG. Hamburg Hbl. 1879 Nr. 182; Doyens 1, 49). yy) Das Recht des Orderhafens gilt für diejenigen RechtSverhältnifse, welche im Order-Anm. 27. Hafen ihre Wirkung äußern sollen (vgl. RG. 9, 53). Nach ihm entscheidet sich z. B. die Wirkung der Säumnis des Befrachters in der Erteilung der Order. Ob aber die gegen ihn etwa entstandenen Entschädigungsansprüche auch gegen den Empfänger geltend gemacht werden können, darüber entscheidet das Recht des Bestimmungshafens (RG. a. a. O.). 88 DaS Recht deS Heimatshafens gilt im Zweifel — anders z. B., wenn die Benutzung Anm. 28. des Schiffes auf ein bestimmtes Rechtsgebiet beschränkt sein soll (Boyens 1, 56) — für den Zeitfrachtvertrag (Anm. 1 zu § 556). Dagegen folgt die Bestimmung des für die Rechtsverhältnisse aus den einzelnen Unierverfruchiungen und Konnossementen geltenden Rechts den allgemeinen Regeln. ee) Wegen des für die Rechtsverhältnisse aus dem Konnossement anzuwendenden Rechts Anm. 29. s. Anm. 28 ff. zu § 642.

[(M.) Zusatz. Der Schleppvertrag?) Anm. 30. 1. Schlepper. Schiffe, welche keine oder keine ausreichende Fähigkeit zur Selbstbewegung haben, bedienen sich der Hilfe eines mit solcher Fähigkeit versehenen Schiffes, eines Schleppers (tug). Seeschiffe bedürfen der Hilfe eines Schleppers namentlich im engen Fahrwasser (Flüssen, Häfen), auf der See nur, wenn sie in Seenot sind, wenn sie als Seeschiffe Be­ schleunigung ihrer Fahrt wünschen (s. Fälle im Hbl. 1902 Nr. 39; 1907 Nr. 132; 1911 Nr. 28; 1912 Nr. 69), ferner stets als Seeleichter wegen ihrer Bauart (s. Fälle im Hbl. 1911 Nr. 33; 1912 Nr. 36 u. 94, 90 u. 117; 1913 Nr. 35). Der Schlepper eines Seeschiffes wird fast stets ein Dampfschiff sein, und zwar in Häfen und auf Flüssen bald ein Binnenschiff, bald aber ein Seeschiff (vgl. Atlg. Einl. Anm. 27). Ein solcher Seeschlepper dient dem Erwerb durch Seefahrt, weshalb der Eigentümer, der den Schlepper so verwendet, ein Reeder ist (vgl. Allg. Einl. Anm. 22, 41). 2. Rechtsverhältnis zwischen Schlepper und Schleppschiff (tow). Meistens liegtAnm. 31. ein Vertragsverhältnis zugrunde, doch kommt ein Schleppen auch ohne solches vor. Letzteres trifft namentlich oft zu im Falle der Hilfeleistung in Seenot. Es kann aber auch vorkommen, daß z. B. ein Schlepper ein Seeschiff im Hafen im Auftrage eines anderen Schiffes ent­ fernt, um diesem Platz zu machen (vgl. Mittelstein Handb. 319), oder dies im Auftrage eines Hafenbeamten tut, z. B. weil das Schiff durch eine Feuersbrunst gefährdet ist (RG. Recht 1909 Nr. 2936). Besteht ein Vertragsverhältnis, so spricht man von einem Schleppvertrag (vgl.Anm. 32. HGB. § 742 Abs. 3). Da dieser einen sehr verschiedenen Inhalt haben kann, ist es irreleitend, von einem Schleppvertrag im Nechtssinne zu sprechen (RG. 67, 12; Mittelstem HansRZ. 2, 559 und Handb. 320). Ein Frachtvertrag wird dann anzunehmen sein, wenn der Schlepper nicht nur die Führung, sondern auch den Gewahrsam des Schleppschiffes erhalten hat (Goldschmidt Handb. des Handelsrechts? 1, 615; Schaps 1. Ausl. 297; Mittelstein HansRZ. 2,560 und Handb. 320; ROHG. 23, 320; RG. 6, 100; 67, 12). Deshalb liegt ein Frachtvertrag vor, wenn das Schleppschiff unbesetzt ist (HansOLG. Hbl. 1903 Nr. 126) oder wenn es vom Schlepper

x) Schrifttum: Schaps 1. Aufl. S. 296—299; Boyens GoldschmidtsZ. 50, 56 ff.; Mittelstem HansRZ. 2, 558 ff.; Marsden, Collisions at Sea® (1910) p. 167 sq.; Smeesters, Droit maritime et fluvial t. II (1912) no 923, 973, 974. Für das verwandte Binnenschiffahrtsrecht s. Mittelstem 1, 51 ff. und Hbd. (1918) S. 315—328.

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Borbem.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

mit einigen Leuten beseht ist. So im Falle der Beförderung eines zum Abbruch bestimmten Kabeldampfers: RG. 67 Nr. 5 gegen HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 33 (f. ferner RG. 46 Nr. 51; auch RG. 84 Nr. 71; ferner für den Fall des Dockens eines Schiffes Hbl. 1910 Nr. 71; 1911 Nr. 48). Andere Nechtsformen des Schleppvertrages sind der Werkvertrag (BGB. § 631) und der Dienstvertrag (§ 611). In solchen Fällen bleibt das Schleppschiff im Gewahrsam seiner Besatzung (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 27; Mittelstein Handb. 318 und HansRZ. 1,699; anders RG. IW. 1918, 561 Nr. 16). Werkvertrag liegt vor, wenn der Schlepper es über­ nommen hat, gegen Entgelt ein Schiff nach einem bestimmten Platz oder Hafen oder ein besttmmtes Stück (z. B. ein Segelschiff von Hamburg bis Norderney) zu schleppen (Hans­ OLG. Hbl. 1902, 99). Den Werkvertrag als Regel hinzustellen (so RG. 67, 12; Schaps 1. Aufl. 297) trifft nicht zu. Oft will der Schlepper nur Bugsierdienste leisten, wie die hamburgischen Seeschleppbedingungen (HansRZ. 2,612) betonen: „Die Schleppdampfer sind nur die fortbewegende Kraft des geschleppten Schiffes." Andererseits geht auch Bo Yens GoldschmidtsZ. 50, 76 zu weit (vgl. Mittelstein HansRZ. 2, 5), wenn er den Seeschlepp­ vertrag regelmäßig für einen Dienstvertrag erklärt, bei welchem dem leitenden Seeschiff vom Schlepper nur Vorspanndienste geleistet werden. Letzteres wird aber namentlich der Fall sein beim Verholen eines Dampfers unter Assistenz mehrerer Schlepper (HansOLG. Hbl. 1903 Nr. 65; auch 1902 Nr. 15). Auch beim Schleppvertrag kommen Grenziälle vor, bei denen ähnliche Zweifel auf­ tauchen wie bei der Unterscheidung zwischen dem Zeitfrachtvertrag (time-charter) und der Schiffsmiete (vgl. oben zu § 510 Anm. 5). War ein Schlepper gegen festen Taglohn an­ genommen, um die ihm jeden Tag neu aufzugebenden Schleppleistungen auszuführen, so liegt ein Werkvertrag vor (HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 109), während in einem anderen Fall vom HansOLG. (Hbl. 1898 Nr. 41) Miete angenommen ist, wo der Schlepper nebst Mann­ schaft „vermietet" war und von dem „Mieter" in seinem Betrieb zur Ausführung von ihm geschlossener Schleppverträge verwandt wurde. Anm. 33. a) Verhältnis der Besatzungen von Schlepper und Schleppschiff. Liegt nicht ein Frachtvertrag vor, so haben Schlepper und Schleppschiff eigene Schiffsbesatzung mit eignem Schiffsführer. Schlepper und Schleppschiff werden durch eine Trosse verbunden zu einem Schleppzug, der einer einheitlichen Führung bedarf, um sein Ziel zu erreichen. Aber in diesem Rahmen bleibt jedes Schiff selbständig und kann jederzeit in die Lage kommen, plötzlich selbständige Entschlüsse zu treffen (Mittelstein HansRZ. 2, 561). Die früher in der hanseatischen Rechtsprechung herrschende Lehre: der Schleppzug sei ein Schiff mit einer Besatzung, ist durch die neuere Rechtsprechung aufgegeben (s. Anm. 7 zu 8 481). Nur dann, wenn tatsächlich das geschleppte Seeschiff die Führung des Schleppzuges hatte und deshalb sich des Schleppers und seiner Besatzung als bewegender Kraft bediente, muß das Schlepp­ schiff sich im Verhältnis zu Dritten, insbesondere kollidierenden Schiffen (s. u. zu §§ 734 ff.) gefallen lassen, daß der Schleppzug wie ein Schiff angesehen wird. Es kommt daher auch hier alles auf die Umstände des Falles an. Regelmäßig wird das geschleppte Seeschiff als das größere und höhere Schiff, auf dem sich der Lotse befindet, den Befehl über den Schlepp­ zug haben (Doyens GoldschmidtsZ. 50 S. 76 u. 82; HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 37). Es kann aber vorkommen, daß die nautische Führung dem Schlepper übertragen wird (s. RG. Hbl. 1916 Nr. 12) oder von ihm z. B. beim Schleppen eines Seeleichters (s. Hbl. 1912 Nr. 36; 1913 Nr. 35) in die Hand genommen wird. Aber auch dann, wenn die Führung beim Schlepp­ schiff bleibt, wird dieses befugt sein, dem Schlepper, wenn dieser mit dem Fahrwasser be­ sonders vertraut ist, Freiheit in der Kursführung zu belassen (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 35; 1907 Nr. 132; auch 1902 Nr. 39; Mittelstein HansRZ. 2, 563). Anm. 34» b) Pflichten und Rechte deS Schleppers. Sie bestimmen sich nach dem Inhalt des einzelnen Schleppvertrages. Allgemein läßt sich sagen, daß der Schlepper gehörig ausgerüstet und bemannt sein muß, daß er sich rechtzeitig einzustellen und ohne Unterbrechung (RG. gegen HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 74; s. ferner Hbl. 1912 Nr. 117; 1913 Nr. 66 = RG. 81 Nr. 81;

Vor § 556.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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Hbl. 1913 Nr. 136; 1914 Nr. 102) seine Arbeit zu bewerkstelligen hat. Nach der Regel des Vordem. Rechts hat der Schleppübernehmer Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten (BGB. § 276); bot § 556. er haftet für das Verschulden der Besatzung des Schleppers — sofern er sich nicht frei­ gezeichnet hat (s. die Bedingungen HansNZ. 2, 612) — nach BGB. § 278 und nach HGB. §§ 485, 486 Nr. 3. Bringt der Schlepper das Schleppschiff in Schaden, z. B. durch Fest­ fahren oder einen Zusammenstoß, so ist er verantwortlich, mag auch die Leitung beim Schlepp­ schiff gewesen sein, falls nicht der Unfall auf einen Befehl des Schleppschiffes zurückzuführen ist (LG. und HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 40). Die zahlreichen für das Binnenschiffahrtsrecht auf diesem Gebiet ergangenen Entscheidungen (vgl. Mittelstem Handb. 324) dürfen nicht ohne weiteres auf das Seerecht übertragen werden, wie dies von Schaps 1. Aufl. 297 für die Frage geschieht, wer für die Bildung des Schleppzugs verantwortlich ist. Nach Binnen­ schiffahrtsrecht liegt solche Pflicht dem Schlepper als dem Leiter des Schleppzuges ob. Die Entscheidungen (RG. Hbl. 1899 Nr. 58; HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 35) heben aber ausdrück­ lich hervor, daß dies bei größeren Schiffen, welche die Leitung haben, anders liegen möge. Erkannt ist, daß beim Schleppen eines Seeschiffes auf der Unterelbe beide Teile auf die richtige Länge der Trosse zu achten haben (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 132; 1910 Nr. 37; auch 1902, 100). Über Behinderungen und Unmöglichwerden des Unternehmens bestimmt das bürgerliche Recht; HGB. §§ 628 ff. finden nur auf Frachtverträge Anwendung. Wird die Ver­ bindung von Schlepper nnb Schleppschiff gelöst oder läuft das Schleppschiff auf, so wird der Schlepper aus dem Vertrage verpflichtet sein, sich nach Kräften um die Fortsetzung des Unternehmens zu bemühen (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 121 und NG. daselbst = RG. 46 Nr. 51). Sind die Dienste, welche der Schlepper dem Schleppschiff bei solcher Gelegen­ heit leistet, außergewöhnliche, so kann er dafür Berge- oder Hilfslohn beanspruchen, was jetzt auch gesetzlich anerkannt ist (HGB. § 742 Abs. 3 und JntÜ. Art. 4). Wann der Schlepper die vereinbarte Vergütung verdient hat und ob er auch im Falle der nicht vollendeten Leistung Entgelt beanspruchen kann, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (Mittelstein HansNZ. 2, 565). Die Lage des Schleppers ist hier beim Dienstver­ träge günstiger als beim Werkverträge, wo grundsätzlich nur für die vollendete Leistung die Vergütung geschuldet wird (BGB. § 641; HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 61). Es ist des­ halb in den hamburgischen Seeschleppbedingungen Vergütung pro rata der geschleppten Distanz ausbedungen.

c) Beweislast. Schaps 1. Aufl. 298 lehrt im Anschluß an ältere Entscheidungen, daß derAnm. 35. Schlepper sich exkulpieren müsse, wenn das Schleppschiff beschädigt werde. Da aber nicht nur der Schlepper, sondern auch das Schleppschiff mitzuwirken hat, so ist, wenn nichts für eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, der Anspruch des Schleppschiffes abzuweisen (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 27; 1909 Nr. 77 in Binnenschiffahrtssachen). Aber auch dann, wenn prima facie eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist, muß weiter die Sachlage dafür sprechen, daß der Schlepper seine Pflicht verletzt hat, um von ihm Entlastung fordern zu können. In Binnenschiffahrtssachen (s. Mittelstem Handb. 327) ist das oft ausgesprochen, weil dort der Schlepper die Führung hat. Hatte aber das Seeschiff die Führung, so muß erhellen, daß dessen Leitung nicht in Betracht kam (vgl. Mittelstem HansRZ. 2, 565).]

§ 556.

§ 556.

Der Frachtvertrag zur Beförderung von Gütern bezieht sich entweder

auf das Schiff ttn ganzen oder einen verhältnismäßigen Teil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes oder 2. auf einzelne Güter (Stückgüter). Die verschiedenen Arte» des Seefrachtvertrages: vertrag.

Chartervertrag «nd Stückgüter­

310

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 556. 1. Chartervertrag liegt vor, wenn dem Befrachter*) entweder das Schiff im ganzen („en Anm. 1.

Anm. 2.

rouge“: Voigt Neues Archiv für Handelsrecht 2, 212) oder ein verhältnismäßiger Teil oder ein bestimmt bezeichneter Raum desselben (z. B. das Zwischendeck) behufs Befrachtung eingeräumt wird. Diese drei Erscheinungsformen des Seefrachtvertrages s(vgl. Pappen­ heim 3, 53)], welche untereinander Verschiedenheiten genug aufweisen, verdanken ihre Subsumtion unter den gleichen Begriff dem Umstande, daß bei ihnen, im Gegensatz zum Stückgütervertrage, gewöhnlich eine Chartepartie ausgestellt wird (§ 557). Eine häufig vorkommende Art des Chartervertrages ist der Zeitfrachtvertrag (time­ charter), bei welchem ein ganzes Schiff gegen Zeitfracht (§622) verfrachtet wird (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 14). Unter dem Namen dieses Vertrages kann sich aber auch eine Schiffsmiete verbergen, und zwar entweder eine reine oder eine mit einem Dienstverschaffungsvertrage verknüpfte Schiffsmiete (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 15). Ob Frachtvertrag oder Schiffsmiete vorliegt, dafür ist maßgebend weder der von den Parteien gewählte Name noch der Besitz am Schiff, dessen Übergang zwar zeigt, daß Frachtvertrag

nicht gegeben ist, aus dessen Nichtübergang aber nicht zu entnehmen ist, daß Miete nicht vorliegt. Entscheidend ist, wie oben (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 14, 15) dargelegt, allein der Umstand, ob beabsichtigt ist, daß der Reeder selbst für feinen Gegenkontrahenten Transportleistungen vornehmen, oder ob er es ihm er­ möglichen soll, das Schiff seinerseits auszunützen. Das müssen die Umstände des Einzelfalles ergeben. Dem Vorliegen eines Frachtvertrages steht nicht entgegen, daß der Charterer das Recht hat, Zahl und Ziel der auszuführenden Reisen innerhalb der Grenzen der Charter zu bestimmen, oder der Umstand, daß der Charterer die erforderlichen Kohlen zu beschaffen hat (Hamb. Schiedsgericht Hbl. 1915, 98). Ein Mietvertrag wird im Zweifel dann anzunehmen sein, wenn eine Linienreederei zur zeitweisen Ergänzung ihres Schiffs­ parks einen fremden Dampfer chartert und in ihre Linie einstellt (über diesen Fall s. SBüfteiP dörfer 155 und ArchZivPr. 110, 261 ff.). Anm. 3. Welcher der beiden Fälle vorliegt, ist auch im Verhältnis zu Dritten von aus­ schlaggebender Bedeutung. Schließt der wahre Zeitbefrachter Unterfrachtverträge, so haftet für deren Erfüllung, soweit ihre Ausführung zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört, und von diesem übernommen ist, nicht der Unterverfrachter, sondern der Reeder (§ 662 Abs. 1). Dies gilt nicht, wenn der Mieter Frachtverträge abschließt, nicht einmal analog (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 24 = LZ. 1913, 567, gegen LG. Hamburg LZ. 1912, 574). Weiter: soweit während der Dauer des wahren Zeitfrachtvertrages das Schiff mit Schiffs­ schulden belastet wird, können diese nur gegen den Reeder geltend gemacht werden. Da­ gegen wird der Mieter, falls er Ausrüster ist, im Verhältnis zu Dritten als der Reeder an­ gesehen (§ 510), so daß er allein für unpersönliche Ansprüche passiv legitimiert ist. Dies gilt nicht für den conductor na vis et operarum magistri: indessen erheischt der Verkehr dringend die analoge Anwendung des § 510 auf den oben erwähnten Fall der Linien­ reederei, die im Wege der Miete eines Schiffes mit Kapitän ihren Schiffspark ergänzt hat (Anm. 10 zu § 510). Anm. 4. 2. Stückgütervertrag (Wüstendörfer Studien 187 ff.) ist ein Frachtvertrag über einzelne Güter, Spezies- oder Genussachen. sDie Vorschrift des BSchG., daß Stückgüterverträge über mehr als 10000 kg als Raumfrachtverträge anzusehen sind, ist dem Seerecht unbekannt.] Die Tendenz des Frachtvertrages geht immer mehr dahin, die Beförderungsverpflichtung des Verfrachters aus dem Stückgütervertrag nicht an ein bestimmtes Schiff zu binden, sondern zu einer Wahlschuld mit Wahlrecht des Verfrachters oder gar zu einer Gattungsschuld zu gestalten (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 13): Die Konzentration (Konkretisierung) des Schuldverhältnisses geschieht in diesen Fällen (vgl. BGB. §§ 263 Abs. 2, 243 Abs. 2)

*) Mehrere Charterer haften im Zweifel als Gesamtschuldner (BGB. § 427). Das Gegenteil bestimmt die Klausel „each merchant responsible for bis own interest only“: Baltic 1913. 276 ff.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

311

durch Erklärung des Verfrachters, also in der Regel durch seine an den Befrachter gerichtete § 556. Aufforderung, die Abladung auf ein bestimmtes der in Frage kommenden Schiffe zu be­ wirken, wenn aber der Verfrachter vorher bereits die Güter übernommen hat, in der Regel mit der vollendeten Abladung. Ausnahmsweise kann indessen der Transportakt selbst als generischer gedacht, d. h. der Verfrachter zur eventuellen Substitution eines anderen Schiffes bis zur Ankunft des Gutes am Bestimmungsorte verpflichtet sein (Wüstendörfer 208 ff.). sJst im Frachtvertrag nur bestimmt, daß zur Beförderung der Ladung ein Dampfer nach Wahl des Verfrachters binnen 50 Tagen nach endgültiger amtlicher Friedenserklärung im Abladehafen ladebereit sein soll, so handelt es sich um eine generische Transportleistungs­ verpflichtung. Eine Konzentration derselben konnte durch eine schon im März 1916 erfolgte Benennung des zu stellenden Dampfers noch nicht bewirkt werden (HansOLG. Hbl. 1917, 247 - LZ. 1917, 1282).] 3. Die Verschiedenheit der einzelnen Fälle des Seefrachtvertrages äußert sich rechtlich darin, Anm. 5. daß gewisse Gesetzesbestimmungen nicht auf alle, sondern nur auf einzelne jener Fälle Anwendung finden. Es gelten nämlich § 557 (Errichtung einer Chartepartie) nur für den Chartervertrag; § 558 (Verladung von Gütern in die Kajüte) nur für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes; §§ 567—586 (Abladung, Fautfracht und was damit zusammenhängt) nur für die Verfrach­ tung eines ganzen Schiffes, dagegen für die beiden anderen Arten des Chartervertrages mit den Modifikationen des § 587; §§ 588 u. 590 (Abladung, Faulfracht, Reiseantritt) nur für den Stückgütervertrag; §§ 594—602 (Löschung und was damit zusammenhängt) für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes und (§ 603) für die beiden anderen Arten des Chartervertrages; § 604 (Löschung usw.) nur für den Stückgütervertrag; § 605 (Unterfrachtverträge über Stückgüter) nur für den Chartervertrag; §§ 628—640 (Endigung des Frachtvertrages, Distanzfracht usw.) nur für die Verfrachtung eines ganzen Schiffes, dagegen § 641 für die übrigen Fälle des Chartervertrages und den Stückgütervertrag.

§ 557.

§ 557.

lvird das Schiff im ganzen oder zu einem verhältnismäßigen Teile oder wird ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffes verfrachtet, so kann jede Partei verlangen, daß über den vertrag eine schriftliche Urkunde (Lhartepartie) errichtet wird. Chartepartie.

Über die Ableitung und Bedeutung des Wortes s. fPappenheim 3 S. 115

bis 116 und] Abbott 330. Die Chartepartie hat nicht die Bedeutung eines Ersatzmittels des Frachtbriefs (RG. 86, 85). 1. Die Bedeutung der Vorschrift deS § 557. Das Gesetz schreibt nicht die Notwendigkeit der Anm. 1. schriftlichen Abfassung des Chartervertrages vor, sondern verordnet nur, daß jeder Kon­ trahent des an sich formlosen Vertrages, auch wenn keine Beurkundung verabredet ist (vgl. BGB. § 154 Abs. 2 sRG. 29. Nov. 1919, HansRZ. 3, 97]), die Errichtung einer Ver­ tragsurkunde, der sog. Chartepartie (Charterparty, Charter) verlangen kann sals Beweis­ urkunde über den schon geschlossenen Raumfrachtvertrag (Pappenheim 3, 119)]. Das Gesetz sagt nicht, wie z. B. in § 475, daß die Kosten der Beurkundung dem sie Bean­ tragenden zur Last fallen; es muß daher im Zweifel angenommen werden, daß sie als Ver­ tragsspesen von den Kontrahenten zu gleichen Teilen zu tragen sind. s(Ebenso im Ergebnis Pappenheim 3, 118.)] Auf die Befugnis, die Errichtung einer Bertragsurkunde zu verlangen, kann verzichtet werden. Gerät ein Teil mit der Vollziehung oder Übersendung der Chartepartie in Verzug,

312 § 557.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

so berechtigt dies den Gegner nicht ohne weiteres zum Rücktritt vom Vertrage (HansOLG. Hbl. 1881, 26), vielmehr nur nach Maßgabe von BGB. § 326?)

Anm. 2. 2. Eine Form ist für die Chartepartie nicht vorgeschrieben. Die beteiligten Kreise pflegen sich gedruckter Formulare zu bedienen, welche, auch wo deutsche Kontrahenten beteiligt sind, vielfach in fremder, insbesondere englischer Sprache abgefaßt sind ([so z. B. im Jahre 1916 im Falle HansNZ. 2, 434]). Ist aus dieser Tatsache allein zu folgern, daß die Kontrahenten sich hinsichtlich der rechtlichen Folgen des Frachtvertrages dem fremden Rechte unterwerfen wollten? Die Frage ist zu verneinen (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 151; OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 266; HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 41; 1892 Nr. 21; 1896, 218; 1904, 134; 1910, 179; RG. 38, 144; NG. Hbl. 1911, 140 = Hansa 1911, 200 = LZ. 1911, 469 = IW. 1911, 225; NG. ZVersWiss. 17, 665; fSieveking 299; Pappenheim 3, 124 Anm. 4] usw.). Denn der Deutsche ist bezüglich des Gebrauchs fremder Idiome entgegenkommender als die Angehörigen anderer Nationalitäten: auf diesem Entgegenkommen beruht vielfach die An­ wendung der fremden Sprache in Verträgen, ohne daß hieraus weitergehende Folgerungen gezogen werden dürfen. Die englische Sprache insbesondere ist noch immer in den meisten Weltgegenden internationale Seesprache; sie eignet sich darum zum Gebrauch für Urkunden, für deren Inhalt ein ausländischer Vertrags- oder Erfüllungsort irgendwie in Frage kommt. Es müssen also zu dem Gebrauch der fremden Sprache noch weitere Tatsachen hinzukommen, welche die Unterwerfung der Parteien unter das fremde Recht unzweifel­ haft machen, also entweder eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung („any question arising under this charter to be settled according to English law“: Hbl. 1871 Nr. 266; „contract, whereever made, to be construed by English law“: Hbl. 1898 Nr. 105) oder Umstände, aus denen der stillschweigende Unterwerfungswille hervorgeht. Beispiele: Abschluß eines Frachtvertrages seitens eines deutschen Kaufmanns mit einer englischen Reederei in Japan, wo der Seehandel zum größten Teil in englischen Händen ist (HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 105); Abschluß durch englische Vertreter der Kontrahenten in England (RG. 19, 34; LG. Hamburg Hbl. 1893 Nr. 101; HansOLG. Hbl. 1908, 248; RG. 68, 209; entsprechend Anwendung deutschen Rechts bei Abschluß durch deutsche Vermittler in Ham­ burg: RG. LZ. 1912, 548 --Hbl. 1912, 227; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1910, 179; RG. 75, 96); unter Umständen Aufnahme von Vertragsbestimmungen, die der fremden Ge­ schäftsweise und Rechtsauffassung eigentümlich sind (OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 3, 366; 4, 93; HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 159, 260; HansOLG. Hbl. 1896 S. 68, 218; RG. 19, 34; 68, 209 usw.-),) wobei aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß die Parteien zwar diese einzelnen Bestimmungen nach der fremden Rechtsauffassung ausgelegt wissen wollten, x) [(M.) Dem vermag ich nicht beizutreten, da es sich hier zweifellos nicht um eine Hauptleistung des Schuldners im Sinne des § 326 BGB. handelt.! a) Die Unterwerfung unter englisches Recht wird — neben anderen Umständen — ge­ schlossen aus der Aufnahme der Klausel „the captain has an absolute lien on the cargo for demurrage“ von dem HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 159, und dem HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 46 (anders HansOLG. Hbl. 1881, 127), aus der Aufnahme der Penalty-ftfaufel von dem HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 159 (anders OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 266; HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 172; Hans OLG. Hbl. 1881 Nr. 46), aus der Aufnahme der besser-Klausel vom RG. mit dem HansOLG. RG. 19, 35, aus der Freizeichnung von den Acts of God etc., in Verbindung mit der unselbständigen NegUgsnce-Klausel vom RG. 68, 209 (anders HansOLG. Hbl. 1904, 134). In dieser Hinsicht ist aber Vorsicht geboten, weil Chartepartien englischen Wortlauts in der ganzen Welt verwendet worden und auch die spezifisch englischen Klauseln längst Gemeingut der mit See­ recht befaßten Kreise aller Nationen geworden sind. — Trotz derartiger Bestandteile sind in vielen Entscheidungen Chartepartien, die zwei deutsche Parteien abgeschlossen hatten, als dem deutschen Recht unterstehend angesehen worden: vgl. HansOLG. Hbl. 1904, 134; RG. Hbl. 1905, 57; RG. Hbl. 1911, 139 -> Hansa 1911, 200 = LZ. 1911, 469 -- IW. 1911, 225.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

313

im übrigen aber eine Unterwerfung unter das fremde Recht nicht beabsichtigten (vgl. OG. § 557. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 294; AG. und LG. Hamburg Hbl. 1899 Nr. 27; RG. 39, 68; NG. Hbl. 1911, 140 Hansa 1911, 200 - LZ. 1911, 469 - IW. 1911, 225; RG. ZBersWiss. 17, 565; Wagner 136; sPappenheim 3, 125]). 3. Inhalt. Die Chartepartie hat zum mindesten Bestimmungen über die wesentlichenAnm. 3. Punkte des Frachtvertrages (s. Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 1 ff.) zu enthalten. Die möglichen und üblichen Nebenbestimmungen werden an den geeigneten Stellen erwähnt werdend) Hier ist nur einzugeheu auf gewisse vielfach gebräuchliche Zusicherungen betreffend Eigenschaften und Leistungsfähigkeit deS Schiffes. Sofern sich solche Zusicherungen nicht offensichtlich als leere, dem Gegner als solche erkennbare Anpreisungen darstellen und Tatsachen betreffen, die geeignet sind, das Urteil des Gegenkontrahenteu über das Schiff zu beeinflussen, so handelt es sich um dicta, für deren Richtigkeit der dolose Verfrachter immer, der nicht dolose, wenn er nicht seine Haftung vertraglich ausschließt (z. B. durch die Klausel: „these particulars are believed to be correct, but not guaranteed“: Hbl. 1900, 163) oder der Befrachter die Uurichtigkeit der Zusicherung keunt, einzustehen hat. Die Rechte des Befrachters bei Nichtinnehaltung der Zusagen richten sich nach allgemeinen Grundsätzen (BGB. §§ 633 ff.). Von den üblichen Zusagen des Verfrachters sind zu erwähnen diejenigen, welche betreffen a) die Nationalität deS Schiffes (Ullrich Nr. 120; Carver sect. 138). Vgl. das Gutachten Anm. 4. der Juristenfakultät Kiel Hamb. Sammlung der Erk. des OAG. Lübeck 2 Nr. 35 (Erbauungs­ ort des Schiffes). b) Die Schnelligkeit deS Schiffetz und den Kohlenverbrauch (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 78). Anm. 5. c) Den Tiefgang deS Schiffes (Ullrich Nr. 264). Anm. 6. d) Die Klassifikation (Anm. 7 zu § 513; ferner HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1863, 305 ff ; Anm. 7. -= Hermann u. Hirsch Nr. 69; HG. und OG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 31; ROHG. 21 Nr. 51; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 28). Die Zusage einer bestimmten Klassi­ fikation bezieht sich im Zweifel nur auf den Moment des Vertragsabschlusses: es liegt in ihr nicht die Zusicherung, daß die Klassifikation während der Vertragsdauer erhalten bleiben werde (Carver sect. 140; Stephens Charter-parties 113; HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 28; fRG. Hbl. 1894 Nr. 52 a. E.; Pappenheim 3, 146 Anm. 5]). e) Die Tragfähigkeit deS Schiffes („dead-weight capacity“: Carver sect. 141a; Stephens Anm. 8. Charter-parties 122; die bloße Angabe der Tonnage ist nach letzterem keine warranty, sondern nur eine description). Diese Zusage geschieht entweder in der Weise, daß nur die Größe

*) Die Chartepartie enthält oft eine Schiedsgerichtsklausel (vgl. R. 10, 33 ff.: vor­ wiegend vom Standpunkt des französischen Rechts). Ist die Einsetzung eines Schiedsgerichts für den Fall vereinbart: „should any difference arise as to the meaning and Intention of thia charter“, so hat ein Schiedsgericht lediglich über den (Sinn der Charter, nicht über tatsächliche Vorgänge und die Anwendung der Charter auf dieselben, zu entscheiden (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 69); solange das Schiedsgericht nicht entschieden hat, ist die gerichtliche Klage verfrüht (Urt. des RG. vom 19. März 1901 in der Hamburger Sache Rettich & Co. gegen Kirsten VII. 22/1901). Schiedsgerichts- oder Proro­ gationsklauseln der Chartepartie gelten nicht ohne weiteres für Streitigkeiten zwischen Konnossementsinhaber und Reeder, auch wenn das Konnossement eine Klausel wie „all other conditions as per charterparty“ enthält (HansOLG. Hbl. 1914, 188; anders Hbl. 1905, 20). Zeitchartepartien enthalten meist die sog. Bunkerklausel, lautend z. B. „that the charterers shall accept and pay for all coals in ship’s Lunkers on delivery, and the owners shall on the expiry of thia charter-party pay for all coals then lest in the Lunkers in Loth cases at current market prices of respective ports“ (Baltic 1913, 290; ähnlich bei Stephens, Charter-parties 178 ff.) oder „coals on board on delivery and redelivery of the steamer to be received by charterers and owner reapectively at the current price of place“ (Hbl. 1913, 59). Der „price of place“ ist nicht der des nächsten Kohlenhafens, sondern der des Lieferungs- bzw. Rücklieferungshafens (HansOLG. Hbl. 1913, 60).

314 § 557.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

des Schiffes angegeben wird [(vgl. Pappenheim 3,147 Anm. 3)], gewöhnlich mit dem Hinzu­ fügen, ob dabei die Bunker eingeschlossen sind oder nicht (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 102) — dann haftet der Verfrachter lediglich für die Übereinstimmung der angegebenen Größe mit dem Inhalt des Meßbriefs (HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1866, 92; vgl. OLG. Kiel SchlHolstAnz. 1881,85), oder so, daß der Größenangabe ein Zusatz über die Art und Menge der einzunehmenden Ware beigefügt wird (OLG. Kiel a. a. O.): dann haftet der Ver­ frachter für die Fähigkeit des Schiffes, diese Waren und Mengen einzunehmen (HG. und OG. Hamburg Hermann u. Hirsch Nr. 170 und Nathans Hamb. GZ. 1865, 219 ff. [„520 tons Schwergut"); Ullrich Nr. 285 [„210 tons Zucker oder Salpeter in Säcken") usw.).

Anm. 9. f) Die Positiondangabe des Schiffes (z. B. „Segelschiff X., ladend jetzt in Hamburg für Nykjöbmg"; [vgl. ferner HansNZ. 2, 579: „zurzeit in Hamburg, unter diesem Vertrage erwartet Anfang September")), eine Vertragsklausel, deren Inhalt dem Befrachter als Grundlage für die Berechnung der Ankunftszeit des Schiffes dienen soll, da die Zusicherung einer fest bestimmten Ankunftszeit bei Segelschiffen nicht tunlich und nicht üblich ist (OLG. Rostock MecklZ. 27, 114). Anm. 10. g) Die spezielle Ladetüchtigkeit: s. Anm. 5 zu § 513 und Boyens 2, 104. Anm. 11. Von Zusagen des Befrachters sind zu nennen die „einet vollen und bequemen Ladung", „a full and convenient cargo“ u. dgl. (Anm. 1 zu § 578), die vyn stiffening cargo (HansOLG. Hbl. 1914, 23; Carver sect. 648), Zusicherungen gewisser Maße der Ladung (OLG. Rostock MecklZ. 31, 33), die Berücksichtigung konkreter die Reise betreffender Um­ stände bei Bemessung der Ladung (z. B. „the quantity loaded . . . not to exceed, what the ship can carry to savely cross Martin Garcia bar without lighterage“: LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 33).

Anm. 12. 4. Die Auslegung der Chartepartie folgt den allgemeinen Regeln. Es ist demnach im Einzel­ falle regelmäßig gegen denjenigen zu interpretieren, der die Urkunde verfaßt bzw. die unklare Bestimmung dem Vertrage eingefügt hat (HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 48; auch nach neuem Recht: RG. 53, 60; HansOLG. SeuffA. 66, 455). Hat für eine Partei ein Vertreter ab­ geschlossen, so ist für die Auslegung des Vertrages Wille und Rechtsauffassung des Ver­ treters, nicht des Vertretenen, maßgebend (HansOLG. Hbl. 1896, 67; RG. 19, 36). Wer eine vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Auslegung behauptet, muß sie beweisen (vgl. HG. und OG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 265, 297). Handschriftlich eingefügte Bestim­ mungen gehen denen des gedruckten Formulars vor (Stephens, Charter-parties 95; [Pappen­ heim 3, 125; farbig aufgedruckte Klauseln gehen dem schwarz gedruckten Text im Zweifel vor)). Ausnahmebestimmungen kommen im Zweifel beiden Teilen zugute (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 1; 1915, 131: Force majenre-Klausel; anders nach Lage des Falles HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 33 und für die Klausel „strikes or stoppages of labourers are excepted“: HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 123. Vgl. bezüglich der Klausel „the acts of God, perils of the sea, fire, barratry of the master etc. excepted“, welche nach englischer Auffassung nur für den Verfrachter gilt, sofern nicht Geltung für beide Teile [durch „mutally excepted“) aus­ gemacht ist: HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 28; 1898 Nr. 55; RG. Hbl. 1899 Nr. 26; [Wüsten­ dörfer 288; Pappenheim 3, 126 Anm. 2)). Werden mehrere Originalchartepartien aus­ gestellt, so hat bei Verschiedenheiten derjenige, der sich auf die Richtigkeit seines Exemplars beruft, diese zu beweisen (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 182; ROHG. 13 Nr. 78), ohne daß es darauf ankommt, welches der Exemplare später vollzogen ist. Anm. 13. 5. Die Rechte auS der Chartepartie sind übertragbar, sowohl seitens des Verfrachters wie seitens des Befrachters. Doch bleibt der Zedent an seine Verpflichtungen gebunden, solange er nicht aus ihnen entlassen ist. Durch Indossament als solches kann eine Charte­ partie nicht übertragen werden [denn sie ist nur eine Beweisurkunde); entspricht dasselbe jedoch den an eine Forderungsabtretung zu stellenden Anforderungen, so ist es als solche aufrechtzuerhalten. Ein Blankoindossament kann diese Funktion nicht erfüllen (OAG. Lübeck Kierulff 6, 479 ff. = SeuffA. 26 Nr. 235).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

315

Zusatz. Nicht Urkunde über den Frachtvertrag ist der SchiffSzettel, ein Begleitschein, § 557. mit dem der Ablader von Stückgütern dieselben an das Schiff sendet. Derselbe enthält lediglich Anm. 14. eine Anweisung zur Annahme der Güter behufs Ausführung eines bereits errichteten oder noch zu errichtenden Frachtvertrages: HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 60. Vgl. auch § 10 der Hamb. Betriebs­ und Gebührenordnung für die Kaianlagen vom 22. Dez. 1893 (s. Anhang). Vielfach rührt das vom Ablader auszufüllende Schiffszettelformular bereits vom Verfrachter her, dessen Be­ dingungen in ihm enthalten sind (vgl. sPappenheim 3, 124]; Anl. V bei Wüstendörfer hinter 1, 216). Ein Legitimationspapier ist der Schiffszettel nicht (Wüstendörfer 190 ff.).

8 558.

§ 558.

der Verfrachtung eines ganzen Schiffes ist die Kajüte nicht einbe­ griffen; es dürfen jedoch ohne Einwilligung des Befrachters in die Kajüte keine Güter verladen werden. Der Paragraph bezieht sich nur auf den Fall des Chartervertrages über ein ganzes Schiff und enthält: 1. Eine Dispositivvorschrist, dahingehend, daß die Kajüte, d. h. der Wohn- und SchlafraumAnm. 1. des Kapitäus, in der Verfrachtung nicht einbegriffen ist: der Charterer darf also ohne Ein­ verständnis des Verfrachters oder des Kapitäns — das letztere muß genügen, da es sich um eine Vorschrift zugunsten des Kapitäns handelt — in dieselbe weder Güter laden noch Passagiere aufnehmen (Scrutton 123; OAG. Lübeck SeuffA. 9 Nr. 204), selbst wenn er nach dem Vertrage ,,a full and complete cargo^u liefern hat (Stephens' Charter-parties 119). Tut er es trotzdem, so Muß er angemessene Entschädigung zahlen, die aber nicht notwendig mit der in der Charte­ partie vereinbarten Frachtrate zusammenzufallen braucht (Maclachlan 495; Carver sect. 262; Leggett, Bills of lading283). Daß in das Volkslogis und in dieRäume fürAufbewahrung des Proviants und der Schiffsutensilien keine Ladung verstaut werden darf, versteht sich von selbst (Prot. 2059). Ob der Charterer die Ladung von Gütern auf Deck verlangen kann (was das englische Recht verneint: Carver sect. 262), ist Frage des Einzelfalles (vgl. HansOLG. Hbl. 1903, 44; sPappenheim 3, 200]). 2. Ein Verbot an den Schiffer, in die Kajüte ohne Einwilligung deS Befrachters Güter Anm. 2. zn verladen. Durch dasselbe soll vermieden werden, daß der Schiffer dem Befrachter, sei es auch nur in kleinem Umfange, Konkurrenz macht. Handelt der Schiffer diesem Verbot zu­ wider, so macht er sich dem Befrachter schadensersatzpflichtig (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 265). Vgl. übrigens § 544. Was die vercharterten Räume anlangt, so versteht es sich von selbst, daß dem Schiffer nicht erlaubt ist, in sie ohne Genehmigung des Befrachters Güter für eigene Rechnung zu verladen (HG. Hamburg 1. c.). Aber auch nicht für Rechnung des Verfrachters, auch wenn der Befrachter die Tragfähigkeit des gecharterten Schiffes nicht ausnützt (HansOLG. Hbl. 1909,180; sPappenheim S. 3, 200—201]; anders das Urteil Caffin gegen Aldridge bei Carver sect. 262 a mit Rücksicht auf die Umstände des konkreten Falles). Keinesfalls darf der Verfrachter durch Ladung eines größeren als des erforderlichen Kohlenquantums den Be­ frachter an der Ausnutzung des Schiffes Hintern (Scrutton 124); etwaige auf die übermäßige Kohlenladung zurückzuführende Leichterkosten sind zu seinen Lasten (High Court of Justice BlVerglR. 2, 244). Auch sonstiger Extraverdienst kommt dem Verfrachter zu, so solcher durch Passagier­ verträge (anders HansOLG. Hbl. 1901, 159 = Rechtspr. 2, 371, das ihn zwischen Reeder und Charterer teilt), Bergung und Hilfsleistung (Anm. 2 zu 8 749).

§ 559. Bei jeder Art von Frachtvertrag (§ 556) hat der Verfrachter das Schiff in seetüchtigem Stande zu liefern.

§ 559.

316 § 55S.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung vvn Gütern.

(Er haftet dem Befrachter für jeden Schaden, der aus dem mangelhaften Zustande des Schiffes entsteht, es sei denn, daß der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht zu entdecken war.

Haftung deS Verfrachters für die Seetüchtigkeit deS Schiffes. Die gleiche Haftung trifft dem Konnossementsinhaber gegenüber den mit dem Verfrachter nicht identischen Reeder (Wüstendörfer 468)?) Anm. L 1. Der Begriff der Seetüchtigkeit ist bereits besprochen und gegen die sonstige Reisetüchtig­ keit und die spezielle Ladungstüchtigkeit abgegrenzt (Anm. 2ff. zu § 513). Nur im Sinne des 8 559 auch die sonstige Reisetüchtigkeit darunter zu fassen und damit für das HGB. „einen unerfreulichen Doppelbegriff der Seetüchtigkeit zu schaffen" (Wüstendörfer, 742 fauch Pappenheim 3,137]), liegt kein Anlaß vor (gegen Wüstendörfer s. Doyens GoldschmidtsZ. 73, 531). In Betracht kommt im vorliegenden Zusammenhang nur die relative Seetüchtig keit in dem Anm. 2 zu 8 513 dargelegten Sinne, nicht in dem der speziellen Ladungstüchtigkeit (Anm. 5 u 8 513). über die Haftung des Verfrachters für die sonstige Reisetüchtig­

keit und für die spezielle Ladungstüchtigkeit s. u. Anm. 5. Anm. 2. 2. Die Verpflichtung deS Verfrachters besteht in derLie ferungdes Schif fesin seetüch tigem Zustande. Dieser Zustand muß grundsätzlich schon vorhanden sein beim Beginn der Be­ ladung (Boyens GoldschmidtsZ. 73, 532; Brandts 2, 10; Gütschow Reform 39; HansOLG. Hbl. 1913, 66; anders Prot. 2060; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 363; Martin ArchOffR.

9, 461; HansOLG. Hbl. 1885 Nr. 24 = SeuffA. 40 Nr. 225); denn man kann dem Ablader regelmäßig nicht zumuten, in ein seeuntüchtiges Schiff zu verladen. Wenn freilich die die Seeuntüchtigkeit begründenden Mängel so unerheblich sind, daß sich die Weigerung des Ab­ laders, zu verladen, als ein Mißbrauch seines Rechtes darstellt, muß man dem Verfrachter das Recht, noch während der Beladung Reparaturen vorzunehmen, sofern diese die Beladung nicht hindern, zubilligen (OAG. Lübeck Kierulff 3, 463 = SeuffA. 32 Nr. 99; sPappenheim 3, 139). Das Schiff muß aber auch noch bei Antritt der Reise seetüchtig sein (Pappenheim 3,140)]. Wird das Schiff nach Antritt der Reise seeuntüchtig, so ist gleichfalls eine Haftung aus 8 559 nicht gegeben, es müßte denn sein, daß der die Seeuntüchtigkeit verursachende Mangel, wenn auch in geringerem Grade, bereits beim Reiseantritt vorhanden gewesen ist. Hieraus ergibt sich, daß für einen unterwegs eintretenden Mangel der später hinzukommenden Ladung aus 8 559 gehaftet wird, der vorher verladenen nicht (vgl. HansOLG. Hbl. 1916, 84). Die"Vereinbarung, daß während der Dauer eines Zeitfrachtvertrages das Schiff vom Reeder in seetüchtigem Zustande erhalten werden soll („being maintained by owners in a seaworthy condition“) bedeutet keine Garantie für ununterbrochene Fortdauer der Seetüchtigkeit, sondern will sagen, daß, falls während der Vertragsdauer zur Wiederherstellung der Seetüchtigkeit Reparaturen erforderlich werden, der Reeder sie auf seine Kosten ausznführen hat (HansOLG. und RG. Hbl. 1902 S. 268 ff., 275). Anm. 3. 3. Die Haftung für Seetüchtigkeit. Ihre Grundlage ist frachtrechtliche Gewährleistung (HansOLG. Hbl. 1916, 84 = LZ. 1916, 705). Der Verfrachter, der das Schiff in nicht­ seetüchtigem Zustande geliefert hat, haftet dem Befrachter a) Für jeden Schaden, der aus dem mangelhaften Zustande des Schiffes entsteht, d. h. für das gesamte Interesse, im Falle des Verlusts oder der Beschädigung von Gütern also nicht bloß nach Maßgabe der 88 611, 613 ([ebenso Pappenheim 3, 456], anders Gütschow Re*) [(M.) Dieser neue Sah, zu welchem Schaps durch Wüstendörfer 468 veranlaßt ist, wirkt meines Erachtens verwirrend. Der § 559 beschränkt sich auf das Verhältnis der Vertragsparteien des See­ frachtvertrages; er ermangelt, wie Pappenheim 3, 146 sagt, der selbständigen Bedeutung, und fehlt denn auch im Binnenschiffahrtsrecht (vgl. Mittelstein Hdb. 52). Dem Konnossementsinhaber gegen­ über besteht keine Verpflichtung des Verfrachters, sondern des Reeders, der gegenüber dem Anspruch des Konnossementsinhabers wegen Verlustes oder Beschädigung des Gutes sich damit, daß das Schiff nicht seetüchtig war, nur insoweit verteidigen kann, als ihm § 606 (vgl. auch BSchG. § 58 Abs. 2) oder Klauseln des Konnossements zur Seite stehens

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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form 39). Unter „mangelhaftem Zustande des Schiffes" ist nach dem Zusammenhänge § 559. nicht jeder mangelhafte Zustand (oben Anm. 1), sondern nur ein solcher zu verstehen, der sich als Seeuntüchtigkeit charakterisiert (so insbesondere LG. Hamburg Hbl. 1897, 220; Brodmann Note 2; Sieveking 37 ff. sPappenheim 3, 135 Anm. 1]). b) Nicht nur für Verschulden, sondern unter allen1) Umständen, es sei denn, daßAnm. 4. der Mangel bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht zu entdecken war. Um die Haftung zu beseitigen, ist hiernach, analog § 606, ein Exkulpationsbeweis erforderlich, vermittels dessen der Verfrachter zunächst die Ursache der Nichtentdeckung des Mangels aufzuklären und sodann hinsichtlich des sich hieraus ergebenden Tatbestands darzutun hat, daß ihm und den Personen, für die er verantwortlich ist, bei Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordent­ lichen Verfrachters ein Verschulden nicht zur Last fällt (NG. 67, 304; HansOLG. Hbl. 1916, 84 = LZ. 1916, 705 = SeuffA. 71, 204; s. auch Hbl. 1900, 299 = Nechtspr. 1, 442). Die Worte des Gesetzes „nicht zu entdecken war" bedeuten keine größere Belastung für den Verfrachter, als wenn es hieße „nicht entdeckt worden ist" (anders 1. Aufl.; ferner Boyens ZVersWiss. 1,108; HansOLG. Hbl. 1907, 91): es genügt, falls die Ursache der Nichtentdeckung des Mangels aufgeklärt ist, der Nachweis, daß den Verfrachter und seine Leute in dieser Hinsicht kein Verschulden trifft, und es darf die Exkulpation nicht um deswillen für ungenügend erachtet werden, „weil bei der Nichtentdeckung besondere Zufälligkeiten mitgespielt haben, oder die Entdeckung bei außergewöhnlicher, nicht allgemein vorauszusehender Sachkunde, oder bei Kenntnis besonderer Umstände gelungen wäre" (RG. 67, 303 ff.). Unrichtige Beurteilung der Seetüchtigkeit braucht nicht auf Mangel an Sorgfalt, sondern kann auf Mangel technisch­ fachmännischen Urteils beruhen, der beim Verfrachter — sder die Sorgfalt eines solchen und nicht die eines Schiffsbauers oder Schiffsingenieurs zu vertreten hat (HansOLG. Hbl. 1917, 132)] — um so mehr zu entschuldigen ist, wenn seine Erfahrungen mehr kaufmännischer als technischer Art sind (RG. Hansa 1918, 43 -- EisenbE. 29, 425 = Recht 1913 Nr. 568); bei Beurteilung von Konstruktionen braucht er regelmäßig nicht strenger zu sein als die See­ berufsgenossenschaft (HansOLG. Rechtspr. 24, 205 --- ZVersWiss. 12,1278 — LZ. 1912, 246 = Hansa 1912, 59). Personen, für deren Verschulden er einzustehen die er also zu exkulpieren hat, sind diejenigen, deren er sich in Beziehung auf die sich aus dem Frachtvertrag ergebende Untersuchungspflicht als Erfüllungsgehilfen bedient, in erster Reihe der Schiffer, dem ja durch § 513 die „Sorge" für die Seetüchtigkeit auferlegt ist, bezüglich der Maschine das Ma­ schinenpersonal, ferner von ihm angestellte Schiffsinspektoren, dagegen nicht die Werft, die seinerzeit das Schiff geliefert (RG. 67, 305; LG. Hamburg Hbl. 1916, 62), oder die es repariert hat; ebensowenig besonders zugezogene Sachverständige, Experten der Klassifikaüonsinstüute (Boyens 2, 103 und ZVersWiss. 1, 108; Loewe Note le; Brandts 2, 10; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 372; Sieveking 36; HansOLG. Hbl. 1909, 2; anders Wüstendörfer Studien 1, 479 ff.; Gütschow Reform 41 sPappenheim 3,142 Anm. 1]): denn durch Zuziehung solcher Sachverständiger erfüllt er im weitesten Maße die Anforderungen an die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters, er haftet für sie nur bei culpa in eligendo oder Kenntnis ihrer Fahr­ lässigkeit. — Die Zulässigkeit des Entlastungsbeweises fällt fort, wenn der Ver­ frachter das Vorhandensein der Seetüchtigkeit ohne Einschränkung garantiert hat (HansOLG. Hbl. 1913, 159). c) Persönlich? Vielfach wird behauptet, daß der Verfrachter für mangelnde Seetüchtigkeit Anm. 5. stets persönlich hafte (vgl. z. B. Sieveking 35; Brandis 1, 87; HansOLG. Hbl. 1913, 93). Dem kann nicht beigestimmt werden. Ein Verfrachter, der nicht Reeder oder Ausrüster ist, kann freilich nicht Wohl anders als persönlich haften (der Unterverfrachter unter Umständen beschränkt­ persönlich, nämlich wenn er „die beschränkte Haftung des Reeders zu vertreten hat": Anm. 6 zu § 662). Der regelmäßige und auch vom Gesetz als der normale angesehene Fall ist aber der *) [(M.) Das geht im Ausdruck zu weit; eine stillschweigende Zusicherung liegt nicht vor; vgl. Pappenheim 3 S. 135, 141 Anm. 1.]

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 559.

des Reederverfrachters oder Ausrüsterverfrachters. Und für diesen gilt 8 486. Fällt also ein Fall der Haftung aus § 559 unter § 486, so haftet der Neederverfrachter oder Ausrüster­ verfrachter nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht. So insbesondere dann, wenn der Anspruch auf einen Frachtvertrag gegründet wird, den der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse, also außerhalb des Heimatshafens, geschlossen hat; aber auch dann, wenn es sich um einen vom Reeder oder Ausrüster geschlossenen Frachtvertrag handelt, bei dem dieser, weil das Schiff sich auswärts befindet, die Vorbereitung dem Schiffer überlassen durfte (Boyens 1, 321 ff. und GoldschmidtsZ. 63, 330; Wüstendörfer Studien 1, 474; Gütschow Reform 41; [Pappenheim 3,144]; im wesentlichen auch Wittmaack GoldschmidtsZ. 63, 369 ff). Und § 559 will nicht etwa für den Reederverfrachter und Ausrüsterverfrachter eine Ausnahme von § 486 schaffen: eine solche ergibt sich nicht aus den Worten „für jeden Schaden", weil sich diese auf den Umfang des Ersatzanspruchs (oben Anm. 3), nicht auf denjenigen der Haftung beziehen. Zuzugeben ist mir, daß, wenn streitig ist, ob ein Fall des § 486 gegeben ist, der Ver­ frachter so lange persönlich haftet, als er nicht das Vorliegen eines Falles beschränkter Haftung nachweist. — Die persönliche Haftung des Verfrachters kann mit dinglicher Haftung ver­ bunden sein (vgl. § 754 Nr. 7, 8) [wozu s. Pappenheim 3, 144 Anm. 2]. Anm. 6. 4. Die Beweislast regelt sich verschieden, je nachdem der Befrachter die Ladung mit dem ihm gelieferten Schiffe vorbehaltlos hat abreisen lassen oder nicht (vgl.ROHG. 23 Nr. 5). a) Hat er es getan, dann hat er „die ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung an­ genommen": ihn trifft also nach BGB. § 363 die Beweislast dafür, daß das Schiff im Augen­ blick der Abreise nicht seetüchtig gewesen sei (ROHG. 23, 21; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 28; Brandis 2,10; Wüstendörfer 585; Martin ArchOffN. 9, 461; hierzu Wittmaack

GoldschmidtsZ 53, 385; doch muß eine Ausnahme für den Stückgüterverkehr anerkannt werden: Boyens 2,101 Note 2a, 225 und Verh. des 28. Juristentages 1, 66; Wüstendörfer 686; HansOLG. Hbl. 1907, 299; anders Hbl. 1913, 159) [weil der Verfrachter hier wohl stets nicht in der Lage sein wird, den Zustand des Schiffes prüfen zu können (vgl. Pappenheim 3,145 Anm. 1, der geltend macht, daß dies auch beim Chartervertrag nicht stets anders liegt)]. Weiter muß er beweisen, daß die Seeuntüchtigkeit des Schiffes für den Schaden kausal war, wofür ihm freilich in vielen Fällen eine prima facies zur Seite stehen wird (vgl. RG. 84, 385; HansOLG. Hbl. 1914, 58). Ist beides bewiesen, so tritt der Exkulpationsbeweis des Ver­ frachters in dem oben Anm. 4 dargelegten Sinne ein. Anm. 7. b) Hateresnichtgetan, ist erz. B. mit Rücksicht auf den ihm bekannt gewordenen seeuntüchtigen Zustand des vor der Abreise stehenden Schiffes gemäß BGB. 88326,327 vom Vertrage zurück­ getreten, so hat der Rechte aus dem Vertrage herleitende Verfrachter seine Erfüllungsbereit­ schaft zu beweisen: hierzu gehört der Nachweis der bestrittenen Seetüchtigkeit des Schiffes (vgl. Wittmaack GoldschmidtsZ. 63, 390). Anm. 8. 5. Freizeichnungen. Eine Freizeichnung des Verfrachters von der Verpflichtung, ein seetüchtiges Schiff zu stellen, würde gegen die guten Sitten verstoßen, ebenso die Freizeichnung von der Haftung für die ihm bekannte Seeuntüchtigkeit [(Wüstendörfer 482, s. aber Pappenheim 3, 148 Anm. 3)]. Abgesehen hiervon ist aber die Ablehnung der Haftung für die Folgen der Seeuntüchtigkeit bei der Lieferung des Schiffes zulässig (vgl. Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 393; anders Martin ArchOffN. 9, 461), ebenso diejenige der Haftung für die Folgen des Übersehens der Seeuntüchtigkeit (Brandis 2, 10) oder eines Verschuldens des Schiffers in Erfüllung der Sorgepflicht des 8 513 (anders Wittmaack 394). Jedenfalls muß die — wenig übliche — Freizeichnung von Seetüchtigkeit, soweit sie zulässig ist, unzweideutig erklärt werden (HansOLG. Hbl. 1910, 138; Scrutton 76 Note 7, 199). Die englische Praxis hat in dieser Hinsicht die Klausel „it is agreed, that maintenance by the ship owner of the vessel’s dass shall be considered a fulfilment of every duty, warranty or Obligation, whether before or after the commencement of the voyage“ (Naut. Mag. 89, 590) für nicht genügend erklärt, ebenso die (Anm. 34 zu § 606 näher behandelte) Jnsurance-Klausel (Carver sect. 77); die letztere würde nach deutschem Recht ausreichen. Aus der englischen Praxis zu uns herüber-

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gekommen sind Klauseln, welche die Einstandspflicht des Verfrachters (due diligence) für § 559* objektive Seetüchtigkeit auf die Haftung für Sorgfaltsaufwand hinsichtlich der Seetüchtigkeit einschränken (Wüstendörfer 1, 482), z. B. „all the above exceptions are conditional on the ship being seaworthy when she sails on the voyage, but any latent defects in the hüll (machinery) shall not be considered unseaworthiness, provided the same do not result from want of due diligence of the owners . .(Hbl. 1902, 151; 1913, 256); ,,it is expressly declared, that the Company is not liable for loss or damage occasioned by any defects whatsoever in the hüll, machinery or equipment of this vessel. . . whcthcr such defects existed before the commencement of or arose or developed during the voyage provided all reasonable means have been taken to make the vessel seaworthy“ (Scrutton 82); „free for damage from unseaworthiness of the vessel, provided all re­ asonable means have been taken to provide against the same (Böhens2,109Note IO; ähnlich die Klausel bei Wüstendörfer 1, 391); vgl. auch die Freizeichnung von gewissen Ereig­ nissen „even when occasioned .. . by unseaworthiness... not resulting from want of due diligence by the owners“ (Scrutton 54). Da in diesen Fällen die Aufwendung der due diligence die Voraussetzung der Freizeichnung, nicht ein von ihr nicht betroffener Ausnahmefall, ist, muß sie vom Verfrachter bewiesen werden (anders Wüstendörfer 1, 482). Die besonders weitgehende Klausel „in accepting this bill of lading the shipper expressly agrees that the steamer is seaworthy and reasonably fit for the carriage of the cargo herein contracted to be carried, at the time of starting on the voyage, and ander no circumstances is such seaworthiness or fitness to be questioned“ (Scrutton 83) schließt Anfechtung wegen Irrtums nicht aus (Böhens 2, 109 Note 10; Wüstendörfer 1, 483). Tritt auf der Reise ein Mangel zutage, aus dem die Seeuntüchtigkeit des Schiffers zur Zeit der Abreise zu schließen ist, so ist von einem „peril of the sea“ oder einem „accident of Navigation" (Anm. 37 zu § 606) keine Rede, es versagen also die diesbezüglichen Freizeichnungs­ klauseln (NG. Hbl. 1886, 19; HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 91; 1910, 138; 1916, 84 -- LZ. 1916, 705 = SeuffA. 71, 204; Scrutton 208), und der Verfrachter ist auf den Beweis des § 559 Abs. 2 angewiesen. Ebensowenig wird die Haftung für Seetüchtigkeit ausgeschlossen durch Klauseln wie „frei von Beschädigung" (HansOLG. Hbl. 1885 Nr. 24 = SeuffA. 40 Nr. 225), durch die Freizeichnung von Bruch oder Leckage (HansOLG. Hbl. 1916, 84 = LZ. 1916, 705) oder durch Klauseln, die die Haftung für Nachlässigkeit der Schiffsbesatzung be­ seitigen (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 129; NG. Hbl. 1886, 19; HansOLG. Hbl. 1916, 84 LZ. 1916, 705; Scrutton 216; Wüstendörfer 1, 398; Ulrich ZVersWiss. 12, 1056). Besteht die Seeuntüchtigkeil in einem schon bei der Abreise vorhanden gewesenen Fehler in der Maschine oder am Schiffsrumpfe, so haftet der Verfrachter trotz Klauseln wie „loss or damage resulting from ... accidents from machinery, boileis, steam ... excepted“ (HG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 120) oder „not responsible for losses or averages occasioned by... defects in hüll, tackle boilers or machinery or appartenances“ (HansOLG. Hbl. 1907, 299), es müßte denn sein, daß die Freizeichnung einen Zusatz wie „whether such defect existed before the commencement of the voyage“ (s. o.) oder „even if existing at the time the vessel Starts on her voyage" (Jantzen Baltic 1914, 247) trägt. Haftungsablehnung für während der Reise durch Verschulden von Organen des Reeders nachträglich eintretende Seeuntüchtigkeit erfolgt namentlich durch die NegligenceKlausel (Anm. 56 ff. zu § 606): Näheres bei Wüstendörfer 1, 483. Haftung deS Verfrachters für sonstige Reifetüchtigkeit und für speziette LadungS- Anm. 9. tüchtigkeit?)

a) Sonstige Reisetüchtigkeit. Böhens 1, 321 ff. (vgl. Verh. des 28. Juristentages 1, 62) führt aus, die Verbindlichkeiten der §§ 513, 514, abgesehen von der Seetüchtigkeit, träfen auch *) Im Einheitskonnossement Regel I (s. Anhang) werden die Haftungen für Seetüchtigkeit, für die wesentlichen Teile der sonstigen Reisetüchtigkeit und für die spezielle Ladungstüchtigkeit gleich behandelt.

320 § 55$L

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beim Frachtvertrag den Reeder nicht direkt, er hafte insoweit „nur akzessorisch mit dem Schiffer für dessen Verschulden". Nach der Kritik von Wüstendörfer 474 ff. hat er in GoldschmidtsZ. 73, 531 seine Ansicht dahin erläutert, daß zwar die Sorge für die sonstige Reise­ tüchtigkeit nicht aus dem Rahmen der Verpflichtungen des Verfrachters Heraus­ falle, daß aber für sie nur die Sorgfalt eines ordentlichen Sck)iffers erfordert werde, daß mithin der Verfrachter keine über die Pflichten des Schiffers hinausgehenden Pflichten habe, „also seine Pflicht erfülle, wenn der Schiffer oder sein Erfüllungsgehilfe seine Pflichten erfüllt, er deren Erfüllung nicht hindert oder durchkreuzt". Boyens betont ausdrücklich, daß diese Pflichten frachtrechtlich auch kontraktliche Pflichten des Verfrachters blieben und er sich auch insoweit exkulpieren müsse. — Damit ist von seiner ursprünglichen Ansicht — deren Modifikation das RG. Hbl. 1914, 281 übersieht — nicht mehr viel übriggeblieben. Soweit der Verfrachter direkte kontraktliche Pflichten hat, kann er nicht nur akzessorisch mit dem' Schiffer für dessen Verschulden haften. Und daß an die Erfüllung seiner eigenen Ver­ bindlichkeiten nicht der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters, sondern der der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers gelegt werden soll, ist nicht zu rechtfertigen. Ob Boyens den Verfrachter, der sich nicht exkulpieren kann, wegen Verlusts oder Beschädigung der Ladung nach §§ 611, 613 nur auf den Sachwert oder, wie den Reeder auf Grund nach­ gewiesenen Verschuldens des Schiffers (2, 207), aus das volle Interesse haften lassen will, ist nicht klar zu erkennen. — Wer, wie es der überwiegende Teil der Praxis tut (Anm. 4 zu 8 513), die sonstige Reisetüchtigkeit in mehr oder weniger weitem Umfange als zur Seetüchtig feit gehörig erachtet — und das tut auch Wüstendörfer 1, 472 für das Anwendungsgebiet des § 559 (oben Anm. 1), und zwar konsequent auch für das Vor­ handensein brauchbaren Garniers (anders RG. 25, 106) —, der muß auch für sie die Haftung nach § 559 Abs. 2 gelten lassen. Dieses durchaus wünschenswerte Ergeb­ nis läßt sich aber auch dann erzielen, wenn man den „unerfreulichen Doppelbegriff" der Seetüchtigkeit innerhalb des HGB. leugnet und die sonstige Reisetüchtigkeit selbständig neben der Seetüchtigkeit aufrechterhalten will. Auch die einzelnen zur sonstigen Reisetüchtigkeit ge­ hörigen, in §§ 513, 514 aufgezählten Momente (abgesehen von der Sorge für die Ausweis­ papiere, § 513) sollen bezwecken, das Schiff für die Reise in einen Zustand zu versetzen, der es ihm und der Ladung ermöglicht, die Gefahren der See zu bestehen. Die Garantie eines solchen, soweit sie sich überhaupt beschaffen läßt, gibt nicht allein ein seetüchtiger Schiffskörper, sondern nicht minder die gehörige Ausrüstung, Bemannung, Verproviantierung und die sonstigen in 88513, 514 aufgeführten Umstände. Das rechtfertigt es, alle diese Umstände, die ja auch hinsichtlich der Sorgepflicht des Kapitäns der Seetüchtigkeit an die Seite gestellt werden, auch im Sinne des 8 559 ihr analog zu behandeln. s(Ebenso Pappenheim 3, 138.)] Der Verfrachter hat hiernach seinem Befrachter das Schiff nicht nur in seetüchtigem, sondern auch in sonst reisetüchtigem Zustande zu liefern, und er haftet hierfür nach 8 559 Abs. 2. Der Zustand der Reisetüchtigkeit braucht aber, wie die Erwägungen Anm. 2 zeigen, regelmäßig nicht schon bei Beginn der Beladung vorhanden zu sein, vielmehr erst im Augenblick der Abreise (Boyens GoldschmidtsZ. 73, 632; Wittmaack GoldschmidtsZ. 53, 354). Wo der Verfrachter klauselmäßig erklärt hat, nur für Seetüchtigkeit haften zu wollen (vgl. z. B. Hbl. 1912, 110), ist dies dahin auszulegen, daß die analoge Haftung für die sonstige Reisetüchtigkeit eingeschlossen ist. Umgekehrt müssen die Freizeichnungen von Seeuntüchtigkeit (oben Anm. 8) im Zweifel dahin ausgelegt werden, daß sie auch die sonstige Reisetüchtigkeit umfassen. Und schließlich ist bezüglich der Klauseln, von denen anzunehmen ist, daß sie im Zweifel den Verfrachter nicht von der Haftung für Seetüchtigkeit befreien, anzunehmen, daß sie auch die Haftung für sonstige Reisetüchtigkeit unberührt lassen (so mit Recht bezüglich der Negligence-Klausel Wüstendörfer 1, 478 gegen Boyens 2, 109). Anm. 10. b) Spezielle Ladungstüchtigkeit. Wer auch in ihr einen Teil der Seetüchtigkeit sieht, muß sie unmittelbar nach § 559 behandeln. Wer dies aber, wie Boyens, Wüstendörfer und ich, leugnet (vgl. Anm. 5 zu 8 513), muß auf die Haftung für sie das bürgerliche Recht an-

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wenden. In Betracht kommen BGB. §§ 633—635. Hiernach kann der Befrachter, wenn § 559. das für den Transport gestellte Schiff (genauer: der Transport) in bezug auf die spezielle Ladungstüchtigkeit nicht die zugesicherten Eigenschaften hat oder mit Fehlern behaftet ist die seine Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern, Beseitigung des Mangels verlangen, die der Ver­ frachter nur verweigern darf, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert (§ 633 Abs. 1 u. 2). Ist der Verfrachter mit der Beseitigung des Mangels im Verzüge, so kann der Befrachter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen (§ 633 Abs. 3). Zur Beseitigung des Mangels kann der Befrachter dem Ver­ frachter eine Frist nach § 634 Abs. 1 setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf er Wandelung oder Minderung verlangen kann (§ 634 Abs. 1), erstere aber nicht bei nur unerheblichen Mängeln (§ 634 Abs. 3). In den Fällen des § 634 Abs. 2 bedarf es einer Fristbestimmung nicht. Beruht der Mangel auf einem Umstande, den der Verfrachter zu vertreten hat, so kann der Befrachter statt der Wandelung oder Minderung Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung verlangen (§ 635), und zwar, falls nicht einher der Ausnahmefälle des § 634 Abs. 2 vorliegt, nur nach Fristsetzung (RG. 56, 81) Die gleichen Rechte wie der Befrachter gegen den Verfrachter hat der Ablader nach der Transportzusage (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 5) mib der Empfänger gegen den Reeder. Für den letzteren kommt natürlich Frist­ setzung und Wandelung nicht in Betracht. Wüstendörfer 1, 476 ff. bezeichnet diese Haftung des bürgerlichen Rechts als eine Haf­ tung für die objektive Güte der Schiffsbrauchbarkeit, als eine Erfolgshaftung, die über das HaftungsPrinzip des § 559 hinausgehe: die für eine Kardinalpflicht des Verfrachters geltende Haftungseinschränkung des § 559 Abs. 2 auf den Fall des Verschuldens müsse, wo nicht eine Zusicherung des Erfolgs gegeben sei, auch bei der Haftung für die spezielle Ladungstüchtigkeit analog zur Anwendung gelangen. Aber die Erfolgs­ haftung des BGB. gilt ja nur für die Ansprüche auf Mängelbeseitigung, Wandelung und Minderung: für den Schadensersatzanspruch nur, wenn der Verfrachter den Umstand, auf dem der Mangel beruht, zu vertreten hat, d. h. im Falle der Zusicherung oder des Ver­ schuldens (BGB. §§ 276, 278). Da dem Verfrachter sein oder seiner Leute Ver­ schulden nachgewiesen werden muß, steht er sich nach BGB. § 635 besser als nach § 559 Abs. 2, so daß die von Wüstendörfer befürwortete analoge Anwendung des letzteren der Begründung entbehrt. Die Haftung aus BGB. § 635 ist, da sie auf be­ sonderem Haftungsgrund beruht (Anm. 3 zu 8 606), gleichfalls eine solche „für jeden Schaden". Die Zulässigkeit einer Freizeichnung von der speziellen Ladungstüch­ tigkeit ist Frage des Einzelfalles. Die Freizeichnung kann in der Negligence-Klausel liegen (Wüstendörfer 1, 483). Unter Umständen widerspricht sie dem Vertragszweck und damit den guten Sitten und ist deshalb unbeachtlich (vgl. Gerichtshof Genua Dir. Mar. 1913, 31). 7. Ausländische Gesetze, welche als leges contractus für die Seetüchtigkeitshaftung des Ver- Anm. 11. frachters und Reeders und die Zulässigkeit der Freizeichnung von ihr von Bedeutung sein können, sind namentlich die nordamerikanische Harter-Act, die australische SeaCarriage of Goods Act, die neuseeländische Shipping and Seamen Act und die kanadische Water-Carriage of Goods Act. Die in Frage kommenden Bestimmungen sind im Anhang abgedruckt.

§ 560.

8 660.

Der Schiffer hat zur Einnahme der Ladung das Schiff an den vom Be­ frachter oder, wenn das Schiff an mehrere verfrachtet ist, von sämtlichen Befrachtern ihm angewiesenen Platz hinzulegen. Erfolgt die Anweisung nicht rechtzeitig oder wird nicht von sämtlichen Befrachtern derselbe Platz angewiesen oder gestatten die wassertiefe, die Schaps, Seerecht. 2. Aufl.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

8 56V. Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht, so hat der Schiffer an dem ortsüblichen Ladungsplatz anzulegen. Ladungsplatz. Der Paragraph bezieht sich nicht — wie die Entscheidungen bei Ullrich Nr. 304 und Hbl. 1875 Nr. 50 — auf den Fall, daß der Schiffer vom Befrachter angewiesen wird, in einem auswärtigen Hafen Ladung einzunehmen; er betrifft nur die Wahl des Ladungs­ platzes innerhalb des Abladehafens (vgl. NOHG. 19, 285 ff.). Er gilt formell für jede Art des Frachtvertrages s(anders BSchG. §§ 27, 40)]. Berkehrsüblicherweise enthalten jedoch die Berfrachtungsangebote der Stückgüter ladenden Schiffe stets die Angabe des Ladungs­ platzes, so daß hier die Vorschrift praktisch ausgeschaltet ist (Wüstendörfer Studien 196). Über­ flüssig ist diese Angabe bei Frachtofferten regelmäßiger Linien, welche notorisch ihren festen Liegeplatz haben. Anm. 1. I. AbladungShafen. Der Ladungsplatz setzt einen Abladungshafen voraus sd. h. einen Hafen, in welchem das Schiff die zu befördernden Güter aufnehmen soll (Pappenheim 3, 150)]. Die Bestimmung desselben erfolgt entweder von vornherein im Vertrage oder sie soll erst später, z. B. im Orderhafen, erfolgen. Der Befrachter hat, wo ihm die nachträgliche Wahl zusteht, nur einen safe port zu wählen, d. h. einen solchen Hafen, in welchem das Schiff weder aus politischen Ursachen (Kings Bench Division ZVersWiss. 17, 566; sPappenheim 3, 151: Gefahr der Wegnahme; safe and convenient port: NG. 89, 329]) noch aus sanitärer: oder elementaren Gründen (ein Beispiel für letztere: Naut. Magazine 89, 487) Gefahr läuft. Die Eigenschaft eines Hafens als safe port wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß das Schiff bei normalem Wasserstande in beladenem Zustand ihn nicht erreichen bzw. nicht verlassen kann, so daß Ableichterung erforderlich bzw. die Beladung außerhalb des Hafens vorzu­ nehmen ist (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 21 und Hbl. 1900 Nr. 100 [bestätigt vom RG. Hbl. 1901 Nr. 90]; sPappenheim 3, 151 Anm. 2]; anders Boyens 2, 112). Wieweit und mit welchen Rechtsfolgen der Verfrachter, der bei Eingehung des Vertrages bzw. Annahme der Order den vereinbarten Hafen irrtümlich für einen safe port gehalten hat, den Vertrag anfechten kann, regelt sich nach BGB. §§ 119 ff. (Näheres bei Boyens 2, 112; sPappen­ heim 3, 152]). Anm. la. Hindernisse der Fahrt zum AbladungShafen können Unmöglichkeit der Erfüllung herbeiführen oder zum Rücktritt vom Vertrage berechtigen (§ 629). Sind sie nur vorüber­ gehend (Eis, niedriger Wasserstand), so ist in der Regel ihre Beseitigung abzuwarten; wo nicht, so sind etwaige Mehrkosten, sofern sie nicht vom Befrachter verschuldet finb oder in der Natur der Ladung oder in persönlichen Verhältnissen des Befrachters ihren Grund haben, im Zweifel nach § 621 vom Schiffer zu tragen (vgl. l Pappenheim 3, 152 und] HG. und OG. Hamburg Hbl. 1875 S. 207 u. 327). Wenn aber der Frachtvertrag die Klausel ent­ hält, es sei zu laden „at the port of X. or so near unto as she safely may get always afloat“ o. dgl., so ist das Schiff nur verpflichtet, so nahe an den Abladungshafen heranzukommen, als es ohne Gefahr — beim Einlaufen und beim späteren Auslaufen im beladenen Zustande (Stephens Demurrage 27) —■ dazu imstande ist. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Klausel ist ein dauerndes sPappenheim 3,153], nicht durch dem Ver­ frachter zuzumutendes Warten oder verständige Maßregeln zu umgehendes Hindernis (Carver ect. 225), sweshalb die Blockierung des Hafens durch Eis dem Schiff nicht das Recht gibt, sich auf die Klausel „oder so nahe wie der Dampfer sicher kommen kann" zu berufen (Hans­ OLG. 29. Okt. 1919 (HansRZ. 3 Nr. 16)]. Liegt ein solches vor, so hat der Verfrachter seine Pflicht getan, wenn er das Schiff nur bis zu diesem Punkte bringt, gleichviel ob der­ selbe in oder auch nur in der Nähe des vereinbarten Abladehafens belegen ist oder nicht (Carver a. a. O.). Ob dem Befrachter, der sich auf die Klausel eingelassen hat, bei berech­ tigtem Nichteinlaufen des Schiffes in den Abladehafen die Beladung außerhalb des letzteren zuzumuten ist, ob er also daraus einen ihm nicht schon auf Grund Gesetzes oder sonstiger Vertragsbestimmungen zustehenden Rücktrittsgrund herleiten kann, ist Frage des Einzelfalles

Einleitung.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

323

(vgl. Carver sect. 225 Abs. 1). Daß er, nicht das Schiff, die Kosten der Hinschaffung der § 560* Ladung zu tragen hat, ergibt § 561. Uber die mehr für die Löschung als für die Beladung

praktisch werdende Klausel, welche von der älteren deutschen Praxis meist mißverstanden worden ist, s. Anm. 4 zu 8 592.

II. Ladungsplatz im AbladungShasen.

Anm. 2.

1. Die Wahl des LadungSplatzeS hat, sofern nicht etwa das Schiff ohne Rücksicht hierauf an behördlich vorgeschriebenen Plätzen die Ladung einzunehmen hat (vgl. z. B. BZG. § 89; f. auch Hbl. 1901 Nr. 106), grundsätzlich der Befrachter bzw. der ihn vertretende Ablader s( Pappenheim 3, 155)]. Wenn er, sei es im voraus, sei es nach erfolgter Anzeige der Ladebereitschaft (ROHG. 19, 290; RG. Bolze 15 Nr. 337), dem Schiffer einen be­ stimmten Ladungsplatz angewiesen hat, so hat dieser an denselben das Schiff zur Einnahme der Ladung hinzulegen. Ein Recht hierauf hat aber der Befrachter immer nur dem Schiffe gegenüber, er hat nicht etwa bei der Kaiverwaltung den Liegeplatz des Schiffes auszumachen (Mathies Hbl. 1913, 226). Der Befrachter haftet für Verschulden in der Auswahl des Lade­ platzes (vgl. NG. 40, 301).1) Sind mehrere Befrachter vorhanden, so steht das Wahlrechts ihnen allen zusammen zu. Ob und wie sie sich einigen, ist ihre Sache (ROHG. 19, 290); die Anweisung an den Schiffer hat von allen übereinstimmend zu ergehen. S. ru zu 2 b. 2. Das Recht des bzw. der Befrachter, den Ladungsplatz anzuweifen, ist bedingt (RG.Anm. 3. 15, 159), und zwar auch wenn es auf Vertrag beruht,

a) durch rechtzeitige Ausübung. Rechtzeitig ist sie, wenn sie so frühzeitig erfolgt, daß der Beginn der Ladezeit nicht dadurch verzögert wird (ROHG. 19, 290). Das Recht erlischt durch Verweigerung einer Erklärung, der eine ausweichende Antwort tzleichzustellen ist (ROHG. a. a. O.). Enthält die Charter die sog. dertd-Klausel (>,the ship shall load [discharge] always afloat in a customary männer at any safe berth . . . as ordered by Charteret Agents, if required . ." od. dgl.), vermöge deren die Ladezeit (Löschzeit) erst nach Erreichung des vom Agenten des Charterers angewiesenen Ladeplatzes (Löschplatzes) beginnen soll svgl. Pappenheim 3, 159 Anm. 2], so bedeuten die Worte „ik required“, daß das Anweisungsrecht durch Nichtausübung sich erledige (HansOLG. Hhl. 1913, 184).

b) Bei einer Mehrheit von Befrachtern durch übereinstimmende Ausübung: machen nur Anm. 4. einzelne Befrachter von ihrem Rechte Gebrauch, so kann und darf deren Anweisung vom Schiffer nicht berücksichtigt werden (ROHG. 19, 291).

e) Durch sachgemäße Ausübung, d. h. durch die Wahl eines geeigneten LadungsplatzesAnm. 5. (RG. 15, 159) Ungeeignet ist der Ladungsplatz, wenn sich seine Benutzung verbietet mit Rücksicht auf

a) die Wassertiefe, oder ß) die Sicherheit des Schiffes. Ob diese gefährdet ist, hat der Schiffer nach pflicht-Anm. 6. gemäßem Ermessen, wenn nötig, nach Einholung geeigneter Auskünfte, zu beurteilen, und das Resultat dieses Ermessens hat der Befrachter, auch im Falle seiner objektiven Unrichtigkeit, gegen sich gelten zu lassen (RG. 15, 159 ff.). Bei der Prüfung der Sicher­ heitsfrage ist auch in Betracht zu ziehen, ob die Rückfahrt des Schiffes vom Ladungs­ platz mit Gefahr verbunden sein würde (ROHG. 5 Nr. 85; RG. 15, 158); — oder y) die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen. Bezüglich der VerordnungenAnm. 7. ist es gleichgültig, ob es sich um generell gültige Normen handelt (Beispiel: ROHG. 17 Nr. 23) oder um für den Einzelfall erlassene Anordnungen (z. B. ein Verbot des Hafen­ meisters: Ullrich Nr. 254; Nathans Hamb. GZ. 1865, 315). Die Gründe für die Nichtx) [(M.) Dagegen nimmt Pappenheim 3, 158 an, daß der Befrachter nur aus unerlaubter Handlung haftet. Ebenso Mittelstem Hdb. 160, sofern es sich um eine öffentliche Anlegestelle handelt.] 2) [(M.) Nichtiger wohl: die Wahl (s. Pappenheim 3 S- 31 u. 156).]

324

§ 560.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütem. benutzbarkeit eines Ladungsplatzes infolge örtlicher Einrichtungen werden meist tech­ nischer Natur sein; ein solcher Grund liegt nicht vor, wenn der betreffende Platz zeitweise, z. B. wegen „regulär turn“ (unten Anm 6 zu 8 567), anderweitig besetzt ist (ROHG. 15, 235: Platz unter einem Dampfkrahn; [Pappenheim 3, 159 Anm. 2]);

Anm. 7a. 8) [(M.) eine anderweitige Besetzung des Platzes (ROHG. 15 Nr. 66; HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 37; Pappenheim 3, 158 Anm. 2; Mittelstein Handb. 159). Ist aber verein­ bart, daß in regulär turn (der Reihe nach) geladen werden soll, so ist der Ladeplatz nicht ungeeignet, weil er durch ein in der Reihe vorgehendes Schiff besetzt ist und die Ver­ zögerung trifft den Verfrachter (ROGH. 21, 227; HanfOLG. Hbl. 1893 Nr. 40; Doyens 2, 137 Anm. 2; Sieveking 53; Schaps zu § 567 Anm. 6; Mittelstem 1, 144; Pappenheim 3, 159 Anm. 2).] Anm. 8. Stellt sich nachträglich heraus, daß der Ladungsplatz ein ungeeigneter (im Sinne von a—8) ist, so hat der Befrachter dem Schiffer nachträglich einen geeigneten Ladungsplatz anzuweifen, widrigenfalls der Schiffer zu verfahren hat, als wäre ihm überhaupt kein Ladungsplatz angewiesen worden (HanfOLG. Hbl. 1890 Nr. 93; vgl. LG. Hamburg Hbl. 1887 Nr. 111; Mittelstem Handb. 159]). Anm. 9. 3. Defiziert eine der Bedingungen zu 2, so hat der Schiffer an dem ortsüblichen LadungSplatz anzulegen. (Siehe für Memel und Königsberg die bei Boyens 2, 380ff. abge­ druckten Ortsgebräuche.) [Unter mehreren ortsüblichen Ladungsplätzen hat der Schiffer die Wahl (Pappenheim 3, 157; vgl. BSchG. § 27 II 1).] Anm. 10. 4. Über die Wirkung der sich dem Schisse entgegenstellenden Hindernisse, zum Ladungs­

platze zu gelangen, s. Anm. 2 ff. zu § 567. Anm. 11. 5. Uber die Haftung des Staats für die Brauchbarkeit des Ladungsplatzes f. Mittelstem

1, 139 ff. [und Handb. 160]. Anm. 12. 6. Über die Kais als Ladungsplatz s. Anm. 19 zu § 605.

§ 561.

§ 561.

Sofern nicht durch Vertrag ober durch die örtlichen Verordnungen des Abladungsbafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Grtsgebrauch ein anderes bestimmt ist, sind die Güter von dem Befrachter kostenfrei bis an das Schiff zu liefern, dagegen die Kosten der Einladung in das Schiff von dem Verfrachter zu tragen. Einleitung.

Der Paragraph trifft subsidiäre Bestimmungen über die Berteilung der Kosten der Abladung. Hierbei stellt er zugleich die Grenze fest, bis zu welcher — mangels anderweitiger Abrede — einerseits der Befrachter zur Bewirkung der Abladung tätig zu werden hat [(vgl. HanfOLG. Hbl. 1913 Nr. 7; Pappenheim 3, 206)], und von der ab andererseits die Tätigkeit des Schiffes zu beginnen hat (so HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 114 ---- SeufsA. 55 Nr. 93) hinsicht­ lich des entsprechenden § 693; anders ROHG. 18, 132). Und ebenso gewährt er einen Anhalt für die Bestimmung des Zeitpunkts der Annahme der Güter durch den Verfrachter (OLG. Kiel SenffA. 56, 146 = SchlHolstAnz. 1900, 339). Unter Abladung ist die Gesamtheit derjenigen Maßnahmen zu verstehen, durch die die

Beförderung der Güter an Bord des Schiffes bewirkt wird.

Anm. 1. 1. Das Gesetz verteilt die Abladungskosten in folgender Weise: a) Der Befrachter trägt die Kosten der Lieferung der Güter bis an daS Schiff. Dahin gehört zunächst selbstverständlich die Binnenfracht (HansOLG. Hbl. 1896, 119), sodann alle Transport- und sonstigen Kosten, die durch die Anlieferung an das Schiff selbst oder, wo die Kaianstalten für das Schiff die Ladung übernehmen, an den Kai entstehen. Dem Befrachter fallen hierbei auch außergewöhnliche Kosten zur Last, z. B. Leichterkosten, die entstehen,

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

325

wenn das Schiff nicht in der Lage ist, hart am Lande anzulegen (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. I)1), § 56L Mehrkosten infolge obrigkeitlicher Verfügungen, die dem Schiffe das Anlegen an der ver­ einbarten Stelle verbieten (HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1865, 316 = Hermann und Hirsch Nr. 175), ferner Kosten, die dadurch entstehen, daß die Ladung, ohne daß Verschulden oder bestimmte Zusagen des Verfrachters vorliegen, an Schiffsseite warten muß (AG. Ham­ burg Hbl. 1882 Nr. 47; HansOLG. Hbl. 1888, 227), die Kosten des Zumessens oder Zuwägens (HansOLG. Hbl. 1899, 311 = SeuffA. 55,192). Zu weit geht das HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 148 (und mit ihm das OG. Hamburg daselbst Nr. 225), wenn es dem Befrachter, dessen Ladung in Leichtern längsseit des Schiffes gebracht ist, die Kosten „des Rollens der Gebinde in den Leichtern unter die Schiffswinde und des Einschlagens in die Kette" auferlegt: diese Kosten gehören vielmehr zu den vom Verfrachter zu tragenden Kosten der Einladung. b) Der Verfrachter trägt die Kosten der Einladung in das Schiff, d. h. diejenigen Kosten, Anm. 2. welche durch die Beförderung der Ladung von der Schiffsseite bis in den Schiffsraum ent­ stehen (LG. Hamburg Hbl. 1888 Nr. 66). Hierher gehören die Kosten des Hinaufrollens, Hinaufwindens oder Hinaufziehens der Ladung auf das Schiff (anders zum Teil die in Anm. 1 zitierten Urteile Hbl. 1875 Nr. 148 u. 225) und des ferneren Transports der Ladung durch die Luken in den Schiffsraum (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40; anders HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31, in einem Falle, in welchem die Ladung besondere Vorkehrungen erheischte: dagegen OG. Hamburg daselbst), ebenso, wenn die Ladung an den Kai zu liefern ist (vgl. Prot. 3861), die Kaigebühren (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 244; s. aber unten Anm. 4). Das schließt nicht aus, daß die Kosten gewisser Manipulationen, welche der Befrachter in seinem Interesse noch nach der Unterbringung im Schiffsraum mit der Ladung vornehmen läßt, ihm zur Last fallen (Hermann u. Hirsch Nr. 47: Pressen von Baumwolle).—Hat sich das Schiff zur Einnahme eines bestimmten Ladungsplatzes verpflichtet und kann es diesen aus vom Befrachter nicht verschuldeten Ursachen nicht erreichen, so hat der Verfrachter dem Befrachter die Mehrkosten der Lieferung der Ladung zu ersetzen oder die Ladung auf eigene Kosten und Gefahr von dem vereinbarten Ladungsplatz ans Schiff zu schaffen (Doyens 2, 115). Wenn der Verfrachter die Güter vor der Abladung übernimmt, tragt er in Ermangelung abweichender Vereinbarung die Kosten für die Beförderung bis zum Schiffe (Wüstendörfer 196; Pappenheim 8, 207 Anm. 5).]

2. Die Vorschriften deS Gesetzes sind nur subsidiär. Es gehen ihm vor Anm. 3. a) vertragliche Bestimmungen. Oft reproduzieren diese das Gesetz, so die Klauseln „the cargo delivered alongside free on board“ (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 148; OLG. Kiel SeuffA. 56,146; anders Baltic 1910,147 fund Pappenheim 3,207 Anm. 5]); „the cargo to be brought to [and taken from] alongside the steamer at freigther’s expense and risk“ (LG. Hamburg Hbl. 1888 Nr. 66; vgl. HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 89), „to be brought alongside [and taken from alongside] at the merchants risk and expense“ (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40). Nicht anders ist vom RG. (Bolze 11 Nr. 363) die Klausel verstanden worden: „Die Ladung wird geliefert [und empfangen] an der Seite des Dampfers, indem die Arbeiten des Ladens [und Löschens] durch die Agenten der Linie für Rechnung und Gefahr des Befrachters oder Emp­ fängers ausgeführt werden". — Seit Erlaß der Hamburgischen Betriebs- und Gebühren­ ordnung für die Kaianlagen vom 22. Dez. 1893 pflegen hamburgische Reeder in Chartepartien und Konnossementen die Bestimmung aufzunehmen, daß dem Schiff die ganze Kailadungs­ gebühr zu erstatten ist (Wulff, Hamb. Gesetze und Verordnungen 2. Aufl. 1, 492 Note 3). — Hat sich der Charterer zur Erstattung der Ladekosten nach festem Satz (z. B. 60 Pf. per 1000 kg) verpflichtet, so sind diese nicht nach dem vereinbarungsgemäß für die Fracht zugrunde gelegten Ladequantum, sondern nach dem tatsächlich verladenen Quantum zu berechnen (LG. Königs­ berg Hansa 1913, 531). *) Nicht widersprechend HG. und OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 148, 225, wo angenommen wurde, daß Leichterkosten infolge Ankerns des Schiffes außerhalb einer den Abladungshafen ab­ schließenden Barre, alfo außerhalb des Abladungshafens, mangels besonderer Vereinbarung vom Schiffe zu tragen seien. Vgl. Anm. 1, la zu 8 560.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 561. b) Örtliche Verordnungen deS AbladungShafenS, mögen dies Gesetze oder BerwaltungsAnm. 4.

Verordnungen sein (ein Fall, in dem partikulares, ja sogar lokales Privatseerecht zugelassen ist: Allg. Einl. Anm. 19)1). In Betracht kommen insbesondere staatliche oder kommunale Kaireglements, s. den Anhang). Nach § 22 der Harnburgischen Betriebs- und Gebühren­ ordnung vom 22. Dez. 1893 fällt die für die Benutzung der Kaianlagen erhobene „Raum­ gebühr" ausschließlich dem Schiffe zur Last, während von der,,Ladungsgebühr" das Schiff Vio, die Ladung 3/10 Zu tragen hat; die Kaiverwaltung erhebt die Gesamtgebühr von dem Ver­ treter des Schiffes, dem es überlassen bleibt, von den einzelnen Ladungsbeteiligten den auf sie entfallenden Teil der Ladungsgebühr einzuziehen?) Anm. 5. c) Eventuell ein im Abladungtzhafen bestehender OrtSgcbrauch, d. h. nicht eine tatsächliche Übung (so Prot. 3849 fund Pappenheim 3, 11]), sondern ein lokales Gewohnheitsrecht (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 104; NG. 3 Nr. 42; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 66). Die Bildung eines solchen ist hier ausnahmsweise reichsgesetzlich sanktioniert.

Von derartigen Ortsgebräuchen sind bei Doyens 2, 376ff. die nachstehenden wiedergegeben:

Lübeck: Der Ablader (Befrachter) trägt die Kosten bis an die Reeling, falls nicht Übernahme schiffsseitig schon am Land — bevor das Schiff ladebereit ist — stattfindet. Kiel: Nur bei Stückgütern muß die Ladung auf Kosten des Schiffs an Bord ge­ nommen werden. Danzig: Holz wird längsseits, jede andere Ware bis an Bord von dem Befrachter (Ablader) geliefert. Flbing: Getreide, Saaten (Saat in Tonnen ausgeschlossen), Knochen, Kohlen, altes Eisen, Ölkuchen und Formsand hat der Befrachter kostenfrei auf das Deck des Fahrzeuges zu liefern. Königsberg; Getreide, Saaten und Knochen hat der Befrachter kostenfrei auf das Deck des Seefahrzeugs zu liefern. Ölkuchen hat der Befrachter in das Schiff zu verstauen. Memel; Beim Verladen werden vom Ablader Getreide und Saaten in das Schiff oder in den Kahn geschüttet, Güter in größeren Ballen und Fässern bis an das Bohlwerk resp. Schiff, Flachs und andere Güter, mit Ausnahme von Holzwaren, frei auf das Deck geliefert. Wenn beim Verladen von Holz in Segelschiffe laut Schlußschein dasselbe „frei an Bord nach Usance des Platzes“ vom Befrachter zu geben ist, so muß es sich der Ver­ frachter bei offenem Wasser auf seine Kosten holen lassen. Balken, mit Ausnahme von Eichen, werden vom Ablader in Flößer gebunden und geschnittene Waren, Stäbe und andere eichene Holzwaren in Prähmen resp, auf Flößer geladen dem Kapitän am Holz­ platze übergeben. Die Prähme resp. Flößer ist der Kapitän verpflichtet, nach erfolgter Entladung sofort für seine Rechnung und Gefahr am Holzplatze zurückzuliefern. Bei den Dampfern muß zwar der Verfrachter Sleepers oder Balken und andere Hölzer, die im Wasser geflößt werden, für seine Rechnung ebenfalls holen lassen, doch ist es Ge­ brauch, daß ihm von dem Ablader die halben Transportkosten vergütet werden, während geschnittene Holzwaren und Stäbe frei längsseits des Dampfers in Prähmen oder per Fuhre für Rechnung des Abladers geliefert werden. In allen Fällen, wo das Schiff sich an den betreffenden Ladeplatz legen kann, werden Stäbe und geschnittene Holzwaren vom Ablader aufs Bohlwerk oder Ufer geliefert, von wo sie der Kapitän zu empfangen und für seine Rechnung ins Schiff zu nehmen hat. Falls ein Teil der vom Kapitän oder Steuermann beim Empfange bescheinigten Holzladung auf dem Wege zum oder am Schiffe verloren gehen sollte, so ist der Kapitän zwar verpflichtet, x) Nach Hamb. AG.HGB. § 7 ist die Deputation für Handel und Schiffahrt zum Erlaß ört­ licher Verordnungen im Sinne von § 561 zuständig. 2) Betreffend Bremen, Stettin und Altona vgl. die im Anhang mitgeteilten Kaireglements utib Gebührenordnungen. Betreffend Lübeck vgl. das auf Veranlassung der Handelskammer herausge­ gebene Buch „Bon See nach Lübeck" (1895) 51 ff.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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für das ganze empfangene Quantum Konnossement zu unterzeichnen, jedoch bleibt es ihm § 561. unbenommen, den verlorengegangenen Teil darin zu vermerken, wenn er gerichtlichen oder noteriellen Protest darüber dem Ablader eingehändigt hat.

§ 562.

§ 562.

Der Verfrachter ist verpflichtet, statt der vertragsmäßigen Güter andere, von dem Befrachter zur Verschiffung nach demselben Bestimmungshafen ihm angebotene Güter anzunehmen, wenn dadurch seine Lage nicht erschwert wird. Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die Güter im ver­ trage nicht bloß nach Art oder Gattung, sondern speziell bezeichnet sind. Der Paragraph gewährt dem Befrachter unter gewissen Begrenzungen ein SuvstitutionS- Einleitung, recht hinsichtlich der zu liefernden Ladung. Er bezieht sich auf alle Arten von Frachtverträgen (Prot. 2231). An sich stellt er einen Eingriff in die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts dar und läßt sich nur rechtfertigen durch eine gesetzliche Auslegung des Vertragswillens dahin, daß die Bezeichnung der zu befördernden Güter im Zweifel nur als demonstrationis causa er­ folgt anzusehen sei (Prot. 2152; NOHG. 24, 419; snoch weiter geht BSchG. § 43, indem es eine einschränkende Bestimmung, wie sie der Abs. 2 des § 562 aufstellt, nicht ausgenommen hatj). 1. Die SubstitutionSbesugniS des Befrachters kommt nur in Frage, wenn die Parteien über Anm. 1. die Art der zu transportierenden Güter etwas vereinbart haben. Ist dies nicht der Fall — was insbesondere bei Charterverträgen, unter Umständen aber auch bei Stückgüterverträgen vorkommt, z. B. dann, wenn die Güter lediglich als „Stückgüter" oder nach ihrem Kubikinhalt bezeichnet sind (z. B. „400—500 Kubikfuß Güter") —, so kann der Verfrachter die angelieferten Güter nicht wegen ihrer Schwere oder wegen der Unbequemlichkeit der Stauung zurückweisen (OAG. Lübeck, Hamb. Sammlung 3 Nr. 91 = Seebohm Nr. 68). Ablehnen kann er nur die Annahme von Gütern, welche das Schiff oder die übrige Ladung gefährden: dies ergibt sich aus § 563 Abs. 4 (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 269). 2. Die ÄlbstitutionSbefugnis deS Befrachters, die übrigens vielfach vertragsmäßig stipuliert Anm. 2. wird (z. B. durch die Klausel: „in case other produces should be loaded, freight for the same to be paid in a fair and right proportion“: Voigt, Neues Archiv f. Handelsrecht 2, 292; Lewis Endemann Handb. 4,134), ist an folgende Bedingungen geknüpft: a) Die substituierten Güter müssen denselben Bestimmungshafen haben wie die vertrags­ mäßigen. b) Die Lage des Verfrachters darf durch die Substitution nicht erschwert werden.Anm. S. Der Verfrachter braucht also nicht anzunehmen gefährlichere Güter als vereinbart (z. B. Eisen oder Kohlen statt Getreides); Güter, für deren Transport das Schiff nicht eingerichtet ist; Schwergut statt Leichtgut; sGüter, welche geringeren Wert haben und deshalb geringere Sicherheit bieten (Mittelstem 1, 194; Pappenheim 3, 192 Anm. 9)]; ferner Güter, für die regelmäßig eine höhere Fracht zu zahlen ist (Prot. 2152 ff, 3854). Auf Güter mit niedrigerer Fracht braucht er sich nur einzulassen, wenn es bei der vereinbarten höheren Fracht bleiben soll (Prot. 3854 ff.). 3. Versagt ist dem Befrachter die SubstitutionSbesugniS Anm. 4. a) Im Falle vertragsmäßigen Ausschlusses (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1875, 206). b) (Abs. 3.) Wenn der Frachtvertrag sich nicht bloß auf nach Art oder Gattung, sondern auf speziell bezeichnete Güter bezieht. Natürlich kann sie vertragsmäßig dem Befrachter auch für diesen Fall eingeräumt sein.

§ 563. Der Befrachter oder Ablader, welcher die verladenen Güter unrichtig bezeichnet oder Ariegskontrebande oder Güter verladet, deren Ausfuhr

§ 563.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 563. oder deren Einfuhr in den Bestimmungshafen verboten ist, oder welcher bei der Abladung die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer* und Zollgesetze, übertritt, wird, sofern ihm dabei ein verschulden zur Last fällt, nicht bloß dem Verfrachter, sondern auch allen übrigen im § 5^2 Abs. \ bezeichneten Personen für den durch sein Verfahren veranlaßten Aufenthalt, und jeden anderen Schaden verantwortlich. Dadurch, daß er mit Zustimmung des Schiffers gehandelt hat, wird seine Verantwortlichkeit den übrigen Personen gegenüber nicht ausge­ schlossen. Er kann aus der Konfiskation der Güter keinen Grund herleiten, die Zahlung der Fracht zu verweigern. Gefährden die Güter das Schiff oder die übrige Ladung, so ist der Schiffer befugt, die Güter ans Land zu setzen oder in dringenden Fällen über Bord zu werfen. Einleitung.

Haftung des Befrachters und Abladers für Verschulden bei der Abladung. An sich iuürben beide — der Ablader, sobald und soweit er mit dem Verfrachter in vertragliche Beziehungen tritt (s. Vorbemerkungen zum 4. Abschnitt Anm. 5) — nur ex contractu haften (OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 242), außervertraglich nur, wenn ein Fall der §§ 823, 826 BGB. vorliegt. Der vorliegende Paragraph svgl. BSchG. § 45] zählt Spezialfälle auf, in denen Befrachter und Ab­ lader über diese Grenze hinaus ex delicto (Prot. 2067) haften.

Der gegen den Ablader oder Befrachter entstandene Anspruch kann nicht gegen den schuld­ losen Empfänger geltend gemacht werden (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr 242; anders HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 31; Wagner S. 228, 274 ff.; gegen letzteren Schröder GoldschmidtsZ. 32, 246); ist er indessen Vertreter des Abladers, so sind Einreden aus dessen Person gegen ihn zulässig (weitergehend LG. Hamburg Hbl. 1880, 838). Anm. 1. I. Die Bestimmung deS Abs. 1. 1. Die Fälle der Haftung deS Befrachters oder Abladers sind sämtlich solche, in denen ein fehlerhaftes Verhalten vorliegt, das entweder eine körperliche Beschädigung von Schiff oder Ladung, völkerrechtliche, straf- oder verwaltungsrechtliche Eingriffe oder irgend welche Ein­ bußen an Zeit oder Geld herbeigeführt hat.

Anm. 2. a) Unrichtige Bezeichnung der Güter. Die Güter müssen so bezeichnet sein, daß der Verfrachter sich ein Urteil über die Zulässigkeit ihrer Verschiffung und die Art ihrer Behandlung bilden und dementsprechend seine Maßregeln treffen kann. Unter Bezeichnung*) ist ihre Be­ nennung nach Art und Beschaffenheit zu verstehen, nicht ihre Markung (Schlodtmann Gold­ schmidtsZ. 21, 406). Dem Fall der unrichtigen Bezeichnung sz. B. Steinsalz statt Bisulfat (RG. 93, 163)] steht es gleich, wenn die Ware unvollständig (Nichtangabe konkreter Besonder­ heiten, z. B. der Gefährlichkeit der Verpackung: RG. 20,81 ff.) oder zu allgemein (Bezeichnung von Würsten in losem Salz als „merchandise“: HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 242; von Kanonen u. dgl. als „lawful merchandise“: Maclachlan 497 ff., von Waffen als „Eisenwaren": HansOLG. Hansa 1914, 486), oder wenn sie in einer Sprache bezeichnet ist, welche die sie entgegennehmen­ den Schiffsorgane nicht verstehen und nicht zu verstehen brauchen (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 259); [ober wenn gar keine Angabe gemacht ist, der Befrachter aber den schädigenden oder gefährlichen Charakter des Gutes kennt (RG. 93, 165)]. Bedeutet die gewählte Bezeichnung x) Nach 8 10 der Hamb. Betriebs- und Gebührenordnung für die Kaianlagen vom 22. Dez. 1893 erfolgt die Übernahme feewärts bestimmter Güter seitens der Kaiverwaltung nur nach Beibringung von Schiffszetteln (Anm. 14 zu § 557), in welcher die Ware nach Art, Verpackung, Marke, Nummer und Zahl oder Gewicht bezeichnet ist.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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am Abladungsorte etwas anderes als am Bestimmungsorte, so entscheidet darüber, ob unrichtige § 563. Bezeichnung vorliegt, der Sprachgebrauch des Abladungsortes (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 123). b) Verladung von KriegStonterbande (Perels Intern. S. 238 ff.; HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 93Anm. 3.

und die dort angeführten Zitate). c) Verladung von Gütern, bezüglich deren ein Ausfuhrverbot im Avladehafen oder ein Anm. 4. Einfuhrverbot im Bestimmungshafen besteht. Dasselbe gilt analog für die Verladung von Gütern, deren Durchfuhr in einem Zwischenhafen verboten ist (Beispiel: Kierulff 2

Nr. 48). d) Übertretung gesetzlicher Vorschriften bei der Abladung, insbesondere der Polizei-, Zoll-Anm. 5. und Steuergesetze. Zu den in Betracht kommenden Polizeigesetzen gehören die Bestimmungen über die Beförderung gefährlicher Güter in Kauffahrteischiffen (s. Anhang). 2. Voraussetzung der Haftung ist Verschulden?) Die Tatsache allein, daß durch das abgeladene Anm. 6. Gut ein Schaden verursacht worden ist, macht den Befrachter oder Ablader nicht schadens­ ersatzpflichtig (RG. 15, 151 ff.; 20, 78; NG. LZ. 1915, 763 --- Hbl. 1915, 120), auch nicht der Umstand, daß der Transport des Gutes vermöge seiner besonderen Beschaffenheit mit Ge­ fahren verbunden ist (HansOLG. Hbl. 1911, 307). Es muß ein für den Schaden kausales Ver­ schulden vorliegen. Dasselbe kann sein culpa in solvendo, aber auch culpa in contrahendo (vgl. Leonhard, Verschulden beim Bertragsschlusse, insbes. 24ff.; ferner HansOLG. Hbl. 1915, 280), je nach dem Zeitpunkt, in dem es existent geworden ist: das Gesetz deckt beide Fälle. Verschulden liegt insbesondere in der Unterlassung der Orientierung über die in Betracht kommenden ausländischen Vorschriften. Das Verschulden ist von dem Geschädigten zu be­ haupten und zu beweisen (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 67); in vielen Fällen werden indessen die Tatsachen, z. B. die Nichtanzeige des gefährlichen Inhalts der Ladung (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 242; vgl. RG. 20, 78) eine tatsächliche Schuldvermutung begründen, der gegenüber sich der in Anspruch genommene Befrachter oder Ablader zu exkulpieren hat (vgl. Prot. 2082); sder Befrachter hat zu beweisen, daß er die zu einer erforderlichen Anzeige nötigen Schritte getan hat (NG. 93, 166)]. Handelt es sich um gefährliche Ladung, so ist Ver­ schulden regelmäßig ausgeschlossen bei gehöriger Deklaration (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 67); doch kann eine trotz derselben verbleibende Unkenntnis des Verfrachters unter besonderen Umständen als vom Befrachter oder Ablader verschuldet erscheinen, so wenn das Gut im Ver­ kehr selten vorkommt und der Ablader oder Befrachter wußte, daß dessen Besonderheit dem Verfrachter nicht bekannt war, oder wenn eine ungewöhnliche Bezeichnung gewählt ist (RG. 20, 79). Kein Verschulden des Befrachters oder Abladers liegt vor, wenn derselbe im Ver­ trauen auf eine ihm gegebene Auskunft der zuständigen Behörde objektiv unrichtigerweise die Ladung als nicht unter eine gewisse Polizeivorschrift fallend erachtet und deshalb vorge­ schriebene Vorsichtsmaßregeln unterläßt (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 71; RG. Hbl. 1903 Nr. 45). x) Die Haftung des Befrachters bzw. Abladers wird vielfach kontraktlich erweitert. So enthalten Konnossemente des Norddeutschen Lloyd folgende Klauseln: Die Verlader sind haftpflichtig für jeglichen durch entzündliche, explosive oder sonst ge­ fährliche Güter dem Schiffe oder der Ladung verursachten Schaden oder Verlust, wenn solche Güter ohne besondere Übereinkunft und ohne genaue Angabe ihrer Natur verladen worden sind, gleichviel ob der betreffende Verlader sich derselben bewußt gewesen sei oder nicht und ob derselbe für eigene Rechnung oder im Auftrage Dritter gehandelt habe. Solche Güter ist der Schiffer oder Reeder zu jeder Zeit ohne Entschädigung befugt, über Bord zu werfen oder zu zerstören. Die Verlader und Empfänger sind verantwortlich für alle Strafen oder Schäden, welche Schiff oder Ladung erleiden oder denselben auferlegt werden möchten infolge ungenauer oder ungenügender Markung der Kolli oder Bezeichnung des Gewichts oder Inhalts derselben. Vgl. auch Einheits-Konnossement Regel VI u. VII (f. Anhang). In der gutgläubig ab­ gegebenen Erklärung des Befrachters, die Ware sei nicht gefährlich, liegt nicht die Verpflichtung, für jeden durch ihre Beförderung entstehenden Schaden aufkommen zu wollen (RG. LZ. 1915, 763 — Hbl. 1915, 120).

330 § 5K3.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Auch liegt kein kausales Verschulden in dem Bestreiten der Feuergefährlichkeit des Gutes gegen­ über dem mit der gegenteiligen Sachlage bekannten Verfrachter (HansOLG. Hbl. 1915, 4). Anm. 7. Im Falle des konkurrierenden Verschuldens des Verfrachters gilt im Ver­ hältnis zu letzterem BGB. § 254. Als konkurrierendes Verschulden gilt im Falle der un­ richtigen Bezeichnung der Güter nicht ohne weiteres eine Nichtanfrage des Verfrachters (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 242), dagegen die Kenntnis der gefährlichen Eigenschaften des Gutes (HansOLG. SeuffA. 46 Nr. 118; NG. LZ. 1915, 763). Ist der Schaden nicht nur auf schuldhaften Verstoß des Befrachters gegen § 563, sondern zugleich auf vom Verfrachter zu vertretende Seeuntüchtigkeit des Schiffes zurückzuführen (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1880,338), so hat § 254 BGB. zur entsprechenden Anwendung zu kommen (vgl. NGR.Komm. Note 4 zu § 254). Verschulden des Schiffers präjudiziert dem Verfrachter, es müßte denn Kollusion zwischen Schiffer und Befrachter bzw. Ablader vorliegen. Dagegen schließt nicht-schuldhafte Zustimmung des Schiffers, z. B. solche, die auf Irreleitung des Abladers beruht, die Haftung des letzteren nicht aus. Bei konkurrierendem Verschulden eines anderen geschädigten Reise­ interessenten gilt im Verhältnis zwischen ihn: und dem Befrachter bzw. Ablader gleich­ falls BGB. § 254. Anm. 8. 3. Wem gegenüber wird gehaftet? Sämtlichen Reiseinteressenten (Anm. 2 zu 8 512), also nicht nur dem Verfrachter, sondern auch den anderen Ladungsbeteiligten, den Reisenden, der Schiffsbesatzung und denjenigen Schifssgläubigern, deren Forderung aus einem Kredit­ geschäft entstanden ist, auch dem mit dem Verfrachter nicht identischen Reeder, der sich aber auf keinen anderen Rechtsstandpunkt als den des Verfrachters stellen darf (NG. 20, 84). Anm. 9. 4. Auf daS gesamte Interesse wird gehaftet s(NG. IW. 1912, 743 Nr. 5; vgl. NG. 93, 165)]. Insbesondere sind zu ersetzen Kosten der Wiederausladung, Umladung, Verzögerung (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 259); der Verfrachter kann nicht nur Erstattung des von ihm an andere Ladungsbeteiligte bereits Gezahlten, sondern auch Freihaltung von künftig zu erwartenden Ansprüchen derselben verlangen (OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 2, 1056; LG. Hamburg Hbl. 1880, 338). Aus der Schadensersatzpflicht des Befrachters bzw. Abladers folgt weiter, daß derselbe den Schaden selbst zu tragen hat, von dem infolge seines Verschuldens sein eigenes Ladungsgut betroffen wird (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 104). Anm. 10. 5. Wieweit wird gehaftet? Persönlich: daher fällt die Haftung nicht weg mit dem Untergang des Gutes, und der Schiffer präjudiziert dem Verfrachter nicht durch Auslieferung der Ladung an den Empfänger (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 242) und durch Ausübung des Rechts des Abs. 4. Den regelmäßigen Fall bildet unbeschränkt-persönliche Haftung; sofern aber der Schaden darin besteht, daß z. B. infolge der Konfiskation des Guts, die Befriedigung unpersönlicher Forderungen aus dem Sondergut unmöglich gemacht wird, so tritt beschränkt-persönliche Haftung ein (Ehrenberg 166). Anm. 11. II. Die Bestimmungen der Abs. 2—4. 1. (Abs. 2.) Durch die Zustimmung deS Schissers wird die Verantwortlichkeit deS Schul« digen gegenüber den übrigen Reiseinteressenten nicht ausgeschlossen. Aus diesem Satze ist das allgemeine Prinzip herzuleiten, daß die Haftung gegenüber jedem der Reiseinteressenten unabhängig ist von derjenigen gegenüber den anderen. Also nicht nur die Zustimmung, sondern auch jedes sonstige Mitverschulden des Schiffers oder eines anderen Reiseinteressenten ist ohne Einfluß auf die Haftung gegenüber den übrigen. Anm. 12. 2. (Abs. 3.) Konfiskation der Güter. Das Gesetz sagt, daß aus derselben keine Gründe zur Verweigerung der Frachtzahlung hergeleitet werden können. Das will sagen, daß die Konfiskation für sich allein den Frachtanspruch für konfiszierte Güter nicht aus der Welt schaffe (Prot. 2069, 2082, 3850), was nicht ausschließt, daß er durch andere Um­ stände beseitigt ist. Anm. 13. 3. (Abs. 4.) Gefährdung. Wird durch die Ladung des schuldigen Abladers bzw. Be­ frachters das Schiff oder die übrige Ladung gefährdet, so ist der Schiffer befugt, sie ans

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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Land zu setzen und in dringenden Fällen über Bord zu werfen, und zwar ohne Ent- § 563 schädigung und ohne daß dem Verfrachter der Frachtanspruch verlorengeht (arg. § 636 Abs. 3). Seine Befugnis wird zur Verpflichtung gegenüber den anderen Reiseinteressenten (ROHG. 21, 157 Mittelstem 1, 200]). Bemerkt er die Gefährlichkeit der Güter schon vor oder bei der Abladung, so hat er das Recht und die Pflicht, sie zurückzuweisen (vgl. ROHG. 4 Nr. 87; 21, 157; Cosack 480). Liegt aber kein Verschulden des Befrachters oder Abladers vor, hat vielmehr der Verfrachter, obschon er ihre Gefährlichkeit kannte oder kennen mußte, den Frachtvertrag über sie geschlossen, so kann er aus ihr diesem Befrachter oder Ablader gegenüber Einrede gegen ihre Mitnahme nicht erheben (HansOLG. Rechtspr. 16, 137 ff.), so sehr er dadurch mit seinen Pflichten gegenüber sonstigen Reiseinteressenten in Konflikt geraten kann; wird die Ware ans Land gesetzt oder über Bord geworfen, so steht seinem Anspruch auf die Fracht die exceptio doli gegenüber. Trotz mangelnden Verschuldens des Befrachters oder Abladers kann derAnm. 14. Schiffer nach Abs. 4 verfahren, wenn ein Fall der großen Haverei gegeben ist (§ 700). Ist dies nicht der Fall, so hat er unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nach ver­ nünftigem Ermessen zu handeln (Anm. 12, 13 zu § 535). Oft wird er nicht die gefährdenden, sondern nach § 535 Abs. 2 gerade die gefährdeten Güter ans Land zu setzen haben. Setzt er einzelne Güter ans Land, so kann er, sofern nicht ein Fall des § 636 Abs. 3 vorliegt, keine Fracht verlangen (ein Fall der Distanzfracht ist nicht gegeben!); wirft er sie über Bord, so ist der Frachtanspruch nach § 617 verloren, es müßte denn ein Fall des § 618 vorliegen oder nach wieder erfolgter Bergung der Transport zu Ende geführt werden (HansOLG. Hbl. 1905, 155 = SeuffA. 62, 162). Ob der Ablader eines gefährdenden Gutes in culpa ist, wird der Schiffer freilich im kritischen Augenblick nicht immer entscheiden können. Es bleibt ihm dann nichts übrig, als nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln; welches die Rechtswirkungen seines Handelns sind, entscheidet sich später. Zusatz. Fälle des vorliegenden Paragraphen kann treffen das strafrechtliche Ver-Anm. 15. bot des § 297 StGB. (Anm. 5 zu § 544). — Eine mit § 563 Abs. 4 verwandte Bestim­ mung trifft SeemO. § 87 Abs. 2.

§ 564.

§ 564.

Auch derjenige, welcher ohne wissen des Schiffers Güter an Bord bringt, ist nach Maßgabe des § 563 zunr Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Der Schiffer ist befugt, solche Güter wieder ans Land zu setzen oder, wenn sie das Schiff oder die übrige Ladung gefährden, nötigenfalls über Bord zu werfen. £?at der Schiffer die Güter an Bord behalten, so ist dafür die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht zu bezahlen. Heimliche Anbordbringung von Gütern. 1. Dieser Fall ist nach dem Gesetze gegeben, wenn jemand ohne Wissen deS Schiffers Güter Anm. 1. an Bord bringt. Die Worte „ohne Wissen des Schiffers" sind aber nicht zu pressen: sie beziehen sich auf den Fall, daß der Schiffer derjenige ist, der die Abladungen kontrolliert. Tut dies für ihn eine andere Person, etwa ein Schiffsoffizier, Expedient oder Schiffsmäkler, so genügt es selbstverständlich, wenn die Anbordbringung in deren Einverständ­ nisse geschieht. Der Fall, den das Gesetz treffen will, ist also der, daß vor­ sätzlicher- oder fahrlässigerweise — dies ergibt sich aus den Worten „nach Maßgabe des 8 563" — Güter ohne Einverständnis der die Beladung des Schiffes leitenden Person an Bord gebracht werden, sei es, daß kein Frachtvertrag vorliegt oder daß trotz geschlossenen Frachtvertrages die Güter nicht angenommen worden sind, etwa wegen ihres gefährdenden Charakters, oder weil das Schiff bereits voll beladen ist.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 564. 2. Wer heimlich Güter an Bord bringt, versetzt sich in folgende Rechtslage:

Anm. 2. a) Er ist nach Maßgabe von § 563 zum Ersätze des entstehenden Schadens verpflichtet (Anm. 8 ff. zu § 563). Anm. 3. b) Der Schiffer ist befugt, die Güter, gleichviel ob sie das Schiff oder die übrige Ladung ge­ fährden oder nicht, wieder ans Land zu setzen, natürlich auf Kosten desjenigen, der sie an Bord gebracht hat. Anm. 4. c) Der Schiffer darf die gefährdenden Güter nötigenfalls über Bord werfen (Anm. 13ff. zu § 563). Anm. 5. d) Hat der Schiffer die Güter an Bord behalten, so ist dafür Fracht zu zahlen, und zwar nicht nur die angemessene, sondern die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht (vgl. § 544). Der Verfrachter braucht nicht zu beweisen, daß er dieselbe erzielt haben würde, sondern nur, daß irgend jemand sie erzielt hat. Anm. 6. e) Auf Grund des kraft Gesetzes zustande gekommenen quasikontraklichen Verhältnisses (Brodmann Note 1; sPappenheim 3, 515]) finden die Vorschriften über den Frachtvertrag (§§ 617, 623, 630 usw.) Anwendung. Anm. 7. 3. Werden sine culpa ohne Einverständnis der die Abladung leitenden Person Güter an Bord gebracht, z. B. aus entschuldbarem Irrtum, so ist eine Schadenersatzpflicht nicht gegeben. Der Schiffer ist berechtigt, die Güter auf Kosten des Einbringers ans Land zu setzen. Für den Fall der Gefährdung gilt entsprechend das in Anm. 14 zu § 563 Gesagte. Behält der Schiffer die Güter an Bord, so kann der Verfrachter, sofern überhaupt ein Fracht­ vertrag zustande gekommen ist, nur die angemessene Fracht fordern. § 565.

§ 565.

Der Verfrachter ist nicht befugt, ohne Erlaubnis des Befrachters die Güter in ein anderes Schiff zu verladen, handelt er dieser Vorschrift zu­ wider, so ist er für jeden daraus entstehenden Schaden verantwortlich, es sei denn, daß der Schaden auch dann entstanden und dern Befrachter zur Last gefallen sein würde, wenn die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen worden wären. Auf Umladungen in ein anderes Schiff, die in Lallen der Not nach dem Antritte der Reise erfolgen, finden die Vorschriften des Abs. 1 keine An­ wendung. Einleitung.

Substitution eines anderen Schiffes. Was hier vom Verfrachter im Verhält­ nis zum Befrachter bestimmt ist, gilt auch vom Reeder im Verhältnis zum Konnossementsinhaber Anm. 1. 1. Bereits an anderer Stelle (Vorbem. zum 4. Abschnitt Anm. 13) ist betont, daß die Stipulierung eines bestimmten Schiffes, vermittels dessen der Frachtvertrag zur Ausführung gebracht werden soll, nicht begriffswesentlich ist, aber die Regel bildet. Eine Abweichung von dieser Regel liegt vor, wenn der Verfrachter, der mehrere regelmäßig die­ selbe Fahrt unternehmenden Schiffe zu seiner Disposition hat, sich verpflichtet, das Gut „mit dem Dampfer X. oder einem anderen Schiff dieser Linie" (ähnliche Klauseln bei Wüsten­ dörfer Studien 1 S. 204 ff., 300; saber dann ist die Wahl beschränkt und § 566 gilt ent­ sprechend für diesen Kreis von Schiffen; vgl. Pappenheim 3, 127]) zu befördern; ebenso bei Hinzufügung der Worte „ohne Verbindlichkeit" zu dem Namen des Dampfers (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 74) oder anderer dem Verfrachter das Recht der Substitution oder Umladung gewährenden Klauseln (unten Anm. 6). Umladungsbesugnis ist selbstverständ­ lich bei Verladung von Gütern auf durchgehendes Konnossement (s. Zusatz zu § 651). Recht und Pflicht zur Leichterung hat das Schiff, wo der Bestimmungshafen ohne Überwindung von Barren nicht ungefährdet erreicht werden kann (hierzu Anm. 4 zu 8 592).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern!.

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2. Liegt Stipulierung eines bestimmten Schiffes vor, so darf der Verfrachter ohne Er- § 565. laubniS deS Befrachters die Güter nicht in ein anderes Schiff verladen: fönst haftet erAnm. 2. nach Maßgabe deS § 565 für den Schaden [(bgl. BSchG. § 44)]. Der Befrachter braucht ein Ersatzschiff sich nicht gefallen zu lassen, es sei denn, daß Schikane (BGB. § 226) an­ zunehmen sein würde (HansOLG. und RG. HansRZ. 2, 432)]. a) Verboten ist dem Verfrachter sowohl die Verladung in ein anderes als das verein­ barte Schiff vor Antritt der Reise als auch die Umladung nach Antritt der­ selben, [mag auch das neue Schiff gleichwertig oder gar besser sein (Boyens 2, 344; Brod­ mann GoldschmidtsZ. 70, 40; Pappenheim 3, 128; Mittelstem 1, 195 und Handb. 155)]. Er darf auch nicht ohne Genehmigung einen Teil des Transports, bis zu dem in einem an­ deren Hafen liegenden Seeschiff, per Leichter ausführen (die Klausel „he carriers shall have liberty to convoy goods in lighters to and from the ship at the risk of the owners of the goods“ gibt dem Schiffer nur das Recht des Leichtertransports innerhalb des Verschiffungs- und Ankunftshafens: HansOLG. Hbl. 1913. 298). Doch sind in Abs. 2 aus­ drücklich ausgenommen Umladungen in Notfällen nach Antritt der Reise. Diese Ausnahme bezieht sich aber nur auf zeitweilige Umladungen für die Dauer der Not und be­ fugt den Schiffer nicht, bei Eintritt von Notfällen für den Rest der Reise ein anderes Schiff zu substituieren (so mit Recht Boyens 2, 126; gegen Lewis Endemann Handb. 4,129); führt der Notfall zur Auflösung des Frachtvertrages, so hat möglicherweise der Schiffer die Pflicht der Weiterbeförderung mit einem anderen Schiffe (§§ 535, 632, 634). Eine Umladung wegen Notfalls vor Antritt der Reise ist zulässig unter den Voraussetzungen der Geschäfts­ führung ohne Auftrag (Lewis a. a. O.). b) Die vom Verfrachter zu beweisende Erlaubnis deS Befrachters kann entweder schon im Anm. 3. Frachtvertrag (oben Anm. 1) oder nachträglich gegeben sein. Da der Ablader präsumtiv bevollmächtigter Vertreter des Befrachters ist (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 5), so ge­ nügt, soweit jene Vermutung reicht, Erlaubnis des Abladers (Prot. 2075; anders Brandis 2, 21). Die gleiche Wirkung wie die Erlaubnis des Befrachters hat seine nachträgliche Ge­ nehmigung (vgl. HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 77 II, wo nachträgliche Genehmigung des Kon­ nossementsinhabers vorlag). c) Der Verfrachter [welcher das Verbot des § 565 schuldhaft verletzt (Pappenheim 3, 131)]Anm. 4.

haftet für jeden auS feiner vertragswidrigen Handlungsweise sich ergebenden Schaden (also nicht gemäß §§ 611, 613; [Pappenheim 3 S. 456, 133/134]), z. B. für Gewichts­ verlust der Ware infolge der Umladung (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 172, 174), für Schaden infolge verspäteter Ankunft (Konjunkturverlust: HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 174), für Nach­ teile, die dem Befrachter infolge Ungültigwerdens seiner Versicherung oder daraus erwachsen, daß die Ware seitens seines Abnehmers, der Verladung mit einem bestimmten Schiffe ge­ kauft hat (vgl. NG. 30 Nr. 18), zurückgewiesen wird. Streitig ist, ob der Verfrachter dem Befrachter, wenn das vereinbarte Schiff unter­ gegangen ist, das vertragswidrig verwendete aber mit dem Gute den Bestimmungshafen erreicht hat, für den Unterschied zwischen der Policentaxe und dem Verkaufserlöse der Ware aufzukommen hat. Die Frage wird vom RG. — im Gegensatz zum HansOLG. (Hbl. 1891 Nr. 59, [dem Pappenheim 3, 130 Anm. 3 beitritt]), dem ich mich in der 1. Aufl. angeschlossen hatte —verneint (RG. 28 Nr. 36), ebenso, mit verschiedenartiger Begründung, von Eichhoff,Die Lehre von der Compensatio lucri cum damno 86; Oertmann, Die Vorteilsausgleichung beim Schadensersatzanspruch 227; M. Rümelin ArchZivPr. 90, 286 ff. und Brandis 2, 22. Mit Recht. Denn das vertragswidrige Verhalten des Verfrachters war sine effectu: es hat gerade die Bertragsleistung, den ungefährdeten Transport des Gutes, ermöglicht. Daß der Befrachter nicht statt des Gutes den Betrag der Policentaxe erhalten hat, war für ihn, vom Standpunkt des Frachtvertrages gesehen, kein Schaden, jedenfalls kein solcher, der sich als adäquate Folge des Verschuldens des Verfrachters darstellt. d) Der Verfrachter kann sich von seiner Haftung freimachen, wenn und soweit er be-Anm. 5. weist, daß auch ohne sein kontraklwidriges Verhalten der Schaden

334 § 5K5.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

a) entstanden — und

ß) dem Befrachter zur Last gefallen wäre. Der letztere Beweis ist notwendig, weil es möglich ist, daß aus versicherungsrechtlichen Gründen derselbe Schaden, der, wenn auf dem verabredeten Schiff geschehen, vom Ver­ sicherer ersetzt wird, unersetzt bleibt, wenn er sich auf einem anderen Schiffe ereignet hat (ASBB. § 36 seine Sonderbestimmung, die in den A.D.SBB. nicht mehr vorkommtj; vgl. Prot. 2073). — sDie Bedeutung der ganzen Bestimmung erblickt Pappenheim 3 S. 131 u. 133 lediglich in der Beweislastverteilung.j Anm. 6. 3. SubstitutionS- und Umladeklauseln. a) Wortlaut. Beispiele: „mit Freiheit, die Waren in andere Dampfschiffe zu verladen" (Hans­ OLG. Hbl. 1909, 46; RG. Hbl. 1910, 186 - Hansa 1910, 599 Recht 1910 Nr. 1299); „das Schiff ist berechtigt, die Güter sowohl vor Beginn als während der Reise mit einem anderen Dampfer zu verladen oder dieselben umzuladen" (RG. HoldheimsMSchr. 1907, 171 = LZ. 1907, 660); „the steamer to have liberty, to substitute or transship the goods by any other steamer“ (HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 133; RG. 14, 34 ff.); ,,to transship cargo from any Intermediate port to its destination at ships expense and merchants risk“ (Hbl. 1886, 4). In den vom HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 172 u. 174 entschiedenen Fällen wurde die gedruckte Klausel „to substitute the goods by any other steamer“ für aufgehoben er­ achtet durch die hiuzugefügte schriftliche Bestimmung „bound for Hamburg direct“. Eine Umladebefugnis gewährt nicht die Klausel „steamer to be at liberty to touch at Inter­ mediate ports“ (HansOLG. Hbl. 1884, 129). Anm. 7. b) Bedeutung. Unmittelbar sind diese Klauseln dazu bestimmt, die Vorschrift des Abs. 1

unter den Beteiligten aufzuhebeu. Mittelbar können sie weitergehende Bedeutungen gewinnen. Wer unterwegs umladen darf, must die Güter, soweit dies erforderlich wird, im Umladehafen in Leichter oder Lagerhäuser einlagern dürfen (HausOLG. Hbl. 1909 S. 15 u. 46; RG. Hbl. 1910, 188); unter Umständen rechtfertigt sich mit Rücksicht auf be­ stehende Übungen die Auslegung, daß das Schiff behufs Vornahme der Umladung einen Umweg machen darf (RG. Hbl. 1910, 187 = Hansa 1910, 599 = Recht 1910 Nr. 1299). Umladung kann auch sein die Ausladung und Wiedereinladung zum Zwecke der Ermög­ lichung der Ausladung anderer Güter (RG. HoldheimsMSchr. 1907, 171 = LZ. 1907, 660). Anm. 8. c) Wirkungen der erlaubten Substitution oder Umladung. Der Verfrachter, der von der Substitutions- oder Umladebefugnis Gebrauch macht, ist damit nicht etwa seiner Verpflich­ tung aus dem Frachtverträge ledig; er ist nur von der Verbindlichkeit befreit, die Beförderung mit dem ursprünglichen und keinem anderen Schiffe zu bewirken (HansOLG. Hbl. 1886, 6 = SeuffA. 41, 199; vgl. See- und HandelsG. Stettin BuschsA. 2, 197). Wenn aber das RG. ausführt, es solle dasjenige Schiff, in welches auf Grund der Umladungsklausel die Güter übergeladen werden, „ganz und in jeder Beziehung an die Stelle des ursprünglichen Schiffes treten" (RG. 14, 38; zustimmend Schilling, Durchfrachtvertrag 28), so ist dieser Ausdruck mindestens mißverständlich. Die Rechtslage ist vielmehr die folgende: Anm. 9. a) Der Verfrachter hat auf Grund des Frachtvertrages dem Befrachter — und ebenso der Reeder auf Grund des Konnossementsvertrages dem legitimierten Kon­ nossementsinhaber — dafür einzustehen, daß der Transport mit dem substi­ tuierten Schiffe, mag es ihm selbst gehören oder ein fremdes sein, ver­ tragsmäßig stattfindet. Er haftet für dessen Seetüchtigkeit (Mackah Naut. Mag. 90, 60), er darf nicht, entgegen den Bestimmungen seines Konnossements, dem neuen Verfrachter Verladung auf Deck gestatten (LG. Hamburg 10. Jan. 1908, Arrotegni gegen Gärtner, H VII 606/07), und er hat nicht bloß (wie Schilling Durchfrachtvertrag 28 meint) für jedes Verschulden des zweiten Verfrachters bis zur Ablieferung des Gutes aufzukommen (anders Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 64 ff.), sondern, mangels Frei­ zeichnung (Anm. 31 zu § 606), dessen Verpflichtung ex recepto zu vertreten, also ihn nach § 606 zu exkulpieren. Das gilt nicht nur, wenn er selbst das neue Schiff gestellt hat, also der zweite Verfrachter (Reeder) ist, sondern auch dann, wenn er das Gut mit

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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einem fremden Schiffe weiterversandt hat. Im Verhältnis zum Befrachter (Konnosse- § 565. mentsinhaber) gelten auch für den Weitertransport nur die Bestimmungen des ur­ sprünglichen Frachtvertrages (Konnossements). Der erste Verfrachter (Reeder) hastet in gleichem Umfange, wie er gehaftet hätte, wenn die Substitution oder Umladung nicht stattgefunden hätte. Soweit beschränkte Haftung in Frage kommt, haftet also der Reeder mit dem stimulierten Schiff und dessen Fracht auch für die Beförderung mit dem zweiten Schiff (hierzu Wüstendörfer Studien 1, 311): Dem konnossementsmäßigen Empfänger gegenüber liegt hiernach Reederhaftung, nicht Verfrachterhaftung, vor (Brod­ mann GoldschmidtsZ. 70, 65 ff. gegen Wüstendörfer Studien 1, 269. Gegen ersteren Gütschow ZVersWlss. 13, 375 ff.). Ist freilich ein bestimmtes Schiff gar nicht verein­ bart gewesen (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 13), so läßt sich nur eine persönliche Berfrachterhaftung denken, eine Haftung, die sich aber nur auf den Frachtvertrag gründen kann, nicht auf ein Konnossement, weil ein solches ohne Individualisierung wenigstens des in erster Reihe zur Beförderung bestimmten Schiffes nicht vorliegt (Anm. 2a zu § 642). ß) Der zweite Verfrachter tritt zu dem Befrachter seines Vormannes oderAnm. 10. zu dem legitimierten Inhaber der von diesem ausgestellten. Konnossemente an sich in keine vertraglichen Beziehungen (HG. Antwerpen vroit Mar. 1910,692): solche kommen nur zustande, wenn er die Schuld des Vormannes aus Frachtvertrag oder Konnossement übernommen hat. Die zu einer privativen Schuldübernahme nach BGB. § 415 Abs. 1 erforderliche $£1161)1^011^ des Gläubigers liegt aber nicht ohne weiteres in der Entgegennahme des vom zweiten Verfrachter ausgestellten neuen Kon­ nossements, selbst wenn sie im Austausch gegen das ulte erfolgt. Auch ohne Genehmi­ gung des Gläubigers bewirkt aber die Übernahme des Guts auf Grund des ursprünglichen

Konnossements durch den neuen Reeder analog § 449 Mithaftung des letzteren, also kumulative Schuldüberuahme. y) Unvermeidliche Rechtswirkungen sind weiter die Verringerung der Beweis-Anm. 11. kraft der vom ersten Reeder ausgestellten Konnossemente, die Verringe­ rung seiner Skripturhastung und, wenigstens soweit der Frachtvertrag in Betracht kommt, in manchen Fällen die Ausschaltung der beschränkten Reederhaftung und des Schiffsgläubigerrechts wegen Fortfalls der Beziehung des Gläubiger­ anspruchs auf ein bestimmtes Schiff (hierzu Wüstendörfer Siudien 1, 304 ff.).

§ 566.

§ 566.

Ghne Zustimmung des Abladers dürfen dessen Güter weder auf das verdeck verladen noch an die Seiten des Schiffes gehängt werden. Die Landesgesetze können bestimmen, daß diese Vorschrift, soweit sie die Beladung des Verdecks betrifft, auf die Küstenschiffahrt keine Anwen­ dung findet. Unterbringung von Gütern auf Deck oder an den Seiten deS Schiffes. Die Vorschrift des § 566 bezieht sich [nur auf das Rechtsverhältnis der am Frachtverträge Beteiligten (Pappen­ heim 3, 202)], nicht ohne weiteres auch auf das Verhältnis zwischen Spediteur und Versender (HansOLG. Hbl. 1906, 131). 1.

Die exzeptionellen Berladungsarten. Regelmäßig erfolgt die Verladung der Güter unten Anm. 1. im Schiffsraum. Daneben kommt vor die früher vielfach (vgl. v. Duhn Neues Archiv für Handelsrecht 1, 204) aus öffentlichrechtlichen Gründen verbotene Verladung auf Deck, und sehr selten auch das Hängen von Gütern an die Seiten des Schiffes. Im Einzelfalle kann es zweifelhaft sein, ob eine Verladung auf Deck vorliegt, z. B. bei Unterbringung der Güter in auf dem Deck aufgestellten Hütten oder Dünetten (in der Steuermannskajüte: HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 35; in Passagierskabinen: Prot. 1869) oder auf dem außenbords befindlichen „Hafendeck" der sog. Turmschiffe (turret-steamer).

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 566. 2. Zustimmung deS Abladers. Anm. 2.

Anm. 3.

Es bedarf keiner Ausführung, daß Güter, die nicht unter

Deck verladen sind, den Gefahren der See in viel größerem Maße ausgesetzt sind als die unter Deck untergebrachten; nach § 708 Nr. 1 bleiben die sie betreffenden Beschädigungen und Verluste in den Fällen der großen Haverei bei der Schadensberechnung außer Ansatz (vgl. Uork-Antwerp Rule 1) und auch seeversicherungsrechtlich genießen sie eine andere Behand­ lung als sonstige Güter (ASVB. § 107, sA.D.SVB. §§ 62, 85]). Es ist daher nur gerecht­ fertigt, wenn das Gesetz die Befugnis des Schiffers, Güter auf Deck zu verladen oder an die Seiten des Schiffes zu hängen, von der Zustimmung des Abladers derselben abhängig macht. Diese Zustimmung, welche den Befrachter bindet (HansOLG. Hbl. 1906,188; RG. Hbl. 1907, 216 sPappenheim 3, 203]), übrigens auch durch dessen eigene Zustimmung ersetzt werden kann (HansOLG. Hbl. 1906, 188), kann neben dem Vertrag gegeben werden oder sich unmittelbar aus dem Vertragsinhalt ergeben; für den Empfänger, der nicht Vertreter des Abladers oder Befrachters ist, ist sie nur verbindlich, wenn sie aus dem Konnossement hervorgeht (§ 651 Abs. 1; HG. Antwerpen Jurisprudence du Port d’Anvers 1906, 59; RG. 57, 63 sWüstendörfer 350; Pappenheim 3, 203]). Konnossementsklauseln, welche die Zustimmung des Abladers zur Verladung auf Deck ergeben, sind insbesondere „on deck at shippers risk“, „on deck at proprietors risk“, „loaded on deck at merchants risk“, durch die der Schiffer zur Verladung auf Deck berechtigt, aber nicht verpflichtet wird (Hans­ OLG. Hbl. 1884, 228 = 1887, 119; anders HG. Hamburg Hbl. 1870, 59); der Verfrachter zeichnet sich durch sie zugleich von allem Risiko frei, das speziell auf der Verladung auf Deck beruht (HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 97; HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 101 - 1887 Nr. 48), was ihn aber nicht von der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Placierung und Befestigung entbindet (HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 97; OSeeA. 7, 207); beweispflichtig für Sorgfalts­ verletzungen ist aber der sie behauptende Ladungsbeteiligte (Bartelsen Hansa 1911, 736; Gerichtshof Rotterdam Revue 25, 833; AppG. Haag Revue 27, 401 = Dr. Mar. 1913, 88 = ZBersWiss. 1914, 266; Sohr Dr. Mar. 1913, 89). Dagegen bedeuten Klauseln wie „mit Freiheit, Güter auf Deck zu laden", „with liberty to carry a deckload“, „los armadores se reservan el derecho de conducir generös sobre cubierta“ nicht, daß dem Verfrachter das Recht gewährt wird, die im Konnossement bezeichneten Güter auf Deck zu ver­ laden, vielmehr befugen sie ihn nur, anderweitig Deckladung zu nehmen (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 60; 1903, 163 = Nechtspr. 7, 155; vom Gegenteil ausgehend die binnenschiffahrtsrechtliche Entscheidung des OLG. Karlsruhe DIZ. 1914, 832 = EisenbE. 31, 99). Die Üblichkeit, gewisse Ladungen auf Deck zu verladen (Beispiel: Prot. 1758; OSeeA. 4, 432), ersetzt die Zustimmung des Abladers nicht (anders mit der englischen Praxis HansOLG. Hbl. 1894, 34 fund Pappenheim 3, 204]). Dagegen ist letztere unnötig, sobald durch gesetzliche oder polizeiliche Bestimmungen die Verladung auf Deck angeordnet ist (vgl. die V., betr. die Beförderung gefährlicher Gegenstände mit Kauffahrteischiffen:

Anhang).

Anm. 4. 3. Schadensersatzpflicht deS Verfrachters.

Der Verfrachter, welcher ohne Zustimmung des Abladers die Güter auf Deck verladet oder an die Seite des Schiffes hängt, haftet den Interessenten der betreffenden Ladung für den ans seiner Handlungsweise entstehenden Schaden, es müßte denn sein, daß er sich von den Folgen seiner Vertragswidrigkeit frei­ gezeichnet hat (z. B. durch die in Anm. 34 zu § 606 behandelte Jnsurance-Klausel: Hans­ OLG. Hbl. 1894, 34). Aus dem verdorbenen Zustand des auf Deck verladenen Gutes wird sich häufig eine tatsächliche Vermutung dafür ergeben, daß er durch die Verladung

auf Deck entstanden ist (HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 57). Anm. 5. 4. Anderen, d. h. an der Deckladung nicht beteiligten, Reiseinteressenten, haftet der Ver­ frachter nach allgemeinen Grundsätzen wegen ungehöriger Verstauung der Deckladung und einer durch sie hervorgerufenen Überladung (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 53 — SeuffA. 47 Nr. 48), und zwar, weil es sich um einen Mangel der Reisetüchtigkeit handelt, analog § 955 Abs. 2 (Anm. 9 zu § 559). Diese Haftung ist unabhängig davon, ob der Ablader der Deck­ ladung die Verladung derselben auf Deck genehmigt hat (Prot. 3751). sAuch der Ablader,

337

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

welcher die Unterbringung seiner Ladung auf Deck genehmigt hatte, kann deshalb Schadens- § 586. ersatz beanspruchen, weil sein Gut dort durch andere von ihm nicht genehmigte Deckladung geschädigt wurde (Pappenheim 3, 202).] 5. (Abs. 2.) Die Landesgesetze können bestimmen, daß die Vorschrift des Abs. 1, soweit sie Anm. 6. die Beladung des Verdecks betrifft, auf die Küstenschiffahrt keine Anwendung findet. Nach preußischem Rechte sind die diesbezüglichen Bestimmungen Königlicher Verordnung Vorbehalten (AG.HGB. Art. 7). (Gebrauch ist hiervon nicht gemacht worden (Pappen­ heim 3, 205). — Dem Binnenschiffahrtsrecht ist das Verbot der Deckladung nicht bekannt (Mittelstem Handb. 276).]

§ 567.

§ 567.

Bei der Verfrachtung eines Schiffes im ganzen hat der Schiffer, sobald er zur Einnahme der Ladung fertig und bereit ist, dies dem Befrachter an­ zuzeigen. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Ladezeit. Über die Ladezeit hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Dberliegezeit). Für die Ladezeit kann, sofern nicht das Gegenteil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen hat der Befrachter dem Verfrachter für die Dberliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) zu gewähren. Die 88 667—579 treffen Bestimmungen über die Zeit, binnen deren die Abladung zu Einleitung, erfolgen hat, und die Folgen ihrer Nichtinnehaltung?) Sie beziehen sich unmittelbar nur auf den Fall des Chartervertrages über ein ganzes Schiff, gelten aber auch für die übrigen Falle des Chartervertrages (vgl. § 587), während für den Stückgütervertrag die abweichenden Regeln des § 588 gegeben sind.

§ 567 spricht von der Anzeige der Ladebereitschaft, der Ladezeit, der überliegezeit und dem Liegegeld. 1. Ladebereitschaft und ihre Anzeige. a) Ladebereitschaft liegt vor, wenn der Schiffer zur Einnahme der Ladung, und zwar zu Anm. 1. einer normalen Art ihrer Einnahme (HansOLG. Hbl. 1889, 144), „fertig und bereit", d. h. imstande und willens ist ((ebenso Pappenheim 3, 160)]. Zur Ladebereitschaft ist zwar erforderlich, daß sich das Schiff im Abladehafen befindet (ROHG. 15, 234; 23, 416), aber nicht schlechthin, daß es bereits den Ladungsplatz (8 566) eingenommen hat (ROHG. 15, 234; 19, 286; KG. Rechtspr. 2, 370). Es genügt vielmehr, daß es seinerseits in der Lage ist, sich unverzüglich, jedenfalls bis zum Morgen des auf die Meldung folgenden Tages (RG. 1. c.), an den angewiesenen oder orts­ üblichen Ladungsplatz zu begeben (ROHG. 15, 234; RG. Bolze 15 Nr. 337; OLG. Rostock MecklZ. 19, 291; (Pappenheim 3, 161; Mittelstein Handb. 161]). Ist freilich von vornherein ein bestimmter Ladeplatz festgesetzt oder enthält die Charter die sog. Berth-Klausel (Anm. 3 zu 8 560), so ist nach englischer Anschauung die Erreichung des angewiesenen Platzes Voraussetzung der Ladebereitschaft (HansOLG. Hbl. 1913, 182), es müßte denn sein — wie man hinzufügen muß —, daß Hindernisse vorliegen, die der Befrachter zu vertreten hat (unten Anm. 2). Zur Ladebereitschaft gehört weiter zwar nicht unter allen Umständen, daß sämtlicher Ballast der Vorreise oder Zureise gelöscht ist (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1876, 69; OG. Hamburg Nathan 1861, 214; RG. Soergel 1906, 756), aber daß das Schiff keine fremde Ware mehr in den Räumen, die die neue Ladung aufnehmen sollen, hat (Carver seet. 221; HansOLG. Hbl. 1911, 137), es müßte denn aus dem Vertrage das Gegenteil zu entnehmen x) Warneken, Warneken).

Lade- und Löschfristen im

Schaps, Seerecht. 2. Ausl.

Seerecht, Erlanger Dissertation 1908 (zitiert:

22

338

§ 567.

Anm. 2.

Anm. 3.

Anm. 4.

Anm. 5.

Anm. 6.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

sein (so für mitgebrachten Ballast oder stiffening cargo, die durch ein entsprechendes Quantum

von anderem stiffening cargo ersetzt werden sollen, RG. Hansa 1905, 607; 1912, 691 = Hbl. 1912, 226 ff.). Der Zustand der Ladebereitschaft hat nicht nur anfänglich zu bestehen, sondern muß fortdauern (NG. Bolze 19 Nr. 508), es müßte denn eine Dispensation des Abladers vorliegen (vgl. NG. Hbl. 1903 Nr. 130). Wem aber fallen — für die Frage deS Beginns der Ladebereitfchaft — die Hinder­ nisse zur Last, die sich dem Vordringen deS Schiffes zu dem LadungsPlatze entgegenftellen?1) ot) Jedem Teil fallen die Hindernisse zur Last, die aus von ihm selbst zu vertretenden Umständen beruhen. Trifft z. B. den Befrachter ein Verschulden in der Auswahl des Ladungsplatzes oder an der Nichtanweisung desselben durch den Hafenmeister (OLG. Rostock MecklZ. 19, 391) und kann infolgedessen das Schiff daselbst nicht anlegen, so muß er sich gefallen lassen, daß Ladebereitschaft in dem Augenblick angenommen wird, in welchem das Schiff, wenn der Ladeplatz geeignet oder angewiesen wäre, an denselben hätte ge­ langen können. Ebenso wenn er sich zur Stellung eines „safe loading berth ready on arrival“ verpflichtet hat (vgl. RG. Bolze 21 Nr. 450). ß) Unverschuldete Hindernisse auf feiten deS Schiffes, z. B. Einfrieren, Aufgrundgeraten oder Beschädigungen, welche seine Bewegungsfähigkeit und damit sein Vordringen zum Ladungsplatze hindern (RG. Bolze 19 Nr. 508; HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 59 = SeuffA. 44 Nr. 274), Streik der Schiffsmannschaft (vgl. HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 117) schließen die Ladebereitschaft aus (fvgl. Mittelstem Handb. 163]). y) Hindernisse auf feiten des Befrachters oder Abladers schließen die Ladebereitschaft nicht aus. Beispiele: Verzögerung der Anweisung des Ladungsplatzes, auch wenn sie nicht verschuldet ist (ROHG. 19, 288); Hindernisse auf Grund von Besonderheiten des angewiesenen Ladungsplatzes (sofern derselbe nicht zugleich der einzige ortsübliche Ladungs­ platz ist: OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 285), etwa wegen ungenügender Tiefe, ander­ weitiger Besetzung der angewiesenen Stelle (ROHG. 15, 235; vgl. 17 S. 96 u. 19, 286; HansOLG. Hbl. 1899, 48; 1914, 82; vgl. auch Hbl. 1908,176 = SpeduSchiffsZ. 1908, 541: „der Verfrachter hat einen Anspruch darauf, daß ihm an einer der Stellen, wo an­ zukommen ist, der Liegeplatz bestimmt werde"). Konkurriert aber mit einem vom Be­ frachter oder Ablader zu vertretenden Umstand ein Verschulden des Verfrachters, ist z. B. der angewiesene Ladeplatz nur deshalb besetzt vorgefunden worden, weil die Ankunft des Schiffes schuldhaft verzögert worden ist (OG. Hamburg Hbl. 1871, 405), so fällt die Ver­ zögerung dem Verfrachter zur Last (Warneken 22 ff.). 8) Hindernisse, die weder auf feiten deS Schiffers noch auf feiten des Befrachters liegen („objektive Hindernisse"), schließen die Ladebereitschaft auS. Beispiele: Überfüllung des Hafens (Stephens Demurrage 122 ff.; ROHG. 17, 96; HansOLG. Hbl. 1908, 176; 1913, 17), Besonderheiten oder anderweitige Besetzung des ortsüblichen Löschplatzes (Boyens 2, 114; Warneken 25), polizeiliche Weisungen (ROHG. 17, 94), Nichtanweisung eines Ladeplatzes durch den Hafenmeister (OLG. Rostock MecklZ. 19, 291), Anordnungen der Gesundheitsbehörde (Carver sect. 221), Nichtabfertigung im Zollhaus (HansOLG. Hbl. 1907, 161), Feuersbrunst, Unwetter (ROHG. 17, 96; OLG. Rostock MecklZ. 19, 292). Die Folgen der Hafenüberfüllung werden durch Klauseln wie „the time for loading to commence . . . first high water alter arrival“ auf den Befrachter übergewälzt (Hans­ OLG. Hbl. 1913, 17). e) Insbesondere bet regulär turn. Unter regulär turn versteht man eine durch örtliche Vorschriften oder Gebräuche geregelte Reihenfolge bei der Be­ ladung oder Löschung von Schiffen (Näheres bei Stephens Demurrage 43 ff.). x) Entsprechende Grundsätze gelten, wenn das Schiff den Ladungsplatz wechselt: vgl. LG. Ham­ burg Hbl. 1887, 259; RG. Bolze 19 Nr. 508.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

339

Regelmäßig bildet derselbe, sofern er das Vordringen des Schiffes nach dem Ladungs- § 567. platze verzögert, ein objektives Hindernis (oben Anm. 5), d. h. er schiebt den Beginn der Ladebereitschaft hinaus: seine Folgen treffen also, mangels anderweitiger Vereinbarung („le ravire devra recevoir toujours ä flöt et sans aucun tour de röle“: HG. Marseille Revue 16, 395), die z. B. in der Festsetzung eines Endtermins für die Beladung erblickt werden kann (HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1866, 27; RG. Bolze 15 Nr. 337), den Verfrachter (HG. Hamburg Hbl. 1874, 197; HansOLG. Hbl. 1893, 126; Sieveking 53; Warneken 27; anders ROHG. 21 Nr. 71; Mittelstein 1, 144; svgl. zu § 560 9lnm. 7 a]), was zum Überfluß ausdrücklich ausgemacht sein kann („a regulär turn to be allowed for loading said ship“: HG. Hamburg Hbl. 1870, 194). Anders, wenn der Befrachter in der Lage ist, einen anderen Ladungsplatz als den, hinsichtlich dessen ein regulär turn besteht, zu bestimmen, oder wenn er unmittelbar oder mittelbar die Beladung und Abfertigung der vorangehenden Schiffe verzögert (vgl. ROHG. 21 Nr. 71; Hermann u. Hirsch Nr. 165; HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40). Wird der vom Befrachter zugesagte regulär turn nicht eingehalten, so ist dies zu seinen Lasten (HG. Hamburg Hbl. 1871, 381; 1874, 197; Scrutton 340; Stephens Demurrage 23).

b) Anzeige der Ladebereitschaft?) Der Verfrachter bzw. sein Vertreter, insbesondere der Anm. 7. Schiffer oder Schiffsmäkler (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 132), hat seine Ladebereitschaft dem Befrachter bzw. für ihn dem Ablader anzuzeigen. Der Inhalt der Anzeige, welche ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft ist swogegen s. Pappenheim 3, 162 Anm. 3], hat der Wahrheit zu entsprechen (unten Anm. 10), was im Bestreitungs­ falle der Verfrachter zu beweisen hat (HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 47; HansOLG. Hbl. 1901, 150 =- Rechtspr. 2, 369; sPappenheim 3, 163]; auch Boyens2, 131; anders OLG. Marienwerder SeuffA. 48 Nr. 116; wohl auch ROHG. 19; 285; Mittelstein 1, 145 und GoldschmidtsZ. 40, 38 ssowie Handb. 164]). Der Verfrachter kann auch im voraus anzeigen, daß er an einem bestimmten Tage ladefertig sein werde; alsdann hat sich der ihm obliegende Beweis darauf zu richten, daß er an diesem Tage wirklich ladefertig gewesen sei (HG. Ham­ burg Hbl. 1876 Nr. 47; HansOLG. Hbl. 1903, 202 = Rechtspr. 7, 389). Eine Form ist für die Anzeige nicht vorgejchrieben; es genügt, daß die MitteilungAnm. 8. geeignet war, den Befrachter von der Ladebereitschaft in Kenntnis zu setzen (ROHG. 15, 230). Ausreichend ist also eine Aufforderung, mit der Ladung zu beginnen (ROHG. 23, 417), unter Umständen eine, 'wenn auch nicht direkt an den Befrachter gerichtete, aber in seiner Gegen­ wart abgegebene Erklärung (ROHG. 15, 230), sofern sich aus ihr ergibt, daß der Verfrachter durch sie dem Befrachter die vorgeschriebene Anzeige machen wollte. Wenn hiernach auch die Anzeige der Ladebereitschaft kein Formalakt ist, so folgt hieraus noch nicht, daß bei nicht erfolgter Anzeige dem Befrachter die anderweitig erlangte Kenntnis der Ladebereitschaft entgegengehalten werden kann (OLG. Kiel SchlHolstAnz. 1890, 261 ff.; Brodmann Note 2; anders HansOLG. Hbl. 1900, 91; Warneken 40ff.; sPappenheim 3, 162; Mittelstem Handb. 161]). Natürlich kann der Inhalt der Charter im einzelnen Falle zur entgegen­ gesetzten Entscheidung führen. — Ist der Ablader dem Verfrachter nicht bekannt, so ist öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise (analog § 594 Abs. 2, vgl. § 577) geboten (so Lewis Endemann Handb. 4, 137 sPappenheim 3, 162]; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 47). Eine nach Schluß der üblichen Geschäftsstunden oder an einem Sonn-Anm. 9. oder allgemeinen Feiertage gemachte Anzeige gilt als am nächsten Werk­ tage erfolgt (zustimmend Warneken 35). Dies ist zwar nicht, wie im BSchG. § 28, im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen, folgt aber aus der Natur der Sache. Gerade darum A) Die bei Doyens 2 S. 380 u. 382 abgedruckten Ortsgebräuche von Memel und Königsberg schreiben gewisse Modalitäten betreffend Zeit und Art der Übermittlung der Anzeige vor. Es handelt sich hier nicht um gewohnheitsrechtliche Sätze — für solche wäre kein Raum —, sondern höchstens um Handelsgebräuche im Sinne von § 346.

340 § 567.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

ist der Beginn der Ladezeit auf den der Meldung folgenden Tag angeseht, damit der Be­ frachter [in der Regel) zwischen der Meldung und dem Beginne der Ladezeit die nötigen Verfügungen soll treffen können ([vgl. Pappenheim 3, 171]). Dies würde regelmäßig undurchführbar sein, wenn die nach Schluß der Geschäftsstunden oder an einem Sonn- oder Feiertage gemachte Anzeige im Moment ihrer Erstattung wirksam würde (anders bezüglich der Sonn- und Feiertage Boyens 2, 131, und bezüglich des Schlusses der Geschäftsstunden Kommerz- und Admiralitätskollegium Danzig BnschsA. 1, 406). Eine für einen Sonn­ oder Feiertag gemachte Anzeige gilt für diesen, nicht, wie das LG. Olden­ burg OldZ. 18, 245 annimmt, für den nachfolgenden Werktag, es müßte denn sein, daß die Regel des § 573 Abs. 1 betreffend die Einrechnung der Sonn- und Feiertage durch Vertrag, örtliche Verordnung oder Ortsgebrauch die Beladung abgeändert ist (vgl. Hbl. 1903, 202). Wird die Ladebereitschaft wegen Wechsels des Ladeplatzes unterbrochen, so hat sich der Schiffer neu ladebereit zu melden (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 86: das Schiff mußte im Laufe der Ladezeit gedockt werden; Mittelstem 1, 145 [sowie genauer Handb. 164]).

Anm. 10. 2. Ladezeit und Überliegezeit.

Die Zeit, während deren der Verfrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist, heißt die Wartezeit (§ 579). Die Wartezeit kann identisch sein mit der Ladezeit,*) d. h. derjenigen Zeit, während deren der Verfrachter nach Vertrag, örtlicher Verordnung, Ortsgebrauch oder Gesetz, und ohne besondere Vergütung (Aus­ nahme: § 574), zu warten verpflichtet ist; sie kann sich aber auch zusammen setzen aus der Ladezeit und der zu letzterer hinzutretenden überliegezeit, welche nur im Falle der Ver­ einbarung (auch der süllschweigenden: HansOLG. Rechtspr. 16, 139), zu laufen beginnt und für welche dem Befrachter eine Vergütung zu gewähren ist. Die Wartezeit be­ ginnt als Ladezeit mangels anderweitiger Vereinbarung2) nach Abs. 2 mit dem auf die Anzeige der Ladebereitschaft folgenden Tage: ist bereits vorher tatsächlich mit dem Laden begonnen worden, so ist die hierfür aufgewandte Zeit im Zweifel nicht in die Wartezeit einzurechnen (HansOLG. Hbl. 1900, 311; auch LG. Oldenburg OldZ. 18, 245 ff.). Die Ladezeit geht in die Überliegezeit über nach Maßgabe von § 569; die Wartezeit endet, gleichviel ob sie Lade- oder Überliegezeit ist, nach Maßgabe von § 570. Nur eine der

Wahrheit entsprechende Anzeige der Ladebereitschaft setzt die Ladezeit in Lauf (ROHG. 17, 95; 19, 285; 23, 415; HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 59 - SeusfA. 44 Nr. 274; OLG. Rostock MecklZ. 19, 292); eine unwahre Anzeige wird nicht etwa nachträg­ lich wirksam, wenn das Schiff wirklich ladebereit ist, sondern es ist alsdann eine neue An­ zeige erforderlich (Warneken 38). Die Ladezeit besteht lediglich zugunsten des Befrachters, nicht auch des Verfrach­ ters: daher Schadensersatzpflicht des letzteren wegen Verzuges bei der Übernahme der Ladung nach BGB. § 286, auch wenn dieselbe noch innerhalb der Ladezeit vollendet wird (Boyens 2, 134). Von gewissen an sich von ihm zu vertretenden Berzögerungsgründen zeichnet sich der Verfrachter frei durch die Klausel „not liable in respect of any delays arising from strikes, stoppages or lock-outs of workman“ (Naut. Mag. 90, 471), die indessen nicht wirkt, *) Englisch loading-days, lay-days; französisch jours de planche, ataries, temps de la Charge. 2) Eine solche liegt in der Klausel „the vessel to be loaded as fast aa possible after arrival of the atuff“: der Verfrachter verzichtet auf die in § 567 Abs. 2 vorgesehene Wirkung der Ladebereit­ schaftsanzeige, und die Ladezeit beginnt erst mit der Ankunft der Ware (LG. Hamburg und Hans­ OLG. Hbl. 1880 Nr. 49). Ferner in der Klausel „lay-daya in the port of loading . . . were to count from noon of the day when the Steamer was entered in the cuatom houae, and in every respect ready to load . . (Baltic 1913, 291). Die Klausel „time occupied in shipping cargo for stiffening not to count as lay-days“ besagt, daß das Schiff zwar als ladebereit zu gelten hat, so­ bald mit der Einnahme von stiffening cargo begonnen werden kann (daher kann nicht wegen Nicht­ ladebereitschaft zurückgetreten werden'.), daß dagegen die Liegetage erst laufen, nachdem alle frühere Ladung und etwaiger Ballast aus dem Schiff entfernt ist: RG. Hbl. 1912, 227.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern

341

soweit ihm oder seinen Leuten ein mitwirtendes Verschulden nachgewiesen wird (HansOLG. § 567. Hbl. 1897, 300, wo aber die Beweislast verkannt wird). Wie der Befrachter die Lade­ zeit ausnützt, ist ihm überlassen (RG. Bolze 21 Nr. 450 fPappenheim 3, 184; Mittelstem Handb. 165; vgl. HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 116]). 3. Liegegeldx> ist die für die Überliegezeit, ausnahmsweise auch für gewisseAnm. 11.

Tage der Ladezeit (8 574), dem Verfrachter vom Befrachter zu gewährende Vergütung. Das Liegegeld ist nicht, wie die ältere Theorie annahm (so noch Voigt, Neues Archiv für Handelsrecht 2, 227 ff.), Konventionalstrafe (OAG. Kiel SeuffA. 12 Nr. 15), auch nicht Schadensersatz (was aber nicht ausschließt, daß es in Verträgen als „damage“ bezeichnet sein kann: RG. Hbl. 1908, 83), sondern Vergütung für die verlängerte Inanspruchnahme der Leistung des Verfrachters s(Pappenheim 3, 502; Mittel­ stein Handb. 173]), also Mietzins (ROHG. 19, 93 ff.; HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 93; 1896 Nr. 18; NG. SeuffA. 48 Nr. 200; RG. Hbl. 1908, 83; Mittelstem GoldschmidtsZ. 40, 37 ff.; nicht zutreffend Wagner 235 „Akzessorium der Fracht: denn das Liegegeld hängt nicht davon ab, ob eine Fracht geschuldet wird). Hieraus folgt, daß der Anspruch auf Liege­ geld einerseits weder Verschulden noch Annahmeverzug des Befrachters voraussetzt (ROHG. 19, 93 ff.; vgl. 15, 224; HansOLG. SeuffA. 44 Nr. 272; OLG. Marienwerder SeuffA. 48 Nr. 116), andererseits auch dann gegeben ist, wenn der Verfrachter einen Schaden über­ haupt nicht gehabt hat (ROHG. 5, 142; RG. SeuffA. 48 Nr. 200 = Bolze 15 Nr. 393); daß die Ausnutzung der llberliegezeit kein Kontraklsbruch, sondern das gute Recht des Be­ frachters ist (Prot. 2258 ff.; ROHG. 19, 93 ff.; HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 18); daß der Befrachter für einen dem Verfrachter aus der Ausnutzung der Überliegezeit entstandenen

Schaden nicht haftet (Prot. 2092; HG. Hamburg bei Voigt, Neues Archiv f. Handelsrecht 2, 242; HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 18; Lewis Endemann Handb. 4, 137).*2) Schuldner des Liegegeldes ist der Befrachter, nicht der Ablader (BuschsA. 3, 384). Anm. 12. Mehrere Befrachter haften solidarisch nach BGB. § 427 (s. aber Anm. 1 Noto 1 zu § 556). SBieiveit auch der Empfänger für dasselbe hastet, s. zu § 614. Die Höhe des Liegegeldes bestimmt sich, sofern sie nicht vertragsmäßig festgesetzt ist, Anm. 13. nach § 572. Zu berechnen ist es nach vollen Tagen (svgl. Mittelstem Handb. 175]), sofern nicht der Vertrag etwa anderes ergibt (Berechnung nach Stunden: OLG. Marien­ werder SeuffA. 54, 313; nach Verhältnis einer bestimmten Summe für den laufenden Tag: HansOLG. Hbl. 1891, 75; „demurrage at the rate of fourpence per net register ton per running day or pro rata for part thereof“: Hbl. 1908, 247).

§ 568. 3ft die Dauer der Ladezeit durch vertrag nicht festgesetzt, so wird sie durch die örtlichen Verordnungen des Abladungshafens und in deren Er­ mangelung durch den daselbst bestehenden Grtsgebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Grtsgebrauch nicht, so gilt als Ladezeit eine den Umständen des Falles angemessene Frist. 3ft eine Überliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag bestimmt, so beträgt die Überliegezeit vierzehn Tage. Enthält der Vertrag nur die Festsetzung eines Liegegeldes, so ist an­ zunehmen, daß eine Überliegezeit ohne Bestimmung der Dauer vereinbart sei. x) Englisch demurrage; französisch surestaries. 2) Die Praxis bezeichnet allgemein als Liegegeld auch die Entschädigung, die Befrachter oder Empfänger dem Verfrachter für jede von ihnen verschuldete Verzögerung der Tätigkeit des Schiffes zu zahlen haben. Für das Liegegeld in diesem Sinne treffen die obigen Ausführungen nicht zu; es handelt es sich um reinen Schadensersatz. Bei dessen Bemessung wird aber vielfach von dem Betrage des Liegegeldes ausgegangen: s. Anm. 61 zu § 734.

§ 568.

342 g 5K8.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Dauer der Ladezeit und der tiderliegezeit.

Anm. 1. 1. Dauer der Ladezeit. Das Gesetz unterscheidet vier Fälle ihrer Festsetzung: in erster Reihe gilt der Vertrag, in zweiter die örtliche Verordnung, in dritter der Ortsgebrauch, in letzter Linie entscheidet die Angemessenheit. a) Festsetzung durch Vertrag. Eine solche liegt nur dann vor, wenn aus den getroffenen Abmachungen ersichtlich ist, nach welcher Zeit („fixe Ladungsfrist"! oder an welchem Datum („fixer Ladungstermin": § 576) die Ladezeit zu Ende sein soll (vgl. Prot. 2105). Hierher gehört auch der Fall, daß im Vertrage auf eine bestehende ortsübliche Dauer der Ladezeit Bezug genommen ist (anders HG. Bremen BuschsA. 11 S. 14 u. 18; HG. Hamburg Hbl. 1874, 243; ROHG. 18, 366; sPappenheim 3, 172 Anm. 4]): denn hier ist lediglich eine der örtlichen Verordnung oder dem Ortsgebrauche zu entnehmende Zahl in den Vertrag ein­ zusetzen (eine solche Bezugnahme liegt nicht, wie das HansOLG. Hbl. 1888, 272 annimmt, in der Bestimmung, die Löschung solle erfolgen „as fast as the curtom of the port will admit“: insoweit zutreffend HansOLG. Hbl. 1907, 32 = Rechtspr. 14, 384). Keine Fest­ setzung durch Vertrag liegt indessen dann vor, wenn nur das an jedem Ladetage zu ladende Quantum angegeben ist (Beispiele bei Scrutton 279), denn im Zweifel handelt es sich um Mindestquanten (vgl. RG. Hbl. 1903, 295),T) so daß sich daraus die Dauer der Frist nicht unbedingt entnehmen läßt (anders HG. Hamburg Nathan 1866, 262; Warneten 95). Ebenso­ wenig, wenn nur über die Schnelligkeit der Beladung Bestimmungen getroffen sind (Bei­ spiele: „Die Ladung wird dem Kapitän ohne Aufenthalt, so schnell der Dampfer fortstauen kann, geliefert: NOHG. 25, 156; ,,steamer to be loaded as fast as steamer can reeeive“: HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40; ,,as customary for quick despatch“, worin nicht mit dem HG. Hamburg Hbl. 1874, 243 eine Bezugnahme auf die ortsübliche Ladezeit zu sehen ist, vgl. unten Anm. 4; „as fast as the custom of the post will admit“: s. u.), mag selbst ein zahlenmäßiges Minimum („to load and discharge as fast as the ship can work, but a Minimum of 7 days to be allowed merchants . . .“: Scrutton 281) oder Maximum („as fast as possible and not exceeding 11 working days“: ROHG. Hbl. 1872 Nr. 232) be­ stimmt sein. Anders das HansOLG. Hbl. 1907, 32 = Rechtspr. 14, 384, welches in der „Fest­ setzung" der Dauer von Lade- und Löschzeit (§§ 568, 595) etwas anderes sieht als in der „Be­ stimmung" dieser Dauer (§§ 569, 596) und nicht erkennt, daß aus einer mehr oder weniger unbestimmten Vereinbarung über das Tempo der Beladung — es handelt sich um die Klausel „as fast as the custom of the port will admit“ — die Dauer der Ladezeit nicht zu entnehmen ist, daher in ihr nicht eine Festsetzung dieser Dauer erblickt werden kann. Doch muß dem Gedanken des Gesetzes, daß der Vertrag in erster Reihe gelten soll, dadurch Rechnung getragen werden, daß man, soweit eine Vereinbarung vorliegt (z. B. bezüglich des Beladungstempos), ihr den Vorzug vor örtlichen Verordnungen und Ortsgebräuchen zu geben hat: vgl. HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 119; 1891 S. 74 u. 212; OLG. Rostock MecklZ. 27 S. 13 u. 242. Anm. la. Oft werden vertraglich (sPappenheim 3, 171]) Lade- und Löschzeit?) derartig miteinander in Beziehung gesetzt, daß die bei der Ladezeit ersparten Tage der Lösch­ zeit zugute kommen, die beim Laden zuviel verbrauchten Tage von der Löschzeit in Abzug T) Die Verpflichtung zur Einhaltung eines Mindestquantums schließt im Zweifel nicht aus, daß eine geringere Lieferung an einem Tage durch eine größere an anderen Tagen ausgeglichen werden kann: Hans OLG. Hbl. 1903, 47. 2) Nach dem HG. Hamburg, Hermann und Hirsch 152; Voigt, Neues Archiv für Handelsrecht 2 S. 220 u. 252; Lewis 1, 259 und Warneker 47 (anders Boyens 2, 140) soll die Zeit, welche das Schiff über die stipulierte Zeit hinaus im Orderhafen auf Order warten muß, auf die Ladezeit in Anrechnung zu bringen fein. Aus dem Gesetz geht dieser Satz nicht hervor. Daß er regelmäßig der Absicht der Kontrahenten entspricht, muß bezweifelt werden (febenso Pappenheinr 3, 172 Anm. 2]). Er kann sich freilich aus dem Vertrage ergeben, z. B. aus der Klausel „il est accordö pour charger 65 jours courante de planche . . . reversibles pour moitiö dans le port d’ordre s’ils n’ont pas 6t6 employös pour le chargement“ (Hbl. 1886, 57).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

343

gebracht oder umgekehrt zuviel verbrauchte Löschtage gegen nicht verbrauchte Ladetage ver- § 568. rechnet werden sollen („Kompensation pro et contra": HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 63; „for loading the vessel 30 working days and for discharging 20 working days . . . to be reversible“: LG. Hamburg Hbl. 1884 Nr. 19; vgl. HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 664; Baltic 1913, 291; „to average the days for loading and discharging in order to avoid demurrage“: Scrutton 278; vgl. Hansa 1910, 1178: „the time for loading and discharging to be average d“ ohne Vereinbarung nicht zulässig: HG. Hamburg Seebohm S. 282,291). Ebenso kann, wenn das Schiff in verschiedenen Häfen seine Ladung einnehmen soll, also mehrere Ladezeiten in Betracht kommen, ausgemacht sein, daß die Ladetage „trans­ portabel" sein sollen (Hermann u. Hirsch 359 ff.; Doyens 2, 139). In beiden Fällen wird dieselbe Wirkung dadurch erzielt, daß überhaupt eine ungeteilte Zeit für das Laden und das Löschen bzw. für die mehreren Beladungen vereinbart wird (ROHG. 15, 220; HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 275; HansOLG. und LG. Hamburg Hbl. 1889 N. 106): s. § 577 Abs. 2. Jur Vermeidung späterer Streitigkeiten Pflegen Kapitän und Ablader sich über die Zahl der für die Beladung verbrauchten Tage zu einigen und sich Bescheinigungen hierüber auf Konnossement oder Charteparüe zu geben (HansOLG. Hbl. 1905, 84; Rechtspr. 13, 43). b) Festsetzung durch örtliche Verordnungen ded AbladungShafenS, mögen dies Gesetze oderAnm. 2. Verwaltungsverordnungen sein. Auch der Erlaß von neuen örtlichen Verordnungen ist zulässig (EG.HGB. Art. 15 Abs. 2).1) c) Festsetzung durch am AbladungShafen geltenden OrtSgebrauch. Unter diesem ist zu ver- Anm. 3. stehen nicht eine tatsächliche Übung (so Prot. 3849 und Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte 36), sondern ein lokales Gewohnheitsrecht (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 104; RG. 3 Nr. 42; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 66; sPappenheim 3, 173]). Die Geltung eines solchen ist hier ausnahmsweise durch das Reichsgesetz sanktioniert (Allg. Einl. Anm. 19). Diese Sanktionierung bezieht sich auch auf die Bildung künftiger Orts­ gebräuche (Prot. 2076; EG.HGB. Art. 15; EG.BGB. Art. 2).2) * * * * * 8 * * 11 T) Nach § 7 des Hamb. AGHGB. ist die Deputation für Handel und Schiffahrt zum Erlaß ört­ licher Verordnungen im Sinne des § 568 zuständig. 2) Bei Bo Yens 2, 376 ff. find folgende Ortsgebräuche aufgeführt:

Elbing. Bei Seeschiffen nicht über 120 Kubikmeter werden 4 Werktage sowohl zum Landen wie zum Löschen festgesetzt. Über 120 bis inkl. 200 Kubikmeter 5 Werktage, von 200 bis 400 Kubik­ meter 7 Werktage. Bei Schiffen über diese Größe hinweg kommen für jede 200 Kubikmeter noch 2 Werktage hinzu. Solche Tage, an welchen wegen anhaltenden Regenwetters die betreffende Ladung nicht hat abgeladen oder gelöscht werden können, zählen nicht mit. Memel („Handels- und Schiffahrtsgebräuche“, .zusammengestellt am 27. Juni 1889). § 26. Die Lade- resp. Löschzeit ist für Segelseeschiffe: a) Für Waren aller Art mit Ausnahme von geschnittenen Holzwaren und Schraubgütern: 8 Arbeitstage für Schiffe von gemessenen bis 200 Kubikmeter inkl. und für jede ge­ messenen 200 Kubikmeter 1 Arbeitstag mehr. b) Für geschnittene Holz waren: 8 Arbeitstage für Schiffe von gemessenen bis 200 Kubikmeter inkl. 11 ,, ,, „ „ „ „ 300 13 „ „ „ „ „ „ 400 14 „ „ „ „ „ „ 500 15 „ „ „ „ „ „ 600 16 ,, „ ,, „ „ „ 700 17 „ „ „ „ „ „ 800 usw. für jede gemessenen 200 Kubikmeter 1 Arbeitstag mehr. Für Segelschiffe, welche Schraubgüter laden oder löschen, beträgt selbige 10000 Kilogramm pro Arbeitstag. Unter Arbeitstagen werden nur diejenigen Tage verstanden, an welchen die betreffende Ladung an resp, vom Schiffe gebracht und übergenommen resp, gelöscht werden kann. Stettin. In §§ 51, 52, 69 der ,.Handelsgebräuche der Stettiner Börse“ werden bestimmte

344

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ K68. d) Liegt keine der drei Festsetzungsarten bot, so gilt alS Ladezeit eine den Umständen deS Anm. 4.

Falles angemessene Stift,1) deren Bestimmung evtl, durch richterliche Entscheidung erfolgt, sei es im voraus, insbesondere durch einstweilige Verfügung, oder nachträglich (Beispiele: HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 20; LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 6). Dabei ist Rücksicht zu nehmen auf Menge und Beschaffenheit der betreffenden Güter, auf Art und Größe des Schiffes, auf die Jahreszeit, die örtlichen Einrichtungen und den gewöhnlichen Geschäftsgang (vgl. Prot. 2078, 2167; ROHG. 5, 140; Doyens 2, 138), natürlich auch auf Abmachungen der Parteien betreffend die Schnelligkeit der Abladung (oben Anm. 1). Im Falle derartiger Abmachungen hat sich das Tempo der Anlieferung der Ladung nicht nur nach der konkreten Übernahmefähigkeit des Schiffes zu richten (OLG. Rostock MecklZ. 27 S. 241, 243), sondern auch — worauf die sehr häufige Vereinbarung des „customary despatch“ (Anm. 4 Note 1 zu § 595) oder die Bezugnahme auf den „custom of the port“ hinweist — zugleich nach der Art und den Gepflogenheiten der Beladung in dem betreffenden Abladehafen (Leggett 346; Warneken 49; Baltic 1912, 111; HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 295),8) z. B. hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit und der Zulässigkeit der Nachtarbeilb) (HansOLG. Hbl. 1891, 74; 1900 Nr. 136; vgl. auch Hbl. 1914, 121: „during the ordinäry working hours of the port“); während der Ablader, sofern dies ausgemacht oder üblich, sich sogar bereithalten muß, auf Verlangen des Verfrachters auf beiden Seiten des Schiffes Ware anzuliefern, trifft den Ver­ frachter, sofern dies nicht vereinbart ist, eine korrespondierende Verpflichtung, unausgesetzt so viel zu laden, wie die Einrichtungen des Schiffes zulassen, nicht (HansOLG. Hbl. 1898,176; 1906, 44): freilich steht die Schnelligkeit der Übernahme nicht, wie Hbl. 1898, 176 und Warneken 52 will, zu seiner Entscheidung, er muß vielmehr seine Verpflichtung gemäß BGB. § 242 erfüllen (vgl. Hbl. 1906, 44). Keine Berücksichtigung verdienen die lediglich die Person von Ablader oder Befrachter betreffenden Verhältnisse (Boyens 2, 138). Anm. 5. 2. Dauer der Überliegezeit. Dieselbe richtet sich a) in erster Linie nach dem Vertrage, b) evtl, nach dem Gesetze (Abs. 2), welches sie auf 14 Tage festsetzt. Voraussetzung dieser gesetzlichen Normierung ist, daß eine Überliegezeit überhaupt stipuliert ist (z. B. durch die Klausel „Eine Garantie hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen bzw. usancemäßigen Beladungsdauer wird nicht übernommen": HansOLG. Hbl. 1897, 282; 1898, 153). Dies ist nach Abs. 3 der Fall, wenn ein Liegegeld festgesetzt ist (Beispiel: „wenn das Schiff über die bestimmte Zeit aufgehalten werden sollte, hat der Ablader für die Zeit am Lade- und der Empfänger für die Zeit am Löschplatz für jeden Überliegetag 100 M. Tag für Tag zu

Lade- und Löschzeiten als angemessen erklärt. Nach Boyens (2, 377) ist nicht ersichtlich, daß sich auf Grund dieser Erklärungen wirkliche Ortsgebräuche gebildet haben. Rostock. Dauer der Ladezeit und Löschzeit: bei Seglern 30, bei Dampfern 300 Tons per Tag; Sonn- und Feiertage zählen nicht mit. Die Lade- und Löschzeit wird nur durch höhere Ge­ walt unterbrochen. 1) [9fadj englischem Recht: a reasonable time (Scrutton art 42; Carver s. 615)]. 2) Der Hinweis auf den „custom of the port“ trifft nicht, wie das HansOLG. Hbl. 1888, 272 annimmt, die ortsgebräuchliche oder durch örtliche Verordnung geregelte Lade- oder Löschzeit: s. HansOLG. Hbl. 1907, 32 --- Rechtspr. 14, 384. 8) Eine Verpflichtung zur Nachtarbeit kann sich ergeben aus Vereinbarung („to discharge... into export steamer which shall receive day and night, if required“: Hbl. 1891, 74; „per working day of 24 consecutive hours“: Scrutton 280, Stephens Demurrage 10; betreffend „running hours“ s. Anm. 12 zu § 573; Anm. 12 zu § 597) oder Ortsgebrauch. Sonst kann Nachtarbeit nicht verlangt werden, weder seitens des Schiffes, selbst wenn vereinbarungsgemäß „möglichst schnell" zu beladen bzw. zu entlöschen oder zu empfangen ist (HansOLG. Hbl. 1888, 135; 1889 S. 260 u. 269; 1891 S. 74 u. 212; 1900, 309; 1906, 265; OLG. Rostock MecklZ. 27, 241 -- Hansa 1910, 141), noch seitens des Befrachters bzw. Empfängers (HansOLG. Hbl. 1914, 122). Wird aber vereinbart, daß auch nachts gearbeitet werden soll, so hat dies auf die Dauer der nach Tagen zu berechnenden Lade­ oder Löschzeit keinen Einfluß (OLG. Oldenburg DIZ. 1908, 1351).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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bezahlen": MecklZ. 19,290). Die Festsetzung der Dauer der Überliegezeit durchs 588. örtliche Verordnungen oder Ortsgebräuche ist ausgeschlossen (Warneken 60ff.). 3. Wegen der Berechnung der Lade- und der Überliegezeit s. §§ 569, 573. Anm. 6.

§ 569.

§ 569.

3ft die Dauer der Ladezeit oder der Tag, mit welchem die Ladezeit enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Überliegezeit ohne weiteres mit dem Ablaufe der Ladezeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die Überliegezeit erst, nachdem der Verfrachter dem Befrachter erklärt hat, daß die Ladezeit abgelaufen sei. Der Verfrachter kann schon innerhalb der Ladezeit dem Befrachter erklären, an welchem Tage er die Ladezeit für ab­ gelaufen halte. )n diesem Falle ist zum Ablaufe der Ladezeit und zum Be­ ginne der Überliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht er­ forderlich. Beginn der überliegezeit. Derselbe richtet sich danach, ob eine fixe Ladungsfrist bzw. ein fixer La­ dungstermin (Anm. 1 zu 8 568) vereinbart ist oder nicht.

1. Ist eine fixe Ladungsfrist oder ein fixer Ladungstermin durch Vertrag bestimmt — also Anm. auch wenn auf eine bestehende ortsübliche Dauer der Ladezeit Bezug genommen ist (anders HG. Bremen BuschsA. 11 S. 14 u. 18) — so beginnt die Überliegezeit mit dem Ablauf der Ladezeit, d. h. — mangels anderweitiger Vereinbarung — an dem dem Ablauf der Ladezeit folgenden Tage (BGB. § 187 Abs. 1). 2. In allen übrigen Fällen — also auch, wenn vertragsmäßig nur „möglichst schnelle Be- Anm. ladung" (Anm. 1 zu 8 568) ausgemacht ist (OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 225; NOHG. 25 Nr. 37; OLG. Rostock MecklZ. 31, 35; anders HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 148; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1903, 202 ff. = Rechtspr. 7, 390) — wird die überliegezeit erst in Lauf gesetzt durch eine Erklärung deS Verfrachters. Über diese Erklärung gilt folgendes: a) Beteiligte Personen. Sie ist abzugeben von dem Verfrachter bzw. seinem Vertreter (ins- Anm. besondere dem Schiffer oder Schiffsmäkler) an den Befrachter bzw. dessen Vertreter (ins­ besondere den Ablader). Sie ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. b) Zeit. Sie ist abzugeben entweder nach Ablauf der Ladezeit oder im voraus während der- Anm. selben. Hiernach richtet sich ihr Inhalt und ihre Wirkung. e) Form. Sie ist an keine besondere Form gebunden s(Pappenheim 3,175)]. Vgl. aber 8 671. Anm. ck) Inhalt. Erfolgt sie nach Ablauf der Ladezeit, so besteht sie in der Anzeige, daß die Anm. Ladezeit abgelaufen sei. Erfolgt sie innerhalb der Ladezeit, so hat sie anzugeben, an welchem ^bestimmten] Tage der Verfrachter die Ladezeit für abgelaufen erachtet. Sie liegt in diesem Falle nicht schon in der Anzeige der Ladebereitschaft nach 8 667 Abs. 1, selbst wenn die Dauer der Ladezeit durch örtliche Verordnung oder Ortsgebrauch bestimmt ist (ROHG. 18, 365 ff.). Für genügend zu erachten ist eine Mitteilung, der Befrachter solle dafür sorgen, daß bis zu einem gewissen Datum das Schiff beladen sei (OLG. Rostock MecklZ. 14,324ff.). — Eine unrichtige Erklärung ist rektifizierbar (OG. Hamburg Hbl. 1875, 326). e) Wirkung. Sie bewirkt den Beginn der Überliegezeit, und zwar fängt die letztere zu Anm. laufen an, a) wenn die Erklärung nach Ablauf der Ladezeit erfolgt ist, an dem auf die Erklärung folgenden Tage (BGB. 8 187 Abs. 1; RG. 3, 151), nicht schon am Tage der Erklärung (so Prot. 2109; HG. Bremen BuschsA. 11, 14); ß) wenn die Erklärung im voraus innerhalb der Ladezeit erfolgt ist, an dem auf den (richtig) bezeichneten Endtermin der Ladezeit folgenden Tage (vgl. RG. 3, 151).

1.

2.

3.

4. 5. 6.

7.

346

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 569. f) Unentbehrlichkeit. Das Gesetz betrachtet die Erklärung für alle nicht nach Abs. 1 zr beAnm. 8. handelnden Fälle als unentbehrlich, um die Überliegezeit in Lauf zu setzen (svgl. Pappen­ heim 3, 174]). Ein sie beseitigender Ortsgebrauch wäre contra legem und nicht zu beachten (ROHG. 18, 366). § 570.

§ 570. Nach dem Ablaufe der Ladezeit oder, wenn eine Überliegezeit ver­ einbart ist, nach dem Ablaufe der Überliegezeit ist der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Abladung noch länger zu warten. Lr muß jedoch seinen willen, nicht länger zu warten, spätestens drei Tage vor dem Ablaufe der Ladezeit oder der Überliegezeit dem Befrachter erklären. )st dies nicht geschehen, so läuft die Ladezeit oder Überliegezeit nicht eher ab, als bis die Erklärung nachgeholt ist und seit dem Tage der Abgabe der Erklärung drei Tage verstrichen sind. Die in den Abs. 2 erwähnten drei Tage werden in allen Fällen als ununterbrochen fortlaufende Tage nach dem Aalender gezählt.

Anm. 1.

Anm. 2. Anm. 3.

Anm. 4. Anm. 5.

Anm. 6.

Anm. 7.

Beendigung der Wartezeit. KündigungSpflicht deS Verfrachters. Die Bestimmungen des Paragraphen gelten nicht für den Fall des § 577 (Prot. 3858). — sVgl. BSchG. § 33.] 1. Die Wartezeit, mag sie mit der Ladezeit identisch sein oder mit der Überliegezeit abschließen (Anm. 10 zu § 567), geht nicht ipso jure zu Ende (nicht einmal im Falle des § 576!), sondern erst, nachdem der Verfrachter die in Abs. 1 vorgeschriebene Erklärung abgegeben hat. Von dieser Erklärung gilt folgendes: a) Beteiligte Personen: s. Anm. 3 zu 8 569. b) Inhalt. Sie muß enthalten die Mitteilung des Verfrachters, daß er nicht länger warten wolle. c) Form. Eine solche ist nicht vorgeschrieben; s. aber § 571. d) Zeit. Seit ihrer Abgabe müssen drei Tage — nach Abs. 3 unter allen Umständen dies continui, also von §§ 573, 574 nicht beeinflußt — verstrichen sein, damit die Wartezeit ab­ laufe. Es muß sich daher der Verfrachter, wenn er wünscht, daß die Wartezeit keine längere als die nach § 568 festgesetzte Dauer haben soll, spätestens am dritten Tage vor ihrem Schluß­ tage (vgl. BGB. § 187 Abs. 1) erklären, also, wenn sie Freitag endet, spätestens am Dienstag. Tut er das nicht, so kann er die Erklärung nachholen mit der Wirkung, daß alsdann die Warte­ zeit mit dem dritten Tage nach Abgabe der Erklärung abläuft. Die Anzeige kann auch an einem Sonn- oder Feiertage erfolgen (vgl. aber Boyens 2, 131 Note 2 b). e) Die Wirkung der Abgabe der Erklärung ist die, daß der Verfrachter nicht verpflichtet ist, auf die Abladung (oder deren Vervollständigung: § 579) länger zu warten. Wartet er doch, so kann er mangels entgegenstehender Übereinkunft Liegegeld für die Zeit nach dem Ablauf der Wartezeit nicht verlangen (s. aber Anm. 6 zu 8 579). Eine entgegenstehende stillschweigende Übereinkunft liegt regelmäßig in der Fortsetzung der Abladung (Löwe 71; Boyens 2, 144), die als konkludente Stipulierung einer Überliegezeit bzw. einer neuen Überliegezeit anzu­ sehen ist. f) Die Wirkung der Nichtabgabe der Erklärung ist die, daß die Wartezeit weiterläuft, sei es als Ladezeit, sei es als Überliegezeit (vgl. aber Anm. 2 zu 8 576). Im ersteren Falle gebührt

dem Verfrachter kein Liegegeld für die weiterlaufende Zeit (Prot. 2489, 3864; sHansOLG. Hbl. 1907 Nr. 120 = Rechtspr. 16, 138]); während er im zweiten Falle, sofern er weiterhin bereit ist, Ladung zu übernehmen, Liegegeld, aber keine weitere Entschädigung beanspruchen kann (HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 18; auch OG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 7 - BuschsA. 19, 418 ff.). Anm. 8. g) Charakter. Aus dem oben Gesagten folgt, daß die dem Verfrachter obliegende Erklärung den Charakter einer Kündigung hat s(ebenso Pappenheim 3,189 und für das entsprechende

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. BSchG. § 33: Mittelstem Handb. 171)].

347

Sie ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechts- § 570*

geschäft.

2. Der Verfrachter ist berechtigt, ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, überhaupt vor Anm. 9. Ablauf der Wartezeit, abzusegeln, a) wenn ihm dies vertragsmäßig gestattet ist [(Dgl. Anm. 2 zu § 576)];

b) wenn die Abladung beendet ist und sich das Verlangen des Befrachters, bisAnm. 10. zum Ablauf der Wartezeit zu warten, als ein rein schikanöses (BGB. § 226) darstellt;

c) wenn der Befrachter in zweifelsfreier Weise erklärt, die Ladung nicht liefernAnm. 11. zu wollen oder zu köunen (OAG. Lübeck SeuffA. 12 Nr. 293 Bremer Sammlung 4, 32 ff.; HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1867, 396; HansOLG. Hbl. 1892, 5; [Pappen­ heim 3, 185]); 6) wenn die frühere Abfahrt des Schiffes durch Zufall vernotwendigt wirdAnm. 12. (Boyens 2, 145). Wie weit hierdurch die Ansprüche der Parteien aus dem Frachtverträge beeinflußt werden, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen (BGB. §§ 323 ff.; HGB. § 629; vgl. OAG. Lübeck Kierulff 1, 1053).

8 571.

§ 571.

Die in den §§ 569, 570 bezeichneten Erklärungen des Verfrachters sind an keine besondere Lornr gebunden, weigert sich der Befrachter, den Empfang einer solchen Erklärung in genügender weise zu bescheinigen, so ist der Ver­ frachter befugt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Rosten des Befrachters errichten zu lassen. Form der in §§ 569, 570 bezeichneten Erklärungen.

Protest.

1. Die in den §§ 569 n. 570 vorgeschriebenen Erklärungen deS Verfrachters find an keine Anm. 1. Form gebunden. Erfolgen sie durch Fernsprecher, so braucht nicht bewiesen zu werden, daß sie an eine zur Entgegennahme besonders befugte Person gelangt sind (HansOLG. Hbl. 1912, 68). Da es aber für den Verfrachter von höchstem Wert ist, einen Beweis für ihre Abgabe bereit zu haben, gibt ihm das Gesetz das Recht, von der Gegenseite eine genügende Bescheinigung über den Empfang der Erklärung zu verlangen. Als genügende Bescheinigung dient vorzugsweise eine schriftliche Bestätigung auf dem Konnossement oder der Chartepartie (Prot. 3857), ohne daß andere Arten der Bescheinigung ausgeschlossen wären. Hat der Verfrachter infolge der Art der Übermittlung seiner Erklärung bereits ein genügendes Zeug­

nis des Empfanges derselben in Händen, z. B. im Falle der Zustellung durch den Gerichts­ vollzieher (BGB. § 132), so bleibt sein Anspruch auf Bescheinigung seitens des Befrachters nur bestehen, wenn ein besonderes Interesse vorliegt. 2. Weigert der Befrachter die Ausstellung der Bescheinigung, so kann der Verfrachter sie Anm. 2. im Prozesse erzwingen. Das Gesetz gewährt ihm aber ein einfacheres Mittel zur Durch­ führung seines Anspruches, indem es ihm die Befugnis verleiht, eine öffentliche Urkunde („Protest": Prot. 2112) über den Empfang auf Kosten deS Verfrachters errichten zu lassen.

a) Eine öffentliche Urkunde (vgl. ZPO. § 415). In Betracht kommen gerichtliche, notarielle, Anm. 3. auch Konsulatsurkunden (KonsOG. § 15), unter Umständen Zustellungsurkunden des Ge­ richtsvollziehers. Für im Auslande seitens dortiger Behörden oder Urkundspersonen auf­ zunehmende Urkunden genügt die Befolgung der Vorschriften des dortigen Rechts (Prot. 2110).

d) Uber den Empfang. Regelmäßig wird die beurkundende Behörde oder Urkundsperson Anm. 4. nicht den ursprünglichen Empfang der Erklärung seitens des Befrachters feststellen, sondern nur eine Wiederholung der Abgabe derselben vornehmen oder vornehmen lassen können.

348

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 571. c) Auf Kosten des Befrachters. Natürlich hat der Verfrachter keine überflüssigen Kosten für Anm. 5. Rechnung des Befrachters aufzuwenden. Läßt der Verfrachter, ohne daß eine Weigerung des Befrachters vorangeht, Protest aufnehmen, so hat der Verfrachter selbst die Protest­ kosten zu zahlen (RG. 3, 152; sPappenheim 3, 175]).

§ 572.

§ 572.

Das Liegegeld ist, wenn es nicht durch vertrag bestimmt ist, nach billigem Ermessen zu bestimmen. hierbei ist auf die näheren Umstände des Falles, insbesondere auf die Heuerbeträge und die Unterhaltskosten der Schiffsbesatzung sowie auf den dem Verfrachter entgehenden Frachtverdienst, Rücksicht zu nehmen. Anm. 1.

Höhe deS Liegegeldes.

1. In erster Linie wird sie bestimmt durch Vertrag, 2. wenn aus diesem nichts zu entnehmen ist, bestimmt sich die Höhe des Liegegeldes — sda das HGB., abweichend vom BSchG. § 32, darüber schweigt (vgl- Pappenheim 3, 501 Anm. 8)] — nach billigem Ermessen, und zwar zunächst durch den Verfrachter (BGB. §§ 316, 315 Abs. 1 u. 2), evtl, durch richterliches Urteil (BGB. § 315 Abs. 3). Berechnung: Anm. 13 zu § 567. Anm. 2. Abs. 2 gibt Fingerzeige für die Bestimmung des Liegegeldes nach billigem Ermessen. Zu berücksichtigen sind die näheren Umstände des Falles, insbesondere das, was der Ver­ frachter während der Uberliegezeit an Spesen aufzuwenden hat, und das, was er anderweitig

an Fracht hätte verdienen können. Doch sind hierdurch dem billigen Ermessen keine Schranken gesetzt; vielmehr ist der Betrag des Liegegeldes stets mehr oder weniger arbiträr (Prot. 2113 ff.; ROHG. 5,142). Berücksichtigung verdient unter Umständen die Höhe des etwa für die Löschung vertragsmäßig festgesetzten Liegegeldes (HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 47; vgl. Boyens 2,147). Die Zuziehung von Sachverständigen durch den Richter, die das Gesetz gar nicht mehr erwähnt, unterliegt den allgemeinen Regeln; sie ist, auch wenn nicht vom Beweisführer beantragt, nach ZPO. § 144 statthaft, ohne daß die Parteien einen Rechtsanspruch auf sie haben (ROHG. 5, 141). § 573.

§ 573. Bei der Berechnung der Lade- und Uberliegezeit werden die Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kommen in Ansatz die Sonntage und die Feiertage sowie diejenigen Tage, an welchen der Befrachter durch Zufall die Ladung zu liefern verhindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an denen durch wind und Wetter oder durch irgendeinen anderen Zufall entweder 1. die Lieferung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Ladung an das Schiff oder 2. die Übernahme der Ladung verhindert ist.

Einleitung.

Der Paragraph trifft Bestimmungen über die Berechnung der Lade- und der überliegezeit. Er enthält dispositives Recht. Daneben gelten als Auslegungsvorschriften (BGB. § 186) bie allgemeinen Regeln der §§ 187 ff. des BGB. Örtliche Verordnungen und Ortsgebrauch gehen ihm unter der Voraussetzung des § 575 vor. Seine Bestimmungen sind bedeutsam für die Frage des Ablaufs der Warte­ zeit, dagegen nicht unmittelbar für die nach § 574 zu entscheidende Frage, ob Liegegeld zu zahlen ist.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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1. Allgemeines. Das Gesetz geht von dem regelmäßigen Falle aus, daß eine Berechnung nach § 573.

Tagen zu erfolgen hat. Es ist alsdann der von Mittemacht zu Mitternacht zu berechnendeAnm. 1. Tag die kleinste Zeiteinheit (Zivilkomputation: ROHG. 12, 130; RG. 3, 151; OLG. Marienwerder SeuffA. 54 Nr. 168); es gibt also — in Ermangelung von gegenteiligen Ver­ einbarungen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 108; „7V2 laying days“; HansOLG. Hbl. 1891, 75: Liegegeld nach Verhältnis einer bestimmten Summe für den laufenden Tag; HG. Hamburg Hbl. 1873, 358: Berechnung des Liegegeldes nach Stunden, woraus das OLG. Marienwerder SeuffA. 54, 313 keine Schlüsse ziehen will),1) örtlichen Verordnungen oder Ortsgebräuchen (§ 575) — keine Bruchteile von Lade- oder Überliegetagen (Ullrich Nr. 78; HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 111; HansOLG. Hbl. 1900, 311; AppG. Rotterdam Baltic 1913, 188). Dies gilt sowohl zu Lasten des Befrachters wie des Verfrachters: der erstere muß sich jeden auch nur angefangenen Lade- oder Überliegetag, sofern der Verfrachter den ganzen Tag ladebereit gewesen ist, als vollen Tag anrechnen lassen (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 111), soweit dies nicht im Einzelfalle Treu und Glauben widersprechen würde (kein Liege­ geld für halbstündige Arbeit, die sich leicht am Abend vorher hätte erledigen lassen: HansOLG. Hbl. 1886, 52), der letztere hat, mangels anderweitiger Vereinbarung (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 108), solche Tage nicht in die Lade- oder Überliegezeit einzurechnen,

an denen er nicht während der ganzen Arbeitszeit ladebereit war (LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 46; HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 117 - SeuffA. 44 Nr. 272; 1889 Nr. 106; 1890 Nr. 51),2) 3 wobei allerdings geringfügige, im gewöhnlichen Lauf der Dinge sich ereignende Unterbrechungen nicht in Betracht kommen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 106). — Sind acht Liegetage vereinbart, so sind acht volle Tage, nicht nur eine Woche, zu rechnen (Ullrich Nr. 108; vgl. Mot. BGB. 1,285).

2. TaS Gesetz stellt den Satz auf, daß bei der Berechnung der Lade- und Überliegezeit die Anm. 2. Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt werden (tempus continuum, „running days“, „jours courants“). Dieser Satz führt zur Einrechnung der Sonnund Feiertage; er wird aber nicht durchgeführt bei der Behandlung der Ein­ wirkung des Zufalls auf die Dauer der Beladung. a) Behandlung der Sonn- und Feiertage: diese werden eingerechnet (sonders BSchG.Anm. 3. § 29 Abs. 3]). Es kann also die Lade- oder Überliegezeit auch mit einem Sonn- oder Feiertage beginnen (Anm. 9 zu 8 537) oder (gegen BGB. § 193!) abschließen. Aus der Einrechnung der Sonn- und Feiertage folgt nicht, daß der Schiffer verpflichtet wäre, an diesen Tagen Ladearbeiten durch die Mannschaft vornehmen zn lassen (ROHG. 20, 417; sPappenheim 3, 178 Anm. 2]). Vielfach wird die Nichteinrechnung der Sonntage vereinbart, entwederAnm. 4. durch ausdrücklichen Ausschluß („per running days, sundays excepted“: ROHG. 6, 93 usw.),2) wodurch im Zweifel auch die gesetzlichen Feiertage ausgeschlossen sind (so mit Lewis Endemann Handb. 4,140 Anm. 31 gegen ROHG. 6 Nr. 17), was ausdrücklich geschieht durch die Klausel x) Die Vereinbarung, daß die Ladezeit von Mittag zu Mittag laufen solle, bedeutet nicht, daß sie nach halben Tagen zu berechnen ist (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 118) 2) Anders LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 65 -- Rechtspr. 2, 368 ff., wo, teil­ weise unter Bezugnahme auf die Hamburgische Löschverordnung, die Stunden, während deren das Schiff nicht löschbereit war, zusammengerechnet und von der Überliegezeit abgezogen wurden. Gegen dieses Urteil Mittelstein 1,153 sund Handb. 169]; Warneken92 ff.; sund Pappenheim 3, 177 Anm. 7]. — Eine Zusammenrechnung rechtfertigt sich indessen, wenn die Ladezeit berechnet werden soll „per working day of 24 hours“: alsdann werden immer 24 Stunden, an denen gearbeitet worden ist, als ein Tag gerechnet, auch wenn sie verschiedenen Kalendertagen zugehören (Scrutton 279 ff.). Anders aber, wenn die Rede ist von „working days of 24 consecutive hours“ (Stephens, Demurrage 10). 3) Vgl. Kommerz- und Admiralitätskollegium Danzig BuschsA. 1, 406 (in der gedruckren Klausel „ten running days“ war das Wort „running“ ausgestrichen). — Sind die Sonntage ausgeschlossen, so sind auch diejenigen Sonntage nicht einzurechnen, an denen einmal auf Grund besonderer Ver­ einbarung geladen worden ist (HansOLG. Hbl. 1890, 139; OLG. Oldenburg DIZ. 1908, 1351; Scrutton 279).

350 8 573.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

„sundays and holidays excepted“ (Scrutton 278)/) ober durch Bezeichnung der Lade­ oder Überliegetage als „Arbeitstage" oder „working days“ (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 164; 1879 Nr. 7; vgl. 1873 Nr. 275: „working hours“) oder „jours ouvrables“ (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 81; vertragsmäßige Bestimmung, was „working day“ ist: Hbl. 1893, 1), der gleichsieht die Bestimmung des für jeden Tag abzuladenden Quantums (Voigt, Neues Arch. f. Handelsrecht 2, 222; HG. Hamburg Hermann und Hirsch 645; Nathan 1866, 261 ff.). Ist in letzterem Falle die Ladezeit nach Arbeitstagen festgesetzt, so folgt daraus nicht, daß auch bei der Überliegezeit die Sonn- und Feiertage außer Betracht zu bleiben hätten (HG. Ham­ burg Nathans Hamb. GZ. 1861, 90).

Anm. 5. b) Einwirkung des die Beladung hindernden2) Zufalls. Verschuldete Überschreitungen der

Lade- oder Überliegezeit fallen demjenigen Teile zur Last, der sie verschuldet hat (Beispiel: Verzögerung der Verstauung durch Lieferung von Gütern, die das vertragliche Maß über­ schreiten: HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31). Der Befrachter ist für seine Behauptung, daß die Überschreitung durch Verschulden des Verfrachters geschehen sei, beweispflichtig (HG. Ham­ burg Hbl. 1874 Nr. 72; NOHG. 19, 94; HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 31; 1901 Nr. 65 - Rechtspr. 2, 369; MittelsteinGoldschmidtsZ. 40, 38), während andererseits der Verfrachter, sofern fest­ steht, daß er ladebereit geworden ist (Anm. 7 zu 8 567), lediglich den Zeitablauf zu beweisen hat (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 200).

Anm. 6.

Was aber die Einwirkung des Zufalls auf die Dauer der Beladung anlangt, so geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, daß jeder Kontrahent den sich in seiner Person ereignenden Zufall zu tragen hat, also der Verfrachter denjenigen, welcher die Über­ nahme, der Befrachter denjenigen, welcher die Lieferung der Ladung verzögert (Prot. S. 2084, 2099; ROHG. 17, 94; sPappenheim 3, 179]). Es führt diesen Satz aber nicht kon­ sequent durch.

Anm. 7.

a) Entsprechend dem Prinzip sind nicht einzurechnen die Tage» an denen die Übernahme der Ladung (Anm. 2 zu § 561) durch Zufall verhindert ist: der Zufall fällt also dem Ver­ frachter zur Last. Beispiele zufälliger Behinderungsgründe: Wind und Wetter (vgl.HansOLG. Hbl. 1889, 269), Meuterei oder Streik der Schiffsmannschaft (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 192; HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 117), unter Umständen, nämlich wo zur Übernahme der Ladung ein Zusammenwirken mit Landarbeitern erforderlich ist, auch Streik der letzteren (RG. LZ. 1911, 696 =-• Hansa 1911, 749), notwendige Reparaturen (Prot. 2084), Un­ ordnung oder Bruch von Schiffswindevorrichtungen (HansOLG. Hbl. 1888, 272; 1889, 270), obrigkeitliche Anordnungen (regulär turn: Anm. 6 zu 8 567), Ungeeignetheit des nicht vom Befrachter angewiesenen Ladeplatzes (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40) oder der Ladeeinrich­ tungen (Krähne: HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40), Erforderlichkeit besonderer Vorkehrungen zur Übernahme (OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31). Wenn eine solche zufällige Behinderung sogleich bei Hinlegung des Schiffes an den Ladeplatz vorhanden ist, so führt dies dazu, daß J) Die Klausel „holidays excepted“ soll nach dem bei Stephens, Demurrage 17 wiedergegebenen Urteil Niemann gegen Moß gewöhnlich Sonntage nicht mit einschließen. „Holidays“ in beiden Klauseln sind im Zweifel nicht die Feiertage der Schiffsmannschaft („ship’s holidays“), sondern die des Hafens („port holidays“), da ja die Klausel dem Befrachter zugute kommen soll. Keinenfalls aber können „ship’s holidays“, an denen die Mannschaft nicht arbeitet, zu Lasten des Befrachters in die Ladeund Überliegezeit eingerechnet werden. Wird gearbeitet, so sind „ship’s holidays“, sofern an Land kein Feiertag ist, „working days“ (Carver sect. 613). Nicht „holidays“ sind Ruhetage, die die Re­ gierung anläßlich von finanziellen Krisen einsetzt (9. Circuit Court der Bereinigten Staaten, Revue 26, 235). Dagegen gehören dazu auch usancielle, staatlich nicht anerkannte Festtage (Kassationshof Turin Revue 26, 864). 2) Bloße Erschwerungen sind keine Behinderungen- s. ROHG. 5, 139 ff.; LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 91; Hans OLG. Hbl. 1888 Nr. 117; 1892 Nr. 78; RG. Hbl. 1908, 82. Doch kann, wie Boyens 2, 151 hervorhebt, die Anwendung ganz außergewöhnlicher Mittel oder Kosten nicht verlangt werden (vgl. RG. Bolze 19 Nr. 508).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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der Lauf der Ladezeit noch nicht beginnt, sondern erst mit dem Wegfall des Hindernisses § 573.

seinen Anfang nimmt (OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31). ß) Entsprechend dem Prinzip sind einzurechnen die Tage, an denen der BefrachterAnm. 8. durch Zufall seine Ladung zu liefern (Anm. 1 zu 8 561) verhindert [nicht nur erschwert^) (vgl. Mittelstem Handb. 168)] ist*2)3 In Betracht kommen z. B. zufällige Verzögerungen des Transpotts der Ladung zum Verschiffungsort (HG. und OG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1861 S. 91,120; HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 180: Strike am Produktionsort), schlechtes Wetter, welches gerade diese Ladung bei der Einschiffung gefährden würde, AufHaltungen durch die Zollbehörde, Unmöglichkeit, wegen Eisgangs Oberländer Kähne längsseit zu schaffen (LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 91) oder einen konkreten Leichter ans Schiff zu bringen (HansOLG. Hbl. 1889, 269), obrigkeitliche Anordnungen auf Grund des Wasser« stands (HansOLG. vom 29. Dez. 1912 in Sachen Eichhorn gegen Müller Bf. VI 453/11; Freizeichnung davon: Note 4); gerichtliche Beschlagnahme, partieller Streik der Hafen­ arbeiter oder sonstige Zufälligkeiten, welche am Verschiffungsort die Lieferung der be­ treffenden Ladung ans Schiff zur Zeit unmöglich machen. S. aber die Ausnahme zu r-

Y) Entgegen dem Prinzip sind aus Gründen der Billigkeit (Prot. 2094) nicht einzurechnenAnm. 9. die Tage, an denen durch Zufall die Lieferung nicht nur der bedungenen, sondern jeder Art von Ladung an daS Schiff verhindert ist ([ebenso BSchG. § 29 Abs. 4]). Beispiele: Unmöglichkeit, irgendwelche Ladung durch Leichter an das im Strom ladende2) Schiff zu bringen infolge schweren Wetters (Prot. 2099) oder Eises (Boyens 2, 150 Note 6), all­ gemeinen Hafenarbeiterstreiks (litt. Budgett v. Binnington bei Leggett 346 ff.). Für diese Tage hat aber dem Prinzip entsprechend der Befrachter Liegegeld zu zahlen, auch wenn sie während der Ladezeit eintreten (§ 574); [anders das BSchG., s. Mittelstem 1, 153]. 8) Beweislast. Der die Überschreitung der Lade-oder Überliegezeit behauptende Verfrachter Anm. 10. hat zunächst, wenn der Eintritt der Ladebereitschaft (Änm. 7 zu 8 567), deren An­ zeige (Warneken 39), sofern solche erforderlich war, sowie der Zeitablauf von ihm bewiesen ist, die Vermutung auf seiner Seite. Behauptet der Befrachter, daß die Lieferung jeder Art von Ladung an das Schiff durch Zufall verhindert gewesen sei,

x) Siehe Note 2 Seite 350. 2) Beispiele vertragsmäßiger Abänderung: „im Falle von Streik der Grubenarbeiter und Dockleute sowie außergewöhnlichen Vorfällen, welche das Laden und Löschen beeinträchtigen könnten, ist die dafür in Anspruch genommene Zeit nicht zu rechnen" (OLG. Rostock MecklZ. 14, 328ff.); ,,to load in regulär and customary turn, except in case of riots, strikes or other accidents beyond charterer’s control delaying or preventing loading“ (ScruttvN 117); „the time for loading and discharging shall not count so long as the obtaining, providing, loading of the cargo is delayed or preventes by bad weather, floods or any other accidents or causes beyond charterer’s or consignee’s control“ (HansOLG. vom 29. Dez. 1912, Eicht)olz gegen Müller Bf. VI 453/11); Nicht einrechnung der Hindernisse auf Grund von „accidents to loading machinery and all other accidents beyond the control of the charterer’s, which may impede the ordinary loading and discharging of the vessel“ (OLG. Kiel SchlHolstAnz. 1909, 86). Dem Streik sind Folgezustände des Streiks nicht gleichzustellen (LG. Hamburg 22. Mai 1908 in Sachen Tatem gegen Groß­ mann H. VII 819/07; OLG. Rostock MecklZ. 27, 119 = Rechtspr. 22, 62). Hierher gehört auch die Bezeichnung der Lade- und Überliegetage als „weather working days“, d. h. als solche Tage, an denen die Wetterverhältnisse das Arbeiten erlauben (Scrutton 280; Carverseot. 613; Klausel „weather permitting“: Hbl. 1908, 247; Ausschluß von Regentagen: 9. Circuit Court der Bereinigten Staaten Revue 26, 235), oder als „colliery working days“, d. h. als solche Tage, an denen die (abladende) Kohlengrube normalerweise arbeitet (Scrutton 280; Näheres Stephens, Demurrage 19 ff. und Carver sect. 258 d). 3) Beispiele bloßer Erschwerungen: Unmöglichkeit, die die Ladung heranbringenden Leichter ohne Schlepper ans Schiff zu bringen (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 117); Unmöglichkeit, wegen Eisgangs die Ladung in Oberländer Kähnen längsseit zu schaffen, während sich dies mit Schuten bewerkstelligen läßt (LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 91).

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

so muß er diesen Beweis führen. Ebenso wenn er die Verhinderung der Übernahme der Ladung behauptet: denn die Unterbrechung der Ladebereitschaft wird nicht vermutet (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 65 = Rechtspr. 2, 369; Mittelstem 1, 153, sHandb. 169]). Anm. 11. In vielen Fällen, insbesondere wo Wind und Welter oder Streik (vgl. RG. LZ. 1911, 696 = Hansa 1911, 749) als Hinderungsgrund in Betracht kommt, wird es zweifel­ haft sein, ob nur die Lieferung der Ladung an das Schiff oder zugleich auch die Übernahme derselben seitens des Schiffes verhindert ist. Auch in diesem Falle hat der Befrachter, sofern der Eintritt der Ladebereitschaft feststeht, deren Unter­ brechung zu beweisen; ist dieser Beweis gelungen, so kommt es darauf, ob die Lieferung der Ladung ans Schiff behindert gewesen ist, nicht mehr an (vgl. Prot. S. 2100, 3861, auch HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 117 a. E-). Anm. 12. Zusatz. Berechnung der Ladezeit nach Stunden. Wo diese vereinbart ist (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 111; 1873 Nr. 275: „to be loaded and discharged within 96 hours“; HansOLG. Hbl. 1913, 16: „für Löschen und Laden 75 laufende Stunden"), sind die Ladestunden im Zweifel als tempus continuum zu berechnen: sie laufen also Tag und Nachts (über Nachtarbeit s. Anm. 4 Note 2 zu 8 568) und auch während der Sonn- und Feiertage (vgl. Carver sect. 613; dagegen Boyens 2,152 ff. und Warneken 89, die unter „Stunden" stets „Arbeitsstunden" verstanden wissen wollen). Anders, wenn das Gegenteil ausgemacht ist („Ladezeit von 48 laufenden Stunden unter Ausschluß der Sonn- und Feiertage: OLG. Rostock MecklZ. 14,328 ff.; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 67) oder die Stunden ausdrücklich als working hours bezeichnet sind (HG. Hamburg Hbl. 1873, 358; Scrutton 281). Analog gelten die Vorschriften des § 573. § 573.

§ 574.

§ 574.

Für die Tage, die der Verfrachter wegen Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung länger warten nruß, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Ladezeit eintritt. Dagegen ist für die Tage, die er wegen Verhinderung der Übernahme der Ladung länger warten muß, Liegegeld nicht zu entrichten, selbst wenn die Verhinderung während der llberliegezeit eintritt. Der Paragraph bestimmt, wieweit der Befrachter in den Fällen des § 573 Abs. 2 znr Zahlung von Liegegeld verpflichtet ist. Das Gesetz kehrt bei der Beantwortung dieser Frage zur konsequenten Durchführung des Grundsatzes zurück, daß jede Partei den sich in ihrer Person ereignenden Zufall zu tragen hat (Anm. 6 zu 8 573). Hieraus folgt: Anm. 1. 1. Der Verfrachter hat Liegegeld zu beanspruchen für die Tage, die er wegen Verhinderung der Lieferung der Ladung langer warten muß, und zwar auch dann, wenn nicht bloß die Lieferung der bedungenen Ladung, sondern diejenige jeder Art von Ladung verhindert ge­ wesen ist (Anm. 9 zu 8 573). Der Liegegeldanspruch besteht in diesem letzteren Falle aus­ nahmsweise auch dann, wenn die Verhinderung während der Ladezeit eingetreten ist. Seine Voraussetzung ist freilich immer, daß durch die Verhinderung eine Verlängerung der Wartezeit herbeigeführt worden ist. Er zessiert also, wenn, trotzdem das Hindernis während eines oder mehrerer Tage vorgelegen hat, die Beladung innerhalb der vereinbarten oder ortsgebräuch­ lichen Ladezeit bewerkstelligt worden ist. Anm. 2. 2. Der Verfrachter hat kein Liegegeld zu beanspruchen für die Tage, die er wegen Verhinderung der Übernahme der Ladung (Anm. 7 zu 8 573) länger warten mutz: der Zufall fällt ihm in dieser Hinsicht zur Last, gleichviel, ob derselbe während der Lade- oder während der Über­ liegezeit eintritt. x) Wo ortsüblicherweise gar nicht im Strom geladen wird, ist ein im Stronr eing efrorenes Schiff gar nicht ladebereit: Boyens 2, 150 Note 6.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. 3.

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Tressen die Fälle 1 und 2 zusammen, so ist kein Liegegeld zu zahlen: es wäre widersinnig, § 574. wenn der Verfrachter solches fordern könnte, obschon er an der Übernahme der Ladung ver-Anm. 3.

hindert war (vgl. OLG. Stettin bei Feldhahn Recht 1907, 1522). 4. BeweiSlast: s. Anm. 10, 11 zu § 573.

§ 575.

Anm. 4.

§ 575.

Sind für die Dauer der Ladezeit nach § 568 die örtlichen Verordnungen oder der Drtsgebrauch maßgebend, so kommen bei der Berechnung der Ladezeit die Vorschriften der §§ 573, 574 nur insoweit zur Anwendung, als die örtlichen Verordnungen oder der Ortsgebrauch nichts Abweichendes bestimmen.

Örtliche Verordnungen oder Ortggebrättdjc1) betreffend Berechnung der Ladezeit. Diese Rechtsquelleu gehen den Vorschriften der §§ 573, 574 nur dann vor, wenn eineAnm. 1. von ihnen oncfi für die Dauer der Ladezeit, d. h. für ihre Bemessung nach Zeiteinheiten (Boyens 2,157), maßgebend ist. Em Ortsgebrauch, daß Sonn- und Feiertage nicht in die Lade­ zeit einzurechneu seien (vgl. HG. Mannheim BuschsA. 22, 359), oder ein solcher, daß der Ablader nicht verpflichtet sei, die Ladung über Eis ans Schiff zu bringen, und daß deshalb Tage, an denen dies erforderlich sei, nicht in die Ladezeit einzurechnen seien (OG. Hamburg BuschsA. 25, 404 ff.; ROHG. 5, 135 ff.), ist deshalb nur beachtlich, wenn örtliche Verordnungen oder Ortsgebrauch eine bestimmte Dauer der Ladezeit vorschreiben (ROHG. 1. c.; vgl. RG. 3 Nr. 42). Für die Berechnung vertragsmäßiger Ladefristen sind, wo ortsrechtliche VorschriftenAnm. 2. existieren, diese, nicht die §§ 573, 574 maßgebend: denn wenn auch nach § 568 erstere betreffs der Dauer der Ladezeit nur in Frage kommen, wenn diese durch Vertrag nicht festgesetzt ist, so schließt das nicht aus, daß, wo für die Berechnung der Ladefristen ergänzend das objektive Recht heran­ zuziehen ist, nur das im Abladehafen tatsächlich geltende Recht das maßgebende ist (anders Böhens 2, 157; sPappenheim 3, 182 Anm. 1]).

Zusatz. Beschleunigungtzgebühr (despatch money, rachat de plan ehe). Das Gegenstück Anm. 3. zum Liegegeld bildet die dem Befrachter oder Empfänger vom Verfrachter zngesagte Vergütung für durch Nichtausnutzung der Lade- oder Löschfrist ersparte Zeit. Beispiele: „if sooner despatched, steamer to pay £ 10 for each day saved“: Hansa 1910, 1074; ,,despatch money 10 s. per hour on any time saved in loading and for discharching“: Carver sect. 633. Die Be­ rechnung erfolgt nicht durchweg nach Analogie des Liegegeldes: denn der maßgebende Gesichts­ punkt ist die Ersparung von Zeit durch das Schiff, nicht der Nichtgebrauch derselben durch den Ladungsbeteiligten. Ist despatch money nach Stunden zugesagt, so sind dies im Zweifel running hours, nicht working hours, so daß der ersparte Tag zu 24, nicht zu 12 Stunden, zu rechnen ist (Carver sect. 613, 633). Und ebenso ist, wenn Sonn- und Feiertage in die Lade- oder Löschzeit nicht einzurechnen sind, mangels gegenteiliger Abmachung (AppG. Brüssel Droit Mar. 1911, 36) auch für derartige Tage, falls erspart, despatsch money zu zahlen (so Jacobs, Le droit maritime beige 1, 330 und — mit Ausnahme der bei Carver sect. 633 und Scrutton 280 ff. angeführten englischen Urteile — fast die gesamte ausländische Rechtsprechung: HG. Dünkirchen Revue 2, 549; 13, 774: Landers 26, 785]; HG. Antwerpen Revue 11, 785; SeeG. Kopenhagen Revue 21, 235; GH. Rouen Revue 22, 618; Arrondissementsgericht Rotterdam Revue 25, 837 sanders Hansa 1910,1074 und Baltic 1913, 291]; AppG. Douai Revue 26, 786 — Droit Mar. 1911, 267; Kinga Bench Division, Aspinall N. S. 11, 372 — Droit Mar. 1911, 538; District Court New York Revue 28, 104; vzl. auch Baltic 1913, 318; anders HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 67 u. 78). Bei Unterbrechung der Lade- oder Löschzeit ist auch für die Frage der Beglaubigungsgebühr zu prüfen, ob deren Grund dem Ladungsbeteiligten oder dem Verfrachter zur Last fällt. Hat ersterer die Unterbrechung zu vertreten, sei es, weil er freiwillig nicht ununterbrochen laden bzw. *) Ortsgebcäuche von Memel, Elbing, Stettin, Rostock f. 0. S. 343.

Schn PS, Seerecht.

2. Aufl.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 575. löschen läßt oder auf seiner Seite Verschulden oder ein sich in seiner Person ereignender Zufall

eintritt (§ 573 Abs. 1, § 597 Abs. 1), so trägt er die Folgen der Unterbrechung, d. h. er muß es sich gefallen lassen, daß er mit der Unterbrechungszeit belastet wird. Andererseits ist die Unterbrechung zu Lasten des Verfrachters, wenn dieser sie zu vertreten hat, sei es, daß sie auf seinem Verschulden oder auf einem sich in seiner Person ereignenden Zufall beruht, insbesondere durch einen sochen die Übernahme der Ladung bzw. die Ausladung aus dem Schiffe verschuldet ist (§ 573 Abs. 2 Nr. 2, § 597 Abs. 2 Nr. 2). Ist aber durch Zufall die Lieferung jeder Art von Ladung an das Schiff bzw. die Beförderung jeder Art von Ladung vom Schiff ans Land behindert, kommt also die Dauer der Behinderung zwar nicht bei der Berechnung der Lade- und Löschzeit in Ansatz, muß aber trotzdem dafür Liegegeld gezahlt werden (§§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 574, 597 Abs. 2 Nr. 2, 598), so muß die Unterbrechung auch bezüglich der Beschleunigungsgebühr zu Lasten des Ladungs­ beteiligten gehen. Ist also die Unterbrechung in die Lade- bzw. Löschzeit einzu­ rechnen bezüglich des Liegegeldes, so kommt sie auch bei Berechnung der Be­ schleunigungsgebühr zum Nachteil des Ladungsbeteiligten in Ansatz, anderen­ falls nicht (Feldhahn Recht 1907, 1521 ff.). Wenn durch die gleiche zufällige Ursache nicht bloß die Übernahme der Ladung bzw. der Ausladung aus dem Schiffe, sondern auch die Lieferung jeder Art von Ladung ans Schiff bzw. die Beförderung jeder Art von Ladung vom Schiff ans Land zeitweise verhindert ist, so hat der Verfrachter keinen Anspruch auf Liegegeld: es steht also dem Empfänger die etwaige Beschleunigungsgebühr zu (OLG. Stettin bei Feldhahn Recht 1907, 1522).

§ 576.

§ 576. Hat sich der Verfrachter ausbedungen, daß die Abladung bis zu einem bestimmten Tage beendigt sein muß, so wird er durch die Verhinderung der Lieferung jeder Art von Ladung (8 573 Abs. 2 Nr. V) zum längeren warten nicht verpflichtet. Einfluß eines fixierten Abladungstermins auf die Berechnung der Wartezeit. 1. Wenn sich der Verfrachter ausbedingt, daß die Abladung biS zu einem bestimmten Tage beendigt fein mutz (fixierter Abladungstermin) — gleichviel, ob derselbe den Abschluß der Ladezeit (Anm. 10 zu § 567) oder der Überliegezeit bilden soll —, so wird mangels ander­ weitiger Vereinbarung die Wartezeit nicht dadurch verlängert, daß die Lieferung jeder Art von Ladung an das Schiff verhindert ist. Wiederum eine Folge des Grundsatzes, daß jede Partei den sich in ihrer Person ereignenden Zufall zu tragen hat. 2. Dagegen werden auch im Falle des fixierten Abladungstermins, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart ist, die fonstigen Bestimmungen deS Gesetzes über Berechnung der Wartezeit nicht modifiziert. Diese verlängert sich also um die Tage, während deren die Übernahme der Ladung verhindert ist (Anm. 7 zu 8 573). Und auch die dreitägige Kündigungsfrist des § 570 findet mangels entgegenstehender Abrede auf den Fall des § 576 Anwendung (Boyens 2, 157 und mit eingehender Begründung Warneken 68 ff. sPappenheim 3, 184 Anm. 2]).

§ 577.

§ 577. Soll der Verfrachter die Ladung von einem Dritten erhalten und ist dieser Dritte ungeachtet der von dem Verfrachter in ortsüblicher weise kund­ gemachten Bereitschaft zum Laden nicht zu ermitteln oder verweigert er die Lieferung der Ladung, so hat der Verfrachter den Befrachter schleunigst hiervon zu benachrichtigen und nur bis zum Ablaufe der Ladezeit, nicht auch während der etwa vereinbarten Uberliegezeit auf die Abladung zu warten, es sei denn, daß er von dem Befrachter oder einem Bevollmächtigten

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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des Befrachters noch innerhalb der Ladezeit eine entgegengesetzte Anweisung 8 577* erhält. 3ft für die Ladezeit und die Löschzeit zusammen eine ungeteilte Frist bestimmt, so wird für den im Abs. \ erwähnten Fall die Hälfte dieser Frist als Ladezeit angesehen. Der Paragraph gibt dem Verfrachter Instruktionen für den Fall, daß der ihm vom Einleitung. Befrachter aufgegebene Ablader entweder nicht zu ermitteln ist oder die Abladung verweigert. Er enthält nur ergänzendes Recht. 1. Der Dritte, von welchem der Bferachter die zu befördernde Ladung erhalten soll, ist der Ab-Anm. 1. lader (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 5). Dessen rechtliche Beziehungen zum Be­ frachter sind für den Verfrachter gleichgültig und nicht übersehbar. Es läßt sich daher nicht rechtfertigen, einen Ablader, der Agent oder rechtsgeschäftlich bestellter Bevoll­ mächtigter des Befrachters ist, nicht unter § 577 fallen zu lassen (so mit Boyens 2, 158, gegen ROHG. 7, 153. Wie letzteres Warneken 72 ff. fund Pappenheim 3, 182 Anm. 4]; vgl. Brod­ mann Note 1). Während im übrigen die auf die Abladung bezüglichen Handlungen und Erklärungen des Abladers für den Befrachter verbindlich sind, ist dies bezüglich der Abladungsweigerung nicht der Fall (HansOLG. Hbl. 1889, 118 = SeuffA. 44, 438).

2. Die Anzeige der Ladebereitschaft (§ 567) hat an den Ablader zu geschehen. Ist dem Ver-Anm. 2. frachter bzw. dem ihn vertretenden Schiffer die Adresse des Abladers am Abladungsorte nicht aufgegeben, so hat er sie mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (BGB. § 276) zu erforschen; wenn ihm dies nicht gelingt, so hat er die Anzeige in ortsüblicher Weise, insbesondere durch öffentliche Bekanntmachung zu bewerkstelligen (analog § 594 Abs. 2: Warneken S. 28, 32). 3. Ist der Ablader trotzdem nicht ermittelt ([zust. Pappenheim 3, 183]; das Gesetz sagt: „nicht Anm. 3. zu ermitteln") oder verweigert der Ablader die Lieferung der Ladung, so hat der Verfrachter dies dem Befrachter — natürlich nicht dem Ablader oder dessen Vertreter (dies gegen War­ neken 72) — schleunigst anzuzeigen und bis zum Ablauf der Ladezeit zu warten, damit der Befrachter, wie das ROHG. (7,152 ff.) sagt, während derselben die Sache möglichst redressieren oder einen anderen Ablader gewinnen oder selbst laden kann. Falls für Lade- und Lösch­ zeit zusammen eine einheitliche Frist bestimmt ist, so wird nach Abs. 2 die Hälfte dieser Frist als Ladezeit angesehen (eine singuläre, nur für den vorliegenden Fall gegebene, daher keiner Verallgemeinerung fähige gesetzliche Auslegungsregel: Prot. 3859; ROHG. 15, 220). Die Frage, ob der Verfrachter auch im vorliegenden Falle, um die Ladezeit zum Ablauf zu bringen, die Kündigung des § 570 vornehmen muß, ist [gegen 1. Aufl.] mit dem OG. Bremen (Hbl. 1871 Nr. 172), dem RG. (55,182) [und Pappenheim 3, 183 Anm. 4] zu verneinen. 4. Der Verfrachter braucht nur bis zum Ablauf der Ladezeit zu warten, nicht auch wahrend Anm. 4. der etwa vereinbarten üverliegezeit. Eine Ausnahme besteht für den Fall, daß er von dem Befrachter oder dessen Bevollmächtigtem — unter Umständen demselben, der qua Ablader die Abladung verweigert hat (Prot. 2493) — noch innerhalb der Lade­ zeit eine entgegengesetzte Anweisung erhält: kommt ihm dieselbe erst nach Ablauf der Ladezeit zu, so braucht er sie nicht mehr zu befolgen. Mit dem fruchtlosen Ablauf der Ladezeit ist also der Vertrag hinfällig geworden (RG. 55, 181). Hieraus ergibt sich bezüglich der Liegegeldansprüche des Verfrachters das Folgende Anm. 5. (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 239): a) Ist eine Order, länger zu warten, nicht ergangen, so hat der Verfrachter, wenn er freiwillig wartet, kein Liegegeld zu beanspruchen. b) Ist die Order innerhalb der Ladezeit ergangen, so hat der Befrachter für die Überliegezeit Liegegeld zu zahlen.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 577. c) Ist die Order nach Ablauf der Ladezeit ergangen, so hat der Verfrachter, wenn er auf sie einging, erst von dem Zeitpunkt des Zustandekommens der neuen Vereinbarung an Liegegeld zu fordern. 5. Verletzt der Verfrachter die ihm vorgeschriebene BenachrichtigungS- oder Wartedflicht,

so verliert er seine Ansprüche aus dem Frachtverträge (HG. und OG. Bremen Hb'. 1871 Nr. 172) und ist dem Befrachter außerdem für den entstandenen Schaden verantwortlich. § 578.

§ 578. Der Verfrachter hat auf verlangen des Befrachters die Reife auch ohne die volle bedungene Ladung anzutreten. Ls gebührt ihm aber alsdann nicht nur die volle Fracht und das etwaige Liegegeld, sondern er ist auch berechtigt, soweit ihn: durch die Unvollständigkeit der Ladung die Sicherheit für die volle Fracht entgeht, die Bestellung einer anderweitigen Sicherheit zu fordern. Außerdem sind ihm die Mehrkosten, die ihm infolge der Unvollständigkeit der Ladung etwa erwachsen, durch den Befrachter zu erstatten. Nichtlieferung der vollen bedungenen Ladung durch den Befrachter.

„Leerfracht".

Anm. 1. 1. Nicht nur der Befrachter hat ein Recht auf Beförderung der vollen bedungenen Ladung, sondern auch der Verfrachter hat Anspruch auf Lieferung derselben zum Transport.

Denn nach der bedungenen Quantität und Qualität der Ladung richtet sich vielfach der stipulierte Frachtsatz; die Dispositionen des Verfrachters sind in vieler Beziehung, z. B. hinsichtlich des einzunehmenden Ballasts, davon abhängig, daß die volle bedungene Ladung geliefert wird. Verpflichtet sich der Befrachter, „eine volle und bequeme Ladung", „a full and convenient cargo“ (Ullrich Nr. 77; HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 192; OLG. Rostock MecklZ. 31, 33 ff. usw.) oder „a full and complete cargo“ (Scrutton 123 ff.; Maclachlan 495ff.; Carver sect. 265, 266; HansOLG. Hbl. 1909, 180 usw.), zu liefern, so hat er, nicht bloß ein der angegebenen Schiffsgröße entsprechendes Quantum (Scrutton 123; HansOLG. Hbl. 1911, H6 = Recht 1911 Nr. 1815), sondern so viel der bedungenen Ladung, und zwar in der am Abladungsorte üblichen Beschaffenheit (HansOLG. Hbl. 1914, 158), herbeizuschaffen, daß die Tragfähigkeit*) des Schiffes erschöpft und zugleich das Schiff genügend belastet ist, um nicht außerdem Ballast einnehmen zu müssens (Voigt Neues Archiv f. Handelsrecht 2, 291; Hermann u. Hirsch 662 ff.; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 192; s. aber die bei Voigt 292 ff. angeführten englischen Entscheidungen); Decksladung braucht er, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist („eine volle und bequeme Raum- und Decksladung"), nicht mitzuliefern. Liefert er Güter, die ihrer Art oder Verpackung nach den Schiffsraum nicht ausfüllen, sondern Zwischenräume lassen („broken stowage“), so muß er die letzteren ausfüllen, sofern nicht Ortsgebräuche des Abladungshafens ihn hiervon befreien (Carver sect. 265; Scrutton 125). Angaben des Befrachters über die Maße der Güter sind im Zweifel wesent­ licher Bestandteil des Vertrages (OLG. Rostock MecklZ. 31, 33). Das Quantum der zu verschiffenden Güter kann auch ins Belieben des Verfrachters gestellt sein („quantity in

owners Option“: NG. Bolze 19 Nr. 509). *) Tragfähigkeit im Sinne von kubischem Inhalt, Ladungsfähigkeit (SchVO. § 2): vgl. Prot. 1677; Lewis 1, 18. Das verkennt das HansOLG. Hbl. 1902, 192, das bei Be­ urteilung der Bestimmung „a full and complete cargo of quebracho wood loogs . . . not exceding what she can reasonably stow and carry“ trotz vollständiger Ausfüllung des Schiffes eine Nichtausnutzung der Tragfähigkeit annimmt. 2) Hieraus ergibt sich, daß die daneben erfolgte Angabe des ungefähren Ladungsquantums („Zirka-Klausel", „say about“) nur untergeordnete Bedeutung hat: Carver sect. 261; OLG. Rostock MecklZ. 31, 33 ff. Ist aber ein Maximalladungsquantum vereinbart, so hat der Befrachter wegen vertrag widriger Zuladung von Gütern gegen den Verfrachter keinen Bereicherungsanspruch, sondern nur Anspruch auf Ersatz etwaigen Schadens (HansOLG. Hbl. 1909, 180).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

357

2. Der Anspruch deS Verfrachters ist indessen eingeschränkt durch zwei Befugnisse des Be- § 578.

frachters,

Anm. 2.

a) sein SubstitutionSrecht: s. § 562, b) seine Befugnis, zu verlangen, daß der Verfrachter die Reise auch ohne die volle be- Anm. dungene Ladung antrete ([ebenso BSchG. § 35 12]). Der Verfrachter kann somit seinen Anspruch auf ßieferimg der vollen Ladung nicht erzwingen; er hat nur einen Jnteresseanspruch. Der Befrachter dagegen kann auf seinen Anspruch, daß die volle Ladung befördert werde, verzichten, muß aber den Verfrachter schadlos halten (Einredebehauptung des Befrachters, daß das Schiff gar nicht imstande gewesen sei, die stipulierte Ladung zu übernehmen: HG. und OG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 192). 3. Der Verfrachter kann, falls der Befrachter nicht die volle Ladung liefert, beanspruchen: Anm. a) Die volle Fracht, also auch Fracht für die nicht gelieferte Ladung. Diese letztere Fracht ist nicht, wie das HG. Hamburg Hbl. 1872, 272 annimmt, Fautfracht: es handelt sich nicht um eine Abfindung für eine nicht auszuführende Reife (richtig Boyens 2, 160; [ebenso Mittelstein Handb. 182]). Angemessen scheint ihre Bezeichnung als „Leerfracht", entsprechend dem französischen ,,fret. sur le vide“ (Schaps, Bemerkungen zum Questionnaire sur le fret des Comite Maritime International, Drucks, des Deutschen Vereins für Internat. Seerecht 1907, 15). Die Einnahme von Ersatzladung ohne Zustimmung des Befrachters braucht nicht, wie Boyens 2, 160 meint, eine Vertragswidrigkeit darzustellen: sie kann sich aus Sicherheitsgründen sogar vernotwendigen. Wo sie vertragswidrig ist, verpflichtet sie zum Schadensersatz. Die mit der Ersatzladung erhöhte Fracht muß sich der Verfrachter auf die Bertragsfracht anrechnen lassen. Das erfordert die Billigkeit und die Analogie von BGB. §§ 324,552,615,616, 649 (so mit Boyens 2,160; Mittelstein LZ. 1916,1221 fund Handb. 182; Pappenheim 3, 896 Anm. 1]; gegen LG. Hamburg Hbl. 1897 Nr. 94; HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 49 fund 1. Aufl.]). Für ein argumentum a contrario aus § 587 Nr. 1 ist kein Raum, weil es sich dort um Fautfracht handelt. b) DaS etwaige Liegegeld, nämlich für die Überliegetage, während deren der Verfrachter aufAnm. die nicht geu-ferte Ladung gewartet hat, und um die er infolge neuer, von ihm zu treffender Dispositionen, z. B. wegen Einnahme von Ballast, die Abreise hinausschieben mußte. Außer dem Liegegeld kann der Verfrachter nicht noch Monats- und Kostgelder der Schifssbesatzung fordern (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1872, 271). c) Bestellung anderweitiger Sicherheit, soweit ihm durch die Unvollständigkeit der Ladung Anm. die Sicherheit (§ 623) für die volle Fracht entgeht. Die Leistung der Sicherheit regelt sich nach BGB. §§ 232 ff.; im Zweifel hat der Befrachter die Art, in der er Sicherheit leisten will, zu wählen (BGB. § 262). d) Erstattung der Mehrkosten, die ihm infolge der Unvollständigkeit der Ladung erwachse«, Anm. von denen freilich etwaige Minderausgaben abzuziehen sind (Boyens 2, 160). Insbesondere kommen in Betracht die Beschaffung von Ballast nnb etwaigen Mehrkosten für die Verstauung (Wittelstein Handb. 183]). Streitig ist, ob der Verfrachter auch die höheren Havariegrossebeiträge, welche das Schiff infolge der Unvollständigkeit der Ladung leisten muß, vom Be­ frachter erstattet verlangen kann. Die Frage ist mit Lewis 1, 275 und Ehrenberg Handb. 4, 133; Boyens 2, 160; Mittelstem 1, 170 und Handb. 183; Pappenheim 3, 396 Anm. 2] zu bejahen (anders HG. Hamburg Hbl. 1872, 272. Die Protokolle schwanken: s. 2135ff., 3878). Daß von nicht verladenen Gütern keine Havariegrossebeiträge zu zahlen sind, steht dem An­ spruch des Verfrachters, so gestellt zu werden, als wären die nicht gelieferten Güter mit verladen, nicht entgegen. Von den ihm zu vergütenden Mehrkontributionen muß er sich freilich den Beitrag abziehen lassen, welcher auf die Fracht für die nicht gelieferten Güter entfallen wäre. 4. Der Verfrachter hat wegen seiner Ansprüche, soweit sie fällig sind, ein Zurütkbehaltungs-Anm. recht gegen den Befrachter, d. h. er kann, bis sie erfüllt werden, seinerseits die Erfüllung des Frachtvertrages verweigern (BGB. § 273); er kann jedoch, falls sich hierdurch seine Abfahrt verzögert, Liegegeld (in dem S. 341 dargelegten Sinne) nur beanspruchen, wenn

3.

4.

5.

6.

7.

8.

358 § 578.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

sich ihm kein anderer Weg als das Liegenbleiben zur Wahrung seiner Rechte geboten hat (RG. 15 Nr. 17; Mittelstem Handb. 182]). Er kann ferner nach BGB. § 326 dem säumigen Befrachter zur Bewirkung der Leistung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, datz er die Annahme der Leistung mit dem Abläufe der Frist ablehne: nach dem Ablaufe der Frist ist er berechtigt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrage zurückzutreten, wenn nicht die Leistung rechtzeitig erfolgt ist; der Anspruch auf Erfüllung ist ausgeschlossen. Im Falle von BGB. § 326 Abs. 2 bedarf es der Bestimmung einer Frist nicht.

Anm. 9. 5. Zeichnet der Reederverfrachter oder sein Schiffer über die abgeladene Ware vorbehaltSloS Konnossemente, so liegt hierin das Anerkenntnis, daß der Befrachter seinen Vertrags­ pflichten hinsichtlich des Quantums nachgekommen ist, und zwar trotz der Klausel „Gewicht unbekannt" od. dgl. Doch kann dieses Anerkenntnis nach BGB. § 812 Abs. 2 kondiziert werden (vgl. RG. Bolze 19 Nr. 509).

8 57».

§ 579. Hat der Befrachter bis zum Ablaufe der Zeit, während welcher der Verfrachter auf die Abladung zu warten verpflichtet ist (Wartezeit), die Abladung nicht vollständig bewirkt, so ist der Verfrachter befugt, sofern der Befrachter nicht von dem Vertrage zurücktritt, die Reise anzutreten und die im § 578 bezeichneten Forderungen geltend zu machen. Befugnisse deS Verfrachters im Falle unvollständiger Abladung ([ebenso BSchG. § 35 11J).

An«. 1. 1. Voraussetzung ist, a) Daß der Befrachter 618 zum Ablaufe der Wartezeit die Ladung nicht vollständig ge­ liefert hat. a) Richt vollständig: wenn gar keine Ladung geliefert ist, gilt § 585. Anm. 2. ß) BiS zum Ablaufe der Wartezett (§ 570). Die vorliegende Bestimmung kommt also nicht zur Anwendung, wenn das Schiff vor Ablauf der Wartezeit abfährt, sei es auch infolge Zwanges durch zufällige Ereignisse (Frostwetter: OAG. Lübeck Kterulff 1, 1053; Sturm: HG. Hamburg Hbl. 1872, 269). Eine Ausnahme wird zu machen sein, wenn der Befrachter auf die Einhaltung der Wartezeit verzichtet, wenn er in zweifelsfreier Weise er­ klärt oder sonst klargestellt ist, daß er bis zum Ablauf der Wartezeit den Rest der Ladung nicht liefern will oder sann., Anm. 3. b) Datz nicht der Befrachter vom Vertrage zurücktritt (§§ 580 ff.).

Anm. 4. 2. Unter diesen Voraussetzungen hat der Verfrachter a) die Befugnis, die Reise anzutreten. a) Er ist hierzu befugt, nicht verpflichtet. Wartet er länger, so hat er leinen Anspruch aus Liegegeld (sebenso Mittelstein Handb. 182]), abgesehen von dem Falle entgegenstehender Vereinbarung. Eine solche liegt regelmäßig in der Fortsetzung der Abladung (Anm. 6 zu § 570). Anm. 5. ß) Die Befugnis zessiert naturgemäß, wenn der Befrachter vom Vertrage zurücktritt (§ 582). Anm. 6. b) Zugleich die in § 578 bezeichneten Ansprüche. Auf Grund derselben hat er, soweit sie fällig sind, ein Zurückbehaltungsrecht (Anm. 8 zu § 578); macht er von diesem Ge» brauch, so hat er für die Tage, um die sich die Ausfahrt verzögert, Liegegeld zu beanspruchen, sofern sich ihm kein anderer Weg als das Liegenbleiben zur Wahrung seiner Rechte geboten hat (RG. 15 Nr. 17). Er kann ferner gemäß BGB. § 326 verfahren. Der Verfrachter hat diese Ansprüche nicht, wenn die Nichtvervcllständigung der Abladung auf einem Zufall beruht, von dem sich der Befrachter freigezeichnet hat (Force-majeure» Klausel: HansOLG. Hbl. 1915, 131). Liegt eine solche Freizeichuung nicht vor, so ist der Zufall zu Lasten des nicht zurückttetenden Befrachters.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

359

§ 580.

§ 580.

Der Befrachter kann vor dem Antritte der Reise, sei diese eine einfache oder eine zusammengesetzte, von dem Vertrag unter der Verpflichtung zurücktreten, die Hälfte der bedungenen Fracht als Fautfracht zu zahlen. Im Sinne dieser Vorschrift wird die Reise schon dann als angetreten erachtet: b wenn der Befrachter den Schiffer bereits abgefertigt hat; 2. wenn er die Ladung bereits ganz oder zu einem Teile geliefert hat und die Wartezeit verstrichen ist. Vorbemerkung zu den §§ 580—586. Diese Vorschriften, welche Geltung haben zunächst Einleitung, nur für Charterverträge über ein ganzes Schiff, für die beiden anderen Arten des Chartervertrages nur mit den aus § 587 ersichtlichen Modifikationen, behandeln die Fälle, in denen der Befrachter zur Zahlung von Fautfracht*) verpflichtet ist. Diese Verpflichtung ist gegeben 1. im Falle des Rücktritts des Befrachters, sei es vor Antritt der Reise (§§ 580, 581), sei es nach demselben (§ 582). 2. Im Falle des Aufhörens der Verpflichtung des Verfrachters wegen Nicht­ lieferung der Ladung bis zum Ablauf der Wartezeit (§ 585). Zu der Fautfracht treten, falls bereits Ladung geliefert war, WiederauSladungSkosten und sonstige Nebenkosten hinzu (§§ 581, 582). Die Höhe der Fautfracht beträgt im Falle des § 580 die Hälfte der bedungenen Fracht, im Falle des § 582 die volle Fracht, in den Fällen des § 583 zwei Dritteile derselben, im Falle des § 584 die volle Fracht, unter Umständen aber hier unter Abzug eines angemessenen Bruchteiles. Fracht, die der Verfrachter nach dem Rücktritt des Befrachters bzw. nach dem Aufhören seiner Verpflichtung anderweitig erzielt, wird, abgesehen von dem Falle des § 584, aus die Fautfracht nicht angerechnet (§ 586). 8 580 gibt dem Befrachter vor Antritt der Reise ein RücktrtttSrecht, verpflichtet ihn aber, falls er von demselben Gebrauch macht, zur Zahlung der halben Fracht als Faut­ fracht. Das Rücktrittsrecht des Befrachters findet seine Schranke in etwaigen selbständigen Dispositionsrechten des Abladers (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 5) oder Konnossements­ inhabers (vgl. § 659) über die Ladung s(Wüstendörfer 332 Anm. 4; Pappenheim 3, 608)]. 1. Rücktrittsrecht deS Befrachters sdas in Anlehnung an die Sprache des BGB. (vgl. dessen Anm. 1. § 649) besser als Kündigungsrecht bezeichnet wird (so Pappenheim 3, 601 und für das ent­ sprechende BSchG. Mittelstem Handb. 178).] Grundloser Rücktritt vor Vollendung der Ausführung des Frachtvertrages wäre dem Befrachter auch gestattet, wenn nur die Sätze vom Werkverträge des bürgerlichen Rechts in Betracht kämen: der Verfrachter wäre berech­ tigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, müßte sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch andere Verwendung des Schiffes erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt (BGB. § 649). Das HGB. weicht in §§ 581 ff. von den bürgerlichrechtlichen Grundsätzen insofern ab, als es das dem Befrachter grundsätzlich gewährte Rücktrittsrecht in einzelnen Fällen erschwert und praktisch illusorisch macht (§ 582 Abs. 3), als es ferner dem Befrachter außer der fixierten Abstandssumme, der Fautfracht, noch weitere Verpflichtungen auferlegt und endlich für die Regel der Fälle den Verfrachter der Verpflichtung überhebt, sich anderen Verdienst auf die Fautfracht anrechnen zu lassen. Aber sowohl nach bürgerlichem wie nach Handels­ recht handelt der zurücktretende Befrachter nicht vertragswidrig, sondern übt ein ihm gesetzlich zustehendes Recht aus. Dem zurücktretenden Befrachter ist

*) Uber das Verhältnis der kontinentalen Fautfrachtsysteme zum englischen Recht s. Schaps, Bemerkungen zum Queationnaire aur le Fret des Comitö Maritime International (Drucks, des Deut­ schen Seerechtsvereins 1907) 14 ff. (auch Bulletin Nr. 19 des Comitö Maritime International 197ff.).

360 § 580.

Anm. 2.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

derjenige gleich zu behandeln, welcher die Lieferung von Ladung ablehnt unter dem unberech­ tigten Vorgeben, daß er aus irgendwelchen Gründen — etwa wegen Nichtigkeit des Vertrages oder wegen vertragswidrigen Handelns des Gegners — an den Vertrag nicht gebunden sei (HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1867, 396). Der Rücktritt des Befrachters kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen sebenso Mittelstem Handb. 179]; (anders Doyens 2,164) sund Brandts 2, 18 Anm. 2 ; s. aber auch Pappenheim 3, 608/609) und nur einheitlich in Ansehung des ganzen Vertrages aus­ geübt werden (Pappenheim 3 609 gegen Doyens 2, 166)]. Die Verzögerung der Abladung über die Wartezeit hinaus braucht kein stillschweigender Rücktritt zu sein, hat aber nach § 585 ähnliche Rechtswirkungen.

Anm. 3. 2. Nur von dem Rücktritt vor der Reise handelt § 580. Es gilt aber svgl. Pappenheim 3, 602 Anm. 1] im Sinne dieser Vorschrift die Reise schon als angetreten,

a) wenn der Befrachter den Schiffer bereits abgefertigt, d. h. ihm ausdrücklich oder süllschweigend zu verstehen gegeben hat, daß er die Abladung als beendigt erachte (Prot.2122), wobei gleichgültig ist, ob die Wartezeit noch läuft und ob die Ladung vollständig ist (Prot. 2200, 3875); b) wenn er die Ladung bereits ganz oder zum Teil geliefert hat und die Warte­ zeit verstrichen ist. Es besteht also das Rücktrittsrecht des § 580 für einen Befrachter, der auch nur einen Teil der Ladung geliefert hat, nur bis zum Ablaufe der Wartezeit (vgl. § 585) oder, falls der Schiffer früher abgefertigt ist, nur bis zur Abfertigung.

Anm. 4. 3. Fautfracht, abgeleitet vom „saute de tret" swozu vgl. Pappenheim 3, 601 Anm. 3], wird die vom Befrachter im Falle seines Rücktritts geschuldete Vergütung genannt; sie charak­ terisiert sich als gesetzlich fixierte Abstandssumme soder Abfindung, wie Pappenheim 3, 609 sagt; im Verkehr, namentlich der Binnenschiffahrt, ist hier der Ausdruck Reugeld beliebt (vgl. Mittelstein Handb. 177). Weil es sich um eine gesetzlich bestimmte Abfindung handelt und nicht um Schadensersatz (Pappenheim 3, 610), so ist es ohne Bedeutung, ob der Verfrachter sich besser oder schlechter steht, als wenn er die Frachtreise ausgeführt hätte (Mittel­ stein a. a. £),)]• Die Worte des Gesetzes „unter der Verpflichtung" wollen nicht besagen, daß der Befrachter eine vertragliche Verpflichtung zur Zahlung dieser Abstandssumme ein­ zugehen habe, sondern daß er gesetzlich zur Zahlung derselben verpflichtet sei. Das Gesetz statuiert aber nicht etwa ein Rücktrittsrecht Zug um Zug gegen Zahlung der Fautfracht (Prot. 2121: BGB. § 359 findet keine Anwendung): vielmehr kann der Verfrachter für die Zahlung der Fautfracht nur dieselben und keine besseren Bedin­ gungen verlangen als für die Zahlung der bedungenen Fracht.

Hieraus ergibt sich:

Anm. 5. a) Im Zweifel kann der Verfrachter, sobald der Frachtvertrag erledigt ist, die Zah­ lung der Fautfracht s ofort beanspruchen (sebenso Pappenheim 3,612; Mittelstem Handb. 177]). Ist aber die Fracht vom Befrachter zu zahlen und ihm kreditiert, so bleibt die Stundung auch für die Fautfracht bestehen (Prot. 2121. — sAnders Pappenheim und Mittelstem a. a. £).]). Anm. 6. b) Der Verfrachter hat wegen der fälligen Fautfracht ein Pfandrecht an den bereits abge­ ladenen Ladungsgütern, unter denselben Modalitäten, wie es dem Empfänger gegenüber geltend zu machen gewesen wäre (§ 623 sden Pappenheim 3, 613 aber nur entsprechend anwenden will]).

Anm. 7. c) Bei Berechnung der Fautfracht hat sich der Verfrachter dieselben Abzüge gefallen zu lassen, welche vertragsmäßig von der bedungenen Fracht gemacht worden wären, z. B. Adreßkommission (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 264; OG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 53; HansOLG. Hbl. 1881, 127); ferner kann er nur dieselbe Währung, denselben Umrechnungs­ kurs verlangen, der für die bedungene Fracht vereinbart ist (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 53).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

361

4. Die Höhe der Fautfracht beträgt im Falle des § 580 die Hälfte der bedungenen Fracht § 580. [tote es schon im alten hamburgischen Schiffsrecht (Statuten von 1292 Art. XV; von 1497, Anm. 8. Schiffsrecht Art. XXX) bestimmt ist]. 5. Über die Fälle der zusammengesetzten Reisen s. Anm. 1 ff. zu § 583. Anm. 9.

Zusatz. Abweichende Vereinbarungen. Insbesondere Penalty-Clause und Indemnity- Anm. 10. Clause. § 580 enthält dispositives Recht. Den Kontrahenten steht es also insbesondere frei, einseitigen Rücktritt an die Verpflichtung zur Tragung anderer Rechtsnachteile, etwa zur Zah­ lung eines Reugeldes (BGB. § 359) oder einer Vertragsstrafe (BGB. §§ 339 ff.; HGB. § 348: vgl. den vom HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 92 entschiedenen Fall) zu knüpfen oder das Interesse des Verfrachters anderweitig im voraus zu fixieren. Ist, ohne daß einer dieser Fälle vorliegt, § 580 vertragsmäßig ausgeschlossen, so gelten die Regeln des bürgerlichen Rechts (oben Anm. 1). Vielfach ist in englischen Chartepartieformularen die sog. Penalty-Clause enthalten („penalty Anm. 11. for non-performance of this agreement £ . . .“ oder „the amount of freight“). Diese Klausel hat nach englischer Rechtsauffassung — nach der sie allein auszulegen ist (RG. 39, 67ff.)1) — ihre frühere Bedeutung als Strafklausel verloren; der Gläubiger kann nur sein nachzuweisendes Interesse fordern, für welches.der Inhalt der Straf­ klausel nicht einmal eine Höchstgrenze bildet (Voigt Neues Archiv f. Handelsrecht 1, 187 ff., insbes. 197; Carver sect. 722; Maclachlan 432; Stephens, Charter-parties 170; für die Höchst­ grenze HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 667 svgl. Pappenheim 3, 32 Anm. 1]). Dagegen ist es auch nach englischem Recht durchaus zulässig, das Interesse einer Partei an der Erfüllung des Kontrakts im voraus in vernünftiger Höhe zu fixieren („if however the sum fixed is reasonable, and is in effect liquidated damages and not penalty, it will be sustained“: Foard, Law of merchant shipping 466 und die dort zitierten Urteile). Welcher der beiden Fälle beabsichtigt ist, ist nach den Umständen zu beurteilen: der Wortlaut entscheidet nicht unbedingt (Foard 456; Stephens 170 ff.). Mit Recht hat das RG. (39 Nr. 19) in einem Falle, in welchem die Chartepartie die Klausel „indemnity for non-per­ formance of this Agreement the estimated amount of freight“ („Indemnity-Clause“) ent­ hielt, liquidated damages als vorliegend erachtet.

§ 581.

8 681.

Macht der Befrachter von dem im § 580 bezeichneten Rechte Gebrauch, nachdem Ladung geliefert ist, so hat er auch die Kosten der Einladung und lviederausladung zu tragen und für die Zeit der lviederausladung, soweit sie nicht in die Ladezeit fällt, Liegegeld (§ 572) zu zahlen. Die lviederausladung ist mit möglichster Beschleunigung zu bewirken. Der Verfrachter ist verpflichtet, den Aufenthalt, den die lviederausladung verursacht, selbst dann sich gefallen zu lassen, wenn dadurch die lvartezeit überschritten wird. Für die Zeit nach dem Ablaufe der lvartezeit hat er Anspruch auf Liegegeld und auf Ersatz des durch die Überschreitung der lvartezeit entstandenen Schadens, soweit der letztere den Betrag dieses Liegegeldes übersteigt. Befonderheite« für de« Fall des Rücktritts des Befrachters «ach Lieferung vo« Ladung, aber vor Antritt der Reife im Sinne deS § 580 [(»gl. BCchG. § 36 Abs. 2 und 3)]. Der Befrachter hat in diesem Falle autzer der Fantfracht zu zahlen: 1. Die Koste« der Einladung und Wiedera«slad«ng (die sonst nach §§ 561 u. 593 vom Ber- Anm. 1. frachter zu tragen gewesen wären I).

*) Sgl. auch Hans OLG. Hbl. 1887 Nr. 21; anders OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 266; Hans. OLG. Hbl. 1881, 127 und Nr. 46; ROHG. 7, 154.

362

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 581. 2. Liegegeld für die Zeit der Wiederausladung, soweit dieselbe nicht in die Ladezeit fällt — Anm. 2. sei es, daß sie nach Ablauf der Ladezeit überhaupt erst in Angriff genommen oder beenbet wird. Die Verpflichtung, die Wiederausladung mit möglichster Beschleuni­ gung zu bewirken, trifft beide Parteien szustimmend Pappenheim 3, 603]). Anm. 3. 3. Wenn die Wartezeit überschritten wird, Ersatz des hierdurch dem Verfrachter entstandenen Schadens, soweit er das für die Zeit nach dem Ablauf der Wartezeit erwachsene Liege­ geld übersteigt. Diese sehr weitgehende Ersatzverbindlichkeit (vgl. Prot. 2124 ff.; sPappenheim 3, 603 Anm. 4]) rechtfertigt sich durch die dem Verfrachter in Abs. 2 auferlegte Verpflichtung, sich den durch die Wiederausladung entstehenden Aufent­ halt auch dann gefallen zu lassen, wenn dadurch die Wartezeit überschritten wird.

§ 682.

§ 582. Nachdem die Reise im Sinne des § 580 angetreten ist, kann der Be­ frachter nur gegen Berichtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ und gegen Berichtigung oder Sicher­ stellung der im § 6^5 bezeichneten Forderungen von dem vertrage zurück­ treten und die Wiederausladung der Güter fordern. 3m Falle der Wiederausladung hat der Befrachter nicht nur die hierdurch entstehenden Mehrkosten, sondern auch den Schaden zu ersetzen, welcher aus dem durch die Wiederausladung verursachten Aufenthalte dem Verfrachter entsteht. Zum Zwecke der Wiederausladung der Güter die Reise zu ändern oder einen Hafen anzulaufen, ist der Verfrachter nicht verpflichtet.

Rücktritt deS Befrachters nach dem Reiseantritt im Sinne deS § 580. Er findet seine Schranken in etwaigen selbständigen Dispositionsrechten des Abladers (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 5) oder des Konnossementsinhabers (vgl. § 659). Rücktritt des Befrachters ist auch dann als vorliegend zu erachten, wenn der Schiffer als dessen Vertreter (§ 535) die beschädigte Ladung dauernd vom Schiffe trennt (ROHG. 25,10; sähnliche Vorschriften wie § 582 enthält BSchG. § 87]). Anm. 1. 1. Der Rücktritt nach dem Antritt der Reise «nd der Anspruch auf WiederanSladung der Güter ist dem Befrachter nur gegen gewisse Leistungen gegeben. Erfolgen diese nicht vor oder bei der Rücktrittserklärung, so ist der Rücktritt unwirksam, wenn der andere Teil aus diesen Gründen die Erklärung unverzüglich zurückweist; er ist jedoch wirksam, wenn der Befrachter unverzüglich nach der Zurückweisung seine Verpflichtungen erfüllt (analog BGB. § 359). Anm. 2. 2. Der Rücktritt deS Befrachters nach Antritt der Reife ist nicht so schrankenlos durchführ­ bar wie vor Antritt derselben. Denn der Verfrachter ist nicht verpflichtet, zum Zwecke der Wiederausladung der Güter die Reise zu ändern oder einen Hafen anzulaufen (Abs. 3), nicht einmal wenn die Güter beschädigt sind oder das Interesse des Befrachters aus sonstigen Gründen ihre Wiederausladung erheischt (RG. 14, 41). Eine Verzögerung des Auslaufens gehört jedoch nicht zum Begriff der „Änderung" der Reise.

Einleitung.

Anm. 3. 3. Dem Befrachter sind folgende Verpflichtungen anferlegt: a) Er hat dem Verfrachter alles daS zu leisten, was dieser im Falle der vollständigen Aus­ führung des Transports zu fordern gehabt hätte. Es liegt ihm also ob Anm. 4. a) Zahlung der vollen Fracht als Fautfracht, nicht, wie Mittelstem LZ. 1916, 1221 Anm. 1 meint, als Vertragsfracht, wenn auch die gesetzlich fixierte Abstandssumme (Anm. 4 zu § 580) dieser gleich ist: ein Fall der Leerfracht (§ 578) liegt nicht vor; Anm. 5. ß) Berichtigung aller sonstigen in § 614 aufgeführten Forderungen; Anm. 6. ^Berichtigung oder Sicherstellung (BGB. §§ 232 ff.) der in § 615 bezeich­ neten Forderungen.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

363

b) Im Falle der WiederanSladung hat er zu ersetzen

§ 582.

a) die hierdurch entstehenden Mehrkosten, also nicht unbedingt die ganzen Kosten derAnm. 7. Wiederausladung, sondern alle Kosten, die der Verfrachter nicht gehabt hätte, wenn er die Ladung erst im Bestimmungshafen gelöscht haken würde (Prot. 2451); ß) den dem Verfrachter durch den Aufenthalt entstehenden Schaden, nämlich den Schaden, der ihm dadurch entsteht, daß er nach dem Rücktritt nicht sofort beliebig über das Schiff verfügen kann, sondern durch die Wiedcrausladung noch einige Zeit an dem Ort festgehalten wird (Mittelstem LZ. 1916, 1537: HansOLG. Hbl. 1916, 203), mag er in Baraufwendungen oder in entgangenem Gewinn irgendwelcher Art bestehen, mag er vom Befrachter vorauszusehen gewesen sein oder nicht, sofern er nur adäquat ist. Bei­ spiele: Hafenkosten, Heuer- und Unterhaltskosten, Aufwendungen für Ballast, neue Ver­ sicherungen, Vertragsstrafen oder Entschädigungen, Nachteile aus einer später entstehenden Havariegrosse (Verschiebung der Beitragspflicht!), entgangener Frachtverdienst. Der Verfrachter braucht sich nicht den Vorteil anrechnen zu lassen, der ihm aus der vorzeitigen Beendigung des Frachtvertrages erwächst (Mittelstein LZ. 1916, 1538).

§ 583.

§ 583.

Der Befrachter ist statt der vollen Fracht nur zwei Dritteile als Faut­ fracht zu zahlen verpflichtet, wenn das Schiff zugleich auf Rückladung ver­ frachtet ist oder in Ausführung des Vertrags zur Einnahme der Ladung eine Fahrt aus einein anderen Hafen zu machen hat und in diesen beiden Fällen der Rücktritt früher erklärt wird, als die Rückreise oder die Reise aus dem Abladungshafen im Sinne des § 580 angetreten ist. Fautfracht bei zusammengesetzten Reisen. 1. Eine zusammengesetzte (kombinierte) Frachtreise ist eine solche, welche vertragsmäßig inAnm. 1. mehrere zwar durch wirtschaftlichen Zusammenhang verknüpfte, aber sich durch den Gegen­ stand der Beförderung und regelmäßig auch durch den Bestimmungsort voneinander unter­ scheidende Abschnitte zerfällt. Der wirtschaftliche Zusammenhang, welcher die einzelnen Reiseabschnitte von mehreren Einzelreisen unterscheidet, äußert sich darin, daß die verschie­ denen Abschnitte miteinander in innerlicher Beziehung stehen, d. h. daß sie sich nicht nur äußerlich aneinander reihen, sondern auch mit Rücksicht aufeinander festgesetzt sein müssen (Boyens 2, 170). Der einfachste Fall einer zusammengesetzten Reise ist die Hin- und Rück­ reise; weitere Fälle sind gegeben, wenn das Schiff in Ballast nach dem Abladungshafen und von da nach dem Bestimmungshafen gehen soll, ferner wenn es im ersten Bestimmungs­ hafen löschen und neue Ladung einnehmen soll, um sie nach einem zweiten Bestimmungs­ hafen zu bringen usw. Nicht notwendig ist die Vereinbarung eines Gesamt­ frachtsatzes für die ganze Reise. 2. Bestimmungen über die Fautfracht bei zusammengesetzten Reisen treffen die §§ 580, 582, Anm. 2. 583 u. 584, und zwar gilt § 580 und § 582 für alle zusammengesetzten Reisen, § 683 nur für zwei Spezialfälle und § 584 für sämtliche übrigen Fälle. In den beiden Spezialsällen des § 583, nämlich wenn das Schiff zugleich auf Rückladung verfrachtet ist (Hin- und Rück­ reise) und wenn es in Ausführung des Vertrags zur Einnahme der Ladung eine (Ballast-) Fahrt aus einem anderen Hafen zu machen hat, sind folgende Eventualitäten denkbar: a) Der Rücktritt erfolgt, wenn in bezug auf den ersten Reiseabschnitt (Hinreise bzw.Anm. 3. Ballastreise) die Reise noch nicht angetreten (§ 580) ist: dann ist die Hälfte der bedungenen Fracht (Gesamtfracht oder Summe der Einzelfrachten) als Faulfracht zu zahlen (§ 580).

364

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 583. b) Der Rücktritt erfolgt, wenn zwar in bezug auf den ersten, aber noch nicht in bezug Anm. 4. auf den zweiten Reiseabschnitt (Rückreise bzw. Reise aus dem Abladungshafen) die Reise angetreten ist (Beispiel: HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 239): dann sind zwei Dritteile der vollen Fracht als Fautfracht zu zahlen (§ 583). Anm. 5. c) Der Rücktritt erfolgt, nachdem auch in bezug auf den zweiten Reiseabschnitt die Reise angetreten ist: dann ist die volle Fracht als Fautfracht zu zahlen (§ 582). Anm. 6. In allen drei Fällen ist, wenn nicht eine Gesamtfracht für beide Reiseabschnitte vereinbart ist, die Fautfracht nach Zusammenrechnung der beiden Einzelfrachten zu berechnen. Dies hindert aber nicht, daß in havereigrosserechtlicher und versicherungs­ rechtlicher Beziehung beide Einzelfrachten getrennt zu behandeln sind (vgl. Doyens 2, 169).

§ 584.

§ 584.

Bei anderen zusammengesetzten Reisen erhält der Verfrachter, wenn der Befrachter den Rücktritt erklärt, bevor in bezug auf den letzten Reise­ abschnitt die Reise im Sinne des § 580 angetreten ist, als Fautfracht zwar die volle Fracht, es kommt von dieser jedoch ein angemessener Bruchteil in Abzug, sofern die Umstände die Annahme begründen, daß der Verfrachter infolge der Aufhebung des Vertrags Rosten erspart und Gelegenheit zu anderweitigem Frachtverdienste gehabt habe. Der Abzug darf in keinem Falle die Hälfte der Fracht übersteigen. Anm. 1.

Fortsetzung. Liegt keiner der beiden Gpezialfälle deS § 583 vor, so stellen sich die drei Eventuali*

täten folgendermaßen s(vgl. Pappenheim 3, 605 Sinnt. 2)]: a) Der Rücktritt erfolgt, bevor in bezug auf den ersten Reiseabschnitt die Reise an­ getreten (§ 580) ist: dann beträgt die Fautfracht die Hälfte der bedungenen Fracht (§ 580). Anm. 2. b) Der Rücktritt erfolgt, nachdem in bezug auf den letzten Reiseabschnitt die Reise angetreten ist: dann erhält der Verfrachter als Fautfracht die volle Fracht ohne Ab­ zug (§ 582). Anm. 3. c) Der Rücktritt erfolgt, nachdem zwar in bezug auf den ersten und etwaige weiteren, aber noch nicht in bezug auf den letzten Reiseabschnitt die Reise angetreten ist. Für diesen Fall erhält nach § 584 der Verfrachter zwar als Fautfracht s(vgl. Pappen­ heim 3, 611 Anm. 1 gegen Doyens 2, 171 Anm. 3)] die volle Fracht, aber er muß sich einen angemessenen, höchstens auf die Hälfte der Fracht zu beziffernden Bruchteil in Ab­ zug bringen lassen, sofern — was der Befrachter zu beweisen hat — die Umstände die Annahme begründen, daß er durch die Aufhebung des Frachtvertrages Kosten erspart und Gelegenheit zu anderweitigem Frachtverdienst gehabt hat. Über die Höhe des Abzugs

Anm. 4.

entscheidet evtl, richterliches Ermessen. Über die Berechnung der vollen Fracht, falls eine Gesamtfracht nicht vereinbart ist,

gilt das Änm. 6 zu § 583 Gesagte.

8

585.

§ 585. Liefert der Befrachter bis zum Ablaufe der Wartezeit keine Ladung, so ist der Verfrachter an seine Verpflichtungen aus dem Vertrage nicht länger gebunden und befugt, gegen den Befrachter dieselben Ansprüche geltend zu machen, welche ihm zugestanden haben würden, wenn der Befrachter von dem vertrage zurückgetreten wäre (§§ 580, 583, 584). Rechtsfolgen der Nichtlieferung von Ladung -iS zum Ablauf der Wartezeit (§ 570).

Anm. 1. 1. Voraussetzung ist die Nichtlieferung von Ladung bis zum Ablauf der Wartezeit.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

365

a) Nichtlieferung von Ladung. Die Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn gar keine Ladung § 585. geliefert ist: für den Fall unvollständiger Abladung gilt § 579. Aus welchen Gründen die Lieferung der Ladung unterbleibt, ist gleichgültig. b) Ablauf der Wartezeit (§ 570: dreitägige Kündigung!). Siehe unten Anm. 6. Anm. 2. 2. Liegt diese Voraussetzung vor, so ist der Verfrachter Anm. 3. a) an seine Verpflichtungen auS dem Vertrage nicht länger gebunden: er ist ipso jure frei, ohne daß es einer Fristsetzung nach BGB. § 326 oder eines ausdrücklichen oder still­ schweigenden Rücktritts bedürfte, wie ihrs Boyens 2, 172 ff. (vgl. Prot. 3878 ff.) verlangt |(M.) worin diesem aber mit Pappenheim 3, 615 beizutreten ist; vgl. für das entsprechende Binnenschiffahrtsrecht Mittelstem 1, 165 und Handb. 176]. Läßt sich der Verfrachter nachträglich doch auf die Abladung ein, so wird dies freilich in der Regel nicht den Abschluß eines neuen Vertrages, sondern einen Verzicht des Verfrachters auf die Rechtsfolgen des § 585 bedeuten (vgl. Prot. 3879), so daß der Verfrachter nicht Faut­ fracht und Fracht zugleich verlangen kann; b) berechtigt, gegen den Befrachter dieselben Ansprüche geltend zu machen, die ihm beim Anm. 4. Rücktritt deS Befrachters zugestandcn hätten, d. h. Fautfrachtansprüche je nach Lage des Falles aus §§ 580, 583 oder 584 (die §§ 581 u. 582 kommen, weil keine Ladung geliefert ist, nicht in Betracht!) s(vgl. HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1865, 345)]. 3. Die Vorschrift gilt sowohl für einfache alS für zusammengesetzte Reisen. Mit Recht betont Anm. 5. indessen Lewis (1, 286; s. auch Boyens 2, 172 und allgemein Prot. 2499), daß, wenn der Befrachter in einem der vereinbarten Abladungshäfen keine Ladung liefert, sondern ver­ langt, daß sich das Schiff in Ballast nach dem nächsten Abladungshafen begebe, der Ver­ frachter seiner Verpflichtungen nicht ledig ist, sofern der Befrachter die Verpflichtungen uns § 578 erfüllt. Soll der Verfrachter in einem Abladungshafen die Ladung von einem DrittenAnm. 5a. erhalten und erhält er sie nicht, so hat er gemäß § 577 den Befrachter zu benachrichtigen; sofern dies nicht möglich ist, ist er nicht verpflichtet, ohne weiteres nach dem nächsten Ver­ tragshafen weiterzufahren (so mit Recht Boyens 2, 172 gegen Lewis 1, 287). 4. Der Verfrachter ist auch ohne Ablauf der Wartezeit seiner BertragSpflichten ledig, Anm. 6. a) wenn er infolge eines nach dem Vertragsabschlüsse eintretendeu, seine Leistung unmöglich machenden Umstandes zur vorzeitigen Abreise gezwungen wird, b) wenn ihm der Befrachter schon vor Ablauf der Wartezeit in zweifelsfreier Weise erklärt, keine Ladung liefern zu wollen oder zu können. Im Falle a richten sich die Rechtsfolgen, soweit nicht §§ 628, 629 in Betracht kommen, nach bürgerlichem Recht. Beruht also die Unmöglichkeit auf einem Umstand, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, so verliert der Verfrachter den Anspruch auf die Gegen­ leistung (BGB. § 323), kann mithin keine Faulfracht fordern (OAG. Lübeck Kierulff 1, 1053; HG. Hamburg Hbl. 1872, 269); beruht sie auf einem vom Befrachter zu vertretenden Um­ stande, so behält er den Anspruch auf die Gegenleistung unter Anrechnung seiner Ersparnis oder anderweitigen Verwendung (BGB. § 324); beruht sie auf einem von ihm selbst zu ver­ tretenden Umstande, so kann der Befrachter entweder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrage zurücktreten (BGB. § 325), während der Verfrachter den An­ spruch auf die Gegenleistung verliert. — Im Falle b liegt, mangels sonstiger weiterer Ver­ einbarungen (vgl. den vom LG. Hamburg Hbl. 1882 Nr. 128 entschiedenen Fall), Rücktritt des Befrachters vor (vgl.HG.Hamburg NathansHamb. GZ. 1867,396; OAG. Lübeck SeuffA. 12 Nr. 293 = Bremer Sammlung 4, 32 ff.), so daß §§ 680 ff. zur Anwendung gelangen.

§ 586. Auf die Fautfracht wird die Fracht, welche der Verfrachter für andere Ladungsgüter erhält, nicht angerechnet. Die Vorschrift des § 584 Abs. \ bleibt unberührt.

§ 586.

366 § 58K.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Der Anspruch des Verfrachters auf Lautfracht ist nicht davon abhängig, daß er die im vertrage bezeichnete Reife ausführt. Durch die Lautfracht werden die Ansprüche des Verfrachters auf Liege­ geld und die übrigen ihm etwa zustehenden Lorderungen (§ 6^) nicht aus­ geschlossen.

Der Paragraph enthält drei Rechtssätze, welche sich aus dem Begriff und Wesen der Fautfracht von selbst ergeben und offenbar nur zur Beseitigung von Zweifeln in daS Gesetz ausgenommen worden sind. Anm. 1. 1. Der Satz deS Abs. 1 ergibt sich von selbst aus der Gegenüberstellung der §§ 580, 582 u. 583

Einleitung.

mit § 584 (vgl. Ullrich Nr. 84). Anm. 2. 2. Der Satz deS Abs. 2 ergibt sich aus dem Charakter der Fautfracht als Abfindungssumme. Es wäre widersinnig, wenn der Verfrachter, ohne die Ladung erhalten zu haben, die Fracht­ reise ausführen müßte (Ullrich Nr. 46 u. 84). sDa die Fautfracht der Seegefahr nicht aus­ gesetzt ist, kann sie nicht Gegenstand der Seeversicherung sein und ist nicht beitragspflichtig zur großen Haverei (Pappenheim 3, 613).] Im Falle des teilweisen Rücktritts ist der Anspruch des Verfrachters auf die volle Fracht kein Fautsrachtanspruch (Anm. 4 zu § 578). * Anm. 3. 3. Der Satz des Abs. 3 folgt daraus, daß die Fautfracht nur einen Ersatz für die Fracht dar­ stellt: andere bereits entstandene Ansprüche des Verfrachters aus dem Frachtverträge bleiben unberührt.

8 587.

§ 587. 3ft ein verhältnismäßiger Teil oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffes verfrachtet, so gelten die Vorschriften der §§ 567 bis 586 mit folgenden Abweichungen: V Der Verfrachter erhält in den Fällen, in denen er sich nach diesen Vorschriften mit einem Teile der Fracht begnügen müßte, als Faut­ fracht die volle Fracht, es sei denn, daß sämtliche Befrachter zurück­ treten oder keine Ladung liefern. Von der vollen Fracht kommt jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Abzug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht gelieferten annimmt. 2. 3n den Fällen der §§ 58 v 582 kann der Befrachter die Wiederaus­ ladung nicht verlangen, wenn sie eine Verzögerung der Reise zur Folge haben oder eine Umladung nötig machen würde, es sei denn, daß alle übrigen Befrachter zustimmen. Außerdem ist der Befrachter verpflichtet, sowohl die Rosten als auch den Schaden zu ersetzen, welche durch die Wiederausladung entstehen. Machen sämtliche Befrachter von dem Rechte des Rücktritts Gebrauch, so hat es bei den Vorschriften der §§ 58t, 582 sein Be­ wenden.

Der Paragraph dehnt die zunächst nur für den Chartervertrag über ein ganzes Schiff gegebenen Borschriften der §§ 567—586 ans die beiden anderen Arten deS Chartervertrages ans, aber mit zwei Modifikationen. Anm. 1. 1. Die beiden Modifikationen betreffen die Höhe der Fautfracht und die Berechtigung des Befrachters, die WiederanSladnng z« fordern. a) In denjenigen Fällen, in denen sich nach den §§ 580 ff. der Verfrachter mit einem Teile der Fracht begnügen müßte, hat er von dem znrücktretenden oder Ladung nicht liefernden Be-

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

367

frachter die volle Fracht zu beanspruchen. Es kommt indessen von derselben die Fracht für § 587.

die Güter in Abzug, die er an Stelle der nichtgelieferten — sei es von dem­ selben Befrachter (vgl. § 562) oder von Dritten — erhält. b) Der Befrachter kann WiederauSladung der Güter (§§ 581, 582), sofern sie eine Ber-Anm. 2. zögerung der Reise zur Folge haben oder eine Umladung nötig machen würde, nur verlangen, wenn alle übrigen Befrachter zustimmen (was nicht ausschließt, daß sie ihm der Verfrachter auch ohne diese Zustimmung freiwillig gewährt: Prot. 2454). Der Befrachter hat außerdem sowohl die Kosten als den Schaden s(vgl. Pappenheim 3, 607 Anm. 1)] zu ersetzen, welche durch die Wiederausladung entstehen: und zwar, wie der allgemeine Wortlaut des Gesetzes ergibt, nicht nur dem Verfrachter s(wie aber Pappenheim 3, 606 Anm. 2 annimmt)j, sondern allen Beteiligten, denen durch die Wiederausladung Kosten oder Schäden erwachsen. Zu letzteren gehört aber hier nicht die Verschiebung späterer Havariegrossebeiträge (vgl. Anm. 7 zu 8 578): ein Befrachter hat nicht das Recht, zu verlangen daß die Güter eines anderen während der ganzen Reise an Bord bleiben, um zu den Kosten einer etwaigen großen Haverei beizutragen (Prot. 2455). Im Falle des Rücktritts nach Reise­ antritt sind hiernach dem Verfrachter sämtliche Wiederausladungskosten, nicht, wie nach § 582 Abs. 2 nur die Mehrkosten, zu ersetzen. 2. Beide Modifikationen zessieren, sofern die sämtlichen Befrachter in ihren Dispositionen Anm. 3. übereinstimmen, d. h. wenn sie sämtlich zurücktreten oder im Falle a keine Ladung liefern. Alsdann kommen die legislatorischen Gründe, welche zur Statuierung von Ausnahmebestim­ mungen geführt haben (Prot. 3881 ff.), in Wegfall. 3. Haven die mehreren Befrachter nicht getrennte Frachtverträge geschlossen, sondern sich zur Anm. 4. gemeinschaftlichen Charterung eines Schiffes zusammengetan und demgemäß mit dem Ver­ frachter kontrahiert, so liegt Charterung eines ganzen Schiffes vor (Boyens 2, 175). Die er­ forderlichen Dispositionen haben alsdann von den geschäftsführenden Gesellschaftern je nach der Organisation der Gesellschaft auszugehen (BGB. §§ 709 ff.), ohne daß das innere Verhält­ nis der Gesellschafter, insbesondere die Art, wie sie die Räume des gecharterten Schiffes unter­ einander verteilt haben, den Verftachter angeht. Rechtlich ähnlich liegt der Fall, wenn ein vom Schiffer mit der Besorgung von Ladung beauftragter Schiffsmäkler mit einer Reihe von Be­ frachtern Frachtverträge vorbereitet und sodann im Namen aller dieser Befrachter mit dem Schiffer eine gemeinsame Chartepartie schließt (Prot. 2186).

§ 588.

§ 588.

Hat der Frachtvertrag Stückgüter zum Gegenstände, so muß der Be­ frachter auf die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug die Abladung bewirken. 3ft der Befrachter säumig, so ist der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die Lieferung der Güter zu warten; der Befrachter muß, wenn die Reise ohne die Güter angetreten wird, gleichwohl die volle Fracht entrichten. Ls kommt von den letzteren jedoch die Fracht für diejenigen Güter in Abzug, welche der Verfrachter an Stelle der nicht gelieferten annimmt. Der Verfrachter, der den Anspruch auf die Fracht gegen den säumigen Befrachter geltend machen will, ist bei Verlust des Anspruchs verpflichtet, dies dem Befrachter vor der Abreise kundzugeben. Auf diese Erklärung finden die Vorschriften des § 57 x. Anwendung. Die §§ 588—590 geben Vorschriften über die Abladung, über den Rücktritt dcS Be» Einleitung. frachterS und den Zeitpunkt der Abreise beim Stückgütervertrage. Sie beziehen sich, sofern das Gesetz nichts anderes besagt, nicht nur auf den Fall, wo der Schiffer das Schiff „auf Stückgüter anlegt", d. h. sich dem Publikum gegenüber zur Annahme von Stückgütern bereit erklärt hat,

368

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 588. sondern auch auf jeden anderen Transportvertrag über Stückgüter (Prot. 2176). Ein solcher

liegt aber nicht vor, wenn ein Schiffsmakler für eine Anzahl von Befrachtern, von denen jeder nur Stückgüter laden will, einen Chartervertrag mit dem Befrachter abgeschlossen hat (Prot. 2186). § 588 trifft Bestimmungen über die Zeit der Abladung von Stückgütern und die Rechts­ folgen des Verzuges deS Befrachters. Der gesetzliche Normaltypus der Vertragsausführung deckt sich nicht mehr mit den Regelfällen des Verkehrs (vgl. Wüstendörfer Studien 1, 156 ff.). Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Zeit der Abladung. Eine gesetzliche Ladezeit besteht beim Stückgütervertrage nicht, und örtliches Gewohnheitsrecht ist nicht zugelassen (Doyens 2, 183); vielmehr muß der Befrachter auf die Aufforderung des Schiffers die Abladung ohne Verzug bewirken. Anm. 2. a) „Auf Aufforderung deS Schiffers". Es brauchen nicht unter allen Umständen spezielle Aufforderungen an jeden einzelnen Befrachter zu ergehen; wo dies üblich, genügen recht­ zeitige öffentliche Bekanntmachungen, durch welche die Abfahrtszeit des Schiffes und der Schluß der Güterannahme*) kundgegeben werden (hierzu Wüstendörfer Studien 1,198). Auch diese erübrigen sich, wenn regelmäßige Fahrpläne vorliegen, welche ordnungs­ gemäß veröffentlicht sind oder dem Befrachter bei Abschluß des Frachtvertrages mitgeteilt werden.2) Die Aufforderung muß wiederholt werden, wenn die Einladung der Güter aus Gründen, die das Schiff betreffen, unterbrochen worden ist (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 86). Anm. 3. b) „Ohne Verzug", d. h.

Anm. 4. Anm. 5.

a) wenn eine spezielle Aufforderung ergangen ist, innerhalb einer ange­ messenen Zeit nach derselben. Welche Zeit angemessen ist, richtet sich nach Art und Menge der Güter, der Art, wie diese ans Schiff zu schaffen sind, den Witterungsverhält­ nissen und den sonstigen Umständen des Falles. Bei Bemessung der voraussichtlichen Ab­ ladungsdauer hat der Befrachter auch den durch das voraussichtliche Andrängen anderer Befrachter zu gewärtigenden Zeitverlust zu berücksichtigen (vgl. HansOLG. Hbl. 1888, 227); ß) wenn ein Schluß der Güterannahme fixiert ist, bis zu diesem Zeitpunkt. In beiden Füllen ist, um den Befrachter in Verzug zu setzen, ihn „fönmig" z« machen (Abs. 2 u. 3), kein Verschulden seinerseits erforderlich; zufällige Behinderungen sind also zu seinen Lasten (vgl. aber Anm. 6). Dies ergibt sich im Falle a nicht nur aus Sinn und Zweck des Gesetzes, nach welchen eine Verzögerung der Reise auf Kosten des Verfrachters und der übrigen Stückgutbefrachter vermieden werden soll, sondern schon daraus, daß nach bürgerlichem Recht zum Verzüge des Gläubigers ein Verschulden des letzteren nicht nötig ist. Der Befrachter, der trotz Auf­ forderung des Schiffers innerhalb angemessener Frist die Ladung nicht liefert, ist „ein Gläubiger, der die angebotene Leistung nicht annimmt" (BGB. § 293; vgl. Kohler ArchBürgN. 13, 193); denn dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die seinerseits zur Bewirkung der Leistung erforderliche Handlung, die Abladung, vorzunehmen (BGB. § 295). Im Resultat übereinstimmend Boyens 2,183; anders Löwe Note 2 und Lewis Ende­ mann Handb. 4,144 Note 51. Ein Verzug des Befrachters liegt dann nicht vor, wenn der Ver­ frachter zur Zeit der Aufforderung selbst nicht erfüllungsbereit war. Nach der Fassung des § 297 BGB. hat dies der Befrachter zu beweisen (NGRKomm. Note 1 zu 8 297). Im Falle ß ergibt sich der Satz aus der lex contractus: der Verfrachter will nach dem fixierten Standpunkt unter keinen Umständen mehr gebunden sein, Güter anzunehmen. *) Der Verfrachter, der den Schluß der Güterannahme auf eine bestimmte Stunde fixiert hat, darf sich nicht auf den Standpunkt stellen, daß mit dem angegebenen Zeitpunkt jede Übernahme­ tätigkeit des Schiffes aufhöre, daß also nur diejenigen Güter, welche bis zu demselben verl den seien, mitgenommen zu werden brauchten: vielmehr müssen alle Güter, welche bis zu jenem Zeitpunkt an Seite des Schiffes gebracht sind, von diesem zur Beförderung übernommen werden (vgl. Hans OLG. Hbl. 1888 Nr. 97). 2) Vielfach enthalten die Schiffszettelformulare, welche der Verfrachter zur Au füllung an den Befrachter gibt, gedruckte Angaben darüber, an welchem Datum die Schiffe der betreffenden Linie abgehen und wann die Güterannahme geschlossen wird.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

369

c) „Die Abladung bewirkn". Der Befrachter hat das (einige zur Abladung zu tun, d. h. er § 588. hat die Güter — je nach Sachlage — an den Kai oder längsseit des Schiffes, und zwar un- Anm. 6. mittelbar an dessen Seite (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 97) zu liefern, damit sie von dort aus ins Schiff übernommen werden können. Kann bei direkter Übernahme ins Schiff die Ladung

infolge von Hindernissen, die das Schiff veranlaßt hat, nicht an dieses gebracht werden — etwa tveU andere Fahrzeuge zwecks Reparatur oder Verproviantierung des Schiffes oder zwecks Anbringung anderer Frachtgüter den Zugang sperren —, so hat der Verfrachter für die Be­ seitigung der Hindernisse zu sorgen und kann sich, sofern dies nicht geschehen ist, nicht auf eine verspätete Bewirknng der Abladung berufen (HansOLG. Hbl. 1888, 227). Andererseits kann der Befrachter, sofern nicht ungewöhnlicherweise eine bestimmte Stunde zur Übernahme der Ladung fixiert ist, nicht die sofortige Übernahme seiner Güter beanspruchen; er ist vielmehr

d)

2.

a)

b)

verpflichtet, zu warten, bis die Güter in der regelmäßig nach der Ankunftszeit bestimmten oder mit Rücksicht auf ordnungsmäßige Verstauung od. dgl. modifizierten Reihenfolge zur Ver­ ladung kommen (AG. Hamburg Hbl. 1882 Nr. 47; HansOLG. 1. c.). Ist vertragsmäßig eine Ladungsfrist vereinbart, so sind im Zweifel die für die gesetzliche Anm. 7. Ladezeit beim Charterverträge geltenden Grundlätze analog anzuwenden, z. B. der Grundsatz, daß der Tag die kleinste Zeiteinheit bildet (ROHG. 12, 130). (Abs. 2 u. 3.) Rechtsfolgen deS BerzugS deS Befrachters. Dem Verzug steht der ein-Anm. 8. fettige Rücktritt des Befrachters vor erfolgter Abladung (vgl. § 589) gleich ((anders Pappen­ heim 3, 607)]. Der Verfrachter ist nicht verpflichtet, auf die Lieferung zu warten oder auch nur eine Nach­ frist zu gewähren (OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 287): tut er es doch, so hat er keinerlei Liege­ geld» oder Ersatzansprüche ((ebenso Mittelstein Handb. 178)]. Der Befrachter mutz die volle Fracht entrichten. Mer diesen Frachtanspruch des Ver-Anm. 9.

frachters gilt folgendes: a) Sr ist an zwei Bedingungen ((gegen die Anwendung dieses Begriffes hier s. Pappenheim 3, 617 Anm. 4)] geknüpft, nämlich aa) daß das Schiff ohne die Güter die Reise antritt, d. h. abreist, ßß) daß der Verfrachter seine Absicht, den Frachtanspruch geltend zu machen, dem Befrachter vor der Abreise gemäß Abs. 3 kundgibt,*) — eine Erklärung, auf welche die Vorschriften des § 571 Anwendung finden. Erfolgt sie durch Fernsprecher, so bedarf es später nicht des Beweises, daß sie an eine zu ihrer Entgegennahme besonders befugte Person gelangt ist (HansOLG. Hbl. 1912, 68). Auch die zweite Bedingung ist aufschiebend, nicht, wie es nach dem Wortlaut des Abs. 3 den Anschein haben könnte, auflösend. Denn ein Anspruch, der erst mit der Ab­ reise des Schiffes entsteht ((was jedoch Pappenheim 3, 618 Anm. 1 bestreitet)], kann nicht schon vor der Abreise durch eine Unterlassung verlorengehen. Der die Fracht bean­ spruchende Verfrachter hat also den Eintritt beider Bedingungen zu beweisen, ß) Die Höhe ist die der vollen Fracht. Doch kommt in Abzug die Fracht für diejenigen Güter, Anm. 10. welche der Verfrachter, sei es vom Befrachter oder von einem Dritten, an Stelle der nicht gelieferten annimmt, und zwar auch dann, wenn der Verfrachter durch die Annahme der Ersatzgüter sich selbst anderweitigen Frachtverdienstes beraubt (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 70). Die Höhe des Abzugs hat der Befrachter zu beweisen. Ist eine Durchfracht ver­ einbart, so ist im Falle des Verzuges bloß die Fracht bis zum Umladungshafen, nicht die volle Durchfracht zu zahlen, es müßte denn sein, daß der Durchverfrachter bereits einen Vertrag über die Weiterbeförderung des Guts mit einem anderen Schiffe geschlossen hat oder daß er diese mit einem eigenen Schiffe bewirken soll, oder endlich, daß er zugleich namens des zweiten Verfrachters kontrahiert hat (Schilling Durchfrachtvertrag 88 ff.; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 93; anders 1. Aufl. mit Boyens 2, 184 (sowie Pappen­ heim 3, 617 Anm. 2]). *) Diese Spezialvorschrift des Abs. 3 duldet keine analoge Anwendung (RG. 14, 45).

Schaps, Seerecht.

2. Aufl.

24

370

§ 88».

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Besörderung von Gütern.

§ 589. Nach der Abladung kann der Befrachter auch gegen Berichtigung der vollen Fracht sowie aller sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ 6(4) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung der im § 6^5 bezeichneten Forde­ rungen nur nach Maßgabe des § 587 Nr. 2 Abs. \ von dem vertrage zurück­ treten und die Wiederausladung der Güter fordern. Die Vorschrift des § 582 Abs. 3 findet Anwendung.

Rücktritt des Befrachters nach erfolgter Abladung. Anm. 1. 1. Wenn auch die Mitwirkung deS Befrachters an dem Akte der Abladung regelmäßig mit der Lieferung der Ladung an den Kai oder an die Schiffsseite beendet ist, so ist damit die Ab­ ladung selbst noch nicht vollendet: dies ist erst dann der Fall, wenn das Schiff die Ladung übernommen hat. Erfolgt, bevor dies geschehen ist, der Rücktritt des Stückgut­ befrachters, d. h. liefert derselbe die Güter überhaupt nicht oder entfernt er sie nach der Anlieferung wieder, bevor sie das Schiff übernommen hat (vgl. Hamb. Betriebs- und Ge­ bührenordnung für die Kaianlagen § 10 Abs. 5, s. Anhang), so regeln sich die Folgen nach § 588. Anm. 2« 2. Anders, wenn die Güter bereits vom Schiffe übernommen find. Alsdann kann der Be­ frachter vom Vertrage zurücktreten und Wiederausladung fordern nur Anm. 3. a) gegen Berichtigung der vollen Fracht und aller sonstigen aus § 614 ersicht­ lichen Forderungen des Verfrachters, Amn. 4. b) gegen Berichtigung oder Sicherstellung der in § 615 aufgeführten Forde­ rungen, und auch dann nur Anm. 5. c) sofern die Wiederausladung nicht eine Verzögerung der Reise oder eine Um­ ladung nötig machen würde, es sei denn, daß alle übrigen Befrachter zu­ stimmen (Anm. 2 zu 8 587), Anm. 6. d) und sofern nicht zum Zwecke der Wiederausladung eine Änderung der Reise oder das Anlaufen eines Hafens erforderlich ist (§ 582 Abs. 3), Anm. 7. e) mit der Rechtsfolge, daß der zurücktretende Befrachter verpflichtet ist, Kosten und Schäden, die durch die Wiederausladung entstehen, zu ersetzen (Anm. 2 zu 8 587). § 590.

§ 590. 3ft ein Schiff auf Stückgüter angelegt und die Zeit der Abreise nicht festgesetzt, so hat auf Antrag des Befrachters der Richter nach den Umständen des Falles den Zeitpunkt zu bestimmen, über welchen hinaus der Antritt der Reise nicht verschoben werden darf.

Richterliche Festsetzung der Abreife. Die Bestimmung des § 590 ist unpraktisch für den Linienverkehr (Wüstendörfer Studien 1, 197). Anm. 1. 1. Voraussetzung. Der Paragraph gilt nur für den ^besonderen) Fall, daß der Verfrachter das Schiff „auf Stückgüter angelegt", d. h. sich dem Publikum gegenüber zur Annahme von Stück­ gütern bereit erklärt hat (Prot. 2187), und ein Abreisetermin nicht oder trotz öffentlicher Be­ kanntgabe nicht verpflichtend (vgl. HansOLG. SeuffA. 59, 370) oder nur durch unbestimmte Redensarten („sobald als möglich" od. dgl.) festgesetzt ist. Es soll in diesem Falle — mangels entgegenstehender Abrede (Prot. 2188, 2190 ff.) — der Befrachter nicht verbunden sein, un­ verhältnismäßig lange Zeit auf die Abreise zu warten. s(vgl. Pappenheim 3, 54)]. «nm. 2. 2. Die Festsetzung erfolgt auf Antrag des Befrachters durch das Amtsgericht (§ 145 FGG.), und zwar dasjenige des Hafens, in dem sich das Schiff befindet. Vor der Beschluß­ fassung ist, wenn tunlich, der Gegner (Verfrachter bzw. Schiffer) zu hören (§ 146 Abs. 1 FGG.);

371

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

das Gericht hat, wenn erforderlich, von Amts wegen Ermittlungen zu veranstalten und Be- § 590. weise aufzunehmen (§ 12 FGG.). Die Verfügung, durch die über den Antrag entschieden wird, ist von Amts wegen zuzustellen (§ 16 Abs. 2 FGG.) und durch sofortige Beschwerde anfechtbar (§ 146 Abs. 2 FGG.). 3. Kommt der Verfrachter der gerichtlichen Verfügung nicht nach, so macht er sich schadens- Anm. 3. ersatzpflichtig (Beispiel: HansOLG. Hbl. 1908, 156, wo als Schaden die Differenz der Preise zu der Zeit, zu der die Ware eintreffen sollte und zu der sie eintraf, angenommen wurde). Doch muß ihm im Prozesse der Gegenbeweis offenstehen, daß die Verfügung von falschen Voraussetzungen ausging oder aus anderen Gründen unrichtig war.

§ 591.

§ 591.

Bei jeder Art von Frachtvertrag hat der Befrachter innerhalb der Zeit, binnen welcher die Güter zu liefern sind, dem Schiffer zugleich alle zur Ver­ schiffung der Güter erforderlichen Papiere zuzustellen. Pflicht deS Befrachters zur Lieferung der Begleitpapiere. 1. Die Ladung bedarf für die Reise gewisser Begleitpapiere, mittels deren ihre Identifizierung Anm. 1. soll erfolgen können, insbesondere bei der etwa erforderlichen Klarierung des Schiffes (Anh. zum 3. Abschnitt Anm. 6; Klarierung der Ladung: ROHG. Hbl. 1878 Nr. 52) und bei der zollamtlichen Behandlung im Ausfuhr- oder Bestimmungshafen. Vielfach bedarf der Schiffer dieser Papiere, um seiner eigenen Pflicht aus § 513 Abs. 1 nachkommen zu können (vgl. HansOLG. Hbl- 1886, 55). Die Lieferung der Begleitpapiere — in der Regel handelt es sich um Zolldeklarationen, Ursprungsatteste, Nachweisungen für die Statistik, s(vgl. Sievefing 75), doch gehiören hierher auch die nach § 642 Abs. 3 dem Schiffer zu erteilenden Konnossementsabschristen (Pappenheim 3, 207)] — gehört zur Abladung, ist also Sache des Befrachters. Es handelt sich um eine Bringschuld (unrichtig HG. Mannheim BuschsA. 22, 358. [(M.) Dem kann nicht beigetreten werden. Mit Recht hebt Pappenheim 3, 207/208 hervor, daß der Befrachter, ebensowenig wie ihm eine Leistungspflicht für das Frachtgut ob­ liegt, auch nicht die Begleitpapiere zu liefern schuldig ist. Der Befrachter kommt daher durch Nichtlieferung der Begleitpapiere in Gläubiger-, nicht in Schuldnerverzug.] 2. Die Zustellung der Begleitpapiere an den Schiffer hat zu erfolgen innerhalb der Zeit,Anm. 2. binnen welcher die Güter zu liefern sind. Hieraus folgt, daß der Befrachter, der zwar die Ladung während der Ladezeit geliefert, die Papiere aber erst innerhalb der überliegezeit beigebracht hat, Liegegeld zahlen muß (Prot. 3854), wegen dessen der Verfrachter an den übernommenen Gütern, auch wenn sie noch nicht ins Schiff eingeladen sind, das Pfandrecht des § 623 erlangt (Pappenheim 2, 354 Note 1). [liefert der Befrachter die Papiere nicht, so kann er, da er sie nicht schuldet, nicht auf Lieferung verklagt werden. Der Verfrachter hat vielmehr die Befugnisse, wie wenn ihm das Gut nicht oder nicht vollständig geliefert ist. Er wird hier aber auch berechtigt sein, bereits verladene Güter wieder auszuladen und den Befrachter für die entstandenen Kosten verantwortlich zu machen (Pappenheim 3, 208; auch Sieveking 75, der aber zuweit geht, wenn er sagt, daß die Güter hier wie ungesetzliche nach § 563 Abs. 4 behandelt werden dürften). Sind die Papiere geliefert, aber mangelhaft, so ist nicht — wie nach HGB. § 427 (vgl. Mittelstein Handb. 138) — der Befrachter hierfür schlechthin ver­ antwortlich, sondern nur nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts (vgl. Pappenheim 3, 208 Anm. 4).] Innerhalb welcher Zeit der Schiffer seiner Pflicht aus § 513 Abs. 1 zu genügen hat, bestimmt das Gesetz nicht (Prot. 2086 ff.).

§ 592.

§ 592.

Der Schiffer hat zur Löschung der Ladung das Schiff an den j)latz hin­ zulegen, der ihm von demjenigen, an welchen die Ladung abzuliefern ist 24*

372

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ KS2. ((Empfänger), oder, wenn die Ladung an mehrere Empfänger aözuliefern ist, von sämtlichen (Empfängern angewiesen wird. (Erfolgt die Anweisung nicht rechtzeitig oder wird nicht von sämtlichen (Empfängern derselbe Platz angewiesen oder gestatten die wassertiefe, die Sicherheit des Schiffes oder die örtlichen Verordnungen oder (Einrichtungen die Befolgung der Anweisung nicht, so hat der Schiffer an dem ortsüblichen Löschungsplatz anzulegen. Einleitung.

LöschungSPlatz. Die Vorschriften des § 592 entsprechen denjenigen über den Ladungsplatz (§ 560). Sie gelten formell für jede Art des Frachtvertrages. Verkehrsüblicherweise Pflegen jedoch Schiffe, d'e Stückgüter löschen, ihren Löschungsplatz selbst zu wählen, insbesondere die Schiffe regelmäßiger Linien, welche ihre festen Löschungsplätze haben. Vorauszuschicken ist eine Vorbemerkung über den Löschungshafen.

Anm. 1. I. Löschungshafen. Der Löschungsplatz seine Stelle im Löschungshafen) setzt einen Löschungs­

Anm. r

Anm. 3,

Anm. 4.

hafen, Bestimmungshafen, voraus. Die Bestimmung desselben erfolgt entweder von vornherein im Vertrage oder erst später, z. B. im Orderhafen, seitens des Befrachters s(vgl. Pappen­ heim 3,397)]. Wo dem Befrachter die nachträgliche Wahl zusteht, hat er, auch wenn dies nicht besonders ausgemacht ist, nur einen safe port zu wählen, d. h. einen solchen Hafen, in welchem das Schiff weder aus politischen noch aus sanitären oder elementaren Gründen (ein Beispiel für letztere: Naut. Mag. 85, 487) Gefahr läuft. Die Eigenschaft eines Hafens als safe port wird indessen dadurch nicht ausgeschlossen, daß ihn das Schiff bei normalem Wasserstande in beladenem Zustand nicht erreichen kann, so daß Ableichterung erforderlich ist (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 21 und 1900 Nr. 100 [bestätigt vom RG. Hbl. 1901 Nr. 90]; anders Boyens 2, 186; Carver sect. 457). Hindernisse der Fahrt zum Löschungshafen berechtigen unter Umständen jeden Teil zum Rücktritt vom Vertrage (§ 634 Abs. 1). Liegt ein solcher Fall nicht vor, so werden durch sie die Pflichten des Verfrachters nicht modifiziert (§§ 637, 638). Der Verfrachter muß also, wenn es sich um vorübergehende Hmdernisse handelt (z. B. Eis, niedriger Wasserstand), deren Beseitigung abwarten (Voigt Neues Archiv f. Handelsrecht 3, 83; vgl. auch § 634 Abs. 2), sonst aber den Transport mit anderen Transportmitteln auf seine Kosten zu Ende führen. Sehr gebräuchlich sind indessen vertragsmäßige Abänderungen dieser Sätze.

Das Schiff kann sich ausbedingen, daß, falls der Bestimmungshafen aus irgend­ einem Grunde unsafe ist, der Schiffer die Ladung nach einem anderen, sicheren Hafen bringen und dort löschen darf („the master to have the Option of landing the goods at any other port, which he may consider safe"), wobei er allerdings nicht jeden be­ liebigen, sondern einen dem Bestimmungshafen möglichst nahegelegenen Hafen wählen muß, so daß die Worte „at any other port" sachlich den vielfach in gleichem Zusammenhänge vor­ kommenden Worten „at the nearest safe and convenient place" od. dgl. gleichstehen (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 1; RG. daselbst Nr. 78 = Bolze 5 Nr. 630b; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 74; RG. 25, 95). Bei Beantwortung der Frage, ob ein Hafen „convenient" ist, dürfen nicht einseitig die Interessen des Schiffes, sondern es müssen auch die der Ladung Berücksichtigung finden (RG. 89, 329). Ähnliche Wirkung hat die Klausel, durch die sich daS Schiff Vorbehalt, sich uur soweit

dem Bestimmungshafen zu nähern, als e8 dies ohne Gefährdung seiner Sicherheit ver­ mag („the ship to proceed to the port of X. or so near unto as she savely may get always afloat" ^Variationen: Hbl. 1905, 111; „nach X. oder soweit das Schiff mit Sicherheit fließen kann"]; „au port de X. ou aussi pres que le navire pourra aller sürement et toujours ä flöt" od. dgl.). Diese Klausel bezieht sich nicht, wie das HansOLG. Hbl. 1885, 192 = SeuffA. 45 Nr. 207 annimmt, auf den Fall, daß das Schiff innerhalb des Bestimmungshafens den angewiesenen oder ortsüblichen Löschplatz nicht erreichen kann: denn

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

373

dann hat es ja den Bestimmungshafen erreicht (Einlaufen auf der Reede von KuxhavenrZ 592. RG. 14, 8; HansOLG. Hbl. 1886,182). Sie bezweckt vielmehr unter gewissen engbegrenzten Voraussetzungen die Festsetzung eines eventuellen Reiseendziels (See- u. HG. Stettin BuschsA. 10, 406;RG. Bolze 21 Nr. 449; HansOLG. Hbl. 1905,112; Sieveking 282 sPappenheim 3 S. 399—401]). Kann das Schiff infolge eines Hindernisses, das nicht nur ein vorüber­ gehendes ist, so daß seine Beseitigung abgewartet werden kann (Carver sect. 453; RG. 14,16; sHansOLG. 29. Oft. 1919. HansRZ. 3, 135]), das auch nicht durch geeignete Maßregeln, wie teilweise Leichterung in verständigen Grenzen („moderate and reasonable lightening“: Urt. Hillstrom gegen Gibson bei Carver sect. 457; vgl. RG. 14, 116) zu umgehen ist, ohne Gefährdung seiner Sicherheit den Bestimmungshafen nicht erreichen, so hat der Verfrachter den Frachtvertrag erfüllt, wenn er die Ladung nach dem nächst­ erreichbaren Platze bringt. Eine langjährige deutsche Praxis hat, das Urt. des OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 3, 422 = Ullrich Nr. 316 nicht verstehend, angenommen, daß die Klausel das Schiff nicht von der Verpflichtung, die Ladung nach dem vereinbarten Bestimmungshafen zu bringen, entbinde, daß sie also, falls das Hindernis in zu großem Tiefgang besteht, das Schiff zwar zur Leichterung berechtige, ihm aber deren Kosten aufbürde (so HG. und OG.Hamburg Hbl. 1872 Nr. 73, 102 = BuschsA. 27, 191 ff.; Hbl. 1873 Nr. 195, 238 = BuschsA. 29, 254 ff.; HansOLG. Hbl. 1884, 299; 1889 Nr. 80 = SeuffA. 45 Nr. 207; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 130; 1892 Nr. 21; HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 102; vgl. auch LG. Oldenburg OldZ. 16, 74 ff.; RG. daselbst 90 und RG. 14, 116). Mit dieser Praxis hat das Urteil des HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 52 (vgl. schon das zum Teil abweichende Urt. des RG. Bolze 21 Nr. 449) endgültig gebrochen. Wer entstehende Leichterkosten zu tragen hat, besagt die Klausel nicht (OG. Hamburg Hbl. 1872, 256; HanjOLG. Hbl. 1900, 207; 1905, 112). Die Kosten teilweiser Leichterung zur Überwindung von Barren in Flüssen oder Häfen, wo solche dem Schiffe zugemutet werden kann (s. o.), hat, mangels ander­ weitiger Abrede (Anm. 5 zu 8 621), wie § 621 Abs. 2 ergibt, der Verfrachter zu tragen (OAG. Lübeck a. a. O.; HG. Hamburg Seebohm 314; See- u. HG. Stettin BuschsA. 10, 405; RG. 14, 116; HansOLG. Hbl. 1905, 113; anders die englische und französische Praxis, z. B. Kassationshof Paris Revue 16, 74ff.; HG. Rouen ZVersWes. 1912, 412, und der ersteren folgend RG. Bolze 21 Nr. 449). Mit dem Nest der Ladung hat das Schiff die Reise nach dem eigentlichen Bestimmungshafen fortzusetzen (Carver sect. 457; HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 100; RG. Hbl. 1901 Nr. 90). Kann aber nach Sachlage dem Verfrachter eine solche Leichte­ rung nicht zugemutet werden, hat er also nach der Klausel den Frachtvertrag erfüllt, indem er die Ladung bis zu dem Hindernis gebracht hat, so ist die Frage, wer die Kosten des Leichter­ transports bis zum eigentlichen Bestimmungsort zu tragen hat, mangels Vereinbarung nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden. Das heißt: wenn der Empfänger an dem nun­ mehrigen Reiseendpunkt empfängt — seine Verpflichtung hierzu kann durch Klauselzusätze wie „where she shall deliver and charterer’s agent shall reeeive her cargo from alongside“ (HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 69; 1900 Nr. 100) ausdrücklich ausgesprochen sein —, so sind die von ihm aufgewendeten Leichterkosten Kosten der Löschung, die nach § 593 ihm zur Last fallen. Wendet aber der Schiffer Kosten auf, um von dem nunmehrigen Reiseendpunkt aus die Ladung nach dem vereinbarten Bestimmungsort weiterzubefördern, so liegt eine Maßregel nach § 535 vor, deren Kosten im Endergebnis gleichfalls die Ladung zu tragen hat. Bei der Auswahl des Leichterschiffs hat der Schiffer bzw. Verfrachter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufzu­ wenden, insbesondere was die Seetüchtigkeit (AppG. Brüssel Revue 3, 75) oder die richtigen Dimensionen des Leichters (HansOLG. Hbl. 1905, 143: Vermeidung unnötiger Kosten) an­ langt. Ohne Not darf er für den Leichtertransport nicht ungünstigere Bedingungen verein­ baren als die, welche für ihn selbst gelten, z. B. nicht eine ihm selbst nicht erlaubte Verladung auf Deck dem Leichter gestatten (LG. Hamburg 10. Jan. 1908, Arrotegni gegen Gärtner H VII 606/07). Sehr häufig sind die sog. CMlauseln, entweder dahingehend, daß das Schiff, wenn Anm. 5. es durch Eis an der Erreichung des Bestimmungshafens verhindert s(vgl. Pappenheim 3,153

374 8 592.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Anm. 4)] werden sollte, die Güter in einem anderen Hafen behufs Beförderung mit anderweitigen Transportmitteln auf Kosten des Schiffes, aber ohne Gefahr für dasselbe, löschen darf (RG. 10,28), oder des Inhalts, daß das Schiff unter der gleichen Voraussetzung das Recht hat, die Ladung in einem anderen Hafen definitiv zu löschen mit der Konsequenz, daß dieser Hafen an die Stelle des Bestimmungshafens tritt (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 80 = SeuffA. 45 Nr. 207; Beispiele: OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 4 Nr. 38: „si el rio Elba estu viere heia do, el capitän podra descargar en el puerto mas immediato a Hamburgo que crea conveniente“; NOHG. Hbl. 1872 Nr. 232 = BuschsA. 27, 172 ff.: „if in case of blockade or ice it is positively impossible to reach Hamburg or Altona, the captain has the liberty to proceed into Glückstadt or eise other nearest port for discharging the cargo“; OLG. Kiel Recht 1906 Nr. 369: „in case of port of discharge being inaccessible on account of ice, steamer is at liberty against payment of full freight to discharge the cargo in the nearest safe port in the same country with railway connections“; vgl. auch den Fall Hbl. 1884 Nr. 14: „should port of discharge be inaccessible by reason of ice on steamers arrival, the master shall have the Option of waiting, until the port is again open, or of proceeding to the nearest safe open port or roadstead . . ähnlich der vom AppG. Viborg Revue 15, 357 entschiedene Fall; weitere Beispiele bei Voigt Neues Archiv f. Handels­ recht 3, 84ff.). Die Klauseln beziehen sich nur auf den Fall, daß das Schiff in der Nähe des Löschungshafens Eis antrifft, nicht auch auf den, daß dies irgendwo auf der Reise geschieht (AppG. Viborg Revue 15, 358). Für die Annahme, daß der Fall der Eisklausel vorgelegen hat, ist nicht der Beweis absoluter Unmöglichkeit der Erreichung des Bestimmungs­ orts zu fordern, sondern nur der Nachweis, daß die Eisverhältnisse derartig waren, daß in ihnen vom Standpunkt eines verständigen Schiffers eine Gefahr für Schiff und Ladung gefunden werden konnte (OLG. Kiel 1. c.). Weniger häufig kommt es vor, daß dem Emp­ fänger das Recht zugesprochen wird, Löschung in einem anderen Hafen zu verlangen („should the Navigation to Hamburg be interrupted by ice and the steamer get into Glückstadt, the consignees to have the Option, having the goods delivered there, or kept on board until the vessel can get up to Hamburg“: Voigt 1. c. 85).

Anm. 6.

Über Bremen als Bestimmungshafen („the port of Bremen“) s. das Bremische Lösch­ gesetz (s. Anhang) und die Urteile des HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 102 und des RG. Hbl. 1895 Nr. 8; 1899 Nr. 36; auch des LG. Bremen Hbl. 1885 Nr. 33 ssowie Pappenheim 3, 401].

Anm. 7i II. Löschungsplatz im Löschungshafen. 1. Die Wahl ded LöschungSplatzeS hat, sofern nicht etwa das Schiff ohne Rücksicht hierauf an behördlich vorgeschriebenen Plätzen zu löschen hat (vgl. z. B. VZG. § 89; s. auch Hbl. 1901 Nr. 106) oder eine abweichende Vereinbarung vorliegt („the consignee to receive the cargo, whereever the steamer is lying“: HansOLG. Hbl. 1913, 148 — SeuffA. 69, 31; Bestimmung des Löschplatzes durch den Charterer oder seinen Agent (Anhang zum 3. Ab­ schnitt Anm. 5 Note 2]: Hbl. 1912,156), grundsätzlich der Empfänger sebenso nach Binnen­ schiffahrtsrecht; s. Mittelstem Handb. 218], d. h. derjenige, an den die Ladung, sei es auf Grund des Frachtvertrages oder der Anweisung des Abladers, sei es auf Grund des Kon­ nossements, abgeliefert werden soll (Empfänger im untechnischen Sinne, Destinatär: Ehrenberg 115 Anm. 50; Schaps GoldschmidtsZ. 42, 411. Näheres zu § 614 (wozu schon hier bemerkt wird, daß Pappenheim 3, 41 mit Recht geltend macht, daß angesichts der Be­ griffsbestimmung des § 592 (vgl. § 426) der Destinatär richtiger als Empfänger im technischen Sinne bezeichnet werden sollte]). Wenn dieser, sei es im voraus, sei es nach erfolgter An­ zeige der Löschbereitschaft (ROHG. 19, 290), dem Schiffer einen bestimmten Löschungsplatz angewiesen hat, so. hat der Schiffer an denselben das Schiff zur Löschung der Ladung hinzulegen. Ein Recht hierauf hat aber der Empfänger immer nur dem Schiffe gegenüber, er hat nicht etwa bei der Kaiverwaltung den Liegeplatz des Schiffes auszumachen (Mathies Hbl. 1913,226). Da die Löschung ein einheitlicher Akt ist, so braucht sich das Schiff, wenn nicht besondere Umstände oder Vereinbarungen vorliegen, auf Teillöschungen an verschiedenen Löschungs-

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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Plätzen nicht einzulassen (LG. Bremen Hbl. 1885 Nr. 33). Der Empfänger hastet für Ver- § 592. schulden in der Auswahl des Löschungsplatzes (vgl. RG. 40, 301). Sind mehrere Empfänger vorhanden s(vgl. Pappenheim 3, 48)], so steht das Wahl- Anm. 8. recht ihnen allen zusammen zu. Ob und wie sie sich einigen, ist ihre Sache (ROHG. 19, 290); die Anweisung an den Schiffer hat von allen übereinstimmend zu ergehen (s. u. Anm. 10; svgl. Mittelstein Handb. 223]). 2. Das Recht deS bzw. der Empfänger auf Anweisung deS LöfchungSplatzeS ist, und zwar Anm. S. auch, wenn es auf Vertrag beruht, bedingt (RG. 15, 159) a) durch rechtzeitige Ausübung. Rechtzeitig ist sie, wenn sie so frühzeitig erfolgt, daß der Beginn der Löschzeit nicht durch sie verzögert wird (ROHG. 19, 290). Das Recht erlischt durch Verweigerung einer Erklärung, der eine ausweichende Antwort gleichzustellen ist (ROHG. a. a. O.). — Eine hier in Betracht kommende landesrechtliche Bestimmung ent­ hält § 1 des Bremischen Löschgesetzes (s. Anhang). b) Bei einer Mehrheit von Empfängern durch übereinstimmende Ausübung: machen nur Anm. 10. einzelne Empfänger von ihrem Rechte Gebrauch, so kann und bars1) deren Anweisung vom Schiffer nicht berücksichtigt werden (ROHG. 19, 291), ssondern er hat gemäß § 592 Abs. 2 an dem ortsüblichen Löschungsplatz anzulegen]. c) Durch geeignete Ausübung, d. h. durch die Wahl eines geeigneten Löschungsplatzes (RG.Anm. 11. 15, 159). Ungeeignet ist der Löschplatz, wenn sich seine Benutzung verbietet mit Rück­ sicht auf a) die Wassertiese, — oder Anm. 12. ß) die Sicherheit des Schiffes (Beispiel: Hbl. 1904, 68). Ob diese gefährdet ist, hat derAnm. 13. Schiffer nach pflichtgemäßem Ermessen, wenn nötig, nach Einholung geeigneter Auskünfte, zu beurteilen stvgl. Mittelstein Handb. 219)], und das Resultat dieses Ermessens hat der Empfänger, auch im Falle der objektiven Unrichtigkeit, gegen sich gelten zu lassen (RG. 15, 160). Bei der Prüfung der Sicherheitsfrage ist auch in Betracht zu ziehen, ob die Rückfahrt des Schiffes vom Löschungsplatze mit Gefahr verbunden sein würde (ROHG. 5 Nr. 85; RG. 16, 158; KG. Rechtspr. 20, 4); — oder Y) die örtlichen Verordnungen oder Einrichtungen. Bezüglich der VerordnungenAnm. 14. ist es gleichgültig, ob es sich um generell gültige Normen handelt (Beispiel: ROHG. 17 Nr. 23) oder um für den Einzelfall erlassene Anordnungen (z. B. ein Verbot des Hafen­ meisters: Ullrich Nr. 254; Nathans Hamb. GZ. 1865, 315). Die Gründe für die Nicht­ benutzbarkeit eines Löschungsplatzes infolge örtlicher Einrichtungen sind meist technischer Natur. Ein solcher Grund liegt nicht vor, wenn der betreffende Platz zeitweise, z. B. wegen regulär turn (Anm. 6 zu 8 567), anderweitig besetzt ist (ROHG. 15, 235). Stellt sich nachträglich heraus, daß der Löschungsplatz ein ungeeigneter (im Sinne Anm. 15. von Anm. 11 ff.) ist, so hat der Empfänger dem Schiffer auf Verlangen nachträglich einen geeigneten Löschungsplatz anzuweisen, widrigenfalls der Schiffer so zu verfahren hat, als wäre ihm überhaupt kein Löschungsplatz angewiesen worden (HansOLG. Hbl. 1890, 255; vgl. LG. Hamburg Hbl. 1887 Nr. 111 und KG. Rechtspr. 20, 4; Wittelstein Handb. 220]); Mehrkosten, die infolge der Ungeeignetheit des angewiesenen Löschplatzes entstehen, z. B. Ausbaggerungskosten, sind zu Lasten des Empfängers (HansOLG. Rechtspr. 32, 192). 3. Defiziert eine der Bedingungen zu 2, so hat der Schiffer an dem ortsüblichenAnm. 16. Löschungsplatz2) anzulegen. T) Das LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 77 spricht den unrichtigen Satz aus, daß, wenn die Ent­ scheidung über die Wahl des Löschungsplatzes dem Empfänger oder einer Mehrzahl von Empfängern zustehen sollte, nur das Quantum des von jedem Empfänger abzunehmenden Frachtguts für maß­ geblich und der Schiffer für verpflichtet erachtet werden müsse, dem Verlangen desjenigen Emp­ fängers stattzugeben, welcher den größeren Teil der Gesamtladung abzunehmen habe. Richtig OLG. Königsberg PosMSchr. 1910, 162. ?) In Hamburg kann der Schiffer am Kai als ortsüblichem Löschplatz anlegen (§ 2 Abs 5. der Betriebs- und Gebührenordnung für die Kaianlagen vom 22. Dez. 1893). Doch hat er die Wahl,

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ KS2. 4. übet die Wirkung der sich dem Schiff entgegensteNenden Hindernisse, zum LöschrrrgSPlatze zu gelangen, s. Anm. 2 ff. zu 8 594.

Anm. 17.

Anm. 18. 5. über die Haftung des Staats für die Brauchbarkeit des Löschplatzes s. Mittelstem 1, IN ff. fund Handb. 160]. Anm. 19. 6. [(M.) Zusatz: Kaianstalten?)

1. KaiS nnd Kaianstalten.

Seeschiffe laden oder löschen bald auf der Reede oder im Stwm, bald am Ufer. Das Ufer kann ausgebaut sein oder nicht, es kann besetzt sein mit Baulichkeiten (Schuppen, Speichern) oder frei sein von solchen. Ob die einen oder die anderen Lade- oder Löschplätze ortsüblich sind, darüber entscheiden örtliche Verordnungen oder Ortsgebrauch. Ausgebaute Ufer mit Einrichtungen zum Laden oder Löschen, oft auch versehen mit Schuppen zum Schutz der Güter für die Zeit bis zur Übernahme in das Seeschiff oder

bis zum Abrollen nach der Entlöschung aus dem Seeschiff, werden Kais genannt (vgl. z. B. hamburgische V. vom 12. Febr. 1895, Gesetzsamml. II, 7). Eine eigenartige Ausbildung solcher Kaieinrichtungen sind die Kaianstalten. Sie sind nicht einfache Lagerhäuser, sondern besondere Anstalten, welche bestimmt sind, den Verkehr zwischen Ablader und Schiff bzw. zwischen Schiff und Empfänger zu erleichtern, insbesondere zu beschleunigen. Das geschieht aber nicht nur dadurch, daß sie ihre tech­ nischen Hilfseinrichtungen gegen Entgelt zur Verfügung stellen, sondern namentlich euch dadurch, daß sie in rechtlicher Beziehung eine eigenartige Mittlerstellung haben (Wagner 1, 275; Schaps 384 Anm. 1). Es ist das für hamburgische Verhältnisse oft in die Formel gekleidet: die Kaianstalt ist die Allonge des Schiffes (so Schaps 386; Sieveking 43; Wulff 1, 483 Anm. 2; Mathies a. a. O. 232 Sp. 2; ROHG. 18 Nr. 82; HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 48; 1894 Nr. 34; 1895 Nr. 9; RG. Hbl. 1891 Nr. 10), aber es darf nicht vergeben werden, daß dies nur ein Bild ist (Brandts 1, 79).

Anm. 20. 2. Der Geschäftsverkehr der Kaianstalten untersteht dem bürgerlichem Recht. Da die Kaianstalten Hilfseinrichtungen des Seehandels sind, so bewegt sich ihre Tätigkeit auch in den Formen des für den Handel geltenden bürgerlichen Rechts. Daran ändert nichts, daß häufig eine behördliche Mitwirkung stattfindet. Am weitesten geht sie in Hamburg. Hier wird der Betrieb der „Kai-Anlagen" auf Grund eines Gesetzes, der Betriebs- und Gebührenordnung für die Kai-Anlagen vom 22. Dez. 1893 § 1 Abs. 2 von einer staatlichen Verwaltungsbehörde, der Deputation für Handel und Schiffahrt, durch die Kaiverwaltung für Rechnung des Staates geführt. Diese Form ist aber nur aus allgeob er am Kai oder im Strom löschen will. Wechsel des Löschplatzes ist grundsätzlich zulässig; doch darf, sofern er kein notwendiger ist, die Lage des löschenden Empfängers dadurch nicht erschwert werden (HansOLG. Hbl. 1905, 142). — Nach § 29 Abs. 5 der Handels- und Schiffahrtsgebräuche von Memel (Boyens 2, 380) ist ortsüblicher Löschungsplatz im hier fraglichen Sinne derjenige Platz innerhalb des Hafengebiets, wo sich der Schiffer mit feinem Fahrzeuge gerade befindet, und zwar so lange, bis demselben gemäß § 592 ein anderer Löschungsplatz angewiesen wird. — Für Königs­ berg vgl. Boyens 2, 381 ff. — sJn Antwerpen gilt die Regel, daß Schiffer wie Empfänger Löschung am Kai begehren können, daß die Empfänger eine Löschung in Leichter sich nicht gefallen zu lassen brauchen und daß der Schiffer nicht auf der Reede zu löschen braucht (s. Semesters I no. 279)]. x) [(M.) Schaps 1. Aufl. 384 ff. hat die Kaianstalten in einem Anhang hinter § 605 behandelt und im Anschluß daran die betreffenden Verordnungen und Reglements mitgeteilt. Da diese in der 2. Aufl. in den Anhang verwiesen sind, wird oben nur ein Überblick über die Bedeutung und Rechtsstellung der Kaianstalten im allgemeinen gegeben. Die Einzelausführungen von Schaps sind wesentlich eine Darstellung der hamburgischen Verhältnisse, die zu verallgemeinern, wie es Schaps teilweise getan hat, nicht unbedenklich ist (vgl. Brandis 1, 79). Es kommt stets auf die einzelnen Reglements und die örtlichen Verhältnisse an, die in den verschiedenen Häfen erheblich abweichen. — Eine eing ehende Darstellung der hamburgischen Kaiverhältnisse s. bei Wagner Seerecht (1884) 275 ff.; Nö ldeke Hamburgisches Landesprivatrecht 1907, 327 ff. sowie ferner Mathies HansGZ. Hbl. 1913, 225 ff.]

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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meinen Verkehrsinteressen gewählt. Es herrscht Eirstimmigkeit, daß die Kaiverwaltung § 592* den Beteiligten nicht als Behörde gegenübertritt, sondern mit ihnen in ein bürgerlichrecht­ liches Verhältnis tritt (RG. Hbl. 1899 Nr. 60; HansLLG. Hbl. 1895 Nr. 105; 1899 Nr. 9; 1906 Nr. 2; Schaps 384; Nöldeke 328; Brandis 1, 79; Mathies 225). Das Entgelt, welches für die Benutzung der hamburgischen Kaianlagen zu emrichten ist, wird bezeichnet als Gebühr (§ 22), ist aber keine öffentliche Abgabe, sondern bürgerlichrechtliche Gegenleistung (Hans­ OLG. Bbl. 1895 Nr. 105; Hbl. 1899 Nr. 74; 1900 Nr. 37; Schaps 384; Wulff 1, 491 Anm. 2; Nöldeke 335; Brandis 1, 80; Mathies 226)?) Demgenäß besteht kein Zwang zur Benutzung der hamburgischen Kaianstalt (Schaps 384), andererseits aber ein Kontrahierungszwang für die Kaiverwaltung (Nöldeke 328). — In Stettin ist die Verwaltung der Kaianlagen Sache der Gemeinde (Schaps S. 384, 407), in Lübeck Sache der „Kaufmannschaft" (s. die Ordnung für den Güterschreibedienst der Kaufmannschaft zu Lübeck, wozu vgl. Schaps 1. Aufl. 413, auch HansOLG. 14. April 1919, Bf V 69/1918). In Bremen und Altona sind die Kai­ anstalten (die Bremer Lagerhausgesellschaft; vgl. über ihre frühere Betriebsordnung Schaps 395 ff. sowie HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 2; 1909 Nr. 66; s. ferner die wiederholt abgeänderte gesetzliche Gebührenordnung vom 1. Juli 1894, Gesetzsamml. 205; die Altonaer Kai- und Lagerhausgesellschaft, s. Schaps 411) Gesellschaften des bürgerlichen Rechts.

3. Rechtsstellung der Kaianstalten.

Die Kaianstalt ist ein Dritter, der sich auf Grund Anm. 21. eines Vertragsverhältnisses — von Mathies 226 Sp. 2: Kaivertrag genannt — zwischen Ablader und Schiff bzw. Schiff und Empfänger schiebt, um zur Erleichterung und Beschleu­ nigung der Beladung und Entlöschung Verrichtungen zu übernehmen, welche anderenfalls vom Ablader oder Schiff bzw. Schiffer oder Empfänger vorznnehmen gewesen wären (Schaps 385 Anm. 3). Der Kaivertrag wird regelmäßig ein Dienstvertrag sein, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände hat (BGB. § 675; vgl. Mathies 227 sowie HansOLG. und RG. Hbl. 1899 Nr. 9 u. 60). Die Kaianstalt handelt als Vertreter des Auftraggebers. Ob die Kaianstalt Vertreter des Abladers, des Empfängers oder des Schiffes ist, hängt von den Verhältnissen, insbesondere von den Kaiordnungen2) (s. solche im Anhang) ab (Boyens 2, 178 Note 4). Es wäre verfehlt, eine allgemeine Nechtsregel aufstellen zu wollen (vgl. Wagner 275). Nur soviel läßt sich sagen, daß beim Löschen sich aus der Sache regel­ mäßig ergeben wird, daß die Kaianstalt im Auftrage des Schiffes tätig wird (Boyens 2, 179 unter B; Schaps 385 Anm. 4), weil dieses an die Kaianstalt herantritt. Anders beim Abladen. Es ist möglich, daß der Ablader'sein Gut der Kaianstalt übergibt, damit diese es dem Schiffe übergibt, das dann erst das Gilt im Sinne des § 606 BGB. angenommen hätte (Schaps 385 Anm. 4).3) Die Verhältnisse können aber auch so gelagert sein, daß die Kaiallstalt als ausdrücklich oder stillschweigend Beauftragte des Schiffes das Gut für dieses an­ nimmt, wie es namelltlich im Linienschiffahrtsvcrkehr Vorkommen wird (Boyens 2, 178 unter A).

a) Wenn die Kaianstalt Vertreter deS Schisses ist, «) so findet die Annahme des Guts durch das Schiff schon mit der Ablieferung an die Kai­ anstalt statt und erfolgt die Ablieferung des Guts durch das Schiff erst mit der Aus­ lieferung (vgl. den Fall HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 124) durch die Kaianstalt (Schaps 386 *) sDem steht nicht entgegen, daß die hanrburgische Kaiverwaltung ihre Gebühren nach § 17 des sog. Verhältnisgesetzes wie öffentliche Abgaben beitreiben kann (HansOLG. Beibl. 1895 Nr. 105; Schaps 384 Note 1; Mathies 226). — Daß die hamburgichen Kaigebühren nicht öffentliche Schiffs­ abgaben im Sinne des § 754 Nr. 2 HGB. seien, lehren Schaps 384 und Mathies 226 gegen die herrschende Meinung (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 37; Wulff 1, 491 Anm. 2; Sieveking 358; Mittel­ stem 1, 418; Nöldeke 335).] 2) Über die Bedingungen in englischen Häfen s. Scrutton Contract of Affreightment6 1910 p. 364 ff. (Appendix II). 3) Boyens 2,179; Wulff 1, 484 Anm. und Nöldeke 330 lehren, daß die hamburgische Kaiver­ waltung regelmäßig Vertreter des Abladers sei, wogegen s. Schaps 385 Note 2 und Mathies 229/230.

Anm. 22.

378 § k-2. Anm. 23.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. Anm. 9; Wagner 277; Sieveking 43; Mathies 232).1) frei von einer so langen Dauer der Haftung;^)

ß) so beginnt die Frist des § 609 erst mit der Übernahme der Güter vom Kai durch den Empfänger (Schaps 386 Anm. 10; vgl. Anm. 2 zu 8 608). Die Übernahme wird regel­ mäßig in Gestalt der Auslieferung erfolgen, fänger erklärt, die Ware solle nunmehr für Nr. 48; RG. Hbl. 1891 Nr. 10 = Bolze 11 Käufer kann gehalten sein, die Ware gemäß müssen (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 5);

Anm. 24.

Doch zeichnet sich das Schiff oft

y)

kann aber auch dann liegen, daß der Emp­ ihn am Kai lagern (HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 365; vgl. Mathies 228 Sp. 2). — Der HGB. § 377 schon am Kai untersuchen zu

so haftet der Verfrachter für Verschulden der Kaianstalt und ihrer Leute gemäß BGB. § 278 (OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 26; Schaps 386 Anm. 11). Davon kann er sich freizeichnen, z. B. durch die Klausel Note 3 zu Anm. 22. Dagegen befreien ihn nicht Klauseln, durch welche die Haftung für das Verschulden der Schiffsbesatzung abgelehnt ist, denn Angestellte und Arbeiter der Kaianstalten gehören nicht zirr Schiffs­ besatzung (Boyens 2, 180; Schaps 386 Anm. 11; Wulff 1, 490 Anm.; Nöldeke 830; Hans­

OLG. 16. März 1909, VI 480/1908);

8) so haftet die Kaianstalt Anm. 25.

««) dem Schiffe aus dem Vertragsverhältnis nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (Schaps 387 Anm. 13; vgl. oben Anm. 22). Dieses gilt auch für die Verjährung (Hans­ OLG. Hbl. 1911 Nr. 113). Die Kaianstalt haftet nach BGB. § 278 für ihre Angestellten. Sie hat sich ihrem Auftraggeber gegenüber zu entschuldigen (Wagner 279; Schaps a. a. O.). Das Schiff kann regelmäßig Rückgriff nehmen gegen die Kaianstalt, wenn es vom Ladungs­ beteiligten wegen schuldhaften Verhaltens der Kaianstalt oder ihrer Angestellten in An­ spruch genommen war, so wenn das Gut in der Kaianstalt Schaden genommen hatte (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 26; ROHG. 18 Nr. 82), wenn das Gut an Nichtlegitimierte ausgeliefert war (RG. Hbl. 1899 Nr. 60; vgl. HansOLG. das. Nr. 9), wenn das Gut ver­ spätet ausgeliefert war infolge nicht genügender Arbeitskräfte des Kais (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 233: Streik).

Anm. 26.

ßß) den Ladungsbeteiligten nur nach den Vorschriften über unerlaubte Handlung, weil der Kaivertrag nur mit dem Schiff geschlossen war (Schaps 386 Anm. 12; s. HG. Ham­ burg Hbl. 1875 Nr. 192; HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 38). Eine Haftung der Kaianstalt aus HGB. § 512 besteht nicht (Schaps 386 Anm. 12; Mathies 230 Sp. 2; anders Wag­ ner 279), denn selbst wenn die Kaianstalt als Vertreter des Schiffers erscheinen sollte, ist sie um deswillen doch nicht einem Schiffer gleichzustellen. Wohl aber kann es vorkommen, daß die Kaianstalt durch besondere Handlungen in vertragliche Beziehungen zu den Ladungs­ beteiligten tritt, wie z. B. durch die Abstempelung von Konnossementsanteilscheinen (Hans. OLG. Hbl. 1895 Nr. 26; 1912 Nr. 127). Auch kann durch die Kaiordnungen eine un­ mittelbare Haftung der Kaianstalt gegenüber den Ladungsbeteiligten bestimmt sein (s. Hamburg § 19; Stettin § 3; Altona § 11; Bremen §§ 15 ff.). Am weitesten geht hierin das hamburgische Kaireglement (s. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 257; 1874 Nr. 131; HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 26; 1903 Nr. 32; RG. 39 Nr. 37), weshalb Mathies 227 den x) über die Erstreckung der Seeversicherung auf die Zeit des Lagerns des Gutes am Kai vgl. Zusatz zum § 73 ASVB. von 1867. A.D.SVB. § 88 (2). 2) sSiehe Schaps 386 Note 1:] Klausel: „the goods to be delivered from the ships deck, where the ships responsibility shall cease“ und ähnliche (vgl. HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 20 u. 25; 1897 Nr. 23; 1900 Nr. 93; 1904 Nr. 24; RG. Bolze 21 Nr. 454; Scrutton« 273). Zu demselben Ergebnis führen die in den meisten der angeführten Fälle gleichfalls vereinbarten Klauseln, die dem Verfrachter das Recht geben, bei nicht pünttlicher Abnahme die Ladung auf Gefahr des Emp­ fängers zu landen oder in Lagerhäusern niederzulegen (vgl. weitere Entscheidungen bei Abraham Hanseatische Rechtsprechung II 66; RG. Bolze 21 Nr. 455; RG. SeuffA. 55 Nr. 284; Voigt, Zum See- und Bersicherungsrecht 29 ff.).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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hamburgischen Kaivertrag als Vertrag zugunsten eines Dritten (des LadungSbeteiligten) § SS2. ansieht.) 4. Bedingungen für die Annahme ausgehender und die Auslieferung eingehender Güter. Anm. 27. Da die Kaianstall als Vertreterin des Schiffes handelt, kann sie vom Ablader bzw. Emp­ fänger die Vorlegung derselben Begleit- und Zoll- bzw. Legitimationspapiere verlangen, die das Schiff fordern kann. Über die in Hamburg und Altona bei ausgehenden Gütern geforderten Schiffszettel vgl. Hamb. Betriebs- u. Geb.-Ordnung § 10, Altonaer Regle­ ment § 7, über die Aufsetz- und Absetzanträge in Bremen § 24 der Bremer Betriebs­ ordnung. Die Aushändigung an den Empfänger geschieht regelmäßig gegen Einlieferung des Konnossements. In Hamburg muß auf demselben der Vertreter des Schiffes bescheinigt haben, daß der Auslieferung seinerseits Bedenken nicht entgegenstehen: diese Bescheinigung kann auch durch Abstempelung erfolgen, und erfolgt regelmäßig so (Hamburg § 8). Auch Altona (§ 6) verlangt Abstempelung des Konnossements, Bremen (§ 24) dagegen schrift­ lichen Auslieferungsantrag des Empfängers und Freistellungsschein des Schiffers. In Ham­ burg (§ 8) kann die Auslieferung auf Antrag des Empfängers auch auf Konnossements­ anteilscheine erfolgen s(vgl. Anm. 9 zu § 645)], die dem Konnossement beizufügen sind. Sie können Anweisungen an die Kaianstalt über die Art der Auslieferung enthalten (Hans­ OLG. Hbl. 1895 Nr. 26: „vor der Hand Wegzunehmen"). Ähnlich in Bremen (§ 24) die Teilauslieferungsanträge. 5. Gebühren, über ihren Charakter s. o. Anm. 20. An sich ist nur derjenige zur Ent-Anm. 28.

richtung von Kaigebühren verpflichtet, der die Kaianstalt beauftragt. Für einen vom Schiffer oder Schiffsmäkler gegebenen Auftrag haftet nach §§ 486, 510 der Reeder bzw. Ausrüster, nicht der Verfrachter als solcher oder der Charterer (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 74; vgl. 1900 Nr. 37); die Kaigebühren genießen Schiffsgläubigerrechte aus § 754 Nr. 8 (s. oben Note 1 zu Anm. 20). Im Verhältnis zwischen Verfrachter und Ladungsbeteiligten gehören Gebühren für vom Schiff in Anspruch genommene Kai­ benutzung unter die „gewöhnlichen Kosten der Schiffahrt", die nach § 621 Abs. 2 dem Ver­ frachter zur Last fallen; auch lassen sie sich unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes Anm. 19 a. E. zu den „Kosten der Einladung in das Schiff" (§ 561) bzw. „der Ausladung aus dem Schiff" (§ 593) rechnen. Doch bestimmen manche Kaireglements, daß und wie­ weit das Schiff berechtigt ist, von den Ladungsbeteiligten die Kaigebühren einzuziehen; auch kann dies vertraglich festgesetzt fein.1) Nicht hierher gehört die Frage, wer im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer einer am Kai lagernden oder an den Kai zu löschenden Ware die Kaikosten zu tragen hat (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 50, 116). Me Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem Vertrage oder nach Kaiordnungen, Taxe, Üblichkeit, richterlichem Ermessen.) § 593.

Sofern nicht durch vertrag oder durch die örtlichen Verordnungen des Löschungshafens und in deren Ermangelung durch einen daselbst bestehenden Drtsgebrauch ein anderes bestimmt ist, werden die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe von dem Verfrachter, alle übrigen Kosten der Löschung von dem Ladungsempfänger getragen. Z. B. durch die Klausel: „Hamburg quay dues on cargo . . . to be paid entirely by the receivers, any custom of the port and/or regulations to the contrary not with standing“ (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 116). Partikularrechtliche Verbote derartiger Klauseln sind schon mit Rücksicht auf die in §§ 561 u. 593 garantierte Vertragsfreiheit unzulässig. — über die Klausel: „tonnage and shed dues payable by receivers of the cargo“ vgl. Hans OLG. Hbl. 1895 Nr. 87 (shed dues sind nicht identisch mit dem hamburgischen Kaigebühren!).

§ 593.

380 § SSS. Einleitung.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Der Paragraph trifft Bestimmungen über die Berteilung der Kosten der Lifchung. Unter Löschung der Ladung ist die Gesamtheit derjenigen Maßnahme: zu ver­ stehen, durch welche die Beförderung der Güter aus dem Schiffe ans Lcnd bzw. an denjenigen Platz, wo sie von dem Empfänger entgegengenommen oder für ihn niedergelegt werden, bewirkt wird. Die wesentliche Bedeutung des § 593 liegt darin, daß er die Grenze feststellt, bis zu welcher im Zweifel einerseits das Schiff zum Behufe der Löschung tätig zu werden, von der ab andererseits die Tätigkeit des Ernpfängrrs zu be­ ginnen hat (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 114 SeuffA. 55 Nr. 93; anders ROHG. 18, 132). Und ebenso gewährt er einen Anhalt für die Bestimmung des Zeitpunkts der Ablieferung der Güter durch den Verfrachter (vgl. für den entsprechenden § 561 OLG. Kiel SeuffA. 56, 146 = SchlHolstAnz. 1900, 339). Der Empfänger hat sein Fahrzeug an diejenige Schiffsseite zu legen, die das Schiff ihm bestimmt: es müßte denn sein, daß seine Sicherheit dadurch wesentlich ge­ fährdet wird (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 103). Eine solche Gefährdung liegt nicht schon darin, daß sich das Fahrzeug zwischen das Ufer und das abgebäumte Seeschiff legen muß (vgl. die Fälle Hbl. 1894 Nr. 64; 1901 Nr. 42). Um dies zu ermöglichen, hat es, sofern dies durch­ führbar ist (Hbl. 1894 Nr. 64), seine Masten umzulegen (Urteil des HansOLG. vom 19. Dez. 1900 in Sachen Deutsche Levante-Linie gegen Elkan & Co., Bf. I 265/00)?) Andererseits ist der Empfänger berechtigt, an Schiffsseite zu empfangen. Hat er sich, ohne Widerspruch zu finden, längsseit gelegt, so darf das Schiff mangels gegen­ teiliger Kvnnossementsbestimmungen (vgl. AG. Hamburg Hbl. 1904 Nr. 76) nicht das Gut eigenmächtig in ein auf der anderen Seite befindliches Fahrzeug oder auf den Kai löschen und den Empfänger darauf verweisen, das Gut dort zu holen (HansOLG. Hbl. 1913, 148 - EisenbE. 30, 467 - SeuffA. 69, 31). Wünscht der Emp­ fänger, auf beiden Seiten zugleich abzunehmen, so hat das Schiff dem nachzukommen, falls Vertrag, Ortsgebrauch oder die Rücksicht auf BGB. § 242 es gebietet (vgl. Anm. 4 zu § 595; weitergehend HansOLG. Hbl. 1906, 265); eine Verpflichtung des Empfängers zur Abnahme an mehreren Stellen kann sich aus dem Konnossement ergeben (unten Anm. 3). Im übrigen hat die Löschung, sofern nichts anderes vereinbart ist, in ortsgebräuchlicher Weise zu erfolgen (Beispiel: Löschung von Kohlenladungen in Hamburg durch Schüttung in Hektoliter­ körbe des Empfängers an Bord und deren Entleerung in Schuten: Hbl. 1906 Nr. 76; 1907 Nr. 69).

Anm. 1. 1. DaS Gesetz verteilt die Kosten der Löschung in folgender Weise: a) Der Verfrachter trägt die Kosten der Ausladung aus dem Schiffe, d. h. diejenigen Kosten, welche durch die Beförderung der Ladung aus dem Schiffsraum bis über die Reeling (Hans­ OLG. Hbl. 1913, 136 = SeuffA. 68, 287) entstehen. Hierher gehören nicht nur die Kosten des tatsächlichen Herausbringens (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 89), Herausschüttens (Hans­ OLG. 1. c.), Heraushebens (Krahnkosten), der Entlöschung „über den Kasten" bei Getreide­ ladungen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 66; HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 64), der Lohn des Stauers (wenn der Empfänger diesen engagiert, so tut er es präsumtiv für das Schiff: vgl. HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 56), sondern unter Umständen auch die Kosten des Wägens und Messens der Güter (anders HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 89 = SeuffA. 44 Nr. 273; Böhens 2, 190), nämlich dann, wenn schon die Ausscheidung der für den betref­ fenden Empfänger zu löschenden Güter eine Wägung oder Messung erfordert oder wenn es Pflicht des Verfrachters ist, sich über die Ausladung des ihm zugewogenen Quantums auszuweisen, also dem Empfänger das auszuliefernde Quantum vorzumessen oder vorzu­ wägen (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 114 = SeuffA. 55 Nr. 93; Hbl. 1906, 171; vgl. auch die Ausführungen desselben Gerichts Hbl. 1901 Nr. 56 und NG. 49, 104).2) Auch außerH Beschädigung eines neben dem abgebäumten Dampfer liegenden Fahrzeugs infolge Bruchs der Abbäumung: Hbl. 1890 Nr. 2; 1896 Nr. 10; 1899 Nr. 88; 1906 Nr. 47; 1907 Nr. 70; 1908 Nr. 29. 2) Wenn die Konstatierung des Maßes oder Gewichtes den gewöhnlichen Zweck hat, den Be­ trag der Fracht zu ermitteln (§ 620), so gehören die durch sie entstandenen Kosten überhaupt nicht

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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gewöhnliche Kosten der Ausladung, soweit sie nicht vom Empfänger verschuldet sind, 8 593.

fallen dem Schiffe zur Last, z. B. die Kosten des Umriggens der Löschgerätschaften, falls das zulässigerweise gewählte Fahrzeug des Empfängers infolge seiner Beschaffenheit den ihm vom Schiffe bestimmten Platz nicht einnehmen kann. — Dagegen folgt aus § 593 nicht, daß der Verfrachter getrennt verstaute Güter desselben Empfängers vor der Ausladung sortieren zu lassen hätte (HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 95).

b) Alle übrigen Kosten der Löschung hat der Empfänger (im technischen Sinne: Anm 2 zu Anm. 2. § 614) zn tragen. Hierher gehören z. B. die Kosten der erforderlichen Sackung loser Ware (HansOLG. Hbl. 1906, 171), der Aufstellung von Stegen, auf denen die Ladung von der Reeling in Leichter oder an Land befördert wird (HansOLG. Hbl. 1913, 136 = SeuffA. 68, 287), und vor allem die Kosten der Beförderung der Ladung von der Schiffsseite ans Land, auch wenn sie außergewöhnlicher Art sind, z. B. Leichterkosten, weil das Schiff, am Bestimmungsort angelangt, wegen seines Tiefgangs den Löschungsplatz nicht erreichen kann (HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 76; 1892 Nr. 1 = SeuffA. 48 Nr. 120; vgl. Anm. 4 zu § 592) oder weil aus zollgesetzlichen Gründen die Ladung dem Empfänger nicht an Schiffsseite übergeben werden darf, sondern vom Schiffer ins Zollhaus zu schaffen ist (HG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 218).1) — Zu den „übrigen" Kosten der Löschung gehören auch die Kosten der Bekanntmachung nach § 604 (AG. und LG. Hamburg Hbl. 1901 Nr. 63). 2. Die Vorschriften deS Gesetzes sind nur subsidiär.

Es gehen ihm vor

a) vertragliche Bestimmungen. Ost reproduzieren diese das Gesetz, so die Klausel „the cargo to be [brought to and] taken from alongside the steamer at merchants expense and risk“ (LG. Hamburg Hbl. 1888 Nr. 66; vgl. HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 89; 1898 Nr. 40). Nicht anders ist vom RG. (Bolze 11 Nr. 363) die Klausel verstanden worden: „Die Ladung wird empfangen an der Seite des Dampfers, indem die Arbeiten des Löschens durch die Agenten der Linie für Rechnung und Gefahr des Empfängers auSgeführt werden." — Vertragsmäßige Abweichungen vom Gesetz bedeuten die Übernahme der ganzen Löschung

durch den Empfänger gegen feste Gebühr (OLG. Stettin Recht 1907 Nr. 1088; vgl. auch Naut. Mag. 88, 543: „consignees to effect the discharge of the cargo, strike or no strike, steamer paying 1 sh. per ton, and providing only steam winches, winchmen, gins and falls“), Klauseln, nach denen „from the ship’s tackle“ oder „sous palan“ (italienisch „sötte paranio“: Tribunal Genua Dr. Mar. 1911, 103) abzunehmen ist — das Schiff hat hier auf seine Kosten mit seinen Winschen die Ladung aus dem Schiffsraum über Bord hinauszu­ hieven und sie, im Schiffstakel hängend, dem Empfänger, je nachdem am Kai (vgl. Hans­ OLG. Hbl. 1915, 96: „quai delivery“), an einer Ladebrücke oder in Fahrzeuge abzuliefern (vgl. SpeduSchiffZ. 1913 S. 638, 669 ff.,- 684; HG. Rouen Revue 26, 799; ferner Urteil des HG. Antwerpen Droit Mar. 1914, 370, bei dem zu beachten ist, daß nach Antwerpener zu den Kosten der Löschung (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 114 = SeuffA. 55 Nr. 93; Hbl. 1913, 134 = SeuffA. 68, 285 = EisenbE. 30, 184; anders Hbl. 1888 Nr. 89 = SeuffA. 44 Nr. 273; OLG. Oldenburg SeuffA. 50, 427 = OldZ. 21, 242); sie ist Sache des Verfrachters febenso Mittelstein Handb. 243], der damit die Höhe seines Frachtanspruchs begründen will, nicht des Empfängers (Hans­ OLG. Hbl. 1888, 152; 1906, 171). Anders, wenn sie lediglich im Interesse des Empfängers erfolgt (HG. Hamburg Hbl. 1873, 212; HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 56; 1906, 171; RG. 49, 103) oder von ihm einseitig veranlaßt wird (HansOLG. Hbl. 1906, 76; RG. Hbl. 1907, 176). Nach Lage des Falles kann sich eine Teilung der Wiegekosten unter die beiden interessierten Teile rechtfertigen, sofern sich der eine Teil die Ermittlung des andern zunutze macht: vgl. HansOLG. Hbl. 1913, 135 = SeuffA. 68, 286. — Abweichende Vereinbarungen: s. Anm. 3. — Ortsgebräuche: s. Anm. 5. Solche bestehen in Elbing, Memel und Königsberg auch für den Ort, an dem die Vermessung oder Ver­ wiegung zu erfolgen hat (Boyens 2 S. 378, 381, 382). x) Die Verteilung der Leichterkosten auf mehrere Empfänger erfolgt nach Verhältnis der Größe der einzelnen Partien, wobei aber zu berücksichtigen ist, bis zu welchem Zeitpunkt die Leichter für jeden Ladungsteil benutzt worden find (LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 62; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 81).

382

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Handelsgebrauch Güter, außer Zerealien, am Kai, nicht in Leichter, gelöscht werden) —, Klauseln, durch die die Messung oder Wägung der Ladung (oben Anm. 1) entweder aus­ schließlich auf Kosten des Schiffes zu erfolgen hat („an Bord verwogen zu liefern": HG. Hamburg Hbl. 1873, 213) oder auf die Ladung übergewälzt werden („if goods are weighed or measured at port of destination [to ascertain freight], the charges to be borne by consignees“: HansOLG. Hbl. 1906, 166; 1913 Nr. 7: das Schiff nimmt die Verwägung vor oder läßt sie vornehmen und zieht die Kosten vom Empfänger ein). Aus manchen Vertragsbestimmungen ergibt sich die Verpflichtung des Empfängers zur Tragung außer­ gewöhnlicher Löschungskosten: so verpflichten diejenigen Klauseln, durch die der Anspruch des Schiffes auf möglichst schleunige Entlöschung statuiert wird („the goods to be taken out immediately after arrival of the steamer“, „cargo to be received as fast as the steamer can deliver“ usw.), den Empfänger, auf Verlangen des Schiffes an mehreren Stellen gleichzeitig zu empfangen (OG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 225; HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 59; 1898 Nr. 72; 1914, 122; anders bei entgegenstehendem Ortsgebrauch: HansOLG. Hbl. 1900, 310; und nach der Klausel „any extra charges incurred for the steamer’s quick despatch to be paid by the consignees“ muß sich der zum Empfang mit Fahrzeugen bereite Empfänger die kostspieligere Löschung am Kai gefallen lassen, falls sie im Interesse der Be­ schleunigung erforderlich war (AG. Hamburg Hbl. 1904, 154). Anm. 4. b) Örtliche Verordnungen deS Löschungshafens, mögen dies Gesetze oder Verwaltungs­ verordnungen sein (ein Fall, in dem partikuläres, ja selbst lokales Privatseerecht zugelassen ist: Allg. Einl. Anm. 19).1) In Betracht kommen insbesondere staatliche oder kommunale Kaireglements (s. Anhang). Nach § 22 der Hamb. Betriebs- und Gebührenordnung vom 22. Dez. 1893 fällt die für die Benutzung der Kaianlagen erhobene „Raumgebühr" aus­ schließlich dem Schiffe zur Last, während von der „Ladungsgebühr" das Schiff Vio, die Ladung 8/io zu tragen hat (die Kaiverwaltung erhebt die ganze Gebühr von dem Vertreter des Schiffes, dem es überlassen bleibt, von den einzelnen Ladungsbeteiligten den auf sie fallenden Teil einzuziehen).8) Anm. 5. c) In Ermanglung örtlicher Verordnungen ein im Löschungshafen bestehender Ortsgebrauch, d. h. nicht bloß tatsächliche Übung (so Prot. 3849), sondern ein lokales Gewohnheitsrecht (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 66; RG. 3 Nr. 42; HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 104; 1899, 310). Die Bildung eines solchen ist hier ausnahmsweise durch das Reichs­ recht sanktioniert.8)

§ 593.

x) Nach Hamb. AG.HGB. § 7 ist die Deputation für Handel und Schiffahrt zum Erlaß ört­ licher Verordnungen im Sinne von § 593 zuständig. 2) [(M.) Vgl. Mitteilungen der HK. Hamburg 1919 Nr. 4 S. 55: Gutachten über die Kosten der Entlöschung der amerikanischen Lebensmittelschiffe.) 3) Von derartigen Ortsgebräuchen sind bei Böhens 2, 376 ff. die nachstehenden wieder­ gegeben:

Lübeck. Das Schiff liefert die Ware nur bis an die Reeling. Kiel. Nur bei Stückgütern muß die Ladung auf Kosten des Schiffes ans Land gebracht werden. Bei Löschen von Mauersteinen muß der Schiffer die Steine vom Deck aus nach dem Boll­ werk der Brücke hinaufwerfen, wo der Arbeiter des Empfängers dieselben entgegennimmt. Ist das Bollwerk zu hoch, muß der Empfänger noch auf einem Gerüst zwischen Deck und Brücke einen Mann stellen. Elbing („Ortsgebräuche bei dem Schiffahrtsverkehr zu Elbing“, publiziert 1887): 4. Der Verfrachter trägt die Kosten der Ausladung nicht allein aus dem Fahrzeuge, sondern auch bis auf das Bollwerk mit Ausnahme von Getreide und Saaten, welche der Befrachter aus dem Schiffsräume selbst zu nehmen hat. Knochen, Kohlen, altes Eisen, Ölkuchen sind vom Verfrachter bis auf das Deck zu liefern (Art. 594 des KGB.). 5. Bei Überladungen von Bord zu Bord ist der Verfrachter mindestens zu der Hilfsleistung verpflichtet, welche ihm bei gewöhnlicher Löschung obliegt.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

383 8 594.

§ 594. Bei der Verfrachtung eines Schiffes im ganzen hat der Schiffer, sobald er zum Löschen fertig und bereit ist, dies dem Empfänger anzuzeigen. Ist der Empfänger dem Schiffer unbekannt, so ist die Anzeige durch öffent­ liche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu bewirken. Mit dem auf die Anzeige folgenden Tage beginnt die Löschzeit. über die Löschzeit hinaus hat der Verfrachter nur dann auf die Ab­ nahme der Ladung noch länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Über­ liegezeit). Mr die Löschzeit kann, sofern nicht das Gegenteil bedungen ist, keine besondere Vergütung verlangt werden. Dagegen ist dem Verfrachter für die Überliegezeit eine Vergütung (Liegegeld) zu gewähren. In Ansehung der Höhe des Liegegeldes finden die Vorschriften des § 572 Anwendung.

Die 88 594—602 treffen Bestimmungen über die zeit, binnen deren die Löschung zu Einleitung, erfolge« hat, und die Folgen ihrer Richtinnehaltnng?) Sie beziehen sich unmittelbar nur auf den Fall des Chartervertrages über ein ganzes Schiff — wobei es gleichgültig ist, ob die Ladung für einen oder für mehrere Empfänger bestimmt ist (HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 46 —, gelten aber auch sät die übrigen Fälle des Chartervertrages (§ 603), während für den Stück­ gütervertrag die abweichenden Vorschriften des § 604 gegeben sind. § 594 behandelt die Anzeige der Löfchbereitschaft, die Löfchzeit, die tiberliegrzeit «nd das Liegegeld. 1. Löschbereitschaft »nd ihre Anzeige. Anm. 1. a) Löschbereitschaft liegt vor, wenn der Schiffer zum Löschen der Ladung, und zwar zu einer normalen Art des Löschens (HansOLG. Hbl. 1889, 144 = SeuffA- 44, 444), „fertig und bereit", d. h. imstande und willens ist. Zur Löschbereitschaft ist zwar erforderlich, daß sich das Schiff bereits im Löschungshafen befindet (ROHG. 15, 234; 23, 416; OLG. Rostock Rechtspr. 16, 139; (Mittelstem Handb. 221]), auch daß es bereits die Zoll- und Quarantäne­ vorschriften, die der Löschung voranzugehen haben, erfüllt hat, aber nicht schlechthin, daß es bereits den Löschungsplatz (§ 592) eingenommen hat (ROHG. 15, 234; 19, 286; KG. Rechtspr. 2,870; (MittelstemHandb.222 Anm. 8]): es genügt vielmehr, daß es seiner­ seits in der Lage ist, sich unverzüglich, jedenfalls bis zum Morgen des auf die Meldung folgenden Tages (KG. 1. c.) an den angewiesenen oder ortsgebräuchlichen Lö­ schungsplatz zu begeben (ROHG. 15, 234; RG. Bolze 15 Nr. 337; HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 53; RG. SeuffA. 61, 371; OLG. Rostock MecklZ. 19, 291; Mittelstem LZ. 1916, 13 (und Handb. 222 Anm. 9]). Ist freilich von vornherein ein bestimmter Löschplatz vereinbart

Königsberg („Handels- und Schiffahrtsgebräuche in Königsberg, zusammengestellt am 28. Februar 1890“). 5. Der Verfrachter trägt die Kosten der Ausladung nicht allein, sondern auch bis an das Bollwerk (Art. 594 des HGB.), nur bei Getreide und Saaten trägt der Empfänger auch die Kosten der Ausladung. Memel („Handels- und Schiffahrtsgebräuche in Memel, neu zusammengestellt am 27. Juni 1889“). 8 22. Wenn die Fracht für Steinkohlen „per ausgeliefert Gewicht“ bedungen ist und der Kapitän amtliche Verwiegung verlangt, so tragen Schiff und Empfänger die Wiegekosten zur Hälfte, anderenfalls fallen die Kosten des Verwiegens dem Empfänger allein zur Last. Falls Bezahlung der Fracht in englischem Gelde bar stipuliert ist, so wird der Kurs 5 Pfennige unter der letzten Berliner Notierung von „kurz London“ berechnet. x) Warneken, Lade- und Löschfristen im Seerecht, Erlanger Dissertation 1908 Warneken).

(zitiert:

384 § 594.

Anm. 2.

IV. Abschnitt; Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

oder enthält das Konnossement oder die von ihm in Bezug genommene Charter die sog. B erth Klausel (Anm. 3 zu 8 560), so ist nach englischer Anschauung die Erreichung des angewiesenen Löschplatzes Voraussetzung der Löschbereitschaft (HansOLG. Hbl. 1913, 182), es müßte denn sein — wie man hinzufügen muß —, daß Hindernisse vorliegen, die der Empfänger zu ver­ treten hat (unten Anm. 2). Darin, daß das Schiff noch nicht abgebäumt ist, braucht ein Mangel der Löschberei schäft nicht zu liegen (HansOLG. Hbl. 1906, 265), auch nicht darin, daß das Löschgeschirr noch nicht aufgestellt ist (HansOLG. Hbl. 1889, 260). Noch weniger darin, daß der Empfänger die ihm obliegende Pflicht, für die Abnahme des zollamtlichen Verschlusses der Ladung zu sorgen, nicht erfüllt hat (OTr. SeuffA. 11 Nr. 295). Dagegen ist das Schiff nicht löschbereit, wenn es in ein Dock gebracht ist, selbst wenn dort eine Löschung in Leichter möglich ist (Kings Bench Division London Baltic 1916, 95). Der Zustand der Löschbereitschaft hat nicht nur anfänglich zu bestehen, sondern muß fortdauern (RG. Bolze 19 Nr. 508; HansOLG. Rechtspr. 16,140), es müßte denn eine Dispensation des Empfängers vorliegen (RG. Hbl. 1903 Nr. 130). Eine Unter­ brechung der Löschberei.schäft liegt aber nicht schon dann vor, wenn die vom Schiffe zu leistende Arbeit auf kurze Zeit unterbrochen wird: hiermit muß der Empfänger rechnen s(vgl. Mittel­ stein Handb. 169 Anm. 30 in Verbindung mit 232)]. Anders bei Arbeitspausen, die behufs Durchführung von Maßregeln erfolgen, die in erster Reihe die Sicherheit des Schiffes bezwecken (HansOLG. Rechtspr. 16, 140).

Wem aber fallen — für die Frage des Beginns der Löfchbereitfchaft — die Hinder­ nisse zur Last, die sich dem Vordringen des Schiffes bis zum Löschungsplatze entgegenstellen?1) oc) Jedem Teile fallen die Hindernisse zur Last, die aus von ihm selbst zu vertretenden Umstünden beruhen. Trifft z. B. den Empfänger ein Verschulden in der Auswahl des Löschungsplatzes oder an der Nichtanweisung desselben durch den Hafenmeister (OLG. Rostock'MecklZ. 19, 391), und kann infolgedessen das Schiff daselbst nicht anlegen, so muß er sich gefallen lassen, daß Löschbereitschaft in dem Augenblicke angenommen wird, in welchem das Schiff, wenn der Löschplatz geeignet oder angewiesen wäre, an denselben hätte gelangen können. Vgl. den vom OTr. SeuffA. 11 Nr. 295 entschiedenen Fall (Verzögerung der Löschbereitschaft infolge Nichtbeibriugung einer Zolldeklaration seitens des Empfängers), s. auch Prot. 2240. Ebenso, wenn der Empfänger sich zur Stellung eines „safe discharging

Anm. 3.

Anm. 4.

berth, ready on arrival“ verpflichtet hat (RG. Bolze 21 Nr. 450). ß) Unverschuldete Hindernisse auf feiten deS Schiffes, z. B. Einfrieren, Festgeraten, Be­ schädigungen, welche seine Bewegungsfähigkeit und damit sein Vordringen zum Löschungs­ platze hindern (RG. Bolze 19 Nr. 508; HansOLG. Hbl. 1889,144 = SeuffA. 44, 444), Streik

der Schiffsmannschaft (vgl. HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 117), schließen die Löschbereitschaft aus s(vgl. Mittelstem Handb. 226 Anm. 33)]. y) Hindernisse auf feiten deS Empfängers schließen die Löschbereitschaft nicht auS. Beispiele: Verzögerung der Anweisung des Löschungsplatzes, auch wenn sie nicht verschuldet ist (ROHG. 19, 288); Hindernisse auf Grund von Besonderheiten des angewiesenen Löschungsplatzes (sofern derselbe nicht zugleich der einzige ortsübliche Löschungsplatz ist: OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 285), etwa wegen ungenügender Tiefe, anderweitiger Besetzung der ange­ wiesenen Stelle (ROHG. 15, 235; vgl. 17, 96 und 19, 286; HansOLG. Hbl. 1899, 48 Revue 14, 690; OLG. Rostock MecklZ. 27, 17; OLG. Marienwerder PosMSchr. 1903, 63; HansOLG. Hbl. 1914, 82; vgl. auch Hbl. 1908, 176 = SpeduSchiffZ. 1908, 541: „der Verfrachter hat einen Anspruch darauf, daß ihm an einer der Stellen, wo anzukommen ist, ein Liegeplatz bestimmt werde"). Konkurriert aber mit einem vom Empfänger zu ver­ tretenden Umstande ein Verschulden des Verfrachters, ist z. B. der angewiesene Löschplatz nur deshalb besetzt vorgefunden worden, weil die Ankunft des Schiffes schuldhaft verzögert x) Entsprechende Grundsätze gelten, wenn das Schiff den Löschplatz wechselt: vgl. LG. Ham­ burg Hbl. 1887, 259; RG. Bolze 19 Nr. 508.

385

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern-

worden ist (OG. Hamburg Hbl. 1871, 405), so fällt die Verzögerung dem Verfrachter zur Z 594. Last (Warneken 22 ff.). 8) Hindernisse, die weder auf seilen deS Schiffes noch in der Besonderheit deS angewiesenen Anm. 5. Löschungsplatzes liegen („obsektive Hindernisse"), schließen die Löschbereitschaft auS (HansOLG. Rechtspr. 24, 200). Beispiele: Überfüllung des Hafens (Stephens Demurrage 122 ff.; ROHG. 17, 96; HansOLG. Hbl. 1908,176; 1913,17; OLG. Rostock MecklZ. 27,17; OLG. Stettin Recht 1900 Nr. 2737), Besonderheiten oder anderweitige Besetzung des ortsüblichen Löschplatzes (Doyens 2, 114; Warneken 25), polizeiliche Weisungen (ROHG. 17, 94), Nichtanweisung eines Löschplatzes durch den Hafenmeister, sofern nur an solchem Platze gelöscht werden darf (OLG. Rostock MecklZ. 19, 291), Anordnungen der Gesundheits­ behörde (Carver sect. 221), Nichtabfertigung im Zollhaus (HansOLG. Hbl. 1907, 161), Feuersbrunst, Unwetter (ROHG. 17, 96; OLG. Rostock MecklZ. 19, 292). Die Folgen der Hafenüberfüllung oder der sonstigen Hinderung, den Löschplatz einzunehmen, werden durch Klauseln wie „the time for discharging to commence... first high water after arrival“ (vgl. HansOLG. Hbl. 1913, 17) oder „time to commence when steamer is ready to unload [and written notice given], whether in berth or not“ (HG. Antwerpen Revue 15, 677; HansOLG. Hbl. 1908,248),*) „time to count from arrival and reported, whether berthed or not (HG. Antwerpen Droit Mar. 1911, 400) od. dgl. aus den Empfänger übergewälzt. e) Betreffs des regulär turn s. Anm. 6 zu 8 567. Anm. 6. b) Anzeige der Löschbereitschaft. Mangels anderweitiger Vereinbarung^) hat der VerfrachterAnm. 7. x) Die Tragweite dieser Klausel ist streitig. Während ein Teil der Rechtsprechung die Meinung verficht, daß der Zeitverlust infolge der Behinderung nur dann zu Lasten des Empfängers sei, wenn die Löschung aus dem Schiff, das seinen Löschplatz noch nicht einnehmen konnte, wenn auch erschwert, so doch jedenfalls nicht unmöglich sei (so AppG. Genua Revue 21, 531; 23, 430; 24, 848; AppG. Casale Revue 19, 935), nehmen andere Urteile mit Recht den Standpunkt ein, daß der Zeitverlust stets den Empfänger trifft, sofern nur das Schiff, soweit es an ihm liegt, löschbereit ist fund dies angezeigt hat): HG. Antwerpen Revue 15, 677; AppG. Genua Revue 17, 815; 18, 402 u. 404; 19, 626 u. 627; Court of appeal Revue 28, 83; vgl. Hans OLG. Hbl. 1906, 265; 1908, 248. Anders freilich, wenn vereinbart ist, daß die Löschzeit nicht laufen soll bei Verhinderung oder Verzögerung der Löschung durch eine vom Empfänger nicht zu vertretende Ursache (AppG. Genua Revue 17, 515; vgl. HansOLG. Hbl. 1908, 248). 2) Klauseln, welche den Verfrachter von der Anzeige der Löschbereitschaft ent­ binden und den Empfänger verpflichten, sich über die Ankunft des Schiffes zu in­ formieren und sich empfangsbereit zu melden: „The ship is entitled to commence dis­

charging immediately after ehe arrives“ (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 72; auch Hans OLG. Hbl. 1895 Nr. 87, wo diese Klausel den Zusatz hat: „The goods shall be taken from the ship’s tackle directly on their Corning to hand in discharging the ship, otherwise the master or ship’s agent shall be at liberty to enter and land the goods, or put them into störe, warehouse or craft, or on quai, at the receivers risk and expense“ (ebenso Hbl. 1898 Nr. 111); „the cargo to be received as fast as steamer can deliver immediately on arrival failing this the captain to have the right to disCharge at the entire risk and expense of the receivers into craft and on the quay , .“ (HansOLG. Hbl. 1906, 264; ähnlich Hbl. 1906, 90); „the goods to be taken from alongside by the consignee, where the steamer discharges, immediately the vessel is ready to discharge“ (HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 58 = SeuffA. 51 Nr. 126; ähnliche Klauseln: Hbl. 1876 Nr. 241; Hbl. 1901 Nr. 56;

Droit Mar. 1914, 370); „the goods are to be applied for within 24 hours of ships arrival and reporting at the Custom house, otherwise the master is to be at liberty to put into lighters or land the same at the risk and expense of the owners of the goods“ (LG. Hamburg Hbl. 1896 Nr. 66); „Liegegeld wird erhoben von allen denjenigen Gütern, die nach Ablauf von drei Tagen, nachdem das betreffende Dampfboot angefangen hat zu löschen, nicht abgenommen sind" (OG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 259). Die ältere Judikatur erblickte zum Teil in diesen Klauseln eine Entbindung des Verfrachters von der Löschbereitschaftsanzeige nicht (sie ist aufgeführt in dem Urteile Hbl. 1895 Nr. 58); ebenso Sieveking 50. Vgl. Hans OLG. Hbl. 1888 Nr. 59 (Klausel: „the cargo to be received as soon as

available“). Schaps, Seerecht.

2. Aufl.

25

386

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 594.

bzw. sein Vertreter, der Schiffer oder Schiffsmakler (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 132), die Löschbereitschaft dem Empfänger anzuzeigen. Der Inhalt der Anzeige, welche ein empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft ist, hat der Wahrheit zu entsprechen (unten Anm. 11), was im Bestreitungsfalle der Verfrachter zu beweisen hat (HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 47; HansOLG. Hbl. 1901, 150 = Nechtspr. 2, 369; OLG. Stettin Recht 1910 Nr. 2737 ; Boyens 2, 131; sPappenheim 411, 163); anders OLG. Marienwerder SeuffA. 48 Nr. 116, wohl auch NOHG. 19, 285; Mittelstem 1, 145 und GoldschmidtsZ. 40, 38 sund Handb. 227, 164]). Der Verfrachter kann auch im voraus anzeigen, daß er an einem bestimmten Tage löschbereit sein werde: alsdann hat sich der ihm obliegende Beweis darauf zu richten, daß er an diesem Tage tatsächlich löschbereit gewesen sei (HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 47; HansOLG. Hbl. 1903, 202 = Rechtspr. 7, 389).

Anm. 8.

Eine Form ist für die Anzeige nicht vorgeschrieben; es genügt, daß die Mitteilung ge­ eignet war, den Empfänger von der Löschbereitschaft in Kenntnis zu setzen (ROHG. 15, 230). Ausreichend ist also eine Aufforderung, mit der Löschung zu beginnen (ROHG. 23, 417), unter Umständen eine, wenn auch nicht direkt an den Empfänger gerichtete, aber in seiner Gegenwart abgegebene Erklärung (ROHG. 15, 230), sofern sich aus ihr ergibt, daß der Ver­ frachter durch sie dem Empfänger die vorgeschriebene Anzeige machen wollte. Wenn hiernach auch die Anzeige der Löschbereitschaft kein Formalakt ist, so folgt hieraus noch nicht, daß bei nichterfolgter Anzeige bein Empfänger die anderweitig erlangte Kenntnis der Löschbereit­ schaft entgegengehallen werden kann (OLG. Kiel SchlHolstAnz. 1890, 261 ff.; Wittelstein Handb. 224]; anders HansOLG. Hbl. 1900,91; Warneken 40 ff.). Natürlich kann der Inhalt des Frachtvertrages oder des Konnossements in concreto eine entgegengesetzte Entscheidung recht­ fertigen. —Ist der Empfänger dem Schiffer unbekannt, so ist die Anzeige durch öffent­ liche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise*) zu bewirken (Abs. 2). Eine einem bekannten Empfänger direkt gemachte Anzeige der Löschbereitschaft verliert nicht ihre Wirksamkeit, wenn der Verfrachter nachher seine Löschbereitschaft öffentlich bekanntmacht (ROHG. 15, 230ff.; HansOLG. Hbl. 1885 Nr. 59).

Anm. 9.

Eine nach Schluß der üblichen Geschäftsstunden oder an einem Sonn- oder allgemeinen Feiertage gemachte Anzeige gilt als am nächsten Werktage er­ folgt (zustimmend Warneken 35). "Dies ist zwar nicht im Gesetze ausdrücklich ausgesprochen, folgt aber aus der Natur der Sache. Gerade darum ist der Beginn der Löschzeit auf den der Anzeige folgenden Tag angesetzt, damit der Empfänger zwischen der Meldung und dem Be­ ginne der Löschzeit die nötigen Verfügungen soll treffen können. Dies würde regelmäßig undurchführbar sein, wenn die nach Schluß der Geschäftsstunden oder an einem Sonn- oder Feiertage gemachte Anzeige im Moment ihrer Erstattung wirksam würde (anders bezüglich der Sonn- und Feiertage Boyens 2, 131, und bezüglich des Schlusses der Geschäftsstunden Kommerz- und Admiralitätskollegium Danzig BuschsA. 1, 406). Eine für einen Sonn­ oder Feiertag gemachte Anzeige gilt für diesen, nicht, wie das LG. Oldenburg OldZ. 18, 245 annimmt, für den nachfolgenden Werktag, es müßte denn sein, daß die Regel des § 597 Abs. 1, betreffend die Einrechnung der Sonn- und Feiertage, durch Vertrag, örtliche Verordnung oder Ortsgebrauch abgeändert ist (vgl. Hbl. 1903, 202). Wird die Löschbereitschaft wegen Wechsels des Löschungsplatzes unter­ brochen, so hat sich der Schiffer neu löschbereit zu melden (Mittelstem 1,145 fund Handb. 237]; vgl. HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 86). Das gleiche gilt aber nicht bei vorübergehenden Unter­ brechungen aus anderen Gründen (vgl. den Fall des HansOLG. Rechtspr. 16,140).

Anm. 10.

*) Nach § 1 Abs. 2 der Hamburgischen Löschverordnung vom 29. Dez. 1899 (f. Anhang) in dem „Hamburgischen Correspondenten" und den „Hamburger Nachrichten", nach § 1 Abs. 2 des Altonaer Ortsstatuts (ebendort) in vom Magistrat zu bestimmenden Altonaer und Hamburger Zeitungen (als solche sind durch B. vom 23. März 1886 bis auf weiteres die „Altonaer Nachrichten" und die „Hamburger Börsenhalle" bestimmt), nach Memeler Ortsgebrauch durch ein öffentliches Lokalblatt. Nach Königsberger Ortsgebrauch genügt Aushang an der Börse.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

2. Löschzett und überliegezeit.

387

ist diejenige Zeit, während deren der Schiffer auch § 594.

ohne Vereinbarung und ohne besondere Vergütung auf die Abnahme der Ladung zu warten Anm. 1L hat; ihr kann sich anschließen die überliegezeit, d. h. diejenige Zeit, während deren er ver­ einbarungsgemäß über die Löschzeit hinaus zu warten hat und für welche ihm eine Vergütung gebührt. Die Löschzeit beginnt mangels anderweitiger Abrede8* )2mit * * * dem * * auf die Anzeige der Löschbereitschaft folgenden Tage8); sie geht in die Überliegezeit über nach Maßgabe von § 596. Ist keine Überliegezeit vereinbart und die Löschung bei Ablauf der Löschzeit noch nicht beendet, so hat der Verfrachter die Wahl, sich entweder auf eine Überschreitung der Löschzeit nach Maßgabe von § 602 einzulassen oder gemäß § 601 Abs. 1 zu verfahren; seine Wartezeit im Sinne des § 570 ist hier nicht vorgeschrieben (anders BSchG. § 51 Abs. 1)]. — Nur eine auf Wahrheit beruhende Löschbereitschaftsanzeige setzt die Lösch­ zeit in Lauf (NOHG. 17, 95; 19, 285; 23, 415; HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 59 = SeuffA. 44 Nr. 274 -- MecklZ. 19, 292; Mittelstem Handb. 226]); eine unwahre Anzeige wird nicht etwa nachträglich wirksam, wenn das Schiff wirklich löschbereit geworden ist, sondern es ist als­ dann eine neue Anzeige erforderlich (Warneken 38). — Zu betonen ist, daß Löschzeit und Überliegezeit nur zugunsten des Empfängers laufen, der Verfrachter also keinen An­

spruch auf ihre Ausnutzung hat. Für schuldhafte Verzögerung der Löschung ist vielmehr der Verfrachter schadensersatzpflichtig (Meier BuschsA. 30, 64 ff.; HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 48 und 71; HansOLG. Hbl. 1914,122). Von gewissen an sich von ihm zu vertretenden Verzöge­ rungsgründen zeichnet sich der Verfrachter frei durch die Klausel „not liable in respect of any delays arising from strikes, stoppages or lock-outs of workmen“ (Naut. Mag. 90, 471), die indessen nicht wirkt, soweit ihm oder seinen Leuten ein mirwirkendes Verschulden nach­ gewiesen wird (HansOLG. Hbl. 1897, 300, wo aber die Beweislast verkannt wird). Wie der Empfänger die Löschzeit bzw. Überliegezeit ausnutzt, ist seine Sache (RG. Bolze 21 Nr. 450; HansOLG. Hbl. 1907, 280; Mittelstem Handb. 227]).

3. Liegegeld ist die für die Überliegezeit (Abs. 5) oder für die Überschreitung der Löschzeit (§ 602) Anm. 12. dem Befrachter vom Empfänger zu zahlende Vergütung, über ihren rechtlichen Charakter s. Anm. 11 zu § 567. In Ansehung der Höhe des Liegegeldes findet § 572 Anwendung. Schuldner des Liegegeldes ist der Befrachter, aber auch der Empfänger im technischen Sinne (s. Anm. 20 zu § 614). Über die Haftung mehrerer Empfänger vgl. die diesbezüglichen

Ausführungen Anm. 25 zu § 614.

Zusatz 1. Beschleunigungsgebühr (despatch money): s. Anm. 3 zu 8 575.

Anm. 13.

Zusatz 2. Landesrechtliche Bestimmungen sind abgedruckt im Anhang. In Betracht Anm. 14. kommen §§ 1 u. 3 der Hamburgischen Löschverordnung, § 1 des Altonaer Ortsstatuts, § 8 des Bremischen Gesetzes, betreffend die Löschzeiten. Vgl. auch Ortsgebräuche von Memel und Königsberg bei Boyens 2 S. 380 u. 382. x) Englisch: lay days (laying days), days for discharging (unloading); französisch: jours de planche, staries, temps de la dScharge. 2) Hierher gehört einerseits die unter Umständen den Beginn der Löschzeit hinausschiebende Berth-Klausel (oben Anm. 1), andererseits die Klauseln, nach denen die Löschung schon mit der An­ kunft oder mit der Löschbereitschaft des Schiffes beginnen soll (oben Anm. 5 und Anm. 7 Note 2). Siehe auch OLG. Rostock MecklZ. 27, 17 („die Löschzeit soll von dem Tage ab rechnen, an dem das Schiff klar zum Löschen ist"), ferner LG. Hamburg und Hans OLG. Hbl. 1890 Nr. 51; 1891 Nr. 60 („lay days to count from 24 hours after arrival off the port“). Ob erst die gemeldete An­ kunft bzw. die gemeldete Löschbereitschaft die Löschfrist in Lauf setzt, läßt sich nicht allgemein be­ antworten. Wo die Klausel gerade die Dispensation von der Anzeige bezweckt (vgl. Anm. 7 Note 2), ist es zu verneinen; in anderen Fällen ergibt die Fassung der Klausel (vgl. Anm. 5 Note 1) oder die Natur der Sache (vgl. die Fälle Hbl. 1890 Nr. 51; 1891 Nr. 60) die Bejahung. 8) Ist bereits vorher tatsächlich mit dem Löschen begonnen worden, so ist die hierfür aufge­ wandte Zeit im Zweifel nicht in die Löschzeit einzurechnen (LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 46; LG. Oldenburg OldZ. 18, 245 ff.; HansOLG. Hbl. 1900, 311).

388

8 S9S.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 595. Ist die Dauer der Löschzeit durch Vertrag nicht festgesetzt, so wird sie durch die örtlichen Verordnungen des Löschungshafens und in deren Lrrnangelung durch den daselbst bestehenden Grtsgebrauch bestimmt. Besteht auch ein solcher Grtsgebrauch nicht, so gilt als Löschzeit eine den Umständen des Falles angemessene Frist. Ist eine Überliegezeit, nicht aber deren Dauer, durch Vertrag bestimmt, so beträgt die llberliegezeit vierzehn Tage. Enthält der Vertrag nur die Festsetzung eines Liegegeldes, so ist an­ zunehmen, daß eine llberliegezeit ohne Bestimmung der Dauer vereinbart sei.

Einleitung.

Dauer der Löschzeit und der überliegezett. Wird vor Erreichung des Bestimmungshafens teilweise geleichtert, so beginnt mangels anderweitigen Abkommens oder Landesrechts hiermit noch nicht die Löschzeit (OLG. Marienwerder SeuffA. 48, 191; OLG. Rostock Rechtspr. 16, 139). Deren Beginn setzt vielmehr dasEintreffenimBestimmungshafenvoraus (HG.und OG.HamburgHbl. 1872Nr.73/102), sda dann erst das Schiff sich lvschbereit melden und damit die Löschzeit in Lauf setzen sann]. So auch § 5 des Altonaer Ortsstatuts; dagegen modifizieren § 5 der Hamburgischen Löschverordnung und § 5 des Bremischen Gesetzes betreffend die Löschzeiten (s. Anhang) in diesem Falle zwar nicht den Beginn, aber die Dauer der Löschzeit (vgl. auch OLG. Rostock MecklZ. 27, 14). — Darüber, ob und wann das im Löschungshafen angekommene Schiff, trotzdem es den Löschplatz noch nicht erreicht hat, als löschbereit gilt, s. Anm. 2 ff. zu § 594.

Anm. 1. 1. Dauer der Löschzeit. Das Gesetz unterscheidet 4 Fälle ihrer Festsetzung: in erster Reihe gilt der Vertrag, in zweiter die örtliche Verordnung, in dritter der Ortsgebrauch, in letzter Linie entscheidet die Angemessenheit. a) Festsetzung durch Vertrag. Eine solche liegt nur dann vor, wenn aus den getroffenen Ab­ machungen ersichtlich ist, nach welcher Zeit („fixe Löschungsfrist") oder an welchem Datum („fixer Löschungstermin": § 600) die Löschzeit zu Ende sein soll. Hierher gehört auch der Fall, daß im Vertrage auf eine bestehende ortsübliche Dauer der Löschzeit Bezug genommen ist (andersHG. Bremen BuschsA. 11, S. 14 u. 18; HG. Hamburg Hbl. 1874, 243; ROHG. 18, 365): denn hier ist lediglich eine der örtlichen Verordnung oder dem Ortsgebrauch zu ent­ nehmende Zahl in den Vertrag einzusetzen (eine solche Bezugnahme liegt nicht, wie das HansOLG. Hbl. 1888, 272 annimmt, in der Klausel, die Löschung solle erfolgen „as fast as customs of the port will admit“: insoweit zutreffend HansOLG. Hbl. 1907, 32 — Rechtspr. 14, 384). Keine Festsetzung durch Vertrag liegt indessen dann vor, wenn nur das an jedem Löschtage zu löschende Quantum angegeben ist, denn im Zweifel handelt es sich um Mindest­ quanten (vgl. RG. Hbl. 1903, 295),*) so daß sich daraus die Dauer der Frist nicht entnehmen läßt (anders HG. Hamburg Nathans Hamb. GZ. 1866,262; Warneken 95). Ebensowenig, wenn nur über die Schnelligkeit der Löschung Bestimmungen getroffen sind (unten Anm. 4; vgl. ROHG. 25, 156; „as fast as the custom of the port will admit“: s. u.), mag selbst ein zahlenmäßiges Minimum („to load and discharge as fast as the ship can work, but a Mini­ mum of 7 days to be allowed merchants..Scrutton 281) oder Maximum („as fast as possible and not exceeding 11 working days“: ROHG. Hbl. 1872 Nr. 282) bestimmt sein. Anders das HansOLG. Hbl. 1907, 32 --- Rechtspr. 14, 384, welches in der „Festsetzung" der Dauer von Lade- und Löschzeit durch Vertrag (§§ 568, 595) etwas anderes sieht als in der „Bestimmung" dieser Dauer durch Vertrag (§§ 569, 596) und nicht erkennt, daß aus einer *) Die Verpflichtung zur Einhaltung eines Mindestquantums schließt im Zweifel nicht aus, daß eine geringere Entnahme an einem Tage durch eine größere an anderen Tagen ausgeglichen werden kann: HansOLG. Hbl. 1903, 47.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

389

mehr oder weniger unbestimmten Vereinbarung über das Tempo der Löschung — es handelte § KSK. sich dort um die Klausel „as fast as the custom of the port will admit“ — die Dauer der Löschzeit nicht zu entnehmen ist, daher in ihr nicht eme Festsetzung dieser Dauer erblickt werden kann. Doch muß dem Gedanken des Gesetzes, daß der Vertrag in erster Reihe gelten soll, dadurch Rechnung getragen werden, daß man, soweit eine Vereinbarung vorliegt (z. B. hi nächtlich des Beladungstempos), ihr den Vorzug vor örtlichen Verordnungen und Ortsgebräuchen zu geben hat (vgl. HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 119; 1891, 212; OLG. Rostock MecklZ. 27, 13 u- 242). Übet vertragsmäßige Kombinationen von Lade- und Löschzeit s. Anm. la

zu § 568. b) Festsetzung durch örtliche Verordnungen des Löschungshafens, mögen dies Gesetze oder Anm. 2. Verwaltungsverordnungen sein.1) 2 Auch * * * * *der 8 * Erlaß * 11 von neuen örtlichen Verordnungen ist zu­ lässig (EG.HGB. Art. 15 Abs. 2). c) Festsetzung durch einen im Löschungshafen geltenden vrtsgebrauch.^) Unter einem solchen Anm. 3. !) In Betracht kommen §§ 2, 3 der Hamburgischen Löschverordnung, das Bremische Gesetz, betreffend die Löschzeiten für Seeschiffe (nicht mehr Bestandteil des Bremischen Löschgesetzes!) und § 2 des Altonaer Ortsstatuts. Diese Bestimmungen sind sämtlich abgedruckt im Anhang. 2) Bei Boyens 2, 376 ff. sind nachstehende Ortsgebräuche aufgeführt:

Flensburg (nach Mitteilung der dortigen Handelskammer). Als Löschzeit wird gerechnet: bei Dampfern bis 100 Tons Ladung 200 Tons per Arbeitstag „ ,, über ,, „ 250 ,, ,, Kiel. Löschzeit bei Holzladungen: Segler haben mindestens an einem Tage zu löschen a) in der Größe bis 100 stand — 10 stand, b) bei größeren Fahrzeugen 12—15 stand. Löschzeit bei Kohlen ladungen: Es wird als Durchschnittsquantum per Arbeitstag bei Seglern 30 Tons, bei Dampfern von 600 bis 800 Tons zirka 250 Tons, bei größeren Dampfern zirka 300 Tons gerechnet. Arbeitstage sind Werk­ tage mit Ausnahme solcher, an denen höhere Gewalt das Arbeiten nicht gestattet. Stettin. Die „Handelsgebräuche der Stettiner Börse“ erklären gewisse Löschzeiten für an­ gemessen. Boyens zweifelt, ob sich auf Grund dieser Erklärungen ein Ortsgebrauch gebildet hat. Rostock. Dauer der Löschzeit: bei Seglern 30, bei Dampfern 300 Tons per Tag; Sonn- und Feiertage zählen nicht mit, die Lösch­ zeit wird nur durch höhere Gewalt unterbrochen. Danzig. Es bestehen über die Dauer der Löschzeit zwischen den Interessenten (Reedern und Kaufleuten) generelle Vereinbarungen, die in Ermangelung anderer Abreden maßgebend sein sollen, und zwar für Roheisen vom 30. März 1876, für Petroleum vom 30. Oktober 1886, für Zucker vom 10. Juni 1895, für Melasse vom 24. Oktober 1898. Elbing. Bei Seeschiffen nicht über 120 Kubikmeter werden 4 Werktage zum Löschen fest­ gesetzt; über 120 inkl. 200 Kubikmeter 5 Werktage, von 200—400 Kubikmeter 7 Werktage. Bei Schiffen über diese Größe hinweg kommen für jede 200 Kilometer noch 2 Werktage hinzu. Solche Tage, an denen wegen anhaltenden Regenwetters die betreffende Ladung nicht hat gelöscht werden können, zählen nicht mit. Memel. Die Löschzeit ist für Segelseeschiffe: a) für Waren aller Art mit Ausnahme von geschnittenen Holzwaren und Schraubgütern: 8 Arbeitstage für Schiffe von gemessenen bis 200 Kubikmetern inkl., und für jede ge­ messenen 100 Kubikmeter ein Arbeitstag mehr. b) für geschnittene Holzwaren: 8 Arbeitstage fürSchiffe von gemessenen bis200 Kubikmeter inkl. 11 „ „ „ „ „ „ 300 13 „ ,, ,, ,, „ „ 400 14 ,, ,, », ,, ,, 500 ,, ,, m

390 § 595.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

ist zu verstehen nicht eine tatsächliche Übung (so Prot. 3849; Oertmann, Rechtsordnung und

Verkehrssitte 36), sondern ein lokales Gewohnheitsrecht (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 104; RG. 3 Nr. 42; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 66): die Geltung eines solchen ist hier ausnahmsweise reichsgesetzlich sanktioniert (Allg. Einl. Anm. 19). Diese Sanktionierung bezieht sich auch auf künftige Ortsgebräuche (Prot. 2076; EG.HGB. Art. 15; EG.BGB. Art. 2). Eine Bezugnahme auf die durch Ortsgebrauch festgesetzte Löschungsdauer liegt nicht in der Klausel, die Löschung solle erfolgen „as fast as the customs of the port will admit“: oben Anm. 1. Anm. 4. d) Liegt keine dieser drei Festsetzungsarten vor, so gilt als Löschzeit eine den Umständen des Falles angemessene Frist, deren Bestimmung evtl, durch richterliche Entscheidung erfolgt, sei es im voraus, insbesondere durch einstweilige Verfügung, oder ex post (Beispiele: HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 20; LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 6). Dabei ist Rücksicht zu nehmen auf Menge und Beschaffenheit der Güter, Art und Größe des Schiffes, auf die Jahreszeit, die örtlichen Einrichtungen und den gewöhnlichen Geschäftsgang (vgl. ROHG. 5, 140), natür­ lich auch auf Abmachungen der Parteien betreffend die Schnelligkeit der Löschung^) Im Falle derartiger Abmachungen hat sich das Tempo des Empfangs der Ladung nicht nur nach der konkreten Auslieferungsfähigkeit des Schiffes zu richten (OLG. Rostock MecklZ. 27 S. 241, 243), sondern auch — worauf die sehr häufige Vereinbarung des „customary despatch“

15 Arbeitstage für Schiffe von gemessenen bis 600 Kubikmeter inkl. 16 700 17 „ „ „ 800 usw. für jede gemessenen 200 Kubikmeter 1 Arbeitstag mehr. Für Segelschiffe, welche Schraubgüter löschen, beträgt selbige 10000 Kilogramm pro Ar­ beitstag. Unter Arbeitstagen werden nur diejenigen Tage verstanden, an welchen die betreffende Ladung vom Schiff gebracht und gelöscht werden kann. *) Beispiele: „Die Entlöschung geschieht, so schnell das Schiff ausliefern kann" (OLG. Rostock MecklZ. 27 S. 16 u. 242; der Zusatz „mit gewöhnlicher Dampferexpedition" bedeutet, daß nur ge­ wöhnliche Arbeitsleistung gefordert werden kann, also z. B- nicht Forcierung durch Nachtarbeit: OLG. Rostock MecklZ. 27, 241 — Hansa 1910, 141); „the Cargo to be received [as soon as available and] as fast as the steamer can deliver“ (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 59; 1898 Nr. 72; 1900 Nr. 136; 1901 Nr. 56; 1906 Nr. 20; mit Zusatz „sundays and holidays excepted“: Hbl. 1913, 284; mit Zusatz „during the ordinary working hours: Hbl. 1914, 122; HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 294); mit dem sich von selbst verstehenden Zusatz „out of all hatches simultaneously“: Hans OLG. Hbl. 1893 Nr. 40, das unzutresfend annimmt, es tresfe die gleiche Schnelligkeitsverpflichtung beide Teile; Hbl. 1914 S- 142, 150: „the cargo shall be discharged as fast as steamer can work and lighters receive“ (HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 79: der Zusatz „and lighters receive“ bedeutete in concreto eine Erleichterung für den Empfänger in der Richtung, daß er nicht verpflichtet war, Anstalten zu treffen, um jederzeit mit dem Dampfer Schritt halten zu können; er kann aber auch bedeuten, daß beiden Teilen die gleiche Schnelligkeitsverpflichtung obliegen soll); „steamer to be discharged with all customary de­ spatch, say as fast as she can reasonably deliver the cargo“ (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 79); „the vessel to be discharged as quickly as the custom and the arrangements of the port will permit“ (HG. Hamburg Nathan 1865, 51 ff.); „the cargo is to be discharged as fast as the customs of the port will admit (Hbl. 1888, 272; 1907, 32 = Rechtspr. 14, 384). Anlangend den „customary despatch“ (vgl. HG. und OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 189; vgl. LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 6: „customary quick despatch“) spricht die bei Leggett 346 referierte Entscheidung Budget! v. Binnington aus, daß die Worte „to be discharged with all despatch as customary“ bedeuten, „that the cargo was to be discharged with all reasonable despatch, having regard at the actual circumstances and männer of discharging cargo customary at the port of discharge“. — Im Falle der Vereinbarung möglichst schneller Entlöschung kommen Orts­ gebräuche oder örtliche Verordnungen, die ein geringeres Löschquantum sestsetzen, nicht in Betracht (oben Anm. 1).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

391

oder Bezugnahme auf den „custom of the port“ hinweist — zugleich nach der Art und den § 595. Gepflogenheiten der Entlöschung m dem betreffenden Hafen (Warneken 49; Mackay, Naut. Mag. 91, 482; Baltic 1912, 111; OLG. Rostock MecklZ. 27 S. 16 u.243; HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 295), z. B. hinsichtlich der Dauer der Arbeitszeit und die Zulässigkeit der Nacht­ arbeit (HansOLG. Hbl. 1891, 74; 1900 Nr. 136; 1908, 60; vgl. auch Hbl. 1914, 121: „during the ordinary working hours of the port“; über die Verpflichtung zur Nachtarbeit s. Anm. 4 Note 3 zu 8 568); während der Empfänger, sofern dies ausgemacht oder üblich, sich sogar bereit halten muß, auf Verlangen des Verfrachters an mehreren Stellen des Schiffes zu empfangen (Anm. 3 zu 8 593; Brandis 2, 25), trifft den Verfrachter, sofern dies nicht ver­ einbart ist, eine korrespondierende Verpflichtung, unausgesetzt so viel zu löschen, wie die Ein­ richtungen des Schiffes zulassen, nicht (HansOLG. Hbl. 1898, 176; 1906, 44; 1914, 122; HG. Antwerpen Droit Mar. 1913, 295): freilich steht die Schnelligkeit der Löschung nicht, wie Hbl. 1898, 176 und Warneken 52 will, zu seiner Entscheidung, er muß vielmehr seine Ver­ pflichtung gemäß 8 242 BGB. erfüllen (vgl. Hbl. 1906, 44). 2. Dauer der überliegezeit. Sie richtet sich Anm. 5. a) in erster Linie nach dem Vertrage; b) evtl, nach dem Gesetze (Abs. 2), welches sie auf 14 Tage festsetzt. Voraussetzung dieser gesetz-Anm. 6. lichen Normierung ist, daß eine Überliegezeit überhaupt vereinbart ist (Beispiel:

„Eine Garantie hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen bzw. usancemäßigen Löschungs­ dauer wird nicht übernommen: vgl. HansOLG. Hbl. 1897, 282; 1898,153). Dies ist, wie Abs. 3 hervorhebt, der Fall, wenn ein Liegegeld festgesetzt ist (Beispiel: „wenn das Schiff über die bestimmte Zeit aufgehallen werden sollte, hat der... Empfänger für die Zeit am Lösch­ platz für jeden Überliegetag 100 M. Tag für Tag zu bezahlen": MecklZ. 19, 290). — Die Festsetzung der Dauer der Überliegezeit durch örtliche Verordnungen oder Ortsgebräuche ist ausgeschlossen (Doyens 2, 193 ff.). 3. Über die Berechnung der Lösch- und der überliegezeit s. 88 596, 597. Anm, 7.

§ 596.

§ 596.

3ft die Dauer der Löschzeit oder der Tag, mit welchem die Löschzeit enden soll, durch Vertrag bestimmt, so beginnt die Überliegezeit ohne weiteres mit dem Ablaufe der Löschzeit. In Ermangelung einer solchen vertragsmäßigen Bestimmung beginnt die überliegezeit erst, nachdem der Verfrachter dem Empfänger erklärt hat, daß die Löschzeit abgelaufen sei. Der Verfrachter kann schon innerhalb der Löschzeit dem Empfänger erklären, an welchem Tage er die Löschzeit für abgelaufen halte. In diesem Falle ist zum Ablaufe der Löschzeit und zum Beginne der Überliegezeit eine neue Erklärung des Verfrachters nicht er­ forderlich. Auf die im Abs. 2 erwähnten Erklärungen des Verfrachters finden die Vorschriften des § 571. Anwendung. Beginn der überliegezeit. Derselbe richtet sich danach, ob eine fixe Löschungsfrist bzw. ein fixer Löschungstermin (Anm. 1 zu 8 595) vereinbart ist oder nicht. 1. Ist eine fixe LöfchnngSfrist oder ei« fixer Löfchungstermin durch Bertrag bestimmt — also An«. 1. auch dann, wenn auf eine bestehende ortsübliche Dauer der Löschzeit Bezug genommen ist (Beispiel: Hbl. 1907, 282; anders HG. Bremen BuschsA. 11 S. 14 u. 18)—, so beginnt die überliegezeit mit dem Ablauf der Löfchzeit, d. h. — mangels anderweitiger Vereinbarung —

an dem dem Ablaufe der Löschzeit folgenden Tage (BGB. § 187 Abs. 1). 2. In allen übrigen Füllen, also auch dann, wenn möglichst schnelle Entlöschung (Anm. 1, 4 Anm. 2. zu § 595) ausgemacht ist (OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 225; NOHG. 25 Nr. 37; OLG. Rostock

392 § 596*

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

MecklZ. 31, 35; anders HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 148; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1903, 202 ff. = Rechtspr. 7, 390), wird die Überliegezeit erst in Lauf gesetzt durch eine Erklärung deS Verfrachters. Über diese Erklärung ist folgendes zu sagen:

Anm. 3. a) Beteiligte Personen. Sie ist abzugeben von dem Verfrachter bzw. seinem Vertreter (Schiffer, Schiffsmäkler) an den Empfänger. Sie ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft. Anm. 4. b) Zeit. Sie ist abzugeben entweder nach Ablauf der Löschzeit oder im voraus noch während derselben. Hiernach richtet sich ihr Inhalt und ihre Wirkung. Anm. 5. c) Form. Sie ist an keine Form gebunden. Weigert sich indessen der Empfänger, ihren Empfang in genügender Weise zu bescheinigen, so ist der Verfrachter berechtigt, eine öffentliche Urkunde darüber auf Kosten des Empfängers errichten zu lassen (Abs. 3: f. § 571). Anm. 6. d) Inhalt. Erfolgt sie nach Ablauf der Löschzeit, so besteht sie in der Anzeige, daß die Löschzeit abgelaufen sei. Erfolgt sie innerhalb der Löschzeit, so hat sie anzugeben, an welchem Tage der Verfrachter die Löschzeit für abgelaufen erachtet. Sie liegt in diesem Falle nicht schon in der Anzeige der Löschbereitschaft nach § 594 Abs. 1, selbst wenn die Dauer der Löschzeit durch örtliche Verordnung oder Ortsgebrauch bestimmt ist (ROHG. 18, 365 ff.). Für genügend zu erachten ist eine Mitteilung, der Empfänger solle dafür sorgen, daß bis zu einem gewissen Datum das Schiff leer werde (OLG. Rostock MecklZ. 14, 324 ff.). Eine unrichtige Erklärung ist rektifizierbar (OG. Hamburg Hbl. 1875, 326). Anm. 7. e) Wirkung. Sie bewirkt den Beginn der Überliegezeit, und zwar fängt die letztere zu laufen an, a) wenn die Erklärung nach Ablauf der Löschzeit erfolgt ist, an dem auf die Erklärung folgenden Tage (BGB. § 187 Abs. 1; NG. 3, 151), nicht schon am Tage der Erklärung (so Prot. 2109; HG. Bremen BuschsA. 11, 14); ß) wenn die Erklärung im voraus innerhalb der Löschzeit erfolgt ist, an dem auf den richtig bezeichneten Endtermin der Löschzeit folgenden Tage (vgl. RG. 3, 151). Anm. 8. f) Unentbehrlichkeit. Das Gesetz betrachtet die Erklärung für alle nicht unter 1 gehörigen Fälle als unentbehrliches Erfordernis, um die Überliegezeit in Lauf zu setzen. Ein sie beseitigender Ortsgebrauch wäre contra legem und nicht zu beachten (ROHG. 18, 366).

§ 697.

§ 597. Bei der Berechnung der Lösch- und llberli egezeit werden die Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt; insbesondere kommen in Ansatz die Sonntage und die Feiertage sowie diejenigen Tage, an welchen der Empfänger durch Zufall die Ladung abzunehmen verhindert ist. Nicht in Ansatz kommen jedoch die Tage, an denen durch wind und Wetter oder durch irgendeinen anderen Zufall entweder t. die Beförderung nicht nur der im Schiffe befindlichen, sondern jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land oder 2. die Ausladung aus dem Schiffe verhindert ist.

Einleitung.

Der Paragraph trifft Bestimmungen über die Berechnung der Löfch» und der überliege» zeit. Er enthält dispositives Recht. Daneben gelten als Auslegungsvorschriften (BGB. § 186) die allgemeinen Regeln der §§ 187 ff. BGB. Örtliche Verordnungen und Ortsgebräuche gehen

ihm nur unter der Voraussetzung des § 599 vor (s. Zusatz 2). Anm. 1. 1. Allgemeines. Das Gesetz geht von dem regelmäßigen Fall aus, daß eine Berechnung nach Tagen zu erfolgen hat. Es ist alsdann der von Mitternacht zu Mitternacht zu berechnende Tag die kleinste Zeiteinheit (Zivilkomputation: ROHG. 12,130; RG. 3,151; OLG. Marien­ werder SeuffA. 54 Nr. 168); es gibt also, in Ermangelung gegenteiliger Vereinbarungen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 108: 7V- laying days“; HansOLG. Hbl. 1891,75: Liegegeld nach Verhältnis einer bestimmten Summe für den laufenden Tag, vgl.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Befkrderung von Gütern.

393

Hbl. 1908, 247; HG. Hamburg Hbl. 1873, 358: Berechnung des Liegegelds nach Stunden, 8 597. woraus das OLG. Marienwerder SeuffA. 54, 313 keine Schlüsse ziehen tttnll),1) örtlicher Verordnungen oder Ortsgebrauchs (§ 599), keine Bruchteile von Lösch- oder Überliegetagen (Ullrich Nr. 78; HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 111; HansOLG. Hbl. 1900, 311; AppG. Rotterdam Baltic 1913, 88). Dies gilt sowohl zu Lasten des Empfängers wie des Verfrachters: der erstere muß sich jeden auch nur angefangenen Lösch- oder Überliegelag, sofern der Ver­

frachter den ganzen Tag löschbereit gewesen ist, als vollen Tag anrechnen lassen (HG. Ham­ burg Hbl. 1875 Nr. 111), soweit dies nicht im Einzelfalle Treu und Glauben widersprechen würde (kein Liegegeld für halbstündige Arbeit, die fick leicht am Abend vorher hätte erledigen lassen: HansOLG. Hbl. 1886, 62; vgl. auch Hbl. 1903, 48), und der letztere hat, mangels anderweitiger Vereinbarung (LG. Hamburg und HausOLG. Hbl. 1889 Nr. 108), solche Tage nicht in die Lösch- oder Überliegezeit einzurechnen, an denen er nicht während der ganzen Arbeitszeit löschbereit war,2)* *wobei * * * allerdings geringfügige, im gewöhnlichen Laufe der Dinge sich ereignende Unterbrechungen nicht in Betracht kommen (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 106). — Sind 8 Liegetage vereinbart, so sind 8 volle Tage, nicht nur eine Woche, zu rechnen (Ullrich Nr. 108; vgl. Mot. BGB. 1, 285). 2. Das Gesetz stellt den Satz aus, daß bei der Berechnung der Lösch- und der ttveriiegezeit Anm. 2. die Tage in ununterbrochen fortlaufender Reihenfolge gezählt werden (tempus continuum, „running days“, „jours courants“; sanders BSchG. § 48 Abs. 3]). Dieser Satz führt zur Einrechnung der Sonn- und Feiertage; er wird aber nicht durchgeführt bei der Behandlung der Einwirkung des Zufalls auf die Dauer der Löschung. a) Behandlung der Sonn- und Feiertage. Sonn- und Feiertage werden eingerechnet. EsAnm. 3. kann also Lösch- oder Überliegezeit auch mit einem Sonn- oder Feiertage beginnen (Anm. 9 zu § 594) oder (gegen BGB. § 1931) abschließen. Aus der Einrechnung der Sonn- und Feiertage folgt nicht, daß der Schiffer verpflichtet wäre, an diesen Tagen Löscharbeiten durch die Mannschaft vornehmen zu lassen (ROHG. 20, 417; Mittelstem Handb. 230]). Ist er aber nach Vertrag, örtlicher Verordnung oder Ortsgebrauch dazu berechtigt und will er zulässigerweise löschen lassen, so kann sich der Empfänger nicht dagegen wehren, z. B. nicht einwenden, daß die zur Löschung am Sonntag eingeholte polizeiliche Erlaubnis nicht hätte erteilt werden dürfen (HansOLG. Recht 1908 Nr. 3180). über die vertragsmäßige Nichteinrechnung von Sonn- und Feiertagen s.Anm. 4. Anm. 4 zu § 573. b) Einwirkung des die Löschung hindernden8) Zufalls. Anm. 5. Verschuldete Überschreitungen der Lösch- oder Überliegezeit fallen dem Teile zur Last, der sie verschuldet hat. Der Empfänger ist für seine Behauptung, daß die Überschreitung durch Verschulden des Schiffes verursacht sei, beweispflichtig (HG. Hamburg Hbl. 1874 T) Die Vereinbarung, daß die Löschzeit von Mittag zu Mittag laufen solle, bedeutet nicht, daß sie nach halben Tagen zu berechnen ist (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 118). 2) LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 46; HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 117 = SeuffA. 44 Nr. 272; Hbl. 1889 Nr. 106; 1890 Nr. 51; 1903 Nr. 18. Anders LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 65 = Rechtspr. 2, 368 ff.), wo, teilweise unter Bezugnahme auf die Hamburgische Löschverord­ nung, die Stunden, während deren das Schiff nicht löschbereit war, zusammengerechnet und von der Überliegezeit abgezogen wurden. Gegen diese Entscheidung auch Mittelstein 1, 153 fund Handb. 232]. — Eine Zusammenrechnung rechtfertigt sich indessen, wenn die Löschzeit berechnet werden soll „per working day of 24 hours“: alsdann werden immer 24 Stunden, an denen ge­ arbeitet worden ist, als ein Tag gerechnet, auch wenn sie verschiedenen Kalendertagen angehören (Scrutton 279 ff.). Anders aber, wenn die Rede ist von „working days of 24 consecutive hours“ (Stephens Demurrage 10). 8) Bloße Erschwerungen sind keine Behinderungen (ROHG. 5, 139 ff.; Hans OLG. Hbl. 1888 Nr. 117 = SeuffA. 44 Nr. 272; Hbl, 1892 Nr. 78; RG. Hbl. 1908, 82). Doch kann, wie Boyens 2, 151 hervorhebt, die Anwendung ganz außergewöhnlicher Mittel und Kosten nicht verlangt werden (vgl. RG. Bolze 14 Nr. 508).

394 § 597.

Anm. 6.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Nr. 72; ROHG. 19, 94; HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 31; 1901 Nr. 65 - Rechtspr. 2, 369; Mittelstein GoldschmidtsZ. 40, 38), während andererseits der Verfrachter, sofern feststeht, daß er überhaupt löschbereit geworden ist (Anm. 1 ff., insbes. 7 zu 8 594), lediglich den Zeitablauf zu beweisen hat (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 200; sMittelstein Handb. 232]). Was aber die Einwirkung deS Zufalls auf die Dauer der Löschung anlangt, so geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, daß jede Partei den sich in ihrer Person er­ eignenden, die Löschung hindernden Zufall zu tragen hat, also der Verfrachter denjenigen, welcher die Ausladung der Güter aus dem Schiffe, der Empfänger denjenigen, welcher ihre Beförderung von dem Schiffe ans Land verzögert (Prot. 2248, 2257 ff.; NOHG. 17, 94; vgl. OLG. Düsseldorf LZ. 1915, 1675). Es führt diesen Satz aber nicht konse­ quent durch.

Anm. 8.

a) Entsprechend dem Grundsatz sind in die Löschfristen nicht einzurechnen Tage, an denen die Ausladung der Güter (Anm. 1 zu § 693) durch Zufall verhindert ist: dieser Zufall fällt also dem Verfrachter zur Last. Beispiele: Meuterei oder Streik der Schiffs­ mannschaft (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 192; HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 117), unter unter Umständen, nämlich wo zur Ausladung ein Zusammenwirken mit Landarbeitern erforderlich ist, auch Streik der letzteren (RG. LZ. 1911, 696 = Hansa 1911, 749), Wind und Wetter (vgl. HansOLG. Hbl. 1888, 269),T) notwendige Reparaturen des Schiffes, obrigkeitliche Anordnungen, Ungeeignetheit des nicht vom Empfänger angewiesenen Löschungsplatzes (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40), Erforderlichkeit außerordentlicher Vor­ richtungen zur Ausladung, Unbrauchbarkeit von Löschvorrichtungen (Krähne: HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 40; Windevorrichtungen: HansOLG. Hbl. 1888, 272; 1889, 270). Ist eine solche zufällige Behinderung schon bei der Hintegung des Schiffes an den Löschungsplatz vorhanden, so führt dies dahin, daß der Lauf der Löschzeit noch nicht beginnt, sondern erst mit dem Wegfall des Hindernisses seinen Anfang nimmt (OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 31). — Von einer Verhinderung der Ausladung in dem hier fraglichen Sinne ist keine Rede, wenn wegen der Witterungsverhältnisse von der Ausladung einer empfind­ lichen Ware Abstand genommen wird: Verzögerungen dieser Art fallen dem Empfänger zur Last (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 72; Wittelstein Handb. 231 Anm. 39]). ß) Entsprechend dem Grundsatz sind einzurechnen die Tage, an denen der Empfänger

Anm. 9.

Als Hinderungsgründe kommen namentlich in Betracht Wind und Wetter (HG. Ham­ burg Hbl. 1872 Nr. 133; HansOLG. Hbl. 1889, 269; LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 91: gleichgültig ob der Empfänger wegen Eisgangs mit seinem Oberländer Kahn nicht an Schiffsseite gelangen konnte, da feststand, daß dies Schuten gelungen war), partieller Streik der Hafenarbeiter oder Verlust an Arbeitskräften auf feiten des Empfängers (OLG. Düsseldorf LZ. 1915, 1675), polizeiliche Anordnungen, Maßnahmen der Zollbehörde. Siehe aber Anm. 9. y) Entgegen dem Grundsatz sind aus Billigkeitsgründen nicht einzurechnen die Tage,

Anm. 7.

durch Zufall verhindert ist, feine Ladung von dem Schiffe an das Land zu bringen?)

an denen durch Zufall die Beförderung jeder Art von Ladung vom Schiffe an das Land verhindert ist. Fälle dieser Art sind insbesondere begründet durch Witterungs­ verhältnisse (Seebohm Nr. 222), Eis (wo ortsüblicherweise ein Löschen im Strom gar nicht stattfindet, ist ein im Strom eingefrorenes Schiff gar nicht löschbereit!), allgemeinen Hafenarbeiterstreik (Urteil Budgett v. Binnington bei Leggett 346). Für diese Tage hat aber der Empfänger, dem Prinzip entsprechend, Liegegeld zu zahlen, auch wenn sie während der Löschzeit eintreten (§ 598). T) Eisgang wird in der Regel ein Hindernis für die Ausladung nicht bilden (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 33), ebensowenig gewöhnlicher Regen (HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 214 = BuschsA. 19, 424; Mittelstem Handb. 231 Anm. 39]). 2) Beispiele: Vertragsmäßige Abänderungen, namentlich für den Fall des Streiks, f. Anm. 8 zu § 573 Note 2.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

395

3) BeweiSlast. Der die Überschreitung der Lösch- oder Uberliegezeit behauptende Ver-H 597. frachter hat zunächst, wenn der Eintritt der Löschbereitschaft (Anm. 7 zu § 594),Anrn. 10. deren Anzeige (Warneken 39), sofern solche erforderlich war, sowie der Zeitablauf von ihm bewiesen ist, die Vermutung auf seiner Seite. Behauptet der Emp­ fänger, daß die Beförderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land durch Zufall verhindert gewesen sei, so muß er diesen Beweis führen. Ebenso, wenn er die Verhinderung der Ausladung aus dem Schiff behauptet: denn die Unterbrechung der Löschbereitschaft wird nicht vermuret (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 65 = Rechtspr. 2, 369; Mittelstein 1, 153 fund Handb. 232]). In vielen Fällen, insbesondere wo Wind und Wetter oder Streik (vgl. RG. LZ. Anm. 11. 1911, 696 Hansa 1911, 749) als Hinderungsgrund in Betracht kommen, wird es zweifelhaft sein, ob nur die Beförderung der Ladung ans Land oder zugleich auch die Ausladung derselben aus dem Schiffe verhindert gewesen ist. Auch in diesem Falle hat der Empfänger, sofern der Eintritt der Löschbereitschaft feststeht, deren Unterbrechung zu beweisen. Ist dieser Beweis gelungen, so kommt es darauf, ob der Transport ans Land behindert gewesen wäre, nicht mehr an (vgl. Prot. 2100, 3861; auch HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 117 a. E.).

Zusatz 1. Berechnung der Löschzeit nach Stunden. Wo diese vereinbart ist (HG. Harn- Anm. 12. bürg Hbl. 1875 Nr. 111; 1873, 358: ,,to be loaded and discharged within 96 hours“; HansOLG. Hbl. 1913, 16: „für Löschen und £aben 75 laufende Stunden"), sind die Löschstunden im Zweifel als tempus continuum zu berechnen: sie laufen also Tag und Nacht (über Nacht­ arbeit s. Anm. 4 Note 3 zu 8 568) und auch während der Sonn- und Feiertage (vgl. Earver sect. 613; dagegen Bo Ye ns 2, 152 ff. und Warneken 89, die unter „Stunden" stets „Arbeits­ stunden" verstanden wissen wollen). Anders, wenn das Gegenteil ausgemacht ist (OLG. Rostock MecklZ. 14, 328 ff.: „Ladezeit von 48 laufenden Stunden, unter Ausschluß der Sonn- und Feier­ tage" ; HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 67: „Löschzeit von 35 running hours, sundays excepted“) oder die Stunden ausdrücklich als „Arbeitsstunden", ,,working hours“, bezeichnet sind (HG. Hamburg Hbl. 1873, 358; Scrutton 281). Im Zweifel gelten analog die Vorschriften des § 597. Zusatz 2. Landesrechtliche Abweichungen enthalten die örtlichen Verordnungen und Anm. 13. Ortsgebräuche. Von ersteren (s. Anhang) kommt in Betracht § 4 der Hamb. Löschverordnung, § 3 des Altonaer Ortsstatuts, § 8 des Bremischen Gesetzes betr. die Löschzeiten; von letzteren die Ortsgebräuche von Kiel, Elbing, Memel und Rostock: oben S. 389.

§ 598.

§ 598.

Für die Tage, die der Verfrachter wegen der Verhinderung der Be­ förderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land länger warten muß, gebührt ihm Liegegeld, selbst wenn die Verhinderung während der Löschzeit eintritt. Dagegen ist für die Tage, die er wegen Verhinderung der Ausladung aus dem Schiffe länger warten muß, Liegegeld nicht zu ent­ richten, selbst wenn die Verhinderung während der Uberliegezeit eintritt. Der Paragraph bestimmt, inwieweit der Empfänger in den Fällen deS § 597 Abs. 2 Einleitung, zur Zahlung von Liegegeld verpflichtet ist. Das Gesetz kehrt bei der Beantwortung dieser Frage zur konsequenten Durchführung des Grundsatzes zurück, daß jede Partei den sich in ihrer Person ereignenden Zufall zu tragen hat (Anm. 6 zu § 597).1).

*) Wenn ausgemacht ist, daß detention shall happen by fault schulden des Empfängers, sondern so daß die Klausel nicht etwa das

Liegegeld zu zahlen sei „for every day detained, provided such of the consignee“, so ist fault (oder default) nicht nur im Ver­ in jedem Ausbleiben der ihm obliegenden Leistungen zu sehen, Gesetz einschränkt (vgl. LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1884.

396

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ S98. Hieraus folgt: Anm. 1. 1. Der Verfrachter hat Liegegeld zu beanspruchen für die Tage, die er wegen Verhinde­ rung der Beförderung der Ladung von dem Schiffe ans Land länger warten mutz, und zwar nicht nur wenn dre Beförderung der konkreten Ladung, sondern auch wenn die Beförderung jeder Art von Ladung verhindert ist (Anm. 9 zu § 597). Der Liegegeldanspruch besteht in diesem letzteren Falle ausnahmsweise auch dann, wenn die Verhinderung während der Löschzeit eingetreten ist, vorausgesetzt natür­ lich, daß dadurch eine Überschreitung der Lösch- bzw. Überliegezeit herbeigesührt worden ist: er zessiert also, wenn, trotzdem das Hindernis Vorgelegen hat, die Löschung innerhalb der vereinbarten oder ortsgebräuchlichen Löschzeit bewerkstelligt worden ist. Anm. 2. 2. Der Verfrachter hat lein Liegegeld zu beanspruchen für die Tage, die er wegen Ver­ hinderung der Ausladung aus dem Schiffe länger warten mutzte (Anm. 7 zu § 597): der Zufall fällt ihm in dieser Hinsicht zur Last, gleichviel ob derselbe während der Lösch­ oder während der Überliegezeit eintritt. Anm. 3. 3. Treffen die Fälle 1 und 2 zusammen, so ist kein Liegegeld zu zahlen: es wäre widersinnig, wenn der Verfrachter solches fordern könnte, obschon er an der Ausladung verhindert war (OLG. Stettin bei Feldhahn, Recht 1907, 1522). Anm. 4. 4. BeweiSlast: s. Anm. 10, 11 zu § 597. Anm. 5. Zusatz. Landesrechtliche Abweichungen: vgl. Hamb. Löschverordnung § 4 Abs. 2 u. 3; Altonaer Ortsstatut § 3 Abs. 3.

§ 599.

§ 599. Sind für die Dauer der Löschzeit nach § 595 die örtlichen Verordnungen oder der Grtsgebrauch maßgebend, so kommen bei der Berechnung der Löschzeit die Vorschriften der §§ 597, 598 nur insoweit zur Anwendung, als die örtlichen Verordnungen oder der Grtsgebrauch nichts Abweichendes bestimmen.

Örtliche Verordnungen oder OrtSgebrauch betreffend Berechnung der Löschzeit (Anm. 3 zu § 595; Anm. 13 zu § 597). Anm. 1. 1. Diese Rechtsquellen gehen den Vorschriften der §§ 597, 598 nur dann vor, wenn eine von ihnen auch für die Dauer der Löschzeit — d. h. für ihre Bemessung nach Zeiteinheiten (vgl. Doyens 2, 157) — matzgebend ist. Es ist daher z. B. ein Ortsgebrauch, daß Sonnund Feiertage nicht in die Löschzeit einzurechnen sind (vgl. HG. Mannheim BuschsA. 22, 359), oder ein solcher, daß der Empfänger zur Löschung über Eis nicht verpflichtet und daß deshalb Tage, an denen eine solche erforderlich wäre, nicht in die Löschzeit einzurechnen sind (OG. Hamburg BuschsA. 25, 404 ff.; ROHG. 5, 135 ff-), nur dann beachtlich, wenn örtliche Ver­ ordnungen oder Ortsgebrauch eine bestimmte Dauer der Löschzeit vorschreiben (ROHG. 1. c.; vgl. RG. 3 Nr. 42). Anm. 2. 2. Für die Berechnung vertragSmätziger Löschfristen sind, wo ortsrechtliche Vorschriften existieren, diese, nicht die §§ 597, 598 maßgebend. Denn wenn auch nach § 595 erstere betreffs der Dauer der Löschzeit nur in Frage kommen, sofern diese durch Vertrag nicht festgesetzt ist, so schließt dies nicht aus, daß, wo für die Berechnung der Löschfrist ergänzend das objektive Recht heranzuziehen ist, nur das im Löschungshafen tatsächlich in Geltung stehende Recht das maßgebende ist (anders Boyens 2, 196).

Nr. 122; auch Hbl. 1880 Nr. 104). Dagegen enthält eine Einschränkung des Gesetzes folgende Streik­ klausel, die im Falle Tatern & Co. gegen Großmann (LG. Hamburg H VII 819/07) vorlag: „If the cargo cannot be discharged by reason of a strike . . . of any dass of workman essential to the discharge of the cargo, the days for discharging shall not count during the continuance of such strike . . . A strike of the receivers men only shall not exonerate him from any demurrage . . . if by the use of reasonable diligence he could have obtained other suitable labour . . .“

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

397

§ 600.

8 600,

Hat sich der Verfrachter ausbedungen, daß die Löschung bis zu einem bestimmten Tage beendigt sein muß, so wird er durch die Verhinderung der Beförderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land (§ 597 Abs. 2 Nr. 0 zum längeren VOatien nicht verpflichtet. Einfluß eines fixierten LöfchungsterminS auf den Ablauf der LöfchungSfristen. 1. Wenn sich der Verfrachter ausbedingt, daß die Löschung bis zu einem bestimmten Tage Anm. 1. beendigt fein muß (fixierter Löschungstermin) — gleichviel ob dieser Tag den Abschluß der Löschzeit oder der Überliegezeit bilden soll — so werden, mangels anderweiter

Vereinbarung, diese Löschfristen nicht dadurch verlängert, daß die Beförderung jeder Art von Ladung von dem Schiffe an das Land verhindert ist (Anm. 9 zu 8 597). Auch dies ist eine Folge des Grundsatzes, daß jede Partei den sich in ihrer Person ereignenden Zufall zu tragen hat- Der Verfrachter ist zum längeren Warten nicht verpflichtet, d. h. er kann nach § 601 verfahren, unter Umständen den Rest der Ladung im Schiffe lassen, um ihn bei seiner nächsten Ankunft dem Empfänger auszuliefern (OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 219; ROHG. Hbl. 1876 Nr. 241). Wartet er doch, so hat er die Ansprüche des § 602.

2. Dagegen werden auch im Falle des fixierten Löschungstermins, sofern nicht Gegenteiliges Anm. 2. vereinbart ist, die sonstigen Bestimmungen deS Gesetzes über Berechnung und Ablauf der Löschsristen nicht modifiziert. Die Fristen verlängern sich also auch hier um die Tage, an denen die Ausladung aus dem Schiffe verhindert ist: der Verfrachter muß um diese Tage über den vereinbarten Termin hinaus Watten.

8 601.

§ 601.

IVenn sich der Empfänger zur Abnahme der Güter bereit erklärt, die Abnahme aber über die von ihm einzuhaltenden Fristen verzögert, so ist der Schiffer befugt, die Güter unter Benachrichtigung des Empfängers in einem öffentlichen Lagerhaus oder sonst in sicherer Weise zu hinterlegen. Der Schiffer ist verpflichtet, in dieser Weise zu verfahren und zugleich den Befrachter davon in Kenntnis zu setzen, wenn der Empfänger die An­ nahme der Güter verweigert oder sich über die Annahme auf die im § 594 vorgeschriebene Anzeige nicht erklärt oder wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist. Der Paragraph statuiert für gewisse Fälle ein Recht, für andere Fälle eine Pflicht deS Schiffers, die Güter zu hinterlegen. 1. DaS Hinterlegungsrecht ist dem Schiffer dann gegeben, wenn sich der EmpfängerAnm. 1. zwar zur Abnahme der Güter sd. h. zu der für die Bewirkung der Ablieferung er­ forderlichen Entgegennahme (Pappenheim 3, 413 Anm. 2)] bereit erklärt, abex. diese über die von ihm nach Vertrag, Ortsrecht oder Gesetz einzuhaltenden Fristen l(vgl. Pappenheim 3, 413 Anm. 2)] verzögert. Da es sich um Annahmeverzug handelt siebenso Pappenheim 3, 417 Anm. 5; Mittelstein Handb. 246 Anm. 26)], ist Verschulden des Empfängers nicht erforderlich (BGB. § 293); Verzug des Empfängers liegt, sofern der Schiffer auf Befriedigung seiner Ansprüche aus §§ 614, 615 Zug um Zug besteht, schon dann vor, wenn der Empfänger jene Gegenleistungen nicht anbietet (BGB. § 298). Macht der Schiffer von dem Rechte der Hinterlegung Gebrauch, so hat er den Anm. 2. Empfänger zu benachrichtigen: vorherige Androhung ist nicht vorgeschrieben, aber empfehlenswert.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 801. 2. Die Hinterlegungspflicht Landers BSchG. § 52 Abs. 2)]. Anm. 3. a) Sie ist gegeben in drei Fällend) oc) Wenn der Empfänger die Annahme der Güter verweigert. Dem steht der Fall gleich, daß die Annahme infolge von Differenzen über die Modalitäten der Abliefe­ rung oder über sonstige Punkte unterbleibt (HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 137; RG. 14, 9), z. B. die Frachtzahlung oder Sicherheitsleistung dafür verweigert wird (ROHG. 2, 416; KG. Rechtspr. 20, 6; Mittelstem Handb. 244]). Auf teilweise Annahme braucht sich der Verfrachter nicht einzulassen (Boyens 2, 199; Warneken 82; unten Anm. 15 zu § 614; anders HansOLG. Hbl. 1898, 87). Anm. 4. ß) Wenn der Empfänger sich auf die Löschbereitschaftsanzeige (§ 594) über die Annahme nicht erklärt, d. h. binnen verkehrsüblicher Frist nicht erklärt. Der Nichterklärung stehen ausweichende Antworten gleich (Prot. 2251). Anm. 5. y) Wenn der Empfänger nicht zu ermitteln ist. Der Schiffer ist berechtigt und verpflichtet, eine mäßige Frist auf den Erfolg seiner öffentlichen Bekanntmachung nach § 594 zu warten (OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 71). Anm. 6. b) In diesen Fällen ist nicht nur der Empfänger, sondern auch der Befrachter (nicht der Ab­ lader: LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 14) von der Hinterlegung in Kenntnis zu fetzen (die Mitteilung muß ihnen zugehen: KG. Nechtspr. 20, 6), der Empfänger im Falle von Anm. 5 natürlich durch öffentliche Bekanntmachung analog § 594. Die Kosten der letzteren gehören zu den nach § 593 vom Empfänger zu tragenden „übrigen Kosten der Löschung" (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1901 Nr. 63). Wenn Boyens 2, 197 meint, es lasse sich die Löschbereitschaftsanzeige (§ 594) an den unbekannten Empfänger mit der Benach­ richtigung des § 601 durch Beifügung einer Hinterlegungsandrohung verbinden (was in der Praxis unendlich oft geschieht!), so ist dem entgegenzuhallen, daß es Zweck der Benach­ richtigung des § 601 ist, den Empfänger von der g esch eh en en Hinterlegung in Kenntnis zu setzen. Unterlassung der Benachrichtigung macht den Schiffer schadensersatzpflichtig (ROHG. 20 Nr. 87). Doch kann aus der unterlassenen Benachrichtigung gegenüber dem Befrachter nur dieser (KG. Rechtspr. 20, 6), nicht aber der Empfänger, einen Einwand gegen Liegegeldforderungen aus § 602 herleiten (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 102; fanders Pappenheim 3, 417 Anm. 4]). Anm. 7. c) Die Hinterlegungspflicht besteht, sowohl dem Befrachter als dem Empfänger gegenüber (HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 137; NG. 14, 9; sPappenheim 3, 417]). Durch ihre Ver­ letzung macht der Schiffer also sich (§ 511) und damit den Reeder bzw. Verfrachter (§ 485; BGB. § 278) beiden schadensersatzpflichtig, und beide können gegen Liegegeldansprüche für die Zeit, während deren die Güter hätten hinterlegt sein sollen, aus der Unterlassung der Hinterlegung eine Einwendung herleiten. Jedoch ist die Befolgung der Vorschrift nicht etwa eine vom Richter von Amts wegen zu beachtende formelle Voraussetzung etwaiger Liegegeldansprüche (ROHG. 15, 232; HansOLG. Hbl. 1886, 137 = SeuffA. 40, 438): es steht vielmehr dem auf Liegegeld klagenden Schiffer frei, den Einwand der mangelnden Hinterlegung durch geeignete Repliken zu entkräften, z. B. durch den Beweis, daß das Gesetz durch Vereinbarung ausgeschlossen worden sei, oder daß durch die Hinterlegung noch größere Unkosten oder Schäden entstanden sein würden (ROHG. 1. c.; HansOLG. 1. c.; vgl. Schlodtmann SeuffA. 40, 439). Anm. 8. d) Andere Maßregeln statt der Hinterlegung zu wählen ist der Schiffer, um sich der Ladung zu entledigen, mangels anderweiter Vereinbarung?) regelmäßig nicht berechtigt; insbe*) Analog zu behandeln dürften andere Ablieferungshindernisse sein, insbesondere der Fall, daß die Zollbehörde das Gut nicht ins Zollinland hineinlafsen will (vgl. Staub Anm. 1 zu § 437). 2) Unendlich häufig sind die Klauseln, in denen dem Schiff gestattet wird, bei nicht sofortiger Abnahme seitens des Empfängers (vgl. Anm. 7 zu §594) die Güter entweder in Leichter zu löschen oder zu landen und zu Lager zu bringen. Beispiele (mit mannigfachen Variationen): HG. und OG Hamburg Hbl. 1875 Nr. 219; ROHG. Hbl. 1876 Nr. 241; HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 20; 1895 Nr. 87; 1898 Nr. 111; 1906 Nr. 41 usw. Hierzu Warneken 80.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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sondere darf er nicht etwa das Schiff an den Kai legen (HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 87) oder § 60L

mit dem Schiff weiterfahren und die Ladung in einem anderen Hafen löschen (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 41; (Pappenheim 3, 417]) oder endlich die Güter zum Verkauf bringen (NG. 14, 11). Letzteres kann sich indessen in Ausnahmefällen rechtfertigen, z. B. wenn es im Interesse der Ladungsbeteiligten erforderlich erscheint (Anm. 2 zu § 535; vgl. HansOLG. Hbl. 1885, 138 = SeuffA. 40, 439; dagegen Schlodtmann SeuffA. 40, 439) oder wenn es durch das Interesse des Verfrachters geboten wird, z. B. wenn die Gefahr vorliegt, daß bei Vornahme der Hinterlegung die Ladung verdirbt oder schmilzt (Eisladung), so daß der Verfrachter hierdurch seines Pfandrechts beraubt werden würde (NG. 15, 27); ebenso, wenn die Hinterlegung ohne Verzollung nicht zu bewirken ist und der Wert der Ware voraussicht­ lich Fracht, Zoll und Spesen nicht deckt (Doyens 2, 199). In einem Ausnahmefalle hat das OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 219 und das ROHG. Hbl. 1876 Nr. 241 das Verfahren des Schiffers für gerechtfertigt erklärt, der wegen Eisbehinderung den Rest der Ladung, dessen Löschung verhindert war, wieder mitnahm und erst bei seiner nächsten Rückkehr nach Ham­ burg löschte; ebenso das RG. 9. Dez. 1916 (Recht 1917 Nr. 1135): die Rückbeförderung einer Ladung, die als falsch deklarierte Schmuggelware ohne Konfiskationsgefahr nicht gelandet werden konnte (unter Zubilligung angemessener Rückfracht!). 3. Die Hinterlegung hat zu erfolgen in einem öffentlichen Lagerhaufe — ein solches ist auch Anm. 9. der Kaischuppen (RG. Hbl. 1888, 264) — oder fönst in sicherer Weife [(M.) bei einem Dritten (Mittelstem Handb. 246 Anm. 27)], z. B. bei einem Spediteur (vgl. EVerkO. § 70), unter Umständen in einem Lagerkahn oder Leichter (HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 99). (Ge­ richtliche Hinterlegung, welche Art. 602 forderte, ist nicht mehr nötig (vgl. Denkschrift 281).] Der Schiffer und mit ihm der Reeder bzw. Verfrachter haftet für Verschulden bei der Aus­ wahl der Hinterlegungsstelle.

4. Über die durch die Hinterlegung geschaffenen Rechtsverhältnisse ist folgendes zu sagen: Anm. 10. a) Der Schiffer schließt den Einlagerungsvertrag ab nicht im Namen des Empfangsberechtigten, sondern im eigenen Namen bzw. in demjenigen des Verfrachters (ebenso Brandts 2, 26; Mathies Hbl. 1913, 225; sPappenheim 3, 415; Mittelstein Handb. 247]; anders LG. Bremen Hbl. 1895, 307). Es kommen also durch den Bertragsbeschluß obligatorische Rechtsverhältnisse zwischen dem Empfangsberechtigten und dem Lagerhalter*) nicht zustande. Doch ist der Verfrachter (und für ihn der Schiffer) ver­ pflichtet, gegen Erfüllung der aus dem Frachtverträge resultierenden Verbindlichkeiten dem Empfangsberechtigten seine Rechte gegen den Lagerhalter abzutreten, also insbesondere die erhaltenen Lagerscheine auf ihn zu übertragen. Abweichend hiervon ist das RG. (IW. 1912, 804 LZ. 1912, 654 -- SeuffA. 68, 157--Recht 1912 Nr. 1936) der Meinung, daß aus der Hinterlegung auch Herausgabeansprüche für den Empfänger erwüchsen. Das Gesetz sage nichts darüber, wem das Recht auf Rückgabe der Güter zustehe: das nächstliegende würde sein, den als den Berechtigten anzusehen, in dessen Namen die Hinterlegung vorgenommen werde, also den Verfrachter, zumal dieser wegen seines Pfandrechts ein eigenes Interesse an der Erhaltung der Güter habe. Es komme aber außerdem in Betracht, daß die Hinterlegung zwecks Erfüllung der dem Schiffer bzw. dem Verfrachter obliegenden Verpflichtung erfolge, dem legitimierten Konnossementsinhaber die Güter auszuliefern (§ 645). Die Hinterlegung zwecks Erfüllung einer Verbindlichkeit sei aber allgemein im BGB. geregelt: wie sich aus BGB. §§ 376 Abs. 2 Nr. 2, 380, 382 ergebe, erlange bei einer solchen Hinterlegung der Gläubiger regelmäßig unmittelbar einen Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle. Es scheine demnach der Sachlage am meisten zu entsprechen, im Falle des § 601 nicht nur einen Herausgabeanspruch des Verfrachters, sondern auch *) Lagerhalter ist nur, wer gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt (§ 416). Im Text soll indessen zur Vermeidung von Wiederholungen für jeden, der die Lagerung der Güter übernommen hat, der Ausdruck „Lagerhalter" gebraucht werden.

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8 601.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütem.

einen solchen des Empfängers anzunehmen, dergestalt, daß der Verwahrer die Güter nur an beide gemeinschaftlich herauszugeben habe. — Dieser Lösung kann nicht beigetreten werden. Sie würde es dem Verfrachter unmöglich machen, ohne Einverständnis des ihm oft ganz unbekannten Empfängers oder ein dasselbe ersetzendes Urteil sein Pfandrecht zu realisieren: sie läßt sich also mit HGB. § 623, BGB. §§ 1228 ff. nicht vereinbaren. Überdies kämen BGB. §§ 372 ff. nur in Frage, wenn „für den Gläubiger", also hier für den Empfänger, hinterlegt ist, was der noch nicht befriedigte Schiffer kaum jemals tun wird. Übrigens ließe sich, auch wenn sie zur Anwendung kämen,

ein gemeinschaftlicher Herausgabeanspruch des Verfrachters und Empfängers nicht recht­ fertigen: 8 376 ergibt, daß nur entweder der eine oder der andere den Anspruch auf Heraus­ gabe der hinterlegten Gegenstände hat (Beer, Hinterlegung zum Zwecke der Befreiung von Schuldverbindlichkeiten 78; Oertmann Note 1 zu BGB. § *376). Anm. 11. b) Auch der Lagerhalter handelt nicht im Namen des Empfangsberechtigten oder sonst für denselben: zur Wahrung der Rechte desselben Schritte zu tun, ist er weder berechtigt noch verpflichtet. Die gegenteilige Ansicht von Boyens 2, 198 ff. läßt sich nicht rechtfertigen. Was gehen den Lagerhalter die Beziehungen des Einlagerers zu dritten Personen an? Worauf soll eine Verpflichtung seinerseits gegründet werden, für diese dritten Personen in verantwortlichster Weise tätig zu werden? Ließe sich ein Recht hierzu konstruieren, so würde sich doch kein Lagerhalter derartige Lasten freiwillig aufbürden. Aber auch ein Recht hierzu besteht nicht: irgendein Bedürfnis für ein solches ist nicht gegeben (Anm. 12). Schließt der Lagerhalter als Geschäftsführer ohne Auftrag den Vertrag im Namen des Empfängers, so tut er dies auf seine Gefahr (BGB. §§ 677, 177, 179). Anm. 12. c) Mit Unrecht nimmt Boyens 2, 198 an, daß sich durch die Übergabe an den Lagerhalter die Ablieferung (§ 606) und die Übernahme (88 608, 609) voll­ ziehe (mir zustimmend Brandts 2, 26 fund Pappenheim 3, 416 sowie Mittelstein Hand. 264]). Das Gesetz sagt dies nirgends; das Gegenteil ist bezüglich der Ablieferung aus 8 623 Abs. 2 ersichtlich, welcher die Ablieferung der Hinterlegung geradezu gegenüberstellt (vgl. Pappen­ heim 2, 373). Ablieferung und Übernahme sind Akte, welche begrifflich eine Mitwirkung des Destinatärs erheischen. Mit welchem Recht kann man dieser Tätigkeit des zum Emp­ fange nicht verpflichteten, diesen vielleicht ablehnenden Destinatärs die Tätigkeit einer an­ deren, von ihm nicht beauftragten Person substituieren? Nicht einmal das praktische Be­ dürfnis zwingt hierzu. Sicherlich soll durch Säumnis oder Unauffindbarkeit des Empfängers der Augenblick, in dem die Verantwortlichkeit des Schiffes aufhört, nicht hinausgeschoben werden. Aber mit der Übergabe der Güter an den Lagerhalter endet diese Verantwort­ lichkeit^) wenn auch nicht rechtlich (vgl. ROHG. 17, 237), so doch tatsächlich, da Zufall und Verschulden des Lagerhalters während der Lagerung Umstände sind, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewandt werden können (8 606).2) BGB. 8 278 greift nicht Platz s(ebenso Pappenheim 3, 416)]: des Lagerhalters bedient sich der Schiffer nicht zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit, denn das Gesetz entbindet gerade den Schiffer in den Fällen des 8 601 von der Pflicht, die Güter weiter aufzubewahren. Auch daraus brauchen dem Schiffer keine Schwierigkeiten zu entstehen, daß evtl, lange Zeit nachher der Empfänger noch in der Lage ist, die Besichtigung der Güter nach 88 608, 609 herbeizuführen. Der Schiffer braucht nur — und dies wird ein diligenter- Schiffer stets tun — seinerseits vor der Hinterlegung eine Besichtigung nach 8 608 vornehmen und die erforderlichen Feststel­ lungen machen zu lassen. Schließlich muß dem Zweck des 8 601 entnommen werden, daß x) Auch wo dies nicht vertragsmäßig ausgemacht ist („otherwise the master or ship’s agent shall be at Liberty to enter and land the goods, or put them into störe, wäre house or craft, or on quai, at the receiver’s risk and expense“: Hbl. 1895 Nr. 87; vgl. ROHG. 17, 237; „the reaponsibility of the ship . . . ceases in all cases in the moment, when the goods leave the ship’s deck: Hbl. 1888 S. 53 u. 86; 1897 Nr. 23; vgl. 1900 Nr. 93. 2) Für culpa in eligendo muß das Schiff auch bei Adoptierung der gegenteiligen Ansicht dem Empfangsberechtigten einstehen!

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft znr Beförderung von Gütern.

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das Schiff hinsichtlich des Zeitpunktes, wo ihm die Fracht verdient ist (vgl. § 617), nicht H KOI. schlechter gestellt werden soll, als wenn das Gut ordnungsgemäß empfangen worden wäre, so daß insoweit die befugt vorgenommene Entlöschung und Hinterlegung gleiche Wirkung hat wie die Ablieferung (vgl. HansOLG. Hbl. 1888, 87, wo dies aus den in Note 1 ge­ nannten Konnossementsklauseln gefolgert wird). Boyens' Ansicht führt übrigens zu der gewiß nicht beabsichtigten Konsequenz, daß das Zurückbehaltungsrecht des Verfrachters nach § 615 durch die Übergabe an den Lagerhalter

sein Ende erreichen müßte (unten Anm. 13). ä) Der Verfrachter behält auch, solange die Güter hinterlegt sind, sein gesetz-Anm. 13. liches Pfandrecht an denselben f(8 623 Abs. 2)]. Doch geht diesem Rechte das gesetz­ liche Pfandrecht des Lagerhalters (§ 421) nach Maßgabe von HGB. § 366 Abs. 3, BGB. § 1208 vor. Das Zurückbehaltungsrecht des Verfrachters (§ 615) bleibt gleichfalls bestehen, da eine Auslieferung der Güter an den Empfangsberechtigten noch nicht erfolgt ist s(ebenso Pappenheim 3, 416 Anm. 4)]. e) Der Lagerhalter ist unmittelbarer, der Verfrachter mittelbarer, der Emp-Anm. 14. fangsberechtigte gleichfalls mittelbarer („entfernt mittelbarer") Besitzer (BGB. §§ 868, 871; anders Boyens 2, 198; zutreffend HansOLG. Hbl. 1909, 15). Daraus ergibt sich, daß der Lagerhalter der Eigentumsklage des Konnossementsinhabers (vgl. § 647) nicht nur eigene Rechte zum Besitz, sondern auch solche des Verfrachters entgegenhalten kann (BGB. § 986), und daß er, wo nur solche des Verfrachters vorliegen, nach ZPO. § 76 verfahren kann. f) Die Kosten der Einlagerung, welche dem sie verauslagenden Verfrachter von demAnm. 15. Empfänger bzw. Befrachter zu ersetzen sind, bestehen regelmäßig in Lagermiete, Speditions­ kosten, Ewerführerlöhnen u. dgl., unter Umständen, nämlich wenn die Versicherung der Güter der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns entspricht, treten die Versicherungskosten hinzu (HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 177).

§ 602.

§ 602.

Soweit durch die Säumnis des Empfängers oder durch das Hinterlegungsverfahren die Löschzeit ohne verschulden des Schiffers überschritten wird, hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (§ 594), unbeschadet des Rechtes, für diese Zeit, soweit sie keine vertragsmäßige Überliegezeit ist, einen höheren Schaden geltend zu machen. Ansprüche des Verfrachters bei Überschreitung der Löschzeit in den Fällen deS § 601.

1. Voraussetzung der Ansprüche ist die Überschreitung der Löschzeit durch die Säumnis des Anm. 1. Empfängers oder durch das Hinterlegungsverfahren, ohne Verschulden des Schiffers. a) Überschreitung der L'öschzeit, gleichviel, ob eine Überliegezeit vereinbart ist oder nicht. Anm. 2. Der Unterschied beider Fälle liegt darin, daß die Überliegezeit, falls nicht ein Fall des § 596 Abs. 1 vorliegt, erst nach Abgabe der Erklärung des § 596 Abs. 2 endet (Anm. 7 zu 8 596), während, wenn keine Überliegezeit vereinbart ist, die Löschzeit ipso jure endet und über­

schritten wird (§ 594 Abs. 4; unrichtig HG. Bremen BuschsA. 11, 19). b) Durch die Säumnis des Empfängers oder das Hinterlegungsverfahren. Beweislast: Anm. 3. Anm. 10 zu 8 597. a) Säumnis des Empfängers. Gemeint ist an sich nur Annahmeverzug des Emp­ fängers (BGB. 8 293; Voraussetzung, daß das Schiff löschbereit sKohler ArchBürgR. 13, 193] und daß die Güter vor der Hand sind: HansOLG. Hbl. 1895, 226), nicht Zah­ lungsverzug (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 266). Sofern indessen der Schiffer die Er­ füllung der dem Empfänger obliegenden Leistungen (88 614, 615) Zug um Zug gegen die Auslieferung der Ladung verlangt, so kommt der Empfänger nach BGB. 8 298 auch Schapü, Seerecht. 2. Aufl. 26

402 § 602.

Anm. 4.

Anm. 5.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern. dann in Annahmeverzug, wenn er zwar die angebotene Leistung entgegenzunehmen bereit

ist, die verlangte Gegenleistung aber nicht anbietet (Ullrich Nr. 202; Seebohm Nr. 196). Wodurch die Säumnis des Empfängers verursacht ist, ob durch Verschulden oder nicht,*) ist gleichgültig. ß) Hinterlegungsverfahren, nicht bloß die Hinterlegung selbst: vom Schiffe nicht ver­ schuldete Verzögerungen bei Erledigung der vorgeschriebenen Formalitäten behufs Vor­ nahme oder nach Vornahme der eigentlichen Hinterlegung sind gleichfalls zu Lasten des Ersatzpflichtigen. y) Nicht auf den unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Säumnis bzw. Hinterlegungsverfahren und Überschreitung der Löschzeit kommt es an. Auch adäquate Folgen nachträglichen Zufalls, der die Überschreitung der Löschzeit verlängert, z. B. des Einfrierens des Schiffes während der Überschreitung der Löschzeit,

sind von dem Ersatzpflichtigen zu tragen. Anm. 6. c) Ohne Verschulden des Schiffers, welches von dem in Anspruch Genommenen zu beweisen ist (Anm. 5 zu § 597). Beispiele: unberechtigtes Verlangen der Vorleistung der Fracht (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 119), willkürliche Verweigerung der Auslieferung trotz ordnungs­ mäßigen Konnossements (Ullrich Nr. 228), lässige Entlöschung (HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 72), Nichtstellung genügender Arbeitskräfte seitens des Schiffes (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 72). Unterlassung der Hinterlegung, zu welcher der Schiffer einem Empfänger gegenüber befugt war, kann den anderen gegenüber Verschulden bedeuten (Prot. 2253; vgl. Bremisches Löschgesetz § 3).

Aum. 7. 2. Inhalt des Anspruchs. Der Verfrachter kann beanspruchen a) als Minimum Liegegeld für die Dauer der Überschreitung der Löschzeit, ohne irgendwelche Kürzungen für Sonn- und Feiertage oder Tage der Behinderung (Prot. 2252; Doyens 2, 200). Aus dem Charakter des Liegegelds (Anm. 11 zu 8 567) folgt, daß der Ver­ frachter weder Verschulden des Gegners noch Entstehung eines Schadens zu beweisen hat (vgl. HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 65). sGegen diese Begründung wendet sich Pappenheim 8, 418, weil es sich in den §§ 602, 604 nicht um eigentliches Liegegeld handle.) Anm. 8. b) Statt des Liegegeldes Ersatz eines etwaigen höheren Schadens, sofern nicht die versäumte Zeit vertragsmäßige Überliegezeit ist (soweit letzteres der Fall, gilt das Liegegeld als fixierte Entschädigung). Um den höheren Schaden geltend zu machen, muß der Verfrachter sowohl Entstehung des Schadens in der behaupteten Höhe als Verzug des Gegners beweisen, der aber frei wird, wenn er sich exkulpiert (BGB. § 285; vgl. Prot. 2254). [(M.) Dagegen wird für das entsprechende BSchG. § 49 angenommen (s. Mittelstein 1, 213 und Handb. 240; Förtsch 162 Anm. 7; Löwe° zu § 49 S. 136), daß es auf einen Verzug nicht ankommt. Diesen Standpunkt vertritt für den § 602 HGB. Pappenheim 3, 418 Anm. 3, indem er zutreffend geltend macht, daß es sich hier um eine positivrechtliche Bestimmung und nicht um einen Anspruch n. M. des BGB. handelt, dessen von Schaps angezogener § 285 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil hier nicht Schuldnerverzug (s. Anm. 1 zu 8 601) in Frage steht.)

Anm. 9. 3. Perfon deS Zahlungspflichtigen. Zahlungspflichtig ist a) der Empfänger nach Annahme der Güter (8614, vgl. 8625): würde sich seine Säumnis durch Gründe rechtfertigen, die in seinem Verhältnis zum Ablader liegen, so geht dies den Verfrachter nichts an (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 102). Über die Haftung mehrerer Empfänger s. Anm. 25 zu § 614; T) Beispiele: Zu spätes Eintreffen der Konnossemente (HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 71); Verzögerung der Löschungsvorbereitungen (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 119); Wahl eines ungeeig­ neten, nicht hafenüblichen oder ungenügend bemannten Fahrzeugs zur Übernahme der Ladung (Hans­ OLG. Hbl.^1898 Nr. 111; in Hamburg ist Entlöschung in Oberländer Kähne hafenüblich: HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 79; 1895 Nr. 79; 1900 Nr. 11, 21); Entsendung einer zum Empfang nicht genügend legitimierten Persönlichkeit (HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 73; vgl. OG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 7L).

403

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

b) bei Nichtabnahme der Güter durch den Empfänger der Befrachter (§ 627), § 662. Da die fraglichen Ansprüche pfandrechtlich geschützt sind (§ 623), so liegt dinglich­ persönliche Haftung vor (Anm. 5 zu § 537).

§ 603.

§ 603.

Die Vorschriften der §§ 594 bis 602 kommen auch zur Anwendung, wenn ein verhältnismäßiger Teil oder ein bestimmt bezeichneter Raum des Schiffes verfrachtet ist. Der Paragraph dehnt die zunächst nur für den Chartervertrag über ein ganzes Schiff gegebenen Vorschriften betreffend die Löschung anch auf die beiden anderen Arten des Charter­ vertrages aus. Vgl. Hamb. Löschverordnung § 6; Altonaer Ortsstatut § 6 (f. Anhang).

§ 604.

§ 604.

Stückgüter hat der Empfänger auf die Aufforderung des Schiffers ohne Verzug abzunehmen. )st der Empfänger dem Schiffer unbekannt, so ist die Aufforderung durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu bewirken. )n Ansehung des Rechtes und der Verpflichtung des Schiffers, die Güter zu hinterlegen, gelten die Vorschriften des § 601. Die im § 601 vorgechsriebene Benachrichtigung^ des Befrachters kann durch öffentliche, in ortsüblicher Weise zu bewirkende Bekanntmachung erfolgen. Für die Tage, um welche durch die Säumnis des Empfängers oder durch das Hinterlegungsverfahren die Frist, binnen welcher das Schiff würde entlöscht worden sein, überschritten ist, hat der Verfrachter Anspruch auf Liegegeld (§ 594), unbeschadet des Rechtes, einen höheren Schaden geltend zu machen. Der Paragraph gibt Vorschriften über die Löschung von Stückgütern, und zwar über die Einleitung. Zeit der Abnahme der Güter durch den Empfänger, über das Hinterlegungsrecht und die Hinterlegungspflicht des Schiffers und über die Ansprüche des Verfrachters i.m Falle der Verzögerung der Löschung. Vgl. Hamburgische Löschverordnung § 7, Altonaer Orts­ statut § 7 (s. Anhang). Er gilt dem Empfänger gegenüber auch dann, wenn der zwischen Ver­ frachter und Befrachter geschlossene Frachtvertrag kein Stückgutvertrag ist (ROHG. 12, 130), der Befrachter also die Ladung an mehrere Teilempfänger adressiert hat s(vgl. Mittelstem Handb. 223)].

1. (Abs. 1.) Zeit der Abnahme der Güter durch den Empfänger. Eine gesetzliche Löschzeit Anm. 1. besteht nicht; örtliches Gewohnheitsrecht ist nicht zugelassen. Vielmehr muß der Empfänger auf die Aufforderung des Schiffers die Güter ohne Verzug abnehmen. a) „Auf die Aufforderung deS Schiffers". Dieselbe hat entweder speziell an jeden Empfänger Anm. 2. (auch durch konkludente Handlungen, z. B. durch Zusendung der Frachtrechnung: HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 20 II) oder durch öffentliche Bekanntmachung in ortsüblicher Weise zu erfolgen. Der letztere Weg ist vorgeschrieben für den Fall, daß der Empfänger dem Schiffer unbekannt ist, unstatthaft im entgegengesetzten Falle (HG. Hamburg Hbl. 1871, 384). Die Kosten der Bekanntmachung gehören zu den nach § 593 vom Empfänger zu tragenden „übrigen Kosten der Löschung" (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1901 Nr. 63) und sind insofern als „Auslagen" nach § 614 dem Verfrachter zu vergüten (HansOLG. Hbl. 1909, 105). — Wenn die Aufforderung auch kein Formalakt ist, so folgt hieraus noch nicht, daß sie durch die anderweitig erlangte 26*

404

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 604
. Kein Verlust ist ein ohne ordnungsmäßige Kondemnation vom Schiffer vorgenommener Schiffs­ verkauf (OG. Hamburg Hbl. 1879, 38). Über die Anwendbarkeit des Abs. 1 auf Stückgüterverträge s. Einl. zu § 641.

b) Verlust der Ladungsgüter. (Beispiele: Untergang oder ihm gleichstehende Wertminderung, Anm. 5. Beseitigung durch Diebstahl oder Raub, strafprozessuale Beschlagnahme, Einziehung; dagegen regelmäßig nicht Pfändung oder Arrestierung wegen einer Schuld des Eigentümers), und zwar der gesamten Ladungsgüter (sonst gilt § 636), in zwei Fällen: oc) wenn sie im Frachtverträge speziell, nicht bloß nach Art und Gattung, bezeichnet sind, ß) wenn sie nachträglich als das zu befördernde Frachtgut dadurch spezialisiert sind (Prot. 2371), daß sie an Bord gebracht oder mindestens behufs Einladung in das Schiff an der Ladungsstelle vom Schiffer foder durch einen anderen Vertreter des Reeders (Pappen-

488

§ 828. Anm. 6. 3.

Anm. 7. 4.

a) b) c)

§ 629.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

heim 3, 563 Anm. 3)] übernommen worden sind (Ausnahmefall: unten Anm. 7): einseitige Ausscheidung genügt nicht. S. o. Anm. 1. Rechtsfolge dieser Ereignisse ist, daß der Frachtvertrag ipso jure außer Kraft tritt, ohne daß ein Teil dem anderen zur Entschädigung verpflichtet ist. In Kraft bleiben indessen Ansprüche, die bereits vor Eintreten des Ereignisses zur Entstehung gelangt sind, z. B. Liegegeldforderungen oder Zeitfrachtansprüche des Verfrachters, Entschädigungs­ ansprüche des Befrachters s(Pappenheim 3, 567 Anm. 2; Mittelstein Handb. 192)]. — Über die Verpflichtungen des Schiffers hinsichtlich der Ladung nach Auflösung des Frachtvertrages s. § 632. Der Frachtvertrag tritt nicht etwa nachträglich wieder in Kraft, wenn die Wirkung des sich als Verlust von Schiff oder Ladung darstellenden Ereignisses wieder auf­ gehoben, z. B. das gesunkene und durchgebrochene Schiff gehoben und repariert, das geraubte oder aufgebrachte Schiff von den Räubern oder dem Feinde wieder losgelassen wird (anders HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 151). Der Schiffer hat vielmehr nach einem solchen Ereignisse, da nicht ohne weiteres anzunehmen ist, daß ihm gestattet ist, als Vertreter des Reeders mit sich selbst als dem Vertreter der Ladungsinteressenten einen neuen Frachtvertrag zu schließen (BGB. § 181), gemäß §§ 534,535 die Anweisungen des Reeders und der Ladungsbeteiligten einzuholen. Der AuSnahmefall des Abs. 2. Der Vertrag tritt im Falle des Abs. 1 Nr. 3 (oben Anm. 5 ß) nicht außer Kraft, wenn die Güter noch innerhalb der Wartezeit (§ 579) verlorengegangen sind und der Befrachter nicht nur sich unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern: BGB. § 121) bereit erklärt, andere Güter (§ 562) zu liefern, sondern auch mit der Lieferung noch innerhalb der Wartezeit beginnt. Steht der Verlust der ursprünglich zu verschiffenden Güter fest, so har derjenige, der das Jnkraftbleiben des Frachtvertrages behauptet, zu beweisen, daß sie innerhalb der Wartezeit verlorengegangen sind und daß der Befrachter die beiden genannten Bedingungen erfüllt hat. Bleibt der Vertrag bestehen, so hat der Befrachter die Abladung der substituierten Güter binnen kürzester Frist zu vollenden (der Verfrachter kann gemäß BGB. § 326 im Falle des Verzuges vorgehen!), die Mehrkosten dieser Abladung zu tragen, soweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, dem Verfrachter den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Er kann sich in dieser Hinsicht nicht durch Zahlung des Liegegeldes freimachen; andererseits hat der Verfrachter, da die Fassung des Gesetzes nicht der des § 581 Abs. 2 entspricht, keinen Anspruch auf Liegegeld, wenn er keinen Schaden ober einen solchen, der niedriger ist, als das Liegegeld, gehabt hat.

§ 629. Jeder Teil ist befugt, von dem vertrage zuriickzutreten, ohne zur Ent­ schädigung verpflichtet zu fein: b wenn vor dem Antritte der Reise das Schiff mit Embargo belegt oder für den Dienst des Reichs oder einer fremden Macht in Beschlag genommen, der handel mit dem Bestimmungsort untersagt, der Abladungs- oder Bestimmungshafen blockiert, die Ausfuhr der nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter aus dem Abladungshafen.oder ihre Einfuhr in den Bestimmungs­ hafen verboten, durch eine andere Verfügung von hoher ffanb das Schiff am Aus­ laufen oder die Reife oder die Versendung der nach dem Fracht­ verträge zu liefernden Güter verhindert wird.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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Jn allen diesen Lallen berechtigt jedoch die Verfügung vonH 629. hoher Hand nur dann zuin Rücktritte, wenn das eingetretene Hindernis nicht voraussichtlich von nur unerheblicher Dauer ist; 2. wenn vor dem Antritte der Reise ein Krieg ausbricht, infolgedessen das Schiff oder die nach dem Frachtverträge zu verschiffenden Güter oder beide nicht mehr als frei betrachtet werden können und der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt würden. Die Ausübung der im § 562 dem Befrachter erteilten Befugnis wird durch diese Vorschriften nicht ausgeschlossen. Einfluß von Verfügungen von hoher Hand und Krieg, eintretend vor Antritt der Reise. Einleitung. Vorausgesetzt wird, daß die fraglichen Ereignisse nicht bereits vor Abschluß des Fracht­ vertrages eingetreten sind (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 93). Waren sie ein­ getreten und wußten die Kontrahenten beim Vertragsschluß nichts davon, so ist trotzdem für eine Anfechtung nach BGB. § 119 kein Raum, weil höchstens ein Irrtum im Motiv vorliegt tunders Bönens 2, 284); dagegen können die §§ 306 ff. BGB. in Betracht kommen shiergegen aber Pappen­ heim 3, 575 Anm. 1, welcher den § 629 entsprechend anwendet). 1. Die in Frage kommenden Ereignisse, denen nicht die bloße Gefahr völkerrechtswidrigerAnm. 1. Eingriffe gleichzustellen ist (Löwe Note 1), zerfallen — abgesehen von weitergehenden Ver­ tragsstimmungen (vgl. HansOLG. Hbl. 1889, 176) — in zwei Gruppen: a) Verfügungen von hoher Hand, und zwar nur solche, die im Einzelfall voraussichtlich von nicht unerheblicher Dauer sind (Beispiel eines vorübergehenden Hindernisses: mehrtägiges Verbot an sämtliche Schiffe, den Hafen zu verlassen: Prot. 2387; svgl. Pappenheim 3, 573]). Das Gesetz nennt Embargo (PerelsIntern. SeeR. 150ff.), Beschlagnahme für den Dienst desReichs oder für den einer fremden Macht (Angarien: Perels 221 ff.), aber nur wenu Aussicht auf Rückgabe da ist (sonst liegt Verlust vor: Anm. 4 zu 8 628); nicht hierher gehört die frei­ willige Hergabe des Schiffes behufs Umwandlung in ein Kriegsschiff; Untersagung des Handels mit dem Bestimmungsorte; Blockade des Abladungs- oder des Bestimmungshafens, gleichgültig ob Kriegs- oder Friedensblockade (Perels S. 261 ff., 151 ff.; Beruften Seekriegsrecht 158 ff.; Nanticus 1909, 248ff.; PrO. Ziff. 57 ff.); auf die völkerrechtliche Wirksamkeit der Blockade kommt es nicht an, sondern darauf, ob der Kontrahent, der zurücktreten will, sie nach den Umständen für wirksam halten mußte (AppG. Marienwerder BuschsA. 6, 439 ff.; ROHG. 8, 302; HG. Hamburg Hermann u. Hirsch Nr. 116,130; HG. und OG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 33, 65, sPappenheim 3, 572 Anm. 3]; anders Kommerz- und Admiralitätskollegium Danzig BuschsA. 4, 478 ff.); Ausfuhrverbot der Güter aus dem Abladungshafen oder Einfuhrverbot nach dem Bestimmungshafen; Durchfuhrverbot für einen Zwischenhafen kann nur gleichgestellt werden, wenn die Berührung dieses Zwischenhafens unumgänglich ist; andere Verfügungen von hoher Hand, welche das [(fonfrete, s. Pappen­ heim 3, 572 Anm. 2 gegen Sieveking 88)] Schiff am Auslaufen oder die Reise oder die Versendung der nach dem Frachtverträge zu liefernden Güter verhindern. Beispiele: Verbot des Einlaufens von Schiffen der betreffenden Nationalität im Bestimmungs­ hafen (Perels 151); Sperrung des Abladehafens (Perels S. 187, 220ff.); Erklärung des Bestimmungshafens zum Sperrgebiet durch eine feindliche Macht (SeeG. Kopenhagen Ost.-Ungar. Schiff.-Ztg. vom 14. Okt. 1917, 20); Beschlagnahme nach Art. 2 des Haager Abk. vom 18. Okt. 1907 über die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruche der Feindseligkeiten (RGBl. 1910, 181 ff.); unverschuldete Festhaltung des Schiffes aus zollrechtlichen Gründen (RG. Bolze 2 Nr. 963; LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 108; Boyens 2, 283; anders HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 21). Nicht hierher gehört Quarantäne im Bestim-

490 § 62S.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

mungshafen (HansOLG. Hbl. 1889,176; RG. 25,101; sanders Pappenheim 3, 571 Anm. 3]), zivilprozessuale Beschlagnahme von Schiff oder Ladung s(anders Pappenheim 3,572 Anm. 5)].

Anm. 2. b) AuSbrechen eines Krieges, durch welches Schiff oder Ladung oder beides nicht mehr als frei zu betrachten find, daher der Gefahr der Aufbringung ausgesetzt sind s(vgl. den Fall HansOLG. HansRZ. 1, 534)]. Über die maßgebenden völkerrechtlichen Grundsätze s. Perels S. 187 ff., 223 ff. Ob die kriegführenden Parteien als solche von den neutralen Mächten an­ erkannt sind, ist gleichgültig (HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 93). Bezüglich der Ladung ist nicht aus­ schlaggebend, ob sie nach den zur Zeit des Rücktritts geltenden Grundsätzen bereits Bannware ist, es kommt vielmehr darauf an, ob sie bei verständiger Würdigung der Sachlage als unfrei zu betrachten ist; das kann auch für Nichtkonterbande gelten, wenn anzunehmen ist, sie werde wegen ihres Wertes für die Kriegführung nachträglich zur Konterbande erklärt werden (Hans­ OLG. Hansa 1917, 300 und RG. 90, 392). — Der Fall des Gesetzes ist schon gegeben, wenn Schiff oder Ladung unfrei geworden sind: es ist also unerheblich, ob die Ladung für sich altem frei war (ROHG. 7,173). Zu beachten ist, daß dem Kontrahenten, der zurücktreten will, nicht die Entscheidung zuzumuten ist, ob Schiff bzw. Ladung nach richtiger Rechtsauslegung unfrei geworden ist, sondern daß ihm nur eine verständige Erwägung obliegt, ob infolge des Kriegs­ ausbruchs Schiff oder Ladung von den Schiffen der Kriegführenden nach summarischer Prüfung als unfrei betrachtet werden kann (ROHG. 7, 174; sRG. 90, 392]; vgl. OAG. Lübeck Hamb. Sammlung 2, 538ff.; sPappenheim 3, 574)].

Anm. 3. 2. Wirkung detz Eintritts eines der unter 1 genannten Ereignisse ist ein Rücktrittsrecht für jeden Teil, ohne Entschädigungspflicht. a) Die Rücktrittsbefugnis steht „jedem Teile" zu, also einerseits dem Verfrachter oder seinem Vertreter, dem Schiffer, andererseits den: Befrachter bzw. dem allein legitimierten Konnossementsinhaber (HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 291). Der Befrachter braucht sich nicht etwa vom Verfrachter auf einen im Vertrage alternativ stipulierten ungefährlicheren Be­ stimmungshafen verweisen zu lassen (RG. 90, 394). Anm. 4. d) Die Rücktrittserklärung ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechts­ geschäft. Sie ist zulässig ohne zeitliche Begrenzung (HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 291, sanders Pappenheim 3, 576, der BGB. § 355 angewendet wissen will]), solange nicht ausdrücklich oder stillschweigend auf das Rücktrittsrecht verzichtet worden ist. Ein Verzicht des Befrachters liegt vor, wenn er in Kenntnis des Rücktriitsgrundes die Güter verladen läßt (HansOLG. LZ. 1916, 630 = Hbl. 1916, 72). Anm. 5. c) Der erklärte Rücktritt hebt den Vertrag auf, aber nur ex nunc s(HansOLG. HansRZ. 1, 537); es handelt sich daher um eine fristlose Kündigung im Sinne des BGB. (Pappenheim 3, 570; vgl. Mittelstem Handb. 193)]. Der „Rücktritt" ändert also nichts an den bereits begründeten Verbindlichkeiten (Anm. 6 zu § 628): bis zur Erklärung des Rücktritts laufen insbesondere Ladezeit und Überliegezeit weiter, sofern der Befrachter sich nicht durch Klauseln hiergegen geschützt hat (vgl. Hbl. 1893 Nr. 1). — Über die Verpflich­ tungen des Schiffers bezüglich der Ladung nach Auflösung des Frachtvertrages s. § 632.

Anm. 6. 3. (Abs. 2.) „Die Ausübung der in 8 562 dem Befrachter erteilten Befugnisse wird durch diese Vorschriften nicht ausgeschlossen", d. h. wo das Transporthindernis in der Art der Güter begründet ist, kann der Befrachter durch Ausübung des Substitutionsrechts aus § 562 das Rücktrittsrecht des Verfrachters, auch wenn von ihm schon Gebrauch gemacht ist, illusorisch machen. Freilich bedarf es nach erfolgtem Rücktritt des Verfrachters einer unverzüglichen Gegenerklärung des Befrachters, sdie Pappenheim 3, 578 nicht mehr zuläßt].

Anm. 7. 4. Die Bestimmungen des § 637, betreffend das AnSladungSrecht deS Befrachters, gelten nicht unmittelbar für die Fälle des § 629 (anders Boyens 2, 296). Doch sind sie, falls Rücktritt nicht flattfindet, analog auf diese Fälle anzuwenden.

Anm. 8. 5. Über die Anwendbarkeit der Vorschriften des § 629, soweit er Zufälle im Schiffsbetriebe be­ trifft (Embargo, Beschlagnahme für den Dienst des Reichs oder einer fremden Macht), auf

Stückgüter f. Einl. zu § 641.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

491

6. Bor dem Weltkrieg geschlossene SukzessivverschisfungSverträge, deren Erfüllung während § 629. des Weltkrieges nicht möglich war, unterliegen hinsichtlich ihres Bestandes den allgemeinen Anm. 9. Regeln über die Unmöglichkeit der Leistung. Überwiegend nimmt mit Recht die Rechtsprechung an, daß sie infolge der langen Kriegsdauer endgültig unmöglich geworden, daher aufgehoben sind [(so für Frachtverträge HansOLG. HansRZ. 2, 93 = Hbl. 1918 Nr. 69: RG. Hbl. 1919 Nr. 37]; weniger weitgehend Hamb. SchiedsG. Hbl. 1916, 28 ff. (s. auch 291), das nur ein Rücktrittsrecht nach § 629 annimmt).

§ 630.

§ 630.

Geht das Schiff nach dem Antritte der Reise durch einen Zufall ver­ loren (§ 628 Abs. \ Nr. 0/ so endet der Frachtvertrag. Jedoch hat der Be­ frachter, soweit Güter geborgen oder gerettet werden, die Fracht im Verhält­ nisse der zurückgelegten zur ganzen Reise zu zahlen (Distanzfracht). Die Distanzfracht ist nur so weit zu zahlen, als der gerettete wert der Güter reicht. Endigung des Frachtvertrages nach Antritt der Reise durch zufälligen Verlust deSAnm. 1. Schiffes. Distanzfracht.

1. Verlust deS Schiffes durch Zufall: s. Anm. 2—4 zu § 628. Die in Anm. 3 daselbst aufgeführten Urteile beziehen sich gerade auf den Fall des § 630. 2. Der Frachtvertrag endet, er tritt ipso jure außer Kraft. Abgesehen davon, daß die vor Ein-Anm. tritt des Ereignisses bereits begründeten Verbindlichkeiten bestehenbleiben, deren Umfang regelmäßig ein größerer sein wird als im Falle des § 628 (Anm. 6 zu 8 628), statuiert das Gesetz die im bürgerlichen Recht (BGB. §§ 644, 646) nicht begründende Verpflichtung deS Befrachters zur Zahlung von Distanzfracht?) 3. Distanzfracht [ist Fracht (vgl. Pappenheim 3, 569) und zwar] derjenige Teil der Fracht, Anm. der verhältnismäßig zu zahlen ist mif den bis zum Moment der Endigung des Frachtvertrags zurückgelegten Teil der Reise. a) Fälle der Distanzfracht. Sie ist nicht nur zu zahlen inr Falle des § 630, sondern auch in dem Anm. des § 634. b) Berechnung der Distanzfracht: s. die Ausführungen zu § 631. Anm. c) Für welche Güter ist die Distanzfracht zu zahlen? Nicht für die untergegangenen (§§ 617, Anm. 633), sondern für die geborgenen und geretteten. Hierzu gehört auch der Erlös für Güter, die im gesunkenen Zustand verkauft sind (HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 64; RG. 13 Nr. 31). Gleichgültig ist, ob die Güter vom Schiffer oder vom Berger abgeliefert werden (HansOLG. Hbl. 1903, 232). d) Maximalbetrag. „Die Distanzfracht ist nur so weit zu zahlen, als der geretteteAnm. Wert der Güter reicht." Das besagt nicht etwa, daß ein Fall nichtpersönlicher Haftung (Anm. 3, 9 ff. zu § 537) vorliege (so Brandis 1, 71), oder daß der Zahlungspflichtige die Güter abandonnieren dürfe. Vielmehr setzt das Gesetz einen Betrag fest, über welchen hinaus der Zahlungspflichtige eine Distanzfracht nicht zu zahlen braucht, einen Betrag, der sich mit dem geretteten Werte der Güter decken soll. Es handelt sich hiernach um eine beschränkt-persönliche Haftung (Wagner 229; Schaps JLBl. 20, 164;

T) Näheres, auch über das ausländische Recht, in den Gutachten von Denisse und Schaps, zur Venediger Konferenz des Comit6 Maritime International (Bulletin Nr. 19, 136 ff. u. 180 ff.). Mein Gutachten findet sich auch in deutscher Sprache in den Drucksachen des Deutschen Seerechts­ vereins 1907 („Bemerkungen zum Questionnaire sur le Fret des Comite Maritime International"). — Die Bremer Konferenz des Comitö Maritime International (1904) hat sich nahezu einstimmig für die Abschaffung der Distanzfracht ausgesprochen (Bulletin Nr. 24, 200ff.). Siehe ferner Meyer, 11ber die Distanzfracht des Seerechts, Leipziger Dissertation 1911; sDiedrichsen, Für und wider die Distanzfracht (Kieler Dissertation 1918); Pappenheim 3, 591 ff.].

2.

3.

4.

5. 6.

7.

492 § 830.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

HansOLG. Rechtspr. 14, 388; Pappenheim LZ. 1912, 421 fund 3, 569 Anm. 1]; Werneburg

HoldheimsMSchr. 1915, 86). Anlangend den Wert der Güter, kommt naturgemäß nicht derjenige am Bestimmungsorte, sondern derjenige an dem Orte in Betracht, wohin die Güter gerettet sind (vgl. Prot. 2399), abzüglich der Kosten der Rettung (Prot. 2400), deren Höhe der den Abzug begehrende Zahlungspflichtige zu beweisen bat (HansOLG. Hbl. 1880 Nr.78). In Höhe dieses Wertes haftet der Zahlungspflichtige dinglich-persönlich (Anm. 5 zu § 537), d. h. der Verfrachter hat neben seinem persönlichen Ansprüche auch das Pfandrecht des § 623. Der Beweis, daß die geretteten Güter weniger wert seien als die geschuldete Distanz­ fracht, liegt dem Zahlungspflichtigen ob (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 78; Rechtspr. 14, 388; Brandis 2, 71). Abzüge wegen angeblich auf die Fracht fallender Bergungskosten sind nur zu­ lässig, wenn auch das Schiff gerettet ist, also ein Fall großer Haverei vorliegt (HansOLG. und RG. Hbl. 1903, 232 ff.). Anm. 8. e) Zahlungtzpflichtig ist, wie das Gesetz sagt, der Befrachter. Werden aber die Güter nicht ihm, sondern dem Empfänger ausgeliefert und von ihm angenommen (§ 614), oder seinem Ver­ sicherer als seinem Rechtsnachfolger, oder werden sie nach § 659 dem Ablader oder einem Konnossementsinhaber ausgeliefert, so ist dieser der Zahlungspflichtige (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 151; LG. Hamburg HansOLG. und RG. Hbl. 1903 Nr. 102). Anm. 9. f) über das Recht, nach welchem zu beantworten ist, ob und wieweit Distanzfracht geschuldet loird, s. Vorb. zum 4. Abschnitt Anm. 24. § «31.

§ 631. Lei der Berechnung der Distanzfracht kommt in Anschlag nicht allein das Verhältnis der bereits zurückgelegten zu der noch zurückzulegenden Ent­ fernung, sondern auch das Verhältnis des Aufwandes an Rosten und Zeit, der Gefahren und Mühen, welche durchschnittlich mit dem vollendeten Teile der Reise verbunden sind, zu denen des nicht vollendeten Teiles.

Berechnung der Distanzfracht. Nach § 630 Abs. 1 soll Fracht bezahlt werden im Verhältnis der zurückgelegten zur ganzen Reise. Bei der Berechnung, zu welcher der Richter regelmäßig Sachverständige zuziehen wird, ist nicht bloß die Erwägung maßgebend, loieviel dem Befrachter durch die teilweise Aus­ führung des Transports bereits genützt worden ist [(f. aber Pappenheim 3, 568 Anm. 1)], sondern es kommen hauptsächlich die bereits vom Verfrachter gebrachten Opfer in Betracht (Prot. 2412; NOHG. 3, 267). Anm. 2. 1. DaS Verhältnis der bereits znrückgelegten zu der noch zurütkzulegenden Entfernung. Fest­ zustellen ist also für die Größe der zurückgelegten Entfernung „der entfernteste Punkt, den der Schiffer unter ordnungsmäßiger Ausführung der Reise erreicht hat, selbst wenn dieser Ort nach Längen- und Breitengraden deshalb berechnet werden müßte, weil der Schiffer auf offener See umgekehrt und in den Abgangshafen zurückgekehrt" (Prot. 2412) oder in einen Nothafen eingelaufen ist oder das Schiff nach der Aufbringung in einen abseits vom Kurse belegenen Hafen gebracht worden ist (Boyens 2, 288; s. § 634 Abs. 6). In der Größe der Ent­ fernung vom Abgangshafen bis zu jenem Punkte spiegelt sich die Höhe der Opfer wieder, die der Verfrachter an Heuer, Kohlen, Schiffsbenutzung usw. bereits gebracht hat. Für die Feststellung der Größe der noch zurückzulegenden Entfernung kommt dementsprechend nicht jener Punkt in Betracht, sondern derjenige Ort, an dem sich das Schiff zur Zeit des Rück­ tritts befindet (Boyens 2, 288). Anm. 3. 2. DaS Verhältnis des Aufwandes an Kosten und Zeit und dasjenige der Gefahren und Mühen, die durchschnittlich — also nicht im Einzelfalle — mit dem vollendeten Teile der Reise verbunden sind, zu denen des nicht vollendeten Teiles. Die Hineinziehung des abstrakten Gefahrenverhältnisses macht eine Berechnung der Distanzfracht zur Unmöglichkeit: es ♦ handelt sich stets um eine Abschätzung nach freiem richterlichen Ermessen (Werneburg Hold­ heimsMSchr. 1915, 86).

Anm. 1.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gittern.

493

§ 632.

§ «32.

Die Auflösung des Frachtvertrags ändert nichts in den Verpflichtungen des Schiffers, bei Abwesenheit der Beteiligten auch nach dein Verluste des Schiffes für das Beste der Ladung zu sorgen (§§ 535 bis 537). Der Schiffer ist demzufolge berechtigt und verpflichtet, und zwar im Falle der Dring­ lichkeit auch ohne vorherige Anfrage, je nachdem es den Umständen ent­ spricht, entweder die Ladung für Rechnung der Beteiligten mittels eines anderen Schiffes nach dem Bestimmungshafen befördern zu lassen oder die Auflagerung oder den verkauf der Ladung zu bewirken und im Falle der Weiterbeförderung oder Auflagerung, behufs der Beschaffung der hierzu sowie zur Erhaltung der Ladung nötigen Mittel, einen Teil davon zu ver­ kaufen oder im Falle der Weiterbeförderung die Ladung ganz oder zu einem Teile zu verbodmen. Der Schiffer ist jedoch nicht verpflichtet, die Ladung auszuantworten oder zur Weiterbeförderung einen: anderen Schiffer zu übergeben, bevor die Distanzfracht nebst den sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ 6^) und die auf der Ladung haftenden Beiträge zur großen Haverei, Bergungs­ und Hilfskosten und Bodmereigelder bezahlt oder sichergestellt sind. Auch für die Erfüllung der nach Abs. \ dem Schiffer obliegenden Pflichten haftet der Reeder mit dem Schiffe, soweit etwas davon gerettet ist, und mit der Fracht. Recht und Pflicht deS Schiffers zur Fürsorge für die Ladung nach Auflösung des Fracht- Einleitung. Vertrages durch Verlust deS Schiffes.

Die §§ 535—542 regeln die Rechte und Pflichten des Schiffers hinsichtlich der Ladung während der Reise (Anm. 2 zu § 535). Eine notwendige Ergänzung dieser Bestimmungen enthält § 632, der den Schiffer Verhaltungsmaßregeln für den Fall der Auflösung deS Fracht­ vertrages gibt, also für einen Fall, in welchem von einer Reise im Sinne des geschlossenen Fracht­ vertrages keine Rede mehr ist. § 632 bezieht sich unmittelbar nur auf die Fälle des Außerkraft­ tretens des Frachtvertrages durch zufälligen Verlust des Schiffes (§§ 630,628 Abs. 1 Nr. 1), mittel­ bar jedoch (§ 634 Abs. 7) auch auf die Fälle der Endigung des Vertrages durch Rücktritt (§§ 634, 629). Über den rechtlichen Charakter des Verhältnisses des Schiffers zu den Ladungs­ beteiligten s. Anm. 5 ff. zu § 535. Eine besondere Vergütung hat der Schiffer für seine Tätig­ keit nicht zu beanspruchen (Anm. 3 zu § 555).

1. Voraussetzung der Tätigkeit deS Schiffers ist Abwesenheit der Beteiligten. Wer dieseAnm. 1. sind, ergibt Anm. 16 zu § 535. Sind die „Beteiligten" gegenwärtig, sei es von Anfang an oder nachdem der Schiffer Instruktion von ihnen eingeholt hat (unten Anm. 2), hat also die Ladung „einen Vertreter gefunden" (ROHG. 15, 66), so liegt nicht dem Schiffer, sondern diesem Vertreter die Fürsorge für die Ladung ob. Dabei ist indessen zu berücksichtigen, daß, wo eine einheitliche Maßregel hinsichtlich der ganzen Ladung geboten ist, der Widerspruch des anwesenden Empfängers eines geringfügigen Teiles derselben keine Berücksichtigung verdient (RG. Hbl. 1895 Nr. 20; sPappenheim 3, 586 Anm. 3]).

2. Vorherige Anfrage an die Ladungsbeteiligten, d. h. Jnstruktionseinholnng, ist regelmäßig Anm. 2. erforderlich, bevor der Schiffer eine der in Betracht kommenden Maßregeln ergreift. Näheres s. Anm. 15 ff. zu § 535. Die Jnstrnktionseinholung erübrigt sich nur im Falle der Dringlichkeit.

494

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ K32. 3. Die zu ergreifenden Maßregeln. Welche davon zu wählen ist, hat der Schiffer nach p-lichtAnm. 3.

gemäßem Ermessen, je nach den Umständen, unter Berücksichtigung des Vertragszweck- und der Situation, zu entscheiden. In Betracht kommt

Anm. 4. a) Weiterbeförderung der Ladung nach dem Bestimmungshafen mittels eines anderen Schiffes, also Abschluß eines neuen Frachtvertrages. Anm. 5. a) Der Schiffer hat sich in diesem Falle um Beschaffung einer geeigneten Gelegen­ heit zur Weiterbeförderung, zu möglichst billigem Satze und zu möglichst günstigen Bedingungen, zu bemühen (HG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 33). Er — und mit ihm sein Reeder — haftet für culpa in eligendo; aber nicht für Versehen des neuen Reeders oder seiner Leute (Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 64). Anm. 6. ß) Der Schiffer schließt ab im Namen des in Betracht kommenden Ladungs­ beteiligten s(Pappenheim 3, 586)], und, wenn ihm dieser unbekannt ist, im Namen „dessen, den es angeht" (vgl. Anm. 10 zu § 537). Er verpflichtet denselben aber, vom Falle der „besonderen Vollmacht" (§ 537) abgesehen, nicht persönlich; es entsteht vielmehr für den neuen Frachtführer — und darin weichen die so geschlossenen Frachtverträge von den sonstigen Seefrachtverträgen ab — nur ein Ladungsgläubigerrecht (Anm. 9 ff. zu § 537), das mit dem pfandrechtlichen Schutze des § 623 versehen ist. Das schließt nicht aus, daß später der Empfänger durch die Annahme der Güter gemäß § 614 eine persönliche Ber Pflichtung eingeht. Der Schiffer selbst wird nicht persönlich verpflichtet, wenn er nicht etwa den Vertrag im eigenen Namen schließt (Anm. 21 zu § 535); sein Reeder wird verpflichtet, wenn er in dessen Namen kontrahiert (Anm. 22 zu § 535). Anm. 7. y) Er schließt ab für Rechnung des betreffenden Ladungsbeteiligten, bzw. „dessen, den es angeht". Schließt er also zu einem billigeren Frachtsätze ab, als er selbst hätte befördern müssen, so kommt dies dem Ladungsbeteiligten, nicht etwa dem bisherigen Ver­ frachter, zugute (Prot. 2395). Anm. 8. 8) Berichtigt der neue Verfrachter die auf der Ladung ruhenden Ansprüche des bisherigen Verfrachters, so hat ihm nach der Annahme der Güter der Empfänger diese „Auslagen" nach § 614 zu erstatten. Anm. 9. b) Auflagerung der Ladung, wiederum im Namen und für Rechnung des Ladungsbeteiligten (oben Anm. 6, 7).

Anm. 10. c) Berkaus der ganzen Ladung. Derselbe ist, wie das Zitat des § 535 zeigt, nur unter den dort angegebenen Voraussetzungen (§ 535 Abs. 3) zulässig. Näheres s. Anm. 21 zu § 535. Anm. 11. d) Teilweiser Berkans der Ladung, zur Beschaffung der für die Weiterbeförderung, die Auf­ lagerung oder die Erhaltung des Restes erforderlichen Mittel. Anm. 12. e) Verbodmung der Ladung oder eines Teiles derselben im Falle der Weiterbeförderung.

Anm. 13. 4. (Abs. 2.) Jnteressenkollision. Schon in Anm. 12 zu § 535 ist hervorgehoben worden, daß der Schiffer im Falle gleichwettiger widerstreitender Interessen von Schiff und Ladung das Interesse des Schiffes in erster Reihe wahrzunehmen hat. Dem entspricht die Vorschrift des Abs. 2, daß der Schiffer nicht verpflichtet ist, die Ladung auszuantworten oder zur Weiter­ beförderung einem anderen Schiffer zu übergeben, bevor die Distanzfracht nebst den sonstigen Forderungen des Verfrachters (§ 614) bezahlt oder sichergestellt ist. Das durch den Schiffer geltend zu machende Zurückbehaltungsrecht des Verfrachters s(vgl. aber Pappenheim 3,588 Anm. 1)] geht in diesem Falle nicht bloß auf Zug-um-Zug-Leistung, sondern auf Vorleistung. Erfolgt diese nicht durch den Ladungsbeteiligten, läßt sich auch der neue Schiffer oder der Lager­ halter nicht zur Verauslagung der fraglichen Beträge herbei (wodurch das Pfandrecht wegen derselben in der Gestalt des Auslagenpfandrechts nach § 614 bzw. §§ 420, 421 konserviert wird), so ist der Schiffer zum Pfandverkauf gemäß § 623 befugt, den er regelmäßig nur hinsichtlich eines Teiles der Ladung wird auszuführen brauchen. Formloser Verkauf gemäß Anm. 11 oder Verbodmung behufs Befriedigung der Ansprüche des Verfrachters ist nicht statthaft (vgl. Prot. 3972 ff.).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

495

Das gleiche Zurückbehaltungsrecht hat der Verfrachter wegen der auf der Ladung haften- § 632. den Beiträge zur großen Haverei, Bergungs- und Hilfskosten und Bodmereigelder (Näheres

5. a)

b)

c)

zu § 615). Wenn das Schiff nach dem Vertrage befugt ist, die Ladung „at the nearest safe and convenient port“ zu landen, dann kommt es bei der Auswahl des Hafens nicht einseitig auf die Interessen des Schiffes, sondern auch auf die der Ladung an (RG. IW. 1917, 474 = Recht 1917 Nr. 468) v Haftung. Anm. 14. DeS Schiffers. Dieser haftet für die Erfüllung der Vorschriften des § 632 den Ladungs­ beteiligten gemäß §§ 511, 512, auch wenn er auf Anweisung des Reeders gehandelt hat (§ 512 Abs. 2). Von dem Betrage seines Schadens muß sich gemäß BGB. § 249 der Ersatzberechtigte das abziehen lassen, was er durch die Handlungsweise des Schiffers erspart hat (Beispiel: verbotswidriger Transport der Ladung zum Verkauf von Brest nach Hamburg, der Ladungs­ beteiligte mußte sich den Betrag der Fracht nach Le Havre abziehen lassen: RG. Hbl. 1895 Nr. 20). DeS Reeders. Derselbe haftet gemäß Abs. 3 — die Tätigkeit des Schiffers nach Auflösung Anm. 15. des Frachtvertrages fällt nicht mehr unter § 486 Nr. 2 — für die Erfüllung der dem Schiffer nach Abs. 1 obliegenden Pflichten mit Schiff und Fracht. Hat er dagegen den Schiffer zu seinem pflichtwidrigen Verhalten angewiesen, obschon er bei Erteilung der Anweisung von dem Sachverhältnis unterrichtet war, so haftet er persönlich (§ 512 Abs. 3). Wie der Reeder haftet der Ausrüster. DeS Verfrachters, der mcht Reeder oder AuSrÄster ist. Derselbe haftet nach Maßgabe von Anm. 16. BGB. § 278, und zwar persönlich. Wegen des Unterverfrachters vgl. § 662.

§ 633.

§ 633.

Gehen nach dein Antritte der Reise die Güter durch einen Zufall ver­ loren, so endet der Frachtvertrag, ohne daß ein Teil zur Entschädigung des anderen verpflichtet ist; insbesondere ist die Fracht weder ganz noch teil­ weise zu zahlen, sofern nicht im § 6^8 das Gegenteil bestimmt ist. Endigung deS Frachtvertrages nach Antritt der Reife durch zufälligen Verlust der Güter.

1. Verlust der Güter durch Zufall: Anm. 2 ff. zu § 617. In Betracht kommt hier nur der Ver-Anm. 1. lüft nach Antritt der Reife.

2. Tritt ein solcher Verlust ein, so endet der Frachtvertrag ipso jure, ohne daß ein Teil dem Anm. 2. anderen zur Entschädigung verpflichtet ist. Natürlich bleiben bestehen vorher bereits existent gewordene Ansprüche (Anm. 6 zu 8 628). Fracht ist weder ganz noch teilweise zu zahlen. Dies ergibt schon § 617. Ausnahmen sind gegeben bei gegenteiliger Vereinbarung (Anm. 8 zu 8 617) und in den Fällen des 8 618

§ 634. Ereignet sich nach dem Antritte der Reise einer der im § 629 erwähnten Zufälle, so ist jeder Teil befugt, von dem Vertrage zurückzutreten, ohne zur Entschädigung verpflichtet zu sein. Tritt jedoch einer der im § 629 Abs. \ Nr. \ bezeichneten Zufälle ein, so muß, bevor der Rücktritt stattfindet, auf die Beseitigung des Hindernisses drei oder fünf Monate gewartet werden, je nachdem sich das Schiff in einem europäischen oder in einem außereuropäischen Hafen befindet. Die Frist wird, wenn der Schiffer das Hindernis während des Aufent­ halts in einem Hafen erfährt, von dem Tage der erhaltenen Runde, anderen­ falls von dem Tage an berechnet, an welchem der Schiffer, nachdem er

§ 634.

496

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ SS4. davon in Kenntnis gesetzt worden ist, mit dem Schiffe zuerst einen Hafen erreicht. Die Ausladung des Schiffes erfolgt mangels einer anderweitigen Ver­ einbarung in dem Hafen, in welchem es sich zur Zeit der Erklärung des Rücktritts befindet. Für den zurückgelegten Teil der Reise ist der Befrachter Distanzfracht (§§ 630, 631) zu zahlen verpflichtet. das Schiff infolge des Hindernisses in den Abgangshafen oder in einen anderen Hafen zurückgekehrt, so wird bei der Berechnung der Distanz­ fracht der dem Bestimmungshafen nächste Punkt, welchen das Schiff er­ reicht hat, behufs der Feststellung der zurückgelegten Entfernung zum An­ halte genommen. Der Schiffer ist auch in den vorstehenden Fällen verpflichtet, vor und nach der Auflösung des Frachtvertrags für das Beste der Ladung nach Maß­ gabe der §§ 535 bis 537, 632 zu sorgen. Einfluß von Verfügungen von hoher Hand und Krieg, eintretend nach Antritt der Reife.

Anm. 1. 1. Über die in Frage kommenden Ereignisse s. Amn. 1 ff. zu § 629.

Anm. 2. 2. Auch wenn dieselben nach Antritt der Reise eintreten, haben sie ein RücktrittSrecht für jeden Teil, ohne Entschädigungsverpflichtung, zur Folge (f. Anm. 3 ff. zu § 629). Die Verpflichtung des Schiffers, für das Beste der Ladung zu sorgen, führt nicht dazu, ihn: das Rücktrittsrecht zu entziehen, weil es für die Ladung vorteilhafter wäre, die Beseitigung des Hindernisses abzuwarten (HG. Hamburg Hbl. 1870, 311). Anm. 3. Doch gilt eine Modifikation für die in § 629 Abs. 1 Nr. 1 genannten Zufälle, die Verfügungen von hoher Hand. Der Rücktritt ist nämlich in diesen Fällen erst zulässig nach Ablauf der im Abs. 2 bezeichneten Wartefrist, welche 3 oder 5 Monate dauert, je nachdem das Schiff sich in einem europäischen oder einem außereuropäischen Hafen (§ 483) befindet (der Bestimmungshafen ist gleichgültig: Prot. 2407). Abs. 3 normiert den Be­ ginn des Laufes der Wartefrist. Im Bestreitungsfalle hat derjenige, der sich darauf beruft, die Frist innegehalten zu haben, den Beginn des Laufes derselben zu beweisen. Die Frist muß auch dann abgewartet werden, wenn von Anfang an klar ist, daß die Verhinderung länger dauern wird (Prot. 2407). Rücktritt vor Ablauf der Frist ist Bruch des Frachtver­ trages und verpflichtet zum Schadensersatz (OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 266). Die Frist braucht selbstverständlich dann nicht innegehalten zu werden, wenn der Rücktritt sich nicht nur auf eine Verfügung von hoher Hand (§ 629 Abs. 1 Nr. 1), sondern gleichzeitig auf den Ausbruch eines Krieges (§ 629 Abs. 1 Nr. 2) stützt (HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 291). Anm. 4. 3. Wird von dem Rücktrittsrechte Gebrauch gemacht, so gilt folgendes: a) (Abs. 4.) Die Ausladung des Schiffes erfolgt mangels anderweiter Vereinbarung in dem Hafen, in welchem sich das Schiff zur Zeit des Rücktritts befindet. b) (Abs. 5 u. 6.) Es ist für den zurückgelegten Teil der Reise Distanzfracht zu zahlen. Näheres s. Anm. 3 ff. zu § 630 und § 631. sAbweichende Vereinbarung: „such discharge shall be considered a final delivery at the steamers destination and full freight and charges shall become due“ (RG. 89, 326)]. Anm. 5. c) (Abs. 7.) Der Schiffer hat nach Maßgabe von §§ 585—537, 632 für das Beste der Ladung zu sorgen. Anm. 6. 4. Wird von dem RüütrittSrechte nicht Gebrauch gemacht, so behält jeder Teil seine Rechte und Pflichten. Es haftet also z. B. der Verfrachter, der, obschon das Schiff bei Kriegsaus­ bruch für den Dienst des Reichs in Beschlag genommen wird, nicht vom Vertrage zurück­ tritt, nach § 606 stür Verlust und Beschädigung der an Bord verbliebenen Güter (vgl. Hansa

497

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

1915, 263); eine Haftung des Reiches hierfür, wie sie Hansa 1915, 268 ff. vertreten wird, § 634. läßt sich nicht begründen: etwaige Schäden sind Kriegsschäden, die nach KLG. § 35 zu behandeln sind (RG. 89, 222; dazu Rothe Hansa 1917, 703). Der nicht zurücktretende Ver­ frachter kann während des Festliegens des Schiffes nicht etwa Zahlung eines Teiles der Fracht beanspruchen (S. Sped. u. SchiffZ. 1915, 43). Uber Freizeichnung von Deviation im Kriegsfalle s. Anm. 3 zu 8 536. UberAnm. 7. die Landungsbefugnis „at the nearest safe and convenient place“ s. Anm. 3

zu § 592.

,§ 635.

§ 635.

Muß das Schiff, nachdem es die Ladung eingenommen hat, vor dem Antritte der Reife im Abladungshafen oder nach dem Antritte der Reife in einem Zwischen- oder Nothafen infolge eines der irrt § 629 erwähnten Ereignisse liegen bleiben, so werden die Rosten des Aufenthalts, auch wenn die Erfordernisse der großen ßaveret nicht vorliegen, über Schiff, Kracht und Ladung nach den Grundsätzen der großen Haverei verteilt, gleichviel ob demnächst der Vertrag aufgehoben oder vollständig erfüllt wird. Zu den Kosten des Aufenthalts werden alle im § ?O6 Nr. 4 Abs. 2 aufgeführten Kosten gezählt, diejenigen des Lin- und Auslaufens jedoch nur, wenn wegen des Hindernisses ein Nothafett angelaufen ist. Berteilung der AusenthattSkosten bei Hinderung der Reise nach Einnahme der Ladung. Uneigentliche große Haverei. 1. Voraussetzungen. Anm. a) Das Schiff muß infolge eines der in § 629 genannten Ereignisse liegen­ bleiben, nämlich nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Schiffers (vgl. Prot. 2441). In­ folge des Ereignisses ist es auch dann liegengeblieben, wenn das Ereignis bereits vor Reise­ antritt (richtig HansOLG. Hbl. 1914, 246) oder Ladungsbeginn eingetreten war (sebenso Pappenheim 3, 582 Anm. 2]; anders mit spitzer Unterscheidung HansOLG. Hbl. 1914, 10 = Recht 1914 Nr. 118 = EisenbE. 30, 495 = ZVersWiss. 1915, 478). Setzt der Schiffer schuld haft die Reise nicht fort, so rechtfertigt ein nachher eingetretenes Ereignis der ge­ nannten Art die Anwendung der Vorschrift nicht (Meier BuschsA. 30, 60). Ebenso, wenn das Ereignis überhaupt vom Schiffer verschuldet ist ([ebenso Pappenheim 3, 582 Anm. 4]; noch weitergehend RG. Bolze 2 Nr. 963 = IW. 1886, 120, das es zwar nicht als Ver­ schulden, aber als einen der übrigen Ladung gegenüber zu Lasten des Reeders bleibenden „Fehler" des Schiffes ansieht, daß es auch die zur Beschlagnahme führende Ware geladen hatte: gegen dieses Urteil Boyens 2, 303 und Meyer, Distanzfracht 22). b) Nachdem es die Ladung eingenommen hat, also nach beendeter Abladung. Gleich-Anm. gültig ist es, ob das Hindernis den Beteiligten schon vor Vollendung der Abladung bekannt geworden ist, wenn nur daraufhin nicht schon damals gemäß § 629 zurückgetreten worden ist (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 259; vgl. NOHG. 7 Nr. 42; Prot. 2409 ff.). c) Entweder vor dem Reiseantritt im Abladungshafen oder nach dem Reise-Anm. antritt in einem Zwischen- oder Nothafen. Der Begriff des Hafens ist nicht zu pressen (Liegenbleiben im Bosporus vor Konstantinopel: HansOLG. Hbl. 1914, 247). d) Gleichgültig ist, ob demnächst der Vertrag, sei es durch Rücktrütserklärung (§§ 629, 634) Anm. oder auf andere Weise, aufgehoben wird oder ob er zur vollständigen Erfüllung gelangt. Demnächst: also wenn die Vertragsaufhebung erfolgt ist, bevor das Schiff liegenbleiben muß, tritt die Verteilung der Aufenthaltskosten nicht ein [(ebenso Pappenheim 3, 583)]. Weiter: der Satz „gleichviel ob demnächst der Vertrag aufgehoben oder vollständig erfüllt wird" besagt nichts darüber, ob die Verteilung der Aufenthaltskosten ohne Rücksicht auf die Vertragsaufhebung auch für die Zeit nach der Trennung von Schiff und Ladung gefordert Schnps, Seerecht.

2. Aufl.

32

1.

2.

3.

4.

498 § 635.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

werden kann, sondern er weist darauf hin, daß sich die Ladungsbeteiligten nicht darauf be­

rufen können, es sei der Vertrag entschädigungslos für sie aufgehoben. Anm. 5. 2. In diesem FaNe werden die Kosten deS Aufenthalts nach den Grundsätzen der großen Haverei verteilt, auch wenn deren Voraussetzungen nicht vorliegen; [diese Kosten fallen dem Versicherer zur Last (§ 834 Nr. 1; vgl. Hagens HansNZ. 1, 682), nicht jedoch nach A.D.SBB. § 121 (3) bei der Versicherung „nur für Kriegsgefahr"]. Der Verfrachter hat also nicht etwa Liegegeldansprüche (LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 108; sHansOLG. Hans­ NZ. 1, 538]). Anm. 6. a) Kosten deS Aufenthalts: das Gesetz verweist onfe§ 706 Nr. 4 Abs. 2, mit dem Zusatz, daß die Kosten des Ein- und Auslaufens nur in Betracht kommen, iueiut wegen des Hindernisses ein Nothafen angelaufen ist. Zu den Aufenthaltskosten gehört auch Beköstigung und an­ gemessene Gage für den Schifferreeder (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 69, 282). Im Falle des Rücktritts, gleichviel wer diesen vornimmt, werden die Aufenthaltskosten nicht bloß bis zu dem Zeitpunkt, in welchem von dem Nücktrittsrecht Gebrauch gemacht werden kann oder zurückgetreten worden ist (so Sieveking 275; Hamb. Schiedsgericht Hbl. 1915, 99; ZivilG. Neapel Revue 30, 168 ZVersWiss. 17, 571), auch nicht bloß bis zur vollendeten Entlöschung (so HG. und OG. Hamburg a. a. O.), sondern cmd) über diese hinaus bis zur Beendigung des Havereifalles verteilt (Heck 305; Diestel Hansa 1915, 106; JVW. 1917, 11 Sonderheft 19, mit Differenzierung [f. auch JDN. 1917, 554]; vgl. Anm. 1 zu § 718). Nur Aufenthaltskosten kommen zur Verteilung, nicht also Schäden, die das Schiff durch Zufall, z. B. durch Sturm in den: nngelaufenen Nothafen, erlitten hat (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 146), ebensowenig Reisekosten des Schiffers, der die in der Nähe befindlichen Neifeinteressenten aufgesucht hat (HG. Hamburg a. a. O.), fauch nicht Aufent­ haltskosten, die erst entstehen, nachdem der Schiffer widerrechtlich Herausgabe der Ladung verweigert hat (ZivilG. Neapel ZVersWiss. 17, 571 = Revue 30, 168)]. Anm. 7. b) Berteilung nach den Grundfätzen der großen Haverei (§§ 716 ff.). Daher hat eine Dispachierung nach § 728 zu erfolgen (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 69, 282; sPappenheim 3, 584]). Da die Fracht nur soweit beiträgt, als sie verdient ist (§ 721), so kommt bei Aufhebung des Frachtvertrags nur die nach § 634 Abs. 5 zu zahlende Distanzfracht in Be­ tracht (HG. und OG. Hamburg a. a. O.). Nur hinsichtlich der Verteilung, nicht hinsicht­ lich der Voraussetzungen (Anm. 8), gelten die Grundsätze der großen Haverei, und zwar die Grundsätze des HGB., nicht der etwa für Havariegrossefälle vereinbarten York- and Antwerp-Rules, sofern deren Geltung nicht auch für den vorliegenden Fall ausbedungen ist. Anm. 8. c) Auch wenn die Erfordernisse der großen Haverei nicht vorliegen; mag es an der posi­ tiven Schadenszufügung (Prot. 2675) oder an der Freiwilligkeit des Opfers (Prot. 2677) oder an der Gemeinsamkeit der Gefahr (vgl. Prot. 2438ff.) fehlen. Anm. 9. d) Über die Haftung für die Beiträge aus § 635 sagt das Gesetz nichts. An sich wäre es denk­

§ 636.

bar, die Grundsätze von §§ 614, 627, 623 anzuwenden, was zu dinglich-persönlicher Haftung des Empfängers bzw. Befrachters führen würde. Aber die Analogie der großen Haverei erfordert die Annahme unpersönlicher Haftung (HGB. 88 726Abs. 1,725), zu der nur im Falle von 8 726 Abs. 2 eine beschränkt-persönliche Haftung des Emp­ fängers hinzutritt. Ein Anspruch des Reeders auf Zahlung eines Einschusses während der Dauer des Havereifalles läßt sich aus dem Gesetze nicht rechtfertigen; auch nicht aus Einh.-Konn. Regel XV, die sich auf den Zeitpunkt bezieht, in dem die Auslieferung des beitragspflichtigen Gutes in Frage kommt. Ungerechtfertigt ist auch die Forderung einer „Teilfracht" (S. Sped. u. SchiffZ. 1915, 43). § 636.

wird nur ein Teil der Ladung vor dem Antritte der Reise durch einen Zufall betroffen, der, wenn er die ganze Ladung betroffen hätte, nach den §§ 628, 629 den vertrag aufgelöst oder die Parteien zum Rücktritte be-

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

499

rechtigt haben würde, so ist der Befrachter nur befugt, entweder statt der 8 vertragsmäßigen andere Güter abzuladen, sofern durch deren Beförderung die Lage des Verfrachters nicht erschwert wird (§ 562), oder von dem Ver­ trag unter der Verpflichtung zurückzutreten, die Hälfte der bedungenen Fracht und die sonstigen Forderungen des Verfrachters zu berichtigen (§§ 580, 58t). Bei der Ausübung dieser Rechte ist der Befrachter nicht an die sonst ein­ zuhaltende Zeit gebunden; er hat sich aber ohne Verzug zu erklären, von welchen: der beiden Rechte er Gebrauch machen wolle, und, wenn er die Abladung anderer Güter wählt, die Abladung binnen kürzester Frist zu bewirken, auch die Mehrkosten dieser Abladung zu tragen und, soweit durch sie die Wartezeit überschritten wird, den dem Verfrachter daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Macht er von keinem der beiden Rechte Gebrauch, so hat er auch für den durch den Zufall betroffenen Teil der Ladung die volle Fracht zu ent­ richten. Derr durch Krieg, durch ein Einfuhr- oder Ausfuhrverbot oder durch eine andere Verfügung non hoher Hand unfrei gewordenen Teil der Ladung ist er jedenfalls aus dem Schiffe herauszunehmen verbunden. Tritt der Zufall nach dem Antritte der Reise ein, so hat der Befrachter für den dadurch betroffenen Teil der Ladung die volle Fracht auch dann zu entrichten, wenn der Schiffer diesen Teil in einem anderen als dem Be­ stimmungshafen zu löschen sich genötigt gefunden und hierauf mit oder ohne Aufenthalt die Reise fortgesetzt hat. Die Vorschriften der §§ 6^7, 6^8 bleiben unberührt.

086.

Zufälliger Verlust oder Reifchindernng bezüglich eines Teiles der Ladung. Grundsätzlich finden die §§ 628 u. 629 keine Anwendung; die eingetretenen Zufälle sind, Anm. L mit den vom Gesetz festgesetzten Abänderungen, vom Befrachter zu tragen, welcher, soweit nicht die §§ 617, 618 eingreifen (Abs. 4), die volle Fracht zu zahlen hat. ES ergibt sich folgende Rechtslage. Tritt einer der erwähnten Zufälle ein,Anm. 2. so tritt der Frachtvertrag niemals ipso jure außer Kraft. Im übrigen hat 1. der Verfrachter nie ein Rücktrittsrecht,

2. der Befrachter dagegen,

Anm. 3.

a) wenn der Zufall vor Antritt der Reise eintritt, die Wahl zwischen dem Substitutionsrecht des § 562 und dem Rücktrittsrecht mit Fautfrachtverpflichtung nach §§ 580, 581, welche ihm beide bis zur Abfahrt des Schiffes (Prot. 2418, 2420: anders als nach § 580) zustehen, über deren Ausübung er sich aber ohne Verzug zu erklären hat; auch hat er den Verfrachter zu entschädigen (Näheres Abs. 1 Schlußsatz). Wählt er keines dieser Rechte, so hat er für die ganze Ladung die volle Fracht zu zahlen, muß aber den unfrei gewordenen Teil (auf seine Kosten) aus dem Schiffe herausnehmen. Für diesen Teil muß er Fracht zahlen, auch wenn nachher das Schiff untergeht (Prot. 2420, 2468).

b) Wenn der Zufall nach Antritt der Reise eintritt, keinerlei Rechte, dagegen die Ver-Anm. 4. pflichtung der vollen Frachtzahlung, auch wenn der Schiffer den betreffenden Ladungsteil unterwegs gelöscht hat (Beispiel: Hbl. 1871 Nr. 105). Hat der Schiffer da­ gegen die Güter (ohne daß ein Verschulden eines Ladungsbeteiligten vorliegt: Anm. 14 zu § 563) über Bord geworfen, so fällt die Frachtzahlungspflicht nach § 617 weg, es müßte denn ein Fall des § 618 vorliegen oder nach wieder erfolgter Bergung der Transport zu Ende geführt werden (HansOLG. Hbl. 1905, 155 = SeuffA. 62, 162).

500

§ 687.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 637. Abgesehen von den Lallen der §§ 629 bis 656 hat ein Aufenthalt, den die Reise vor oder nach ihrern Antritte durch Naturereignisse oder andere Zufälle erleidet, auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß, es sei denn, daß der erkennbare Zweck des Vertrags durch einen solchen Aufenthalt vereitelt wird. Der Befrachter ist jedoch befugt, während jedes durch einen Zufall entstandenen, voraussichtlich längeren Aufenthalts die bereits in das Schiff geladenen Güter auf seine Gefahr und Rosten gegen Sicherheitsleistung für die rechtzeitige Wiedereinladung auszuladen. Unter­ läßt er die lviedereinladung, so hat er die volle Fracht zu zahlen. )n jeden: Lalle hat er den Schaden zu ersetzen, der aus der von ihnr veranlaßten lviederausladung entsteht. Ist der Aufenthalt durch eine Verfügung von hoher Hand herbeigeführt, so ist für die Dauer der Verfügung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese nach Zeit bedungen war (§ 622). Zufällige Reiseverzögerungen vor oder nach dem Antritt der Reife, abgesehen von den Fällen der §§ 629—636. Wirkung eines durch Verfügung von hoher Hand herbei­ geführten Aufenthalts aus den Zeitfrachtanspruch.

Anm. 1. 1. Die in Betracht kommenden Fälle. Es handelt sich um alle zufälligen Reiseverzögeruugeu, vor oder nach dem Reiseantritt, die nicht durch die §§ 629—636 gedeckt sind, gleichviel ob sie das Schiff oder die Ladung betreffen. Beispiele: Eis, Wasserstandsver­ hältnisse, Unfälle, die das Anlaufen eines Nothafens erforderlich machen (RG. 14 Nr. 14), unverschuldete Beschlagnahme oder Arrestierungen, welche den Antritt oder die Fortsetzung des Transports nicht unmöglich machen (vgl. Anm. 4 zu 8 617), sondern nur verzögern. Unmöglichkeit der Vertragserfüllung — also ein durch § 637 nicht betroffener Fall — liegt aber, wie Boyens 2, 295 mit Recht hervorhebt, auch in den Fällen vor, wo das betreffende Ereignis zwar nur zeitweilig hindert, aber die Zeit für die Ausführung des Frachtvertrags oder wenigstens der Beladung oder Expedition des Schiffes wesentlich ist. Nicht beizu­ stimmen s(ebenso Pappenheim 3, 561)] ist übrigens Bo Yens 2 S. 295 u. 279, wenn er meint, daß in derartigen Fällen, auch wenn die Zeitüberschreitung vom Schiffe nicht ver­ schuldet ist, ein Schadensersatzanspruch für die Ladungsbeteiligten entsteht, wie im Falle der verschuldeten Unmöglichkeit der Vertragserfüllung. Dies widerspricht dem § 323 BGB. Nur dann würde anzunehmen sein, daß das Schiff die unverschuldete Zeitüberschreitung „zu vertreten hat", wenn sich aus der Sachlage ergibt, daß das Schiff die Einhaltung der fraglichen Zeit gewährleistet hat. Anm. 2. 2. Die grundsätzliche Entscheidung deS Gesetzes geht dahin, daß Reiseverzögerungen infolge der zu 1 genannten Ereignisse auf die Rechte und Pflichten der Parteien keinen Einfluß haben Landers HGB. § 428; BSchG. § 71)]. Jeder hat also — abgesehen von den Fällen der großen Haverei — den ihm dadurch entstandenen Schaden selbst zu tragen: das Schiff braucht den Aufenthalt nicht länger fortzusetzen, als sein eigenes Interesse dies verlangt (RG. 14, 39ff.); der Befrachter hat regelmäßig (vgl. aber § 638) kein Rücktrittsrecht und muß, abgesehen vom Falle des § 638 Satz 2, volle Fracht zahlen. Ausnahmen können sich aus dem erkennbaren Zwecke des Vertrages (unten Anm. 3) oder aus den Parteivereinbarungen (unten Anm. 6) ergeben. Über das Aus-

ladungsrecht des Befrachters s. u. Anm. 5. Anm. 3. 3. Eine Ausnahme gilt, „wenn der erkennbare Zweck des Vertrags durch den Aufenthalt vereitelt würde", d. h. wenn aus dem Vertragsinhalt oder den begleitenden Umständen sich ergibt, daß der wirtschaftliche Zweck, zu dessen Erreichung eine oder beide Parteien den

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft znr Beförderung von Gütern.

501

Vertrag geschlossen haben, durch den Aufenthalt vereitelt werden würde, unb daß jener 8 wirtschaftliche Zweck beim Vertragsabschluß der Gegenseite erkennbar gewesen ist (vgl. OAG. Lübeck Kierulff 4, 590 ff. = GoldschmidtsZ. 18, 584 ff. = BuschsA. 16, 322 ff.). Bei­ spiele: Der Befrachter verschifft leicht verderbliche Waren, die den Aufenthalt nicht aushalten können (Prot. 3985; HG. und OG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 65, 107); der Verfrachter geht den Frachtvertrag nur ein, um das Schiff beladen statt in Ballast nach dem Bestimmungs­ hafen zu bringen, wo er sich zu bestimmter Zeit behufs Erfüllung eines anderen Fracht­ vertrages einzufinden hat. Weitere Beispiele bei Boyens 2, 297; vgl. auch Kreisgericht Stettin BuschsA. 12, 361 ff. Die bloße Äußerung des Befrachters, daß ihm an schneller

637.

Verladung liege, oder die in fast jeder Charter vorkommende Klausel, daß das Schiff möglichst schnell abzusegeln habe, genügt nicht, um den Tatbestand der Ausnahme herzustellen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 86; svgl. Pappenheim 3, 580 Anm. 2]; unrichtig Kreisgericht Stettin a. a. O. 369). Das Gesetz sagt nicht, welche Folgen in diesen Fällen die Reiseverzöge-Anm. 4. rung hat. Da es sich aber um eine Ausnahme zur Regel des § 637 handelt und diese Regel wieder den Gegensatz zu Denjenigen der §§ 629 ff. bilder, so ist anzunehmen, daß in jenen Ausnahmefüllen der Partei, deren wirtschaftliche Zwecke von dem Ereignis betroffen werden, ein Rücktrittsrecht zusteht (vgl. auch Kreisgericht Stettin a. a. O. 367), und zwar, wenn der Zufall vor dem Reiseantritt eintritt, ohne jede Entschädignngspflicht wie nach § 629 (vorbehaltlich der bereits entstandenen Forderungen!), sonst wie nach § 634 unter der Verpflichtung zur Zahlung von Distanzfracht (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 55; anders Sieveking 277 ff., der unter Umständen, je nach der Milursache der Vereitelung des Vertragszwecks, auch volle Fracht gewehrt), im Falle des § 636 mit den dem Befrachter dort wahlweise gegebenen Befugnissen. (Dagegen will Pappenheim 3, 580 das bürgerliche Recht entscheiden lassens 4. AuSladungSrecht deS Befrachters („Recht der einstweiligen Löschung": § 641 Nr. 3). WennAnm. 5. der Befrachter ((vgl. Pappenheim 3, 579 Anm. 1)] — ebenso der dispositionsberechtigte Konnossementsinhaber (Anm. 3 zu 8 629) — auch kein Rücktrittsrecht hat, so gewährt ihm das Gesetz doch aus Billigkeitsgründen das Recht, während eines voraussichtlich längeren Aufenthalts die Güter auszuladen, aber a) auf seine Kosten und Gefahr, b) gegen Sicherheitsleistung für rechtzeitige Wiedereinladung, und c) unter der Verpflichtung zur Entschädigung des Verfrachters wegen des aus der Wiederausladung ihm entstandenen Schadens (Beispiele: Anm. 8 zu § 582). Auch wenn die Wiedereinladung nicht erfolgt, hat er die volle Fracht zu zahlen. Diese Bestimmungen gelten nicht unmittelbar (anders Boyens 2, 296) auch für die Fälle des § 629 (sofern kein Rücktritt stattfindet!), doch sind sie auf dieselben analog anzuwenden. 5. Vertragsmäßige Abänderungen der gesetzlichen Bestimmung sind insbesondere enthalten Anm. 6. in den sog. Eisklauseln (Anm. 5 zu 8 592) und den Klauseln, welche im Falle von Quaran­ täne den Parteien oder einer derselben das Rücktrittsrecht des 8 629 Vorbehalten (vgl. Hans­ OLG. Hbl. 1889, 176; RG. 25 Nr. 23). 6. (Abs. 2.) Bei Aufenthalt, der durch Verfügungen von hoher Hand verursacht ist, ist für Anm. 7. die Dauer der Verfügung Zeitfracht (8 622) nicht zu zahlen. Siehe Anm. 4 zu 8 622. Zusatz. Schuldhafte Verzögerung der Reise macht den schuldigen Teil dem unschuldigen Anm. 8. schadensersatzpflichtig, bzw. gibt dem letzteren ein Rücktrittsrecht nach den Regeln von BGB. 88 286, 324 ff. In der Regel hat also der unschuldige Teil gemäß BGB. 8 326 eine Nachfrist zu setzen (weitergehend HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 70).

§ 638. Muß das Schiff während der Reise ausgebessert werden, so hat der Befrachter die Mahl, ob er die ganze Ladung an dem (Drte, wo sich das

§ 638.

502

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 6S8. Schiff befindet, gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forde­ rungen des Verfrachters (§ 6U) und gegen Berichtigung oder Sicherstellung

der im § 6^5 bezeichneten Forderungen zurücknehmen oder die Wieder­ herstellung abwarten will.

)m letzteren Falle ist für die Dauer der Aus­

besserung keine Fracht zu bezahlen, wenn diese nach Zeit bedungen war. Sonderbestimmung für den Fall der Ausbesserung des Schiffes. Daß der Schiffer die Ausbesserung möglichst zu beschleunigen hat, folgt aus allgemeinen Grundsätzen (§§ 516, 536). Vgl. HG. Hamburg Nathan 1863, 401 ff. Anm. 1. 1. Voraussetzung ist eine notwendige Ausbesserung des Schiffes während der Reise. Daß sie im gemeinsamen Interesse von Schiff und Ladung erfolgt, wird die Regel bilden, und ist insofern wesentlich, als, wie RG. 14, 43 hervorhebt, die Berechtigung zunr Anlaufen eines Nothafens behufs Ausbesserung zur Voraussetzung hat, daß diese Ausbesserung weder unterwegs vorgenommen, noch ohne Gefahr bis zur Ankunft im Bestimmungshafen auf­ geschoben werden kann. Das Gesetz bezieht sich unmittelbar, wie die Stellung des § 638 shinter § 637, s. Pappenheim 3, 580] zeigt, auf den Fall, daß die Ausbesserung infolge eines Zufalls erforderlich wird. A minore ad majus ist indessen zu folgern, daß dem Be­ frachter keine geringeren Rechte zustehen können, wenn die Ausbesserung durch Verschul­ den des Verfrachters oder seiner Leute erforderlich geworden ist, während anderer­ seits nach allgemeinen Grundsätzen dem Befrachter die Vorteile des § 638 nicht zugebilligt werden können, wenn er selbst den Schaden und damit die Ausbesserung verschuldet hat, z. B. durch Zuwiderhandlung gegen § 563. Hierbei ist aber zu beachten, daß ein Ver­ schulden des Befrachters beut Konnossementsinhaber regelmäßig nicht entgegengehalten werden kann (§ 651). Anm. 2. 2. Das dem Befrachter (bzw. dem dispositionsberechtigten Konnossementsinhaber: Anm. 3 zu § 629) zustehende Recht ist ein Rücktrittsrecht. Das Gesetz drückt dies untechnisch dahin aus, daß der Befrachter die Wahl habe, die Ladung zurückzunehmen oder die Wieder­ herstellung abzuwarten. Aber ein Wahlrecht setzt eine Erklärungspflicht voraus, die hier nicht vorliegt: wenn der Befrachter gar nichts sagt, so bleibt alles, wie es ist, d. h. er wartet die Wiederherstellung ab.1) Nur wenn er den Rücktritt wählt, muß er dies erklären. Im einzelnen gilt folgendes: Anm. 3. a) Eine zeitliche Grenze für die Erklärung des Rücktritts ist nicht gegeben: sie kann also auch noch im letzten Stadium der Ausbesserung erfolgen. Doch ist nach Treu und Glauben anzunehmen, daß, wenn sie mit schikanöser Verspätung erfolgt, der Befrachter für den da­ durch dem Verfrachter erwachsenden Schaden aufzukommen hat. Daß die einmal erfolgte Erklärung nicht widerruflich ist, folgt aus allgemeinen Grundsätzen. Anm. 4. b) Der Rücktritt bezieht sich stets auf die ganze Ladung, nicht auf einen Teil. Anm. 5. c) Wird der Rücktritt gewählt, so hat der Befrachter die Ladung zurückzunehmen a) an dem Orte, wo sich das Schiff befindet, also nicht etwa bloß im Nothafen, son­ dern evtl, schon vorher am Strandungsorte (ROHG. 13 Nr. 129), Anm. 6. ß) gegen Berichtigung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen des Verfrachters (§ 614), sowie gegen (richtiger: „nach": Anm. 1 zu 8 615) Berichtigung oder Sicherstellung der in § 615 erwähnten Forderungen. Der Verfrachter kann indessen nicht die volle Fracht, sondern nur Distanzfracht fordern, wenn nicht feststeht, ob das Schiff überhaupt oder auch nur in absehbarer Zeit ausgebessert werden kann (HansOLG. Hbl. 1898, 269 ff. = SeuffA. 54, 77 ff.; Hbl. 1906, 138; gegen ersteres Urteil Boyens 2, 258), weil solche Fälle der Unmöglichkeit der Fortsetzung der Reise gleichzustellen sind (Anm. 3 zu 8 628).

Einleitung.

Aus dem Warten auf die Wiederherstellung ergibt sich aber nicht, daß der Befrachter ver­ pflichtet wäre, sich nach der Wiederherstellung ein unbegrenzt langes Warten auf Herbeiführung der Mittel zur Bezahlung der Reparaturkosten gefallen zu lassen: OG. Hamburg Hbl. 1879 Nr. 182.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

503

Y) Die Kosten bet Löschung regeln sich, soweit nicht Verteilung in großer Haverei erfolgt, § 638. nach § 593 (Doyens 2, 30*0). Anm. 7. d) Wird der Rücktritt nicht gewählt, so hat der Befrachter unter den VoraussetzungenAnm. 8. des § 637 das dort erwähnte: Ausladungsrecht (Anm. 5 zu § 637). Ferner braucht er für die Dauer der Ausbesserumg keine Zeitfracht (§ 622) zu bezahlen: s. Anm. 4 zu § 622. 3. Einen Anspruch darauf, daß nach Beendigung der Reparatur das Schiff warte, bis dieAnm. 9. beschädigten Güter wieder verrladnngsfähig sind, hat der Befrachter nicht (RG. 14 Nr. 14).

§ 639.

§ 639.

wird der Frachtvertrag nach den §§ 628 bis 634 aufgelöst, so werden die Rosten der Ausladung aus dern Schiffe von dein Verfrachter, die übrigen Löschungskosten von dem Befrachter getragen. der Zufall jedoch nur die Ladung betroffen, so fallen die sämtlichen Rosten der Löschung dem Befrachter zur Last. Dasselbe gilt, wenn im Falle des § 636 ein Teil der Ladung gelöscht wird. Muß in einem solchen Falle behufs der Löschung ein Hafen angelausen werden, so hat der Befrachter auch die Hafenkosten zu tragen. LöschungS- und Hafentoslien bei Auflösung deS Frachtvertrages. Unberührt bleiben Einleitung, die Fälle, in denen diese Kosten in großer Haverei verteilt werden (§ 706 Nr. 4). 1. LöschungStosten. Anm. 1. a) Regel: wie nach § 593 IragÄ in: Zweifel der Verfrachter die Kosten der Ausladung aus dem Schiff, der Befrachter die übrigen Löschungskosten. sJedoch gibt der § 639 nicht, wie der § 593, Raum den örtlichen Verordnungen oder dern Ortsgebrauch (Pappenheim 3, 596).] b) Ausnahme: der Befrachter trägt sämtliche Löschungskvsten, Anm. 2. a) wenn der Zufall nur die Ladung betroffen hat, ß) wenn im Falle des § 636 ein Teil der Ladung gelöscht wird. 2. Hafenkosten. Anm. 3. a) Regel: dieselben trägt der Verfrachter nach § 621 Abs. 2. b) Ausnahme: in den Fällen der Anm. 2 werden sie vom Befrachter getragen, wenn eigens behufs der Löschung ein Hafen angelaufen worden ist.

§ 640.

§ 640.

Die §§ 628 bis 639 kommen auch zur Anwendung, wenn das Schiff zur Einnahme der Ladung eine Zureise in Ballast nach dem Abladungs­ hafen zu machen hat. Die Reife gilt aber in einem solchen Lalle erst dann als angetreten, wenn sie aus dem Abladungshafen angetreten ist. wird der vertrag, nachdem das Schiff ben Abladungshafen erreicht hat, wenn auch vor dem Antritte der Reife aus dem letzteren, aufgelöst, so erhält der Verfrachter für die Zureise eine nach den Grundsätzen der Distanzfracht (§ 631) zu bemessende Entschädigung. In anderen Fällen einer zusammengesetzten Reise kommen die §§ 628 bis 639 insoweit zur Anwendung, als die Natur und der Inhalt des Ver­ trags nicht entgegenstehen. Anwendbarkeit der §§ 628—639 ans zusammengesetzte Reisen. Über Begriff und Arten der zusammengesetzten Reise s. Anm. 1 zu 8 583. 1. (Abs. 1.) Fall der Zureise in Ballast nach dem AbladnngShasen. Die §§ 628-639 Anm. 1. kommen grundsätzlich zur Anwendung. Das Gesetz betrachtet aber die Zureise mit als „vor-

504 § 640.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

bereitende Handlung" (Prot. 2433) und bestimmt deshalb, daß die Reise erst dann als an­ getreten gilt, wenn sie aus dem Abladungshafen angetreten ist. Dies wird von Bedeutung für die Wirkung der in den §§ 628 u. 629 aufgeführten Ereignisse (§§ 628 u. 629 einerseits, §§ 630—634 andererseits!). Hiernach hätte der Verfrachter, wenn die Auflösung des Fracht­ vertrages vor dem Reiseantritt aus dem Abladungshafen erfolgt, keinerlei Entschädigung für die Zureise zu beanspruchen. Trotzdem gewährt ihm das Gesetz aus Billigkeitsgründen (Prot. 2432) eine solche, mit dem Bemerken, daß dieselbe nach den Grundsätzen der Distanz­ fracht (§ 631) zu bemessen sei, die sog. Distanzfrachtentschadigung (Ehrenberg 96). Für sie gilt folgendes: Anm. 2. a) Erste Voraussetzung ist, daß der Verfrachter eine Zureise in Ballast nach dem Abladungs­ hafen zu machen hat, d. h. vertraglich verpflichtet ist, sie in Ballast zu machen. Hat er die Wahl, entweder in Ballast oder mit Ladung nach dem Abladungshafen zu gehen, steht ihm also die Möglichkeit offen, auf der Zureise Frachtverträge zu machen, so kommt die Entschädigung nicht in Frage (ROHG. 23, 24). Anm. 3. b) Zweite Voraussetzung ist, daß der Vertrag aufgelöst worden ist, nachdem das Schiff den Abladungshafen erreicht hat. Geht das Schiff auf der Reise nach dem Abladungshafen verloren, so ist keine Entschädigung zu zahlen (Werneburg HoldheimsMSchr. 1915, 87). Keinen Unterschied macht, ob die Auflösung vor oder nach dem Reise­ antritt aus dem Abladungshafen erfolgt ist. In diesem Sinne wurde schon Art. 642 Abs. 1 Satz 3 des alten HGB-, obschon dieser nur den Fall der Auflösung vor dem Reise­ antritt nennt, vom ROHG. (3, 262 ff.; 23, 24) ausgelegt; freilich, wie Pappenheim (LZ. 1912, 421 ff.) zuzugeben ist, zu Unrecht. Aber im Sinne dieser Auslegung hat das neue HGB. den Wortlaut klargestellt (DR. 282), und wer angesichts dieses Wortlauts, der einen guten Sinn gibt und eine von diesem abweichende Auslegung weder fordert noch auch nur duldet, mit Pappenheim (a. a. O. 423 ff. fund 3, 585 Anm. 1]) den Geltungsbereich der Vorschrift auf den Fall der Vertragsauflösung vor dem Reiseantritt beschränken will (so auch Werneburg HoldheimsMSchr. 15, 87 ohne Begründung), begeht den gleichen Fehler wie das ROHG., nur nach der umgekehrten Richtung. Pappenheim will vom Wortlaut ab­ gehen, weil kein Grund vorliege, den Verfrachter hinsichtlich der Schadloshaftung für die Zureise günstiger zu stellen als wegen derjenigen für den Aufenthalt im Abladungshafen oder gar für den mit der Ladung zurückgelegten Teil der Reise (unten Anm. 4). Aber das ist nur ein Erwägung de lege ferenda, wenn tatsächlich das Gesetz der Zureise eine Aus­ nahmebehandlung gewähren wollte und gewährt hat, eine Ausnahmebehandlung, die nicht deshalb aus der Welt geschafft werden kann, weil sie auf der irrtümlichen Auslegung des ROHG. beruht. Anm. 4. c) Die Entschädigung ist nach den Grundsätzen der Distanzfracht (§ 631) zu bemessen. Sie ist aber nicht Distanzfracht. Braucht doch eine Ladung im Rechtssinne noch gar nicht vorhanden, zur Verschiffung ausgeschieden, geschweige denn schon im Schiffe verladen zu sein, wenn der Vertrag nach Beendigung der Ballastreise aufgelöst wird (Ehren­ berg 95 ff.); eine einschränkende Auslegung des Abs. 1 Satz 3 dahin,, daß nur, wenn eine Ladung im Rechtssinne vorhanden sei, eine Entschädigung gezahlt werden müsse (vgl. Pappen­ heim a. a. O. 421), würde den aus dem klaren Wortlaut ersichtlichen Zweck des Gesetzes, dem Verfrachter ein Entgelt für die Aufwendungen der Zureise zu gewähren, für einen großen Teil der Fälle außer acht lassen: sie ist abzulehnen. Kann aber ein Anspruch auf Distanzfrachtentschädigung entstehen, bevor eine Ladung vorhanden ist, so kann der Befrachter dafür nicht, wie nach § 630 Abs. 2 (Anm. 7 zu 8 630), nur mit dem geretteten Wert der Güter haften: der Boden der beschränkt-persönlichen Haftung ist somit ver­ lassen. Deshalb liegt auch dann, wenn eine Ladung da ist, kein Grund vor, die Haftung für die Distanzfrachtentschädigung auf den geretteten Wert der Güter zu beschränken, also den § 630 Abs. 2, dessen unmittelbare Anwendung nirgends vorgeschrieben ist (anders Boyens 2, 301), analog anzuwenden (zutreffend ROHG. 3, 266; HG. Hamburg Hbl. 1876, 7; Lewis 1, 366). Dem Satze Pappenheims (a. a. O. 424 fund 3, 586]), es sei die Distanzfracht-

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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entschädigung nach den Grundsätzen der Distanzfracht nicht nur zu bemessen, sondern auchK 640. im übrigen zu behandeln, ist demnach nicht beizutreten. Die Ansprüche auf Distanzfracht­ entschädigung und Distanzfracht sind nach alledem, was Entstehung und Umfang der Gel­ tendmachung anlangt, voneinander unabhängig. Beides kann unter Umständen neben­ einander geschuldet werden.

2. (Abs. 2.) Andere Fälle einer zusammengesetzten Reise. Auf sie kommen die Vorschriften Anm. 5. der §§ 628—639 insoweit zur Anwendung, als die Natur und der Inhalt des Vertrags nicht entgegenstehen. In erster Linie ist also der Vertrag darauf zu prüfen, ob sich mit ihm die erwähnten Vorschriften vertragen. Bei der Verschiedenheit der möglichen Fälle erscheint diese Entscheidung des Gesetzes durchaus praktisch. Beispiele aus der Praxis: HG. und OG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 349; 1871 Nr. 87; ROHG. 3 Nr. 55 (Verfrachtung für Aus- und Rückreise, Fracht aber nur für die Rückladung zu zahlen); HG. und OG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 68 u. 138 (Verfrachtung für Aus- und Rückreise: Gesamtfracht); HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 224 (ebenso); HG. Hamburg Hbl. 1876 Nr. 7 (Verfrachtung für Aus- und Rückreise, hin mit leeren, zurück mit gefüllten Fässern, Fracht für Hin- und Rückreise zu berechnen nach der Zahl der eingenommenen Liter Wein). Vgl. hierzu die Ausführungell von Boyens 2, 302.

§ 641.

§ 641.

Bezieht sich der vertrag nicht auf das Schiff im ganzen, sondern nur auf einen verhältnismäßigen Teil oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes oder auf Stückgüter, so gelten die Vorschriften der §§ 628 bis 640 mit folgenden Abweichungen: b in den Fällen der §§ 629, 63) ist jeder Teil sogleich nach dem Ein­ tritte des Hindernisses und ohne Rücksicht auf dessen Dauer befugt, von dem vertrage zurückzutreten; 2. im Falle des § 636 kann von dem Befrachter das Recht, von dem vertrage zurückzutreten, nicht ausgeübt werden; 3. im Falle des § 637 steht dem Befrachter das Recht der einstweiligen Löschung nur zu, wenn die übrigen Befrachter ihre Genehmigung er­ teilen; 4. im Falle des § 638 kann der Befrachter die Güter gegen Entrichtung der vollen Fracht und der übrigen Forderungen nur zurücknehmen, wenn während der Ausbesserung die Löschung dieser Güter ohnehin erfolgt ist. Die Vorschriften der §§ 587, 589 bleiben unberührt. Anwendbarkeit der §§ 628—640 auf Charterverträge, die sich nicht auf ein Schiff im Einleitung, ganzen beziehen, und auf Stückgüterverträge. Die unveränderte Anwendung der §§ 628ff. würde hier zu unangemessenen Ergebnissen führen (Leo BankA. 14, 96). — Bei Stückgüter­ verträgen sind, wenn die Konkretisierung erst mit der vollendeten Abladung eintritt (Anm. 4 zu § 556), bis dahin die Vorschriften des § 628 Nr. 1 und die des § 629, soweit sie sich auf Zufälle im Schiffsbetriebe beziehen, unanwendbar (nur insoweit richtig Werneburg HoldheimsMSchr. 1915, 85). Hat nun die Abladung keine Konkretisierung des Schuldverhältnisses zur Folge, dann bleiben für die Zeit nach dem Reiseantritt auch § 630 und § 634, soweit sich letzterer auf das Schiff betreffende Unfälle bezieht, außer Betracht (Wüstendörfer 1, 209). — Soweit der Ladung zustoßende Zufälle in Frage kommen, gilt § 641 nur für den Befrachter der betreffenden Ladung, nicht für jeden der Befrachter (anders Brodmann Note 2).

506

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 641. Die Abweichungen sind folgende: Anm. 1. 1. Die Bestimmung der Nr. 1 gibt beiden Teilen ein erweitertes Rücktrittsrecht, nämlich in den Fällen des § 629 Nr. 1 ohne Rücksicht auf die voraussichtliche Dauer des Hindernisses und in den Fällen des § 634 Abs. 2 ohne die Verpflichtung zur Einhaltung der Wartefrist.*) Es ergibt sich das merkwürdige Resultat, daß im Falle der Unterverfrachtung auf Stückgüter die Stückgutbefrachter die Vorteile der Nr. 1 genießen, während der Unterverfrachter seinem Verfrachter gegenüber an die Beschränkungen der §§ 629, 634 gebunden ist. In den Fällen der Auflösung des Frachtvertrages nach §§ 628—634 gehören zu den nach Maßgabe von § 639 zu tragenden „Kosten der Ausladung aus den: Schiff" auch die Kosten, die dadurch entstehen, daß sich die Ausladung anderer Güter vernotwendigt (Doyens 2, 304). Anm. 2. 2. Die Nr. 2—4 enthalten Beschränkungen der in den §§ 629 ff. dem Befrachter gegebenen Rechte, nämlich des Rücktrittsrechts bei einem nur Ladungsteile betreffenden Zufall (§ 636), des Rechts der einstweiligen Löschung (§ 637) und des Rücktrittsrechts bei Ausbesserung des Schiffes (§ 638). Die aus den genannten Paragraphen ersichtlichen Rechte des Ver­ frachters bleiben unberührt. Unter „Teil der Ladung" im Sinne von § 636 ist hier natürlich nicht das ganze Stückgut des einzelnen Befrachters, sondern nur Teile desselben zu verstehen (Leo BankA. 14, 96). Anm. 3. 3. (Abs. 2.) Die Bestimmung des Abs. 2, daß die Vorschriften der §§ 587, 589 unberührt bleiben, bedeutet wieder eine Einschränkung der Nr. 2—4 (nicht Nr. 1) des Abs. 1: den: Befrachter bleibt auch in deu Fällen der §§ 628 ff. das ihm allgemein nach Maßgabe von §§ 587 u. 589 zustehende Rücktrittsrecht gewahrt. Diese §§ 587, 589 können aber ihrerseits wieder durch §§ 628, 629 modifiziert werden (vgl. HG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 335). Es kann also z. B. jeder Stückgutbesrachter im Falle eines Kriegsausbruchs hinsichtlich seiner bereits abgeladenen unfrei gewordenen Güter vor Antritt der Reise, ohne zu Entschädigung oder Frachtzahlung verbunden zu sein, vom Frachtverträge zurücktreten (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1870 Nr. 335 GoldschmidtsZ. 18, 586 ff. = BuschsA. 23, 85 ff.; sPappenheim 3, 590]).

§ 642.

§ 642.

Nach der Beendigung jeder einzelnen Abladung hat der Schiffer dem Ablader unverzüglich gegen Rückgabe des etwa bei der Annahme der Güter erteilten vorläufigen Empfangsscheins ein Konnossement in so vielen Exem­ plaren auszustellen, als der Ablader verlangt. Alle Exemplare des Konnossements müssen von gleichem Inhalte sein, dasselbe Datum haben und ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind. Der Ablader hat dem Schiffer auf verlanget: eine von ihm unter­ schriebene Abschrift des Konnossements zu erteilen. Die Ausstellung des Konnossements kann an Stelle des Schiffers durch einen anderen dazu ermächtigten Vertreter des Reeders erfolgen. Das Konnossement kann mit Zustimmung des Abladers auch über Güter ausgestellt werden, die zur Beförderung übernommen, aber noch nicht ab­ geladen sind. Einleitung.

Vorbemerkung zu den §§ 642—661. Die bisher behandelten Besümmungen regeln das Recht des Frachtvertrags ohne Rücksicht auf die etwa erfolgte Ausstellung von Konnossementen. Da diese weitaus die Regel bildet, x) § 641 „befreit den Schiffer zwar vom Warten auf die Wiederaufhebung ter eröffneten Blockade, aber nicht vom Warten auf zuverlässige Nachrichten über die Eröffnung derselben": HG. Hamburg Hbl. 1878, 67.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

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so hätte das Gesetz vielleicht praktischer gehandelt, wenn es das Recht des Konnossements vor- § 642. weggenommen und in das übrige Material verarbeitet hätte. Vereinzelt hat es den Fall der Konnossementsausstellung schon vorher in Betracht ziehen müssen (§ 614); an anderen Stellen, insbesondere bei den §§ 628 ff., macht sich jene Unterlassung recht fühlbar (vgl. RG. 15 Nr. 8). Das in den §§ 642—661 behandelte Recht deS KonnossementsT) zerfällt in folgende

Unterabteilungen: 1. Ausstellung des Konnossements (§ 642). 2. Inhalt des Konnossements (§§ 643, 644).

3. Rechtswirknngen des Konnossements (§§ 645—661). a) Verpflichtungen des Schiffers gegenüber dem bzw. den Konnossementsinhabern (§§ 645, 646, 650, 659, 660, 661). b) Wirkung der Übergabe des Konnossements (§ 647). c) Rechtsverhältnis mehrerer Könnvssementsinhaber zueinander (§§ 648, 649). d) Rechtsverhältnisse zwischen Verfrachter und konnossementsmäßigem Emp­ fänger (§§ 651-658).

§ 642 spricht von der Ausstellung deS Konnossements?) Vorauszuschicken sind einige Bemerkungen über Begriff, Wesen und wirtschaftliche Bedeutung des Konnossements. 1. Begriff deS Konnossements. Das Konnossement ist eine Urkunde, die ein doppeltesAnm. 1. enthält: eine Empfangsbescheinigung und eine Auslieferungsverpflichtung. a) Eine Urkunde ist das Konnossement. Schriftlichkeit gehört zu seinem Wesen: ein münd­ liches Konnossement gibt es nicht. Wenn das Gesetz die „Ausstellung" des Konnossements verordnet, so schreibt es schriftliche Form vor. Daher ist nach BGB. § 126 Unterzeichnung durch den Aussteller erforderlich (unten Anm. 18). b) EmpfangSdescheinigung. Der Schiffer bzw. an seiner Stelle ein anderer dazu ermächtigter Anm. 2. Vertreter des Reeders bescheinigt die Annahme der Güter, und zwar regelmäßig, daß sie abgeladen sind („shipped“: Abladekonnossement), ausnahmsweise (Abs. 5), daß sie zur Beförderung übernommen worden sind („received for shipment“: Übernahme­ konnossement). Das Konnossement ist also keine Urkunde über den Frachtvertrag Goldschmidt Handb.2 S. 677, 686 und GoldschmidtsZ. 26, 608; 29, 24; Brodmann GoldschmidtsZ. 70,19; ROHG. 17, 71; anders insbesondere Thöl Handelsrecht 1 § 270; 3 §§ 42 ff.; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte 498; Krichauff S. 38,43 ff.)2), sondern eine solche *) Spezialliteratur: Wüstendörfer Studien insbes. 1, 217 ff.; Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 1 ff. [unb HansRZ. 1, Beiheft 121 ff.]; Gütschow ZVerlWiss. 13, 361 ff. (Jacobi Ehrenberg Handb. IV 1 S. 125 ff.; Mittelstein HansRZ. 1, Beibeft 134 ff.]; Heymauu, Die dingliche Wir­ kung der handelsrechtlichen Traditionspapiere, in der Festgabe für Dahn III (zitiert: Heymann); Schminke, Das Konnossement 1912 (zitiert: Schminke); Krichauff, Die Transportvapiere, Leip­ ziger Dissertation 1907 (zitiert: Kri chauff); Nöthling, Die dingliche Wirkung der handelsrecht­ lichen Trabitioitäpapiere, Göttinger Dissertation 1908 (zitiert: Nöthling); Hencke, Der Rechts­ erwerb durch Konnossement, Erlanger Dissertation 1912 (zitiert: Hencke); Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte (zitiert: Hellwig). 2) Englisch: bill of lading; französisch: connaissement; italienisch: polizza di carico. 3) Deshalb ist das Konnossement an fick) nicht zum Beweismittel über den Inhalt des Frachtvertrages bestimmt; es,kanu aber trotzdem in vielfacher Beziehung als solches in Betracht kommen: Goldschmidt Hdb. 2 677 ff.; sPaPpenheim 3, 120—121]; ROHG. 17, 73. Weicht der Inhalt des jüngeren Konnossements von dem des Frachtvertrags ab, so ist mit Goldschmidt 678 im Zweifel (wogegen s. Pappenheim 3, 122] anzunehmen, daß der letztere den: Konnossement entsprechend ab­ geändert worden ist. Siehe Anm. 21 zu § 651. Im Stückgüterverkehr vertritt in der Regel das den ganzen Inhalt des Frachtvertrags aufnehmende Konnossement die besondere Urkunde über den letzteren (ROHG. 17, 72; HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 59; 1893 Nr. 50; 1898 Nr. 71; SeuffA. 52 Nr. 102; RG. 11 Nr. 21; OLG. Rostock SeuffA. 71, 35--EisenbE. 32, 307; HansOLG. 23. Sept, und 28. Okt. 1914, Bf. I 273/14 und Bf. I 150/14; (RG. 3. Nov. 1917, RG. 89, 288]. Abweichende Abreden werden fast niemals ge-

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

§ 642.

über die Annahme der Güter seitens des Schiffes: sie wird nicht ausgestellt vom Ver­ frachter oder dessen Vertreter, sondern von einem dazu befugten Vertreter dessen, der die Beförderung vermittels seines Schiffes ausführen soll, also des Reeders (unten Anm. 15), und sie wird weiter nicht ausgestellt dem Befrachter als solchem, sondern dem Ablader ([unten Anm. 11]), der eine vom Befrachter tatsächlich und rechtlich verschiedene Person sein kann (vgl. HansOLG. Hbl. 1903, 231).

Anm. 2a.

Gehört zu einem Konnossement die Individualisierung des Schiffes? Dem Frachtverträge ist eine solche nicht wesentlich; die Beförderungsverpflichtung des Verfrachters kann Wahlschuld, selbst Gattungsschuld sein (Vorb. zum 4. Abschnitt Anm. 13). Das gleiche gilt aber nicht für das Konnossement. Es muß Wüstendörfer 1, 293 ff. zugegeben werden, daß sich in der Praxis der regelmäßigen Schiffahrtslinien die Tendenz geltend macht, die Konnossementsverpflichtung einer generischen zu nähern und dies in der Empfangsbescheini­ gung zum Ausdruck zu bringen. Aber dieser nicht einmal einheitlichen Praxis muß widersprochen werden, weil sie über das, was nach dem Gesetz zulässig ist, hinausgeht. Grundsätzlich ist nach unserem Gesetz die Konnossementsverpflichtung keine generische, sondern eine individuelle, mit einem bestimmten Schiffe zu er­ füllende. Ausgegangen wird von der Ausstellung des Abladekonnossements durch den Schiffer (§ 642 Abs. 1), also durch den Führer eines bestimmten Schiffes, in das das Gut verladen ist; dementsprechend soll das Konnossement den Namen des Schiffers und den des Schiffes enthalten (§ 643 Nr. 1, 2), eine Bestimmung, die nicht zwingend ist, aber einen Schluß auf die Auffassung des Gesetzes rechtfertigt. Wenn nach § 642 Abs. 5 die Ausstellung durch einen anderen dazu ermächtigten Vertreter des Reeders erfolgt, so handelt dieser „an Stelle des Schiffers" (unten Anm. 15 Note 2): auch auf seine Abladekonnossemente findet § 643 Nr. 1 u. 2 Anwendung. Nichts Abweichendes wird bestimmt für Übernahmekonnossemente: auch die Übernahme zur Beförderung hat für ein bestimmtes Schiff zu geschehen (unten

Anm. 20), und Entsprechendes ist ins Konnossement aufzunehmen. Daran ändert nichts die Zulässigkeit von Substitutionsklauseln (Anm. 6ff. zu § 565): hier ist in erster Reihe das individualisierte Schiff zur Beförderung bestimmt, und wo dingliche Haftung Platz greift, haftet nur dieses. Hiernach muß gefordert werden, daß im Konnossement wenig­ stens das in erster Reihe zur Beförderung des Guts bestimmte Schiff zu individualisieren ist. Zulässig sind somit Empfangsbescheinigungen wie „übernommen zur Beförderung mit dem Dampfer X. oder einem der folgenden Dampfer derselben Linie", „received for shipment in and upon the steamship X. or any other subsequent steamer of the same line“, „empfangen zur Verladung auf dem Dampfer X. oder auf einem beliebigen anderen substituierten oder folgenden Dampfer"; aber nicht solche, die ein primär zur Be­ förderung bestimmtes Schiff überhaupt nicht nennen, wie „received for shipment by one of the first steamers of the Norddeutscher Lloyd, leaving Batoum... and bound for...“ (Wüstendörfer 1, 297): hier liegt ein nach deutschem Recht gültiges Konnossement nicht mehr vor (Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 66). Anders einerseits Wüstendörfer 1, 297 ff., der auch Konnossemente, die von jeder Angabe eines bestimmten Schiffes absehen, für zulässig hält, andererseits Boyens GoldschmidtsZ. 73, 524 ff., der auch ein Konnossement, das alternativ die Beförderung mit einem später fälligen, nicht bestimmten Schiffe verspricht, nicht an­ erkennt. [(M.) Der Herausgeber tritt Wüstendörfer bei, indem er annimmt, daß der Verkehr tatsächlich soweit geht. Auch dann bleibt noch immer das Schaff bestimmbar. Es wäre sachlich nichts gewonnen, wenn der Reeder angehalten würde, irgendeins seiner Schiffe formell zu benennen und weitgehendste Substitution vorzubehalten. Pappenheim 3 S. 217—221, 245 hält das für eine Abweichung vom geschriebenen Recht, hält es aber für kaum zweifelhaft, troffen. Das Konnossement enthält vielfach Klauseln wie „in accepting thia bill of lading the ahipper agreea to ita atipulationa*' (RG- 11, 101; Hans OLG. Hbl. 1894 Nr. 12), die überflüssig und bedeutungs­ los sind (Wüstendörfer 1, 189). Nur für den Fall des Stückgutskonnossements sind die Ausführungen von Hellwig und Krichauff zutreffend.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

509

daß dieses überwunden werden wird, was nach der Entwicklung des Verkehrs, insbesondere § K42. des Durchfrachtkonnossements grundsätzlich schon geschehen ist]

c) AuSlieferungSverPslichtung. Der Aussteller des Konnossements verpflichtet sich, und zwar Anm. 3. namens des Reeders (über eine Mitverpflichtung des Schiffers s. Anm. 6 Note 1 äit § 533, oben S. 257 Note 1), dem legitimierten Inhaber des Konnossements (Anm. 9a, 10 zu § 614; Anm. 2 zu § 645) die erwähnten Güter auszuliefern. Die Auslieferungsverpflichtnng beruht auf der Bescheinigung der Annahme der Güter [f. dagegen Note l],1) nicht auf dem Frachtverträge, und ist von den Verpflichtungen auf Grund des letzteren verschieden und unabhängig (NG. 4, 91; 34, 79; 46, 5; 74, 194) — der das Konnossement selbst oder durch einen Vertreter Ausstellende braucht ja mit dem Verfrachter nicht identisch zu sein, die Konnosse­ mentsobligation zugunsten des legitimierten Inhabers gelangt zur Entstehung, auch wenn ein Frachtvertrag überhaupt nicht abgeschlossen ist (der Reeder befördert seine eigenen Güter: Wüstendörfer 251), oder wenn er aus irgendeinem Grunde nichtig war (RG. LZ. 1909, 141; Mittelstem Handb. 300]), und sie bleibt bestehen, auch wenn der Frachtvertrag mit Erfolg angefochten oder ausgelöst wird (vgl. Goldschmidt Handb.2, 678 und GoldschmidtsZ. 26, 608; unzutreffend Krichauff 19 Note 80). 2. Wesen des Konnossements. Das Konnossement ist

Anm. 4.

a) Werlpapier: seine Ausübung und Übertragung ist nicht ohne das Papier möglich (Pappen-

heim 3, 267; vgl. Jacobi Ehrenberg Handb. IV 1, 374]. Da das Recht aus dem Kon­ nossement nur geltend gemacht werden kann bei gleichzeitiger Vorlegung der Urkunde, so ist das Konnossement ein Präsentationspapier (Brunner Endemann Handb. 2, 155 ff.). b) Tradtttorrspapier (Brunner GoldschmidtsZ. 22, 525; Endemann Handb. 2, 150; Goldschmidt Anm. 5. GoldschmidtsZ. 29, 22 = Vermischte Schriften 2,124): seine Übergabe wirkt so wie diejenige

der Güter selbst (§ 647). c) Urkunde über eine Skripturobligation: der Schuldner hastet secundum scripturam Mnm. 6. (näheres § 651). d) Soweit die Auslieferungsverpflichtung des Ausstellers in Betracht kommt, Urkunde über Anm. 7. eine einseitige, vom Frachtvertrag unabhängige Obligation: die Zahlung der Fracht und der übrigen int § 614 genannten Leistungen ist nicht Gegenleistung, sondern nur regelmäßige Voraussetzung für die Erfüllung der Konnossementsobligation (Goldschmidt Handb.2, 699; Wüstendörfer 1, 330; (Brodmann HansRZ. 1. Beiheft 124; Pappenheim 3, 302]; HansOLG. Hbl. 1888, 52; anders Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte 498; Krichauff 38), und der Verfrachter hat gegen den legitimierten Konnossementsinhaber als solchen keinen Anspruch auf Abnahme der Ladung (OTr. GoldschmidtsZ. 12, 590 = StriethorstsA. 60, 282 ff.; (Hans­ OLG. Hbl. 1898, 86]). Das schließt nicht aus, daß das Konnossement auch Bestimmungen enthält, die den Empfänger als solchen zu gewissen Leistungen verpflichten (§ 651). e) Ramend-, Order-, Inhaber- oder Blankopapier, je nachdem es auf Namen, an Order oder Anm. 8. auf den Inhaber lautet oder endlich für den Namen des Empfängers ein offener Raum ge­ lassen ist. Inhaber- und Blankokonnossemente sind zwar zulässig (Wittelstein HansRZ. 1, Bei­ heft 138; Pappenheim 3, 247]; anders für das Jnhaberkonnossement HG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 2: vgl. übrigens für dasselbe BGB. §§ 793 ff.), aber im deutschen Seeverkehr ungebräuch­ lich, daher weder der Schiffer zur Zeichnung noch der Ablader zur Entgegennahme solcher ungewöhnlichen Konnossemente verpflichtet (Goldschmidt Handb.2, 675). Orderkonnossemente bilden die Regel (Näheres § 644). Das Namenskonnossement wird übertragen durch Ab*) [(M-) Diese Ausdrucksweise von Schaps ist mindestens verlcitlich. Ein Konnossement muß allerdings ein Entpfangsbekenntnis enthalten, aber die Auslieferungsverpflichtung beruht nicht darauf, allerdings auch nicht auf dem Frachtvertrag, sondern auf dem anläßlich eines (wenn auch nur als be­ stehend angenommenen) Frachtvertrags durch die Begebung des Konnossements eingegangenen Ver­ trage zugunsten des legitimierten Konnossementsinhabers, diesem das im Konnossement bezeichnete Gut ausliefern zu wollen (vgl. Mittelstem HansRZ. 1 Beiheft 138 und Handb. 145; Pappenheim 3, 303—304)].

510 § K42.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

tretung, das Orderkonnossement in der Regel durch Indossament (§§ 363 ff.), aber auch auf andere Weise (Anm. 9a zu § 614), das Inhaber- und das Blankokonnossement durch Übergabe der Urkunde.

Anm. 9. f) Dagegen nicht ein Papier über eine abstrakte Verpflichtung: denn es nennt als Rechtsgrund der Verpflichtung die Annahme der Güter (Goldschmidt Handb. 685 ff. und GoldschnndtsZ.

29, 24; Wüstendörfer 1, 401; sBrodmann GoldschnndtsZ. 70, 47; Jacobi Ehrenberg Handb. IV 1, 332; Pappenheim 3, 265; Mittelstem Handb. 145]; NG. 5, 81; 57, 64; anders Kuntze Jnhaberpapiere 495 ff.; Endemann Handelsrecht § 78; Brütt, Die abstrakte Forderung 284 ff.),

stellt sich also nicht als ein Schuldversprechen im Sinne des § 780 BGB. dar, das die Ver­ pflichtung selbständig, d. h. unter Loslösung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zu­

sammenhängen (RG. IW. 1910, 229), begründen soll. Dem steht nicht entgegen, daß der Verpflichtete auch haftet, wenn die angeblich zur Beförderung angenommenen Güter in Wirklichkeit gar nicht angenommen worden sind: dies beruht darauf, daß der Aussteller für

die Richtigkeit der Skriptur, also auch der von ihm angegebenen Verpflichtnngsursache, auf­

kommen muß. Anm. 9 a. g) fZusatz. Nach ausländischem Recht wird dem Konnossement regelmäßig nur eine gesteigerte Beweiskraft beigemessen, s. Pappenheim 3, 269 Anm. 2.]

Anm. 10. 3. Wirtschaftliche Bedeutung des Konnossements. Das Konnossement dient dem Zwecke der Beschleunigung und Vereinfachung des Güterumlaufs. Es vertritt im Warenverkehr über

See die Ware selbst; es kursiert an ihrer Stelle, während sie selbst noch unterwegs ist. Gegen das Konnossement pflegt der Verkaufskommissionär dem abladenden Kommittenten Vor­ schüsse zu gewähren, der Käufer oder Einkaufskommittent dem Verkäufer oder Einkaufs-

kvmnlissionär den Kalifpreis zu zahlen oder wenigstens die auf iljn gezogenen Tratten, denen die aufzunehmenden Dokumente angehängt sind („documents attached“), zu akzeptieren, der Bankier dem legitimierten Inhaber Vorschüsse zu leisten oder dem Käufer des Gutes Rembourskredit zu gewähren?) Da jeder Nehmer eines Konnossements damit rechnen muß,

daß die Ware unterwegs untergegangen oder beschädigt worden ist, also nicht oder nicht intakt zur Ablieferung gelangt, so wird das Konnossement bei seiner Zirkulation gewöhnlich von der die abgeladenen Güter betreffenden Versicherungspolice begleitet.

Über die einzelnen Bestimmungen des § 642 ist folgendes zu sagen:

Anm. 11. 1. Wieweit und wem gegenüber besteht eine Verpflichtung zur Ausstellung von Konofse-

menten? a) Anspruch auf Ausstelluyg von Konnossementen hat nicht der Befrachter als solcher, sondern der Ablader svgl. Vorb. zum 4. Abschnitt Anm. 5] oder sein Rechtsnachfolger; aber nicht schon der Inhaber des vorläufigen Empfangsscheins (Anm. 25), an den jedoch das Konnossement

mit befreiender Wirkung ausgeliefert werden kann (so mit Wüstendörfer 1, 193 ff.; weiter­

gehend Carver sect. 60; HG. Hamburg Hbl. 1876, 226). Die privatrechtliche Verpflichtung zur Ausstellung von Konnossementen ist eine gesetzliche Folge der Abladung (Goldschmidt

Handb.2, 666) bzw. (Abs. 5) der Übernahme der Güter; [her Anspruch auf Erteilung des Konnossements beruht auf Gesetz (Pappenheim 3, 222)]. Die Ausstellung, ist aber im Ver­

hältnis zwischen Schiff und Ablader nicht in dem Sinne obligatorisch, daß nicht der Ablader auf sie verzichten könnte. Werden keine Konnossemente ausgestellt, so hat der

*) Uber die technische Abwiälung derartiger Geschäfte Schumacher, Conrads I. 3. Folge 10, 820; Hey mann 205 ff.; Wüstendörfer 1, 22 ff.; Simon, Die Banken und der Hamburger Überseehandel 85 ff.; Schilling Durchfrachtvertrag 11 ff.; Schminke 5; Leo BankA. 14, 91 ff.; LG. Hamburg Hbl. 1908, 46 — LZ. 1907, 846 = BankA. 6, 271 ff. Die Entscheidung des LG. Hamburg betraf einen Fall, in welchem akzeptiert und gezahlt wurde gegen Konnossemente, die sich nachträglich als gefälscht erwiesen: die Haftung der präsentierenden Bank wurde verneint, da sie, obschon Indossatarin des Konnossements, nur Vertreterin des Verkäufers gewesen und selbst nicht bereichert war. Einen ähnlichen Fall (Auf­ nahme von Konnossementsteilscheinen, während das Konnossement nicht existiert), betrifft die Ent­ scheidung des HansOLG. und des RG. Hbl. 1911 Nr. 34; 1912 Nr. 85.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

511

Empfänger gegen das Schiff keine selbständigen Rechte (Vorb. zum 4. Abschnitt Anm. 12; § K42. sPappenheim 3, 46—48]).

b) Aus steuerrechtlichen Gründen bestimmt § 44 des NStempG. vom 3. Juli 1913 (NGBl.Anm.. 12. 629 ff.), daß die Beförderung von Gütern im Schiffsverkehr der Tarifnummern 6a („zwischen inländischen und ausländischen Seehäfen oder zwischen Häfen an inländischen Wasserstraßen und ausländischen Seehäfen, soweit sie nicht unter b fallen"), 6b („zwischen inländischen Häfen und ausländischen Häfen der Nord- und Ostsee, des Kanals oder der norwegischen Küste") und, sofern es sich um Schiffe mit einem Naumgehalte von 250 Tonnen handelt, auch im sonstigen Schiffsverkehr (Tarifnummer 6 c) nur erfolgen darf, wenn eine Urkunde der im Taris bezeichneten Art (d. h. nach Nr. 6 des Tarifs ein Konnossement — ein Frachtbrief kommt nicht in Betracht) ausgestellt wird; die Ablieferung von Gütern, die im Schiffsverkehr vom Ausland nach dem Inland befördert sind, darf nur erfolgen, wenn eine Urkunde der be­ zeichneten Art ausgehändigt wird (Strafbestimmungen §§ 49, 50). Damit ist für die er­ wähnten Fälle die Ausstellung von Konnossementen tatsächlich obligatorisch gemacht. Die die Stempelpflicht im einzelnen regelnden §§ 43 ff. NStempG. sind abgedruckt im Anhang. Frachturtunde im Sinne des NStempG. ist, neben den: Durchkonnossement, auch das Anschlußkonnossement („masters receipt“: Anm. 25 zu § 651): NG. 65 Nr. 81. Die Anwendbarkeit des NStempG. ist nicht auf Urkunden beschränkt, welche die für deutsch­ rechtliche Konnossemente vorgesehenen Angaben enthalten (RG. 86, 81). sDas NGes. vom 8. April 1917 über Besteuerung des Personen- und Güter­ verkehrs (NGBl. 329), welches den Seeverkehr nur in beschränktem Umfang ergreift (§ 2), fordert gleichfalls — soweit nicht die §§ 14, 15 Platz greifen — eine „Frachturkunde über die Beförderung".]

c) Der Anspruch auf Ausstellung von Konnossementen, und zwar von richtigen, abredegemäßen Anm. 13. Konnossementen, berechtigt zur Arrestierung des Schiffes, auch wenn dasselbe segelfertig ist (RG. 32 Nr. 15; Anm. 4 zu § 482). d) Ist der Ablader im Verzüge der Annahme (BGB. §§ 293 ff.), so kann der Schiffer gemäß Anm. 14. BGB. § 372 verfahren.

2. Wer soll die Konnossemente ausstellen? Regelmäßig ist ihre Ausstellung Sache des Schiffers, Anm. 15. der dazu trotz § 526 auch im Heimatshafen befugt ist (HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 128 = SeuffA. 43 Nr. 211; s. Anm. 11 zu § 526 fund persönlich nur für die gehörige Erfüllung dieser Ver­ pflichtung haftet (HGB. §§ 511, 512), aber nur außerhalb des Heimatshafens gesetzliche Macht hat, einen Vertreter zur Konnossementszeichnung zu bestellen (Pappenheim 3, 226 Anm. 3)]. Sie kann aber auch an seiner Stelle durch einen anderen dazu ermächtigtes) Ver­ treter des Reeders (Abs. 4) erfolgen,*2) insbesondere den Agenten oder Expedienten (ROHG. L) Die Ermächtigung ist von dem zu beweisen, der Rechte daraus herleitet (HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 49). — Eine Ermächtigung des Zeichners soll nach dem LG. Hamburg und dem HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 72 sich schon daraus ergeben, daß das Konnossement die Worte „in witness whereof, the Master, Purser or Agent of the said sliip has affinned . . enthält. Hierin liegt eine offenbare petitio principii. 2) Die Bedenken Pappenheims (GoldschmidtsZ. 46, 276 ff.), die von Loewe (Anm. 4 zu 8 642), auch Doyens (1, 225) geteilt werden (dagegen Martin JLBl. 1900, 68), daß aus einem nicht vom Schiffer gezeichneten Konnossement weder eine beschränkte Haftung des Reeders (§ 486 Nr. 1), noch ein Schiffsgläubigerrecht des Konnofsementsinhabers (§ 754 Nr. 8) resultiere, sind unbegründet. Denn nach § 642 Abs. 4 erfolgt die Konnossementszeichnung seitens der dazu ermächtigten anderen Ver­ treter des Reeders an Stelle des Schiffers: dieselben sind also insoweit gesetzliche Substituten des Schiffers, und ihre Rechtshandlungen sind denen des Schiffers gleichzustellen (vgl. Brodmann Note 3 und GoldschmidtsZ. 70, 62; Sieveking 74; Krichauff 30 Note 138; RG. 74, 195; anders Opet ArchBürgR. 30, 138 ff.; Gütschow ZVersWiss. 13, 365 und, wenn auch im Ergebnis übereinstimmend, Ritter ArchBürgR. 32, 476; Wüstendörfer 1, 242). Für den Fall aber, daß der Reeder selbst das Konnossement gezeichnet hat, greift § 486 Nr. 2 und damit auch § 754 Nr. 8 Platz, da die Ausführimg des Vertrages zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört (vgl. Leo zu § 642 Abs. 4; auch

512 § 642. Anm. 15.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

14, 337; HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 23; 1899 Nr. 89; 1904 Nr. 67), den Schiffsmakler (regelmäßig nicht ohne besondere Vollmacht: Anh. zum 3. Abschnitt Anm. 12), den Steuermann als Vertreter des Schiffers, den Schiffszahlmeister (purser: RG. 2 Nr. 33), natürlich auch durch den Reeder selbst (HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 118; RG. 20, 55); dagegen nicht durch den Charterer [anders Pappenheim 3, 325 für den Schiffsheuerer] oder dessen Bevollmächtigten (LG. Hamburg Hbl. 1898, 11 fund LZ. 1912, 574 Nr. 2]; HansOLG. Hbl. 1913, 56 = LZ. 1913, 567; [HansOLG. Hbl. 1916, 135); Boyens GoldschmidtsZ. 58, 335), es müßte ihm denn die Befugnis hierzu vom Reeder [ober Schiffer) übertragen worden sein. Wenn die kraft Gesetzes oder Vertrages zur Konnossementszeichnung ermächtigte Persönlichkeit ihre Instruktionen überschreitet, so kann sich der Reeder dem Konnossementsinhaber gegenüber hierauf nicht berufen (RG. 20, 55; 74, 195; HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 34; 1895 Nr. 49; vgl. auch RG. 34, 79; zustimmend jetzt auch Boyens GoldschmidtsZ. 73, 524; anders HansOLG. Hbl. 1909, 239 = SeuffA. 65, 204). Im Vorstehenden ist davon ausgegangen, daß die Ausstellung des Konnossements Sache deS Reeders bzw. feiner Vertreter ist. Das ist herrschende Meinung (Boyens 2, 310, auch GoldschmidtsZ. 58, 335; 63, 522; Brandis 2, 44; Mittelstem 1, 295 [und HansRZ. 1, Beiheft 136]; Pappenheim KrVJSchr. 44, 370; Handb. 2, 367 Note 1 [und 3, 315; Leo IW. 1919, 420]; Brodmann KrVJSchr. 48, 92 und namentlich GoldschmidtsZ. 70, 51 ff.; vgl. auch Sievers GruchotsBeitr. 50, 454; [Jacobi Ehrenberg Handb. IV 1, 558 Anm 110; Schilling Durchfrachtvertrag 106]). Ihr ist Widerspruch erwachsen in Wüsten­ dörfer 1 S. 123 ff. u. 268 ff. und Gütschow ZVersWiss. 13, 365 ff. (vgl. auch L. Perels Gold­ schmidtsZ. 58, 76), uach denen die Konnossementszeichnung grundsätzlich dem Verfrachter obliegen soll. Ihre Darlegungen lassen sich mit dem Gesetze nicht vereinigen. Der Schiffer, dem für den Regelfall die Konnossementszeichnung obliegt, ist als solcher nicht Bevollmächtigter des Verfrachters, sondern des Reeders (Ausrüsters); zu seinen gesetzlichen Befugnissen gehört die Ausstellung von Konnossementen, durch sie wird daher nach § 633 Abs. 1 die Haftung des Reeders begründet. Das würde nicht ausschließen, daß auch ein Verfrachter, der nicht Reeder ist, ein Unterverfrachter oder „schlichter Transportübernehmer", durch den hierzu von ihm bevollmächtigten Schiffer eine sich als Empfangsbescheinigung und Auslieferungsverpflichtung darstellende, inhaltlich auch dem §643 entsprechende Urkunde ausstellen lassen könnte, die seine Haftung begründete. Aber eine solche Urkunde würde das Schiffsgläubigerrecht des eine Haftung des Reeders voraussetzenden § 754 Nr. 7 nicht gewähren, und sie würde weiter die dingliche Wirkung des § 647 nicht hervorrufen, weil diese die Übernahme zur Beförderung

durch den Schiffer oder einen anderen Vertreter des Reeders zur Voraussetzung hat. Sie würde also gerade der „typischen Wirkungen des Konnossements" (Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 58; z. T. auch RG. 65, 348) entbehren. Sie wäre deshalb kein Konnossement. Diese indirekte Beweisführung wird bestätigt durch den Wortlaut des § 642 Abs. 4, nach welchem die Ausstellung des Konnossements an Stelle des Schiffers durch einen anderen dazu er­ mächtigten Vertreter des Reeders erfolgen kann?) Daß das praktische Verkehrsleben auf Sievers DIZ. 1897, 250). - Pappenheim hat jetzt (LZ. 1913, 167 ff.) fund ebenfo Seerecht 3, 225] seine Bedenken aufgegeben und wendet die §§ 486 Nr. 1, 754 analog an. [(M.) Der Herausgeber hat fich gegen vorstehende Auffaffung von Echaps schon in HansRZ. 1, Beiheft 137 gewandt. Es kann nicht zugegeben werden, daß ein „anderer ermächtigter Vertreter des Reeders" nur als Vertreter (Substitut) des Schiffers vom Gesetz gemeint ist. Es wird immer Tat­ frage sein, ob der Reeder den Betreffenden als Vertreter feines Schiffers oder unmittelbar als Ver­ treter seiner Person bestellt hat. Ersteres erachtet Wüstendörfer 246 als die Auffassung des Verkehrs, was fich kaum in folcher Allgemeinheit feststellen lassen wird. Ist der Vertreter nicht Vertreter des Schiffers, so greift nicht § 486 Nr. 1 Platz (den Pappenheim 3, 225 analog angewcndet wissen will), sondern ebenso, wie wenn der Reeder selbst gezeichnet hat, nur § 486 Nr. 2 sowie § 754 Nr. 8 und Nr. 7.] *) Diesen Wortlaut wie den des § 647 auf Flüchtigkeit der Gefetzesverfasser zurückzuführen, wie Wüstendörfer 1, 125 es tut, ist praktisch bedeutungslos. Möglich, daß man, wäre man sich der sprach-

513

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Befördirung von Gütern.

dem Standpunkt der Konnossementsausstellung durch den Verfrachter steht, hat Wüsten- § 842. dörfer (1, 271 ff.) vergebens nachzuweisen gesucht (gegen ihn Brodmann GoldschmidtsZ. 70, 59 ff.). Es haben in einzelnen Fällen Verfrachter, die nicht Reeder oder Ausrüster waren, deren Behandlung nach Analogie des letzteren sich auch licht rechtfertigte (Anm. 10 zu § 510), Konnossemente im eigenen Namen ausgestellt, sind aber durch die Gerichte in die Schranken verwiesen worden (LG. Hamburg Hbl. 1898,11; HansOLG. Hbl. 1913, 56 = LZ. 1913, 567 = Rechtspr. 28, 153 = EisenbE. 30, 82)?) Viel bedeutsamer ist auf der anderen Seite, worauf Boyens GoldschmidtsZ. 73, 522 hinweist, die sich in sehr oielen Chartepartien findende Klausel „the master to sign bills of lading as presented, without prejudice to this charter“ (Anm. 7 zu § 662), welche zeigt, daß nach der Berkehrsauffassung aus dem Kounossement nach außen nur der Reeder verpflichtet wird. Wüstendörfer (1, 268 ff.) und Gütschow (ZBersWiss. 13, 375 ff.) berufen sich schließlich auf das Konnossement mit Umladeklausel und auf das Durch­ konnossement, aus denen sich ergebe, daß mindestens für einen Teil des übernommenen Trans­ ports die Ausstellung des Konnossements durch dell Verfrachter genüge. Daß dies für das Konnossement mit Umladeklausel — soweit hier ein nach deutschem Recht gültiges Konnosse­ ment überhaupt Douiegt — nicht zutrifft, ist Anm. 9 zu § 565 ausgeführt. Ähnliches gilt vom Durchkonnossement (Anm. 25 zu § 651). ^Dagegen w.ll Pappenheim 3, 97 auf den Zeit­ charterer den § 510 entsprechend anwenden und deshalb auch dessen Konnossement gegen das Schiff wirken lassen (S. 325). Solche Auffassung hat Schaps neuerdings geteilt, denn in JDR. 15, 670 tadelt er, daß HansOLG. 18. Febr. 1916 Hbl. 1916 Nr. 73 nicht diesen Gesichts­ punkt erwogen, sondern die Klage gegen den Charterer abgewiesen hat, was dem Verkehrs­ bedürfnisse nicht gerecht werde (vgl. Anm. 13 zu § 510']. 3. Wie sollen die Konnossemente ausgestellt werden? Jbre Grundlage bilden Empfangsschein Anm. 16. (unten Anm. 25),-) der auch auf Bedingungen eines Konnossementsformulars Bezug nehmen kann (HansOLG. Hbl. 1910, 154), die Bestimmungen des § 643 und etwaige daneben ge­ troffene Abreden. Diese brauchen sich — wenn dies auch regelmäßig der Fall sein wird — nicht mit dem Inhalte des Frachtvertrags zu decken (oben Anm. 2). Abweichungen sind nament­ lich dann denkbar, wenn Verfrachter und Reeder nicht identisch sind, insbesondere im Falle der Unterverfrachtung. Hat z. B. der Unterbefrachter mit dem Unterverfrachter die Aus­ stellung frachtfreier Konnossemente vereinbart, so braucht sich der Schiffer hieran nicht zu halten, wenn nicht die Charterfracht vorausbezahlt ist (Boyens 2, 306 Note 4). Bei Differenzen über den Inhalt der auszustellenden Konnossemente istAnm. 17. davon auszugehen, daß es Sache des Ausstellers ist, dem Konnossement den von ihm für den richtigen gehaltenen Inhalt zu geben (RG. 15, 76). Nimmt der Ablader die Konnossemente vorbehaltlos-) entgegen, so wird dies, von Ausnahmefällen abgesehen (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1879 Nr. 76) als Genehmigung anzusehen sein. Soweit solche nicht vorliegt, macht ver­ tragswidrige Hinzufügung von Konnossementsklauseln den Schiffer und damit den Reeder schadensersatzpflichtig (Seebohm Nr. 152). lichen Abweichung von § 651 Abs. 1 („Rechtsverhältnis zwischen Verfrachter und Empfänger") be­ wußt geworden, auch in § 642 Abs. 4 und § 647 das Wort „Verfrachter" gewählt haben würde. Das würde an dem oben geführten indirekten Beweis nichts ändern, nur zeigen, daß das Gesetz, wie an anderen Stellen, den Normalfall der Identität von Verfrachter und Reeder im Auge hatte. Aber viel wahrscheinlicher ist, daß man in § 642 Abs. 4 und § 647 das Wort „Verfrachter" durch „Reeder" ersetzt haben würde. Dafür spricht die in dem gewählten Wortlaut sich widerspiegelnde opinio necessitatis. *) Das schließt nicht aus, daß vertragsmäßig in einem Durchkonnossement auf Bedingungen eines Konnossementsformulars Bezug genommen fein kann, das von einer nur mit gecharterten Schiffen arbeitenden Linie stammt (vgl. Hans OLG. 6. März 1914, Bf. IV 316/13). 2) Der Ablader braucht sich Abweichungen des Konnossements vom Receipt nicht gefallen zu lassen: der Verfrachter darf indessen beweisen, daß das Receipt Irrtümer enthielt (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 257). 3) Vorbehalte erfolgen üblicherweise im Wege des notariellen [?] Protestes fvgl. Pappenheim 3, 223 Anm. 4]. Schaps, Seerecht. 3. Aufl.

33

514

§ 642.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Zur Ausstellung gehört Unterschrift des Ausstellers, wie sich aus BGB. § 126 ergibt (Voigt, Neues Archiv für Handelsrecht 2, 107; Boyens 2, 309; anders noch HG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 91, richtig aber Hbl. 1873 Nr. 248; 1875 Nr. 2); es genügt also nicht eine Unterstempelung (Boyens 2, 309; Wüstendörfer 1, 249 ff.; Hasselmann, Der Schiffs­ makler in Hamburg 65 ff.; Mittelstem HansRZ. 1, Beiheft 136]; anders HG. Hamburg Hbl. 1872 Nr. 290; HansOLG. Hbl. 1904, 310; Wüstendörfer ArchZivPr. 110, 350; sPappenheim 3, 229: durch mechanische Vervielfältigung hergestellte Unterschrift genüge (vgl. HGB. §§ 181, 426 Nr. 9; BGB. § 793]), auch nicht die Signierung mit einer Chiffre (OAG. Lübeck bei Voigt a. a. O. 110). Aus einem nicht unterschriebenen Konnossement kann somit der Empfänger Erfüllung nicht verlangen. Das schließt nicht aus, daß, wenn ihm diese gewährt wird, er zu den Leistungen des § 614 verpflichtet wird (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 2, wo aber irrtümlich von „Leistung und Gegenleistung" gesprochen wird. Vgl. Anm. 16 zu § 614).

Anm. 18.

Anm. 19. 4.

Mann sind sie auszustellen?

a) „Nach der Beendigung jeder einzelnen Abladung", d. h. nach Übernahme und Verladung

Anm. 20.

entweder der ganzen auf Grund desselben Frachtvertrags mit demselben Schiff zu ver­ schiffenden Ladung oder, wenn die Ausstellung von Einzelkonnossementen über Teile der Ladung vereinbart ist, nach Übernahme und Verladung der betreffenden Ladungsteile. Anders Boyens 2, 306 [ltnb Pappenheim 3, 230], nach welchen im letzteren Falle die Zeich­ nung und Aushändigung von Konnossementen erst nach vollständiger Abladung des Ganzen gefordert werden kann. Diese Auffassung widerspricht den Worten des Gesetzes: „jeder einzelnen Abladung". Wenn die Parteien für einzelne der Güter die Ausstellung selbständiger Konnossemente vereinbaren, so zeigen: sie, daß diese Güter als selbständiges, von den übrigen unabhängiges Frachtgut angesehen werden sollen. Es liegt also kein Grund vor, ihre Ab­ ladung erst mit derjenigen der gesamten auf Grund desselben Frachtvertrags mit demselben Schiff zu expedierenden Güter als beendet zu erachten. Ausnahmsweise (Abs. 5) kann das Konnossement auch schon ausgestellt werden über Güter, die noch nicht abgeladen, aber schon zur Beförderung übernommen worden finb1) — eine vom Gesetz der Praxis angepaßte Neuerung (vgl. die Fälle ROHG. 25 Nr. 47; NG. 20 Nr. 13; HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 7; DR. 283; Pappenheim GoldschmidtsZ. 46, 275 ff.). Erforderlich ist Übernahme für ein bestimmtes Schiff (NG. Hbl. 1898, 14; Heuer Hbl. 1910, 267; LZ. 1911, 110), dem aber beim Vorliegen einer ins Konnossement aufzunehmenden Substitutionsabrede (Anm. 6 ff. zu § 565) ein anderes substituiert werden kann (s. o. Anm. 2 a). Dagegen kann nicht mit Heuer verlangt werden, daß die Übernahme

auch von feiten dieses Schiffes erfolgt, vielmehr muß, wie der Zusammenhalt mit Abs. 4 nahelegt, genügen die Übernahme durch den Reeder zum einstweiligen Gewahrsam zwecks demnächstiger Beförderung (Wüstendörfer 1, 224). Unter dieser Voraussetzung reicht aus Übernahme durch die Kaianstalt als Vertreterin des Reeders (s. Anm. 21 zu § 592) oder in Leichter (anders HansOLG. Hbl. 1897, 295). Die Ausstellung eines „Übernahmekonnossements" kann „mit Zustimmung des Abladers" erfolgen: es kann sie also weder der Ablader von dem Schiffer beanspruchen noch letzterer sie dem Ablader aufdrängen, viel­ mehr müssen beide einig sein (hierzu Wüstendörfer 1, 224ff.; sPappenheim 3, 233]). Aus dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu folgern, daß vor der Güterübernahme ausgestellte Konnossemente (über sie Wüstendörfer 1, 283) der Gültigkeit entbehrten (Wüstendörfer 1, 225 ff.); ebenso wie ein nach der Übernahme, aber vor der Abladung ausgestelltes, die Abladung bescheinigendes Konnossement den Reeder verpflichtet (HansOLG. Hbl. x) Die seefrachtrechtliche Zulässigkeit des übernahmekonnossements schließt nicht aus, daß das­ selbe den Bedingungen des Kaufvertrags über die zu verschiffende Ware nicht entspricht: vgl. RG. Hbl. 1915, 194 = SächsArchR. 1915, 176 (der Käufer „Kaffe gegen Dokumente, Verschiffung gegen August/September" braucht Nbernahmekonnossemente, für die nicht die Verschiffung der Ware bis Ende September klargestellt ist, nicht aufzunehmen).

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

515

1903, 271), ja sogar in erweitertem Maße verpflichtet insofern, als er den durch die Un- § 642. Wahrheit des Konnossementsinhalts („Antedatierung") dem Empfänger erwachsenen Schaden zu ersetzen hat (ROHG. 25,196; RG. 3,102; 25, 65 ff.; AppG. Rouen ZBersWiss. 1914, 265). Zustimmung des Abladers zur Antedatierung ändert hieran nichts (zweifelhaft Krichauff 21); es müßte denn materielle Identität zwischen Ablader und Empfänger vorliegen (Anm. 13 zu § 651). b) „Unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern (BGB. § 121). In Verzug gerät der Anm. 21. Schiffer erst nach Mahnung des Abladers, und wenn er seinen Zurückbehaltungsanfpruch wegen des Empfangsscheins (unten Anm. 25)’ erhebt, erst nachdem ihm der letztere ange­ boten ist. 5. In wie vielen Exemplaren- In so vielen, als der Ablader verlangt (Abs. 1). Regelmäßig Anm. 22. ist nur ein Exemplar zur Weitergabe bestimmt, die übrigen nur für außergewöhnliche Fälle, insbesondere für die Geltendmachung des Verfolgungsrechts (vgl. Prot. 2233; sPappenheim 3, 233]). Nachforderung von Exemplaren ist unstatthaft, nachdem bereits auf den behän­ digten Exemplaren die Gesamtzahl vermerkt ist (Goldschmidt Handb.? 676 Note 29). Die sämtlichen Exemplare müssen sals solche erkennbar sein; sie stellen ein Kon­ nossement dar. Deshalb müssen sie] a) von gleichem Inhalt sein: Identität des Textes ist nicht vorgeschrieben, unerheblichenAnm. 23. Abweichungen oder Verschiedenheit der Sprache (Prot. 4004) steht also nichts entgegen s(Pappenheim 3, 236 Anm. 1)]. Jedenfalls entscheidet jedem Konnossementsinhaber gegen­ über nur der Text seines Exemplars (Prot. 4004 ff.; HG. Hamburg Hbl. 1874 Nr. 27); b) dasselbe Datum haben; c) ausdrücken, wie viele Exemplare ausgestellt sind (sPappenheim 3, 235]). Bei Differenzen ist die Beweiskraft der verschiedenen Exemplare nach der Gesamtheit der Umstände festzustellen. Meist werden außer den für den Verkehr bestimmten Exemplaren noch nicht nego-Anm. 24. ziable Abschriften hergestellt für den Kapitän („Kapitänskopie, „captain’s bill of lading“), für Zollzwecke („custom House bill of lading“), für den Ablader („merchant’s bill of lading“); außerdem pflegt der Reeder noch einige ununterzeichnete Exemplare zum internen Gebrauch zurückzubehalten (Schilling Durchfrachtvertrag 11). 6. Verpflichtungen deS Abladers. Anm. 25. a) Rückgabe des etwa bei der Annahme der Güter erteilten vorläufigen Empfangsscheins (Receipt). Ein solcher wird regelmäßig provisorisch von dem mit der Annahme der Ladung betrauten Schiffsoffizier, in der Regel dem Steuermann (daher „mates receipt“), einen Expeditionsbeamten oder der Kaianstalt (s. Anm. 27 zu § 592) ausgestellt; an die darin enthaltenen Bedingungen, die oft schon auf den Inhalt des Konnossementsformulars Bezug nehmen, ist der Ablader, der vorbehaltlos das Gut anliefert und das Receipt entgegennimmt, gebunden. Das Receipt bildet die Grundlage des auszustellenden Konnossements (Voigt Neues Archiv f. Handelsrecht 1, 496); es ist einmal Quittung, daneben nach der Verkehrssitte Legitimationspapier (oben Anm. 11; dagegen Boyens 2, 306 Note 3; GoldschmidtsZ. 58, 336), aber nicht Jnhaberpapier (Schminke 13). Die Rückgabe des Receipts kann Zug um Zug gegen Aushändigung der Konnossemente bean­ sprucht werden, an letzteren kann also ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden (sPappen­ heim 3, 239]); einer Aushändigung des Konnossements an den Ablader oder seinen Rechts­ nachfolger ohne Rückgabe des Receipts steht aber nichts entgegen (Boyens 2, 306 Note 3; Wüstendörfer 1, 194; svgl. auch HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 69]). b) Erteilung einer vom Ablader unterschriebenen Abschrift des Konnossements, auf Ber- Anm. 26. taugen des Schiffers (Abs. 3). Die Unterschrift des Abladers soll eine Beglaubigung des Konnossements, nicht etwa die Begründung von Verbindlichkeiten für den Ablader darstellen, sie ändert also nichts an dem streng einseitigen Charakter der Konnossementsobligation (Prot. 2195). Die Abschrift, deren Erteilung in der Praxis fast nie erfolgt (Schilling Durch­ frachtvertrag 11), ist nicht zur Verfügung über die Ware dienlich, sondern nur ein Beweis33*

516

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

mittel gegen Befrachter und Empfänger sPappenheim 3, 234], sowie in Zoll-, Prisen- und anderen Angelegenheiten. Zu den vom Schiffer nach § 513 an Bord zu führenden Papieren gehören die Konnossementskopien nicht (Anm. 14 zu § 513). Bei Differenzen zwischen Original und Kopie ist die Beweiskraft beider nach der Gesamtheit der Umstände festzustellen (Goldschmidt Handb? 676). Anm. 27. 7. Zurückbehaltungsrecht des Verfrachters. Der Verfrachter kann die Ausstellung der Kon­ nossemente bzw. die Herausgabe der ausgestellten Konnossemente gemäß BGB. §§ 273, 320 verweigern wegen konnexer Gegenansprüche, z. B. wegen des Anspruchs auf Rückgabe des Empfangsscheins oder auf Liegegeld bei der Abladung (HansOLG. 2. Nov. 1909, Bf. III6/09). Die Abwendung der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung (BGB. § 273 Abs. 3) ist mit Rücksicht auf BGB. § 320 Abs. 1 Satz 3 nicht statchaft, die vom Hans­ OLG. in der zitierten Entscheidung angenommene analoge Anwendung des § 624 nicht zulässig (Anm. 4 zu 8 624). Weiter kann der Verfrachter, solange er an den ihm zur Be­ förderung gegebenen Gütern ein bürgerlichrechtliches oder kaufmännisches Zurückbehaltungs­ recht hat, die Ausstellung oder Herausgabe der Konnossemente verweigern, weil sonst sein Zurückbehaltungsrecht illusorisch werden würde (HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 36). Anm. 28. Zusatz. Welches Recht gilt für die mit der KonnossementSauSstellung zusammen­ hängenden und auS ihr sich ergebenden Rechtsverhältnisse? In erster Neihe dasjenige, dem sich die Beteiligten ausdrücklich oder stillschweigend unterworfen haben: vgl. hierzu Vordem, zinn 4. Abschnitt Anm. 19; Anm. 2 zu 8 557; Fromageot Revue 18, 746 ff.; Hans­ OLG. Hbl. 1909, 274. Eine Vermutung für die Absicht der Parteien, sich dl-rn Rechte der Flagge des Schiffes zu unterwerfen (wie sie Fromageot 769 ff. behauptet), ist nicht anzuerkennen. — Haben sich die Beteiligten für Streitigkeiten aus einem im Auslande zu erfüllenden Konnosse­ ment dem deutschen Recht unterworfen, so kommt nicht etwa, weil nach )eutschem Recht das Recht des Bestimmungshafens maßgebend ist, das betreffende ausländisch; Recht zur Anwen­ dung (LG. Hamburg Hbl. 1903 Nr. 31): denn man hat sich nicht auf die internationalprivat­ rechtlichen Grundsätze, sondern auf die materiellrechtlichen Vorschriften les deutschen Rechts einigen wollen. Von dem Falle der Vereinbarung abgesehen gilt folgendes: 1. Für die Vorbedingungen der Ausstellung von Konnossementen, insbesondere über die Verpflichtung zu derselben, entscheidet im Verhältnis zwischen Schiff und Ablader das Recht des Abladungshafens (RG. 20, 61). Es kann indessen das Recht des Bestimmungshafens die Ausstellung von Konnossementen obligatorisch machen (oben Anm. 12). Anm. 29. 2. Für die Befugnis des Konnossementszeichners zur Ausstellung v»n Konnossementen ist an sich maßgebend das Recht der Flagge (HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 49; sv. Bar Ehren­ berg Handb. 1 S. 438, 439]). Regelmäßig aber ist anzunehmen, daß ün Reeder, der sein Schiff einem Befrachter zur Beladung nach einem gewissen Bestimnungsorte zur Ver­ fügung stellt, sich bezüglich der Erfüllung der durch die Zeichnung ton Konnossementen übernommenen Verpflichtungen im weitesten Umfange dem Rechte des Bestimmungshafens unterwirft, daß er daher, sofern nach diesem Recht der Konnossementszächner gesetzliche Befugnis zur Ausstellung von Konnossementen hat, nicht in der Lage it, dein legitimierten Konnossementsinhaber gegenüber geltend zu machen, daß der Zeichner des Konnossements aus irgendeinem Grunde nicht befugt gewesen sei, das Konnossemem, wie geschehen, zu zeichnen (ROHG. 25, 193 ff.; HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 49; RG. 34, 18 ff.; 74, 194 ff.). Anm. 30. 3. Für Form und Inhalt deS Konnossements ist entscheidend im Verhältnis zwischen Schiss und Ablader das Recht des Abladungshafens, d. h. beide Teile können beanspruchen, daß die auszustellenden Konnossemente nach Form und Inhalt den Gesehen des Abladungs­ hafens entsprechen. Aus allgemeinen Grundsätzen folgt aber, daß je)er Teil auch einer­ seits die Wahrung von Formvorschriften verlangen kann, die nach den Gesetz des Bestim­ mungshafens zwingend sind, andererseits sich der Aufnahme von Besünmungen widersetzen kann, deren Nichtigkeit oder Verbotswidrigkeit im Bestimmungshafen ferne bzw. seiner Nach§ 842.

männer Rechtslage zu schädigen geeignet ist.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

Im Verhältnis zwischen Schiff und Empfänger gilt folgendes:

517 § 642.

a) Die den Gesetzen des Abladungshafens genügende Form des KonnossementsAnm. 31. ist auch im Bestimmungshafen zu respektieren. Verlangt z. B. das Gesetz des Bestimmungshafens Beglaubigung der Unterschrift des Ausstellers, so hat dies keine Be­ deutung für Konnossemente, deren Ausstellungshafen eine solche Vorschrift nicht kennt; reicht nach dem Rechte des Abladungshafens Unterstempelung des Konnossements aus, so muß sie auch für den Besümmungshafen genügen, auch wenn dessen Gesetz Unterschrift verlangt lvgl. HansOLG. Hbl. 1904, 310). So auch Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EG.BGB. Anders, so­ weit die Vorschriften des Besümmungshafens zwingender Natur sind. Genügt die Form des Konnossements den Gesetzen des Abladungs-Anm. 32. Hafens nicht, so ist zu unterscheiden, ob sie denjenigen des Besümmungshafens genügt oder nicht; denn die Gesetze des letzteren sind „für das den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechtsverhältnis" — die Konnossementsobligation — „maßgebend" (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 EG.BGB.). Entspricht sie den Gesetzen des Besümmungshafens, so ist das Kon­

nossement gültig, sonst ist es nichtig. b) Soweit der Inhalt des Konnossements Verbotsgesetzen des Bestimmungs-Anm. 33. Hafens oder nach den daselbst herrschenden Anschauungen den guten Sitten widerspricht, können Rechte daraus im Besümmungshafen auch dann nicht geltend ge­ macht werden, wenn die betreffenden Konnossementsbestimmungen im Abladungshafen gültig sind. Gesetz- oder sittenwidrig kann sowohl der ganze Transport sein, den das Kon­ nossement betrifft (Beispiele: Einfuhrverbote im Bestimmungshafen, Beförderung von Konterbande), als Nebenbestimmungen des Konnossements (Beispiel: Freizeichnungen: vgl. die nordamerikanische Harten Act sect. 1 u. 2, die australische See-Carriage of Goods Act sect. 5, die neuseeländische Shipping and Seamen Act sect. 300, die kanadische WaterCarriage of Goods Act sect. 4: f. Anhang). Wie aber im umgekehrten Falle? Können, soweit der Konnossements-Anm. 34. inhalt im Abladungshafen aus einem der genannten Gründe nichtig ist, im Bestimmungshafen Rechte daraus hergeleitet werden oder nicht? Wo, wie nach deutscher Praxis, für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Konnossement das Recht des Bestimmungshafens maßgebend ist (Anm. 35), kommt für sie das Recht des Abladungshafens überhaupt nicht in Frage, also auch nicht dort geltende Nichtigkeitsgründe: die Nichtigkeit im Verhältnis zwischen Schiff und Ablader ist für das Verhältnis zwischen Schiff und Empfänger bedeutungslos (HansOLG. Hbl. 1907, 245 = LZ. 1908, 318 --Revue 23, 100; anders HG. Antwerpen Droit Mar. 1910, 692; Doyens 1, 53; Wittmaack GoldschmidtsZ. 52, 95, der in der Nichtberücksichtigung des fremden Rechts einen Verstoß gegen die comitas gentium sieht). Ebenso, wenn das Konnossement kraft Unterwerfung einem fremden Rechte untersteht, nach welchem die fragliche Bestimmung gültig ist (LG. Hamburg Hbl. 1903, 77). Wo aber, wie nach italienischem Recht (Codice di commercio Art. 58), die Wirkungen des Konnossements sich nach dem Rechte des Ortes seiner Aus­ stellung richten, da ist das an diesem Orte nichtige Konnossement auch im Besümmungs­ hafen nichtig (Kassationshof Neapel Dir. Mar. 1905, 335 ff. — Revue 21, 688). Gilt eine Vorschrift wie die Harter Act lediglich kraft Unterwerfung der Parteien unter sie und sind neben ihr Klauseln vereinbart, die ihr widersprechen, so haben diese als spezielleren Vertagsinhalt den Vorrang (HansOLG. Hbl. 1905, 228; 1907, 245; anders HG. Havre Revue 10,236; AppG. Brüssel Droit Mar. 1910, 32; HG. Antwerpen Droit Mar. 1914,167; zweifelnd HansOLG. Hbl. 1910, 154). 4. Für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Konnossement ist nach konstanter deutscher Anm. 35. Praxis maßgebend das Recht des Besümmungshafens (Wagner 141; sv. Bar Ehrenberg Handb. 1, 440; Mittelstem Handb. 128 Anm. 38]; ROHG. 25 Nr. 47; RG. 20, 56; 25,107; 34, 75ff.; [69, 24;] 74, 194; NG. Hbl. 1892 Nr. 47 = SeuffA. 49 Nr. 36; 1903 Nr. 102; HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 34; 1894 Nr. 10; 1895 Nr. 49; [1910 Nr. 88] usw.), gleichviel welcher Nationalität das Schiff und die beteiligten Personen sind. Die Fosge davon ist, daß unter Umständen

518 § 642.

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

dem Konnossementsinhaber im Bestimmungshafen Rechte anderen Umfangs gegen das Schiff zustehen als dem Konnossementsinhaber im Abladungshafen. Da z. B. nach englisch­ amerikanischem Recht aus einem Konnossement Rechte nur hergeleitet werden können, sofern die Güter abgeladen sind, während das deutsche Recht diese Beschränkung nicht kennt, so hat der Inhaber eines über nicht abgeladene Güter ausgestellten Konnossements im deutschen Bestimmungshafen Ansprüche gegen das Schiff, die der ursprüngliche Konnossementsnehmer im amerikanischen Abladungshafen nie gehabt hat (NG. 20, 56; 34 Nr. 18). Und ebenso haftet im deutschen Bestimmungshafen das Schiff dem Empfänger, der nicht mit dem Ab­ lader oder Befrachter materiell identisch ist (Anm. 15 zu § 651), auch dann nach Maßgabe des Konnossementsinhalts, wenn im Abladehafen die Einfügung einschränkender Klauseln unzulässig war (HansOLG. Hbl. 1903, 271 ff.; 1907, 167; Mittelstem HansNZ. 1, Bei­ heft 117. Anders noch Schaps 1. Aufl. 530]; unentschieden gelassen vom NG. Hbl. 1892,138 - SeuffA. 49 Nr. 36 = Bolze 13 Nr. 413). Ist ein Bestimmungshafen nicht fixiert, sondern nur ein Orderhafen, und gehen Schiff oder Ladung vor Erreichung desselben verloren, so gilt, mangels Unter­ werfung unter ein anderes Recht, das Recht des Heimatshafens des Schiffes (Boyens 1, 64; vgl. Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 26).

Anm. 36. 5. Für die Verjährung der Ansprüche nutz dem Konnossement gilt das Recht des Bestimmungshafens, gleichviel ob dingliche oder persönliche Ansprüche gegen den Reeder in Frage stehen (HansOLG. Hbl. 1906, 227).

§ 643.

§ 643.

Das Konnossement enthält: den Hamen des Schiffers; 2. den Namen und die Nationalität des Schiffes; 3. den Namen des Abladers; 4. den Namen des Empfängers; 5. den Abladungshafen; 6. den Löschungshafen oder den Grt, an welchem Drder über ihn ein­ zuholen ist; 7. die Bezeichnung der abgeladenen oder zur Beförderung übernommenen Güter, deren Menge und Merkzeichen; 8. die Bestimmung in Ansehung der Fracht; 9. den Drt und den Tag der Ausstellung; jo. die Zahl der ausgestellten Exemplare. Inhalt deS Konnossements. Anm. 1. 1. Formalerfordernisse für den Inhalt des Konnossements, deren Außerachtlassung, wie beim Wechsel, die Nichtigkeit der Urkunde zur Folge hätte, kennt das deutsche Recht nicht (Prot. 2204ff.; über die nach BGB. § 126 erforderliche Unterschrift des Ausstellers s. Anm. 18 zu § 642). Die in § 643 gegebenen Vorschriften über den Inhalt des Konnosse­ ments sind einerseits instruktioneller Natur, andererseits geben sie sowohl dem Aussteller als dem Nehmer des Konnossements mangels anderweitiger Abmachungen einen Anspruch auf ihre Befolgung, ohne daß aber von letzterer die Gültigkeit des Konnossements abhängig wäre (Prot. 2202; NOHG. 17, 97; HansOLG. Hbl. 1887, 279; RG. 20, 57; 65, 348; [80, 61; Pappenheim 3, 241]). Fehlt es in der einen oder anderen Beziehung, so ist aus dem sonstigen Inhalt der Urkunde zu entnehmen, ob sie gleichwohl als Konnossement gewollt war (Hans­ OLG. Hbl. 1887, 279; RG. 20, 57) und ob auch objektiv ihr Inhalt ein solcher ist, daß sie vom Verkehr als Konnossement angesehen wird (NG. Recht 1912 Nr. 2704). Weigert das

IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

519

Schiff ohne Grund die Amfnahme der im Gesetz vorgeshriebenen Angaben, so macht es sich § 643. schadensersatzpflichtig. Das Gesetz schreibt nicht einmal vor, daß das Konnossement ausdrücklichAnm. 2. die beiden sein juristisches Wesen ausmachenden Elemente, Empfangs­ bescheinigung und Amslieferungsversprechen, zu enthalten habe. Wenn dies auch regelmäßig der Fall ist,1) so ist doch auch insoweit Der Konnossementsinhalt nicht sakra­ mental : bei ihrem Fehlen: muß der übrige Inhalt der Urkunde, insbesondere der Umstand, ob sich diese selbst als Konnossement oder mit einem gleichwertigen ausländischen Namen bezeichnet, ergeben, ob eint Konnossement s(vgl. Pappenheim 3, 243)] oder etwas anderes, z. B. ein vorläufiger Empfangsschein, vorliegt (vgl. NG. Bolze 5 Nr. 624; ferner RG. Bolze 19 Nr. 40, wo trotz Vorhandenseins aller Erfordernisse des § 445 angenommen wurde, daß kein Ladeschein, sondern nur ein Rezepisse vorlag).

2. Zu den Vorschriften des § 643 über den Konnoffementsinhalt ist zu bemerken:

Anm. 3.

a) Name deS Schiffers: für notwendig erachtet, weil vielfach der Schiffer das Konnossement nicht selbst vollzieht (Anrn. 15 zu § 642), der Inhaber aber luegeit der Passivlegitimation im Prozeß ein Interesse daran hat, den Namen des Schiffers wissen s(vgl. Pappenheim 3, 244)]. b) Name und Nationalität deS Schiffes: dient zur Individualisierung des Konnossements Anm. 4. (Anm. 2a zu § 642) und des Anspruchs daraus, an dem durch erlaubte Substitution eines anderen Schiffes oder Umladung in ein solches nichts geändert wird (Anm. 9 zu § 565). Versehentlich unrichtige A ngabe des Schiffsnamens gibt dem Konnossementsinhaber, falls sie für ihn von materieller Bedeutung ist, ein Recht, die Güter zurückzuweisen oder mindestens Schadensersatz zu fordern (HansOLG. Hbl. 1900, 130). — [Wegen der Nationalität vgl. Pappenheim 3, 246.] e) Name deS Abladers (Vordem, zürn 4. Abschnitt Anm. 5). Für die Legitimation des Anm. 5. Konnossementsinhabers ist die Bezeichnung des Abladers dann erforderlich, wenn das Kon­ nossement einfach „an Order" ausgestellt ist (§ 644). ck) Name des Empfängers (im untechnischen Sinne: Anm. 1 zu § 614). Über Namens-Anm. 6. und Orderkonnossemente f. § 644. Als Empfänger kann auch [bet Reeder (Pappenheim 3, 248)], der Schiffer (§ 644 Abs. 2) oder der Ablader (Goldschmidt Handb.2 672) bezeichnet sein. Es gibt Fälle, in denen das Gut überhaupt keinem Empfänger abgeliefert werden soll (vgl. HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 108 = SeuffA. 50 Nr. 110), und solche, in denen das Gut an keinen bestimmten Empfänger adressiert wird (§ 644 Abs. 1: „lediglich an Order"). Über Inhaber- und Blankokonnossemente s. Anm. 8 zu 8 642. e) AbladungShafen: vielfach für die Feststellung der Provenienz des Gutes von Bedeutung. Anm. 7. [Über den Fall des Übernahmekonnossements vgl. Wüstendörfer 294; Pappenheim 3, 250.]

f) Löschungshafen bzw. Orderhafen (Vordem, zum 4. Abschnitt Anm. 10). Ausnahmsweise Anm. 8. ist Bestimmungsort nicht ein Löschungshafen, sondern das hohe Meer (vgl. HansOLG. Hbl. 1894 Nr. 108 - SeuffA. 50 Nr. 110). g) Bezeichnung (Anm. 2 zu § 652) der abgeladenen oder zur Beförderung übernommenen Anm. 9. Güter, deren Mengen und Merkzeichen. Je nach Sachlage ist im Konnossement anzu­ geben, ob die Güter abgeladen („shipped“), oder nur zur Beförderung übernommen („received for shipment“) sind (Anm. 2, 20 zu § 642); doch ist es für die Rechte des Kon­ nossementsinhabers gleichgültig, ob jene Angabe der Wahrheit entspricht oder nicht. Die Bezeichnung und Menge (Zahl, Maß, Gewicht) der Güter ist für die Weiterbegebung des Konnossements von ausschlaggebender Bedeutung; die auf der Verpackuug, unter Um­ ständen auf der Ware selbst (vgl. den Fall Hbl. 1898 Nr. 71) angebrachten Merkzeichen 1) Umgekehrt spricht das Vorhandensein der Empfangsbescheinigung und des Auslieferungsversprechens nicht unbedingt für das Vorliegen eines Konnossements. Das OG. Hamburg hat, im Gegensatz zum HG. Hamburg, in dem bei Ullrich Nr. 297 abgedruäten Falle einen privaten, das Schiff nicht obligierenden Verpflichtungsschein des Schiffers angenommen.

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IV. Abschnitt: Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern.

sollen Verwechselungen verhüten sweshalb der Schiffer sie verlangen kann (HansOLG. Hbl. 1897, 64 Sp. 2; Pappenheim 3, 252 Anm. 1)]. Wieweit diese Angaben des Konnossements vom Schiffe zu vertreten sind, darüber vgl. §§ 652 ff. Anm. 10. h) Die Bestimmung in Ansehung der Fracht: also Höhe, Berechnungsweise, evtl. Art der Umrechnung aus fremder Währung, Angabe des etwa gegebenen Frachtvorschusses (Anm. 7ff. zu § 617) oder des Frankaturvermerks. Anm. 11. i) Ort und Tag der Ausstellung: für den Erwerber des Konnossements vielfach von höchster Bedeutung, weil er daraus ersieht, wann das Gut abgeladen bzw. übernommen ist und dies, da viele Waren nach der Abladungszeit am Provenienzorte gehandelt werden (ROHG. 24, 194; 25, 196; vgl. Hbl. 1899 Nr. 89; 1900 Nr. 32, 98; 1910 Nr. 109 usw.; NG. 68 Nr. 59; Heuer Hbl. 1910, 266 ff. und LZ. 1911, 102 ff.), für den Erwerb des Konnossements be­ stimmend sein kann. Schuldhaft unrichtige Datierung des Konnossements macht den Schiffer nach §§ 511, 512, 661, sonstige zur Konnossementsausstellung ermächtigte Ver­ treter des Reeders nur nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen (Anhang zum 3. Abschnitt Anm. 19), unbedingt aber den Reeder *) nach §§ 485, 486 schadensersatzpflichtig (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1877 Nr. 195, 215; ROHG. 25 Nr. 47; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 77; NG. 3 Nr. 31; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1883 Nr. 72 usw.). Der Ersatzberechtigte kann nach BGB. § 249 verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die Konnossemente richtig datiert gewesen wären (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 77; Hbl. 1894 Nr. 15, wo eingehende Ausführungen über die Art der Schadensliquidation gegeben sind; RG. 3 9fr. 31; 68, 231); er hat also nicht lediglich, wie das HansOLG. Hbl. 1904, 167 annimmt, Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens. Anm. 12. k) Zahl der ausgestellten Exemplare: s. Anm. 22 zu § 642. Überflüssig sind die sich zuweilen findenden Kassationsklauseln „die nur für eines gelten", „the one of which being accomplished the others to stand void“ ob. dgl. (Goldschmidt Handb.? 694).

§ 843.

Anm. 13. 3. Der sonstige Inhalt deS Konnossements sz. B. die Aufnahme der im Abladungshafen er­ wachsenen Liegegelder (Pappenheim 3, 254)] unterliegt der Vereinbarung der Beteiligten. Über das Verhältnis des Inhalts von Konnossement und Frachtvertrag s. Anm. 2, 3 zu

Anm. 14.

§ 642. Von besonderer Wichtigkeit sind die in Anm. 26 ff. zu § 606 behandelten und in §§ 654 ff. genannten Freizeichnungen. Schriftlich oder mittels Stempels eingefügte Klauseln, die dem gedruckten Konnossementsinhalt widersprechen, gehen vor (HG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 172, 174; LG. Hamburg Hbl. 1888 Nr. 1; HG. Marseille Revue 5, 514; HG. Rouen Revue 16, 799; SeeG. Kopenhagen Revue 25,141; 2. Circuit Court der Vereinigten Staaten Revue 26, 858 usw.), ebenso Klauseln, die besonders auffällig, z. B. in roter Farbe, auf­ gedruckt sind (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 79). Zusatz. Über ausländisches Recht vgl. Pappenheim 3 S. 240—256 in den Anmer­ kungen.]

§ 644.

§ 644. Auf verlangen des Abladers ist das Konnossement, sofern nicht das Gegenteil vereinbart ist, an die Drder des Empfängers oder lediglich an Drder zu stellen. )m letzteren Lalle ist unter der Drder die Drder des Ab­ laders zu verstehen. Das Konnossement kann auch auf den Namen des Schiffers als Emp­ fängers lauten.

Anm. 1.

Fortsetzung.. RamenS» und Orderkonnossemente, mente f. Anm. 8 zu 8 642.

über Inhaber- und Blankokonnosse-

’) [(M.) Schaps nimmt nur Haftung wegen Berschnldens an, leugnet aber eine Haftung für unrichtige Datierung aus der SkripMr Abs. 2 des § 744 entspricht dem früheren § 748 Abs. 1, welcher lautete:

Beteiligen sich mehrere Personen an der Bergung oder Hilfsleistung, so wird der Berge- oder Hilfslohn unter sie nach Maßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl verteilt. c) Abs. 3 des 8 744 Satz 2 entspricht dem früheren § 745, welcher lautete:

Der Berge- oder Hilfslöhn darf ohne den übereinstimmenden Antrag der Parteien nicht auf einen Bruchteil des Wertes der geborgenen oder geretteten Gegenstände fest­ gesetzt werden. Über Abs.^3 Satz 1 vgl. oben (zu Abs. 1). Die einzelnen Abweichungen des neuen § 744 von den früheren Vorschriften sind im folgenden zu den betreffenden Punkten erörtert.

Anm. 2. II. Die Bestimmungen des § 744 im einzelnen:

1. Abs. 1 regelt die Festsetzung der Vergütung mangels Vereinbarung. Anm. 3. a) Eine Vereinbarung darf nicht vorliegen. Ausgeschlossen sind also nicht nur die von 8 747 betroffenen Fälle des Vertrags während der Gefahr, sondern auch die der Vereinbarung öor3) oder nach derselben. Voraussetzung eines wirksamen Hilfslohnvertrags ist, daß die Höhe der Vergütung vertraglich festgelegt ist. Wo es hieran fehlt, liegt nur ein Hilfsleistungsvertrag vor. Dem Mangel der Vereinbarung steht der Fall gleich, daß die ursprünglich getroffene Vereinbarung aus irgendwelchen Gründen nichtig oder sonst hinfällig geworden ist (RG. *) Vgl. Mot. zum BGB. 1, 225; Brodmann bei Borchardt § 749 Note 4. 2) Vgl. Art. 6 INS. 3) Kaum praktisch. Denkbar sind generelle Abmachungen mit gewerbsmäßigen Rettern über Vergütungen in künftigen Rettungsfällen.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

889

47, 406), z. B. dadurch, daß der Dritte, der die Höhe der Vergütung bestimmen sollte, eine § 744. Entscheidung ablehnt (RG. a. a. O.). Über Hilfslohnverträge vgl. auch § 747 Anrn. 2 ff.

b) Formell erfolgt die Festsetzung der Höhe des Berge- oder Hilfslohns

Anm. 4

oc) in Gemäßheit von StrandO. §§ 86 ff. Es ergeht also nach Anmeldung der Lohnansprüche beim Strandamt (§ 36) ein Bescheid der Aufsichtsbehörde (§ 38) bzw., sofern deren Funktionen landesgesetzlich dem Strandamt übertragen sind (§ 40), des Strandamts selbst, gegen welche der Rechtsweg staltfindet (§ 39). Vor der Entscheidung der Strandbehörde ist derselbe unzulässig (RE- 5, 90), was auch ohne Erhebung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs von Amts wegen zu berücksichtigen ist (RG. 7 Nr. 21; IW. 1903, 103 Nr. 22). Vgl. dazu auch die Anm. zu § 36 StrandO. (Bd. II). Prozefsuale Einzelheiten: Die Behauptung des Beklagten, d. h. desjenigen, der den Hilfslohn zu zahlen hat/) daß an sich überhaupt kein Lohnanspruch bestehe, ist ein selb­ ständiges Angriffs- und Verteidigungsmittel, das zu einem Zwischenurteil nach § 303 ZPO. führen kann (RE. 69, 207). — Verlangt der Lohnberechtigte im Wege der Widerklage mehr, als das Strandamt festgesetzt hat, so ftiiin die Entscheidung über den Grund des An­ spruchs (§ 304 ZPO.) nur einheitlich ergehen (RG. ibid.). —Die Zulässigkeit und Ordnungs­ mäßigkeit des rein verwaltuugsrechtlichen Verfahrens vor dem Strandamt steht nicht zur Beurteilung des Gerichts (RG. ibid.). — Die Zuständigkeit des Strandamts und der Gerichte kann durch internationale Vereinbarungen ausgeschlossen sein/) — Das Strand amt muß auch dann angegangen werden, iuemi nach der Vereinbarung ein Dritter die Höhe des Lohns bestimmen sollte, er die Bestimmung jedoch ablehnt (RG. 58, 224), oder wenn ein Schiedsvertrag zwischen den Parteien gemäß § 1033 ZPO. außer Kraft tritt oder der Schiedsspruch gemäß § 1041 ZPO. aufgehoben worden ist (ebenso Sieveking 177). — Anders dagegen, wenn der Vertrag auf Grund des § 747 angefochten (RG. Hbl. 1902 Nr. 106) oder das notleidende Schiff kein See-Erwerbsschiff war (RG. 38, 86) oder die Fest­ setzung des Schiffslohns nicht dem deutschen Recht unterliegt (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 92; 1906 Nr. 1; Brandts 2, 135). 3) auf Grund einer besonderen Vereinbarung durch ein Schiedsgericht, insbesondere das Anm. 5. Deutsche Seeschiedsgericht in Hamburg?) Dieses im Jahre 1913 geschaffene Schieds­ gericht beruht auf einer Vereinbarung von Jnteressentenverbänden. Zweck der Errichtung war die Schaffung einer schleunigen und sachverständigen Instanz für „Hilfsleistungs-, Bergungs- und Ansegelungsfälle in der Seeschiffahrt einschließlich Arrestverfahren u. dgl." Die Errichtungsvereinbarung nebst Schiedsgerichtsordnung lautet:

A.

Errichtungs - Vereinbarung. 8 1. Zur Entscheidung von Streitigkeiten aus Hilfsleistungs-, Bergungs- und Ansegelungsfällen41) 2 3 in der Seeschiffahrt, einschließlich Arrestverfahren und dergleichen, wird von dem Verein Ham­ burger Reeder, Verein Hamburger Assekuradeure, Verein der Reeder des Unterwesergebiets und dem Verein Bremer Seeversicherungsgesellschaften im Einverständnis mit dem Internationalen Transport-Versicherungs-Verband (c. V.) das Deutsche Seeschiedsgericht errichtet. 1) Die Parteirolle im Prozeß richtet sich formell, nicht aber auch materiell danach, wer den Be­ scheid des Strandamts angefochten hat. 2) Bgl. z. B. das Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark über Bergung von Seezeichen, von: Jahre 1904. 3) Vgl. darüber Mittelstein HansRZ. 1918, 553 ff., welcher Entstehung, Wirksamkeit und Ver­ fahrensweise des Seeschiedsgerichts behandelt. — Die bisher ergangenen Schiedssprüche sind hier verwertet. Bgl. insbesondere Anh. zu §§ 745 u. 747. 4) Ansegelung-Zusammeustoß von Schiffer!. Zusammenstöße eines Schiffes mit einem land­ festen Gegenstand (Kai, Dückdalben usw. — vgl. § 734 Borbem. 8) gehören nicht hierher.

890

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

8 744.

8 2.

Anm. 5.

Die Verwaltung des Schiedsgerichts geschieht durch einen Ausschuß von 10 Herren, von denen drei Assekuradeure, drei Reeder und drei Berger sind. Der Vorsitzende ist ein von den bezeichneten 9 Herren gewählter Unparteiischer. Der Ausschuß setzt die Schiedsgerichtsordnung fest1) und bildet die Richterlisten. §3.

Die Leitung der Geschäfte des Ausschusses geschieht durch den Vorsitzenden, der den Aus­ schuß monatlich einmal und im übrigen im Bedarfsfälle zu Sitzungen einberuft. Die notwendigen Beamten werden vorläufig von dem Verein Hamburger Assekuradeure unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

B. Schiedsgerichts-Ordnung. 8 1. Die Schiedsrichter werden in jedem Einzelfalle den Listen der Vorsitzenden und Beisitzer entnommen. Ausnahmsweise können2) auch nicht auf der Liste befindliche Beisitzer nach Eini­ gung der Parteien vor Klageerhebung3) auf Antrag vom Ausschuß bestellt werden. Das Gericht entscheidet in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Der Ausschuß kann bei umfangreichen Streitfällen die Besetzung des Gerichts mit einem Vorsitzenden und vier Beisitzern vornehmen.4) Vor Erhebung der Klage können sich die Parteien über die Richter einigen oder Wünsche aussprechen, welche Berufszweige sie vertreten sehen möchten. Findet keine Einigung statt, so bestimmt der Ausschuß die Richter. Fällt im Laufe des Verfahrens der Vorsitzende oder irgendein Beisitzer weg, so bestimmt der Ausschuß den Ersatzmann.6) § 2.

Die Erhebung einer Klage erfolgt durch Einreichung bei dem Schiedsgericht. Mit der Klage ist die Vereinbarung des Schiedsgerichts durch die Parteien vorzulegen.6) In Hilfs- und Bergelohnsfällen können die Parteien um Festsetzung der Löhne durch das Schiedsgericht bitten, ohne sie selbst ziffernmäßig zu bewerten.7) Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erfolgt unter Leitung des jeweiligen Vor­ sitzenden schriftlich und soll auf zweimalige Äußerung jeder Partei beschränkt bleiben. Der Vorsitzende bestimmt die Fristen zur Rückäußerung8) und wirkt auf möglichst schleunige Er­ ledigung des Verfahrens hin. Er kann ihm notwendig erscheinende Aufklärungen einfordern und beschaffen.9) 1) Er ist dementsprechend auch zur Abänderung der Schiedsgerichtsordnung befugt. Dagegen wird ihm nicht das Recht zuzubilligen sein, Abweichungen für einen bestimmten, zur Entscheidung stehenden Fall anzuordnen. Denn über die konkrete Anwendung der Schiedsgerichtsordnung befindet lediglich das nach § 1 gebildete Schiedsgericht. 2) Einen Anspruch hierauf haben die Parteien allerdings nicht. War die Mitwirkung dieses Beisitzers bereits in dem Schiedsvertrage vorgesehen und lehnt das Gericht seine Berufung ab, so tritt nach § 1033 Nr. 1 ZPO. der Schiedsvertrag außer Kraft. 3) Vgl. § 2 Abs. 1. 4) Vgl. z. B. den Fall „Mera" Hbl. 1917 Nr. 58. 5) Damit ist § 1031 ZPO. unanwendbar. 6) Daraus ergibt sich, daß sie schriftlich geschlossen fein muß. War der zur Entscheidung zu stellende Hilfslohnvertrag auf hoher See von den Schiffern mündlich unter Vereinbarung des Schieds­ gerichts geschlossen, so wird man jedem der beteiligten Reeder einen Anspruch auf nachträgliche schrift­ liche Mederlegung der Schiedsgerichtsabrede zubilligen müssen. 7) Im Gegensatz zu dem gerichtlichen Verfahren, wo ein ziffermäßig bestimmter Klagantrag zu stellen ist. 8) Diese Fristen haben keine präkludierende Wirkung. 9) Offizialverfahren zwecks Vorbereitung der Verhandlung. Den Parteien dürfte ein An­ spruch auf Benachrichtigung zustehen.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

891

Alle Anträge sind in schriftlicher Form zu stellen. Alle Schriftstücke sind an das Deutsche § 744. Seeschiedsgericht mindestens in vierfacher Ausfertigung zu richten und in der Form gerichtlicher Anm. ö. Schriftsätze zu halten. Vertretung durch Bevollmächtigte (Rechtsanwälte, Sachverständige) ist zulässig.1). Nicht im Inlande wohnende Parteien müssen einen in Hamburg wohnenden Vertreter haben. Falls die Parteien nicht durch einen gesetzlichen Vertreter vor dem Schiedsgericht verhandeln, haben sie sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen.2) 8 8. Mündliche Verhandlung, und zwar tunlichst innerhalb zweier Monate nach Klageerhebung, findet statt, wenn nicht die Parteien darauf verzichten.3) Jede Partei hat das Recht, zur Ver­ handlung Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher zu bringen.4)* Der Vorsitzende kann un­ abhängig davon Sachverständige berufen6) und hat dann den Parteien Mitteilung zu machen. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und vernimmt die Zeugen und Sachverständigen. Der Vorsitzende stellt die Personalien der Zeugen und Sachverständigen fest und weist sie vor Beginn der Vernehmung darauf hin, daß sie ihre Aussagen evtl, zu beeidigen haben.6) Die Zeugen werden in Abwesenheit der später zu vernehmenden Zeugen vernommen.7)

8 4. Alle Entscheidungen des Gerichts sind schriftlich auszufertigen und den Parteien bekannt­ zugeben.8) Nur Urteile9) müssen mit Gründen versehen werden. Für ein erkranktes, verhindertes oder ausgeschiedenes Mitglied des Gerichts, das an der Spruchsitzung teilgenommen hat, kann der Vorsitzende die Entscheidung unterzeichnen. Bei deren Ausfertigung und Zustellung sind die Vorschriften der deutschen Zivilprozeß­ ordnung innezuhalten.10) 8 5. Zum Zwecke einer Zeugenvernehmung, die sich nicht mit der mündlichen Verhandlung vereinigen läßt, kann der Vorsitzende innerhalb kurzer Frist unter Benachrichtigung der Parteien Termin ansetzen, jedoch in einer Sache im allgemeinen nicht häufiger als je einmal auf Antrag einer Partei. Die Beisitzer sind dazu zu laden, doch ist ihre Anwesenheit nicht erforderlich.11) Diese Bestimmung bezieht sich lediglich auf die Tätigkeit außerhalb der Verhandlung. Für die Verhandlung gilt der einschränkende Abs. 6. 2) Die Bevollmächtigung anderer Personen zur Verhandlung ist nicht statthaft. 3) Der Verzicht ist gegenüber dem Gericht zu erklären. Jedoch ist der bereits im Schiedsvertrage enthaltene Verzicht für die Parteien bindend. 4) Das Recht, die Ladung von Zeugen oder Sachverständigen zu beantragen, wird hierdurch nicht berührt. 6) Die Auswahl der Sachverständigen liegt also nicht dem Gericht ob, sondern dem Vorsitzenden. Wird jedoch in der Verhandlung die Vernehmung eines Sachverständigen beschlossen, so wird das Gericht mit Stimmenmehrheit zu entscheiden haben. Vgl. § 9 SchiedsgerO.; § 198 GBG. 6) Gemäß § 1036 ZPO. vor dem ersuchten Gericht. Dem Schiedsgericht steht die Beeidigung von Zeugen oder Sachverständigen nicht zu. 7) Entsprechend § 394 ZPO. 8) Für Urteile ist § 311 ZPO. anwendbar, wonach die Vorlesung der Urteilsformel genügt, so daß die schriftliche Ausfertigung der Bekanntgabe Nachfolgen kann. In der Verhandlung verkündete Entscheidungen (Beschlüsse) brauchen nicht schriftlich festgelegt zu werden, ebenso nicht die in § 311 ZPO. angeführten nicht kontradiktorischen Urteile, welche jedoch kaum vorkommen werden. 9) Mit Stimmenmehrheit zu erlassen (vgl. § 1038 ZPO.). Vorabentscheidung über den Grund ist zulässig, sofern Parteien dies gemeinsam beantragen (SeeschG. vom 30. April 1919: Fall „Anneliese" — „Eva"). 10) §§ 166—207, 315—317 ZPO.; die ergangenen Schiedssprüche sind nach § 1039 ZPO. zu behandeln. n) Daraus ergibt sich, daß auch außerhalb der Verhandlung der Vorsitzende (vgl. § 3 Abs. 2) die geladenen Personen zu vernehmen hat. Doch dürfte er analog § 375 ZPO. die Vernehmung auch einem anderen Mitgliede des Gerichts übertragen können.

892

§ 744. Anm. 5.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 6. Der Vorsitzende hat auf die übereinstimmenden Wünsche der Parteien hinsichtlich der Handhabung des Verfahrens möglichst Rücksicht zu nehmen.1) Der Verkehr des Schiedsgerichts und des Vorsitzenden mit den Parteien außerhalb der Termine wird lediglich durch das Bureau des Schiedsgerichts vermittelt. Dieses erledigt auch die Einziehung und Verrechnung der Kosten. § 7.

Das Schiedsgericht setzt den Streitgegenstand2) sowie die Höhe der Kosten des Schieds­ verfahrens fest. Als Richtschnur für diese letzteren soll der folgende Vorschlag3) dienen. Es werden erhoben bei einem Streitgegenstand bis zu 1 000 M 50 M. „ ,, 2 000 weitere 50 „ ,, ,, 20 000 ., für weitere angefangene je 2000 M. 75 ,, ., „ 50 000 „ „ „ „ „ 2000 „ 50 „ darüber hinaus ,, ,, 2000 25 Für das Honorar der Schiedsrichter4) wird eine Mindestgebühr von 150 M. bestimmt. Das Schiedsgericht entscheidet auch über die Verteilung der Kosten und Auslagen des Ver­ fahrens einschließlich der entstandenen Bürgschafts-, Arrest- und Versicherungskosten. Jede Partei trägt jedoch ihre eigenen Anwaltskosten.6) Unbeschadet der Rücksichtnahme darauf, daß die Berechnung von Hilfslohnansprüchen für den Kläger schwer genau angemessen zu treffen ist,0) sind bei der Kosten Verteilung die Grund­ sätze der deutschen Zivilprozeßordnung im Auge zu behalten. Für den Fall, daß außerhalb der Verhandlungstermine Termine zur Zeugenvernehmung stattfinden, wird dafür für jeden Termin eine weitere Gebühr nach der Berechnung des Abs. 1 § 7 erhoben, die von den Antragstellern7) zu tragen ist. Die Verwaltung des Schiedsgerichts hat das Recht, diese Gebühr zu ermäßigen. Das Schiedsgericht kann von den Parteien Vorschüsse und Sicherheitsleistungen einziehen. Es hat ferner das Recht, die Kosten des Verfahrens von irgendeiner der Parteien einzuziehen und dieser die etwaige Rückerlangung von anderen Beteiligten zu überlassen.8) Die Erteilung und Zustellung des Schiedsspruches kann erst nach Bezahlung der Kosten geschehen. § 8.

Die Entscheidungen des Schiedsgerichts sind unanfechtbar.9) Gegen Entscheidungen des Vorsitzenden ist innerhalb 24 Stunden10) nach der Zustellung die Beschwerde an das Schieds­ gericht gestattet, welche an das Deutsche Seeschiedsgericht einzureichen ist. 9 D. h. soweit es mit dem Zweck und den der autoritativen Natur des Schiedsgerichts ver­ einbar ist. In Zweifelsfällen entscheidet hierüber das Gericht. 2) Analoge Anwendung der §§ 3 ff. ZPO. ist nach § 9 der SchiedsgerO. geboten. 3) Eine anderweite Festsetzung der Kosten im Einzelfalle ist hiernach zulässig. 4) D. h. jedes einzelnen Schiedsrichters. 5) Die Bestimmung dürfte analog auch für die sonstigen außergerichtlichen Kosten der Parteien gelten. Die Anwendbarkeit der §§ 91 ff. ZPO. entfällt damit, soweit sie sich auf die Kostenerstattung der Parteien beziehen. Die Vorschrift gilt auch für den Nebenintervenienten (Seesch G. vom 1. Dez. 1919: Fall „Cette"). 6) Damit ist eine besonders weitherzige Anwendung des § 92 ZPO. angeregt. Vgl. dazu § 744 Anm. 13 u. 14. 7) Vgl. § 5 SchiedsgerO. 8) Von dieser Befugnis ist bereits vielfach Gebrauch gemacht worden. Vgl. Fall „Mera" (Hbl. 1917 Nr. 58); Fall „Herta" Urt. vom 21. Okt. 1918; Fall „Mars" Urt. vom 30. Nov. 1917; Fall „Clydevalley" Urt. vom 4. Okt. 1917; Fall „Anneliese" — „Eva" Urt. vom 30. April 1919 u. a. 9) D. h. ein Rechtsmittel findet nicht statt (vgl. § 1040 ZPO.). Jedoch kann die Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1041 ZPO- beantragt werden. 10) Vgl. § 222 ZPO.; §§ 186 ff. BGB. Insbesondere dürfte § 193 BGB. analog anwendbar sein (Ablauf der Frist an einem Sonn- oder Feiertag).

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

893

§ 9.

§ 744.

In Ergänzung dieser Bestimmungen gelten die Vorschriften der deutschen Zivilprozeß- tont. 5. Ordnung.1) Für alle im Zusammenhang mit dem schiedsgerichtlichen Verfahren stehenden gerichtlichen Handlungen2) ist das Landgericht Hamburg, Kammer für Handelssachen, zuständig.

Beschluß vom 24. März 1914: (Kopie eines Rundschreibens vom 31. März 1914 an die Herren Vorsitzenden.) Anläßlich eines vor dem Schiedsgericht schwebenden Falles ist die Höhe der Kosten bei mehrfachen Beweisterminen zur Sprache gekommen. Der Verwaltungsausschuß erlaubt sich die Anregung, daß vor der Ansetzung des Termins zur Verhandlung mit den Parteien Fühlung genommen wird, um möglichst zu erreichen, daß eine gewünschte Zeugenvernehmung gleich in diesem Termin stattfindet. Vor dem englischen Admiralty Court z. B. werden die Beweis­ mittel auch sofort für die erste Verhandlung bereit gehalten. Die Beamten des Schiedsgerichts werden in Voraussetzung Ihres Einverständnisses diesen Punkt im Auge behalten. Bei dieser Gelegenheit erlauben wir uns ferner die Mitteilung, daß die Kosten, welche durch die Protokollaufnahme und die Vervielfältigung des Urteils entstehen, als bare Auslagen im Sinne des § 7 der Schiedsgerichtsordnung zu betrachten sind, welche abgesehen von den Kosten zur Erhebung kommen. Es wird deshalb die Bitte ausgesprochen, daß Sie sich vor Festsetzung der Gerichtskosten mit der Verwaltung des Gerichts freundlichst in Verbindung setzen, damit der nötige Betrag in das Urteil mit hinein genommen werden kann.

Beschluß vom 23. April 1914: Den Parteien wird zur Pflicht gemacht, keine direkte Korrespondenz mit den Schieds­ richtern zu führen.3)4 c)

Materiell erfolgt die Festsetzung Anm. 6. oc) unter Berücksichtigung der*) Umstände des Falles nach billigem Ermessen. In Betracht zu ziehen sind also nicht nur, wie im Falle des § 747, die Umstände zur Zeit des Bertragsschlusses, sondern auch, und zwar in erster Reihe, der objektive Verlauf der Rettung unter Berücksichtigung der in § 745 hervorgehobenen Momente (RG. 13, 185; 51, 240). Bei Bemessung der Höhe des Lohns sind deutsche Anschauungen über die Ange­ messenheil maßgebend, wenn die Bergung durch Deutsche und in deutschen Gewässern erfolgte (HansOLG. Hbl. 1919 Nr. 62). Ganz besonderes Gewicht legen die Gerichte auf die Heranziehung anderer Ur-Anm. 7. teile in Hilfs- und Bergelohnprozessen, um durch Vergleichung mit ähnlich liegen­ den Fällen eine Handhabe für die Bewertung der Dienste zu gewinnens (RG. Hbl. 1891 Nr. 151; HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 54 u. 110; 1912 Nr. 41; 1913 Nr. 49; SeeschG. Hbl. 1913 Nr. 72). Doch ist diese Vergleichung nicht allein maßgebend (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 146) und ist unter Umständen auch nicht angebracht (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 140). Die Vergütung ist in liberaler Weise zu bemessen, damit der Anreiz zur BergungAnm. 8. und Hilfsleistung für die Zukunft bestehen bleibt (Prot. 2820, 2821; OAG. Jübeck bei Kierulff 2, 518; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 1; HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 14; 1897 Nr. 66; 1901 Nr. 86; 1906 Nr. 90; 1907 Nr. 67; 1913 Nr. 83).

1) Die Anwendbarkeit ist für jede einzelne Borschrift besonders zu prüfen. Die §§ 1025Jf. ZPO. werden vielfach Direktiven hierfür geben, über die Zulässigkeit und Form der Nebenintervention vgl. SeeschG. vom 1. Dez. 1919 (Fall „Cette"). 2) Vgl. §§ 1036, 1041, 1042 ff., 1045—1047 ZPO. 3) Ein schriftlicher Verkehr durch Vermittlung des Schiedsgerichts ist hiernach nicht ausgeschlossen. Wieweit über diesen die andere Partei zu unterrichten ist, entscheidet der Vorsitzende. 4) Der frühere § 742 sagte: „aller Umstände". Ein sachlicher Unterschied liegt darin nicht. 6) Vgl. die Anhänge zu den §§ 745 u. 747, welche einen großen Teil der Hanseatischen Judi­ katur umfassen.

894 § 744. Anm. 9.

Anm. 10.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot. Die Höhe des Hilfslohns ist vom Gericht, nicht von dem Sachverständigen

festzusetzen. Dieser hat sich nur über die technischen Fragen zu äußern (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 41; 1907 Nr. 47). Eine unter Beachtung der gesetzlichen Regeln erfolgte Festletzung des Lohns ist mit der Revision nicht angreifbar (RG. Hbl. 1905 Nr. 42). ß) Der frühere § 743 Abs. 1 bestimmte:

„Der Berge- oder Hilfslohn umfaßt zugleich die Vergütung für die Aufwendungen, welche zum Zwecke des Bergens und Rettens geschehen.“ Eine derartige Bestimmung besteht heute nicht. Trotzdem wird man den Satz gelten lassen müssen. Er ergibt sich daraus, daß der Hilfslohn die Vergütung nicht für Dienste, sondern für ein Werk darstellt (Anm. 41 zu § 740). Demnach ist es Auslegungsfrage, ob die Vergütung auch die Aufwendungen des Unternehmers abgelten soll (vgl. Staudinger § 632 Anm. 2). Nun sind die Aufwendungen jedoch gemäß § 745 ein Faktor, der bei Be­ messung des Lohns zu berücksichtigen ist. Damit entfällt im Zweifel das Recht auf besondere Erstattung.*) Diese Regelung ist zweckmäßig, weil eine genaue Fest­ stellung der Aufwendungen im Prozeßwege vielfach unmöglich ist (z. B. Abnutzung von Trossen, Maschinen, allgemeine Verwaltungskosten usw.). Da § 287 ZPO. in dem Ver­ fahren über Hilfslöhne nicht anwendbar ist, so wäre der Richter zu einer überaus kleinlichen Nachprüfung der einzelnen Ansätze verpflichtet, die das Verfahren verzögern, das End­ resultat aber wenig- beeinflussen würde.

Anm. 11. d) Streitig ist, ob und wieweit der Zahlungspflichtige Zinsen zu zahlen hat. «) Verzugszinsen? Abweichend von dem Falle des § 747 (Anm. 56 zu § 747) ist die Ver­

Anm. 12.

pflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen prinzipiell zu verneinen (ebenso Brandis 2,136). Der Schuldner, der sich noch nicht klar ist, wieviel er zu zahlen hat, sondern richterliche Fest­ setzung des schuldigen Betrages verlangen kann, befindet sich auch dann noch nicht in Verzug, wenn er den Bescheid der Strandbehörde zugestellt erhalten hat (anders LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 133) ; denn dieser Bescheid verliert seine Kraft bei rechtzeitiger Klagerhebung (StrandO. § 29 Abs. 3), er kann also einen Verzug erst nach Rechtskraft be­ gründen (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 11,37,55; 1910 Nr. 75; 1911 Nr. 125; Burchard 275 ff.). Kein Verzug liegt vor, solange die Parteien über die Höhe des (nicht vereinbarten) Hilfs­ lohns verhandeln (SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"; vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing") oder die Lohnfestsetzung einem Schiedsgericht überlassen haben (SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"). Der Verzug beginnt erst in dem Moment, in welchem der Bescheid des Strandamts nicht mehr angefochten werden kann (anders HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 17; LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 54, wo für den nicht be­ strittenen Teil des Hilfslohns Zinsen vom Tage der Zustellung des Strandamtsbescheids zugebilligt werden). Über die Anforderungen, welche an die Substanziierung eines Ver­ zugsschadens über den Zinssatz von 4% hinaus zu stellen sind, vgl. HansOLG. HansRZ. 1920, 152. ß) Prozetzzinsen vom Tage der Erhebung der Klage?) bzw. Widerklage sind nach BGB. § 291 ohne Rücksicht auf das Vorliegen oder Fehlen eines Verzugs stets zuzubilligen (LG. Ham­ burg und HansOLG. Hbl. 1890 Nr. 14; HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 18; 1899 Nr. 11, 17, 37, 55; 1901 Nr. 15; 1904 Nr. 79; 1907 Nr. 67; 1909 Nr. 140; 1910 Nr. 75, 111; anders Brandis 2, 136 und ROHG. 9 Nr. 113 a. E., nach welchem eine Vergütung von Prozeß*) Ist eine solche jedoch vereinbart (ohne daß ein fester Hilfslohn daneben festgesetzt ist), so wird das Gericht bei Festsetzung des Lohns (§ 745) die Aufwendungen natürlich nicht berücksichtigen dürfen. 2) Das Seeschiedsgericht hat im Falle „Pass of Balmaha“ (Hbl. 1915 Nr. 125) angeordnet, daß der erkannte Hilfslohn binnen 14 Tagen nach Zustellung des Schiedsspruchs zu zahlen und im Falle der Nichtzahlung nach Ablauf der Frist 5 °/o Zinsen zu laufen beginnen. — Im Falle „Mera" (Hbl. 1917 Nr. 58) hat es Zinsen seit dem Tage der Stellung der Bankgarantie zugesprochen, indem es eine stillschweigende Vereinbarung konstruierte, daß von diesem Tage an der Kläger schadlos ge­ halten werden sollte.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

895

zinsen „bei Avers onalbeträgen der vorliegenden Art" nicht stattfindet: ebenso LG. Ham-8 744.

bürg Hbl. 1885 Nr. 34; 1890 Nr. 49; 1887 Nr. 1; auch HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 90 und Burchard 277 ff., der nur Zinsen vom Tage des Urteils I. Instanz an gewähren will), Wo ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt, sind 5% zuzubilligen (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 129; 1904 Nr. 54; 1907 Nr. 34 u. 67; 191(1 Nr. 75). Kein Handelsgeschäft liegt vor, wenn Fischdampfer die Hilfe leisten (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 125) oder Fischer­ fahrzeuge eine Bergung vornehmen (SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen").

e) Prozetzkosten. Es wird in vielen Fällen § 92 Abs. 2 ZPO.*) anwendbar sein, da der Betrag Anm. 13. der Lohnforderung von vornherein kaum so abzuschätzen ist, wie es später der Richter (ge­ wöhnlich auf Grund eines Gutachtens) tun kann. Nicht maßgebend ist der genaue Betrag des Zu- oder Aberkannten (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 137). Der Kläger soll jedenfalls dann keine Prozeßkosten tragen, wenn seine Forderung sich in den Grenzen gehalten hat, inner­ halb deren eine vernünftige Schätzung des Lohns schwanken konnte (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 22.2) Dies gilt auch im Falle der Herabsetzung eines vereinbarten Lohns (SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"). Vgl. folgende Fälle: SeeschG. vom 21. Mai 1918, Fall „Herbert Horn": ver-Anm. 14. langt 250000 M., zugebilligt 85000 M., Kosten zur Hälfte; Fall „Albatroß": verlangt 27500 M., LG. bewilligt 7000 M., Kosten: Kläger 2/3, Beklagter V3, HansOLG. bewilligt 9000 M., Kosten gegeneinander aufgehoben (Hbl. 1906 Nr. 137); Fall „Gertrud Woermditii": streitiger Betrag 40000 M., LG. Hamburg bewilligt 10000 M., Kosten: 8/5 Kläger, Vs Beklagter, HansOLG. bestätigt und hebt Kosten gegeneinander auf (Hbl. 1907 Nr. 47); SeeschG. vom 16. März 1916, Fall „Rhein": verlangt 13874 M., zugebilligt 8000 M., Kosten zur Hälfte; SeeschG- vom 4. Nov. 1916, Fall „Jupiter": verlangt 75000 M., zugebilligt 40000 M., Kosten: Va Kläger, V3 Beklagter; SeeschG. vom 19. Okt. 1916, Fall „Elisabeth": verlangt 12000 M., zugebilligt 3500 M., Kosten zur Hälfte; SeeschG. vom 24. Juli 1916, Fall „Kypros": verlangt 85000 M., vom Schuldner angeboten 40000 M., zugebilligt 60000 M., Kosten zur Hälfte; SeeschG. vom 20. Dez. 1918, Fall „Franziska": verlangt 60000 M., zugebilligt 16000 M., Kosten: Vs Kläger, Va Beklagter; SeeschG. vom 4. Okt. 1917, Fall „Clydevalley": verlangt 18000 M., zugebilligt 4000 M., Kosten: 8/< Kläger, V4 Beklagter; SeeschG. vom 21. Mai 1918, Fall „Herbert Horn": verlangt 250000 M., zugebilligt 81000 M., Kosten zur Hälfte; Hbl. 1915 Nr. 125, Fall „Pass of Balmaha“: verlangt 250000 M., zugebilligt 145000 M., Kosten: Vs Kläger, V» Beklagter; Hbl. 1917 Nr. 58, Fall „Mera": verlangt 80000 £, zugebilligt 35000 £, Kosten zur Hälfte; SeeschG.

vom 10. Juni 1919, Fall „Habsburg": verlangt 200000 M., zugebilligt 180000 M., Kosten: V10 Kläger,9/10 Beklagter; SeeschG. vom 14. März 1919, Fall „Berlin": verlangt 250000M., zugebilligt 140000 M., Kosten: Kläger V3, Beklagter V3- Eigenartig ist die Entsch. des SeeschG. vom 24. Mai 1919, Fall „Albert Killing", in der Kostenftage: Zwei Kläger verlangen zusammen 75000 M. Hilfslohn. Die Klage des einen wird (wegen mangelnder Aktivlegitimation) abgewiesen. Der fiktive (vgl. Anm. 24 Note) Gesamthilfslohn wird auf 60000, der Anteil des obsiegenden Klägers auf 36000M. festgesetzt. Kostenreilung: Der abgewiesene Kläger V6; der Beklagte a/5; der obsiegende Kläger kostenftei. 2. Abs. 2 enthält Vorschriften über die Verteilung des Lohnes unter mehrere Berger oderAnm. 15.

HilsSleistende. x) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozetzkosten auferlegen, wenn die Zuvielsorderung der anderen Partei eine verhältnismäßig geringfügige war und keine besonderen Kosten veranlaßt hat, oder wenn der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittelung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Be­ rechnung abhängig war. 2) Anders anscheinend SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146 (genaue Berteilung — 2/e und 7/a — der Kosten, nachdem Kläger von den verlangten 45000 M. nur 35000 M. zugebilligt eichalten hatte) und vom 30. Sept. 1916 (Fall „Ziethen") und vom 10. Juni 1919 (Fall „Habsburg"). Vgl. Anm. 14.

896

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 744. a) Gegenüber dem früheren § 748 Abs. 1 weist er mehrere Abweichungen auf:

Anm. 16.

oc) Statt „Personen" heißt es jetzt „Beteiligte". Dadurch wird dem Umstande Rechnung getragen, daß die Verteilung gewöhnlich nicht unter Personen, sondern unter die tätig ge­ wordenen Schiffe erfolgt (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1879 Nr. 7; LG. Hamburg und Hans­ OLG. Hbl. 1895 Nr. 47; LG. Hamburg Hbl. 1900 Nr. 9 und vielfach), zuweilen auch unter Personen und Schiffe, z. B. bei Beteiligung eines Schiffes und mehrerer Strandbewohner an demselben Rettungswerk. ß) Die Worte: „unbeschadet der Vorschrift des § 749" sind neu. Uber ihre Bedeutung vgl. unten Anm. 31. Y) Die Worte: „nach Maßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der einzelnen und im Zweifel nach der Kopfzahl" sind fortgefallen. Diese Wendung ist mit Rücksicht auf § 745 Abs. 3, welcher für den Fall des § 744 Abs. 2 ausdrücklich auf die Vorschriften des § 745 Abs. 1 u. 2 verweist, überflüssig geworden.

Anm. 17. b) Abs. 2 ordnet an, in welchem Verhältnis der Lohn unter mehrere beteiligte*) Berger oder Retter zu verteilen ist.

Anm. 18.

Anm. 19.

Anm. 2V.

Anm. 21.

Anm. 22»

a) Die Art der Beteiligung kann sehr verschieden sein (Organisation — Ausführung: Burchard 282; Beispiel: LG. Hamburg Hbl. 1905 Nr. 6). Jedenfalls aber wird erfordert, daß die einzelnen Retter selbständig auftreten, d. h. nicht nur im Dienste eines Unternehmens oder einer Organisation stehen, welche als solche das Nettungswerk unternimmt. Daraus ergibt sich folgendes: Keine Mehrheit der Retter liegt dann vor, wenn eine Bergungs- oder Schlepp­ gesellschaft mehrere Schiffe zur Rettung entsendet. Denn diese alle sind nur für eine Person (die Gesellschaft) tätig, und es fehlt daher an dem Erfordernis ihrer Selbständigkeit. Das gleiche gilt, wenn mehrere Gesellschaften sich zusammentun, um auf gemeinsame Rechnung und auf Grund gemeinschaftlichen Vertrages tätig zu werden (Gelegenheitsgesellschaft!), oder wenn ein rettendes Schiff zu seiner Unterstützung bei der Hilfsleistung ein anderes Schiff engagiert (Gehilfe, nicht selbständiger Retter; HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 23). Jedoch ist üblicherweise die Vergütung so zu berechnen, als ob eine Verteilung des Lohnes statt­ fände (HansOLG. ibid.; vgl. dazu auch SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"). Über den Fall, daß mehrere Schlepper bei der Rettung mitwirkten, von denen einer zu dem notleidenden Schiff in einem Schleppverhältnis stand, vgl. § 742 Anm. 42. Mehrheit der Retter liegt dagegen vor: wenn mehrere Schiffe sich am Rettungs­ werk beteiligen, sei es ohne vertragliche Beziehung untereinander (vgl. SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58), sei es, daß sie miteinander „Kompanie" gemacht haben?) d. h. zwar nicht für gemeinsame Rechnung, aber gemeinschaftlich die Rettung unternehmen. Ein solcher Ver­ trag bezweckt den Ausschluß des Unterbietens. Er kann sittenwidrig und nichtig sein, wenn er zum Zweck der Ausbeutung des notleidenden Schiffes geschlossen wird (LG. Ham­ burg Hbl. 1912 Nr. 30). Vereinbarungen der Netter über Modalitäten der Verteilung (z. B. jedes Fischerboot soll bei Bemessung des Anteils einem Manne gleichgeachtet werden, so daß z. B. zwei Schiffer mit einem Boot drei Anteile erhalten: SeeschG. vom 16. März 1916: Fall „Rhein") sind vom Gericht zu beachten, sofern nicht ein gemeinsamer Lohnanspruch erhoben wird (vgl. Anm. 26). ß) Im einzelnen ist zn bemerken: Die mehreren Netter können mit demjenigen, dem die Ver­ fügung über die zu rettenden Gegenstände zusteht, gemeinschaftlich einen Vertrag über die

*) D. h. aktiv beteiligte, über die Verteilung auf^mehrere passiv Beteiligte — im Falle gleich­ zeitiger Rettung mehrerer Schiffs- und Ladungsgemeinschaften aus einer Seenot — s. HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 83 -- SeuffA. 61 Nr. 62. 2) Eine solche Vereinbarung bezieht sich im Zweifel nur auf die zur Zeit derselben anwesenden, nicht auch auf später hinzukommende Schiffe, selbst wenn sie derselben Reederei gehören (HansOLG. Hansa 1913, 124; bestätigt RG. Hbl. 1913 Nr. 42).

897

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

Rettung geschlossen haben (Fall I; Beispiel: Hbl. 1881 Nr. 122); jeder für sich kann mit ihm § 744. kontrahiert haben (Fall II); einer von ihnen kann auf Grund einer Vereinbarung tätig werden, der andere ohne solche eingreifen (Fall III); endlich können beide, mit (Fall IV) oder ohne Vereinbarung untereinander (Fall V), ohne Vertrag das Rettungswerk vor­ nehmen (vgl. dazu Brandts 2, 144). Für die genannten Fälle sind folgende Normen aufzustellen: oca) Jeder der Reiter kann die Vergütung fordern, die ihm speziell zugesagtAnm. 23. ist (Fälle II, III, möglicherweise I): es ist also von einer Verteilung keine Rede. Ist den mehreren Rettern eine gemeinsame Vergütung — ohne Bestimmung eines Verteilungs­ modus — zugesagt, so kann, da ein Gesamtgläubigerverhältnis (BGB. § 428) nicht vor­ liegt, jeder von ihnen nicht etwa das Ganze, sondern nur den ihm nach Maßgabe von § 744 zukommenden Teil fordern; Vereinbarungen der Netter untereinander geben dem einzelner! Retter keine größeren Rechte als das Gesetz ihm gewährt, es müßte denn sein, daß ihm die Ansprüche des oder der Mitretter ganz oder zum Teil übertragen worden sind (vgl. jedoch unten Anm. 24 a. E.). ßß) Soweit keine Vergütung zugesagt ist, sind 2 Fälle zu unterscheiden. Anm. 24. I. Die mehreren Netter machen ihre Ansprüche gemeinsam gellend. Dann ist der Gesamtlohn zu ermitteln und ^^6^1?) (vgl. OG. Hamburg Hbl. 1879, 20 Nr. 7; auch LG. Hamburg Hbl. 1905 Nr. 6; vgl. hierzu Pappenheim GoldschmidtsZ. 42, 436; SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"). Soll jedoch der Anspruch eines der beteiligten Kläger abgewiesen werden, so ist zunächst durch Ausübung des Fragerechts auf­ zuklären, ob die übrigen Kläger den Anspruch entsprechend ermäßigen oder in voller Höhe aufrechterhalten wollen (LG. Hamburg a. a. O. nimmt zu dieser Frage nicht Stellung). Im letzteren Falle ist unter Abweisung des einen Klägers der Hilfslohn der andern inner­ halb des gestellten Antrages nach den allgemeinen Vorschriften festzusetzen3) (vgl. SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing")- — Berücksichtigt das Gericht jedoch die Tätige feit dieses einen Klägers bei Festsetzung der Höhe des Lohnes überhaupt nicht, so kann es den ganzen verlangten Betrag den übrigen Klägern zusprechen, da der Beklagte hierdurch nicht geschädigt wird (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 100). Das Gericht ist zur Verteilung des Lohnes auf die mehreren Retter in diesem Ver-Anm. 25. fahren, wenn sie nicht von den Parteien verlangt toirb,3) nicht verpflichtet (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 111). — Haben einige der Retter ihre Ansprüche nicht erhoben, so ist der Ge­ samtbetrag des Lohnes nicht zu ermitteln und eine Verteilung nur hinsichtlich der am Prozeß beteiligten Retter vorzunehmen (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 86; 1911 Nr. 125; 1917 Nr. 137); nicht ausgeschlossen erscheint es, einzelne Retter als Gesamtheit zu behandeln und ihnen einen Teilbetrag zur internen Verteilung zuzusprechen, während der Rest auf die übrigen Retter im einzelnen verteilt wird (Schiedsger. Hbl. 1906 Nr. 50). Die Verteilung ist an sich ein Internum der Retter und muß, sofern sie nicht nach StrandO. 8 41 durch das Strandamt erfolgt oder man sich gütlich über sie einigt, Gegenstand eines andern Rechtsstreits (oder Zwischenstreits) fein.4) 9 Dieses Verfahren findet jedoch seine natürliche Grenze in der Ausführbarkeit. Ast z. B. das Verfahren hinsichtlich eines der Retter unterbrochen oder ausgesetzt oder werden die Ansprüche der Netter von verschiedenen Gerichten entschieden (internationale Fälle auf hoher See), so ist eine ein­ heitliche Festsetzung des Gesamthilfslohns nicht angängig (vgl. HansOLG. HansRZ. 1920, 318). 2) Zu diesem Zweck wird es gewöhnlich notwendig sein, den Gesamthilfslohn, welcher für alle Retter festzusetzen wäre, zu ermitteln und hiernach den Anteil des mit der Klage durchdringenden Retters zu bestimmen (vgl. SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"). Eine Ausnahme hiervon muß für den Fall gelten, daß die Klage des einen Retters deswegen abgewiesen wird, weil er eine Tätigkeit beim Rettungswerk überhaupt nicht entfaltet hat. 3) Vgl. hierzu SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58; Tribunal de Commerce Antwerpen Le droit maritime 1913, 496. 4) Anders, wenn die Retter einzeln geklagt haben, ihre Prozesse aber verbunden worden sind. Schnps, Seerecht.

Aufl.

57

898 § 744. Anm. 26.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung m Seenot.

Haben die mehreren Retter unter sich vereinbart, daß nach außen hin nur einer von ihnen berechtigt sein soll, und schließt dieser eine dann einen Vergleich mit dem Hilfslohnschuldner ab, so ist dieser Vergleich auch für die andern Retter verbindlich (vgl. HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 112).

Anm. 27.

II. Nur ein einzelner Retter erhebt Ansprüche: dann bedarf es keiner Ermittelung des Gesamtlohns, also auch keiner Verteilung, es wird vielmehr der dem betreffenden Retter zustehende Lohn nach Maßgabe aller Umstände (also auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er die Rettung nicht allein ausgeführt hat!), für sich allein bewertet (Hans­ OLG. Hbl. 1901 Nr. 86; 1911 Nr. 125, anders Burchard 291). Erfolgte jedoch die Rettung eines Schiffes durch ein anderes Schiff desselben Reeders in Gemeinschaft mit einem dritten Unternehmer, so ist auf die Klage des Unternehmers gegen den Schiffseigentümer der Gesamtlohn und auf Grund desselben die Anteilsquote des Unternehmers festzustellen (vgl. SeeschG.: Fall „Neptun" und § 743 Anm. 10).

Anm. 28.

y) Ein Zusammenwirken der Retter ist erforderlich, und zwar ein Zusammenwirken zu dem nach §§ 740, 741 erforderten Erfolge. Ein solches liegt im allgemeinen nicht vor, wenn sie nicht gemeinsam die Voraussetzungen des § 740 verwirklichen; z. B. die Leistungen des einen Retters sind vergeblich, und nach ihrer Beendigung geht ein neuer Retter mit Erfolg ans Werk (vgl. ROHG. 24 Nr. 99; Hamb. Schiedsspruch, Fall „Aphrodite",

Hbl. 1906 Nr. 53).

Anm. 29.

Doch gilt dies nicht in allen Fällen. Es ist denkbar, daß das gesamte Rettungs­ werk als Einheit aufzufassen ist und daß die Retter in verschiedenen Stadien tätig werden, wobei aber die verschiedenen Leistungen in untrennbarem Zusammenhang stehen (Sukzessivrettung; vgl. HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137; 1911 Nr. 125; 1907 Nr. 99; SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried"; Engl. Admiral.-G. Hansa 1914, 723: Teilung des Lohnes nach Stadien des Rettungswerks). Dies muß besonders dann gelten, wenn die nacheinander tätigen Retter derselben Reederei gehören (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 147).

Anm. 30.

Aber auch im Falle eines nicht einheitlichen Nettungswerks kann der Schaden, den der erfolglose erste Retter erlitt, bei Bemessung des Hilfslohns für den zweiten Retter berücksichtigt werden, sofern beide Retter demselben Reeder gehörten (Hamb. Schiedsspruch im Fall „Aphrodite" Hbl. 1906 Nr. 53). Dieser singuläre Fall darf jedoch nicht verall­ gemeinert, insbesondere nicht auf die Voraussetzungen des Lohnanspruchs übertragen werden.

Anm. 31. o) „Unbeschadet der Vorschrift des § 749" gilt § 744 Abs. 2. Dadurch wird klargestellt, daß die in § 749 genannten Personen (Reeder, Schiffer und übrige Besatzung) im Verhältnis zu­ einander nicht als mehrere Beteiligte geltend) Das schließt jedoch nicht aus, daß die in § 749 Abs. 2 angeordnete Berücksichtigung der sachlichen und persönlichen Leistungen auch bei der Verteilung nach § 744 Abs. 2 Platz greift. Denn für diese gilt der in Bezug genommene („das gleiche gilt") § 744 Abs. 1. Die Umstände des Falles, wozu natürlich auch die Leistungen ge­ hören, sind also maßgebend (vgl. dazu OLG. Kiel SchlHolstAnz. 1911, 135; SeeschG.: Fall „Neptun").

Anm. 32. d) Endlich gelten gemäß § 745 Abs. 3 die Vorschriften des § 745 Abs. 1 u. 2 auch für die nach § 744 Abs. 2 vorzunehmende Verteilung (vgl. § 745 Anm. 47).

3. Abs. 3 bestimmt, Anm. 33. a) datz der Berge- oder HilfSlohn in Geld festzusetzen ist, also nicht in natura (Prot. 2815), z. B. in einem Anteil an den geretteten Gegenständen. Ein ausländisches Schiff verdient den Lohn in der Währung seines Landes. Ist sein Klagantrag auf die Währung ab­ gestellt, welche im Lande des Schuldners gilt, so muß eine Valutadifferenz bei der Umrechnung T) Dies bringt z. B. das JUZ. durch Gegenüberstellung der Abs. 2 u. 3 des Art. G klar zum Ausdruck,

'VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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berücksichtigt werden (HansOLG. HansRZ. 1920, 3201); abw. Mittelstein ibid.). Auch ist es 8 744. unzulässig, die Verurteilung an Bedingungen zu knüpfen MG. 13, 140 ff.:2) Freihaltung von Ansprüchen Dritter,3)^!4 welche dem Sinne des § 744 Abs. 3 widersprechen. Dies alles bezieht sich jedoch nur auf den Urteilstenor. Denn die Urteilsgründe müssen notwendigerweise auch mit Sachwerten rechnens (anders HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 47, welches die Annahme eines Prozentsatzes in den Urteilsgründen des LG. rügt, trotzdem der Tenor auf eine Geld­ summe ging).

b) Unzulässigkeit der BergütungSsestsetzung in Wertquoten ohne übereinstimmenden Antrag Anm. 34. der Beteiligten (vgl. dazu HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 47). a) Die Vorschrift kommt dann nicht in Betracht, wenn als Vergütung ein WertbruchteilAnm. vertragsmäßig festgesetzt ist und das Gericht lediglich eine Herabsetzung gemäß § 747 vornimmt (RG. Hbl. 1891 Nr. 54; Schiedsgericht Hbl. 1908 Nr. 110). ß) Die Wertermittelung erfolgt durch die Abschätzung der geretteten Gegen-Anm. stände. Dieselbe kann sowohl von dem Vergütungsberechtigten wie von dem Zahlungs­ pflichtigen entweder gemäß § 164 NGes. über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts­ barkeit oder im Prozeßwege verlangt werden. Unrichtig ist daher die Meinung von Burchard (237), es müsse, falls ein Einverständnis über die anderweitige Wertsermittelung fehlt, zum Verkauf der Gegenstände gegriffen werden. y) Fraglich kann es erscheinen, ob als „Beteiligte" im Sinne des § 744 Abs. 3 die Teil-Anm. nehmer am Rettungswerk oder die Prozeßparteien gelten. Der Antrag, den die Vorschrift erfordert, kann sowohl im Verfahren vor dem Strandamt, als auch im Rahmen eines Rechtsstreits gestellt werden. Beteiligen sich an ihm alle Netter, so kann der An­ trag von ihrer Seite nur einheitlich gestellt werden. Wie aber, wenn nicht alle Retter die Klage auf den Berge- oder Hilfslohn erhoben haben? Oder, wenn zwischen einem der klagenden Berger und dem notleidenden Schiff ein Hilfslohnvertrag über eine bestimmte Summe abgeschlossen war und der Beklagte erklärt, daß er sich diesem Retter gegenüber auf den Vertrag berufe und nur den andern Rettern gegenüber den Antrag aus § 744 Abs. 3 stelle? Daß der Begriff „Beteiligte" in Abs. 3 nicht der gleiche ist wie in Abs. 2, ergibt sich Anm. daraus, daß im Sinne des Abs. 2 der Schuldner des Hilfslohns zweifellos nicht Beteiligter ist. Dagegen muß angenommen werden, daß der Antrag des Abs. 3 auch von dem Schuld­ ner gestellt werden muß. Dafür spricht zunächst, daß der frühere § 745 nicht von „Be­ teiligten", sondern von „Parteien" sprach und daß in dieser Richtung eine sachliche Änderung

durch den § 744 Abs. 3 nicht beabsichtigt war?) Zudem ist der Antrag „übereinstimmend" zu stellen. An sich könnte das ja wohl bedeuten, daß die mehreren Retter (Beteiligte im Sinne des § 744 Abs. 2) den Antrag nur gemeinsam stellen dürfen. Diese Auffassung würde aber dazu führen, daß § 744 Abs. 3 nur bei einer Mehrheit von Klägern (Rettern) anwendbar *) Dies gilt aber nicht für den Bürgen, der in der Währung des schuldnerischen Staats bis zu einer bestimmten Summe Garantie geleistet hat (HansOLG. a. a. O.). 2) Anders HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 99; Burchard 163. 3) Die Entscheidung betrifft einen Fall der Herabsetzung vereinbarten Hilfslohns (§ 743 a. F.) und läßt unentschieden, ob auch im Falle mangelnder Vereinbarung eine solche modifizierte Ver­ urteilung unzulässig wäre. 4) Immerhin wird eine solche — rein äußerliche — Beziehung zwischen dem Wert der ge­ retteten Gegenstände und der Höhe des Lohns besser vermieden werden. Die innerliche Beziehung ist ja bereits durch § 745 Abs. 2 hergestellt und ein Anlaß, den Wert des Geretteten als rechnungs­ mäßige Einheit zu benutzen, ist nicht ersichtlich. ß). Spricht doch die Begründung zu dem Ges. vom 7. Jan. 1913 (S. 9) davon, daß die Bestim­ mung des § 744 Abs. 3 aus dem HGB. (§ 745) übernommen sei, wobei die Begründung noch als Inhalt des § 744 Abs. 3 das Erfordernis des übereinstimmenden Antrags „der Parteien" bezeichnet, also offenbar sich des Unterschieds zwischen dem Wort „Beteiligte" und „Parteien" gar nicht bewußt wird.

35.

36.

37.

38.

900 § 744.

VIII, Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot. und daß die Einwilligung des Schuldners nicht erforderlich wäre.

Beides dürfte nicht

im Sinne des § 744 Abs. 3 liegen. Man muß hier also wohl das Wort „Beteiligte" im Sinne von „Parteien", d. h. Prozeßparteien auffassen. Die Festsetzung des Lohnes nach § 744 Abs. 3 präjudiziert natürlich nicht dem an diesem Prozeß nicht beteiligten Reiter, der seinen Anspruch in besonderem Rechtsstreit geltend macht. Ebenso ist der Hilfslohnschuldner an seinen An­ trag auf Wertquotenfestsetzung nur innerhalb des konkreten Prozesses gebunden und nicht verpflichtet, ihn auch in dem Prozeß eines anderen Retters gegen sich gelten zu lassen. Anm. 39. 4. Beispiele auS der Hanseatischen Praxis?)-) A. Bergelohn. 1. Hebung eines mit Steinkohlen beladenen, in der Gegend von Finkenwärder gesunkenen Ewers. Dauer der Arbeit: 3 Tage, 3 Nächte. Bergende Kräfte: 4 Ewer mit 12 Mann Besatzung. Ge­ rettete Werte: ca. 1000 M. Kurant. Bergelohn: 600 M. Kurant (HG. Hamburg in Nathans HambGZ. 1865, 169). 2. Aufnahme der in einem Boote anfahrenden Mannschaft eines brennenden Schiffes nebst einer Kiste Gold im Wert von 4000 £. Bergelohn: 5000 M. Banko (HG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 235).

3 Bergung eines von der Mannschaft verlassenen, auf seiner Ladung treibenden Schiffes nebst Ladung bei stürmischem Wetter auf hoher See. Wert des Geborgenen: 26600 M. Eifrige und mehr­ tägige Tätigkeit. — Bergungskosten außer dem Bergelohn: 2000 M.; Bergelohn: 8800 M. (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 78, 96: Fall „Orpheus"). 4. Galliot, bei hohem Seegang und Sturm in der Nähe von Helgoland vor den ausgebrachten Ankern treibend, manövrierunfähig und von der Mannschaft verlassen, durch einen von Kuxhaven ge­ sandten Bugsierdampfer gerettet. Gefahrvolle Übersetzung von Mannschaft auf das verlassene Schiff; 18 stündige Dauer der Rettung bei starkem Sturm. Brechen der Schlepptrosse. Zeit­ weise bloße Assistenz ohne Schleppung. Gerettete Werte: 5775 M. Bergelohn: 1925 M. (LG. Hamburg Hbl. 1893 Nr. 62: Fall „Margaretha"). 5. Tjalk bei Büsum nach schwerer Havarie von der Besatzung verlassen. Dampfer Albatros des Nordischen Bergungsvereins fand die Tjalk treibend beim Feuerschiff „Elbe I“ und brachte sie nach schwierigen Manövern und unter Verlust von 200 Faden sechszölliger Manilla-Trosse nach Kuxhaven. Wert des geborgenen Schiffes nebst Ladung: 16700 M., des Bergungsdampfers ein­ schließlich Material: 160000 M. Gefahr für beide Beteiligten. Bergungslohn: 3000 M. (SeeschG. Hansa 1914, 531 = Hbl. 1914 Nr. 91- Fall „Jonnh"). 6. Großer Kahn bei schwerem Sturm quer an der Westseite des Spüldarnmes auf dem Watt vor Büsum gestrandet, nachdem er den Schlepper infolge Trossenbruchs bei Sturm verloren hatte. Die beiden Insassen des Kahns verließen ihn über den Spüldamm und wurden von den Rettern in einem Fischerboot gerettet. Diese begaben sich dann auf den gestrandeten Kahn, schleppten den 7 Zentner schweren Anker weit ab und verankerten den Kahn, welcher in Höhe von 2 y2 Fuß vollgeschlagen war. Bei eingetretener Ebbe dann Anker und Kette über den Spüldamm zurück­ geholt und den Kahn, welcher bei Hochwasser über den Spüldamm hinweggetrieben war, vertäut. Dann mit Hilfe zweier Motorkutter in den Büsumer Hafen geschleppt. Der Erfolg der Bergung war vollständig. Anstrengungen der Retter sehr erheblich. Fahrzeuge der letzteren für den Bergungsfall nicht versichert. Zeit der Rettung der Besatzung 2 Stunden, des Kahns 30 Stunden, ferner einen Tag beim Lenzpumpen mitgewirkt. Wert des zur Rettung verwendeten Materials: 67400 M. Wert des Kahns unter Berücksichtigung der Kriegspreise: 92500 M., in beschädigtem Zustande etwa 80000 M. Bergelohn zugebilligt: 12500 M. (SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Zielen"). 7. Saugbagger infolge Eindringens von Wasser im Hafen gesunken und bis zum Deck in Schlick ein­ gegraben. Es werden durch Taucher Unterwasserarbeiten vorgenommen (Dauer 4 Tage), Hebe-

x) Zum Teil aus Abraham, Hanseatische Rechtsprechung auf dem Gebiete des Handels-, Versicherungs-, Wechsel- und Seerechts 2, 177 ff. Die in diesem Titel verwerteten Entscheidungen des Seeschiedsgerichts, welche zum Teil nicht veröffentlicht sind, hat das Seeschiedsgericht dem Bearbeiter der 2. Aufl. freundlichst zur Verfügung gestellt. a) Entscheidungen ausländischer Gerichte über Berge- und Hilfslöhne vgl. Hansa z. B. 1908 S. 361, 507; 1909, 445; 1910, 428; 1911 S. 568, 588; 1913, 453; 1914, 723 u. v. a.; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 1: Fall „Mneme" nach holländischem Recht.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

901

arbeiten mit 4 Bergungsleichtern ausgeführt, Ketten und Trossen unter dem Bagger durchgezogen. § Teilweise mit Schlepperhilfe und unter Benutzung der Tiede als Hubkraft erfolgte die Hebung in etwa 3 Wochen. Dann Abdichtungsarbeiten an Deck und Auspumpen (Dauer 3 Tage). Herbei­ ziehen einer großen Anzahl von Schleppern, welche jedoch abwechselnd und nur kürzere Zeit tätig waren. Keine Gefahr für die Retter. Gefahr des weiteren Berschlickens für den Bagger; jedoch kein Totalverlust zu befürchten. Durchschnittliche Anzahl der tätigen Personen etwa 36. Voller Erfolg. Bagger ohne Beschädigung des Schiffsrumpfs gehoben. Großes Risiko des Unternehmers, da das Unternehmen unter Umständen nach wochenlanger Arbeit hätte erfolglos bleiben können. Materialschaden des Retters hoch, ebenso Betriebskosten (Kriegszeit). Wert des Baggers: 500 bis 600000 M. Bergelohn: 140000 M. (SeeschG. vom 14. März 1919: Fall „Berlin"). 8. Wasserboot des Marinefiskus auf der Reede von Warnemünde in 9 m Tiefe gesunken. Gemein­ schaftliche Bergung durch den Marinefiskus und Unternehmer. Unternehmer stellte Dampfer mit starker Pumpe und besonders geübtem Taucher. Marinefiskus stellte 2 Hebefahrzeuge mit Material und je 2 Mann Besatzung, ferner Schlepper mit kleiner Pumpe, ein ungeübtes Arbeits­ kommando von mindestens 22 Mann, dazu einen Taucher. Hauptarbeit durch Dampfer des Unternehmers geleistet. Hauptleitung des Rettungswerks durch Vertreter des Unternehmers. Rach mißglücktem Hebeversuch wurden Hebeprähme neben dem gesunkenen Wasserboot versenkt, unter dem Wasserboot durch Trossen und Gurten verbunden und dann ausgepumpt. Nach ge­ lungener Hebung wurde das Wasserboot in den Gurten in den Hafen geschleppt, nachdem infolge der Fahrwasserverhältnisse die Hebeprähme noch zweimal versenkt waren und Leerpumpen der­ selben erforderlich geworden war. Dampfer des Unternehmers speziell Bergungsdampfer. Risiko des Unternehmers, welcher die Haftung für jeden Schaden und Verschlechterung der Lage des Wasserboots beim Rettungswerk sowie für Verschulden seiner Angestellten übernommen hatte. Weiteres Risiko durch Einräumung eines bedingungslosen Rücktrittsrechts an den Marinefiskus. Geretteter Wert: 45000 M. Bergelohn: 25000 M.; davon 15000 M. dem Unternehmer, 100O0M. dem Marinefiskus (SeeschG.-. Fall „Neptun").

B. HttfslohN. 1. Ableichterung und Abbringung eines vor der Elbmündung auf Grund geratenen Schiffes durch 7 Fahrzeuge mit ca. 40 Mann. Hilfsleistung ohne wesentliche Gefahr. Gerettete Werte: ca. 300000 M. Kurant. Hilfslohn: 3000 M. Kurant (HG. Hamburg Ullrich Nr. 44: Fall „Archimedes"). 2. Aufgrundgeraten eines Segelschiffs im Triebsand bei Neuwerk. Lage gegen den Strom. — Hilfsleistung bei guten: Wetter und ohne besondere Gefahr; Leichterung und Abschleppung nach Kuxhaven in etwa 24 Stunden. — Wert von Schiff und Ladung ca. 300000 M. Banko. Hilfs­ lohn: 4000 M. Banko (OAG. Lübeck Hamb. (Sammt 2 Nr. 111: Fall „George Canning"). 3. Schiff, an der Westküste Holsteins unweit Büsum auf dem Buschsand festgeraten. Hilfsleistung durch 5 Ewer mit ca. 40 Mann, welche das Schiff durch Leichterung flott machten. Ca. 30stündige Führung eines lecken Schiffes und Afsistierung bei den Pumpen. Wert von Schiff und Ladung: 53000 M. Kurant. Hilfslohn: 500 M. Banko (HG. Hamburg bei Ullrich Nr. 167: Fall „Leonor"). 4. Dampfer, bei stürmischem Wetter wegen Kohlenmangels bei Neuwerk vor Anker liegend; erheb­ liche Kollisionsgefahr für das hilfeleistende Schiff. Dauer der Hilfsleistung: 1 Nacht. Aufwen­ dungen: ca. 400 M. Banko. Wert von Schiff und Ladung: ca. 240000 M. Kurant. Hilfslohn.2000 M. Banko (HG. und OG. Hamburg bei Ullrich Nr. 293; Fall „Lütcken"). 5. Abschleppung eines bei stürmischem Wetter nahe Neuwerk in gefährlicher Lage (Verlust des Brat­ spills und Unfähigkeit, noch viel länger See zu halten) vor Anker liegenden dreimastigen Luggers. — Schwere Kollisionsgefahr. — Dauer der Hilfsleistung: 3 Stunden. Verlust einer Trosse. Hilfs­ lohn: 1000 M. Banko (HG. Hamburg bei Ullrich Nr. 317: Fall „l'Espoir"). 6. Hebung und Abschleppung eines nach erfolgtem Zusammenstöße auf der Elbe gesunkenen Dampfers. Wert des beschädigten Schiffes: 57000 M. Banko. Dauer der Hilfsleistung: 3 % Tage. Be­ trächtliche Auslagen. Hilfslohn: 6500 M. Kurant (OAG. Lübeck bei Kierulff 2 Nr. 60: Fall „Otter"). 7. Manövrierunfähigkeit oder doch stark geminderte Manövrierfähigkeit eines großen Seedampfers infolge Bruchs des großen Schafts (Beschränkung auf Segel und Steuer). — Ort des Unfalls: 10 Seemeilen nördlich der friesischen Inseln. Borankergehen auf offener See. — Ungünstige Jahreszeit; Schwierigkeit, rechtzeitig Hilfe zu erlangen. — Gefährliche Hilfsleistung wegen Kol­ lisionsgefahr bei schlechtem Wetter. Tatsächlicher Eintritt solcher Kollision. — Abschleppung nach

744.

Anm. 40.

902

§ 744. Anm. 40.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

der Elbe. Wert von Schiff und Ladung: 27000 £. Hilfslohn: 15000 M. Banko (OAG. Lübeck bei Kierulff 3 Nr. 88: Fall „Vienna"). 8. Segelschiff mit wracker Takelage bei Sturm nahe der Elbmündung. — Keine besondere Gefahr des Hilfeleistenden. — Hilfsleistung von 9 Mann während 9 Stunden. — Schwierige Annäherung und Schleppung. — Wert von Schiff und Ladung: 47000 M. Kurant. Hilfslohn: 1200 Preuß. Taler (AG. Ritzebüttel Hbl. 1869 Nr. 54: Fall „Oernen"). 9. Gefahr für einen des Fahrwassers unkundigen, soeben wieder flott gewordenen Dampfer, auf eine andere Sandbank zu geraten. Stürmisches Wetter. Geringe Gefahr des Hilfeleistenden. Bugsierung auf die in unmittelbarer Nähe befindliche Reede von Amrum und weiter nach der Elb­ mündung. Wert des Schiffes: 50000 £. Hilfslohn: 6000 9JL Kurant (HG. und OG. Hamburg

Hbl. 1869 Nr. 155, 166: Fall „Paraguay"). 10. Hilfsleistung, einem in gefährlicher Lage befindlichen Elbkahn mit großem Eifer bei stürmischem Wetter und nicht ohne Gefahr gewährt. Dauer der Hilfsleistung: 2 Stunden. Durchmeißelung der Ankerketten und Schleppung auf den Strand. Aufwendung des hilfeleistenden Dampfers im Betrag von 120 M. Wert der Ladung: ca. 2000 M. Banko. Hilfslohn: 250 Preuß. Taler (OG. Hamburg Hbl. 1869 Nr. 345; vgl. 306). 11. Bark, vom Treibeise eingeschnitten, schwer leck, nach Verlust von Anker und Ketten von Wasser ans den Kratzsand gesetzt. Mangel anderweitiger Assistenz. Hilfsleistung ohne besondere Gefahr, jedoch von mehrtägiger Dauer unter starkem Kohlenverbrauch und eigener Beschädigung. Großer Eifer der Hilfeleistenden. Petroleumladung von 4000 Barrels. Hilfslohn: 5500 M. Banko (HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 228: Fall „R. H. Purinton"). 12. Abbringung eines vor der Elbe auf Sand geratenen Schiffes durch einen Bugsierdampfer. Ge­ fahrvolle Lage des bugsierten Schiffes. Eifrige, wenn zwar nicht gefährliche und besonders an­ strengende Hilfsleistung. Dauer derselben: 2 Stunden. Wert des Schiffes: 25000 M. Banko; der Ladung: 120000 M. Banko. Hilfslohn: 1500 M. Banko (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 114, 315: Fall „Superb"). 13. Große Gefahr für das zu rettende Schiff, welches mit gebrochener Schraube bei stürmischem Wetter an der Westküste Jütlands treibt, ohne Aussicht auf nahe Hilfe zu haben. — Erhebliche Kollisionsgefahr für das hilfeleistende Schiff. — Dauer der Hilfsleistung: 35 Stunden, ohne Not­ wendigkeit, deshalb den Kurs zu ändern. — Wert von Schiff und Ladung: ca. 360000 M. Hilfs­ lohn: 30000 M. (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1873 Nr. 202; 1874 Nr. 119: Fall „Germania"). 14. Große Gefahr des bei Sturm zwischen des schleswigschen Halligen in die Untiefen geratenen Schiffes. — Mehrtägige, mit großem Eifer unter hohen Anstrengungen und Lebensgefahr erfolgte Hilfsleistung. Wert des Schiffes: 250000 M. Hilfslohn: 12000 M. (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 97: Fall „Uhlenhorst"). 15. Manövrierunfähigkeit eines Dampfers infolge Bruchs des Schraubenschafts in der Nordsee. Un­ günstige Jahreszeit. — Keine erhebliche Gefahr für den Hilfeleistenden. Aufwendung einer Trosse. Dauer der Reiseunterbrechung: 24 Stunden; der Hilfsleistung: 20 Stunden. Wert des Schiffes: 244000 M.; der Ladung: 210000 M. Hilfslohn: 15000 M. (HG. und OG. Hamburg Hbl. 1877^Nr. 63: Fall „Peter der Große"). 16. Segler, schwer leck und nicht lenkbar, nordwestlich von Helgoland auf seiner Dielenladung treibend, zwar nicht in unmittelbarer Gefahr befindlich, jedoch mit Rücksicht auf den Verderb von Proviant und Trinkwasser nicht mehr von der Mannschaft haltbar. — Anbordnahme eines großen Teils der Mannschaft und Verpflegung derselben. Abgabe von Mannschaft zur Assistenz bei Jnsegelsetzung des notleidenden Schiffes. Abgabe von Wasser und Proviant. — Keine Gefahr für den Hilfeleistenden. — Dauer der Hilfsleistung für 1 Boot 6, für das andere Boot 4—5 Tage. Wert von Schiff und Ladung: 42000 M. Hilfslohn: 4000 M. (OG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 166; Fall „Dagey"). 17. Manövrierunfähiger, stark beschädigter Dampfer mit Schlagseite, fast hilflos, mitten in der Nordsee bei schwerem Wetter umhertreibend: 4tägige Schleppassistenz seitens 4 zum Fischfang ausgegangener Smacks unter fortgesetzter hoher Gefahr für Schiffe und Besatzung. Versäumnis einiger weiterer Tage durch Unterbrechung ihrer Fahrt. Schäden in Höhe von ca. 5000 M. Erhaltung (Sicherung) und Schleppung des Dampfers bis zu einem Punkte, an welchem er wirksame Hilfe fand. Wert von Schiff und Ladung: etwa 400000 M. Hilfslohn: 16000 M. (AG. Ritzebüttel und OG. Ham­ burg Hbl. 1879 Nr. 7: Fall „Fenham"). 18. Abschleppung dieses in noch derselben Notlage ohne Aussicht auf nahe Hilfe befindlichen Dampfers nach der Elbe durch einen zur Hilfsleistung nicht eingerichteten Dampfer bei stärker Dünung unter starker Kollisionsgefahr. Dauer der Hilfsleistung: 26 Stunden; weiterer Zeitverlust durch Unter-

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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brechung der Fahrt usw. ca. 34 Stunden. Wert des rettenden Schiffes: etwa 400000 M. Hilfs- H 744. lohn: 15000 M. (ROHG. 24 Nr. 99: Fall „Fenham"). Anm. 40. 19. Bugsierung eines großen eisernen, auf der Elbe verankerten Dampfers, auf welchem Feuer aus­ gebrochen und dessen Rettung nur durch Versenken möglich war, nach einer seichteren Stelle behufs Ermöglichung der Versenkung. — Dauer der geringfügigen, ohne besondere Anstrengung bewirkten Hilfsleistung: 1 Stunde. — Großer Eifer und berechtigte Annahme großer Gefahr infolge explosions­ fähiger Ladung (Pulver, Kriegsmunition). Hilfslohn: 6000 M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 117: Fall „Alnwick Castle"). 20. Strandung eines Dampfers in der Nähe von Amrum. Viertägiges Festsitzen trotz fortgesetzten Werfens von Ladung und folgeweise zu befürchtende Verschlechterung der Lage. — Einmahlung in den Sand. Aussendung des hilfeleistenden Schleppers mit verstärkter Mannschaft von Bremer­ haven. Infolge Nebels, Eisgangs, sowie der zahlreichen Untiefen gefahrvolle Fahrt nach dem Strandungsorte. — Abbringung des im eigenen Bett flott gewordenen Dampfers vom Strande, und zwar über den ihn umgebenden Sandwall nach 1 */2 Stunden und Erreichung des Tiefwassers nach weiteren 2 Stunden. Bugsierung vor die Weser in ferneren 18—19 Stunden unter Kollisions­ gefahr. Wert des Schiffes: 48000 M.; der Ladung: 1275000 M.; Hilfslohn: 45 000 M. (HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 105: Fall „Gardenia"). 21. Auf einer Barre unmittelbar am Ausgang eines Flusses in die offene See festgeratenes Schiff; keine imminente Gefahr; Möglichkeit des Flottwerdens ohne Hilfe nur im Falle weiteren See­ wurfs. — Schwierigkeit, anderweit Hilfe zu erhalten. — Hilfsleistung durch 2 große Bugsier­ boote mit je 8 Mann Besatzung. — Dauer der Hilfsleistung: 3 Stunden; der verwandten Zeit12 Stunden. — Keine eigene Gefahr, keine besonderen Anstrengungen und Aufwendungen. — Wert der geretteten Gegenstände ca. 600000 M. Hilfslohn: 8000 M. (LG. Hamburg Hbl. 1885 Nr. 34: Fall „Ganges"). 22. Festsitzen eines großen schwer beladenen Schiffes während andauernden Sturmes in der Weser. Gefahr des Sichbegebens und Leckspringens. Beschädigung der Maschine; Verstopfung von Kessel und Röhren infolge des eingepumpten Schlicks. Nach vergeblichem AbbringungSversuch abseiten eines Dritten: umfassende Rettungsmaßregeln unter Aufwendungen von 2700 M. für Leichter, Schlepper usw., zweistündige Hilfsleistung. Wert von Schiff und Ladung: 1700000 M. Hilfs­ lohn: 25000 M, (HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 114: Fall „Croma"). 23. Dampfer, bei ruhigem Wetter in der Elbmündung auf Scharnhörn-Sand mit dem Vorderteil auf Grund geraten. Abbringung durch einen großen Bugsierdampfer, welcher nach vergeblichen: Versuche, das aufgelaufene Schiff loszureißen, dessen Borderende weiter herumdreht und so dem­ selben ermöglicht, mit dem Flutstrom durch eigene Kraft abzukommen. Dauer der ungefährlichen Hilfsleistung wenige Stunden; gerettete Werte: Schiff 400000 M.; Ladung 60000 M. Hilfslohn: 2000 M. (HansOLG. Hbl. 1887 Nr. 1: Fall „Grasbrook"). 24. Abbringung eines infolge Kollision leck gewordenen und in der Nähe von Mühlenberg (Elbe) auf Strand gesetzten Segelschiffes nebst Abschleppung nach Hamburg durch 3 Schlepper. Dreitägige Hilfsleistung, verbunden mit Taucherarbeiten zur Ausbesserung des Lecks und Leichterung; ferner 14tägige Assistenz durch 2 Pumpendampfer. Nicht als Hilfslohn, sondern als reichlich bemessener Schlepplohn: 13000 + 5000 M. zugebilligt (LG. Hamburg Hbl. 1888 Nr. 96: Fall „Pluto"). 25. Ankerndes Barkschiff, in der Nähe von Glückstadt durch mächtige Eismassen ins Treiben gebracht, auf eine Bank gedrängt, auf die Seite gelegt und immer höher auf den Grund hinaufgeschoben. Hilfsleistung durch Eisbrechen, Abbringung und Bugsierung nach Hamburg durch zwei berufsmäßig hilfeleistende Schlepper. Gefährliche, wenn auch kurze Arbeit. Hoher Wert der geretteten Gegenstände (Salpeterladung). Hilfslohn: 14000 M. (HansOLG. Hbl. 1889 Nr. 5: Fall „Otilde"). 26. Hilfsleistung, einer infolge Zusammenstoßes leck gewordenen und in diesem Zustande nach Ham­ burg bugsierten Bark durch Pump- und Taucherarbeiten daselbst gewährt. Rettung der Salpeter­ ladung durch Beseitigung des Wassers und Verstopfung des Lecks. Beginn der Arbeit 4 Uhr nachts; Beendigung nachmittags. Ferner Assistenz unter Dampf während 4 Tage für den Fall erneuten Eindringens des Wassers. Hilfslohn: 3000 J(> (LG. Hanrburg Hbl. 1889 Nr. 35: Fall „Carl"). 27. Dampfer, mit gebrochenem Schraubenschaft und dadurch in seiner Manövrierfähigkeit stark be­ schränkt, bei hohem Seegang und Sturm im Oktober auf der Nordsee angetroffen. Das hilfe­ leistende Schiff, auf der Fahrt vom Mittelmeer nach Hamburg begriffen, ist eine Nacht neben den: hilfesuchenden geblieben, hat am nächsten Morgen durch ein ausgesandtes Boot die Trosse befestigt und dann in 33 Stunden das notleidende Schiff nach Hamburg geschleppt. Hiervon sind 27 Stunden auf die Fahrt bis Kuxhaven zu rechnen, worunter 18 im Sturm. Gefahr für beide Schiffe und für die ausgesandte Bootsmannschaft. Wert des hilfeleistenden Schiffes nebst Ladung: ca.

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§ 744.

Anm. 40.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

1000000 M. Gerettete Werte-, mindestens 232000 M. Hilfslohn: 25OOO M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 18: Fall „Nerissa"). 28. Post- und Passagierdampfer, infolge Schraubenbruchs manövrierunfähig und leck, ungefähr 120 See­ meilen von der Tajomündung treibend, bei unruhiger See nachts von einem großen Seedampfer an die Trosse genommen und ohne Unfall in ca. 28 Stunden nach Lissabon geschleppt. Prompte und eifrige Hilfsleistung; Unkosten ca. 3000 M. Wert des hilfeleistenden Schiffes inkl. Ladung: Cd. 300000 M.; gerettete Werte: ca. 2850000 M. Hilfslohn: 36000 M. (HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 69: Fall „Neckar"). 29. Segler, in manövrierunfähigem Zustande bei stürmischem Wetter imtoeit der Klippen von Amrum von einem selbst schon beschädigten Fischdampfer morgens an die Trosse genommen und bis zum Abend unweit Helgoland geschleppt. Beendigung der Schleppfahrt mangels Dampfes; so­ dann Eintritt der Manövrierunfähigkeit auch auf feiten des hilfeleistenden Schiffes und Bugsierung beider Schiffe durch 2 berufsmäßig auf Hilfsleistung ausgehende Schlepper. Abschleppung des Seglers in 10 Stunden bis Kuxhaven und dann weiter unter Assistenz eines dritten Schleppers nach Hamburg; Abschleppung des Fischdampfers nach Kuxhaven bei anhaltend stiirmischem Wetter. Wert des Seglers mit Ladung: ca. 800000 M. Hilfslohn für die Rettung des Seglers: 120000 M.; hiervon 67000 M. dem Fischdampfer und 53000 M- den Bugsierdampfern zugesprochen; Hilfslohn vom Fischdampfer an die Bugsierdampfer zu zahlen: 7000 M. (LG. Hamburg und Hans OLG. Hbl. 1895 Nr. 47: Fall „Fohle" und „Aug. Bröhan"). 30. Dampfer, auf der Reede von Kuxhaven von einem anderen Dampfer angerannt und der Steuer­ fähigkeit beraubt. Bugsierung durch 2 Schlepper bis Glückstadt und von dort ab durch 3 Schlepper bis Hamburg. Verzögerung der Fahrt durch mehrmaliges Aufgrundgeraten des notleidenden Schiffes. Abmachung, daß die Taxe und der Tarif gezahlt werden solle, dementsprechend Zu­ billigung eines Schlepplohnes von 4000 M. an die ersten beiden und von 600 M. an den dritten Schlepper (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1896 Nr. 9; Fall „Australia"). 31. Schoner, durch Kollision schwer beschädigt, vor dem Bug des anrennenden Schiffes treibend, in % Stunden ohne Gefahr und besondere Aufwendungen durch einen Schlepper befreit. Gerettete Werte: Schiff 600 M.; Ladung: 11500 M. Hilfslohn: 900 M. (HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 36: Fall „Hilma"). 32. Fischdampfer, im Februar auf den Nathurn-Klippen bei Helgoland auf Grund geraten und durch zehnstündige, angestrengte Hilfsleistung zweier Boote mit je 16 Mann flottgemacht. Vier­ maliges Ausbringen eines 8—10 Zentner schweren Ankers zur Nachtzeit bei bewegter See. Hilfs­ lohn: 6000 M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 43: Fall „Blankenese"). 33. Dampfer, in der Nordsee (100 Seemeilen von Helgoland) bei hohem Seegang Maschinenbruch erleidend, von einem anderen auf der Reise nach London begriffenen Dampfer nach vierstündiger, gefährlicher Arbeit ins Schlepptau genommen und in 28 Stunden bis Kuxhaven bugsiert. Zeit­ verlust des hilfeleistenden Dampfers im ganzen 71 Stunden. Unkosten ca. 1600 M. Verhält­ nismäßig nicht sehr hohe Werte. Hilfslohn: 15000 M. (HansOLG- Hbl. 1898 Nr. 90: Fall „Castor"). 34. Dampfer, im Januar auf Texel gestrandet und festsitzend, dabei mit schwerer Schlagseite und fortgesetzt heftig auf Grund stoßend, von 2 großen für Hilfsleistungen bestimmten und eingerich­ teten Schleppern in Assistenz zweier Fischerböte mit 36 Personen Hilfsmannschasten flottgemacht. Günstige Windverhältnisse, aber geringe Hoffnung auf anderweitige Hilfe. Eifrige und schleunige Aufsuchung in gefährlichem Fahrwasser; kräftige, toemt auch nur kurze Zeit dauernde Hilfsleistung. Rettende Werte: 550000 M-; gerettete Werte: ca. 1180000 M. Hilfslohn: 80000 M. (HansOLGs Hbl. 1899 Nr. 11: Fall „G. R. Booth"). 35. Segelschiff, im November im englischen Kanal durch Kollision schwer beschädigt und leck, auf der Ladung treibend und fast vollständig manövrierunfähig, von einem Schlepper bei gutem Welter int Verlaufe einer halben Stunde an die Trosse genommen und in weiteren 5—6 Stunden nach Southampton geschleppt. Unterbrechung der Rückfahrt nach Hamburg seitens des Schleppers; im übrigen keine Gefahr oder besondere Aufwendungen. Gerettete Werte: 130740 M. Hilfs­ lohn: 10000 M. (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 17: Fall „Freiburg"). 36. Vergütung für geleistete Dienste nach beendeter Hilfsleistung, bestehend in Assistenz, Pump- und Taucherarbeilen, ausgeführt durch 2 Bugsierdampfer währetld 13 bzw. 7 Tagen: 1000 M. (Hanf­ OLG. Hbl. 1899 Nr. 17: Fall „Freiburg"). 37. Dampfer, im November an der holländischen Küste bei Egmond gestrandet und festfitzend, infolge nordwestlichen Windes gefährdet, von 3 für Rettung bestimmten und eingerichteten Dampfern in Assistenz dreier großer Fischerboote mit Besatzung in der zweiten Tide abgebracht und von

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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einem der Dampfer nach der Weser geleitet (nicht bugsiert). Steine sehr erhebliche Gefahr der Rettenden. Gerettete Werte: ca. 1500000 M. Hilfslohn - 70000 M. (Hans OLG. Hbl. 1899 Nr. 37: Fall „Maritime"). 38. Dampfer, bei Schulau auf der Elbe auf Grund geraten, gegen ein anderes festsitzendes Schiff getrieben und hierdurch leck geworden und gefährdet. Abschleppung durch einen Bugsierdampfer im Verlauf von 1 y2 Stunden. Nach Aufstrandsetzung des Dampfers durch den Schiffer: weitere Hilfsleistung mit einem Taucher- und zwei Pumpdampfcrn, bestehend in sechsstündiger notdürftiger Ausbesserung des Lecks durch einen Taucher und Bugsierung nach dem Hamburger Hafen. Endlich daran anschließende Pumparbeit zweier Dampfer von 23 bzw. 35 Stunden. Hilfslohn (inkl. Taucherarbeiten, exkl. Leichterungs- und Löschungskosten): 10000 M. (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 45: Fall „Iris"). 39. Großer Dampfer mit zahlreichen Passagieren, bei stürmischem Wetter auf bem Atlantischen Ozean die Welle brechend und die Schraube verlierend, völlig manövrierunfähig von einem nach Däne­ mark bestinunten Frachtdampfer angetroffen. Infolge hohen Seegangs und Schneesturms äußerst beschwerliche und gefährliche Befestigung der Schlepptrosse. Viertägige Schleppung vom Atlan­ tischen Ozean nach Halifax unter gleich schwierigen Verhältnissen. Bruch der Trosse und erneute Festmachung. Beschädigung des rettenden Dampfers. Im ganzen Reiseverzögerung um 10 Tage: großer Eifer, erhebliche Umsicht und Ausdauer des Hilfeleistenden. Bewilligter Hilfsiohn: 80000 M. (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 55: Fall „Maria Rickmers"). 40. Dampfer mit gebrochenem Nuderschaft in der Nähe der friesischen Inseln. Dringende Gefahr des manövrierunfähigen Schiffes, beim nach Maßgabe der Jahreszeit leicht eintretenden Wechsel der Winde zu stranden. — Unwahrscheinlichkeit, anderweit Hilfe zu erlangen. — Ungefährliche, aber schwierige, nur durch die besondere Beschaffenheit der für Hilfsleistung ausgerüsteten Schlepper glückende Abschleppung. — 35—36stündige Abschleppung von der Nähe des Bortuul Riff Feuer­ schiffes bis Hamburg durch zeitlich nacheinander eintretende Schiffe. — Hilfslohn: 25000 M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1900 Nr. 9: Fall „Köln"). 41. Aufstrandgeraten eines Dampfers vor der Mündung der Oste in die Elve infolge Schiffskollision. Inbrandgeraten feuergefährlicher Ladung bei ungünstigem Winde. Keine Möglichkeit der Löschung durch die nach Abgang eines Teiles der Besatzung übrigbleibenden Leute mit den wenigen noch disponiblen Löschgeräten. Keine Aussicht auf anderweile Hilfe. Überaus eifriges, sachkundiges und aufopferndes Eingreifen der hilfeleistenden Schlepper. Abziehung vom Strande und Ab­ schleppung rückwärts unter fortgesetzter Lösch- und Pumparbeit um 5 Uhr morgens durch zwei Schlepper. Spätere Beteiligung eines dritten und weiterhin eines vierten und fünften Schleppers infolge telegraphischer Beorderung. Aufgrundgeraten bei Twielenfleth. Abbringung nach einer halben Stunde. Beteiligung eines ferneren (Pumpen-) Dampfers nach Ablösung zweier Schlepper durch andere. — Festgeraten bei Schulau. Abbringung nach % Stunde und Ankunft in Ham­ burg in brennendem Zustande, nach im ganzen 20stündiger Rettungsarbeit. Stellung eines Leichters zur Übernahme glimmender und verbrannter Ladung. — Im ganzen 9 hilfeleistende Dampfer mit 55 Mann. Gefahr des Materialschadens und persönliche Gefahr der rettenden Leute; ferner Kollisionsgefahr. Wert des Schiffes: 268000 M.; der Ladung: 600000 M. Hilfslohn: vom Land­ gericht zugebilligt 40000M.; vom OLG. 50000 M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 15: Fall „Thekla Bohlen"). 42. Dampfer, an der Ostküste Afrikas in der Einfahrt des Kiliman auf Grund geraten, ohne eigent­ liche Seenot und fähig, durch eigene Kraft wieder flott zu werden, die Hilfe eines anderen Dampfers in Anspruch nehmend und nunmehr dadurch in Seenot geratend, daß die übergebrachte Trosse in die Schraube gerät, diese unklar und das Schiff manövrierunfähig macht. Abbringung bei starker Dünung, aber gutem Wetter über Untiefen. Brechen zweier Trossen. Inanspruchnahme der Trosse eines dritten Dampfers, welcher gleichzeitig die Führung über die Untiefen übernimmt. Dauer der Hilfsleistung durch den ersten Dampfer: 32 y2 Stunden mit 15 stündiger Pause, während welcher das notleidende Schiff gefahrlos in tiefem Wasser vor Anker liegt. Einfluß des Umstandes, daß der hilfeleistende Dampfer unter der Charter des Reeders des hilfesuchenden Schiffes steht. Gerettete Werte: über 2000000 M.; zugebilligter Hilfslohn: 30000 M. (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 86: Fall „Admiral"). 13 Dampfer, bei der Ausfahrt aus dem Hafen von Oporto kurz vor Hochwasser auf einer Sandbank festgeraten, durch eigene Maschinenkraft und Hieven mittels der am Lande ausgebrachten Trossen wieder flott geworden, jedoch im engen Fahrwasser schräge liegend und ohne fremde Hilfe nicht imstande, sich gerade zu richten. Gefahr, bei Ebbe gegen die Ufermauern zu treiben oder fester in den Sand zu geraten. — Abbringung durch Schlepper bei schönem ruhigem Wetter, ohne

A 744. 4g

906 § 744. Anm. 40.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

Gefahr, Mühe und Aufwendung von Material. Dauer der Hilfsleistung: Y* Stunde. Gerettete Werte: ca. 300000 M. Hilfslohn: 10000 M. (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 89: Fall „Stahleck"). 44. Dampfer in der Nordsee, etwa 150 km westlich von Sylt und ungefähr ebensoweit von Schiermonnikoog entfernt, mit gebrochener Kurbelwelle bei Sturm aus Nordwest und hohem Seegang von einem auf der Fahrt von Cardiff nach Kopenhagen begriffenen Dampfer angetrofsen. Zeit der Hilfsleistung: 40 Stunden, der eigentlichen Schleppleistung 21 Stunden. Sehr schwierige Anbringung der Trosse. 4 stündige Manövrierunfähigkeit des hilfebringenden Dampfers infolge Hineingeratens der Trosse in seine Schraube. Brechen der Trosse während der Abschleppung. Wert des geretteten Schiffes nebst Ladung und Fracht: ca. 190000 M. Hilfslohn: 24000 9)t. (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 98: Fall „Aarvak"). 45. Seeleichter, infolge Sturmes in der Ostsee von der Trosse gebrochen und mit zerstörten: Steuer­ ruder treibend. Geringe Wahrscheinlichkeit der Auffindbarkeit durch den Schlepper. Gefahr des Strandens und Untergangs. Hilfsleistung ohne Gefahr. Inanspruchnahme des rettenden Schleppers für 2 Tage. Hilfslohn: 7000 M. (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 40; Fall „Unterweser 8"). 46. Englischer Kohlendampfer, in Ballast gehend, mit gebrochenem Schraubenschaft und fast ohne Kohlen bei schwerem Dezembersturm zwischen Helgoland und dem ersten Elbfeuerschiff vor Anker gehend. Gefahr der Strandung, falls die Anker nicht halten; keine Hilfsleistung vorbeifahrender Schiffe trotz Abgabe von Notsignalen. Vergeblicher Hilfeversuch eines Fischdampfers, welcher dabei in den Grund gedrückt wird und das hilfesuchende Schiff beschädigt und um sein Ruder bringt. Vergebliche Abschleppungsversuche durch einen anderen Dampfer, dessen Trosse nackkurzer Zeit bricht. Hilfsleistung durch einen von Kuxhaven kommenden Bergungsdampfer. Starke Kollisionsgefahr; in kurzer Zeit gelingende Überbringung der Trosse; Abschleppung mit straff gehaltener Trosse bei größter Anstrengung der Maschine. Ankunft nach 7 Stunden in Kuxhaven und weiteren 8 Stunden in Hamburg. Wert des Schiffes: 320000 M. Hilfslohn: 30000 M. (LG. Hamburg Hbl. 1903 Nr. 10: Fall „Achroite"). 47. Biermaster mit Salpeterladung im Tau eines Schleppers geht wegen widrigen Windes vor Kux­ haven vor Anker und gerät am nächsten Tage auf dem Kratzsand, einem gefährlichen „treibenden Sand", auf Grund. Kapitän zieht noch 3 andere Schlepper zu: alle vier bringen den Segler ab, worauf er durch Treibeis nach Hamburg geschleppt wird. Gefahrvolle Lage, Sturm, ein Anker geflippt, auf den anderen Anker getrieben zu werden. Wäre das Schiff nicht bei. nächster Flut abgebracht worden, so wäre vermutlich Totalverlust eingetreten. Arbeit von etwa 4 Stunden, wovon auf das eigentliche Rettungswerk nur 2 Stunden fallen. Gerettete Werte: 700000 M. Verlangter Hilfslohn: 80000-j- 27500 M.; zugebilligt vom Strandamt 22500-j- 7500 M., vom OLG. 30000 + 10000 M. (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 103: Fall „Beechbank"). 48. Dampfer mit wertvoller Ladung, ausgelaufen bei der Eidermündung. 8 Schlepper bei der Ab­ bringung beteiligt. 3 tägige Anstrengung; nicht unerhebliche Gefahr für die Schlepper: mehrere Schlepptrossen gebrochen. Gerettete Werte: 1200000 M. Hilfslohn: zugebilligt vom Strandamt den Schleppern zusammen 105000 M., dem einen außerdem 5000 M-; vom Landgericht 91000 bzw. 9000 M. (LG. Hamburg Hbl. 1905 Nr. 6: Fall „Eolo"). 49. Dampfer an der marokkanischen Küste aufgelaufen. 5 Dampfer, darunter 2 Bergungsdampfer (einer aus Marseille berufen) und außerdein 10 Leichter an der Hilfsleistung beteiligt. 14tägige Arbeit bis zur Einschleppung nach Gibraltar. Erhebliche Gefahr des hilfesuchenden Schiffes und der Retter, auch der auf das gerettete Schiff gebrachten wertvollen Gerätschaften der Bergungs­ dampfer. Gerettete Werte: 800000 M. Hilfslohn: zugebilligt vom Strandamt und Landgericht 175000 M. (LG. Hamburg Hbl. 1905 Nr. 17; Fall „Seriphos"). 50. Dampfer aufgelaufen an der holländischen Küste in gefährlicher Situation. Angestrengte Arbeit zweier Rettungsdampfer während eines Nachmittags. Gerettete Werte: 1071300 M. Hilfs­ lohn: zugebilligt vom Strandamt 60000 M., vom Landgericht und Oberlandesgericht 70000 M. (LG. Bremen und Hans OLG. Hbl. 1905 Nr. 24: Fall „Maria Rose"). 50 a. Bark auf Julssand aufgelaufen. Schlepper macht zwei vergebliche Abschleppversuche. Trosse gebrochen. Nach Leichterung Abschleppung mit Hilfe eines zweiten Schleppers gelungen und Bark nach Hamburg gebracht. 2 Tage Tätigkeit bei Eisgang und Nebel. Hilfslohn: 1000 M. (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 42: Fall „Steinbeck"). 51. Großer Dampfer auf Groß-Vogelsand gestrandet. (Mahlsand.) Gefahr des Durchbrechens. Starke Begebungen des Schiffes. Viel Wasser im Schiff, Maschine unbrauchbar. Große Gefahr. 3 Berger mit etwa 15 Dampfern, 5 Leichtern, 2 Tauchern und 21 Handwerkern mehrere Tage tätig. Vorschleppen des Schiffes um ca. 70 m in der ersten Tide, so daß es gleichmäßig gelagert und Durchbruchgefahr beseitigt war. 7 stündiges Pumpen eines Pumpendampfers. Dann Ab-

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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schleppen in der dritten Tide. Schleppen des Schiffes nach Hamburg. Geringe Gefahr der 8 744. Retter. Erhebliche Reparaturkosten für beschädigte Schlepper und Leichter. Besondere Ma-zs^m. 40. schinenstärke der Bergungsdampfer. Gerettete Werte: annähernd 3000000 M. Hilislohn: 360000 M. (StrandA. und LG. Hamburg Hbl. 1906 Nr. 40: Fall „Brisgavia"). 52. Bark bei Juist auf hartem Sand aufgelaufen, aber dicht geblieben. Gefahr sehr ernst, da bei Eintritt von Seegang und längerem Festsitzen Rettungsmöglichkeit verloren. Ausbringen eines schweren Warpankers, Fieren und Festmachen der noch stehenden Segel durch Fischer. 3 Schlepper schleppten die Bark ab. Gefahr der Kollision, mehrmaliges Stoßen eines Schleppers mit Bruch des Achterstevens (Reparaturkosten: ca. 9500 M.). Verlust eines Beiboots. Eifer und Erfolg. Dauer der Tätigkeit: etwa 21 Stunden. Wert der geretteten Gegenstände: 420000 M. Hilfs­ lohn: 37500 M. (SeeschG. Hbl. 1906 Nr. 53: Fall „Aphrodite"). 53. Dampfer auf dem Böschrücken der Elbe aufgelaufen. Bodenschaden und Gefahr des Durch­ brechens. Zunächst 5, dann 10 Schlepper versuchten vergeblich Abschleppung. Leichter und Schauerleute herbeigeholt. Nach Leichterung gelang Abschleppung. Dauer der Hilfeleistung: ca. 35 Stunden. Eifer und Umsicht. Materialschäden der Retter: ca. 2700 M. Kollisionsgefahr der Schlepper. Wert der geretteten Gegenstände: mindestens 350000 M. Hilfslohn: 20000 M. (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 30: Fall „Königsberg").

51. Dampfer bei Amrum gestrandet. Gefahr des Durchbrechens. Von 6 Schleppern nach etwa 15 stündiger Arbeit abgebracht. Gefahr der Kollision und des Auslaufens für die Retter. Mehr­ fache Havarien der Retter und Materialverluste. Vollständiger Erfolg. Gerettete Werte: 678300 M. Hilfslohn: 100000 M. (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 34: Fall „Edenhall"). 55. Dampfer im Kanal in Brand geraten. Von einen: anderen Dampfer 2 Stunden geschleppt, dann zu Anker gebracht. Drei andere Dampfer löschten durch Pumparbeit das Feuer und setzten den Dampfer auf den Strand. Zwei von ihnen setzten zusammen mit einem Bergungsdampfer die Rettung fort und pumpten das Schiff leer, schleppten es ab und brachten es nach DoverGroße Gefahr des brennenden Schiffes. Gerettete Werte: 1H—1 Vi Mill. M. Hilfslohn: 155000 M. (StrandA. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 99: Fall „Lugano"). 56. Bark an der holländischen Küste festgeraten. Große Gefahr, da Mahlsand. 3 Schlepper, 8 große und 4 kleine Boote mit etwa 100 Mann zwecks Leichterung und Abschleppung herbeigeschafft, welche 3O°/o des Lohns der Schlepper ausbedungen hatten. Nach Leichterung eines Teils der Ladung gelang die Abschleppung. Dauer der Hilfsleistung: ca. 7 Stunden. Gerettete Werte: 447000 M. Umfassende sachkundige Hilfe. Hilfslohn: 40000 M. (HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 55: Fall „PluS"). 57. Segler an der holländischen Küste bei der Hafeneinfahrt von Helder festgeraten. Gefahr des Ein­ sinkens bzw. Durchbrechens. 4 starke Schlepper schleppten das Schiff ab, nachdem ein Teil der Ladung durch eine große Zahl mitgebrachter Bootsleute in Schuten übernommen war. Dauer der Hilfsleistung: ca. 10 Stunden. Rettung ohne Gefahr und besondere Mühe. Wert der ge­ retteten Gegenstände: 500000—600000 M. Wert der Schlepper: ca. 800000 M. Hilfslohn: 50000 M. (HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 85: Fall „Canrobert").

58. Großer Passagierdampfer mit 600 Passagieren an Bord, infolge Kollision schwer leck. Maschinenund Kesselraum vollgelaufen. Großer Postdampfer unterbricht Reise, übernimmt Passagiere und schleppt das havarierte Schiff bis zur Wesermündung. Gesamtzeitverlust: 20 Stunden. Aufwendungen an Materialien (u. a. Trossenbruch): ca. 7000 M. Gefahr des havarierten Schiffes nicht besonders groß, da die Schotten dicht blieben. Keine Gefahr des Retters. Wahrscheinlich­ keit anderweiter Hilfe, da belebtes Revier. Erschwerung des Hilfswerks durch zweimaliges Brechen der Trosse. Gerettete Werte (in havariertem Zustande, wie er sich aus der Kollision ergab): 1278000 M. Hilfslohn: 80000 M. (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 140: Fall „Köln").

59. Großer Dampfer auf dem Kratzsand quer zum Strom festgeraten. Gefahr des Versandens und Durchbrechens. Von 5 Schleppern nach 1^ stündiger Arbeit nicht ohne Gefahr abgebracht. Unmittelbare Aufwendungen der Retter gering. Aber Generalunkosten der berufsmäßigen Bergungs­ schiffe hoch. Gerettete Werte: ca. 600000 M. Hilfslohn: 45000 M. (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 146: Fall „Linda Woermann"). 60. Dampfer bei Sylt gestrandet. Rollte bei bewegter See. Maschinen- und Bodenschaden. Drei Schlepper brachten das Schiff ab. Rettung wegen hoher See nicht ungefährlich, da Stoßen zu befürchten. Berufsmäßige, mit verhältnismäßig geringen: Zeitaufwand verbundene Rettung. Gerettete Werte: ca. 160000 M. Hilfslohn: 15000 M. (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 21: Fall „Zelandia").

908 8 744. 61. Anm. 40.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

Dampfer (in Ballast) auf klippigem Grunde festgeraten. Verschiedene Leckstellen. Gefahr deß Totalverlustes bei eintretendem Seegang. Borbeikommender Dampfer schleppte ab. Mehr­ facher Trossenbruch. Gefahr, selbst festzugeraten und auf Klippen zu rennen, wenn Trosse brach. Schaden an der Maschine infolge Forcierens. Umsicht und Sachkunde des Reiters. Zeitdauer der Rettung: 14% Stunden. Große Anstrengung der Besatzung. Wert des geretteten Schiffes: 233523 M. Wert des Retters: ca. 300000 M. Hilfslohn: 30000 M. (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 63: Fall „Ruß").

62. Großer Dampfer auf Pagensand bei Eisgang im Nebel festgeraten. Gefahr des Durchbrechens. Nach 26 Stunden erschienen 3 Schlepper und brachten das Schiff ab. Annäherung im Nebel und Eis gefährlich. Auch Kollisionsgefahr der Schlepper. Schnelle und geschickte Arbeit. Ge­ rettete Werte: über 1000000 M. Hilfslohn: 14000 M. (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 105: Fall „Guahyba"). 63. Großer Dampfer mit wertvoller Ladung auf der Süderpiep festgelaufen. Dringende unmittel­ bare Gefahr. Tätigkeit dreier Schlepper, welche zum Bergungsdienft besonders eingerichtet waren. Nächtliche Fahrt zur Nnfallstette über Sünde im Nebel. Entschlossenes Eingreifen und Erfolg. Einer der Schlepper erlitt eine Beschädigung dadurch, daß er unter das Heck des Dampfers geriet. Hilfslohn für zwei Schlepper: je 9000 M.; für den beschädigten Schlepper: 9500 M. (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 75: Fall „Rom").

64. Tankdampfer im Bosporus festgeraten. Gefahr, infolge der starken Strömung immer tiefer einzusinken. Wegbaggern des Sandes durch 4 starke Schlepper. Umsichtige Arbeit Tag und Nacht (2—4 % Tage). Gesamtbesatzung (70 Mann) und zugezogene Hilfskräfte waren tätig. Abschleppen durch vereintes Ziehen unter Kollisionsgefahr der Schlepper. Gerettete Werte: 690000 M. Wert der Retter: 980000 M. Hilfslohn: 30000 M. (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 78: Fall „Wa­ shington"). 65. Bollschiff, von schwerem Sturm wrack geschlagen, trieb hilflos in der Richtung auf Horns Riff. Nach Kollision mit dem dort liegenden Feuerschiff bestand höchste Gefahr des Scheiterns am Riff. 5 Fischdampfer hielten das Schiff, welches beide Buganker ausgeworfen hatte, vor den Ankern. Nach Hieven des Backbordankers unter Mithilfe der Retter wurde das Schiff nach vielfachem Brechen der Trossen in Schlepp genommen und (nach Slippen seines Steuerbordankers) aus der gefährlichen Nähe des Riffs und in zweitägiger Schleppfahrt bei hoher See nach Kuxhaven ge­ bracht. Gefahr für die Retter. Sach- und Personenschaden, großer Materialverlust (Schaden ca. 20000 M.). Opfermut der Retter. Hilfslohn: 90000 M. (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 100; Fall „Celtic Gleen").

66. Großer Doppelschraubendampfer bei den Needles auf Grund geraten. Gefährliche Stelle, zumal Seegang und Wind sich verstärkten. Nach Leichterung eines Teils der Ladung und Auspumpen von Wasser gelang mehreren Schleppern das Abschleppen. Gefahr der Kollision und des Stoßens (einer der Schlepper erlitt Bodenschaden). Mehrfaches Brechen von Trossen. Besonders zweck­ mäßige Methode der Abbringung, welche in der vierten Tide gelang. Gerettete Werte: 7 000000 M. Hilfslohn für 2 der Schlepper: 50000 M. Die andern hatten insgesamt 1925 £ erhalten (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 103: Fall „Derfflinger").

67. Dampfer am Südende des Medemsandes aufgelaufen. Gefährlicher Treibsand und Unbeständig­ keit des Wetters. 6 Schlepper, welche nacheinander zugezogen wurden, schleppten das Schiff in kurzer Zeit (Vg—2 Stunden) ab. Gefahr der Kollision der Retter lag vor. Im übrigen aber war die Rettung gefahrlos. Gerettete Werte: 268000 M. Wert der Retter: 54000 M. Hilfs­ lohn: 15000 M. (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 86: Fall „Arana"). 68. Dampfer, auf der Oftebank an Grund geraten. Lage nicht besonders gefährlich. 3 Schlepper schleppten in einstündiger Arbeit ab. Gefahr für die Reiter gering. Eifer der Retter. Gerettete Werte: 300000 M. Wert der Retter: 350000 M. Hilfslohn: 6000 M. (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 147: Fall „Elben"). 69. Biermastbark durch Kollision stark beschädigt und manövrierunfähig. Gefahr, bei weiterem Treiben auf den Strand gesetzt zu werden, falls es nicht gelang, zu ankern oder Segelfähigkeit wieder­ herzustellen. Dampfer nahm die Bark ins Schlepptau und brachte sie ohne eigene Gefahr in 1 y2 Tagen nach der Elbmündung. Gerettete Werte: 700000 M. Hilfslohn: 35000 M. (Hans­ OLG. Hbl. 1912 Nr. 151: Fall „Engelhorn"). 70. Bark, im Schlepptau eines Schleppers, geriet in orkanartigen Sturm. Trosse brach, Bark trieb. Schlepper hielt sich in der Nähe. Ani nächsten Tage gelang Herstellung der Schleppverbindung. Auf Wunsch der Bark Anlaufen eines Nothafens. Gefahr für Bark groß, aber gemindert durch

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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Anwesenheit ihres Schleppers. Schleppfahrt dorthin gehörte nicht mehr zur Rettung. Ge- 8 744. rettete Werte: 662661 M. Hilfslohn: 20000 M. (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 75: Fall „Wynford")-Unm. 40. 71. Biermastbark mit Srlpeterladung nach Kollision in Gefahr, beim Schlingern Wasser durch das Leck einzunehmen. Ferner Schäden an Takelage und Ruderrad, welche Manövrierfähigkeit beeinträchtigten. Sckrmisches Wetter, grobe See. Schlepper brachte das Schiff nach Hamburg. Eifrige, aber wenig gefahrvolle Tätigkeit des Retters. Gerettete Werte: annähernd 1000000 M. Hilfslohn: 15000 M (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 126: Fall „Pommern"). 72.. Dampfer (in Ballast) mit gebrochenem Schraubenschaft lag 9 Seemeilen von der brasilianischen Küste vor Anker. Gefahr, beim Brechen der Ketten zu stranden. Anderer Dainpfer schleppte ihn nach Herstellung einer zweckmäßigen Schleppverbindung 318 Seemeilen in 57 Stunden nach Bahia. Gefahr des Retters gering. Zeitverlust: 30 Stunden. Geretteter Wert: 530000 MWert des Retters 'einschließlich Ladung): über 2000000 M. Hilfslohn: 45000 M. (SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 72: srall „Vermont"). 73. Dampfer bei Texel gestrandet. Gefahr drohend, falls Wind umsprang und stärker wurde. Ab­ schleppen durch 4 Schlepper ohne besondere Schwierigkeiten. Unkosten der Reeder durch Vergntung an Strandbcwohner und einen unterbeteiligten Schlepper. Geretteter Wert: 885000 M. Hilfslohn bewilligt: 38000 M. (SeeschG. Hansa 1914, 366 = Hbl. 1914 Nr. 45: Fall „Alfeld").

74. Motorschoner bei Scheelenkuhlen auf Grund geraten. Bergungsdampser schlepp! binnen 5 Mi­ nuten ab. Gefahr, bei Steigen des Wassers weiter auf den Strand gesetzt zu werden. Anstren­ gungen des Bergungsdampfers gering und ohne Gefahr. Wert der geretteteten Gegenstände: 45000 M. Hilfslohn: 1000 M. (SeeschG- Hansa 1914, 391: Fall „Präsident Howard"). 75. Dainpfer nach Kollinon in der Elbe ans Grund gesetzt. Bergungsdampfer pumpte 3 Stunden. Dann erschien zweiter Bergungsdampser mit Taucher, welcher das Leck abdichtetc. Gemeinsarnes Puinpen der Retter. Dampfer kam bei Hochwasser frei und fuhr unter Assistenz der Retter nach Hamburg. Keine Gefahr für die Retter (außer für den Taucher). Gerettete Werte: ca. 100000 M. Hilfslohn: 12000 M- (HansOLG- Hb!. 1914 Nr. 130: Fall „Hassten").

76. Dampfer (in Ballast) mit 3 gebrochenen Schraubenflügeln in schwerer See und Sturm treibend. Gefahr, aus die Sünde bei Helgoland getrieben zu werbe». 2 Schlepper stellten unter großen Schwierigkeiten eine Schleppverbindung her und brachten das Schiff nach Altenbruch. Dauer der Rettung: ca. 15 Stunden. Große Anstrengungen und Verdienste; voller Erfolg der Retter. Gerettete Werte: ca. 500000 M. Wert der Retter: ca. 400000 M. Hilsslohn: 30000 M. (Hans­ OLG. Hbl. 1915 Nr. 112: Fall „Elisabeth Rickmers"). 77. Dampfer mit gebrochenem Schraubenflügel einen Tag treibend, von Retter in Schlepp genommen, welcher dabei ein Boot einbüßt. Schleppfahrt ca. 24 Stunden. Sturmgefahr für das gerettete Schiff. Keine Gefahr für den Netter. Wert der geretteten Gegenstände: über 700000 M. Wert des Retters.- ca. 220000 M. Materialschaden des Retters: 1538 M. Reiseverzögerung 3 Tage. Starke Anstrengung seiner Maschine. Hilfslohn: 40000 M. (SeeschG. Hansa 1915, 157 = Hbl. 1915 Nr. 16: Fall „Merkurius"). 78. Dainpfer auf Mittelgrund bei Freiburg aufgelaufen. Durch eigene Reederei geleichtert. Zunächst 2 Schlepper, dann ein dritter zugezogen. Nach weiterer Leichterung am nächsten Tage abge­ bracht. Bruch einer Trosse. Große Gefahr für den Dampfer, da Maschine stark beschädigt und Durchbrechen zu befürchten. Eifrige aber gefahrlose Rettung. Einer der Schlepper als Bergungs­ schiff eingerichtet. Wert der geretteten Gegenstände: ca. 225 000 M-; der Retter: ca. 240000 M. Hilfslohn: 10000 M. (SeeschG. Hansa 1915, 265 = Hbl. 1915 Nr. 64: Fall „Elbe").

79. Großer Dampfer auf Felsen bei Narwick aufgelaufen. Ladung: ca. 7500 t Erz. Raum I am Vorsteven aufgerissen und vollgelaufen. Raum II leck, kann aber lenz gehalten werden. Gefahr groß, da Schiff rollt, Hinterschiff im tiefen Wasser liegt und Sinken zu befürchten, sobald Rauni II volläuft. 2 Bergungsdampfer dichten durch Taucher das Leck. Großer Eifer und Anstrengung mehrere Wochen hindurch, aber ohne besondere Gefahr. Geschick und Sachkunde der Retter. Hilfslohn: 120000 J/L (SeeschG. Hansa 1915, 317 = Hbl. 1915 Nr. 87: Fall „Lübeck").

80. Segler bei Sylt gestrandet. Große Gefahr, da Sturm und starke Brandung. Leichterung von 7/e der Ladung. Gefahr des Durchbrechens und des Geratens in Minenfelder. Kriegsgefahr endete erst auf der Weser. Tätigkeit von 2 Schleppern und 4 Leichtern. Tatkräftige Oberleitung. Leichterung durch starke Dünung erschwert. Heranschaffen einer großen Motorpumpe zwecks Lenzhalten. Kosten und Schäden der Berger: ca. 29000 M. Wert des geretteten Schiffes.140000 M.; der Ladung: 1700000 M. Wert der Retter: 538000 M. Hilfslohn: 175000 M. (SeeschG. Hansa 1915, 484 — Hbl. 1915 Nr. 125: Fall „Pass of Balmaha").

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VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 744. 81. Großer Dampfer vor der La-Plata-Mündung gestrandet. Zwei Firmen aus Buenos Aires hatten Anm. 40. insgesamt 26 Fahrzeuge mit 566 Mann zur Unfallstelle geschickt. Erhebliche Leichterung. Aus­

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bringen von 2 schweren Warpankern. Übernahme von ca. 1000 t Ladung auf Leichter. Lenz­ pumpen des Raumes III. Schleppen des Schiffes und der Leichter mit der Ladung nach Mon­ tevideo. Gewerbsmäßige Bergungsdampfer. Gefahr des Dampfers groß. Durchbrechen bei Winddrehung zu befürchten. Gefahr der Ladung: Schmelzen des Salpeters, Sinken und Ver­ derben der darüber befindlichen Ladung. Gefahr des Kenterns infolge Schwerpunktsverschiebung. Große Kosten und Aufwendungen der Retter. Dauer der Hilfsleistung außer der Schleppfahrt: 3 Tage. Hohe Hilfslohnsätze nach der Praxis am La Plata. Wert des Dampfers: 315000 M.; der Ladung: über 3000000 M.; der Fracht: ca. 350000 M. Hilfslohn: 35000 £. Davon Firma Lussich 21000 £; Firma Pascual 14000 £ (SeeschG. Hansa 1916, 37 = Hbl. 1917 Nr. 58: Fall „Mera"). Bark mit Salpeterladung bei schwerem Wetter in Gefahr, auf die holländische Küste zu treiben. Manövrierfähigkeit beschränkt, Ankern fast unmöglich. Starker Bergungsdampfer stellte unter Schwierigkeiten Schleppverbindung her und schleppte die Bark fast 24 Stunden bei schwerer See. Gesamtdauer der Rettung: ca. 3 y2 Tage. Eifer und Umsicht der Netter, doch keine besonders große Gefahr. Wert der geretteten Gegenstände: 578000 M. Wert des Retters: ca. 180000 M. Hilfslohn: 40000 M. (HansOLG. Hbl. 1916 Nr. 108: Fall „Pax"). Dampfer bei Boltenhagen gestrandet. Retter legte sich längsseits. Verbindung beider Schiffe durch Trossen. Gemeinschaftliches Forcieren der Maschinen. Nach 5/4 Stunde abgeschleppt. Schaden des Retters: ca. 1000 M. Gefahr erheblicher Beschädigung für beide Schiffe. Geringe Aussicht anderweitiger Rettung. Voller Erfolg. Wert der geretteten Gegenstände: 325003 MWert des Retters: 60000 M. Hilfslohn: 10000 M. (SeeschG. Hansa 1917, 178: Fall „Falke"). Dampfer mit 3900 t Erz auf der Insel Samsoe (Dänemark) gestrandet. Fischdampfer übernahm 150 t Ladung, machte vergebliche Abschleppversuche und brachte die übernommene Ladung nach Friedericia. Der Dampfer wurde später von einem anderen Bergungsdampfer abgebracht, welcher einen Hilfslohn von 64000 Kronen durch ein Kopenhagener Schiedsgericht zugebilligt erhielt. Fischdampfer hatte 6 Tage Zeitverlust und 4000 M. Auslagen. Hilfslohn außerdem: 7000 M. (SeeschG. vom 11. Juli 1917: Fall „Pallas"). Dampfer in der Nähe von Fehmarn im Eise festgeraten. Nur noch 10 t Kohlen an Bord. Retter eiste den Dampfer auf eine Strecke frei, worauf dieser in der Fahrrinne folgte. Gefahr desselben, auf das naheliegende Land getrieben zu werden. Wert der geretteten Gegenstände: 1400000 M.; des RetterS: 3125000 JK>. Aussicht anderweiter Hilfe gering. Zum mindesten großer Zeitverlust. Hilfslohn: 9000 Jl (SeeschG. vom 11. Juli 1917, Hbl. 1917 Nr. 105: Fall „Tilly Ruß"). Dampfer auf die Steinbank Roter Grund getrieben. Etwa 2 Fuß aus der Last gehoben. Hinter­ schiff flott. Schiff lenz. Vom Eise eingeschlossen. Bergungsdampfer brach Rinne durch das Eis. Leichterung unter Zuhilfenahme eines Schoners und von 9 Fischerfahrzeugen. Später von der Reederei des Bergungsdampfers noch eine Tjalk, ein Schlepper und ein Frachtdampfer mit Taucher hingeschickt. Abschleppversuch zunächst erfolglos. Bei steigendem Wasser Abschlep­ pung gelungen. Rückreise unter eigenem Dampf. Auslagen der Bergungsfirma: 6100 9)L Voller Erfolg. Gefahr des gestrandeten Schiffes ernst (Durchbrechen, treibende Minen). Eifer der Netter und Umsicht. Gefahr für die Hilfsschiffe. Verwendete Zeit 2 y2 Tage. Wert der Retter: 170000—180000 M. (ausschließlich der nicht in Tätigkeit getretenen Reserveschiffe). Be­ deutende Materialabnutzung. Außerordentliche Unterhaltungskosten der Bergungsschiffe während des Krieges. Wert des geretteten Schiffes (Kriegswert): iy2 Mill. M. Wert der Ladung: 280000 M. Hilfslohn zugebilligt: 50000 M. (SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"). Dampfer bei Arkona auf Steingrund gestrandet. Vorpiek vollgelaufen. Wind ungünstig. Schiff begann zu stoßen. Gefahr des Schottenbruchs. Schlepper zur Hilfe angenommen (dieser ließ den geschleppten Leichter vor Anker). Zweiter Dampfer mit drei Pumpen erleichtert das Schiff so weit, daß unter Mithilfe seiner Maschine Abbringen gelang. Der Taucher des zweiten Retters nährn provisorische Dichtung vor. Beide Retter schleppten das Schiff nach Arkona. Wert der geretteten Ladung: 8000—10000 M.; des Schiffes: etwa 250000 M. Gefahr desselben war groß. Zeit der Rettung: etwa 26- Stunden; der eigentlichen Hilfeleistung: 4% Stunden. Keine Ge­ fahr des Retters. Hilfslohn zugebilligt: 4000 M. (SeeschG. vom 4. Okt. 1917: Fall „Clydevalley"). Kohlendampfer bei Tenedos gestrandet und durch Wind und Wellen weit auf den Sand geschoben, wobei er Achtersteven und Ruder einbüßte. Lag schließlich 8 y2 Fuß aus der Last. Bei Sturrn Totalverlust zrr befürchten. 4 Schlepper, 11 Leichter und insgesamt 185 Arbeiter löschten 3500 t

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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Kohlen zum Teil in einen anderen Dampfer, der herbeigerufen war. Unter Zuziehung eines § 744. weiteren Schleppers erfolgte die Abschleppung und Verbringung des Dampfers nach Konstantinopel. Anm. 40. Gesamtdauer der Rettung: 24 Tage. Erhebliche Leistungen und Aufwendungen der Retter. Gefahr durch Minen und Haftungsübernahme der Retter für den Schaden an der Minensperre gegenüber der türkischen Regierung. Gerettete Werte: 650000 M. Auslagen der Retter: 100000—120000 M. Hilfslohn: 170000 M. (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137: Fall „Nora-Hugo Stinnes II"). 89. Dampfer int Packeis bei Swineniünde festgeraten. Kohlenmangel, Bruch des Ruderschafts. Un­ möglichkeit, aus dem Eise herauszukommen. Herbeigerufener Schlepper brach eine Rinne in das Eis, nahm zeitweise den Dampfer ins Tau; befreite ihn noch mehrfach aus Treibeis und brachte ihn nach Swinemünde und von dort nach schwieriger Schleppfahrt nach Stettin. Schwere Ge­ fahr für den Dampfer, im Eise leck gedrückt zu werden. Rettung eifrig, anstrengend, aber nicht gefahrvoll. Dauer des Rettungswerks: 3 Tage. Verlust von 2 Stahltrossen im Werte von 1100 M. und Einbeulung der Schlepperbugplatten. Reparaturkosten: ca. 2000 M. Wert der geretteten Gegenstände: 600000 M. Wert des Retters: 200000 M. Hilfslohn: 35000 M. (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146: Fall „Rutland"). 90. Dampfer infolge Lecks mehrere Fuß Wasser im Maschinen- und Heizraum, so daß Maschine un­ brauchbar. Lage quer zur See. Gefahr des Kenterns. Da das Leck nicht auffindbar, Gefahr des Vollaufens. Andererseits belebtes Fahrwasser. Retter bekam Trosse in die Schraube. Nach trochmaliger Herstellung der Schleppverbindung Einschleppung nach Kiel. Erfolg vollständig. Schiff und Ladung gerettet. Verwendete Zeit: 8 Stunden. Zeitverlust einschließlich Klarierens der übernommenen Ladung: 3 Tage. Wert des geretteten Schiffes: 180000—200000 M.; der Ladung: 531000 M. Schäden und Kosten des Reiters einschließlich entgangenen Gewinns: ca. 5000 M. Hilfslohn zugebilligt: 20000 M. (SeeschG. vom 21. Okt. 1918: Fall „Hertha"). 91. Dampfer mit 7730 t Erz bei ruhigem Wetter auf der Ems aufgelaufen. Gefahr, daß das Schiff von der nächsten Flut weiter auf die Untiefe geschoben wurde. Bei längerem Verbleiben auf dem Schlick wäre Gefahr des Begebens oder Brechens entstanden. 4 Schlepper binnen 10 Minuten abgeschleppt. Gesamte verwendete Zeit 8—9 Stunden. Keine außergewöhnlichen Leistungen und keine Gefährdung der Retter. Möglichkeit anderweitiger Rettung wäre vorhanden gewesen. Wert der geretteten Gegenstände etwa: 6000000 M. Berücksichtigung der durch den Krieg besonders kostspieligen Unterhaltung von Schleppern. Hilfslohn verlangt: 60000 M.; zugebilligt: 16000 M. (SeeschG. vom 20. Dez. 1918: Fall „Franziska"). 92. Dampfer bei dichtem Nebel geankert. Nach Bruch der Kette auf der Robbenplatte feftgeraten. Bon 4 Schleppern unter Zuhilfenahme von 3 Leichtern nach kurzer Arbeit abgeschleppt. Fahrt tmter eigenem Dampf in Begleitung eines Schleppers nach Bremerhaven. Vollständiger Erfolg. Schiff fast unbeschädigt. Schleunige sachgemäße Hilfe. Gefahr des Schiffes groß, da Sand beweglich und Durchbrechen zu befürchten. Dauer der Hilfsleistung: 12 bzw. 20 Stunden. Ma­ schine der Schlepper angestrengt. Wert des Schiffes unter Berücksichtigung der Kriegsverhältnisse: 2450000 M.; der Ladung: 360000 M. Hilfslohn verlangt: 250000 M.; zugebilligt: 85000 M. (SeeschG. vom 21. Mai 1918: Fall „Herbert-Horn"). 93. Segler im Eis sestgeraten. Von Prisendampfer befreit und nach Swinemünde geschleppt. Ver­ gebliche Versuche, das Schiff vom Eise zu befreien unter Verlust von 2 Trossen. Nach Gelingen der Rettung Schleppfahrt nach Swinemünde. Voller Erfolg. Gefahr der Eispressung für beide Beteiligten. Dauer der Hilfsleistung: 8 Stunden. Unkosten des Retters: ca. 950 M. Wert des Retters mit Ladung: ca. 1 % Mill. M. unter Berücksichtigung des verringerten Geldwertes im Kriege. Hilfslohn verlangt: 41500 M.; zugebilligt: 25000 M. (SeeschG. vom 24. Juni 1918: Fall „Hermann"). 94. Dantpfer (in Ballast) int Stettiner Haff festgeraten. Orkanartiger Sturm. Starke Schlagseite. Mannschaft verließ das Schiff zeitweise wegen Lebensgefahr. Bergungsdampfer ließ 35 t Sand­ ballast löschen, nachdem erster Schleppversuch mißlungen. Dann gelang Abschleppen und Ver­ bringen des Schiffes nach Stettin. Große Gefahr für das festsitzende Schiff, vom Eise vernichtet zu werden. Rettung gefahrlos, aber schwierige Herstellung der Trossenverbindung und großes Materialrisiko. Wert des geretteten Schiffes: 250000—290000 M. Hilfslohn: 35000 M. (SeeschG. Hbl. 1919 Nr. 26: Fall „Pionier"). 95. Dampfer int Nebel an steiniger Küste Mecklenburgs aufgelaufen. 2 Schlepper und 3 Leichter löschten einen Teil der Ladung und schleppten das Schiff ab, brachten die Leichter nach Travemünde, wohin der Dampfer mit eigener Kraft fuhr. Gefahr des Dampfers, bei auffrischendem Wind leck gestoßen zu werden. Risiko der Retter, da Leichter und Besatzung unversichert. Kosten der

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VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 744.

Arbeiterüeschaffung: ca. 2000 M. Zweimaliger Trossenbruch. Dauer des Rettungswerks: ca. 8 Stunden. Boller Erfolg. Hilfslohn: 30000 M. (HansOLG. Hbl. 1919 Nr. 62: Fall „Gustaf Wasa"). 96. Dampfer auf dem Juister Riff festgeraten. Abkommen durch eigene Maschinenarbeit unmöglich, da die Maschine heißgelaufen und durch Sand verunreinigt. Borüberfahrender Dampfer lehnt Hilfsleistung ab. Ein benachrichtigter Schlepper schleppte den Dampfer in etwa einer Stunde ab und weitere 20 Minuten bis in tiefes Wasser. Gefahr des gestrandeten Dampfers erheblich, da auf Mahlsand festgeraten. Gesamtdauer der Hilfsleistung: 5—6 Stunden. Keine Kosten und Schäden des Retters. Berücksichtigung, daß der Seeschlepper die Zweckbestimmung evtl. Rettung in Seenot hat. Gerettete Werte: über 1000000 M. Hilfslohn: 30000 M. (SeeschG. vom 1. Dez. 1919: Fall „Emma"). 97. Dampfer mit Erzladung bei Wismar auf Grund geraten. Schlepper mit insgesamt 6 Mann an Bord schleppte den Dampfer ohne besondere Mühe ab. Gefahr für das gestrandete Schiff, durch Wind und See weiter auf steinigen Grund gedrängt zu werden und Bodenschaden zu leiden. Umsichtige und besonders schnelle Hilfe. Gefahr für den Retter, bei der auf die Abschleppung folgenden Schleppfahrt durch unvorsichtige Manöver des Dampfers zu kentern. Sehr hohe ge­ rettete Werte (Feststellung hierüber als unerheblich bezeichnet'.). Wert des Schleppers: 80000 M. Hilfslohn: 25000 M. (SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"). 98. Bark bei schwerer See leck gesprungen. 12 Fuß Wasser im Schiff. Segel und Takelwerk zum Teil beschädigt. Schiff lag auf Grund und stieß infolge Seegangs stark. Bergungsdampfer löschte Deckslast, besorgte großen Leichter und einen anderen Dampfer zur Bergung der Ladung. Beide Dampfer pumpten die Bark aus und schleppten sie in tiefes Wasser. Einer der Schlepper brachte das Schiff in ruhiges Wasser (Fehmarn), stellte Beschädigungen durch den Taucher fest und erreichte nach nochmaligem Leerpumpen der Bark Flensburg. Dort wiederum gepumpt und gleichzeitig Raumladung gelöscht. Gefahr der Bark sehr groß (das wracke Schiff konnte weg­ sacken, am Grund zerschellen und Ladung durch Wegspülen verlieren). Anderweitige Hilfe nicht erreichbar. Geringe Gefahr des Retters. Dauer der Rettung: etwa 3 Wochen. Gefahr des Auslaufens auf Minen. Bergungsschiff mit spezieller Ausrüstung. Wert der geretteten Gegen­ stände: 126000 M. Hilfslohn: 32000 M. (SeeschG.: Fall „Alma"). 99. Dampfer in Ballast kann die schwere See nicht halten. Verliert Steuerfähigkeit und treibt quer zur See der Küste zu. Strandung unausbleiblich. Schlepper stellt mit großen Schwierigkeiten Trossenverbindung her, wobei infolge schwerer Sturzsee die Bergungspumpen losgerissen und der Maschinenkasten zertrümmert wurden. Nach mehrstündiger Schleppfahrt in den Hafen ge­ bracht. Gefahr des Dampfers sehr groß, da Strandung unmittelbar bevorstand. Großer Eifer und schleunige Bereitschaft des Retters. Dauer des Gesamtrettungswerks: 6 Stunden. Mühe­ volle und für die Mannschaft gefährliche Arbeit in schwerer See und Gefahr des Überbordgespült­ werdens, des Kenterns und treibender Minen. Großer Sachschaden des Retters. Gerettete Werte: etwa 1 y2 Mill. M. Wert des Retters etwa: 600000 M. Hilfslohn: 70000 M. (SeeschG. Fall „Portinglis"). 100. Dampfer bei Brunshausen auf Grund geraten. Zwei große und ein kleiner Schlepper versuchen erfolglos Abschleppung. Bergungsdampfer mit starker Maschine beteiligt sich an der Rettung, worauf der kleine Schlepper entlassen wurde. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen gelang Abschleppen durch beständiges Hin- und Herziehen des gestrandeten Schiffes unter forcierter Schraubendrehung desselben. Schwere Seenot des gestrandeten Schiffes, da volle Raumladung und Deckladung (Holz) ein Nachgeben der Schiffsverbände und Durchbrechen begünstigten. Be­ sondere Schwere der Schiffsenden und Aufliegen in der Mitte. Fortspülen des Sandes an den Schiffsenden. Ableichterung nicht mehr rechtzeitig vor Eintritt kritischer Situationen durchführ­ bar. Durch eifrige Arbeit der Retter Totalverlust verhindert. Dauer des Rettungswerks: über 24 Stunden. Kollisionsgefahr und starke Abnutzung der Schlepper. Gerettete Werte: ca. 7000000 M. Wert der Retter: etwa 1 V* Mill. M. Gesamtbesatzung der Retter: 28 Personen. Hilfslohn für die drei großen Schlepper: 90000 M.; für die Mitarbeit des kleinen Schleppers: 1000 M. (SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried").

Anm. 41.

Von weiteren, in der HansGZ. veröffentlichten Hilsslohnfällen seien noch folgende angeführt: 2000 M. Hbl. 1900 Nr. 17: Kahn. 550 Nr. 18: Kahn. 150 Nr. 134: Kahn.

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MII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

1001 Nr. 1902 Nr.

6: Fall „Mathilde" 5: Fall „Ellewvutsdyl" Nr. 104: Kahn........................................................

1903 1904

1905 1907

Nr. 114: Nr. 119: Nr. 124: Nr. 47: Nr. 54: Nr. 116: Nr. 6: -Nr. 60: Nr. 97: Nr. 104:

Kahn........................................................ Fall „Heinrich Horn" Schute Fall „Domingo de Larriuaga". . . . Fall „Pera" Fall „Kong Trygve" Fall „Solo" Fall „Parchim" Fall „Bielefeld" Fall „Eider"

3000 M. 58000 „ 1600 „

700 7500 2000 300000 17000 18000 100000 17000 60000 100000

8 744. Anm. 41

„ „ „ „ „ .. „ „ „ „

1908 Nr. 71: Schute....................................................

1909

1910

1911

1912

1913

Nr. 121: Nr- 9; Nr. 22: Nr- 18: Nr. 110: Nr. 111: Nr. 10: Nr. 91: Nr. 135: Nr. 41: Nr-108: Nr. 32: Nr. 45: Nr. 49: Nr. 83: Nr- 95: Nr. 145:

1200 „ Fall „City of Dortmund" 25000 Full „Suba" 65000 „ Kahn 300 „ Fall „Hamburg" 9000 „ Fall „Taormina" 5000 ,, Fall „Borkum" 6000 Fall „Mercur" 9000 Kahn 500 , Fall „Hedwig Hcidmann" 12000 „ Fischdampfer 18000 Kastenschute 200 Leichter 350 .. Leichter 700 .. Fall „Düsseldorf" 30000 Fall „Falke" 1800 Fischdampfer 17500 „ Kahn........................................................ 2000 „

Nr. (2,139 7: Fall 1000 „ Vgl. auch die bei1914 Brandis ff.)„Hebe" und Mittelstein (Handb. 392: Rettung in Häfen und Binnen­ Nr. Enscheidungen 44: Kahn........................................................ 750„Cette"): .. gewässern) angeführten und die Urteile des SeeschG. (Fall 25000 M.; Nr. HO: FallKilling"): „Beownlf" 4500 (Fall .. vom 24. Mai 1919 (Fall „Albert 36000M.; vom 10. Juni 1919 „Habsburg"): Nr. 120: Kahn1920, ......................................................... 1500., 175000 M.; HansOLG. HansRZ. 317: 205000 M. (unter Berücksichtigung der Valuta 1915 Währung Nr. 111: zu Fall „Silvia" des in französischer zahlenden Betrages von 100000 M. —24000 125000„ Fr.); HansOLG.

HansRZ. 1920, 323: 1500 M.

§ 745.

§ 745

Bei der Bestimmung des Betrags des Berge- oder Hilfslohns kommen insbesondere in Anschlag: der erzielte Erfolg, die Anstrengungen und Verdienste der tätig ge­ wesenen Personen, die Gefahr, die dem geborgenen oder geretteten Schiffe und den darauf befindlichen Personen oder Sachen gedroht hat, die Gefahr, welcher die an der Bergung oder Rettung Beteiligten Gchaps, Seerecht. 2, Nufl.

58

914 8 745.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

sich und ihre Fahrzeuge ausgesetzt haben, die verwendete Zeit, die entstandenen Kosten und Schäden, die Gefahr einer Haftung oder anderer Nachteile, der sich die an der Bergung oder Rettung Be­ teiligten unterzogen haben, der wert des von ihnen in Gefahr ge­ brachten Materials, gegebenenfalls auch die besondere Zweckbestimrnung des bergenden oder rettenden Schiffes. Der wert der geborgenen oder geretteten Gegenstände, mit Einschluß des erhalten gebliebenen Anspruchs auf Fracht- und Überfahrtsgelder, ist nur an zweiter Stelle zu berücksichtigen. Auf die im § 744 Abs. 2 vorgesehene Verteilung finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung.

Anm. 1. I. § 745 beruht auf Art. 8 Abs. 2 u. 3 des JÜS. uud entspricht dem früheren § 744, welcher lautete:

Bei der Bestimmung des Betrags des Berge- oder Hilfslohns kommen insbesondere in Anschlag der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die geleisteten Dienste, die ge­ schehenen Aufwendungen, die Zahl der tätig gewesenen Personen, die Gefahr, der sie ihre Person und ihre Fahrzeuge unterzogen haben, sowie die Gefahr, die den geborgenen oder geretteten Gegenständen gedroht hat, und der nach Abzug der Kosten (§ 743 Abs. 2) verbliebene Wert der letzteren. Neu ist hiernach in § 745 die Anführung: des Erfolges, der Gefahr einer Haftung oder anderer Nachteile, des Werts des in Gefahr gebrachten Materials. Dagegen fehlt die Er­ wähnung der Zahl der tätig gewordenen Personen. An Stelle der „geschehenen Aufwen­ dungen" sind „Kosten und Schäden", an Stelle des „bewiesenen Eifers" und der „geleisteten Dienste" sind die „Anstrengungen und Verdienste" getreten.

Anm. 2. II. Umstände, welche bei der Festsetzung des Berge- und Hilfslohns zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift ist gegeben für den Fall der in Ermangelung einer Vereinbarung erfolgenden Festsetzung (8 744); das schließt aber nicht aus, daß sie auch bei der Herab­ setzung der vereinbarten Vergütung auf das den Umständen entsprechende Maß (§ 747) dem Richter Anhaltspunkte zu gewähren hat (NG. Hbl. 1891, 150 Nr. 54; HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 66; 1902 Nr. 5). Darüber, ob sich der Richter auf den Standpunkt der Kontrahenten zur Zeit des Vertragsschlusses zu stellen hat, vgl. § 747 Anm. 34. Die in § 745 aufgeführten Umstände „kommen in Anschlag", d. h. sie sind bei der Bewertung der Berge- oder Hilfs­ dienste zu berücksichtigen. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß nun jeder einzelne dieser Punkte bei jeder Entscheidung geprüft werden muß. Anm. 3. Die tatsächliche Feststellung der Umstände des § 745 ist im allgemeinen dem Revisionsangriff entzogen (RG. Hbl. 1905 Nr. 42). Doch sind Ausnahmen möglich, z. B. hinsichtlich der Gefahr einer Haftung, welche ja ohne Anwendung einer Rechtsnorm nicht feststellbar ist; ferner hinsichtlich des Kausalzusammenhangs bei Schäden des Retters. Vgl. RG. IW. 1911, 579 Nr. 17.

1. Die vom Gesetz aufgezählten Umstände:

Anm. 4. a) Der erzielte Erfolg. Die Tatsache des Erfolges ist bereits nach § 741 Voraussetzung des Lohnanspruchs. Hier dagegen handelt es sich um die graduelle Abstufung des Erfolges (außergewöhnlicher, großer, teilweiser, mäßiger, geringer Erfolg), deren Vornahme durch den Richter sich jeder Schematisierung entzieht (vgl. die Beispiele im Anh. zu § 744 Anm. 39, 40). Die Vergleichung der Anfangssituation mit der Endsituation ergibt die Größe des Erfolges, von der absolut-sachlichen Seite gesehen. Die relativ-persönliche Seite des Er­ folges zeigt sich in der Vergleichung des tatsächlich Erreichten mit dem nach Lage der Sache Erreichbaren: je geringer die Differenz, um so größer die Leistung, d. h. der persönliche

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

915

Erfolg des Retters. Ohne Rücksicht auf die tatsächlich eingetretenen Schädigungen bedeutet 8 745. hiernach „voller Erfolg": den nach Lage der Sache überhaupt erreichbaren Erfolg, z. B. SeeschG. vom 1. Dez. 1919 (Fall „Cette"). Die Bergung eines treibenden Kahns in schwerem Wetter durch einige Schiffer ohne besondere Hilfsmittel ist als subjektiver Erfolg (Leistung) unter Umständen höher zu bewerten, als die Bergung eines großen Dampfers durch mehrere Bergungsdampfer mit allen technischen Hilfsmitteln und zahlreicher Mannschaft. Die Bewertung des Erfolges ist nur unter Berücksichtigung der übrigen in § 745 auf­ geführten Momente möglich.*) Dazu treten aber noch die weiterhin in Betracht zu ziehenden Umstände (s. u. Anm. 37). Der Erfolg muß erzielt sein, d. h. durch Leistungen bewirkt. Wird ein ausgelaufenesAnm. 5. Schiff mit der Flut von selbst flott, oder wird ein Segler vor der Strandung dadurch bewahrt, daß der Wind umspringt, so ist der Erfolg nicht durch den Retter erzielt, sondern ist — unabhängig von seiner Tätigkeit — eingetreten. Zum mindesten aber ist sein subjektiver Erfolg durch die günstigen Umstände verringert, wenn auch der objektiv-sachliche Erfolg gerade dadurch vergrößert sein kann, daß das Schiff der gefährlichsten Situation entgangen ist. Hier spielt der Gefahrbegrisf in den Erfolgsbegriff hinein (s. u.). Vgl. hierzu HansOLG. Hbl. 1915 Nr. 112; SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 72; vgl. auch Anm. 17 zu § 740, § 741.

b) Anstrengungen und Verdienste. Es handelt sich hier um die Art und Weise der Betätigung Anm. 6. des Retters bei Aufwendung körperlicher und seelischer Kräfte. a) Anstrengungen, d. h. körperliche Leistungen. Nicht nur körperliche KraftleistungenAnm. 7. sondern auch Dauerleistungen gehören hierher, z. B. Arbeit Tag und Nacht, bei schweren: Wetter, großer Kälte, mangelhafter Verpflegung (vgl. z. B. SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen"; vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"). ß) Verdienste. Diese können körperlicher Natur sein (Herstellung einer VerbindungAnm. 8. mit dem Schiff durch Hinüberschwimmen, schleunige Feststellung der Lage des ausgelaufenen Schiffes durch Tauchen). Gewöhnlich bestehen die Verdienste aber in psychischen Maximalleistungen: Erfassen der Situation, zähes Durchführen eines Plans trotz mehrfachen Mißlingens (HansOLG. Hbl. 1915 Nr. 112); Energie und Überlegung (SttandA. Hamburg Hbl. 1919 Nr. 9); Aufrechterhaltung der Disziplin bei meuternder Mannschaft, Übernahme

eines großen persönlichen Risikos, Ersinnen besonders zweckmäßiger, dem Einzelfall an* gepaßter Methoden (HansOLG. Hbl. 1911 M. 103); Geschick und spezielle Sachkunde (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 87); Bravour (absichtliches Aufdenstrandlaufen zwecks Herstellung einer Verbindung: HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 110); besondere Umsicht bei der Schleppfahrt, wenn das notleidende Schiff nicht steuerfähig ist (LG. Hamburg Hbl. 1913 Nr. 49); praktische Verwendung der Hilfsmittel (Ausspülung einer Fahrrinne durch Schraubendrehung: SeeschG. vom 4. Nov. 1916: Fall „Jupiter"; vom 29. Juli 1914: Fall „Herbert Horn"); mühevolle Herstellung einer Schleppverbindung bei schwerem Sturm (SeeschG.: Fall „Portinglis"); sofortige Bereitwilligkeit und schleunige Inangriffnahme des Rettungswerks (SeeschG. vom 1. 12. 1919: Fall „Cette"; vom 21. März 1919: Fall „Mars"). Ins­ besondere gehört hierher der im früheren § 744 besonders erwähnte „bewiesene Eifer", welcher allerdings dort, wo berufsmäßige Berger mit Spezialfahrzeugen arbeiten, weniger ins Gewicht fällt (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 18; 1907 Nr. 95; SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58: Fall „Mera"). Übereifer wird kaum jemals mindernd auf den Lohn wirken (vgl. SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"), wohl aber die Heranschaffung zweifellos unnötiger Schiffe, Materialien und Menschen in der Absicht unredlicher Lohnsteigerung. Kein Mangel an Eifer ist darin zu erblicken, daß der Retter nicht sofort eine Anzahl Schauerleute mit­ bringt, sofern er sich darauf verlassen kann, sie jederzeit und schnell heranholen zu können (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 30), oder daß er am Abend fortfährt (weil seine Anwesenheit nutzlos war) und erst am Morgen wieder erscheint (LG. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 31). *) Vgl. SeeschG. vom 24. Mai 1919 (Fall „Albert Killing")- „glatter, rascher, vollständiger Erfolg."

91G § 745. Anm. S.

Anm. 10.

Anm. 11.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot

Ein besonderes Verdienst ist zu entnehmen dort, wo eine öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Verpflichtung, sich dem Rettungswerk zu unterziehen, nicht gegeben ist (vgl. § 740 Anm. 23), aus dem Entschluß, die Rettung auszuführen, und zwar in um so höherem Maße, als dieser Entschluß nicht durch egoistische Motive diktiert ist; ferner aus der Umsicht, mit der die Rettung ausgeführt wird, und dem betätigten Interesse an der Er­ zielung eines günstigen Erfolges (Burchard 259), aus dem gezeigten persönlichen Mut und der Opferwilligkeit der Retter (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 86), endlich aus der Schnellig­ keit der Hilfsleistung (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 54). Vgl. Anm. 20 ff. y) Die Leistungen des Retters, in deren Verlauf die Anstrengungen und Verdienste hervortreten, können von verschiedenster Art sein (vgl. die bei Burchard 264 ff. abgedruckte Aufstellung aus Kennedy, A treatise on the Law of Civil Salvage 1891, HO,1) von der aber nicht sämtliche Kategorien für das deutsche Recht in Frage kommen). Ein Dampfer, welcher den Leiter der Rettungsarbeiten heranbringt und als Depeschenboot dient, hat bei der Rettung mitgewirkt und Lohn verdient (StrandA. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 97). In Be­ tracht zu ziehen ist weniger der absolute Wert der Dienste als ihr relativer Wert im Einzelfalle (vgl. HansOLG. Hbl. 1881, 331 Nr. 105). Maßgebend sind nur die Leistungen „der tätig gewesenen Personen", also nur derjenigen, welche bei dem Rettungswerk selbst nütwirkten. Die disponierende Tätigkeit in dem Bureau einer Bergungsgesellschaft kann nur indirekt dadurch bewertet werden, daß die geleisteten Dienste durch sie besonders beschleunigt oder durch Verwendung vieles Materials und Personals intensiviert wurden.

Anm. 12. c) Die Gefahr, welche dem geborgenen oder geretteten Schiffe und den darauf befindlichen Personen2) 3oder 4 5 Sachen gedroht hat?) Es handelt sich um die größere oder geringere Wahr­ scheinlichkeit eines ohne die Hilfe eintretenden Verlusts?) nicht, wie Burchard (272) annimmt, um die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der Rettung?) Das prius ist die Gefahr, das posterius die Rettung: die Größe der ersteren ist ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeiten der letzteren zu schätzen. Beide Wahrscheinlichkeiten decken sich nicht: bei gleich großer Berlustgefahr sann die Wahrscheinlichkeit des Rettungserfolgs je nach der Qualität des Retters oder seines Fahrzeugs eine verschiedene sein. — Über die für die Be-

Anm. 13.

nrteilung der Gefahr nlaßgebende Sachlage gilt das zu § 740 Anm. 5 ff. Gesagte. Im einzelnen ist zu bemerken: Leistet ein Schlepper dem von ihm geschleppten Schiff Hilfe (§ 742 Abs. 3), so ist der Umstand, daß der Schlepper in der Nähe war, bei Be­ messung der Gefahr nicht zu berücksichtigen (RG. Hbl. 1914 Nr. 29— LZ. 1914, 682; teil­ weise anders HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 75). Die Gefahr ist besonders hoch zu be­ messen, wenn die Unfallstelle außerhalb des Verkehrs liegt (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 41), oder der Grund, auf dem das Schiff festgelaufen ist, Mahlsand ist (Kratzsand in der Elbe, HansOLG. Hbl. 1915 Nr. 111; SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 64; HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 146) oder die Gefahr der Unterspülung besteht (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 40; 1908 Nr. 85; 1909 'Nr. 146; 1910 Nr. 105; 1911 Nr. 10, 78; SeeschG. vom 21. Mai 1918: Fall „Herbert Horn"). Die Gefahr kann ferner darin bestehen, daß das Schiff in Gegenden getrieben wird, wo schwere Stürme herrschen (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 16); daß Wasser in ein, durch eine 1) Vgl. auch Schülke 97 f. 2) Der frühere § 744 hatte die Personengefahr nicht mit aufgeführt. Vgl- jedoch HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 63; RG. Seuff. 50 Nr. 35; dagegen HG- und OG. Hamburg Hbl. 1875 Nr. 97. 3) Und zwar objektiv. Die persönliche Ansicht der am Rettungswerk Beteiligten ist nicht maß­ gebend (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 140); über Verschiedenheit der Gefahr für Schiff und Ladung vgl. Kennedy 136. 4) Daneben kann aber auch der Umfang des zu gewärtigenden Verlustes berücksichtigt werden. So ist der zu befürchtende Totalverlust ein gefahrerhöhender Umstand, trotzdem er an sich mit dem Wahrscheinlichkeitsmoment des Verlustes überhaupt nichts zu tun hat (vgl. z. B. SeeschG. vom 13. Mai 1919; Fall „Winfried"). 5) Vgl. hierzu auch SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58.

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vorangegaugene Kollision geschaffenes Loch über der Wasserlinie (beim Überholen) eindringt ß 745.

(HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 125); daß ein auf eine Mine geratenes Schiff auf weitere Minen des Minenfeldes treibt (SeeschG. vom 10. Juni 1919: Fall „Habsburg"); daß ein gestrandetes Schiff durch Wind und See weiter auf steinigen Grund gedrängt wird (SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"); daß ein ausgelaufenes Fahrzeug, welches Schlagseite hat, infolge un­ genügenden Auftriebs bei steigendem Wasser volläuft (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 145); daß die Mannschaft des treibenden Schiffes erschöpft ist (SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"); daß die Schotten des lecken Schiffes nicht standhalten, so daß der Maschinenraum überflutet wird (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 97; SeeschG. vom 4. Okt. 1917: Fall „Clydevalley"); daß Eismassen gegen das Schiff drängen (Burchard 53 ff.; HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 10: 1908 Nr. 24; SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 143); Minengefahr (SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"; Hbl. 1915 Nr. 125: Fall „Pass of Balmaha“); erschwerte Zugänglichkeit des Unfallorts infolge einer vorgelagerten Barre (StrandA. Hamburg Hbl. 1911 Nr. 71); Fest­ sitzen auf einem Wrack (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 89); Auflaufen in starker Brandung bei ungünstigen Windverhältnissen (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 103); Verlieren der Schraube und Wellenbruch (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 125); Unbrauchbarkeit der Maschine infolge Eindringens von Sand in den Kondensator (StrandA. Ritzebüttel Hbl. 1908 Nr. 121); Fest­ laufen bei diesigem Wetter an einer Stelle, wo die Möglichkeit besteht, von anderen Schiffen angerannt zu werden (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 30); Festlaufen auf hartem Grund, wo die Gefahr des Durchbrechens oder Begebens besteht (HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 85; 1907 Nr. 34, 95, 97; 1906 Nr. 142); Manövrierunsähigkeit und starke Schlagseite (StrandA. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 104); Gefahr, im Falle des Sinkens von der Stromverwaltung zur Beseitigung des Hindernisses im Fahrwasser (kostspielige Hebung) angehalten zu werden (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 90); Gefahr des Durchnässens und Verderbens wertvoller Ladung (SeeschG. vom 4. Nov. 1916: Fall „Jupiter"); des Versandens des Schiffes und der Maschine (ibid.); Gefahr, infolge starken Sturmes zu stranden (SeeschG.: Fall „Portinglis"). Gefahrmindernd kann die leichte Erreichbarkeit einer Telegraphenstation zwecks Herbeiholung von Hilfe in Frage kommen (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 63); oder die Nähe anderer Schiffe, welche die­ selben Dienste hätten leisten können (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 47, 60). Keine Gefahr ist bloßer Kohlenmangel, sofern er lediglich zur Folge hat, daß das Schiff seine Fahrt unter­ brechen muß (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1904 Nr. 138). Über Personengefahr*) vgl. Aum. 12

Note und HansOLG. Hbl. 1916 Nr. 108. BeweiSpflichlig für eine besondere Höhe der Gefahr ist der Retter (HansOLG. Hbl. Anm. 14. 1912 Nr. 151); da ihm jedoch bereits die Substanziierung der Seenot gemäß § 740 obliegt, wird er nur in Ausnahmefällen noch weitere $11^’0)111119611 über die nautische Gefahrlage zu machen brauchen.

d) Die Gefahr, der die Retter ihre Person und ihre Fahrzeuge unterzogen haben. Mit Recht Anm. 15. wird -dieses Moment in der Praxis als besonders wesentlich für die Bemessung der Vergütung angesehen (ROHG. 9,415 Nr. 113; HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 105; vgl. 1887 Nr. 1; 1898 Nr. 36). In Betracht kommt nicht nur Personengefahr (vgl. SeeschG.: Fall „Portinglis"), sondern auch Sachgefahr, insbesondere die Gefahr der Überanstrengung der Maschine des rettenden Fahrzeugs, die Gefahr des Verlusts wertvoller Gerätschaften (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 17) und die Gefahr von Zusammenstößen oder Strandung (ROHG. 24 Nr. 99; HansOLG. Hbl. 1893 Nr. 18; 1913 Nr. 126; 1916 Nr. 108; SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"); des Auflaufens auf Klippen, welche in den Seekarten nicht verzeichnet sind (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137); des Kenterns (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 97; SeeschG.: Fall „Portinglis"); die Gefahr des Durchfahrens einer Minensperre (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137); oder eines *) Auch Gefahr für die Besatzung gehört hierher (vgl. Anhang Art. 6). In allen Fällen aber ist die Gefahr für alle an Bord befindlichen Personen einheitlich festzustellen. Individuelle Momente (z. B. schwere Krankheit eines Passagiers, welcher ärztliche Hilfe entbehren muß) können nicht be­ rücksichtigt werden.

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§ 745.

Minenfeldes (SeeschG. vom 10. Juni 1919: Fall „Habsburg"). Soweit die Gefahr vom Netter selbst verschuldet ist, ist sie bei Bemessung des Lohns nicht zu berücksichtigen (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 119). Vgl. dazu auch § 748 und § 742 Anm. 12.

Anm. 16.

Maßgebend ist bei der Festsetzung nach § 745 in erster Reihe die Gefahr, welche nach späterer objektiver Erkenntnis wirklich vorgelegen hat, wenn auch der subjektive Standpunkt der Beteiligten zur Zeit der Rettung nicht außer acht bleiben darf (HansOLG. Hbl. 1880 Nr. 117).1)

Anm. 17.

Nicht in Betracht kommt hier die Gefahr, in welche das zur Rettung benutzte Material (Anker, Trossen, Taue, Hölzer, Spieren, Ketten, Boote) gebracht wurde (anders anscheinend SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"). Denn soweit tatsächlich ein Schaden an ihnen eintritt, ist er bei Bemessung des Lohns zu berücksichtigen. Zwar gilt dies auch für Schäden am Fahrzeug, doch rechtfertigt das größere Risiko, welches mit der Beschädigung des Schiffes verbunden ist (Ausfälle an Verdienst, Zeitverlust und kostspielige Reparaturen; vgl. SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried"), eine besondere Gefahrprämie für das Schiff. Das gleiche gilt für Hilfsfahrzeuge (Leichter und Schuten), nicht aber für Beiboote, die zum Material zu rechnen sind. Indirekt wird die Gefahr der Materialschädigung durch Berücksichtigung der Werte, die in Gefahr gebracht werden, in Rechnung gezogen (s. unten h). Nicht berücksichtigt wird die gewöhnliche, mit Taucherarbeiten verbundene Per­ sonengefahr (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 87); dagegen die Gefahr, daß mehrere gleichzeitig am Abschleppen beteiligte Schlepper miteinander kollidieren (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 103; SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried"); Brandgefahr bei Rettung eines brennenden Schiffes (StrandA. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 99); besondere Gefährdung der Seitenrad­ dampfer bei Eisgang (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 142); Längsseitliegen des Pumpendampfers, wenn das notleidende Schiff starke Schlagseite hat und die See bewegt wird (StrandA. Ham­ burg Hbl. 1906 Nr. 40); ständiges Anlegen an ein stark rollendes, gestrandetes Schiff beim Bergen von Ladung (SeeschG. vom 16. März 1916: Fall „Rhein"); Gefahr des Verlustes der Schraube durch Anstoßen an Steine (SeeschG. vom 4. Nov. 1916: Fall „Jupiter"; vom 29. Juli 1916: Fall „Herbert Horn"), oder an Eisschollen (SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"). Über den Fall von Personengefahr auf feiten der Retter vgl. Schieds­ gericht Hbl. 1908 Nr. 110; SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen"; SeeschG.: Fall „Portinglis").

Anm. 18.

Zu berücksichtigen ist jedoch, daß ein gewisses Maß von Gefahr mit der Hilfs­ leistung stets verbunden ist (Schiedsgericht Hbl. 1906 Nr. 53; SeeschG. vom 20. Dez. 1918: Fall „Franziska"; StrandA. Hamburg Hbl. 1909 Nr. 9; HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 60); jedoch ist nicht nur die objektive Gefahr, sondern auch ihre subjektive Bewertung durch die Beteiligten zu berücksichtigen (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 137; 1909 Nr. 140), soweit diese Bewertung sich in den Grenzen der Vernunft und der seemännischen Anschauungsweise hält. Maßgebend ist hier lediglich die Beurteilung zur Zeit der Rettung, auf welche jedoch die^Prozeßbehauptungen der Parteien gewöhnlich keinen Rückschluß gestatten. Doch ist nicht erforder­ lich, daß die Gefahr voraussehbar gewesen ist:z. B. die Gefahr des Kenterns infolge ungeschickten Manövrierens des notleidenden Schiffes (SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars").

Anm. 19.

Der Retter muß das Fahrzeug in Gefahr bringen. Beteiligen sich an der Rettung andere, zwar dem Retter gehörige, aber von ihm vercharterte Fahrzeuge, so kommt bereit Wert nicht in Betracht (SeeschG. vom 30. Sept. 1917: Fall „Mars"). Benutzt andrerseits der Retter fremde Fahrzeuge, so ist das zu berücksichtigende Risiko des Schiffsschadens kein tat­ sächliches, sondern ein rechtliches und fällt unter den Gesichtspunkt der Haftungsgefahr (vgl. Anm. 31). x) über den Fall der Herabsetzung nach § 747 und den dabei maßgebenden Zeitpunkt vgl. § 747 Ann:. 34 f.

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e)

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Die verwendete Zeit, d. h. nicht bloß die auf die Rettungshandlung selbst verwendete Zeit, § 745. sondern die ganze Zeit, welche das Rettungswerk den Retter gekostet hat (HansOLG. Hbl. «nm. 20. 1900 Nr. 9; SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146). Nicht zu berücksichtigen ist diejenige Zeit, in welcher sich das rettende Schiff nur bereit gehalten, die Rettung aber noch nicht in Angriff genommen hat (SeeschG.: Fall „Alma"), wohl aber die Rückfahrtszeit (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 83) und, falls der Retter zur Unfallstelle gerufen wurde, auch die Hinfahrtszeit (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 45, 83; 1911 Nr. 103; 1912 Nr. 151; SeeschG. vom 20. Dez. 1918: Fall „Fran­ ziska" ; vom 21. Mai 1918: Fall „Herbert Horn"; vom 1. Dez. 1919: Fall „Emma"; Hbl. 1915 Nr. 126: Fall „Pass of Balmaha“; 1917 Nr. 58: Fall „Mera"). Bringt aber die Retümgshandlung auch das rettende Schiff in seiner Fahrt weiter, Anm. 21. nimmt dasselbe z. B. ein notleidendes Schiff, das die gleiche Fahrtrichtung verfolgt, ins Schlepptau, so kommt mir diejenige Zeit in Betracht, welche ohne die Rettungstätigkeit nicht aufgewendet sein würde (vgl. den Fall Hbl. 1877 Nr. 63; Burchard 261; Tambacopoulos 96). Die etwa in größerem Maßstabe, als erforderlich gewesen wäre, verwendete Zeit hat nicht, wie Burchard (261 ff.) will, unbedingt, sondern nur daun unberücksichtigt zu bleiben, wenn die Mehrverwendung auf Verschulden des Retters beruht?) Auch dann verdient der Zeit­ verlust keine Berücksichtigung, wenn das rettende Schiff unter der Charter des Reeders des geretteten stand, dieseni also seine Zeit zur Verfügung zu halten hatte (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 86); wohl aber, wenn es an bestimmte Ankunfts- und Abfahrtsdaten gebunden ist (SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 72), oder wenn es zwar zur Hilfsleistung für verschiedene in Seenot befindliche Schiffe auslief, seine Tätigkeit aber schließlich nur einem derselben zugute kam (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146). Unerheblich ist es, ob der Retter die ganze Zeit hindurch ge­ arbeitet oder nur mit Unterbrechungen (z. B. wegen der Ebbe) tätig war (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 18; LG. Hamburg Hbl. 1904 Nr. 116), oder ob er nach anfänglicher Zurückweisung seiner Hilfe sich in der Nähe hielt und später doch herangezogen wurde (StrandA. Haniburg Hbl. 1907 Nr. 104; HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 86). Die Zeit, welche der Retter braucht, um nach der Rettung die vom notleidenden Schiff übernommene Ladung im Hafen zu löschens) ist für die Rettung aufgewendet (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 47); ebenso die Zeit, in welcher erfolglose Abschleppversuche gemacht werden, wenn nur durch die spätere Ableichterung der Erfolg erzielt wird, daß die Gefahr des Durchbrechens aufhört. Denn auf die Beseitigung derselben Gefahr bezogen sich die Abschleppversnche. Ein solcher Versuch nach der Leichterung ist aber nicht zu berücksichtigen (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 142); gerät das reitende Schiff infolge der Verzögerung der Reise später in ungünstiges Wetter, so ist der dadurch eintretende Zeitverlust nicht zu berücksichtigen (mangelnde Adäquatheit des Kausalverlaufs; vgl. Hans­ OLG. Hbl. 1907 dir. 67; § 735 Anm. 36 ff.). Die verwendete Zeit wird vor allem deswegen berücksichtigt, weil sie im Zweifel eine Anm. 22. Vermögens- (nämlich Erwerbs-) Einbuße des Retters bedeutet. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, daß der Nachweis mangelnder Erwerbseinbuße (den natürlich der Hilfslohn­ pflichtige zu führen hätte) nun die Berücksichtigung der Zeit völlig ausschließt?) Denn diese Zeit spielt indirekt eine Rolle auch bei dem Gesichtspunkt der Anstrengungen und Verdienste, der Gefahr für beide Beteiligten (der Schiffe, Personen, des Materials und der Haftungs­ gefahr). Je länger diese Momente wirksam sind, um so mehr müssen sie naturgemäß berück­ sichtigt werden (vgl. dazu auch SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fäll „Albert Killing"). Daß die besonders kurze Dauer der Tätigkeit mindernd auf den Hilfs-Anm. 23. lohn wirkt (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 146), ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig?) Sie wirkt mindernd, wenn sie wegen der Sachlage möglich war. Sie wirkt aber erhöhend, wenn sie trotz der Sachlage ermöglicht wurde. Im allgemeinen 2) 2) 3) 4)

Ebenso Tambacopoulos 97. Oder zu klarieren. SeeschG. vom 21. Okt. 1918 (Fall „Hertha"). So Burchard 262; Tambacopoulos 97. Vgl. Brandis 2, 137.

920 § 745.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

ist die Dauer der Rettung weniger wesentlich, als eine schnelle und energische Tätigkeit (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 54; 1910 Nr. 18). Über das Verhältnis von Leistung und Zeit

vgl. auch HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 146. Annr. 24.

Daraus, daß infolge der Spezialeinrichtung der Bergungsschiffe eine schnellere Durchführung der Hilfsleistung möglich ist, kann kein Einwand gegen die höhere Bemessung des Lohns hergeleitet werden (HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 86). Denn diese höhere Bewertung der Dienste (vgl. Anm. 34) beruht nicht nur auf Gründen der Schnelligkeit, sondern auch der größeren Aussicht auf Erfolg und der kostspieligen Unterhaltung solcher Schiffe.

Anm. 25. f) Die entstandenen Schaden*) und Kosten. oc) Schäden. Hierzu gehören Schäden, die sich das rettende Schiff bei der Hilfsleistung oder durch dieselbe zugezogen hat (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1895 Nr. 47; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 118; HansRZ. 1920, 319; anders HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 17), in erster Reihe die sehr häufigen Schäden und Verluste an Material (s. o. unter d); besonders starke Anstrengung der Maschine (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 16); Maschinenschaden durch forciertes Arbeiten, Brechen von Trossen (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 63); Beschädigung der Schraube, Grundstoß, Geraten auf den eigenen Anker, Verlust von Anker und Kette (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 34); Abnutzung der Trossen (SeeschG.: Fall „Pionier"); fernere Beispiele: SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"; vom 30; Nov. 1917: Fall „Mars"; die regelmäßigen Betriebskosten und die Amortisation für Bergungsdampfer sind nicht als Schäden anzusehen (vgl. Brandis 2, 138 und unten Anm. 29). Ein besonderer An­ spruch auf Ersatz der Schäden ist nicht gegeben. Es liegt in dem aleatorischen Charakter der Bergung und Hilfsleistung begründet, daß der Unternehmer seine zur Rettung verwendeten Gegenstände in Gefahr bringt. Die Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Schäden in § 745 soll nur dem Vorbeugen, daß die Vergütung ganz oder zum großen Teil durch die erlittenen Schäden aufgesogen wird.

Ist zunächst ein Schlepper ohne Erfolg tätig gewesen und sodann ein zweiter Schlepper desselben Eigentümers mit Erfolg, so kann der Schaden, den der erste Schlepper erlitten hat, bei Bemessung des Lohnes für den zweiten Schlepper berücksichtigt werden (Schiedsspruch im Fall „Aphrodite" Hbl. 1906 Nr. 53). Wird ein erlittener Schaden be­ rücksichtigt, so muß auch der Abzug neu für alt in Betracht gezogen werden (Schieds­ spruch a. a. O.; vgl. dazu auch Ortmann, Vorteilsausgleich beim Ersätze „alt durch neu" LZ. 1916, 1513 ff.). Eine kleinliche Nachprüfung der einzelnen Schadenspositionen ver­ bietet sich durch die arbiträre Natur der Lohnfestsetzung (vgl. HansOLG. HansRZ. 1920,319).

Anm. 26.

Zu berücksichtigen ist auch der während der aufgewendeten Zeit entgangene Ver­ dienst (LG. Hamburg Hbl. 1911 Nr. 100; HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 24), welcher unter

Heranziehung des im Frachtverträge ausbedungenen Liegegeldes festgesetzt werden kann (vgl. SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"), oder unter Heranziehung des durchschnitt­ lichen Ergebnisses einer Fischreise (SeeschG. vom 11. Juli 1917: Fall „Pallas"). Vgl. auch Anm. 22. Man wird unbedenklich die Grundsätze des § 252 BGB.,2) welcher an sich nur für Schadensersatzansprüche gilt, hier analog verwenden können. Ein Schaden, den der Schlepper auf der Rückfahrt erleidet, kommt nicht in Betracht (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 83). Anders, wenn der Schaden auf einer Fahrt erlitten wird, die der Retter noch während des Rettungswerks (z. B. zwecks Heranholung von weiterem Material usw.) unternimmt. x) Ob diese in den Hilfslohn eingerechnet oder im Tenor besonders ansgeworfen werden (vgl. z. B. SeeschG. vom 10. Juni 1919: Fall „Habsburg"), steht im Ermessen des Gerichts. Sie werden jedenfalls grundsätzlich in voller Höhe zu berücksichtigen sein. Doch kann sich eine Ausnahme aus § 254 BGB. ergeben (eigenes Verschulden des Retters). 2) Berücksichtigung des entgangenen Gewinns, sofern er nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

921

Voraussetzung ist jedoch stets, daß der Schaden nicht von dem RetterH 745. selbst verschuldet ist (vgl. Privy Council Hansa 1911, 588) und daß er nicht auf ZufallAnm. 27. beruht, so daß er mit dem Rettungswerk in keinem Zusammenhänge steht?) Geriet jedoch das rettende Schiff durch die Rettungstätigkeit selbst in Seenot und mußte es die Hilfe eines dritten Schiffes in Anspruch nehmen, so gehört der von ihm gezahlte Hilfslohn zu dem Schaden im Sinne des § 745 (vgl. LG. Hamburg Hbl. 1895 Nr. 47). Nicht ausgegeschlossen erscheint es, daß der Schaden des Retters auf einem Verschulden des not­ leidenden Schiffes beruht (z. B. Kollision infolge unvorsichtigen Manövrierens bei Herstellung der Schleppverbindung). Dann kann ein besonderer Schadensersatzanspruch neben dem Hilfslohn entstehen?) Wird dieser geltend gemacht, so ist bei Bemessung des Hilfslohns der Schaden nicht zu berücksichtigen; desgleichen nicht ein Schaden, der erst nach Beendigung des Hilfswerks eintrat, als sich das gerettete Schiff des Bergers zu weiteren, nicht notwendigen Maßnahmen bediente (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 83; HansRZ. 1920,319). ß) Kosten sind nur insoweit in Betracht zu ziehen, als sie tatsächlich mit demAnm. 28. Rettungswerk in ursächlichem Zusammenhang stehen. Die allgemeinen Ge­ schäfts- und Unterhaltungskosten der Bergungsgesellschaften werden durch erhöhte Löhne abgegolten (s. unten Anm. 34). Die laufenden Unkosten (Kohlen, Heuer, Verpflegung usw.) sind in BetrachtAnm. 29. zu ziehen, soweit sie in die für die Rettung aufgewendete Zeit entfallen3* )2 und das ge­ wöhnliche Maß übersteigen (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 47; 1917 Nr. 137; SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 72); oder wenn sich das helfende Schiff auf Station, d. h. zur Hilfsleistung parat hielt (NG. 51, 242; SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146); ebenso die erhöhten Kosten der Versichernug gegen Kriegsgefahr (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 125). Zu den Kosten gehören Vergütungen an Strandbewohner und die an einen unterbeteiligten Schlepper (SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 46; vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"). Ferner diejenigen der durch den Retter vorge­ nommenen Leichterung (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 10), insbesondere das Verbringen von Leichtern mit gelöschter Ladung in einen Hafen (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 103). Daß die Anzahl der Retter und ihrer Hilfsfahrzeuge (Leichter usw.) zu groß war, kann nicht ein­ gewendet werden, wenn die Vorsicht ihre Heranziehung gebot (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 30; 1908 Nr. 55); doch darf dieser Umstand nicht zum Nachteil des notleidenden Schiffes aus­ genutzt werden (StrandA. Ritzebüttel Hbl. 1908 Nr. 121). Kosten der Dockung oder eines gebotenen Arrestes sind zu berücksichtigen (SeeschG. vom 21. Okt. 1918: Fall „Hertha"), nicht aber die der Versicherung des Hilfslohnanspruchs (SeeschG. vom 11. Juli 1917: Fall „Pallas"). Die Kosteu- und Schadensaufstellung des Retters muß zugrunde gelegtAnm. 30. werden, solange sie nicht substanziiert bestritten wird (LG. Hamburg Hbl. 1911 Nr. 100). Wenn es sich um eine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung nach § 747 handelt, kann der Umstand, daß die Austvendungen und Verluste zur Zeit des Vertragsabschlusses entweder schon erfolgt waren oder von den Kontrahenten als wahrscheinlich vorauszusehen waren, nur von denselben Gesichtspunkten beurteilt werden, welche auch für die Lohn­ bemessung gelten (vgl. § 747 Anm. 34 f). g) Die Gefahr einer Haftung oder anderer Nachteile.

«) Eine Haftung kann z. B. in Frage kommen gegenüber den Seeleuten, wenn der Proviant infolge der verzögerten Reise nicht ausreicht und die Verpflegung daher ein*) Tambacopoulos 97. 2) Umgekehrt kann auch dem notleidenden Schiff ein Schadensersatzanspruch gegen den Berger erwachsen, wenn dieser schuldhaft mit ihm zusammenstößt (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 83). 3) Ausnahmen sind jedoch denkbar. Insbesondere werden nachträgliche Aufwendungen, welche durch die Hilfsleistung verursacht tvorbeu sind, zu berücksichtigen sein, z. B. die Beschaffung besonders teurer Ersatzkohle (vgl. Brandts 2, 138). Die bloße Vergütung des Werts der im Heimatshafen billig beschafften Kohlen würde der Billigkeit nicht entsprechen.

Anm. 31.

922 § 745.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

geschränkt werden muß. Vor allem aber kann eine Haftung aus der verzögerten An­ kunft im Bestimmungshafen drohen, sei es, daß leicht verderbliche Ware an Bord und eine Freizeichnung nicht erfolgt ist, sei es, daß die Güter zu einem bestimmten Zeitpunkt anzuliefern sind, oder daß die Passagiere einen Anschluß versäumen. Ferner gehört hierher die Gefahr, wegen Beschädigung einer Minensperre in Anspruch genommen zu werden (SeeschG.: Fall „Alma"). Die Übernahme einer Garantie durch das hilfeleistende Schiff, z. B. gegenüber einer Negierung beim Durchfahren einer Minensperre (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137); die Verwendung eines fremden Schiffes zur Rettung, wenn Schadens­ ersatzansprüche in Frage kommen (vgl. Anm. 19); die etwa vertraglich übernommene Pflicht des rettenden Schiffes gegenüber dem Reeder des hilfsbedürftigen Schiffes, für jeden Schaden aufzukommen,*) der dem letzteren durch die Rettungsarbeiten zugefiigt wird, oder für die Verschlechterung seiner Lage im Falle der Aufgabe des Rettungswerks (vgl. SeeschG.: Fall „Neptun"); oder die Unterbrechung einer Schleppreise durch den Schlepper, welcher einem Schiffe zu Hilfe eilt und seinen Anhang in gefährdeter Lage zurückläßt (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 54); oder die durch den Zeitverlust eingetretene Un­ möglichkeit, einen andern Vertrag einzuhalten (HansOLG. Hbl. 1885 Nr. 43). Aber auch durch die Rettungshandlung selbst kann die Gefahr einer Haftung entstehen, ins­ besondere gegenüber der Ladung des rettenden Schiffes. Z. B. die Abschleppung erfolgt an einer steinigen Küste, ivo der Retter (welcher eine wasserempfindliche Ladung hat) mit Bodenschaden rechnen muß, für dessen Folgen er den Ladungsinteressenten aufkommt.

Anm. 32.

ß) Als andere Nachteile kommen in Betracht: drohende Strafen wegen Übertretung Don Verordnungen (zeitweilige Sperrung des Fahrwassers, Ankern in Leitfeuerlinien oder in der Nähe von Kabeln): ferner das Risiko einer Kriegsgefahr (Befahren von Territorial­ gewässern; Gefahr, aufgebracht oder beschossen zu werden; Gefahr, in einen Kampf mit Seeräubern zu geraten, die das an entlegener Stelle gestrandete Schiff plündern wollen). Vgl. auch § 742 Anm. 12 a. E.

Anm. 33. h) Der Wert des in Gefahr gebrachten Materials. Bei diesem wird nicht die Gefahr als solche berücksichtigt (s. oben Anm. 15), sondern der Wert. Denn für das verwendete Material besteht bei fast jeder Rettung eine Gefahr (Bruch der Trossen und Taue, Verlust der Anker, Über­ anstrengung der Maschinen usw.). Der Wert braucht nicht im einzelnen fest gestellt zu werden. Ist eine größere Anzahl von Schleppern abwechselnd tätig gewesen, so sind ihre Werte nicht etwa zu addieren (SeeschG. vom 14. März 1919: Fall „Berlin"). Vgl. auch Anm. 46. — Die üblichen Ab­ schreibungen können bei der Wertbemessung berücksichtigt werden (SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"). Wenn die Angaben der Parteien über den Wert innerhalb nicht zu weiter Grenzen differieren, kann der Richter auch ohne besondere Beweiserhebung einen ange­ messenen Durchschnittswert zugrunde legen. Die Gefahr ist nicht für jedes einzelne Material­ stück besonders zu ermitteln. Es genügt die Teilnahme an dem Nettungswerk, mit welchem an sich die Gefahr verknüpft ist. Soweit der Netter nicht eigenes, sondern fremdes Material in Gefahr bringt, ist dieser Umstand aus dem Gesichtspunkt der Haftungsgefahr zu würdigen (vgl. Anm. 19 u. 31).

Anm. 31. i) Gegebenenfalls auch die besondere Zweckbestimmung des bergenden oder rettenden Schiffes?) Die Kosten der Erbauung, Ausrüstung und Unterhaltung von Spezialschiffen zur Bergung sind besonders hoch. Außerdem besteht für sie nicht immer ausreichende Ver­ wendungsmöglichkeit?) Infolge zeitweiligen Stilliegens bei gleichzeitiger Bereitschaft zu *) Vgl. auch § 742 9111111.12: Gefahr, sich Schadensersatzallsprüchen wegen verbotener Eigenmacht auszusetzen. 2) Ob die Mannschaft für Bergungszwecke besonders angeworben ist, ist belanglos (anders Voß Hansa 1910, 1307). 3) Immerhin kann berücksichtigt werden, daß sie vielfach auch zu anderen Diensten verwendet werden (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 34).

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenvt.

923

sofortigem Eingreifen (vgl. z. B. SeeschG. vom 30. Sept. 1917: Fall „Mars") sind die General- § 745. unkosten gewöhnlich sehr hoch.*) Andrerseits besteht ein starkes Interesse der Seeschiffahrt an der Existenzfähigkeit von Unternehmungen, die sich der Bergung und Hilfeleistung widmen. Aus diesen Gründen hat schon die frühere Judikatur (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 11; 1902 Nr. 5; 1903 Nr. 55; 1905 Nr. 24; 1907 Nr. 34; RG. 51 Nr. 57) die Gesamtunkosten repartiert und so die Löhne im Einzelfalle besonders hoch bemessen. In neuerer Zeit ist diese Tendenz noch stärker hervorgetreten (vgl. HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 10; 1910 Nr. 21,111; 1911 Nr. 78; 1912 Nr. 86; 1913 Nr. 49, 95; 1916 Nr. 108; 1917 Nr. 137; SeeschG. Fall „Pionier"; vom 29. Juli 1914: Fall „Herbert Horn"; vom 27. Juli 1916: Fall „Kypros"; Hbl. 1917 Nr. 58: Fall „Mera"; HansOLG. HansNZ. 1919, 531; SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried"; Sieveking 179). Die gleichen Erwägungen müssen zugunsten sonstiger Spezialfahrzeuge (Taucher-Anm. 35. glocken, Hebeschiffe, Pumpendampfer, Elevatoren usw.) Platz greifen. HansOLG. Hbl. 1912 Nr. 97 steht nicht entgegen, da es eben die Natur der Schlepper als Bergungsfahrzeuge, also als Spezialschiffe im konkreten Falle nicht für erwiesen hält (vgl. hierzu noch SeeschG. vom 4. Okt. 1917: Fall „Clydevalley").

2. Die vom Gesetz ansgeführten Momente können nicht in allen Fällen kumulativ berücksichtigt Anm. 36. werden: oft decken sie sich. So kann, soweit Aufwendungen des Retters in Beschädigungen seines Fahrzeugs bestehen, deren Berücksichtigung identisch seien mit derjenigen der Gefahren, denen er sein Fahrzeug ausgesetzt hat (Burchard 270 ff.; vgl. HG. Hamburg Hbl. 1871 Nr. 17; anders LG. Hamburg Hbl. 1895 Nr. 47, welches bei Berücksichtigung beider Momente eine doppelte Veranschlagung leugnet, da als gefährdeter Gegenstand „selbstverständlich" neben der Beschädigung nur der übriggebliebene Wert des hilfeleistenden Schiffes in Anschlag zu bringen sei). Die falsche Unterordnung eines zu berücksichtigenden Moments in eine der Kategorien des § 745 ist unschädlich (vgl. HansOLG. HansRZ. 1920, 319). 3. Die vom Gesetz aufgeführten Momente sind „insbesondere" in Anschlag zu bringen: die Anm. 37. Beachtung anderweitiger wichtiger Umstände des Einzelsalls ist also nicht ausgeschlossen.

Berücksichtigung verdient z. B. der Umstand, ob die Rettung in einer Gegend erfolgt ist, wo solche schwer zu erhalten ist (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 11; 1900 Nr. 9; RG. Hbl. 1905 Nr. 17 usw.); der Wert der,^der Gefahr ausgesetzten Ladung des rettenden Schiffes (HansOLG. Hbl. 1897 Nr.«66); der Mehraufwand der Retter für Kompletierung ihres Kohlenvorrats nach der Rettung (HansOLG. Hbl. 1886 Nr. 118); daß zwischen dem not­ leidenden und dem geretteten Schiff zur Zeit der Hilfsleistung bereits eine vertragliche Beziehung (Schleppverhältnis) bestand (HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 75; 1916 Nr. 108); ferner der gesunkene Geldwert (HansOLG. Hbl. 1916 Nr. 108; 1915 Nr. 87); die Mitwirkung eines von dem Reeder des notleidenden Schiffes eigens gecharterten Dampfers sdessen Charter jedoch mcf)t etwa als Teil des Hilfslohns anzusetzen und vom Gesamtbeträge abzuziehen toäte] (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137); die geringe Sicherheit für den Hilfslohn, indem die Reederei aus jedem ihrer Schiffe eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemacht hat, so daß im Falle des § 774 nur diese haftet (HansOLG.' ibid.); Vollendung von Ausbesserungsarbeiten im Hafen nach Aufhören der Seegefahr (SeeschG. Hbl. 1915 Nr. 87); schnelle Bereitschaft und Revierkundigkeit des Retters (SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 45); besondere Pumpenkraft des rettenden Fahrzeugs (SeeschG. Fall „Neptun"); Einräumung eines Rücktrittsrechts an den Reeder des zu bergenden Schiffes (SeeschG. ibid.); Milbringen eines Leichters für den Fall, daß eine Löschung nötig werden sollte (HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 130); willige Unterordnung und verständnisvolles Zusammenwirken (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 103); die moralische Wirkung der Anwesenheit des Retters auf die Besatzung des notleidenden Schiffes (Hans­ OLG. Hbl. 1911 Nr. 125); Auffinden desselben trotz Nebels durch Verfolgung der Notsignale (ibid.); besondere Maschinenstärke der Schlepper (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 18; 1908 Nr. 85); die von vornherein geringe oder große Aussicht auf Erfolg (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 110; 2) Zumal in Krlegszeiten (HansOLG. Hbl. 1919 Nr. 62; SeeschG. vom 14. März 1919: Fall „Berlin").

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VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 745.

1908 Nr. 55; 1907 Nr. 47, 60; SeeschG. vom 21. Mai 1918: Fall „Herbert Horn"; vom 14. März 1919: Fall „Berlin"); Schnelligkeit der Rettung eines Postdampfers, dessen Pünktlichkeit als besonders wertvoll gilt (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 140 sJnteresse der Reederei an Erhaltung ihres Renommees)); Rettung wasserempfindlicher Ladung (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 30, 60; 1904 Nr. 54); die verhütete Verschlechterung der Lage des notleidenden Schiffes bis zum Eingreifen anderer Retter (HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 60); Bringen der ersten Hilfe, welche unter Umständen besonders wertvoll ist StrA. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 99); der Umstand, daß die Rettung zum großen Teil auf die Mitwirkung von Leichtern zurück­ zuführen ist, welche bereits von dem geretteten Schiff besonders abgelohnt sind (HansOLG. Hbl. 1906 Nr. 142); daß der Schlepper, welcher durch sein Verschulden das geschleppte Schiff auf den Sand gesetzt hat, selbst ein Interesse daran hat, den entstandenen Schaden durch sofortige Hilfsleistung zu verringern (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 79); besonders hohe Betriebsunkosten infolge des Krieges (SeeschG. Fall „Pionier"); Mitarbeit der Mann­ schaft des notleidenden Schiffes (SeeschG. vom 16. März 1916: Fall „Rhein"; Hbl. 1917 Nr. 58: Fall „Mera"); oder Mitwirkung eines andern Schiffes, das sich (vorübergehend) mit Nettungswerk beteiligt (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58, 143); daß die Fahrzeuge der Retter gegen Beschädigung bei Hilfsleistungen nicht versichert sind (SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen"; HansOLG. Hbl. 1919 Nr. 62); hohe ortsübliche Hilfst oh ne in ausländischen Gewässern*) (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 58); Übernahme des letzten Teils der Rettung durch den Eigentümer des notleidenden Schiffes (NG. 69, 210); Schwierigkeit der Instandsetzung des Rettungsmaterials im Falle der Beschädigung (HansOLG. Hbl. 1919 Nr. 62); daß das rettende Schiff (auch ohne Spezialschiff zu sein) mit besonders starken Maschinen ausgerüstet ivar (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 18).

Anm. 38.

Gleichgültig ist, ob sich zur Zeit der Inangriffnahme des Nettungswerks ein anderes zur Rettung fähiges Schiff in der Nähe befunden hat, das sich tatsächlich passiv verhalten hat (HansOLG. Hbl. 1899 Nr. 55). Hat neben dem seinen Lohn verlangenden Schiffe ein zweites Schiff Hilfe geleistet, das gar keinen Lohn beansprucht, so ist der Lohn dem ersten Schiff selb­ ständig nach seinen Leistungen auszumessen, ohne daß die Beihilfe des zweiten Schiffes zu bewerten und ein Gesamtlohn für beide Schiffe festzustellen wäre (HansOLG. Hbl. 1901 Nr. 86).

Anm. 39.

Andrerseits mindert sich der Wert der Hilfsleistung, wenn nach getroffener Vereinbarung auch bei Mißlingen des Nettungswerks eine Vergütung zu zahlen ist. Denn auf diese Art wird das Risiko des Hilfswerks auf das notleidende Schiff abgewälzt. Dieser Gesichtspunkt ist insbesondere auch bei Anfechtung des Vertrages uach § 747 uud Herabsetzung des Lohns zu beachten (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 100).

Anm. 40.111. Abs. 2 des § 745 regelt die Berücksichtigung der geretteten Werte?)

1. Nach dem früheren § 744 wurden lediglich bei der Hilfsleistung die Werte der geretteten Gegen­ stände nach Abzug der in dem früheren § 743 Abs. 2 (jetzigen § 746) aufgeführten Kosten be­ rücksichtigt?) § 745 bringt eine Erweiterung nach drei Richtungen: Anm. 41. a) Die Vorschrift des § 745 Abs. 2 gilt im Gegensatz zu dem früheren Recht auch für den Fall der Bergung (vgl. Denkschr. zum JÜS. Art. 1, Anhang). Anm. 42. b) Es werden die in § 746 aufgeführten Kosten von dem Wert der geretteten Gegenstände nicht in Abzug gebracht. Diese Bestimmung rechtfertigt sich dadurch, daß solche Kosten mit dem Rettungswerk als solchen nicht in direkter Beziehung stehen, so daß es unbillig wäre,

*) Drei Hilfslohnfälle vom La Plata ibid. (Fall „Mera"); über besonders hohe Löhne in Dänemark vgl. Hansa 1911, 258. 2) Ane Zusammenstellung bewilligter Löhne in Prozentsätzen der geretteten Werte gibt Brandis 2, 139. Für das Binnenschiffahrtsrecht gilt die Einschränkung des § 745 nicht (vgl. Mittelstem Handb. 391). 3) Dgl. Sieveking 180.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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sie bei der Entlohnung des Nettungswerks zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde wird man § 745. auch vorgehende Schiffs- oder Ladungsgläubigerrechte bei der Wertfestsetzung nicht berücksichtigen. Sie würden nicht zu einem objektiven Warenwert führen (vgl. Anm. 43), sondern zu einem kaufmännischen Kalkulcttionswert?)

c) Nicht nur der Wert der geretteten Gegenstände, sondern auch die erhalten gebliebenen Ansprüche auf Fracht- und Uberfahrtgelder sind in Betracht zu ziehen. Diese sind zwar nicht sachlich, wohl aber rechtlich durch die Nettungstätigkeit erhalten worden 2. Der Wert der geretteten Gegenstände?) Maßgebend ist der Wert auf freienl Markt (SeeschG. Anm. 43. Fall „Pionier"), und zwar der objektive, gegenwärtige3*)2 Wert (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146 und vom 4. Ott. 1917: Fall„Clydevalley") am Ort und zur Zeit der beendeten Rettung, '.licht etwa der späteren Verwertung (OG. Hamburg Hbl. 1878 Nr. 96; Hans OLG. Hbl. 1917 Nr. 137; Schiedsgericht Hbl. 1908 Nr. 110). Demgemäß kommt der Wert des Schiffes in unrepariertem Zustande in Betracht (HallsOLG. Hbl. 1910 Nr. 111 (SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen"); war das gerettete Schiff vorher in Kollision gewesen, so ist derjenige Wert zugrunde zu legell, bcn es in havariertem Zilstande hatte, als das Hilfswerk beganll (HallsOLG. Hbl. 1909 Nr. 140). Der Betrag einer etlva vorgenonlmeliell Notreparatur ist abzuziehen, lvenn sie vor Ausnahlne der Taxe erfolgte (HansOLG. Hbl. 1917 Nr. 137). Nicht maßgebend ist der Versicherungswert4)5 (SeeschG. Dom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"-. Ebensowenig der in der Dispache zugrunde gelegte Wert (SeeschG. vorn 1. Dez. 1919: Fall „Cette"). — Über ben (abzulehnendell) Einfluß bestehender Schiffsgläubiger­ rechte auf die Wertbelllessung vgl. Anm. 41. Der Retter darf den Wert des geretteten Schiffes nach Beendigllllg des Reltungswerts abschäheil lassen und hastet, sofern er keine schuldhafte Verzögerung eintreten läßt, nicht für dell-durch die Zurückhaltulig verursachtell Schaden (SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"). Der Wert der Ladung, welcher sich gewöhnlich aus den vorgelegten Fakturen ergeben wird (vgl. SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"), ist danll nicht in voller Hohe zu berücksichtigen, weilll sie auch ohne die Nettungstätigkeit am Schiff hätte geborgell werden sönnen: Hvlzladung (vgl. SeeschG. vom 31. Mai 1919: Fall „Winfried"). 3. Dem Wert der geretteten Gegenstände sind die Fracht- und übersahrtgeldcrAnm. 44. stvelche nicht etlva selbst Gegenstand der Rettung finbö) (vgl. § 740 Anm. 21)] hinzuzu­ rechnen, soweit sie erhalten geblieben finb6) (vgl. z. B. SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"; Tambacopoulvs 43; vgl. hierzu Anln. die zu § 617). Die Judikatur hat diesen Grund­ satz bereits vor Jnkrafttretell des Ges. vom 7. Jan. 1913 befolgt. x) Es wäre unbillig, für den Fall des § 745 einen anderen als den reinen Sachwert zugrunde zu legen. Der Retter, dessen Lohnanspruch durch vorgehende Schiffsgläubigerrechte bereits in seiner Realisierbarkeit beeinträchtigt ist, würde obendrein noch eine Herabminderung der Lohnhöhe zu erwarten haben, wenn man die Schiffsgläubigerrechte hier als wertmindernde Faktoren einsehen würde. Soll die Arbeit des Retters geringer belvertet werden, weil das Schiffsvermogen mit Schulden belastet ist? Er trägt ja bereits das Risiko der Überschuldung desselben. 2) über den Einfluß des Krieges auf den Wert der Schiffe und die Frage der Berück­ sichtigung dieses außergewöhnlichen Mehrwerts vgl. SeeschG.- Fall „Pionier"; desgleichen Hbl. 1917 Nr. 146 (niedriger Wert des Geldes; vgl. dazu HansOLG. Hbl. 1916 Nr. 108; SeeschG. vom 30. Sept. 1918: Fall „Ziethen"; vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"). 3) Borübergehende Konjunkturschwankungen sind nicht voll in Rechnung zu setzen (SeeschG. Hbl. 1917 Nr. 146). 4) Evtl, aber der mögliche Versicherungswert auf Grund der Taxliste für Kaskoversicherung (SeeschG. vom 30. Nov. 1917: Fall „Mars"). 5) Das Brüsseler Übereinkommen II Art. 1 nimmt den entgegengesetzten Standpunkt ein (vgl. hierzu Mittelstem DIZ. 1912, 606; Tambacopoulvs 43). 6) Bei Beförderung auf Durchkonnossement ist nur die Fracht der betreffenden Teilreise, nicht die Gesamtfracht maßgebend (vgl. § 721 Anm. 3 ff. und die dort Zitierten).

926

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 745. 4. Diese Werte sind „nur an zweiter Stelle" zu berücksichtigend)

Anm. 45.

Nach dem früheren

§ 747 Satz 2 war auf die Werte „nur eine untergeordnete Rücksicht zu nehmen".2) Die Neu­ fassung lehnt sich an Art. 8b des JÜS. an. Vorschriften dieser Art werden der Praxis stets Schwierigkeiten bieten?) Eine einwandfreie und alle Fälle betreffende Auslegung ist nicht möglich. Nur das eine dürfte feststehen, daß ein mit den Werten in gleichem Verhältnis fort­ schreitendes Wachsen des Lohnes nicht zulässig erscheint. Z. B. würde es dem § 745 Abs. 2 widersprechen, wenn man den Lohn auf 50000 M. festsetzen würde, weil in einem ganz ähn­ lich liegenden Falle, bei dem es sich um einen, um die Hälfte niedrigeren Wert handelte,25000M. bewilligt worden waren. Keinesfalls darf die Berücksichtigung „an zweiter Stelle" dazu führen, daß ein als angemessen erachteter Hilfslohn noch besonders herabgesetzt wird (vgl. dazu SeeschG. vom 4. Nov. 1916: Fall „Jupiter").

Man wird Zweck und Inhalt deS § 745 Abs. 2 vielleicht dahin zusammenfassen können: a) Die Praxis soll daran gehindert werden, die Höhe des Lohnes und den Wert des Geretteten in irgendeine festbestimmte Beziehung zueinander zu setzen. Überschreiten die Werte jedoch eine gewisse Grenze, so wird ihr Einfluß gegenüber den sachlichen Leistungen mehr und mehr zurücktreten (vgl. auch Anm. 46 Note).

b) Die Festsetzung des Lohnes soll grundsätzlich nach den überwiegend sachlichen Momenten des § 745 Abs. 1 erfolgen, und der geldliche Gesichtspunkt des Wertes soll als Korrektiv insoweit eingreifen, als die wirtschaftliche Billigkeit es erfordert, insbesondere also zwecks Vermeidung eines Mißverhältnisses zwischen der Bewertung einer Leistung (Rettung) und dem geldlichen Interesse des Sacheigentümers (vgl. auch SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing": Berücksichtigung „im Untergründe und keinesfalls ausschlaggebend"). Anm. 46. Die geretteten Werte spielen in der Judikatur immerhin eine wesentliche Rolle, und es wird ein angemessenes Verhältnis zwischen Wert und Lohn in fast allen Entscheidungen gesucht (vgl. HansOLG. Hbl. 1913 Nr. 95; 1911 Nr. 103). Weil aber dieses Verhältnis erst in zweiter Linie eine Rolle spielen soll, erübrigt sich eine genaue Feststellung der Werte, falls die Parteien innerhalb gewisser Grenzen widersprechende Behauptungen auf­ stellen^) (HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 66; SeeschG. vom 10. Juni 1919: Fall „Habsburg"). Immer­ hin darf eine Differenz von 100% nicht unaufgeklärt bleiben (HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 111). Wohl aber eine solche von zirka 20% (SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 45; HansOLG. Hbl. 1914 Nr. 130); oder von Ve (Schiedsgericht Hbl. 1906 Nr. 63; zu weitgehend SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars", welches sich mit der Feststellung, daß „große Schädigungen an Schiff und Ladung" vermieden sind, begnügt, trotzdem die Parteibehauptungen um über 100% differierten). Anm. 47. IV. Abs. 3 erklärt die Vorschriften der Abs. 1 u. 2 für anwendbar auf die Verteilung deS Lohnes unter die mehreren selbständigen Berger oder Retter (§ 744 Abs. 2). Alle Mo­ mente des § 745 Abs. 1 sind daher hinsichtlich der einzelnen Berger gesondert zu prüfen. Die von den einzelnen Bergern tatsächlich in Sicherheit gebrachten Werte spielen ferner auch bei der Verteilung nach § 744 Abs. 2 nur eine untergeordnete Rolle. Ganz besonders muß dies gelten bei der Sukzessivrettung, bei welcher der letzte Retter — welcher vielfach ge­ ringere Leistungen aufgewendet hat — gewöhnlich die gesamten Werte in tatsächliche Sicher­ heit bringt (vgl. oben § 744 Anm. 28 ff.). x) Anders nach Binnenschiffahrtsrecht (vgl. Hanf OLG. Hbl. 1913 Nr. 32 u. 45). 2) Ein sachlicher Unterschied zwischen den beiden Fassungen, wie ihn SeeschG. Hbl. 1914 Nr. 72 anzunehmen scheint, wird sich schwer feststellen lassen (vgl. Denkschr. zu JÜZ. Art. 8: „in zweiter Linie"). 3) Vgl. Brandis 2, 137; Burchard 247; HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 111. 4) Das ungeheure Ansteigen der Schiffs- und Ladungswerte infolge des Krieges hat die Neigung der Gerichte zu großzügiger Wertbemessung wesentlich verstärkt (vgl. SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing"): die um annähernd 1000/o differierenden Parteibehauptungen (1,6: 3 Mll.) veranlaßten das Gericht nicht zur Aufklärung, sondern zu einer pauschalen Schätzung von Schiffs- und Ladungswert (2 Mill.).

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

927

§ 74(k

8 746. 3n dem Berge- oder k^ilfslohn sind nicht enthalten die Rosten und Ge­ bühren der Behörden, die von den geborgenen oder geretteten Gegenständen zu entrichtenden Zölle und sonstigen Abgaben sowie die Rosten zum Zwecke der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung dieser Gegen­ stände.

1. § 746 entspricht wörtlich dem früheren § 743 Abs. 2.1) Die Vorschrift hat jedoch einen Teil Anm. 1. ihrer früheren Bedeutung dadurch eingebüßt, daß sie nicht mehr bei Berechnung der Werte (§ 745 Abs. 2) herangezogen ist.

II. § 746 zählt diejenigen Kosten, Gebühren nnd Auslagen auf, welche nicht im Berge- oderAnm. 2.

Hilfslohn enthalten, daher besonders zu bezahlen find. Beispiele der Burchard 233ff.; HG. berechtigt können fein die Interessenten der § 761.

einzelnen Kategorien s. Prot. 2836ff., ferner bei Schröder 292; Hamburg Hb!. 1872 Nr. 167. Vgl. StrandO. §§ 10, 34. Forderung^ der Staat, Kommuualbchörden, Netter, dritte Personen, nicht auch geretteten Gegenstände selbst (bestritten). Vgl. hierzu Anm. 36 zu

Die im Abs. 2 aufgeführten Kosten bilden zusaumren mit dem Berge- bzw. Hilfs-An«,. 3. lohn die Bergungs- und Hilfskosten (§§ 751, 753, 754 Nr. 4, 904 Abs. 4; vgl. auch § 761 Anm. 36). Insbesondere gehören dazu auch die Hebnngslosten eines gesunkenen Schiffes (RG. LZ. 1909, 782). III. Dadurch, daß der frühere § 743 Abs. 2 in dem früheren § 744 Sah 2 zitiert war, gewann er Anm. 4. eine besondere Bedeutung für alle Vorschriften dieses Titels, in denen der Wert der ge­ retteten Gegenstände eine Rolle spielte (Prot. 2836 ff.; vgl. 1. Aufl.). Als allgemeiner Faktor der Wertbemessung kommt §746 heute nicht mehr in Frage. Darüber, ob im Einzel­ falle gewisse, das Gut belastende Forderungen Dritter bei Grniittehing des Wertes zu berück­ sichtigen sind, vgl. § 745 Anm. 41.

§ 747.

§ 747.

Ein über die Bergung oder Hilfsleistung geschlossener vertrag kann von dem Gericht auf Antrag geändert oder für nichtig erklärt werden, wenn der Vertrag zur Zeit und unter dem Einfluß der Gefahr geschlossen ist und die vereinbarten Bedingungen unbillig sind. Das gleiche gilt, wenn einer der vertragschließenden zu dem Vertragschluß durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist oder der Berge- oder Hilfslohn in einem außerordent­ lichen Maße nach der einen oder anderen Richtung außer Verhältnis zu den geleisteten Diensten steht. 1. § 747 beruht auf Art. 7 JÜS. Er entspricht dem früheren § 741, welcher lautete:

Wird noch während der Gefahr ein Vertrag über die Höhe des Berge- oder Hilfs­ lohns geschlossen, so kann der Vertrag wegen erheblichen Übermaßes der zugesicherten Vergütung angefochten und die Herabsetzung der letzteren auf das den Umständen ent­ sprechende Maß verlangt werden. Gegenüber der früheren Vorschrift bedeutet § 747 eine erhebliche Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeit.2) Insbesondere dadurch, daß jetzt die Unbilligkeit des Ver*) In dem JÜS. ist eine entsprechende Bestimmung nicht enthalten, über die Geltung des Grund­ satzes für internationale Streitfälle vgl. jedoch Tambacopoulos 98. 2) Der frühere § 741 betraf nur den Vertrag über die Höhe des Berge- und Hilfslohns, der neue § 747 spricht dagegen von den: Vertrag über Bergung oder Hilfeleistung.

Anm. 1.

928

§ 747.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

einbarten genügt, wenn der Vertrag unter dem Einfluß der Gefahr geschlossen wurde. Da­ neben ist die Anfechtung bei Unverhältnismäßigkeit der Vergütung (auch ohne Rücksicht auf Zeit und Umstände des Vertragsschlusses) zngelasscn worden, und zwar auch zugunsten des

Retters. Außerdem ist nicht nur Herabsetzung der Vergütung, sondern jede Abänderung des Vertrages dem Gericht freigestellt. Endlich ist der Fall der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in das Gesetz ausgenommen trorbeu. Über sein Verhältnis zu § 123 BGB. vgl.

unten 9111111. 14 ff.

Anm. 2. II. Anfechtbarkeit von Verträgen über Bergung oder Hilfsleistung?) 1. Verträge über die Rettung?) Daß die bloße Tatsache der Bergung oder Hilfsleistung den Lohnanspruch begründet (Anm. 43 zu § 740), schließt nicht aus, daß die Rettung durch Ver­ trag übernommen werden kann, über dessen Charakter als Werkvertrag vgl. § 740 Anm. 41.

Wer ist zum Abschluß solcher Verträge legitimiert? Jeder Unbeteiligte ist natür­ lich in der Lage, dem Berger oder Hilfeleistenden vertragsmäßig einen Lohn für seine Tätig­

keit zuzusichern (Wittmaack 471); aber damit verpflichtet er nur sich selbst und erzielt nicht die in §§ 751, 753 festgesetzten Rechtswirkungeu. Letztere treten nur dann in Kraft, wenn der Vertrag mit dem Netter geschlossen ist von einer Person, der die rechtliche Verfügung

über das Schiff bzw. die Ladung znsteht (ROHG. 14 Nr. 98; RG. Hbl. 1893 Nr. 77:

Seuffert 49 Nr. 182). In Betracht kommt für das Schiff der Reeder (Ausrüster), für die Ladung der dispositionsberechtigte Laduugsinteressent, für beide kraft gesetzlicher Vollmacht der Schiffer (Anm. 1 zu 8 527, Anm. 22 zu § 535; Vollmachtsbeschränknngen: § 531; Anm. 3 Abs. 3 zu § 535; vgl. dazu RG. 70, 274), endlich ein Spezialbevollmächtigter (Schiffsmakler: RG. 1. c.; Braudis 2, 143). Dem Vertrag des letzteren steht gleich der des Geschäftsführers ohne Auftrag nach der Geuehmigung (vgl. Burchard 111). Nur die von einer legitimierten Person im eben dargestellten Sinne abgeschlossen

Anm. 3.

neu Verträge fallen unter § 747. Im Heimathafen kann hiernach ein Vertrag nur mit dem Reeder, nicht auch mit dem Schiffer geschlossen werden (Sieveking 170).

Der Schiffer ist auch nicht befugt, einen

Vertrag über den Hilfslohn nach beendeter Rettung zu schließen, es sei denn, daß der Vertrag zur Fortsetzung der Reise erforderlich ist (HansOLG. Hbl. 1904 Nr. 138). Zunr Abschluß

eines Vertrages, inhalts dessen der Reeder für den Hilfslohn persönlich haften soll, ist Anm. 4.

der Schiffer als solcher nicht befugt (vgl. Leo, Jahrb. für intern. Rechtsverkehr 1912/13 S. 323). Ob in einem Vertrage auch für den Fall des Nichtgelingens der Rettung Lohn

vereinbart ist, ist irrelevant?) denn iveim auch gesetzlich der Lohn nur im Falle des Erfolgs geschuldet wird, so ist dies doch kein zwingendes Recht, und wenn das Gegenteil vereinbart ist, verliert der Vertrag dadurch noch nicht seinen Charakter (RG. Hbl. 1893 Nr. 77; Hans­ OLG. Hbl. 1905 Nr. 100). Auch ein solcher Vertrag ist daher gegebenenfalls anfechtbar. § 747 bezieht sich nur auf Verträge, welche Bergung oder Hilfsleistung betreffen. Nicht anfechtbar (aus §747) ist z. B. ein Vertrag, den ein manövrierunfähiges, geschlepptes Schiff, welches

von einem andern Schlepper übernommen wird, mit diesem über den Schlepplohn schließt (HansOLG. Rechtspr. 6, 357: Hbl. 1903 Nr. 28; vgl. auch Sieveking 170 ff.).

Anm. 5.

Voraussetzung eines wirksamen Vertrages4) über die Rettung ist nicht etwa, daß die Kontrahenten sich auch über die Höhe der Vergütung geeinigt haben?) Das ergibt sich *) Vgl. Sacerdoti, Sülle convencione, satte durante il pericolo per Fassistenza ed il salvataggio in materia maritima (Rivista di diritto comm. 1, 343).

2) Uber die Unzulässigkeit solcher Verträge zwischen Schiffen desselben Reeders vgl. § 743 Anm. 13. 3) Anders für das frühere Recht: Sieveking 170 f. 4) Für dessen Abschluß die allgemeinen Vorschriften (§§ 145 ff. BGB.) gelten. 6) Außerdem kann der Vertrag noch andere Bestimmungen enthalten, insbesondere über anzu­ wendendes Recht, Gerichtsstand, Verfahren, einheitliche Bewertung mehrerer auseinander folgender Dienstleistungen (vgl. SeeschG. vom 24. Juli 1916: Fall „Kypros"; vom 24. Mai 1919: Fall „Albert Killing").

929

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

schon daraus, daß nur einer der drei Fälle des § 747 (vgl. Anm. 8) auf die zugesagte Vergütung § 747. abgestellt ist (vgl. auch WarnRspr. 1909 Nr. 503; SeeschG. vom 21. März 1919: Fall „Mars"). Sollte diese von einem Dritten bestimlnt werden und lehnt dieser die Entscheidung ab, so ist die Vereinbarung über die Rettung unwirksam sdann tritt das Strandamtsverfahren ein (RG. 53, 224 = GruchotsBeitr. 47, 406)]. Nichtig ist eine Hilfslohnvereinbarung, wenn die Erfüllung der von dem Netter übernommenen Pflichten außer dem Bereich menschlicher Möglichkeit lag (Hans OLG- Hbl. 1905 Nr. 100), oder wenn lediglich der Ausschluß des Strand­ amts vereinbart wurde (RG. 53, 224). Nicht anfechtbar aber ist der Vertrag, wenn der Schiffer nicht gewußt hat, daß im Falle der Erfolglosigkeit der Rettungsversuche kein Hilfs­ lohn zu zahlen ist (HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 100). Wenn der Kapitän eins ein spezielles An­ gebot des Retters (25% der geborgenen Werte) das Signal „Ja" heißt, so kann er nicht nach­ träglich erklären, er habe nur die Hilfe, nicht aber das Vertragsangebot annehmen iudHch (Schiedsgericht Hbl. 1908 Nr. 110). — Ein bloßer Vorschlag des Retters über spezielle Nettungsmaßnuhmen ist kein Vertragsangebot (HansOLG. Hbl. 1911 Nr. 125). Das Zu standekommen eines Vertrages wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Schiffer auf die Frage des Retters, welchen Lohn er erhalten werde, erklärt: „das sei Sache der Assekuranz" (RG. WarnRspr. 1909 Nr. 503).—In wessen Namen der Hilfsleistende Schiffer einen Hilfs­ vertrag schließt, ist Tatsrage (vgl. SeeschG. vom 24. Mai 1919: Fall ,,Albert Killing": Reeder oder Marinesiskus, der das Hilfsleistende Schiff gemietet hatte?). Wirkung des abgeschlossenen Vertrages ist die Haftung des Reeders mit Schiff und Fracht Anm. ß. (§754 Nr. 4;RG. 70, 27-1 - GruchotsBeitr- 53,1150). Auf Geschäftsführung ohne Auftrag uub ungerechtfertigte Bereicherung kann sich der Reiter nicht stutzen, da er zu der Leistung ver­ traglich verpflichtet lvar (RG. ibid.). Tie Erfüllung des Vertrages hat gemäß § 242 BGB. nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfolget!, welche wesentlich von den Auschnuungeu und Gebräuchen seemännischer Kreise bestinuut werden wird. Nach Abschluß des Vertrages darf der Schiffer keine tveitere Hilfe an-Anm. 7. nehmen, es sei denn, daß er den bisherigen Netter für den Zeitverlust entschädigt (Schieds­ gericht Hbl. 1906 Nr. 53). Löst er den Vertrag, so hat er den Netter gemäß § 649 BGB. zu entschädigen (vgl. § 740 Anm. 41; § 742 Anm. 7 ff.). Andrerseits ist der Netter auf Grund des Vertrages verpflichtet, die Ne ttungs ar beiten vorzunehmen und ist im Falle der Unter­ lassung nach allgerneinen Rechtsgrundsätzen schadensersatzpflichtig (Sieveking 181; OAG. Kierulff 2, 514). Gemäß § 649 BGB. kann der Schiffer den abgeschlossenen Vertrag über die Rettung jederzeit kündigen (vgl. § 740 Anm. 41; § 742 Anm. 7 ff.). Eine solche Kündi­ gung ist aber nicht ohne weiteres darin zu erblicken, daß er einen geringeren als den ver­ einbarten Lohn zahlen will, sich jedoch nicht endgültig vom Vertrage lossagt, vielmehr sich weitere Leistungen der Retter gefallen läßt (vgl. hierzu RG. WarnRspr. 1911 Nr. 23). 2. Außerkraftsetzung der Verträge, g 747 sieht eine solche in drei Fällen vor, nänilich beim Anm. 8. Abschluß eines unbilligen Vertrages unter dem Einfluß der Gefahr (Fall I), bei arglistiger Täuschung (Fall II) und bei außerordentlichem Mißverhältnis zwischen Lohn und Leistung (Fall III). a) Wie verhält fich § 747 zu den Vorschriften des BGB. über die Entkräftung von Ver- Anm. 9. trägen? a) Was die materiellen Voraussetzungen des § 747 anbetrifft, so fallen sie zum Teil mit Anfechtungs- und Nichtigkeitsfällen des BGB. zusanimen (vgl. Anm. 10 ff.). Es sind vielfach sich schneidende Kreise, welche jedoch in der Ausgestaltung der Einzelvoraussetzungen und in deren Kombination voneinander nicht unwesentlich abweichen, so daß von einem Ausschluß der Rechtsbehelfe des BGB. durch § 747 keine Rede sein kann. Die von § 747 verwendeten, dem BGB. entnommenen Ausdrücke und Wendungen (nichtig, unbillig, arglistige Täuschung usw.) sind in dem gleichen Sinne wie dort zu verstehen und auszu­ legen. ß) Anders steht es mit der juristischen Konstruktion und der Durchführung des in § 747 gewährten Rechts. Es handelt sich nicht nm eine „Anfechtung" (wie auch das

Schaps, Seerecht. 2. Aufl.

59

930 § 747.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

Gesetz diesen Ausdruck in § 747 vermeidet),*) vielmehr um eine Remonstration (oder Rekurs) im Prozeßwege (durch Klage oder Einrede). Dieser Rechtsbehelf hat seine Parallele in §§ 343, 655 BGB. (vgl. Anm. 23 Note) und betont den prozessualen Charakter der Durchführung („auf Antrag von dem Gericht"), ebenso wie diese Vorschriften („auf An­ trag durch Urteil"). Von der Anfechtung deS BGB. unterscheidet sich § 747 in wesentlichen Punkten: eine Frist für die Geltendmachung des Rechts ist nicht vorgeschrieben. Eine anfechtende Erklärung (wie in § 143 Abs. 1 BGB. vorgeschrieben) ist weder erforderlich, noch genügend. Erst das gerichtliche Urteil erzeugt die Wirkungen des § 747 und bestimmt deren Umfang. Die Anfechtung nach BGB. kann jedes Rechtsgeschäft betreffen, während § 747 nur auf Verträge einer ganz bestimmten Gattung anwendbar ist. Diese Verschiedenheiten müssen dazu führen, daß nicht eine ergänzende (vgl. Allg. Einl. Anm. 9), sondern lediglich eine „entsprechende" Anwendung der Vorschriften des BGB. über Anfechtung zugelassen werden kann, und daß die Grenzen dieser Anwendung in jedem Einzelfalle zu prüfen sind. Die prozessuale Ausgestaltung des Rechts­ behelfs in § 747 wird hier vielfach bestimmend sein (vgl. Amu. 16). So ist z. B. der Satz, daß eine Anfechtungserklärung anfechtbar ist, für § 747 unanwendbar, weil sich die Absicht des Anfechtungsberechtigten, seine Ansprüche nicht weiter zu verfolgen, nur in prozessualen Formen verwirklichen läßt, nach Rechtskraft des Urteils aber überhaupt nicht mehr. Über Bestätigung vgl. Anm. 16. y) DasBerhältnis des § 747 zu den einzelnen Fällen derVertragsaufhebung nach BGB. bedarf ebenso wie die juristische Struktur des § 747 nach der materiellen und prozessualen Seite noch der wissenschaftlichen Durchdringung. Im folgenden sollen einige, für die Praxis wesentliche Fragen kurz erörtert werden. Als bürgerlich-rechtliche Parallelen und Ergänzungen zu § 747 kommen in erster Reihet die §§ 138 (Verstoß gegen die guten Sitten, insbesondere Wucher) und § 123 (arglistige Täuschung) in Betracht. Über-

Anm. 10.

Anm. 11.

Anfechtung wegen Irrtums vgl. HansOLG. Hbl. 1905 Nr. 100. ococ) Nach § 138 BGB. ist nichtig ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Notlage eines andern sich Vermögensvorteile versprechen oder gewähren läßt, welche den Wert der Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach die Bermögensvorteile in auffälligem Mßverhältnisse zu der Leistung stehen. — Sicherlich kann dieser Tatbestand auch auf Verträge über Bergung und Hilfsleistung zutreffen. Er fällt jedoch nicht mit den ihm verwandten Fällen I und III des § 747 zusammen. Fall I trifft zwar den Fall der Ausbeutung einer Notlage (Einfluß der Gefahr), jedoch erfordert er nicht ein „auffälliges Mißverhältnis" zwischen t)em Vermögensvorteil und der Leistung, sondern nur die schwächere „Unbilligkeit der vereinbarten Bedingungen". Fall III andrerseits erfordert ein außer­ ordentliches (nicht bloß auffälliges) Mißverhältnis, übertrifft also an Schärfe den § 138 Abs. 2. Dagegen braucht hier keine Ausbeutung der Notlage vorzuliegen (subjektives Element). Fall II (Täuschung) kann gleichzeitig unter § 138 fallen, muß es aber nicht (vgl. RG. WarnRspr. 1912 Nr. 56). Die Fälle I und III des § 747 sind demnach nicht unter § 138 Abs. 2 zu rubrizieren, und es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, daß § 747 den § 138 etwa ausschließt. Das würde in gewissen Fällen zu einer, durch nichts gerechtfertigten Benach­ teiligung des Geschädigten führen (z. B. wenn kein außerordentliches Mißverhältnis *) Wenn im folgenden vielfach von der „Anfechtung" nach § 747 die Rede ist, so geschieht dies aus Zweckmäßigkeitsgründen. Eine besondere Bezeichnung für den eigenartigen Rechtsbehelf des § 747 hat sich noch nicht entwickelt und durchgesetzt. 2) Auch der Fall der widerrechtlichen Drohung ist als Analogie herangezogen worden (ROHG. 9, 366; 14, 304; RG. 13, 135; Hbl. 1891 Nr. 54; anders Kohler JheringsJ. 25, 26 ff.). Diese Analogie ist weder theoretisch treffend (ber Retter schafft keine Notlage, sondern nutzt eine vorhandene Notlage aus, was vielmehr auf § 138 Abs. 2 hinweist) noch praktisch von Wert (vgl. dazu RG. IW. 1905, 200 Nr. 2; Staudinger § 123 Anm. HI zu a).

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

931

- Fall III —, sondern nur ein auffallendes — § 138 — vorliegt und ferner Fall I des- § 747. wegen nicht anwendbar ist, weil der Vertrag nicht „unter dem Einfluß der Gefahr", sondern etwa unter Ausnutzung einer damit nicht zusammenhängenden Moffaße1)2geschlossen 34 wurde). Diese Auffassung findet eine Stütze auch in der verschiedenartigen Regelung derAnm. 12. Folgen (§ 138: Nichtigkeit; § 747: Nichtigkeit oder Veränderung des Vertragsinhalts; vgl. unten Anm. 47, 52 ff.). Der Übervorteilte hat hiernach die Wahl zwischen § 737 Fall I und III und § 138 Abs. 2. Ebenso für das frühere Recht: HansOLG. Hbl. 1907 Nr. 83. Vgl. auch Sieveking 183. § 138 BGB. kann insbesondere auch dann zur Anwendung gelangen, wenn dieAnm. 13. Vertragschließenden gemeinsam zum Nachteil eines Dritten handeln wollen, z. B. einen besonders hohen Hilfslohn vereinbaren, nm den Retter auf Kosten der Ver­ sicherungsgesellschaft, welche den Hilfslohn zu tragen hat, 511 bereichern (HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 19).

Pß) Nach § 123 BGB kann ein Vertrag wegen widerrechtlicher^) Drohung ange-Anm. 14. fochten werden (vgl. auch Anm. 9y Note). Die bloße Erklärung des Retters, er werde, wenn seine Forderung nicht zugestanden werde, die Rettung nicht vornehmen, sondern weiterfahren, kann wohl eine Drohung sein, ist jedoch keine widerrechtliche, weil eine Verpflichtung zur Rettung nicht besteht (LG. Hamburg Hbl. 1907 Nr. 83). Über das Ver­ hältnis zwischen § 123 (Drohung) und § 138 BGB. vgl. RG. WarnNspr. 1909 Nr. 62. yy) Nach § 123 BGB. kann ferner eine Willenserklärung wegen arglistiger Tätt-Anm. 15. schung angefochten werden. Die gleiche Voraussetzung der arglistigen Täuschung enthält § 747 Fall II. Insoweit decken sich die beiden Vorschriften. Sie stimmen jedoch insoweit nicht überein, als § 123 eine besondere Anfechtungserklärung verlangt, nach deren Abgabe der Vertrag als nichtig anzusehen ist (§ 142 BGB.), während § 747 keine Anfechtungserklärung erfordert, sondern einen prozessualen Antrag, welcher wiederum nicht unbedingt zur Nichtigkeit, sondern gegebenenfalls zur Veränderung des Vertrags­ inhalts führt, was mit § 142 BGB. nicht vereinbar ist. Auch hier wird man dem über­ vorteilten das Recht der Wahl zwischen den beiden Rechtsbehelfen zugestehen müssens) schon deswegen, weil die Judikatur in gewissen Fällen einen selbständigen Schadensersatzanspruch aus § 123 BGB. herleitet (vgl. darüber NGRKomm. § 123 Anm. 5), welcher auf dem Wege des § 747 nicht zu konstruieren ist.

88) Hinsichtlich der Bestätigung deS anfechtbaren Vertrages und des Verzichts auf dasAnm. 16. Anfechtungsrecht) x) Soweit Ausnutzung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit in Frage steht, kommt der Aus­ schluß des § 138 Abs. 2 durch den § 747 überhaupt nicht in Betracht, da dieser in Fall I nur die Notlage heranzieht und Fall III lediglich das objektive Wertverhältnis berücksichtigt. 2) Maßgebend ist, ob der Drohende auf die Willenserklärung, die er durch die Drohung herbei­ führte, kein Recht hatte (RG. 59, 353; GruchotsBeitr. 50, 910; 54, 885; WarnRspr. 1911 Nr. 258; 1913 Nr. 186). 3) Durch Ablauf der Anfechtungsfrist des § 124 BGB. (1 Jahr) wird der Getäuschte nicht gehindert, sich auf § 747 zu berufen. Der Übergang von einem Rechtsbehelf zum anderen während des Prozesses dürfte nicht als Klageänderung anzusehen sein. Denn es handelt sich nur um eine andere rechtliche Beurteilung des gleichen Tatbestandes (vgl. RG. 63, 269; 71, 358; IW. 1909, 499 Nr. 23; 1910, 391 Nr. 12; 1911, 457 Nr. 30; 1912, 876 Nr. 44; WarnRspr. 1911 Nr. 291 u. a.). Der formale Unterschied des Klagbegehrens (Aufhebung des Vertrages einerseits — Bestätigung der durch Anfech­ tung erfolgten Aufhebung andererseits) kann den Übergang von dem einen zum ander:: auch nicht als Erhebung eines neuen Anspruchs im Sinne des §529 Abs. 2 ZPO. charakterisieren. Zweifelhaft erscheint dies jedoch dann, wenn von der materiellen Anfechtung zu dem Anträge auf Abänderung des Ver­ trages nach § 747 übergegangen wird. 4) Welche auch durch konkludente Handlungen, insbesondere durch Erfüllung erfolgen können (RG. WarnRspr. 1913 Nr. 43 u. 276). Vgl. auch § 343 Abs. 1 Satz 3 BGB.: „Nach der Entrichtung der Strafe ist die Herabsetzung ausgeschlossen."

932

§ 747. Anm. 16.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

I- ist grundsätzlich § 144 BGB. anwendbar,*) solange eine rechtskräftige Entscheidung des angerufenen Gerichts noch nicht vorliegt. Denn auch während

des Prozesses besteht hinsichtlich des Hilfslohnvertrages derselbe Schwebezustand, wie bei einem anfechtbaren Rechtsgeschäft vor der Anfechtung. Die materielle Wirkung der Vertragsentkräftung tritt, wie dort mit der Anfechtung, so hier mit der Rechtskraft des Urteils ein. Wie dort die Anfechtung unterbleiben kann, so kann hier die Klage zurückgenonnnen oder in sonstiger Weise der Wille zum Ausdruck gebracht werden, den Vertrag als rechtsgültig anzuerkennen. Die Möglichkeit der prozessualen Disposition über den Anfechtungsanspruch kann nicht anders gewertet werden als die mögliche Unterlassung der Anfechtung. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung kann daher der Hilfslohnvertrag in gleicher Weise bestätigt werden wie ein nach § 142 BGB. anfechtbares Rechtsgeschäft. Die Bestätigung kann durch jedes Verhaltens geschehen, ans welchem sich der Wille des Anfechtungsberechtigten ergibt, das Geschäft als rechtswirksam zu behandeln (vgl. RG. 68, 398; WarnRspr. 1911 Nr. 225). Dieser Wille kann sich auch aus dem prozessualen Verhalten ergeben, insbesondere z. B. aus der Rücknahme der Klage, es sei denn, daß diese lediglich aus prozessual-formalen Gründen (z. B. der Un­ zuständigkeit des Gerichts, der erhobenen Einrede des Schiedsgerichtsverfahrens nfiv.) erfolgt. In jeden: Falle aber muß erfordert werden, daß der Anfechtende vor: dem sein Anfechtungsrecht begründenden Tatbestand Kenntnis hat (RG. 68, 398; WarnRspr. 1909 Nr. 440). II» Nach rechtskräftiger Nichtigkeitserklärung gilt jedoch § 141 BGB., d. h. die

Bestätigung ist als erneute Voruahme des Rechtsgeschäfts zu beurteilen.3) Erforderlich ist demnach eine nochrnalige Einigung der Parteien über die wesentlichen 23ertragsbestandteile, und diese Einigung darf nicht dieselben Mängel aufweisen wie der frühere Vertrag (RG. 64, 149; WarnRspr. 1909 Nr. 62). Soweit § 747 eine Notlage oder eine arg­ listige Täuschung voraussetzt, dürfte kaum ein Fall nochmaliger Mangelhaftigkeit des Ver­ trages denkbar sein. Würde jedoch der neue Vertrag wieder ein außerordentliches Miß­ verhältnis zwischen Leistung und Vergütung enthalten, so kann eine nochmalige Anfechtung nicht zugelassen werden, weil insoweit ein Verzicht auf die Anfechtung aus § 747 vorliegen und ein schutzwürdiges Interesse nicht mehr gegeben sein würde. Die Anfechtungsgründe des bürgerlichen Rechts werde:: hiervon natürlich nicht berührt. Durch Parteivereinbarung läßt sich die einmal eingetretene Nichtig­ keit nicht wieder beseitigen (RG. WarnRspr. 1912 Nr. 149). Ist also das den Vertrag für nichtig erklärende Urteil rechtskräftig, so müßte genräß § 141 BGB. ein neuer Vertrag abgeschlossen werden (RG. WarnRspr. 1913 Nr. 43). Das gleiche muß insoweit gelten, als eine Abänderung oder teilweise Aufhebung des Vertrags erfolgt ist. Auch teilweise Bestätigung eines in vollem Umfange aufgehobenen Vertrags ist möglich (RG. a. a. £).). HI. Ob jedoch in: Einzelfalle der Schiffer die Bestätigung oder den Verzicht mit Wirkung gegen den Reeder erklären kann, ergibt sich aus den allgemeinen Grund­ sätzen über die Vertretungsmacht des Schiffers. Insbesondere ist er in: Heimatshafen zur Abgabe solcher Erklärungen nicht befugt (vgl. ROHG. 4 Nr. 88; 9 Nr. 106; HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 66; Brandts 2, 143 Note 1). Der während und unter dem Einfluß der Gefahr vom Schiffer erklärte Verzicht auf die Anfechtung kann gemäß § 747 angefochten werden. Erfolgt der Verzicht oder die Bestätigung jedoch nach überstandener Gefahr, so muß die Vertretungsbefugnis des Schiffers geprüft werden (ebenso Sieveking 183; vgl. auch ROHG. 9 Nr. 106; SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"; vgl. auch Anm. 58). *) Vgl. hierzu RGRKomm. § 144 und die dort angeführte Judikatur. 2) Eine Erklärung gegenüber der anderen Vertragspartei ist nicht erforderlich (vgl. RG. Warn­ Rspr. 1911 Nr. 225). 3) Die Nichtigkeit des zu bestätigenden Vertrags muß aber den Kontrahenten bet Vornahme des neuen Rechtsgeschäfts bewußt sein (RG. WarnRspr. 1913 Nr. 43).

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

933

b) Die einzelnen Fälle deS § 747. 8 747. a) Fall I erfordert: Anm. 17. aa) Zur Zeit der Gefahr muß der Bertrag abgeschlossen worden sein (vgl. Anm. 5 ff. zu § 740). Maßgebend ist die Zeit der Annahme des Angebots. Bestand in diesem Augenblick keine Gefahr mehr (vgl. HansOLG. Hbl. 1909 Nr. 19), so bleiben dem Übervorteilten nur die Rechtsbehelfe des BGB. erhalten. Nicht erforderlich ist aber, daß zur Zeit des Abschlusses die Gefahr besonders groß ist. In: allgemeinen ist die Annahme srentder Hilfe ein Anzeichen dafür, daß die eigenen Mittel nicht ausreichen, um die (Situation zu überwinden, so daß vielfach eine tatsächliche Vermurung für das Bestehen der Gefahr spricht und zu einer Umkehrung der Beweislast führt. Der wirklichen Seenot steht auch hier (vgl. Anm. 9 zu § 740) die vermeintlicheAnm. 18. gleich (ebenso Brandis 2, 143; anders Burchard 167). Andernfalls lvürde es kein Mittel geben, eine während der vermeintlichen Seenot zugesagte übermäßige Vergütung, die der Reduktiott sicherlich viel bedürftiger ist als eine im Falle wirklicher Seenot versprochene, auf das richtige Maß zurückzuführen. Hat freilich der Hilfesuchende den Mangel der Seenot gekannt und unter Verschlveigung seiner Kenntnis den Retter durch die Zusage der ver langten Vergütung zur Hilfsleistung verleitet, so lvird seine Anfechtungseinrede durch die replica doli beseitigt (vgl. HansOLG. Hbl. 1893, 305 Nr. 116 und unten Anm. 30). ßß) Unter dem Einfluß der Gefahr muß der Vertrag geschlossen sein. Währetid der frühere Anm. 19. § 741 aus der zeitlichen Beziehung zlvischen Gefahr und Vertrag auf eine kausale Beziehmtg ohne weiteres schloßt) ist das Erfordernis der Kausalbeziehimg jetzt ausdrücklich aufgestellt. Die psychologische Einwirkung der Gefahr auf den Vertragschließenden wird vielfach prima facic erkennbar sein. Das richterliche Ermessen hat hier freien Spiel raum (RG. IW. 1911, 275 Nr. 2), insbesondere auch im Hinblick darauf, daß es eine untere Gefahrgrenze gibt, jenseits deren die Beeinflussung eitles Seemantls nur tu Ausnahme fällen glaubhaft erscheinen lvird. Da ein Erfolg durch mehrere Ursachen herbeigefühct sein kann, so genügt es, daß die Anm. 20. Gefahr nur mitbestimmend gewesen ist (NG. 77, 309; für den Fall der Täuschung). Doch darf sie nicht zum bloßen Nebettumstand werden. Es kommt nicht barauf an, ob sich der Hilfesuchende selbst in Gefahr befunden hat Anm. 21. (HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 97; NG. Hbl. 1893 Nr. 77): maßgebend ist um* die Gefahr der zu rettenden Gegenstände (vgl. Sieveking 181). Steht diese fest, so braucht eine subjektive Bedrängnis des Hilfesuchenden und die daraus rcsultierettde Beschränkung seiner freien Entschließung von deut Aufechtenden nicht belviesen zu tverden: vielmehr ist es Sache des Gegenbelveises, darzutun, daß der Vertragschließende sich der Gefahr llicht bewußt und deshalb in seiner Willensbestimntung durch dieselbe nicht beeinflußt gewesen sei (NG. L c.; anders HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 42). Dieser Beweis wird in den seltensten Fällen geführt werden können. Denn wenn der Schiffer sich der Gefahr nicht bewußt ist, hat er keine Veranlassung, einen Vertrag über Hilfsleistung abzuschließen. Handelt der Vertragschließende lediglich als Vertreter eines andern, so kommt nur die Anm. 22. Einwirkung auf ihn in Betracht (BGB. § 166 Abs. 1); hat aber ein Bevollmächtigter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kam: sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen (BGB. § 166 Abs. 2). Der Vertrag ist also im letzteren Falle auch dann anfechtbar, wenn der Vertreter gar keine Kenntnis der Gefahr hatte, der Vertretene ihn aber auf Grund der ihm bekannten Sachlage mit dem Abschluß des Vertrages, so wie geschehen, beauftragt hatte (RG. 1. c.). YY) Unbillig müssen die vereinbarten Bedingungen sein. Hierüber entscheidet derAnm. 23. Richter nach freiem Ermessen unter Abwägung nicht nur der beiderseitigen Leistungen, sondern aller Umstände des Falles. Maßgebend ist nicht die Zeit der Bergung

*) Vgl. 1. Ausl. § 741 Anm. 5.

934

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 747.

oder Hilfsleistung oder des Bertragsschlusses, sondern die Zeit der Be­ urteilung durch den Richters) Nicht verlangt wird, daß die Bedingungen „offen­ bar" unbillig sind (vgl. z. B. § 319 BGB; RG. WarnRspr. 1911 Nr. 319; 1909 Nr. 75) oder daß ein Mißverhältnis zwischen den Leistungen besteht (wenngleich dies der Haupt­ fall der Unbilligkeit sein dürfte).

Anm. 24.

Zu den Bedingungen gehört jeder Teil des Vertrags, z. B. (außer der Höhe des Hilfslohns): Verzicht auf gerichtliche Entscheidung, Unterwerfung unter ein präsumtiv befangenes Schiedsgericht, Anerkennnung, daß die Notlage groß gewesen sei (Sieveking 183; Brandis 2, 143), bindende Festsetzung des Werts der geretteten Gegenstände, Anerkennung, daß der Berger die Seenot nicht verschuldet habe usw. 3) Fall II erfordert

Anm. 25. ax) eine arglistige Täuschung, d. h. ein Verhalten, welches wissentlich und absicht­ lich darauf abzielt, einen Irrtum hervorzurufen oder zu unterhalten (vgl. RG. IW. 1905, 639 Nr. 3; 1909, 308 Nr. 1; WarnRspr. 1911 Nr. 326; 1912 Nr. 2 u. a.). Die Täuschung kann auch durch einen Dritten erfolgt fein. Darm wird § 123 Abs. 2 BGB. analog anwendbar sein. Wer als „Dritter" anzusehen ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen.*) Auch das Aussprechen eigener Urteile kann eine Täuschung be­ deuten, tuemi der Erklärende weiß, daß der Gegner dieses Urteil auch für sich als maßgebend erachtet (RG. GruchotsBeitr. 56, 878). Z. B. die ortskundigen Retter erklären dem Kapitän des notleidenden Schiffes wahrheitswidrig, daß die Situation gefährlich sei, weil der Wind bald umspringen müsse oder die Strömung ungünstig sei usw. Ein Verschweigen erfüllt nur dann den Tatbestand der Täuschung, wenn der andere Teil nach Lage der Sache unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache er* warten durfte. Der Verschweigende muß sich auch dessen bewußt gewesen sein, daß er den Gegenkontrahenten zu einer Willenserklärung bestimme, die dieser in Kenntnis des ver­ schwiegenen Umstandes nicht abgegeben haben würde (vgl. RG. 62, 150; 77, 314; GruchotsBeitr. 51, 888; WarnRspr. 1913 Nr. 2; 1917 Nr. 6; IW. 1908, 476 Nr. 3; 1911, 641 Nr. 2 u. a.). Näheres NGNKomm. § 123 Anm. 2 Abs. 2; Staudinger § 123 Anm. IV1.

Anm. 26,

ßß) Die Täuschung muß für den BertragSschlutz kausal gewesen sein (vgl. RG. IW. 1911, 275 Nr. 2; NGNKomm. § 123 Anm. 2 Abs. 3), und der Täuschende muß das Bewußtsein gehabt haben, daß der Getäuschte durch die falschen Angaben (auch nur möglicherweise) zum Ver­ tragsschluß bestimmt werde (RG. IW. 1907, 473 Nr. 2; WarnRspr. 1911 Nr. 5; RG. 96, 346). Der Richter hat die Frage, ob ohne die Täuschung der Abschluß des Vertrags unterblieben wäre, nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. RG. 81, 16).

Anm. 27. yy) Im einzelnen ist zu bemerken: Alle Umstände, welche für die Bemessung des Lohns in Frage kommen (vgl. § 745), sind im Zweifel als wesentlich anzu­ sehen, d. h. es muß bei Vorliegen arglistiger Täuschung über einen dieser Punkte vermutet *) Vgl. dazu auch Anm. 6 zu § 744 und unten Anm. 34 nebst den dort Zitierten. Die hier ver­ tretene Ansicht stützt sich vor allem aus den Wortlaut des Gesetzes, welches einerseits von dem Ver­ trage spricht, der unter dem Einfluß der Gefahr geschlossen ist, andererseits von den Bedingungen, welche „unbillig" sind" (nicht: „unbillig waren"). Die Leichtigkeit, mit welcher sich hier sprachlich der maßgebende Zeitpunkt ausdrücken ließ, zwingt zu der Annahme, daß der Gesetzgeber bewußt vor­ gegangen ist. § 747 steht in dieser Richtung dem § 655 BGB. nahe, wehrend § 343 BGB. (Ver­ tragsstrafe) als generelle Norm des Vertragsrechts zum Teil von anderen Gesichtspunkten beherrscht ist. Hinsichtlich des § 343 BGB. herrscht über den maßgebenden Zeitpunkt keine Einigkeit (vgl. RGRKomm. § 343 Anm. 1; Staudinger § 343 Anm. 2). Der Meinung Staudillgers, daß das Ermäßigungs­ recht des Richters in § 655 ebenso zu beurteilen sei wie in § 343 (vgl. Staudinger § 655 Anm. 6), kann in diesem Punkte llicht zugestimnlt werden. 2) Danach kommt ein Vertreter nicht als „Dritter" in Betracht (RG. 76, 109; WarnRspr. 1911 Nr. 406). Wohl aber unter Umständen einer voll lnehreren Rettern, mit denen getrennte Verträge abgeschlossen worden sind.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

935

werden, daß der erregte Irrtum von Einfluß war und daß der Bertrag überhaupt nicht § 747. oder doch nicht so, wie geschehen, zum Abschluß gekommen wäre. Beispiele: Der Schiffer des notleidenden Schiffes stellt die Gefahr, in der er sich Anm. 28. befindet, als gering hin, während sie in Wahrheit dringend ist; oder gibt den Wert von Schiff und Ladung niedriger an, als er in Wahrheit ist. Hier allerdings wird § 745 Abs. 2 zur Geltung kommen (Berücksichtigung des Wertes nur „an zweiter Stelle"), d. h. diese Täuschung kann nur in demselben Rahmen wirksam werden, in dem der vorgetäuschte Umstand nach § 745 zu berücksichtigen wäre. Hält sich die Täuschung also in gewissen (^renaeH1) (vgl. § 745 Anm. 40 ff.), so muß sie als unbeachtlich an­ gesehen werden. Auf feiten der Retter (vgl. Anm. 88) kommt in Krage die Täuschung über dieAnm. 29. den Rettern drohende Gefahr (insbesondere auch die Vorspiegelung, daß ihnen die Gefahr einer Haftung droht), den Wert des von ihnen riskierten Materials und die Zweckbestimmung ihrer Schiffe. Aber auch alle in § 745 nicht ausdrücklich genannten Momente können Gegen­ stand der Täuschung sein (vgl. hierzu § 745 Anm. 37). Die Anfechtung kommt nicht in Frage, wenn die Täuschung weder denAnm. 30. Zweck liodj den Erfolg einer Schädigung hatte. Z. B. ein Schiff treibt mit Maschinenschaden. Gefahr der Strandung nicht dringend. Da ein angerufener Fischdampfer nicht reagiert, signalisiert ihm der Kapitän der Wahrheit zuwider, daß er das Schiff nicht lenz halten könne, daß viele Menschen und hohe. Werte an Bord seien und Gefahr des eiufeiiä vorliege. Daraufhin schließt der Fischdampfer einen Vertrag, der angesichts dieser vorgespiegelten Umstände angemessen, in Wahrheit aber für ihn besonders günstig ist. Dem notleidenden Schiff war nur daran gelegen, den Retter um jeden Preis zum Eingreifen zu veranlassen. Hier kann eine Anfechtung durch den Getäuschten nicht in Frage kommen. Denn bei Fortfall des Vertrages würde ja nach der objektiven Sachlage sein Lohnanspruch erheblich uiedriger sein als sein Bertragsanspruch. Aber auch das notleidende Schiff kann sich natürlich nicht auf die eigene Täuschung stützen und daraus etwa ein Recht zur An­ fechtung herleiten. Deün nur der durch die Täuschung zum Vertragsschluß Veranlaßte, nicht der Täuschende, ist anfechtungsberechtigt. Der Anfechtung nach Fall III (Mißver­ hältnis zwischen Lohn und Dienst) durch den Täuschenden würde hier die exceptio doli entgegenstehen. y) Fall III erfordert lediglich, daß der ausbedungene Lohn in einem

außerordentlichenAnm. 3t. Maße außer Verhältnis zu den geleisteten Diensten steht. Unerheblich ist daher, ob der Vertrag zur Zeit und unter dem Einfluß der Gefahr geschlossen wurde (ebenso Kniischky-Rudorff § 747 sn. FZ Note 3).

aa) „Außerordentliches Mißverhältnis" bedeutet mehr als „Unbilligkeit" (Fall I) oder „auf- Anm. 32. fallendes Mißverhältnis" (§ 138 Abs. 2 BGB.). Diese Vorschriften schützen den Über­

vorteilten, sofern eine Ausnutzung der Situation (Einfluß der Gefahr bzw. Notlage) ihm gegenüber vorlag. Mangels einer solchen, den guten Sitten widerstreitenden Handlungs­ weise bedarf es eines Schutzes nur in Ausnahmefällen, in denen die Ausgleichung der wirt­ schaftlichen Wertdifferenz durch ihre ungewöhnliche Spannung geboten ist.2) Um feststellen zu können, ob überhaupt ein Mißverhältnis vorliegt, muß der Richter zunächst die Höhe des angemessenen Lohns ermitteln, wobei alle Momente, ins­ besondere auch die in § 745 aufgeführten, zu berücksichtigen sind. Um von einem „Miß­ verhältnis" sprechen zu können, muß schon hier eine wesentliche Differenz zwischen dem vereinbarten und dem als angemessen befundenen Lohn erfordert werden. Waren z. B. *) Bloße Ungenauigkeiten der Schätzung, wie sie unvermeidlich sind, kommen überhaupt nicht in Betracht. 2) Analog § 343 BGB. (Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe). § 655 BGB. (Herabsetzung des Mäklerlohns). Im Gegensatz zu § 747 beruhen diese Vorschriften jedoch in erster Linie auf sozialen Erwägungen.

936 § 747.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

20000 M. vereinbart, aber nur 17000 M. vom Gericht als angemessene Vergütung erachtet toorbeit, so liegt ein Mißverhältnis überhaupt nicht vor. Die Anfechtung ist demnach völlig unbegründet und kann insbesondere nicht etwa in Höhe vor. 3000 M. zu einem Erfolge führen. Ist jedoch tatsächlich ein „Mißverhältnis" in der Differenz zu erblicken, so muß weiter geprüft werden, ob es als außerordentlich angesehen werden kann. Wie bei allen gewagten Geschäften genügt hier nicht ein das verkehrsübliche Maß iiberschreitender Unterschied der Leistungswerte, vielmehr muß die Gewinnaussicht einer­ seits, das übernommene Risiko andrerseits mit in Anschlag gebracht werden (vgl. NG. IW. 1909, 215 Nr. 2). Nur wenn auch dann noch eine wesentliche Wertdifferenz verbleibt, kann von einem außerordentlichen Mißverständnis gesprochen werden (vgl. NG. WarnRspr. 1916 Nr. 196 [für § 138 BGB-Ü- Das hier einzusetzende Risiko ist nicht die Summe

der in § 745 ausgesührten speziellen Gefahren,*) sondern daS Risiko aus § 741 Abs. 1 (kein Erfolg, kein Lohn). Dieses darf daher, soweit die Anwendbarkeit des § 747 in Frage steht, nicht schon bei Ermittelung des angemessenen Lohns (s. o.) eingesetzt werden, iuie es nach § 745 („insbesondere") an sich zulässig ist (vgl. HansOLG. Hbl. 1910 Nr. 110; § 745 Anm. 37). Anm. 33. ßß) Das Mißverhältnis niuß bestehen zwischen dem Berge- oder Hilfslohn und den ge­ leisteten Diensten. Es ist hier also nicht die Gesamtheit der Vertragsbedingungen (wie im Falle I), sondern nur der vereinbarte Lohn (ohne Rücksicht darauf, ob er eine Summe oder enteil Prozentsatz des geborgenen Guts darstellt) der Prüfung des Gerichts unteriuerfen. Doch kann auch eine Leistung, die nicht in Geld besteht, als Teil des Hilfslohns vereinbart sein, z. B. die Lieferung eines Quantums Kohlen aus einem gefährdeten Kohlen­ dampfer. Diese Leistungen sind dann nach ihrem Geldwert in Ansatz zu bringen. Anm. 34. Als Gegenmaßstab dienen die geleisteten Dienste. Demgemäß ist nicht die Sach­ lage zur Zeit der Vereinbarung und die subjektive Auffassung der Kontrahenten über diese Sachlage maßgebend,?) sondern das objektive, vom Richter im Prozeß ermittelte Wertverhältnis zwischen Lohn und Dienst. Dadurch unterscheidet sich Fall III grund­ sätzlich von dem mit subjektiven Elementen durchsetzten Fall II. Anm. 35. Im Falle III verbietet sich eine auf den Zeitpunkt des Vertrags zurückgreifende Betrachtungsiveise schon deshalb, weil in jenem Zeitpunkt die Dienste noch nicht „geleistet" fiiib,3) ein Wertverhältnis also weder vorliegt noch rückschauend konstruiert werden kann. Beispiele für ein Mißverhältnis zwischen Lohn und Diensten: vgl. den Anh. zu § 747.4) Anm. 36. Ist mit dem Vertrage über Zahlung des Hilfslohns ein Frachtvertrag über die Weiter­ beförderung der Ladung verbunden und ist für Hilfslohn und Fracht eine ungetrennte Summe festgesetzt, so ist ein nach § 619 zu bestimmender Betrag als Fracht auszuscheiden und bezüglich des Restes zu prüfen, ob ein Übermaß vorliegt (RG. 13, 133). Das gleiche muß gelten, wenn neben dem Hilfsleistungsvertrag ein besonderer Schleppvertrag abge­ schlossen worden ist. Anm. 37. yy) „Nach der einen oder andern Richtung" kann das Mißverhältnis bestehen, d. h. der Lohn kann im Verhältnis zu den geleisteten Diensten zu hoch oder zu niedrig sein. Dem­ nach steht die Anfechtung des Vertrags jedem der Kontrahenten zu (vgl. unten Anm. 38 ff.). Über die Anfechtung des Vertrags durch beide Kontrahenten vgl. Anm. 38. Diese sind bereits bei der Findung des angemessenen Lohnbetrages berücksichtigt, an welchem der vereinbarte Lohn erst gemessen werden muß, um als uuverhältnisniäßig erkannt zu werden. 2) Die Fassung des früheren § 741 ließ eine solche, das subjektive Moment betonende Auffassung zu (vgl. 1. Ausl. § 741 Anm. 7; Brodmann bei Borchardt § 741 Note 1); den objektiven Maßstab ver­ teidigte schon für das frühere Recht Burchard 152 ff. Gegen ihn Pappenheim GoldschmidtsZ. 47, 162; Sieveking 182 und die Judikatur (vgl. 1. Ausl. a. a. O.; ferner HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 24; s. jedoch oben Anm. 18 hinsichtlich der Seenot). 3) Das Gesetz spricht nicht von „zu leistenden Diensten". 4) Größtenteils zu dem früheren § 741 ergangene Entscheidungen, die jedoch auch jetzt noch verivertbar sind, weil sie auf gleichen Grundsätzen beruhen.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

937

b) Wer ist anfechtungSberechtigM)

§ 747.

oc) In den Fällen II und III zweifellos jede der beiden Parteien, sofern in ihrer Person die Anm. 38. Voraussetzungen gegeben sind. Das geht aus der Fassung des Gesetzes hervor. Fall II spricht davon, daß „einer der Vertragschließenden" zu dem Vertragsschluß durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Es liegt auch fehl Grund vor, den getäuschten Netter schlechter zu stellen als den getäuschten Hilfsbedürftigen. — Fall III spricht davon, daß das Mißverhältnis „nach der einen oder andern Richtnng" vorliegen könne (vgl. Anm. 37). Je nachdem also der Lohn zu hoch oder zu niedrig ist, kann der Retter oder der Gerettete Ab­ hilfe im Wege des § 747 verlangen. Denkbar ist anch, daß ein Lohnvertrag von beiden Kontrahenten (durch Klage und Widerklage) angefochten wird. Soweit ihre Anträge sich decken, ist das Gericht gebunden. Im übrigen aber sind die Voraussetzungen und Wir­ kungen einer jeden der beiden Anfechtungen selbständig zu prüfen. ß) Zweifelhaft kann es sein, ob im Falle I nur der Gerettete oder auch derAnm. 39. Netter anfechtungsberechtigt ist. Die Fassung des Gesetzes spricht an sich dafür, daß die Vorschrift nur zugunsten des Geretteten gedacht ist. Demi nur er steht „unter dem Einfluß der Gefahr", welche nach § 740 Voraussetzung der Bergung und Hilfsleistung ist. Zwar erwähnt § 745 auch die Gefahr, welcher sich der Netter aussetzt, aber nur als einen Begleit­ umstand, der — sofern überhaupt vorhanden — lediglich die Bemessung des Lohns beeinflusst. Man luirb auch nicht aunehmen können, daß diese Gefahr den Netter gerade im Sinne eines Vertragsschlusses beeinflussen wird. Im Gegenteil, sie wird gewöhnlich abschreckend wirken. Denn das lvhnerhöhende Moment der Gefahr wird als wirkender Faktor stets schwächer seit! als die Vorstellung der für die eigene Person bedrohlichen Lage. Die Protokolle der Brüsseler Konferenz (Bd. I, 105) ergeben allerdings,Anm. 40. daß an den Fall der Anfechtung durch den Retter besonders gedacht worden ist, und die Denkschrift zum Brüsseler libereinkoinmen (S. 43) erklärt ausdrücklich, daß im Falle 1 anch der Hilfeleistende den Vertrag anfechten könne. Die Begründung zu dem Gesetz vom 7. Jan. 1013 schlveigt über diese Frage. Praktisch ist sie kaum von Bedeutung, da der Netter wohl niemals durch die Gefahr zum Vertragsschluß bestimmt werden wird. Auch werden die allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 138 BGB., gewöhnlich zum Schutze des Retters ausreichen. Denkbar ist folgender Fall: Ein Kohlendampfer ist gestrandet. Ein vorüber­ kommender Schlepper hat keinen Kohlenvorrat mehr. Der Kohlendampfer erklärt sich zur Kohlenabgabe unter der Bedingung bereit, daß der Schlepper ihm gegen ein abnorm niedriges Entgelt Hilfe leistet. Hier käme eine Anfechtung des Vertrags durch den Schlepper nicht in Frage, lveil er zlvar unter den: Einfluß einer Gefahr, nicht aber unter dem Ein­ fluß der Gefahr (d. h. der in § 740 erforderten Seenot) gestanden hat. Jedoch liegt die Ausnutzung einer Notlage durch das hilfesuchende Schiff vor, so daß § 138 BGB. eingreift. Befand sich allerdings der Schlepper infolge des Kvhlenmangels in Seenot (Gefahr des Treibens in klippenreichem Fahrwasser), so käme eine Anfechtung aus § 747 in Frage. Jedoch bezieht sie sich nicht auf die Hilfsleistung durch den Schlepper, sondern auf die Hilfs­ leistung durch den Kohlendampfer. 'Die Vereinheitlichung dieser Verträge kann aber zu einer Gesamtanfechtung durch jeden der beiden Kontrahenten führen. y) Da die Anfechtung auf Grund des § 747 nur im Prozeßwege erfolgen kann, so ist die Aus-Anm. 40a.

Übung deS Anfechtungsrechts daran geknüpft, daß der Anfechtende Prozeßpartei ist (für die Anfechtung durch den Nebenintervenienten gilt § 67 ZPO.). Nur von und gegenliber einer Prozeßpariei kann angefochten werden. Nicht erforderlich ist, daß der Prozeß zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien geführt wird. Ein Wechsel in der Person des Gläubigers oder Schuldners berührt nicht das Anfechtungsrecht. Ist die Hilfslohnforderung abgetreten, ge-

x) Tambacopoulos (89) will unter der „betroffenen Partes (Art. 7 INS.) jeden verstehen, der ein rechtliches Interesse an der Anfechtung hat. Das dürfte zu weit gehen. Sollte etwa der dem Retter im Range nachstehende Schiffsgläubiger den Hilfslohnvertrag anfechten tönneu ?

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VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 747.

pfändet, durch Erbgang oder auf sonstige Weise auf einen Dritten übergegangen, so erwirbt er es stets behaftet mit der Anfechtungsmöglichkeit durch den Gegner bzw. ansgestattet mit einem eigenen Anfechtungsrecht. Tritt ein neuer Schuldner in das Rechtsverhältnis ein (Bürgschaft, kumulative Schuldübernahme, Erbgang, Erwerb des mit dem Schiffsgläubigerrecht des Bergers be­ lasteten Schiffes usw.), so gilt das Entsprechende. Anders für die Anfechtung nach BGB.: RG. IW. 1906, 380 Nr. 7 (im Falle der Abtretung einer anfechtbaren Forderung bleibt der Zedent Anfechtungsgegner). Die Anwendung dieses Grundsatzes auf § 747 erscheint jedoch nicht angängig. Man denke an folgenden Fall: Der Retter A tritt seinen vertraglichen Lohnanspruch an B ab, der ihn gegen den Lohnschüldner C einklagt. Sollte C den Vertrag in diesem Prozeß nicht anfechten können? Dann müßte er einen besonderen Prozeß gegen A an strengen, und da das dann ergehende Urteil auch gegenüber B wirksam wäre (RG a. a. O.>, so könnte der Prozeß des B gegen C nach § 148 ZPO. ausgesetzt werden. B kommt nicht zu seinem Gelde, und A muß einen Prozeß führen, der nichts weiter darstellt als einen antizipierten Regreßabwehrprozeß gegenüber B. C endlich muß zwei Prozesse statt eines führen. Hier läßt sich eine analoge Anwendung der materiellrechtlichen An­ fechtungsgrundsätze nicht mehr rechtfertigen. Haftet danach die Anfechtungsbefugnis an dem Recht bzw. der Ver­ pflichtung, so muß die Ablösung und Verselbständigung derselben (also z. B. eine Abtretung des Anfechtungsrechts ohne gleichzeitige Übertragung des Anspruchs oder der Verpflichtung aus dem Hilfslohnvertrage selbst) für unzulässig erachtet werden. Uber die streitige (Wohl zu verneinende) Frage, ob das Anfechtungsrecht der Ausübung nach übertragen werden kann, vgl. RGRKonnn. § 142 Anm. 1.

Anrn. 41.

8) Teilbarkeit der Anfechtung. Eine solche ist in mehrfacher Beziehung denkbar. Sachlich: bei Anfechtung eines bestimmten Teiles der Vereinbarung. Persönlich: bei Anfechtung durch einen der mehreren Gläubiger oder Schuldner bzw. gegenüber einem der mehreren Gläubiger oder Schuldners) ax) Sachliche Teilung der Anfechtung. Sie ist überall da zulässig, wo es sich um einen selb­ ständigen Teil des Vertrags handelt, der von den andern Vertragsbestandteilen unabhängig für sich bestehen kann (vgl. RGRKomm. § 142 Anm. 1 a. E.). Der für die Anfechtung nach BGB. geltende Grundsatz aber, daß die Teilanfechtung nur zulässig ist, wenn die Parteien den Vertrag auch ohne den angefochtenen Teil geschlossen haben würden und daß mangels dieser Voraussetzung die Anfechtung nur im ganzen möglich ist (RG. IW. 1913, 18 Nr. 4) oder den ganzen Vertrag hinfällig macht (RG. 67,103), kann nicht auf § 747 ausgedehnt werden. Denn § 747 läßt eine Abänderung des Vertrags, also die Ersetzung einer Ver­ tragsbestimmung durch eine andere, vom Gericht zu treffende Regelung zu, und es ist nicht cinzusehen, warum nicht auch an Stelle der Abänderung der Fortfall einer Vertrags­ bestimmung angeordnet werden kann. Die Teilanfechtung ist insofern nichts anderes als ein Antrag auf Abänderung. Trotzdem wird man den Grundsatz des § 139 BGB. dann unbedenklich anwenden können, wenn die beantragte Teilaufhebung die wesentlichen Vertragsbestimmungen umfaßt, so daß nur Nebenabreden wirksam bleiben würden, die für sich allein eine selbständige Bedeutung nicht haben können. ßß) Persönliche Teilung der Anfechtung. Ist nur gegenüber einem von mehreren Rettern die Anfechtung begründet, so kann sie nur diesem gegenüber ausgeübt werden (RG. 65, 405; WarnNspr. 1912 Nr. 360). Das gleiche gilt, wenn nur einem der Retter das Anfechtungs­ recht zusteht. Aber auch wenn allen oder gegenüber allen Rettern die Anfechtungsmöglich*) Auch Kombinationen dieser beiden Arten der Teilbarkeit sind möglich. Z. B. der Hilfslohn­ schuldner ficht den Vertrag nur gegenüber einem der Retter und nur in Ansehung eines bestimmten Bertragsteils an, oder gegenüber einem der Retter den ganzen Vertrag, gegenüber dem anderen Retter nur einen Teil desselben.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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feit gegeben ist, kann der Vertrag von oder gegenüber einem der Retter angefochten werden. § 747.

§ 139, welcher auch hier für die Anfechtung nach BGB. gilt (RG. 65, 405; 71, 201; WarnRspr. 1912 Nr. 360),*) ist auf § 747 nicht anwendbar. Das ergehende Urteil wirkt nur zwischen den Parteien und schafft nicht etwa allen andern, am Prozeß nicht be­ teiligten Personen gegenüber Rechtskraft (RG. 88, 322; IW. 1912, 788 Nr. 1). Dritte brauchen eine vom Gericht ausgesprochene Abänderung des Vertrags gegen sich nicht gelten zu lassen. Andrerseits aber können sie den für sie günstigen Ausspruch des Gerichts nicht für sich in Anspruch nehmend) Auch die prozessuale Ausgestaltung der Anfechtung in § 747 verbietet die Ausdehnung der Urteilswirkung auf prozessual nicht beteiligte Dritte. Die prozeßrechtlichen Ausnahmefälle des § 325 ZPO. sind jedoch auch hier natürlich zu berücksichtigen (vgl. RG. 88, 323). c) Inhalt und Durchführung der Anfechtung. Das Gericht kann den Vertrag auf An« Anm. 42. trag für nichtig erklären oder ändern. Uber die Rechtsnatur des ergehenden Ur-

teils vgl. Anm. 49. «) Ein Antrag ist erforderlich. Dieser nmn tiou der Prozeßpartei gestellt werden und wirdAnm. 43. sich mit dem Klage« oder Widerklageantrag decken. Vor dem Strandamt kann ein solcher Antrag nicht gestellt werden, denn § 747 erklärt nur das Gericht als zuständig für die Ent­ scheidung. Wenn auch § 747 die Tendenz hat, das Gericht möglichst frcizuftellen, so gilt doch auch Anm. 44. für dieses Verfahren der Grundsatz, daß der Richter nicht über die Parteianträge hinausgehen darf. Dies ist von Bedeutung für die ^onmiHening des Antrags und die Befugnisse des Gerichts. aa) Beantragt der Kläger lediglich, den Vertrag für nichtig zu erklären, soAnm. 45. kann das Gericht nicht ohne weiteres eine Änderung des Vertrags vornehmen. Denn diese setzt einen dahingehenden — d. h. substanziierten — Antrag voraus. Solange Kläger nicht anaibt, was ec geändert wissen will, beschränkt sich die Entscheidung auf die Frage, ob der Vertrag wirksam bleibt oder nicht. Liegen jedoch die Voraussetzungen der Nichtigkeits­ erklärung nur hinsichtlich eines Vertrags teils, also einer einzelnen Vertragsbestimmung vor, so kann der analog heranzuziehende § 139 BGB. zu dem Resultat führen, daß der ganze Vertrag aufzuheben ist (vgl. Anm. 41 zu aa). Dagegen dürfte es nicht zulässig sein, einen Teil des Vertrags aufzuhebcn. DiesAnm. 46. würde nicht eine Nichtigkeitserklärung, sondern eine Änderung desselben bedeuten. Denn die Teilaufhebung ist gegenüber der die Totalität des Vertrags erfassenden Nichtigkeit ein aliud, nicht ein minus. Der Kläger muß sich in solchen Fällen durch Stellung von Eventualanträgen helfen. ßß) Beantragt Kläger die Abänderung des Vertrags, so kann der Richter nicht denAnm. 47. ganzen Vertrag für nichtig erklären. Andernfalls würde er ja über den Antrag hinausgehen. Der Antrag auf Änderung muß substanziiert angeben, welcher Punkt verändert werden soll, er braucht sich aber nicht darüber zu äußern, in welcher Weise dies geschehen soll. Es wird sich fast stets um die Höhe des Hilfs« oder Bergelohns handeln, und es greift insoweit § 744 ein, der dem Richter die Feststellung nach freiem Ermessen überträgt. Der Antrag auf Aufhebung eines Vertragsteils ist als Antrag auf Abänderung des Vertrags anzusehen (vgl. Anm. 46). YY) In dem Übergang von dem einen Anträge zum anderu wird eine Klageänderung Anm. 48. nicht zu erblicken sein, da eine Änderung des Klagegrundes nicht in Frage steht (§ 268; RG. 14, 428; 90, 433) und die Änderung des Antrags hier nur eine qualitative Erweiterung *) Vgl. Staudinger § 142 Anm. 6. 2) Damit steht nicht in Widerspruch, daß nach der Rechtskraft des Urteils der für nichtig erklärte Vertrag materiell absolut, d. h. gegenüber jedermann unwirksam ist (vgl. RG. a. a. €•). Ausge­ schlossen wird eben nur die Berufung auf die Rechtskraft des Urteils bzw. die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache, nicht auch die materiellrechtliche Berufung auf die Nichtigkeit deS Vertrags.

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VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

§ 747.

ober Beschränkung im Sinne des Fortschreitens oder Zurückgehens auf dein Wege zur Verwirklichung des gleichen materiellen Anspruchs darstellt (vgl. RG. 23, 419; GruchotsBeitr. 32, 413; 47, 1175; 54, 1143; IW. 1911, 406 Nr. 24).

9(11111. 19.

ß) Für nichtig kann der Vertrag1) erklärt werden. Die Nichtigkeit tritt ein mit der Rechts­ kraft des die Nichtigkeit aussprechenden Urteils. Nicht die materiellen Voraussetzungen des § 747 und nicht eine Anfechtungserklärung der benachteiligten Partei, sondern erst der Ausspruch des Gerichts nimmt dem Vertrag seine Wirkung. Es handelt sich also um ein konstitutives, nicht mit rückwirkender Kraft ausgestattetes Urteil (streitig). Vgl. hierzu Stein ZPO. Vordem. II 3 b zu § 253. Es gilt nicht etwa der Vertrag als nicht geschlossen, so daß das Strandamt zuständig wäre (HansOLG. Hbl. 1888 Nr. 132; LG. Hamburg Hbl. 1890 Nr. 65; RG. Hbl. 1891 Nr. 54; HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 66; dasselbe Gericht bei Mugdan und Falkmann 3 Nr. 105a ; NG. 51 Nr. 57). Im übrigen aber wirkt die Nichtigkeit in materieller Beziehung wie eine kraft Gesetzes eintretende, absolut, d. h. gegenüber jedem Dritten und nicht nur zwischen den Parteien2) (vgl. dazu Anm. 40a und 41 zu ßß). Sind die Parteien darüber einig, daß der Vertrag auf Grund des § 747 außer Kraft treten soll, so ist trotz der Verschiedenheit der für die Parteien maßgebenden Gründe der Richter soweit gebunden, daß er den Vertrag nicht aufrecht er­ halten kann. Auch dann aber tritt nicht etwa die Zuständigkeit des Srraudamts ein. Denn die Aufhebung erfolgt immerhin auf Grund der Vorschrift des § 747?) Ebenso ist es in diesem Falle dem Richter nicht gestattet, den Vertrag abzuandern. Denn er würde damit den Rahmen der Parteianträge verlassen.

9(nnt. 50.

Anm. 51.

Anm. 52.

y) Geändert kann der Vertrag werden.

Diese Abänderung eines bestehenden Vertrags durch Urteil hat eine Parallele nur in den §§ 343, 655 BGB., jedoch nur insoweit, als es sich um die Herabsetzung des vereinbarten Hilfslohns handelt. Im übrigen aber (Erhöhung des Hilfslohns und Ausmerzung oder Veränderung einzelner Vertragsbedingungen) ist § 747 eine völlig singuläre Bestimmung, welche dem System der Rechtsordnung nicht einzugliedern ist (vgl. dazu RG. 86, 397; 90, 374; IW. 1920, 373 Nr. 1). Worin die Änderung

besteht, ergibt sicks aus den Parteianträgeu, soweit es sich um die Frage handelt, welche Bestimmung des Vertrags zu ändern ist. Es wird sich wohl stets um die Höhe des Lohns handeln (vgl. hierzu auch die Anm. 45—48, 51). Ob die anfechteude Partei auch anzugeben hat, welche Regelung an Stelle der vertragsmäßigen treten soll, ist nach Lage des Einzel­ falls zu beurteilen. Gegebenenfalls muß der Richter nach § 139 ZPO. auf die Erläuterung des unklaren Antrags hinwirken. Wird der Fortfall eines Vertragsteils angestrebt, so wird die hier behandelte Frage gegenstandslos. Anm. 53.

aa) Im Gegensatz zu dem früheren § 741 läßt der jetzige § 747 sowohl eine Herabsetzung als auch eine Erhöhung des Lohns zu. Das entspricht dem Grundsatz der gleichen Behandlung des Retters und des Geretteten (s. oben Anm. 38 ff.). Möglich ist demnach der Fall, daß der Vertrag von beiden Parteien angefochten wird, indem die eine den Lohn

für zu hoch, die andere für zu niedrig hält. Z Darunter sind aber nicht nur diejenigen Verträge zu verstehen, welche, sei es in Geld, sei es in einer Wertquote des zu retteuden Gegenstandes (HansOLG. Hbl. 1891 Nr. 1), unmittelbar diese Höhe festsetzen, sondern auch solche, welche mittelbar auf Feststellung des Vergütungsquantums hiuführen. Der Anfechtung unterliegen also auch beeinflußte falsche Bekenntnisse des notleidenden Schiffers über die Sachlage, Verzichte auf die Anrufung des Richters, Unterordnung unter Schieds­ richter oder Schätzer, bei deren Auswahl der Schiffer in einer wider die guten Sitten verstoßenden Weise beschränkt wird, Ausbedingung eines unbilligen Verfahrens (ROHG. 4, 435 ff.; 9, 365). 2) Insbesondere also wirkt die Anfechtung durch den Reeder auch für den Ladungseigentümer (und umgekehrt); die Anfechtung durch einen der Retter auch für die übrigen Retter. 3) Anders, wenn die Parteien im Laufe des Rechtsstreits darüber einig werden, daß ein Ver­ trag überhaupt nicht zustande gekommen oder auf Grund der §§ 123 oder 138 BGB. hinfällig sei.

VIII. Abschnitt: Bergung nnd Hilfsleistung in Seenot.

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Die Höhe der Vergütung gilt als nicht fixiert: sie wird festgestellt durch das Gericht, 8 747.

welches sich ja schon bei der Prüfung, ob eine Unbilligkeit (Fall I) oder ein außerordent- Anm. 54. liches Mißverhältnis (Fall III) vorliegt, über die Höhe des den Umständen entsprechenden, des normalen Maßes klar geworden ist (NG. 51, 340; vgl. NG. Hbl. 1891, 149 Nr. 54). Bei der Feststellung dieses Maßes sind die in § 744 Abs. 1, § 745 enthaltenen Grundsätze maß­ gebend*) (vgl. auch Anm. 23). ßß) Das Gericht hat die Festsetzung der Vergütung auf das seiner Ansicht nach den Umständen Anm. 55. entsprechende Maß durch bedingungslose Festsetzung eines bestimmten Be­ trags vorzunehmen. Unzulässig ist es also, neben der Fixierung eines Teilbetrags auszusprechen, daß der Zahlungspflichtige den Netter von Ansprüchen eines Dritten „freizu halten" habe (NG. 13,140 ff.; gegen HansOLG. Hbl. 1884 Nr.99; anders Burchard 163). Haben indessen die Parteien die Vergütung vertragsmäßig auf eine Wertsquote der ge­ retteten Gegenstände festgesetzt, so steht nichts entgegen, auch bei der gerichtlichen Festsetzung eine solche Quote zu normieren (NG. Hbl. 1891,149 Nr. 54; vgl. dazu auch § 744 Anm. 33ff.).

vy) Auf die als nngenieffen erachtete Bergütungssumme sind, sofern die Voraussetzungen Anm. 56.

des Verzugs vorliegen, Verzugszinsen*2)3 vom Tage der Vollendung der Hilfsleistung zuzusprechen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1891, 116 Nr. 1; vgl. auch HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 66; 1898 Nr. 80, wo lediglich Prozeßzinsen gefordert waren und zugesprochen wurden); denn in dieser Höhe hat, wie das Gericht anerkennt, der Vertrag zu Recht be­ standen, und der Zahlungspflichtige hatte ihn erfüllen müssen. Ist der Gläubiger etwa bezüglich der später vorn Gericht als angemessen erachteten Summe in Annahmeverzug geraten, so fällt die Verzinsungspflicht nach BGB. § 301 fort.

88) Die Änderung des Vertrags kann sich auch auf Nebenabreden beziehen,Anm. 57. z. B. daß der Retter nach Vollendung der Hilfeleistung noch die Schleppdienste bis zum nächsten Hafen unentgeltlich leisten müsse usw. (vgl. Anm. 24). Voraussetzung ist jedoch, daß diese Nebenabreden Bestandteil des Hilfsleistungsvertrags waren. Erfolgten sie erst nachträglich, so müssen die Voraussetzungen der Anfechtung noch zur Zeit ihres Abschlusses vorgelegen haben. Ist allerdings der Hauptvertrag mit Erfolg angefochten, so werden sie fast stets automatisch hinfällig werden, sofern ihnen nicht selbständige Bedeutung zu­ kommt.

6) Ausschluß der Anfechtbarkeit. Die Anfechtung des Vertrags wird ausgeschlossen durch Anm. 58. nachträgliche, d. h. nach Beseitigung der Gefahr erfolgte Bestätigung2) seitens des An­ fechtungsberechtigten (BGB. § 144; ROHG. 9, 367 ff.) und durch nachträglichen Verzicht (Burchard 132). Ein Verzicht braucht nicht zu liegen in der Ernennung von Sachverständigen behufs Abschätzung der geretteten Güter, sofern eine solche unbedingt stattzufinden hat (Hans­ OLG. Hbl. 1881 Nr. 97). Derartige Willenserklärungen können jedoch auf Grund des § 527 für den Reeder unverbindlich sein (SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"; vgl. auch Anm. 16). *) Anders für das frühere Recht: 1. Aufl. § 741 Anm. (J. 2) Uber die Frage der Verzinsung (insbesondere der Verzugszinsen) bei Bestätigung des Ver­ trags oder Herabsetzung des Lohns vgl. Brandis 2, 144. Die Lösung dieser Frage bereitet theoretische Schwierigkeiten. Sie ist auch praktisch nicht etwa deswegen von geringer Bedeutung, weil je nach Lage der Sache die Höhe des Hilfslohns unter Berücksichtigung des Zinsverlustes festgestellt werden kann (so Brandis a. a. O-). Denn gerade darum, ob der Zinsverlust (in irgendeiner Form) zu vergüten ist, handelt es sich. 3) Eine nachträgliche (evtl, notarielle) Beurkundung ist im allgemeinen als Bestätigung anzu­ sehen (anders SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Louise"), sofern sie nicht mehr unter dem Einfluß der Gefahr erfolgt. Das letztere braucht nicht stets vorzuliegen. Z. B. der Retter schleppt das not­ leidende Schiff zu einer geschützten Reede, begibt sich mit dem Schiffer an Land und läßt den Hilfs­ lohnvertrag notariell beurkunden. Die Seenot besteht fort, da das Schiff Wasser macht und bis zum Erreichen eines Hafens durch Pumpen lenz gehalten werden nnlß.

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§ 747.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung im Seenot.

Nicht ausgeschlossen wird die Anfechtung beim Vorliegett ihrer objektiven Voraussetzungen dadurch, daß der Hilfesuchende selbst auch nachträglich die vereinbarte Summe für angemessen hält (LG. Hamburg u. HansOLG. Hbl. 1890, Nr. 55, 59; nicht entgegenstehend HansOLG. Hbl. 1893, 280 Nr. 90, wo das objektive Moment d-es Übermaßes geleugnet wird)

Anm. 59.

oder dadurch, daß der Hilfesuchende den Vertrag schon mit der' stillen Absicht geschlossen hat, ihn später anzufechteu (Burchard 167 ff.; nicht entgegensteheind HansOLG. Hbl. 1893, 305 Nr. 116, welches wohl den Fall supponiert, daß der Hilfesuchende in Kenntnis der gar nicht vorhandenen Seenot kontrahiert hat). Anm.

60. e) Verjährung des Anfechtungsrechts. § 747 begründet keinen materiellrechtlichen Anspruch des Anfechtungsberechtigten gegenüber seinem Vertragsgegner', sondern gewährt ihn: ledig­ lich einen Nechtsschutzanspruch, welcher zu einem rechtsgestaltenden Urteil führt (vgl. Stein ZPO. Vordem. II3 zu § 253). Die Befugnis, im Wege der Klage oder der Einrede eine Aufhebung oder Änderung des Vertrags zu verlangen, unterliegt daher keiner Verjährung. Ist der Lohnanspruch jedoch verjährt, so bedarf es der Einrede aus § 747 nicht, da die Einrede der Verjährung den Lohnanspruch zu Fall bringt (anders Damb-acopoulos 113, welcher in dem Abänderungsrecht einen Anspruch auf Zubilligung einer höheren Belohnung erblicken will).

Anm. 61. f)

Beispiele auS der hanseatischen Praxis.)

1- Aufgrundgeraten eines Dampfers bei starkem Eingang inüueit der Lühe. Äußerste Gefahr, da sich das Schiff quer gegen den Strom gelegt und der Schiffer bereits Befehl zum Verlassen desselben erteilt hat. Zweitägige gefahrvolle Arbeit von ca. 100 Mann Hilfsmaunschaft, um das Schiff flott zu bekommen. Gerettete Werte: ca. 200 000 9JL Banko. Vereinbarter und zuge­ billigter Hilfslohn: 5000 M. Kurant (HG- Hamburg in Nathans Hamb. GZ. 1805, 244: Fall „Prompt"). 2. Abbringung eines auf Seesand bei Amrum gestrandeteil Bugsierdampfers in dell Hafell Amrums. Bruch von Kiel, Steuer, Schraube. Unnlöglichkeit, wegell Seegangs lind Eises die Anker aus­ zubrillgell. Eifrige und für Schiff ulld Manllschaft gefährliche Hilfsleistung währclld mehrerer Tage. Geringe Aufwendungen. Wert des Schiffes: 47 800 M. Vereilibart: 4O°/o, herabgesetzt auf 10000 M. (HansOLG. Hbl. 1881 Nr. 97: Fall „Assecuradeur"). 3- Festgeraten eines durch Ausstößen auf ein Riff leck gewordenen Dampfers in der Magellanstraße unter der Gefahr, durchzubrechen. — Vereinbarung eines Hilfslohns von 5500 £ (eigentlich 10000 £, aber inkl. Fracht für Weiterbeförderung der Ladung, die mit 4500 £ vom Gericht be­ wertet wurde) für erste Assistenz zur Bergung des Schiffes mib Ladung. Vereinbarung eines weiterell Hilfslohnes voll 1000 £ für die Fahrt des hilfeleistenden Schiffes ilach Punta Arenas zur Requirierung weiterer Hilfe. Ferner Anspruch auf — nicht vereinbarten — Extrahilfslohn für Bugsierung des notleidellden Schiffes vom Strandungsplatz nach der nächsten sicheren Bai (25 Seemeilen) in Höhe von 5000 £. Assistenz der Mannschaft des hilfeleistenden Schiffes beinr Pumpen. Viertägiges Verbleiben beim notleibenbcn Schiffe (nach Übernahme der Ladung des­ selben) bei stürmischenl Wetter. Abschleppell auf 25 Seemeilen, Fahrt nach Punta Arenas und zurück; Rückkehr mit einen: Hilfsdampfer nach ferneren 4—5 Tagen. Aufwendungen zum Betrage von ca. 420 £; sowie Besorgnis, wegen des Bruchs einer anderweit eingegangenen Cl;arter auf Grund der Penalty^Clause zunl Frachtbelauf von 4500 £ in Anspruch genommen zu werden. — Verlängerung des Aufenthalts in gefährlichen Gewässern. — Größte Gefahr für das in Seenot befindliche Schiff und dessen Ladung. — Gerettete Werte -. 40000 £ + 12000 £. — LG. Ham­

burg und HanfOLG. haben unter Auslegung des ersten Vertrags als die Abschleppung des not­ leidenden Schiffes ::ach der nächsten Bai mitenthaltend den ersten Hilfslohn (5500 £) für nicht

erheblich übersetzt erklärt. Dagegen hat das Oberlandesgericht im Gegensatz zum Landgericht die im zweiten Vertrage für die Herbeischaffung von Hilfe aus Punta Arenas bedungenen 1000 £ gestrichen (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1884 Nr. 99; 1885 Nr. 95; RG. 13 Nr. 33: Fall „Sorrento"). 4. Aufgrundgeraten eines Schiffes bei Knechtsand unweit Neuwert im Winter bei ruhigern Wetter. Abbringung durch einen Bugsierdampfer. Dauer der Hilfsleistung: ca. 12 Stunden. Zu retterde Werte: ca. 185000 M. Vereinbart: 875 £; zugebilligt: 875 £ (LG. Hamburg und HansOLG.

Hbl. 1890 Nr. 55, 59: Fall „Coronilla"). 5. Bollschiff, inmitten der Nordsee infolge Sturms entmastet, mit Schlagseite, jedoch weder leck noch gänzlich manövrierunfähig — Fragwürdigkeit des Erfolges. — Übernahme der Trosse bei rn-

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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ruhigem Wetter; Unterbrechung der Reife abfeiten des hilfeleistenden Schiffes um 4 Tage; Zeit der Hilfsleistung 24 Smnden. Zu rettende Werte: 244000 M. Vereinbart: die Hälfte bed Werts; zugebilligt: 5500) M. (LG. Hamburg, HansOLG. und RG. Hbl. 1891 Nr. 1, 54, 116: Fall „Calliope").

6. Bollschiff, auf Steilssaiw ganz nahe Kuxhaven, bei schwerem Eistreiben, mit zerrissener Anker­ kette auf Grund geraten uiib daselbst durch Kollision stark beschädigt. Abbringung durch 2 kräftige Bugsierdampfer in 4—5 Stunden bei ruhiger See. Zahl der hilfeleistenden Mannschaft: 14. Wert des zu rettendell Schiffes (ohne seine Salpeterladung): 319000 M.; Wert der Bugsierdampferr ca. 80000 M. Große Wahrscheinlichkeit des Erfolges. Schwierigkeit, andere Hilfe zu erlangen. Vereinbart: 5000 £; zugesprochen 20000 M. (HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 11: Fall „Arcturus"). 7. Barkschisf, nach Verlust von Anker uiib Ketten bei Kuxhaven seit mehrerell Tagen vom Eis ein­ geschlossen und mit den Eismassen abwechselnd auf- und abwärts treibend, in manövrierunfähigem Zustande in unmittelbarer Nähe Kuxhavens imd) dem Quarantänehafen verbracht. Hilfsleistung durch 2 kräftige Seeschlcpper uiib einen Bugsierdampfer, ohne besondere Gefahr und mit sicher zu erwartendem Erfolg. Zeit der Hilfsleistung: ca. 7 Stuliden mit Unterbrechungell. Wert der geretteten Gegellstände angeblich: 570000 M. Vereinbart: 3000 £; herabgesetzt auf 25000 M. (LG. Hamburg und HansOLG. Hbl. 1892 Nr. 52: Fall „Senator Bersmann").

8. Dampfer, bei der Lühe nach Verlust von Anker uiib Ketten imb mit verbogenem Ruder im Eise auf Gruild geraten. Abnorme Eisverhältnisse; Schwierigkeit, geeignete Schlepper zu erhalten.Höhe der Bugsierlöhue. Wert von Schiff und Ladung: 745 853 M. — Vereinbart und zuge­ sprochen: 150 £ per Dampfer und per Tide = 3657 £ (LG. Hamburg Hans OLG. und RG. Hbl. 1892 Nr. 42; 1893 Nr. 77, 90: Fall „Azalea"). 9. Transatlantischer Dampfer, bei. ruhiger See auf einen; Riffsattel in bei Nähe von Haiti ausgelaufen; mit dem vorderell Drittel etwa 5 Fuß aufgebüumt, mit den hinteren zwei Dritteln in genügend tiefem Fahrwasser liegend, pro Stunde % Zoll Wasser machend. Ulnnöglichkeit, trotz erfolgter Leichterung abzukommen. Abdriilgung durch einen anderen Dampfer unter gefährlicher All­ näherung nach vergeblichem Versuche und Verlust voll Stahltrossen; Zeitdauer: ca. 3 Stunden; gesamter Aufenthalt: 12 Stunden. Wert des zu rettenden Schiffes: 126000 M.; der Ladung: 1300000 M. Wert des rettenben Schiffes nebst Ladung: ca. 1000000 M.; Ungewißheit bezüglich der Möglichkeit der Abbringung uiib deren Zeitdauer. Vereinbart: 1/3 des Gesamtwertes; herab­ gesetzt auf 100000 M. (HansOLG. Hbl. 1897 Nr. 66: Fall „Thuringia"). 10. Dampfer, mit gebrochener Maschille uub starker Schlagseite, bei unruhiger See ca. 90 Seemeilen von St. Vincent treibend. Ladung aus lebendenl Vieh im Werte von ca. 600000 M. bestehend, lvegen abnehmenden Wasservorrats auch bei gutem Wetter gefährdet- Bugsierung nach St. Vinceltt durch einen nach diesenl Orte bestimmten Dampfer. Voraussichtliche Gefahrlosigkeit und zu er» wartender Erfolg. 13 stündige Schleppfahrt. Wert des zu rettenden Schiffes: 1800 £; hoher Wert des rettenden Schiffes. Vereinbart: 3000 £; herabgesetzt auf 25000 M. (HansOLG. Hbl. 1898 Nr. 80: Fall „Louisiana").

11. Strandung eines Dampfers in der an der Küste von Marokko befilldlichell Bucht von Honain int Sommer. Äußerst gefährliche Lage in der ellgen, von hohen Felseil umgebenen Bucht bei ftür» Mischer See und ohne Aussicht auf geeignete, nur durch starke und dafür eillgerichtete Bergungs­ dampfer zu beschaffende Hilfe; voraussichtlicher Totalverlust beim Ausbleiben solcher Hilfe. Herbeirufullg eines deutschen in Gibraltar dauernd stationierten Bergungsdampfers. Notwendigkeit des Wegmahlens des Sandes durch die Schraubenflügel dieses Dampfers; voraussichtlich hoher Aufwand an Material und große Schäden; erhebliche Kollisionsgefahr; Unsicherheit des Erfolges, insbesondere Gefahr des Verlustes des zu rettenden Dampfers. Zu rettende Werte: 180000 M. Wert des hilfeleistenden Schiffes inkl. Bergungsmaterial: 400000 M. Außerordentlich hohe Erhaltungskoften für den Bergungsdampfer. 6 tägiges Rettungswerk. Nicht unerhebliche Kosten der teilweisen Entlöschung. Abschleppung nur aus der Bucht heraus. Vereinbarter Lohn: 3600 £; herabgesetzt auf 58000 M. (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 5; RG. 51 Nr. 57: Fall „Ellewoutsdyk").

12. Viermastsegler, mit Salpeterladung, während der Ebbe bei schwerem Eisgang und starkem Frost nahe Brunshausen auf Grund geraten. Gefahr, daß bei Flottwerden des Schiffes mit der Flut dasselbe auf seinen Anker treiben und dabei ihm der Boden eingedrückt werden würde, in welchem Falle das Schiff untergegangen, die Salpeterladung weggeschmolzen wäre. 24stündige Hilfs­ leistung durch 2 Schlepper, bestehend in Freihaltung des Seglers vom Anker und Abschleppung nach Kuxhaven als Nothafen, da wegen niedrigen Wasserstandes die Fahrt nach Hamburg aus-

A 747. ßf

944 § 747.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

geschlossen war. Wert von Schiff und Ladung- ca. 1000000 M. Vereinbarter Hilfslohn - 250 £, Herabsetzung abgelehnt (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 100: Fall „Bertha"). 13. Schoner, in einer Dezembernacht bei stürmischen: Wetter genötigt, nahe bei Vogelsand vor Anker zu gehen. Beschädigtes Ankerspill; Gefahr zu stranden. Schwierigkeit für größere Dampfer, heranzukommen. Bergungsdampfer als rettendes Schiff. Gefährliche, 9 stündige Hilfsleistung. Gerettete Werte: 35000 M. Vereinbarter und bestätigter Lohn: 2000 M. (HansOLG. Hbl. 1902 Nr. 129). 14. Schlepper bei Bornholm von Dampfer bei schwere:;: Wetter in hilflosen: Zustande angetroffen. Ins Schlepptau genommen und nach Sin:resham gebracht. Der Schlepper hatte die 4 Schrauben­ flügel verloren und trieb bei orkanartigem Sturn: und wilder See unter Notsignalen die schwedische Küste entlang. Der Dampfer lieferte das Schleppgeschirr. Die Trosse brach. Am nächsten Morgen nochmalige Übernahme und nochmaliges Brechen der Trosse. Beim dritten Male gelang das Einschleppen. Große Gefahr des Schleppers. Viel Wasser in: Maschinenraum. Besatzung erschöpft. Gefahr des Bollschlagens. Tätigkeit des Retters umsichtig und eifrig. Gefahr, das - Schleppgeschirr in die Schrauben zu bekommen oder mit dem geschleppten Schiff zu kollidieren Dauer der Hilfeleistung: 2 Tage. Wert des Schleppers: etwa 100000 M. Hilfslohn vereinbart: 50000 schwedische Kronen (nach damaligem Kurse etwa 130000 M.). Herabgesetzt auf: 45000 M. (SeeschG. vom 5. Dez. 1918: Fall „Luise"). 15. Fischdampfer, bei Brockdors auf ein Stack gelaufen. Gefahr nicht unerheblich, da Steingruud und bei Westwind Seegang zu befürchten. Dazu Eisgang. Zwei vorüberfahrende Schlepper schleppen in kurzer Zeit ab. Gefahrloser und fast müheloser Gelegenheitsdienst. Wert des Fisch­ dampfers: 75000 M. Vereinbarter Hilfslohn: 4000 M. Herabgesetzt auf 2500 M. (LG. und OLG. Hamburg Hbl. 1901 Nr. 28: Fall „Cuxhaven"). 16. Segler vor der Störmündung havariert im Eise treibend. Schlepper suchte das Schiff auf, schleppte es nach Glückstadt. Dauer der Schleppreise: ca. 2 y2 Stunden. Am nächsten Tage Aufeisen im Hafen zwecks Vertäuung des Seglers. Gefahr für den Segler, vom Eise auf den Sand gesetzt zu werden. Anderweite Hilfe nicht zu erlangen. Rettung ohne Gefahr und Mühe für den Schlepper. Wert der geretteten Gegenstände: ca. 70000 M. Vereinbarter Hilfslohn: 3000 M. Herabgesetzt auf 1200 M. (HansOLG. Hbl. 1908 Nr. 24: Fall „Angela"). 17. Schlepper und Seeleichter bei Rio Grande gestrandet. Starke Brandung, große Gefahr. Un­ möglichkeit, andere Hilfe zu erlangen. 2 Schlepper schleppten den Leichter nach einstündiger Arbeit ab. Schwierige Herstellung einer Verbindung mit den: gestrandeten Schlepper. Ab­ schleppen nach fünfstündiger Arbeit und Bugsieren beider Schiffe in den Hafen. Verlust an Trossen im Werte von 2000 M. Gesamtzeit der Rettung: ca. 25 Stunden. Schwierige und gefahrvolle Tätigkeit. Eifer und Erfolg. Wert der geretteten Gegenstände: 144000 M.; der Retter: 270000 M. Vereinbarter Hilfslohn: 25% der geretteten Werte. Zugebilligt: 22500 M. (Schiedsgericht Hbl. 1908 Nr. 110: Fall „Hollandia").

§ 748.

§ 748.

Der Berge- oder Hilfslohn kann herabgesetzt oder gänzlich versagt werden, wenn die Berger oder Retter die Notwendigkeit der Bergung oder Hilfs­ leistung durch ihre Schuld herbeigeführt oder sich des Diebstahls, der Ver­ heimlichung oder anderer unredlicher Handlungen schuldig gemacht haben. Anm. 1. I. § 748 beruht auf Art. 8 Abs.

2 des JÜS. Er ist zum größten Teile neu. Der frühere § 750 Nr. 2 hatte nur den Spezialfall im Auge, daß der Berger „von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigentümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige macht". In diesem Falle verlor er den Anspruch auf Bergelohn. Diese Rechtsfolge war nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern mußte beim Vorliegen der Voraussetzungen aus­ gesprochen werden. Ferner war eine bloße Herabsetzung des Bergelohns den: früheren Recht unbekannt. Auch die geringste Verfehlung zog Verlust des ganzen Anspruchs auf Berge­ lohn nach sich.

Anm. 2. II. § 748 behandelt die Einwirkung eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Retter, welches vor oder nach Beginn der Rettung liegen kann. Er regelt die Folgen dieses Verhaltens aber nur insoweit, als es sich um die Frage des Hilfslohns und seiner Höhe

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

945

handelt. Im übrigen bleiben die Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§ 823 ff. BGB.) 8 748. in Geltung. 1. Vor Beginn der Rettung muß sich das Verschulden beziehen aus die Verursachung derAnm. 3. Gefahr, aus welcher das Schiss gerettet werden soll.

a) Die Notwendigkeit der Rettung muß herbeigeführt sein. Es genügt also nicht eine Anm. 4. Unterstützung, die nicht erforderlich, sondern nur erwünscht war. Man wird annehmen müssen. daß iiberall da, wo eine Seenot üri Sinne des § 740 vorlag, auch die Notwendigkeit der Retttlng gegeben ist. Kann sich das Schiff nämlich aus seiner Gefahr nicht mit eigener Kraft befreien (vgl. § 740 Anm. 10), so ist es auf fremde Hilfe angewiesen, und diese ist daher zur Rettung notwendig. Auch hier wird man (ebenso wie bei § 740) nicht allein den nachträglich objektiv festgestellten Sachverhalt, sondern auch beffen subjektive Bewertung durch die Beteiligteu berücksichtigen müssen. An sich trifft die Beweislast für die Notwendigkeit der Rettung den Hilfs-Anm. 5. lohnschuldner, welcher sich auf § 748 beruft. Da jedoch der Netter, welcher Ansprüche aus § 740 erhebt, bereits vorher die Seenot nachzuweisen hat und sich aus dieser prima faeie die Notwendigkeit der Rettung ergibt, so wird die Beweislastfrage feiten praktisch werden. b) HerLeigestthrt muß die Notwendigkeit der Rettung von dem Netter sein. Es wird also Kausal-Anm. (>. Zusammenhang (und zwar adäquater) verlangt (vgl. hierzu § 735 Anm. 36 ff.). Der häufigste Fall ist der, daß zwei Schiffe zusammenstoßen linb das schuldige dem unschuldigen nach dem Zusammenstoß Hilfe leistet. Er können aber auch andere Möglichkeiten gegeben sein. Z. B. ein Schiff verletzt seine Ausweichpflicht, zwingt das andere zu einem Manöver, durch das es zum Stranden kommt (§ 738) und leistet daun Hilfe. Oder: ein Lvtsendampser kann wegen starken Sturms deu Lotserl nicht absetzen und leitet das Schiss durch Vorausfahren und Ab­ gabe von Leuchtsignalen in den Hafen. Infolge mangelnder Rücksicht auf deu Tiefgang des gelotsten Schiffes durch den Lotsendantpfer gerät das Schiff ans Grund uni) wird von dem Lotsendampfer abgeschleppt. Besonders häufig ist der Fall, daß ein Schiff infolge schlechter Navigation seines Schlep- Anm. 7. l^ers1) in Seenot gerät, z. B. mit einem andern Schiff, einem Bollwerk oder Dückdalben in Kollision kommt oder auf Grund läuft und dann vom Schlepper Hilfe erhält (vgl. dazu RG. 59, 305 = Hbl. 1905 Nr. 42 = SeufsA. 1905 Nr. 154; HansOLG. Hbt. 1904 Nr. 79; 1911 Nr. 89. Nicht notwendig ist ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Verschulden undAnm. 8. Retttlng. Wenn das an der Kollision schuldige Schiff deu nächsten Hafen anläuft und (ins der Rückreise nach einigen Tagen dell infolge der Kollision ans Strand gelaufenen Gegner abschleppt, so steht ihm der Einwand aus § 748 entgegen.

c) Durch die Schuld der Retter muß die Rettung notwendig geworden sein.

Anm. 9.

a) Über Verschulden vgl. § 735 Anm. 12 ff. Für das Verschulden ist derjenige beweis-Anm. 10. pflichtig, der sich auf § 748 beruft. Eine tatsächliche Beweiserleichterung oder Beweislast­ verschiebung wie hinsichtlich der Notwendigkeit der Rettung (s. oben zu la) kommt hier nicht in Betracht. Der Grad des Verschuldens wird erst bei der Bemessullg des Abzugs von Erheblichkeit, ebenso die Frage des konkurrierenden Verschuldclls (vgl. RG. 59, 305; vgl. unten Anm. 35 ff.). ß) Eine Schuld der Berger oder Netter muß vorliegen. Wer ist Berger oder Netter im Sinne Anm. 11, des § 748? Man muß hier unterscheiden zwischen der Hilfsleistung durch einzelne Personen (Strandbewohner, Strandvogt, Fischerboot mit Fischern) und durch ein Schiff als einer durch örtliche, technische und juristische Momellte zusammengehaltenen Verkehrseinheit. aa) Wo nur Einzelpersonen in Tätigkeit treten, ist jede einzelne ein Netter. Seine Tätig-Anm. 12. keit wird besonders abgegolten (§ 744 Abs. 2) auch daun, wenn die mehreren Retter ihren Anspruch gemeinsam geltend machen. Ebenso wird auch sein Verschulden besonders be9 Vgl. § 742 Abs. 3. Schnps, Seerecht.

2. Ausl.

946 § 748.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot. trachtet.

Haben A, B und C Hilfe geleistet und trifft A ein Verschulden an der Seenot,

so ist er allein der schuldige Retter und von seinem nach § 744 Abs. 2 zu bestimmenden

Anteil wird der Abzug nach § 748 gemacht.

Anm. 13.

ßß) Anders, wenn ein Schiff der Netter ist. Im Hilsslohnprozeß ist das Schiff als Ein­

heit zu betrachten. Das Schiff ist der Netter im Sinne des § 748, nicht die einzelnen auf ihni befindlichen Personen?) Das ergibt sich schon daraus, daß der Lohnanspruch nicht in

der Person der Besatzungsmitglieder, sondern in der des Reeders entsteht. Der Abzug des § 748 kann daher gar nicht an dem nach § 749 festzustellenden Anteil der einzelnen Besatzungs­ mitglieder vorgenommen werden. Sie haben ja gar keinen direkten Anspruch (vgl. unten

S 749 Anm. 6), welcher gekürzt werden könnte?) Ihre Ansprüche richten sich nur gegen

den Reeder und werden unter Ausschluß des Rechtsweges vom Seemannsamt end­ gültig entschieden. Der Abzug des § 748 aber ist vom Gericht zu bestimmen. Schon hieraus geht die Unmöglichkeit hervor, die einzelnen Besatzungsmilglieder als Retter im Sinne

des § 748 zu bezeichnen. Die Vorschrift wäre schlechthin undurchführbar. Anm. 14.

Die Schuld ist hier in gleichem Sinne zu verstehen wie in den Vorschriften über Schiffskollision (vgl. dazu § 735 Anm. 12 ff.), d. h. es ist die Schuld des Schiffes, nicht

die einer Person,der Besatzung

festzustellen.

Der Abzug wird von dem Lohn-

anspruch getnacht, der beut Schiff in der Person des Reeders erwächst. Wird also die Rettung durch-ein Schiff vorgenommen, so braucht der Richter nicht zu untersuchen, welches Mit­ glied der Besatzung durch sein Verschulden die Seenot herbeigeführt hat, sondern nur, ob

ein Verschulden eines Besatzungsmitgliedes vorliegt. Die Person desselben kann sogar völlig dahingestellt bleiben. In dieser Beziehung gilt ganz das gleiche wie beim Zusainmenstoß von Schiffen. Anm. 15.

Nur diese Ansicht führt zu praktisch brauchbaren Resultaten. Z. B. der Dampfer A leistet dem Schiff B Hilfe, nachdem dieses durch die Schuld von A angerannt und gestrandet ist.3) Das Gericht will den Hilfslohn auf 30000 M. bemessen, aber den Anspruch wegen des Verschuldens um die Hälfte mindern. Die Schuld liegt daritt, daß der Rudergänger das

Ruder versehentlich nach Backbord statt nach Steuerbord gelegt hat. Betrachtet man den Ruder­ gänger als einen der Netter, so könnte der Abzug nur von seinem Anteil gemacht werden. Bei 50 Mann Besatzung (außer deut Kapitän) würde dieser Anteil nach § 749 nur 100 M.

betragen?) Das Verschulden würde also dazu führen, daß das gerettete Schiff ganze 50 M.

weniger zu zahlen hätte. Nun kann dieses allerdings den gesamten aus der Kollision ent­

standenen Schaden, darunter auch den gattzen Hilfslohn, gegen den Reeder des schuldigen Schiffes geltend machen; dieser haftet aber nur mit Schiff und Fracht. Das hierin

liegende Risiko trägt das gerettete Schiff. Wenn außerdem aber der Reeder den ganzen Hilfslohn (also auch den an ihn gentäß § 749 gefallenen Betrag) an das gerettete Schiff auszahlt, so ergibt sich das Resultat, daß der Schiffsbesatzung, mit Ausnahme des einen

schuldigen Mitgliedes, der Anteil am Lohn in voller Höhe verbleibt?) Das mag zunächst nur billig erscheinen, ist jedoch eine Unbilligkeit gegenüber dem Reeder. Wie der hohe Anteil, den 8 749 ihm zuweist, erkennen läßt, soll die Rettung für den Reeder gleichzeitig ein gutes Geschäft sein (denn nur auf diese Art kann der Kapitän zur Übernahme der Verantwortung

für die Reiseverzögerung gegenüber dem Reeder bewogen werden).

Statt dessen soll der

Reeder den ganzen Hilfslohn selbst bezahlen, d. h. nicht nur seinen Anteil an dem Lohn *) Abweichend Tambacopoulos 106. 2) Dementsprechend ordnet § 748 auch an, daß der Berge- oder Hilfslohn (nicht die Be­ teiligung nach § 749) versagt oder herabgesetzt werden kann. 3) Uber die Verquickung von Land- und Seevermögen des Reeders in solchen Fällen vgl. Schaps, Jur. Literaturblatt 1897, 206; Tambacopoulos 106 ff. 4) Der Einfachheit halber wird vorausgesetzt, daß dem Reeder keine Schäden am Schiff und keine Betriebsmehrkosten erwachsen sind (§ 749). 6) Das Rückgriffsrecht des Reeders gegen das schuldige Besatzungsmitglied auf Grund des Dienst­ vertrags ist praktisch ohne Bedeutung.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

947

(der ein Äquivalent für das Risiko seines Eigentums ist) verlieren, sondern noch der Schiffs- § 748.

besatzung eine besonders hohe Prämie dafür zahlen, daß sie ihm gegenüber nur eine Vertrags­ pflicht erfüllte, nämlich den voll ihr angerichteten Schaden nach Möglichkeit minderte. Im vorliegenden Falle würde die Extravergütung, welche dem Reeder zur Last fällt, rund 5000 M. betragen, eine sicherlich ungerechte Belastrmg. Aus allen diesen Gründen muß daran festgehalten werden, daß der Abzug an dem Gesamthilfslohn vorzu­ nehmen ist. YY) Sind mehrere Schiffe zusammen mit Einzelrettern an der Bergung oder Hilfs-Anm. 16. leistung beteiligt, so kann das Verschulden des einen nicht den Lohnansprnch des andern beeinträchtigen. Der Anteil des schuldigen muß dann stets gemäß § 744 Abs. 2 besonders berechnet werden, da der Abzug des § 748 nur von diesem Anteil zu machen ist. Möglich ist es allerdings, daß der Anteil mehrerer schuldiger Retter ungeteilt — jedoch gesondert von dem Lohn der unschuldigen — berechnet und der Abzug für diese schuldigen gemeinsam vorgenommen wird. Y) Eine nach Eintritt der Seenot begangene Schuldhaftigkeit kom.mt für § 748 nicht in Be-Anm. 17. tracht, z. B. eine vom Retier schuldhaft verursachte Kollision während des Rettungswerks. Sie kann den Erfolg der Rettung völlig ausschließen, dann entfällt der Lohnanspruch nach § 741 Abs. 1, oder sie kann den Erfolg mindern, dann wirkt sie nach § 745 auf die Höhe des Hilfslohns ungünstig ein. Diese beiden Vorschriften führen also indirekt zu dem gleichen Ergebnis wie § 748.1) 8) Die Schuld eines Dritten, der nicht Retter ist, kommt für § 748 nicht in Betracht, selbstAnm. 18. dann nicht, wenn das schuldige Schiff und das reitende Schiff demselben Reeder gehören. Befindet sich ein Zwangslotse an Bord des rettenden Schiffes und ist die Seenot aus sein Verschulden zurückzusühren, so fragt es sich, ob mit Rücksicht auf § 737 die Anwend­ barkeit des 8 748 ausgeschlossen ist. Nun bezieht sich § 737 lediglich auf den Zu­ sammenstoß von Schiffen. Soweit also ein solcher nicht vorliegt, muß der Lotse den übrigen an Bord befindlichen Personen gleichgestellt werden, d. h. seine Schuld führt zur Herabsetzung des Lohns. Anders, wenn die Seenot dadurch geschaffen wird, daß der Zwangslotse schuldhaft eine Kollision herbeigeführt hat. Insoweit gilt er nach § 737 nicht als Mitglied der Besatzung (f. § 737 Anm. 12). Der Reeder haftet nicht für sein Verschulden und braucht sich daher auch keine Verkürzung seines Lohn­ anspruchs gefallen'zu lassen. Kann er dem Schadensersatzanspruch des angerannten Schiffes (auch soweit er den Hilfslohn umfaßt) in voller Höhe den Einwand entgegensetzen, daß ein Zwangslotse den Zusammenstoß verschuldet hat, so kann ihm dieser Einwand nicht auf dem Umwege über § 748 genommen oder der Höhe nach begrenzt werden. Das Ver­ schulden ist hinsichtlich des § 748 eben nur soweit zu berücksichtigen, als die Haftung des Lohn­ berechtigten für die Handlungen der an Bord befindlichen Personen reicht. 2. Nach Beginn der Rettung beeinflußt ein Verschulden der Retter den Hilfslohn in jedem Anm. Falle nach § 745, d. h. je nachdem es den Erfolg beeinflußt oder bei Würdigung der Leistungen von Belang ist, kann es eine geringere Bemessung des Lohns zur Folge haben. Daneben tritt die Bestimmung des § 748, wonach im Falle unredlicher Handlungs- Anm. weise der Netter ihr Lohnanspruch ganz oder teilweise entfallen kann. Die Vorschrift be­ deutet gegenüber dem früheren § 750 eine erhebliche Erweiterung. a) Voraussetzungen der Vorschrift: Anm. «) Die Retter oder Berger müssen die unredliche Handlung begangen haben, über den Be­ griff des Retters und Bergers im Sinne des § 748 vgl. oben Anm. 11 ff. ß) Unredliche Handlung bedeutet nicht nur ein strafrechtlich zu ahndendes Verhalten, wie sich Anm. schon daraus ergibt, daß § 748 neben den Diebstahl als zweites Beispiel die dem Strafrecht unbekannte „Verheimlichung" stellt. Die unredliche Handlung muß mit der Rettung in *) Ein Unterschied ergibt sich allerdings insofern, als nach § 741 Abs. 2 der Lohnanspruch ab­ gesprochen werden muß, nach § 748 nur abgesprochen werben kann.

19.

20.

21.

22.

948

§ 748.

Anm. 23.

Sinm. 24.

Anm. 25.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot. Zusammenhang stehen (vgl. Knitschkh-Rudorff § 748 [it. F.) Note 2). Nicht erforderlich

ist, daß sie mit einer Nettungshandlung zusammenfällt. Es genügt, daß sie bei Gelegen­ heit der Rettung begangen wird (vgl. auch Anm. 32). aa) Als Beispiele führt § 748 an: Diebstahl (§ 242 ff. StGB.). Dem Diebstahl wird die Entziehung elektrischer Arbeit (RGes. vom 9. April 1900 RGBl. 228) gleichzustellen sein. Z. B. die Netter schließen heimlich ihre Akkumulatoren an die Stromerzeugungsanlage des notleidenden Schiffes an, neben dem sie liegen, und laden ihre Akkumulatoren, ohne daß dies etwa zum Zweck der Rettung erforderlich wäre. Der Umstand, daß schwerer Diebstahl (§ 243 StGB.) vorliegt, ist nur für die Frage, in welcher Hohe die Herabsetzung des Lohns eintritt, von Bedeutung. Rechnet man den Mundraub nicht zum Diebstahl (wozu die Judikatur neigt), so ist dieser jedenfalls eine sonstige unredliche Handlungsweise. Verheimlichung. Während der frühere § 750 Nr. 2 nur bei der Bergung eine An­ zeigepflicht statuierte und deren Verletzung mit Verlust des Bergelohnanspruchs bestrafte, gilt nach § 748 das Verbot der Verheimlichung sowohl für die Bergung als auch für die Hilfsleistung. Eine allgemeine Anzeigepflicht stellt g 748 nicht auf. Insoweit verbleibt es also bei den Bestimmungen der StrandO. Uber ihr Verhältnis zu g 748 äußert sich die Begründung zum Gesetz vom 7. Jan. 1913 folgendermaßen (S. 9/10): „Nach § 750 Abs. 2 HGB. hat gegenwärtig auf Berge- und Hilsslohn keinen Anspruch, wer von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigentümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige macht. Im Anschluß hieran sieht der g 12 der StrandO. vor, daß in Ermangelung einer Bestimmung des Schiffers oder des Strandvogts das Geborgene, sofern keine Hindernisse entgegenstehen, bei Verlust des Anspruchs auf Berge- oder Hilfs­ lohn nach dem zunächst erreichbaren deutschen Hafen- und £(1^1111051)^6 gebracht und sofort der nächsten Polizeibehörde oder dem Strandvogt angezeigt werden muß. Im g 43 StrandO. ist ferner die Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des g 12, sofern nicht nach allgemeinen Strafgesetzen eine höhere Strafe verwirkt ist, mit einer Haftstrafe oder einer Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark bedroht. Diese Strafbestimmung wird durch die neuen internationalen Vorschriften nicht berührt. Dagegen wird die Vorschrift des § 12, soweit nach ihr ein Verlust des Anspruchs auf Berge- oder Hilfslohn ein­ tritt, für das Anwendungsgebiet des internationalen Übereinkommens durch die Be­ stimmung des Art. 8 Abs. 3 ersetzt, wonach der Richter den Anspruch auf Vergütung herabsetzen oder gänzlich versagen kann, wenn sich die Retter des Diebstahls, der Verheim­ lichung oder anderer unredlichen Handlungen schuldig gemacht haben. Eine Anwendung verschiedener Grundsätze, je nachdem im einzelnen Falle als Retter und als Eigentümer von Schiff und Ladung nur Deutsche oder auch Angehörige anderer Vertragsstaaten be­ teiligt sind, ist nicht angängig. Nach dem Entwürfe soll deshalb in das Handelsgesetzbuch (§ 748 der neuen Fassung; Art. 1 Nr. II des Entwurfs) die Vorschrift des internationalen Übereinkommens übernommen werden. Demzufolge müssen im g 12 StrandO. die Worte

,bei Verlust des Anspruchs auf Berge- oder Hilfslohi? wegfallen." Da Art. 8 Abs. 3 des Brüsseler Übereinkomniens mit § 748 inhaltlich übereinstimmt, so umfaßt hiernach die Verheimlichung auch die Unterlassung der Anzeige (was an sich zweifel­ haft sein könnte). Anzeigepflichtig ist der bzw. bei gemeinschaftlicher Bergung die mehreren Berger. Sobald die Anzeigepflicht von einem der Berger auch hinsichtlich der von den übrigen Bergern geborgenen Gegenstände erfüllt ist, fällt sie auch für diese übrigen weg. Dagegen kommt sie nicht in Fortfall mit der irrtümlichen Annahme, die Anzeige sei anderweitig er­ stattet (anders Burchard 299 ff.), wenn auch diese Annahme die Strafbarkeit aus StrandO. § 43 ausschließt. Menschenretter als solche sind nicht anzeigepflichtig. Die Anzeige hat zu enthalten eine Aufzählung der geborgenen Gegenstände, bei gemeinschaftlicher Bergung auch derjenigen, die sich nicht im Besitze des Anzeigenden, sondern in dem der übrigen Berger befinden.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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Aber auch soweit eine Anzeigepflicht nicht besteht, wird eine Ber-K 748. heimlichung möglich fein.1) 2 Sie umfaßt jede Tätigkeit, welche die Ermittelung einerAnm. 26. Sache arglistig verhindert (vgl. Staudinger § 971 Anm. 2 b) und kann in Auskunftsverweigerung, Leugnen oder Vorspiegelung bestehen (vgl. RGRKomm. § 971 Anm. 5); aber auch in dem Verstecken geborgener Gegenstände ohne die Absicht rechtswidriger Zu eignung (denn dann liegt Diebstahl bzw. Unterschlagung vor), sondern etwa zu dem Zweck, die spätere Herausgabe von besonderen Bedingungen oder Belohnungen abhängig zu machen. ßßi Sonstige Fälle unredlicher Handlungsweise. Diese können niangels jeder einschräuken-Anm. 27. den gesetzlichen Vorschrift sowohl auf strafrechtlichem als zivilrechtlichem Gebiet liegend) Hierher gehört: Unterschlagung (§ 246 StGB.), welche besonders bei Bergung von Gegenständen, an denen der Berger Besitz und Gewahrsam erlangt, in Frage kommt; ferner Untreue, wenn der vom Schiffer mit besonderer Vollmacht versehene Berger über die ihnl übergebenen Vermögensstücke (geleichterte Ladung, welche er in den nächsten Hafen bringen soll) absichtlich zum Nachteile des Auftraggebers verfügt (§ 266 Nr. 2 StGB.)' Urkundenfälschung (§ 267 ff. StGB.), wenn der Netter eine ihm von dem Schiffer übergebene, für die Bemessung des Hilsslohns wesentliche Bescheinigung oder den schrift­ lichen Hilfslvhnvertrag verfälscht; Betrug (§ 263 StGB.), wenn der Retter zwecks Er­ langung eines höheren Lohns dem Reeder des notleidenden Schiffes eine fingierte Taxe über die Schäden an dem rettenden Schiff vorlegt; Nötigung oder Erpressung (§§ 241, 253 ff. StGB.), wenn der Abschluß eines Lobnvertrags erzwungen würd; Hehlerei oder Begünstigung (§ 257 ff. StGB.). Vom zivilrechtlichen Standpunkt wird die Abgrenzung des Begriffs „Uu-Anm. 28. redlichkeit" oft Schwierigkeit bereiten. Nicht jedes Verhalten wider Treu und Glauben oder wider die guten Sitten wird nach dem Sprachgebrauch als Unredlichkeit anzusehen sein.3) Wucher und arglistige Täuschung beim Abschluß eines Hilfslohnvertrags werden im allgemeinen hierher zu rechnen sein. § 748 bildet insoweit eine Ergänzung zu § 747. Denn dieser gestattet nur die Abänderung oder Aufhebung des Vertrags, entzieht aber dem Netter nicht den Anspruch auf einen angemessenen, nach § 745 zu bestimmenden Lohn. Wohl aber kann das Gericht auf Grund des § 748 wegen der unredlichen Handlungs­ weise eine teilweise oder völlige Entziehung des Lohnanspruchs vornehmen.

Das gleiche kann eintreten, wenn der Netter absichtlich die Lage des not-Anm. 29. leidenden Schiffes zunächst verschlechtert, um nach erfolgter Nettung einen höheren Lohn beanspruchen zu können; wenn der Berger die Schleppreise ohne Grund durch Eiuschlagen falscher Kurse zu dem gleichen Zweck verlängert; wenn er den Abschluß eines Hilfs­ lohnvertrags durch Vorspiegelung falscher Tatsachen, durch Bedrohung oder durch Aus­ nutzung der Notlage erzielt; wenn er das Nettungstverk in einem kritischen Augenblick unter­ bricht und die Fortsetzung von besonderen Bedingungen oder Vorteilen abhängig macht; wenn er sich mit andern Bergern zusammentut, um das notleidende Schiff auszubeuten (LG. Hamburg Hbl. 1912 Nr. 30); wenn er sich einen Hilfslohn auch für den Fall des Miß­ lingens der Nettung ausbedingt, trotzdem er weiß, daß die örtlichen Verhältnisse eine Rettung unmöglich machen. YY) Anstifter und Gehilfen werden in Analogie zu § 830 Abs. 2 BGB. den Tätern gleich-Anm. 30. zustelten sein. Aber auch die Duldung unredlicher Handlungsweise durch einen Vorgesetzten x) Analog § 971 Abs. 2 BGB.: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Finder die Anzeige­ pflicht verletzt oder den Fund auf Nachfrage verheimlicht." 2) Die Annahme Tambacopoulos (111), daß die Unredlichkeiten „eine gewisse Verwandtschaft" mit Diebstahl oder Verheimlichung haben müßten, ist willkürlich und läßt eine Begründung vermissen. 3) Z. B. nicht die Heranschaffung zweifellos unnötigen Schiffs- und Menschenmaterials in der Absicht, den Lohn zu steigern. Hier genügt die durch § 745 gebotene Möglichkeit, den Lohn entsprechend niedriger zu bemessen. Ein völliges Versagen des Lohns wäre ungerechtfertigt.

950 8 748. Anm. 31.

Anm. 32.

Anm. 33.

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot. wird selbst als Unredlichkeit gelteil müssen. Auch schließt § 748 nicht aus, den Versuch einer Vergehens (selbst wenn er nicht strafbar ist) der Unredlichkeit gleichzustellen. Dagegen dürfte das Zusammenwirken der Netter mit dem Kapitän des notleidenden Schiffes zwecks Benachteiligung eines Dritten nicht unter 8 748 fallen (denn diese Vorschrift bezweckt lediglich den Schutz des notleidenden Schiffes gegenüber den Rettern). Für solche Fälle findet der Tritte seinen Schutz in § 823 Abs. 2 und § 826 BGB.

y) Daß die unredliche Handlung in die Zeit deS Rettungswerks fallen 11111(5, ver­ langt § 748 nicht. Z. B. liegen die unredlichen Handlungen beim Abschluß eines Lohn­ vertrags zeitlich fast stets vor der Rettung. § 748 wird aber auch z. B. dann anwendbar sein, wenn der Retter nach der Rettung unredlich verfährt, z. B. die geleichterte Ware im nächsten Hafen verkauft oder seinen Lohnanspruch durch gefälschte Urkunden, Täuschurig oder Erpressung in die Höhe schrauben will. Soweit die Unredlichkeit vor dem Beginn der Seenot liegt, wird sie u. U. bereits durch die erste Alternative des § 748 betroffen. Z. B. der Netter steht ständig mit Strandbewohnern in Verbindung, welche durch falsche Lichtsignale die Schiffe irresühren, so daß sie stranden und vom Retter geborgen werden.

Aum. 34. 3. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 748 hat derjenige, welcher sich auf ihn beruft.

Anm. 35. tll. Tie Folge der unredlichen Handlung ist die Befugnis des Gerichts, den Lohn­

anspruch herabzusetzen oder ganz zu versagen. Anm. 36. 1. Unerheblich ist es, ob über die Hohe des Lohns ein Vertrag geschlossen worden ist. Selbst wenn die Voraussetzungen für die Abänderung oder Nichtigkeitserklärung des Vertrags nach 8 747 nicht vorliegen, kann doch auf Grund des § 748 der Lohn versagt oder herabgesetzt werden. Anm. 37. 2. Die Herabsetzung oder Versagung des Lohns tritt nur gegenüber dem un­ redlichen Berger ein und betrifft nur seinen Anteil. Jedoch muß auch hier ange­ nommen werden, daß das Schiff als Retter eine Einheit ist und daß es mit Rücksicht auf § 749 nicht angängig ist, das unredliche Pesatzungsmitglied herauszugreifen und — unter Um­ gehung des Seemannsamts — über seinen Anteil zu befinden (vgl. oben Anm. 13 ff.).

Anm. 38.

Eine unbillige Benachteiligung der unschuldigen Besatzungsmitglieder läßt sich dadurch vermeiden, daß das Gericht die Ermäßigung des Lohns in den Grenzen hält, welche der Beteiligung des schuldigen Besatzungsmitglieds an dem Lohn des Schiffes entspricht. Es ist dann Sache des Schiffers bzw. des Seemannsamts, bei der Unterverteilung die Direktive des Gerichts zu beachten. Anders bei der ersten Alternative des § 748. Vgl. Anm. 15.

Anm. 39. 3. Das Gericht ist zu einer Minderung oder Versagung des Lohns nicht ver­ pflichtet: Es „kann" eine solche eintreten lassen. Wo es sich um geringfügige Unredlichkeiten handelt (Entwendung wertloser Gegenstände, Mundraub usw.), wird es von der Befugnis des § 748 keinen Gebrauch machen. Anderseits ist die Vorschrift bei rigoroser Anwendung in schweren Fällen ein wirksames Mittel zum Schutze der notleidenden Schiffe. Ob und in welchem Umfange das Gericht von seinen Befugnissen aus § 748 Gebrauch zu machen hat, ist stets an der Hand des Einzelfalls zu entscheiden. Vgl. auch Anm. 40.

Anm. 40. 4. Der Inhalt des § 748 ist nicht die Verneinung eines Lohnanspruchs. Vielmehr entsteht dieser an sich und wird erst durch den Ausspruch des Gerichts ganz oder teilweise betroffen.*) Ob der Lohnanspruch versagt oder nur herabgesetzt wird, steht im Ermessen des Gerichts. Es wird hierbei die gesamte Sachlage berücksichtigen: die Schwere der Verfehlung, die Anzahl der an ihr beteiligten Retter, der zugefügte Schaden, die Gefährdung von Personen und Sachen, die mehr oder weniger verwerfliche Gesinnung, die Hilflosigkeit des Schiffes usw. x) Vgl. arg. §§ 741 Abs. 1, 742 (welche die Entstehung des Lohnanspruchs ausschließen) und Denkschr. zum JÜZ. Art. 8 (Vergütung „für verwirkt erklärt").

VIII. Abschnitt: Bergung und Hilfsleistung in Seenot.

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A 748.

Im einzelnen ist zu bemerken:

L) Haben die Retter die Notwendigkeit der Hilfsleistung selbst verschuldet, soAnm. kann eine völlige Versagung des Lohnanspruchs selbst dann eintreten, wenn auch das notleidende Schiff eine Miischuld trifft. Es kommt hier § 254 BGB. zur Anwendung. Gegen­ über dem Einwand aus § 748 hat der Retter die Replik des mitwirkenden Verschuldens, und diese kann je nach Lage der Sache dazu führen, daß der Geschädigte, also das notleidende Schiff einen Teil des Schadens (vgl. NG. 59, 305 = Hbl. 1905 Nr. 42 = SeufsA. 1905 Nr. 154), unter Umständen aber auch den ganzen Schaden zu tragen hat, somit also den Lohn ui voller Höhe zahlen muß. Ist das Verschulden des Geschädigten sehr gering, so kann es allerdings auch völlig außer Betracht gelassen werdend) Im allgemeinen wird jedoch die Heranziehung des § 254 nicht erforderlich sein, da § 748 den Richter hinsichtlich der Höhe des Abzugs und der Versagung des Lohns ebenso frei stellt. Gegenüber Arglist oder Vorsatz (insbesondere bei unredlicher Handlungsweise der Netter) fonnnt eine Fahrlässigkeit des not­ leidenden Schiffes regelmäßig nicht in Betracht (vgl. § 736 Anm. 33). b) Im Falle der Versagung des Lohnanspruchs entfällt auch jeder Anspruch des RettersAnm. auf Ersatz von Schäden und Kosten. Denn dieser ist nach 745. 746 ein Teil des Lohnes Er kanii auch nicht aiis dein Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag, der ungerecht fertigten Bereicherung oder nützlichen Verwendung erhoben toerden. Wird der ganze Berge lohn verwirkt, so fällt bannt auch der von seiner Existenz abhängige Lohn des Menschen= retters weg (anders Burchard 300 ff.).