Corporate Governance in international agierenden Konzernen: Vergleichende Untersuchung des Organisationsgefüges zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen im australischen und deutschen Recht [1 ed.] 9783428521258, 9783428121250

Der Autor liefert einen Beitrag zum Verhältnis von Konzernrecht und Konzern-Governance-Strukturen. Es wird rechtsverglei

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Corporate Governance in international agierenden Konzernen: Vergleichende Untersuchung des Organisationsgefüges zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen im australischen und deutschen Recht [1 ed.]
 9783428521258, 9783428121250

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 197

Corporate Governance in international agierenden Konzernen Von Tibor Fedke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TIBOR FEDKE

Corporate Governance in international agierenden Konzernen

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 197

Corporate Governance in international agierenden Konzernen Vergleichende Untersuchung des Organisationsgefüges zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen im australischen und deutschen Recht

Von Tibor Fedke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-12125-2 978-3-428-12125-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation zur Erreichung des Grades Dr. iur. vorgelegt. Für diese Veröffentlichung wurde der aktuelle Stand der Rechtsprechung und Wissenschaft eingearbeitet. Auf die möglichen Veränderungen des Kapitalgesellschaftsrechts in Deutschland durch das bei Drucklegung als Referentenentwurf vorliegende MoMiG wird hingewiesen. Im Rahmen dieser Veröffentlichung möchte ich mich ganz besonders bei der Juristischen Fakultät der University of Sydney, insbesondere bei Frau Professor Jennifer Hill für ihre fortwährende Unterstützung während meiner Arbeit in Sydney bedanken. Dank ihrer stets prompten Hilfestellungen und ausführlichen Beratung ist es mir gelungen, neben dem Studium an der Universität umfangreiche Recherchen für diese Arbeit durchzuführen. Mein Dank gilt weiterhin meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. iur. Dr. rer. pol. Christian Kirchner, LL.M. (Harvard), der mich immer wieder ausführlich beraten hat. Schließlich ist auch mein Zweitgutachter zu nennen: Herr Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski. Vor allem aber möchte ich mich an dieser Stelle bei meinen Eltern bedanken, die diese Arbeit erst ermöglicht haben und die mich während meiner Promotion fortwährend warmherzig unterstützt und mir beigestanden haben. Ein besonderer Dank gilt auch meiner Frau und meiner Schwester für ihre liebevolle Unterstützung. Tibor Fedke

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung A. B. C. D.

Problemstellung ........................................................................................... Begriffsklärung ............................................................................................ Methodische Instrumentarien........................................................................ Gang der Untersuchung ................................................................................ Teil 2 Vergleichende Historische Analyse

A. Moderne Kapitalgesellschaften..................................................................... B. Konzerne ................................................................................................. C. Gegensätzliche Entwicklungen ..................................................................... I. Australien............................................................................................. II. Deutschland ......................................................................................... III. Zwischenergebnis ................................................................................. D. Neuere Entwicklungen ................................................................................. E. Stand der Konzernierung .............................................................................. F. Ergebnis ................................................................................................. Teil 3 Informationsabfrage und -weitergabe A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe ..................................................... I. Ausdrückliche Informationsbeschaffungspflichten................................. II. Generelle Pflichten zur Informationsbeschaffung................................... 1. Organe und Organfunktionen ............................................................ 2. Allgemeine Sorgfaltspflichten ........................................................... 3. Kontrollpflichten .............................................................................. III. Beschränkungen des Informationsflusses............................................... B. Tochterunternehmen..................................................................................... I. Anspruch auf Auskunftserteilung .......................................................... II. Recht der Auskunftserteilung und Verschwiegenheitspflicht .................. III. Notwendige Beschränkung des Informationsflusses............................... C. Ergebnis und Schlussfolgerungen .................................................................

13 13 14 18 25

28 29 38 42 42 45 53 54 57 60

62 63 63 68 68 71 76 85 88 89 92 95 101

8

Inhaltsverzeichnis Teil 4 Aktive Koordination

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft ................................... I. Konzernleitungsrecht............................................................................ II. Konzernleitungspflicht.......................................................................... 1. Funktion der Sorgfaltspflichten ......................................................... 2. Australien......................................................................................... 3. Deutschland...................................................................................... a) Historische Entwicklung der Diskussion und Würdigung............ b) Schlussfolgerung ....................................................................... c) Leitungspflichten aus der Unternehmensverfassung.................... d) Leitungspflichten bei Eingliederung und AG-Vertragskonzern.... e) Zwischenergebnis ...................................................................... III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize .............................................. B. Konzernobergesellschaft............................................................................... I. Angemessenheit des Kooperationsergebnisses....................................... 1. Kapitalaufbringung und -erhaltung .................................................... 2. Durchgriffshaftung ........................................................................... 3. Related Party Transactions ................................................................ 4. Faktischer AG-Konzern .................................................................... II. Obhutspflichten .................................................................................... 1. Shadow Director und Officer............................................................. 2. Treuepflicht...................................................................................... 3. Oppression Remedy.......................................................................... 4. Verbot der Gläubigerschädigung (Bremer Vulkan/KBV).................... 5. Sorgfaltspflichten im AG-Konzern .................................................... III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize .............................................. C. Tochterunternehmen..................................................................................... I. Interests of the Company ...................................................................... II. Organpflichten in Tochterunternehmen ................................................. III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize .............................................. D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination .............. I. Kostenfaktoren..................................................................................... II. Kooperationsformen ............................................................................. 1. Umfangreiche zentralistische Leitung ................................................ 2. Geringe Dezentralisierung und Spartenbildung .................................. 3. Module und Kleingruppen................................................................. 4. Netzwerk- und Matrixorganisation .................................................... III. Ergebnis ...............................................................................................

104 105 106 107 107 109 111 111 118 120 122 123 123 125 127 127 137 154 158 172 173 182 186 190 200 202 206 206 212 221 222 222 228 228 230 232 234 236

Inhaltsverzeichnis Teil 5 Konzernobergesellschaft als Anteilseigner A. Personalpolitik ............................................................................................. I. Konzernobergesellschaft und ihre Organe.............................................. 1. Grenzen der Handlungsfreiheit .......................................................... a) Personalplanungspflicht............................................................. b) Entsendungsverbote................................................................... c) Grundsatz der Gesamtverantwortung.......................................... d) Verschiebungen im Organgefüge ............................................... e) Zwischenergebnis ...................................................................... 2. Anreize für Personalplanung ............................................................. a) Aufsichtsrat............................................................................... b) Vorstand .................................................................................. c) Geschäftsführer ......................................................................... d) Australien ................................................................................. 3. Governance-Probleme aus Sicht der Konzernobergesellschaft ............ II. Entsendete Personen ............................................................................. 1. Nominee Director ............................................................................. 2. Interessenkonflikte von Doppelmandatsträgern .................................. 3. Material Personal Interest.................................................................. 4. Stimmrecht in Deutschland ............................................................... 5. Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten ................................. III. Zwischenergebnis ................................................................................. B. Anpassungen der Unternehmensverfassung................................................... C. Unternehmerische Entscheidungen ............................................................... D. Ergebnis ................................................................................................. Teil 6 Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

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238 238 239 240 240 243 247 248 252 252 252 254 257 258 260 265 265 271 280 283 285 291 293 304 307

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A. Gründungs- und Sitztheorie ............................................................................. B. Grenzüberschreitende Corporate Governance................................................... I. Informationsabfrage und -weitergabe......................................................... II. Aktive Kooperation.................................................................................. III. Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen......... C. Gesamtergebnis ...............................................................................................

310 319 320 323 328 330

Verzeichnis der Präzedenzfälle.......................................................................... Literaturverzeichnis .......................................................................................... Sachverzeichnis..................................................................................................

331 336 356

Abkürzungsverzeichnis A.2d AASB ABLR AC ACLC ACLR AcP ACSR AJCL All ER ALR Americ Econ Rev ASC ASIC BB BCC BCLC BGH LM Brook J Int'l L C&SLJ CAMAC Cardozo L Rev CASAC Ch App Ch CLERP CLR Colum L Rev Conn J Int'l L Conn L Rev Cornell Int’l LJ Corporations Act

DB DBW

Atlantic Reporter Second Series Australian Accounting Standards Board Australian Business Law Review Appeal Cases Australian Company Law Cases Australian Company Law Reports Archiv für die civilistische Praxis Australian Corporations and Securities Reports Australian Journal of Corporate Law The All England Law Reports Australian Law Reports The American Economic Review Australian Securities Commission Australian Securities and Investment Commission Betriebs-Berater British Company Law Cases Butterworths Company Law Cases BGH Lindenmaier-Möhring Brooklyn Journal of International Law Company and Securities Law Journal Corporations and Markets Advisory Committee Cardozo Law Review Corporations and Securities Advisory Committee Chancery Appeal Cases Chancery Division Corporate Law Economic Reform Programm The Commonwealth Law Reports Columbia Law Review Connecticut Journal of International Law Connecticut Law Review Cornell International Law Journal Corporations Act 2001 in der aktuellen Fassung (Änderungen bis Act No. 17/2006 berücksichtigt) Der Betrieb Die Betriebswirtschaft

Abkürzungsverzeichnis DStR Duke LJ ER FAZ Geo Mason U L Rev Geo Wash L Rev GmbHR Harv Bus Rev ICJ J Corp L J Fin Econ J L Econ JZ LMCLQ LR Ch App LR HL LR QB MoMiG MüKoAktG MüKoBGB MULR NCL Rev NJW NJW-RR NSWLR NSWR NYU L Rev NZCLC NZG NZLR Ohio S LJ OVG St Qd R RabelsZ RFHE ROHG SASR Slg.

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Deutsches Steuerrecht Duke Law Journal English Reports Frankfurter Allgemeine Zeitung George Mason University Law Review George Washington Law Review GmbH Rundschau Harvard Business Review International Court of Justice, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders Journal of Corporation Law Journal of Financial Economics The Journal of Law and Economics Juristenzeitung Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly The Law Reports, Chancery Appeal Cases The Law Reports, House of Lords The Law Reports, Court of Queens Bench Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Melbourne University Law Review North Carolina Law Review Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht New South Wales Law Reports New South Wales Reports New York University Law Review New Zealand Company Law Cases Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht New Zealand Law Reports Ohio State Law Journal Entscheidungen des königlich Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen Queensland Reports Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Reichsoberhandelsgericht The South Australian State Reports Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz

12 SMJ SR (NSW) Stan L Rev Syd LR Tex Int'l LJ Theoretical Inquiries L U Chi L Rev Va L Rev VR VSC Wash & Lee L Rev WAULQ WLR WN (Pt 1) (NSW) WSJE ZGR ZHR ZIP ZSR ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Strategic Management Journal The State Reports New South Wales Stanford Law Review Sydney Law Review Texas International Law Journal Theoretical Inquiries in Law University of Chicago Law Review Virginia Law Review Victorian Reports Supreme Court of Victoria Washington and Lee Law Review Washington University Law Quarterly Weekly Law Report The Weekly Notes (New South Wales) Pt. 1 The Wall Street Journal Europe Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft – Archiv für Internationales Wirtschaftsrecht

Teil 1

Einführung A. Problemstellung In dieser Arbeit werden die Auswirkungen der rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Corporate-Governance-Strukturen zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen für international agierende Konzerne in Australien und Deutschland untersucht. Es sollen Aufschlüsse über die Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenordnung für diese Organisationen gewonnen und vertieft werden. Dies erfordert ein Verständnis über die Wirkungsweise der Regeln, die Konzerne binden. Voraussichtlich unterscheidet sich die Corporate Governance in Konzernen in unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftsordnungen, soweit die ihr zugrunde liegenden Regeln verschieden sind oder soweit Konflikte zwischen Regeln unterschiedlich gelöst werden. Ein Vergleich von Konzern-Corporate-Governance-Systemen in unterschiedlichen Staaten ist erforderlich, um Aufschlüsse über mögliche grundlegende Problemlösungen der Corporate Governance für Konzerne zu gewinnen. Zum Vergleich mit Deutschland wird Australien herangezogen. Australien ist wie Deutschland ein hoch entwickelter Industriestaat, der aber im Vergleich zu Deutschland besonders viele und prägnante Unterschiede aufweist. Australien folgt im Kapitalgesellschaftsrecht angelsächsischer Rechtstradition. Hervorzuheben ist auch die große Bedeutung von Einflüssen nicht europäischer Regionen, vor allem aus Nordamerika sowie Asien und Ozeanien, auf das dortige Wirtschafts- und Rechtssystem. Aufgrund dieser Unterschiedlichkeit zu Deutschland eignet sich das australische Recht in besonderer Weise dazu, es als Spiegel für die Betrachtungen des deutschen Rechts zu verwenden und gleichsam Stärken und Schwächen des jeweiligen Regelungssystems sichtbar zu machen. In dieser Arbeit wird untersucht, welche Auswirkungen und Einflüsse die Regulierung in Australien und in Deutschland auf die tatsächliche Ausgestaltung der Corporate Governance in Konzernen hat. Entscheidend ist dabei die

14

Teil 1 : Einführung

Auswirkung auf die Leitungs- und Kontrollstrukturen innerhalb der Organisationen.

B. Begriffsklärung Zunächst bedarf es einer Klärung der zu verwendenden Begrifflichkeiten. In Australien und in Deutschland ist der Begriff „Konzern“ wie auch eine Reihe anderer damit im Zusammenhang stehender Begriffe legal definiert. Hervorzuheben sind die Bezeichnungen „Unternehmen“, „verbunden“, „abhängig“, „herrschend“, „Konzernunternehmen“, „Tochterunternehmen“, „Mutterunternehmen“, „Tochtergesellschaft“, „Holding Company“, „Subsidiary“, „Controlled“, „Related Body Corporate“ und „Shadow Director“.1 Die einschlägigen Definitionen in Australien und Deutschland unterscheiden sich voneinander. Der Zusammenschluss von Kapitalgesellschaften wird in Deutschland als Konzern bezeichnet, wenn einzelne Kapitalgesellschaften unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst werden, so dass eine wirtschaftliche Einheit entsteht, § 18 AktG. Die einheitliche Leitung kann auf einem Beherrschungsverhältnis beruhen (Unterordnungskonzern) oder ohne Beherrschung entstanden sein (Gleichordnungskonzern). In Australien ist es gebräuchlich von Konzernen unabhängig von einheitlicher Leitung immer dann zu sprechen, wenn ein Beherrschungsverhältnis (control) besteht. Ein Beherrschungsverhältnis liegt vor, wenn de facto oder de jure die Möglichkeit der Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen in einer Kapitalgesellschaft gegeben ist. Sowohl im In- als auch im Ausland wird ein Beherrschungsverhältnis typischer jedoch nicht notwendigerweise durch eine Kapitalbeteiligung vermittelt. Unabhängig vom jeweiligen nationalen Verständnis des Begriffs „Konzern“ gibt es auch in Australien Zusammenschlüsse von Kapitalgesellschaften, die nach deutscher Definition einen Gleichordnungskonzern darstellen. Und in Deutschland gibt es Zusammenschlüsse von Kapitalgesellschaften, in denen ein Beherrschungsverhältnis ohne einheitliche Leitung besteht. Diese Zusammenschlüsse fallen nicht unter die jeweilige nationale Konzerndefinition, obwohl

1

§§290 HGB, 15 ff. AktG, §§8a I, 9 Nr. 7 GewStG, Art. 3 RL 90/435/EWG (MutterTochter-Gesellschafts-Richtlinie), Art. 2 RL 2001/86/EG (EG-SE-Arbeitnehmerbeteiligungs-Richtlinie), VO (EG) 2157/2001 (EG-SE-Verordnung), ss 9 (bei Director und bei Holding), 46, 47, 50, 50AA Corporations Act.

B. Begriffsklärung

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sie in dem anderen Staat als Konzern bezeichnet werden. In beiden Staaten bestehen – unabhängig von den jeweiligen Definitionen des Begriffs Konzern – Regeln für die Interaktionsstruktur solcher Zusammenschlüsse. Im Folgenden sollen Gegensätze zwischen unterschiedlichen Strukturen innerhalb von Konzernen in Australien und in Deutschland herausgearbeitet werden. Es gilt, Verwechselungen mit den jeweiligen gesetzlich definierten Begriffen zu vermeiden und die Untersuchung nicht dadurch einzuengen, dass nur einer der Definitionen gefolgt wird. Deshalb soll „Konzern“ im Folgenden weit verstanden werden, als ein Zusammenschluss von Kapitalgesellschaften, die sich in ihrer Kooperation untereinander festen Regeln unterworfen haben. Diese Definition ist unabhängig davon, ob im Einzelfall eine einheitliche Leitungsstruktur oder ein Beherrschungsverhältnis besteht. Dabei werden die Besonderheiten der Kartell- und Syndikatsbildung, die in Deutschland vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert Bedeutung hatten, ausgeblendet. Auf die in Australien und in Deutschland unterschiedlichen, kodifizierten Definitionen wird nur im Rahmen der Detailuntersuchung der nationalen Regeln, die die zu untersuchenden Zusammenschlüsse ausmachen oder binden, eingegangen, soweit dies dort erforderlich ist. Im Übrigen werden die Bezeichnungen „Konzern“, „Konzernobergesellschaft“ und „Tochterunternehmen“ verwendet. Sie sind als unabhängig von der Verwendung und Definition dieser Begriffe im Gesetz zu verstehen. Der so verstandene Konzern soll als Organisation im Folgenden näher untersucht werden. Der Begriff „Organisation“ bezeichnet eine feste Interaktionsstruktur zwischen Personen in Bezug auf ihr Verhältnis zu Sachen, die durch ein Nebeneinander von Über-Unterordnungs-Beziehungen (Entscheidung / Hierarchie) und Kooperation gekennzeichnet ist und in der die Beziehungen zwischen den Personen durch Regeln stabilisiert werden, für die Durchsetzungsmechanismen bestehen (Institutionen).2 Interaktionsstrukturen sind Beziehungen, die zwischen Personen im Rahmen von Kommunikation und Kooperation entstehen und die die Art und Weise der Kommunikation und Kooperation beschreiben. Die Regeln, auf denen die Interaktionsstruktur basiert, setzen sich zusammen aus Regulierung, vertraglichen Abreden und informellen (formungebundenen) Institutionen, die sich teilweise überlagern und möglicherweise in Konflikt zueinander stehen. Der Begriff „Regulierung“ bezeichnet die Wahl alternativer Steuerungsmechanismen sozialer Entscheidungsverfahren. Durch sie werden feste Regeln für langfristige Beziehungen überwacht, erzwungen

2

Vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 25.

16

Teil 1 : Einführung

und revidiert. Der Begriff umfasst alle durch eine der drei öffentlichen Gewalten oder durch Private festgesetzte formelle (formgebundene) Regeln. 3 Durch Private festgesetzte Regeln gelten allerdings nur dann als Regulierung, wenn die einzelnen Interaktionspartner von ihnen nicht durch Vereinbarung abweichen können. Vom Begriff der Regulierung sind vertragliche Abreden abzugrenzen. Sie unterscheiden sich dadurch, dass in ihnen die im Einzelfall konkret als erforderlich erachteten Regeln normiert werden und nicht ex ante von Dritten vorgegebenen Regeln gefolgt wird. „Informelle Institutionen“ basieren auf allgemeingültigen Regeln (Moral, Konventionen, Sitten) in Kombination mit ad-hoc für den Einzelfall herausgebildeten Übungen. Als Organisation kann neben dem Konzern als Ganzem auch jede einzelne in ihm zusammengeschlossene Kapitalgesellschaft angesehen werden. Selbst innerhalb einer Kapitalgesellschaft können Strukturen entstehen, die als Organisation betrachtet werden können. Von diesen Möglichkeiten, einzelne Interaktionsstrukturen innerhalb des Konzerns als Organisationen zu betrachten und sie als solche zu untersuchen, wird abgesehen. Die individuellen Anreizstrukturen der Akteure im Konzern werden nur insofern untersucht, als sie für die Interaktion der Handelnden zwischen den Kapitalgesellschafen von Bedeutung sind. Derartige Interaktionsstrukturen sind im Vergleich zu einfachen Organisationen aufgrund der vielfach ineinander greifenden Kooperations- und Kommunikationsregeln besonders komplex. Die Ausgestaltung ihrer Interaktionsstrukturen weist besondere Probleme auf. Die Regelung der Interaktion und die Verteilung der Kompetenzen zwischen den beteiligten Akteuren unterschiedlicher Kapitalgesellschaften sind das ausschlaggebende Kriterium für die Untersuchung von Konzernen als Organisation. Für Konzerne entscheidend sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten und die Ausgestaltung der Unternehmensleitung und -leitungskontrolle für die gesamte Organisation. Dies wird als Corporate Governance bezeichnet. Herkömmlicherweise wird im Rahmen von Corporate-Governance-Untersuchungen an Stelle von Unternehmensleitung von Unternehmensführung gesprochen. Dies bürgt aber die Gefahr in sich, dass die Untersuchung auf Geschäftsführungsmaßnahmen beschränkt wird und Leitungsmaßnahmen anderer Organe ausgeblendet werden. Durch die Wortwahl „Unternehmensleitung“ soll unterstrichen werden, dass sowohl Maßnahmen von Organwaltern in Geschäftsführungs- als auch in Aufsichtsorganen für die Corporate Governance relevant sein können.

3

Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 190.

B. Begriffsklärung

17

Im Rahmen von Corporate-Governance-Untersuchungen wird häufig die Unternehmensleitung und ihre Kontrolle für Kapitalgesellschaften allgemein bewertet, ohne zu differenzieren, ob die Kapitalgesellschaft Teil eines Konzerns ist. Dabei geht es stets um die Unternehmensverfassung insgesamt, also um die Struktur und die Funktionsweise der Gesellschaftsorgane sowie um die Rechte und die Einflussmacht von Anteilseignern. Diese Corporate-Governance-Diskussion hat ihre Ursprünge in den 1970er und 1980er Jahren. 4 Deren Ursprünge wiederum fußen auf einer ökonomisch-wissenschaftlichen Durchdringung der Beziehungen in Kapitalgesellschaften, die sich bereits seit den 1930er Jahren durchgesetzt hat. 5 Die grundlegenden Probleme der Trennung von Eigentum und Leitung von Organisationen, die der zentrale Ausgangspunkt heutiger Corporate-Governance-Untersuchung sind, sind seit jeher Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion gewesen. Beispielsweise führte bereits Adam Smith 1776 in seinem Werk aus: “The directors of such companies, being managers of other people’s money than their own, it cannot well be expected that they should watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private copartnery frequently watch over their own. [...] Negligence and profusion, therefore, must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a company.”6

Die herkömmliche Betrachtung von Corporate Governance soll in dieser Arbeit für Konzerne fruchtbar gemacht werden. Corporate Governance in Konzernen beschreibt die Leitung der Organisationsform Konzern und die Kontrolle über die Ausführung dieser Leitung. Das zentrale Problem der Corporate Governance für Konzerne sind die Möglichkeiten und Grenzen gegenseitiger Einflussnahme zwischen den Akteuren und des Aufbaus von dauerhaften, festen Interaktionsstrukturen zwischen Kapitalgesellschaften. Die wissenschaftliche Diskussion in Bezug auf Corporate Governance für Konzerne befindet sich erst im Anfangsstadium.7 Sie soll hier weiter geführt werden.

4

Bratton, Stan L Rev 41 (1989) 1471 (1518). Berle/Means, Modern Corporation and Private Property, 113; Coase, Economica, 4 (1937) 386 (394 f.). 6 A. Smith, Wealth of Nations, 700. 7 Prigge, in: Comparative Corporate Governance, 943 (953). 5

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Teil 1 : Einführung

C. Methodische Instrumentarien Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen innerhalb von australischen und deutschen Konzernen könnte entsprechend der herkömmlichen juristischen Methodik ausschließlich aufgrund der bestehenden Regulierung untersucht werden. Regulierung wäre als ein in sich geschlossenes von Außeneinflüssen autarkes System anzusehen (Autopoiese-Ansatz). 8 Rechtsfolgen einer Regelung könnten allenfalls als Hilfsargumente herangezogen werden, die als Reflex bei der Normauslegung zu berücksichtigen sind. Die Untersuchungsergebnisse bei einem solchen methodischen Ansatz hätten definitionsgemäß nur beschränkte Aussagekraft für die Unternehmenspraxis. Es wäre „denkbar, daß aus juristischen Erwägungen heraus an die Unternehmenskontrolle Anforderungen gestellt werden, die seitens der Betriebswissenschaft nicht erhoben werden und umgekehrt.“9

Für die Untersuchung von Corporate-Governance-Regeln in Konzernen kommt es aber auf die Wechselwirkung von Regulierung und den tatsächlich gewählten Strukturen der durch sie gebundenen Akteure an. Die Unternehmenswirklichkeit und die Wirkungsweise von Regulierung sind als integraler Bestandteil der Untersuchung des Regelungsgefüges einzubeziehen. Nicht nur formelle, sondern auch informelle Formen der Leitung, Kontrolle und Kooperation sind zu beachten. Regulierung kann durch informelle Regeln überlagert werden, die für die Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsabläufe maßgebend werden.10 Um dieses Spektrum zu erfassen, wird als methodischer Ansatz in dieser Untersuchung die Neue Institutionenökonomik gewählt. Damit werden die Entwicklung der für Konzerne relevanten Institutionen sowie die Auswirkungen der Entwicklung auf die Unternehmenspraxis untersucht. Institutionen sind die einzelnen zu berücksichtigenden in sich geschlossenen formellen und informellen Regelungskomplexe und ihre Durchsetzungsmechanismen. 11 Von Bedeutung sind die Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Prozessen

8

Luhmann, in: Küpper/Ortmann, Mikropolitik, 165 (174); Probst, Selbst-Organisation, 51, 75, 79; Willke, in: Haferkamp/Schmid, Sinn, Kommunikation und soziale Differenzierung, 247 (266, 268); Teubner, in: Teubner, Autopoietic Law, 1 (2). 9 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 192 f. 10 Voigt, Institutionenökonomik, 84. 11 Kirchner, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, 157 (163). Zu den unterschiedlichen Definitionen von Institutionen: Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 7 f; Voigt, Institutionenökonomik, 33-35.

C. Methodische Instrumentarien

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und dem sich aus ihnen funktional ergebenden Regelungsgefüge, das sich der Entwicklung dynamisch anpasst. Untersuchungsgegenstand ist das gesamte Beziehungsnetzwerk, die Entstehungsbedingungen des Rechts und seine Funktionen in der Wirklichkeit. 12 Ausgangspunkt dieses methodischen Ansatzes sind die jeweils handelnden natürlichen Personen (die einzelnen Akteure). Eine Organisation ist keine statische Einheit, sondern stellt als Zusammenspiel von individuellen Zielen und Entscheidungen der einzelnen Akteure ein heterogenes soziales Gebilde dar (methodologischer Individualismus).13 Damit lassen sich einerseits individuelle Handlungen als Konsequenz von bestehenden Restriktionen, andererseits Kollektiventscheidungen als Konsequenz aus einem bestimmten Zusammenspiel individueller Handlungen interpretieren. 14 Als Restriktionen sind vor allem Regulierung und informelle Institutionen zu berücksichtigen. Durch Restriktionen können bestimmte Handlungsalternativen gefördert werden, und die Wahl anderer kann behindert werden. Kollektive Interessen sind die Summe von bestimmten zusammengefassten Individualinteressen, die sich ihrerseits von den Partikularinteressen der in der jeweiligen Gruppe zusammengefassten Akteure unterscheiden. Bei der Bewertung der individuellen Handlungen ist davon auszugehen, dass die einzelnen Akteure stets versuchen, entsprechend ihrer persönlichen Präferenzen zu handeln und dafür ggf. (Arg-)List einsetzen (opportunistisches Verhalten / Eigennutztheorem). 15 Die persönlichen Präferenzen bestehen nicht nur in einer Maximierung geldwerter Vorteile, sondern beinhalten regelmäßig auch Gerechtigkeitsvorstellungen, Aspekte der Selbstverwirklichung und sonstige persönliche Ziel- und Wertvorstellungen. Mit dem Ziel der Mehrung dieser persönlichen Interessen versuchen die Akteure grundsätzlich rational zu handeln. 16 Gleichzeitig sind die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt, so dass

12

Jensen/Meckling, J Fin Econ 3 (1976) 305 (310); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 5, 105 f. 13 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 22, 36; Hollington, Minority Shareholders’ Rights, [2-005]; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3; Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (20). 14 Voigt, Institutionenökonomik, 28. 15 Williamson, Markets and Hierarchies, 26 f.; ähnlich: Luhmann, in: Küpper/ Ortmann, Mikropolitik, 165 (179 – Allgegenwart von Parasiten, die individuellen Nutzen maximieren, wenn auch auf Grundlage eines anderen methodischen Ansatzes). 16 Kirchner, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, 157 (159); Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 3, 5.

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Teil 1 : Einführung

nicht alle Akteure ihre Präferenzen durchsetzen können (Ressourcenknappheit). Folglich kommt es zu Interessengegensätzen miteinander kooperierender Akteure. Zudem ist im Rahmen der Beurteilung menschlichen Handelns die Vorstellung vollkommen rational und eigennutzorientiert handelnder Personen entgegen der herkömmlichen Ökonomik durch die Beschränktheit der zur Verfügung stehenden Informationen zu modifizieren. 17 Die handelnden Personen können nicht alle möglichen zukünftigen Ereignisse vorhersehen und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts in ihre Abwägung einstellen. Es bestehen Unwissenheit und Unsicherheit, die nicht in Form von ex ante kalkulierbaren Risiken von den Akteuren berücksichtigt werden können. Bei der Untersuchung der Corporate Governance zwischen den Akteuren ist weiterhin zu berücksichtigen, dass durch Koordination Aufwendungen (Transaktionskosten) entstehen.18 Transaktionskosten umfassen die Ausgaben für Vereinbarung, Abwicklung und Kontrolle einer Transaktion sowie vorgelagerte Anbahnungs- und eventuelle Anpassungskosten. 19 Auch Opportunitätskosten und Kosten der Vertragsdurchsetzung stellen Transaktionskosten dar. Opportunitätskosten sind die Aufwendungen, die dem Einzelnen durch den Verzicht auf bestimmte Handlungsalternativen entstehen. Individuen können in ihren Entscheidungen nur auf Grundlage ihrer subjektiven Wahrnehmungen ihre Präferenzen verfolgen. Sie sind bestrebt, rational und eigennutzorientiert zu handeln, verfügen aber nicht über vollständige Informationen. Vorhandene Informationen können zudem nicht immer richtig verarbeitet werden. Auch erkannte Probleme bleiben teilweise ungelöst. Folglich sind Entscheidungen der Akteure nicht uneingeschränkt rational (eingeschränkte / beschränkte Rationalität).20 Die beschränkte Rationalität steht in enger Verbindung mit dem Transaktionskostenansatz und der Beschränktheit von Informationen. Bei vollkommener Rationalität verfügten die Akteure stets über alles erforderliche Wissen und dieses Wissen stünde kostenlos zur Verfü-

17

Voigt, Institutionenökonomik, 29. Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 49; Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 20 f. 19 Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 49; Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 20 f. 20 Williamson, Markets and Hierachies, 21 ff. 18

C. Methodische Instrumentarien

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gung. 21 Aufgrund von Transaktionskosten ist es aber nicht unbedingt sinnvoll, alle verfügbaren entscheidungsrelevanten Informationen zu akquirieren noch vorhandene Informationen immer umfangreich auszuwerten. Der Grundsatz beschränkter Rationalität geht darüber hinaus. Er beschreibt die zu berücksichtigenden Grenzen des Intellekts der Akteure, berücksichtigt mit anderen Worten, dass Entscheidungsträger vorhandene Informationen unterschiedlich verarbeiten und interpretieren bzw. unfähig sein können, Pläne zu formulieren. 22 Aufbauend auf diesen Grundaussagen müssen Kriterien entwickelt werden, mit deren Hilfe die Corporate-Governance-Strukturen zwischen den Kapitalgesellschaften in einem Konzern erkannt und Abweichungen der tatsächlichen Strukturen von den rechtlich vorgegebenen bewertet werden können. Aufgrund von Transaktionskosten und beschränkter Rationalität können die Akteure keine vollständigen Entscheidungen treffen. Dies hat Auswirkungen auf die Struktur von Langzeitverbindungen. Beim Eingehen solcher Verbindungen können nicht alle Eventualitäten eingeplant werden. Dies liegt einerseits an einem gewissen Maß an Unsicherheit und andererseits an der Existenz von Transaktionskosten. Dadurch verbietet sich selbst bei unterstelltem Fehlen von Unsicherheit im Übrigen eine ex ante Regelung aller zukünftiger Geschehnisse. Gegenseitige komplexe Langzeitverträge sind also notwendig unvollkommen (relationale Beziehungen). 23 Damit steigt die Gefahr von unvorhergesehenem ex post opportunistischem (unkooperativem) Verhalten des Kooperationspartners ebenso wie das Risiko, dass sich der besser informierte Kooperationspartner ex ante opportunistisch verhält. Eine Transaktion zwischen Akteuren setzt das Bestehen von individuell zugeordneten Rechtspositionen, ihre zumindest teilweise Exklusivität und damit verbunden ihre eingeschränkte Verfügbarkeit voraus (Handlungs- und Verfügungsrechte). Akteure, die auf die gleiche begrenzte Ressource zugreifen wollen, stören sich gegenseitig. 24 Durch Handlungs- und Verfügungsrechte ist die Ressource ex ante zunächst einer Seite zugewiesen. Aufgrund von beschränkter Rationalität und des Bestehens von Transaktionskosten führt die

21

Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4; Voigt, Institutionenökonomik,

31. 22

Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 9; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 4. 23 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 175, 178, 193; Licht, Del J Corp L 26 (2001) 147 (185-186); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 21 f., 84, 162 (Fn. 122); Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 28. 24 Coase, J L Econ 3 (1960) 1 (2, 13).

22

Teil 1 : Einführung

Zuweisung zu unterschiedlichen Auswirkungen je nachdem, welche Konfliktpartei begünstigt wird. 25 Die Zuordnung (Allokation) von Handlungs- und Verfügungsrechten hat damit Auswirkungen auf die individuellen Handlungsanreize. Sie können bestimmte Transaktionen fördern, indem sie die Ausgestaltung von relationalen Beziehungen konkretisieren. 26 Es ist allerdings nicht notwendig, dass die konkrete Zuweisung von Handlungs- und Verfügungsrechten Transaktionen zwischen Akteuren fördert. Sie können in ihrer konkreten Ausgestaltung für Transaktionen auch neutral oder sogar hinderlich sein. Weiterhin kann die Allokation von Handlungs- und Verfügungsrechten beispielsweise in der Regulierung durch informelle Institutionen überlagert und konterkariert werden, wie auch andersherum die Wirkungsweise informeller Institutionen durch Regulierung eingeschränkt sein kann. Bei der Untersuchung von Handlungs- und Verfügungsrechten ist auch zu berücksichtigen, dass die Normsetzer ihrerseits nur beschränkt rational und opportunistisch handeln. Regulierung bleibt unvollständig, selbst wenn sie im Zeitverlauf an gewonnene Erkenntnisse angepasst wird. 27 Zusätzlich muss der Norminterpret seinerseits zwischen verschiedenen Interpretationsvarianten wählen und bildet damit die Regeln weiter, wenn Regulierung in ihrer Anwendung nicht eindeutig ist. 28 Dann sind nicht nur bei den Akteuren und beim Normsetzer, sondern auch beim Interpreten beschränkte Rationalität und Eigennutz zu berücksichtigen. Unsicherheiten in relationalen Beziehungen können also durch Regulierung gemindert, nicht aber überwunden werden. Gesondert zu berücksichtigen sind ferner die Probleme unterschiedlicher Informationsverteilung und unterschiedlicher Anreizstrukturen zwischen Kooperationspartnern. Bei jeder Form der Kooperation verfügt der jeweils andere Akteur nicht über alle notwendigen Informationen in Bezug auf den handelnden Akteur, um dessen Handlungen vollständig bewerten zu können. Die sich daraus ergebenden Probleme werden mit Hilfe der Agency-Theorie untersucht.29 Aufgrund von am eigennutzorientierten Rationalverhalten sinkt das Interesse des handelnden Akteurs (Agent) an der eigenen ordnungsgemäßen

25

Coase, J L Econ 3 (1960) 1 (15 f., 18, 39). Voigt, Institutionenökonomik, 32 f. 27 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, 20 f. 28 Kirchner/Koch, Analyse & Kritik 11 (1989) 111 (120-124). 29 Alchian/Demsetz, Americ Econ Rev 62 (1972) 777 (781-783); Easterbrook/ Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (95). 26

C. Methodische Instrumentarien

23

Aufgabenerfüllung in dem Maße, in dem anderen Akteuren (den Prinzipalen) das Ergebnis (das Residuum) zu Teil wird. Wegen struktureller Unsicherheiten und des Bestehens von Transaktionskosten ist eine vollständige Überwachung des Agenten durch die Prinzipale nicht möglich und wäre auch nicht nutzbringend. Überwachungsmaßnahmen sind nur so weit sinnvoll, wie ihre Kosten den damit verbundenen Nutzen nicht übersteigen. 30 Kontrolle durch die Prinzipale ist also nicht umfassend. Bei nicht umfassender Kontrolle verfolgen die Agenten aber ihre eigenen Interessen, indem sie Ressourcen abzweigen oder sich vor vollem Einsatz drücken (Shirking). 31 Andere zu berücksichtigende Nachteile aus opportunistischem Verhalten werden als „Probleme des kollektiven Handelns“ zusammengefasst. Sie sind ein Sonderfall des Agency-Problems. 32 Es besteht stets eine nur beschränkte Möglichkeit, den individuellen Einsatz eines einzelnen Akteurs in einer Gruppe zu messen. Für die Kooperation zwischen einer großen Anzahl von Akteuren in Organisationen kann deshalb prognostiziert werden, dass beschränkt rational und eigennutzorientiert handelnde Akteure auf die Initiative von Dritten vertrauen und sich nicht selbst oder nur beschränkt an der Produktion gemeinschaftlicher Güter beteiligen (Free-Rider-Problem). Dies fördert das erwähnte Shirking, das allerdings auch unabhängig von Gruppenhandeln entstehen kann. Diese Probleme werden als Fallgruppe des Gefangenendilemmas eingestuft, das in der Spieltheorie entwickelt wurde. 33 Mit Gefangenendilemma wird die Beobachtung umschrieben, dass beschränkt rational handelnde Akteure ihren eigenen Nutzen maximieren, selbst wenn die Gruppe insgesamt besser gestellt wäre, wenn alle Akteure die kollektiven Interessen verfolgten.34 Das Gefangenendilemma beruht darauf, dass die Interessen der einzelnen Akteure in einer Organisation von denen divergieren, die alle gemeinsam in der Organisation vertreten. Alle der sich aus dem Interessengegensatz zwischen Prinzipal und Agent ergebenden Schwierigkeiten der Organisation von Kooperation verursachen Kosten (Kosten der Informationsbeschaffung, Kosten der Kontrolle und Kosten

30

Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 84, 116. Branson, Cornell Int’l LJ 34 (2001) 321 (360); Bratton, Stan L Rev 41 (1989) 1471 (1486); Brudney, Colum L Rev 1985, 1403 (1427 – Fn 61); Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (95). 32 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 75. 33 Voigt, Institutionenökonomik, 99. 34 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 71 f. 31

24

Teil 1 : Einführung

des opportunistischen Verhaltens). Sie werden unter dem Begriff Agency-Kosten zusammengefasst. 35 Diesen Kosten sind die Vorteile der Kooperation gegenüberzustellen. Die Nachteile arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung, die mit dem Einsatz von Agenten zusammenhängen, können häufig durch die Vorteile der Aufgabendelegation aufgewogen werden.36 Allgemein müssen in relationalen Beziehungen aufgrund von struktureller Unsicherheit und der Gefahr opportunistischen Verhaltens der Kooperationspartner für jede nicht triviale Transaktion Beherrschungs- und Überwachungsmechanismen (Governance-Strukturen) aufgebaut und unterhalten werden. 37 Die unterschiedlichen Kooperationsstrukturen, die sich aufgrund der Kostenentwicklung typischerweise herausbilden, werden mit Hilfe der Governancekostentheorie untersucht.38 Sie besagt, dass die spezifische Entwicklung von Transaktions- und AgencyKosten von der gewählten Kooperationsmethode abhängig ist. 39 Im Rahmen der Governancekostentheorie werden die Anreizwirkungen verschiedener Interaktionsstrukturen einer Kooperation auf das Verhalten der Kooperationspartner untersucht. Durch den Aufbau und die Unterhaltung von CorporateGovernance-Strukturen entstehen Aufwendungen, die eine Begrenzung oder Anpassung dieser Strukturen notwendig machen können. Governance-Strukturen sind nur solange für die in sie eingebundenen Akteure vorteilhaft, wie die durch sie verursachten Kosten geringer sind als ihr Nutzen. 40 Zu einer Strukturänderung sollte es allerdings erst dann kommen, wenn zusätzlich auch die Kosten der Änderung in die Abwägung eingestellt wurden. Mit Hilfe des Governancekostenansatzes, der sich aus der Agency-Theorie entwickelt hat, wird also Kooperation auf ihre Nachhaltigkeit im Sinne einer Kosten-NutzenAnalyse untersucht.

35

Bratton, Stan L Rev 41 (1989) 1471 (1479); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42); Zimmermann, DB 2001, 289 (291 f.). 36 Dazu: Brudney, Colum L Rev 1985, 1403 (1427 – fn 61); Clyne, AJCL 11 (2000) LEXIS 5 (28); Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (94); Goddard, CSLJ 16 (1998) 236 (237); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (43). 37 Klein, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics, Bd. 1, 456 (467). 38 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 193 ff. 39 Alchian/Demsetz, Americ Econ Rev 62 (1972) 777 (785). Grundlegend zum Kostenvergleich Unternehmen – Markt: Coase, Economica, 4 (1937) 386. 40 Kirchner, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, 157 (159).

D. Gang der Untersuchung

25

D. Gang der Untersuchung Zusammenfassend wird in der vorliegenden positiven Untersuchung die Corporate Governance für Konzerne beschrieben, die sich aufgrund der in Australien und in Deutschland aus den Handlungsanreizen, die sich aus der Regulierung ergeben, für die Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen entwickelt hat. Das Handwerkszeug dafür setzt sich zusammen aus den Annahmen des methodischen Individualismus, der Eigennutzorientierung, des Bemühens um rationales Verhalten, der Ressourcenknappheit, der Begrenztheit von Informationen, der Existenz von Transaktionskosten und der Beschränktheit der Rationalität. Damit werden die Wirkungsweise der Regulierung vor dem Hintergrund individueller Präferenzen auf die von den Akteuren zu treffenden Entscheidungen, die Kostenentwicklung und die sich daraus ergebenden Interaktionsstrukturen in Konzernen untersucht. Die dabei erlangten Erkenntnisse stellen eine Momentaufnahme des derzeitigen Kenntnisstandes dar und sind in der Zukunft fortzuentwickeln. Die auftretenden Corporate-Governance-Probleme bei der Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen sind verschiedene Ausprägungen des Agency-Problems. Das beschränkt rationale, eigennutzorientierte Verhalten der Akteure bestimmt sich aufgrund der gegebenen Anreizstruktur. Diese ist vor allem von den bestehenden Restriktionen und den individuellen Präferenzen abhängig. In der Untersuchung können Auswirkungen aus geänderten Präferenzen und Auswirkungen aus geänderten Institutionen berücksichtigt werden. Die Untersuchung einer gleichzeitigen Änderung beider Faktoren ist aber nicht möglich. 41 In der vorliegenden Arbeit geht es um den Vergleich der Wirkungsweisen der Regulierung in Australien und in Deutschland auf die Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zwischen den Akteuren in Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen. Dafür muss ermittelt werden, welche grundlegenden Faktoren der Entstehung und Entwicklung des jeweiligen institutionellen Arrangements zugrunde liegen. Im ersten Schritt der Untersuchung geht es darum, mit Hilfe einer Gegenüberstellung der historischen Entwicklung der Regulierung in Australien und in Deutschland den Maßstab sowohl für die weitere Beurteilung der natio-

41

Kirchner, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, 157 (165).

26

Teil 1 : Einführung

nalen Regeln als auch für den Vergleich der beiden Rechtsordnungen zu definieren (Teil 2 ). Auf dieser Grundlage sollen dann die Unterschiede zwischen der australischen und der deutschen Regulierung und ihrer jeweiligen Wirkungsweise erklärt und zueinander in Bezug gesetzt werden. Dem Ziel der Steigerung der Interaktionsrente durch Minimierung der Kosten opportunistischen Verhaltens durch die Akteure der unterschiedlichen im Konzern verbundenen Kapitalgesellschaften und dem Ziel der Bewertung der eigenen Ertragslage dient die Kontrolle der Tochterunternehmen durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft. Ausschlaggebend für die Corporate Governance ist insofern die Frage, nach welchen Regeln die Informationsabfrage und -weitergabe zwischen den Akteuren verschiedener rechtlich selbstständiger Kapitalgesellschaften eines Konzerns erfolgt. Es wird untersucht unter welchen Voraussetzungen die Akteure in der Konzernobergesellschaft Informationen aus anderen Kapitalgesellschaften des Konzerns akquirieren und ob die Akteure in den Tochterunternehmen Informationen konzernweit weiterleiten dürfen (Teil 3 ). Darauf aufbauend wird untersucht, auf welche Weise Maßnahmen zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften durch deren Akteure koordiniert werden. In Betracht kommen eine zentrale Leitung durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft und eine freiwillige Kooperation aller Akteure, die ohne zentrale Einflussnahme erfolgt. Dabei ist zu berücksichtigen, ob in Konzernen Interessengegensätze aufeinander treffen und auf welche Weise diese gelöst werden. Bei der Untersuchung von Corporate-Governance-Regeln in Bezug auf aktive Koordination innerhalb eines Konzerns ist darauf abzustellen, ob Anreize geschaffen wurden, spezifische Risiken einzugehen, ohne für einzelne Akteure dadurch übermäßige Hold-Up-Probleme zu erzeugen. Hold-Up-Probleme entstehen aus der Möglichkeit opportunistischen Verhaltens, wenn ein Vertragspartner auf eine dauerhafte Vertragsbeziehung angewiesen ist, bevor die Kooperation sich für ihn rentiert. Beim Eintritt eines ex ante nicht geregelten Ereignisses kann diese Notlage durch die andere Seite opportunistisch ausgenutzt werden. Dies antizipieren die Vertragspartner, was dazu führt, dass Investitionen erst gar nicht oder nur in geringerem Umfang getätigt werden. Im Rahmen der positiven Untersuchung der relevanten Institutionen wird bestimmt, welche Anreizwirkungen von der bestehenden Regulierung hinsichtlich der möglichen Kooperationsgewinne und Kosten auf Grundlage von Einflussnahme in Konzernen ausgehen (Teil 4 ). Während in Teil 4 zunächst die Frage untersucht worden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen aktive Einflussnahme durch Akteure in der Konzernobergesellschaft erfolgen soll, knüpft sich die Frage an, ob eine Einfluss-

D. Gang der Untersuchung

27

nahme durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft entlang der rechtlich vermittelten Leitungsmacht aus der Stellung der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen erfolgen kann. Ihre Akteure können die Personalplanung der Tochterunternehmen bestimmen und Einfluss auf deren Unternehmensverfassung ausüben. Mitunter obliegt den Anteilseignern sogar die Kompetenz, unternehmerische Maßnahmen eigenständig zu bewerten. Die Bedeutung dieser Einflussnahmemöglichkeiten auf die Gestaltung der relationalen Beziehungen zwischen den Akteuren in Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen wird in Teil 5 untersucht. Abschließend wird im Rahmen einer zusammenfassenden Aufstellung der Untersuchungsergebnisse auf die Besonderheiten für staatenübergreifende Konzernverbindungen zwischen Australien und Deutschland eingegangen (Teil 6 ).

Teil 2

Vergleichende Historische Analyse In dieser Arbeit soll die der Regulierung zu entnehmende Anreizstruktur auf die Handlungsalternativen in der Ausgestaltung der Corporate Governance innerhalb von Konzernen in Australien und in Deutschland miteinander verglichen werden. Zur Ermittlung einer einheitlichen Vergleichsgrundlage für die zu untersuchenden alternativen Handlungsanreize ist herauszufinden, wie die Handlungsund Verfügungsrechte jeweils ursprünglich verteilt waren, und unter welchen Bedingungen neue Handlungsalternativen entstanden sind. Denn die zu untersuchenden Regeln sind das Ergebnis von Kooperation der Akteure, die durch Regelsetzung ihrerseits auf die weitere Kooperation Einfluss nehmen. 1 Eine Anpassung der Institutionen erfolgt durch Erfahrungen und Erkenntnisse, die mit der bisherigen institutionellen Regelung gemacht wurden. 2 Änderungen erfolgen aufgrund von Verschiebungen der Transaktionsbedingungen, vor allem der individuellen Kosten und Präferenzen. 3 Prognostiziert wird ein kontinuierlicher institutioneller Wandel. Diskontinuitäten sind die Ausnahme und folgen allenfalls aufgrund großer Umbrüche und Unzufriedenheiten. 4 Es soll die Entwicklung der bestehenden Rechtsordnungen untersucht werden. Aus den erfolgten Anpassungen der Handlungs- und Verfügungsrechte können Rückschlüsse auf die ihnen zugrunde liegenden Faktoren gezogen werden. Die Untersuchung der grundlegenden Entwicklungsfaktoren soll sowohl als Grundlage für die Betrachtung der Wirkungsweise der Regulierung als auch für den Vergleich der Regulierung in Australien und in Deutschland herange-

1

North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 3, 7, 30. Kirchner, in: Ott/Schäfer, Effiziente Verhaltenssteuerung, 44 (45); North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 81, 93. 3 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 526; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 102. 4 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 529. 2

A. Moderne Kapitalgesellschaften

29

zogen werden. Dabei werden trotz der weiten Konzerndefinition5 die Besonderheiten der Kartell- und Syndikatsbildung weitgehend ausgeblendet.

A. Moderne Kapitalgesellschaften Die Kolonialisierung des australischen Kontinents begann Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Eintreffen der ersten britischen Siedler am 26.01.1788 in der Nähe von Sydney. Erst in den 1820er Jahren förderte die britische Regierung gezielt die Besiedlung des Kontinents durch freie Siedler. Seit 1851 übersteigt ihre Anzahl die der britischen Sträflinge auf dem australischen Kontinent. Die vollständige Erschließung des Kontinents gelang ebenfalls erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach Errichtung der ersten Kolonie auf dem australischen Kontinent als Strafgefangenenlager wurden sukzessive fünf weitere Kolonien gegründet. Allen sechs Kolonien räumte Großbritannien seit Mitte des 19. Jahrhunderts Selbstverwaltungsrechte ein (Australian Colonies Government Act 1850). Mit der Staatsgründung 1901 fügten sich die Kolonien zu einer Föderation zusammen, dem Australischen Bund (Commonwealth of Australia), einem Bundesstaat aus sechs States und zwei Territories. Zusätzlich hat Australien sieben außerterritoriale Gebiete. 6 Zur Begriffsklärung: Der Gesamtstaat wird innerhalb Australiens normalerweise als Commonwealth bezeichnet bzw. mit Cth abgekürzt. Um im Deutschen die nahe liegende Verwechselung mit dem Britischen Commonwealth (Commonwealth of Nations) zu vermeiden, wird im Folgenden die Bezeichnung „Bund“ verwendet. In der deutschen Literatur wird die Übersetzung Bundesstaat sowohl für den Australischen Bund als Ganzes als auch für die States in Abgrenzung zu den Territories und teilweise auch als Oberbegriff für States und Territories verwendet. Im Folgenden wird an den englischen Begriffen ohne Übersetzung festgehalten. Zu Kolonialzeiten galt weitgehend englisches Recht. Auch die Entwicklung der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen im australischen Unternehmensrecht ist eng mit der Entstehungsgeschichte der Regulierung in Groß-

5

Vgl. oben: Teil 1 B., Seite 14. Territory of Cocos (Keeling) Island; Territory of Christmas Island; Territory of Ashmore and Cartier Islands; Coral Sea Islands Territory; Norfolk Island; Australian Arctic Territory; Territory of Heard and McDonald Islands. 6

30

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

britannien verknüpft. Dessen Entwicklung prägt bis heute das Rechtsverständnis in Australien. Im Rahmen der institutionellen Entwicklung in Australien ist daher eine Untersuchung der Entwicklung auch in Großbritannien unumgänglich. Innerhalb der Entwicklung Großbritanniens braucht im Folgenden auf die Besonderheiten in der Entwicklung in Schottland im Gegensatz zu England und Wales nicht eingegangen zu werden. Die frühe Entwicklung in Europa bildet den Ausgangspunkt der institutionellen Entwicklung der Handlungs- und Verfügungsrechte nicht nur für Deutschland, sondern auch für Australien. Die der Konzernobergesellschaft und ihren Organwaltern zur Verfügung stehenden Mittel der Einflussnahme auf Tochterunternehmen begannen formal mit der Möglichkeit für Individuen sich in Gruppen zu organisieren. Privatrechtliche Partnerschaftsgesellschaften mit dem Ziel einer gemeinsamen Gewinnerwirtschaftung gab es bereits im römischen Recht. 7 Aus den diese Organisationen gestaltenden Institutionen entwickelten sich die heute in Australien und in Deutschland maßgebenden Regeln. Bedeutsam ist die Entwicklung in Europa seit dem 17. und 18. Jahrhundert. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands (in Deutschland) entwickelten sich damals private Vereinigungen neben vom Staat privilegierten Handelskompanien nach öffentlichem Recht (Octroisystem). 8 Im damals wirtschaftlich potenteren Großbritannien gab es ebenfalls traditionell Zusammenschlüsse von Personen zur gemeinsamen Gewinnerzielung. Es bildeten sich dort frühzeitig Zusammenschlüsse, die über einen großen Kapitalpool verschiedener Investoren verfügten (sog. „Joint Stock“). Ähnlich wie in Deutschland standen als Handlungsalternative die Gründung eigenständiger juristischer Personen in der Form einer öffentlich rechtlichen Körperschaft als auch in privaten Vereinigungen zur Verfügung. Als „Joint Stock Company“ werden große private Partnerschaftsgesellschaften und auch die von der Staatsmacht genehmigten Kapitalgesellschaften bezeichnet. Als Rechtsform für letztere standen die Gewährung königlicher Chartas und die Unternehmensgründung durch das Parlament (Private Act) zur Verfügung. Beide waren öffentliche Körperschaften, deren Gründung und Bestand von staatlicher

7

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.1: Personengesellschaft, §3, 38-40. 8 Friedländer, Konzernrecht, 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.1.a) 759. Zum Octroisystem: Großfeld, Unternehmenskonzentration, 115 ff.

A. Moderne Kapitalgesellschaften

31

Lenkung und Konzession abhängig waren. 9 Der Staat vergab Monopole an die Unternehmensgründer, die dem Schutz hoher spezifischer Investitionen, insbesondere der Kosten für die Unternehmensgründung, für den Ausbau und die Sicherung von Handelslinien dienten. 10 Durch diese Zuweisung von Handlungs- und Verfügungsrechten an einflussreiche und wohlhabende Geschäftsleute konnte ab dem 17. Jahrhundert Großbritanniens Handelsmacht deutlich gestärkt und die Ausbeutung der Kolonien gefördert bzw. ermöglicht werden.11 Bereits bei diesen öffentlich-rechtlich und auch bei den privatrechtlich organisierten Vorläufern der modernen Kapitalgesellschaften wurde deutlich, dass eine aktive Einbindung aller Kapitalgeber in das Management hohe Kosten verursachen würde. Es kam zu einer Trennung zwischen Eigentümern und Geschäftsführung. 12 Dadurch konnten die Flexibilisierung gesteigert und die Gesamtkosten der Transaktionen – trotz gestiegener Agency-Kosten – gesenkt werden.13 Seit dem 17. Jahrhundert entwickelten sich in Großbritannien und etwas später auch in Deutschland also Zusammenschlüsse von Personen, in denen durch Verteilung (Diversifikation) und Versicherung Unsicherheitsfaktoren in beherrschbare Risiken umgewandelt wurden. Mit zunehmender Erschließung der Kolonien in Australien galt dies auch dort. Ursprünglich wurden sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland staatsnahe Verbände gegenüber privaten Partnerschaftsgesellschaften privilegiert. Erst seit dem späten 18. Jahrhundert setzten sich in Großbritannien und Kontinentaleuropa allmählich Liberalisierungs- und Deregulierungstendenzen durch. Zu nennen ist dabei nicht nur der sukzessive Abbau von Hürden gegenüber privaten Unternehmensgründungen. 14 Bedeutsam wurde auch der Wegfall von sonstigen Restriktionen. Diese Entwicklung verlief nicht gradlinig und war nicht frei von zeitweisen Rückschritten und Restaurierungsbestrebungen.

9

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.050]; Hill, AJCL 9 (1998) 21 (22); Millon, Duke LJ 1990, 201 (206 f.); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 4. 10 A. Smith, Wealth of Nations, 702 ff., 712. 11 North, Structure and Change, 151. 12 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (584, 586); A. Smith, Wealth of Nations, 700; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 4-6, 8. 13 Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (200 f.). 14 McQueen, AJCL 1 (1991) 22 (33); Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (202); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 10.

32

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

Beispielsweise kam es zunächst in Regionen unter französischem Einfluss (1776 bis 1795 – seit 1793 hatten die ersten Entwürfe zum Code Civil von 1804 besonderen Einfluss auf die Rechtsentwicklung), gefolgt von Preußen (Reformen von 1806, 1808, 1810, ganz Preußen 1845) und schließlich in Großbritannien (Regulierung von 1814 und 1835) zur Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit (Aufgabe des Zunftwesens). In einzelnen Gebieten Deutschlands setzte sich die Gewerbefreiheit erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch (Sachsen 1861, Baden 1862, Württemberg 1836, 1862, Bayern 1868, Vereinheitlichung im Norddeutschen Bund 1869). Insgesamt ist festzuhalten, dass in ganz Europa mit Einsetzen der Industriellen Revolution, aufgrund der Liberalisierungsbestrebungen im Zeitalter der Aufklärung und nach der Französischen Revolution, viele staatliche Hürden aufgegeben wurden. Besondere Impulse für die Liberalisierung setzten in Großbritannien zudem die Konflikte mit seinen 13 Kolonien an der Atlantikküste.15 Die Gesetzgeber in Europa schufen die Möglichkeit einer Gründung juristischer Personen durch Jedermann (im Geltungsbereich des Code de Commerce 1807; in Preußen erste Kodifizierungen in 1838 und 1843 – aber bereits seit den 1820er Jahren ohne gesicherte Gesetzesgrundlage eingeführt; in Hamburg zumindest ab 1835; in Großbritannien je nach zugrunde liegender Interpretation: Gesetzgebung von 1835, 1837, 1844 oder 1856.) Anders als in Deutschland ist für Großbritannien dabei die Zuerkennung eigener Rechtspersönlichkeit (Separate Legal Entity) vom Haftungsprivileg (Limited Liability) zu trennen. Der Erwerb eigener Rechtspersönlichkeit war privatrechtlich organisierten Personenvereinigungen spätestens seit 1844 gestattet.16 Das Haftungsprivileg wurde für diese Kapitalgesellschaften aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesetzlich verankert. 17 Erst Ende des Jahrhunderts (1895) setzte sich Letzteres inhaltlich auch in der Rechtsanwendung durch. 18 Durch politische Restaurationsbestrebungen und aufgrund des Drucks von Handwerksmeistern blieb es trotz der genannten Liberalisierung in Preußen und einigen anderen Regionen Deutschlands zunächst bei einem System restriktiver

15

Webb, Modern England, 93 ff. Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (575, 577). 17 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (575, 580-584 – mit Gegenüberstellung der Entwicklung in den USA auf 588 f.); Blumberg, Multinational Challenge, 15-16; CASAC, Corporate Groups, [1.51]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.140]; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 11. 18 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (584 f.); CASAC, Corporate Groups, [1.51]; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 36. 16

A. Moderne Kapitalgesellschaften

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staatlicher Kontrolle. Einzelne Liberalisierungsschritte wurden zeitweise sogar zurückgenommen (Beispielsweise Preußen: Restriktionen 1845, 1849; Bayern: Erste Einführung 1804, 1825, Rücknahme 1834, 1853, Wiedereinführung 1868).19 Diese Entwicklung ist auch im Zusammenhang mit der Gegenbewegung zur Liberalisierung durch die Revolution 1848 zu sehen. Nicht nur Gewerbe-, sondern auch sonstige Unternehmensgründungen unterlagen in weiten Teilen restriktiver staatlicher Kontrolle. Zudem bestand eine Genehmigungspflicht, deren Erteilung im freien Ermessen (d.h. der Willkür) des Staates lag (Konzessionssystem). Dieses System bildete eine Zwischenstufe zwischen der strikten Staatsaufsicht im Octroisystem und der Durchsetzung einer allgemeinen Wirtschaftsfreiheit. Die Genehmigungen im Rahmen des Konzessionssystems wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend großzügiger und nur noch als formales Ordnungssystem zum Schutz der beteiligten Akteure gewährt. 20 Bereits mit Einführung des ADHGB 1861 gaben die Hansestädte, Oldenburg und Sachsen das Konzessionssystem auf und Württemberg und Baden lockerten es.21 Allerdings erteilte man Genehmigungen zur Unternehmensgründung trotzdem weiterhin nur besonders renommierten und einflussreichen Geschäftsleuten. Erst 1869 kam es zur allgemeinen Anerkennung einer umfassenden Gewerbefreiheit. Mit der Aktienrechtsnovelle 1870 wurde für das ganze Reichsgebiet ein allgemeines Eintragungsrecht an Stelle staatlicher Genehmigung in das Gesetz eingeführt.22 Die Reichsgründung 1871 trug zu einer Reduzierung der Transaktionskosten im innerdeutschen Handel bei. Neben der nun einheitlichen Handelsgesetzgebung kam es zu Zollabbau und Vereinheitlichung von Münzwesen, Maßen und Gewichten. Auf Grundlage der ausgeweiteten Handlungsalternativen, der Investitionsanreize und der nach den französischen Kriegsentschädigungszahlungen in Folge des Deutsch-Französischen Krieges gesteigerten Liquidität nahm die bis dahin geringe Anzahl von Aktiengesellschaften in kürzester Zeit um mehr als das Doppelte zu (Gründerjahre). Für die Wirtschaftsentwicklung Deutschlands und Großbritanniens – und damit auch Australiens – im 19. Jahrhundert ist die Abkehr von staatlicher

19

Großkomm AktG/Assmann, Einl Rn 30 ff.; Bechtel, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 338; Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 131 f., 136 f.; Henning, Industrialisierung in Deutschland, 63; Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 449 f. 20 Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 144; Ott, Unternehmenskorporation, 66, 87; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §2 Rn 2. 21 Großfeld, Unternehmenskonzentration, 135. 22 Schubert, ZGR-Sonderheft 4, 1985, 1 (3-6).

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Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

Aufsicht und Lenkung hin zu liberaler Wirtschaftspolitik mit allgemeiner Gewerbefreiheit charakteristisch, wenn auch die Entwicklung sich unterschiedlich schnell vollzog.23 Regulierung trug insgesamt dazu bei, dass eine institutionelle Infrastruktur entstand, welche die mit Investitionen in Kapitalgesellschaften verbundenen Kosten zu senken half. Dadurch veränderten sich die Anreizstrukturen für die Akteure und private Unternehmensgründungen nahmen zu. Die in Großbritannien entstandene Regulierung wurde trotz der eingeräumten Selbstverwaltungsrechte in den Kolonien auf dem australischen Kontinent zunächst fast uneingeschränkt übernommen. Australien war allerdings trotz des Goldrausches seit Mitte des Jahrhunderts auch Ende des 19. Jahrhunderts noch ein weitgehend unbesiedelter Agrarstaat. Die Bevölkerungsdichte war selbst in den Küstenregionen niedrig. Die regulatorischen Neuerungen in Europa wären damals in Australien nicht notwendig gewesen. Im Unternehmensrecht bestand weder für die Erlangung eigener Rechtspersönlichkeit noch für die Einführung von Haftungsbeschränkungen ein tatsächlicher Bedarf. 24 Die oft unreflektierte Übernahme des britischen Rechts führte in Australien zu Fehlentwicklungen, die ihrerseits eigenständige Reformen notwendig machten. 25 Die Hauptursache für solche Reformen waren administrative Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des liberalisierten britischen Kapitalgesellschaftsrechts. Mangels eigener Durchsetzungsfähigkeit entschied beispielsweise die Regulierungsbehörde für Unternehmensgründungen in Viktoria, einer wirtschaftlich bedeutenden Kolonie, die Durchsetzung des Rechts vollständig den Marktakteuren zu überlassen. Die weltweit einzigartige Unternehmensform der Gesellschaft ohne Haftung (No-Liability Company) wurde für die kapitalintensiven Bergbaufirmen geschaffen. Die zuvor vielfach von Missbrauch und mangelnder Durchsetzbarkeit des Rechts abgeschreckten Investoren konnten tatsächlich durch die eingeführten Selbstdurchsetzungsmechanismen zurückgewonnen werden. 26 Die schwache Wirtschaft in den Kolonien auf dem australischen Kontinent war auf britische Investitionen angewiesen. Bis weit ins 20. Jahrhundert waren

23

Meier, ZSR 101 I (1982) 267 (268-270). Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (221); McQueen, AJCL 1 (1991) 22 (26); McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (190, 193); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 17. 25 McQueen, AJCL 1 (1991) 22 (26-27, 33); McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (197, 200, 205); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 17-18. 26 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.170]; McQueen, AJCL 1 (1991) 22 (27, 34, 39 f.); McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (201-204, 207); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 18 f. 24

A. Moderne Kapitalgesellschaften

35

die Mehrzahl der in Australien tätigen Handelsgesellschaften britische Gründungen. Um die Attraktivität für diese Geldgeber zu erhalten, wurde deshalb bewusst eine Politik fast uneingeschränkter Rezeption britischen Rechts verfolgt, die noch bis vor kurzem aufrecht gehalten wurde. 27 Erst als die australische Wirtschaft auch außerhalb des Agrarsektors an Bedeutung gewann und zunehmend eine von Großbritannien unabhängigere Rolle einnahm, entwickelte sich eine nennenswerte eigenständige Regulierungstätigkeit, die sich von der Großbritanniens abzugrenzen begann. Den Ausgangspunkt setzte der zunehmende inneraustralische Handel. Eine solche zunehmende Eigenständigkeit der Regulierung entstand erst in Folge der inneraustralischen Rechtsvereinheitlichung seit den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. 28 Diese schrittweise Rechtsvereinheitlichung ermöglichte eine signifikante Steigerung der Wirtschaftskraft und der ökonomischen Eigenständigkeit des Kontinents. Weiter gehende Eigenständigkeit auch auf regulatorischer Ebene war die Folge. Als endgültiger Wendepunkt in der regulatorischen Anbindung an Großbritannien kann der Australia Act 1986 gesehen werden. Bis dahin war das Privy Council in London die höchste Gerichtsinstanz. Auch die Reformen in den 1990er Jahren können mit einiger Berechtigung als Ende der Rezeption britischen Gesellschaftsrechts in Australien interpretiert werden. Zum Vergleich: In Neuseeland wurde bis 1993 britisches Gesellschaftsrecht fast ungeändert übernommen. Mit Ausnahme des Liegenschafts- und Arbeitsrechts gilt das australische Recht dennoch auch nach den jüngsten Änderungen weiterhin als stark am Recht Großbritanniens orientiert. In jedem Fall sollten die meisten der als „eigenständige“ Reformen in den Kolonien auf dem australischen Kontinent bezeichneten regulatorischen Anpassungen im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht als Beginn der Eigenständigkeit Australiens vom britischen Regulator gesehen werden. Diese Reformen hatten vielmehr ein Pendant in Europa und waren zudem auf allgemeine wirtschaftliche Fehlentwicklungen zurückzuführen. Dies verdeutlicht der Vergleich mit der Rechtsentwicklung in Deutschland: Hier begann bereits zwei Jahre nach Reichsgründung mit der weltweiten Wirtschaftskrise (Gründerkrach, 1873/ 1874) eine parlamentarische Diskussion um eine Reformierung des Unter-

27 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (220-221); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.170]; McQueen, AJCL 1 (1991) 22 (23, 26-27); McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (190, 197); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 14, 16-17. 28 Vgl. unten: Teil 2 C.I., Seite 42.

36

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

nehmensrechts. 29 Als Gegenbewegung zu der bis dahin in ganz Europa, besonders aber in Großbritannien, auf Marktkräfte fokussierten Allokation von Handlungs- und Verfügungsrechten im Unternehmensrecht entwickelte sich mit einsetzenden wirtschaftlichen Problemen die Forderung nach stärkerer staatlicher Regulierung. 30 Die Opportunitätskosten der einzelnen Akteure in Kapitalgesellschaften hatten sich verschoben, was destabilisierende Folgen und einen Meinungskampf unterschiedlicher Wertvorstellungen zur Folge hatte. Damit änderten sich sukzessive die persönlichen Anreize und Restriktionen für viele Akteure. Auch die Ausweitung des Handels machte anspruchsvollere Kontrollund Überwachungsmechanismen notwendig. 31 In Deutschland kam es 1884 zur Anpassung des ADHGB. Diese Gesetzesänderung gilt heute als einer „der bedeutendsten Schritte in der Aktienrechtsgeschichte“. 32 Als Konsequenzen von Managementskandalen 33 wurde einerseits die Eigenverantwortlichkeit der Leitungsorgane gestärkt. Andererseits wurde deren Kontrolle intensiviert. Die bis heute wichtigsten Publizitätspflichten und die Gründerhaftung wurden eingeführt sowie die Befugnisse des Aufsichtsrats gestärkt. 34 Bereits damals erkannte der Gesetzgeber, dass den Akteuren in der Hauptversammlung (damals Generalversammlung) der notwendige Sachverstand fehlt, Leitungsentscheidungen zu treffen. Die für die Regulierung relevanten Akteure verwiesen deshalb die Leitung weitgehend an die Organwalter im Vorstand.35 Ebenfalls als Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise und auf lokales Missmanagement wurden 1896 im australischen Victoria die damals schärfsten Publikations- und Bilanzierungspflichten im Britischen Commonwealth erlassen. 36 Die unmittelbaren Fehlentwicklungen eines unzureichend regulierten allgemeinen Unternehmensgründungsrechts wurden auch hier durch die Einführung von Publikationspflichten gemildert. Diese Neuerungen bedeuten für die Kolonien in Australien keine Abkehr von der engen Anbindung an die Ent-

29

Großfeld, Unternehmenskonzentration, 143 ff.; Schubert, ZGR-Sonderheft 4, 1985,

1 (6). 30

North, Structure and Change, 179 f. North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 120, 209. 32 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.2, 761. 33 Auflistung und Analyse der Missstände in der Gründerphase: ROHG, Gutachten, ZGR-Sonderheft 4, 1985, 157 (160 f.). 34 Schubert, ZGR-Sonderheft 4, 1985, 1 (26-28, 50). 35 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 324-325. 36 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.170]; McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (205); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 18. 31

A. Moderne Kapitalgesellschaften

37

wicklung in Großbritannien. Die Reform in Victoria ging auf Vorschläge einer britischen Kommission (Davey Committee) für die britische Gesetzgebung zurück, die dort allerdings erst 25 Jahre später umgesetzt wurde. 37 Die Einführung von Publizitätspflichten in Australien und in Deutschland schuf allerdings Probleme für kleine und mittlere Kapitalgesellschaften, für die diese Änderungen nicht ausgelegt waren. Als Reaktion schuf der deutsche Gesetzgeber 1892 die GmbH als neue Gesellschaftsform, in der es die weiten Publizitäts- und Prüfungspflichten nicht gab.38 Auch in Australien musste ein Ausgleich für kleine Kapitalgesellschaft geschaffen werden, um Problemen mit den erhöhten Publizitätspflichten entgegenzuwirken. 39 Zeitgleich mit der Verschärfung der Publizitätspflichten wurde dort die Proprietary Company als kleine Kapitalgesellschaft eingeführt.40 Erst 11 Jahre später gab es diese Unterscheidung auch in Großbritannien. 41 In England heißt die kleine Kapitalgesellschaft Limited Company (ltd), die große Public Company (plc). In Australien wird die große Kapitalgesellschaftsform als (Public) Limited Company (ltd) und die kleine als Proprietary Company (ltd prt) bezeichnet. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird im Folgenden für die australische ltd der Begriff Public Company verwendet. Insgesamt entsprechen sich die institutionellen Entwicklungen in Australien und in Deutschland. Kapitalgesellschaften haben sich in beiden Staaten aus privaten Partnerschaftsgesellschaften entwickelt. Die allgemeine ökonomische Entwicklung im Zeitalter der Industrialisierung und die sich daraus entwickelnden regulatorischen Aufgaben verliefen nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Regionen in gewisser Weise parallel. 42 Durch die Übernahme angelsächsischer Regulierung in Australien gilt dies auch dort. Ende des 19. Jahrhunderts kam es weltweit zu Wirtschaftskrisen und zu Anpassungen der Regulierung.43 Strukturell miteinander vergleichbare Unternehmensformen hatten

37

McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (205); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 18. 38 Ballerstedt, GmbHR 1967, 66 (66-67). 39 Vgl.: ss 292, 293, 301, 314, 319 Corporations Act. 40 Heute geregelt in: ss 45A, 113 Corporations Act. 41 McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (202). 42 Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (202). 43 Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (208).

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Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

sich im Handelsverkehr und in der Rechtsentwicklung durchgesetzt. 44 Vor allem die Publizitätspflichten wurden überall verschärft und eine kleine Kapitalgesellschaftsform wurde geschaffen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die dem Einzelnen zur Verfügung stehenden Handlungs- und Verfügungsrechte in Australien und in Deutschland ähnlich – wenn auch die australische Wirtschaft diese noch nicht ausfüllen konnte. Im Ganzen setzte der Staat regulatorische Anreize für private Unternehmensgründungen.

B. Konzerne In Deutschland und auch in Ländern mit britischer Rechtsgenese entstand die Möglichkeit Konzerne – im Sinne der hier zugrunde gelegten weiten Definition45 – zu bilden. Diese Handlungsalternative gewann zunehmend an Attraktivität. In Großbritannien und in Deutschland begünstigten hohe Ertragssteigerungen im Rahmen der Industriellen Revolution sowohl institutionelle als auch technologische Neuerungen. Dies führte zu beträchtlichen Steigerungen der möglichen Unternehmensgrößen durch Spezialisierung. Damit verbunden waren gesteigerte Anforderungen an Kontrollstrukturen und höhere AgencyKosten sowohl innerhalb der Kapitalgesellschaften als auch in Vertragsbeziehungen mit Dritten. In Folge damit notwendig werdender institutioneller Anpassungen wurden vertikale und horizontale Verflechtungen und Garantieverpflichtungen eingeführt.46 Die Transaktionskosten konnten insgesamt niedrig gehalten werden. In Deutschland gab es vereinzelte Unternehmensvereinigungen und damit auch erste Konzentrationsbestrebungen seit Beginn der Industriellen Revolution. Bis zur Aufgabe des Konzessionssystems war diese Handlungsalternative aber aufgrund der Staatsaufsicht wenig verbreitet.47 Britische Gerichte übernahmen dagegen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts für Kapitalgesellschaften ihre frühere Rechtsprechung in Bezug auf Personengesellschaften, nach der die innere Struktur privaten Absprachen überlassen war. Folglich war dort der Anteilsbesitz einer Kapitalgesellschaft an einer anderen erlaubt, soweit die Anteilseigner den Besitz wollten. 48 Diese Erweiterung der Handlungsrechte galt nicht nur für britische Kapitalgesellschaften, die

44

Friedländer, Konzernrecht, 4. Vgl. oben: Teil 1 B., Seite 14. 46 North, Structure and Change, 178. 47 Pohl, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 4 (7-8). 48 Re Barned's Banking Co, Ex parte The Contract Corporation (1867) 3 Ch App 105 (112 f. – Chairns LJ); Re Asiatic Banking Corp, Royal Bank of India (1869) 4 Ch App 252 (257 – Selwyn LJ). 45

B. Konzerne

39

in den damaligen Kolonien auf dem australischen Kontinent investierten, sondern gleichermaßen für die wenigen in Australien selbst gegründeten Kapitalgesellschaften. Für letztere waren Unternehmensverbindungen aufgrund der schwach entwickelten Wirtschaft kaum relevant. In Großbritannien begannen sich schon damals, spätestens aber als 1895 in der berühmten Entscheidung Salomon v Salomon49 faktisch die Einmann-Gesellschaft zugelassen wurde, die Kooperationsform des Konzerns als Handlungsalternative durchzusetzen. 50 In Deutschland wurden mit Reichsgründung 1871 Unternehmensverbindungen allgemein ermöglicht, deren Anzahl bereits seit den frühen 1880er Jahren zunahm. Das Zusammenfallen aller Anteile einer Kapitalgesellschaft in einer Person war bereits früher als zulässig akzeptiert worden. 51 Das Reichsgericht erkannte 1881 sogar die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit eines Betriebsüberlassungsvertrags an, in dem den außenstehenden Aktionären nach ihrer Wahl ein Abfindungsanspruch oder eine Dividendengarantie zugesprochen wurde.52 Im konkreten Fall wurde der Vertrag dennoch als unzulässig verworfen, da praktisch die Aktiengesellschaft nach Auflösung des Vorstands durch ein gesellschaftsexternes Organ geleitet werden sollte und die Aktiengesellschaft nicht einmal ihre Rechte aus dem Betriebsüberlassungsvertrag hätte durchsetzen können.53 Die Vorinstanzen hatten die Klage des Minderheitsaktionärs verworfen und die gewählten Strukturen insgesamt als unbedenklich eingestuft. Der erste erfolgreiche und wirksame Betriebsüberlassungsvertrag in Deutschland wurde – soweit ersichtlich – erst 1892 geschlossen. 54 Einseitige Einsetzungsbefugnis für Vorstandsmitglieder in der Aktiengesellschaft und für Geschäftsführer in der GmbH durch andere als Unternehmensorgane – vor allem durch Mehrheitseigner – waren in Deutschland also bereits vor Beginn des 20. Jahrhunderts zulässig, soweit die Geschäftsleitung formal unabhängig blieb und die Widerrufskompetenzen der Unternehmensorgane nicht beein-

49

Salomon v Salomon & Co Ltd [1897] AC 22 (50 f. – Halsbury LC). Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (71); Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (608 f.); Thompson, Conn J Int’ L 13 (1999) 379 (381 f.). 51 RGZ 22, 116 (116 ff.); 68, 172 (174); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.III, 116; Großfeld, Unternehmenskonzentration, 149 f. (Datiert erste Einmann-Gesellschaften sogar bereits auf 1842). 52 RGZ 3, 123 (126 f.). 53 RGZ 3, 123 (130 f., 133). 54 Spindler, Recht und Konzern, 116. 50

40

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

trächtigt waren. 55 Somit hatte die Kautelarjurisprudenz auch in Deutschland formal die Möglichkeit von Konzernbildung geschaffen. Die Konzentration der deutschen Wirtschaft steigerte sich bereits zuvor exponentiell in kurz aufeinander folgenden Konzentrationsphasen.56 Dabei ist die hier erörterte Konzernierung von der zunehmenden Kartellierung der deutschen Wirtschaft im frühen 20. Jahrhundert zu unterscheiden. Letztere beruhte auf den Vorteilen, die sich für die Mitglieder des Kartells durch Wettbewerbsbeschränkungen ergaben, und sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.57 Bereits kurz nach der Jahrhundertwende wird – je nachdem welche Erhebung zugrunde gelegt ist – entweder mehr als die Hälfte aller Aktiengesellschaften, zumindest aber die Mehrheit des in Deutschland investierten Aktienkapitals Verbänden zugeschrieben. 58 Die Gründe für die Unternehmenskonzentration sind auf spezifische Entwicklungen der jeweiligen Wirtschaftszweige in den unterschiedlichen, meist durch wirtschaftliche Krisen ausgelösten Phasen zurückzuführen, die ihrerseits eng mit der allgemeinpolitischen Entwicklung zusammenhängen.59 Seit gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowohl in Australien als auch in Deutschland Publizitätspflichten eingeführt und eine neue Unternehmensform für kleine Kapitalgesellschaften geschaffen wurden, hatte sich in beiden Staaten der institutionelle Rahmen für Konzerne gebildet, der auch heute noch prägend ist. Signifikante Bedeutung bekam dort die Möglichkeit zur Konzernbildung aber erst mit dem Erstarken der australischen Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Heute gibt es in Australien allerdings erhöhte Publizitätspflichten auch für Proprietary Companies mit großer Kapitalausstattung. Damit soll der zunehmenden Tendenz von Konzernen entgegengewirkt werden, durch die Auslagerung von Geschäften in Tochterunternehmen, die als

55

Friedländer, Konzernrecht, 70. Durey, ZSR 99 II (1980) 273 (284, 287); Friedländer, Konzernrecht, 5-7; Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (156-157, 168-169); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §17.I.1, 488; Pohl, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 4 (8, 13 f., 18, 20, 29, 39); Spindler, Recht und Konzern, Teil 1, II. 57 Vgl. oben: Teil 1 B., Seite 14. 58 Spindler, Recht und Konzern, 41 f. 59 Überblick über einzelne Industriezweige in unterschiedlichen Perioden: Pohl, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 4. 56

B. Konzerne

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Proprietary Company firmieren, den für Public Companies geltenden Publizitätspflichten zu entgehen.60 Die institutionellen Veränderungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts führten zu Ertragssteigerungen, welche neue Anpassungen auslösten. Zwar können Konzentrationsauswirkungen nicht genau zugeordnet werden, um eine politische Maßnahme als solche unmittelbar als konzentrationsfördernd oder -hemmend zu beurteilen. 61 Feststellen lässt sich dennoch, dass die Bildung von Konzernstrukturen abhängig war von staatlicher Regulierung bzw. von sonstigen institutionellen Anreizen zur Konzernierung.62 Regulatorische Anreize bestanden in der Schaffung der Möglichkeit, mit Hilfe von Unternehmensverflechtungen Reputationsvorteile zu erzielen und dynamische strukturelle Anpassungen in der Organisation ressourcensparender als zuvor umsetzen zu können. Vor allem können Make-or-Buy-Entscheidungen allein durch Anteilsan- und -verkauf umgesetzt werden, ohne Unternehmensteile aufwändig in die Kapitalgesellschaft aus- bzw. eingliedern zu müssen. Diese Entwicklung erfolgte zunächst unabhängig von der mitunter in Deutschland als entscheidend für die Entstehung von Konzernen eingestuften steuerlichen Anreizstrukturen. Letztere stellt eine spezifische deutsche Entwicklung dar, die sich insofern von der Entwicklung in Australien abgrenzt. 63 Unabhängig hiervon wirkten die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Australien und dem übrigen Europa zu konstatierten wirtschaftlichen Krisen und die Ausweitung der Handlungsalternativen für sich genommen konzentrationsfördernd. Für Australien und für Deutschland gilt einheitlich, dass die Entwicklung von Unternehmensverflechtungen – anders als beispielsweise in den USA64 – nicht bezweckte Folge diesbezüglicher Gesetzgebung war, sondern sich fast zeitgleich als Konsequenz der allgemeinen Liberalisierung der Regulierung im ausgehenden 19. Jahrhundert ereignete. 65 Die Einführung von Handlungs- und

60

Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 71-72. Meinhold, in: Arndt, Die Konzentration in der Wirtschaft 2, 65 (68). 62 Ähnlich: Großfeld, Unternehmenskonzentration, 37, 149 ff.; a.A. für die Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg: Spindler, Recht und Konzern, 201 ff. 63 Vgl. unten: Teil 2 C.II., Seite 45. 64 Dazu: Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (604); Blumberg, Multinational Challenge, 53-58; Chandler, Strategy and Structure, 30 f.; Millon, Duke LJ 1990, 201 (211); Thompson, Conn J Int’ L 13 (1999) 379 (381 f.). 65 Blumberg, Multinational Challenge, 57-58; Durey, ZSR 99 II (1980) 273 (287) (Abgrenzung nur in Bezug auf Deutschland und USA). 61

42

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

Verfügungsrechten, die Konzerne ermöglichen, gibt es seit der Gründung moderner Kapitalgesellschaften.

C. Gegensätzliche Entwicklungen Für die weitere institutionelle Entwicklung sind die Auswirkungen der Regulierung und des wirtschaftlichen Umfelds auf die Bereitschaft, die Organisationsform des Konzerns zu wählen, entscheidend. Marktakteure sammeln Erfahrungen mit den angebotenen Handlungsalternativen. Daraus entwickeln sich Handlungsgewohnheiten, die ihrerseits die Institutionen in der Entwicklung beeinflussen. 66 Nur soweit sich aus wirtschaftlicher Kooperation zwischen Individuen gesamtwirtschaftliche Ertragssteigerungen ergeben, ist eine dynamische Anpassung der Institutionen wahrscheinlich. Im Vergleich der institutionellen Entwicklung verschiedener Staaten sind allgemein relativ große Unterschiede bei der Allokation von Handlungs- und Verfügungsrechten in verschiedenen Zeitabschnitten und in dem unterschiedlichen sozialen Gefüge zu erwarten. 67 Wie gezeigt, war in Australien und in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts das Regelungsgefüge durchaus vergleichbar, während die wirtschaftliche Entwicklung erhebliche Unterschiede aufwies. Folglich waren Unterschiede in der weiteren institutionellen Entwicklung wahrscheinlich. Diese sollen im Folgenden gegenübergestellt werden.

I. Australien Australien war nach der Staatsgründung 1901 in hohem Maße abhängig vom Handel mit Großbritannien. Schon deshalb wurden fast alle regulatorischen Anpassungen im britischen Recht vom Regulierer in Australien übernommen. Im Gegensatz zu dieser auf eine globale Konvergenz im Britischen Commonwealth angelegten Politik der Einheitlichkeit steht die Verschiedenheit der Gesellschaftsrechtsstatuten in den einzelnen States und Territories Australiens. Der Bund kann Gesetze für die zwei Territories erlassen (s 122 australische Verfassung). Im Übrigen beschränkt sich seine Gesetzgebungskompetenz auf einen enumerativen Katalog. Nach s 51 (xx) australische Verfassung darf der Bund nur Gesetze erlassen in Bezug auf:

66 67

North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 81. North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 81, 110.

C. Gegensätzliche Entwicklungen

43

“foreign corporations, and trading or financial corporations formed within the limits of the Commonwealth”.

Seit der Gründung Australiens ist die Auslegung dieser Vorschrift kontrovers. Das Verfassungsgericht (High Court) entschied kurz nach der Staatsgründung in der Entscheidung Huddart Parker & Co Pty Ltd v Moorehead 68, diese Ermächtigung beschränke sich auf Kapitalgesellschaften, die bereits existierten, ermächtige den Bund aber nicht, Fragen der Unternehmensgründung zu regeln. Diese Rechtsprechung wurde Anfang der 1990er Jahre bestätigt. 69 Die sich entwickelnden Unterschiede im Kapitalgesellschaftsrecht der einzelnen States und Territories Australiens erschwerten den Handel innerhalb Australiens. Besondere Probleme entstanden aufgrund der unterschiedlichen Regelungen im Zusammenhang mit der Anerkennung von Unternehmensgründungen und in Bezug auf Unternehmensliquidationen. Versuche bei Staatsgründung und in den 1930er Jahren, das Recht zu vereinheitlichen, schlugen fehl. 70 Die Unterschiede in der Regulierung der einzelnen Rechtsordnungen innerhalb Australiens verursachten hohe Kosten für den Handel zwischen den States und Territories. Ertragssteigerungen blieben aus, die ihrerseits einen institutionellen Wandel und technologische Veränderungen begünstigt hätten. Aufgrund einer langsamen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurden die Unwägbarkeiten der unterschiedlichen Rechtsordnungen nicht überwunden. Selbst die Haupteisenbahnstrecken hatten in vielen Regionen Australiens lange Zeit unterschiedliche Spurbreiten, ein zusätzliches Hemmnis für den Handel. Das institutionelle Umfeld in Australien begünstigte also einerseits den Handel mit Großbritannien, entwickelte zugleich aber Hürden gegen inneraustralische Kooperation. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte sich die australische Wirtschaft deutlich von der eines unselbstständigen kolonialen Agrarlandes zu einem hoch entwickelten Industriestaat. Damit stiegen auch die Anforderungen an die regulatorische Infrastruktur. Sukzessive wurden die Barrieren, die durch die

68

Huddart Parker & Co Pty Ltd v Moorehead (1909) 8 CLR 330 (348 f. – Griffith CJ, Bezug nehmend auf den Australian Industries Preservation Act 1906). 69 New South Wales v Commonwealth (1990) 8 ACLC 120 (127), 169 CLR 482 (502-503), 90 ALR 355 (361), 1 ACSR 137 (144 – Mason CJ, Brennan, Dawson, Toothey, Gaudron, McHugh JJ). 70 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 19 f.

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Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

unterschiedliche Regulierung entstanden waren, überwunden. Während die Zuweisung der Gesetzgebungskompetenz an den Bund durch eine Verfassungsänderung bis heute abgelehnt wird, gab es seit den 1960er Jahren verschiedene Bemühungen, die Gesetzgebung zwischen den States und Territories Australiens zu koordinieren.71 Im materiellen Kapitalgesellschaftsrecht entwickelte sich eine einheitliche Gesetzgebung erst seit 1981 (CoOperative Scheme). 72 Danach gab es Versuche, auch eine einheitliche Rechtsdurchsetzung und -anwendung zu erreichen. Im Alice Springs Agreement 1990 wurde ein komplizierter Durchsetzungsmechanismus vereinbart, nach dem die States ihre Verwaltungskompetenz für das von ihnen einheitlich verabschiedete Unternehmensrecht an eine Bundesbehörde übertrugen und darüber hinaus die Streitentscheidungen an Bundesgerichte verwiesen. In den Jahren 1999 und 2000 verwarf jedoch das High Court in zwei Entscheidungen diese Verweisungen als verfassungswidrig. 73 Die verfassungsrechtlichen Bedenken werden seit 2001 ausgeglichen, weil die States ihre Gesetzgebungskompetenz an den Bund durch einfaches Gesetz abgaben, was s 51 (xxxvii) australische Verfassung zulässt. Auf dieser Grundlage übt nun der Bund für alle States und Territories Australiens die Gesetzgebungskompetenz aus. Er erließ den Corporations Act 2001 und den Australian Securities and Investment Act 2001 (ASIC Act). Die Gerichtsbarkeit der Bundesgerichte ergibt sich nunmehr aus dem Bundesgesetz. Um den in Australien weiterhin starken Bedenken gegen eine Übermacht des Bundes zu begegnen, wurde diese Regelung zunächst auf fünf Jahre befristet und die Möglichkeit von Gesetzesänderungen durch den Bund eingeschränkt. 74 Nunmehr gilt das Gesetz solange die States vom Bund die abgegebene Gesetzgebungskompetenz nicht wieder zurückziehen. Der Staat kann auf die Entwicklung der Opportunitätskosten für die Beteiligten einwirken und durch Regulierung die institutionelle Infrastruktur verändern. Dies hat Auswirkungen auf die Erscheinungsformen der freiwilligen

71

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.180-2.300]; McQueen, AJCL 5 (1995) 187 (209-211); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 20-25. 72 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.210]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 23 f. 73 Re Walkim, Ex parte McNally (1999) 17 ACLC 1055 (1091 [173]), 198 CLR 511 (595 [173]), 163 ALR 270 (320 [173]), 31 ACSR 99 (149 [173] – Gummow, Hayne JJ); R v Hughes (2000) 171 ALR 155 (166-167 [41]), 18 ACLC 394 (402 f. [41] – Gleeson CJ, Gaudron, McHugh, Gummow, Callinan JJ). 74 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.310]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 69.

C. Gegensätzliche Entwicklungen

45

Organisationen, die ihrerseits die gesamtwirtschaftliche Kostenentwicklung beeinflussen. 75 Insgesamt sind durch Anpassung der Regulierung für inneraustralische Kooperationen die Kosten in den letzten 50 Jahren gesunken und damit die Investitionsanreize gestiegen, obwohl weiterhin aufgrund des Formelkompromisses der befristeten Kompetenzzuweisung des materiellen Kapitalgesellschaftsrechts die künftige Rechtsentwicklung in Australien von starken Unsicherheitsfaktoren geprägt wird.

II. Deutschland Im Gegensatz dazu gab es in Deutschland bereits seit 1871 ein gesamtwirtschaftliches Umfeld, das Anreize für Unternehmensverbindungen bot. Wie gezeigt, stieg bereits vor der Jahrhundertwende die Zahl von unternehmerischen Verflechtungen zu Konzernen. Begünstigt wurden die Konzernierungswellen durch eine konzernfreundliche Rechtsprechung. Zu nennen ist vor allem die steuerrechtliche Organschaft (Organtheorie bzw. Lehre von der wirtschaftlichen Einheit im Steuerrecht). Begründet wurde sie in den 1890er Jahren durch die Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts (OVG St), das Grundsätze aufstellte, wann eine natürliche Person keinen selbstständigen Gewerbebetrieb betreibt und Teil eines anderen Betriebsunternehmens ist.76 Der Reichsfinanzhof wendete diese Grundsätze 1921 im Konzernzusammenhang unter Bezugnahme auf das preußische Oberverwaltungsgericht an.77 Bereits früher hatte der RFH eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für verbundene Unternehmen in Steuerfragen angewendet, aber ohne die Bezugnahme auf das OVG St. 78 Für den Organbegriff kam es auf wirtschaftliche Verflechtung der Kapitalgesellschaften (Beherrschung), nicht aber auf Kapitalmehrheiten an. 79 Es ergaben sich Vorteile durch eine gemeinsame Versteuerung, wenn vertraglich eine Verlustdeckung als Gegenleistung für Gewinnabführung (Ergebnisübernahme) zugesichert wurde. 80 Seit dem Ersten Weltkrieg förderte der Staat teilweise aktiv auch Syndikatsbildungen und die Gründung anderer loser Kartellformen, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind. Steuer-

75

North, Structure and Change, 206. OVG St III (1895) 240 (241); IV (1896) 342 (347); V (1897) 163 (171). 77 RFHE 5, 321 (328 f.). 78 Vor allem: RFHE 4, 172 (177). 79 Spindler, Recht und Konzern, 18 ff., insbes. 23. 80 MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 10, 12; Spindler, Recht und Konzern, 28. 76

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Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

liche Anreize begünstigten aber auch Konzerne gegenüber den zur Verfügung stehenden Umwandlungsformen. 81 Die liberal ausgebildeten Handlungs- und Verfügungsrechte begünstigten weiteren institutionellen Wandel. Schrittweise rückten die Bedeutung und Zulässigkeit staatlicher Einmischung in den Wirtschaftsablauf und in die innere Verfassung der Unternehmen wieder in den Vordergrund. Die Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Minderheiten- und Gläubigerschutzrechten wurde beispielsweise in Bezug auf die Organhalterpflichten diskutiert.82 Mit zunehmender Bedeutung von Großunternehmen und Konzernen wurden auch Einschränkungen ihrer Stimmrechtsmacht in Tochterunternehmen entwickelt. Es wurden Fallgruppen entwickelt, wann die eigennützige Ausbeutung von Mehrheitsmacht unter Vernachlässigung des Unternehmenswohls sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich sein sollte (§§ 138 I, 826 BGB).83 Das Bestehen eines Treueverhältnisses der Aktionäre zur Aktiengesellschaft wurde vorgeschlagen.84 Es gab sogar Forderungen nach einer generellen rechtlich einheitlichen Behandlung des gesamten Konzerns zum Gläubigerschutz. Diese konnten sich aber nicht durchsetzen. Die Einheitstheorie blieb auf steuer- und kartellrechtliche Fragen beschränkt. 85 Sukzessive entwickelten sich Einschränkungen der bestehenden Handlungsund Verfügungsrechte. Der Regulierer musste für die relationalen Beziehungen in allen Kapitalgesellschaften ein Mindestmaß an Fairness garantieren. Die Abgrenzungen der einzelnen Organkompetenzen wurden, vor allem durch Verschärfung von Publizitätspflichten, sukzessive präzisiert. Gleiches gilt für die Verteilung der Rechte und Pflichten im Konzern.86 Dadurch konnten Marktunsicherheiten bei Transaktionen mit und innerhalb von Konzernen reduziert werden, was die Konzernierung weiter stärkte. Während der Weltwirtschaftskrise (1929 – ca. 1933) kam es auf Grundlage von Art. 48 Weimarer Reichsverfassung 1931 zu einer Notverordnung im Akti-

81 Pohl, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 4; Spindler, Recht und Konzern, 12, 41 ff. 82 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 4-8; Spindler, Recht und Konzern, 75. 83 RGZ 107, 72 (75), 202 (204 f.); MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 13; Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (164). 84 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 25-27; Spindler, Recht und Konzern, 81 ff.; weiter gehende Darstellung unten: Teil 4 B.II.2., Seite 182. 85 Friedländer, Konzernrecht, 42-45; Spindler, Recht und Konzern, 32 f., 84. 86 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (204).

C. Gegensätzliche Entwicklungen

47

engesellschaftsrecht. In der Folgezeit wurde nach Machtergreifung der Nationalsozialisten das Aktiengesetz 1937 verabschiedet. In beiden Fällen wurden weitgehend in der bereits skizzierten, jahrelangen Diskussion entwickelte Gesetzesentwürfe aufgegriffen.87 Charakteristisch war der Ausbau staatlicher Intervention, um der Wirtschaftskrise Herr zu werden. 88 In der Notverordnung von 1931 wurden vor allem die 1884 eingeführten Publizitätspflichten weiter verschärft und neue eingeführt. Diese sollten mehr Transparenz bei Transaktionen innerhalb von Konzernen schaffen. 89 Auch die Einführung einer Pflichtprüfung und eines Anfechtungsrechts für Hauptversammlungsbeschlüsse sind eine Reaktion auf Missstände, die ursprünglich im Zusammenhang mit Konzernen erörtert wurden. Weiterhin wurde ein allgemeines Schädigungsverbot aufgenommen (heute § 117 AktG, damals § 101). Die Diskussion um besondere (Treue-)Pflichten von (Mehrheits-)Aktionären wurde nach dieser Entscheidung des Regulierers nicht weiter verfolgt.90 Aufgrund der Kodifizierung von zentralen konzernrechtlichen Problemen wird die Notverordnung von 1931 heute teilweise als erste Stufe einer Konzerngesetzgebung „im Gewand des Rechts der isolierten Aktiengesellschaft“ eingestuft.91 Mit dem AktG 1937 wurde das Aktienrecht aus dem HGB ausgegliedert und grundlegend reformiert. Die wesentlichen noch heute bestehenden strukturellen Unterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft in Bezug auf die Stellung der Anteilseigner und der Geschäftsführung sind auf diese Reform zurückzuführen.92 Schließlich verlor die Hauptversammlung endgültig ihre Stellung als oberstes Leitungsorgan der Aktiengesellschaft, nachdem diese Stellung bereits 1884 eingeschränkt worden war. 93 Ebenfalls auf die 1930er Jahre zurückzuführen sind die Einführung eines Barabfindungsanspruchs für Minderheitsaktionäre und die Einführung einer

87

RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 13; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, §20 Rn 6; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.2, 762 f. 88 Meier, ZSR 101 I (1982) 267 (271). 89 Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (166); Spindler, Recht und Konzern, 64. 90 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 22, 25-27; MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 14. 91 Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (170-181); ähnlich: Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 2. 92 Emmerich, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 3 (6 f.); RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 15. 93 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 329.

48

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

Möglichkeit für Mehrheitseigner, die fast alle Anteile besitzen, die übrigen Anteilseigner hinauszudrängen. 94 In der Gesamtbetrachtung des Zeitabschnitts bis zum Zweiten Weltkrieg führten abermals Probleme aus wachsender Unternehmensmacht zur Einführung von Regulierung zum Schutz vor Machtmissbrauch. Die sich herausbildenden institutionellen Veränderungen trugen dazu bei, dass Marktunsicherheiten in strukturelles Risiko umgewandelt werden konnten. Das Vertrauen der Marktteilnehmer wurde gestärkt. Folglich behielten Konzerne ihre Attraktivität. Eine seit 1880 insgesamt kontinuierlich zunehmende Ausbreitung von Konzernen und die Dominanz von Konzernen auf den Kapitalmärkten war die Folge.95 Das institutionelle Umfeld in Deutschland änderte sich erneut nach dem Zweiten Weltkrieg. In den westlichen Besatzungszonen verfolgten die Alliierten eine Dekonzentrationspolitik in der Wirtschaft. Die Zerschlagung wirtschaftlicher Kartelle, die Übernahme der amerikanischen Antitrustdoktrin sowie die Verabschiedung des GWB 1958 hatten vor allem Auswirkungen auf die Möglichkeit der Syndikats- und Kartellbildung. 96 Das GWB umfasste zunächst nur ein Kartellverbot. Selbst die spätere Aufnahme einer Fusionskontrolle (1973) ins Wettbewerbsrecht schränkte nur teilweise die Handlungsalternativen im Rahmen der Organisation von Konzernen ein. Diese Entwicklungen änderten nichts an der generellen Möglichkeit der Gründung von Unternehmensverbindungen in Form von Konzernen.97 Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 setzte auch die Diskussion um eine erneute Reformierung des Aktienrechts ein. 98 Der Gesetzgeber folgte mit der Aktienrechtsreform 1965 wie bereits 1937 der Erkenntnis, dass Aktionäre als aktiver Faktor im Unternehmen ausfallen. 99 So

94

Überblick über diese Entwicklung im damaligen Umwandlungsrecht: BVerfGE 14, 263 (266 f.). 95 Zur Dominanz der Konzernorganisation gegenüber anderen Handlungsalternativen in den 1930er Jahren: Barnikel, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 54 (56). 96 Barnikel, in: Treue/Pohl, Die Konzentration in der deutschen Wirtschaft, 54 (58, 63). 97 Großfeld, Unternehmenskonzentration, 35. 98 RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 13. 99 Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (196); Ott, Unternehmenskorporation, 145.

C. Gegensätzliche Entwicklungen

49

wurde der Trend der Stärkung von Minderheitsaktionären durch Intensivierung der Publizitätspflichten und der Stärkung der Befugnisse der Kontrollorgane fortgesetzt. Auch wurde dem bereits in den früheren Reformen beschrittenen Weg gefolgt, Fragen des Außenseiterschutzes zunächst konzernrechtsunabhängig zu kodifizieren. 100 Schließlich vollzog der Gesetzgeber die allgemeine regulatorische Entwicklung von Konzernen durch Kodifizierung eines Teilgebiets der Materie nach (3. Buch des AktG). 101 Der in der gesetzlichen Regelung im Vordergrund stehende Vertragskonzern (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag) ist dem Organvertrag nachgebildet. Ein zentraler Grund für die Kodifizierung des Konzernrechts war die Einschätzung, dass die Eigenständigkeit einer in wirtschaftliche Abhängigkeit geratenen Kapitalgesellschaft allein mit Mitteln des Rechts nicht durchsetzbar ist.102 Die Möglichkeit der tatsächlichen oder rechtlich vermittelten Abhängigkeit wurde akzeptiert. Zum Ausgleich wurden Schutzinstrumentarien durch ex post Kontroll- und Ausgleichspflichten statuiert. Für die anderen Kooperationsformen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass auch faktische Konzernierung im gesamtwirtschaftlichen Interesse liegen könne.103 In Bezug auf den GmbH-Konzern wurde nach 1965 allgemein von einer Übernahme der Regeln aus dem AktG ausgegangen. Erst nach Scheitern der großen GmbH-Reform 1973 begannen Rechtsprechung und Literatur schrittweise mit einer Entwicklung eines richterrechtlich geformten GmbH-Konzernrechts. 104 Bis heute hat das GmbH-Konzernrecht in seiner grundlegenden dogmatischen Konzeption wesentliche Änderungen erfahren. Insbesondere ist zunächst eine Hinkehr, dann aber eine Abkehr von der Anlehnung ans kodifizierte Aktienrecht zu verzeichnen. Hier ist vor allem die überkommene Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern und die an ihre Stelle getretene neue Dogmatik zum Verbot der Gläubigerschädigung (Bremer Vulkan/KBV) zu beachten. 105 Ungeachtet dieses Wechsels in der dogmatischen Argumentation und den angewendeten Rechtsinstitutionen sind die grundlegenden Argu-

100 101

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 31-32. RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 15 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.2,

764. 102

RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 374. RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 17, 375; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 37; kritisch dazu: Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (344). 104 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (322); Scholz-GmbHG/Emmerich, Anh-KonzernR Rn 7, 12. 105 Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 103

50

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

mentationsstränge zur Begründung der jeweils angewendeten Rechtssätze und die Wirkungsweise des Rechts ähnlich geblieben. 106 Die Auswirkungen auf die Handlungsanreize durch diese regulatorischen Veränderungen können unterschiedlich beurteilt werden. Einerseits könnte das AktG 1965 durch die Kodifizierung des Aktienkonzernrechts die Aktiengesellschaft für die Konzernierung ungeeignet machen.107 Hierfür spricht, dass heute der überwiegende Teil aller beherrschten Kapitalgesellschaften als GmbH firmieren. Folglich scheint die Rechtsform der Aktiengesellschaft als Organisationsalternative weniger attraktiv zu sein. Allerdings stellt die GmbH auch aufgrund ihrer personalistischen Struktur, der formalisierten Einflussmacht der Anteilseigner und der dispositiven Binnenstruktur unabhängig von der Reform 1965 die „ideale Konzerntochter“ dar. 108 Zur Beherrschung bedarf es nach umstrittener aber zutreffender Auffassung bei der GmbH keines Vertrages, sondern nur der einfachen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung.109 Unternehmensverträge werden folglich vor allem in Form von Gewinnabführungsverträgen aus steuerlichen Gründen geschlossen (vgl. § 17 KStG). Derartige Verträge sind auch bei Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH zulässig und anscheinend relativ häufig. 110 Bei der Bewertung der Reform von 1965 ist zu berücksichtigen, dass in Rechtsprechung, Literatur und Unternehmenspraxis in Deutschland bereits rund 80 Jahre zuvor weitgehend identische Problemkonstellationen für Konzerne diskutiert sowie durchaus vergleichbare Lösungsansätze entwickelt wurden. Einen Paradigmenwechsel stellt die teilweise Kodifikation des Konzernrechts nur in Hinblick auf die Formenwahl der Regulierung dar. Das gesetzgeberische Ziel, nämlich außenstehende Akteure (Anteilseigner von Tochterunternehmen

106

Übersicht über den Meinungsstand 1976: Centrale für GmbHen (Hrsg), GmbHKonzern (insbes. Aufsätze von Emmerich, Gäbelein, H.P. Westermann). Vgl. zur Rechtslage und Argumentation heute: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 107 Gäbelein, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 50 (52). 108 Assmann, JZ 1986, 881 (886); ähnlich: Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 128 f. 109 Vlg. unten: Teil 4 B.I.1., ab Seite 127, insbes.: Seite 134. 110 Emmerich, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 3 (21 – Emmerich widerspricht aber der dieser Praxis zugrunde liegenden Rechtsauffassung); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 344.

C. Gegensätzliche Entwicklungen

51

und Gläubiger) hinreichend zu schützen, hat die Kodifizierung nicht erreicht.111 Ungeachtet dessen bringt die Gestaltungsalternative des Konzerns gegenüber der Organisationsform des Einzelunternehmens nach wie vor die bereits herausgestellten Organisationsvorteile, die zur Gründung von Konzernen ursprünglich und auch heute noch beitragen. Die Verschärfung der Publizitätserfordernisse im Rahmen der diskutierten Reformen trug teilweise sogar zu einer Milderung der Marktvorbehalte gegenüber dieser Organisationsform bei. Das EG-Recht schließlich hat in der institutionellen Entwicklung von Konzernen und Unternehmen ungeachtet von einigen Impulsen im Kapital- und Kapitalmarktrecht eine untergeordnete Rolle gespielt. Es gibt eine Reihe einzelner europarechtlicher Regelungen, insbesondere in Bezug auf Bilanzierung, Übernahmen und Verschmelzungen. 112 Bislang scheiterten dagegen die Versuche einer umfassenden europaweiten Rechtsangleichung im Kapitalgesellschafts-, Konzern- und Übernahmerecht (z.B. Forum Europaeum). Vereinzelte Vorstöße wie beispielsweise im März 2003 der Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und zur Stärkung der Corporate Governance hatten nur geringe Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Regulierung in den Mitgliedstaaten. 113 Mit einer europaweit einheitlichen Regulierung des Konzernrechts kann vorerst nicht mehr gerechnet werden. 114 Dieser Befund ist unabhängig von der Einführung der europäischen Aktiengesellschaft (SE – Societas Europaea) als supranationale europäische Rechtsform für Großunternehmen, die Ende 2004 geschaffen wurde. Der Großteil der Strukturbestimmungen bleibt auch für diese Unternehmensform den Mitgliedstaaten vorbehalten. 115 Durch den Verweis auf nationales Recht wird eine Europäisierung der für Konzerne maßgeblichen Organisationsregeln ausgeschlossen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob sich die SE als Rechtsform anfängt durchzusetzen, nachdem der Allianz-Konzern im Herbst 2005 Pläne bekannt gab, als SE umzufirmieren.116 Dies bleibt abzuwarten. Der Druck zu einer Rechtsver-

111

Statt vieler: Kirchner, in: Baums/Buxbaum, Corporations, Capital Markets and Business Law, 339; Kirchner, in: Schreyögg/Sydow, Managementforschung 7, 271 (284 ff.). 112 Kurze Übersicht: Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §7 II Rn 13 ff. 113 Übersicht über die europäischen Einflüsse auf das AktG: Habersack, ZIP 2006, 445 (446 ff.). 114 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 18 f.; Wiesner, BB 2003, 213 (216 f.). 115 Dazu Übersicht von: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 19 f.; Hirte, NJW 2003, 1090 (1092); ifo, Wandel der Unternehmensstrategien und -strukturen, 64 f.; Kallmeyer, ZIP 2003, 1531; Teichmann, ZGR 2003, 367. 116 Vgl. nicht repräsentative Umfrage: Handelsblatt, 26.09.05, 36.

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Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

einheitlichung könnte aber durch die faktische Aufgabe der Sitztheorie für Zuzugsfälle durch die noch zu diskutierende 117 Rechtsprechung des EuGH eingeleitet worden sein, in dessen Folge ein gewisser Wettbewerb der gesellschaftsrechtlichen Statuten innerhalb Europas begonnen hat. 118 Auch dies bleibt abzuwarten. Die beschriebene institutionelle Entwicklung für Konzerne in Deutschland während des letzten Jahrhunderts hat gezeigt, dass sich die wichtigsten Merkmale der heutigen Regulierung bereits lange vor dem Zweiten Weltkrieg entwickelten. Beispielsweise beurteilte der RFH 1927 das Vorliegen einer Organschaft danach, ob die Tochterunternehmen „finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das andere geschäftliche Unternehmen – nach Art einer bloßen Geschäftsabteilung – eingegliedert“ ist.119 Eine finanzielle und organisatorische Beherrschung sei nicht notwendig, soweit die wirtschaftliche Abhängigkeit darauf beruht, dass die eine Kapitalgesellschaft faktisch ein Bestandteil der anderen ist. 120 Fast identische Merkmale werden noch über 70 Jahre später als Voraussetzung einer analogen Anwendung der Regeln zum AG-Vertragskonzern herangezogen. 121 Ein zweites Beispiel sind die Kooperationsverträge zwischen Kapitalgesellschaften, die als Mittel der Konzernierung seit den 1880er Jahren in der Wirtschaftspraxis auftauchen. Der Gesetzgeber behandelt die Kooperationsformen der Betriebsüberlassungs- und Betriebspachtverträge seit 1965 für Aktiengesellschaften anders als die Formen der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. 122 Im AktG 1937 waren in § 256 AktG Betriebsüberlassungs-, Betriebspacht- und Gewinnabführungsverträge einheitlich geregelt, der Beherrschungsvertrag aber nicht kodifiziert. 123 An der Existenz aller vier Konzernierungsformen und damit an der Notwendigkeit der Lösung der in ihrem Zusammenhang auftretenden Konflikte, die teilweise seit 1881 aktenkundig sind, hat sich seit Beginn der Konzernbildung in Deutschland nichts geändert. In den frühen 1920er Jahren findet schließlich die heute in § 18 AktG kodifizierte Unterscheidung zwischen Gleich- und Unterordnungskonzern ihren Ursprung. 124 Die Bildung von Gleichordnungskonzernen wurde

117

Vgl. unten: Teil 6 A., Seite 310. H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1852 f.). 119 RFHE 22, 183 (187). 120 RFHE 34, 320 (324). 121 Vgl.: Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 54. 122 Zur Kritik daran: Emmerich, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 3 (24). 123 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor§291 Rn 4. 124 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 12. 118

C. Gegensätzliche Entwicklungen

53

allerdings trotz ihrer zunächst großen Verbreitung durch die hohen Kosten aufgrund steuerlicher Nachteile und Unsicherheiten in der Regulierung von Interessengemeinschaften bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gebremst. 125 Heute wird die Verbreitung von Gleichordnungskonzernen, wie sie im AktG seit 1965 beschrieben sind, unterschiedlich beurteilt.126 Es ist festzustellen, dass die zentralen, in Konzernen auftretenden Interessenkonflikte schon seit langem erkannt und frühzeitig Regelungen vorgeschlagen wurden, „die dem heutigen Konzernrecht nahe kommen.“ 127 Regulierung in Deutschland tendierte während der letzten 100 Jahre einmal zu der einen, ein andermal zu der anderen Lösungsalternative, ohne dass sich die insgesamt diskutierten Alternativen für die Allokation von Handlungs- und Verfügungsrechten grundlegend änderten. Insgesamt ist für Konzerne in Deutschland deshalb von einem mehr oder weniger gefestigten Regelungsregime auszugehen.

III. Zwischenergebnis Die Entwicklung des Konzernrechts scheint in Australien und in Deutschland unterschiedlich erfolgt zu sein. In Deutschland wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts im wissenschaftlichen Diskurs Konzernrecht als eine eigenständige Teildisziplin des Unternehmensrechts behandelt.128 Deutschland hatte insofern lange weltweit eine Vorreiterrolle inne. 129 Im angloaustralischen Rechts- und Wirtschaftssystem werden dagegen Konzerne (Corporate Groups) teilweise bis heute nicht als ein eigenständiger Teilbereich des Gesellschaftsrechts betrachtet. 130 Im Jahre 2000 wurden erstmals überhaupt für Australien Corporate-Governance-Regeln in Konzernen zusammenhängend untersucht. 131

125

Spindler, Recht und Konzern, 37 f., 67 ff. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 58; Gäbelein, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 50 (51); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 37; MüKoAktG/ Altmeppen, Einl§291 Rn 15, 19. 127 Spindler, Recht und Konzern, 87 (Feststellung für Beschränkung der Mehrheitsmacht). 128 z.B.: Friedländer, Konzernrecht. 129 Durey, ZSR 99 II (1980) 273 (292). 130 Dine, Governance of Corporate Groups,43 f. 131 CASAC, Corporate Groups. Die beiden anderen wichtigen Abhandlungen aus den 90er Jahren behandeln nur Teilaspekte: Gillooly, Corporate Groups; Yeung, LMCLQ 1997, 208. 126

54

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

Allerdings gibt es Konzerne als Handlungsalternative sowohl in Deutschland als auch in Australien seit Ende des 18. Jahrhunderts. Damit verbunden war für beide Staaten die Notwendigkeit, ein konzernrechtliches Schutzrecht zu entwickeln. 132 In Australien und auch in Deutschland erfolgte dies weitgehend durch die Rechtsprechung. In beiden Staaten wird ein Großteil der konzernrechtlichen Probleme durch Rückgriff auf allgemeines Gesellschaftsrecht, das am Leitbild der unabhängigen Kapitalgesellschaft ausgerichtet ist, gelöst.133 Insofern ist die Rechtsentwicklung in beiden Staaten durchaus vergleichbar. Dennoch sind einige strukturelle Unterschiede zwischen Australien und Deutschland zu berücksichtigen. In Deutschland kennt die Rechtsprechung seit rund 100 Jahren den Beherrschungs-, den Gewinnabführungs-, den Betriebsüberlassungs- und den Betriebspachtvertrag als Möglichkeit der Konzernorganisation, die in anderen Staaten nicht verbreitet sind. Auch entwickelten sich einige Unterschiede zwischen den Institutionen in Australien und in Deutschland durch die lange wirtschaftliche Abhängigkeit Australiens von Großbritannien und aufgrund der Unsicherheiten in Bezug auf die weitere Entwicklung bei der Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen innerhalb Australiens. Weitere Unterschiede können aus dem im Vergleich zu Deutschland relativ kleinen nationalen Markt und der zu überwindenden Entfernungen zu anderen Staaten resultieren.134

D. Neuere Entwicklungen Die neueste Entwicklung in Australien und in Deutschland gleicht der Entwicklung in anderen hoch entwickelten Industriestaaten. Vor allem eine Verrechtlichung der Wirtschaftsabläufe ist festzustellen. Insgesamt wurde das Kapitalgesellschaftsrecht in Australien seit der Übereinkunft in Alice Springs 1990 mehrfach fast vollständig umgeschrieben.135 Allein zwischen 1991 und 1995 wurden neben einer Reihe kleiner oder indirekter Änderungen des Unternehmensrechts drei große Reformwerke erlassen. Sie betrafen das Insolvenzund Liquidationsrecht, die Pflichten der Geschäftsführung, die Publizitätspflichten und die Kapitalsicherungsregeln (hier Related Party Transactions).136 Um der zunehmenden Komplexität des Rechts zu begegnen, wurde danach der

132

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §31.I.1-2, 934-935. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 17. 134 Dazu: Venturini, in: Arndt, Die Konzentration in der Wirtschaft, 3 (6). 135 Hall, AJCL 6 (1996) 96 (96). 136 Übersicht: Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [2.291]. 133

D. Neuere Entwicklungen

55

First Corporate Law Simplification Act 1995 verabschiedet. Vor allem große Teile des Common Law wurden kodifiziert und die Fungibilität von Anteilen an Proprietary Companies gestärkt. 137 Der nächste Reformschub kam 1998 mit drei weiteren Reformgesetzen im Unternehmens- und Kapitalmarktrecht. Erneut sollte damit zur Deregulierung und zur Reduzierung von Verwaltungsaufwand beigetragen werden. 138 Hervorzuheben sind die Vereinfachung der Gründungsvorschriften, die Abschaffung der aus Großbritannien tradierten Unterscheidung zwischen Memorandum of Association und Articles of Association, die Vereinfachung von Kapitalherabsetzungen und die Festlegung, dass Aktien kein genauer Anteil am Grundkapital mehr zugewiesen wird (Aufhebung von Nominalbetrag und Pariwert).139 Gleichzeitig wurden die Rechte der Aufsichtsbehörde (ASIC) erheblich gestärkt. 140 Die für sich genommen größte Reform seit 1991 ist der Corporate Law Economic Reform Programme Act 1999 (CLERP). Er betraf alle Ebenen des Unternehmens- und Kapitalmarktrechts.141 Ziel des Gesetzgebers war es, “to introduce world's best practice in business regulation” und den Handel mit Ozeanien (Asia Pazifik Region) zu erleichtern. 142 Ein weiteres Reformvorhaben (CLERP 7) wurde im Frühjahr 2003 verabschiedet, gefolgt von (CLERP 9), das Mitte 2004 in Kraft trat. Während durch ersteres Verwaltungs- und Bürokratiekosten abgebaut werden sollten, wurden in letzteren Publikationspflichten und die Vergütungsregeln für Organwalter verschärft sowie die Einflussmacht der Anteilseigner gestärkt. Eine ständige Regierungskommission (CAMAC – vgl. s 147 ASIC Act) hat seit Mitte 2005 neue Vorschläge zu Pflichten von Officern und anderen Akteuren unterhalb des Board of Directors veröffentlicht. Abschließende Empfehlungen zu diesen Vorschlägen in der Form eines Final Reports sind im Laufe des Jahres 2006 zu erwarten.143 Diese und andere Vorschläge sind aber bislang noch nicht in ein Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten.

137

Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 70; Tomasic/Bottomley/ McQueen, Corporations Law in Australia, 71. 138 Ramsay/Waldron, The new Corporations Law, [110, 125]. 139 Ramsay/Waldron, The new Corporations Law, [130 f., 233 ff., 603, 645]. 140 Middleton, ASIC, [1.100-1.140]; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 72. 141 Baxt/Renard/Simkiss/Webster/Ramsay, CLERP Explained, [1-200]; Callinan, The Corporate Law Economic Reform Programm. 142 Callinan, The Corporate Law Economic Reform Programm. 143 http://www.camac.gov.au/CAMAC/camac.nsf.

56

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

In Deutschland zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung bereits längere Zeit ab. Seit der Aktiengesetznovelle von 1965 gab es eine Vielzahl kleiner Reformen, die in ihrer Gesamtheit eine Neuausrichtung des Aktienrechts zu einer verstärkten Kapitalmarktorientierung des Unternehmensrechts darstellen. 144 Die letzten wichtigen Reformen sind das Ende 2002 in Kraft getretene Transparenz- und Publizitätsgesetz, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) und das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) aus der zweiten Hälfte 2005. Eine weiterhin hohe Zahl von Gesetzesänderungen ist wahrscheinlich. 145 Dabei wird als Begründung für die Notwendigkeit der Reformen immer wieder eine angeblich nicht abreißende Reihe von Unternehmensskandalen angeführt. 146 Auch das Ziel, belastbare Durchsetzungsmechanismen des Rechts für außenstehende Anteilseigner zu schaffen, welches bei Einführung des KapMuG und des UMAG maßgeblich waren, ist im Laufe der Entwicklung des Gesellschaftsrechts immer wieder zur Begründung von Gesetzesvorhaben herangezogen worden. Im Gegensatz dazu ist das deutsche GmbH-Gesetz seit 1892 fast unverändert geblieben. Ein wesentlicher Grund dafür ist die bewusst geschaffene hohe Flexibilität des GmbH-Gesetzes und seine Anpassungsfähigkeit an allgemeine Entwicklungen. 147 Grundlegende Reformvorschläge im Anschluss an die Aktienrechtsnovellen 1937 und 1965 scheiterten. Eine mögliche Neuorientierung durch den vorliegenden Referentenentwurf einer GmbH-Reform (MoMiG) bleibt abzuwarten. Es kam allerdings zu richterlichen Rechtsfortbildungen, die ihrerseits die dogmatische Begründung des Rechts der GmbH grundlegend neu ordnete. Wie Deutschland für das GmbH-Recht beschränken auch viele Staaten mit angelsächsischer Rechtstradition die Gesetzgebung im Gesellschaftsrecht allgemein und überlassen die Regulierung den Gerichten.148 Eine im Gegensatz dazu stärkere Intervention des Gesetzgebers in Australien, die kontinentaleuropäischer Rechtstradition im Aktienrecht ähnelt, geht auf die bereits erwähnten ursprünglichen Probleme bei der Rechtsdurchsetzung zurück.149 Die jüngsten Entwicklungen im Unternehmensrecht in Australien und in Deutschland verlaufen also parallel: Ende des 20. Jahrhunderts setzte eine Reformflut ein, die vor allem große, am Kapital- und Wertpapiermarkt zu

144

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.2, 764-765. Vgl. zur Diskussion um die zunehmende Verrechtlichung des Gesellschaftsrechts: Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167. 146 Spindler, NZG 2005, 865 (865). 147 Scholz-GmbHG/H.P. Westermann, Einleitung Rn 42. 148 Clarke, AJCL12 (2000) 85 (92). 149 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 16. 145

E. Stand der Konzernierung

57

handelnde Kapitalgesellschaften betraf. Auch die aktuelle Kritik in Australien und in Deutschland am Unternehmensrecht ist ähnlich: Es sei in sich unausgegoren und basiere auf einer Flut von Vorschriften und Rechtsprechungsmaterial, die sich nicht (mehr) systematisieren lasse. 150 Selbst das GmbHG wird vereinzelt als überreguliert und als zu kompliziert bewertet.151 Andererseits kann durch die Verrechtlichung der Wirtschafsabläufe auch die Komplexität der Lebenssachverhalte reduziert und damit der Weg zu neuen Entscheidungsalternativen für die Akteure ggf. erst eröffnet werden.152 Die Stichhaltigkeit der pauschalen Kritik kann folglich nur im Einzelfall anhand der betreffenden Norm entschieden werden.

E. Stand der Konzernierung Aus den geschilderten Entwicklungen haben sich in Australien und in Deutschland die für die Wirtschaftspraxis wichtigen relationalen Beziehungen für Konzerne gebildet. Diese Kooperationsform ist in Australien und in Deutschland prägend. Auch haben Konzerne überwiegend einen positiven Einfluss auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. 153 Heute firmiert die Mehrheit australischer Kapitalgesellschaften als Proprietary Company. Im Jahr 1998 gab es laut einer empirischen Studie 7.507 Public Companies und 1.078.244 Proprietary Companies. 154 Im Vergleich dazu gab es Ende 2001 in Deutschland ungefähr 850.000 Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH.155 Heute wird ihre Zahl – je nach Quelle – von ugf. 900.000 oder von über 1 Mio. geschätzt. Die höhere Zahl an Proprietary Companies als Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH in Deutschland lässt sich damit erklären, dass es in Australien kaum Personenhandelsgesellschaften oder Einzelhandelskaufleute

150 Kritik in Deutschland: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §3.III.1, 52. Kritik in Australien: Callinan, The Corporate Law Economic Reform Programm; Goddard, CSLJ 16 (1998) 236 (249, 254); Kirby, AJCL 5 (1995) 176 (180); Tomasic/Bottomley/ McQueen, Corporations Law in Australia, 78. Verteidigt die weltweite Verrechtlichung der Wirtschaft: Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (171). 151 Bayer, FAZ 07.01.2004, 19. 152 Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (190); Voigt, Institutionenökonomik, 32 f. 153 Gäbelein, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 50 (51); Gillooly, Outside Shareholders, in Gillooly, Corporate Groups, 159 (159); Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (376). 154 Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 2. 155 Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, §34 Rn 3.

58

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

gibt. In Deutschland wurden 1999 dagegen fast 50 Prozent des Gesamtumsatzes von Personengesellschaften und Einzelunternehmern erwirtschaftet. 156 Seit der noch zu erörternden Rechtsprechung des EuGH in Inspire Art nimmt die Anzahl ausländischer Kapitalgesellschaften in Deutschland aufgrund des dort niedrigeren Mindestkapitalanteils rapide zu.157 Auch dies ist ein Anzeichen dafür, dass viele bisherige Personengesellschaften oder Einzelhandelskaufleute diese „neue“ Rechtsform wählen, weshalb der rein numerische Vergleich der Anzahlen von Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH mit denen der Limited Company in Australien unzulässig ist. Auch in Deutschland ist die Aktiengesellschaft gegenüber der GmbH relativ wenig vertreten. 158 Eine weitere Ähnlichkeit besteht darin, dass die absolute Mehrzahl der in Konzerne eingegliederten Tochterunternehmen als GmbH bzw. Proprietary Company firmiert. 159 Darüber hinaus gibt es nur wenige und relativ alte empirische Untersuchungen sowohl in Australien als auch in Deutschland über die Zusammensetzung von Konzernen. 160 Auch aufgrund der unterschiedlichen Untersuchungsgegenstände der vorhandenen empirischen Studien ist ein tatsächlicher Vergleich der Wirtschaftsstruktur schwierig. Festgestellt werden kann, dass Konzerne in Deutschland seit Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Eigenschaft als prägendes Strukturmerkmal der Kapitalgesellschaften erhalten und ausgebaut haben. Immer wieder wurde die Konzernierung als besonders charakteristisches Merkmal der Wirtschaftsentwicklung bezeichnet. 161 Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in Deutschland der Großteil der Aktiengesellschaften von einem Mehrheitsgesellschafter dominiert. 162 Die nationale und internationale Verflechtung hat vor allem seit den 1980er Jahren exponentiell zugenommen. 163 Heute sind nach Schätzungen 75 Prozent aller Aktiengesellschaften mit 90 Prozent des Kapitals in Konzerne eingebunden. 164 Einer anderen Schätzung zufolge seien rund 90 Prozent aller deutscher Aktiengesellschaften und der größte Teil der Personengesellschaften – womit wahrscheinlich personalistisch

156

ifo, Wandel der Unternehmensstrategien und -strukturen, 51. H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1850 f.). 158 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §26.II.1.b) 759, §33.III.1, 991. 159 Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 3. 160 Übersicht über die Empirie bis 2001: Mellewigt/Matiaske, in: Albach, Konzernmanagement, 107 (115 ff.). 161 Z.B. 1927 bei: Friedländer, Konzernrecht, 9. 162 RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 373. 163 Enders, ZHR 163 (1999) 441 (442, 444). 164 MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 19; Mellewigt/Matiaske, in: Albach, Konzernmanagement, 107 (109). 157

E. Stand der Konzernierung

59

strukturierte Kapitalgesellschaften gemeint sind – als „verbundene Unternehmen im weitesten Sinne“ einzuordnen. 165 In 372 untersuchten deutschen Aktiengesellschaften hielt im Jahre 2000 der größte Aktionär durchschnittlich 57 Prozent der Anteile. In den größten zehn Kapitalgesellschaften hielten 1999 die drei bedeutendsten Anteilseigner zusammen aber nur 42 Prozent.166 Im Rückschluss scheint mit zunehmender Größe der Kapitalgesellschaft der Anteilsbesitz stärker verteilt. In Australien wurden Konzerne nur einmal 1997 grundlegend empirisch untersucht. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass 89 Prozent der 500 größten australischen Kapitalgesellschaften eine Konzernstrukur aufweisen. Rund 90 Prozent aller Tochterunternehmen australischer Konzernobergesellschaften stehen in ihrem Alleineigentum.167 Australische Konzerne haben im Durchschnitt 28 Tochterunternehmen, wobei die Anzahl bei hoher Marktkapitalisierung ansteigt. In England lag 1981 die durchschnittliche Anzahl von Tochterunternehmen der größten 50 Kapitalgesellschaften bei 230. Ob damit auf einen tatsächlichen Unterschied zu Australien geschlossen werden kann, ist zweifelhaft. Besonders große englische Kapitalgesellschaften hatten 800 oder 1200 Tochterunternehmen. Aufgrund der geringen Population in der englischen Studie kann es zu Verschiebungen des Durchschnittwertes gekommen sein. Aussagekräftiger sind ältere Zahlen aus den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen 1982 die größten 1000 Kapitalgesellschaften durchschnittlich 48 Tochterunternehmen besaßen168 – bereits damals deutlich mehr als 15 Jahre später in Australien ermittelt wurde. Insgesamt kann auf Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse eine ähnliche Wirtschaftsstruktur in Australien und in Deutschland nur vermutet werden. Beide Staaten sind wichtige Welthandelsnationen. Strukturelle Unterschiede ergeben sich aus Australiens hohem Anteil ausländisch investierten Kapitals von fast einem Drittel des Kapitalmarktes (1997). Damit ist das Land in besonderer Weise abhängig von internationalen Kapitalgebern. 169 In Deutschland liegen nur etwa 20 Prozent des investierten Aktienkapitals in ausländischer Hand (2004).170 Bei verbrieften Schuldverschreibungen ist der Auslandsanteil

165

Theisen, Konzern, 21 (siehe auch: 63). ifo, Wandel der Unternehmensstrategien und -strukturen, 56. 167 Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 3, 22. 168 Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (14). 169 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (227). 170 Deutsche Bundesbank, Wertpapierdepots, 2005, 7, 32. 166

60

Teil 2 : Vergleichende Historische Analyse

allerdings fast das Doppelte. Weiterhin leben in Australien 20,6 Millionen Menschen (2006). Dies ist etwa ein Dreißigstel der Bevölkerung Europas. Die Größe des australischen Kontinents ist nur rund ein Viertel kleiner als die Europas (Europa 10,5 Mio. km² und Australien 7,7 Mio. km²). Die Bevölkerungsdichte in Deutschland liegt mit 233 Einwohnern pro km² fast hundertmal so hoch wie in Australien (unter 3 Einwohner pro km²). 171 Auch bevölkerungsreiche und wirtschaftlich potente Nachbarstaaten liegen geographisch weit von Australien entfernt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit Australiens vom globalen Handel ist also besonders ausgeprägt. Schließlich hat in Australien im Gegensatz zu Deutschland weiterhin der primäre Wirtschaftssektor eine große Bedeutung. Das Land ist der weltgrößte Rohstofflieferant landwirtschaftlicher und mineralischer Güter. Ihr Anteil an den Exporterlösen beträgt fast 50 Prozent. Allerdings machen mittlerweile auch in Australien der sekundäre und tertiäre Wirtschaftssektor über 90 Prozent des BIP aus.

F. Ergebnis Im Folgenden sollen die Wirkungsweisen von Regulierung in Australien und in Deutschland untersucht werden. Dafür ist ein Verständnis der spezifischen Entwicklung des jeweiligen institutionellen Umfelds wichtig. 172 Gerade die Unterschiede sind entscheidend, um von gegensätzliche Entwicklungen erklären zu können.173 Ausgangspunkt der Untersuchung der zur Verfügung stehenden Einflussnahmemöglichkeiten der Akteure in der Konzernobergesellschaft auf die Tochterunternehmen bleibt die Feststellung, dass insgesamt die Institutionen in Australien und in Deutschland von ähnlichen Faktoren geprägt wurden. 174 Regulierung überlässt den Marktakteuren weitgehende Gestaltungsfreiheit. Institutionen setzten frühzeitig Anreize für den Ausbau von Konzernstrukturen. Die diesen zugrunde liegende Regulierung hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts nur in Einzelbereichen, wie der zunehmenden Kapitalmarktorientierung, grundlegend geändert.

171

Fischer Weltalmanach, Australien. North, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, 112. 173 Klein, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics, Bd. 1, 456 (462). 174 Gegenüberstellung der wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der angelsächsischen und deutschen Unternehmensinstitution: Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (172 ff.). 172

F. Ergebnis

61

Ein wichtiger Grund für die Parallelität der institutionellen Entwicklung liegt in der bewusst forcierten Rechtsvereinheitlichung. So wurde beispielsweise in den 1920er Jahren im Rahmen eines Globalisierungsschubs in das deutsche Aktienrecht nach angelsächsischem und angloamerikanischem Vorbild die Möglichkeit eingefügt, Wandelschuldanleihen (Convertible Bonds) und Vorzugsaktien (Preference Share) zu vergeben, um ausländisches Kapital anzuziehen.175 Australien hat stets britische Reformen im Unternehmensrecht übernommen. Ein weiterer Grund der Ähnlichkeit der institutionellen Entwicklung liegt in der Parallelität der sozialen und allgemeinpolitischen Entwicklung in den westlichen Industrienationen.176 Recht und Wirtschaft haben aufgrund gleicher Problemstellungen ähnliche Lösungswege beschritten. Unterschiede in der Entwicklung lassen sich vor allem mit der zunächst langsamen Industrialisierung Australiens erklären.

175 176

Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (165). Dazu Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (213).

Teil 3

Informationsabfrage und -weitergabe Unter Berücksichtigung der spezifischen Entwicklung des institutionellen Umfelds in beiden Staaten wird untersucht, welche Handlungsanreize für die Ausgestaltung der Corporate Governance durch die Regulierung gesetzt werden. Für die Ausgestaltung der Interaktion müssen zunächst Kommunikationsregeln festgelegt werden. Ein reziproker Informationsfluss zwischen den Akteuren in der Konzernobergesellschaft und denen in Tochterunternehmen ist für Form von Konzernorganisation charakteristisch. Dabei treffen verschiedene Aspekte der Corporate Governance aufeinander. Sowohl die Leitung der Organisation als auch die Kontrolle der Organisationsleitung setzt Informationen voraus. Informationsaustausch kann für die Bewertung der eigenen Marktstellung und Rentabilität von Bedeutung sein, ihm kann eine Kontrollfunktion zukommen und er kann Kooperation ermöglichen oder fördern. Dafür sind das Interesse bzw. die Vorbehalte der Akteure in der Konzernobergesellschaft und in den Tochterunternehmen an einem Informationsaustausch zu bestimmen. Daneben soll untersucht werden, welche Bedeutung ein Informationsfluss zwischen Akteuren aus unterschiedlichen in die Organisation eingebundenen Kapitalgesellschaften für die Organisation als Ganzes und für die einzelnen Kapitalgesellschaften hat. Die Qualität der reziprok ausgetauschten Information ist für die Bewertung der Leitung des Konzerns als auch für die der Kontrolle der Konzernleitung ausschlaggebend. Nutzen und Kosten der möglichen und der nötigen Informationsabfrage und -weitergabe zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns sind gegenüberzustellen. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen sollen die Auswirkungen der relevanten Regelungen auf die Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance in Australien und in Deutschland untersucht werden. Dafür wird zunächst aus Sicht der Konzernobergesellschaft und ihrer Geschäftsführungsund Aufsichtsorgane geklärt, unter welchen Bedingungen es auf der Grundlage der bestehenden Regulierung für deren Akteure angebracht ist, sich aktiv über Vorgänge in den Tochterunternehmen zu informieren (A.). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind anschließend aus Sicht der Tochterunternehmen unter dem Gesichtspunkt zu messen, ob deren Akteure an einem aktiven Informationsaustausch partizipieren dürfen, sollen oder dies sogar müssen (B.). Zu tren-

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

63

nen ist dabei zwischen dem Informationsaustausch über unternehmerische Maßnahmen allgemein und der Weitergabe von erarbeitetem Wissen in Form von Innovationen (Wissenstransfer). 1 Letztere stellt eine aktive Kooperation im Konzern dar und wird als solche in Teil 4 behandelt.

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe Für die Organwalter in den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft können sich Handlungspflichten und -obliegenheiten in Bezug auf die Tochterunternehmen unmittelbar aus ihren relationalen Beziehungen zu den Anteilseignern der Konzernobergesellschaft und mittelbar aufgrund der Beziehung der Konzernobergesellschaft zu den Tochterunternehmen ergeben. Regulierung konkretisiert erstere durch Geschäftsführungs-, -leitungsund Kontrollpflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, letztere durch Zuweisung von Haftungsrisiken an die Konzernobergesellschaft für unzureichende Überwachung der Tochterunternehmen. Schließlich können sich an die Informationsweiterleitung Rechte und Pflichten für die Konzernobergesellschaft oder unmittelbar für ihre Akteure knüpfen, die Handlungsanreize setzen, die Weitergabe bestimmter Informationen zu unterbinden. Derartige Regelungen sind von besonderer Bedeutung für den Fall des An- oder Verkaufs von Anteilen an Tochterunternehmen.

I. Ausdrückliche Informationsbeschaffungspflichten Sowohl in Australien als auch in Deutschland haben die Organe der Konzernobergesellschaft die Verpflichtung einen Konzernabschluss aufzustellen, s 295 II (b) Corporations Act in Verbindung mit AASB 1024 bzw. §§ 290 I, II, 294 I HGB. Um dies zu ermöglichen, sind sie verpflichtet, bestimmte Informationen von den Tochterunternehmen abzufragen. 2 Dies sind vor allem Informationen über bereits eingegangene Verbindlichkeiten und erzielte Gewinne. Sie müssen lediglich im Rahmen der Berichtspflicht der Konzern-

1

Zur Unterscheidung von Informationen und Wissen: Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 120 f. 2 Zu den Grenzen der Aussagekräftigkeit solcher Informationen: Kirchner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 3 (1984) 223 (238 f.).

64

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

obergesellschaft zu festgelegten Zeitpunkten eingeholt werden, in der Regel einmal im Jahr. 3 Weiter gehende Pflichten zur Beschaffung von Informationen über die Tochterunternehmen können sich ergeben, soweit die Geschäftsführungsund/oder Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft verpflichtet sind, die Liquidität der Tochterunternehmen zu überwachen. Dies geschieht in Australien auf Grundlage der ss 588V bis 588Y Corporations Act. Danach können Insolvenzverwalter und die Gläubiger einer Subsidiary bei der Holding Company den ihnen entstandenen Schaden liquidieren, wenn die Subsidiary trotz Insolvenz weiter am Handel teilnahm und die Holding von der Insolvenz Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Die Ausgleichspflicht der Holding Company entsteht nicht, wenn sie ein zuverlässiges und belastungsfähiges Überwachungssystem (Frühwarnsystem) aufgebaut hatte, dessen Versagen ihr nicht zuzurechnen ist. 4 Holding Company im Sinne des Corporations Act ist jede Kapitalgesellschaft, die ein Tochterunternehmen (Subsidiary) besitzt, s 9 Corporations Act (bei Holding Company). Subsidiaries sind Kapitalgesellschaften, deren Hauptversammlungsbeschlüsse oder deren Zusammensetzung des Boards von einer anderen Kapitalgesellschaft kontrolliert werden oder die im Mehrheitsbesitz einer anderen Kapitalgesellschaft stehen, s 46 Corporations Act. Ähnliche Regelungen gibt es auch in Deutschland. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft muss nach § 91 II AktG geeignete Maßnahmen treffen, um den Fortbestand der Aktiengesellschaft gefährdende Entwicklungen erkennen zu können. Folglich ist auch hier ein Frühwarnsystem einzuführen, dessen Wirksamkeit neben dem Vorstand auch vom Aufsichtsrat sicherzustellen ist.5 Die Eignung und Funktion dieses Überwachungssystems hat bei Börsennotierung auch der Abschlussprüfer zu überprüfen, § 317 IV HGB.6 Darüber hinaus muss der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach § 92 I AktG bei Verlust der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einberufen. Auch dies setzt eine Überwachung der eigenen Solvenz voraus. Soweit ein bedeutender Teil des Grundkapitals in andere Kapitalgesellschaften investiert ist, ergibt sich daraus

3

Zwischenberichte zweimal im Jahr sind beispielsweise nach §44b BörsG erforderlich. 4 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (88); Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (361-362); Rogers, in: Gillooly, Corporate Groups, 123 (127-128). 5 Peltzer, NZG 2002, 10 (14); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 2. 6 Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB §317 Rn 9.

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

65

mittelbar die Pflicht, auch deren Liquidität zu überwachen.7 Eine entsprechende Verpflichtung zur Einrichtung eines Überwachungssystems zwecks Früherkennung von Entwicklungen, die den Fortbestand gefährden, obliegt auch dem Geschäftsführer einer GmbH. 8 Für die Gesellschafter einer GmbH ist die Sicherstellung eines solchen Frühwarnsystems eine bloße Obliegenheit. Die Regelungen in Australien und in Deutschland unterscheiden sich voneinander in systematischer Hinsicht in wichtigen Punkten. In Australien werden der Konzernobergesellschaft die gleichen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Tochterunternehmen und deren Gläubigern aufgegeben, wie sie auch dessen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen obliegen.9 Regulierung in Australien verlagert die Risikozuweisung innerhalb des Tochterunternehmens zu Lasten der Konzernobergesellschaft. Damit steigt das Eigeninteresse der Akteure in der Konzernobergesellschaft, die Liquidität der Tochterunternehmen zu garantieren. Das Risiko wird demjenigen aufgebürdet, der es im Vergleich zu den anderen Akteuren am kostengünstigsten verhindern oder versichern kann bzw. der die geringsten Kosten bei der Entwicklung neuer Sicherungsvorkehrungen hat. 10 Dadurch erhöhen sich allerdings auch die Kosten, die mit der Gründung und Unterhaltung von Tochterunternehmen in Australien verbunden sind. In Deutschland dagegen besteht die Verpflichtung des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft aus §§ 91 II, 92 I AktG ausschließlich im Verhältnis zwischen Organ und Konzernobergesellschaft. Wie in Australien wird auch nach der deutschen Regelung gefordert, dass in Konzernen das Frühwarnsystem konzernweit ausgebaut sein muss. 11 Dabei geht es aber in Deutschland ausschließlich um die Kapitaldeckung der Konzernobergesellschaft, so dass dieses Frühwarnsystem für die Konzernobergesellschaft unbedeutende Vorgänge nicht beachten muss, auch wenn solche für Tochterunternehmen existenzbedrohend sein sollten. Insofern konkretisieren §§ 91, 92 AktG die allgemeinen Pflichten der Organwalter des Geschäftsführungsorgans

7

Singhof, ZGR 2001, 146 (157 f.). Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 189 (entnimmt die Verpflichtung wohl §43 GmbHG); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §35 Rn 33, 51 (bildet eine Analogie zum AktG). 9 CASAC, Corporate Groups, [1.73]; Hill, Canadian Business Law Journal 24 (1995) 321 (337); Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (369-370). 10 Zur Risikozuweisung durch Regulierung: Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 159 f. 11 Enders, ZHR 163 (1999) 441 (451); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 191 (auf §§91 und 76 I AktG abstellend); Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB §317 Rn 10. 8

66

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

gegenüber ihren Prinzipalen. 12 Aufgrund der Haftungsgefahren besteht hier vor allem bei der Eingliederung und bei Unternehmensverträgen nach § 291 AktG eine strenge Überwachungspflicht, vgl. §§ 302 f., 322 AktG. Weiterhin muss das Frühwarnsystem alle Tochterunternehmen umfassen, denen eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für die Konzernobergesellschaft zukommt13, z.B. weil hohe Investitionen in das Tochterunternehmen getätigt wurden, weil für deren Verbindlichkeiten hohe Garantien eingegangen wurden oder weil deren Aktiva als Sicherheiten für bedeutende Gläubiger der Konzernobergesellschaft dienen. Die Verpflichtung, ein konzernweites Frühwarnsystem aufzubauen, entsteht also ausschließlich aus dem Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft an der eigenen Liquidität und der eigenen Rentabilität. Aufgrund dieser Konzeption steigen die Gefahren für sonstige Akteure in Tochterunternehmen. Folglich ist davon auszugehen, dass sie in Deutschland im Vergleich zu Australien höhere Risikoprämien verlangen. Eine mit Australien vergleichbare Verpflichtung zur Kontrolle der Finanzdeckung von Tochterunternehmen, die im Verhältnis zum Tochterunternehmen selbst besteht, wird in Deutschland nur bei einer Fallgruppe gefordert. Firmiert das Tochterunternehmen als GmbH und regieren einzelne Personen so sehr in die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens hinein, dass sie faktisch deren Geschäftsführung übernehmen, so soll eine Insolvenzantragspflicht der Konzernobergesellschaft analog § 64 GmbHG bestehen. 14 Darüber hinaus gibt es nach Vorschlägen der sog. Winter-Gruppe Bestrebungen, im EG-Recht einen einheitlichen Standard einzuführen, der den australischen Regeln ähnlich wäre. Danach soll die Konzernobergesellschaft verpflichtet werden, den Insolvenzantrag für Tochterunternehmen zu stellen. 15 Ob es zu einer Umsetzung der Vorschläge kommt, scheint unwahrscheinlich, bleibt aber abzuwarten. Trotz der Unterschiede im Wortlaut gleichen sich § 64 GmbHG und die Regeln zum Insolvent-Trading in Australien in einem weiteren Aspekt: So soll in Australien die Ersatzpflicht bei Verstoß gegen die Insolvent-Trading-Regeln unabhängig davon bestehen, ob die haftende Person die Aufnahme weiterer Verpflichtungen hätte verhindern können. 16 Damit wird – wie in Deutschland – nunmehr auch in Australien allein auf das Kennen oder Kennenmüssen der Zahlungsun-

12

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 185 (nur für §91 AktG). H. Götz, ZGR 1998, 524 (538 – sieht aber eine generelle Überwachungspflicht unabhängig von §91 II AktG). 14 Hachenburg/Mertens, GmbHG, Anh§13 Rn 77; Stein, Das faktische Organ, 15. 15 Kritische Diskussion: Wiesner, BB 2003, 213 (215). 16 Elliott v ASIC [2004] 10 VR 369 (Warren CJ, Charles JA, O'Bryan AJA). 13

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

67

fähigkeit und deren Nichtanzeige, nicht aber auf das Vertretenmüssen der Fortsetzung des Handels abgestellt. Den Unterschied zwischen der deutschen und der australischen Regelung verdeutlicht s 588V I (d) (ii) Corporations Act. Nach dieser Vorschrift ist Kennen oder Kennenmüssen der Holding abhängig von: “the nature and extent of the [holding] corporation’s control over the [subsidiary] company’s affairs and to any other relevant circumstances“.

Die Konzernobergesellschaft ist nicht insolvenzantragspflichtig, wenn das Tochterunternehmen weitgehend unabhängig von der Konzernobergesellschaft Handel betreibt. Im Unterschied zur Regelung in Deutschland ist in Australien die Überwachungspflicht der Konzernobergesellschaft abhängig von der Ausgestaltung der Intensität der Kooperation zwischen Tochterunternehmen und Konzernobergesellschaft. 17 In Deutschland dagegen hängen die Anforderungen an das Überwachungssystem ausschließlich von dem konkreten Risikopotential für die Konzernobergesellschaft ab. Der Kontrollbedarf über Maßnahmen in Tochterunternehmen wird in Deutschland nicht einmal von der Konzernhierarchie beeinflusst.18 Die Regelungstiefe des australischen Rechts ist weiter gehend als die des deutschen. Es wäre aber falsch daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich dezentrale Konzernstrukturen in Australien schlechter darstellen ließen. Vielmehr besteht auch dort keine Verpflichtung zur Informationsbeschaffung, wenn allenfalls eine lockere Kontrolle im Sinne von s 588V I (d) (ii) Corporations Act ausgeübt wird. Die Auswirkungen von Regulierung auf die Wahl der Kooperationsform wird im Rahmen der Analyse von aktiver Koordination zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns in Teil 3 näher untersucht. 19 Insgesamt dürfen die ausdrücklichen Informationspflichten, die der Konzernobergesellschaft, ihren Organen oder Organwaltern in Bezug auf die Liquiditäts- und Ertragslage in Tochterunternehmen obliegen, nicht überbewertet werden. Aus Organisationsgesichtspunkten ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Für die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Akteuren

17

Vgl.: Farrow Finance Company Ltd (in liq) v Farrow Properties Pty Ltd (in liq) (1997) 26 ACSR 544 (583 – Hansen J; Hier wurde ein Kontrollsystem aufgebaut, in dem die Liquidität des Konzerns und aller Konzernglieder täglich, teilweise sogar noch öfter, überprüft wurde.). 18 Martens, ZHR 159 (1995) 567 (582). 19 Vgl. unten: Teil 4 D.II., Seite 228.

68

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

in der Konzernobergesellschaft und den Tochterunternehmen ist es sowohl in Australien als auch in Deutschland ausreichend, periodische Berichte von den Tochterunternehmen zu akquirieren. Es ist ausreichend, wenn diese Berichte auf eine bloße Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva des Tochterunternehmens sowie auf einen allgemeinen Lagebericht beschränkt bleiben.

II. Generelle Pflichten zur Informationsbeschaffung Über dieses Mindestmaß an Informationsbeschaffungspflichten hinaus ist die Bestimmung, welche Informationen durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft bezogen werden sollten, zweifelhaft. Eine ausdrückliche Regelung gibt es nicht. Welche Form der Informationsabfrage von den Tochterunternehmen erfolgen muss, hängt von der Wirkungsweise ab, die die allgemeinen Pflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane im Konzernzusammenhang zeitigen. Die Auslegung dieser Bestimmungen für die Informationsbeschaffung durch die Konzernobergesellschaft wirft Probleme auf.

1. Organe und Organfunktionen Für eine vergleichende Interpretation der allgemeinen Pflichten von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen müssen die strukturellen Unterschiede in den zu untersuchenden Gesellschaftsformen berücksichtigt werden. Kapitalgesellschaften in Australien werden von den „Managing Officer“ (Officer) und dem „Board of Directors“ (Board) geleitet und kontrolliert. Das Board ist ein Kollegialorgan und im Regelfall auf eine Aufsichts- und (An-)Leitungsfunktion beschränkt, während häufig die Officer die Geschäftsführung übernehmen. Das Board vertritt die Anteilseigner als Treuhänder. Die Mitglieder des Boards heißen „Director“ (Direktoren). Die wichtigsten Officer (Mitglieder der Geschäftsführung), vor allem deren Vorsitzender, der „Managing Director“ (CEO), sind oft auch Direktoren im Board („Executive Director“). Nur der Executive Director hat einen Anstellungsvertrag mit dem Unternehmen aus ihrer Position als Officer. Der Vorsitzende des Boards („Chairman“) ist in Australien überwiegend nicht gleichzeitig Officer („NonExecutive Director“). Insofern unterscheidet sich die typische Kapitalgesellschaft in Australien beispielsweise von der in den USA. 20

20

Egon Zehnder International, Board of Directors Global Study, 12.

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

69

Der wesentliche Unterschied zwischen den australischen und den deutschen Kapitalgesellschaften besteht darin, dass in Australien die Aufgabenaufteilung innerhalb der Kapitalgesellschaft fast vollständig den Parteien überlassen ist. Regelmäßig liegt keine ausdrückliche Aufgabenzuweisung durch die Anteilseigner vor. Dann legt das Board nach pflichtgemäßem Ermessen selbst fest, ob es die Geschäfte führt oder ob es sich auf eine Aufsichtsfunktion beschränkt. In seiner ursprünglichen Konzeption durch den Regulierer sollte es selbst die Geschäftsführung übernehmen.21 In einigen Kapitalgesellschaften, vor allem in kleinen Public Companies und in kleinen Proprietary Companies, übernimmt das Board diese Funktion noch heute. Das Board hat also an sich die Aufgaben der Geschäftsführung und -leitung, delegiert diese aber regelmäßig an untergeordnete Unternehmensebenen, wobei es das Delegationsausmaß selbst bestimmen und jederzeit in die Geschäftsführung wieder eingreifen kann. Es darf nur die Überwachung der Geschäftsführung nicht ebenfalls uneingeschränkt delegieren. Seine Stellung ist oft ähnlich der in den §§ 45 ff. GmbHG den Gesellschaftern einer GmbH zugewiesenen Aufgaben. Allerdings sind die Direktoren Treuhänder und als solche anders als die Anteilseigner der GmbH zumindest zur Kontrolle aufgrund ihrer Organstellung verpflichtet. Dies ist ähnlich der Regelung in § 111 AktG. In Deutschland dagegen ist für das Einzelunternehmen durch Regulierung vorgegeben, welche Organe die Geschäftsführung übernehmen müssen (Geschäftsführer / Vorstand) und welche anderen Organe die Geschäftsführung in welchem Umfang kontrollieren (Aufsichtsrat) oder anleiten (Gesellschafterversammlung) müssen. Die Akteure im Geschäftsführungsorgan dürfen ihre Kernaufgabe Geschäftsführung nicht delegieren und sich nicht auf eine bloße Aufsichtsfunktion zurückziehen. Sie haben die Geschäfte der Kapitalgesellschaft entsprechend den Vorgaben in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag selbst zu leiten und zu führen. Die Akteure im Aufsichtsorgan haben Sorge zu tragen, dass die Geschäftsführung auch tatsächlich ordnungsgemäß erfolgt. Sie können allenfalls Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen. Beispielsweise kann der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft für den Vorstand eine Geschäftsordnung festlegen und damit die Aufgaben- und Kompetenzverteilung durch Regeln der Geschäftsverteilung bestimmen. In der Konzernobergesellschaft können Vorstandsressorts für bestimmte Unternehmenssparten geschaffen und damit die Bedeutung einzelner Tochterunternehmen hervorge-

21

Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (657 – Clarke Sheller JJA); Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (222, 224).

70

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

hoben werden. Die Bestimmung der Art und Weise der Erledigung der Aufgaben verbleibt aber stets beim Vorstand (§ 111 IV 1 AktG). 22 Für die Konzernorganisation in Australien und in Deutschland wird häufig für die Konzernobergesellschaft aus Gründen der Kapitalbeschaffung eine Rechtsform gewählt, die sich als Publikumsgesellschaft eignet (Public Company / Aktiengesellschaft). Für Tochterunternehmen wird dagegen regelmäßig die in der Gestaltung der Binnenstruktur flexiblere Rechtsform der „kleinen Kapitalgesellschaft“ gewählt (Limited Company / GmbH). Sie ist vom Gesetzgeber für personalistisch strukturierte Organisationen ausgelegt und ihre Akteure unterliegen typischerweise geringeren Pubizitätsanforderungen. In Deutschland wird für Tochterunternehmen damit sogleich eine Rechtsform gewählt, in der die Geschäftsführung zwischen den Organen verteilt werden kann. In Australien bedürfte es dagegen auch bei der Limited Company einer formellen und einseitig widerrufbaren Delegation der Aufgaben des Geschäftsführungsorgans an die Anteilseigner oder deren Organe. Allerdings wird in Deutschland häufig ein freiwilliger Aufsichtsrat oder ein ähnliches Gremium auch für Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH gewählt, selbst wenn sie nach dem MitbestG keinen Aufsichtsrat gründen müssen. In der weiteren Entwicklung könnte sich in Deutschland die europäische Aktiengesellschaft (SE) durchsetzen. Nach den Vorgaben des EG-Rechts obliegt es den Gründern einer SE in der Satzung festzulegen, ob die Kapitalgesellschaft monistisch oder dualistisch strukturiert sein soll.23 Langfristig könnte folglich auch in Deutschland die formelle Zweiteilung in Geschäftsführungs- und Aufsichtsgremium zu Ende gehen. Nach der noch zu diskutierenden Entscheidung von Inspire Art24 erscheint es aber unwahrscheinlich, dass für die SE tatsächlich ein Regelungsbedürfnis besteht und dass sich diese Gesellschaftsform durchsetzen wird. Möglicherweise wählen Unternehmen diese Rechtsform aus anderen als regulatorischen Gründen, zum Beispiel um die Internationalität der Organisation zu betonen. Auch erscheint es möglich, dass von der bevorstehenden Umwandlung der deutschen Allianz AG in eine SE eine gewisse Sog- und Vorbildswirkung ausgeht. In diesem Fall ist jedenfalls nicht mit einer flächendeckenden Aufgabe der mitbestimmten Aufsichts-

22

Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (503). Ihrig/Wagner, BB 2004 1749 (1753, 1756). 24 Vgl. unten: Teil 6 A., Seite 310. 23

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

71

gremien zu rechnen, denn die Allianz wird ihrerseits dualistisch strukturiert bleiben.25 Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten.

2. Allgemeine Sorgfaltspflichten In Australien sind die Pflichten für Officer und für Direktoren weitgehend identisch. Als Rechtsquellen für die hier relevanten Pflichten kommen nebeneinander Vorschriften des Common Law und des Corporations Act zur Anwendung. Neben den Pflichten auf Grundlage des Common Law wurden Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung im Law of Equity entwickelt. Beide bilden gemeinsam das General Law. Die Unterscheidung zwischen Common Law und Law of Equity ist für einzelne Rechtsfolgen wichtig. Soweit die Pflichten der Direktoren als Treuhänder der Anteilseigner nur nach Common Law zu beurteilen sind, kann beispielsweise kein Schadensausgleich nach den Grundsätzen des Law of Equity erfolgen.26 Andere Unterschiede zwischen Common Law und dem Law of Equity in Bezug auf die Pflichten von Direktoren betreffen Kausalitätsregeln, verschuldensunabhängige Haftung, Verjährung und Verzicht auf Rechte. 27 Für die in dieser Arbeit diskutierten Fragen ist die Unterscheidung zwischen Common Law und Law of Equity nicht weiterführend. Soweit es im Folgenden auf Rechtssätze des General Law ankommt, fußen diese auf Grundsätzen, die im Common Law entwickelt wurden. Hier wird deshalb auf die Bezeichnung General Law und auf die Darstellung der Spezifika des Law of Equity verzichtet. Nach Common Law sind die Direktoren als Organwalter Treuhänder (Fiduciaries) der Anteilseigner 28, d.h. sie müssen Sorgfaltspflichten bei der Betreuung und Verwaltung der ihnen anvertrauten Vermögenswerte beachten. Die Rechtsstellung und die Aufgaben der Organwalter – und damit vor allem die relationale Beziehung zu den Anteilseignern – können durch die Unternehmensverfassung (Constitution) wie auch durch andere Absprachen konkretisiert

25

Dohmen, Handelsblatt, 31.03.06, 22. ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (166 [372] – Santow J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (657 – Clarke, Sheller JJA), (755-756 – Powel JA); Permanent Building Society (in liq) v Wheeler (1994) 14 ACSR 109 (157-158 – Ipp J); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (88). 27 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (234 [743] – Santow J); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (89). 28 Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (357 – Owen J). 26

72

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

werden.29 Soweit die Anforderungen nicht auf diese Weise präzisiert wurden, geschieht dies nach Common Law. Die Organwalter müssen danach mit der erforderlichen Sorgfalt und in Treue zur jeweiligen Kapitalgesellschaft in gutem Glauben und im besten Interesse der Gesellschaft für einen angemessenen Zweck unter Vermeidung von Interessenkonflikten handeln. 30 Der Sorgfaltsstandard ist der eines ordentlichen Geschäftsmannes mit den Qualifikationen des betreffenden Organwalters. 31 Ausschlaggebend für die konkreten Handlungspflichten der Direktoren in Australien sind die Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich sind die Rechte und Pflichten für alle Direktoren gleich. 32 Der konkret abzuverlangende Grad an Einmischung, Kenntnis und Prüfungspflichten kann aber bei einem Executive Director höher sein als bei einem Non-Executive Director, der nicht gleichzeitig Officer in der Kapitalgesellschaft ist.33 Auch in der Entscheidung Daniels v Anderson, einem wichtigen Präzedenzfall (Precedent) für die Pflichten der Organwalter in Australien, wurde ein Pflichtenverstoß des einzigen Executive Director, nicht aber der Non-Executive Director festgestellt.34 Ein Ende 2004 durchgeführter internationaler Vergleich von Sorgfaltspflichten kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Risiko einer Haftung eines Non-Executive Director und auch von Aufsichtsratsmitgliedern nicht signifikant ist. 35 Dieser Befund ist aber insofern einzuschränken, als in Australien eine klare Tendenz dahin zu verzeichnen ist, die Pflichten für einen Non-Executive Director zunehmend zu verschärfen. Zuletzt entschied das Court of Appeal in Victoria Mitte 2004, dass auch ein Non-Executive Director sich stets über die Finanzlage der Kapitalgesellschaft zu informieren haben. Ihr Kennen-Müssen im Rahmen der

29

Levin v Clark [1962] NSWR 606 (701 – Jacobs J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (667 – Clarke Sheller JJA). 30 Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (357-359 – Owen J); Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (560); Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (167); Redmond, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 185 (189); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (214). 31 Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (565-566, 582); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (85). 32 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (218); Farrar, AJCL 8 (1998) 237 (239). 33 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (235). 34 Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (676, 683 – Clarke Sheller JJA). 35 Zetzschke, Der Konzern 2004, 765 (765).

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

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Insolvent-Trading-Regeln sei unabhängig von der konkreten Binnenstruktur des Unternehmens zu sehen. 36 Neben dem Common Law konkretisiert auch der Corporations Act die Pflichtenstellung. Eine gesetzliche Definition der Pflichten von Direktoren gibt es in Australien seit 1958. Damals war der State Victoria der erste Teil des Britischen Commonwealth überhaupt, der diese Pflichten kodifizierte. Noch heute fehlt eine solche Kodifikation in Großbritannien.37 Ihre heutige Prägung erlangten die relevanten Vorschriften durch die Reformen 1998.38 Für die hier diskutierten Anforderungen an ein konzernweites Informationssystem entscheidend sind die Sorgfaltspflichten von s 180 I Corporations Act: “A director or other officer of a corporation must exercise their powers and discharge their duties with the degree of care and diligence that a reasonable person would exercise if they: (a) were a director or officer of a corporation in the corporation’s circumstances; and (b) occupied the office held by, and had the same responsibilities within the corporation as, the director or officer. “

Danach müssen Direktoren und Officer die verkehrsübliche Sorgfalt (Care and Diligence) eines ordentlichen Geschäftsmannes beachten. Die Beurteilung erfolgt weitgehend nach objektiven Kriterien. Der Gesetzgeber hatte bewusst verzichtet, die konkreten Qualifikationen des individuellen Organwalters als Bewertungskriterien im Corporations Act zu verankern. 39 Dennoch müssen die konkreten Umstände der Besetzungsentscheidung und inzident auch die Qualifikationen des Organwalters, wenn sie für dessen Ernennung ausschlaggebend waren, berücksichtigt werden. 40 Es können sich im Einzelfall also erhöhte Sorgfaltsanforderungen aufgrund besonderer Umstände ergeben. 41 Inhaltlich decken sich die Sorgfaltsanforderungen nach dem Corporations Act mit denen nach

36

Elliott v ASIC [2004] 10 VR 369 (Warren CJ, Charles JA, O'Bryan AJA). Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (660 – Clarke Sheller JJA); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (81). 38 Vgl. oben: Teil 2 D., Seite 54. 39 De Mott, C&S LJ 16 (1998) 575 (575); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (82). 40 Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (571, 582). 41 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (167 [372] – Santow J); Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (565). 37

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

Common Law. 42 Dies entspricht auch der beschriebenen Gesetzgebungspolitik der 1990er Jahre, Vorschriften des Common Law zu kodifizieren. Die Regelung in s 180 I Corporations Act ist aber zwingendes Gesetzesrecht und kann anders als das Common Law nicht durch Vereinbarung – auch nicht in der Unternehmensverfassung – abbedungen werden. Darüber hinaus enthält s 180 II Corporations Act eine Business Judgment Rule. Danach gelten sowohl die Regeln des s180 I Corporations Act als auch die Pflichten nach dem Common Law als eingehalten, wenn die Direktoren und Officer im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung sich an folgende Anforderungen gehalten haben: “(a) (b) (c) (d)

make the judgment in good faith for a proper purpose; and do not have a material personal interest in the subject matter of the judgment; and inform themselves about the subject matter of the judgment to the extent they reasonably believe to be appropriate; and rationally believe that the judgment is in the best interests of the corporation.”

Die Business Judgment Rule ist kodifiziertes Gesetzesrecht in Australien seit In-Kraft-Treten der CLERP-Reform im März 2000. Bislang gibt es noch keine bindende Rechtsprechung hierzu.43 Inhaltlich decken sich die Anforderungen dieser Vorschrift mit den bereits diskutierten Pflichten der Akteure. Wie bereits bei den Sorgfaltspflichten nach s 180 I Corporations Act und dem Common Law werden auch hier vor allem objektive und nur inzident subjektive Bewertungskriterien herangezogen. Anders als jene Regelungen findet allerdings s 180 II Corporations Act auf Unterlassen keine Anwendung, soweit dafür keine aktive unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, s 180 III Corporations Act. Mit dieser Ausnahme hat eine Person, die sich nicht auf s 180 II Corporations Act berufen kann, immer auch die Sorgfaltspflichten des Common Law und von s 180 I Corporations Act verletzt. Deshalb war die Notwendigkeit der Einführung einer Business Judgment Rule bis zuletzt

42 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (166 [372] – Santow J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (756 – Powel JA); Sheahan v Verco & Hodge (2001) 37 ACSR 117 (134 – Mulligan J). 43 Übersicht bei: ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (168 f. [372] – Santow J); Kyrou, C&S LJ 18 (2000) 555 (560 f.).

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

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umstritten.44 In Australien besteht weitgehend Einigkeit darin, dass die Einführung dieser Regel an den Sorgfaltspflichten der Unternehmensleitung im materiellen Recht nichts geändert hat. 45 In Deutschland bestimmt das Gesetz die Organisation und Zusammensetzung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, macht aber nur wenige, allgemeine Aussagen über die Pflichtenstellung. Vor allem ergeben sich ihre Sorgfaltspflichten aus §§ 116, 76, 93 AktG, 43 GmbHG. Diese Vorschriften entsprechen weitgehend den allgemeinen Sorgfaltspflichten der §§ 276 BGB, 347 HGB, nach denen Agenten ihren Prinzipalen nützen und nicht schaden sollen. Die Vorschriften des AktG und GmbHG stellen lediglich auf die speziellen Aufgaben eines Unternehmensleiters ab. 46 Organwalter müssen sich entsprechend dem Standard des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters am Unternehmensinteresse orientieren und bei der Entscheidungsfindung an anerkannte technische, finanz- und betriebswissenschaftliche Methoden halten. 47 Die betreffende Person muss die einzubeziehenden Entscheidungsfaktoren angemessen berücksichtigen und in Ausgleich bringen.48 Diese Pflichtenstellung kann durch Selbstverpflichtungen konkretisiert werden. Beispielsweise können sich die Organe verpflichten, sich an bestimmte Standards, beispielsweise an Corporate-Governance-Kodizes, zu halten. Ohne Selbstverpflichtung können allgemeingültigen Kodizes mittelbar Rückschlüsse auf anerkannte Verhaltensstandards entnommen werden. 49 Die Aussagen zu Pflichten bleiben aber insgesamt allgemein und müssen im Einzelfall konkretisierend ausgelegt werden. Seit September 2005 gilt – angeblich in Anlehnung an die amerikanische Business Judgment Rule – auch in Deutschland eine Neuregelung von

44 Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (575-576); Clarke, AJCL 12 (2000) 85 (85); Redmond, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 185 (198). 45 Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (575-576); CLERP Bill 1998 Explanatory Memorandum [6.4]. Zur umstrittenen Frage, ob die Business Judgment Rule eine Vermutungswirkung zugunsten des Handelnden beinhaltet oder ob sie als bloße Verteidigungsregel auch beweisrechtlich keine Veränderung brachte: De Mott, C&S LJ 16 (1998) 575 (576). 46 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 62, §32 Rn 75; Säcker, NJW 1986, 803 (803); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §43 Rn 7, 16. 47 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 70, 74 ff., §32 Rn 85. 48 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 81. 49 Peltzer, NZG 2002, 10 (10 f. – Ausführungen in Bezug auf den Aufsichtsrat).

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

§ 93 AktG, die im Rahmen des UMAG ins deutsche Recht eingefügt wurde.50 Demzufolge liegt kein sorgfaltswidriges Verhalten vor, soweit der Akteur annehmen durfte, er handele auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft. Ursprünglich sollte im Rahmen dieser sog. „Business Judgment Rule“ jede subjektiv nicht grob fahrlässige Handlung als pflichtgemäß eingestuft werden. 51 Im Anschluss an den ursprünglichen Regulierungsvorschlag wurde in der deutschen Literatur behauptet, die angebliche Haftungsfreizeichnung kodifiziere im Wesentlichen die Rechtsprechung des BGH zu § 93 AktG in der Entscheidung ARAG/Garmenbeck. 52 Aber auch die nun kodifizierte Regelung, die allein auf objektive Kriterien abstellt, soll allein die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung kodifizieren.53 Ähnliche Schlussfolgerungen wurden nach der Einführung von s 180 II Corporations Act gezogen. Die deutsche Regel sollte zudem – ebenso wie die Einführung der Business Judgment Rule in Australien – zusammen mit und als bewusster Gegenpol zu einer Stärkung der Aktionärsklagerechte eingeführt werden.54 Auch in Hinblick auf die Kodifizierung des Erfordernisses, auf einer angemessenen Informationsgrundlage und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, weist die Regel eine Parallele zur australischen Regelung auf. Die neue Regelung spiegelt einerseits die internationale Rechtsentwicklung wieder, andererseits enthält sie materiell keine Neuerungen. Die in Deutschland statuierten Sorgfaltspflichten der Geschäftsführungsund Aufsichtsorgane sind im Gesetz allgemeiner gehalten als die entsprechenden Regeln in Australien. Die Anforderungen in Deutschland an das Verhalten der Organe gleichen dennoch inhaltlich denen, die in Australien nach dem Common Law und Corporations Act bestehen.

3. Kontrollpflichten Diese Pflichten sind auf die generellen Informationspflichten innerhalb eines Einzelunternehmens zu übertragen. Aus dem australischen Common Law ergibt sich, dass Direktoren stets verkehrsübliche Sorgfalt ausüben und sich angemes-

50

BGBl. 2005 I, 2802; erste Entwürfe: Wilsing, FAZ 24.11.2004, 23; Besprechung der Reform: Spindler, NZG 2005, 865 (871 f.). 51 Paefgen, AG 2004, 245 (245 ff.); Roth, BB 2004, 1066 (1066 ff.); Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 (254). 52 Paefgen, AG 2004, 245 (247 f.); Roth, BB 2004, 1066 (1068). 53 Spindler, NZG 2005, 865 (871). 54 Paefgen, AG 2004, 245 (246).

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sen über die Abläufe in der Kapitalgesellschaft, vor allem über spezifische Risiken, informieren müssen. 55 Nach s 180 I Corporations Act müssen sich die relevanten Akteure in die Lage versetzen, die Kapitalgesellschaft angemessen leiten und überwachen zu können. 56 Eine Informationsbeschaffung wird vorausgesetzt. Nach Buchstabe (c) der Business Judgment Rule ist für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten in Kapitalgesellschaften eine ausreichende und angemessene Informationslage ebenfalls erforderlich. Das gleiche gilt in Deutschland. Jedes Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ist Teil des Kontrollzentrums der Kapitalgesellschaft und muss dafür sorgen, dass es über alle relevanten Fakten informiert wird. Bestehende Informationsquellen sind zu nutzen. Soweit erforderlich, sind zudem neue zu schaffen. 57 Wie in Australien so erscheint auch in Deutschland der Umkehrschluss aus der Business Judgment Rule in § 93 I 2 AktG in der Regel zulässig zu sein, dass Organwalter, die nicht annehmen durften, auf Grundlage von angemessenen Informationen zu handeln, sogfaltswidrig handeln. Auch in der GmbH obliegt den Geschäftsführern eine Informationspflicht. Sie müssen sich ständig eine ausreichende Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Kapitalgesellschaft und über alle wesentlichen unternehmerischen Maßnahmen verschaffen.58 Die generellen Anforderungen an Informationsbeschaffung in Australien und in Deutschland sind also formal sehr ähnlich. Anders als in Deutschland wird aber in Australien nicht problematisiert, ob sich die Pflicht zur ausführlichen Informationsbeschaffung auf den gesamten Konzern übertragen lässt. Es bleibt offen, ob sich die Organwalter in der Konzernobergesellschaft Informationen über die Angelegenheiten von Tochterunternehmen beschaffen müssen, die über die oben erwähnten Buchhaltungspflichten und das erforderliche Frühwarnsystem hinausgehen. 59 Allgemein müssen sich Direktoren in Australien in die Lage versetzen, die aktuelle Unternehmenssituation, vor allem ihre finanzielle Lage, ständig bewerten zu können. 60 Bereits für Einzelunternehmen wer-

55 Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (663-664 – Clarke Sheller JJA); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (86). 56 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (167-169 [372], 183 [452] – Santow J). 57 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (513); Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 84, 133. 58 BGH, WM 1995, 709 (710 – für eine abhängige GmbH); Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, §35 Rn 33, 51. 59 Vgl. oben: Teil 3 A.I., Seite 63. 60 Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (663 f. – Clarke Sheller JJA).

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

den aber Schranken der Informationsbeschaffungs- und Kontrollpflicht hervorgehoben. Die konkreten Anforderungen an die Kontrolle und Informationsbeschaffung hängt von der jeweiligen spezifischen Unternehmenssituation ab. Besondere Bedeutung hat dabei die Unternehmensgröße. 61 In großen Kapitalgesellschaften ist die weitgehende Delegation an untergeordnete Geschäftsbereiche erlaubt und die Unternehmensleitung braucht nur mit besonders wichtigen Maßnahmen befasst zu werden, ss 198A I 2.Alt., 198D Corporations Act.62 Überträgt man dies in Australien auf Konzerne, so ergibt sich allenfalls eine sehr beschränkte Informationsbeschaffungspflicht der relevanten Akteure in der Konzernobergesellschaft. Es liegt die Annahme einer Delegation der Informationspflichten über Angelegenheiten in Tochterunternehmen an dessen Organe ipso jure nahe. Die Organwalter in der Konzernobergesellschaft müssen demnach nur die Agenten in den Tochterunternehmen überwachen und sich nach Maßgabe der ss 588V ff. Corporations Act über die Liquidität der Tochterunternehmen informieren. In Deutschland wird dagegen die allgemeine Pflicht zur ausführlichen Informationsbeschaffung auch auf den gesamten Konzern übertragen. Dies galt schon vor Einführung der Business Judgment Rule, gilt jetzt aber erst recht. Vielfach wird angenommen, die Organwalter im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft seien verpflichtet, sich ständig über alle wesentlichen Vorgänge in Tochterunternehmen zu informieren. 63 „Aufgabe der [konzernweiten] internen Revision ist es, Prüfungen von Geschäftsvorfällen oder auch der Funktionen von Abteilungen oder Bereichen auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit durchzuführen.“64

Zur Begründung dieser Annahme wird darauf verwiesen, dass Unternehmensbeteiligungen einen Vermögenswert darstellten, der von den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft wie jeder andere Vermögenswert auch überwacht werden müsse, soweit ihm eine besondere

61

Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (668 – Clarke Sheller JJA). Re Caremark International Inc Derivative Legislation (1996) 698 A.2d 959 (968 – Allen); Sheahan v Verco & Hodge (2001) 37 ACSR 117 (134 – Mulligan J); Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (566). 63 Statt vieler: Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 571 (581); Seifert, AG 1967, 1 (3); Semler, in: Lutter, Holding-Handbuch, §5. 64 H. Götz, ZGR 1998, 524 (537). 62

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wirtschaftliche Bedeutung für die Konzernobergesellschaft zukommt. 65 Teilweise wird für die Kontrollpflicht des Geschäftsführungsorgans ausdrücklich ein Delegationsverbot gefordert. 66 Auch in der Wirtschaftswissenschaft wird in Deutschland ein intensives Konzern-Controlling mit ständigem, intensivem Informationsaustausch als unerlässlich angesehen.67 Durch das Kontrollsystem werde die Selbstständigkeit der einzelnen Teilunternehmen nicht angetastet. Die vorbehaltlose Weitergabe von Informationen stelle keinen Eingriff in die Geschäftstätigkeit dar. Vielmehr sei sie erforderliche Grundlage für jegliche weitere Koordinationsmaßnahme. Schließlich wird die These aufgestellt, besonders in dezentral geführten Konzernen müsste ein ständiger Informationsfluss gewährleistet sein, um mit Hilfe eines funktionalen Frühwarnsystems die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten zu gewährleisten. 68 Diesen Vorstellungen kann nicht gefolgt werden. Zunächst muss die Frage nach der Konzernleitung von der Informationsbeschaffungspflicht getrennt werden. Unzweifelhaft dürfen das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft als Ganzes und auch deren Organwalter – wenn überhaupt – nur dann aktiv in die Geschäftstätigkeit der Tochterunternehmen eingreifen, wenn ihre unternehmerischen Entscheidungen auf Grundlage eines angemessenen Informationsstandes über das Tochterunternehmen gefällt wurden. 69 Um unternehmerische Leitungsentscheidungen treffen zu können, müssen ausreichende Informationen bereitgestellt werden.70 Dies sind aber separat zu diskutierende Probleme der Angemessenheit der Einflussnahme in die Geschäftspolitik der Tochterunternehmen. 71 Sie haben nichts mit der hier behandelten Frage zu tun, ob sich die Organwalter im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft auch unabhängig von einer aktuellen Einflussnahme generell Informationen über andere Konzernteile zu beschaffen haben. Insofern muss bei den Anforderungen an konzernweite Informationsbeschaffungspflichten nach den Aufgaben unterschieden werden, die der Konzernober-

65

Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995) 325 (332); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 270. 66 H. Götz, ZGR 1998, 524 (535); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 43, 89 f.; 171, 177 f. 67 Scheffler, DB 1985, 2005 (2009). 68 Decher, ZHR 158 (1994) 473 (476). 69 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 84, 114; ähnlich auch BVerfGE 14, 263 (282 f.). 70 Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 80; Singhof, ZGR 2001, 146 (156). 71 Vgl. unten: Teil 4 B., Seite 125.

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

gesellschaft von der spezifischen Regulierung zugewiesen sind. Firmiert das Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH, sieht die Regulierung eine relativ intensive Befassung der Konzernobergesellschaft mit allen wichtigen Vorgängen in der GmbH vor, §§ 37 I, 45 GmbHG. Damit korrespondiert die Obliegenheit, über Maßnahmen auf Grundlage ausreichender Informationen zu entscheiden. Dies ergibt sich aus den stärkeren Leitungsaufgaben der Gesellschafter in der GmbH. Die Informationsbeschaffung dient der Vorbereitung aktiver Einflussnahme auf die Geschäftstätigkeit des Tochterunternehmens. Eine Informationsbeschaffung als Selbstzweck ist bei der GmbH nicht vorgesehen. Ist das Tochterunternehmen eine Aktiengesellschaft, werden alle unternehmerischen Entscheidungen, die keine Strukturänderung beinhalten, vom Vorstand gefällt, § 76 AktG. Der Aufsichtsrat muss den Vorstand überwachen und sich selbst dementsprechend informieren, § 111 AktG. Diese Aufgabenverteilung ermöglicht es dem Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft und seinen Akteuren, sich ihrerseits auf eine Überwachung des Aufsichtsorgans des Tochterunternehmens zu beschränken. Andernfalls würden Überwachungsaufgaben und Informationsverarbeitung doppelt durchgeführt, einerseits durch den Aufsichtsrat des Tochterunternehmens, andererseits durch das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft. Aus der Formulierung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in 4.1.3, nach dem der Vorstand einer Aktiengesellschaft auf die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen durch Konzernunternehmen hinwirkt, wird teilweise eine weiterführende Verpflichtung zur Informationsbeschaffung auch von Tochterunternehmen entnommen. 72 Dem ist entgegenzuhalten, dass dem DCGK aufgrund seines Empfehlungscharakters (§ 161 AktG) allenfalls Anhaltspunkte für anerkannte Verhaltensstandards entnommen werden können. Diese Bestimmung des Kodexes wird in einem Kommentar als Beschreibung der gesetzlichen Lage interpretiert und inhaltlich als eine Selbstverständlichkeit bewertet. 73 Zudem ist die genannte Regelung zu unpräzise, um ihr Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines Kontrollsystems zwischen allen Kapitalgesellschaften eines Konzerns zu entnehmen. Zumindest ein umfassendes Compliance-Programm wird in Deutschland vom Kodex nicht vorgeschlagen.

72

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 182; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/ Lutter/v. Werder, Kodex-Kommentar, Rn 616. 73 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kodex-Kommentar, Rn 617.

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Weiterhin ist einerseits zuzugeben, dass es aus der Sicht der Akteure in der Konzernobergesellschaft unabdingbar ist, sicherzustellen, dass eigene Investitionen – also auch solche in Tochterunternehmen – rentabel sind. 74 Dies bedingt eine gewisse Kontrolltätigkeit und eine damit korrespondierende Informationsbeschaffung. Die Notwendigkeit der Rentabilitätsüberprüfung sagt andererseits nichts darüber aus, welche Person welche Art von Informationen erhalten muss, noch in welchen Zeitintervallen Informationen zu beschaffen sind. Die Rentabilität kann auch auf Grundlage der im Rahmen der Liquiditätskontrolle (§ 91 II AktG) und der durch die Konzernrechnungslegung (§§ 290 ff. HGB) erhaltenen Informationen festgestellt werden. Auch im deutschen Recht muss berücksichtigt werden, dass in Konzernen eine intensive Kontrolle und eine umfassende Informationsbeschaffung und -verarbeitung über alle wesentlichen Vorgänge in Tochterunternehmen unmittelbar durch das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft rein faktisch an Grenzen stoßen. Bei großen Konzernen mit einer Vielzahl von Tochterunternehmen kann unter Umständen bereits eine Aufgabenverteilung innerhalb des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft, nach der zumindest jeweils ein Organwalter umfassende Kontrolle über ein Tochterunternehmen ausübt, unmöglich sein. Erst recht kann eine solche Pflicht nicht für das Geschäftsführungsorgan als Ganzes gelten. Folglich muss das Ausmaß der Information durch eine sinnvolle Berichtshierarchie begrenzt werden.75 Von Befürwortern der generellen und umfassenden Informationsbeschaffungs- und Kontrollpflicht werden vor allem ein konzernweites Controllingsystem und eine konzernweite interne Revision vorgeschlagen. Dessen Aufbau sei Aufgabe des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft.76 Damit ist eine umfangreiche Delegation der behaupteten Informationsbeschaffungspflichten an untergeordnete Organisationsebenen verbunden. Wenn aber ohnehin andere Akteure damit beauftragt werden müssen, Kontrolle auszuüben und sich umfassend zu informieren, fragt sich, warum diese Kontrolle nicht durch Akteure im Tochterunternehmen ausgeführt werden kann. Jedes Tochterunternehmen verfügt über Organe, die unmittelbar zur Kontrolle und Leitung der Kapitalgesellschaft bestellt sind. Je unabhängiger das Tochterunternehmen ist, um so stärker ist zu erwarten, dass ihre eigenen Organwalter ordnungsgemäß und ausreichend die Kontrollaufgaben – auch in Abgrenzung zu Begehr-

74

Semler, in: Lutter, Holding-Handbuch, §5 Rz 14 ff. Scheffler, DB 1985, 2005 (2009); Semler, in: Lutter, Holding-Handbuch, §5 Rz 71 f. 76 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 199 ff. 75

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lichkeiten der Konzernobergesellschaft – erledigen. Folglich bedarf es dann keiner intensiven Kontrolle durch jene. 77 Sie könnte sogar kontraproduktiv sein. Eine besonders intensive zentrale Kontrolle kann nämlich zu Gegenreaktionen der Akteure in Tochterunternehmen führen, indem sie freiwillige Beiträge verdrängt und sogar Umgehungsstrategien oder andere Gegenreaktionen veranlasst (Crowding Out).78 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei einer umfassenden Kontrollpflicht die Anzahl der Kontrollen, die in Bezug auf eine Kapitalgesellschaft durchgeführt werden, im Quadrat zu ihrer Hierarchieebene innerhalb der Organisation stiege.79 Die kumulierte Durchführung der gleichen Kontrolle durch unterschiedliche Kontrollinstanzen in unterschiedlichen Kapitalgesellschaften der gleichen Organisation würde Kosten verursachen, ohne dass ihr ein entsprechender Nutzen gegenüberstünde. Allein die mit Quantität des Informationsflusses teilweise in Verbindung gebrachte Vorstellung höherer Entscheidungsqualität80 rechtfertigt diese Kosten nicht. So wird auch im Anschluss an die Einführung der Business Judgment Rule in Deutschland hervorgehoben, dass die Frage, wie weit die Informationsbeschaffungspflicht geht, von einer Kosten-Nutzen-Analyse abhänge.81 Diese Feststellung, die für Einzelunternehmen gemacht wurde, muss erst recht für Konzernsachverhalte gelten. Die Aufgabenverteilung, dass eine Kontrolle in erster Linie durch die eigenen Organe der jeweiligen Kapitalgesellschaft (des Tochterunternehmens) zu erfolgen hat, ist im Gesetz angelegt. Für die Pflichtenerfüllung des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft ist es ausreichend, wenn es ihre eigenen Vermögenswerte in Form des in Tochterunternehmen investierten Kapitals mittelbar überwacht. Es muss nur sicherstellen, dass in den Tochterunternehmen die Organwalter ihren Kontroll- und Informationspflichten nachkommen. Die Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft brauchen dagegen selbst im Grundsatz keine Kontrolle auszuüben oder Informationen zu akquirieren. Die Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft sind zur Überwachung der eigenen Liquidität und Rentabilität im Rahmen des § 91 II AktG bzw. der entsprechenden Regelung im GmbH-Recht verpflichtet.

77

Martens, ZHR 159 (1995) 567 (568). Voigt, Institutionenökonomik, 139 (Diskussion für staatliche Regulierung und öffentliche Gemeingüter, wie die Bereitschaft zur Steuerzahlung. Die Argumentation lässt sich aber auf den hier problematisierten Zusammenhang übertragen.). 79 Vgl. zur analogen Problematik bei der Entwicklung von Messkosten verschiedener Produktionsstufen: Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 105. 80 Dazu: Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 85. 81 Spindler, NZG 2005, 865 (872). 78

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Hierfür genügt eine periodische Überprüfung der wesentlichen Geschäftszahlen. Eine darüber hinausgehende generelle Informationsbeschaffungspflicht zur Ausübung von Kontrolle über die Tochterunternehmen kann zumindest den allgemeinen Pflichten der Geschäftsführungsorgane nicht entnommen werden. Etwas anderes kann sich ergeben, soweit die Konzernobergesellschaft als Aktiengesellschaft firmiert. Nach § 90 I 2 AktG obliegt dem Vorstand eines Mutterunternehmens (im Sinne des § 290 I HGB) eine Berichtspflicht gegenüber dessen Aufsichtsrat, die auch Tochterunternehmen mit einschließt. Nach § 90 III AktG hat der Aufsichtsrat sogar einen Auskunftsanspruch gegen den (Konzern-)Vorstand über Angelegenheiten von verbundenen Unternehmen (im Sinne des § 15 AktG).82 Offensichtlich muss der Vorstand die dafür erforderlichen Informationen von den Tochterunternehmen anfordern.83 In der Literatur wird an diese Vorschriften teilweise eine sehr weitgehende Aufgabe des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaft zur konzernweiten Kontrolle geknüpft.84 Im Rückschluss ergäbe sich erst recht eine Selbstinformationspflicht des Vorstands über die Angelegenheiten der Tochterunternehmen. Dem kann nicht zugestimmt werden. Erstens verweist § 90 I 2 AktG für die Definition von Mutter- und Tochterunternehmen auf § 290 I, II HGB. Folglich liegt es nahe, § 90 I 2 AktG im Hinblick auf die Konzernbilanzierungspflichten zu interpretieren, in deren Zusammenhang §290 HGB steht, nicht aber eine darüber hinausgehende Informationspflicht § 90 I 2 AktG zugrunde zu legen. Die Regelung in § 90 AktG soll allein klarstellen, dass der Aufsichtsrat über die tatsächlich gewonnenen Informationen über Tochterunternehmen und über diejenigen, die im Rahmen der Konzernrechnungslegung hätten gewonnen werden müssen, stets zu informieren ist. Diese Berichtspflicht beschränkt sich deshalb nicht auf Konzerne im Sinne von §§ 15 ff. AktG, sondern gilt für alle Mutterunternehmen im Sinne von § 290 HGB. Mit dem gleichen Gegenargument kann die Auffassung entkräftet werden, § 337 I AktG schreibe eine konzernweite Überwachungsaufgabe für den Aufsichtsrat fest. 85 Diese Vorschrift bezieht sich auf den Konzernabschluss und ihr können folglich allenfalls Schlussfolgerungen für die Konzernrechnungslegung entnommen werden.

82

Zur Auslegung dieser Normen ausführlich, wenn auch im Ergebnis von dem hier dargestellten abweichend: Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 269 ff. 83 H. Götz, ZGR 1998, 524 (527). 84 Mit Unterschieden im Detail: H. Götz, ZGR 1998, 524 (540 f.); Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 13 ff.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 270; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 135. 85 So: Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 5.

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

Diese sind im HGB umfassend geregelt, so dass es dieses Rückschlusses nicht bedarf. Selbst wenn dieser Auslegung von § 90 AktG nicht gefolgt werden sollte, nach der die Berichtspflicht im Hinblick auf die Informationspflichten bei der Konzernbilanzierung beschränkt wird, so ist der Rückschluss aus § 90 AktG auf eine weiter gehende Informationsbeschaffungspflicht des Vorstands aus den folgenden zwei Gegenargumenten nicht zu folgen. Zweitens kennt die Regulierung in Deutschland kein übergeordnetes Konzerninteresse, sondern nur ein Interesse der Konzernobergesellschaft. 86 Der Aufsichtsrat ist ausschließlich zur Überwachung der Tätigkeiten des (Konzern-)Vorstands berufen. Der Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats definiert sich somit über die Zuständigkeiten des Vorstands, nicht aber andersherum.87 Nur soweit die Konzernobergesellschaft Konzernleitungsmacht ausübt, erstreckt sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats auch auf diese Entscheidungen. Die Frage der Informationsbeschaffungspflicht bei einer unternehmerischen Einflussnahme der Akteure in der Konzernobergesellschaft auf die Tochterunternehmen wird hier aber nicht diskutiert. Sie betrifft die in Teil 4 diskutierte Frage, wann aktive Kooperation angemessen oder geboten ist. Drittens ist das System des kodifizierten Konzernrechts im AktG auf den Vertragskonzern mit intensiver Konzernleitungsmacht (§§ 291 ff. AktG) ausgerichtet. Bei intensiver konzernweiter Leitung kann auch ein entsprechender Informationsfluss an den Konzernvorstand angenommen werden. 88 Dementsprechend stellt § 90 III AktG klar, dass in diesen Fällen der Aufsichtsrat entsprechend weiter gehende Informationsrechte hat. Der Konzernvorstand ist also zur Auskunftserteilung über Verhältnisse von Tochterunternehmen an den Aufsichtsrat insofern verpflichtet, wie er auch tatsächlich von diesen Auskunft erlangen kann oder erlangt hat. Beim faktischen Konzern beschränkt sich die Auskunftspflicht der Tochterunternehmen auf § 294 III HGB. Auch das Einsichtsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 II AktG bezieht sich nur auf Unterlagen in Bezug auf Tochterunternehmen, soweit die Konzern-

86

Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995) 325 (329 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 48 ff. (sieht ein etwaiges Konzerninteresse als identisch mit dem der Konzernobergesellschaft an). 87 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 240; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 136; Martens, ZHR 159 (1995) 567 (576 f.). 88 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 303.

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

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obergesellschaft diese tatsächlich im Besitz hat oder haben sollte. 89 Folglich ist der Konzernvorstand nur soweit er Leitungsmacht im Konzern ausübt oder ausüben sollte, dem Aufsichtsrat Rechenschaft schuldig. Auch die Vorschriften zum Aufsichtsrat lassen keinen Rückschluss auf eine Verpflichtung des Vorstands der Konzernobergesellschaft zum Aufbau eines umfangreichen Informationsmanagementsystems in Konzernen zu. Sowohl in Australien als auch in Deutschland besteht deshalb grundsätzlich nur die Verpflichtung, die eigene Rentabilität und Liquidität sowie ggf. die Solvenz von Tochterunternehmen zu überwachen. Diese Pflicht kann auch den Bezug von Informationen aus Tochterunternehmen erforderlich machen. Darüber hinausgehende Pflichten der konzernweiten Informationsbeschaffung gelten nur im Rahmen der tatsächlichen Einflussnahme und der aktiven Kooperation und sind daher im Rahmen dieser Untersuchung in Teil 4 zu beurteilen.

III. Beschränkungen des Informationsflusses Die Auslegung der generellen Pflichten soeben hat ergeben, dass eine Informationsbeschaffung, deren Nutzen die Kosten übersteigt, pflichtwidrig sein kann. Zu klären ist nunmehr, ob und wann aus Sicht der Konzernobergesellschaft und ihrer Akteure auch eine weiter gehende Beschränkung des Informationsflusses geboten ist. Dabei werden Fallkonstellationen relevant, in denen das Maß der eigenen Informationen Auswirkungen auf den Umgang mit Dritten hat. Sollen Tochterunternehmen bzw. Anteile an ihnen an Dritte veräußert oder von Dritten weitere Anteile an Tochterunternehmen erworben werden, kann dieser Dritte als potenzieller Käufer oder Verkäufer von einem Informationsvorsprung der Konzernobergesellschaft abgeschreckt werden. Aus Sicht des Dritten besteht die Gefahr, dass aufgrund des Informationsvorsprungs der Konzernobergesellschaft der Dritte ein weniger vorteilhaftes Geschäft abschließt. Damit es dennoch zu einem Geschäftsabschluss kommt, muss die Konzernobergesellschaft typischerweise entweder ihre Informationen offenbaren oder sonst nachweisen, dass sie keinen Informationsvorsprung hat. Derartige Probleme, die auf ungleicher Informationsverteilung beruhen, werden durch die Insiderverbote des einschlägigen Wertpapierhandelsrechts ausgeglichen, wenn der Handel von Unternehmensanteilen am Kapitalmarkt berührt ist. Dies setzt voraus, dass die Kapitalgesellschaft, deren Anteile

89

Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 27; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 418-424.

86

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

gehandelt werden sollen, zum Handel am Kapitalmarkt zugelassen ist. Für Konzerne betrifft dies die eher untypische Fallkonstellation, dass ein Tochterunternehmen börsennotiert ist. Diese Fallkonstellation sollte aber nicht völlig vernachlässigt werden. Ein prominentes Beispiel für Konzerne in Australien und Deutschland, in denen Tochterunternehmen börsennotiert sind, ist die in Australien an der ASX notierte Leighton Holding, welche zu 52,17 Prozent (April 2006) im Eigentum von Hochtief steht. In Australien befinden sich die zu berücksichtigenden Regeln seit März 2002 in ss 1043A ff. Corporations Act (Teil 7.10, Abschn. 3). 90 In Deutschland sind die §§ 12 - 14 WpHG einschlägig. 91 Einem Insider ist es nach diesen Vorschriften in beiden Staaten gleichermaßen verboten, Finanzinstrumente (vor allem Wertpapiere) zu kaufen oder Insiderinformationen weiterzugeben. Insiderinformationen sind Informationen, die nicht allgemein zugänglich sind und die den Preis der Wertpapiere bei ihrer Veröffentlichung erheblich beeinflussen würden. Es ist in Australien und in Deutschland der Konzernobergesellschaft und ihren Akteuren in den Geschäftsführungsorganen verboten, aufgrund von Insiderinformationen zu handeln. Solange ein Kauf oder Verkauf von Anteilen in Frage kommt, muss deshalb Vorsorge dafür getroffen werden, dass keine Informationen über Tochterunternehmen weitergeleitet werden, die kursrelevant sind und die z.B. aus Wettbewerbsgründen vor dem Wertpapiergeschäft nicht veröffentlicht werden können. Die dafür notwendige „Chinese Wall“ ist in Australien ausdrücklich als Ausnahme zum Insiderverbot normiert.92 In Deutschland ergibt sich die Möglichkeit durch eine Chinese Wall dem Insiderhandelsverbot zu entgehen aus dem Wortlaut der Verbotsvorschrift („unter Verwendung einer Insiderinformation“).93 Die Konzernobergesellschaft muss nach den Regelungen in beiden Staaten durch klare Verfahrensabläufe garantieren, dass diejenigen Akteure, die die Entscheidung über den An- oder Verkauf von Wertpapieren treffen oder dabei beraten, keine kursrelevanten Informationen über die Tochterunternehmen bekommen. 94 Obwohl in Deutschland die alte Einschränkung des „Ausnutzens“ der Information durch die der bloßen „Verwendung“ mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)

90

Zu den Veränderungen durch den Financial Services Reform Act 2001: Ford/ Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [9.620]; Qu, AJCL 14 (2002) 161 (161). 91 Zu Anwendbarkeit bei konzerninternen Informationsfluss: Singhof, ZGR 2001, 146 (149 ff.). 92 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 638. 93 Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB VI 9898 f. 94 Vgl.: Beispiel 2 bei Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 11-12.

A. Konzernobergesellschaft und ihre Organe

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ersetzt wurde, erscheinen weiterhin die Anforderungen an eine Chinese Wall in Deutschland etwas niedriger als die in Australien. Denn auch das Tatbestandsmerkmal der Verwendung lässt ein bloßes Handeln in Kenntnis der Insiderinformation nicht genügen. 95 Weiter einschränkend ist zu berücksichtigen, dass in Fällen des Paketverkaufs regelmäßig eine ausführliche Due-Diligence-Prüfung der zu erwerbenden Unternehmensteile durch den Käufer durchgeführt wird, die weit über die allgemeinen Publizitätspflichten hinausgeht. Nach der in Deutschland herrschenden Meinung soll die Weitergabe kursrelevanter Informationen im Rahmen einer solchen Prüfung nicht gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen. 96 Weiterhin verstieße schon die Informationsweitergabe innerhalb des Konzerns gegen die Vorschriften des deutschen WpHG auch unabhängig vom Handel mit Wertpapieren, wenn sich die Informationen auf den Emittenten von Wertpapieren mittelbar oder unmittelbar beziehen und die Informationsweitergabe unbefugt im Sinne des Gesetzes erfolgt. Dies ist aber zumindest dann nicht der Fall, wenn die Informationsweitergabe zur Konzernkontrolle, -leitung, -planung oder sonst zur Erleichterung oder Herbeiführung interner Kooperation erfolgt.97 Diese Regelung untermauert das gerade getroffene Auslegungsergebnis zu den allgemeinen Pflichten, demzufolge eine Informationsbeschaffung immer zweckgebunden und nicht pauschal erfolgen sollte. Das Insiderhandelsverbot in Australien kann ebenfalls über den Handel mit Wertpapieren von Tochterunternehmen hinaus Bedeutung haben. Informationen über die Produktivität einzelner Tochterunternehmen können besonders in Übernahmesituationen relevant sein.98 Beispielsweise können Informationen von Tochterunternehmen allgemeine Entwicklungen in der Branche oder über spezifische Konkurrenten enthalten, die am Kapitalmarkt unbekannt sind, deren Bekanntwerden aber den Kurs verschiedener Wertpapiere beeinflussen würde. Der Handel mit den betroffenen Wertpapieren ist dann verboten, soweit es sich um präzise Informationen handelt, beispielsweise die Entdeckung großer Rohstoffvorkommen.99 Schließlich kann in beiden Ländern auch der Handel mit

95

Dazu: Koch, DB 2005, 267 (269). Zum alten Recht: Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1734 ff.); Körber, NZG 2002, 263 (264, 267). Zur Rechtslage seit dem AnSVG: Koch, DB 2005, 267 (269); Zumbansen/ Lachner, BB 2006, 613 (613 ff.). 97 Singhof, ZGR 2001, 146 (162 f., 168 f.). 98 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (624); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (37). 99 Zu diesem Beispiel: R v Evans & Doyle [1999] VSC 488 [14 f.]. 96

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

eigenen Anteilen der Konzernobergesellschaft Probleme aufwerfen, wenn kursrelevante Informationen aus Tochterunternehmen weitergeleitet werden. Dies betrifft aber keine spezifischen konzernrechtlichen Probleme, sondern ist Ausfluss jeder Informationsbeschaffung – auch der von nicht konzernierten Großunternehmen – soweit er in am Kapitalmarkt notierten Unternehmen erfolgt. Insgesamt zeigt die Diskussion, dass sowohl in Australien als auch in Deutschland konzerninterner Informationsfluss selbst mittelbar nur in beschränktem Maße als Grundlage für Transaktionen am Kapitalmarkt genutzt werden darf. 100 Zusammenfassend ist festzustellen: Die Kommunikation des eigenen Informationsverhaltens kann Signalwirkungen bei Dritten auslösen.101 Während ein hohes Informationsniveau den ggf. falschen Eindruck besonders qualifizierter Entscheidungen erwecken mag, kann eine Beschränkung des Informationsflusses Vertrauen beim Handel mit Anteilen von Tochterunternehmen schaffen. Für die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen ist deshalb darauf zu achten, dass alle Informationen, die aus den Tochterunternehmen an Akteure in der Konzernobergesellschaft gelangen, und auch solche Erkenntnisse, die innerhalb der Konzernobergesellschaft gewonnen werden, von Akteuren unterhalb des Geschäftsführungsorgans gefiltert werden, bevor sie an diese weitergeleitet werden. Andernfalls kann die Konzernobergesellschaft ihrer Handlungsfähigkeit am Kapitalmarkt beraubt werden.

B. Tochterunternehmen Für die Beurteilung der Erforderlichkeit und Angemessenheit einer konzernweiten Informationsbeschaffung durch die Konzernobergesellschaft sind schließlich die Regeln zu berücksichtigen, die die Tochterunternehmen und ihre Akteure als Informationsgeber binden.

100 101

Singhof, ZGR 2001, 146 (163). Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 85.

B. Tochterunternehmen

89

I. Anspruch auf Auskunftserteilung Eindeutig ist die Situation, soweit die Tochterunternehmen ausdrücklich durch Gesetz verpflichtet sind, bestimmte Informationen an die Konzernobergesellschaft weiterzuleiten. In Bezug auf die Konzernrechnungslegungspflicht steht der Konzernobergesellschaft in Australien nach s323 Corporations Act und in Deutschland nach § 294 III HGB gegenüber allen Tochterunternehmen ein Auskunftsanspruch zu. Der Auskunftsanspruch in Australien richtet sich gegen die Direktoren und Officer einer Controlled Entity im Sinne von s 50AA Corporations Act, der in Deutschland gegen Tochterunternehmen im Sinne von § 290 I, II HGB. Dieser Anspruch betrifft alle Informationen, die zur Aufstellung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts erforderlich sind: Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte und, wenn eine Prüfung des Jahresabschlusses oder des Konzernabschlusses stattgefunden hat, die Prüfungsberichte sowie, wenn ein Zwischenabschluss aufzustellen ist, ein auf den Stichtag des Konzernabschlusses aufgestellter Abschluss. Darüber hinaus haben in Australien grundsätzlich nur die Direktoren ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in Angelegenheiten der Kapitalgesellschaft, während die Anteilseigner – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur Einsicht nehmen können in die Unternehmensverfassung und in die Protokolle des General Meetings (Hauptversammlung). 102 In Deutschland muss in Bezug auf den Informationsanspruch zwischen den verschiedenen Kapitalgesellschafts- und Konzernierungsformen unterschieden werden. Firmiert das Tochterunternehmen als GmbH, so ist das Einsichtsrecht der Konzernobergesellschaft aufgrund der regelmäßig gegebenen Stellung als Anteilseigner nach § 51a GmbHG mit Ausnahme von Abs. II im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich unbeschränkt. 103 Dem Einblick nehmenden Akteur obliegt eine gesteigerte Verschwiegenheitspflicht im Rahmen der Treuepflicht. Repräsentiert dieser Akteur, z.B. als Organwalter, eine Gruppe von Personen, so darf er innerhalb der Gruppe die bezogenen Informa-

102

Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (152, 164 ff. – Mahon J); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [10.380]. Zu Publizitätspflichten der Organisationen (continuous disclosure): CASAC, Shareholder Participation, [1.11, 1.14, Fn.4-8 auf S. 2, 3]. 103 Thüringer OLG, DB 2004, 2470 (2470 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 134 ff.

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

tionen weitergeben. Denn diese Personen sind keine externen Dritten. 104 Damit ist eine Informationsweitergabe und -verarbeitung von Informationen aus Tochterunternehmen innerhalb der Konzernobergesellschaft unproblematisch. Firmiert das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft, ergeben sich Auskunftsansprüche der Konzernobergesellschaft beim Beherrschungsvertrag aus dem Weisungs- und Leitungsrecht (§ 308 AktG) und bei sonstigen Unternehmensverträgen (§§ 29 I 2.Alt., 292 AktG) aus dem Vertrag. 105 Bei eingegliederten Aktiengesellschaften gilt nach §§ 323, 308 AktG Entsprechendes. Problematischer ist die Rechtslage in Deutschland, wenn das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft firmiert, ohne dass ein Unternehmensvertrag geschlossen wurde oder eine Eingliederung vorliegt (faktischer AG-Konzern). Verbreitet wird auch hier ein Auskunftsanspruch der Konzernobergesellschaft gegen das Tochterunternehmen angenommen. 106 Als Begründung wird zumeist angeführt, der Gesetzgeber nehme in §§ 311 ff. AktG den faktischen Konzern als rechtmäßiges Konstrukt hin und dieses setze einen Informationsfluss voraus. Gegen diese Argumentation spricht, dass es auch in anderen Rechtsordnungen, wie beispielsweise in Australien, erfolgreiche (faktische) Konzerne gibt, deren Bestehen vom Recht anerkannt ist, und dass dort kein allgemeines Einsichtsrecht der Konzernobergesellschaft anerkannt ist, noch notwendig erscheint. Organwalter unterliegen in Deutschland wie auch in Australien grundsätzlich einer weitgehenden Verschwiegenheitspflicht über alle Angelegenheiten des technischen und kaufmännischen Bereichs, die grundsätzlich Vorrang vor berechtigten Drittinteressen hat, § 93 I AktG bzw. s 183 Corporations Act. 107 Warum sich im faktischen Konzernverhältnis diese Verschwiegenheitspflicht, die auch gegenüber Anteilseignern besteht, in eine

104

BGH, NZG 2003, 396 (397). Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 214; Hüffer, AktG, §131 Rn 38; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 107 f., 148-150. 106 Hüffer, AktG, §131 Rn 38; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 161; Traugott, BB 2001, 2277 (2279); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 424 (Mit der Einschränkung des Einsichtsrechts soweit die abhängige Gesellschaft nicht im vollständigen Eigentum der Obergesellschaft steht). Keine Auskunftspflicht bei bloßer Abhängigkeit oder lediglich Mehrheitsbeteiligung: Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 214; Traugott, BB 2001, 2277 (2279). Nachweis zu anderen dogmatischen Begründungen, die allgemein abgelehnt werden: Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 154 f. 107 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 7, §15 Rn 106; Säcker, NJW 1986, 803 (804). In Australien: CASAC, Corporate Groups, [2.117]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [10.030]. 105

B. Tochterunternehmen

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Auskunftspflicht wandeln soll, bedürfte einer eingehenden Begründung. Der bloße Verweis darauf, dass faktische Konzernierung zulässig ist, reicht dafür nicht aus. Schon die §§ 394, 395 AktG zeigen, dass Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht nur ausnahmsweise zulässig sind. Es ist anerkannt, dass die §§ 311 ff. AktG für faktische AG-Konzerne auch in Bezug auf die Informationsweitergabe durch Tochterunternehmen anzuwenden sind und diese Regeln die Auskunftsweitergabe im Einzelfall beschränken können.108 Damit ist ein genereller Auskunftsanspruch der Konzernobergesellschaft allein auf Grundlage des Konzernierungsverhältnisses unvereinbar. Andernfalls würden die §§ 311 ff. AktG dem Vorstand kein eigenes Ermessen lassen – entweder wäre die Auskunftserteilung nachteilig und folglich unzulässig oder sie wäre mindestens neutral und demnach verpflichtend. Dieses Auslegungsergebnis widerspräche der Konzeption der eigenverantwortlich handelnden Akteure im Tochterunternehmen bei faktischen AG-Konzernen. Zudem lassen die Befürworter eines Auskunftsanspruches offen, auf welche Art von Informationen sich der Anspruch erstreckt. Auch die Abgrenzung zu sonstigen (Geschäftsführungs-)Maßnahmen im Tochterunternehmen, auf dessen Vornahme unstrittig kein Anspruch besteht, bleibt ungeklärt. Der Sache nach handelt es sich bei dem Streit um ein Folgeproblem aus einer zu weit verstandenen umfassenden Informationsbeschaffungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft. 109 Dieses Problem stellt sich bei der hier vertretenen Interpretation einer grundsätzlich nur auf § 91 II AktG und die Bilanzierungsregeln beschränkten Informationsbeschaffungspflicht allenfalls eingeschränkt. Deshalb hat im Ergebnis die Konzernobergesellschaft in Deutschland beim faktischen AG-Konzern gegen das Tochterunternehmen über den § 294 III 2 HGB hinaus keinen Auskunftsanspruch. 110 Etwas anderes gilt nur, wenn sich das Tochterunternehmen gesondert zur Auskunftserteilung verpflichtet hat. Dieses Auslegungsergebnis gleicht der Rechtslage für Tochterunternehmen in Australien. Schließlich wird in Deutschland vereinzelt gefordert, dass auch eine umgekehrte Informationsbeschaffungspflicht des Geschäftsführungsorgans des Tochterunternehmens über die Liquidität der Konzernobergesellschaft bestehe. Folglich sei auch ein korrespondierender Auskunftsanspruch gegen die Kon-

108

Semler, Leitung und Überwachung, Rn 424; Singhof, ZGR 2001, 146 (159). Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. 110 H. Götz, ZGR 1998, 524 (527); Singhof, ZGR 2001, 146 (159). 109

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

zernobergesellschaft anzunehmen. 111 Richtig daran ist, dass nach § 91 II AktG der Vorstand einer Aktiengesellschaft geeignete Maßnahmen treffen muss, um den Fortbestand der Aktiengesellschaft gefährdende Entwicklungen erkennen zu können. Eine entsprechende Verpflichtung besteht auch bei der GmbH. Diese Verpflichtung gilt auch für die Geschäftsführungsorgane eines Tochterunternehmens. Den Fortbestand gefährdende Entwicklungen können für Tochterunternehmen in den Verhältnissen der Konzernobergesellschaft oder anderer Tochterunternehmen bestehen. Allerdings gilt das Gleiche auch für die Beziehungen zu sonstigen wichtigen Handelspartnern, ohne dass hier ein Auskunftsanspruch besteht. Ein Auskunftsanspruch besteht nicht allein aufgrund des ggf. berechtigten Informationsinteresses. Es wurde bereits gezeigt, dass ein Auskunftsanspruch nicht allein aufgrund des Konzernverhältnisses zwischen den Kapitalgesellschaften entsteht. Ein Auskunftsanspruch kann allenfalls im Einzelfall bestehen. Folglich beschränkt sich die Informationsbeschaffungspflicht des Geschäftsführungsorgans des Tochterunternehmens im Rahmen der allgemeinen Liquiditätsüberwachung auf die von ihm tatsächlich zu erlangenden externen Informationen. Ein gesonderter Auskunftsanspruch entsteht nicht. Es gilt insofern nichts anderes für Tochterunternehmen als für jede Kapitalgesellschaft unabhängig von Konzernzusammenhängen. Weder eine besondere Informationsbeschaffungspflicht, noch ein Auskunftsanspruch liegen vor.

II. Recht der Auskunftserteilung und Verschwiegenheitspflicht Aus den soeben getroffenen Feststellungen ergibt sich die Frage, ob in Australien Akteure aus allen Tochterunternehmen und in Deutschland Akteure aus Tochterunternehmen in faktischen AG-Konzernverhältnissen sich tatsächlich auf die dargestellten Rechtspositionen zurückziehen können. Es wäre anzunehmen, dass die typische Dilemmasituation entsteht, wenn Akteure in Tochterunternehmen, deren Wohl und Wehe unmittelbar oder mittelbar von vom Willen von Akteuren in der Konzernobergesellschaft abhängt, von diesen zur Informationsweitergabe aufgefordert werden. Ein solches Dilemma entsteht aber nicht notwendig. Voraussetzung wäre, dass es tatsächlich angebracht wäre, die Informationen zurückzuhalten. Damit stellt sich zunächst die Vorfrage, unter welchen Umständen sich die Akteure in Tochterunternehmen freiwillig zur Informationsweitergabe an die Konzernobergesellschaft bereit finden sollten.

111

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 372 ff.

B. Tochterunternehmen

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Die allgemeinen Regeln über Geheimhaltungspflichten und über Informationsrechte, insbesondere die Pflichtenstellung der betroffenen Direktoren, werden in Australien kontrovers diskutiert.112 In Konzernen mag aus Sicht der Akteure im Tochterunternehmen ein Geheimhaltungsinteresse bestehen, während die Akteure in der Konzernobergesellschaft an einer Informationsweitergabe interessiert sind. 113 Für die Auslegung der Pflichten von Direktoren in solchen Konstellationen ist zunächst die Entscheidung in Bennetts114 zu berücksichtigen. In diesem Fall wurde dem Direktor eines staatlichen Gremiums ein Auskunftsverlangen gegen dieses Gremium verweigert. Das Gericht begründete die Abweisung seiner Klage auf Akteneinsicht damit, dass der Direktor zugegeben hatte, die sensiblen Informationen an Dritte weitergeben zu wollen, was für die Organisation nachteilig gewesen wäre. Die Informationen betrafen die interne Beurteilung eines Rechtsstreits mit der Gewerkschaft, die den Direktor als ihren Repräsentanten in das Gremium entsandt hatte. Die Informationsweitergabe an die Gewerkschaft hätte eine Pflichtenverletzung des Direktors gegenüber der staatlichen Organisation dargestellt, der die Organisation ihrerseits durch Verweigerung der Informationsweitergabe begegnen dürfe. Dagegen urteilte das Gericht in der Entscheidung Berlei Hestia (NZ) 115, dass die Kapitalgesellschaft einem Direktor nicht allein deshalb Auskunft verweigern könne, weil dieser gleichzeitig Direktor eines Konkurrenzunternehmens war. Das Konkurrenzunternehmen war Anteilseigner der Kapitalgesellschaft und hatte das formelle Recht, einen Direktor zu entsenden. Das Gericht meinte, die Rechte dieses Direktors dürften solange nicht eingeschränkt werden, wie keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Direktor die erhaltenen Informationen ungerechtfertigt weitergebe. In einer dritten Entscheidung rechnete das Gericht die Kenntnis eines Direktors nicht der ihn eingesetzten Kapitalgesellschaft zu.116 Zur Begründung führte es aus, dass ein Repräsentant im Board einer anderen Gesellschaft nicht als bloßer Informationskanal angesehen werden dürfe. Vielmehr würde ein etwaiger Anspruch der Gesellschaft auf Informationsweitergabe durch die

112

CASAC, Corporate Groups, [2.117-2.143] vor allem [2.123, 2.124]. Yeung, LMCLQ 1997, 208 (220). 114 Bennetts v Board of Fire Commissioners of NSW (1967) 87 WN (Pt 1) (NSW) 307 (309, 313 – Street J). 115 Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (152-154 – Mahon J). 116 Harkness v Commonwealth Bank of Australia (1993) 12 ACSR 165 (177 – Young J). 113

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

Geheimhaltungspflichten des Direktors gegenüber der Kapitalgesellschaft aufgehoben. Eine eigene Fallgruppe innerhalb der Problematik der Rechtmäßigkeit einer Informationsweitergabe bilden schließlich Übernahmesituationen. Allerdings betreffen die hierzu in Australien diskutierten Konstellationen durchweg die Besonderheiten beim Einsatz von Doppelmandatsträgern. Sie werden später diskutiert.117 Für die hier diskutierte Frage, ob die relevanten Akteure in australischen Tochterunternehmen Informationen an die Konzernobergesellschaft weitergeben dürfen, ergibt sich aus dem Gesagten, dass das Informationsbedürfnis hinter den Interessen des Tochterunternehmens zurückzustehen hat, wenn ein Interessenkonflikt besteht. 118 Eine Informationsweiterleitung an die Konzernobergesellschaft ist vor allem dann verboten, wenn die Informationen an Konkurrenzunternehmen gelangen und bei einer feindlichen Übernahme. Darüber hinaus gibt es nur wenige Sonderfälle, in denen tatsächliche Interessenkonflikte zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen entstehen. Einen davon zeigt die Entscheidung in Bennetts, in der ein Rechtsstreit vorbereitet wurde. Soweit derartige Konflikte nicht bestehen, steht einer Informationsweitergabe nichts entgegen. 119 Auch für Deutschland gilt allgemein, dass das Geschäftsführungsorgan einer Kapitalgesellschaft entscheiden kann, auch geheime Informationen an Dritte weiterzugeben, wenn dies im Einzelfall sachdienlich erscheint. 120 In beiden Staaten bestehen gegen eine freiwillige, sachgerechte und umfassende Informationsweitergabe innerhalb eines Konzerns oder allgemein an Großaktionäre keine Bedenken. 121 Dem deutschen Aktiengesetz kann insgesamt sogar die Annahme des Gesetzgebers entnommen werden, dass die Konzernobergesellschaft regelmäßig keine Schwierigkeiten hat, sich Auskünfte von den Tochter-

117

Vgl. unten: Teil 5 A.II.5., Seite 285. Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (643). 119 Trounce and Wakefield v NCF Kaiapoi Ltd (1985) 2 NZCLC 99,422 (99,428 – Heron J). 120 H. Götz, ZGR 1998, 524 (536); Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 209; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 110; Säcker, NJW 1986, 803 (805). 121 Für Deutschland: Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 212; Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 23; Scheffler, DB 1985, 2005 (2006); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (480). Für Australien: Trounce and Wakefield v NCF Kaiapoi Ltd (1985) 2 NZCLC 99,422 (99,428 – Heron J); CASAC, Corporate Groups, [2.117]. 118

B. Tochterunternehmen

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unternehmen zu besorgen.122 Soweit dieses Ergebnis in der Literatur anerkannt wird, wird vereinzelt die Auffassung vertreten, dass aufgrund dieses Ergebnisses entweder die Berichtspflicht des Vorstands der Konzernobergesellschaft an der Informationsmöglichkeit beschränkt oder die Informationspflicht der Tochtergesellschaften ausgeweitet werden solle.123 Beides ist unnötig, da offenbar die informellen Institutionen ausreichen. Im Rückschluss aus dem hier vertretenen Auslegungsergebnis bedeutet dies, dass die Auskunftserteilung nach der Konzeption des Gesetzgebers regelmäßig zulässig ist. Voraussetzung für die Weitergabe ist, dass sichergestellt bleibt, dass diese Informationen beim Empfänger als vertraulich behandelt und nicht zum Nachteil der sie preisgebenden Kapitalgesellschaft genutzt werden.124 Folglich liegt es nahe, eine Metakommunikation zu führen, durch die die Voraussetzungen und die Art und Weise des konzernweiten Informationsflusses festgelegt werden. 125 Im deutschen Recht sind einschränkend die §§ 311 ff. AktG zu berücksichtigen, die bei der reinen Informationsweitergabe regelmäßig problemlos sind. Nur vereinzelt werden dagegen potenzielle Interessenkollisionen angeführt, die eine Informationsweitergabe aus Sicht des Tochterunternehmens im faktischen AG-Konzern verböten. 126 Der Sache nach handelt es sich bei derartigen Vorbehalten aber nicht um eine Einschränkung des Informationsflusses, sondern um Ausflüsse aktiver Kooperation im Konzern. Soweit beispielsweise Forschungsergebnisse weitergereicht werden sollen, sind die im Tochterunternehmen entstandenen Kosten und die Gefahr ihrer aus Sicht des Tochterunternehmens wertmindernden Verwendung durch andere zu berücksichtigen. Diese Fragen werden später diskutiert.127

III. Notwendige Beschränkung des Informationsflusses Eine Einschränkung der generellen Zulässigkeit der Informationsweitergabe durch Tochterunternehmen könnte sich in Deutschland allerdings aus § 131 IV AktG ergeben, wenn das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft firmiert. Nach dieser Vorschrift muss eine Aktiengesellschaft in ihrer Hauptversammlung den Aktionären auf Nachfrage alle Informationen weitergeben,

122

Bsp.: §§90 III, 131 I 2, 337 II, IV AktG. Semler, Leitung und Überwachung, Rn 299-301. 124 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 115. 125 Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 98. 126 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 112 ff. 127 Vgl. unten: Teil 4 B.I.4., Seite 158. 123

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Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

die sie einem anderen Aktionär aufgrund dessen Stellung als Aktionär gegeben hat. Viele Informationen von Tochterunternehmen, die für die Konzernobergesellschaft Bedeutung haben, würden aber entwertet oder würden das Tochterunternehmen sonst benachteiligen, wenn sie veröffentlicht werden müssten. Um diesem Problem zu entgehen, wird regelmäßig angenommen, dass die Konzernobergesellschaft Informationen nicht aufgrund der Stellung als Anteilseigner, sondern aufgrund des Konzernverhältnisses bekommt. Die Regelung des § 131 IV AktG sei deshalb nicht einschlägig. 128 Dieses Auslegungsergebnis wird nur vereinzelt dogmatisch begründet. Dann wird angeführt, dass für eine einheitliche Leitung im Sinne des § 18 AktG die Aktionärseigenschaft gerade nicht konstitutiv sei und folglich die Informationsweitergabe im Konzern auf einer anderen Grundlage erfolge. 129 Allerdings wird innerhalb dieser Meinung dennoch häufig die Anwendbarkeit von § 131 IV AktG angenommen, wenn ein reines Abhängigkeitsverhältnis nach § 17 AktG vorliegt 130, obwohl auch dieses keine Aktionärseigenschaft voraussetzt. Dann trägt aber die dogmatische Begründung in Bezug auf § 18 AktG nicht. Zudem sollen nach einer verbreiteten – wenn auch fraglichen – Ansicht für die §§ 17 ff. AktG rein tatsächliche Umstände wie Lieferantenbeziehungen gerade nicht ausreichend sein. Folglich geht es bei der Anwendung dieser Vorschriften praktisch immer um Fälle der Ausübung von Mitgliedschaftsrechten und damit um Anteilsbesitz. 131 Dann aber trägt die genannte dogmatische Begründung zum Ausschluss des § 131 IV AktG nicht. Weiterhin erscheint es zweifelhaft, ob die §§ 15 ff. AktG als Definitionsnormen überhaupt geeignet sind, Rückschlüsse auf materielle Rechtsverhältnisse zuzulassen. Ein bisher nicht erörtertes Folgeproblem der Annahme, § 131 IV AktG gelte nicht in Konzernverhältnissen im Sinne von § 18 AktG, liegt in der Funktion der §§ 17 II, 18 I 3 AktG. Es wäre zu klären, ob die Vermutungsregeln dieser Vorschriften anwendbar sind, wenn unter Verweis auf das Konzernierungsverhältnis ein Auskunftsanspruch aus § 131 IV AktG abgelehnt werden könnte. Das Problem liegt darin, dass ein außenstehender Aktionär eines nicht abhängigen aber verbundenen Tochterunternehmens bzw. eines verbundenen, aber

128

Ebenroth, Auskunftsrecht des Aktionärs, 101; H. Götz, ZGR 1998, 524 (528); Hüffer, AktG, §131 Rn 38; Kropff, DB 1967, 2204 (2205); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (481); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 304, 309. 129 Seifert, AG 1967, 1 (3). 130 Ebenroth, Auskunftsrecht des Aktionärs, 101; Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 214; Traugott, BB 2001, 2277 (2279). 131 Einsele, ZGR 1996, 40 (44).

B. Tochterunternehmen

97

nicht konzernierten Tochterunternehmens, der sich auf § 131 IV AktG beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen konkret darlegen muss.132 Sollten die Vermutungsregeln greifen, müsste der Minderheitsaktionär des Tochterunternehmens, der sich auf den Auskunftsanspruch berufen möchte, beweisen, dass der Mehrheitsaktionär sich trotz Mehrheitsbesitzes nicht in die Geschäfte des abhängigen Unternehmens (§ 17 AktG) einmischt bzw. nicht einmischen kann. Der Minderheitsaktionär des Tochterunternehmens müsste detaillierte Aussagen über die relationale Beziehung zwischen Tochterunternehmen und Konzernobergesellschaft referieren, ohne über diese Beziehung ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der Minderheitsaktionär kann sich nicht einmal auf den Abhängigkeitsbericht nach § 312 AktG berufen, da dieser ihm nicht zugänglich ist. Dies alles zeigt, dass der Verweis auf ein abstraktes Konzernierungsverhältnis im Sinne der §§ 15 ff. AktG nicht trägt, um den Anspruch aus § 131 IV AktG abzulehnen. Nach einer anderen Auffassung soll das Sonderverhältnis der §§ 311, 317 AktG beim faktischen AG-Konzern die Nichtanwendbarkeit des § 131 IV AktG begründen.133 Der Sache nach gleicht diese Meinung aber der Begründung mit §§ 15 ff. AktG, da sobald ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne des § 17 AktG vorliegt, die §§ 311 ff. AktG einschlägig sind, die das angebliche Sonderverhältnis begründen. Es gilt daher das oben Gesagte. Eine wichtige Funktion der Informationsweitergabe in deutschen Konzernen liegt darin, das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft in die Lage zu versetzen, ein Frühwarnsystem nach § 91 II AktG einrichten zu können.134 Diese Informationsbeschaffungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft begründet sich mit der Höhe der Investitionen in die Tochterunternehmen. Sie fußt typischerweise auf der Stellung als (Groß-) Aktionär. Eine Anwendung von § 131 IV AktG liegt deshalb nahe. Allenfalls durch teleologische Reduktion der Vorschrift könnte die Anwendung ggf. verhindert werden. Es könnte beispielsweise darauf verwiesen werden, dass § 131 IV AktG mit der Reform 1965 als Konkretisierung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots (§ 53a AktG) eingeführt wurde. 135 Folglich könnte § 131 IV AktG dann unanwendbar sein, wenn ein sachlicher Differenzierungsgrund, wie ihn § 53a AktG vorsieht („unter gleichen Voraussetzun-

132

Decher, ZHR 158 (1994) 473 (481 f.); Seifert, AG 1967, 1 (2). Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 127 f. 134 Vgl. oben Teil 3 A.I., Seite 63. 135 Vgl.: RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 187; Seifert, AG 1967, 1 (1). 133

98

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

gen“), die einseitige Informationsweitergabe nur an die Konzernobergesellschaft gestattet. Da der Konzernobergesellschaft eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines konzernweiten Frühwarnsystems obliegt, könnte eine Ungleichbehandlung im Vergleich zum Minderheitsaktionär gerechtfertigt sein. 136 Es erscheint aber bereits fraglich, ob § 131 IV AktG in gleichem Umfang wie der allgemeine Gleichheitssatz bei Vorliegen eines sachlichen Differenzierungsgrundes eingeschränkt werden kann. In Bezug auf Informationen, die der Konzernobergesellschaft zum Aufbau des Frühwarnsystems nach § 91 II AktG zur Verfügung gestellt werden, geht es ohnehin allein darum, die Investitionen der Konzernobergesellschaft zu überwachen. Die Überwachung eigener Investitionen erfolgt aufgrund der Stellung als Aktionär. Das gleiche Informationsbedürfnis hat jeder andere Anleger auch.137 Selbst wenn ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Ablehnung des Anspruchs aus § 131 IV AktG ausreichte, liegt dieser also nicht vor. Für ein Frühwarnsystem nach § 91 II AktG reicht – wie dargestellt – eine periodische Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva des Tochterunternehmens aus. 138 An diesen Informationen hat jeder Aktionär ein berechtigtes Interesse. Werden diese Informationen weitergegeben, so ist die Konzernobergesellschaft bei Anwendung des § 131 IV AktG sogar privilegiert. Allen anderen Aktionären steht der Auskunftsanspruch aus § 131 IV AktG erst in der nächsten Hauptversammlung zu, auch wenn die Informationen lange vorher weitergegeben werden. 139 Folglich muss das Tochterunternehmen auf Verlangen eines Minderheitsaktionärs in der Hauptversammlung alle Informationen an die Aktionäre weitergeben, die es an die Konzernobergesellschaft zum Aufbau des Frühwarnsystems nach § 91 II AktG gegeben hat. Das gleiche gilt für sonstige Informationen, die zur Überwachung der Rentabilität weitergegeben werden. Sollte das Tochterunternehmen börsennotiert sein und keine – konkludente – Verschwiegenheitserklärung vorliegen, so wäre das Tochterunternehmen nach § 15 I 3 WpHG sogar zur sofortigen Veröffentlichung der weitergereichten Informationen verpflichtet. Das Fehlen einer wenigstens konkludent abgeschlossenen Vertraulichkeitsabrede ist aber auszuschließen.

136

Decher, ZHR 158 (1994) 473 (484); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 304 – Beide treten für jegliche Informationsweitergabe an die Konzernobergesellschaft ohne Differenzierung in Bezug auf das Frühwarnsystem nach §91 II AktG ein. 137 Banerjea, ZIP 2003, 1730 (1733 – kritisiert mit dem gleichen Argument die h.M. beim Insiderrecht). 138 Vgl. oben: Teil 3 A.I., Seite 65. 139 Seifert, AG 1967, 1 (1).

B. Tochterunternehmen

99

Etwas anderes gilt für sonstige Fallgruppen des Informationsaustausches in Konzernen. Informationen von den Tochterunternehmen sollten – wie bereits dargestellt – an die Konzernobergesellschaft nur zweckgerichtet weitergegeben werden, beispielsweise um eine konkrete Leitungsentscheidung zu ermöglichen, um Synergiepotentiale auszunutzen oder sonst die aktive Kooperation mit und zwischen den verschiedenen Tochterunternehmen zu erleichtern. 140 In diesen Fällen der Informationsweitergabe ist es inhaltlich gerechtfertigt und teilweise zwingend erforderlich, Informationen nicht auch allen außenstehenden Anteilseignern mitzuteilen. 141 Ein solcher zweckgebundener Informationsaustausch, der die aktive unternehmerische Kooperation begünstigen oder ermöglichen soll, erfolgt allenfalls mittelbar aufgrund der Stellung der Konzernobergesellschaft als Aktionär des Tochterunternehmens. Unmittelbares Ziel des Informationsaustausches ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Liegt der Grund des Informationsaustausches aber in einem anderen Verhältnis als dem des Anteilseigners, ist § 131 IV AktG nicht anwendbar. Im Einzelnen sind folgende Fallgruppen zu unterscheiden: Beim Beherrschungsvertrag liegt der Rechtsgrund für die Auskunftspflichten im Weisungsrecht und ist zudem meist ausdrücklich im Organisationsvertrag verankert. 142 Im faktischen AG-Konzern erfolgt eine solche Informationsweitergabe aufgrund einer konkreten Absprache. In beiden Fällen ist somit die Feststellung zutreffend, dass die Auskünfte nicht aufgrund der „Eigenschaft als Aktionär“ erfolgt sind, sondern aufgrund einer anderen Rechtsbeziehung. Obwohl diese Beziehung aufgrund der Aktionärseigenschaft begründet sein mag, ist sie dogmatisch von ihr zu trennen. Entgegen einer verbreiteten Meinung liegt dies nicht an einem abstrakten Leitungsverhältnis, das über die Definition in §§ 17 oder 18 AktG angenommen wird, sondern erfolgt im Einzelfall aufgrund eines konkreten Unternehmensvertrags (§§ 291 f. AktG) oder einer sonstigen konkreten Absprache. Letztere ist an §§ 311 ff. AktG zu messen. Zusammenfassend muss bei der Anwendbarkeit von § 131 IV AktG bei Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft danach differenziert werden, ob die Informationen zum Aufbau einer konkreten konzernweiten Kooperation weitergegeben werden oder zur Kontrolle des Tochterunternehmens und damit zur Überprüfung der Werthaltigkeit der Investitionen der Konzernobergesellschaft. Letztere erfolgen aufgrund der Stellung als Aktionär und

140

Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. BVerfGE 14, 263 (283); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 263-265. 142 Decher, ZHR 158 (1994) 473 ( 480 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 125 f. 141

100

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

führen zu einer Veröffentlichungspflicht nach § 131 IV AktG. Solche Informationen sollte ein Tochterunternehmen nur an die Konzernobergesellschaft weitergeben, wenn sie auch im Rahmen der nächsten Hauptversammlung veröffentlicht werden können. Eine vergleichbare Problematik könnte sich in Australien aus der Oppression Remedy ergeben, die in Teil 2F.1 Corporations Act kodifiziert ist.143 Danach kann die ungerechtfertigte Benachteiligung von Akteuren in einer Kapitalgesellschaft in Folge von unternehmensbezogenen Maßnahmen (Company’s Affairs) ausgeglichen werden. Der Begriff „Affair“ ist in s 53 Corporations Act definiert und wird sehr weit interpretiert. 144 Er umfasst Maßnahmen innerhalb der Kapitalgesellschaft und Maßnahmen von unmittelbar oder mittelbar verbundenen Personen. 145 Sollte eine ungerechtfertigte Benachteiligung im Sinne der Oppression Remedy vorliegen, steht eine Reihe von Ausgleichsmöglichkeiten zur Verfügung.146 Nahe liegend wäre das Verbot weiterer Informationsweitergabe oder ein Gebot zur allgemeinen Veröffentlichung. Bei strukturellen und planmäßigen Benachteiligungen von außenstehenden Anteilseignern ist an Schadensersatz und Abfindungsansprüche zu denken. 147 Die Oppression Remedy ist aber nicht einschlägig, wenn eine unterschiedliche Behandlung der Akteure sich nicht benachteiligend auswirkt. Die Konzernobergesellschaft ist nach ss 588V ff. Corporations Act verpflichtet, die Liquidität der Tochterunternehmen zu überwachen. 148 Der Corporations Act statuiert mit der Verpflichtung zur Liquiditätsüberwachung eine Sorgfaltspflicht der Konzernobergesellschaft gegenüber den Akteuren im Tochterunternehmen. Diese Akteure sind deshalb bei einer mit ss 588V ff. Corporations Act begründeten Informationsweitergabe nicht benachteiligt. Sollten die Informationen dagegen an die Konzernobergesellschaft nur gelangen, damit diese ihre eigenen Investitionen besser überwachen kann, liegt eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Der wesentliche Unterschied zur deutschen Regelung liegt erneut in der Zweckrichtung des Frühwarnsystems.

143

Vgl. unten: Teil 4 B.II.3., Seite 186. Raymond v Cook (1998) 29 ACSR 252 (263 – Pincus, Thomas JJ); ASC v Lucas (1992) 7 ACSR 676 (694-695 – Drummond J). 145 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [11.445]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 414. 146 Hill, C&SLJ 10 (1992) 86 (97); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 420-421. 147 Vgl. unten: Teil 4 B.II.3., Seite 186. 148 Vgl. oben Teil 3 A.I., Seite 63. 144

C. Ergebnis und Schlussfolgerungen

101

In Australien ist schließlich wie in Deutschland auch dann die Informationsweitergabe an die Konzernobergesellschaft unbedenklich, wenn Informationen an diese aus anderen Gründen im Rahmen der aktiven Kooperation zweckgerichtet weitergegeben werden. Grundsätzlich folgen aus der Oppression Remedy keine Einschränkungen der Zulässigkeit eines konzernweiten Informationsmanagements.

C. Ergebnis und Schlussfolgerungen Zusammenfassend ist für die Betrachtung der Corporate-Governance-Regeln in Bezug auf den Informationsaustausch zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen festzustellen, dass eine pauschale, umfassende Informationsabfrage und -weitergabe regelmäßig nicht erforderlich ist, sondern zweckwidrig wäre. Die Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft sind verpflichtet, sich Informationen von den Tochterunternehmen für die Konzernrechnungslegung zu beschaffen. In Australien und in Deutschland wird der Konzernobergesellschaft oder den in ihr handelnden Akteuren darüber hinaus aufgegeben, sich unter in beiden Staaten unterschiedlichen Voraussetzungen über die Finanzdeckung von Tochterunternehmen zu informieren. In Australien muss in der Konzernobergesellschaft die Solvenz der einzelnen Tochterunternehmen unabhängig von deren wirtschaftlicher Bedeutung für die Konzernobergesellschaft, allerdings in Abhängigkeit von der Enge der tatsächlich ausgeübten Kontrolle, überwacht werden. In Deutschland sind die Organwalter des Geschäftsführungsorgans nur verpflichtet, ein konzernweites Frühwarnsystem zur Erkennung von Entwicklungen, die den Fortbestand der Konzernobergesellschaft gefährden können, aufzubauen. Eine solche Entwicklung kann allerdings früher als der australische Insolvenztatbestand eintreten. Diese Regeln erfordern in beiden Staaten keine detaillierte Überwachung einzelner Maßnahmen in den Tochterunternehmen. Eine periodische Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva und ein Bericht über die wirtschaftliche Lage der Kapitalgesellschaft sind ausreichend. In Australien und in deutschen faktischen AG-Konzernen besteht kein umfassender Auskunftsanspruch der Konzernobergesellschaft gegenüber Tochterunternehmen. Dem kann durch vertragliche Verpflichtungserklärungen vorgebeugt werden. Tatsächlich leiten aber die Akteure in den Tochterunternehmen freiwillig Informationen auch ohne formale Absprachen weiter, so dass es einer Formalisierung nicht bedarf. Die Organwalter in der Konzernobergesellschaft können sich weitgehend auf die Überwachung der relevanten Organe (Board, Aufsichtsrat bzw. Geschäfts-

102

Teil 3 : Informationsabfrage und -weitergabe

führer) des Tochterunternehmens beschränken. Neben der Konzernrechnungslegung und dem Frühwarnsystem ist es nur geboten, sich allgemein über die Rentabilität der Investitionen der Konzernobergesellschaft in die Tochterunternehmen zu informieren. Die dafür notwendigen Informationen gehen kaum über das hinaus, was ohnehin für die Konzernrechnungslegung und das Frühwarnsystem erforderlich ist. Ist ein Tochterunternehmen eine faktisch konzernierte Aktiengesellschaft, können deren Minderheitenaktionäre in der Hauptversammlung verlangen, die der Konzernobergesellschaft für das Frühwarnsystem und für die Rentabilitätsüberwachung zur Verfügung gestellten Informationen zu erhalten. Folglich muss in diesen Fällen der Informationsfluss besonders vorsichtig erfolgen, um die Wettbewerbsstellung des Tochterunternehmens durch eine solche Veröffentlichungspflicht nicht zu gefährden. Soweit die Konzernobergesellschaft durch Informationsweitergabe aus den Tochterunternehmen privilegiert wird, knüpfen sich daran allerdings besondere Pflichten, vor allem das Insiderhandelsverbot. Um negative Folgen zu vermeiden, müssen die Akteure in der Konzernobergesellschaft den Informationsfluss begrenzen und dürfen Informationen nur unter Vorbehalt empfangen. Weiterhin ist die Kostenentwicklung zu berücksichtigen. Aufgrund der Existenz von Transaktionskosten verursacht die Produktion, Auswertung und Weitergabe von Informationen Kosten. Deshalb kommt allenfalls eine eingeschränkte Informationsweitergabe in Betracht. Aus Sicht der Konzernobergesellschaft ist es geboten, die allgemeine konzernweite Informationsbeschaffung am konkreten sachlichen Bedarf für die im Einzelfall geplanten Kooperationsmaßnahmen auszurichten, statt sich pauschal über alle wesentlichen Vorgänge in den Tochterunternehmen zu informieren. Ein konzernweites Informationssystem muss so angelegt werden, dass potenzielle Informationspathologien erkannt und reduziert werden. 149 Verzerrungen aufgrund von Verständigungsproblemen und beschränkter Rationalität sind zu berücksichtigen. 150 Der Gefahr, dass die Akteure in den einzelnen Kapitalgesellschaften subjektiv ein erhöhtes Informationsbedürfnis haben, ist durch eine Metakommunikation entgegenzuwirken. Ein konzernweites Informationssystem muss darauf abgestimmt sein, den objektiven Informationsbedarf anhand

149

Übersicht: Schoppek, in: Schreyögg/Werder v., Handwörterbuch der Organisation, 490 (494 f.). 150 Semler, in: Lutter, Holding-Handbuch, §5, Rz 59 ff.; Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 138 f.

C. Ergebnis und Schlussfolgerungen

103

der zu erfüllenden Aufgabenstellung zu ermitteln sowie zu vermeiden, dass subjektive Einschätzungen des Informationsbedarfs vom objektiven Bedarf abweichen. Insgesamt ist das Angebot von Informationen darauf auszurichten, dass ihr pragmatischer Inhalt den objektiven Informationsbedarf befriedigt. 151 Ein umfassender Informationsaustausch führte nur zu höheren Kosten durch überflüssige Prozesse in der Informationsgewinnung, -weiterleitung und -verarbeitung. Aus Sicht der Organwalter des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft mag es zweckdienlich erscheinen, durch ein besonders hohes Maß an Informationsbeschaffung den Anschein hoher Qualität der eigenen Entscheidungsfindung und der getroffenen unternehmerischen Maßnahmen zu suggerieren. Damit können sie eigene Handlungen besser rechtfertigen. Auch kann ein erhöhtes Maß an Informationsaustausch Vertrauen und Kooperationsbereitschaft zwischen den Akteuren maßgebend erleichtern. 152 Die Akteure in Tochterunternehmen stehen regelmäßig vor dem Dilemma, sich Wünschen von Akteuren aus der Konzernobergesellschaft nicht entziehen zu können. Insgesamt liegt deshalb der Schluss nahe, dass tatsächlich mehr Informationen konzernweit ausgetauscht werden, als dies im Sinne einer KostenNutzen-Analyse geboten wäre. Die vorgestellte Regulierung schafft für die handelnden Akteure in den beteiligten Kapitalgesellschaften, denen der residuale Gewinn allenfalls in beschränktem Umfang zu Teil wird, kaum Anreize, den Informationsfluss tatsächlich auf das für die Kooperation erforderliche Maß zu begrenzen.

151 152

Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 81 ff. Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 79, 128.

Teil 4

Aktive Koordination In Teil 3 wurde festgestellt, dass ein konzernweiter Informationsaustausch weitgehend nur dann angemessen ist, wenn er konkreten Koordinationsanliegen zwischen verschiedenen Teilen der Organisation dient. Daraus ergibt sich die Frage, in welchem Umfang die Corporate Governance zwischen der Konzernobergesellschaft und den Tochterunternehmen in Australien und in Deutschland eine aktive Kooperation begünstigt und auf welche Weise diese Kooperation herbeigeführt werden sollte. Bei jeder Form der Konzernorganisation kommt es zu Kooperation zwischen den Tochterunternehmen und zwischen diesen und der Konzernobergesellschaft. Ohne sie wäre das Aufrechterhalten eines Konzerns nicht zu rechtfertigen. 1 Das Ausnutzen von Kooperationsvorteilen durch intensive Zusammenarbeit der Akteure unterschiedlicher Kapitalgesellschaften gibt es seit Entstehen moderner Kapitalgesellschaften. Der Aufbau einer gemeinsamen Finanzplanung und die Koordination des industriellen Managements (Produktplanung, Logistik, Entwicklung, interne Kommunikation, …) zwischen den Kapitalgesellschaften innerhalb eines Konzerns wird beispielsweise bereits aus den 1920er und 1930er Jahren berichtet. 2 Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften ist aber nicht immer, sondern nur dann angemessen, wenn damit eine Ergebnissteigerung erzielt werden kann. 3 Kooperation verursacht immer auch Transaktionskosten. Häufig können prognostizierte Kostenvorteile durch gemeinsames Wirtschaften im Konzern nicht oder nur begrenzt nutzbar gemacht werden.4 In diesem Teil der Arbeit wird die Wirkungsweise von Regulierung in Australien und in Deutschland auf die Ausgestaltung der Corporate Governance

1

MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 21; Porter, Wettbewerbsvorteile, 409-411; Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (33). 2 Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (196). 3 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 70. 4 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (47); H. Götz, ZGR 1998, 524 (528 f.); Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (28).

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft

105

zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen in Bezug auf die Herbeiführung aktiver konzernweiter Kooperation untersucht. Dafür sind die relevanten Kosteneffekte zu berücksichtigen, die beim Zusammenwirken der Kapitalgesellschaften entstehen. Den Vorteilen sind die Kosten der jeweiligen Kooperationsstruktur gegenüberzustellen. 5 Es stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen es auf der Grundlage der bestehenden Regulierung für die Akteure in den Kapitalgesellschaften angebracht ist, eine aktive Kooperation der Konzernobergesellschaft mit den Tochterunternehmen und zwischen den Tochterunternehmen herbeizuführen. Wird der Aufbau einer Infrastruktur begünstigt, die eine Kooperation zwischen den Akteuren in unterschiedlichen Kapitalgesellschaften eines Konzerns ermöglicht, die den Erfolg steigert? Entscheidend ist dabei die Grenzziehung zwischen Konzern und Netzwerk. Wie dezentral kann ein Konzern organisiert werden? Auch in dezentral geführten Konzernen existieren Anreize für die Konzernspitze, bestimmte Parameter – insbesondere finanzielle – zu koordinieren. Wird das nicht angestrebt, steht als Alternative zum Konzern die Verbundstruktur des Netzwerks zur Verfügung. Den Ausgangspunkt für die Untersuchung dieser Fragestellungen bilden die allgemeinen Gestaltungsrechte und -pflichten des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft (A.). Anschließend ist zu klären, ob Regulierung in Bezug auf die Konzernobergesellschaft durch Ge- und Verbote oder durch die Zuweisung von Haftungsrisiken Restriktionen für die Kooperation entfaltet (B.). Schließlich werden die Handlungs- und Verfügungsrechte, die die Akteure in den Tochterunternehmen binden, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die konzerninterne Kooperation untersucht (C.). In der Zusammenschau dieser drei Aspekte sollen schließlich Anforderungen an das rechtliche Regelwerk bei der Ausgestaltung der Corporate Governance in Konzernen unter dem Aspekt ökonomisch sinnvoller Organisationsgestaltung erarbeitet werden (D.).

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft In Konzernen könnte es die Aufgabe der Akteure in der Konzernobergesellschaft sein, eine Infrastruktur aufzubauen, die eine erfolgreiche Kooperation zu und zwischen den einzelnen Tochterunternehmen begünstigt. Auch Probleme des kollektiven Handelns könnten dadurch gesenkt werden, dass die individuellen Handlungen der Akteure in den Tochterunternehmen beschränkt werden und eine Delegation auf das Kollektivinteresse verpflichteter Dritter in der

5

Gleissner, Konzernmanagement, 44 ff.; Porter, Wettbewerbsvorteile, 426.

106

Teil 4 : Aktive Koordination

Konzernobergesellschaft erfolgt. Weiterhin können Verhandlungskosten gesenkt werden, indem der Kreis der Agenten, der in der Konzernpolitik mitwirkt, durch Delegation an eine zentrale Koordinierungsstelle eingeschränkt wird. Im Einzelfall kann es die Aufgabe der Delegaten sein, ertragssteigernde Koordination zu erzwingen oder unprofitable Kooperation zu verbieten. Sie können Impulse für den Aufbau eines bestimmten relationalen Beziehungsgeflechts zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften setzen. Bei Arbeitsteilung und Aufgabendelegation ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Delegaten beschränkt rational und opportunistisch handeln und dass die Delegation und die Maßnahmen der Delegaten ihrerseits Transaktionskosten (Verwaltungsund Bürokratiekosten) verursachen. Vor diesem Hintergrund ist zu untersuchen, welche Aufgaben in der Ausgestaltung der aktiven Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns den Akteuren in der Konzernobergesellschaft zukommen. Für die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und den Tochterunternehmen stellt sich die Frage, ob im Rahmen der dem Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen die Organwalter verpflichtet sind, in einem bestimmten Mindestmaß selbst die Kooperation der Tochterunternehmen herbeizuführen.

I. Konzernleitungsrecht In Australien und in Deutschland ist die Kooperation zwischen Kapitalgesellschaften eines Konzerns nicht verboten. Dem australischen Gesetzesrecht ist die grundsätzliche Billigung der Einflussnahme der Konzernobergesellschaft und ihrer Akteure auf Maßnahmen in den Tochterunternehmen zu entnehmen, z.B. ss 9 – Definition von Direktor und Officer, 50AA, 228 I, IV, 588V I Ziff.(d)(ii) Corporations Act. In Deutschland ist für den Beherrschungsvertrag und die Eingliederung ausdrücklich ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft normiert, §§ 308 I, 323 I AktG. Soweit kein Beherrschungsvertrag und keine Eingliederung vorliegen, das Tochterunternehmen aber dennoch als Aktiengesellschaft firmiert (faktischer AG-Konzern), ist eine Einflussnahme des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft nach Maßgabe der §§ 311 ff. AktG zulässig.6 Hier geht der weiter unten aufgegriffene Streit heute

6

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 113; MüKoAktG/Kropff Vor§311 Rn 4; Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (477); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 287; Timm, NJW 1987, 977 (983).

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft

107

nur noch darum, wie weit der Einfluss gehen darf (Grenzen der Konzernleitung im faktischen Konzern und Konzerneingangskontrolle),7 nicht aber darum, ob er überhaupt zulässig ist. Für den Regelfall in Deutschland, dass das Tochterunternehmen als GmbH firmiert, ist ein umfassendes Einflussnahmerecht der Konzernobergesellschaft in der Eigenschaft als Gesellschafter gegeben. Die Gesellschafter einer GmbH können aufgrund des Prinzips der Allzuständigkeit (§ 45 I GmbHG) sämtliche Maßnahmen der Geschäftsführung an sich ziehen und die Geschäftsführung muss auch ohne dies außergewöhnliche oder risikoreiche Maßnahmen von sich aus den Gesellschaftern vorlegen. 8 Folglich ist eine Leitung des Konzerns durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft nach australischem und nach deutschem Recht grundsätzlich zulässig.

II. Konzernleitungspflicht In der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen könnten die Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft zur Herstellung von Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften im Konzernverbund sogar verpflichtet sein. Das Bestehen einer solchen sog. „Konzernleitungspflicht“ ist nicht positiv normiert und kann sich in Australien und in Deutschland allenfalls aus dem allgemeinen Pflichtenkanon ergeben, an dem alle Maßnahmen der Organe gemessen werden.

1. Funktion der Sorgfaltspflichten Dabei ist zunächst auf die Funktion des Pflichtenkanons abzustellen. Durch die allgemeinen Pflichten der Organwalter in Kapitalgesellschaften werden die relationalen Beziehungen zwischen den Akteuren konkretisiert. Nach den bereits besprochenen Sorgfaltspflichten müssen die Organwalter allgemein die Interessen ihrer Prinzipale fördern und dürfen ihnen nicht schaden. 9 Die Anteilseigner können als Eigenkapitalgeber ihr Risiko durch Diversifikation der Anlage in verschiedene Organisationen mindern.10 Die Konzernober-

7

Vgl. unten: Teil 4 B.I.4., Seite 166. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 93. 9 Vgl. oben: Teil 3 A.II.2., Seite 71. 10 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 29; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 218. 8

108

Teil 4 : Aktive Koordination

gesellschaft selbst diversifiziert das unternehmerische Risiko unter anderem durch Bildung von mehreren Tochterunternehmen. Für die Bestimmung der Pflichten des Geschäftsführungsorgans kommt es darauf an, den Organwaltern Handlungsanreize zu schaffen, strukturelle (d.h. nicht diversifizierbare) Risiken zu minimieren, nicht aber das Gesamtrisiko ihrer Kapitalgesellschaft. Sie sollen unkalkulierbare Risiken nicht eingehen und die Kapitalgesellschaft nicht bewusst schädigen. Das Eingehen von sonstigen unternehmerischen Risiken ist dagegen erwünscht. 11 Für die Interpretation der Handlungs- und Sorgfaltspflichten der Organe ist zu beachten, dass aufgrund der eigenen, hohen spezifischen Investitionen die Organwalter von sich aus regelmäßig weniger risikofreudig sind, als dies von breit diversifizierten Eigenkapitalgebern gewünscht wird. 12 Um die Organwalter nicht durch höhere Pflichten vom Eingehen unternehmerischen Risikos abzuhalten, aber dennoch die notwendigen Lücken in der Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zu schließen, werden vor allem prozedurale Verhaltenspflichten aufgestellt. Durch sie soll sichergestellt werden, dass die Organe ihre Funktion erfüllen.13 Aufgrund dieser Einschränkungen und des Ausmaßes der teilweise auf dem Spiel stehenden Interessen kann aber weder die Kontrolle durch die Märkte, noch der allgemeine Pflichtenkanon umfassend gegen kriminelle Energien oder gegen Panikreaktionen vorbeugen. 14 Die Funktion des Pflichtenkanons ist darauf beschränkt, äußere Schranken aufzuweisen, indem sie Unsorgfalt normiert, ohne alle Kautelen von Sorgfalt definieren zu können.15 Infolge dieser Erwägungen kommt eine allgemeine Konzernleitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft, die sich aus den allgemeinen Pflichten der Organwalter ableitet, nur in Betracht, wenn jede Art der Nichtleitung stets als nicht mehr vertretbar und sorgfaltswidrig einzustufen ist. In der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen und in der Bestimmung der eigenen Aufgaben bei dieser Ausgestaltung sind die Organe grundsätzlich frei. Nur ausnahmsweise ist das Unterlassen einer bestimmten aktiven Maßnahme sorgfaltswidrig.

11

BGHZ 135, 244 (249); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 228. Zimmermann, DB 2001, 289 (291). 13 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 30; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 232, 275. 14 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 15; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 150. 15 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 233 f. 12

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft

109

2. Australien Direktoren müssen in ihren Entscheidungen immer die Interessen der rechtlichen Einheit (Interests of the Company) beachten, für die sie als Organe bestellt sind. 16 Die Rechtsfigur „Interests of the Company“ wird sowohl im Corporations Act als auch im Common Law gebraucht. Sie ist weit auszulegen.17 In Australien bestehen Zweifel an der genauen Auslegung dieses Begriffs für Konzernsachverhalte. Diese betreffen aber ausschließlich die Frage, unter welchen Bedingungen das Board von Tochterunternehmen sich in den Entscheidungen an übergeordneten Interessen der Konzernobergesellschaft orientieren darf. 18 Für die Bestimmung des Handlungsspielraums der Akteure in der Konzernobergesellschaft ergeben sich aus dem Fallrecht keine Hinweise. Bestimmte Strukturvorgaben für die konzernweite Corporate Governance lassen sich aus dem allgemeinen Pflichtenkanon nicht ableiten. 19 Ursprünglich kannte das Recht in Australien überhaupt keine positiven Handlungspflichten für Direktoren und Officer. Das Common Law 20 stellte darauf ab, dass die Direktoren unmittelbar von den Anteilseignern als Treuhänder gewählt wurden. Die Anteilseigner sollten die Konsequenzen ihrer eigenen schlechten Auswahlentscheidung nicht den Direktoren anlasten können. Unternehmerische Fehlentscheidungen, unzureichende Kontrolle über die Angelegenheiten der Gesellschaft und auch uneingeschränkte Aufgabendelegation an Dritte stellten ursprünglich keine Pflichtverletzung dar.21 Die einzige Anforderung an die Direktoren bestand darin, dass sie selbst gutgläubig handeln mussten. 22 Diese Rechtsauffassung ist auf die laissez-faire Politik des 19. Jahrhunderts in Großbritannien zurückzuführen. Ihr lag die Überzeugung zugrunde, dass der Staat und damit auch die Gerichte sich nicht in Angelegenheiten der

16

Section 181 I Corporations Act; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Princip les of Corporations Law, [8.070, 8.080]. 17 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (219). 18 Vgl. unten: Teil 4 C.I., Seite 206. 19 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (221). 20 Abgrenzung zum General Law und zum Law of Equity: Teil 3 A.II.2., Seite 71. 21 Re City Equitable Fire Insurance Company Ltd [1925] Ch 407 (429 – Romer J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (658-659 – Clarke, Sheller JJA); Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (561-564). 22 Cilliers, AJCL 13 (2001) LEXIS 8, 4-6.

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Teil 4 : Aktive Koordination

Wirtschaft einmischen sollten. Kontrolle der Direktoren und Officer könne angemessen nur durch die Anteilseigner selbst erfolgen. 23 Auch heute ist die Überzeugung verbreitet, der Markt für Unternehmenskontrolle und die Peinlichkeit, Unternehmensziele zu verfehlen, trieben für sich genommen die relevanten Akteure hinreichend an, aktiv zu handeln und rationale Entscheidungen im Unternehmensinteresse zu treffen. 24 Auf der anderen Seite kann die abschreckende Wirkung persönlicher Haftung vielfach kostengünstig als Kontrollmechanismus eingesetzt werden.25 Inzwischen ist in Australien aber allgemein anerkannt, dass die Direktoren nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, aktiv in die Unternehmensleitung einzugreifen. Eine Aufgabendelegation ohne Kontrolle oder ein uneingeschränktes, unreflektiertes Vertrauen auf Urteile Dritter durch die Direktoren stellt deshalb einen Pflichtenverstoß dar. 26 Die ss 198A I 2.Alt., 198D Corporations Act zeigen, dass die Direktoren die Unternehmensgeschäfte nicht selbst zu führen brauchen, sondern sich weitgehend auf Delegation und Kontrollfunktionen zurückziehen können. Voraussetzung dafür ist, dass es keine Anzeichen für Missbrauch der delegierten Rechte gibt. 27 Die Direktoren müssen sich in jedem Fall angemessen über die Abläufe und über die grundlegende Entwicklung der Gesellschaft informieren, damit sie strukturelle Risiken erkennen und die Funktionsfähigkeit des Risikomanagements und der Kontrollmechanismen über delegierte Aufgabenbewältigung beurteilen können, ss 189, 190 Corporations Act. 28 Im Übrigen haben sie einen sehr weiten Ermessensspielraum in der Ausgestaltung der internen Corporate Governance. 29

23

Clarke, AJCL 12 (2000) 85 (96); Farrar, AJCL 8 (1998) 237 (243). Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (238). 25 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 7. 26 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (167 [372] – Santow J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (665 – Clarke Sheller JJA); Sheahan v Verco & Hodge (2001) 37 ACSR 117 (134 – Mulligan J); Bird/Hill, Brook J Int'l L 25 (1999) 555 (569); Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (219). 27 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 269. 28 Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (663-664 – Clarke Sheller JJA); Farrar, in: Ramsay, Corporate Governance and the Duties of Company Directors, 81 (86). 29 Mit Diskussionen zum inhaltsgleichen Common Law, ss 189, 190 Corporations Act und zur Business Judgment Rule: ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (168 [372] – Santow J); Baxt, C&SLJ 15 (1997) 326 (326); Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (236); De Mott, C&S LJ 16 (1998) 575 (577); Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 3; Wyatt, C&S LJ 16 (1998) 424 (439-440). 24

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111

Insgesamt kommt es in Australien nur in krassen Ausnahmefällen zu einem Pflichtenverstoß der Officer und Direktoren, wenn absolute Grenzen von Untätigkeit oder opportunistischem Verhalten überschritten sind. Immer noch wird verstärkt auf die Selbstregulierung durch die Märkte und durch die Anteilseigner vertraut. Erst recht steht den Direktoren der Konzernobergesellschaft ein weiter Ermessensspielraum in Bezug auf die Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zu den Tochterunternehmen zur Verfügung. Soweit ersichtlich, wird die Möglichkeit, dass sich die Direktoren und Officer der Konzernobergesellschaft in die Angelegenheiten der Tochterunternehmen zu einem gewissen Mindestmaß einmischen müssen, in der australischen Literatur und Rechtsprechung nicht diskutiert. Diskussionsgegenstand sind dagegen die Grenzen der zulässigen Einflussnahme und an Einflussnahme geknüpfte Rücksichtnahmepflichten der Konzernobergesellschaft und ihrer Akteure. In der Unternehmenspraxis besteht mitunter sogar die Tendenz, eine zielgerichtete Einflussnahme durch die Konzernobergesellschaft auf Tochterunternehmen zu unterlassen. Deshalb wird in Rechtsprechung und Literatur – unter anderem mit Verweis auf britische Rechtsprechung – betont, dass sich für Direktoren und Officer der Konzernobergesellschaft zumindest aus dem allgemeinen Pflichtenkanon keine besonderen Rücksichtsnahmepflichten gegenüber den Tochterunternehmen ergeben. 30 Folglich gibt es in Australien keine allgemeine Konzernleitungspflicht des Boards der Konzernobergesellschaft oder einzelner ihrer Direktoren, die bei der Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance zu berücksichtigen wäre. 3. Deutschland a) Historische Entwicklung der Diskussion und Würdigung Anders als in Australien wird in Deutschland seit 1982 (Hommelhoff) häufig eine Verpflichtung der Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft zur Konzernleitung angenommen. 31 In dieser Habilitationsschrift wurden erstmals umfassend die Pflichtenstellung der Akteure und die Auswirkungen der

30

Lindgren v L & P Estates Co Ltd [1968] 1 All ER 917 (922 – Harmann LJ); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (212). 31 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 178 f., 184, 315; ausführliche Besprechung bei: Kropff, ZGR 1984, 112.

112

Teil 4 : Aktive Koordination

Pflichten auf die Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften eines Konzerns untersucht. 32 Heute werden allgemein von Hommelhoffs Forderungen abweichende Regeln der Corporate Governance in Konzernen angenommen. 33 Dennoch ist seit damals die Meinung in der deutschen rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur verbreitet, dass eine generelle Verpflichtung des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft und seiner Organwalter bestehe, die relationalen Beziehungen zu und zwischen den Tochterunternehmen positiv zu regeln. Die Organwalter seien verpflichtet, die Strategien für die einzelnen Tochterunternehmen, die Management- und Kooperationsstruktur im Konzern, die Prioritäten in der Ressourcenallokation, die Kontrollmechanismen und die Personalpolitik konzernweit festzulegen. 34 Nach dieser Auffassung leiteten sich diese Pflichten aus der im Kernbereich nicht delegierbaren Verpflichtung zur Geschäftsleitung aller Angelegenheiten der Konzernobergesellschaft und aus dem Gesellschaftszweck ab.35 Leitung in diesem Sinne sind in erster Linie die Zielplanung, die Unternehmenskoordination, die Kontrolle und die Personalplanung. 36 Die Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft sowie das Organ als Ganzes müssten sich ständig in die Lage versetzen, Fehlentwicklungen und Marktveränderungen festzustellen und Anpassungen in den Tochterunternehmen einzuleiten. 37 Einschränkend ist zu beachten, dass in großen, international verzweigten Konzernen eine umfassende, zentrale Leitung

32

Von den vor Hommelhoffs Habilitation veröffentlichten Stellungnahmen zu Mindestanforderungen der Leitung an den Konzernvorstand war besonders einflussreich: Schwark, ZHR 142 (1978) 203. Zum heutigen Diskussionsstand: Werder, in: Albach, Konzernmanagement, 145 (158 ff.). 33 Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 571 (574); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 23 ff.; Scheffler, DB 1985, 2005 (2006); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (473); Schwark, DBW 47 (1987) 239 (240); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 316. 34 Decher, Personelle Verflechtungen, 46; Scheffler, DB 1985, 2005 (2005, 2007, 2009); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (473-475); Semler, in: Lutter, HoldingHandbuch, §5 Rz 5 ff.; Werder, DB 1999, 2221 (2222). 35 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 45 f., 315; Scheffler, DB 1985, 2005 (2005); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (726 f., 729); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 271; Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (217); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 27. 36 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §291 Rn 13. 37 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 184.

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aller Tochterunternehmen schon rein faktisch nicht möglich ist. Zumindest aber wären die Kosten dafür außerordentlich hoch. 38 Dezentral, weitgehend eigenständig wirtschaftende Tochterunternehmen sind häufig unumgänglich. Soweit eine generelle Konzernleitungspflicht angenommen wird, muss diese also teilweise auf eine grobe Rahmenplanung für die Tochterunternehmen reduziert werden.39 Erkennen Vertreter einer generellen Konzernleitungspflicht der Organwalter die Notwendigkeit der Differenzierung dieser Pflicht für große Konzerne an, wird regelmäßig nicht nach Hierarchieebenen 40, sondern entsprechend der Bedeutung des Tochterunternehmens für die Konzernobergesellschaft unterschieden. Das konkrete Ausmaß der Konzernleitungspflicht sei abhängig von der relativen Größe des Tochterunternehmens (Kapitaleinsatz der Konzernobergesellschaft) sowie seiner Ertrags- und Finanzkraft im Vergleich zu anderen Tochterunternehmen und zur Konzernobergesellschaft.41 Der Forderung nach einer Konzernleitungspflicht ist insofern zuzustimmen, als die Organwalter des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft planvoll vorgehen müssen, soweit sie Einfluss auf die Leitung und Führung von Tochterunternehmen ausüben. 42 Das heißt, dass auch Folgeprobleme von den Einfluss nehmenden Akteuren der Konzernobergesellschaft berücksichtigt werden müssen. Diese Folgeprobleme können Beschaffung, Fertigung, Absatz, Investitionen, Forschung und Entwicklung, Personal, Finanzen, Ergebnisplanung und Prioritätensetzung in der Allokation der Finanzmittel der Tochterunternehmen betreffen. 43 Dies ist aber eine Frage der Art und Weise der Einflussnahme und sagt nichts über die hier diskutierte Frage aus, ob eine Einflussnahme des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft bzw. einzelner seiner Akteure im Sinne einer Konzernleitung immer erfolgen muss. Auch ist einer generellen Konzernleitungspflicht der Organwalter der Konzernobergesellschaft zuzustimmen, wenn sie sich nur auf Aufgaben beschränkt, die die Tochterunternehmen nicht selber durchführen können. So wird verlangt, das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft müsse mindestens

38

Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 197. Decher, Personelle Verflechtungen, 60 f. 40 So aber: Martens, ZHR 159 (1995) 567 (577). 41 Scheffler, DB 1985, 2005 (2005). 42 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 114. 43 H. Götz, ZGR 1998, 524 (532). 39

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Teil 4 : Aktive Koordination

eine konzernweite Gesamtkonzeption oder Konzernpolitik aufbauen.44 Dem ist zuzustimmen, soweit sich diese Gesamtkonzeption auf die eigene Investitionspolitik bezieht. Natürlich ist es die Aufgabe des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft festzulegen, auf welche Weise die der Konzernobergesellschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen verteilt werden sollen, sei es innerhalb des Konzerns, innerhalb der Konzernobergesellschaft oder im Verhältnis zu Dritten. Selbstredend müssen im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft auch all die Entscheidungen getroffen werden, die nur in der Konzernobergesellschaft selbst getroffen werden können. Vertreter der Konzernleitungspflicht verbinden aber mit der Aufgabe, eine Gesamtkonzeption oder eine Konzernpolitik zu entwickeln, weiter gehende Handlungspflichten. So solle das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft als Ganzes fortwährend entscheiden, wie die Konzernpolitik zu gestalten sei und wie die Tochterunternehmen sich im Wettbewerb generell behaupten sollten (nachhaltige Existenzsicherung durch strategisches Management). Alle grundlegenden Entscheidungen – auch solche von Tochterunternehmen – müssten in der Hand des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft liegen.45 Zumindest käme ihm aber eine Richtlinienkompetenz zu, mit der es die Tochterunternehmen binde.46 Nach dieser Auffassung wird ein Mindestmaß an erforderlicher Kontrolldichte behauptet, das im Einzelfall sogar eine einheitliche Leitung im Sinne des § 18 AktG notwendig machen könne.47 Vereinzelt wird eine solch umfangreiche Konzernleitungspflicht mit einem Verweis auf §§ 17 f. AktG abgelehnt. Der Gesetzgeber gäbe mit diesen Vorschriften der Vorstellung Ausdruck, dass eine einheitliche Leitung möglich, aber nicht zwingend vorgesehen ist. Im Rückschluss müsse auch eine bloß faktische Konzernierung ohne einheitliche Leitung – also ohne Konzernleitung – zulässig sein.48 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Befürworter einer umfassenden Konzernleitungspflicht vielfach eine Konzernleitung auch im Rahmen des § 17 AktG für möglich halten, also ohne dass eine einheitliche Leitung im Sinne von § 18 AktG erfolgen muss. Das Gegenargument ist somit nicht stichhaltig.

44

Bühner, DBW 47 (1987) 40 (46); Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 571 (580); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 79; Scheffler, DB 1985, 2005 (2006); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 273. 45 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 178-179; Scheffler, DB 1985, 2005 (2009). 46 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (46). 47 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 273. 48 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 80 f.

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Dennoch kann der postulierten Konzernleitungspflicht, die die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen der Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft generell einschränken würde, nicht gefolgt werden. Gegen die Annahme einer allgemeinen Konzernleitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft ist einzuwenden, dass die §§ 76 f., 93 AktG, 35, 43 GmbHG von einem umfassenden Geschäftsleitungs- und -führungsrecht ausgehen, das konzernweit nicht möglich ist. Nach diesen Vorschriften darf einerseits das Geschäftsführungsorgan einen Großteil der Aufgaben in untere Unternehmensebenen delegieren. Es muss andererseits jederzeit dazu in der Lage sein, alle Angelegenheiten in der Kapitalgesellschaft wieder an sich zu ziehen. 49 Diese Anforderungen sind enger als die Delegationsbefugnis in Australien. Das Geschäftsführungsorgan in Deutschland führt stets die Geschäfte der eigenen Kapitalgesellschaft mittel- oder unmittelbar und darf diese nicht nur abstrakt leiten. Eine uneingeschränkte Übertragung von §§ 76 f. AktG für den Vorstand einer Aktiengesellschaft auf den Konzern als Ganzes vertrat ursprünglich Hommelhoff. Folgerichtig hielt er 1982 grundsätzlich nur eine zentralistische Konzernorganisation mit einer festen Hierarchie für geboten. 50 Die Aufgabendelegation an die Tochterunternehmen sei nur soweit zulässig, als deren Autonomie eingegrenzt und eine Führung durch das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft sowie deren Kontrolle durch das Aufsichtsorgan weiterhin gewährleistet sei.51 Teilweise wird deshalb die Schlussfolgerung gezogen, das bestehende Kapitalgesellschaftsrecht sei untauglich, bestehende globale Wirtschaftsstrukturen und die Corporate Governance großer Konzerne adäquat zu erfassen.52 Richtig ist dagegen, dass die fehlende Praxistauglichkeit einer spezifischen Gesetzesauslegung einer Generalklausel (§§ 76, 93 AktG, 35, 43 GmbHG) prima facie auf eine unrichtige Auslegung und nicht auf die Reformbedürftigkeit der Generalklausel hindeutet. Verbreitet ist heute die Forderung nach einer intensiven, aber nicht ganz so weitreichenden Konzernleitungspflicht, ohne dafür eine dogmatisch andere Begründung als §§ 76 f. AktG anzugeben. Entsprechend der zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit seien auch eine Konzernstruktur mit voneinander autonomen Sparten, eine weitgehende Aufgabendelegation und Dezentralisierung

49

Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 12, 23 ff. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 184 – eingeschränkt soweit die Konzernobergesellschaft als GmbH firmiert: 241. 51 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 165, 193, 196. 52 Enders, ZHR 163 (1999) 441 (448). 50

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Teil 4 : Aktive Koordination

möglich, soweit sich das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft als Kollegial noch immer mit den wichtigsten Angelegenheiten der Tochterunternehmen befasse. 53 In Konzernen verbliebe die Geschäftsführungsaufgabe bei den Tochterunternehmen und nur die Leitung läge in der Hand des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft. 54 Dieses Ergebnis erscheint aber fraglich, wenn sich die angebliche Konzernleitungspflicht tatsächlich aus den §§ 76 f., 93 AktG, 35, 43 GmbHG ergäbe, die sowohl Geschäftsführungs- als auch -leitungspflichten beinhalten. Eine Begründung, weshalb nur Geschäftsleitung nach § 76 AktG und nicht auch Geschäftsführung nach § 77 AktG konzernweit anzuwenden sein sollte, fehlt. Die Regelung in § 76 AktG reicht für sich genommen nicht aus, um eine Konzernleitungspflicht zu begründen. Gegen die Annahme einer Konzernleitungspflicht spricht weiterhin, dass sich nach dieser Auffassung die Aufgaben der Organe der Konzernobergesellschaft zumindest teilweise mit denen der entsprechenden Organe der Tochterunternehmen deckten. Vertreter einer Konzernleitungspflicht sehen vor allem die Notwendigkeit, dass das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft alle risikoreichen Maßnahmen billigen müsse, die auch die Finanz- und Ertragslage der Konzernobergesellschaft maßgebend beeinflussen können. In diesem Zusammenhang könne es sogar im Voraus Zustimmungsvorbehalte festlegen, wenn auch deren Wirkungsweise beschränkt ist. 55 Zuzustimmen ist dieser Annahme nur in ihrem Ausgangspunkt, nämlich darin, dass zur Leitungsaufgabe des Geschäftsführungsorgans die Bestandssicherung, das Risikomanagement und die Sorge für dauerhafte Rentabilität gehören. 56 Dementsprechend müssen die Organwalter des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergellschaft die Rentabilität der Konzernobergesellschaft sicherstellen. Dies führt aber zu keiner Konzernleitungspflicht. Jede Kapitalgesellschaft verfügt von Rechts wegen über ein Corporate-Governance-System, das Leitung und Kontrollfunktionen einschließt. 57 Dies gilt auch für Kapitalgesellschaften, die Tochterunternehmen einer Konzernobergesellschaft sind. Bei Annahme einer generellen Konzernleitungspflicht übernähme das

53

Kleindiek, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 571 (579); Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (208, 214, 216 f.); Schwark, DBW 47 (1987) 239 (240). 54 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 447. 55 H. Götz, ZGR 1998, 524 (538, 542 f.). 56 H. Götz, ZGR 1998, 524 (527). 57 Spethmann, zit. n. Bühner, DBW 47 (1987) 40 (45).

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Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft oder einzelne ihrer Organwalter Leitungsfunktionen, die die Regulierung auch innerhalb des Tochterunternehmens vorsieht. Aufgaben wären doppelt verteilt, was zusätzliche Kosten, nicht aber unbedingt tatsächliche Kooperation noch Kooperationsgewinne zur Folge hätte. Eine derartige Pflichteninterpretation wurde bereits im Rahmen der Diskussion von Informationsbeschaffungspflichten abgelehnt. 58 Die Konzernorganisation ist nicht mit einem großen Einheitsunternehmen vergleichbar. Tochterunternehmen verfügen zwingend über eigene Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane, deren Organwalter die Geschicke des Tochterunternehmens leiten und führen müssen. Das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft noch einzelne Organwalter sollen und dürfen regelmäßig nicht die Funktionen der Organe der Tochterunternehmen insgesamt übernehmen, noch mit der strategischen Planung den wichtigsten Teil davon. Dann aber verbleibt kein Raum für eine Konzernleitungspflicht. Wohl deshalb wird teilweise zwischen den Kontroll- bzw. Leitungspflichten der Organe des Tochterunternehmens und der Organe der Konzernobergesellschaft differenziert. Die Leitungs- und Kontrollpflicht sei stets auf die Eigeninteressen der jeweiligen Kapitalgesellschaft ausgerichtet. 59 Dem ist entgegenzuhalten, dass es bereits zweifelhaft ist, ob tatsächlich relevante Unterschiede zwischen den wirtschaftlichen Interessen der in einer Organisation verbundenen Kapitalgesellschaften bestehen. 60 Sollte es aber tatsächlich unterschiedliche Interessen zwischen Tochterunternehmen und Konzernobergesellschaft geben, würden die Organwalter des Geschäftsführungsorgans des Tochterunternehmens ihrerseits regelmäßig gegen ihre Pflichten verstoßen, wenn sie nicht interessengerechte Leitungsentscheidungen von Akteuren aus der Konzernobergesellschaft umsetzten. Eine Konzernleitungspflicht liefe dann leer. Die Annahme einer wie auch immer ausgestalteten Konzernleitungspflicht würde bedeuten, dass im Rahmen der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen den allgemeinen Pflichten der §§ 76, 93 AktG, 35, 43 GmbHG eine inhaltliche Beschränkung der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen bei der Ausgestaltung der Corporate Governance beigemessen wird. 61 Häufig wird beispielsweise gefordert, das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft dürfe keine

58

Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 76. 60 Vgl. unten: Teil 4 C.II., Seite 212. 61 So ausdrücklich: Martens, Festschrift Heinsius 523 (530). 59

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Teil 4 : Aktive Koordination

Struktur wählen, in der sich die Haftung der Organwalter auf Organisationsverschulden begrenze.62 Auch sei eine Corporate-Governance-Struktur unzulässig, in der das Geschäftsführungsorgan wesentliche Entscheidungen nicht mehr als Kollegialorgan fällen kann.63 Dem ist insofern zuzustimmen als eine reine Marktkontrolle der Organwalter ohne zusätzlichen Schutz durch festgelegte Handlungspflichten sich als nicht ausreichend erweisen kann. 64 Ließe sich daraus aber eine Konzernleitungspflicht ableiten, würden die Pflichten des Geschäftsführungsorgans daran ausgerichtet, im Falle von unternehmerischen Fehlentscheidungen einen schadensersatzpflichtigen Organwalter zur Verfügung zu stellen. Diese Annahme verkennt die Funktion der Organwalter in der Geschäftsführung. Sie liegt darin, als Agent der Prinzipale die Unternehmensziele zu verwirklichen. In Hinblick auf diese Aufgabe muss der Pflichtenkanon interpretiert werden, nicht aber in Hinblick auf das Bestehen eines Schadensersatzanspruches im Fall der Zielverfehlung. Die Kritik, dass der Konzernvorstand ohne Konzernleitungspflicht selbst entscheiden könne, inwiefern er seinen Aufgaben aus §§ 76 f., 93 AktG nachkommt65, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung jener Vorschriften. Es ist die primäre Aufgabe der Organwalter in der Konzernobergesellschaft zu entscheiden, auf welche Weise und durch welche Strukturentscheidungen die unternehmerischen Ziele erfolgreich erreicht werden können. Eine Handlungsverpflichtung kann sich nur ausnahmsweise, z.B. aus Haftungsrisiken für die Konzernobergesellschaft ergeben. 66 Eine solche Ausnahmesituation bei jeder Form der Einbindung von Tochterunternehmen in die Organisation anzunehmen, überzeugt nicht.

b) Schlussfolgerung Die Vorschriften der §§ 76 f., 93 AktG und 35, 43 GmbHG konkretisieren die relationale Beziehung zwischen Geschäftsführungsorgan und Konzernobergesellschaft. Es liegt nahe, bei ihrer Auslegung das Ergebnis zu suchen, das in einem hypothetischen, vollständigen Vertrag zwischen den Akteuren für die

62

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 197, 364; Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (210, 218 f.). 63 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (506 f., 510); Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (208, 216). 64 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (208). 65 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 364. 66 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 150; H. Götz, ZGR 1998, 524 (531).

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Pflichten des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft festgelegt worden wäre. Die Akteure in der Konzernobergesellschaft sollten von dem Ziel geleitet werden, den wirtschaftlichen Erfolg der eigenen Kapitalgesellschaft zu mehren, sei es in Form hoher Kapitalrentabilität, sei es in Form der Liquiditätserhaltung. 67 Entscheidend für die Handlungsbereitschaft der Akteure in der Konzernobergesellschaft in Bezug auf die Angelegenheiten der Tochterunternehmen ist die Abnahme des Free-Rider-Problems. Aufgrund der Höhe der Investitionen der Kapitalobergesellschaft in die Tochterunternehmen sind die Kosten einer Einflussnahme potenziell geringer als der mögliche auf die Konzernobergesellschaft entfallende Kooperationsgewinn, der in Folge der Einflussnahme erzielt wird. 68 Für die in der Konzernobergesellschaft zusammengefassten Interessen wäre es förderlich, ihr Geschäftsführungsorgan dazu zu verpflichten, Kooperation zu und zwischen den Tochterunternehmen dann anzuregen, wenn dies für die Konzernobergesellschaft vorteilhaft ist. Es kann für sie vorteilhaft sein, konzernweite Koordination herbeizuführen, soweit die Tochterunternehmen dies nicht eigenständig tun bzw. nicht oder nur zu höheren Kosten tun können.69 Es kann aber auch angezeigt sein, Tochterunternehmen selbstständig wirtschaften zu lassen. 70 Soweit die Akteure in Tochterunternehmen mittel- und langfristig planen (geringe Gegenwartspräferenz), kann prognostiziert werden, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen selbst eine günstige Kooperationsstruktur wählen. Nach Aussagen der Spieltheorie liegt es nahe, dass Kooperationspartner das Verhalten des Kooperationspartners ihnen gegenüber bei der nächsten Wiederholung nachahmen. Es wird prognostiziert, dass sich die Akteure stets gegenseitig kollegial verhalten (Tit-for-Tat). 71 Voraussetzung ist allerdings, dass die Wiederholung nicht von vornherein endlich ist. Dann nämlich antizipierten die Kooperationspartner unkooperatives Verhalten der Gegenseite bei der letzten Wiederholung und verhalten sich von Anfang an unkooperativ. Dieses Ergebnis, nach dem es bei unendlicher Wiederholung im Eigeninteresse der Kooperationspartner liegen kann sich kooperativ zu verhalten, kann auch mit Hilfe der Reputationskostentheorie begründet werden. 72 Demnach liegt es im Eigeninteresse der Kooperationspartner, eigenes Reputations-

67

Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (472). Biehler/Ortmann, DBW 45 (1985) 4 (5 f.). 69 H. Götz, ZGR 1998, 524 (529 – der eine Konzernleitungspflicht annimmt, sie aber hierauf beschränkt: 530). 70 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 114. 71 Voigt, Institutionenökonomik, 135 f. 72 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 233 f. 68

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kapital im Interesse zukünftiger Transaktionen nicht durch unkooperatives Verhalten in der Gegenwart aufs Spiel zu setzen. Verhalten sich die Akteure in Tochterunternehmen in ihrer Kooperation entlang dieser Linien, wäre eine zusätzliche zentrale Einflussnahme durch Akteure aus der Konzernobergesellschaft auf die Kooperation nicht angebracht und könnte sogar zum CrowdingOut der Kooperationspartner aus an sich erfolgreichen Kooperationen führen. Zusammenfassend verbleibt allenfalls dann ein Handlungsgebot einzelner Akteure im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft, wenn potenziell die Kosten der Handlung geringer sind als ihr Nutzen. Folglich gibt es keine pauschalen Handlungspflichten im Sinne einer Konzernleitungs- oder -koordinierungspflicht für einzelne Organwalter. Erst Recht gibt es kein Handlungsgebot für das Geschäftsführungsorgan als Ganzes. Vielmehr bleibt es bei der allgemeinen Verpflichtung aller Agenten, die Interessen der Prinzipale zu fördern und ihnen nicht zu schaden. Beschränkt man die Konzernleitungspflicht darauf, mögliche Kooperationsgewinne ggf. auch durch Organisationsentscheidungen zu aktivieren 73, so ist dieser Begriff nicht weiterführend. Vielmehr verwirrt er nur, da gerade nicht in jeder Konstellation aktive Koordinationsmaßnahmen oder sonstige Einflussnahmen angebracht sind. Allerdings besteht das Problem, dass es im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft aufgrund beschränkter Rationalität teilweise zu Fehleinschätzungen kommt, wann eine Intervention angebracht ist. Auch ist es möglich, dass aus opportunistischen Gründen eine für den Konzern nicht vorteilhafte Intervention erfolgt oder eine gewinnbringende Intervention der Konzernobergesellschaft unterlassen wird. 74 Derartige Probleme der adäquaten Kontrolle der Akteure der Konzernobergesellschaft treten unabhängig vom Bestehen einer Konzernleitungspflicht auf. Sie sind für die hier vorgenommene Interpretation des Pflichtenkanons nicht von Belang. c) Leitungspflichten aus der Unternehmensverfassung Neben der Argumentation mit den Pflichten aus §§ 76 f., 93 AktG, 35, 43 GmbHG wird zur Begründung einer Konzernleitungspflicht auch die Pflicht der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane angeführt, den in der Satzung

73

H. Götz, ZGR 1998, 524 (529); ähnlich: Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 82-85 (der aber eine umfassende Verpflichtung zur Konzernkontrolle bejaht: 89). 74 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 186 f.

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bzw. im Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegenstand zu fördern. 75 Nur das formale Gesellschaftsziel (Gewinnerzielung) könne durch bloße Dividenden- und Ertragssteigerung der Tochterunternehmen und auch durch tatsächliche Einflussnahme verfolgt werden. Das sachliche Unternehmensziel sei dagegen bei Einflussnahme identisch mit dem des Tochterunternehmens, ohne Einflussnahme läge es in der Vermögensverwaltung bzw. -anlage. Letzteres sei nicht in der Satzung vorgesehen. 76 Dieser bloßen Behauptung ist zunächst entgegenzuhalten, dass das Reichsgericht bereits im Jahr 1881 festgestellt hatte, dass die Entscheidung etwas selbst zu betreiben oder durch einen anderen betreiben zu lassen, nichts an dem sachlichen Unternehmensgegenstand ändere. 77 Die Frage, ob sich der Unternehmensgegenstand bei Verzicht auf eine aktive Konzernleitung ändert, kann aber dahinstehen, da der Unternehmensgegenstand bei Großunternehmen regelmäßig alle in Betracht kommenden Handlungsalternativen abdeckt. Praktisch enthält er immer eine allgemeine Konzernierungsklausel und erklärt Anteilsbesitz ausdrücklich für zulässig. 78 Auch der Unternehmensgegenstand der Tochterunternehmen ist stets im Unternehmensgegenstand der Konzernobergesellschaft genannt. 79 Zudem hat der Unternehmensgegenstand bei Kapitalgesellschaften nur eine untergeordnete Bedeutung. 80 Sollte es insofern Zweifel geben, so bedingt dies nicht unbedingt eine Konzernleitungspflicht, sondern macht einen Beschluss der Anteilseigner (Aktionäre, Gesellschafter) notwendig. Dieser ist auch bei mitgliedschaftsrelevanten Strukturänderungen erforderlich, wenn diese in ihren Auswirkungen wertungsmäßig an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen (Holzmüller-Doktrin).81 Argumente für eine Konzernleitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft können dem Unternehmensgegenstand daher grundsätzlich nicht entnommen werden.

75

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 59; Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (471). 76 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 46. 77 RGZ 3, 123 (128) (Entschieden für den Betriebsüberlassungsvertrag). Allgemein zu Unternehmensbeteiligungen und Unternehmensgegenstand: Groß, AG 1994, 266 (268-270). 78 Groß, AG 1994, 266 (269); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 352. 79 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 353 – sieht dies als konstitutiv für die Konzernorganisation an. 80 Dies zugebend: Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 60 f. 81 BGH, Der Konzern 2004, 421 ff. (Gelantine I, II); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 107; Groß, AG 1994, 266 (271 ff.).

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Teil 4 : Aktive Koordination

d) Leitungspflichten bei Eingliederung und AG-Vertragskonzern Abschließend ist zu berücksichtigen, dass sich von dem bisher Gesagten ein abweichendes Bild in dem seltenen Fall des Bestehens eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung ergibt. Hier sind die Pflichten des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft als Ganzes zur Leitung der Angelegenheiten von Tochterunternehmen weitgehend.82 Diese Pflicht folgt aber entgegen anders lautenden Meinungen nicht daraus, dass in diesen Fällen die Aufgaben der eigenen Organe beschränkt werden, §§ 291 III, 308 II, 323 AktG. Auch § 309 AktG trägt nicht zur Begründung. Nach dieser Vorschrift bestehen für die Organwalter des herrschenden Unternehmens (§ 17 AktG) gegenüber dem Tochterunternehmen die gleichen Pflichten wie für dessen eigene Organe. Allerdings greift § 309 AktG nicht bei Unterlassen einer Weisung und ihr kann grundsätzlich nicht die Verpflichtung zur Erteilung von Weisungen entnommen werden. 83 Im Verhältnis zum Tochterunternehmen sind die Akteure in der Konzernobergesellschaft zur Weisung ermächtigt, nicht verpflichtet. Allerdings kann das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft im Verhältnis zur Konzernobergesellschaft im Einzelfall zur Einflussnahme auf die Geschäfte in den Tochterunternehmen verpflichtet sein. 84 Die Konzernleitungspflicht folgt in den Fällen der Eingliederung und des Bestehens eines Beherrschungsvertrags mit einer Aktiengesellschaft auch nicht daraus, dass die Haftungsrisiken der Konzernobergesellschaft aufgrund der §§ 302 f., 322 AktG besonders hoch sind. Richtig ist, dass das Haftungspotential eine regelmäßige und umfangreiche Kontrolle notwendig macht, dessen Unterlassen unzulässig ist. 85 Dies wurde aber bereits festgestellt. 86 Der ausschlaggebende Grund für die Leitungspflicht liegt darin, dass mit dem Organisationsvertrag bzw. durch den Organisationsbeschluss der Anteilseigner das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft als Ganzes zur Leitung der Angelegenheiten der abhängigen oder eingegliederten Gesellschaft

82

H. Götz, ZGR 1998, 524 (526); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 73. Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 32 f.; Hüffer, AktG, §309 Rn 2 f., 10; Koppensteiner, in: Kölner Komm §308 AktG Rn 41, §309 AktG Rn 3; a.A.: Großkomm AktG/Hirte, §309 Rn. 26. 84 MüKoAktG/Altmeppen, §309 Rn 53. 85 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 73 f. 86 Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. 83

A. Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft

123

verpflichtet wurde. Folgerichtig ist auch eine Ausnahme von der Leitungspflicht anerkannt, wenn die Leitungsmacht der Konzernobergesellschaft ausdrücklich im Organisationsvertrag eingeschränkt wurde. 87 Diese Begründung spricht im Gegenschluss auch für das obige Auslegungsergebnis, dass ohne einen solchen Organisationsbeschluss eine Konzernleitungspflicht nicht besteht. Allerdings verbleibt den einzelnen Organwaltern weiterhin ein weitreichender Ermessensspielraum, auf welche Weise konkret der Einfluss auf die Angelegenheiten der Tochterunternehmen genommen wird. 88

e) Zwischenergebnis Eine Zuweisung von Leitungsaufgaben durch Beschlussfassung der Anteilseigner gibt es nicht, wenn das Tochterunternehmen als GmbH firmiert. In diesen Fällen müssen die Organwalter der Konzernobergesellschaft im Rahmen ihres Ermessensspielraums über die Angelegenheiten der Tochterunternehmen entscheiden, die ihnen von deren Geschäftsführern vorgelegt werden, §§ 45 ff. GmbHG. Eine darüber hinausgehende Leitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft ist nach dem Gesagten bei Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH nicht ersichtlich. Das deutsche Konzernrecht lässt insgesamt im Regelfall freien Gestaltungsraum für eine adäquate Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen. Insbesondere bleiben Diversifikation, der Aufbau von Netzwerkstrukturen und Spartenorganisation möglich. 89 Den Bestimmungen über die allgemeinen Pflichten der Unternehmensorgane kann keine generelle Konzernleitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft oder einzelner Organwalter entnommen werden.

III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Pflichtenstellung der relevanten Akteure der Konzernobergesellschaft in Australien und in Deutschland ähnlich ist. Die Organisationspflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der

87

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 302. MüKoAktG/Altmeppen, §309 Rn 54. 89 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (325). 88

124

Teil 4 : Aktive Koordination

Konzernobergesellschaft ergeben sich in beiden Rechtsordnungen weitgehend aus den allgemeinen Pflichten der Organe. In Australien basieren diese auf einer traditionell geringen Einmischung von Regulierung in Handlungen der Agenten in Kapitalgesellschaften. Dagegen wird in Deutschland vielfach das Verbot, durch Strukturentscheidungen Haftungsvorschriften zu umgehen, in den Vordergrund gestellt. Dennoch gleicht sich das Auslegungsergebnis der Handlungs- und Verfügungsrechte der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft in Bezug auf die konzernweite Kooperation. Die Organwalter haben eine allgemeine Betreuungspflicht über alle der Konzernobergesellschaft zugeordneten Vermögensgüter, also auch über die Tochterunternehmen. 90 Aufgrund von Transaktionskosten entstünden aber nicht zu rechtfertigend hohe Aufwendungen, würde von der Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft der größtmögliche Umfang an Betreuung abverlangt. Vielmehr ist ein adäquates Entscheidungsverfahren aufgrund von ausreichenden Informationsgrundlagen anzustreben.91 Eine allgemeine Konzernleitungspflicht gibt es nicht. Eine Transaktionskosten verursachende Einflussnahme auf die Kooperationsstruktur im Konzern durch Akteure in der Konzernobergesellschaft ist angebracht, wenn aus Sicht der Konzernobergesellschaft eine Erfolgssteigerung bewirkt werden kann, die diese Kosten aufwiegt. Im Einzelfall kann sie auch darin bestehen, Schaden abzuwenden oder Liquidität zu steigern. Bei der Beurteilung und Abwägung der unterschiedlichen, möglichen Maßnahmen hat das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft einen weiten Ermessensspielraum. „Zu der unternehmerischen Freiheit der Konzernleitung gehört hiernach, daß sie den Aufbau des Konzerns bestimmen, ihm seine Organisation geben und damit das Feld seiner wirtschaftlichen Betätigung nach ihren Plänen ordnen kann.“92

Für die Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen ist entscheidend, durch die konkret gewählte Ausgestaltung Eigennutz und Konkurrenz zwischen den Akteuren in den Tochterunternehmen zu vermeiden und eine Ausrichtung aller Tochterunternehmen am Gesamterfolg zu erreichen. Dafür sollten einzelne Teile frei miteinander kooperieren können und ein System gegenseitiger Abhängigkeit geschaffen werden.

90

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 75; Martens, Festschrift Heinsius 523 (531). 91 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 216 f. 92 BVerfGE 14, 263 (282).

B. Konzernobergesellschaft

125

Folglich sollten die Akteure in der Konzernobergesellschaft nicht einseitig ein bestimmtes Kooperationssystem vorgeben. Vielmehr sollte es von sich aus wachsen, also durch Eigeninitiative der Akteure in den Tochterunternehmen zustande kommen, zumindest aber im Einklang mit den Tochterunternehmen implementiert werden. Bühner formuliert: „Das Hinein- oder Durchregieren von Seiten der Obergesellschaft ist unzulässig und durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und eine Planung durch Zielvereinbarung der Obergesellschaft mit den Tochterunternehmen zu ersetzen.“93

In Teil 3 wurde festgestellt, dass die Organwalter in der Konzernobergesellschaft Anreize haben, ein Kontroll- und Informationssystem aufzubauen, das umfangreicher ist als dies für die Steigerung des Interaktionsgewinns für die Konzernobergesellschaft dienlich wäre. Auf diese Weise können sie ihren Prinzipalen eine hohe Qualität ihrer eigenen Entscheidung suggerieren. Eine vergleichbare Schlussfolgerung trifft auch auf die unmittelbare unternehmerische Einflussnahme im Sinne einer Konzernleitung zu. Der Regulierung mag durch Auslegung zu entnehmen sein, welcher Rahmen für eine etwaige Konzernleitung angemessen ist. Regulierung, die den Organwaltern Handlungsanreize setzt, diesen Rahmen zu beobachten, wurden dagegen bislang nicht gefunden.

B. Konzernobergesellschaft Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich die Frage, ob anderweitige Einschränkungen der Handlungsfreiheit der Akteure bestehen. Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen der Konzernobergesellschaft und den Tochterunternehmen sowie zwischen den einzelnen Tochterunternehmen können sich ergeben aus Vorschriften, die die Art und Weise der Kooperation regeln. Hier geht es um die Regulierung, die die Konzernobergesellschaft und damit mittelbar ihre Akteure binden. Diese Regeln sind darauf zu untersuchen, ob sie Unsicherheit reduzieren, ob sie äußere Grenzen für opportunistisches Verhalten setzen und welche Kosten sie verursachen bzw. welche Ertragssteigerungen sie ermöglichen. Es gilt vor allem, die Entwicklung der Agency-Kosten im Vergleich zum Nutzen der Delegation zu bestimmen. Externalitätenprobleme (bildlich: Spillover-Effects) ergeben sich, wenn eine Maßnahme negative oder positive

93

Bühner, DBW 47 (1987) 40 (43).

126

Teil 4 : Aktive Koordination

Nebenwirkungen auf andere Akteure hat, ohne dass diese entgolten werden.94 Nachteile aufgrund von opportunistischem Verhalten sind die Folge. Kommt es in Organisationen zur Aneignung von Mitgliedsbeiträgen durch Verbandsfunktionäre oder zur Aneignung von anderen Akteuren zustehenden Beiträgen, werden Kosten externalisiert.95 Beispiele sind die unvergütete Aneignung von Vermögenswerten eines Tochterunternehmens durch die Konzernobergesellschaft, ohne außenstehende Anteilseigner an den gewonnenen Vorteilen partizipieren zu lassen. Im umgekehrten Fall können auch außenstehende Anteilseigner eines Tochterunternehmens durch die Kooperation mit anderen Kapitalgesellschaften im Konzern profitieren, ohne die Kosten der Kooperation, die in anderen Kapitalgesellschaften entstehen, zu entgelten. Die auftretenden Agency-, insbesondere die Free-Rider-Probleme können gemindert werden, indem durch Regulierung oder durch informelle Institutionen Handlungsanreize für alle Akteure geschaffen werden, sich kooperativ zu verhalten und Externalitäten zu entgelten. Häufig wird dies in der Literatur als Angleichung der unterschiedlichen Interessen bezeichnet. 96 Eine Möglichkeit der Problemlösung besteht darin, unabhängige Kontrollen vorzuschreiben oder Kontroll- und Informationsrechte der jeweiligen Prinzipale zu erweitern. Eine tatsächliche Einflussnahme auf die individuellen Präferenzen der Akteure und die Schaffung gemeinsamer Werte 97, die ebenfalls zu einer Angleichung gegensätzlicher Handlungsanreize führen kann, bewirken Institutionen grundsätzlich nicht. Regulierung, die die Art und Weise konzerninterner, aktiver Koordination bestimmt, ist darauf zu untersuchen, ob sie die Kosten unkooperativen Verhaltens der Akteure erhöht und Anreize für kooperatives Verhalten setzt. In Australien werden in diesem Zusammenhang Regelungen zum Shadow Director und Officer, die Related-Party-Transactions-Regeln und Haftungsvorschriften, vor allem solche des Deliktsrechts, diskutiert. In Deutschland werden die Regelungen des AG-Konzernrechts, die Treuepflichten, das Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung (Bremer Vulkan/KBV) sowie die Kapitalerhaltungsregeln relevant. Bewertet nach ihrer Funktionsweise lassen sich diese Regelungen in zwei Gruppen gliedern. Entweder wird das

94

Buxbaum, Ohio St LJ 45 (1984) 515 (518, 520); Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (102); Johnson, Wash & Lee L Rev 50 (1993) 1713 (1715); Rogers, in: Gillooly, Corporate Groups, 123 (124). 95 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 269. 96 Clyne, AJCL 11 (2000) LEXIS 5 (28); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42). 97 North, Structure and Change, 54.

B. Konzernobergesellschaft

127

Kooperationsergebnis verschuldensunabhängig auf seine Angemessenheit hin überprüft (I.) oder es werden der Einfluss ausübenden Person (regelmäßig der Konzernobergesellschaft) besondere Obhuts- und Verhaltenspflichten für die Dauer der Kooperation aufgegeben (II.). Entsprechend dieser Einteilung sollen die genannten möglichen Einschränkungen der Handlungsalternativen der Akteure in der Konzernobergesellschaft bei der Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance diskutiert werden.

I. Angemessenheit des Kooperationsergebnisses 1. Kapitalaufbringung und -erhaltung Als äußere Grenze der Zulässigkeit von Kooperation zwischen Kapitalgesellschaften auch außerhalb von Konzernzusammenhängen dienen die Kapitalerhaltungsvorschriften. Sie verbieten einseitige Vermögenszuwendungen der Kapitalgesellschaft an einzelne Akteure oder Gruppen von Akteuren und schränken damit bestimmte Kooperationsmöglichkeiten im Konzern ein. Diese Vorschriften sind in Australien allerdings nicht sehr weitreichend. Seit 1998 haben Gesellschaftsanteile keinen Nominalbetrag oder Pariwert mehr, s 254C Corporations Act. Weder die Anzahl der ausgegebenen Gesellschaftsanteile noch die Eigenkapitalhöhe ist in der Unternehmensverfassung anzugeben. Grundsätzlich können die Direktoren in Australien frei über die Ausgabe weiterer Anteile und den jeweiligen Ausgabepreis entscheiden. Die Höhe des Eigenkapitals ergibt sich aus der Summe der erzielten Preise. Selbst für Public Companies gibt es kein Mindestkapital. Auch Sacheinlagen können frei als Gegenleistung für Gesellschaftsanteile geleistet werden. Darüber hinaus können Optionen auf den Anteilserwerb ausgegeben werden. Die Zahlung von zunächst nur einem Teilbetrag des Anteilspreises (Partly Paid Share) ist ebenfalls zulässig. Die Höhe des insgesamt ausgegebenen bzw. gezeichneten Anlagekapitals kann somit deutlich über dem der Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellten Eigenkapital (Paid-Up Capital) liegen. Als Konsequenz ist es Kapitalgesellschaften in Australien verboten, die Höhe des Anlagekapitals bekannt zu geben, ohne dabei eine Unterscheidung zwischen dem ihr tatsächlich zur Verfügung stehenden Anteil und nur in Aussicht stehenden Beträgen zu machen, s 1308 I Corporations Act. 98 Bereits die Bestimmung des einer Kapitalgesellschaft zur Verfügung gestellten Eigenkapitals wirft in Australien Schwierigkeiten auf.

98

Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 440-442.

128

Teil 4 : Aktive Koordination

In Deutschland dagegen ist für alle Kapitalgesellschaften ein Mindestbetrag für das der Gesellschaft zur Verfügung zu stellende gezeichnete Kapital vorgeschrieben, §§ 7 AktG, 5 I GmbHG. Der Betrag ist in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag anzuführen und ins Handelsregister einzutragen, §§ 36 I 1 AktG, 10 I 1 GmbHG. Jedem Gesellschaftsanteil ist ein eindeutiger Wert zugewiesen, §§ 8 II, III AktG, 5 GmbHG. Selbst für Stückaktien muss nach § 8 III 3 AktG stets eine Rückrechnung auf einen anteiligen Anteil am Grundkapital möglich sein. Die Einlage kann zwar auch als Sacheinlage erfolgen, unterliegt dann aber restriktiven Bewertungsvorschriften, so dass die Werthaltigkeit der Einlage sichergestellt ist, §§ 27 AktG, 9 GmbHG. Bei späteren Kapitalerhöhungen wird entsprechend verfahren, §§ 183 f., 188 ff. AktG, 55 ff GmbHG. Weiterhin sind bei Aktiengesellschaften Rücklagen zu bilden, § 150 AktG. Rücklagenbildung ist aber unabhängig von der Rechtsform bei Kapitalgesellschaften wichtig.99 Die Höhe und Werthaltigkeit des Eigenkapitals wird also eindeutig bestimmt und ist für Außenstehende relativ leicht zu bewerten. Einschränkend ist allerdings festzustellen, dass die Stammkapitalhöhe bei einer GmbH häufig sehr niedrig ist. Mehr als 70 Prozent dieser Kapitalgesellschaften haben ein Eigenkapital nur in Höhe des vorgeschriebenen Mindestkapitals. 100 In vielen australischen Kapitalgesellschaften ist die Eigenkapitalausstattung sogar noch niedriger. An dem Grundproblem, dass der Schutz des Stammkapitals in der deutschen GmbH oft unzureichend ist, ändert dies nichts. Das Mindestkapital in Deutschland wird deshalb als Seriositätsschwelle eingestuft, die keinen umfassenden Gläubigerschutz gewährleistet.101 Eine gewisse Gläubigerschutzfunktion kommt dem Einlageerfordernis dennoch unstrittig zu.102 Eine vergleichbare Einschränkung der Handlungsfreiheit bei Unternehmensgründungen gibt es in Australien nicht. Voraussichtlich wird es auch in Deutschland im Anschluss an die neue Rechtsprechung des EuGH eine Änderung der Kapitalerhaltungs- und Kapitalaufbringungsregeln eingeleitet.103 Im Frühjahr 2005 wurden zunächst Vorhaben für eine umfassende Reform des GmbH-Rechts zurückgestellt. Denn ein Teilkomplex, nämlich die Herabsetzung des Mindestkapitals auf 10.000,- €, sollte vorgezogen werden (MindestKapG). In Folge der vorgezogenen Neuwahlen im Herbst 2005 scheiterte aber auch dieses Vorhaben. Ob sich im Anschluss an den seit dem 29. Mai 2006 vorliegenden Referentenentwurf des Gesetzes zur Moderni-

99

Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 299 ff. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh§30 Rn 8; ähnliche Zahlen aus 1996: Hueck/ Windbichler, Gesellschaftsrecht, §34 Rn 4. 101 Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1916). 102 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (170). 103 Mülbert, Der Konzern 2004, 151. 100

B. Konzernobergesellschaft

129

sierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) tatsächlich die angekündigte umfassende Reform des GmbH-Rechts durchsetzt, bleibt abzuwarten. 104 Welche konkreten Auswirkungen der starke Deregulierungsdruck in Deutschland haben wird, bleibt abzuwarten. Derzeit kann nur festgestellt werden, dass erstens eine erhebliche Anzahl von ausländischen Gesellschaften in Deutschland Indiz für einen gewissen Wettbewerb der Rechtsordnungen im Kapitalgesellschaftsrecht ist. Zweitens kam es in letzter Zeit in den Nachbarländern Deutschlands – zuletzt in Frankreich – zu einer Aufgabe von Mindeskapitalanforderungen.105 Vor diesem Hintergrund erscheint es wahrscheinlich, dass es in Deutschland wenigstens mittelfristig zu einer Anpassung der Regulierung kommen wird. Einen großen Spielraum eröffnen in Australien auch die Regeln zur Gewinnausschüttung, s254T Corporations Act. Der Gewinn einer Rechnungsperiode muss nicht mit etwaigen Verlusten anderer Perioden verrechnet werden.106 Eine Grenze der Gewinnausschüttung stellt die bewusste Gläubigerbenachteiligung dar. 107 Vorschriften des Insolvenzrechts sehen ebenfalls Rückzahlungsansprüche von unrechtmäßigen Auszahlungen vor, s 588 FB Corporations Act (uncommercial Transaction).108 Insgesamt lassen die Ausschüttungsregeln in Australien den Akteuren einen sehr weiten Handlungsspielraum. Eine Kapitalgesellschaft darf grundsätzlich ihr Eigenkapital nicht an die Anteilseigner zurückführen. Dem Verfall des Eigenkapitals wird aber kaum durch Regulierung entgegengewirkt. Kapitalerhaltungsregeln außerhalb des Insolvenzrechts haben nur eine sehr untergeordnete Bedeutung.109 Im Gegensatz dazu kann in Deutschland ein Gewinn nur dann ausgewiesen und ausgeschüttet werden, wenn das Eigenkapital in voller Höhe weiterhin der Kapitalgesellschaft zur Verfügung steht. Die im Vergleich zu Australien hohen Anforderungen bei der Kapitalaufbringung setzen sich im Rahmen der Regeln zur Kapitalerhaltung und Gewinnermittlung fort. Dieser Befund gilt unabhän-

104

Weitergehende Vorschläge: Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (88 ff.). H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1850). 106 Zum Ganzen: Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 457459. 107 ANZ Executors & Trustee Company Ltd v Qintex Ltd (1990) 2 ACSR 676 (683 – McPherson J); Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 225; Posner, Economic Analysis of Law, 408. 108 Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 668. 109 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [24.360-24.370, 24.500-24.510]. 105

130

Teil 4 : Aktive Koordination

gig davon, ob deutsche Kapitalgesellschaften nach den herkömmlichen Regeln des HGB oder seit 2005 nach IFRS bilanzieren. 110 Im Einzelnen ist der Umfang der Kapitalerhaltungsvorschriften in Deutschland abhängig von der Gesellschaftsform. Firmiert die Kapitalgesellschaft als GmbH, so ist nach § 30 I GmbHG nur die ausgewiesene Stammkapitalziffer in der Kapitalgesellschaft gebunden, während die Gesellschafter grundsätzlich einvernehmlich über weiter gehendes Vermögen verfügen können. Eine Einschränkung ergibt sich aus §§ 32a, 32b GmbHG und der analogen Anwendung von §§ 30, 31 GmbHG, 111 nach denen im Einzelfall auch bestimmtes Fremdkapital dem Eigenkapital gleichgestellt wird. Gegenüber Außenstehenden wird danach der Erhalt der Kapitalausstattung durch die Anteilseigner unabhängig davon gewährleistet, in welcher Form der Gesellschaft Kapital zugeführt wurde (Schutz der juristischen Person vor den eigenen Anteilseignern). 112 Auch wurden Regeln entwickelt, nach denen verdeckte Ausschüttungen in Form von großzügigen schuldrechtlichen Verträgen unzulässig sind. 113 Beispielsweise kann die unentgeltliche Nutzungsüberlassung eines Vermögensgegenstands an Tochterunternehmen als verdeckte Gewinnausschüttung gegenüber der Konzernobergesellschaft eingestuft werden. 114 Die Kapitalgesellschaft ist sogar gegenüber ihren Gläubigern verpflichtet, entgegen den §§ 30 ff. GmbHG ausgeschüttetes Kapital zurückzufordern. Das Unterlassen der Rückforderung stellt eine anfechtbare Rechtshandlung dar. 115 Schließlich ist ein sog. „Aktivtausch“ auch bei Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs ebenfalls regelmäßig unzulässig.116 Durch diese Einschränkungen soll eine Gesetzesumgehung vermieden werden. In Australien dagegen wurde ungeachtet der Werthaltigkeit in einer Umschuldung innerhalb des Konzerns, der eine Liquiditätskrise des Tochterunternehmens verschärfte, kein Pflichtenverstoß gesehen. 117 In Deutschland verstößt dagegen bereits die Einbeziehung einer GmbH in einem

110

Übersicht zur Bilanzierung: Coenenberg, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 471 ff, 551 ff.; Hueck/Windbichler, Gesellschaftsrecht, §27 (insbes.: Rn 26, 9); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §§18 (IFRS: Rn. 5), 36. 111 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §38 Rn 56-58, m.w.N. 112 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.III.2, 85; Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Hold ing-Handbuch, §7 Rz 33, 35 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 289 f. 113 Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 29 f. 114 BFH, GmbHR 1988, 159 (159). 115 BGH, WM 2006, 242 (243 ff.). 116 BGHZ 157, 72; Hahn, Der Konzern 2004, 641 (642). 117 Lewis v Doran (2004) 208 ALR 385 LEXIS [136].

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Cash-Pool-System gegen das Gebot zum Erhalt des Stammkapitals, wenn die Erhaltung des Stammkapitals nicht gesichert ist. 118 Das Gericht hat dabei ausdrücklich auf die Rechtsprechung zum Aktivtausch Bezug genommen. In der Weiterentwicklung dieser Entscheidung erscheint es folgerichtig, dass selbst eine Zahlung in das System bei Verbleiben eines Tochterunternehmens in einem nicht mehr abgesicherten Cash-Pool-System als unzulässig gewertet wird. Eine in einem Cash-Pool-System verbleibende Kapitalgesellschaft muss durch ihre Organwalter ständig sicherstellen, dass ihre gesetzlichen Zahlungspflichten gegenüber Dritten durch das Management des Cash-Pools beglichen werden.119 Überträgt man dies auf die Aktiengesellschaft, so würde jeder Leistungsaustausch einer solchen mit ihren Anteilseignern verboten sein, wenn ihr dadurch liquide Mittel entzogen werden.120 Dieses Ergebnis wäre sicherlich nicht zutreffend. Die konkrete Fortentwicklung dieser Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Fest steht nur Folgendes: Die von Praktikern als undurchsichtig bezeichnete Rechtslage zur Kapitalaufbringung bei Sacheinlagen und zur Kapitalerhaltung im Rahmen von Cash-Pool-Systemen und der Rechtsprechung zum Aktivtausch ist ein wesentlicher weiterer Grund für die begonnene Reformdiskussion im GmbH-Recht. 121 Ob das als Referentenentwurf vorliegende MoMiG, nach dem Cash-Pools in § 30 zugelassen und §§ 32a f. GmbHG abgeschafft werden sollen, die angekündigte Abhilfe schafft, bleibt abzuwarten. Bei der GmbH konnte bislang ein Liquiditätsverlust zur Zahlungsunfähigkeit führen, obwohl das Eigenkapital nicht angetastet wurde, wenn es z.B. durch langfristige Investitionen in Anlagevermögen gebunden ist. Gefahren schleichender Überschuldung der GmbH trotz formalen Erhalts des Eigenkapitals konnten auch durch die grundsätzliche Bilanzneutralität der Bestellung von Sicherheiten hervorgerufen werden. 122 Nach der neuen Rechtsprechung des BGH zum Aktivtausch und den zitierten Urteilen zu Cash-Pool-Verfahren erscheinen diese Auffassungen überholt. Ihre ausdrückliche Aufgabe bleibt aber abzuwarten. Weiterhin ist nach den §§ 30 f. GmbHG nur das erlangte Vermögen herauszugeben. Etwaige Schädigungen der Kapitalgesellschaft in Folge eines Dominoeffekts werden nach diesen Regeln nicht ausgeglichen. 123 Schließlich kann

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OLG München, Der Konzern 2006, 78 (79 f.). FG Bremen, ZIP 2005, 2159 (2160-2162). 120 Pentz, ZIP 2006, 781 (783). 121 H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1851 f.). 122 Diem, ZIP 2003, 1283 (11285 f.); Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (93 ff.). 123 Wiedemann, ZGR 2003, 283 (292). 119

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Teil 4 : Aktive Koordination

aufgrund der bilanzrechtlichen Bewertungsvorschriften ein Vermögensgegenstand nur relativ gering bewertet sein, der für die Kapitalgesellschaft besonders wichtig ist. Deren Abzug wäre nach den Kapitalerhaltungsregeln zulässig. Es wird daher behauptet, dass im Einzelfall bei der GmbH eine Auszahlung formell zulässig sein kann, die nach angelsächsischer Rechtstradition scheitern müsste.124 Diese Auffassung lässt außer Betracht, dass eine bei einer deutschen GmbH zulässige Auszahlung in einer australischen Kapitalgesellschaft zumindest als Ausschüttung von Gewinnen vergangener Rechnungsperioden regelmäßig zulässig ist. Zudem schaffen Anfechtungsrechte des AnfG und der §§ 129 ff. InsO einen gewissen Ausgleich für Grenzen der Kapitalerhaltungsvorschriften. 125 Auch die weiter unten diskutierten Obhutspflichten lassen ggf. einen Ausgleich zu. Vor allem hat die Rechtsprechung Regeln für die GmbH entwickelt, wann eine Verfügung über Gesellschaftsvermögen aufgrund sittenwidriger Gläubigerschädigung bzw. aufgrund des Herbeiführens der Zahlungsunfähigkeit unzulässig ist.126 Ihre neuste Ausprägung findet sie in den unten diskutierten Urteilen Bremer Vulkan und KBV.127 Zusammenfassend kann der geringe Schutz von Eigenkapital in einer australischen Kapitalgesellschaft im weitesten Sinne mit der Eigenkapitalrücklage einer deutschen GmbH verglichen werden, die ständig um- und neu bewertet und deren Umfang ohne Schwierigkeiten erhöht werden kann. Bei diesem Vergleich darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die Auflösung von Kapitalrücklagen in der deutschen GmbH stets möglich ist, während es in Australien eine „Auflösung des Eigenkapitals“ nicht gibt. In Australien kann es andererseits möglich sein, den gleichen Effekt durch eine Auszahlung von Geldern zu erreichen, die als Gewinn vergangener Rechnungsperioden ausgewiesen werden. Insgesamt ist das Eigenkapital dort kaum geschützt. Das AktG sieht im Vergleich zum GmbH-Recht einen weiter gehenden Schutz des gesamten Gesellschaftsvermögens vor. Von wenigen Ausnahmen abgesehen darf ein Aktionär außerhalb des von der Hauptversammlung freigegebenen und restriktiv festzustellenden Gewinns weder unmittelbar noch mittelbar Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen erlangen, §§ 57, 58, 60,

124

Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517 (518); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (286 f.). Nassall, ZIP 2003, 969 (973). 126 BGH, GmbHR 1996, 925 (928); Assmann, JZ 1986, 881 (886 f.); Hirte, NJW 2003, 1154 (1156); Keßler, GmbHR 2002, 945 (949); Ulmer, JZ 2002, 1049 (1049). 127 BGHZ 149, 10; BGHZ 151, 181. Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., ab Seite 190, insbes.: Seite 190. 125

B. Konzernobergesellschaft

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71, 150, 174 II Nr.2, 71 ff., 264 ff. AktG.128 Weiterhin sieht § 117 I AktG ein Schädigungsverbot vor, das allerdings vorsätzliches Verhalten voraussetzt. Bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags oder einer Eingliederung der abhängigen Aktiengesellschaft sind diese Regelungen unanwendbar, §§ 291 II, 323 II AktG. Nach § 301 AktG dürfen diese Unternehmensverträge dennoch keinen Eingriff in die Eigenkapitalausstattung erlauben. Weiterhin postulieren die §§ 302 f., 322 AktG verhaltens- und verschuldensunabhängig Ausgleichspflichten der Konzernobergesellschaft. Wenn ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde, muss das herrschende Unternehmen (§ 17 I AktG) nach § 302 AktG etwaige Jahresfehlbeträge der abhängigen Aktiengesellschaft ausgleichen. Gegenüber deren Gläubigern haftet das herrschende Unternehmen damit bei Ausfall der abhängigen Aktiengesellschaft. Das gleiche gilt bei Vorliegen eines Betriebspacht- oder -überlassungsvertrags, wenn und soweit keine angemessene Gegenleistung vereinbart wurde. Im Falle eines Eingliederungsbeschlusses haften herrschendes Unternehmen und abhängige Aktiengesellschaft den Gläubigern der Aktiengesellschaft sogar gesamtschuldnerisch, § 322 I AktG. In der Literatur wird hierfür auf die Rechtsprechung zur OHG-Haftung verwiesen. 129 Mit §§ 302, 322 AktG werden der Konzernobergesellschaft die unternehmerischen Risiken des Tochterunternehmens zugewiesen, trotz formaler Aufrechterhaltung der rechtlichen Selbstständigkeit und des körperschaftsrechtlichen Haftungsprivilegs aus §1 I 2 AktG.130 Dies ist der Ausgleich dafür, dass die restriktiven Kapitalerhaltungspflichten des AktG nicht anwendbar sind. Allerdings werden damit zugunsten des Gläubigerschutzes die Möglichkeiten des Risikomanagements, Verluste bei Marktschwankungen durch Diversifikation zu minimieren, und damit auch Diversifikationsmöglichkeiten eingeschränkt.131 Somit kommt es zu einer weiteren Einschränkung der Handlungsfreiheit, nachdem oben bereits festgestellt wurde, dass beim Beherrschungsvertrag und bei der Eingliederung die Organwalter des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft ausnahmsweise aktiv in die Leitung des Tochterunternehmens eingreifen müssen.132 Darüber hinausgehende Einschränkungen der Art und Weise der Ausgestaltung der Kooperation mit Tochterunternehmen ergeben

128

Zuletzt: LG München, DB 2004, 923 (923). Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 145 f. 130 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 297; Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, HoldingHandbuch, §7 Rz 47. 131 MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 24; Kirchner, ZGR 14 (1985) 214 (228). 132 Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., ab Seite 111, insbes.: Seite 122. 129

134

Teil 4 : Aktive Koordination

sich nicht aus §§ 302 f., 322 AktG. Auch ist die Konzernobergesellschaft nicht zum Abschluss einer der genannten Unternehmensverträge oder eines Eingliederungsbeschlusses verpflichtet und kann somit den genannten Rechtsfolgen entgehen. Weitgehende Auswirkungen könnten die Vorschriften zum Aktienvertragskonzern haben, wenn sie für Kapitalgesellschaften, die als GmbH firmieren und mit einem solchen Unternehmensvertrag verbunden sind, entsprechende Anwendung fänden. Der BGH und die herrschende Lehre lehnen seit 2001 eine Analogie zu diesen Vorschriften zumindest dann ab, wenn kein ausdrücklicher Unternehmensvertrag vorliegt, sondern nur intensive konzerninterne Leitungsmacht ausgeübt wird (sog. qualifiziert faktischer Konzern). 133 Dagegen sollen nach verbreiteter Ansicht die §§ 291 ff. AktG bei Bestehen eines formellen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags weiterhin analog anwendbar sein, wenn das Tochterunternehmen als GmbH firmiert.134 Das Gleiche soll sogar nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft gelten, wenn ein solcher Vertrag nichtig ist. 135 Damit nähert sich die Rechtsprechung erneut an die verworfene Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns an. Aufgrund der Strukturunterschiede zwischen GmbH und Aktiengesellschaft kommt allenfalls eine entsprechende Anwendung der §§ 291 ff. AktG im Einzelfall in Frage, soweit die Situation in der GmbH mit der in der Aktiengesellschaft vergleichbar ist. 136 Durch die generelle Weisungsbefugnis der Gesellschafter in der GmbH ist die Unterscheidung des AktG zwischen faktischem Konzern und Vertragskonzern für Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH weitgehend irrelevant. 137 Auch darf in der GmbH ein Alleingesellschafter stets über die Grenzen des §308 AktG hinaus Einfluss auf die GmbH nehmen.138 Die einzige Grenze stellt das Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung (Bremer Vulkan/KBV) dar.139 Eine Analogie zum für das Aktienkonzernrecht kodifizierten Austrittsrecht und der Dividendengarantie für Min-

133

Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., Seite 190. BayObLG, NZG 2003, 479 (480); LG Düsseldorf, DB 2004, 428 (428 f.); Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517 (520); Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, HoldingHandbuch, §7 Rz 49. 135 BGH, NJW 2002, 822 (823). 136 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor§291 8 f. 137 H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (32). 138 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 344. 139 Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 134

B. Konzernobergesellschaft

135

derheitengesellschafter entfällt, soweit man mit der überwiegenden Meinung abweichend vom Aktiengesetz in der GmbH die Zustimmung aller Gesellschafter zum Beherrschungsvertrag als konstitutiv ansieht. 140 Sollte sich in Ausnahmefällen eine Zustimmungspflicht zum Unternehmensvertrag für die außenstehenden Gesellschafter einer GmbH aus der Treuepflicht ergeben, so besteht diese Zustimmungspflicht ohnehin nur dann, wenn deren Rechte ausreichend geschützt sind. Eine Analogie zum Vertragskonzern des AktG kommt folglich nur in Bezug auf die Ausfallhaftung der §§ 302 f. AktG in Betracht und wird hierfür auch weit verbreitet gefordert.141 Gerade diese ist aber nicht gerechtfertigt, da GmbH-Gesellschafter immer die Kapitalausstattung bis zur Höhe des Eigenkapitals verringern dürfen. Dies kann für einen GmbH-Vertragskonzern nicht anders sein. 142 Zu rechtfertigen wäre die Analogie zu § 302 AktG nur dann, wenn dadurch die §30 f. GmbHG unanwendbar würden.143 Dem steht aber entgegen, dass auch bei einer Analogie zum Unternehmensvertrag nach dem Aktiengesetz der Eingriff nicht das Stammkapital berühren darf, § 301 AktG. Dies entspricht der Regelung von § 30 GmbHG. Während bei einem Beherrschungsvertrag mit einer Aktiengesellschaft deren Vorstand als Geschäftsführungsorgan und in begrenztem Umfang auch der Aufsichtsrat einen Teil seiner Kernkompetenzen an eine dritte Person abgeben, übertragen bei einem Beherrschungsvertrag mit einer GmbH die Gesellschafter ihr Weisungsrecht einer anderen Person. Die Position des Geschäftsführers als Geschäftsführungsorgan bleibt unverändert. Der Beherrschungsvertrag greift folglich bei GmbH und Aktiengesellschaft in ganz unterschiedlicher Weise in die Struktur der Kapitalgesellschaft ein. Es spricht deshalb vieles dafür, bei Unternehmensverträgen mit Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH eine Analogie zum AktG insgesamt zu verneinen. Relevant wird diese Frage freilich praktisch nicht, da bei der GmbH Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge aus steuerlichen Gründen abgeschlossen werden. Das steuerrechtliche Privileg der Organschaft setzt nach § 17 KStG gerade die Vereinbarung einer § 302 AktG entsprechenden Verlustübernahmeverpflichtung voraus.144 Eine solche Verpflichtung wird in der Regel ausdrücklich vereinbart. Folglich ist der Schutz der Kapitalausstattung bei einer GmbH,

140

Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 50; H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (39). 141 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (691) m.w.N. 142 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 73 f. (der deshalb die Analogie dahingehend beschränken will). 143 So ausdrücklich: Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (691). 144 H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (32).

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Teil 4 : Aktive Koordination

die als Tochterunternehmen einen Organschaftsvertrag abgeschlossen hat, weiter gehender als bei einer einfach konzernrechtlich verbundenen GmbH. Insgesamt ist festzustellen, dass in Deutschland ein restriktiver Schutz des Eigenkapitals der Kapitalgesellschaft besteht, den das australische Recht nicht kennt. Weitreichender als bei der GmbH und auch als in Australien ist der Kapitalschutz bei deutschen Aktiengesellschaften. Er umfasst das gesamte Vermögen, unabhängig davon, ob es als Eigenkapital einzustufen ist. Diese Vorschriften zur Kapitalerhaltung setzen für die Beurteilung der Art und Weise, in der aktive Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns erfolgen darf, allenfalls den äußeren Rahmen. Eine gemeinsame Finanzplanung, selbst wenn sie in der Form eines zentralen Cash-Managements (Cash-Pool-System) mit Einzahlungsverpflichtungen der Tochterunternehmen erfolgt, ist in beiden Staaten grundsätzlich zulässig. In diesen und anderen Fällen, in denen das Tochterunternehmen selbst von der Kooperation profitiert, stellt sich die Frage, ob die Gegenleistung ausreichend ist. 145 Die Einschränkungen hierbei sind gering: Erstens handelt es sich bei finanziellen Einlagen in eine Kapitalgesellschaft, die in ein solches System eingebunden ist, um Sacheinlagen.146 Zweitens ist – wie bereits dargestellt – bei der GmbH der Erhalt des Stammkapitals auch außerhalb des Systems zu gewährleisten. Nur gegen den einseitigen Vermögenstransfer, der beispielsweise eine Investition oder eine Schuldentilgung in einer anderen Kapitalgesellschaft ermöglichen soll und an den keine Gegenleistung geknüpft ist, können nach den Regeln der Kapitalerhaltung Bedenken bestehen. Derartige Transaktionen sind für Aktiengesellschaften ohne einen der genannten Unternehmensverträge oder eine Eingliederung regelmäßig unzulässig. Bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung und bei einer GmbH sind sie aber jenseits des Eigenkapitalschutzes zulässig. Für australische Kapitalgesellschaften sind sie zumindest dann zulässig, wenn sie in Form der (ggf. nachträglichen) Gewinnausschüttung erfolgen können, was regelmäßig möglich ist. Bedeutsame Einschränkungen der Handlungsalternativen bei der Ausgestaltung der Corporate Governance sind den Kapitalerhaltungsvorschriften nicht zu entnehmen.

145

Vgl. unten: Teil 4 B.I.3., Seite 154 bzw. Teil 4 B.I.4., Seite 158; Habersack/ Schürnbrand, NZG 2004, 689 (692 f.); Hahn, Der Konzern 2004, 641 (643 f.). 146 BGH, ZIP 2006, 665 (666).

B. Konzernobergesellschaft

137

2. Durchgriffshaftung Jenseits der Kapitalerhaltungsregeln können sich weitere Einschränkungen der Kooperationsfreiheit aus Haftungsnormen ergeben, durch die der Konzernobergesellschaft das unternehmerische Risiko von Tochterunternehmen zugewiesen wird. Mit Hilfe normativer Standards soll die Reduzierung von Externalitätenproblemen und die Internalisierung von Kosten erreicht werden. 147 Ein Teil solcher Regeln wird zusammengefasst unter dem Begriff der Durchgriffshaftung (in Australien: Lifting bzw. Piercing the Corporate Veil). Besonders in Konzernsachverhalten soll mit diesen Regeln eine Lückenfüllung bei der Ausgestaltung der relationalen Beziehungen zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften erreicht werden. In der Rechtsentwicklung in Großbritannien und in Australien ist zwischen der Verleihung eigener Rechtspersönlichkeit und dem Haftungsprivileg zu unterscheiden, die sich als Rechtsprinzipien ursprünglich unabhängig voneinander entwickelten. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Gründung eigenständiger juristischer Personen (Trennungsprinzip / Separate Legal Entity) durch Privatpersonen zugelassen und erst später wies der Staat ihnen auch das Haftungsprivileg zu (Limited Liability). 148 Dieses wurde anfangs sehr zurückhaltend angewandt und setzte sich erst zur Jahrhundertwende mit der Entscheidung Salomon v Salomon149 durch. Mit dieser Entscheidung wurde erstmals die Fortführung eines Einzelhandelsunternehmens als juristische Person zugelassen. Auch erkannte das englische House of Lords die eigene Rechtspersönlichkeit für eine de facto Einmann-Gesellschaft an, in der weitere Anteilseigner Strohmänner des eigentlichen Geschäftsinhabers waren. Bis heute gilt diese Entscheidung auch in Australien als bedeutender Präzedenzfall. 150 Allerdings ergeben sich die darin aufgestellten Grundsätze heute ausdrücklich aus dem Gesetz, ss 114, 119, 516 Corporations Act. Mit den Grundentscheidungen des Regulierers im 19. Jahrhundert und der zeitgleich sich in der Rechtsprechung durchsetzenden Akzeptanz von Anteilsbesitz durch Kapitalgesellschaften setzten sich Konzerne als Handlungsalternative in Großbritannien und später auch in Australien durch. Das Trennungsprin-

147 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (322 f., 326, 331). 148 Vgl. oben: Teil 2 A., ab Seite 29, insbes.: Seite 32. 149 Salomon v Salomon & Co Ltd [1897] AC 22 (50 f. – Halsbury LC). 150 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (71).

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Teil 4 : Aktive Koordination

zip und das Haftungsprivileg wurden automatisch auf Konzerne angewendet.151 Allerdings können beide Prinzipien in betrügerischer Art und Weise zum Schaden außenstehender Akteure und der Allgemeinheit missbraucht werden. Solche Gefahren treten besonders bei Kapitalgesellschaften mit nur geringer Kapitalausstattung (sog. Two-Dollar-Companies) und bei breit diversifizierten Konzernen auf.152 Nachteilige Externalitäten können durch Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften verursacht werden und wenn Personen eine gescheiterte Unternehmung wirtschaftlich in neuer Rechtspersönlichkeit fortführen, ohne die Gläubiger der alten Gesellschaft zu befriedigen (sog. Phoenix Companies). 153 In derartigen Missbrauchsfällen müssen Ausnahmen vom Trennungsprinzip (Separate Legal Entity) bzw. vom Grundsatz der beschränkten Haftung zugelassen werden. Diese Ausnahmen entwickelten sich in Großbritannien und mittelbar auch in Australien seit der Anerkennung des Haftungsprivilegs. Allerdings beruht das Wesen der Kapitalgesellschaft sowohl auf dem Trennungs- als auch auf dem Haftungsprinzip. 154 Eine Durchgriffshaftung kann allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.155 Dabei wird in Australien nach verschiedenen Fallgruppen unterschieden. In Deutschland wird ebenfalls seit langem diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen im Rahmen einer Durchgriffshaftung Ausnahmen vom Trennungsprinzip zuzulassen sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde hier eine in sich uneinheitliche Rechtsprechung begründet, wann Dritte Ansprüche bei einflussreichen Anteilseignern liquidieren können. 156 Instrumentarien wurden entwickelt, um die Ausbeutung fremder Interessen und das Entstehen negativer

151

Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (71); Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (608 f.); Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (22); Thompson, Conn J Int’ L 13 (1999) 379 (381 f.). Vgl. oben: Teil 2 B., on page 38. 152 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 41. 153 Dine, Governance of Corporate Groups, 50 f.; Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (110 f.); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 38 f. 154 CASAC, Corporate Groups, [1.43]; Dine, Governance of Corporate Groups, 47; Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (89); Thompson, Conn J Int'l L 13 (1999) 379 (381); Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 47, 51 ff. 155 CASAC, Corporate Groups, [1.48]; Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (329, 345). 156 RGZ 103, 64 (66); RGZ 129, 50 (53 f. m.w.N. zu den Anfängen dieser Rechtsprechung); gute Übersicht über die weitere Entwicklung bis in die 30er Jahre: Spindler, Recht und Konzern, 89-94.

B. Konzernobergesellschaft

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Externalitäten einzudämmen. Auf dieser Rechtsprechung baute nach dem Zweiten Weltkrieg der BGH auf.157 Ein Durchgriff gegen die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft erfolgte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten. 158 Seit dem ersten Erscheinen von Sericks Buch 1955 wurde diskutiert, ob eine von den Grundsätzen von Treu und Glauben unabhängige Durchgriffslehre für die Rechtsform der GmbH anzuerkennen sei. Serick meinte, bei normativ systematischer Auslegung eine Ausnahme zum Trennungsprinzip (§ 13 GmbHG) bei Missbrauch der juristischen Person festzustellen und zog zum Vergleich Regelungen in den USA heran, die ihrerseits vielfach Ähnlichkeit mit den Prinzipien in Großbritannien haben. 159 Im Anschluss daran gab es in Deutschland eine lange Diskussion über verschiedene Durchgriffsmodelle. 160 Nur vereinzelt wurden dabei als Grundlage der Durchgriffslehre noch ihre Ursprünge als Ausfluss von Treu und Glauben unter Verweis auf die Rechtsentwicklung seit Anfang des 20. Jahrhunderts angeführt.161 Eine einheitliche Rechtsprechung zur Durchgriffshaftung hat sich bis heute in Deutschland nicht durchgesetzt. Der BGH scheint nur ausnahmsweise als „Notlösung“ eine Haftung von Dritten für Gesellschaftsschulden zuzulassen. 162 Auch das in den letzten Jahren entwickelte Verbot der Gläubigerschädigung (Bremer Vulkan/ KBV) stellt nach richtiger Auffassung keine Fallgruppe der Durchgriffshaftung dar. 163 Die Diskussion der Durchgriffshaftung hat in Australien insgesamt stärkere Relevanz als in Deutschland. Deshalb werden im Folgenden die bis heute in Australien häufig diskutierten Fallgruppen der Durchgriffshaftung und deren Wirkungsweisen ausführlich vorgestellt. Soweit es vergleichbare Rechtsprechung in Deutschland gibt, wird auf diese hingewiesen. Häufig wird in Rechtsordnungen mit angelsächsischer Rechtstradition trotz der Salomon-Entscheidung eine Ausnahme vom Haftungsprivileg bei Einmann-

157

BGHZ 78, 318 (333); Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 75 ff. Zusammenstellung der wichtigen BGH-Urteile zum Haftungsdurchgriff: Ulmer/ Raiser, GmbHG, §13 Rn 77 ff. 159 Serick, Rechtsform und Realität, 1. Buch Teile I, II, 15. 160 Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 63-68. 161 Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1555). 162 OGH, Der Konzern 2004, 689 (690); Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 298, 317. 163 Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 158

140

Teil 4 : Aktive Koordination

Gesellschaften gefordert. 164 Bis 1998 galt in Australien für Public Companies mit weniger als fünf Anteilseignern das Haftungsprivileg grundsätzlich nicht, s 186 Corporations Act a.F. Eine derartige Einschränkung gab es für Proprietary Companies nicht. Gerade Proprietary Companies stellen aber den Regelfall einer im Alleineigentum eines Anteilseigners stehenden Kapitalgesellschaft dar und werden auch für Tochterunternehmen einer Konzernobergesellschaft fast ausschließlich benutzt. Seit 1998 gibt es für Public Companies ebenfalls keine Mindestanzahl an Anteilseignern mehr, s 114 Corporations Act.165 Ein Haftungsdurchgriff bei Einmann-Gesellschaften muss also auf anderen, allgemeinen Rechtsgründen beruhen. Als zweite Fallgruppe der Durchgriffshaftung wird teilweise die verbotene Ausschüttung diskutiert. Die einseitige Verschiebung von Gesellschaftsvermögen, insbesondere in Form von unzulässigen Ausschüttungen, führt in Australien aufgrund der geringen Anforderungen an eine Gewinnausweisung nur ausnahmsweise zu einer Haftung der Anteilseigner.166 Weiter gehende Haftungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem Insolvenzrecht. Direktoren einer Gesellschaft werden unmittelbar persönlich haftbar, wenn sie das Geschäft trotz Zahlungsunfähigkeit fortführen, Kap. 5.7B, Abschn. 3, 4 Corporations Act. Das gleiche kann auch für Konzernobergesellschaften gelten, ss 588V - 588Y Corporations Act. Diese Verpflichtung kann bereits durch periodische Kontrollen der Liquidität der Kapitalgesellschaft erfüllt werden. 167 Missbräuchliches Verhalten wird weder per se verhindert noch ergeben sich weiter gehende Einschränkungen der Ausgestaltungsfreiheit der konzerninternen Kooperation aus diesen Vorschriften. Der Corporations Act sieht grundsätzlich keine Durchgriffshaftung selbst bei missbräuchlichem Verhalten der Akteure vor. Für Ausnahmen von der Haftungsprivilegierung kommt nur das Common Law in Betracht. In Großbritannien bilden Präzedenzfälle, die auf Vertretungsregeln aufbauen, eine bedeutende Fallgruppe der Durchgriffshaftung. 168 Tochterunternehmen können danach aufgrund von ausdrücklich vorhandener oder implizierter

164

Blumberg, Multinational Challenge, 67 f. Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 70. 166 Vgl. oben: Teil 4 B.I.1.,Seite 127. 167 Vgl. oben Teil 3 A.I., Seite 63. 168 z.B.: Smith, Stone and Knight Ltd v Lord Mayor, Aldermen and the Citizens of the City of Birmingham [1939] 4 All ER 116 (121 – Atkinson J); CASAC, Corporate Groups, [4.5]. 165

B. Konzernobergesellschaft

141

Vertretungsmacht die Konzernobergesellschaft binden und haftbar machen.169 Ein Tochterunternehmen soll nach der Entscheidung Re FG (Film) Ltd als Vertreter der Konzernobergesellschaft angesehen werden, wenn es von der Konzernobergesellschaft zur Durchführung einer Aufgabe eingesetzt wird, für die dem Tochterunternehmen die notwendigen Ressourcen offensichtlich fehlen und es sich diese auch nicht beschaffen kann.170 In dem entschiedenen Fall handelte es sich um eine Briefkastenfirma, die angeblich Produzent eines sehr kosten- und personalintensiven Filmprojektes war. In anderen Entscheidungen britischer Gerichte zur Durchgriffshaftung, in denen ebenfalls Grundsätze des Vertretungsrechts zur Anwendung kamen, forderten konzernverbundene Kapitalgesellschaften selbst Schadensersatz von außenstehenden Akteuren. 171 Beispielsweise konnte in Smith, Stone & Knight Ltd v Birmingham Corporation172 die Konzernobergesellschaft Schaden bei einem Dritten liquidieren. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass der ausgewiesene Gewinn des Tochterunternehmens als Gewinn der Konzernobergesellschaft behandelt wurde. Auch entschied allein die Konzernobergesellschaft über die Besetzung der Führungspositionen im Tochterunternehmen und übte tatsächliche, ständige Kontroll- und Leitungsmacht über das Tochterunternehmen aus. Das Tochterunternehmen verfügte weder über ein eigenständiges Vermögen noch wurden ihm eigene unternehmerische Aufgaben zugewiesen. In der Entscheidung DHN Food Distributors Ltd v Tower Hamlets London Borough Council173 schließlich erlaubte das britische Court of Appeal eine Art Drittschadensliquidation. Es entschied, dass ein Eingriff in den Gewerbebetrieb nicht allein aufgrund konzerninterner Strukturen ohne Ausgleich bleiben könne. Die Ergebnisse dieser Präzedenzfälle sind in England und in Australien umstritten. Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen, wann ein solches Vertre-

169 CASAC, Corporate Groups, [4.5]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.360, 4.370]. 170 Re FG (Film) Ltd [1953] 1 WLR 483 (486 – Vaisey J). 171 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.370]; Lipton/ Herzberg, Understanding Company Law, 41. 172 Smith, Stone and Knight Ltd v Lord Mayor, Aldermen and the Citizens of the City of Birmingham [1939] 4 All ER 116 (121 – Atkinson J). 173 DHN Food Distributors Ltd v Tower Hamlets London Borough Council [1976] 1 WLR 852 (860 – Lord Denning MR).

142

Teil 4 : Aktive Koordination

tungsverhältnis anzunehmen ist. 174 Australische Gerichte erkennen einerseits die genannten Präzedenzfälle aus England als hohe Autoritäten an. In der Rechtspraxis ist andererseits eine sehr restriktive Anwendung der genannten Grundsätze festzustellen. 175 In erster Linie wird bei der Prüfung, ob im Einzelfall ein Vertretungsverhältnis als Durchbrechung des Trennungsprinzips angenommen werden kann, auf den jeweiligen Gesetzeszweck abgestellt und nicht auf das allgemeine Rechtsprinzip des Vertretungsverhältnisses. 176 Auch die genannten englischen Präzedenzfälle können als Fälle von Normauslegung interpretiert werden: 177 Re FG (Film) Ltd betraf die Interpretation des Begriffs „Maker“ im Sinne des Cinematograph Films Act 1938. Smith, Stone and Knight Ltd bezog sich auf einen Anspruch aus s 121 Lands Clauses Consolidation Act 1845. DHN Food Distributors Ltd schließlich behandelte s 5 Land Compensation Act 1961. In vergleichbaren Entscheidungen in den USA wird ebenfalls die Funktion der Norminterpretation zur Verhinderung von Gesetzesumgehung betont, wenn im Einzelfall eine Vorschrift sowohl Tochterunternehmen als auch Konzernobergesellschaft binden soll. 178 Auch in Deutschland wird teilweise durch Auslegung von Normen oder Erklärungen eine Verpflichtung von weiteren Personen neben der Kapitalgesellschaft angenommen. Zu nennen sind beispielsweise die Ausdehnung von Wettbewerbsabsprachen, cic-Haftung des Vertreters (§ 311 III BGB), Ausweitung eines gegen eine bestimmte Person ausgesprochenen Gewerbeverbots, die Bedeutung des Verkehrsgeschäfts, die Rechtsscheinhaftung oder die Auslegung des Begriffs „Dritter“ in § 123 II BGB. 179 Auch bei der Auslegung von Stimm-

174

Vgl. beispielsweise: Re Polly Peck International plc [1996] BCC 486 (496 – Walker J, Vertretungsverhältnis abgelehnt); Smith, Stone and Knight Ltd v Lord Mayor, Aldermen and the Citizens of the City of Birmingham [1939] 4 All ER 116 (121 – Atkinson J, Vertretungsverhältnis angenommen). 175 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (78); Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.400]. 176 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch 433 (536), [1991] 1 All ER 929 (1019 – Salde LJ); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.390]. 177 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch 433 (536), [1991] 1 All ER 929 (1019 – Salde LJ, interpretiert dahingehend die DHN-Entscheidung). 178 Vgl.: Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (15-17). 179 Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (340); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.II, 70, 74; Heinrichs, in: Palandt, §311 Rn 60-65; Keßler, GmbHR 2002, 945 (947); Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 19 ff.; Serick, Rechtsform und Realität, 32, 42-44; Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 90, 110-116.

B. Konzernobergesellschaft

143

rechtsverboten und bei der Gefahr der Gesetzesumgehung durch Konzerne wird eine teleologische Normauslegung teilweise als Durchgriffsfall eingestuft.180 Diese Fälle haben große Ähnlichkeit zu den genannten Konstellationen der sog. Vertreterhaftung in Australien und in Großbritannien. Nur vereinzelt werden die für die Rechtslage in Australien herangezogenen Fälle bis heute als eigene Fallgruppe der Durchgriffsdoktrin und nicht als Norminterpretation angesehen. Eine derart weitreichende Anwendung der Grundsätze des Vertretungsrechts wird aber von den Gerichten abgelehnt. 181 In der Literatur zu den genannten Rechtsprechungsfällen wird teilweise darauf abgestellt, dass diese Grundsätze des Vertretungsrechts in Australien bislang nicht herangezogen wurden, wenn es um eine Haftung der Konzernobergesellschaft ging. Mit Ausnahme von Re FG (Film) Ltd machte die Konzerngesellschaft in den diskutierten Fällen stets selbst einen Schadensersatzanspruch geltend. Selbst Rogers CJ, der für einen Haftungsdurchgriff bei Konzernen eintritt, wies in einem bedeutenden neuseeländischen Fall, der auch in Australien zur Rechtsfortbildung diskutiert wird, die Anwendbarkeit des Vertretungsrechts zu Lasten der Konzernobergesellschaft zurück. 182 Unabhängig davon, ob die genannten Fälle als Ausnahmen vom Trennungsprinzip oder als Auslegungsergebnis der im Einzelfall einschlägigen Normen anzusehen sind, stellen sie auf jeden Fall eng umgrenzte Ausnahmesituationen dar, die keine besonderen Handlungseinschränkungen für die Kooperationsstruktur in Konzernen nahe legen. Weiter gehende Einschränkungen können bei Deliktsansprüchen gegen Konzerne bestehen. Generell scheinen Gerichte einen Haftungsdurchgriff häufig zugunsten von Deliktsgläubigern zuzulassen. 183 Dies beruht auf ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit, da sie ihre Ansprüche nicht auf vertraglichem Wege

180

RGZ 103, 64 (66 f.); RGZ 146, 385 (390-392); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.II, 74 f.; Serick, Rechtsform und Realität, 18, 46 f., 115. 181 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch 433 (539 f.), [1991] 1 All ER 929 (1022 – Slade LJ). 182 Qintex Australia Finance Ltd v Schroders Australia Ltd (1990) 3 ACSR 267 (276). 183 Briggs v James Hardie & Co Pty Ltd (1989) 7 ACLC 841 (863 – Rogers JAJ); Lipton/Herzberg, Understanding Company Law, 41; Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (345); Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 19 f.

144

Teil 4 : Aktive Koordination

im Voraus absichern können. 184 Rechtspolitisch soll durch diese Fallgruppe verhindert werden, dass innerhalb von Konzernen Tochterunternehmen, die gefahrenträchtige Aktivitäten mit hohem Haftungspotential aufnehmen, zur Risikominimierung von vornherein nur mit wenig Kapital ausgestattet werden.185 Vereinzelt wird de lege ferenda ein genereller Haftungsdurchgriff bei Konzernen für alle Deliktsgläubiger gefordert. 186 Im Ergebnis haben sich derartige Forderungen in Australien nicht durchgesetzt. Vielmehr wird im Deliktsrecht in der Haftungs- und Zurechnungsfrage für Konzerne in erster Linie auf allgemeine Grundsätze abgestellt, vor allem auf Formen der Beteiligung und Mittäterschaft am Delikt. 187 Für eine etwaige Haftung der Konzernobergesellschaft für Delikte und sonstige Sorgfaltsverletzungen, die in Tochterunternehmen begangen werden, können die Grundsätze von Barnes v Addy188 herangezogen werden, wenn die Akteure im Tochterunternehmen selbst einen Treuebruch begehen. Nach diesem britischen Präzedenzfall ist ein Dritter, der wissentlich Vermögen aus einem Trust entgegen den Bestimmungen aus dem Trust-Verhältnis erhält oder der wissentlich einen Treuebruch des Treuhänders unterstützt, gegenüber den Treuegebern persönlich haftbar. 189 Diese Grundsätze wurden von der Rechtsform des Trusts auf andere Treuhandverhältnisse ausgedehnt und sind heute unstrittig anwendbar auch auf das Verhältnis der Organwalter in Kapitalgesellschaften zur Gesellschaft. 190 Für Forderungen von außenstehenden Dritten gegen eine Kapitalgesellschaft ist ein Haftungsdurchgriff gegen Insider (hier: gegen die Konzernobergesellschaft) nach diesen Grundsätzen nur denkbar,

184

Briggs v James Hardie & Co Pty Ltd (1989) 7 ACLC 841 (863 – Rogers JAJ); Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (87); Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (101); CASAC, Corporate Groups, [4.3]; Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (345). 185 Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (373). 186 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (623-631); Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (96-98), 118 f.; Hill, Canadian Business Law Journal 24 (1995) 321 (328330); weniger weitreichend: Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (88); Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (119). 187 Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (116); CASAC, Corporate Groups, [4.9] stellt auf “reasonable foreseeability” und “proximity” je nach der unmittelbaren Kontrolldichte ab. 188 Barnes v Addy (1874) 9 LR Ch App 244 (Selborne LC, James LJ). 189 Barnes v Addy (1874) 9 LR Ch App 244 (251 f. – Selborne LC); Law/Pascoe, AJCL 11 (2000) 219 (222); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (224). 190 Law/Pascoe, AJCL 11 (2000) 219 (222 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (225).

B. Konzernobergesellschaft

145

wenn das Tochterunternehmen seinerseits zu diesen Dritten in einem besonderen Treueverhältnis steht. 191 Das wird nur ausnahmsweise der Fall sein. Für die Konzernobergesellschaft relevanter ist Barnes v Addy für Ausgleichsansprüche des Tochterunternehmens aufgrund eines Treuebruchs ihrer Organe. Dieser Anspruch kommt in der Insolvenz des Tochterunternehmens indirekt auch Gläubigern des Tochterunternehmens zugute. Während es bei der ersten Alternative des Barnes-v-Addy-Grundsatzes auf die persönliche treuwidrige Bereicherung ankommt, bezieht sich die zweite Alternative auf die Teilnahme am Treuebruch. 192 Beide Alternativen setzen Kenntnis voraus. Für Kenntnis im Sinne des Präzedenzfalles hat ein britisches Gericht in der Entscheidung Baden193 zwischen folgenden fünf Kategorien unterschieden: -

tatsächliche Kenntnis, bewusstes Ignorieren des Offensichtlichen, bewusstes und rücksichtsloses Unterlassen von Nachforschungen, die nach Treu und Glauben geboten gewesen waren, Kenntnis von Umständen, aufgrund derer der Treuebruch hätte erkannt werden können und Kenntnis von Umständen, aufgrund derer Nachforschungen hätten getätigt werden müssen. 194

Entgegen der bislang uneinheitlichen Anwendung dieser Kategorien in Großbritannien wenden australische Gerichte nach der Entscheidung Consul Development Pty Ltd v DPC Estates Pty Ltd195 bei beiden Alternativen von Barnes v Addy nur die ersten vier der in Baden genannten Kategorien an.196 Soweit die Konzernobergesellschaft aus einer verbotswidrig durchgeführten Transaktion direkt oder indirekt Vorteile zieht, wird Kenntnis und damit eine

191

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [16.080] m.w.N. Yeung, LMCLQ 1997, 208 (226, 250). 193 Baden v Société Générale pour Favoriser le Développement du Commerce et de l’Industrie en France SA [1992] 4 All ER 161 (235 – Gibson J). 194 Law/Pascoe, AJCL 11 (2000) 219 (236). 195 Consul Development Pty Ltd v DPC Estates Pty Ltd (1975) 132 CLR 373 (398 – Gibbs J). 196 Law/Pascoe, AJCL 11 (2000) 219 (241 f.); Thomas, UNSW LJ 20 (1997) 1 (6-8, 10, 14, 20). 192

146

Teil 4 : Aktive Koordination

Haftung nach der ersten Alternative von Barnes v Addy regelmäßig vorliegen.197 Die Feststellung von Kenntnis nach der zweiten Alternative ist dagegen schwieriger. Sie kann nur dann unterstellt werden, wenn das Tochterunternehmen aufgrund von direkter Einflussnahme oder einer Weisung der Konzernobergesellschaft gehandelt hat. 198 Soweit der Konzern zentralistisch strukturiert ist und eine hohe Kontrollintensität durch Repräsentanten der Konzernobergesellschaft vorliegt, kann zumindest für alle wichtigen Vorgänge in den Tochterunternehmen ebenfalls Kenntnis der Konzernobergesellschaft angenommen werden. Kenntnis scheidet immer dann aus, wenn auch der angebliche Teilnehmer, z.B. durch bewusstes Fehlverhalten eines seiner Organwalter, mit der treuwidrigen Maßnahme geschädigt wird. 199 Letzteres gilt vor allem bei Fehlverhalten von Doppelmandatsträgern. 200 Eine gewisse Entlastung der Beweislast könnte die englische Entscheidung Royal Brunei201 darstellen, der zufolge es bei der zweiten Alternative von Barnes v Addy ausschließlich auf die Treuwidrigkeit der Handlung des Dritten ankommt. Dann wären Kenntnis und Treuwidrigkeit des Treuhänders nicht notwendig. 202 Ob australische Gerichte Royal Brunei folgen, ist noch ungeklärt. Ein objektiv vorliegender Treuebruch ohne Kenntnis des betreffenden Treuhänders kommt aber ohnehin nur in außergewöhnlichen Fallkonstellationen in Betracht und kann in der Praxis vernachlässigt werden. Die Anwendung von Royal Brunei könnte der Konzernobergesellschaft sogar zugute kommen. Danach wäre nämlich eine Feststellung von Treuwidrigkeit auch der Konzernobergesellschaft bzw. ihrer Akteure bei der Teilnahmehandlung notwendig. Daraus ergibt sich das Problem, ob eine Handlung in der Konzernobergesellschaft treuwidrig sein kann, wenn nur ein Tochterunternehmen geschädigt wird, die Konzernobergesellschaft selbst aber Vorteile zieht. 203 Auch diese Differen-

197

Beach Petroleum NL v Johnson (1993) 115 ALR 411 (574 – von Doussa J); Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (649); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (255). 198 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (225, 227). 199 Re David Payne & Co Ltd, Young v David Payne & Co Ltd [1904] 2 Ch 608 (611 – Buckley J); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (252-254). 200 Re Hampshire Land Co [1896] 2 Ch 743 (748 – Williams J). 201 Royal Brunei Airlines Sdn Bhd v Philip Tan Kok Ming [1995] 2 AC 378 (389 – Nicholls of Birkenhead LJ). 202 Law/Pascoe, AJCL 11 (2000) 219 (240); Thomas, UNSW LJ 20 (1997) 1 (17 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (226, 250 f.). 203 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (227, 228).

B. Konzernobergesellschaft

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zierung durch Royal Brunei darf für Konzerne nicht überbewertet werden. Sollte in einem derartigen Fall nämlich eine sorgfaltswidrige Handlung der Akteure in dem Tochterunternehmen vorliegen, so ist regelmäßig eine Haftung der bereicherten Kapitalgesellschaften (regelmäßig der Konzernobergesellschaft) nach der ersten Alternative von Barnes v Addy einschlägig. Dann kommt es auf die Entscheidung Royal Brunei und die Einschlägigkeit der zweiten Alternative nicht an. Selbst bei einer Anwendung von Royal Brunei in Australien käme es daher zu keinen nennenswerten Veränderungen in der konkreten Ausprägung der Grundsätze von Barnes v Addy. In Bezug auf die notwendige Teilnahmehandlung nach der zweiten Alternative ist allein der Aufbau eines Konzernierungsverhältnisses in jedem Fall unzureichend. Dies gilt selbst dann, wenn die gewählte Corporate-GovernanceStruktur die Vergabe von Doppelmandaten umfasst oder nur unzureichende Überwachungsmechanismen vorsieht. 204 Eine tatsächliche Teilnahme an ausgleichspflichtigem Fehlverhalten in Tochterunternehmen nach der zweiten Alternative wird der Konzernobergesellschaft häufig nur bei besonders intensiver Einflussnahme in deren unternehmerische Tätigkeit vorliegen. Dann aber ist die Konzernobergesellschaft auch Shadow Director und haftet unmittelbar wie ein Direktor, ohne dass es auf Barnes v Addy ankäme.205 Praktisch relevant wird eine Haftung nach den Grundsätzen von Barnes v Addy überdies regelmäßig nur bei Zusammenbruch einer Kapitalgesellschaft. 206 Gerade für Insolvenzen von Tochterunternehmen sehen die ss 588 V ff. Corporations Act aber ausdrückliche Handlungspflichten der Konzernobergesellschaft vor.207 Eines zusätzlichen Haftungstatbestands nach den Regeln von Barnes v Addy bedarf es folglich nicht. 208 Für Konzernsachverhalte sollte diese Doktrin folglich restriktiv ausgelegt und ihr keine eigenständige Bedeutung beigemessen werden. Teilweise wird in einer weiteren, von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppe eine Durchgriffshaftung in Australien bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft als bloße Irreführung oder betrügerisch als Augenwischerei (Façade bzw. Sham) benutzt wird.209 Entscheidungen, in denen Gerichte eine Kapitalgesell-

204

Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 NZLR 30 (89 – Thomas J). Vgl. unten: Teil 4 B.II.1., Seite 173. 206 Thomas, UNSW LJ 20 (1997) 1 (3). 207 Vgl. oben: Teil 3 A.I., Seite 63. 208 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (228). 209 CASAC, Corporate Groups, [1.50]. 205

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Teil 4 : Aktive Koordination

schaft als bloße „Sham“ bezeichnet haben, 210 bezogen sich durchweg auf Fälle, in denen die Kapitalgesellschaft ausschließlich als Vehikel für unrechtmäßige Maßnahmen verwendet werden sollte, um Delikte zu begehen oder um unrechtmäßig auf bestehende Vertragsbeziehungen einzuwirken (Unlawful interference with contractual relations).211 Die bewusste Ausnutzung des Haftungsprivilegs bei der Durchführung risikoreicher Vorhaben ist nicht ausreichend. 212 Auch fällt allein der Abzug von Vermögensgegenständen aus der Kapitalgesellschaft nicht in diese Fallgruppe, selbst wenn dessen einziger Zweck darin bestand, den Zugriff auf die konkreten Gegenstände durch Dritte zu verhindern. 213 Hauptsächlich ging es in der Rechtsprechung um Sachverhalte, in denen eine Kapitalgesellschaft ausschließlich zur Umgehung einer bestehenden Verpflichtung gegründet worden ist. Teilweise wurde die Bezeichnung „Sham“ auch in Fällen des unlauteren Wettbewerbs und der Insolvenzverschleppung benutzt. Selbst bei der bereits diskutierten Anwendung von Vertretungsregeln, in Betrugsfällen und bei Problemen, die mit Hilfe von Vertragsauslegung gelöst wurden, bezeichnete das Gericht die Kapitalgesellschaft in der Urteilsbegründung teilweise als „Sham“. 214 Die Umschreibung „Façade“ oder „Sham“ bezeichnet folglich keine eigenständige Fallgruppe der Durchgriffshaftung. Mit ihr werden vielmehr verschiedene Fälle umschrieben, die aus anderen Rechtsgründen eine rechtliche Bindung von anderen Personen neben der Kapitalgesellschaft rechtfertigen. 215 Ein Grundlagenwerk zum australischen Gesellschaftsrecht fasst dies wie folgt zusammen: “When the law says that a corporation is a person it is expressing a conventional acceptance of a falsehood or pretence. It does that for many socially useful

210 Gilford Motor Co Ltd v Horne [1933] Ch 935 (956 – Lord Hanworth MR); Jones v Lipman [1962] 1 WLR 832 (836 – Russell J). 211 Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (106); CASAC, Corporate Groups, [4.8]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.380]. 212 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch 433 (544), [1991] 1 All ER 929 (1026 – Slade LJ). 213 Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corp of Liberia (The Rialto) (No 2) [1998] 4 All ER 82 (98), [1998] 1 WLR 294 (308 – Toulson J). 214 Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corp of Liberia (The Rialto) (No 2) [1998] 4 All ER 82 (93 f.), [1998] 1 WLR 294 (306 – Toulson J). 215 Yukong Line Ltd of Korea v Rendsburg Investments Corp of Liberia (The Rialto) (No 2) [1998] 4 All ER 82 (98 f.), [1998] 1 WLR 294 (308 – Toulson J); Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.350].

B. Konzernobergesellschaft

149

purposes. A company will be seen to be a sham only when the conditions for that conventional acceptance are not fulfilled.”216

Schließlich wird in Australien als relevante Fallgruppe der Durchgriffshaftung häufig die Unterkapitalisierung genannt. Damit soll dem Anreiz entgegengewirkt werden, bei besonders gefährlichen Aufgaben den entsprechenden Gesellschaften bewusst unzureichend Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.217 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Fallgruppe der Unterkapitalisierung sind in Australien umstritten. Allein eine niedrige Kapitalausstattung ist jedenfalls für eine persönliche Haftung unzureichend. 218 Tatsächlich kam es in den Rechtsprechungsfällen, die auf die Unterkapitalisierung abstellten, auch gar nicht auf die Kapitalausstattung, sondern auf die Arglist der Unternehmensgründer und Anteilseigner an. 219 Die arglistige oder sonst treuwidrige Nachteilszufügung gegenüber Dritten kann aber angemessen im Rahmen des Deliktsrechts adressiert werden. Als eigenständige Fallgruppe der Durchgriffshaftung insbesondere im Konzernzusammenhang wird daher der Unterkapitalisierung in Australien keine Bedeutung zugemessen. 220 Es ist allgemein anerkannt, dass Gläubiger sich in erster Linie selber schützen müssen und dies auch regelmäßig in Form höherer Risikoprämien bei unzureichender Kapitaldeckung tun. Zumindest in einem effizienten Markt mit vollständigen Informationen würden dadurch die Anteilseigner indirekt für die unzureichende Kapitalausstattung belastet.221 Rechtstatsächlich umgehen Gläubiger das Problem geringer Kapitalausstattung von Tochterunternehmen und auch die Gefahr von nachträglichen Vermögensverlagerungen in Konzernen dadurch, dass sie wechselseitige Bürgschaften anderer verbundener Kapitalgesellschaften einfordern.222 Die in Australien als Unterkapitalisierung diskutierten Fälle treuwidriger Gläubigergefährdung unterliegen auch in Deutschland der Durchgriffshaftung. Dabei kommen neben der qualifizierten Unterkapitalisierung die Fallgruppen der Vermögensvermischung und des Verbots der Gläubigerschädigung durch

216

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.350]. Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (104); Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (112). 218 Re Polly Peck International plc [1996] BCC 486 (496 – Walker J). 219 CASAC, Corporate Groups, [1.49]. 220 CASAC, Corporate Groups, [1.49 (fn 58)]. 221 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (77); Easterbrook/ Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 59. 222 Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (94); Houghton/Dean/Luckett, A Linear Programming Approach, 2. 217

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Teil 4 : Aktive Koordination

Existenzvernichtung (Bremer Vulkan/KBV) in Betracht, die sich insgesamt mit den in Australien für die Unterkapitalisierung diskutierten Fällen überschneiden. Bei der deutschen Vermögens- oder Sphärenvermischung beruht die Durchgriffshaftung auf zurechenbarem Fehlverhalten des Gesellschafters oder der Gesellschafter. Sie tritt ein, wenn diese die notwendige Trennung zwischen ihrem eigenen Vermögen und dem der Gesellschaft nicht beachtet haben und eine eindeutige Zuordnung von Vermögensgegenständen zu der einen oder anderen Person scheitert. 223 Diese Fallgruppe wird teilweise auch als Beweislastumkehr und nicht als materielles Rechtsinstitut interpretiert.224 Mit dem Begriff qualifizierte Unterkapitalisierung werden in Deutschland Fälle rücksichtsloser Gläubigergefährdung durch außerordentlich unseriöses Finanzgebaren umschrieben. Die Gläubiger einer zahlungsunfähigen Gesellschaft sollen Rückgriff gegen die Hintermänner nehmen können, wenn mit eindeutig unzureichender Kapitalausstattung zu Lasten sonstiger Akteure auf hohe Gewinne spekuliert wird und von vornherein der Zusammenbruch des nicht mehr lebensfähigen Unternehmens voraussehbar war. 225 Im Einzelnen wurde diese Fallgruppe noch nicht abschließend durch Rechtsprechung und Literatur geklärt. Vor allem ist weiterhin offen, ob und welcher Verschuldensmaßstab angewendet werden soll.226 Unstrittig rechtfertigt jedenfalls wie in Australien so auch in Deutschland allein eine für die unternehmerischen Vorhaben unzureichende Kapitalausstattung keinen Haftungsdurchgriff.227 Die dogmatische Begründung des Durchgriffs wegen qualifizierter Unterkapitalisie-

223

Benecke, BB 2003, 1190 (1193); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.III.3, 86; Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, HoldingHandbuch, §7 Rz 64, 66; Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 126. 224 Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1558). 225 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh§30 Rn 11, 18, 21, 49-52, 55, 58; Lutter/ Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 62; Wiedemann, ZGR 2003, 283 (288). Übersicht über Meinungsstand und Kritik zu dieser Fallgruppe: Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 309-330. 226 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.III.1, 82 f.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh§30 Rn 43-48; Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (177). 227 BGHZ 68, 312 (316-319).

B. Konzernobergesellschaft

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rung soll nach verbreiteter Ansicht im Deliktsrecht und dort auf §§ 823 II, 826 BGB beruhen. 228 Auch dies ähnelt australischer Regulierung. Teilweise wird ein Verbot der Tätigung sonstiger riskanter Geschäfte zum Nachteil der Gesellschaft oder ihrer Gläubiger als Fallgruppe der Durchgriffshaftung eingestuft.229 Die diesbezügliche Diskussion überschneidet sich mit der zur qualifizierten Unterkapitalisierung und zur Vermögensvermischung. Inhaltlich handelt es sich um die Frage, in welchem Umfang ein materiellrechtliches Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung des Tochterunternehmens (Bremer Vulkan/KBV) besteht. Dies wird im Rahmen der Obhutspflichten diskutiert.230 In der Gesamtbetrachtung zeigt sich, dass die Fälle der Durchgriffshaftung nur in besonderen Ausnahmesituationen vorkommen. Empirische Untersuchungen sowohl aus den USA als auch aus Australien zeigen, dass das Trennungsprinzip und das Haftungsprivileg im Kapitalgesellschaftsrecht insgesamt einen hohen Stellenwert haben. 231 Die Anzahl der positiv entschiedenen Durchgriffsfälle in Australien ist so gering, dass keine verlässlichen Aussagen über die Fallverteilung getroffen werden können. Mit dieser Einschränkung scheint innerhalb der wenigen Ausnahmesituationen die Bereitschaft für eine solche Haftung in Deliktsfällen größer zu sein. 232 Zudem betreffen die in Australien entschiedenen Durchgriffsfälle vorwiegend Einmann-Gesellschaften. 233 Auch in Deutschland wird häufig bei Einmann-Gesellschaften der Grundsatz rechtlicher Selbstständigkeit beiseite geschoben. Dies liegt daran, dass in diesen Konstellationen generell bei Kapitalgesellschaften und dem Einsatz von Agenten bestehende Probleme besonders hervortreten, ohne dass tatsächliche Strukturunterschiede zu Kapitalgesellschaften mit mehreren Gesellschaftern beste-

228

Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (339); Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh§30 Rn 2, 31 f., 36; Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 22, 62 (mit teilweise anderer Begründung); Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 160. 229 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.III.3, 87; Wiedemann, ZGR 2003, 283 (287 f.). 230 Vgl. unten: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 231 Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (112); Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 18, 19; Thompson, Conn J Int'l L 13 (1999) 379 (388). 232 Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 18, 19; so auch in den USA: Easterbrook/Fischel, U Chi L Rev 52 (1985) 89 (112). 233 Johnson Matthey (Aust) ltd v Dascorp pty ltd [2003] VSC 291 [171] (Redlich J); Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 18, 19.

152

Teil 4 : Aktive Koordination

hen.234 Forderungen vor allem in der angloaustralischen Literatur für weitgehende Ausnahmen vom Trennungsprinzip für Konzerne werden nach wie vor nur vereinzelt vorgetragen. 235 Sie stellen zudem auf Missbrauchsfälle ab, in denen ohnehin die bereits erwähnten Ausnahmetatbestände zu diskutieren wären. Zusammenfassend ergibt sich, dass – soweit überhaupt von einer eigenen Doktrin der Durchgriffshaftung gesprochen werden kann – in dieser nicht gesondert auf Konzernsachverhalte abgestellt wird, sondern auf allgemeine Regeln, die für alle Kapitalgesellschaften anwendbar sind. 236 Ausschlaggebend für eine solche Haftung ist stets das Verhalten der haftenden Person.237 Unterstrichen wird dieses Auslegungsergebnis durch die historische Entwicklung in Deutschland. Wie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wird heute allgemein im Rahmen der Durchgriffsdiskussion inhaltlich darauf abgestellt, ob ein Akteur ausnahmsweise Leistungen nach Treu und Glauben auch von anderen Personen als von der primär schuldenden Kapitalgesellschaft verlangen kann. Ungeachtet von mehrdeutigen Präzedenzfällen und einer teilweise unklaren Rechtslage in Australien hat sich seit dem 19. Jahrhundert dort das Trennungsprinzip und das Haftungsprivileg als beständige Grundlage des Kapitalgesellschaftsrechts durchgesetzt. 238 Das Trennungsprinzip scheint eher in Fällen außer Acht gelassen zu werden, in denen der Konzernverbund davon profitiert, als in Fällen, in denen es um eine Haftungszuweisung an die Konzernobergesellschaft geht. 239 Insgesamt ist die Doktrin der Durchgriffshaftung unpräzise und ihre Tatbestandsvoraussetzungen sind weitgehend ungeklärt:240

234

Serick, Rechtsform und Realität, 14 f. Zuletzt: Dunn, Sydney LR (2005) 27, 339. 236 Blumberg, Multinational Challenge, 66; Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (10, 18). 237 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.I, 66, 68. 238 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (634, 636); Blumberg, Multinational Challenge, 154 f., 159; Wyatt/Mason, C&S LJ 16 (1998) 424 (429 f.). 239 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (80); Hill, Canadian Business Law Journal 24 (1995) 321 (337). 240 Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (136); Blumberg, Multinational Challenge, 85-87; Carroll, in: Gillooly, Corporate Groups, 91 (100). 235

B. Konzernobergesellschaft

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“[L]aw is still striving to formulate a common law generalisation as to when courts should do that.”241

In Deutschland hat sich kein eigenes Rechtsinstitut durchgesetzt, das die Durchbrechung des Trennungsprinzips beinhaltet. Im 68. Band fasste der BGH im Jahr 1977 zusammen, dass anerkannte Fallgruppen der Durchgriffshaftung neben Fällen, in denen der Gesellschafter den Eindruck persönlicher Haftung erweckt, die Vermögensvermischung und der Rechtsmissbrauch seien. Die Rechtsprechung sei uneinheitlich. 242 Der Begriff Durchgriffshaftung hat heute auch in Deutschland allenfalls eine Stichwortfunktion unter dem eine Reihe losgelöster, eigenständiger Fallgruppen zusammengefasst sind, in denen Gesellschafter und sonstige Hintermänner für die Schulden einer Kapitalgesellschaft einstehen müssen. 243 Zur Begründung der Haftung ist auf allgemeine Regeln des Gesellschafts- und Zivilrechts zurückzugreifen, vor allem auf den Grundsatz von Treu und Glauben. 244 Eine allgemeine Durchgriffsdoktrin wird auch in der australischen Literatur häufig abgelehnt. Wie in Deutschland wird betont, dass es ausschließlich auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale allgemeiner Regeln des jeweiligen Rechtsgebiets ankommt. 245 Die sog. Ausnahmen vom Trennungsprinzip bzw. dem Haftungsprivileg in Australien und in Großbritannien stellen allgemeine Rechtsprinzipien dar, die neben diese Grundsätze treten und unabhängig von ihnen sind. 246 Vor allem an Vertretungsrecht, Gesamtschuldnerschaft, Mittäterschaft und Beteiligung ist zu denken. Auch die Norm- und Vertragsinterpretation kommen dafür in Betracht. Dies fasste ein australisches Gericht zusammen: “So long as the law permits people to erect structures which have meaningful legal consequences then if a person elects to erect such a structure he must take the consequences of such erection for better, for worse, for richer or poorer, in commercial sickness or commercial health.”247

241

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.350]. BGHZ 68, 312 (315). 243 Benecke, BB 2003, 1190 (1193); Ulmer/Raiser, GmbHG, §13 Rn 69. 244 Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (345). 245 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (744). 246 CASAC, Corporate Groups, [4.1]. 247 Morgan v 45 Flers Avenue Pty Ltd (1986) 10 ACLR 692 (695), 5 ACLC 222 (225 – Young J). 242

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Teil 4 : Aktive Koordination

Den hier vorgestellten Fallgruppen kann keine relevante Einschränkung der Ausgestaltungsalternativen der relationalen Beziehungen zwischen den Akteuren der Konzernobergesellschaft und der Tochterunternehmen entnommen werden.

3. Related Party Transactions Eine weiter gehende verschuldensunabhängige Handlungsbeschränkung bei der Ausgestaltung der Corporate Governance in Konzernen stellen in Australien die Regeln zu den Related Party Transactions dar, Kap. 2E Corporations Act. Dabei geht es um besondere Fälle, in denen Transaktionen der Kapitalgesellschaft von den Anteilseignern genehmigt werden müssen. Nach s 208 I Corporations Act ist dies bei jeder Transaktion der Fall, bei der eine Public Company oder eine durch sie kontrollierte Kapitalgesellschaft einer zu der Kapitalgesellschaft in besonderer Beziehung stehenden Person (Related Party) etwas (Financial Benefit) überträgt. Der Begriff Related Party umfasst bei Konzernen alle im Konzernverbund stehenden Kapitalgesellschaften (Controlling, Controlled Entities), s 228 I, IV Corporations Act. Nur Veräußerungen downstream, also an eigene Tochterunternehmen, werden nicht erfasst. Die Vorschrift stellt auf Kontrolle (Control) im Sinne von s 50AA Corporations Act ab, wonach die Möglichkeit der Bestimmung der Unternehmenspolitik (Financial and Operating Policies) ausschlaggebend ist. Der Begriff des Financial Benefits umfasst jeglichen pekuniären oder sonst wirtschaftlichen Vorteil, s 229 Corporations Act. 248 Die Anforderungen an das Genehmigungsverfahren der Transaktion durch die Anteilseigner sind in ss 217-227 Corporations Act festgelegt. Kapitel 2E Corporations Act ist nur auf Konzerne anwendbar, wenn die Konzernobergesellschaft oder zumindest eine in einer höheren Hierarchieebene angesiedelte Kapitalgesellschaft als australische Public Company firmiert. Diese Einschränkung wird nur in Konstellationen relevant, in denen die Konzernobergesellschaft nicht australischer Herkunft ist.

248

CASAC, Corporate Groups, [1.73]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Princip les of Corporations Law, [9.480-9.510]; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 378; Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (354).

B. Konzernobergesellschaft

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Eine Genehmigung der Transaktion durch die außenstehenden Anteilseigner ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Transaktion zu Marktbedingungen (at Arm’s Length) erfolgt, s 210 Corporations Act, oder wenn in dem Tochterunternehmen keine außenstehenden Anteilseigner vorhanden sind, s 214 Corporations Act. 249 Für den Regelfall eines Tochterunternehmens im Alleineigentum der Konzernobergesellschaft kommt es folglich zu keinen Einschränkungen des Handlungsspielraums. Auch bei Tochterunternehmen mit nur wenigen Anteilseignern, z.B. bei einem Joint Venture, kann eine Genehmigung im Regelfall ohne wesentliche Nachteile eingeholt werden. Für alle anderen Fälle sind derartige Genehmigungsverfahren aufgrund der mit ihnen verbundenen hohen Kosten, der aufzuwendenden Zeit und der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erforderlich werdenden weitreichenden Offenlegungspflichten unattraktiv. Im Einzelfall können sie zu Wettbewerbsnachteilen für die betroffenen Unternehmen führen. Regelmäßig wird eine Transaktion in solchen Konstellationen undurchführbar, wenn eine Genehmigung erforderlich ist. Die Auswirkungen eines Investitionsvetorechts durch außenstehende Anteilseigner auf die einzelnen Akteure an den Kapitalmärkten und auf die interne Produktivität wurden bislang in der Ökonomik nur angedeutet.250 Tochterunternehmen mit einer großen Anzahl von Anteilseignern können daher praktisch nur dann Transaktionen mit anderen zu ihnen im Konzernverbund stehenden Gesellschaften eingehen, wenn die Transaktionsbedingungen die Marktbedingungen widerspiegeln. Dieses Erfordernis wird problematisch bei hoher Intensität der Kooperation. Dann entstehen automatisch gegenseitige Abhängigkeiten und eine marktgerechte Beurteilung jeder einzelnen Transaktion lässt sich kaum sicherstellen. Auch ist bei zentraler Leitung durch Akteure der Konzernobergesellschaft regelmäßig eine Kooperation zu simulierten Marktbedingungen nicht zu gewährleisten. Besondere Probleme entstehen, wenn im Rahmen von konzernweiter Kooperation Konzernverrechnungspreise vereinbart werden.251 Auch ein gemeinsames Finanzmanagement wirft Probleme auf. Durch ein gemeinsames Auftreten am Markt versuchen die in Konzerne eingebundenen Kapitalgesellschaften häufig Kosten zu senken. Kredite werden gemeinsam aufgenommen, Verbindlichkeiten und Vermögenswerte werden zur Ressourcen sparenden Verwendung hin und her geschoben. Auch Quersubventionierungen

249

Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (355). Vgl.: Kirchner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 2 (1983) 137 (152 f.). 251 Re Spargos Mining NL (1990) 3 ACSR 1 (33 – Murray J); Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (164); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (237). 250

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Teil 4 : Aktive Koordination

können im gemeinsamen Interesse liegen.252 Alle derartigen Kooperationsbemühungen unterliegen dem Genehmigungserfordernis, wenn das Tochterunternehmen mit außenstehenden Anteilseignern in einem Einzelfall nicht zu oder besser als zu Marktbedingungen kontrahiert. Selbst wenn die gewählte Corporate-Governance-Struktur im Konzern den einzelnen Tochterunternehmen freien Spielraum in der Ausgestaltung ihrer Beziehungen einräumt, ist nicht sichergestellt, dass diese objektive Marktbedingungen vereinbaren. Weiterhin ist der Begriff der Marktbedingung (Arm’s Length) problematisch. Nicht in jedem Fall wird ein objektiver Marktpreis feststellbar sein. Als Beurteilungsmaßstab dafür, ob ein günstiger Vertrag bei einer Aktiengesellschaft eine verbotene Gewinnausschüttung darstellt, wird ebenfalls in der deutschen Literatur teilweise auf das Kriterium des Arm’-Length-Contract abgestellt. 253 Die deutsche Rechtsprechung erscheint bei der Beurteilung hier aber großzügiger. Nicht jeder nachteilhafte Austauschvertrag stellt einen Verstoß gegen das Ausschüttungsverbot dar. 254 Insofern erscheint – wie bei der Anwendung der Rechtsprechung zum Aktivtausch auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft – eine zwischen den Rechtsformen der Aktiengesellschaft und der GmbH differenzierende Betrachtung angezeigt. Trotz der formal vergleichbaren Voraussetzungen, ist eine funktionelle Gleichsetzung des Kriteriums Arm’s Length in den australischen Related-Party-Transaction-Regeln mit den Kapitalerhaltungsregeln des AktG deshalb nicht zulässig. In der Rechtsprechungspraxis in Australien wurden nach den Regeln der Related Party Transactions bislang nur in offensichtlich pathologischen Fällen Transaktionen außer Kraft gesetzt. In jedem Einzelfall waren Direktoren mit Doppelmandaten auf beiden Seiten der Transaktionsbeziehung in die Entscheidungsprozesse eingebunden. 255 Deshalb wird häufig gefordert, dass bei Transaktionen mit konzernverbundenen Kapitalgesellschaften, bei denen die RelatedParty-Transactions-Regeln einschlägig sind, sich die Direktoren von unabhängiger Seite beraten lassen. 256 Die Beauftragung unabhängiger Berater ist aber nur möglich, wenn die Anzahl der zu beurteilenden Transaktionen überschau-

252

CASAC, Corporate Groups, [1.60, 1.61]; Hadden, NSW LJ 15 (1992) 61 (64 f.); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (209). 253 Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 29. 254 Pentz, ZIP 2006, 781 (785). 255 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (237). 256 Re Enterprise Gold Mines NL (1991) 3 ACSR 531 (539 f. – Murray J); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [9.530]; Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (164).

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bar bleibt. Besser erscheint es daher, dass Direktoren, die vom Konzernverbund unabhängig sind (Independent Directors), einen Ausschuss für interne Kooperationsbeziehungen bilden, in dem jede konzerninterne Transaktion einzeln geprüft werden kann. 257 Um die Unabhängigkeit dieser Direktoren zu garantieren, dürfen sie aber nicht hauptamtlich in dem Tochterunternehmen beschäftigt sein. Soweit ein Independent Director alle konzerninternen Transaktionen beurteilen muss, sind dadurch ebenfalls tatsächliche Schranken für die Intensität der Kooperationsbeziehung gesetzt. Insgesamt zeigt die Diskussion, dass Kap. 2E Corporations Act weitreichende Einschränkungen der Kooperationsalternativen zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns setzt, in denen außenstehende Anteilseigner vorhanden sind. Um ein Genehmigungsverfahren nach ss 208 ff. Corporations Act zu umgehen, muss jede einzelne Transaktion an den konkreten Marktbedingungen ausgerichtet sein. Alle konzerninternen Transaktionen müssen verhindert werden, durch die das Tochterunternehmen seinen eigenen Gewinn nicht maximiert. Dadurch können Kooperationsmaßnahmen verhindert werden, die langfristig allen Akteuren zugute kämen. 258 Außenstehende Anteilseigner erfahren regelmäßig nichts von konzerninternen Transaktionen und können daher auch nicht gegen diese vorgehen. 259 Es fehlt also an einem effektiven Durchsetzungsmechanismus für die hier diskutierten Regeln. So weit ersichtlich, hat sich an diesem Befund auch nichts durch die Stärkung der Rechte der Anteilseigner durch die CLERP 9-Reform im Jahre 2004 geändert. Danach sind die Anteilseigner umfangreicher und regelmäßiger zu informieren. Praktische Auswirkungen, die vor allem in der Berichts- und Hauptversammlungssaison 2005 hätten zu Tage treten müssen, waren aber nicht zu verzeichnen. Die Regeln zu den Related Party Transactions können den ihnen zugedachten Schutz deshalb nicht leisten. Gleichzeitig setzen sie Handlungsanreize für Officer und Direktoren der beteiligten Tochterunternehmen, bestimmte Formen der Kooperation zu unterlassen, auch wenn sie für den Konzern gewinnsteigernde Wirkungen hätten.

257

So auch: Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 115; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 246 f. (Spricht von „einem aus desinteressierten Verwaltungsräten bestehenden Teilgremium“). 258 Zu vergleichbaren Problemen bei einem zu rigorosem Drittparteienstandard in den USA: Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 115; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 250-253. 259 Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (22).

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Teil 4 : Aktive Koordination

Für die konzerninterne Kooperation erzwingt Kap. 2E Corporations Act in Tochterunternehmen mit außenstehenden Anteilseignern eine Corporate-Governance-Struktur, in der für jede konzerninterne Transaktion eine unabhängige Überprüfung der Transaktionsbedingungen sichergestellt ist. Die damit verbundenen Kosten werden von den erstrebten Ertragssteigerungen für außenstehende Anteilseigner nicht aufgewogen.

4. Faktischer AG-Konzern Mit den Related-Party-Transactions-Regeln vergleichbar sind in Deutschland die §§ 311 ff. AktG, die ebenfalls weitgehend verschuldensunabhängige Handlungs- und Ausgleichspflichten zu statuieren. Diese Vorschriften sind anwendbar für alle Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, die ohne Bestehen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung in einem Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von § 17 I AktG stehen (faktischer AG-Konzern). Der vom Gesetzgeber für diese Fallgruppe beabsichtigte Schutz der außenstehenden Akteure im Tochterunternehmen (sonstige Anteilseigner und Gläubiger) kann in seiner Wirkung die Handlungsalternativen der Akteure in der Konzernobergesellschaft im Rahmen der Ausgestaltung der Corporate Governance im Konzern einschränken. Heute ist die Möglichkeit der Einflussnahme von Akteuren in der Konzernobergesellschaft auf Tochterunternehmen, die einen faktischen AG-Konzern bilden, anerkannt. 260 Eine überkommene Ansicht, nach der bei einem faktischen AG-Konzern bereits ein Konzernleitungsrecht der Akteure der Konzernobergesellschaft nicht besteht, wird heute nicht mehr vertreten. Sie ist deshalb nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die heute noch relevante Auseinandersetzung darüber, wie weit der Einfluss zwischen den Kapitalgesellschaften eines faktischen AG-Konzerns gehen darf, beschränkt sich weitgehend auf einen Aspekt. Ein faktischer AG-Konzern soll nur so lange zulässig sein, bis die aktive Koordination zwischen den Kapitalgesellschaften eine Intensität erreicht, die die Anwendung der §§ 311 ff. AktG faktisch ausschließt. Dieser Rückschluss aus §§ 311 ff. AktG wird im Folgenden diskutiert.261 Andere Aspekte der angeblichen Einschränkung des Konzernleitungsrechts im faktischen AG-Konzern kamen im Rahmen der Diskussion von Konzernleitungs-

260

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 113; MüKoAktG/Kropff Vor§311 Rn 4; Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (477); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 287; Timm, NJW 1987, 977 (983). 261 Vgl. unten: Seite 166.

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pflichten bereits zur Sprache. Hier sei erneut auf folgendes hingewiesen: Die in dieser Arbeit untersuchten Organisationen, die hier als Konzerne bezeichnet werden, gehen über die Definition von § 18 AktG hinaus.262 Unabhängig von dem alten Meinungsstreit über die angebliche Konzernleitungspflicht ist für faktische Beherrschungsverhältnisse im Sinne von § 17 I AktG allgemein anerkannt, dass ein gewisses Maß an aktiver Koordination zwischen den Kapitalgesellschaften, welches noch keine einheitliche Leitung im Sinne von § 18 I AktG darstellt, zulässig, wenn nicht sogar geboten ist. 263 Die §§ 311 ff. AktG treten in Deutschland neben die im Vergleich zu Australien strengeren allgemeinen Regeln des Aktienrechts, insbesondere die zur Kapitalerhaltung. 264 Die Funktion der §§ 311 ff. AktG besteht darin auch Nachteile auszugleichen, die keine verbotene Ausschüttung oder Einlagenrückgewähr darstellen. 265 Deshalb sind die §§ 311 ff. AktG bei abhängigen Aktiengesellschaften nicht anwendbar, wenn ein Beherrschungsvertrag vorliegt und das Ausgleichssystem der §§ 302 f. AktG eingreift. Schließlich gibt es Fälle, in denen die Regeln zum faktischen AG-Konzern neben dem Ausgleichssystem der §§ 302 f. AktG anwendbar sind. Beim Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags ohne Beherrschungsvertrag sind die §§ 311, 317 f. AktG anwendbar, § 316 AktG.266 Bei einem Betriebspacht- bzw. -überlassungsvertrag ohne angemessene Gegenleistung sind §§ 302 f. und 311 ff. AktG sogar vollständig nebeneinander anwendbar, soweit die Unangemessenheit geht, § 302 II AktG. Die sich in diesen Fällen ergebende Dopplung von §§ 302 f. AktG und §§ 311 ff. AktG setzt starke Anreize, für Aktiengesellschaften generell keinen Gewinnabführungsvertrag ohne Beherrschungsvertrag abzuschließen und bei Betriebspacht und -überlassung stets die Angemessenheit der Gegenleistung sicherzustellen. Praktisch relevant wird deshalb in der Regel nur die Anwendung der §§ 311 ff. AktG, wenn die §§ 302 f. AktG nicht einschlägig sind. Nach § 311 AktG müssen alle für die abhängige Gesellschaft nachteiligen Maßnahmen, die auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens erfolgten, nach bestimmten Regeln ausgeglichen werden. Soweit entgegen den Vorschriften des AktG ein Rechtsgeschäft getätigt oder eine Maßnahme vorge-

262

Vgl. oben: Teil 1 B., Seite 14. Vgl. oben: Teil 4 A.II.3.a), Seite 114. 264 Vgl. oben: Teil 4 B.I.1., Seite 127. 265 Assmann, JZ 1986, 881 (886); Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (333). 266 Zu diesen Fällen: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §291 Rn 60-61b; Gäbelein, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 50 (52). 263

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Teil 4 : Aktive Koordination

nommen wird, haften das herrschende Unternehmen und die in den beteiligten abhängigen Aktiengesellschaften handelnden Akteure und Organwalter nach §§ 317 f. AktG. 267 Eine Haftung entfällt, wenn die nachteilige Maßnahme durch eine unabhängige, verbundene Aktiengesellschaft vorgenommen worden wäre. 268 Teilweise wird die Auffassung vertreten, die §§ 311 ff. AktG führten zu einer Lockerung der allgemeinen Vorschriften (Kapitalerhaltung, Schädigungsverbot, Pflichtenkanon), ohne allerdings Rückerstattungs- und Haftungsansprüche aus diesen allgemeinen Normen ganz auszuschließen. 269 Dann wären die allgemeinen Regeln erst bei einem Verstoß gegen §311 AktG wieder anzuwenden. Dem steht die Auffassung gegenüber, dass die konzernrechtlichen Sonderregeln der §§ 311 ff. AktG neben die allgemeinen Regeln treten, ohne diese zu verdrängen oder zu modifizieren. 270 Letzterem ist zuzustimmen. Es ist schwer vorstellbar, dass der Schutz der allgemeinen Vorschriften, insbesondere das allgemeine Schädigungsverbot (§ 117 AktG) und die Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 57 ff. AktG), in allen Fällen, in denen ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von § 17 I AktG besteht, von vornherein nur eingeschränkte Anwendung haben sollen. Gerade in diesen Fällen ist die Gefahr der unzulässigen Einflussnahme gegeben und der Schutz jener allgemeinen Vorschriften besonders notwendig. Der Vorläufer von § 117 AktG wurde zum Schutz gegen Mehrheitsaktionäre vor allem in Konzernsituationen ins AktG 1937 eingefügt.271 Die Gegenauffassung lässt unberücksichtigt, dass das Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG nur eine spätere Konkretisierung von Art und Höhe, nicht aber die erst nachträgliche Vereinbarung eines Ausgleichs erlaubt. 272 Nach den §§ 311 ff. AktG muss bei nachteiligen Maßnahmen von vornherein eine bilanzrechtlich aktivierungsfähige adäquate Gegenleistung zum Nachteilsausgleich vereinbart werden. Folglich liegt kein Eingriff in die allgemeinen Vorschriften vor und es bedarf auch keiner Modifizierung dieser Regeln. Die §§ 311 ff. AktG treten also neben die bereits diskutierten Regeln der Kapitalerhaltung und neben das Schädigungsverbot des § 117 AktG, ohne diese zu modifizieren.

267

Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 43. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 124. 269 Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (692); Kropff, DB 1967, 2147 (21472149), 2204 (2208); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 10, 24, 41. 270 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 70. 271 Vgl. oben: Teil 2 C.II., Seite 45. 272 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 349. 268

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In Deutschland muss nach § 311 II AktG der Ausgleich für nachteilige Maßnahmen im Laufe des jeweiligen Geschäftsjahres erfolgen. Weiter gehende Vorschläge des ursprünglichen Regierungsentwurfs, nach denen der Nachteilsausgleich zur Vereinfachung der Nachprüfbarkeit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Geschäft zu erfolgen habe, haben sich nicht durchgesetzt.273 Damit ist die deutsche Regelung flexibler als die Related-Party-Transactions-Regeln in Australien. Dort kann nur die unmittelbare Gegenleistung berücksichtigt werden. Die deutsche Regelung lässt für faktische AG-Konzerne eine Verbundenheit zum Ganzen in Bezug auf gegenseitiges Geben und Nehmen zu, wenn dies wirtschaftlich für das abhängige Unternehmen nützlich ist. Die Ausgleichspflicht tritt nur ein, wenn die Nützlichkeit der Kooperation nicht eintritt.274 Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass die Durchführung einer nachteiligen Maßnahme für die handelnden Personen in der faktisch konzernierten Aktiengesellschaft nur bei Bestehen einer konkreten Ausgleichsvereinbarung im Sinne des § 311 II 2 AktG zulässig sein soll.275 Der Nachteilsausgleich muss zudem in Form eines konkret auf das Tochterunternehmen bezogenen Vorteils erfolgen, allgemeine Kooperationsvorteile genügen nicht.276 Der tatsächliche Unterschied zur Regelung in Australien wird dadurch gering. Anders als in Australien begründen im deutschen faktischen AG-Konzern nur solche nachteiligen Maßnahmen eine Ausgleichspflicht, die vom herrschenden Unternehmen veranlasst wurden. Problematisch ist insofern die Einflussnahme auf Personen im Tochterunternehmen unterhalb der Organebene oder ein restriktives Konzern-Controlling im Soll-Ist-Vergleich. Beides kann einen starken Autonomie- und Autoritätsverlust verursachen, ohne dass eine konkrete Einflussnahme nachweisbar ist. 277 Der praktische Unterschied dieser Differenzierung zwischen australischer und deutscher Regelung ist dennoch gering. In Deutschland kann nämlich eine Veranlassung im Sinne der Vorschrift regelmäßig vermutet werden. 278

273 RegE, Ausschussbericht, bei: Kropff, Aktienrecht, 409 f.; MüKoAktG/Kropff Vor§311 Rn 11 ff. 274 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 122. 275 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 61 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 319. 276 MüKoAktG/Kropff Vor§311 Rn 5. 277 Decher, Personelle Verflechtungen, 66. 278 Vgl. unten: Teil 5 A.I.1.b), Seite 243.

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Teil 4 : Aktive Koordination

Im Unterschied zu Australien ist die Anwendbarkeit der §§ 311 ff. AktG nur gegeben, wenn das jeweilige Tochterunternehmen selbst als Aktiengesellschaft firmiert. Die Related-Party-Transactions-Regeln sind dagegen nicht nur anwendbar, wenn das Tochterunternehmen als Public Company firmiert, sondern auch dann, wenn – vom jeweiligen Tochterunternehmen aus beurteilt – in höheren Hierarchieebenen des Konzerns eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Public Company vorhanden ist. In Australien bildet die Public Company allerdings eine Art „Restkategorie“ aller Kapitalgesellschaften, die keine Proprietary Companies sind, s 9 Corporations Act (Definition von Public Company). 279 Als Proprietary Company kann insbesondere keine Kapitalgesellschaft firmieren, die mehr als 50 Anteilseigner hat, wenn diese nicht gleichzeitig in der Gesellschaft angestellt sind, s 113 Corporations Act. Da die RelatedParty-Transactions-Regeln unanwendbar sind bei Kapitalgesellschaften mit nur einem Anteilseigner, gibt es praktisch kaum einen Fall, in dem diese Regeln relevant werden für eine andere Rechtsform als eine Public Company. Die Unterscheidung der australischen und der deutschen Regelung nach den einschlägigen Rechtsformen ist folglich ebenfalls von begrenzter Aussagekraft. Bedeutender ist die Unterscheidung, dass – anders als die in Kap. 2E Corporations Act kodifizierten Rechtsfolgen – die deutschen Regeln auch auf faktische AG-Konzerne im Alleineigentum der Konzernobergesellschaft anwendbar sind. Auch in Bezug auf andere Aspekte sind die deutschen Regelungen weiter gehend. Sie sind nämlich nicht nur für Transaktionen, sondern auch für sonstige Maßnahmen einschlägig. Die §§ 311 ff. AktG umfassen sogar nachteilige Maßnahmen im Verhältnis zu konzernunabhängigen Dritten, die aufgrund konzerninterner Kooperation erfolgen. Selbst Handlungen im Namen der Konzernobergesellschaft als Aktionär in der Hauptversammlung des Tochterunternehmens und das Unterlassen einer Maßnahme können an der deutschen Regelung überprüft werden. 280 Ein weitgehender und ggf. unzulässiger Verlust an Eigenständigkeit des Tochterunternehmens kann beispielsweise aufgrund begrenzter finanzieller Zuwendungen und restriktiver Thesaurierung von Bilanzgewinnen gegeben sein und ist dann in Deutschland an §§ 311 ff. AktG zu messen. 281 Derartige Maßnahmen können in Australien nicht anhand der Related-Party-Transactions-Regeln überprüft werden. Bedeutsam können in solchen Zusammenhängen in Australien aber Obhutspflichten,

279

Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 171. RegE, Ausschussbericht, bei: Kropff, Aktienrecht, 407 f.; Kropff, DB 1967, 2204 (2204). 281 Decher, Personelle Verflechtungen, 49, 66; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 288. 280

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vor allem die Oppression Remedy, werden. 282 Andererseits vermögen auch die §§ 311 ff. AktG nicht die Externalisierung allgemeiner Konzernierungskosten auf die Akteure in Tochterunternehmen zu verhindern, die unabhängig von einer Einflussnahme entstehen und den Unternehmenswert vermindern können.283 Das deutsche Regelungssystem für den faktischen AG-Konzern ist also umfassender als das australische, bleibt aber dennoch lückenhaft. Der wichtigste Unterschied zwischen den Regelungssystemen besteht darin, dass das Tochterunternehmen im faktischen AG-Konzern in Deutschland einen Abhängigkeitsbericht anfertigen muss. Hierin sind alle Maßnahmen, die im Berichtszeitraum auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens erfolgten, und alle Rechtsgeschäfte mit konzernverbundenen Kapitalgesellschaften aufzuführen. Deren wirtschaftliche Vor- und Nachteile müssen aufgelistet und über den Nachteilsausgleich muss berichtet werden, § 312 AktG. Der Abhängigkeitsbericht wird von Dritten überprüft und der Hauptversammlung über das Prüfungsergebnis berichtet, ohne den Abhängigkeitsbericht selbst zu veröffentlichen, § 314 AktG. Dadurch soll verhindert werden, dass die außenstehenden Aktionäre nichts über mögliche Ausgleichsansprüche erfahren, und gleichzeitig die erforderliche Geheimhaltung von vertraulichen unternehmerischen Maßnahmen gesichert werden, soweit ihre Veröffentlichung für die beteiligten Kapitalgesellschaften nachteilig wäre. 284 Damit hat das deutsche Recht einen Ausgleich für ein bedeutendes Problem geschaffen, das in der australischen Regelung noch ungelöst ist. Allerdings müsste in Deutschland nach §§ 317 f. AktG der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft den Ausgleichsanspruch gegen die Konzernobergesellschaft geltend machen. In der Praxis dürfte sich dies nicht mit den Eigeninteressen der Organwalter des Tochterunternehmens decken, deren Ein- und Abberufung abhängig von den Akteuren in der Konzernobergesellschaft ist. Schließlich werden die Prüfer des Abhängigkeitsberichts von Akteuren eingesetzt, die ihrerseits von der (einseitigen) Förderung der Belange der Konzernobergesellschaft profitieren. Somit liegt es nicht unbedingt im Eigeninteresse der Prüfer, Ausgleichspflichten zu Lasten der Konzernobergesellschaft aufzudecken. Zudem wird die Prüfung regelmäßig – wenn auch ggf. angreifbar – auf die Maßnahmen zwischen Tochterunternehmen und der unmittelbar übergeordneten Obergesellschaft beschränkt. Maßnahmen, die beispielsweise unmittelbar nur Enkelgesellschaften betreffen, werden regelmäßig außer Acht gelassen, auch wenn sie mittelbar

282

Vgl. unten: Teil 4 B.II.3., Seite 186. Kirchner, ZGR 14 (1985) 214 (232); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 320. 284 RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 411. 283

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hohen Einfluss auf die abhängigen Aktiengesellschaften haben. Praktisch hat das Durchsetzungssystem der §§ 311 ff. AktG eine begrenzte Bedeutung.285 Allenfalls die im Rahmen des § 142 II AktG seit Herbst 2005 verbesserte Möglichkeit zur Veranlassung einer Sonderprüfung im Zusammenhang mit der verbesserten Möglichkeit der Kommunikation zwischen außenstehenden Anteilseignern durch § 127a AktG könnte hier Abhilfe schaffen. Diese Sonderprüfung umfasst aber nicht die gleiche Tiefe wie ein Abhängigkeitsbericht. Zudem ist nach den Erfahrungen zum alten § 142 AktG nicht davon auszugehen, dass es zu Sonderprüfungen in nennenswertem Umfang kommen wird. Es bleibt allein die Abschreckungswirkung, der neuen Regelungen und der, einen Abhängigkeitsbericht aufstellen zu müssen, sowie die potenzielle Haftung des Geschäftsführungsorgans und der Prüfer. 286 Nach Auffassung des OLG Stuttgart hat jeder Aktionär neben dem Bericht über den Abhängigkeitsbericht ein Recht, in der Hauptversammlung Auskunft über die geschäftlichen Beziehungen zur Konzernobergesellschaft zu verlangen, § 131 I 2 AktG. 287 Dieser Auskunftsanspruch werde nicht von dem Erfordernis verdrängt, einen Abhängigkeitsbericht zu erstellen. Er erfasse auch die wesentlichen Details der jeweiligen vertraglichen Regelung. Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs sei, dass die Auskunft für die sachgemäße Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich ist. Dieses Kriterium sei bei der jährlichen Beschlussfassung über die Entlastung der Organwalter regelmäßig erfüllt. Allerdings wird die Auskunftserteilung fast durchgängig an dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der Aktiengesellschaft nach § 131 III Nr.1 AktG scheitern. Überdies scheint zweifelhaft, ob nach der Klarstellung des BGH in den Gelantine-Entscheidungen, nach denen eine allgemeine Konzerneingangs- und Leitungskontrolle durch die Anteilseigner der Konzernobergesellschaft nicht besteht, 288 dem zeitlich später erfolgten Urteil des OLG Stuttgart tatsächlich gefolgt werden kann. Zuvor hatten das OLG Frankfurt und das KG bereits einen gegenteiligen Standpunkt eingenommen.289 Die gegenteilige Auffassung des OLG Stuttgart stellt eine Umgehung der Regelungen zum Abhängigkeitsbericht dar. Selbst wenn man aber diesen

285

Decher, Personelle Verflechtungen, 166; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 44 f. 286 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 60 f.; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 380. 287 OLG Stuttgart, NZG 2004, 966 (968). 288 Götze, NZG 2004, 585 (586). 289 OLG Frankfurt, DB 2003, 600 (600 f.); KG BB 1972, 1203 (1203).

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Anspruch aus § 131 III Nr.1 AktG anerkennen sollte, stellt er jedenfalls keine tatsächliche Erweiterung der Rechtsstellung außenstehender Aktionäre dar. Weiter gehend sind Vorschläge der Winter-Gruppe für das EG-Recht, in denen eine generelle Offenlegungspflicht für wesentliche konzerninterne Transaktionen befürwortet wird. Aus Sicht der deutschen Regulierung würde dies aber einen Rückschritt gegenüber dem Abhängigkeitsbericht darstellen.290 Die Geheimhaltungsinteressen der Konzernobergesellschaft gegenüber Außenstehenden, die externe Prüfer anders als alle Anteilseigner gewährleisten können, blieben unberücksichtigt. Die weitere Entwicklung bleibt hier abzuwarten. In Deutschland bestehen keine Bedenken gegen neutrale oder sonst nicht nachteilige unternehmerische Maßnahmen unabhängig davon, ob das Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens diese ohne eine Einflussnahme ergriffen hätte. Im Gegensatz dazu kommt es in Australien nach den Related-Party-Transactions nicht auf die Nachteilhaftigkeit einer Maßnahme, sondern auf die Angemessenheit der Gegenleistung nach Marktgesichtspunkten an. Vom Ergebnis dürfte der Vergleichsmaßstab dennoch ähnlich sein. Wie in Australien ist es beispielsweise in Deutschland unschädlich, wenn das Tochterunternehmen das Risiko unvorhersehbarer Fehlentwicklungen selbst trägt.291 Anders ließe sich nicht erklären, dass Konzernverbindungen und äußere Einflussnahmen von der Regulierung hingenommen werden und der Vergleichsmaßstab von § 311 AktG der eines unabhängigen, aber verbundenen Unternehmens ist. Nur in wenigen Grenzbereichen scheint der australische Maßstab über die Regelung in Deutschland hinauszugehen. Ob in Australien beispielsweise eine objektiv nicht vorteilhafte, sondern nur neutrale Transaktion jemals als den Marktbedingungen entsprechend angesehen wird, erscheint zweifelhaft. Unabhängig von diesem Unterschied stellt sich in Deutschland das auch in Australien bestehende, grundlegende Problem der Überprüfung und der Überprüfbarkeit einzelner Transaktionen. 292 Typischerweise erfolgt der Ressourcentransfer zu den Verbandsmitgliedern nicht durch eine sofortige Gegenleistung des Verbandes, sondern durch eine Beteiligung an kollektiv erzeugten

290

Wiesner, BB 2003, 213 (214). Semler, Leitung und Überwachung, Rn 318; a.A.: Decher, Personelle Verflechtungen, 141 f. 292 Kirchner, in: Schreyögg/Sydow, Managementforschung 7, 271 (284 ff.); vgl. zum Verfahren der Nachteilsbestimmung: Kropff, DB 1967, 2204 (2206-2208). 291

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Gütern.293 Besonders problematisch erscheint der Entlastungsbeweis nach § 317 II AktG, der die Fiktion der Selbstständigkeit erfordert.294 Bereits die Eindeutigkeit der Ressourcenallokation zu dem einen oder zum anderen Kooperationspartner kann schwer zu bestimmen sein. Erst recht kann eine exakte Nachteilsausgleichspflicht aufgrund ungelöster Zurechnungsprobleme nicht immer ermittelt werden. 295 Nach einer verbreiteten Auffassung setzt das System der §§ 311 ff. AktG deshalb eine weitgehend eigenständige Leitung zumindest des operativen Geschäfts im Tochterunternehmen voraus (Grenzen der Konzernleitung im faktischen Konzern und Konzerneingangskontrolle). Bei der Wahl der Kooperationsform im Konzern müsse zumindest die Funktionsfähigkeit der Regelungen gewährleistet bleiben.296 Ohne eigenständige unternehmerische Planung im Tochterunternehmen sei eine objektive Überprüfung der einzelnen Transaktionen und Maßnahmen nicht möglich.297 Ein zentralistisch strukturierter Konzern könne diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Stattdessen sollen Tochterunternehmen im faktischen AG-Konzernverhältnis einen hohen Autonomiegrad und weitgehende Eigenständigkeit haben, wie dies tatsächlich bei der Spartenorganisation der Fall ist. 298 Andererseits setzt eine Spartenorganisation innerhalb der Sparte eine straff gegliederte, sich flexibel anpassende unternehmerische, einheitliche Corporate-Governance-Struktur voraus. Folglich wäre nach dieser Auffassung ein Kooperationsmodell unzulässig, in dem die Spartenleitung außerhalb des Tochterunternehmens angesiedelt ist.299 Auch innerhalb der Sparte in unteren Hierarchieebenen wäre ein faktisches AG-Konzernverhältnis unzulässig. Es liegt aber in der Natur von Organisationen, dass es durch die mangelnde Bezugnahme von Leistung und Gegenleistung (Nutzungsanteil am Kollektivgut) zu Verzerrungen kommt, die nur bedingt aufgefangen werden können.300 Dies dadurch auszugleichen, dass die Verzerrungen verhindert werden, würde den Nutzen der Organisation unterminieren. Der Gesetzgeber wollte

293

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 261. Kirchner, in: Schreyögg/Sydow, Managementforschung 7, 271 (280, 285). 295 Kirchner, ZGR 14 (1985) 214 (231); zum Zurechnungsproblem: Erlei/Leschke/ Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 185 f. 296 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 137. 297 Decher, Personelle Verflechtungen, 49; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 139, 142-144, 147. 298 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (41). 299 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (226). 300 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 270. 294

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durch die §§ 311 ff. AktG erreichen, dass trotz der Kooperation im Konzern die Eigenständigkeit der Unternehmen respektiert wird. 301 Stattdessen wird in der Literatur als Konsequenz dieser Regeln eine Minimierung der Kooperation empfohlen. 302 Wären diese Annahmen richtig, dann müsste in Konzernen, in denen eine enge Kooperation vorgesehen ist, entweder ein Beherrschungsvertrag abgeschlossen oder die abhängige Aktiengesellschaft in die Rechtsform der GmbH umgewandelt werden. Der Beherrschungsvertrag ist aber aufgrund der zwingenden Ergebnisübernahme und der ausnahmsweise bestehenden Konzernleitungspflicht regelmäßig ebenfalls unattraktiv. Dann wäre die Rechtsform der Aktiengesellschaft für Tochterunternehmen bei intensiver konzerninterner Kooperation ohne zentrale Leitung insgesamt zu vermeiden. Im Rahmen dieser Auslegung und der Kritik an §§ 311 ff. AktG bleibt häufig unberücksichtigt, dass es zumindest auf den problematischen Vergleichsmaßstab des § 317 II AktG und auch auf die Nachteilhaftigkeit einer Maßnahme nicht ankommt, wenn sichergestellt ist, dass keine externe Veranlassung für die zu beurteilenden Maßnahmen erfolgt. Verzichtet die Konzernobergesellschaft auf eine zentrale Leitung oder sonstige Einflussnahme auf Tochterunternehmen, so führt auch eine intensive, nachteilige Kooperation innerhalb der Organisation zu keiner Ausgleichs- oder Haftungspflicht. Eine nahe liegende Konsequenz für die Handlungsanweisungen liegt deshalb darin, eine unmittelbare Einflussnahme der Konzernobergesellschaft auf Maßnahmen in faktischen AG-Konzernen zu unterlassen. Eine intensive, konzerninterne Kooperation und die Erwirtschaftung von Kooperationsvorteilen können auch unabhängig von einer solchen Einflussnahme entstehen. 303 Allerdings wird bei intensiver Kooperation und gleichzeitigem Auftreten von nachteiligen Maßnahmen eine Veranlassung vermutet.304 Folglich entstehen sehr intensive Dokumentationspflichten. Zudem sind beispielsweise die Vergabe von Doppelmandaten auf Vorstands- oder Aufsichtsratsebene zu verhindern, um die Vermutung widerlegen zu können. Auch dürfte die Konzernobergesellschaft bei einer derartigen Corporate-Governance-Struktur selbst dann nicht leitend

301

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 126. 302 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (345); MüKoAktG/Kropff §311 Rn 283 (m.w.N.); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 325. 303 Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., Seite 111. 304 Vgl. unten: Teil 5 A.I.1.b), Seite 243.

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eingreifen, wenn durch eine Einflussnahme Kooperationsvorteile erzielt werden können. Die durch diese Einschränkungen entstehenden Kosten können ihrerseits für die Organisation unattraktiv sein. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung von Maßnahmen im Abhängigkeitsbericht teilweise auch unabhängig von einer Veranlassung erfolgen muss. Folglich können die im Rahmen der §§ 311 ff. AktG auftretenden Probleme nur teilweise behoben werden, wenn eine aktive Einflussnahme unterbunden wird. Zusätzlich entstünden neue Probleme. Die Vertreter der geschilderten Auffassung meinen, dass nach ihrer Auslegung der § 311 ff. AktG eine intensive Kooperation unzulässig sei. Allerdings erkennen sie an, dass rechtstatsächlich diese Grenzen der Kooperation in faktischen AG-Konzernen regelmäßig überschritten werden. 305 Insbesondere gäbe es de facto kaum Unterschiede in der Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance zwischen faktischen AG-Konzernen und AG-Vertragskonzernen. 306 Dieser empirische Befund zeigt, wenn er zutreffend ist, dass in der Praxis offensichtlich die §§ 311 ff. AktG nicht die ihnen zugewiesenen Wirkungsweisen entfalten. Entweder bestehen die angeblich auftretenden Schwierigkeiten bei der Anwendung des objektiven Beurteilungsmaßstabes auch bei intensiver Kooperation nicht oder die Vorschriften werden in der Praxis ignoriert. Die Behauptung, eine intensive, konzerninterne Kooperation im faktischen AG-Konzern setze die §§ 311 ff. AktG außer Kraft, müsste zudem dogmatisch oder empirisch erhärtet werden, um Bestand beanspruchen zu können. Für die Auslegung der §§ 311 ff. AktG ist entscheidend, dass – unstrittig – mit den §§ 311 ff. AktG nur die vermögensmäßigen Eigeninteressen geschützt, nicht aber das wirtschaftlich-organisatorische Interesse, seine Ziele ohne Beeinflussung durchzusetzen. 307 Solange das Kooperationsergebnis für das Tochterunternehmen nützlich ist, kann deshalb gegen hohe spezifische Investitionen in konzerninterne Kooperation nichts eingewandt werden. Es spricht einiges dafür, dass auch bei intensiver Kooperation nicht automatisch Nachteile entstehen müssen, die einem Einzelausgleich verschlossen sind. 308 Die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens

305

Semler, Festschrift Stiefel, 719 (754). Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 126. 307 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 135. 308 Ähnlich: Timm, NJW 1987, 977 (982 f.). 306

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müssen solche Nachteile verhindern, nicht aber eine intensive Kooperation oder eine weitreichende Integration in den Konzern. Den §§ 311 ff. AktG ist nur zu entnehmen, dass „das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft, wenn auch in Beachtung ihrer Eigenschaft als verbundenes Unternehmen“, zu respektieren ist.309 Weiter gehende Einschränkungen bestehen nicht. Eine Beurteilung etwaiger Nachteile einer Maßnahme oder Transaktion und der Angemessenheit des jeweiligen Ausgleichs setzt einen objektiven Vergleichsmaßstab voraus. Dieser ist grundsätzlich nur bei Bestehen von Marktpreisen vorhanden. Eine objektive Beurteilung mit Hilfe abstrakter Werte ist häufig nicht möglich. 310 Besondere Probleme können entstehen bei Abgleich und Harmonisierung von Produktions-, Entwicklungs- und Vertriebsprogrammen und bei Einführung eines Verrechnungspreissystems. Hier muss für jede beteiligte Kapitalgesellschaft und für jede Maßnahme getrennt untersucht werden, welche nachteiligen Auswirkungen prognostiziert werden können und wie diese auszugleichen sind.311 Diese Schwierigkeit einer objektiven Beurteilung besteht aber unabhängig von der Intensität der Kooperation. Bereits bei der Koordination eines (einmaligen) gemeinsamen Einkaufs – der unstreitig zulässig ist – müsste gegenübergestellt werden, welche Rabatte und welche Einsparungen durch eine gemeinsame Verhandlungsführung einerseits erzielt wurden, andererseits, welche Rabatte die Einzelunternehmen bei einer hypothetisch getrennten Verhandlungsführung ausgehandelt hätten, welche Koordinierungskosten in Folge der gemeinsamen Verhandlungsführung entstanden sind und welche Transaktionskosten bei getrennter Verhandlungsführung entstanden wären. Markt- und Listenpreise können auch hierfür wenig aussagekräftig sein. Eine objektive Beurteilung von unternehmerischen Maßnahmen mag schwieriger bei enger Kooperation sein. Enge Kooperation oder zentrale Einflussnahme und Leitung für sich genommen begründen aber keine Nachteile und sind folglich nicht per se für den faktischen AG-Konzern verboten. Teilweise wird angeführt, dass bereits die Dokumentationspflicht im Rahmen des § 312 AktG eine laufende, besonders intensive Kooperation praktisch undurchführbar mache. 312 Dem ist entgegenzuhalten, dass es allgemein guter Unternehmensführung entspricht, alle unternehmerischen Maßnahmen – vor

309

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 123. 310 Eschenbruch, Konzernhaftung, Rz 3315 ff.; Koppensteiner, in: Kölner Komm §311 AktG Rn 38-40. 311 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 326-328. 312 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (752).

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Teil 4 : Aktive Koordination

allem Transaktionen – zu dokumentieren und vor der Durchführung jeder Maßnahme sich stets über deren Konsequenzen für die jeweilige Kapitalgesellschaft bewusst zu werden. Mittelfristig für eine Kapitalgesellschaft offensichtlich nachteilige Maßnahmen sollten grundsätzlich – unabhängig von Konzernsachverhalten – nicht ergriffen werden. Das Gleiche legen die §§ 311 f. AktG für den faktischen AG-Konzern fest.313 Warum die Durchführung dieser Pflicht hier nicht möglich sein soll, ist nicht ersichtlich. Weder die Dokumentationspflicht noch die Notwendigkeit, sich mit den Konsequenzen des eigenen Tuns im Voraus zu befassen, begrenzt den zulässigen Umfang der Geschäftstätigkeit. Das Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens kann die Aufzeichnungspflichten zudem delegieren. Darüber hinaus werden Erleichterungen in der Dokumentation diskutiert, um die Übersichtlichkeit des Berichts sicherzustellen. 314 Damit ist die Durchführbarkeit der Dokumentationspflicht auch bei intensiver Kooperation erst recht möglich. Schließlich beziehen sich viele Meinungsäußerungen, die eine Unzulässigkeit intensiver Kooperation im faktischen AG-Konzern annehmen, entweder stillschweigend oder ausdrücklich auf die überkommene Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns.315 Diese Rechtsfigur wurde – selbst als sie noch geltendes Recht war – in der Rechtsprechung in keinem Fall ausdrücklich auf Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft angewendet. Erst recht scheidet eine Anwendung heute aus. Somit kann bereits die behauptete Unzulässigkeit qualifiziert faktischer Konzernierung bei abhängigen Aktiengesellschaften in Frage gestellt werden. 316 Auch nach Aufgabe der Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern wird in der Wissenschaft allerdings an der angeblichen Unzulässigkeit besonders intensiver Kooperation im faktischen AG-Konzern festgehalten. 317 Gute Gründe sprechen dafür, die neue Rechtsprechung zum Verbot der Gläubigerschädigung durch einen existenzvernichtenden Eingriff (Bremer Vulkan/KBV) und nicht die alte Rechtsprechung zum Verbot des qualifiziert faktischen Konzerns auf faktisch konzernierte Aktiengesellschaften anzuwenden. Nach einer verbreiteten Auffassung beruht die Unzulässigkeit der qualifiziert faktischen Konzernierung ohnehin in der unzureichenden Dokumentation von Geschäftsvorgängen (sog.

313

Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 60 (nennt die Pflichten des Vorstands nach §§311 f. AktG „an sich selbstverständlich“). 314 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 381, 385. 315 So ausdrücklich: Kuhlmann /Ahnis, Konzernrecht, 174. 316 Timm, NJW 1987, 977 (980 f.). 317 Ellison, WSJE, 10.11.03; Mertens, Wella Minderheitsaktionäre.

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Waschkorblage) und nicht in den Geschäftsvorgängen selbst. 318 Die Erfüllbarkeit der Dokumentationspflicht und die Notwendigkeit ihrer Einhaltung wurden bereits betont. In der Literatur wird vereinzelt aus den §§ 311 ff. AktG der Rückschluss gezogen, die Geschäftsführungs- und ggf. sogar die Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens müssten sich mit jeder konzerninternen Transaktion selbst befassen. Dem entspricht der Einwand, die Leitungsverantwortung der Organe des Tochterunternehmens laufe leer, wenn die Konzernobergesellschaft direkten Einfluss auf Ebenen unterhalb des Geschäftsführungsorgans ausübe.319 Daraus folge eine faktische Begrenzung der Kooperation an der maximal möglichen Arbeitsbelastung der Organwalter. Diese Auffassung übersieht, dass Aufgabendelegation generell möglich ist. 320 Es ist die Aufgabe der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens sicherzustellen, dass die handelnden Personen in dem Tochterunternehmen entsprechend ihren allgemeinen Vorgaben auf eine etwaige Einflussnahme der Konzernobergesellschaft oder konzernverbundener Dritter reagieren. Diese Vorgaben sind an den §§ 311 ff. AktG auszurichten. Die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane müssen – wie für andere gesetzliche Vorgaben auch – sicherstellen, dass diese Regelungen innerhalb des Tochterunternehmens beachtet werden. Sie brauchen sie nicht selber in jedem Einzelfall persönlich umzusetzen. Insofern bestehen keine faktischen Grenzen für die konzerninterne Kooperation. Schließlich wird das Interesse an einem langfristigen Bestand der Kapitalgesellschaft als Grund für eine Beschränkung der Kooperation angeführt. In einem faktischen AG-Konzern dürfe das Tochterunternehmen nicht so stark in die konzerninterne Kooperation eingebunden sein, dass es bei Ausscheiden aus dem Konzern nicht mehr lebensfähig ist. 321 Allerdings wird selbst für Vertragskonzerne die Forderung aufgestellt, dass die Kooperation mit der verbundenen Gesellschaft nicht die Lebensfähigkeit der Gesellschaft nach Vertragsende gefährden dürfe. 322 Sollten diese Aussagen zutreffend sein,323 so ist für Vertrags- und faktische AG-Konzerne diese äußere Grenze der Einflussnahme

318

Für Aktiengesellschaften: Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1554, 1557); Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (89-91); für die GmbH: Timm, NJW 1987, 977 (983). 319 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (210 f.). 320 Dazu: Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 353. 321 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 22 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 307 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 321. 322 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (750); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 337. 323 Diskussion vgl. unten: Teil 4 C.II., ab Seite 212, insbes.: Seite 218.

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Teil 4 : Aktive Koordination

ähnlich. Die Zulässigkeit umfassender, interner Kooperation in Vertragskonzernen ist aber nicht umstritten. Jenen angeblichen Beschränkungen kann deshalb keine Begrenzung der Intensität der konzerninternen Kooperation entnommen werden. Sicherlich kann es für das beherrschte Unternehmen gefährlich sein, den Geschäftsverkehr auf den Konzern zu beschränken und vom Markt getrennt zu sein oder erarbeitetes Wissen oder Geschäftsgeheimnisse im Konzern weiterzugeben. 324 Derartige spezifische Investitionen sind ggf. durch die Vereinbarung einer Mindestdauer der Kooperation, durch Garantien oder Ähnliches konzernintern abzusichern. Eine Grenze für die Intensität der Kooperation mit faktischen AG-Konzernen kann aber durch die Bedeutung der Kooperation für das betreffende Tochterunternehmen nicht gezogen werden. Insgesamt sind folgende Erkenntnisse zusammenzufassen: Die §§ 311 ff. AktG sind in Teilbereichen umfassender als die Related-Party-TransactionsRegeln in Australien. In weiten Teilen entsprechen sich die Regeln in beiden Staaten und weisen dabei ähnliche Probleme auf. Die Unzulänglichkeiten der Regelungen liegen in beiden Staaten in dem Erfordernis einer objektiven Beurteilung einzelner Maßnahmen. Es muss durch die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns eine Anreizstruktur geschaffen werden, in der jedes Tochterunternehmen, das als faktischer AG-Konzern oder als Public Company verbunden ist, Vorteile aus dem eigenen Beitrag seiner Akteure zur konzerninternen Kooperation zieht. Ist dies gewährleistet, muss die konzerninterne Kooperation in ihrem Umfang nicht begrenzt werden. In Deutschland entsteht durch die diskutierten unterschiedlichen Meinungen in der Auslegung der §§ 311 ff. AktG Rechtsunsicherheit, die aber auf die Auswahl des faktischen AG-Konzerns als Handlungsalternative und auf die Ausgestaltung der Corporate-Governance in faktischen AG-Konzernen nach den bisherigen Erkenntnissen keine Auswirkungen hat.

II. Obhutspflichten Weitere Einschränkungen der Handlungsalternativen in der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen sowie zwischen den Tochterunternehmen untereinander können verschuldensabhängig im Rahmen von Obhuts- und Sorgfaltspflichten bestehen.

324

Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 10.

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1. Shadow Director und Officer Innerhalb der Regulierung, die den Akteuren besondere Obhutspflichten im Konzern auferlegt, sind für Australien besonders bedeutend die Regeln zum Shadow Director und Shadow Officer. Personen, die unter diese Begriffsdefinitionen fallen, müssen die gleichen Pflichten beachten wie die tatsächlichen Organwalter. Ein Shadow Director ist eine Person, die nicht formal als Direktor der jeweiligen Kapitalgesellschaft bestellt ist, aber dennoch großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Boards ausübt.325 Shadow Officer sind unter anderem Personen, die die Liquidität der Kapitalgesellschaft beeinflussen können. Im Rahmen der Begriffsdefinitionen von s 9 Corporations Act wird ein Direktor unter anderem definiert als: “(b) unless the contrary intention appears, a person who is not validly appointed as a director if: […] (ii) the directors of the company or body are accustomed to act in accordance with the person's instructions or wishes. Subparagraph (b)(ii) does not apply merely because the directors act on advice given by the person in the proper performance of functions attaching to the person's professional capacity, or the person's business relationship with the directors or the company or body.”

Eine fast deckungsgleiche Vorschrift gibt es auch in Großbritannien.326 Britische Präzedenzfälle zu dem Rechtsinstitut werden oft auch in Australien herangezogen. Ein Shadow Director kann auch eine Kapitalgesellschaft oder eine sonstige juristische Person sein, die nicht als ordentlicher Direktor der Kapitalgesellschaft gewählt werden kann. 327 Die Bezeichnung „the directors“ in Ziff.(ii) wird allgemein als Verweis auf das ganze Board oder eine Mehrheit seiner Mitglieder ausgelegt. 328 Weiter gehende Interpretationsmöglichkeiten werden nur vereinzelt angesprochen.329

325

Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (350); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (228). Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 392. 327 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]; Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (350). 328 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]. 329 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (229). 326

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Teil 4 : Aktive Koordination

Die Voraussetzung „are accustomed to“ verlangt eine gewisse Regelmäßigkeit bzw. eine Gewohnheit.330 Wie tief greifend der Einfluss im Einzelfall sein muss, ist in Australien noch nicht abschließend geklärt. 331 Eine Konzernobergesellschaft, die verbindliche Vorgaben an das Tochterunternehmen als Ganzes richtete und nicht an dessen Board oder an einzelne Direktoren, wurde beispielsweise in einer Entscheidung nicht als Shadow Director angesehen.332 Dieser Präzedenzfall wird aber weitgehend als ein unpraktikables Unterscheidungsmerkmal kritisiert. In einer anderen Entscheidung wurde folgende Feststellung als Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des Shadow Director als ausreichend angesehen: “[T]he board did not exercise any discretion or judgment of its own, but acted in accordance with the directions of others”.333

Fest steht, dass eine tatsächliche Beeinflussung unternehmerischer Entscheidungen für die Einstufung als Shadow Director erforderlich ist. Die reine Möglichkeit der Einflussnahme und selbst die einseitige Ernennung einer Mehrheit der Direktoren im Board sind nicht ausreichend. 334 Allenfalls wird eine widerlegbare Vermutung der tatsächlichen Einflussnahme für solche Fälle gefordert. 335 Die Einflussnahme braucht aber nicht auf formalem Wege zu erfolgen. Eine faktische Kontrolle ist ausreichend. 336 Weder Mehrheits- noch sonstiger Anteilsbesitz sind erforderlich.337 Im Konzernzusammenhang führt weder das Konzernierungsverhältnis noch jegliche Form der konzerninternen Kooperation automatisch zu einer Einstufung der Konzernobergesellschaft als Shadow Director. In Fällen, in denen die

330

Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (163 – Millett J); Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]. 331 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (229). 332 Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 NZLR 30 (91 – Thomas J). 333 Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (163 – Millett J). 334 Standard Chartered Bank of Australia v Antico (1995) 131 ALR 1 (70 – Hodgson J); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]; Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 392; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (231). 335 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (230); ähnlich: Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (81 f.). 336 ASC v AS Nominees Ltd (1995) 18 ACSR 459 (509), 133 ALR 1 (52), 13 ACLC 1822 (1838 – Finn J); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]. 337 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (741); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 392.

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strategische Leitung aller wichtigen Entscheidungen für Tochterunternehmen zentral erfolgt oder sonst eine zentralistische Kooperationsstruktur vorliegt, ist die Konzernobergesellschaft sicherlich ein Shadow Director. Bei weniger weitreichender Einflussnahme wird ebenfalls häufig im Rahmen der Konzernpolitik die strategische Ausrichtung der Tochterunternehmen von der Konzernobergesellschaft bestimmt, wenn auch dessen operatives Geschäft weitgehend unbeeinflusst bleibt.338 Soweit in diesen Fällen die Konzernobergesellschaft der tatsächliche Entscheidungsträger bleibt, ist sie als Shadow Director einzustufen. 339 In einer Grauzone kann sich die Konzernobergesellschaft aber darauf beschränken in Tochterunternehmen Direktoren einzusetzen, die regelmäßig ihren Rat suchen (Nominee Director). 340 Die Unternehmensverfassung der Tochterunternehmen kann ausdrücklich ihren Direktoren erlauben, die Konzerninteressen bei unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen.341 Schließlich kann die Konzernobergesellschaft die Corporate Governance zwischen den Tochterunternehmen dadurch lenken, dass sie eine Infrastruktur – z.B. ein Kommunikationssystem – zur Verfügung stellt, die für die Tochterunternehmen Anreize setzt, Kooperationsvorteile eigenständig zu erwirtschaften. Auch kann sie sich darauf beschränken, nur ganz grobe Richtlinien als Konzernpolitik vorzugeben. 342 Soweit in solchen Fällen Repräsentanten der Konzernobergesellschaft nicht tatsächlich das Entscheidungsverfahren in den Tochterunternehmen dominieren, sind die Voraussetzungen der Definition des Shadow Director nicht erfüllt. Dies gilt auch dann, wenn die Konzernobergesellschaft zentrale Ressourcen den Tochterunternehmen zur Verfügung stellt oder sonst allgemeine Anreize für kooperatives Verhalten bietet. Dennoch bedingen solche Strukturen oft einen weitgehenden faktischen Autonomieverlust der Tochterunternehmen.343 Deshalb ist es gerade in solchen Fällen wahrscheinlich, dass aufgrund der genannten formalen Strukturmerkmale auf eine zentrale Leitung geschlossen wird, die ihrerseits nicht durch die Konzernobergesellschaft widerlegt werden kann. Beispielsweise entschied Murray J:

338

Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (41 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210-211). 339 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (229, 230). 340 Vgl.: Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (81f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (230). 341 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (649). 342 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (230). 343 Decher, Personelle Verflechtungen, 66.

176

Teil 4 : Aktive Koordination “[C]lose and common management links, as well as an interlocking web of complex mutual shareholdings are features sufficient in de facto terms to constitute the various companies in question within the group as being properly described as such [director], being responsive to the needs and interests of each other as corporate entities through their management.”344

Dem kann möglicherweise durch umfangreiche Dokumentation der Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprozesse entgegengewirkt werden, wenn die vermutete Einflussnahme tatsächlich widerlegt werden kann. Dazu gibt es aber bislang kein Fallrecht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass unter Umständen nicht nur die Konzernobergesellschaft, sondern neben ihr einzelne Organwalter als Shadow Director qualifiziert werden können. Direktoren einer Kapitalgesellschaft, die Shadow Director einer anderen Kapitalgesellschaft sind, sind nicht automatisch selber Shadow Director.345 Sollten aber Tochterunternehmen regelmäßig die Wünsche und Vorgaben eines einzelnen Repräsentanten der Konzernobergesellschaft umsetzen, so ist auch dieser neben der Konzernobergesellschaft Shadow Director des Tochterunternehmens. 346 Folglich ist es notwendig, dass die interne Struktur der Konzernobergesellschaft ihrerseits so gegliedert ist, dass – soweit überhaupt Einfluss auf einzelne Tochterunternehmen ausgeübt wird – regelmäßiger Einfluss durch das Kollegialorgan zum Ausdruck gebracht wird.347 Die Rechtsfolgen, die an die Qualifikation als Shadow Director geknüpft werden, dürfen nicht überbewertet werden. Eine Person, die die Voraussetzungen der Definition erfüllt, wird grundsätzlich wie ein Direktor der Kapitalgesellschaft behandelt. Nur ausnahmsweise soll ein Verweis auf „Director“ im Gesetz nicht auch den Shadow Director umfassen, wenn sich aus dem Sinnzusammenhang die Unanwendbarkeit ergibt. Im Corporations Act hat der Gesetzgeber drei Beispiele für die Nichtanwendbarkeit in Form einer Anmerkung zur Definition aufgeführt:

344

Re Enterprise Gold Mines NL (1991) 3 ACSR 531 (540 – Murray J). Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (164 – Millett J); Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]. 346 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (230). 347 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (230); vgl.: Re Hydrodan (Corby) Ltd [1994] BCC 161 (164 – Millett J). 345

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“Paragraph (b) – Contrary intention – Examples of provisions for which a person referred to in paragraph (b) would not be included in the term “director” are: section 249C (power to call meetings of a company's members) subsection 251A(3) (signing minutes of meetings) section 205B (notice to ASIC of change of address).”

Während die Akteure in der Konzernobergesellschaft nur den Interessen der Konzernobergesellschaft verpflichtet sind 348, muss ein Shadow Director auch die des Tochterunternehmens angemessen berücksichtigen. Grundsätzlich ist ein Shadow Director genauso wenig persönlich haftbar für die Schulden der Gesellschaft wie jeder andere Direktor. 349 Sie unterliegen allen Pflichten eines ordentlichen Direktors nach dem Corporations Act. 350 Ob ein Shadow Director auch die Pflichten von Direktoren aus dem Common Law erfüllen muss, ist umstritten.351 Die Frage ist aber in Australien nicht entscheidungsrelevant. Die Pflichten der Geschäftsleitung sind – anders als beispielsweise in Großbritannien – weitgehend kodifiziert. Die Anwendbarkeit der ss 180 - 183 Corporations Act, vor allem der Sorgfaltspflichten von s 180 Corporations Act, auf den Shadow Director, ist nicht umstritten. 352 Die Regeln des Common Law gehen nicht über diese hinaus. 353 Besonders wichtig ist die Rechtsfolge, dass eine Person, die als Shadow Director eingestuft wird, gegenüber der Gesellschaft verpflichtet ist, diejenigen Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen zu verhindern, die sie vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen. 354

348

Lindgren v L & P Estates Co Ltd [1968] 1 All ER 917 (922 – Harmann LJ); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (212). 349 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (741). 350 Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170); Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (350); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (228, 232). 351 Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 NZLR 30 (90 – Thomas J); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (232). 352 ASC v AS Nominees Ltd (1995) 18 ACSR 459 (510), 133 ALR 1 (53), 13 ACLC 1822 (1839 – Finn J); Corporate Affairs Commission (NWS) v Drysdale (1978) 141 CLR 236 (243), 22 ALR 161 (165 f.), 3 ACLR 760 (764 – Mason J); Ford/Austin/ Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.020]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 392. 353 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (166 [372] – Santow J); Daniels v Anderson (1995) 16 ACSR 607 (756 – Powel JA); Sheahan v Verco & Hodge (2001) 37 ACSR 117 (134 – Mulligan J). Diskussion der relevanten Sorgfaltspflichten oben: Teil 3 A.II.2., Seite 71. 354 Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 NZLR 30 (90 – Thomas J); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (232).

178

Teil 4 : Aktive Koordination

Grundsätzlich sind die Direktoren der Wahrung der Interessen aller Anteilseigner verpflichtet. In der Rechtstheorie werden die Anteilseigner als deren einzige Prinzipale, zumindest aber als die bedeutendste Interessengruppe in der Kapitalgesellschaft eingestuft. 355 Es ist anerkannt, dass Gläubiger ebenfalls ein rechtlich zu billigendes Interesse an der Entwicklung der Kapitalsgesellschaft haben. Dieses Interesse ist von dem der Anteilseigner zu trennen. 356 Grundsätzlich tritt es hinter den Interessen der Anteilseigner zurück. Erst in der Krise der Gesellschaft und bei Liquiditätsengpässen müssen die Direktoren auch die berechtigten Interessen der Gläubiger aktiv berücksichtigen. In der Insolvenz der Gesellschaft sind sogar deren Interessen allein ausschlaggebend, während die der Anteilseigner zurücktreten. 357 Ungeachtet der immer wieder aufflammenden Diskussion um die sog. Other-Constituants-Statues, die in Anlehnung an die Rechtsentwicklung in einigen Bundesstaaten der USA auch in Australien empfohlen werden, 358 bleibt grundsätzlich die Dominanz von Anlegerinteressen für die Interpretation der Pflichtenstellung von Direktoren unumstritten.359 Sollte eine Konzernobergesellschaft als Shadow Director einzustufen sein, ergibt sich daraus, dass sie neben ihren Eigeninteressen als Anteilseigner auch die Eigeninteressen der anderen Anteilseigner berücksichtigen muss. Im Ergebnis ist damit das australische Recht ähnlich dem der USA, das unabhängig von den Other-Constituants-Statues in vielen Bundesstaaten der Konzernobergesellschaft Treuepflichten in den Tochterunternehmen zuweist. 360 Die Interessen von Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen lassen sich regelmäßig in Einklang bringen, soweit die Solvenz des Tochterunterneh-

355

Hill, AJCL 9 (1998) 21 (23 f.); Hill, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 175; Lipton/Mirvis/Rosenblum, NYU L Rev 70 (1995) 1144 (1160). 356 Berle/Means, Modern Corporation and Private Property, 113; Easterbrook/ Fischel, J L Econ 26 (1983) 395 (403-405); Hill, AJCL 9 (1998) 21 (25); McKern, in: Bruce/McKern/Pollard/Skully, Handbook of Australian Corporate Finance, 1 (3). 357 Bratton, Duke L J 1989, 92 (102 f.); Easterbrook/Fischel, J L Econ 26 (1983) 395 (404); Hill, AJCL 9 (1998) 21 (27 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (219). 358 Dazu: Unocal v Mesa Petroleum Co., 493 (1985) A.2d 246 (Del.); Allen, Cardozo L Rev 14 (1992) 261 (276); Lipton/Mirvis/Rosenblum, NYU L Rev 70 (1995) 1144 (1158); Millon, Duke LJ 1990, 201 (234, 251-261); O'Neill, Con L Rev 25 (1993) 681 (682 f.). 359 Allen, Cardozo L Rev 14 (1992) 261 (265, Fn 7); Millon, Duke LJ 1990, 201 (236-240). 360 CASAC, Corporate Groups, [1.78]; Übersicht zur Regelung in den Bundesstaaten der USA: Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (18 f.).

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mens nicht gefährdet ist. 361 Bei Liquiditätsengpässen können sich weiter gehende Pflichten ergeben. Insbesondere haftet ein Shadow Director – wie jeder andere Direktor auch – gegenüber den Gläubigern, wenn die Gesellschaft trotz Insolvenz weiter am Handel teilnimmt, ss 588G ff. Corporations Act.362 Für eine Konzernobergesellschaft ist diese Rechtsfolge wenig bedeutsam. Die gleiche Pflicht obliegt ihr auch aufgrund von ss 588V ff. Corporation Act unabhängig davon, ob sie ein Shadow Director ist. 363 Allerdings sind bei schlechter Liquiditätslage Interessengegensätze zwischen Tochterunternehmen und Konzernobergesellschaft praktisch unausweichlich, da eine langfristige Aufrechterhaltung der Kooperation nicht mehr gewährleistet ist. Folglich nehmen die Agency-Probleme zu. In diesen Fällen muss die Konzernobergesellschaft ihre Einflussnahme zurücknehmen. Konzernobergesellschaften sind häufig Shadow Director der Tochterunternehmen. 364 Dann haben sie im Rahmen ihrer Konzernpolitik die Sorgfalts- und Obhutspflichten gegenüber den Tochterunternehmen zu tragen, die auch ordentlichen Direktoren der Tochterunternehmen obliegen. Folglich müssen alle Entscheidungen in der Konzernobergesellschaft auch an ihren Auswirkungen auf die Tochterunternehmen gemessen werden. Damit korrespondiert eine Pflicht zur Selbstinformation über die Angelegenheiten der Tochterunternehmen, wenn tatsächlicher Einfluss ausgeübt wird. Die Direktoren und Officer der Konzernobergesellschaft dürften auch ohne diese Regelung nur dann Entscheidungen fällen, wenn sie diese gründlich durchdacht und vorbereitet haben. Das Rechtsinstitut des Shadow Director geht über die ohnehin bestehenden Pflichten hinaus. Die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft wären nämlich ohne diese Regelung allein den Interessen der Konzernobergesellschaft verpflichtet und müssten die in den Tochterunternehmen zusammengefassten Interessen nur eingeschränkt berücksichtigen.365 Durch die Regelungen zum Shadow Director werden die Konzernobergesellschaft und mittelbar die Akteure in ihrem Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan dazu verpflichtet, sich gegenüber den Tochterunternehmen

361 Diskussion der Interessen der Tochterunternehmen im Konzern: Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (74 – Pennycuick J); Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (143); Baxt, ABLR 22 (1994) 138 (141); Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.280]; Vgl. unten: Teil 4 C.I., Seite 206. 362 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (741); Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (228). 363 Vgl. oben: Teil 3 A.I., Seite 63. 364 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (741). 365 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (212).

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Teil 4 : Aktive Koordination

interessengerecht zu verhalten, wenn eine regelmäßige Einflussnahme in die unternehmerische Leitung des Tochterunternehmens erfolgt. Im Ergebnis werden also die Pflichten der Organwalter auch auf die Personen ausgeweitet, die die Funktionen dieser Organe tatsächlich ausführen. Diese Konsequenz kann weitreichende Folgen haben. Direktoren dürfen nämlich bei ihren Handlungen grundsätzlich keine eigenen wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen verfolgen. 366 Dies hätte vielschichtige Konsequenzen. Beispielsweise kann sich eine Konzernobergesellschaft, die als Shadow Director eingestuft worden ist, dann nicht auf die Business Judgment Rule von s 180 Corporations Act berufen, wenn ihre Akteure neben den Interessen der sonstigen Akteure – vor allem der außenstehenden Anteilseigner – auch die Interessen der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt haben. Eine Abmilderung dieses Ergebnisses durch die Rechtsprechung ist nicht abzusehen. Eine fast identische Definition wie die des Shadow Director findet sich bei der Begriffsdefinition zum Officer von s 9 Corporations Act: “officer of a corporation means … (b) a person: … (iii) in accordance with whose instructions or wishes the directors of the corporation are accustomed to act (excluding advice given by the person in the proper performance of functions attaching to the person’s professional capacity or their business relationship with the directors or the corporation)”.

Eine weiter gehende Definition enthält dagegen Ziff. (b)(ii), nach der ein Officer auch jede Person ist, “who has the capacity to affect significantly the corporation’s financial standing”. Auch für Officer gelten die Pflichten der ss 180 - 183 Corporations Act. Damit könnte jede Konzernobergesellschaft gegenüber allen Tochterunternehmen die gleichen Loyalitäts- und Treuepflichten haben wie ein Officer, auch wenn die Obergesellschaft keinerlei Einfluss auf die Geschäfte der Tochterunternehmen ausübt. Ausreichend ist, dass die Kooperation mit dem Tochterunternehmen oder die Eigenschaft als Mehrheitsanteilseigner die Möglichkeit eröffnen auf die Finanzausstattung der Gesellschaft Einfluss zu haben. Die gleichen Probleme können sich für Tochterunternehmen untereinander ergeben. Diese Fragen sind bislang in Australien weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung geklärt.

366

ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (167-169 [372], 183 [452], 232 [735] – Santow J); Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (357 – Owen J).

B. Konzernobergesellschaft

181

Insgesamt entspricht es durchaus dem Gesamtkonzept des regulatorischen Gefüges in Australien, der Konzernobergesellschaft bestimmte Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Tochterunternehmen zuzuweisen, vgl. beispielsweise ss 555V ff. Corporation Act. Auch das Gesellschaftsrecht fast aller US-Bundesstaaten, das den australischen Regulierer oft beeinflusst, postuliert eine allgemeine Treuepflicht einflussreicher Anteilseigner unabhängig von der tatsächlichen Einflussnahme.367 Allerdings scheint es wahrscheinlich, dass Ziff. (b)(ii) weniger umfassend ausgelegt wird. Die Möglichkeit der Einflussnahme in die finanzielle Ausstattung (financial standing) des Tochterunternehmens dürfte nicht bereits durch die Stellung der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner erfüllt sein. Schließlich können Eigenkapitalgeber ihre Investition gegenüber der Kapitalgesellschaft außerhalb der Liquidation und der besonders geregelten Kapitalherabsetzung grundsätzlich nicht zurücknehmen. Die Fähigkeit, die Liquidität der Kapitalgesellschaft beeinflussen zu können, ist nur dann gegeben, wenn überlebensnotwendige Ressourcen ex post abgezogen werden können. Die Definition in Ziff. (b)(ii) von Officer setzt folglich eine besondere Beziehung voraus, die über das normale Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner hinausgeht. Sie könnte beispielsweise erfüllt sein, wenn die Konzernobergesellschaft ein bedeutender Gläubiger oder sogar ein wichtiger Darlehensgeber des Tochterunternehmens ist, der die vertraglichen Beziehungen jederzeit aufkündigen kann. Folglich erscheint es nur dann wahrscheinlich, dass eine Konzernobergesellschaft als Shadow Officer eines Tochterunternehmens einzustufen ist, wenn auch ohne umfangreiche Konzernleitung eine besonders enge Kooperation zwischen den Gesellschaften besteht. Zu beachten ist daneben, dass die Pflichten eines Officer weniger weitreichend sind als die von Direktoren. Die Figur des Shadow Officer könnte Konzernobergesellschaften allenfalls zur Berücksichtigung der Interessen des Tochterunternehmens unabhängig von einer tatsächlich erfolgenden Einflussnahme auf dessen unternehmerische Entscheidungen verpflichten. Daran wären mittelbar auch die Akteure in der Konzernobergesellschaft gebunden. Die Akteure in den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft sind aber gegenüber der Konzernobergesellschaft ohnehin verpflichtet, etwaige gegensätzliche Interessen im Konzern – beispielsweise bei der Planung zukünftiger Investitionsvorhaben – gegeneinander abzuwägen. Sollte

367

(23).

Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13

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Teil 4 : Aktive Koordination

die Definition von Ziff. (b)(ii) zum Shadow Officer im Einzelfall einschlägig sein, so würde diese Verpflichtung mittelbar auch gegenüber den betroffenen Tochterunternehmen gelten. Es scheint unwahrscheinlich, dass die Anforderungen in Australien an die Konzernobergesellschaft von den Gerichten als weitreichender interpretiert werden. Die tatsächliche Rechtsentwicklung muss abgewartet werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Australien durch die gesetzlichen Definitionen der Begriffe „Director“ und „Officer“ in s9 Corporations Act in Verbindung mit den allgemeinen Vorschriften zu diesen Personengruppen der Konzernobergesellschaft eine Obhutspflicht in der Beziehung zu den Tochterunternehmen aufgegeben wird, die sich mit zunehmender Einflussnahme der Akteure der Konzernobergesellschaft in die Geschäftstätigkeit der Tochterunternehmen verstärkt. Daraus ergeben sich Handlungsanreize, das konzernweite Kooperationssystem für alle Akteure in allen Kapitalgesellschaften der Organisation interessengerecht auszugestalten.

2. Treuepflicht Im deutschen Konzernrecht stellen eine mit dem Shadow Director und Shadow Officer vergleichbare Obhutspflicht die ungeschriebenen Verhaltenspflichten der Akteure in Kapitalgesellschaften dar. Zu ihnen gehört an prominentester Stelle die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die gesellschaftsformübergreifend Akteure in einer Organisation vor Nachteilszufügung durch andere Akteure schützt. Die Ursprünge von Treuepflichten sind auf die Kautelarjurisprudenz der 1920er Jahre zurückzuführen. Damals wurde zunächst unter Bezugnahme auf §§ 138, 826 BGB bei sittenwidrigem oder rechtsmissbräuchlichem Verhalten die eigennützige Ausbeutung von Mehrheitsmacht in Kapitalgesellschaften beschränkt. 368 Solche Einschränkungen wurden bereits zehn Jahre später ausdrücklich mit einem Treueverhältnis begründet, das auch zwischen den Aktionären untereinander bestünde.369 Die Rechtsprechung, die auf einen Sittenverstoß abstellte, wurde aber fortgeführt. Zur dogmatischen Begründung der Treuepflicht wurde neben der Gesamtheit des Aktienrechts auch auf die

368

RGZ 107, 72 (75), 202 (204 f.); MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 13; Nörr, ZHR 150 (1986) 155 (164). 369 RGZ 146, 71 (76), 385 (395), RGZ 158, 248 (252, 254); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §2.IV, 41.

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Treue(bruch)vorschriften des BGB abgestellt.370 Das Reichsgericht stellte 1934 fest, das Staatswesen werde von dem auch im Aktienrecht zum Ausdruck kommenden Gemeinschaftsgedanken durchsetzt, „es solle das Treueverhältnis der einzelnen Mitglieder einer Gemeinschaft gegenüber dieser betont und zur Richtschnur für das Handeln des Einzelmitglie des gemacht und demgemäß dafür Vorsorge getroffen werden, daß die Organe der Aktiengesellschaft ihre Maßnahmen ausschließlich im Interesse und zum Gedeihen der Gemeinschaft träfen und daran nicht durch eigensüchtige persönliche Belange gehindert würden.“371

Erst als während der NS-Herrschaft 1937 Treuepflichten von Aktionären nicht ins AktG aufgenommen wurden und sich der Gesetzgeber stattdessen auf das allgemeine Schädigungsverbot im damaligen § 101 AktG beschränkte, wurde die Treuepflicht zunächst nicht weiter verfolgt. 372 Eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Anteilseigner in Kapitalsgesellschaften wurde erst wieder knapp 40 Jahre später durch den BGH mit dem ITTUrteil373 eingeführt. Dieses Urteil prägt das heutige Konzernrecht besonders für Tochterunternehmen in der Rechtsform einer GmbH. 374 Für die Kapitalgesellschaft schädigende Weisungen ohne anschließenden Nachteilsausgleich durch den Mehrheitsgesellschafter oder durch eine mit diesem verbundene Person stellen danach einen Treueverstoß dar und begründen Schadensersatzpflichten. 375 Heute ist sie (erneut) gewohnheitsrechtlich anerkannt und wird häufig als Ausfluss von Treu und Glauben bewertet. 376 Teilaspekte der Treuepflicht sind nach Auffassung einiger Kommentatoren heute im Begriff des Wohls der Gesellschaft in § 93 I 2 AktG kodifiziert.377 Ob dieser Interpretation zuzustimmen ist, kann offen bleiben, denn auf die konkrete Interpretation der Treuepflicht hat sie keine Auswirkung.

370

RGZ 146, 385 (396). RGZ 146, 71 (76). 372 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 22, 25-27; MüKoAktG/Altmeppen, Einl§291 Rn 14. 373 BGHZ 65, 15 (18). 374 Assmann, JZ 1986, 881 (881). 375 Emmerich, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 3 (13); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 341 f.; H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbHKonzern, 25 (35). 376 Übersicht zu dieser und anderen dogmatischen Begründungen: Röhricht, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 513 (517 f.). 377 Spindler, NZG 2005, 865 (872) m.w.N. 371

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Teil 4 : Aktive Koordination

Durch die Treuepflicht wird der Bestand der Gesellschaft im Interesse aller Anteilseigner geschützt. Sie soll einen Ausgleich für den sonst inadäquaten regulatorischen Schutz von Minderheitsgesellschaftern schaffen. 378 Die gleiche Funktion hatte das Rechtsinstitut bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Es wurde damals vor allem für die Aktiengesellschaft diskutiert. Die heutige Betonung der Wichtigkeit der Treuepflicht für Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH beruht darauf, dass hier das regulatorische Schutzsystem besonders geschwächt ist und daher neue flexible Verhaltensregeln zum Ausgleich notwendig werden.379 Für Aktiengesellschaften ist dagegen der regulatorische Schutz inzwischen weitgehend kodifiziert. 380 Die Regierungsbegründung zum AktG 1965 erwähnt ausdrücklich, dass durch die neu eingeführten Vorschriften die Sorgfaltspflichten des herrschenden Unternehmens im Konzernzusammenhang durch das Gesetz präzisiert wurden. 381 Das heißt, dass eine Sorgfaltspflicht der Konzernobergesellschaft zur abhängigen Aktiengesellschaft angenommen wurde, also eine Treuepflicht bestand. In Anlehnung an das AktG 1965 wird heute auch für die GmbH gefordert, im Einzelfall die Verdichtung der Treuepflicht zu einem Abfindungsanspruch der Minderheitengesellschafter, wie er dort vorgesehen ist, zuzulassen. 382 Die heute prominente Stellung der Treuepflicht in Konzernzusammenhängen bei der GmbH beruht auch auf ihrer starken personalistischen Ausrichtung. In der dogmatischen Begründung wurde die Treuepflicht im ITT-Urteil als allgemeiner Rechtsgrundsatz weitgehend von dem Personengesellschaftsrecht übernommen. 383 Beispielsweise soll der Mehrheitsgesellschafter einer personalistisch strukturierten GmbH in Anlehnung an § 112 II HGB einem Wettbewerbsverbot unterliegen, das sich aus der Treuepflicht ableitet. 384 Aufgrund dieser Anlehnung an die Personenhandelsgesellschaft ist die Treuepflicht umso geringer ausgeprägt, je weniger personalistisch die Kapitalgesellschaft strukturiert ist

378 379

Assmann, JZ 1986, 881 (886). Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317

(333). 380

Vgl. oben: Teil 4 B.I.1., ab Seite 127, insbes.: Seite 133 und Teil 4 B.I.4., Seite

158. 381

RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 418. Gäbelein, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 50 (54); H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (47). 383 BGHZ 65, 15 (19); Röhricht, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 513 (521). 384 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 95. 382

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und je weniger ständigen Einfluss die einzelnen Gesellschafter haben. 385 Diese dogmatische Einschränkung gab es ebenfalls schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Bereits damals wurden die Grenzen der Treuepflicht bei der Aktiengesellschaft mit dem geringen personenrechtlichen Einschlag der Gesellschaftsform begründet. 386 Mit ähnlichen Einschränkungen ist die Treuepflicht auch heute für Aktiengesellschaften wieder anerkannt. 387 Sie spielt vor allem eine Rolle, wenn die Aktionäre eine Ermessensentscheidung treffen müssen, z.B. die Stimmabgabe in der Hauptversammlung.388 Insgesamt geht die Treuepflicht bei der GmbH weiter als die unter Teil 4 B.I. diskutierten objektiven Grenzen der zulässigen Kooperation bei der Aktiengesellschaft. 389 Für die Aktiengesellschaft ist die Treuepflicht im Konzernzusammenhang allenfalls ein Reserveinstrumentarium von geringer Bedeutung. 390 Im Vergleich zu den australischen Obhutspflichten, die im Rahmen der Regeln zum Shadow Director diskutiert wurden, ist die Treuepflicht weniger weitgehend. Die Gesellschafter können grundsätzlich in ihren Entscheidungen ihre eigenen Interessen verfolgen, während ein Direktor einer australischen Gesellschaft stets pflichtwidrig handelt, wenn er vordergründig eigene Interessen durch eine Maßnahme verfolgt. In Deutschland ist es den Gesellschaftern nur verboten, die Gesellschaft zu Lasten der anderen Gesellschafter zu schädigen.391 Das Verfolgen wirtschaftlicher oder sonstiger Eigeninteressen durch die Gesellschafter ist nach Gesichtspunkten der deutschen Treuepflicht dagegen nur ausnahmsweise nicht zulässig. 392 Positive Handlungspflichten ergeben sich grundsätzlich nicht. Die Treuepflicht statuiert ein Rücksichtnahmegebot (Loyalitätspflichten), die nur dann auf eine Handlungspflicht reduziert wird, wenn ausschließlich diese Handlung im Interesse der Gesellschaft ist und jede andere

385

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 28 ff. RGZ 158, 248 (254). 387 Zuletzt: OLG Stuttgart, ZIP 2003, 2024 (2027); Übersicht: Kuhlmann /Ahnis, Konzernrecht, 110 ff.; Röhricht, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 513 (521 ff.). 388 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §28.I.4., 800. 389 Vgl.: Burgard, ZIP 2002, 827 (829). 390 Röhricht, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 513 (530). 391 Lutter/Trölitzsch, in: Lutter, Holding-Handbuch, §7 Rz 55. 392 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 31; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §2.VII.3, 60 f. 386

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Alternative schweren Schaden verursachen würde. Vernünftigkeit oder Vorteilhaftigkeit der Handlung allein sind nicht ausreichend. 393

3. Oppression Remedy Für den Vergleich zur deutschen Treuepflicht sind in Australien nicht nur die Regeln zum Shadow Director und Officer, sondern ist auch die Oppression Remedy heranzuziehen. Sie ist in Teil 2F.1 Corporations Act kodifiziert.394 Danach können Gerichte gegen Maßnahmen einschreiten, wenn durch sie die Eigeninteressen der Gesellschaft als Ganzes gefährdet werden oder wenn sie einen oder eine Gruppe von Anteilseignern ungerechtfertigt benachteiligt (Oppressive or Unfair). Die Oppression Remedy verdrängt die restriktive Regel der britischen Entscheidung Foss v Harbottle395, nach der Anteilseigner grundsätzlich keine Klagerechte in der Gesellschaft haben. 396 Gegenstand der Oppression Remedy kann neben geplanten und bereits vorgenommenen positiven Handlungen auch ein Unterlassen sein. Selbst gegen treuwidrige Anpassungen der Unternehmensverfassung (Constitution) und auch gegen den Missbrauch der juristischen Person kann mit Hilfe der Oppression Remedy vorgegangen werden.397 Sie baut anders als beispielsweise die Aktionärsklage in Deutschland nicht auf einem Gesetzes- oder Satzungsverstoß auf. In Deutschland stellt die Aktionärsklage allein einen weiteren Durchsetzungsmechanismus für allgemein gültige Regulierung dar, dessen Wirkungsweise in der Praxis noch ungeklärt ist. Dagegen definiert die Oppression Remedy mit den Kategorien „Oppressive“, „Unfairly Prejudicial“ und „Unfairly Discriminatory“ eigene Beurteilungsmaßstäbe. Damit ist sie unabhängig vom Bestehen einer eigenständigen Treue- oder Loyalitätspflicht oder eines Normverstoßes. Wie die deutsche Treuepflicht knüpft sie an Billigkeits- und Gleichbehandlungsgesichtspunkte an. Anders als bei der Treuepflicht können aber selbst gutgläubig vorgenommene und formell rechtmäßige Maßnahmen eine ungerechtfertigte Benach-

393

OLG Stuttgart, ZIP 2003, 2024 (2027 – entschieden für AktG); Röhricht, in: Hommelhoff/Hopt/Werder, Handbuch Corporate Governance, 513 (520). 394 Sections 232-235 Corporations Act. 395 Foss v Harbottle (1843) 2 Hare 461; 67 ER 189. 396 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 411, 416. 397 Peter’s American Delicacy Co Ltd v Heath (1939) 61 CLR 457 (482 – Latham CJ, bzgl.: Unfair Amendment); Fridman, ABLR 19 (1991) 211 (215 – bzgl.: Abuse of Corporate Personalty).

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teiligung im Sinne der Oppression Remedy darstellen. 398 Die Benachteiligung kann materieller oder prozeduraler Natur sein. 399 Die Oppression Remedy beruht auf Billigkeitsgesichtspunkten. Im Konzern entstehen Probleme für außenstehende Anteilseigner fast ausschließlich aus Gleichbehandlungsfragen.400 Zwei bedeutende Präzedenzfälle, in denen sich außenstehende Anteilseigner in einem Konzernsachverhalt auf die Oppression Remedy beriefen, betreffen den IRL-Konzern. Im ersten Fall schloss ein Tochterunternehmen eine Großzahl konzerninterner Transaktionen ab, ohne dabei einen eigenen Vorteil zu erlangen. Von diesen Maßnahmen wurden weder die außenstehenden Anteilseigner noch die Independent Direktoren des Tochterunternehmens unterrichtet. Das Gericht hielt die Oppression Remedy für einschlägig. Es ordnete eine Änderung der Unternehmensverfassung an, bestellte die Mitglieder des Boards neu und gab dem neuen Board auf, die in Frage stehenden Maßnahmen zu untersuchen.401 Im zweiten Fall entzog IRL einem anderen Tochterunternehmen einen bedeutenden Teil des Vermögens durch einseitige Vermögenszuwendungen. Hier entschied das Gericht unter anderem, dass in Zukunft das General Meeting (Hauptversammlung) ausnahmslos jede Transaktion des Tochterunternehmens mit einer anderen Kapitalgesellschaft des IRL-Konzerns genehmigen müsse. 402 Damit verschärfte es die Restriktionen, die im Rahmen der Related-Party-Transactions-Regeln bestehen. 403 In beiden Fällen hätte eine Anwendung der Related-Party-Transactions-Regeln oder der Regeln zum Shadow Director allenfalls zu einem rückwirkenden Schadensausgleich in den belegbaren Einzelfällen geführt. Damit wäre den Anliegen der außenstehenden Anteilseigner nicht Genüge getan. Die Bandbreite möglicher Anwendungsfelder und die generalklauselartigen Tatbestandsvoraussetzungen sind nur formell vergleichbar mit der deutschen Treuepflicht. Mit der Oppression Remedy wird dem Gericht ein weiter Ermessensspielraum und die Möglichkeit eingeräumt, eine Vielzahl verschiedener

398 Wayde & Anor v New South Wales Rugby League Ltd (1985) 61 ALR 225 (234), 10 ACLR 87 (95 – Brennan J); ASC v Multiple Sclerosis Society of Tasmania (1993) 11 ACLC 461 (476 – Zeemann J); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (236). 399 Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 417. 400 Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (18). 401 Re Spargos Mining NL (1990) 3 ACSR 1 (51 f. – Murray J). 402 Re Enterprise Gold Mines NL (1991) 3 ACSR 531 (550 ff., 589, 592 f. – Murray J). 403 Vgl. oben: Teil 4 B.I.3., Seite 154.

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Maßnahmen anzuweisen, s 233 I Corporations Act. 404 Vergleichbare Rechtsbehelfe gibt es in Deutschland nicht. Hier kann zwar zum Beispiel gegen unzulässige Vorschriften im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung vorgegangen werden. An ihre Stelle tritt aber das (dispositive) Gesetzesrecht, ohne dass ein Gericht eine abweichende Regelung anordnen kann. Auch die Neubesetzung von Organen, die von der Kapitalgesellschaft ordnungsgemäß bestellt wurden, ist in Deutschland nicht möglich. Derartige Rechtsfolgen werden in Australien ebenfalls nur ausnahmsweise an die Oppression Remedy geknüpft. In der Rechtspraxis wird fast immer der Minderheit im Rahmen der Oppression Remedy ein Austrittsrecht in Verbindung mit einem Abfindungsanspruch zugesprochen. 405 Dies ist vergleichbar mit dem deutschen Recht. Abfindungsansprüche kommen hier beispielsweise in § 305 AktG vor und wurden vom BGH kürzlich auch für Delisting-Entscheidungen angenommen. 406 Auch im GmbHRecht ist ein Austrittsrecht außenstehender Anteilseigner trotz fehlender gesetzlicher Normierung anerkannt. 407 Die Oppression Remedy wird in Australien als der wirksamste Rechtsbehelf für außenstehende Anteilseigner in Konzernen eingestuft. 408 Für die konzernweite Corporate Governance können sich daraus Einschränkungen in der Handlungsfreiheit der Konzernobergesellschaft ergeben. Selbst Maßnahmen, die für den Konzern als Ganzes oder für die Konzernobergesellschaft förderlich sind, können aus Sicht außenstehender Anteilseigner in Tochterunternehmen als unbillig im Sinne der Oppression Remedy eingestuft werden. 409 Dafür kommt es nicht einmal auf eine tatsächliche Einflussnahme durch die Akteure der Konzernobergesellschaft auf das Tochterunternehmen an, wie dies beim Shadow Director erforderlich ist. Rechtstatsächlich ist aber die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung regelmäßig nicht so offensichtlich wie in den beiden Entscheidungen zum IRL-Konzern. Australische Gerichte erlauben einen sehr weiten Ermessensspielraum bei unternehmerischen Maßnahmen. Eine Einmischung in interne Entscheidungsabläufe kommt nur in krassen Ausnahmesituationen in Betracht. 410 Im Rahmen der CLERP-Reform 1999 wurde die

404 Hill, C&SLJ 10 (1992) 86 (97); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 420 f. 405 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (228). 406 Vgl.: BGH, NJW 2003, 1032 (1034 f.). 407 Timm, NJW 1987, 977 (983). 408 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (224). 409 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (241-242). 410 Foody v Horewood (2003) VSC 347, [268, 289] (Hansen J); Fletcher, AJCL 13 (2001) 290 (295); Simmonds, in: Gillooly, Corporate Groups, 232 (241 f.).

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Anwendbarkeit der Oppression Remedy mit der Begründung eingeschränkt, unternehmerische Entscheidungen weniger behindern zu wollen. 411 Die Oppression Remedy setzt zudem eine strukturelle Benachteiligung voraus. Eine geringe Anzahl angegriffener Einzelmaßnahmen ist regelmäßig unzureichend. 412 Dann sind ausschließlich die zuvor diskutierten allgemeinen Regeln einschlägig. 413 Insofern ähnelt diese Rechtsfigur der überkommenen deutschen Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern. Beim Vergleich der Regulierung ist für die australische Oppression Remedy neben der deutschen Treuepflicht auch der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen. Im Aktienrecht ist er in § 53a AktG kodifiziert, bei der GmbH ist er Teil der Treuepflicht. Wie bei der Treuepflicht ist nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz einerseits eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Akteure nach deutschem Recht unbedenklich, die nach der australischen Oppression Remedy bei struktureller Wiederholung der Ungleichbehandlung als unfair eingestuft werden kann. Andererseits bedarf es für den Gleichbehandlungsgrundsatz – wie bereits für die Treuepflicht festgestellt – keiner strukturellen Ungleichbehandlung, die für die Oppression Remedy notwendig ist. Auch eine einmalige Ungleichbehandlung kann hier angegriffen werden. Inhaltlich gehen die vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgehenden Restriktionen, die die Handlungsfreiheit der Konzernobergesellschaft binden, nicht über das zur Treuepflicht Gesagte hinaus. Bedeutsam wird die Abgrenzung zur Treuepflicht in Deutschland regelmäßig erst bei der Auslegung der später diskutierten Pflichten der Akteure in Tochterunternehmen. 414 Zusammenfassend verbietet die Oppression Remedy jede strukturelle Benachteiligung einzelner Anteilseigner. Derartige Ungleichbehandlungen werden regelmäßig nur in offensichtlich pathologischen Fällen angenommen. Dies unterstreicht die bislang geringe Anzahl von Entscheidungen zu Teil 2F.1 Corporations Act von australischen Gerichten. 415 Ähnlich wie die deutsche Treuepflicht soll das Rechtsinstitut der Oppression Remedy Ungleichbehandlungen ausgleichen. Die australische Oppression Remedy tritt neben die Regeln zum Shadow Director und Shadow Officer, die weiter gehen als die Treuepflicht in Deutschland.

411

Fletcher, AJCL 13 (2001) 290 (291). Eisenberg, in: Gillooly, Corporate Groups, 1 (20). 413 Re Norvabron Pty Ltd (No. 2) (1986) 11 ACLR 279 (289 – Derrington J). 414 Vgl. unten: Teil 4 C.II., ab Seite 212, insbes.: Seite 214. 415 Vgl.: Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (353). 412

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Teil 4 : Aktive Koordination

4. Verbot der Gläubigerschädigung (Bremer Vulkan/KBV) Über die Treuepflicht gehen Forderungen in der deutschen Literatur hinaus, Anteilseignern die gleichen Pflichten wie den Geschäftsführungsorganen aufzugeben, wenn sie infolge ständiger Einflussnahme faktisch die Geschäftsführung übernehmen. 416 Dies wird vor allem für die GmbH diskutiert, da hier anders als bei der Aktiengesellschaft der kodifizierte Gläubigerschutz weniger weitreicht. Wilhelm hat vorgeschlagen, eine „Sorgfaltshaftung der Gesellschafter der GmbH aus deren Eigenschaft als Organmitglieder“ zu begründen.417 Sie solle darauf gerichtet sein, den Vermögenserhalt der GmbH sicherzustellen. Den Gesellschaftern sei danach ein willkürlicher Umgang mit dem Gesellschaftsvermögen zu versagen. Sie hätten eine ordentliche Verwaltung der Gesellschaft zu gewährleisten, soweit sie deren Geschäfte beeinflussen. Haftung träte bereits bei Fahrlässigkeit ein. Der Ansatz basiert auf einer entsprechenden Anwendung von § 43 GmbHG auf die unternehmerischen Handlungen der Gesellschafter. Dies entspricht der Regelung zum Shadow Director in Australien. Eine solche Regelung beruht auf dem Gedanken, dass eine Einflussnahme auf die Geschäftsführung die Führung fremder Geschäfte beinhalte und als solche pflichtgebunden sein müsse. Eine Haftung wie ein Geschäftsführer könnte im Extremfall dazu führen, dass die Einfluss nehmende Person dazu gezwungen ist, die tatsächliche Geschäftsführung in noch weiterem Maß als bisher auszuüben. Ein vergleichbares Problem besteht bei den Regeln des Shadow Director in Australien und ist dort ebenfalls ungelöst. Allein das Bestehen dieses Auslegungsproblems wird dort – anders als die Einwendungen gegen Wilhelms Vorschlag in Deutschland – nicht gegen die generelle Anwendung der Rechtsfigur vorgebracht. Um die Rechtsfolge zu verhindern, könnte die vorgeschlagene Haftung der Anteilseigner nach den auf Geschäftsführer anwendbaren Regeln beispielsweise nur so lange einschlägig sein, wie sie tatsächlich dessen Aufgaben ausführen.418 Die Verpflichtung des Gesellschafters, der die Unternehmensführung de facto übernimmt, kann auch auf einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch aus verbotener Ausführung der tatsächlichen Geschäftsführung beschränkt sein.

416 Emmerich, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 3 (14 m.w.N.); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §3.III.3, 88. Übersicht über den Meinungsstand: Stein, Das faktische Organ, 9-12, 41 f. 417 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 335-339. 418 Stein, Das faktische Organ, 179.

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In Deutschland wird insgesamt die Analogie zu §43 GmbHG weitgehend als Überspannung des regulatorischen Arrangements abgelehnt. 419 Zumindest aber trete sie allenfalls bei Außenwirkung der Einflussnahme auf und nicht nur bei interner Einflussnahme auf den Geschäftsführer. 420 Der Gläubigerschutz in Tochterunternehmen bleibt in Deutschland bei Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH dennoch nicht auf einen mittelbaren Schutz durch die Treuepflicht beschränkt. Ein begrenzter Gläubigerschutz unabhängig von der Treuepflicht war schon frühzeitig anerkannt. Ein Rechtsgeschäft, bei dem erfahrungsgemäß eine Befriedigung der Gläubiger durch die Gesellschaft aufgrund privater Nutzenziehung der Anteilseigner unmöglich wird, ist unstrittig und unabhängig von der Treuepflicht unzulässig. 421 Dieses allgemeine Verbot der Gläubigerschädigung wird teilweise mit einer Analogie zu § 93 V 2, 3 AktG begründet, setzt dann aber gröblich sorgfaltswidriges Verhalten voraus.422 Eine andere Meinung betont die Sittenwidrigkeit der Gläubigerschädigung und des Herbeiführens der Zahlungsunfähigkeit für die Begründung des Ausgleichsanspruchs. 423 Die Anspruchsgrundlage bildet nach dieser Ansicht § 826 BGB bzw. § 823 II BGB vor allem in Verbindung mit § 266 StGB. Tatbestandlich ist dann Vorsatz notwendig. Bei einfacher Fahrlässigkeit kann schließlich die Haftung besonders einflussreicher Gesellschafter bei Unterlassen der Insolvenzantragspflicht durch eine Analogie zu § 64 II GmbHG begründet werden. 424 Seine neuste Ausprägung bekamen Verhaltenspflichten der Konzernobergesellschaft im Verhältnis zu ihren Tochterunternehmen in den Jahren 2001 und

419

Benecke, BB 2003, 1190 (1192); Burgard, ZIP 2002, 827 (831); Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, Anh§30 Rn 39 f.; Hahn, Der Konzern 2004, 641 (641); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 97 f.; Stein, Das faktische Organ, 143 f., 180 ff.; Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2025). 420 BGH, GmbHR 2005, 1126 (11126 ff.); BGHZ 104, 44 (46-48); BGHZ 150, 61 (69); OGH, Der Konzern 2004, 689 (690 f.). 421 BGH, LM §13 GmbHG Nr 11, Bl 2-3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 72 ff. 422 Altmeppen, NJW 2002, 321 (323); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 95. 423 BGH, ZIP 1999, 1352 (1352); BGH, GmbHR 1996, 925 (928); Keßler, GmbHR 2002, 945 (947); Stein, Das faktische Organ, 74. 424 H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (49); Stein, Das faktische Organ, 15.

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Teil 4 : Aktive Koordination

2002 durch die Entscheidungen Bremer Vulkan425 und KBV426. Durch diese Urteile beendete der BGH eine seit 1985 dauernde Rechtsprechung, die eine Anlehnung des GmbH-Konzernrechts an das im AktG kodifizierte Konzernrecht verfolgte. 427 Der BGH entschied, dass die Gesellschafter der GmbH bei Eingriffen in das Vermögen der Kapitalgesellschaft deren Eigeninteresse an ihrer Befähigung, ihre Gläubiger befriedigen zu können, berücksichtigen müssen und ihre Stellung in der juristischen Person nicht durch existenzvernichtende Eingriffe unter Schädigung der sonstigen Akteure missbrauchen dürfen. 428 Diese Haftung bezieht sich nicht auf Managementfehler, sondern setzt einen gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Eingriff des Anteilseigners in das Vermögen der Kapitalgesellschaft voraus.429 Einverständlich handelnde Gesellschafter haften unabhängig von ihrer Bereicherung für den Entzug von Vermögen, das zur Befriedigung von Gläubigern notwendig ist.430 Insbesondere dürfen die kurzfristigen Betriebsmittel und das Umlaufvermögen trotz formeller Erhaltung des Eigenkapitals nicht so sehr reduziert werden, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt.431 Die Haftung der Gesellschafter tritt neben eine mögliche Haftung der Geschäftsführer. 432 Die Entscheidung Bremer Vulkan verdeutlicht die besondere Gefährdungslage von Gläubigern im Fall konzernweiter Cash-Managementkonzepte. Implementiert die Konzernobergesellschaft einseitig eine solche CorporateGovernance-Struktur innerhalb des Konzerns, durch die die Liquiditätsversorgung der einzelnen Tochterunternehmen und damit auch die Stellung der Gläubiger von der Finanzlage des Gesamtkonzerns unmittelbar abhängig gemacht werden, so steigen durch die Liquiditätsreduzierung in den Tochterunternehmen auch die Sorgfaltsanforderungen der Konzernobergesellschaft. 433 Diese

425

BGHZ 149, 10. BGHZ 151, 181. 427 Grundsatzurteile: BGHZ 95, 330 (344-346); BGHZ 107, 7 (17-19); BGHZ 115, 187 (193-195); BGHZ 122, 123 (130 f.); Übersicht und Vergleich mit der neuen Rechtsprechung: K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3578 f.). 428 BGHZ 149, 10 (17); BGHZ 151, 181 (186 f.); Hirte, NJW 2003, 1154 (1156); Keßler, GmbHR 2002, 945 (950); Wilhelm, NJW 2003, 175 (176); bereits zuvor: Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (110 ff.). 429 BGH, ZIP 2005, 250 (251 f.). 430 BGHZ 150, 61 (67); BGHZ 151, 181 (188); Keßler, GmbHR 2002, 945 (950). 431 Diem, ZIP 2003, 1283 (1286). 432 Wiedemann, ZGR 2003, 283 (290 f.) 433 Hirte, NJW 2003, 1154 (1156); kritisch: Wilken, DB 2001, 2383 (2384 f.). 426

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193

Erwägungen machen aber ein Cash-Pooling nicht per se unzulässig. 434 Ungeklärt ist, ob ein Cash-Managementkonzept zulässig ist, in dem potenziell das gebundene Vermögen der GmbH berührt wird. 435 Diese Einschränkungen der Handlungsfreiheit gleichen den Rechtsfolgen in Australien, wenn ein Gesellschafter als Shadow Director eingeordnet wird. Entscheidend ist aber der Unterschied, dass die Handlungen eines Shadow Director stets an den Pflichten der Direktoren gemessen werden. Eine Haftung des Anteilseigners in Deutschland liegt dagegen nicht bereits bei jeder Schädigung der Gesellschaft, sondern erst bei krassem, unvertretbarem Fehlverhalten zu Lasten anderer Akteure vor, die durch eine erfolgte Existenzvernichtung geschädigt werden.436 Die dogmatische Einordnung dieser neuen Rechtsprechung wird unterschiedlich beurteilt.437 Im Fall von Bremer Vulkan erkannte der BGH die Möglichkeit der Haftung des einzigen Gesellschafters wegen Treuebruchs aus §§ 823 II BGB, 263, 266 StGB an. Das Eigeninteresse des Tochterunternehmens an der Gläubigerbefriedigung sei außer Acht gelassen worden. Die Konzernobergesellschaft dürfe, solange jene nicht gewährleistet ist, die Existenz des Tochterunternehmens nicht vernichten.438 Insofern kann auch eine Parallele zu früheren Urteilen hergestellt werden. Der BGH hatte im Fall des Entzugs des betriebsnotwendigen Vermögens Untreue wegen Verstoßes gegen eine Vermögensfürsorgepflicht bejaht, wenn der Entzug zur unmittelbaren Existenzzerstörung führte. 439 Der BGH hat in einem weiteren Urteil Ende September 2004 das KBV-Urteil ebenfalls als eine Haftung nach § 826 BGB interpretiert.440 Inhaltlich postuliert die neue Rechtsprechung jedenfalls eine Verhaltenshaftung der Gesellschafter wegen Bestandsgefährdung. 441 Dogmatisch baut dieser Auslegungsansatz auf einer rudimentären Sorgfaltspflicht gegenüber den Gläu-

434

Hahn, Der Konzern 2004, 641 (644). BGH, NJW 2004, 1111; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689 (694). 436 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (415 f.). 437 Übersichten: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh§13 Rn 74 ff.; Emmerich, AG 2004, 423 (424 f.); Henze, NZG 2003, 649 (656-658); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (408 f.); K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3579 f.); Schön, ZHR 168 (2004), 268 (273 f., 282 ff.); Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2024 ff.); H.P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1135 f.). 438 BGHZ 149, 10 (16 f.); BGH, Der Konzern 2004, 547 (553). 439 BGH, GmbHR 1996, 925 (926). 440 BGH, ZIP 2004, 2138 (2139). 441 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 86. 435

194

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bigern auf. Sie wird vereinzelt sogar als Treuepflicht bezeichnet. 442 Auch eine eingeschränkte Haftung derjenigen Gesellschafter, die maßgeblich unternehmerische Entscheidung fällen, analog §§ 43 III 3 GmbHG, 93 V 2, 3 AktG könnte herangezogen werden. Selbst im Rahmen der alten Konzernverhaltenshaftung analog § 302 AktG hatte der BGH zuletzt die notwendige Wahrung der Eigenbelange von Tochterunternehmen hervorgehoben.443 Diese Eigenbelange lägen in der Fähigkeit der Kapitalgesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten. Auch dies läuft auf das Bestehen einer Sorgfalts- oder Loyalitätspflicht hinaus, solange die Belange außenstehender Akteure gefährdet sind. Rechtsdogmatisch wird der hier diskutierte Gläubigerschutz als Sorgfaltspflicht im Außenverhältnis der Kapitalgesellschaft von der Treuepflicht im Innenverhältnis unterschieden.444 In ihrer Schutzrichtung stellt die Treuepflicht auf das Verhältnis zu anderen Anteilseignern ab. Sonstige Akteure in der Kapitalgesellschaft sind durch die Treuepflicht nur als Reflex dieser Rechtsbeziehungen geschützt. 445 Eine Treuepflicht des Alleingesellschafters wird weitgehend verneint. 446 Die Unterscheidung zwischen dem Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung des Tochterunternehmens und der Treuepflicht beruht darauf, dass es keinen Eigenanspruch der Kapitalgesellschaft auf ihren Bestand gibt. Ihre Auflösung muss aber geordnet verlaufen. Die Funktion des Gesellschaftsvermögens, an Stelle des Vermögens der Anteilseigner für die Haftung bereit zu stehen, darf bei der Auflösung nicht unterminiert werden. 447 Inhaltlich erkennen schließlich auch die Vertreter anderer dogmatischer Ansätze an, dass es sich bei der Rechtsfigur des existenzvernichtenden Eingriffs um eine Haftung für sorgfaltswidrige Kapitalvernichtungen in Folge von besonders risikoreichen Geschäftsführungsmaßnahmen handelt. 448 Vom BGH wird diese in der neuen Rechtsprechung nicht als eigene Fallgruppe differen-

442

Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2027). BGHZ 122, 123 (131). 444 Benecke, BB 2003, 1190 (1193). 445 Assmann, JZ 1986, 881 (882), 928 (929); Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (336 f.); Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517 (518). 446 Altmeppen, NJW 2002, 321 (322); Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 77, Anh§13 Rn 181 ff.; Henze, NZG 2003, 649 (655 f.); Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (92 f.). 447 Nassall, ZIP 2003, 969 (970). 448 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (414). 443

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ziert.449 Begriffsnotwendig setzt die dogmatische Einordnung der Haftung als eine wie auch immer ausgestaltete Form der Sorgfalts- oder Obhutspflicht Verschulden des haftenden Anteilseigners voraus. Problematisch an dieser auf einer Pflichtverletzung basierenden Interpretation ist, dass sie keine Möglichkeit aufweist, den Schaden bei andauernder unzulässiger Einflussnahme zu spezifizieren. 450 Eine andere Interpretation betont die Unterschiede der neuen Rechtsprechung zur Rechtsprechung vor 2001. Das KBV-Urteil unterscheidet sich von früherer Rechtsprechung darin, dass das Gericht die Haftung, die es an bestimmte Verhaltensweisen der Akteure in der Kapitalgesellschaft knüpft, neben § 826 BGB auch mit einer § 13 II GmbHG zu entnehmenden Ausnahme von der Haftungsprivilegierung begründet und einen unmittelbaren Ausgleichsanspruch der Gläubiger gegen die Gesellschafter vorsieht. 451 Damit rücke es in die Nähe der vor 50 Jahren diskutierten und später verworfenen normativen Durchgriffshaftung.452 Die weiter gehenden Vorschläge von Wilhelm fußen ebenfalls auf einer Analyse des Meinungsstands zur Durchgriffshaftung. 453 Die neuen Urteile könnten vor diesem Hintergrund als „Rückkehr zur Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der juristischen Person“ interpretiert werden. 454 Auch die Schaffung des existenzvernichtenden Eingriffs als neue Fallgruppe innerhalb der Durchgriffshaftung kann auf Grundlage der neuen Rechtsprechung vermutet werden.455 Entgegen der Einordnung als Pflichtverletzung ist, wenn der dogmatischen Einordnung als Durchgriffshaftung gefolgt wird, kein Verschulden notwendig. Dann sind objektive Haftungsmaßstäbe anzusetzen. Anhänger dieser dogmatischen Einordnung grenzen vereinzelt diese Haftungsfigur sogar noch weiter von der Handelndenhaftung ab. Sie fordern eine Haftung aller Mitunternehmer-Gesellschafter unabhängig davon, ob ein eigener Handlungsbeitrag zur Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung geleistet wurde.456 Letztere Auffassung lässt sich aber nicht mit der beschriebenen

449

Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1561). Henze, NZG 2003, 649 (655); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (411 f.). 451 BGHZ 151, 181 (187). 452 Vgl. oben: Teil 4 B.I.2., ab Seite 137, insbes.: Seite 138. 453 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person. 454 Wilhelm, NJW 2003, 175 (177); ebenso: Keßler, GmbHR 2002, 945 (950); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (285, 291). 455 Benecke, BB 2003, 1190 (1193 f.); Schrell/A. Kirchner, BB 2003, 1451 (1453); Ulmer, JZ 2002, 1049 (1050). 456 Wiedemann, ZGR 2003, 283 (292). 450

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historischen Entwicklung des Verbots der Gläubigerschädigung und der Bedeutung des Trennungsprinzips im Gesamtsystem des Kapitalgesellschaftsrechts vereinbaren. Ihr kann nicht gefolgt werden. Eine andere Interpretation der Urteile betont die vom Gericht herausgestellte Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur Gläubigerbefriedigung und sieht in der Entscheidung Fälle der Vermögensvermischung, dem nach dieser Auffassung einzigen verbleibenden Fall der wirklichen Durchgriffshaftung.457 Dem ähnelt eine Auffassung, nach der eine umfassende Dokumentationspflicht bestünde, um die angemessene Rücksichtnahme auf die Belange des Tochterunternehmens belegen zu können. 458 Um ein Leerlaufen der Ausgleichsansprüche zu verhindern, sei in diesen Fällen eine Beweislastumkehr notwendig, wie sie im Rahmen der Vermögensvermischung teilweise vertreten wird. Die Beweislastumkehr für sich genommen kann aber schwerlich einen materiellen Anspruch dogmatisch begründen. 459 Auch Röhricht, der mit seinem Aufsatz wegbereitend für das Urteil Bremer Vulkan gewesen ist 460, hält die Vermögensvermischung für den regelmäßig einschlägigen Tatbestand.461 Für diese Interpretation spricht auch eine Entscheidung des OLG Rostock aus 2004.462 Das Gericht erkannte im Rahmen eines Schadensanspruchs wegen Existenzvernichtung eine unbegrenzte Haftung des Schuldners an. Als haftungsbegründend charakterisierte es die Veranlassung einer pflichtwidrigen Vermögensvermischung. Eine Begrenzung des Haftungsumfangs sei vom Schuldner als materiellrechtliche Einwendung zu beweisen (Beweislastumkehr). Die Vertreter dieser dogmatischen Lösung fordern neben der Vermögensvermischung immer auch einen materiellen Ausgleichsanspruch bei Verstoß gegen das Verbot der Gläubigerschädigung, der aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeleitet, im Detail aber unterschiedlich begründet wird. 463 Unabhängig davon, welcher dieser dogmatischen Einordnungen zu folgen ist, bleibt der Rückgriff auf allgemeine Regeln nach verbreiteter Auffassung nur möglich, wenn spezialgesetzliche Regelungen, vor allem die Kapitalerhal-

457

Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1554, 1557); Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517

(522). 458

J. Götz, ZGR 2003, 1 (7). Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (410). 460 Emmerich, AG 2004, 423 (423); Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2023). 461 Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (91). 462 OLG Rostock, ZIP 2004, 118 (121). 463 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §13 Rn 86, 88; Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (111). 459

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tungsregeln, tatsächlich leer laufen. 464 Teilweise wird sogar gefordert, der Haftungstatbestand beim Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung sei eine Ausfallhaftung und setzte die Insolvenz oder einen gescheiterten Vollstreckungsversuch gegen die Kapitalgesellschaft voraus.465 Diesen Auffassungen steht eine im Vordringen befindliche Meinung gegenüber, nach der der Haftungstatbestand des – wie auch immer zu begründenden – existenzvernichtenden Eingriffs neben die Regeln der §§ 30 ff. GmbHG trete.466 Übereinstimmend sehen all diese Meinungen jedenfalls einen Rückgriff auf die allgemeinen Regeln als nicht ausreichend für den Schutz der beteiligten Gläubiger an.467 Hier setzt die Kritik an den neuen Figuren an. Spätestens mit dem existenzvernichtenden Eingriff sei eine Bewertung in der Bilanz nach den GoingConcern-Regeln nicht mehr angezeigt. Eine Haftung wegen Unterlassens des Insolvenzantrags sei angebracht. Auch könne an eine Anfechtung des Rechtsgeschäfts nach AnfG bzw. nach §§ 129 ff. InsO gedacht werden. 468 Im Ergebnis liegt aber auch nach diesem Ansatz eine Haftung infolge des existenzvernichtenden Eingriffs vor. Im Unterschied zu den anderen Ansätzen ist die Anfechtung auf die Höhe des entnommenen Vermögens beschränkt. Etwaige Dominoeffekte ließen sich dennoch ausgleichen, und zwar über eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung. Zusammenfassend ist der Feststellung von Fischer / Gasteyer zu folgen: „Schon seit Jahrzehnten wird die Frage diskutiert, in welchem Umfang eine Gesellschaft vor Einflussnahmen ihrer Gesellschafter geschützt ist. Mag auch die dogmatische Begründung im Lauf der Zeit geschwankt haben, ist man sich doch in den Ergebnissen weitestgehend einig.“469

Das Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzgefährdung der Gesellschaft findet auch vor 2001 in der Rechtsprechung ausdrückliche Erwähnung. 470 Selbst bei der alten Konzernstrukturhaftung im Rahmen der Analogie

464

BGHZ 149, 10 (16); Benecke, BB 2003, 1190 (1194 f.); Hirte, NJW 2003, 1285 (1290); Nassall, ZIP 2003, 969 (971); Schrell/A. Kirchner, BB 2003, 1451 (1454); Wilhelm, NJW 2003, 175 (178). 465 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (418); Wiedemann, ZGR 2003, 283 (294 f.). 466 Schön, ZHR 168 (2004), 268 (289) m.w.N. 467 Emmerich, AG 2004, 423 (424). 468 Nassall, ZIP 2003, 969 (973). 469 Fischer/Gasteyer, NZG 2003, 517 (518); ähnlich: Emmerich, AG 2004, 423 (424); Keßler, GmbHR 2002, 945 (947). 470 BGH, ZIP 1999, 1352 (1352).

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zum AktG wird aus heutiger Sicht das Ergebnis als zutreffend eingeordnet, nicht aber die dogmatische Begründung. 471 Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die nun diskutierten Fälle von der Rechtsprechung ähnlich behandelt, wenn auch damals die AG im Vordergrund der Diskussion stand. Der Sache nach geht es um eine „Insolvenzverursachungshaftung“, die eintritt, wenn durch die Insolvenz Dritte (Gläubiger) geschädigt werden. 472 Die Flexibilität von Konzernen liegt unter anderem darin, dass Dritten nur ein Tochterunternehmen gegenübertritt und auch nur dieses Verbindlichkeiten gegenüber diesen Dritten begründet (Haftungssegmentierung). Derartige Zuordnungen können durch Vertrag und durch Regulierung aufgehoben werden.473 In Deutschland bestehen verschieden begründete Einschränkungen in der Gestaltungsfreiheit der Corporate Governance zwischen der Konzernobergesellschaft und einem Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH. Das Recht hat Möglichkeiten entwickelt, das Risiko von Fehlentscheidungen in der GmbH einflussreichen Hintermännern zuzuweisen, um so die Insolvenzanfälligkeit insgesamt zu verringern. 474 Soweit infolge von Kooperation die Interessen von Akteuren in der GmbH betroffen werden, müssen diese von dem verbundenen Kooperationspartner berücksichtigt werden. Immer stärker rückt dabei ein allgemeines Schädigungsverbot in den Vordergrund. 475 Gibt es außenstehende Anteilseigner, so sind die zu beachtenden Einschränkungen der Handlungsfreiheit entsprechend der potenziell betroffenen Interessen relativ weitreichend (Treuepflichten). Gibt es in dem Tochterunternehmen keine anderen Anteilseigner, so sind zumindest die Interessen von Gläubigern der GmbH zu wahren, indem eine bewusste oder offensichtliche Vereitelung der Befriedigung ihrer Ansprüche infolge der Einflussnahme des Gesellschafters als unzulässig erklärt wird (Verbot der Gläubigerschädigung, Unterkapitalisierung, existenzvernichtende Eingriffe). In der überkommenen Rechtsprechung vor 2001 mit Analogie zum AktG war eine umfangreiche Einflussnahme auf die unternehmerischen Maßnahmen im Tochterunternehmen durch Akteure der Konzernobergesellschaft eine Tat-

471

Altmeppen, ZIP 2002, 1553 (1559); Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (413). Diese Terminologie benutzt: K. Schmidt, NJW 2001, 3577 (3580). 473 Kirchner, ZGR 14 (1985) 214 (224 f.). 474 Stein, Das faktische Organ, 73. 475 H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (45); ähnlich: Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (100 f.); a.A.: Keßler, GmbHR 2002, 945 (949 f.). 472

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bestandsvoraussetzung für die Haftung. 476 Die Wortwahl und der erkannte Sachverhalt in Bezug auf die Enge der Einflussnahme der Konzernobergesellschaft, die in der Rechtsprechung seit 1985 zum qualifiziert faktischen Konzern erfolgt sind, ist fast identisch mit den Tatbetandsfeststellungen, die in australischen Gerichten für den Shadow Director getroffen wurden.477 Allerdings kommt es für die Einstufung als Shadow Director gerade nicht darauf an, ob der in unzulässiger Weise die Gesellschaft schädigende Anteilseigner ein Unternehmen im Sinne des § 15 AktG und ob das Tochterunternehmen abhängig im Sinne des § 17 I AktG ist. Beides ist nach den Entscheidungen Bremer Vulkan und KBV auch in Deutschland nicht mehr notwendig.478 Anders als in Australien ist in Deutschland jetzt eine regelmäßige Einflussnahme nicht mehr erforderlich. 479 Diejenigen Vorgänge, die tatbestandlich zu einer Haftung des Gesellschafters wegen Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung führen, werden häufig nur bei besonderer Einflussnahme durch den Mehrheitsgesellschafter verwirklicht sein. 480 Weder eine besonders intensive Einflussnahme der Konzernobergesellschaft, noch eine zentrale Leitung muss aber vorliegen, um eine Haftung zu konstituieren.481 In der Rechtsfolge geht die Regelung in Australien über die Anforderungen in Deutschland hinaus. Dort sind die Verhaltenspflichten an denen eines Geschäftsführers zu messen. Deshalb scheint eine persönliche Nutzenziehung des Shadow Director grundsätzlich unzulässig, während sie in Deutschland grundsätzlich zulässig ist. Daraus ergibt sich, dass das deutsche Recht zu Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH grundsätzlich weiter gehende Handlungsalternativen eröffnet als in Australien. Als Konsequenz der australischen Regelung sind Konzerne dort häufig vorsichtiger in ihrer Einflussnahme, was zu Koordinationsmangel führen kann. In Deutschland besteht aufgrund der unterschiedlich betonten Rechtsgrundlagen und unklarer Tatbestandsmerkmale Rechtsunsi-

476 BGHZ 95, 330 (344); BGHZ 107, 7 (17 f.); BGHZ 115, 187 (193); BGHZ 122, 123 (132). 477 Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (357 – stellt diesen Vergleich mit der Formulierung in Autokran her - BGHZ 95, 330 (344)). 478 Lutter/Banerjea, ZGR 2003, 402 (407). 479 Zu dieser Veränderung in der deutschen Rechtsprechung: Ulmer, ZIP 2001, 2021 (2022). 480 Ulmer, JZ 2002, 1049 (1051); H.P. Westermann, NZG 2002, 1129 (1132). 481 Röhricht, Festschrift 50 Jahre BGH, 83 (112).

200

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cherheit.482 Es bestehen aber keine Anzeichen dafür, dass diese Unsicherheiten als Restriktionen Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Corporate Governance haben.

5. Sorgfaltspflichten im AG-Konzern Verglichen mit den Regeln zum Shadow Director und der Oppression Remedy in Australien und verglichen mit Tochterunternehmen in der Rechtsform einer GmbH sind etwaige Obhuts- und Sorgfaltspflichten der Konzernobergesellschaft gegenüber Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft wenig ausgeprägt. Das deutsche Aktienkonzernrecht hat engere Tatbestandsvoraussetzungen als die australischen Regeln. Im Unterschied zur Figur des Shadow Director und des Shadow Officer setzen die §§ 15 ff. AktG eine Unternehmer-Eigenschaft voraus. Eine herrschende Einflussnahme allein reicht anders als in Australien nicht aus. Notwendig sind anderweitige wirtschaftliche Interessen. 483 Weiterhin sind in Deutschland die Organe des herrschenden Unternehmens, wenn es sich um ein Unternehmen im Sinne des § 15 AktG handelt, nicht unmittelbar den Interessen des beherrschten Unternehmens verpflichtet. Sollte ein Tochterunternehmen ausnahmsweise durch Beherrschungsvertrag mit der Konzernobergesellschaft verbunden sein, so ist das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft in seinen Weisungen an die abhängige Gesellschaft nur den Interessen der Konzernobergesellschaft verpflichtet, nicht aber den Interessen der abhängigen Gesellschaft, § 308 I 2 AktG. Bei der Eingliederung soll das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft ein noch weiter reichendes Weisungsrecht haben. Nach §§ 308, 323 I AktG dürfe es auch andere Interessen als die der Konzernobergesellschaft verfolgen und durch Weisungen den Bestand der eingegliederten Gesellschaft gefährden.484 Allerdings verstößt eine nicht im Interesse der Konzernobergesellschaft liegende Weisung auch bei der Eingliederung immer gegen die Pflichten des Organs im Verhältnis zur Konzernobergesellschaft. Wie bereits dargestellt, ist das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft bei Wahl dieser Handlungsalternativen für die Ausgestaltung der Corporate Governance aus-

482

Schrell/A. Kirchner, BB 2003, 1451 (1451). Zuletzt BGHZ 148, 123 (125-127): Die Stellung als Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender begründet keine Unternehmereigenschaft. 484 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 147; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §55 Rn 11. 483

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nahmsweise positiv zur Leitung der Angelegenheiten der abhängigen Aktiengesellschaft verpflichtet. 485 Handlungen des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft sind weiterhin an §§ 76, 93 AktG bzw. bei einer Konzernobergesellschaft in der Rechtsform der GmbH an §§ 35, 43 GmbHG zu messen. Nach diesen Regeln muss die Geschäftsführung stets im Interesse der Konzernobergesellschaft handeln. 486 Das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft handelt bei einer Eingliederung und bei einem Beherrschungsvertrag nur dann pflichtgemäß, wenn es seine Weisungen ordnungsgemäß vorbereitet. Dazu gehört, dass es sich über die Auswirkung ihrer Handlungen auf die Tochterunternehmen informieren muss. Erst nach gewissenhafter Abwägung kann es sich im Einzelfall gegen die Interessen der Tochterunternehmen entscheiden. Die Akteure in den Tochterunternehmen sind jedoch zur Ausführung von Weisungen der Repräsentanten der Konzernobergesellschaft verpflichtet und können nur die formale Rechtmäßigkeit der Weisung überprüfen. 487 Liegt eine unzulässige Weisung vor, vor allem eine Weisung, die nicht im Interesse der Konzernobergesellschaft liegt, haften die Organe des herrschenden Unternehmens gegenüber der abhängigen Aktiengesellschaft als wären sie deren Organe, § 309 AktG.488 Teilweise wird § 309 AktG anders interpretiert. Aber auch nach dieser Auffassung ist das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft durch diese Vorschrift nicht zur Wahrung der Partikularinteressen der Tochterunternehmen verpflichtet, wie es eingeschränkt die Treuepflicht und das Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung und umfassend die australischen Regeln zum Shadow Director und Shadow Officer vorsehen. 489 Die Konzernobergesellschaft und deren Akteure haben bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages oder einer Eingliederung grundsätzlich die Befugnis zur Schädigung der abhängigen Aktiengesellschaft. Diese Regeln verpflichten weder die Konzernobergesellschaft noch deren Organe unmittelbar zur Wahrung der Belange des Tochterunternehmens. Allerdings werden vor allem durch die Ergebnisübernahme die Handlungsanreize der beteiligten Kapitalgesellschaften aneinander angeglichen, so dass es regelmäßig bereits aufgrund des Eigeninteresses einer Konzernobergesellschaft nicht zur Schädigung der Akteure des Tochterunternehmens kommen wird.

485

Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., ab Seite 111, insbes.: Seite 122. Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 153. 487 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §54 Rn 43. 488 MüKoAktG/Altmeppen, §309 Rn 67 ff.; Koppensteiner, in: Kölner Komm §309 AktG Rn 15; a.A.: Hüffer, AktG, §309, Rn 2, 14 ff. 489 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 35; MüKoAktG/Altmeppen, §309 Rn 69 ff.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rz 3041; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 96 f.; Mertens, AcP 168 [1968] 225 (229-231). 486

202

Teil 4 : Aktive Koordination

Der für die Praxis bedeutendste Unterschied zur Regelung in Australien besteht darin, dass alle Handlungspflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft bei Beherrschungsvertrag und Eingliederung ausschließlich aus dem Verhältnis zur Konzernobergesellschaft interpretiert werden und dass die Ausgleichspflichten abstrakt an objektiven Kriterien unabhängig von konkreten Handlungspflichten und vom Verschulden gemessen werden. Beim faktischen AG-Konzern darf die Leitungsmacht vom Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft nach § 311 ff. AktG nicht dazu benutzt werden, dem Tochterunternehmen nicht nur vorübergehende Nachteile zuzufügen. Das Gesetz sieht allerdings spezielle Haftungspflichten zugunsten dieser Gesellschaft vor, wenn der jeweils zulässige Rahmen der Einflussnahme überschritten wurde (§§ 117, 317 AktG). 490 Über die im Zusammenhang mit der Angemessenheit des Kooperationsergebnisses erwähnten, weitgehend verschuldensunabhängigen Ausgleichspflichten hinaus bestehen bei Tochterunternehmen in Rechtsform der Aktiengesellschaft nur geringe Sorgfalts- und Obhutspflichten der Konzernobergesellschaft – etwa im Rahmen der ausnahmsweise anwendbaren Treuepflicht. Weiter gehende Einschränkungen in der Ausgestaltungsfreiheit der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen gibt es nicht.

III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize Die Untersuchung in diesem Abschnitt hat gezeigt, dass Regulierung in Australien und in Deutschland, die die Art und Weise der aktiven Kooperation in Konzernen aus Sicht der Konzernobergesellschaft bestimmen, vor allem die Gefahr beschränken sollen, das außenstehende Akteure in Tochterunternehmen unentgolten Nachteile erleiden. Die Handlungs- und Verfügungsrechte, die die Konzernobergesellschaft binden, sind insbesondere in Gebieten von Wichtigkeit, in denen es keine robusten Marktmechanismen zur Eindämmung von Agency-Kosten gibt. 491 Der vom Regulierer verwendete Mechanismus zur Entgeltung dieser Externalitäten zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns besteht darin, das Entstehen von Nachteilen entweder vollständig zu verhindern oder Nachteile kurz- oder mittelfristig auszugleichen.

490 491

Vgl. oben: Teil 4 B.I.4., Seite 158. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 212 f.

B. Konzernobergesellschaft

203

Beim deutschen AG-Vertragskonzern geschieht dies durch einen pauschalen Verlustausgleich und durch Abfindungsansprüche. Durch derartige Organisationsverträge entstehen für die Akteure im Tochterunternehmen Handlungsanreize, das Ergebnis der Konzernobergesellschaft unabhängig von der Entwicklung der eigenen Gesellschaft zu maximieren.492 Eine Berücksichtigung der Eigeninteressen der Akteure im Tochterunternehmen ist aus Sicht der Akteure der Konzernobergesellschaft nicht notwendig. Allerdings bestehen für sie aufgrund des pauschalen Verlustausgleichsanspruchs des Tochterunternehmens gegen die Konzernobergesellschaft kaum noch Anreize dafür, die Akteure im Tochterunternehmen selbstständig, erfolgreich wirtschaften zu lassen. Das damit verbundene Haftungsrisiko für die Konzernobergesellschaft wäre zu groß. Zudem müssen die Akteure in der Konzernobergesellschaft die vertraglich verbundene Kapitalgesellschaft leiten. Aufgrund der Überlebensgarantie und der Abführung des eigenen Gewinns fehlen aus Sicht der Akteure im Tochterunternehmen ebenfalls Anreize, besonders erfolgreich zu wirtschaften. Sowohl die Akteure in der Konzernobergesellschaft als auch die im Tochterunternehmen sind also vor allem daran interessiert, das Verlustpotential des Tochterunternehmens zu minimieren statt Kooperationsgewinne zu maximieren. Das Gesamtrisiko ist nicht diversifiziert. Es kann prognostiziert werden, dass nicht nur das strukturelle Risiko im Tochterunternehmen minimiert wird, sondern unternehmerische Risiken insgesamt gescheut werden. Eine andere Anreizstruktur entsteht in Deutschland beim faktischen AGKonzern und bei australischen Tochterunternehmen mit außenstehenden Anteilseignern. Bei letzteren schreiben die Related-Party-Transactions-Regeln eine Zustimmung dieser Anteilseigner vor, wenn keine adäquate Gegenleistung für eigene Leistungen im Rahmen konzerninterner Kooperation gezahlt wird. Weder nach diesen Regeln noch für den deutschen faktischen AG-Konzern kommt es auf die Intensität der Kooperation für die rechtliche Beurteilung an. Ausschlaggebend sind vielmehr die Art und Weise der Kooperation und die angemessene Berücksichtigung der Interessen der einzelnen Akteure. Auch eine intensive konzerninterne Kooperation ist interessengerecht, wenn sie durch Kooperationsanreize gefördert wird, die Vorteile für alle Kooperationspartner beinhalten. Dann sind die Anforderungen der §§ 311 ff. AktG und von Kap. 2E Corporations Act gewahrt.

492

KG NZG 2000, 1132 (1133); Eschenbruch, Konzernhaftung, Rz 3004 – sprechen unpräzise von Interessenangleichung.

204

Teil 4 : Aktive Koordination

In Australien fehlt allerdings ein zuverlässiger Durchsetzungsmechanismus für diese Regeln. Auch in Deutschland gibt es praktisch keine Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen die §§ 311 ff. AktG Bedeutung erlangten. In beiden Staaten scheinen die Ausgleichspflichten keine Auswirkungen auf die tatsächliche Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns zu haben. So wird die Rechtswirklichkeit in Konzernen teilweise beschrieben als: “a chaotic picture of intermingling of assets of separate entities and insufficient financial trails”. 493 Es wird von Fällen berichtet, in denen die Kapitalgesellschaften eines Konzerns nur über ein gemeinsames Bankkonto verfügten. 494 Die hier kritisierte Struktur in der konkreten Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Gesellschaften beruht auf dem unzulässigen Fehlen einer Dokumentation, die nach den diskutierten Regeln erforderlich wäre. Der Konzernobergesellschaft und ihren Organen obliegen Ausgleichspflichten, die bei Nichtbeachtung dieser Regeln und sogar unabhängig davon eintreten können, ob dem Anspruchsgegner selbst ein Vorteil entstanden ist. Dadurch werden die Handlungsanreize der Akteure in der Konzernobergesellschaft und in den Tochterunternehmen aneinander angeglichen. Sowohl für den deutschen faktischen AG-Konzern und auch für australische Tochterunternehmen mit außenstehenden Anteilseignern haben die Akteure in der Konzernobergesellschaft ein Eigeninteresse daran, eine Corporate-Governance-Struktur zu implementieren, in der ex ante Kooperationsregeln festgelegt sind, die eine objektive und unabhängige Beurteilung der Transaktionen und eine Wahrung der Belange außenstehender Akteure in Tochterunternehmen gewährleisten. Die größten Hürden, die im Rahmen dieser Vorschriften in beiden Staaten diskutiert werden, können überwunden werden. Es verbleibt aber aufgrund der vielfach diskutierten angeblichen Probleme bei der Anwendung dieser Regeln eine erhöhte Rechtsunsicherheit, die ein Ausweichen auf andere CorporateGovernance-Strukturen wahrscheinlich macht. In Australien sind dies Tochterunternehmen ohne außenstehende Anteilseigner, in Deutschland Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH.

493

Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (75). Re Austcorp Tiles Pty Ltd, Re Global Marble Pty Ltd, Re Austcorp Quarries Pty Ltd (1992) 10 ACLC 62 (63 – Shanahan J). 494

B. Konzernobergesellschaft

205

Unabhängig davon, ob die Related-Party-Transactions-Regeln einschlägig sind, soll in Australien die Entgeltung von Externalitäten zusätzlich durch eine Verpflichtung der Kooperationspartner auf die Interessen der betroffenen Akteure erfolgen. Dazu dienen die Vorschriften zum Shadow Director, Shadow Officer und die Oppression Remedy. Eine ähnliche Funktion übernehmen bei der deutschen GmbH die Treuepflicht gegenüber außenstehenden Anteilseignern und das Verbot der Schädigung fremder Belange durch Existenzvernichtung gegenüber den Gläubigern. Nach diesen Regeln wird der Konzernobergesellschaft und zumindest mittelbar ihren Akteuren eine Sorgfaltspflicht zur Beachtung fremder Belange bei ihrer unternehmerischen Einflussnahme in die Entscheidungsfindung von Akteuren in Tochterunternehmen aufgegeben. In Australien führen die Regeln des Shadow Director dazu, dass die Akteure in der Konzernobergesellschaft im Rahmen ihrer Einflussnahme stets die Belange des Tochterunternehmens und auch die der außenstehenden Akteure fördern müssen, während in Deutschland die Eigeninteressen der handelnden Akteure grundsätzlich weiterhin im Vordergrund stehen können. Ob dadurch in der Rechtsanwendung praktische Unterschiede entstehen, ist ungeklärt. In Australien wurden diese Regeln bislang jedenfalls nur zur Beurteilung von offensichtlich unhaltbaren Maßnahmen eingesetzt, die auch in Deutschland als pflichtwidrig eingestuft worden wären. Neben einer generellen Loyalitätspflicht können diesen Regeln keine umfangreichen Restriktionen der Handlungsfreiheit entnommen werden. Folglich setzen sie nur geringe spezifische Handlungsanreize für die Akteure. Durch Regulierung sollen in beiden Staaten die Handlungsanreize der einzelnen Akteure strukturell einander angeglichen werden. Mit der Ausnahme des AG-Vertagskonzerns ist es für die Akteure in der Konzernobergesellschaft im Interesse der Vermeidung eigener Haftungs- und Ausgleichspflichten nutzbringend, sich in ihren Entscheidungen loyal gegenüber den außenstehenden Akteuren in den Tochterunternehmen zu verhalten. Zudem werden Anreize geschaffen, die internen Entscheidungsprozesse zu dokumentieren, um die eigene Loyalität belegen zu können. Inwiefern die diskutierte Regulierung in der Unternehmenspraxis tatsächlich diese Wirkungsweise zeitigen, muss offen bleiben. Insbesondere scheint ein kostengünstiger Durchsetzungsmechanismus der diskutierten Regeln für außenstehende Akteure zu fehlen (Gefangenendilemma, Free-Rider-Problem der außenstehenden Akteure untereinander). Die mit KapMuG und UMAG in Deutschland kürzlich eingeführten Regelungen leisten dies allenfalls ansatzweise.

206

Teil 4 : Aktive Koordination

C. Tochterunternehmen Bislang wurden die Regeln, die Akteure in den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft binden, und solche, die die Konzernobergesellschaft und mittelbar ihre Akteure selbst binden, auf ihre Auswirkungen auf die konzerninterne Corporate-Governance-Struktur untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass durch Regulierung grundsätzlich nicht vorgegeben ist, welche Akteure die konzerninterne Koordination zu steuern haben und dass die Kooperation grundsätzlich auf eine Art und Weise erfolgen muss, die auch den Interessen der außenstehenden Akteure gerecht wird. Hier werden aber nur rudimentäre Vorgaben gemacht, die bislang in der Rechtsprechung in krassen Missbrauchsfällen zur Anwendung gelangt sind. Daran knüpft sich die Frage an, ob Regulierung in Bezug auf die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane von Tochterunternehmen Auswirkungen auf die Auswahl der Handlungsalternativen bei der Ausgestaltung der konzernweiten Corporate-Governance-Struktur hat. Die allgemeinen Pflichten für Organe495 konkretisieren auch die relationalen Beziehungen dieser Akteure im Verhältnis zum Tochterunternehmen.

I. Interests of the Company In Australien müssen die Direktoren und Officer in jeder Kapitalgesellschaft nach übereinstimmenden Regeln des Common Law und des Corporations Act die verkehrsübliche Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes beachten. Die Aufgabenerfüllung der Organe ist am Interesse der eigenen Gesellschaft auszurichten. Der dabei verwendete Rechtsbegriff „Interests of the Company” ist nicht im Corporations Act definiert. Was den Interessen der Gesellschaft entspricht, kann in der Unternehmensverfassung definiert sein, ist es aber regelmäßig nicht. Dann sind für die Auslegung dieses Rechtsbegriffs die Umstände des Einzelfalls und das Fallrecht heranzuziehen. Für Konzernsachverhalte sind dabei die Präzedenzfälle Walker v Wimborne 496, Charterbridge 497 und Equiticorp498 von Bedeutung.

495

Vgl. oben: Teil 3 A.II.2., Seite 71. Walker v Wimborne (1976) 137 CLR 1, (Barwick CJ, Mason, Jacobs JJ). 497 Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (Pennycuick J). 498 Equiticorp Finance Ltd (in liq) v Bank of New Zealand (1993) 32 NSWLR 50 (Kirby P, Clarke, Cripps JJA). 496

C. Tochterunternehmen

207

Walker v Wimborne lag ein Sachverhalt zugrunde, demzufolge die Direktoren der Firma Asiatic gleichzeitig auch Direktoren einer anderen Kapitalgesellschaft waren. Regelmäßig wurden Kapital und sonstige Vermögenswerte zwischen beiden Gesellschaften hin und her geschoben, um jeweils alle Gläubiger beider Gesellschaften befriedigen zu können. Der Insolvenzverwalter von Asiatic verlangte von den Direktoren Rückerstattung von Zahlungen, für die Asiatic keine Gegenleistung erlangt hatte und die zu einer Zeit getätigt wurden, zu der Asiatic entweder bereits insolvent war oder zumindest unmittelbar vor der Insolvenz stand. 499 In seiner Entscheidung stellte das High Court of Australia fest, dass kein Konzernverhältnis zwischen Asiatic und der anderen Kapitalgesellschaft vorlag, weil kein gegenseitiger oder gemeinsamer Anteilsbesitz an den Kapitalgesellschaften gegeben war und weil Asiatic weder unmittelbare noch mittelbare Vorteile aus dem Erfolg der anderen Gesellschaft ziehen konnte, noch ihm Nachteile von dessen Insolvenz erwachsen wären.500 Im Übrigen betonte das Gericht “the fundamental principles that each of the companies was a separate and independent legal entity, and that it was the duty of the directors of Asiatic to consult its interests and its interests alone in deciding whether the payment should be made to other companies.”501

Soweit die Unternehmensverfassung nichts anderes vorsieht, seien die Direktoren dazu verpflichtet gewesen, in ihren Entscheidungen nur den Gesellschaftszweck der jeweiligen „Kapitalgesellschaft als Ganzes“ unter Berücksichtigung der Interessen ihrer Anteilseigner und Gläubiger zu fördern. 502 In der von diesen Grundsätzen abweichenden Entscheidung der britischen Chancery Division in Charterbridge, der auch in Australien hohe Autorität beigemessen wird, lag ein Konzernverhältnis vor. Dieses wurde durch gemeinsamen Anteilsbesitz, durch Doppelmandate und durch eine einheitliche Geschäftsniederlassung begründet. In dem Präzedenzfall ging es um die Firma Castleford, deren Direktoren auch die einzigen Anteilseigner waren. Die Konzernobergesellschaft gehörte ebenfalls fast ausschließlich diesen Direktoren, von der aus sie die Geschäftsleitung und -führung aller Tochterunternehmen eng kontrollierten. Innerhalb des Konzerns wurde weitgehend ein einheitliches

499

Walker v Wimborne (1976) 137 CLR 1 (4 f. – Mason J). Walker v Wimborne (1976) 137 CLR 1 (6 – Mason J). 501 Walker v Wimborne (1976) 137 CLR 1 (6 f. – Mason J). 502 Walker v Wimborne (1976) 137 CLR 1 (7 – Mason J); Baxt, ABLR 22 (1994) 138 (139). 500

208

Teil 4 : Aktive Koordination

Konto benutzt und auf das gleiche Personal zurückgegriffen. Als die Konzernobergesellschaft in eine Liquiditätskrise geriet, gab Castleford für diese Bankgarantien. Bei der Entscheidung über die Garantien befassten sich die Direktoren von Castleford überhaupt nicht mit den Interessen von Castleford, sondern stellten ausschließlich auf das Konzerninteresse ab. 503 Dennoch erkannte das Gericht keinen Verstoß gegen die Pflichten der Direktoren. Ausschlaggebend sei allein, ob ein ehrlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die Entscheidung (auch) im Interesse der sie ausführenden Kapitalgesellschaft liegt. 504 Letzteres bejahte das Gericht. Der dritte Präzedenzfall ist eine Entscheidung des australischen New South Wales Court of Appeal. Dabei ging es um den Equiticorp-Konzern, der in eine Sparte für Finanzwesen und in eine Sparte für den allgemeinen Gewerbebetrieb aufgeteilt war. Die für Finanzwesen zuständige Sparte war stark anfällig für Gerüchte und Marktschwankungen und musste deshalb hohe Reserven aufbauen. Die Gewerbesparte ihrerseits kam immer wieder in Liquiditätsengpässe und wurde wiederholt von der Finanzsparte mit Beihilfen unterstützt. Die Bank BLZ verlangte von zwei Unternehmen aus der Finanzsparte, die für eigene Schwierigkeiten aufgebaute Reserve an sie auszuzahlen, um damit einen Teil eines erheblichen Kredits für ein Tochterunternehmen in der anderen Konzernsparte auszugleichen noch bevor dieser fällig wurde. Die Bank drohte andernfalls mit einem Rückzug ihres Engagements aus dem gesamten Konzern, von dem dieser abhängig war. Der in Frage stehende Kredit war zudem durch eine Bürgschaft der Konzernobergesellschaft gesichert, die diesen aber nicht hätte zurückzahlen können. Des Weiteren war der Kredit durch andere Sicherheiten geschützt, die für den Fortbestand der Finanzsparte notwendig waren. Der Zusammenbruch der Gewerbesparte hätte auch die Insolvenz der Finanzsparte zur Folge gehabt. 505 Die schuldende Gesellschaft aus der Gewerbesparte stand nur teilweise im Eigentum des Konzerns. Das Gericht sah in der Genehmigung der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits durch die Direktoren eines Tochterunternehmens in der Finanzsparte dennoch keinen Verstoß gegen die ihnen obliegenden Pflichten. Die in der Finanzsparte zusammengefassten Tochterunternehmen hätten ein unmittelbares, eigenes Interesse daran, die Unterstützung der BLZ-Bank für den ganzen Konzern zu sichern. Weiterhin bestünde ein mittelbares eigenes Interesse der Kapitalgesellschaften am Erfolg

503

Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (66 f. – Pennycuick J). Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (74 – Pennycuick J). 505 Equiticorp Finance Ltd (in liq) v Bank of New Zealand (1993) 32 NSWLR 50 (111-123, 139, 142 f. – Clarke, Cripps JJA). 504

C. Tochterunternehmen

209

der anderen Sparte aufgrund des über die Konzernobergesellschaft indirekt vermittelten Anteilsbesitzes und aufgrund der bereits geleisteten eigenen finanziellen Unterstützung für jene Sparte. 506 In der australischen Literatur werden diese drei Entscheidungen gegenübergestellt und ihre Unterschiede betont. In Walker v Wimborne wurde ausdrücklich das Nichtvorliegen eines Konzernverhältnisses festgestellt. Dennoch wird der Entscheidung Bedeutung für Konzernsachverhalte beigemessen. Auch innerhalb von Konzernen müssen die Direktoren entsprechend dieser Entscheidung objektiv stets die Interessen der eigenen Gesellschaft verfolgen.507 Im Gegensatz dazu soll Charterbridge gerade die Berücksichtigungen von Konzerninteressen zulassen.508 Equiticorp wiederum solle Charterbridge weitgehend folgen, aber im Detail eine engere Auslegung fordern.509 Dem ist entgegenzuhalten, dass zwingend allein Walker v Wimborne als der vom höchsten australischen Gericht entschiedene Präzedenzfall anzuwenden wäre, wenn die Entscheidungen tatsächlich miteinander nicht zu vereinbarende Rechtssätze aufstellten. Die beiden anderen Entscheidungen haben nur dann Bedeutung, wenn sie dahingehend interpretiert werden können, dass sie mit Walker v Wimborne zu vereinbarende Grundsätze aufstellen. Folgende Auslegung liegt nahe: Die Pflichten von Organwaltern werden auf Grundlage des Trennungsprinzips im Verhältnis zu der sie bestellenden Kapitalgesellschaft ausgelegt. 510 Jeder Direktor und Officer muss objektiv stets im Interesse der betreffenden Gesellschaft handeln. 511 Das sind die in der Kapitalgesellschaft gebündelten Partikularinteressen der einzelnen Akteure, die sich nicht notwendig mit den Eigeninteressen der Akteure decken. Diese Verpflichtung bedeutet aber nicht, dass die Direkto-

506 Equiticorp Finance Ltd (in liq) v Bank of New Zealand (1993) 32 NSWLR 50 (139-143 – Clarke, Cripps JJA); Baxt, ABLR 22 (1994) 138 (139). 507 Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (76); Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (632, 634); CASAC, Corporate Groups, [2.10]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218). 508 Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (143); Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (632); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (212); Wyatt/Mason, C&S LJ 16 (1998) 424 (439); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218). 509 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (643). 510 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (633); CASAC, Corporate Groups, [2.9]. 511 Farrow Finance Company Ltd (in liq) v Farrow Properties Pty Ltd (in liq) (1997) 26 ACSR 544 (583-585 – Hansen J); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (209).

210

Teil 4 : Aktive Koordination

ren keine anderen Faktoren neben den Eigeninteressen der eigenen Gesellschaft berücksichtigen dürfen, noch dass die Direktoren diese Eigeninteressen getrennt von etwaigen anderen Faktoren berücksichtigen müssen.512 Die Akteure im Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens dürfen vielmehr die sog. Konzerninteressen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen.513 Im Einzelfall darf sogar die Liquidität des Tochterunternehmens durch eine Maßnahme objektiv bedroht werden, wenn dadurch das Überleben des Gesamtkonzerns gesichert werden soll. Die Voraussetzung dafür ist, dass das Tochterunternehmen vom Überleben des Konzerns abhängig ist.514 Letzteres ist quasi immer der Fall. Jedoch liegt auch bei voller Solvenz des Tochterunternehmens ein Pflichtenverstoß vor, wenn durch eine Maßnahme die Eigeninteressen des Tochterunternehmens gefährdet werden, ohne dass sich für es wenigstens mittelfristig Vorteile ergeben.515 Bei der Auslegung der Pflichten sind also die „Interests of the Company“ im Zusammenhang mit den tatsächlichen Beziehungen und Abhängigkeiten der Gesellschaft zu interpretieren. Insgesamt sind nur in pathologischen Ausnahmefällen die unternehmerischen Entscheidungen der Direktoren angreifbar. Australische Gerichte mischen sich in den internen Wirtschaftsablauf von Kapitalgesellschaften traditionell wenig ein.516 Miteinander verzahnte Geldgeschäfte und sonstige Finanzvorgänge, in denen eine Kapitalgesellschaft Bürgschaften, sonstige Garantien oder Darlehen zugunsten konzernverbundener Gesellschaften eingehen, sind für Konzerne üblich. Vor allem können durch solche Geschäfte die von Gläubigern eingeforderten Risikoprämien gemindert und Ressourcen eingespart werden.517 Kooperationsvorteile können ebenfalls oft nur mit Hilfe zunächst einseitiger Vermögens- und Wissenstransfers zwischen den Kapital-

512

Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.280]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218). 513 Baxt, ABLR 22 (1994) 138 (141); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218, 219). 514 Nicholas v Soundcraft Electronics Ltd [1993] BCLC 360 (366 – Fox LJ). 515 Reid Murray Hold ings Ltd (in liq) v David Murray Holding Pty Ltd (1972) 5 SASR 386 (401 f. – Mitchell J); Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (148); Baxt, ABLR 22 (1994) 138 (141); CASAC, Corporate Groups, [1.57]. 516 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [4.280, 8.130]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (241). 517 CASAC, Corporate Groups, [1.60, 1.61]; Simmonds, in: Gillooly, Corporate Groups, 232 (237); mit identischen Erwägungen zur Rechtslage in Deutschland: Hahn, Der Konzern 2004, 641 (644 f.).

C. Tochterunternehmen

211

gesellschaften erwirtschaftet werden. 518 Die Rolle konzerninterner Transaktionen hat Blumberg allgemeingültig wie folgt zusammengefasst: “Group profit maximization is reflected in many ways. One major area is the internal allocation of group funds to the sectors earning the highest rate of return for equivalent risk. This ability to internalize the capital markets has been seen as one of the significant factors contributing to the growth of multinational corporations.”519

Vermögensverschiebungen in untere Hierarchieebenen (down-stream), vor allem solche von der Konzernobergesellschaft, liegen aufgrund des Ausschüttungsanspruchs und der eigenen Kapitalanlage in das begünstigte Tochterunternehmen immer auch im Eigeninteresse der veräußernden Kapitalgesellschaft.520 Problematischer sind Vermögensverschiebungen in höhere Hierarchieebenen oder in Schwesterunternehmen (up-stream). Selbst wenn die Related-PartyTransactions-Regeln nicht einschlägig sind, z.B. weil das veräußernde Tochterunternehmen nur einen Anteilseigner hat, können derartige Transaktionen gegen die Pflichtenstellung der Akteure im Tochterunternehmen verstoßen. Regelmäßig liegen selbst unmittelbar nachteilige Transaktionen up-stream im mittelfristigen Eigeninteresse des veräußernden Tochterunternehmens, wenn dadurch der wirtschaftliche Erfolg des Konzerns insgesamt gefördert wird. Der Erfolg der einzelnen Kapitalgesellschaften innerhalb eines Konzerns ist regelmäßig abhängig von der Reputation, der Wettbewerbsposition und der Stabilität des Gesamtkonzerns sowie von der Möglichkeit konzernweit Kooperationsvorteile zu aktivieren. Eine besonders wichtige Ausprägung derartiger konzerninterner Transaktionen ist die Verwendung von Konzernverrechnungspreisen. Auch können konzerninterne Rechtsgeschäfte zu anderen als Marktbedingungen vereinbart werden, so dass beispielsweise Gewinne zu Tochterunternehmen in Niedrigsteuerländer verschoben, nur geringe Import- und Exportzölle anfallen oder Schwankungen im Devisenmarkt abgefedert werden können. Derartige Vermögensverschiebungen können zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Sie können helfen, Forderungen des eigenen Personals (und damit von Gläubigern) nach Lohnsteigerungen entgegenzuwirken oder sonst politisch

518

Blumberg, Multinational Challenge, 95; Hadden, NSW LJ 15 (1992) 61 (64 f.). Blumberg, Multinational Challenge, 139. 520 Equiticorp Finance Ltd (in liq) v Bank of New Zealand (1993) 32 NSWLR 50 (141 – Clarke, Cripps JA); Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (147); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (221). 519

212

Teil 4 : Aktive Koordination

nutzbar gemacht werden.521 Derartige Auswirkungen sind nicht immer billigenswert. Es ist aber nicht der Zweck der Sorgfaltspflichten der Direktoren und Officer, derartige Externalitäten zu verhindern, wenn diese den beteiligten Kapitalgesellschaften nützen. Die Angemessenheit der konkreten Transaktionsbedingungen ist anhand der operativen Wechselbeziehung zwischen den beteiligten Gesellschaften zu beurteilen. 522 Für die Praxis sind die Interessen einer konkreten konzernverbundenen Kapitalgesellschaft von denen anderer oder dem Konzern als Ganzes nicht zu trennen. Die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane einer Kapitalgesellschaft dürfen die Interessen dritter (konzernverbundener) Gesellschaften in der Entscheidungsfindung berücksichtigen und dürfen sie sogar danach ausrichten, soweit gleichzeitig die Interessen der eigenen Gesellschaft gewahrt bleiben. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Ausschlaggebend ist eine interessengerechte Lösung des Zurechnungsproblems, z.B. indem Tochterunternehmen ihrem Beitrag zum Kooperationsgewinn entsprechend entgolten werden.523 Es kommt für die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Tochterunternehmen und zur Konzernobergsellschaft darauf an, dass auch aus Sicht der Tochterunternehmen der eigene Beitrag zur konzerninternen Kooperation mittelfristig nutzbringend ist. Dafür müssen die eigenen Organe in Australien einstehen, nicht aber für die Werthaltigkeit kurzfristiger Gegenleistungen. Entsprechend dieser Grundsätze ist die Bestimmung der „Interests of the Company“ auszulegen.

II. Organpflichten in Tochterunternehmen Eine vergleichbare Diskussion gibt es auch in Deutschland. Anders als in Australien wird hier nicht auf das Rechtsinstitut des Gesellschaftsinteresses, sondern allgemein auf die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane abgestellt. Mit Einführung des neuen §93 I 2 AktG wurde erstmals der Begriff des Wohls der Gesellschaft in das Gesetz eingeführt. Die genaue Auslegung des Begriffs ist kontrovers.524 Die Entwicklung eines Fall-

521

Blumberg, Multinational Challenge, 95, 140; Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573

(620). 522 Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Ch 62 (74 – Pennycuick J); Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (148); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (238). 523 Zum Zurechnungsproblem: Afterman, Company Directors and Controllers, 87; Kirchner, ZGR 14 (1985) 214 (231); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (238 f.). 524 Spindler, NZG 2005, 865 (872) m.w.N.

C. Tochterunternehmen

213

rechts, welches dem Rechtsinstitut des angloaustralischen Interests of the Company gleichkommt, ist nicht absehbar. Vielmehr wurde allein das allgemeine Treuegebot kodifiziert. Organwalter dürfen nicht aus Eigeninteressen handeln, sondern haben Maßnahmen am Interesse der Organisation auszurichten. Wie weit die Organisation jeweils zu verstehen ist und ob auf übergeordnete Konzernbelange Rücksicht genommen werden darf, wurde nicht geregelt. Bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung hat der BGH – zuletzt im Mannesmann-Urteil – klargestellt, dass eine Maßnahme, die der Kapitalgesellschaft keinen unmittelbaren oder zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann, unzulässig und pflichtwidrig ist.525 Eine Veränderung dieser Feststellung wurde durch die Einführung des heutigen § 93 I 2 AktG nicht bewirkt. Die Zulässigkeit äußerer Einflussnahme in die interne Entscheidungsfindung einer Kapitalgesellschaft ist in Deutschland seit der Errichtung moderner Kapitalgesellschaften umstritten. Einerseits war die Zulässigkeit der Wahrnehmung von Interessen der Konzernobergesellschaft durch die Geschäftsführungsorgane der Tochterunternehmen im Rahmen ihrer Geschäftsführungstätigkeit bereits vor dem Zweiten Weltkrieg anerkannt. 526 Andererseits werden die Pflichten der Organe immer nur an den Eigeninteressen der betreffenden Gesellschaft gemessen. 527 Diese ambivalente Rechtslage ist identisch mit den Auslegungsergebnissen zu Walker v Wimborne, Charterbridge und Equiticorp in Australien. Sie hat sich durch die Neuregelung in § 93 AktG weder für abhängige Aktiengesellschaften, noch als Reflex für die Interpretation des Pflichtenkanons von Organwaltern in der GmbH geändert. Ausgangspunkt der Diskussion, welche Sorgfaltspflichten Organwalter deutscher Tochterunternehmen haben, ist nach wie vor die allgemeine Feststellung, dass die konkreten Anforderungen an unternehmerische Entscheidungsfindung innerhalb von Organen in einer Gesellschaft von den Umständen des Einzelfalls abhängen. 528 Dabei sind die konkreten Außeneinflüsse auf die Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, denen auch die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in unverbundenen Kapitalgesellschaften vielfach ausgesetzt sind. Dies gilt gleichermaßen für die Organe in Kapitalgesellschaften, die

525

BGH, ZIP 2006, 72 (73). Übersicht zur historischen Entwicklung: Spindler, Recht und Konzern, 86; vgl. oben: Teil 2 B., Seite 38. 527 Decher, Personelle Verflechtungen, 138; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 123; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 347; Säcker, NJW 1986, 803 (804-805, Feststellung für den Aufsichtsrat). 528 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 174. 526

214

Teil 4 : Aktive Koordination

innerhalb eines Konzerns agieren. 529 Insofern gilt nichts anderes als in Australien. Die Organe sind in Deutschland aber nicht nur berechtigt, sondern auch dazu verpflichtet, Außeneinflüsse und die konkrete Lage der Gesellschaft bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die bestehenden Beziehungen zu anderen Gesellschaften im Konzern und die Wechselwirkungen, die eine Maßnahme auf diese Beziehungen zeitigen kann. Inhaltlich gilt in Australien nichts anderes, obwohl diese Konsequenz in der dortigen Literatur und Rechtsprechung bislang nicht ausdrücklich zugestanden wurde. Grundsätzlich muss in Deutschland bei der Entscheidungsfindung der Organe auf die Gleichbehandlung aller relevanten Akteure geachtet werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verschiedener Gruppen von Anteilseignern in einer Kapitalgesellschaft findet in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert Erwähnung. 530 Während die Anteilseigner in ihren eigenen Entscheidungen und Handlungen grundsätzlich andere wirtschaftliche oder persönliche Interessen verfolgen dürfen, müssen deren Agenten in den Unternehmensorganen unabhängig von den unternehmerischen Interessen einzelner Anteilseigner handeln. Entscheidungen von Organwaltern sind daran zu messen, ob ein zukunftsbezogener Nutzen für die Kapitalgesellschaft gezogen werden kann. 531 Eine begründete Ungleichbehandlung kann zulässig sein. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat die Aufgabe der Reduzierung struktureller Unsicherheit, die aufgrund von begrenzten Informationen, der Existenz von Transaktionskosten und beschränkter Rationalität entstehen. Ihm kommt eine Lückenfüllerfunktion zu bei der Ausgestaltung der relationalen Beziehungen in Kapitalgesellschaften. Transaktionen, die zu nachhaltigen Wertsteigerungen führen, aber gleichzeitig andere Interessen von unternehmensinternen Akteuren fördern, sind vor diesem Hintergrund unbedenklich. Ziel des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nur, langfristig keinen Anteilseigner strukturell schlechter zu stellen oder ihn zu einem systematischen Verlierer zu machen.532

529

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §2.VII.3, 60 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 448. 530 RGZ 3, 123 (136). 531 BGH, ZIP 2006, 72 (73). 532 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 110 f., 119-121; Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 256-263, 278.

C. Tochterunternehmen

215

Hier wird erneut der enge Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Vergleich zur australischen Oppression Remedy deutlich.533 Zu Problemen bei der Anwendung dieser formal widerstreitenden Grundsätze kommt es nur, wenn Interessenkollisionen zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns auftreten, was regelmäßig innerhalb einer einheitlichen Organisation nicht geschieht. Bereits die Untersuchung der Handlungs- und Verfügungsrechte in Teil 4 ..B. hat gezeigt, dass grundsätzlich sowohl für die Akteure in der Konzernobergesellschaft als auch im Tochterunternehmen ähnliche Handlungsanreize bestehen. Grundsätzlich gelten für die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Tochterunternehmen die allgemeinen Pflichten.534 Die Mehrzahl der Beratungsgegenstände in Tochterunternehmen ist unabhängig von einer konkreten Einflussnahme durch andere Kapitalgesellschaften im Konzern. 535 Häufig werden strategische und operative Planung gänzlich den Tochterunternehmen überlassen. Die Art und Weise der Pflichtenerfüllung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Tochterunternehmen wird allenfalls im Ausmaß des zulässigen und tatsächlich erfolgten Einflusses fremdbestimmt. 536 Allerdings sind in Deutschland bei der Auslegung der Aufgaben der Akteure im Tochterunternehmen konzernrechtliche Spezialregelungen zu berücksichtigen, die, soweit sie einschlägig sind, Vorrang vor den allgemeinen Pflichten haben. 537 Allgemein verlagern die Sonderregelungen des deutschen Konzernrechts die Letztentscheidungsbefugnis für einzelne Maßnahmen, nicht aber die Verpflichtung jedes Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgans, Maßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. 538 Für alle deutschen Kapitalgesellschaften sehen die Regeln des Konzernrechts die Aufrechterhaltung der Organe des Tochterunternehmens vor. Dadurch bleibt ein System erhalten, das einen internen Interessenausgleich gewährleisten soll. Eine eigene Beurteilung von konzerninternen Weisungen und deren Kommunikation zu Akteuren der Konzern-

533

Vgl. oben: Teil 4 B.II.3., ab Seite 186, insbes.: Seite 189. Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 29. 535 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (742). 536 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 285. 537 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 29, 117; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §54 Rn 43, 45. 538 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 337 ff., 401. 534

216

Teil 4 : Aktive Koordination

obergesellschaft bleibt notwendig. 539 Aus der Verpflichtung der eigenen Organwalter im Geschäftsführungsorgan, als Agenten Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, ergibt sich die Prüfungspflicht von Weisungen auf die Interessengerechtigkeit für das einzelne Tochterunternehmen und ggf. die Pflicht, bei dem zur Entscheidung berufenen Organ oder einzelnen Akteur der Konzernobergesellschaft vorstellig zu werden und eine Änderung der Entscheidung vorzuschlagen.540 Diese umfassende Beratungspflicht der Akteure im Tochterunternehmen gegenüber der Konzernobergesellschaft und ihren Akteuren liegt umso näher, je mehr im Tochterunternehmen Informationen vorhanden sind, die in der Konzernobergesellschaft bei der Formulierung der Weisung unberücksichtigt geblieben sind oder sein können. Im Einzelnen ist für die Pflichten der Organwalter im Tochterunternehmen zwischen den verschiedenen möglichen Konzernierungsformen zu unterscheiden. Am stärksten wird der Konzern im Aktienrecht bei der Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG an das Prinzip der Behandlung als Einheit angenähert. 541 Hier sind grundsätzlich alle erdenklichen Leitungsentscheidungen durch das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft zulässig. 542 Soweit eine Weisung vorliegt, wird die Befugnis des Vorstands der eingegliederten Aktiengesellschaft auf eine eigene Befassung mit den Auswirkungen der Weisungen und ggf. auf eine Gegenvorstellung bei den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft reduziert. Die Pflichten des Vorstands sind also auf eine beratende Tätigkeit beschränkt. Wie der Vorstand kann auch der Aufsichtsrat der eingegliederten Aktiengesellschaft die Umsetzung einer Weisung durch Einspruch verzögern, §§ 323 I 2, 308 III AktG. Hierzu können die Organe im Rahmen der ordnungsgemäßen Amtsführung nach §§ 93, 116 AktG sogar verpflichtet sein. Nur die eigenständige Funktion des Organs Hauptversammlung entfällt. Bei einem Beherrschungsvertrag nach § 291 I 1 1.Alt. AktG soll den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der abhängigen Aktiengesellschaft ein größerer Einflussspielraum verbleiben. Insbesondere soll ihr Vorstand anders als bei der Eingliederung nach § 308 II 2 AktG eine Weisung, die offensichtlich nicht dem Interesse der Konzernobergesellschaft dient, nicht befolgen

539

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 337; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §54 Rn 45; Semler, Leitung und Überwachung, Rn 452 f. 540 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 343. 541 Durey, ZSR 99 II (1980) 273 (293); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 132; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 345. 542 Semler, Leitung und Überwachung, Rn 338.

C. Tochterunternehmen

217

müssen. Die Vorschrift ist bei der Eingliederung nicht anzuwenden, § 323 I 2 AktG. Ob das Überprüfungsrecht tatsächlich weiter reicht als bei der Eingliederung, bleibt fraglich. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift nur das Selbstverständliche normiert. 543 Für den Beherrschungsvertrag wird § 308 II 2 AktG häufig dahingehend ausgelegt, dass den Geschäftsführungsorganen des Tochterunternehmens nur ein rudimentäres Widerspruchsrecht zukommt.544 Wäre auch das Prüfungsrecht des Tochterunternehmens darauf beschränkt, müsste im Umkehrschluss in einer eingegliederten Aktiengesellschaft jede noch so offensichtlich untragbare Weisung ohne nachzufragen umgesetzt werden. Richtig ist die Grundaussage jener Auffassung, dass es beim Beherrschungsvertrag keiner aufwändigen Rechtfertigung der Akteure in der Konzernobergesellschaft gegenüber denen im Tochterunternehmen für die Begründetheit einer Weisung bedarf. Die Letztentscheidungsbefugnis liegt in der Konzernobergesellschaft. Sie darf nicht durch die Festlegung eines Rechtfertigungserfordernisses oder einer Darlegungslast konterkariert werden. Allerdings lässt die Auffassung unberücksichtigt, dass eine Befassung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens mit den Auswirkungen von Weisungen bei einem Beherrschungsvertrag und selbst bei der Eingliederung notwendig bleibt. Die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane sind zur Wahrung der Partikularinteressen des Tochterunternehmens auch bei Bestehen eines Unternehmensvertrags verpflichtet. 545 Das Geschäftsführungsorgan muss die Konzernobergesellschaft über alle – insbesondere über nachteilige – Folgen von Weisungen beraten und ggf. Änderungen bestehender Weisungen anregen. 546 In Extremfällen kann es sogar geboten sein, das Aufsichtsorgan der Konzernobergesellschaft einzuschalten, um eine Weisung zu stoppen. Bei angemessener Koordination und Kommunikation mit den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen der Konzernobergesellschaft hat auch bei der Eingliederung eine nicht interessengerechte Weisung keinen Bestand. Folglich ist § 308 II 2 AktG weder ein Befassungs- oder Prüfungsverbot der Akteure des Tochterunternehmens zu entnehmen noch schränkt es das Recht und ggf. sogar die Pflicht zur Gegendarstellung gegenüber der Konzernobergesellschaft ein. Die Vorschrift setzt nur äußere Grenzen der Verschiebung der Letztentscheidungsbefugnis. Auch weniger krasse Fehlentscheidungen werden regelmäßig durch eine Intervention einzelner Akteure des Tochterunter-

543

Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 20, 27. Hüffer, §308 Rn 22; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 341 jeweils m.w.N. 545 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 61 f. 546 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 343. 544

218

Teil 4 : Aktive Koordination

nehmens bei den Entscheidungsträgern der Konzernobergesellschaft revidiert. Dasselbe gilt für die Eingliederung. In Abgrenzung zur Eingliederung wird teilweise die Auffassung vertreten, dass durch Weisungen bei Beherrschungsverträgen nicht die Lebensfähigkeit der Aktiengesellschaft für die Zeit nach Vertragsbeendigung gefährdet werden dürfe.547 Dies habe der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft sicherzustellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die §§ 301 - 307 AktG alle außenstehenden Akteure in Tochterunternehmen mit einem Beherrschungsvertrag ausreichend schützen und dass es einen Bestandsschutz der Kapitalgesellschaft unabhängig von ihren Akteuren nicht gibt. Eine Existenzsicherungspflicht über §§ 301 ff. AktG hinaus besteht nicht. Zuzustimmen ist allenfalls einer Existenzsicherungspflicht, die darauf beschränkt ist, dass der Verlustausgleich nach § 302 AktG sichergestellt bleibt. 548 Dann aber ist, solange die Solvenz der Konzernobergesellschaft außer Frage steht, die Existenz des Tochterunternehmens unabhängig von der konkreten Weisung gesichert. Einer Überprüfung der Weisung durch das Tochterunternehmen bedarf es für die Sicherung der eigenen Überlebensfähigkeit nicht. Eine Abgrenzung zur Eingliederung könnten allerdings etwaige andere Prüfungspflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane von Tochterunternehmen bei einem Beherrschungsvertrag nahe legen. Den §§ 304, 305, 308, 309 AktG könnte entnommen werden, dass dem Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft eine eingeschränkte Leitungsmacht und -verantwortung aller unternehmerischen Weisungen verbleiben soll. Folglich wäre eine zentrale Leitung mit unmittelbarer Einflussnahme auf Ebenen unterhalb der Geschäftsführungsorgane nicht mit dem Aktienrecht vereinbar. 549 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Überprüfung von Weisungen – wie jede andere Aufgabenerfüllung auch – an untere Unternehmensebenen delegiert werden kann. 550 Das Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens muss durch interne Vorgaben sicherstellen, dass die jeweiligen Unternehmensebenen ihre Handlungen an den eigenen Vorgaben, die vor allem eine Beratungspflicht einschließen muss, ausrichten. Unterschiede zur Eingliederung bestehen diesbe-

547

Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 339; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (750); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 336. 548 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 23. 549 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (224 f.). 550 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 17 f.; J. Götz, ZGR 2003, 1 (5 f.); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 345.

C. Tochterunternehmen

219

züglich nicht. Eine Beschränkung der Weisungsintensität ist beim Beherrschungsvertrag nicht gegeben. Formal darf eine Weisung des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft an die beherrschte Aktiengesellschaft nur die Geschäftsführungs- und -leitungskompetenzen der §§ 76 f. AktG berühren, nicht aber die Stellung der anderen Organe beeinträchtigen. 551 Für die Stellung des Aufsichtsrats gilt aufgrund von § 308 III AktG das bereits für die Eingliederung Gesagte. Die Hauptversammlung scheidet faktisch als Kontrollorgan aus, da die Konzernobergesellschaft spätestens in Folge der Betätigung von Abfindungsrechten durch außenstehende Aktionäre (§ 305 AktG), regelmäßig aber bereits davor, die Entscheidungsfindung der Hauptversammlung dominiert. Die Stellung und Pflichten der Organe von Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft decken sich bei Eingliederung und bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages. Firmiert das Tochterunternehmen als GmbH, sind die Akteure grundsätzlich in der konkreten Ausgestaltung der Corporate Governance zum und innerhalb des Tochterunternehmens frei. Aufgrund der Dispositivität des GmbH-Rechts und des grundsätzlich frei auszuübenden Weisungsrechts gegenüber den Geschäftsführern ist die GmbH für eine zentrale Einflussnahme durch Akteure in der Konzernobergesellschaft besonders geeignet. 552 Die Geschäftsführung selbst bleibt nach den allgemeinen Regeln nur den Interessen der GmbH verpflichtet. Sie muss die Gesellschafter bei ihren Entscheidungen beraten und informieren. Die Geschäftsführung darf nichtige Weisungen, die z.B. gegen die Treuepflicht oder die Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen, nicht befolgen. Sie muss die Weisungsgeber darüber hinaus stets auf etwaige negative Folgen ihrer unternehmerischen Entscheidung hinweisen und ggf. Alternativen aufzeigen.553 Nur die endgültige Entscheidung treffen die Gesellschafter selbst. Insofern gilt Ähnliches wie bei Eingliederung und bei Beherrschungsvertrag, wenn das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft firmiert. Im Gegensatz zu Eingliederung und Beherrschungsvertrag verbleibt für sonstige Tochterunternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (fakti-

551

Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 316; Semler, Leitung und Überwachung, Rn

330. 552

Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1.2: Juristische Person, §4.IV, 128 f. 553 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 369.

220

Teil 4 : Aktive Koordination

sche AG-Konzerne) die Letztentscheidungsbefugnis für unternehmerische Entscheidungen beim Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens. Beim faktischen AG-Konzern hat das Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens die unternehmerischen Entscheidungen eigenverantwortlich zu fällen. Es muss durch die Entscheidungen die Belange des sie bestellenden Tochterunternehmens fördern und darf ihr nicht schaden. 554 Auch beim faktischen AG-Konzern decken sich weitgehend die Handlungsanreize für die Akteure in den verschiedenen Kapitalgesellschaften des Konzerns, die gemeinsame, gewinnsteigernde Kooperation zu fördern. Wie auch bei den anderen Corporate-Governance-Strukturen sind die Organwalter nur für eigenes Fehlverhalten haftbar. Im Unterschied zum Beherrschungsvertrag und zur Eingliederung sind für die Beurteilung einer Maßnahme im faktischen AG-Konzern ausschließlich die unternehmerischen Entscheidungen innerhalb des Tochterunternehmens selbst heranzuziehen. Für die Beurteilung der Pflichten der Organwalter spielt es keine Rolle, ob eine objektiv fehlerhafte Entscheidung auf fremder Veranlassung beruht. 555 Beim faktischen AG-Konzern ist es Aufgabe der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens, Fehlentscheidungen nicht zu treffen bzw. eigenständig zu korrigieren. Ausschlaggebend ist die Frage, ob durch eine Maßnahme ein zukunftsbezogener Nutzen für die Kapitalgesellschaft entstehen kann. 556 Die Organwalter haben dabei einen sehr weiten Beurteilungsspielraum, der nur in besonders krassen Fällen überschritten wird, wenn jegliches Nutzenziehen von vornherein ausgeschlossen ist. Bei anderen Konzernformen müssen sie lediglich den Weisungsgeber beraten und ggf. zu einer Korrektur seiner Weisung drängen. Beachten die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane diese Handlungsmaximen nicht, sind sie haftbar. Unabhängig von der konkreten Einflussnahme des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft dürfen bei schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstößen die Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgane nicht entlastet werden. Eine Entlastung in der Hauptversammlung mit den Stimmen der Konzernobergesellschaft wäre treuwidrig. 557 Aufgrund der eigenen Haftung nach § 317 I, III AktG entspricht es nicht nur den Partikularinteressen, die im Tochterunternehmen zusammengefasst sind,

554

Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 69; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 115, 122. 555 Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 68. 556 BGH, ZIP 2006, 72 (73). 557 BGH, NJW 2003, 1032 (1033 – Hier lag der Verstoß in einer Verletzung der Berichtspflicht über den Abhängigkeitsbericht nach §314 II AktG vor).

C. Tochterunternehmen

221

sondern liegt es auch im Interesse der Konzernobergesellschaft und deren Geschäftsführungsorgan, dass dem Tochterunternehmen keine unausgeglichenen Nachteile entstehen. In erster Linie bleibt es dennoch die Aufgabe der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des Tochterunternehmens sicherzustellen, dass eine derartige schädigende Maßnahme nicht umgesetzt wird. Schließlich muss ein Nachteilsausgleich vor der Vornahme der nachteiligen Maßnahme vereinbart werden. 558 Damit gilt für die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in faktischen AG-Konzernen weitgehend das Gleiche wie für Direktoren und Officer in australischen Tochterunternehmen.

III. Zwischenergebnis und Handlungsanreize Zusammenfassend ergibt sich für die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Tochterunternehmen in Australien und in Deutschland, dass sie das Tochterunternehmen weitgehend eigenständig leiten. Für alle Organisationen gilt, dass eigenes unternehmerisches Tätigwerden durch die Anteilseigner in der Organisation regelmäßig aufgrund hoher Opportunitätskosten unprofitabel wäre und deshalb eine Aufgabendelegation sinnvoll ist.559 Dies gilt grundsätzlich auch für Konzerne. Die eingesetzten Agenten eines Tochterunternehmens sind in erster Linie zur Verwirklichung der im Tochterunternehmen zusammengefassten Partikularinteressen verpflichtet, für deren Erfolg sie eingesetzt wurden. Regelmäßig sind diese Interessen nicht von denen anderer Kapitalgesellschaften des Konzerns zu trennen. Eine Ausrichtung an übergeordneten Interessen ist folglich regelmäßig zulässig. Soweit die Letztentscheidungsbefugnis bei den Prinzipalen (den Akteuren in der Konzernobergesellschaft) selbst liegt, sind die Agenten verpflichtet, die Entscheidung vorzubereiten und beratend tätig zu werden. Dabei sind weitgehend die gleichen Pflichten zu beachten, wie bei der Entscheidungsfindung innerhalb des Tochterunternehmens selbst. Regulierung hinsichtlich der Pflichtenstellung der Organe und der Organwalter des Tochterunternehmens hat weder in Australien noch in Deutschland belangreiche Auswirkungen auf die tatsächliche Ausgestaltung der CorporateGovernance-Struktur im Konzern.

558 559

Altmeppen, Haftung des Managers im Konzern, 61 f. Posner, Economic Analysis of Law, 411.

222

Teil 4 : Aktive Koordination

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination Abschließend geht es darum, die Wirkungsweise der besprochenen Regulierung auf die möglichen Gestaltungsformen für die Corporate Governance im Konzern zu würdigen. 560. Es wird untersucht, welche Kostenfaktoren für die Untersuchung von Kooperation maßgebend sind und nach welchen Unterscheidungskriterien das Corporate-Governance-System bewertet wird. Die Auswirkungen der besprochenen Regulierung auf die Kostenentwicklung in Konzernen kann Anreize für die Schaffung bestimmter Kooperationsmechanismen setzen (I.). Darauf aufbauend, soll untersucht werden, ob Regulierung Anreize setzt, die Ausgestaltung der Kooperation in einem bestimmten Umfang zu zentralisieren oder dezentralisiert zu lassen (II.).

I. Kostenfaktoren Die Auswahl eines geeigneten Corporate-Governance-Systems ist für den wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns – wie auch für jede sonstige Organisation – entscheidend. 561 Die dabei zu berücksichtigenden Kostenfaktoren sind vielschichtig. Ertragssteigerungen, die aus Kooperation erwachsen, werden häufig unter dem Oberbegriff Synergien zusammengefasst. Synergien können nach unterschiedlichen Kriterien differenziert werden. Traditionell werden sie nach ihrem Inhalt und dem Gegenstand des Koordinierungsergebnisses charakterisiert.562 Die Unterscheidung erfolgt nach den Kategorien Größenbzw. Volumenvorteile (Skalenvorteile / Economics of Scale) und Diversifikations- bzw. Verbundkostenvorteile (Variantenvorteile / Economics of Scope). Schließlich wird das konzernweite Finanzmanagement häufig als besondere Kategorie von Synergieeffekten hervorgehoben. Es kann auch durch die beiden Kategorien Varianten- oder Skalenvorteil beschrieben werden, wird aber aufgrund der Bedeutung vor allem von Cash-Flow-Managementsystemen und Konzernverrechnungspreisen häufig als eigenständig dargestellt.

560 Übersicht zu verschiedenen Strukturformen für die Corporate Governance innerhalb von Konzernen: Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 181 ff. 561 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (208); Zander, Making Groups Effective, 4. 562 Andere Einteilung von Synergiepotentialen, z.B. bei Bühner, DBW 47 (1987) 40 (47); Porter, Wettbewerbsvorteile, 421 ff.

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

223

Ein anderer Blickwinkel bei der Bewertung von Kostenfaktoren durch Kooperation in Organisationen wird ermöglicht, wenn auf den Koordinationsmechanismus abgestellt wird. Grundlage für Kooperation zwischen und innerhalb von Kapitalgesellschaften ist der Informationsaustausch.563 Die Akteure in den Kapitalgesellschaften begünstigen Kooperationsvorteile, indem sie Beziehungen pflegen und gegenseitiges Vertrauen schaffen. Sie können aber auch die konzernweite Kooperation und die periodische Reorganisation der Koordination behindern. Sowohl für einzelne Kapitalgesellschaften als auch für Konzerne gilt: “[A] collection of persons is a weak group if members are primarily interested in their own accomplishments within that assembly, are not concerned with the activities of fellow members, see others as rivals, and are often absent from meetings.”564

Die Organisation bringt Vorteile, wenn eine einzelne Entscheidung selbst die Kapazitäten des qualifiziertesten Gruppenmitglieds übersteigt. Im Übrigen „führt allein der Plural von Personen nicht zu qualitativ besseren Entscheidungen; dies gilt nur, wenn alle an der Gruppenentscheidung Beteiligten sich für das Problem interessieren und zugleich hinsichtlich ihres Wissens und ihrer Wissensaspekte heterogen sind.“565

Bei der Kooperation zwischen Personen und innerhalb von Gruppen kann es durch soziale Interaktion zu einer Minderung oder sonst negativen Verzerrung der individuellen Beiträge kommen. Die auftretenden Agency-Kosten senken den aus der Aufgabenverteilung zu erzielenden Gewinn. Weiterhin besteht die Gefahr, dass gegenseitige Konkurrenz der einzelnen Kapitalgesellschaften im Konzern entsteht. Gleichzeitig können Kooperationsverluste durch Gruppendenken, z.B. durch die Verselbstständigung von Kommunikation und einsetzende Kritiklosigkeit, entstehen.566 Neben diese Probleme tritt eine Reihe weiterer, vor allem in der Sozial- und Organisationspsychologie diskutierter

563

Luhmann, in: Küpper/Ortmann, Mikropolitik, 165 (166 – Luhmann vertritt den Autopoiese-Ansatz. Die zitierte Aussage wird aber auch von Vertretern der Neuen Institutionenökonomik anerkannt.); Rosenstiel, Organisationspsychologie, 310. 564 Zander, Making Groups Effective, 1. 565 Rosenstiel, Organisationspsychologie, 351. 566 Rosenstiel, Organisationspsychologie, 354; Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (44).

224

Teil 4 : Aktive Koordination

Pathologien, die bei Kooperationen immer wieder auftreten. 567 Das CorporateGovernance-System muss der Aufgabe gerecht werden, interne Entscheidungsmechanismen zu definieren, die geeignet sind, Gefahren für die Gruppe und für einzelne Teile zu erkennen und zu bewältigen. 568 Dazu gehört auch die Überwindung der genannten Probleme in der Kooperation. Weiterhin muss Akzeptanz zwischen den einzelnen Akteuren erzeugt werden. Dafür sollten Ziele definiert und dementsprechend eine Struktur für die Corporate Governance im Konzern geschaffen werden, die auf den bestehenden Rahmenbedingungen und Synergiepotentialen aufbaut.569 Insgesamt ist es vorteilhaft, wenn alle Kooperationspartner ein gemeinsames Ziel verfolgen.570 Es kommt nicht darauf an, dass jedes Tochterunternehmen bei jeder Transaktion uneingeschränkt seinen eigenen Gewinn maximiert.571 Entscheidend ist, dass insgesamt Kosten gesenkt werden. Dafür muss jedes Tochterunternehmen unmittelbare Vorteile davon haben, dass das Gesamtziel besonders gut gefördert wird, statt daran, dass eigene Versagen zu verhindern. Letzteres führte zu geringer Risikobereitschaft, während ersteres aktive Teilnahme fördert. 572 Viele Konzerne entscheiden sich dabei für eine Politik, die die Gewinnmaximierung in allen Tochterunternehmen anstrebt. 573 Günstiger kann es sein, wenn für das einzelne Tochterunternehmen das Ergebnis des Gesamtkonzerns wichtiger wird als das eigene (Abbau des Agency-Problems). 574 Das gemeinsame Konzernziel wird nur dann erfolgreich gefördert, wenn sein Erreichen den Handlungsanreizen der Akteure in den Tochterunternehmen und

567

Übersicht: von Avermaet, in: Stroebe/Jonas/Hewstone, Sozialpsychologie, 451 (453-467, 476-484); Wilke/Arjaan, in: Stroebe/Jonas/Hewstone, Sozialpsychologie, 497 (505-514). 568 Zander, Making Groups Effective, 45. 569 Rosenstiel, Organsiationspsychologie, 416 ff.; Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (44). 570 Zander, Making Groups Effective, 7. 571 Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42-44); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210-211); kritisch dazu: Blumberg, Multinational Challenge, 139. 572 Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42-43); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210 f.); Zander, Making Groups Effective, 33-34. 573 Blumberg, J Corp L 11 (1986) 573 (620); H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (30); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (43). 574 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 247; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210 f.); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42); Zander, Making Groups Effective, 31-32.

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

225

in der Konzernobergesellschaft entspricht. 575 Eine hohe Akzeptanz wird auch dann geschaffen, wenn die wahrgenommene Ähnlichkeit der Gruppenmitglieder hoch ist. Selbst systematische Manipulation der wahrgenommenen Ähnlichkeit kann wechselseitige Sympathien erhöhen. 576 Beides schafft Kooperationsanreize. In größeren Gruppen kann ein ähnlicher Effekt durch Einräumung weitgehender Eigenständigkeit erzielt werden, soweit Gewährung von Autonomie den individuellen Präferenzen der Akteure entspricht. 577 Insgesamt müssen kurz-, mittel- und langfristige Planungen für alle Akteure nachvollziehbar, ihre Verwirklichung gewinnbringend sein und sie müssen aufeinander aufbauen.578 Dies kann dadurch erreicht werden, dass den einzelnen Akteuren eigene Vorteile aus dem Erreichen des Konzernziels erwachsen. Kooperationsanreize werden beispielsweise geschaffen, indem den Tochterunternehmen einerseits Chancengleichheit in der Ressourcenzuteilung und andererseits ein leistungsunabhängiger Mindestanteil am Kooperationsgewinn („Existenzminimum“) gewährt werden. Darüber hinaus müssen Ressourcen in Abhängigkeit vom individuellen Beitrag zum Gesamtergebnis verteilt werden, nach dem die individuellen Kosten der Kooperation ausgeglichen wurden. 579 Auch das Zurechnungsproblem kann gelöst werden. Die gleiche Geschäftschance kann sich beispielsweise gleichzeitig verschiedenen Kapitalgesellschaften im Konzern bieten.580 Fälle sind denkbar, in denen die sich einem Tochterunternehmen bietende Geschäftschance durch die Akteure einer anderen Kapitalgesellschaft des Konzerns gewinnbringender ausgenutzt werden kann. Wird der erwirtschaftete Gewinn entsprechend dem konkreten Kooperationsanteil der beteiligten Kapitalgesellschaften verteilt, ist eine für alle vorteilhafte und interessengerechte Lösung gefunden. Problematisch bleiben weiterhin die Messung und die Messkosten bei der Bestimmung der unterschiedlichen Kooperationsanteile.581 Bei intensiver Kooperation kann dieses Problem durch eine standardisierte, pauschalisierende Bewertungsprozedur eingeschränkt

575

Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 213; zu persönlichen Anreiz- und Motivationsstrukturen: Rosenstiel, Organisationspsychologie, 416; ähnlich: Probst, Selbst-Organisation, 106. 576 Rosenstiel, Organisationspsychologie, 278. 577 Rosenstiel, Organisationspsychologie, 290 ff. 578 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 205 ff. 579 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 96-102, 252; Easterbrook/ Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 10. 580 Afterman, Company Directors and Controllers, 87. 581 Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, 185.

226

Teil 4 : Aktive Koordination

werden. In kleinen Organisationen ist auch ein Ausgleich durch gegenseitiges Geben und Nehmen im Rahmen gruppenorientierten Zusammenwirkens denkbar. Gerade in großen Konzernen ist ein solches Anreizsystem häufig die einzige Möglichkeit, Mitwirkungsbereitschaft bei der Erreichung des Gesamtziels bei Tochterunternehmen zu erreichen. 582 Auf diese Weise werden Transaktionsund Agency-Kosten und mit ihnen die entstehenden Free-Rider-Probleme im Verhältnis zur Interaktionsrente eingegrenzt. In großen Konzernen mit einer Vielzahl von Tochterunternehmen können erhebliche Kosten und Unsicherheitsfaktoren entstehen, wenn zwischen jedem Gruppenteil die Kooperationsbedingungen individuell definiert werden. Deshalb werden formale interne Interaktionsstrukturen vorgeschlagen, um die Festigkeit der gesamten Organisation unabhängig von den spezifischen Mitgliedern zu sichern. 583 In komplexen Organisationen wird der Aufbau einer Corporate-Governance-Struktur durch die Akteure vorgeschlagen, nach der Informationen durch Vorentscheidungen gebündelt werden können (Erzeugung von Redundanz) und in der Kommunikationswege im Voraus festgelegt sind (begrenzte Informationszirkulation).584 Durch derartige standardisierte Entscheidungsverfahren ist auch die Berücksichtigung der Fachkenntnisse der einzelnen Konzernteile zu gewährleisten.585 Bei unreflektierter Einführung formalisierter Abläufe kann jedoch deren Konzeption, Implementierung und Einhaltung hohe Kosten verursachen und flexible einzelfallbezogene Anpassungen verhindern. 586 Der Notwendigkeit einer gewissen Standardisierung und Formalisierung der Kommunikationsabläufe im Konzern steht deshalb nicht entgegen, dass im Einzelfall auf informelle Regeln für langfristige Beziehungen zurückgegriffen werden kann. Individuelle Absprachen bieten sich an, wenn beispielsweise durch wiederholte Übung auftretende Probleme informell, Kosten sparend gelöst werden kön-

582

Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 254. Teubner, in: Haferkamp/Schmid, Sinn, Kommunikation und soziale Differenzierung, 89 (116-118); Willke, in: Haferkamp/Schmid, Sinn, Kommunikation und soziale Differenzierung, 247 (258). 584 Luhmann, in: Küpper/Ortmann, Mikropolitik, 165 (177); Probst, Selbst-Organisation, 81. 585 Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (40); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210); Zander, Making Groups Effective, 52-53. 586 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 187. 583

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

227

nen.587 In der Praxis zeichnen sich Konzerne tatsächlich durch eine komplexe nicht lineare Corporate-Governance-Struktur aus, deren Kommunikation nicht entlang klarer Vernetzungsstrukturen verläuft, die allerdings gegenüber Veränderungen in der Außenwelt regelmäßig wenig flexibel ist.588 Zusammenfassend zeitigt ein Corporate-Governance-System, das Kooperation und Koordination zwischen den Konzernteilen ermöglicht, günstigere Auswirkungen auf die Kostenentwicklung als ein System, in dem gemeinsame Ressourcennutzung nicht gefördert wird. Die Untersuchung von Anreizsystemen in Abhängigkeit von Kostenfaktoren ergibt, dass dies erreicht werden kann, wenn die Kooperationspartner eigene Vorteile aus der Kooperation ziehen, sie also für ihren Beitrag „belohnt“ werden. Die Untersuchung von konkreten Kooperationsmechanismen in Konzernen muss darauf abstellen, inwiefern die individuellen Handlungsanreize der einzelnen Akteure für die konkret angestrebte relationale Beziehung zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften förderlich sind bzw. wie dies erreicht werden kann. Es muss das Ziel der gemeinschaftlichen Kooperation sein, dass es für jede Kapitalgesellschaft und auch für deren Akteure wirtschaftlich nutzbringend ist, dem Zusammenschluss anzugehören und dass der Konzern als Ganzes ebenfalls im Wettbewerb besteht. 589 Für den Zusammenschluss einzelner Akteure in einer Kapitalgesellschaft und auch für den Zusammenschluss von Kapitalgesellschaften zu einer Organisation heißt dies, dass unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen ein individuell abgestimmtes Anreiz- und Kontrollsystem zu schaffen ist, nach dem die Produktivität des einzelnen Akteurs maximiert und individuelle Fähigkeiten und Potentiale ausgenutzt werden. 590 Es wurde gezeigt, dass Kooperationsgewinne und -kosten nach dem Kooperationsmechanismus unter dem Aspekt der Änderungen der individuellen Handlungsanreize betrachtet werden können. Regulierung in Australien und in Deutschland fördern ebenfalls einen Interessenausgleich. Die diskutierten regulatorischen Einschränkungen sind am geringsten, wenn nicht einseitig Vorteile zu Lasten Dritter gezogen werden, sondern von vornherein ein interessen-

587

Klein, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics, Bd. 1, 456

(460). 588

Gleissner, Konzernmanagement, 100 f. Vgl. abstract: Zander, Making Groups Effective, 1, 4. 590 Vgl.: Rosenstiel, Organisationspsychologie, 77 ff., insbes. 91 f.; Übersicht bei: Gleissner, Konzernmanagement, 51 ff. 589

228

Teil 4 : Aktive Koordination

gerechter Ausgleich vereinbart wird, sei dies in Form von Gewinnanteilen, von Liquiditätsvorsorge oder von sonstigen Garantien. Regulierung versucht insgesamt potenzielle Interessengegensätze in Kapitalgesellschaften zu identifizieren und mögliche Externalitäten zu reduzieren. Tatsächliche Anreize für kooperatives Verhalten im Sinne der besprochenen Kostenentwicklung werden dagegen nicht gesetzt. Der kurze Überblick über die wesentlichen Kostenfaktoren in Organisationen, die für die Ausgestaltung der Corporate Governance von Bedeutung sind, zeigt zweierlei, wenn er in Verhältnis zur in diesem Teil diskutierten Regulierung gesetzt wird. Erstens, Regulierung setzt rudimentäre Handlungsanreize, die tatsächlich insgesamt einen Interessenausgleich bzw. eine Anpassung der Interessen fördert, was Kooperationsgewinne an sich steigern müsste. Zweitens, die vorgestellte Regulierung ist so schwach bzw. nicht durchsetzbar, dass sie insgesamt diese Wirkung nur in ganz geringem Ausmaß zeitigt. Für die Ausgestaltung der aktiven Kooperation durch die Akteure in Organisationen sind aus Sicht der Kostenentwicklung und der Kooperationsmechanismen andere Faktoren entscheidender als die Regulierung.

II. Kooperationsformen Für die Konzerne schließt sich die Frage an, ob die untersuchte Regulierung Anreize setzt, einen bestimmten Zentralisierungsgrad für die Corporate Governance zu implementieren.

1. Umfangreiche zentralistische Leitung Traditionell wird die Ausgestaltung der relationalen Beziehungen in Konzernen als eine Zwischenform (Hybrid) zwischen Markt und Hierarchie (Unternehmen) eingestuft.591 Sie kann stärker dem Markt oder stärker der Hierarchie angenähert sein. Aus dem Transaktionskostenansatz ergibt sich, dass bei hoher Spezifität und großen Verhandlungskosten eine stärker der Hierarchie angenä-

591

Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 303; Kurzübersicht zur Unterscheidung von Markt und Hierarchie, vgl.: Klein, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics, Bd. 1, 456 (468-469); Schanze, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 2 (1983) 161 (171 f.).

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

229

herte Handlungsalternative Kosten sparend ist. 592 Die Koordinationsaufgaben für die konzernweite Kooperation werden dann an die Akteure in der Konzernobergesellschaft delegiert. Eine derartige Aufgabendelegation an die Akteure in der Konzernobergesellschaft führt zu dem Problem, dass diese Akteure ihrerseits eigennutzorientiert handeln. Mit Intensivierung der zentral gesteuerten Kooperationsmaßnahmen zwischen den einzelnen Tochterunternehmen steigen die Agency-Kosten. 593 Als Konsequenz aus beschränkter Rationalität können zudem die Entscheidungen der eingesetzten Akteure nicht zweifelsfrei vorhergesagt werden. Selbst wenn diese mit bestimmten Informationen versorgt werden, müssen sie ihnen nicht unbedingt glauben oder können sie die Informationen unterschiedlich und ggf. falsch bewerten. Dies gilt sowohl up- als auch down-stream, also für die Anleitung der Tochterunternehmen durch Akteure aus der Konzernobergesellschaft als auch für die Beratung der Konzernobergesellschaft durch Akteure aus den Tochterunternehmen. Besonders hohe Kosten verursacht deshalb regelmäßig eine einheitliche, konsolidierte Konzernleitung mit einem hohen Maß von zentral gesteuerten Koordinierungsaktivitäten. Kennzeichnend sind hoher Verwaltungsaufwand, wenig Flexibilität, Vernachlässigung von Spezialisierungen und zeit- und kostenaufwändige Entscheidungsfindungsprozesse. 594 Mit zunehmender Unternehmensgröße wachsen die internen Koordinationskosten, bis sie schließlich die Kosten von Markttransaktionen überschreiten. 595 Eine zentralistische Konzernstruktur findet sich deshalb vor allem in überschaubaren Organisationen, wenn der Konzern klein ist oder wenn alle Tochterunternehmen der gleichen oder benachbarten Branchen angehören. Für große Konzerne kann eine zentralistische Leitung angemessen sein, wenn in der Branche relativ

592

Klein, in: Bouckaert/De Geest, Encyclopedia of Law and Economics, Bd. 1, 456 (472); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 599 f.; Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (40); Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 85-86, 93-94. 593 Bratton/McCahery, Theoretical Inquiries L 2 (2001) 745 (775); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (43). 594 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 184 f.; Chandler, Strategy and Structure, 299 f.; Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (41); Williamson, Markets and Hierarchies, 134. 595 Bratton/McCahery, Theoretical Inquiries L 2 (2001) 745 (776); Coase, Economica, 4 (1937) 386 (394 f.).

230

Teil 4 : Aktive Koordination

geringer Verwaltungsaufwand entsteht und wenig operative Entscheidungen zu fällen sind.596 In Australien sind die Konzernobergesellschaft und auch ihre Akteure bei einer umfassenden zentralen Einflussnahme auf die Tochterunternehmen verpflichtet, die Belange der Tochterunternehmen so zu berücksichtigen, als wären sie deren Organe (Shadow-Director-Regeln). In Deutschland können die Akteure in der Konzernobergesellschaft bei zentraler Leitung grundsätzlich die Interessen der Konzernobergesellschaft mit Leitungsentscheidungen verfolgen, dürfen aber die Interessen der außenstehenden Akteure in den betroffenen Tochterunternehmen nicht bewusst schädigen (Treuepflicht, Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung, Kapitalerhaltungsregeln). Weiterhin ist in Australien bei Auftreten von außenstehenden Anteilseignern und in Deutschland bei faktischen AG-Konzernen im Rahmen von konzerninternen Transaktionen darauf zu achten, dass diese für das Tochterunternehmen nicht nachteilig sind (Related-Party-Transactions-Regeln; §§ 311 ff. AktG). Diese Regeln setzen der Art und Weise des konkreten Kooperationsgegenstands formelle Grenzen. Einer zentralen Leitung stehen sie nicht entgegen, noch schränken sie die Intensität der Kooperation ein. Die Akteure in den Tochterunternehmen dürfen sich ebenfalls in Australien und in Deutschland einer umfassenden zentralen Leitung grundsätzlich unterwerfen.

2. Geringe Dezentralisierung und Spartenbildung Die Delegation von Koordinierungsaufgaben innerhalb des Konzerns upstream an das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft kann auf die langfristige strategische Planung beschränkt sein. Dann bleibt ein kleiner Teil der Entscheidungskompetenzen dezentralisiert. Eine ähnliche CorporateGovernance-Struktur entsteht, wenn bedeutende zentrale Funktionsabteilungen mit Koordinierungs- und Kontrollaufgaben geschaffen werden.597 In weniger hierarchischen Corporate-Governance-Strukturen können beispielsweise Profit-Center eingerichtet und Sparten innerhalb des Konzerns gebildet werden, z.B. entlang von Produktionslinien oder nach regionalen Kri-

596

Chandler, Strategy and Structure, 329 f. (Am Beispiel von Kupfer- und Nickelindustrie in den USA). 597 Chandler, Strategy and Structure, 309 f.; Decher, Personelle Verflechtungen, 5456.

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

231

terien. 598 Vor allem die in eine Sparte eingegliederten Tochterunternehmen werden von der Spartenleitung oft zentralistisch geführt.599 Auch die Herausbildung von Teil- oder Untersparten ist möglich, die dann wiederum weitgehend eigenständig geleitet werden. Dabei entsteht die Gefahr, durch eine starke Untergliederung lange Kommunikations- und Entscheidungswege zu erzeugen. In diesen Mischformen zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung in Konzernen entstehen weiterhin erhebliche Agency-Kosten.600 Grundsätzlich erfolgt eine zentrale Überwachung und Kontrolle über die Umsetzung der zentralisierten Entscheidungen in den einzelnen Kapitalgesellschaften. Die Spartenorganisation hat sich dennoch in Deutschland seit den 1960er Jahren häufig herausgebildet. Vorteile der Aufrechterhaltung weitgehender Zentralisierung liegen darin, bestimmte Kooperationsvorteile durch zentral zur Verfügung gestellte Ressourcen nutzbar zu machen (z.B. Werbung, Recht, Steuern, Patente). 601 Ein zentrales Finanzmanagement zur Sicherstellung optimaler Finanzierung des Gesamtkonzerns kann ebenfalls den gemeinsamen Erfolg steigern. 602 Schließlich wird die Erwirtschaftung sonstiger gemeinsamer Synergien durch zentrale Koordination des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft oder durch einzelne Organwalter gefördert. Vor allem der hohe Finanzbedarf bei der Entwicklung neuer Technologien und Produkte kann diese notwendig machen. Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien kann die Koordination kostengünstig konzernweit umgesetzt werden. 603 In all solchen Corporate-Governance-Strukturen bleiben die Related-PartyTransactions-Regeln bzw. die §§ 311 ff. AktG und die Kapitalerhaltungsregeln als formelle Grenzen der Handlungsfreiheit bestehen. Die Regeln zum Shadow Director sind ebenfalls weiterhin anwendbar, da ein Großteil der Entschei-

598

Decher, Personelle Verflechtungen, 56; Martens, Festschrift Heinsius 523 (524 f.); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (483); Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (212 ff.); Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42); Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 320, 282-283; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210-211). 599 Decher, Personelle Verflechtungen, 56, 59. 600 Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (42-43); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210-211). 601 Scheffler, DB 1985, 2005 (2009); Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (213); Semler, Leitung und Überwachung, Rn 316. 602 Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (476); Scheffler, DB 1985, 2005 (2008). 603 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (46).

232

Teil 4 : Aktive Koordination

dungsmacht zentralisiert bleibt. Die Loyalitätspflichten im deutschen Recht (vor allem Treuepflicht, Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung) bleiben ebenfalls als äußere Grenzen der Handlungsfreiheit in dem Umfang zu beachten, in dem eine zentrale Kontrolle und Leitung aufrechterhalten bleibt.

3. Module und Kleingruppen Die Agency-Kosten können gesenkt werden, wenn eine hybride Unternehmensstruktur gewählt wird, die stärker am Marktgeschehen ausgerichtet ist. Eine hohe Stabilität der Geschäftsbeziehung bei hoher Spezifität kann ohne hierarchische Steuerung durch die Schaffung von hohen Austrittsbarrieren auf beiden Seiten erreicht werden. 604 Dabei entstehen Einsparmöglichkeiten aus flachen Hierarchien und geringen Kontrollaufgaben. Sie können meist steigende Verhandlungskosten ausgleichen. 605 Auch in der Wirtschaftspraxis zeigt sich die Tendenz, innerhalb von Konzernen kleine, flexibel gestaltete Einheiten zu bilden. 606 Vor allem in weit diversifizierten Organisationen, die sich an technologischen Neuerungen ausrichten, ist eine dezentrale Struktur kennzeichnend.607 In international agierenden Großkonzernen kann es vorteilhaft sein, wenn Akteure in Tochterunternehmen auf zentral geleitete Kooperationssysteme nicht zurückgreifen. Kostenvorteile können dadurch erwirtschaftet werden, dass Akteure unterschiedlicher Tochterunternehmen selbstständig miteinander kooperieren, ohne dass Akteure der Konzernobergesellschaft diese Kooperation herbeiführt oder sie genehmigen müssen. Häufig ist es sinnvoll, nichts zu zentralisieren, was für den Erfolg von Tochterunternehmen von ausschlaggebender Bedeutung ist.608 Von der Wirtschaftstheorie wird an Stelle traditioneller, funktionaler Unternehmensstrukturen eine prozessorientierte, modulare Organisation vorgeschlagen.609 Gesamtaufgaben werden dafür in Teilaufgaben aufgeteilt, die autonom

604

Gleissner, Konzernmanagement, 70. Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (737); Decher, Personelle Verflechtungen, 61. 606 Doz/Prahalad, SMJ 12 Special Issue (1991) 145 (146 f.); Rosenstiel, Organisationspsychologie, 364; Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (473). 607 Chandler, Strategy and Structure, 377. 608 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (42). 609 Zur Modularisierung allgemein: Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, Teil 5. 605

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

233

und dezentral von kleinen, selbst gesteuerten und überschaubaren Einheiten zu bewältigen sind. 610 Die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die für eine Vielzahl von Personen gelten und zugleich einen hohen Anreizwert in sich tragen, gelingt durch die Zuweisung von komplexen Aufgaben zu teilautonomen oder selbst gesteuerten (Klein-)Gruppen. 611 Dabei kommt es zu einer Flexibilisierung und stärkeren Kundenorientierung. Durch genau definierte Schnittstellen zwischen den Modulen und hohe Autarkie der Module können die entstehenden Kooperationskosten begrenzt werden. 612 Hierarchische Strukturen zur Koordination und Überwachung der Module werden in weitem Umfang abgebaut. Sie werden aber nicht vollständig beseitigt, um einem Auseinanderfallen des Konzerns entgegenzuwirken. Bei einer modular strukturierten Organisation können die einzelnen Kapitalgesellschaften als eigenständige Module eingestuft werden. Es können auch Module geschaffen werden, die nicht an den rechtlichen Grenzen der einzelnen Kapitalgesellschaften ausgerichtet sind, sondern sie untereinander vernetzen. 613 Insgesamt muss beachtet werden, dass erhöhte Kosten durch sich überschneidende Module auf unterschiedlichen Ebenen denkbar sind. Dem muss durch Koordinierung der Modulbildung entgegengewirkt werden, was wiederum eine gewisse Zentralisierung notwendig macht, die ihrerseits Kosten verursacht. Die Handlungseinschränkungen durch die Regelungen zum Shadow Director sind bei modularen Konzernstrukturen regelmäßig nicht einschlägig. Allerdings kann eine modulare Aufgabenteilung zwischen verschiedenen, konzernverbundenen Kapitalgesellschaften den Tatbestand des Shadow Officer erfüllen. Dann bliebe eine gewisse Loyalitätspflicht der Konzernobergesellschaft und ihrer Akteure gegenüber den Tochterunternehmen bestehen, die gegenüber der Pflichtenstellung des Shadow Directors abgemildert ist. Häufig wird es aber nicht bzw. nicht nur die Konzernobergesellschaft selbst, sondern ein anderes Modul (Tochterunternehmen) sein, deren autonome Handlungen die Liquiditätslage eines dritten Tochterunternehmens substanziell beeinflussen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Kernkompetenzen auf verschiedene Kapitalgesellschaften verteilt sind, die sich gegenseitig ergänzen müssen. Dann kommt es dazu, dass auch Tochterunternehmen wechselseitig in der Position eines Shadow Officer sein können und dementsprechend wechselseitige Loyalitätspflichten entstehen.

610

Williamson, Economic Institutions of Capitalism, 320, 282-283. Rosenstiel, Organisationspsychologie, 290. 612 Gleissner, Konzernmanagement, 59 f. 613 CASAC, Corporate Groups, [1.61]. 611

234

Teil 4 : Aktive Koordination

In Deutschland leiten sich die gegenseitigen Loyalitätspflichten (Treuepflicht, Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung) dagegen aus dem Anteilsbesitz ab. Sie entstehen grundsätzlich nicht zwischen den miteinander kooperierenden Tochterunternehmen, sondern allenfalls mittelbar über die Konzernobergesellschaft. Weiterhin ist bei modularen Strukturen, wie auch bei den diskutierten Handlungsalternativen, besondere Aufmerksamkeit der nach Kap. 2E Corporations Act und §§ 311 ff. AktG erforderlichen objektiven Bewertung der durch die unterschiedliche Module zu bewirkenden Teilaufgaben geboten. Die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Dokumentation im gesamten Konzern und der Einhaltung der gegenseitigen Loyalitätspflichten kann bei einer solchen Corporate-Governance-Struktur schwierig sein. Daraus können Haftungsrisiken für die Konzernobergesellschaft erwachsen (§ 317 AktG). Schließlich kann die modulare Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften bedenklich sein, wenn das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft firmiert und ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vorliegen. Dann ist fraglich, ob das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft ausreichend seinem Leitungsauftrag in den Tochterunternehmen nachkommt, der dem Organ durch den Organisationsbeschluss der Anteilseigner zugewiesen wurde. Dies dürfte regelmäßig aufgrund des dem Geschäftsführungsorgan verbleibenden großen Ermessensspielraums der Fall sein. 4. Netzwerk- und Matrixorganisation Als letztes wichtiges Modell der Corporate Governance, das nach dem Zentralisierungsgrad des Konzerns unterscheidet, ist eine dreidimensionale Struktur als symbiotisches Netzwerk von eigenständigen, aber verbundenen Kapitalgesellschaften zu erwähnen (Matrixorganisation).614 Dabei können vor allem Unsicherheitsfaktoren aus Informationsdefiziten wegen individueller Fähigkeiten und opportunistischem Verhalten durch individuelle Abstimmung des jeweiligen Beitrags zum Netzwerk gemindert werden. 615 Besonders wichtige

614 Decher, Personelle Verflechtungen, 58; Doz/Prahalad, SMJ 12 Special Issue (1991) 145 (152 f.); Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (196 f.); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (483 f.); allgemein zur Netzwerkstruktur: Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, Teil 6. 615 Doz/Prahalad, SMJ 12 Special Issue (1991) 145 (152).

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

235

Ressorts können weiterhin zentrale Ressourcen für alle Tochterunternehmen zur Verfügung stellen. In der Praxis handelt es sich oft um Werbung, Einkauf, Datenverarbeitung und Produktionsplanung. Diese Form der Ausgestaltung der Corporate Governance wird auch als „verwässerte Spartenorganisation“ bezeichnet und soll in der Unternehmenspraxis den Regelfall darstellen. 616 Dem entspricht auch, wenn in der Literatur betont wird, dass die Konzernobergesellschaft häufig relativ wenig Informationen über die Vorgänge in ihren Tochterunternehmen bekommt. 617 Die Interaktionsstrukturen in einem solchen Netzwerk sind auf eine langfristige, enge Zusammenarbeit angelegt. Selbst Kernkompetenzen können von anderen Teilen des Netzwerks übernommen werden. Durch gegenseitiges Vertrauen und gute Zusammenarbeit können Risiken geteilt sowie Größen- und Spezialisierungsvorteile erreicht werden. Aufgrund der langfristigen Vorteile der Kooperation im Netzwerk, wird opportunistisches, unkooperatives Verhalten unwahrscheinlicher. Ausschlaggebend ist dabei das Verlangen von großen Konzernen, breit diversifiziert und gleichzeitig durch Kooperation Kostenvorteile erwirtschaften zu wollen.618 Konzerne entstehen unter anderem, um Risiko angemessen zu diversifizieren. Breit diversifizierte Konzerne weisen ein relativ geringes totales Risiko auf und sind damit attraktiver für Investoren. Die Risikoprämien werden kleiner, was Kostenersparnisse für die Kapitalgesellschaften im Konzern bringt. 619 Bei derart losen Kooperationsstrukturen kann die Gefahr des Auseinanderbrechens des Konzerns aufgrund der geringen zentralen Leitung entstehen.620 Soweit tatsächlich Kernkompetenzen auf andere Tochterunternehmen übertragen werden, müssen die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane des abtretenden Tochterunternehmens beachtet werden. In jedem Fall darf durch derartige Ausgliederungen nicht eine faktische, stille Liquidation des Tochterunternehmens erfolgen (Verbot der Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung - Bremer Vulkan/KBV). Nachteile müssen durch Garantien, Ausgleichsleistungen oder die Festsetzung einer hohen Mindestdauer der Kooperation ausgeglichen werden.

616

Decher, Personelle Verflechtungen, 58. Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (20 f.). 618 Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (203 f.). 619 Posner, Economic Analysis of Law, 434. 620 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 203 f. 617

236

Teil 4 : Aktive Koordination

Derartige Transaktionen müssen auch an der Treuepflicht gemessen werden, wenn außenstehende Anteilseigner vorhanden sind. Die Regeln zum Shadow Director sind dagegen nur einschlägig, wenn die Einflussnahme nicht einmalig beim Aufbau der Konzernstruktur, sondern regelmäßig erfolgt. Allerdings kann in der Netzwerkstruktur eine faktische, gegenseitige Abhängigkeit geschaffen werden, die die Konzernobergesellschaft nach den Regeln des Shadow Officer verpflichtet. Insgesamt führen die Einschränkungen der Handlungs- und Verfügungsrechte in Netzwerkstrukturen nur selten zu Problemen. Sie gleichen weitgehend dem bereits zur modularen Konzernstruktur Gesagten.

III. Ergebnis Zusammenfassend zeigt sich, dass die in diesem Teil der Untersuchung diskutierten Einschränkungen der Handlungsfreiheit durch Regulierung in der einen oder anderem Form bei jeder in Frage kommenden CorporateGovernance-Struktur berücksichtigt werden müssen. Es ist nicht möglich, auf eine bestimmte Struktur der Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften zu schließen, wenn das Ziel vorgegeben ist, bestimmte Vorteile nutzbar zu machen. Entgegen anders lautenden Vermutungen 621 können Kooperationsvorteile auch nutzbar gemacht werden, ohne dass es einer starken Hierarchie im Konzern bedürfte. 622 Kooperationsvorteile können selbst beim losen Zusammenschluss von Personen zu einer Gruppe erreicht werden.623 Bei umfassender zentraler Leitung wird die Kooperation stärker durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft vorgegeben, während sie bei Netzwerkstrukturen stärker von den jeweiligen Kooperationspartnern herbeigeführt wird. Ohne Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften wäre das Aufrechterhalten der Konzernverbindung nicht zu rechtfertigen. Kooperationsbemühungen müssen dennoch nicht in jedem Fall zentral geleitet werden. Verschiedene,

621 622

Z.B.: Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (74). Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (32, 38); Yeung, LMCLQ 1997, 208

(210). 623

Williams, in: Gillooly, Corporate Groups, 30 (32, 39); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (210); Zander, Making Groups Effective, 4-5.

D. Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung der aktiven Koordination

237

flexible und ineinander greifende Koordinationsmechanismen sind erforderlich.624 Weder Regulierung noch die allgemeine Kostenentwicklung in verschiedenen Kooperationsformen legen fest, welche Strukturformen für Konzerne generell vorteilhaft bzw. nachteilig sind. Verschiedene empirische Studien zeigen, dass der Konzernerfolg grundsätzlich nicht auf eine bestimmte CorporateGovernance-Struktur zurückzuführen ist.625 Zur Beurteilung von Konzernstrukturen ist ein komplexes Bild verschiedener Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Einerseits hängt es von den Besonderheiten der einzelnen Kooperationspartner ab, auf welche Weise die Optimierungsaufgabe gelöst werden kann. Andererseits kann bereits das einzelne Unternehmen in seiner ganzen Komplexität regelmäßig nicht dargestellt werden.626 Als Konsequenz aus begrenzter Rationalität und bestehenden Transaktionskosten verfügen die Akteure in den Kapitalgesellschaften eines Konzerns weder über alle Informationen noch könnten sie die Informationen umfassend verarbeiten, die zur Bewertung der Kooperationsstruktur zwischen den einzelnen Kapitalgesellschaften notwendig wären. Eine Entscheidung für ein bestimmtes Corporate-Governance-System ist allenfalls das unvollkommene Ergebnis einer beschränkten Punktaufnahme. 627 Eine Organisation entsteht durch eine getroffene Strukturentscheidung, die ihrerseits die Möglichkeit zu neuen Entscheidungen eröffnet.628 Den einen optimalen Weg gibt es nicht. 629 Regulierung wirkt neutral auf die Auswahlentscheidung, die durch die Akteure in den Kapitalgesellschaften eines Konzerns getroffen wird, zwischen den beschriebenen Formen der aktiven Kooperation. Es ist nicht ersichtlich, dass sie für die Auswahlentscheidung der Akteure für oder gegen eine bestimmte Handlungsalternative maßgeblich ist oder sein sollte.

624

Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 200. Mellewigt/Matiaske, in: Albach, Konzernmanagement, 107 (133 ff.). 626 Picot/Reichwald/Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 268, 275; Gleissner, Konzernmanagement, 76 f., 103. 627 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 333. 628 Luhmann, in: Küpper/Ortmann, Mikropolitik, 165 (171-172); Picot/Reichwald/ Wigand, Die grenzenlose Unternehmung, 15. 629 Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 5, 12 f.; Hunt, Structural and Organizational Changes in Global Firms; Sapelli, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 193 (198). 625

Teil 5

Konzernobergesellschaft als Anteilseigner Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen wurde in den vorangehenden Teilen untersucht unter den Aspekten der Informationsnachfrage und -weitergabe sowie nach Maßnahmen aktiver Kooperation. Dabei ging es um den tatsächlichen Austausch durch Akteure unterschiedlicher Kapitalgesellschaften, unabhängig davon, ob er auf rechtlich vermitteltem Wege erfolgte. Nun soll untersucht werden, inwiefern für die Leitung, Kontrolle und Kooperation zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen die formellen Rechte und Pflichten der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen maßgeblich sind. Das Bestehen eines Konzerns setzt Anteilsbesitz nicht voraus. Regelmäßig besteht aber ein Beherrschungsverhältnis (Control), das wiederum über Anteilsbesitz typischerweise vermittelt wird. Die Rechte und Pflichten der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen lassen sich gliedern in die Befugnis, die Organe in den Tochterunternehmen zu besetzen (A.), das Recht, deren Unternehmensverfassung anzupassen (B.), und die Möglichkeit, auf formellem Wege unternehmerische Entscheidungen durch die Anteilseigner treffen zu lassen (C.).

A. Personalpolitik Als wichtigste Aufgabe der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen wird die Personalpolitik in den Kapitalgesellschaften eingestuft.1 Eine konzernweite Personalplanung und -führung durch die Akteure der Konzernobergesellschaft kann als Mittel eingesetzt werden, um gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz zwischen und zu den Akteuren der unterschiedlichen Tochterunternehmen zu fördern, wodurch die Kooperation begünstigt wird. 2 Durch eine aktive konzernweite Personalpolitik kann weiter-

1 2

Allgemein: CASAC, Shareholder Participation, [4.183]. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (570).

A. Personalpolitik

239

hin die Kontrolle und die Leitung der Akteure in der Konzernobergesellschaft verbessert werden.3 Schließlich kann ein konzernweites Personalmanagement einen kostengünstigen Einsatz von Humankapital begünstigen.4 Personal- und Recruitment-Engpässe können zwischen den Kapitalgesellschaften ausgeglichen werden. 5 Unabhängig davon, welche dieser drei Funktionen von konzernweitem Personalmanagement verfolgt wird, können verschiedene Corporate-GovernanceProbleme in Bezug auf konzernweite Personalplanung entstehen. Einerseits stellt sich die Frage, ob die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft verpflichtet sind, auf die Personalplanung der Tochterunternehmen Einfluss zu nehmen. Andererseits ist zu klären, ob für entsandte Personen in Organen besondere Rechte oder Pflichten entstehen. Etwaige Pflichtenkollisionen sind besonders problematisch, wenn eine natürliche Person gleichzeitig zur Wahrung unterschiedlicher Interessen bestellt ist. Schließlich stellt sich die Frage, ob die entsendende Gesellschaft für Fehlverhalten der entsandten Person einzustehen hat. Diese Fragen werden im Folgenden anhand der Regulierung in Australien und in Deutschland und ihren Wirkungsweisen in der Unternehmenswirklichkeit diskutiert.

I. Konzernobergesellschaft und ihre Organe Zunächst wird im Rahmen der Untersuchung von Personalverflechtungen in Konzernen überprüft, welche Rechte und Pflichten für die Konzernobergesellschaft und ihre Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane entstehen bzw. welche Haftungsrisiken vorhanden sind. Eine ausführliche Diskussion über die Grenzen der Handlungsfreiheit der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in der Konzernobergesellschaft bei der konzernweiten Personalplanung gibt es nur in Deutschland und hier nur für Konzernobergesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft (1.). Ein Vergleich mit den Handlungsanreizen bei der GmbH und mit Australien wird im Rahmen der Betrachtung allgemeiner Handlungsanreize möglich (2.).

3

Bühner, DBW 47 (1987) 40 (43); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (724); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 191. 4 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 212 ff. 5 Decher, Personelle Verflechtungen, 20.

240

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

1. Grenzen der Handlungsfreiheit a) Personalplanungspflicht In Bezug auf die Diskussion der Rechte und Pflichten der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Konzernobergesellschaft bei der konzernweiten Personalplanung wiederholt sich, was in Teilen 3 und 4 im Rahmen der Diskussionen um Informationsbeschaffungspflichten 6 und um die Konzernleitungspflicht 7 beschrieben wurde: Während in der australischen Literatur eine Diskussion über konzernweite Aufgaben der Akteure in der Konzernobergesellschaft fehlt, nimmt in Deutschland ein großer Teil der Literatur eine generelle Verpflichtung der Akteure an, auf Tochterunternehmen Einfluss auszuüben. Für die Personalplanung in Konzernen stellt ein Teil der deutschen Literatur allgemeine Thesen auf, ohne nach den unterschiedlichen Gesellschaftsformen und Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen zu unterscheiden. Beispielsweise gibt es die Auffassung, dass, soweit eine Konzernleitungspflicht besteht, diese eine Verpflichtung zur konzernweiten Besetzung von Führungspositionen einschließt. 8 Aber auch Vertreter einer umfassenden Kontrollpflicht ohne generelle Konzernleitungspflicht nehmen teilweise eine konzernweite Personalplanungspflicht an. 9 Eine derartige Pflicht bedeutet, dass Personalentscheidungen zur Besetzung von Vorstandspositionen in Tochterunternehmen, die als Aktiengesellschaft firmieren, nur formal von dessen Aufsichtsrat gefällt werden. Teilweise erkennen die Vertreter einer umfassenden Personalplanungspflicht diese Konsequenz ausdrücklich an: Tatsächlich müsse das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft zunächst dem Aufsichtsrat des Tochterunternehmens Besetzungsvorschläge machen.10 Es wird die Meinung vertreten, die Konzernleitungspflicht lasse sich nur bei entsprechender konzernweiter Personalpolitik verwirklichen. 11 Die Personalpolitik in Tochterunternehmen wird als der entscheidende Bestandteil der konzernweiten Aufgabenerfüllung des Geschäfts-

6

Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. Vgl. oben: Teil 4 A.II., Seite 107. 8 H. Götz, ZGR 1998, 524 (531); Martens, Festschrift Heinsius 523 (532); Scheffler, Festschrift Goerdeler, 469 (474); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (744). 9 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 86. 10 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (744). 11 Timm, NJW 1987, 977 (980). 7

A. Personalpolitik

241

führungsorgans der Konzernobergesellschaft interpretiert.12 Sie solle nur vom gesamten Kollegial gemeinsam behandelt werden können. Teilweise wird die konzernweite Personalplanung als bedeutsamer als die sonstige Konzernleitung dargestellt. Sachentscheidungen und das dabei ausgeübte Ermessen sei nicht kontrollierbar. Nur bei einer adäquaten Besetzung der Organe könnten Sachentscheidungen positiv beeinflusst werden. Vereinzelt wird die Forderung aufgestellt, die Personalhoheit dürfe nicht einmal dem Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft obliegen, sondern müsse bei bedeutenden Tochterunternehmen den Aufsichtspersonen in der Konzernobergesellschaft vorbehalten bleiben.13 Eine weniger weitgehende Auffassung verlangt zumindest eine Kontrollaufgabe des Aufsichtsorgans der Konzernobergesellschaft, die darin bestünde sicherzustellen, dass das Geschäftsführungsorgan eine sachdienliche konzernweite Personalplanung betreibe. 14 Eine weiter gehende Forderung lautet, dass die Organwalter des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft sich sogar selbst in die Organe wichtiger Tochterunternehmen wählen müssten. Ein Verzicht auf ein solches Doppelmandat stelle einen Pflichtenverstoß dar.15 Andere meinen, Doppelmandate seien jedenfalls auf der Ebene der Aufsichtsorgane verpflichtend, um der eigenen Verantwortung der Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft für den unternehmerischen Bereich gerecht zu werden. 16 Mit der Bezeichnung Doppelmandat wird in dieser Arbeit die gleichzeitige Besetzung von Organpositionen in der Konzernobergesellschaft und in Tochterunternehmen und / oder in verschiedenen Tochterunternehmen unabhängig vom konkreten Organ zusammengefasst. Die in der Literatur zur Differenzierung verwendeten Bezeichnungen „Personalunion“, „Doppelmandats-Verbund“, „Doppelbändermann“ oder „Vorstandsdoppelmandatsverbund“ sind für die Diskussion nicht weiterführend. Den beschriebenen Auffassungen zu einer weitgehenden, konzernweiten Personalplanungspflicht kann in ihrer Allgemeinheit nicht zugestimmt werden.

12

Martens, Festschrift Heinsius 523 (539). Martens, ZHR 159 (1995) 567 (578). 14 Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 45. 15 Martens, ZHR 159 (1995) 567 (570); Martens, Festschrift Heinsius 523 (535). 16 Decher, Personelle Verflechtungen, 159 f.; Lutter, AG 1985, 117 (117); Martens, Festschrift Heinsius 523 (535); Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 191. 13

242

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

Eine generelle Konzernleitungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft oder einzelner seiner Organwalter besteht nicht. 17 Erst recht kann sich aus den allgemeinen Regeln der §§ 76, 93 AktG keine generelle Personalplanungspflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft für den ganzen Konzern ergeben. Die zitierten Auffassungen fußen meist auf der Annahme eines in dieser Pauschalität nicht vorhandenen Delegationsverbotes des Geschäftsführungsorgans. Eine weitgehende Delegation von Leitungs- und Überwachungsaufgaben ist bereits innerhalb einer Kapitalgesellschaft zulässig und ist im Verhältnis zu Tochterunternehmen sogar formalisiert und von der Regulierung weitgehend anerkannt. Erst Recht kann keine Verpflichtung bestehen, in rechtlich selbstständigen Kapitalgesellschaften grundsätzlich bestimmte Funktionen selbst zu übernehmen. Vielmehr ist es ausreichend, dass das Tochterunternehmen durch dessen eigene Geschäftsführungs- und ggf. Aufsichtsorgane und diese ihrerseits durch die Anteilseigner des Tochterunternehmens und damit nur mittelbar durch die Organe der Konzernobergesellschaft überwacht werden. Dies spricht gegen die angeblichen Verpflichtungen, Doppelmandate zu übernehmen und konzernweite Personalplanung unmittelbar selbst betreiben zu müssen. Es kann für die Organwalter der Konzernobergesellschaft ohnehin keine Pflicht bestehen eine Aufgabe zu erfüllen, die sie formell gar nicht ausführen dürfen. Firmiert das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft, so ist eine Einflussnahme auf die Bestellung ihres Vorstands nur informell möglich. Die Mitglieder des Vorstand einer Aktiengesellschaft werden von dessen Aufsichtsrat bestimmt, § 84 I 1 AktG. Diese Aufgabe verbleibt beim Aufsichtsrat selbst bei einem Beherrschungsvertrag oder einer Eingliederung. Es ist umstritten, ob durch die Satzung Eignungsvoraussetzungen festgelegt werden dürfen, die die Auswahl des Aufsichtsrats einschränken.18 Auf jeden Fall kann die Auswahl nicht an andere delegiert werden. Der Aufsichtsrat hat die ausschließliche Personalkompetenz. Bindende Vorschlags- und Zustimmungsvorbehalte von externen Akteuren in der Konzernobergesellschaft wären unzulässig, § 23 V AktG.19 Allenfalls eine unverbindliche Konsultation des Aufsichtsrats mit dem Mehrheitseigner ist denkbar und regelmäßig auch sinnvoll. 20 In gleicher Weise sollte auch der Vorstand des Tochterunternehmens selbst in den Entscheidungsprozess eingebunden sein. Ein Beteiligungsanspruch gibt es in

17

Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., Seite 111. Hüffer, AktG, §76 Rn 26. 19 Hüffer, AktG, §81 Rn 1; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 32. 20 Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kodex-Kommentar, Rn 934. 18

A. Personalpolitik

243

beiden Fällen nicht. 21 Eine formelle Pflicht des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft oder einzelner Organwalter zur Bestimmung der Vorstandsmitglieder in Tochterunternehmen, die als Aktiengesellschaft firmieren, ist nicht möglich. Folglich kann es auch keine generelle Personalplanungspflicht geben. Auf der anderen Seite ist die Konzernobergesellschaft aufgrund ihrer Stellung als Anteilseigner der Tochterunternehmen zuständig für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 I 1 AktG), wenn das Tochterunternehmen als Aktiengesellschaft firmiert. Ihre Repräsentanten dürfen zudem die Geschäftsführer wählen (§ 46 Nr.5 GmbHG), wenn das Tochterunternehmen als GmbH firmiert. Das Recht zur Personalplanung für diese Organe kann bei Aktiengesellschaft und bei GmbH auch unmittelbar auf die Konzernobergesellschaft oder auf einzelne seiner Mitglieder übertragen werden, §§ 101 II AktG, 6, 45 GmbHG.22 In all diesen Fällen sind die Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft zur Bestellung berufen und ihre Organwalter haben die Pflicht, sich mit der Personalplanung in den Tochterunternehmen zu befassen. Selbst in diesen Fällen kann die Aufgabe aber innerhalb der Konzernobergesellschaft delegiert werden. Das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft muss auch bei einer GmbH als Tochterunternehmen die Personalplanung nicht selber vornehmen. Die in der deutschen Literatur behauptete allgemeine konzernweite Personalplanungspflicht besteht also nicht. Die Pflichten der Organe der Konzernobergesellschaft gehen über die Besetzungsbefugnisse der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen, die abhängig von der Rechtsform und ggf. von der Unternehmensverfassung des Tochterunternehmens sind, nicht hinaus. b) Entsendungsverbote Als Gegenpol zu den genannten und soeben abgelehnten Auffassungen gibt es die Meinung, dass die Vergabe von Doppelmandaten bei Konzernverbindungen ohne Unternehmensvertrag zwingend einzuschränken sei. Dabei wird in der Argumentation zwischen Geschäftsführungsorgan und Aufsichtsorgan des Tochterunternehmens unterschieden.

21 22

Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 336. Für die GmbH: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, §6 Rn 27.

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Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

So sollen die Vergabe von Doppelmandaten in den Geschäftsführungsorganen der Tochterunternehmen und auch die Entsendung von untergeordneten Führungskräften von der Konzernobergesellschaft beim faktischen AG-Konzern unzulässig sein. 23 Es könne andernfalls nicht mehr zwischen fremder Weisung und autonomer Entscheidung des Tochterunternehmens unterschieden werden. Das Tochterunternehmen wäre seiner eigenen Organe beraubt und der Schutzmechanismus der §§ 311 ff. AktG liefe leer. Allerdings vertritt Säcker, auf den diese Meinung zurückgeht, die Auffassung, eine Veranlassung einer nachteiligen Maßnahme im Sinne von §§ 311, 317 AktG durch die Konzernobergesellschaft dürfe nicht vermutet werden, sondern sei im Einzelfall nachzuweisen. 24 Selbst wenn die These Säckers zutreffen sollte, dass eine Vermutung der Veranlassung bei §§ 311 ff. AktG nicht möglich ist, so ergibt sich daraus nicht notwendigerweise das Verbot, Doppelmandate einzugehen. Der Einwand, dass eine Veranlassung bei Vergabe von Doppelmandaten schwer nachweisbar ist, ist zutreffend. Dies gilt ebenso bei Entsendung von sonstigen Gefolgsleuten. Auch ohne eine zentrale Personalplanung ist zudem der Aufbau informeller Kooperations- und Kommunikationswege zu einflussreichen Aktionären praktisch nicht zu verhindern. Die Entsendung von Gefolgsleuten in Tochterunternehmen kann sogar für eine Formalisierung dieser Beziehungen im Interesse von Außenseitern förderlich sein: „Das Risiko unkompensierter Vermögenseinbußen infolge privater Vorteile wird für die übrigen Aktionäre wesentlich geringer, wenn Blockaktionäre nicht über intransparente private Verhandlungen mit dem Management, sondern über Vertreter im Verwaltungsrat ihre Interessen durchzusetzen versuchen.“25

Zudem ist die Ausgangsthese falsch, dass die Veranlassung nachteiliger Maßnahmen nicht vermutet werden könne. Es wurde gezeigt, dass die gesetzlichen Regeln zum faktischen AG-Konzern auch ohne Doppelmandate praktisch unanwendbar wären, wenn keine Vermutungsregel bestünde. Sie ist für die §§ 311 ff. AktG funktionsnotwendig. Ungeachtet der geäußerten Kritik an der Wirkungsweise der § 311 ff. AktG wäre es systemwidrig, die Auslegung dieser Vorschrift dazu zu benutzen, sie funktionslos zu machen. Richtig ist, dass eine Veranlassung im Sinne dieser Vorschriften durch die Konzernobergesellschaft bei jeder Entscheidung im Tochterunternehmen anzunehmen ist, die der Dop-

23

Bühner, DBW 47 (1987) 40 (43); Säcker, ZHR 151 (1987) 59 (65, 67 f.). Säcker, ZHR 151 (1987) 59 (63, 66). 25 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 191. 24

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pelmandatsträger fällt oder beeinflusst.26 Eine Einflussnahme ist zusätzlich bei allen nachteiligen Maßnahmen zu vermuten. 27 Die Vermutung lässt sich damit begründen, dass ein Tochterunternehmen ohne besondere Veranlassung normalerweise keine für es nachteiligen Maßnahmen ergreifen würde. 28 Die Vermutung kann widerlegt werden, was aber bei Doppelmandatsträgern faktisch nicht möglich sein wird. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Dokumentation interner Abläufe. Das Ausgleichssystem der §§ 311 ff. AktG wird also durch die Vergabe von Doppelmandaten und auch durch die Entsendung von untergeordneten Führungskräften aus der Konzernobergesellschaft in faktisch konzernierte AG-Konzerne nicht per se ausgehöhlt. Es ist mit dieser Art der Personalplanung deshalb grundsätzlich vereinbar. 29 Ungeachtet der Auffassungen Säckers bestehen vor allem beim faktischen AG-Konzern Bedenken gegenüber einer umfassenden Kontrolle durch die Konzernobergesellschaft. Sie könnten eine Verpflichtung zu einer allenfalls eingeschränkten Personalplanungshoheit rechtfertigen. Bereits in der Einleitung der Gesetzesbegründung zum 3. Buch des AktG stellte 1965 der Reformgesetzgeber fest, dass eine Sicherung der Interessen der Minderheitsaktionäre durch den Aufsichtsrat und den Vorstand nicht gewährleistet ist, wenn, wie es regelmäßig der Fall sei, die Beherrschungsmacht im besonderen Interesse des beherrschenden Unternehmens ausgeübt werde. 30 Ein Leerlaufen der Kontrollrechte außenstehender Akteure des Tochterunternehmens infolge derartiger Personalstrukturen wird auch in der Literatur befürchtet.31 Sie zeige sich besonders bei faktischen AG-Konzernen und könne teilweise ausgeglichen werden durch den Abhängigkeitsbericht. 32 Diese Gefahren aus einer umfassenden konzernweiten Personalplanung sind in ihrem Kern Gefahren aus unausgewogener aktiver Kooperation. Sie entstehen unabhängig von der Besetzung von Aufsichtsratsposten in Tochterunternehmen und wurden in Teil 4 diskutiert. Folglich erscheint es nicht gerechtfer-

26

Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (571); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 354; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 12; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (760). 27 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1020). 28 Decher, Personelle Verflechtungen, 171 f.; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rz 3323; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 42. 29 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 357. 30 RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 373. 31 Kirchner, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 3 (1984) 223 (239). 32 Martens, ZHR 159 (1995) 567 (588).

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tigt, diesen Problemen durch Einschränkungen der Personalplanungsfreiheit der Konzernobergesellschaft zu begegnen. Schließlich sprach sich für eine Einschränkung der Personalplanungshoheit der Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft indirekt auch das OLG Hamm (Banning-Beschluss) aus.33 Es sah die Besetzung des Aufsichtsrats in einem faktischen AG-Konzern ausschließlich mit Repräsentanten der Konzernobergesellschaft als unzulässig an. Sie würde zu einer sog. qualifiziert faktischen Konzernierung führen, die ihrerseits unzulässig wäre. Eine derartige Wahl stelle einen rechtsmissbräuchlichen Treuebruch der Konzernobergesellschaft im Verhältnis zum Tochterunternehmen dar. Allerdings sei es unbedenklich, dass die Konzernobergesellschaft selbst alle Aufsichtsratsposten bestimme, soweit wenigstens ein Aufsichtsratsmitglied in hohem Maße unabhängig ist. Nur so blieben die eigenständigen Interessen des Tochterunternehmens gewahrt. Dem ist entgegenzuhalten, dass es ein Verbot besonders intensiver Kooperation im faktischen AG-Konzern nicht gibt. Alle der im Rahmen etwaiger Entsendungsverbote diskutierten und abzulehnenden Auffassungen bauen auf einer Interpretation von § 311 AktG auf, wonach im faktischen Konzern eine Einschränkung der Kooperationsintensität geboten sei. Dem wird nicht gefolgt. 34 Die genannten Auffassungen, die Entsendungsverbote oder sonstige Einschränkungen der Leitungsmacht der Konzernobergesellschaft fordern, vor allem der Banning-Beschluss, sind im Zusammenhang mit der kurz zuvor gefällten Autokran-Entscheidung des BGH zu sehen.35 Diese sehr restriktive Gesetzesinterpretation wurde vom BGH und der herrschenden Lehre im Anschluss relativiert und spätestens mit der Entscheidung Bremer Vulkan endgültig aufgegeben. 36 In der Sache geht es bei den diskutierten Einschränkungen der Entsendungsfreiheit zudem um eine Konzerneingangskontrolle.37 Diese ist aber nicht Gegenstand der hier geführten Diskussion und darf nicht zu einem generellen Einmischungsverbot innerhalb von bestehenden Konzernstrukturen führen.

33

OLG Hamm, ZIP 1986, 1554 (1555). Vgl. oben: Teil 4 B.I.4., Seite 158. 35 Timm, NJW 1987, 977 (978). 36 Vgl. oben: Teil 4 B.II.4., Seite 190. 37 Hüffer, AktG, §18 Rn 5. 34

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c) Grundsatz der Gesamtverantwortung Nach einer weiteren Meinung ergeben sich Einschränkung vom Recht Doppelmandate zu vergeben aus dem Prinzip der Gesamtverantwortung der Kollegialorgane. Wichtige Entscheidungen in Bezug auf Tochterunternehmen mit Auswirkungen auf die Konzernobergesellschaft dürften nach dem Grundsatz der Gesamtverantwortung nicht bei dem jeweiligen Doppelmandatsträger alleine liegen. Sie seien vom Kollegialorgan zu fällen. 38 Zuzustimmen ist dieser Auffassung darin, dass ein allgemeines ressortübergreifendes Überwachungs- und Interventionsrecht sowie eine entsprechende Pflicht jedes Organwalters im Vorstand einer Aktiengesellschaft bestehen.39 Die Überwachung und Kontrolle von weitgehend eigenständig handelnden Doppelmandatsträgern ist schwierig. Allerdings gibt es in jedem arbeitsteilig strukturierten Unternehmensvorstand ein Ungleichgewicht in der Sachnähe, im Mitwirkungspotenzial und im Informationsstand der Akteure. Typischerweise ist ein Vorstandsmitglied besser über einzelne Fragen, z.B. die Belange eines Tochterunternehmens, informiert als die anderen. Es kann und muss dementsprechend diese informieren. Dieses im Vorstand durch jede Aufgabenverteilung entstehende Informationsgefälle ist weitgehend unabhängig von Doppelmandaten. 40 Auch sind bei der Auslegung des Prinzips der Gesamtverantwortung dessen Entstehungsgründe zu berücksichtigen. Einerseits sollte die Eigenverantwortung des Vorstands gegenüber den anderen Organen hervorgehoben werden. Andererseits sollte mit diesem Prinzip ein Alleinentscheidungsrecht eines Organmitglieds gegen die Stimmenmehrheit im Kollegium ausgeschlossen werden.41 Bereits im Rahmen der Diskussion um eine angeblich bestehende konzernweite Informationsbeschaffungs- und Kontrollpflicht 42 und im Rahmen der Diskussion um eine Konzernleitungspflicht 43 wird teilweise auf eine angebliche Einschränkung der Gestaltungsfreiheit der relationalen Beziehungen innerhalb der Organe abgestellt, die sich aus dem Grundsatz der Gesamtver-

38

Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (512); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 170; Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (216). 39 Martens, Festschrift Heinsius 523 (538). 40 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 172 ff.; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (737, 739). 41 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (506 f.); RegE, bei: Kropff, Aktienrecht, 99. 42 Vgl. oben: Teil 3 A.II.3., Seite 76. 43 Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., Seite 111.

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antwortung ergeben solle.44 Diese Auffassungen fußen, wie dargestellt, auf einer fehlerhaften Auslegung der Generalklauseln, vor allem aus §§ 76 f., 93 AktG. Weder eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis noch arbeitsteiliges Vorgehen sollten durch diese Vorschriften beschränkt werden. Beides ist als notwendiger Bestandteil moderner Corporate Governance anerkannt und zulässig. Auch die Aufteilung in Zentralressorts und Geschäftsbereichsressorts innerhalb des Vorstands ist im Grundsatz unbedenklich. 45 Der Grundsatz der Gesamtverantwortung bleibt unangetastet, soweit alle Organwalter an der Beschlussfassung beteiligt sind. 46 Aufgrund des Interventionsrechts muss der Vorstand so strukturiert werden, dass jedes Vorstandsmitglied die Tätigkeiten der anderen nachvollziehen und zu einer bestimmten Maßnahme die Entscheidung des Gesamtvorstands herbeiführen kann. 47 Es ist unbedenklich, wenn die Organwalter nicht über jede Einzelmaßnahme ihrer Kollegen umfassend informiert sind. Erst recht ist der Informationsanspruch über Maßnahmen beschränkt, die eine Person aufgrund einer weiteren Organstellung ausführt. Der Zulässigkeit einer Vergabe von Doppelmandaten auf Vorstandsebene als ein Mittel der Corporate Governance im Konzern steht der Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder folglich nicht entgegen. 48

d) Verschiebungen im Organgefüge Die Legitimität der Besetzung von Aufsichtsratsmandaten mit Doppelmandatsträgern im Konzern ist in § 100 II 2 AktG ausdrücklich anerkannt. Auch Doppelmandate auf Vorstandsebene sind nicht verboten. 49 Allerdings kann es durch zentrale konzernweite Personalplanung allgemein und durch die Vergabe von Doppelmandaten im Besonderen zu Verschiebungen des Organgefüges zwischen Aufsichtsrat und Vorstand kommen, deren Zulässigkeit umstritten ist.

44

Vgl. Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 170. Decher, Personelle Verflechtungen, 207. 46 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1019). 47 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (510); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 172 f.; Semler, in: Lutter, Holding-Handbuch, §5 Rz 54. 48 Decher, Personelle Verflechtungen, 202. 49 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1015); Hüffer, AktG, §76 Rn 21; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (732). 45

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So sollen nach einer Auffassung im faktischen AG-Konzern Doppelmandate im Aufsichtsrat verhindert werden, um den Aufsichtsrat nicht zu einem Weisungsorgan werden zu lassen. 50 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Aufsichtsrat ist unabhängig davon, ob ein faktischer Konzern, ein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung vorliegt, kein Weisungsorgan. Die behauptete Einschränkung müsste also für alle Konzernformen gelten. Der § 100 II 2 AktG erkennt die Möglichkeit von Doppelmandaten im Konzern an. Der Vorschrift kann keine Einschränkungen bei faktischen AG-Konzernen entnommen werden. Corporate-Governance-Probleme aus der Vergabe von Doppelmandaten können aber entstehen, wenn ein Organwalter einerseits in der Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats des Tochterunternehmens eine Kontrollfunktion ausübt und er andererseits in seiner Stellung in der Konzernobergesellschaft als Kooperationspartner gegenseitiges Vertrauen aufbauen möchte, um erfolgreich zusammenzuarbeiten. 51 Weiterhin kann es dazu kommen, dass der Aufsichtsrat vor allem bei einer Besetzung mit einflussreichen Personen aus der Konzernobergesellschaft faktisch in die Geschäftsleitung hineinregiert. Als problematisch wird schließlich die Möglichkeit angesehen, innerhalb des Tochterunternehmens Gremien zu schaffen, die sich aus Mitgliedern des Aufsichtsrat und des Vorstands zusammensetzen, die teilweise gleichzeitig Repräsentanten der Konzernobergesellschaft sind. 52 Es bestünde die Gefahr, dass in solchen Gremien alle wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Obwohl derartige Zusammenschlüsse interner Natur sind und sie regelmäßig nicht nach außen treten, käme es nach dieser Ansicht zu einer Verwischung der jeweiligen Organzuständigkeiten, der entgegenzuwirken sei. Diese Auffassung liefe auf die diesbezügliche Unzulässigkeit informeller Absprachen und auf den Konflikt mit entsprechenden informellen Institutionen hinaus. All diesen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass eine Kooperation zwischen den Organen einer Aktiengesellschaft zulässig und wünschenswert ist. Sie fördert regelmäßig den Erfolg der beteiligten Kapitalgesellschaften. Die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats kann durch enge Zusammenarbeit mit dem Vorstand sogar gestärkt werden. In der Unternehmenspraxis wird der Aufsichtsrat immer stärker als beratendes Gremium in den Entscheidungsfindungsprozess

50

Semler, Festschrift Stiefel, 719 (754). Martens, Festschrift Heinsius 523 (526). 52 J. Götz, ZGR 2003, 1 (9 ff.); Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (511). 51

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eingebunden. Aufsichtsratsmitglieder dürfen aber – wie alle anderen Personen, die nicht selbst Vorstandsmitglieder sind – keinen ungebührlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben, § 117 AktG. Allerdings sind die §§ 77 II 1 a.E., 111 IV 2 AktG zu berücksichtigen. Diese Vorschriften sehen vor, dass der Aufsichtrat durch Zustimmungsvorbehalte und die Festlegung einer Geschäftsordnung für den Vorstand Entscheidungen und auch die Ausgestaltung der Corporate Governance beeinflussen darf und hierzu in Ausnahmesituationen sogar verpflichtet sein kann.53 Weiterhin institutionalisiert das MitbestG in § 32 I in bestimmtem Umfang eine Verschiebung im Organgefüge der Konzernobergesellschaft. Im Rückschluss scheint der Gesetzgeber solche Verschiebungen in Konzernen nicht per se als unzulässig anzusehen. Überdies ist es dem Vorstand einer Aktiengesellschaft unbenommen, Entscheidungsbefugnisse an bestimmte Gremien durch Beschluss zu delegieren. 54 Soweit besonders wichtige Mitglieder der Konzernobergesellschaft in den Aufsichtsrat von Tochterunternehmen entsandt werden, vor allem wenn es der Vorstandsvorsitzende der Konzernobergesellschaft ist, wird dadurch die Stellung des Tochterunternehmens im Gesamtkonzern gestärkt. Dies ist aus Sicht des Tochterunternehmens wünschenswert und die damit einhergehenden Konsequenzen sind nicht unzulässig. Insgesamt ist die Möglichkeit der informellen Einflussnahme der Mitglieder des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands unabhängig von Konzernsachverhalten anzuerkennen. 55 Das institutionelle Gefüge in der Aktiengesellschaft verbietet eine Verschiebung der Letztentscheidungsbefugnis über unternehmerische Maßnahmen. Gemeinsame Beratungen und unterschiedliche Einflussnahmen externer und interner Art kann das Gesetz dagegen nicht verhindern. Die Regulierung versucht dies auch nicht. In Konzernen kommt es regelmäßig zu keiner oder nur geringer Einflussnahme über den Aufsichtsrat von Tochterunternehmen, wenn der Konzern eine dezentrale Corporate-Governance-Struktur aufweist.56 Bei einer zentralistischen Organisation fallen die maßgeblichen Entscheidungen aber in der Konzern-

53

Decher, Personelle Verflechtungen, 98. J. Götz, ZGR 2003, 1 (14 f., 17 f. – nennt auch diesbezügliche Grenzen). 55 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 34. 56 Decher, Personelle Verflechtungen, 99-101. 54

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obergesellschaft und nicht im Aufsichtsrat des Tochterunternehmens. Dies relativiert die angebliche Funktionsverschiebung zwischen den Organen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die grundsätzliche Zulässigkeit von personellen Verflechtungen sowohl auf der Ebene von Aufsichträten als auch auf Vorstandsebene anerkannt ist. Die dagegen vereinzelt vorgebrachten Bedenken sind unbegründet. Selbst die gleichzeitige Vergabe von Doppelmandaten im Vorstand und im Aufsichtsrat des Tochterunternehmens an unterschiedliche Personen aus dem Vorstand der Konzernobergesellschaft soll unbedenklich sein. 57 Einschränkungen dazu wurden mit der Reform 1965 in § 100 AktG aufgenommen um zu verhindern, dass ein Geschäftsführungsorgan Einfluss auf die eigenen Kontrolleure erlangen kann (Nr. 2) oder dass eine Person von jemandem überwacht wird, der selbst diese Person überwachen muss (Nr. 3).58 Personen, die in einem Tochterunternehmen als Vorstandsmitglied eingesetzt sind, dürfen dort nicht von einem Aufsichtsratsmitglied kontrolliert werden, das in einem anderen Tochterunternehmen ein Vorstandsmandat innehat, welches seinerseits die erste Person als Aufsichtsrat überwacht. Auch offensichtliche Verstöße gegen die in § 100 AktG aufgeführten Einschränkungen wurden in der Vergangenheit nicht immer vermieden. 59 Es stellt sich die Frage, ob der Durchsetzungsmechanismus dieser Vorschrift adäquat ist. Der Vergabe von Doppelmandaten auf der Ebene der Geschäftsführungsorgane müssen nach § 88 I 2, 3 AktG die Aufsichtsräte aller beteiligten Kapitalgesellschaften zustimmen, die als Aktiengesellschaft firmieren. Die Zustimmung muss für den Einzelfall erfolgen. Eine Bestellung von Vorstandsmitgliedern schließen folglich selbst Wettbewerbs- und sonstige Interessenkonflikte nicht aus. Notwendig ist nur, dass der Aufsichtsrat als kompetentes Kontrollorgan sich des potenziellen Konflikts bewusst ist und diesen in seinen Abwägungen berücksichtigt. Bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in einer Aktiengesellschaft wird die Hauptversammlung vom Gesetzgeber nicht als vergleichsweise kompetentes Organ anerkannt, das potenzielle Konflikte im Rahmen der eigenen Auswahlentscheidung berücksichtigen könnte. Deshalb werden in § 100 AktG alle Konstellationen verboten, die einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Kontrollaufgabe potenziell entgegenstehen. Über diese Vorschrift hinausgehende Verbote gibt es nicht.

57

Martens, ZHR 159 (1995) 567 (572 ff.). Martens, Festschrift Heinsius 523 (258); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (720). 59 Bsp.: Schuler, Berliner Zeitung, 28.03.2003, 13. 58

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Folglich führen die vereinzelt problematisierten Verschiebungen im Organgefüge des Tochterunternehmens, die eine Unterminierung der Aufgaben des Aufsichtsrats zur Folge haben sollen, – soweit sie überhaupt in rechtlich bedeutsamem Umfange vorliegen – nicht zur Unzulässigkeit der personellen Verflechtungen. 60

e) Zwischenergebnis Aus dem Gesetz und der Unternehmensverfassung ergibt sich, welche Personen zur Bestellung der einzelnen Unternehmensorgane einer Kapitalgesellschaft berechtigt und verpflichtet sind. Im Konzernzusammenhang sind weder Ausweitungen noch Einschränkungen der Besetzungsbefugnis vorgesehen. Die Diskussion in Deutschland um eine formelle Pflicht zur konzernweiten Personalplanung ist irreführend. Der Sache nach geht es meist um Einwendungen gegen bestimmte Arten der konzernweiten Kooperation, die nicht mit Personalplanung, sondern durch die in Teil 4 diskutierten Institutionen gesteuert werden.

2. Anreize für Personalplanung Im Rahmen der hier geführten Diskussion über den der Regulierung zu entnehmenden Rahmen für eine konzernweite Personalplanung geht es allein darum, welche Bedeutung und Auswirkungen Personalentscheidungen haben, die in der Konzernobergesellschaft getroffen werden und Tochterunternehmen binden. Auch ist zu untersuchen, welche Handlungsanreize für die Akteure in der Konzernobergesellschaft bestehen, auf Organe von Tochterunternehmen, die ihrerseits zu Personalentscheidungen berufen sind, Einfluss auszuüben. Dafür ist zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsformen und den verschiedenen Organen zu unterscheiden.

a) Aufsichtsrat Bei Tochterunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft bestimmen die Akteure der Konzernobergesellschaft in ihrer Position als Repräsentant des Anteilseigners die Mitglieder des Aufsichtsrats der Tochterunternehmen, soweit diese nicht im Rahmen der Arbeitnehmermitbestimmung

60

So auch: Decher, Personelle Verflechtungen, 212.

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vergeben werden. Es entspricht ständiger Konzernpraxis, nicht nur eigene Repräsentanten für diese Organpositionen auszuwählen, sondern unmittelbar Organwalter der Konzernobergesellschaft in den Aufsichtsrat des Tochterunternehmens zu entsenden.61 Das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft bzw. als Delegaten einzelne seiner Mitglieder oder Akteure auf unteren Unternehmensebenen der Konzernobergesellschaft entscheiden unabhängig und ggf. auch gegen den Willen des Vorstands des Tochterunternehmens über die Besetzung des Aufsichtsrats des Tochterunternehmens.62 In der Regel hat allerdings auch in Tochterunternehmen dessen Vorstandsvorsitzender informellen Einfluss auf die Besetzung von Aufsichtsrat und übrigem Vorstand.63 Der Aufsichtsrat des Tochterunternehmens muss selber bei seiner Neubesetzung ebenfalls beratend tätig werden, § 124 III 1 AktG.64 Dies ähnelt dem Ergebnis bei der aktiven Kooperation, bei dem in bestimmten Fällen die Letztentscheidungsbefugnis bei der Konzernobergesellschaft liegt, die Akteure im Tochterunternehmen aber beratend tätig werden müssen.65 Eine gezielte Besetzungspolitik – u.a. durch Doppelmandatsträger – stellt ein übliches und probates, allerdings kein zwingendes Mittel der konzernweiten Corporate Governance dar. Dem steht auch nicht Ziff. 5.4.2 DCGK entgegen. Danach soll dem Aufsichtsrat eine ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören. Diese Regelung findet nach § 161 AktG von vornherein aber nur dann Anwendung, wenn die abhängige Aktiengesellschaft ihrerseits börsennotiert ist. Darüber wird in der Literatur empfohlen, dass Gesellschaften sich aus guten Gründen entgegen den freiwilligen Vorschlägen des DCGK zu einem Aufsichtsrat bekennen sollten, der nicht unabhängig von einer Eigentümerkontrolle sei.66 Eine tatsächliche Einschränkung der konzernweiten Personalplanung ist dem Vorschlag des DCGK nicht zu entnehmen.

61

Decher, ZHR 158 (1994) 473 (476 f.); Decher, Personelle Verflechtungen, 95. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 191. 63 Allgemein: Biehler/Ortmann, DBW 45 (1985) 4 (8). 64 Zur Beratungspraxis in Aktiengesellschaften allgemein: Peltzer, NZG 2002, 10 (12); Absch. III.1 Baums-Kommission. 65 Vgl. oben: Teil 4 C.II., Seite 212. 66 Hüffer, ZIP 2006, 637 (642). 62

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b) Vorstand Auf die Besetzung von Vorstandspositionen in Tochterunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat die Konzernobergesellschaft nur indirekten Einfluss. Der Einfluss ist formalisiert, wenn Doppelmandate im Aufsichtsrat vergeben oder Repräsentanten aus unteren Führungsebenen der Konzernobergesellschaft in den Aufsichtsrat des Tochterunternehmens gewählt werden. Unabhängig von derartigen Personalverbindungen ist der umfassende, tatsächliche Einfluss der Konzernobergesellschaft auf die Besetzung von Vorstandsmandaten in Tochterunternehmen unbestritten. Er erfolgt informell. Vorstandspositionen in Tochterunternehmen werden häufig mit Doppelmandatsträgern besetzt, die gleichzeitig im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft tätig sind. Regelmäßig wird das Doppelmandat an den Vorstandsvorsitzenden des Tochterunternehmens vergeben. Zweck solcher Doppelmandate soll es sein, die Interessen der Teilgesellschaften bei der Formulierung der Konzernziele unmittelbar zu berücksichtigen, die Bereichsleiter in die kollegiale Disziplin des Geschäftsführungsorgans der Konzernobergesellschaft einzubinden und sie zu einer konzernweiten Sicht der Dinge zu veranlassen.67 In der Konzernobergesellschaft sind sie verantwortlich für die Vertretung des Geschäftsbereichs des Tochterunternehmens. 68 Dies ist regelmäßig eine bedeutende Konzernsparte, die das Tochterunternehmen selbst absteckt bzw. der das Tochterunternehmen in verzweigten Konzernen vorsteht. Damit korrespondiert die Einzelgeschäftsführungsbefugnis des Doppelmandatsträgers in der Konzernobergesellschaft für seinen Bereich. 69 Eine paritätische Besetzung oder eine Mehrheit des Vorstands der Konzernobergesellschaft kann aus Doppelmandatsträgern bestehen. 70 In der deutschen Literatur gibt es zu den Vorteilen solcher Doppelmandate überschwängliche Aussagen. Stellvertretend ist Semler zu zitieren: „Der notwendige Abgleich der im Konzern originär vertretenen Interessen zum Konzerninteresse wird entscheidend erleichtert, wenn diese Interessen im Vorstand der Konzernobergesellschaft von Vorstandsmitgliedern der maßgeblichen

67 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (570); Martens, ZHR 159 (1995) 567 (571). 68 Eversberg, Konzernleitung durch Doppelmandate, 104. 69 Schwark, ZHR 142 (1978) 203 (213). 70 Bühner, DBW 47 (1987) 40 (43).

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Konzerngesellschaften vertreten werden. Die Meinungsbildung und die Entscheidungsfindung wird auf eine breite Basis gestellt.“71

Richtig daran ist, dass durch die personelle Verflechtung das Agency-Problem gemildert werden kann. Anreize zu opportunistischem Verhalten des Geschäftsführungsorgans des Tochterunternehmens zum Schaden der Konzernobergesellschaft sind geringer. Sie würden die Stellung des Doppelmandatsträgers in der Konzernobergesellschaft schwächen und somit nicht seinen Präferenzen entsprechen. Gleichzeitig kann ein Doppelmandat zu einer erhöhten Identifikation mit übergeordneten Konzernzielen führen. Die wahrgenommene Ähnlichkeit der Gruppenmitglieder in den Tochterunternehmen und gegenseitige Sympathien im Verhältnis zur Konzernobergesellschaft wachsen. 72 All dies begünstigt eine Gewinn steigernde Kooperation. Der Aussage von Semler ist entgegenzuhalten, dass sowohl die Organe der Konzernobergesellschaft als auch die der Tochterunternehmen stets und unabhängig von Doppelmandaten dazu verpflichtet sind, alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte – vor allem die Interessen der jeweils betroffenen Tochterunternehmen – in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, soweit diese von einer Maßnahme betroffen werden. Doppelmandate auf Vorstandsebene bieten hierfür allenfalls einen von verschiedenen möglichen Kommunikationswegen. Sie ermöglichen, im Rahmen von Konzernleitung ein organschaftliches Konsensprinzip an Stelle eines Kommandoprinzips zu etablieren. 73 Eine Konsensbildung ist aber auch ohne die personelle Verflechtung und ohne Einflussnahme durch Akteure der Konzernobergesellschaft auf die Tochterunternehmen möglich. Es kann gewinnbringend sein, insgesamt die Konzernleitung einzuschränken oder sie im Einzelfall aufzugeben. Weitere Nachteile aus der Vergabe von Doppelmandaten können daraus entstehen, dass die Kontrolle des Doppelmandatsträgers schwieriger wird, wodurch neue Anreize für opportunistisches Verhalten entstehen. In der Literatur wird darauf verwiesen, dass bereits innerhalb des gleichen Vorstands sich dessen Mitglieder gegenseitig kontrollieren müssen.74 Dies gelte erst recht, wenn ein Mitglied ein Doppelmandatsträger ist. Ob die kollegiale Kontrolle tatsächlich opportunistisches Verhalten verhindern kann, erscheint fraglich. Bei Doppelmandaten vertrauen sowohl die anderen Organwalter in der Konzern-

71

Semler, Festschrift Stiefel, 719 (724). Decher, Personelle Verflechtungen, 74. 73 Martens, ZHR 159 (1995) 567 (571). 74 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (733 f.). 72

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obergesellschaft als auch im Tochterunternehmen auf die gleiche Mittlerperson. Dadurch erhöht sich die Anfälligkeit für Informationspathologien und sonstige fehlerhafte Kommunikation. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass andere Tochterunternehmen, denen kein Doppelmandat zugeordnet wurde, sich in der Konzernobergesellschaft unterrepräsentiert fühlen können. Dies kann für die Kooperationsbereitschaft hinderlich sein. Durch konzernweites Personalmanagement wird Kooperation also nicht per se erleichtert. Entscheidend ist, auf welche Weise die Entscheidungskompetenzen zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen verteilt sind und wie die Kooperation ausgestaltet wird. Dies ist unabhängig von personeller Verflechtung, gilt hier aber erst recht. 75 Für die Corporate Governance im Konzern durch konzernweite Personalplanung müssen die Grenzen einer Doppelmandatsvergabe mit Vorstandspositionen beachtet werden. Während eine sporadische Aufsichtsratstätigkeit in einer Vielzahl von Tochterunternehmen gleichzeitig möglich ist (§ 100 II AktG), sind Vorstandstätigkeiten aufgrund der damit verbundenen Geschäftsführungsverantwortung zu begrenzen. Große Konzerne mit einer hohen Anzahl von Tochterunternehmen können nur wenige Doppelmandate für Vorstandsmitglieder vergeben, die zugleich auch eine Vorstandsposition in der Konzernobergesellschaft innehaben. Die systematische Vergabe von Doppelmandaten auf Vorstandsebene bedingt somit die Auswahl weniger Tochterunternehmen, deren Bedeutung für den Gesamtkonzern durch einen Repräsentanten unterstrichen wird. Besonders wichtige Tochtergesellschaften „entsenden“ teilweise sogar ein zweites Mitglied in die Organe der Konzernobergesellschaft. 76 Damit wird die Gesamtzahl der im Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft repräsentierten Tochterunternehmen weiter eingeschränkt. Möglich ist auch eine weit verzweigte Konzernhierarchie, in der durch das jeweils vorgelagerte Tochterunternehmen Vorstandsmitglieder in die nächste Hierarchieebene „nach oben“ entsandt werden. Allgemein werden aber flache Hierarchien und kurze Kommunikationswege in der Corporate-Governance-Struktur als vorzugswürdig angesehen. 77 Schließlich sind horizontale Personalverflechtungen zwischen Tochterunternehmen denkbar. Sie können dazu genutzt werden, einen

75

Decher, Personelle Verflechtungen, 63. Decher, Personelle Verflechtungen, 67 f. 77 Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (737); Decher, Personelle Verflechtungen, 61. 76

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257

Spartenverbund zu festigen, die beteiligten Kapitalgesellschaften in anderer Art und Weise aneinanderzuknüpfen oder sogar Fusionen vorzubereiten.78 Auch hier bestehen Grenzen, soweit keine weit verzweigte Hierarchie geschaffen werden soll. Ohne die Bedeutung von Doppelmandaten auf Vorstandsebene zu negieren, ist festzustellen, dass Doppelmandate allenfalls für kleine Teilbereiche innerhalb eines Konzerns zur Verbesserung der Corporate Governance zwischen den beteiligten Kapitalgesellschaften beitragen können. Von einem betriebswirtschaftlichen Gebot zur Besetzung von Doppelmandaten auf Vorstandsebene, wie es teilweise gefordert wird79, kann nicht gesprochen werden. Die zentral gesteuerte Besetzung des Vorstands von Tochterunternehmen mit eigenen Leuten hat sich als ein „Akt selbstverständlicher Personalpolitik“ und als ein natürliches und probates Hilfsmittel zur Konzernleitung herausgebildet. 80 Sie mag die aktive Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften und den Informationsaustausch fördern. Eine solche konzernweite Personalpolitik der Konzernobergesellschaft ist allenfalls ein Hilfsmittel beim Aufbau konzernweiter Corporate Governance, das nicht als prägendes Element bei der Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzerngesellschaft und Tochterunternehmen verstanden werden sollte. c) Geschäftsführer Eine vergleichsweise Problematisierung von konzernweiter Personalplanung für Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH fehlt in der deutschen Literatur. Für die GmbH gilt das für die Aktiengesellschaft Festgestellte aber erst recht: Die Übernahme von Doppelmandaten in Tochterunternehmen und in der Konzernobergesellschaft verstößt grundsätzlich nicht gegen die allgemeine Treue- und Loyalitätspflicht, sondern ist durchaus üblich. 81 In der Unternehmenspraxis scheinen vor allem horizontale Organverflechtungen zwischen mehreren Tochterunternehmen, die als GmbH firmieren, üblich zu sein. Verlässliche empirische Untersuchungen dazu wurden aber noch nicht durchgeführt.

78

Decher, Personelle Verflechtungen, 86-89. Decher, Personelle Verflechtungen, 74. 80 Decher, Personelle Verflechtungen, 31. 81 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §14 Rn 84. 79

258

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

Aufgrund der Dispositivität des GmbH-Rechts im Innenverhältnis der Gesellschafter sind sie in ihrer Personalplanung und der diesbezüglichen Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns nicht eingeschränkt. Soweit der Doppelmandatsträger gleichzeitig dem Vorstand oder Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft angehört, sind die §§ 100 II, 88 I 2 AktG zu beachten. Eine äußere Grenze der Gestaltungsfreiheit stellen die unabdingbaren Pflichten der Geschäftsführung nach § 43 III 3 GmbHG (ggf. in Verbindung mit § 93 V 2, 3 AktG analog) dar.

d) Australien Im Rahmen der Untersuchung indirekter Einflussnahme auf die Geschäftsführung wird auch in der australischen Literatur die zentrale Rolle der Anteilseigner bei der Bestellung oder Abberufung von Direktoren aus dem Board betont.82 Anteilseigner und Mehrheitseigner nehmen regelmäßig nur dann Einfluss auf die aktive Geschäftsführung der Gesellschaft, wenn unternehmerische Zielvorgaben verfehlt werden. 83 Eine solche Einmischung liegt im Interesse aller Anteilseigner. Die Interessen des Mehrheitseigners bei der Personalplanung sind weitgehend identisch mit denen der anderen Anteilseigner. Folglich bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen dessen Dominanz bei der Beschlussfassung zur Wahl von Direktoren. Sie unterliegen dabei keiner Treueoder Loyalitätspflicht. “[A] shareholder will endeavour to appoint competent and trustworthy directors as a matter of self-interest, but not as a result of some legal duty attaching to the power to appoint.”84

Für die Rechtslage in Bezug auf die konzernweite Personalplanung gilt damit weitgehend das Gleiche wie für Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH in Deutschland. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft sind weitreichend. Die Geschäftsführungsorgane der Tochterunternehmen können ständig neu besetzt werden,

82

Yeung, LMCLQ 1997, 208 (243). Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (75). 84 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (245). 83

A. Personalpolitik

259

wodurch größerer Druck auf die Unternehmensführung ausgeübt werden kann. 85 In Australien werden alle Direktoren einer Kapitalgesellschaft, die formell oder de facto durch eine Person oder eine feste Personengruppe bestimmt werden, als Nominee Director bezeichnet. Ein Nominee Director repräsentiert in der Kapitalgesellschaft die Interessen dieser Person bzw. Personengruppe.86 Einseitige Einsetzungsbefugnisse können in der Unternehmensverfassung (Constitution) oder in einem besonderen Vertrag (Shareholders’ Agreement) eingeräumt werden. Als Einsetzungsberechtigte kommen neben einzelnen Anteilseignern vor allem Großgläubiger und Arbeitnehmer in Betracht. Allerdings wird in der Unternehmenspraxis nur ausnahmsweise das Recht, einseitig Direktoren bestimmen zu dürfen, formalisiert.87 Es gehört zur üblichen und regelmäßig unbedenklichen Geschäftspraxis, dass Anteilseigner mit großem Anteilsbesitz und vor allem Konzernobergesellschaften ihre Stimmmacht zur Benennung von Repräsentanten in den Organen und zur Durchsetzung eigener Personalpolitik nutzen. 88 Im Regelfall gehören dem Board eines australischen Tochterunternehmens neben Nominees auch von der Konzernobergesellschaft unabhängige Direktoren (Independend Director) an. 89 Weiterhin ist in angelsächsischen Rechtskreisen wie in Deutschland die Vergabe von Doppelmandaten (Common / Interlocking Directorships) in Konzernen ständige Praxis und wird dort von den Gerichten akzeptiert.90 Doppelmandate sind in Australien – wie auch in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien – verbreitet.91

85 Zu den diesbezüglichen Unterschieden zu deutschen Aktiengesellschaften: EscherWeingart, ZVglRWiss 99 (2000) 387 (391). 86 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (213). 87 Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (144); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (214). 88 Afterman, Company Directors and Controllers, 6; Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (144); Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 4; Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (214); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (212 f.). 89 CASAC, Corporate Groups, [2.82]. 90 Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (358 – Owen J); Blumberg, Multinational Challenge, 94; Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 4; Thompson, Conn J Int'l L 13 (1999) 379 (389). 91 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (230).

260

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

In kleinen Konzernen kommt es vereinzelt zu identisch besetzten Boards in unterschiedlichen Kapitalgesellschaften. 92 Aber auch in hoch komplexen Organisationen gibt es Fälle, in denen die Boards verschiedener Kapitalgesellschaften identisch besetzt wurden. 93 Im Gegensatz zur deutschen GmbH, in der Doppelmandate mangels eines Aufsichtsgremiums nur an Geschäftsführer selbst vergeben werden können, ist in Australien ein Doppelmandatsträger meist ein Non-Executive Director.94 Innerhalb der Kapitalgesellschaft kommt dem Non-Executive Director typischerweise nur eine Kontroll- und Aufsichtsfunktion zu.

3. Governance-Probleme aus Sicht der Konzernobergesellschaft Doppelmandate und der Einsatz eines Nominee Director können allerdings Haftungsrisiken für die Konzernobergesellschaft auslösen. Unter welchen Voraussetzungen die Konzernobergesellschaft für Schulden von Tochterunternehmen oder für das Fehlverhalten eigener Organe einzustehen hat, wurde bereits unter Teil 4 B oben behandelt. Ergänzend sei hier darauf hingewiesen, dass die Regeln zu Shadow Director oder Officer nicht allein aufgrund der Entsendung von Gefolgsleuten in die Organe von Tochterunternehmen einschlägig sind. Im Folgenden geht es um die potenzielle Haftung der Konzernobergesellschaft für Fehlverhalten der entsandten Organwalter in den Tochterunternehmen. Diese Fragestellung wird ausführlich im australischen Recht problematisiert, ist der Diskussion in Deutschland dagegen weitgehend fremd. Das wichtigste Rechtsinstitut in Australien, an Hand dessen eine Haftungszurechnung für Fehlverhalten in Tochterunternehmen durch entsandte Organwalter (Nominee Director bzw. Doppelmandatsträger) diskutiert wird, ist die Vicarious Liability (Haftung für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen). Mit dieser Rechtsfigur wird die gesamtschuldnerische Haftung von Handelndem und Hintermann aus nichtvertraglichen Schuldverhältnissen zusammengefasst. Sie beruht fast ausschließlich auf einer deliktischen Handlung. Die Haftung ist insofern ähnlich der deutschen Haftung für Verrichtungsgehilfen in § 831 BGB.

92

Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (226). Vgl. Lewis v Doran (2004) 208 ALR 385 LEXIS. 94 Carrigan, AJCL 14 (2002) 215 (230). 93

A. Personalpolitik

261

In Australien ist die Haftung der Konzernobergesellschaft für ein Fehlverhalten der eigenen Organe anerkannt, z.B. wenn diese in verbotener Weise Einfluss auf Tochterunternehmen ausüben. Das Gleiche gilt in Deutschland nach § 31 BGB. Für eine Haftung der Konzernobergesellschaft bei unzulässiger Einflussnahme durch ihre eigenen Organe auf Tochterunternehmen kommt zudem die §§ 117, 317 I AktG, eine Haftung aus Verletzung des Beherrschungsvertrags und aus Treuepflichtverletzung in Betracht. Kontrovers wird in Australien die Frage diskutiert, ob eine Haftung nach den Grundsätzen der Vicarious Liability auch angenommen werden kann für Fehlverhalten eines Nominee Director in Tochterunternehmen. 95 Diese Haftung ist in Deutschland ausgeschlossen. Organwalter anderer Kapitalgesellschaften sind weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfen der Konzernobergesellschaft in ihrer Funktion als Anteilseigner oder sonst Entsendungsberechtigter. 96 Dies gilt hier auch für Doppelmandatsträger. Im australischen Recht gibt es für die Haftung nach den Grundsätzen der Vicarious Liability unterschiedliche Fallgruppen. Im Zusammenhang mit dem Nominee Director wird die Haftung bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Direktor diskutiert. Dafür muss erstens ein Arbeitsverhältnis bestehen, zweitens die pflichtwidrige Handlung im Rahmen der Anstellung erfolgt sein („Within the Course of Employment“) und drittens muss die Handlung mit dem Arbeitnehmer in Verbindung gebracht werden können. 97 Ein Nominee Director in Australien ist regelmäßig beim Einsetzungsbefugten angestellt und wird ausschließlich von ihm vergütet.98 Entsprechende Tendenzen gibt es offenbar auch in Deutschland.99 Regelmäßig werden die entsandten Personen für ihre Organtätigkeit in den Tochterunternehmen von ihren sonstigen Arbeitsverpflichtungen gegenüber der Konzernobergesellschaft freigestellt. Auch in der deutschen Literatur wird – wenn auch nur aus steuerlichen Gründen – empfohlen, Personen, die als Repräsentanten in australische Tochterunternehmen entsendet werden, durch die deutsche Konzernobergesellschaft zu entgelten.100 Dieser Sachverhalt ist aber nicht ausreichend, um ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Vicarious Liability festzustellen. Im Rahmen

95

Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 22. Bork, ZGR 1994, 237 (254 f.). 97 Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (82); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (245). 98 Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (83). 99 Zuletzt: BFH, Der Konzern 2004, 439. 100 Andresen, IWB 2001/3 Fach 9, Australien, Gruppe 2, 161-176 und IWB 2001/4 Fach 9, Australien, Gruppe 2, 177-190. 96

262

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

der Vicarious Liability wird ein Arbeitsverhältnis angenommen, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der konkreten Abreden folgende Rechte zustehen: “the right to control […] the right to suspend or dismiss the person engaged, the right to the exclusive services of the person engaged, and the right to dictate the place of work, hours of work and the like”. 101

Für die Feststellung, ob die Handlung im Rahmen der Anstellung erfolgte, gilt folgende Bedingung: “[I]t [must be] an unauthorised mode of carrying out an authorised act. Where, however, the unauthorised act in question differs in kind from the acts that the employee is employed to perform, the act is said to fall outside the course of employment.”102

Diese Voraussetzungen gelten nicht nur für Australien, sondern entsprechen auch dem Common Law in Großbritannien und Neuseeland, deren Präzedenzfälle im Rahmen der Haftungszurechnung beim Nominee Director in der australischen Diskussion Berücksichtigung finden. Das britische Privy Council hat 1991 in Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees entschieden, dass beim Einsetzungsbefugten angestellte Direktoren die Wünsche und Weisungen dieses Arbeitgebers unberücksichtigt lassen müssen, soweit sie ihre Tätigkeit als Organwalter eines Tochterunternehmens ausführen. Unabhängig davon, ob der Nominee Director seine Tätigkeit als Direktor auf Kosten des Arbeitgebers und während seiner Arbeitszeit ausführte, geschah die in Frage stehende Pflichtverletzung in der Position des Direktors des Tochterunternehmens und nicht in der eines Angestellten des Arbeitgebers. Folglich lehnte das Gericht eine Haftung nach den Regeln der Vicarious Liability ab. 103 Dieses Ergebnis wurde kritisiert in der neuseeländischen Entscheidung Dairy Containers: “The plain fact of the matter is that employee-directors do not undertake their responsibilities to the company without regard to the interests of their employer

101

Stevens v Brodribb Sawmilling Co Pty Ltd (1986) 160 CLR 16 (36 f. – Wilson, Dawson JJ). 102 Bugge v Brown (1919) 26 CLR 110 (133 – Higgins J) zit. n. Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (88). 103 Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] AC 187 (221 f. – Lowry LJ).

A. Personalpolitik

263

[...] And they are expected to report back to their employers [...] most nominee directors would feel less than conscientious if they did not diligently pursue their employer’s interests and reserve their primary or ultimate loyalty for their masters and not the company which they have been appointed.”104

Im konkreten Fall war das Gericht aber durch Kuwait Asia Bank v National Life Nominees gebunden und konnte keine abweichende Entscheidung treffen. Australische Gerichte sind durch keine der beiden Entscheidungen rechtlich gebunden. Beide haben dort dennoch eine hohe Autorität. Eine Entscheidung, ob eine Haftung des Entsendungsbefugten nach den Grundsätzen der Vicarious Liability anzunehmen ist, steht in Australien noch aus. 105 In der australischen Literatur wird die Haftung teilweise bejaht. Der Entsendungsbefugte soll für den Schaden einstehen, den Personen verursachen, die zur Wahrung seiner Interessen eingesetzt sind und sogar seine Eigeninteressen in ihren Entscheidungen berücksichtigen dürften. 106 Durch eine Haftung würden zudem Anreize geschaffen, den Nominee Director zu überwachen und Fehlverhalten im Voraus zu verhindern. 107 Dies liege im Interesse aller Akteure. Gegen eine Haftung des Entsendungsbefugten nach den Regeln der Vicarious Liability spricht, dass damit de facto eine Sorgfaltspflicht des betreffenden Anteilseigners gegenüber den übrigen Anteilseignern und den Gläubigern der Gesellschaft geschaffen würde. Eine solche Pflicht wird aber allgemein abgelehnt. 108 Zudem ist eine mögliche Haftung nach den Regeln zum Shadow Director für die relevanten Fälle hinreichend. Wird das Tochterunternehmen zentral geleitet und beeinflusst die Konzernobergesellschaft die Entscheidungen ihres Nominee Director, ist sie selbst Shadow Director und bei einer Einflussnahme, die den Interessen des Tochterunternehmens zuwiderläuft, unmittelbar selbst haftbar. 109 Soweit dagegen der Entsendungsbefugte die Geschäftspolitik des Unternehmens nicht tatsächlich beeinflusst, besteht kein

104

Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 NZLR 30 (94 f. – Thomas J). CASAC, Corporate Groups, [2.148]; Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (87). 106 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (649); Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (85). 107 Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (86); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (250). 108 Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] AC 187 (221 – Lowry LJ); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (245). 109 Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (358 – hebt Probleme bei der (prozessualen) Feststellung der Voraussetzungen zum Shadow Director hervor). 105

264

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

Grund für eine Haftung. 110 Andernfalls müsste die Konzernobergesellschaft auch bei einer modularen Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften und auch bei Netzwerkstrukturen ein umfangreiches Kontroll- und Überwachungssystem über jeden Nominee Director aufbauen, um eigenes Haftungspotential zu minimieren. Dies würde Kosten verursachen und konterkarierte solche Konzernstrukturen, in denen die Tochterunternehmen weitgehend autonom und unabhängig von einander handeln. Die Frage der Anwendbarkeit der Regeln der Vicarious Liability in Konzernzusammenhängen ist in Australien noch ungeklärt. Sollte entgegen der herrschenden Unternehmenspraxis in Australien ausnahmsweise ein Nominee Director kein formelles Arbeitsverhältnis zur Konzernobergesellschaft eingegangen sein, ist die hier diskutierte Fallgruppe der Vicarious Liability nicht einschlägig. Dann kann eine entsprechende Diskussion mit weitgehend identischen Argumenten auf der Grundlage der Fallgruppe der Vertreterhaftung im Rahmen der Vicarious Liability geführt werden.111 Neben der Vicarious Liability kann an eine Haftung des Vertretenden für den Vertreter – entsprechend der im Rahmen der Durchgriffshaftung geführten Diskussion – gedacht werden. 112 Diese Haftung wurde in Kuwait Asia Bank v National Life Nominees abgelehnt. Das Gericht in Dairy Containers stimmte in diesem Punkt der Entscheidung Kuwait Asia Bank v National Life Nominees zu. Schließlich käme eine Haftung nach den Grundsätzen der Doktrin in Barnes v Addy in Frage. 113 Eine Haftung nach diesen beiden Grundsätzen ist nach dem oben zur Durchgriffshaftung Gesagten restriktiv auszulegen und regelmäßig abzulehnen. Eine Haftung der Konzernobergesellschaft nach den Grundsätzen der Haftung eines Shadow Director ist ausreichend. Insgesamt sprechen die besseren Gründe für eine Ablehnung weiter gehender Haftungsregeln für Fehlverhalten eines Nominee Director nach Grundsätzen des Common Law. Die Vergabe von Doppelmandaten und die Entsendung von Gefolgsleuten in Tochterunternehmen führt weder in Australien noch in Deutschland zu besonderen Pflichten oder Haftungsrisiken

110

Collins, Modern Law Review 53 (1990) 731 (742 – führt dieses Argument als Teil der Diskussion zu den Regeln des Shadow Direcktor an). 111 Standard Chartered Bank of Australia v Antico (1995) 131 ALR 1 (33 – Hodgson J); Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (82 – Fn. 7). 112 Vgl. oben: Teil 4 B.I.2., ab Seite 137, insbes.: Seite 140. 113 Vgl. oben: Teil 4 B.I.2., ab Seite 137, insbes.: Seite 144.

A. Personalpolitik

265

für die Konzernobergesellschaft, die über das in Teil 4 Gesagte hinausgeht. In Australien herrscht allerdings Rechtsunsicherheit, wodurch eine solche Personalpolitik potenziell unattraktiver wird.

II. Entsendete Personen Die Stellung der Konzernobergesellschaft als bedeutender oder sogar als einziger Anteilseigner der Tochterunternehmen, die für einen Teil der Personalplanung in den Tochterunternehmen zuständig sind, wurde bislang unter den Gesichtspunkten der Pflichten der Akteure in der Konzernobergesellschaft und des aus der Personalplanung entstehenden Haftungspotentials für die Konzernobergesellschaft untersucht. Die Beurteilung der Wirkungsweise der Regulierung ist zusätzlich abhängig von den Auswirkungen, die eine konzernweite Personalplanung auf die Aufgaben der Organwalter in den Tochterunternehmen hat. Sie soll im Folgenden erörtert werden. Sowohl in Australien als auch in Deutschland werden verschiedene Auswirkungen diskutiert, die eine zentrale Personalplanung der Konzernobergesellschaft auf die Pflichtenstellung der entsandten Organwalter hat. In Australien wird dieses Problem sowohl allgemein für den Nominee Director diskutiert, als auch in Bezug auf die Besonderheiten bei Doppelmandaten. In Deutschland beherrscht die Diskussion vor allem letztere Konstellation. Inhaltlich entsprechen sich dennoch die in beiden Rechtsordnungen diskutierten Problemstellungen und können einander gegenübergestellt werden.

1. Nominee Director Die in Australien übliche Bezeichnung Nominee Director ist weder im Gesetz noch im Fallrecht definiert. Auch müssen diese Organwalter ihre Eigenschaft als Repräsentanten bestimmter Interessen nicht offen legen. 114 Praktisch unterscheiden sie sich nicht von anderen Direktoren in der Gesellschaft. Dennoch ist die Bestimmung der Rechte und Pflichten eines Nominee Director kontrovers.115 Vor allem werden bei der Auslegung des Begriffs „Interests of the Company“ im Sinne des Common Law und des Corporations Act für den Nominee Director andere Präzedenzfälle diskutiert als für Direktoren und

114 115

CASAC, Corporate Groups, [2.76]. Pizer, CSLJ 15 (1997) 81 (81); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (213).

266

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

Officer allgemein.116 Dabei geht es um die Fragen, ob ein Nominee Director in Australien besondere Rechte und Pflichten haben und inwiefern sie in ihren Entscheidungen als Organwalter die Interessen der sie einsetzenden Personen berücksichtigen dürfen. Fünf Präzedenzfälle aus Australien und in Neuseeland sind bei der Beantwortung dieser Fragen zu berücksichtigen. Die erste Entscheidung ist Levin v Clark von 1962.117 Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Unternehmensverfassung (damals Articles of Association) der Gesellschaft war dahingehend geändert worden, dass bei Verletzung der Pflichten eines Pfandvertrages zwei namentlich bestimmte Personen als Direktoren die Kontrolle über die Kapitalgesellschaft übernehmen sollten. Diese beiden Personen waren mit je einem Anteil an der Gesellschaft beteiligt. Sie wurden in der Unternehmensverfassung nicht ausdrücklich als Repräsentanten des Pfandgläubigers bezeichnet, noch wurde ihnen ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen, dessen Interessen zu vertreten. Der einzige weitere Anteilseigner in der Gesellschaft war der Mehrheitseigner. Er führte die Gesellschaft als Executive Director (Managing Director). Bei Eintritt der Bedingung trafen die beiden genannten Direktoren eine Reihe unternehmerischer Entscheidungen. Unter anderem verfügten sie die Absetzung des Executive Director und die eigene Übernahme der Kontrolle über die Geschäftsführung. Hiergegen wandte sich der Kläger. 118 Das Gericht stellte fest, dass es im Einzelfall dem Unternehmensinteresse (Interests of the Company) entsprechen könne, wenn einzelne Direktoren als Vertreter bestimmter Interessen in der Gesellschaft bestellt werden. Diese Direktoren würden bei der ausschließlichen Vertretung dieser Interessen auch stets im Unternehmensinteresse handeln. Eine derartige Lösung entnahm das Gericht konkludent der Unternehmensverfassung. Folglich waren die angegriffenen Entscheidungen der neuen Direktoren nicht zu beanstanden.119 Der gleiche Richter entschied 1965 den Fall Re Broadcasting Station 2GB Ltd (2GB). 120 Hier waren vier der insgesamt sieben Direktoren von 2GB als Repräsentanten des Mehrheitsgesellschafters bestellt. Ein Direktor sollte die Wahrung der Interessen von außenstehenden Anteilseignern überwachen. Der sechste war Nominee Director von Fairfax und der siebte Direktor war als Managing Director (CEO) eingesetzt, ohne bei der Geschäftsführung auf

116

Vgl. oben: Teil 4 C.I., Seite 206. Levin v Clark [1962] NSWR 686 (Jacobs J). 118 Levin v Clark [1962] NSWR 686 (689, 694 f. – Jacobs J). 119 Levin v Clark [1962] NSWR 686 (700 f. – Jacobs J). 120 Re Broadcasting Station 2GB Ltd [1964-5] NSWR 1648 (Jacobs J). 117

A. Personalpolitik

267

bestimmte Interessen beschränkt zu sein. Diese Verteilungsregel war nicht formalisiert. Die einzige Erwähnung eines Nominee Director in der Unternehmensverfassung ist für die vorliegende Konstellation ohne Relevanz. In dieser Ausgangslage kaufte Fairfax die Anteile des Mehrheitseigners, der zusagte, dass die von ihm benannten Direktoren ihre Positionen niederlegen würden. Zwei der vier Direktoren verweigerten aber die Amtsniederlegung mit der Begründung, dass sie im General Meeting aller Anteilseigner gewählt wurden. Im Übrigen verwiesen sie darauf, dass sie selbst außenstehende Anteilseigner seien. Um dennoch die Stimmenmehrheit im Board durch Fairfax zu sichern, wurden zunächst die zwei vakanten Positionen neu besetzt. Zusätzlich wurden zwei neue Direktorenposten geschaffen, was nach der Unternehmensverfassung möglich war. Gegen diese Änderungen der Zusammensetzung des Boards wandten sich die Kläger. 121 Das Gericht wies die Klage ab und erklärte, dass die neuen Direktoren in Übereinstimmung mit den Bitten und Wünschen von Fairfax handeln dürften. Die Grenze der Entscheidungsfreiheit sei erst erreicht, wenn die Direktoren selbst zu der Auffassung kämen, ihre Entscheidungen seien mit den Unternehmensinteressen nicht zu vereinbaren. Soweit die neuen Direktoren meinten, dass es keine Interessenunterschiede zwischen Fairfax und 2GB gäbe, könnten sie die Vorgaben von Fairfax weitgehend ohne genaue Einzelfallprüfung übernehmen. Das Gericht führte aus: Directors do not have to “approach each company problem with a completely open mind, […] to require this of each director of a company is to ignore the realities of company organisation. Also, such a requirement would, in effect, make the position of a nominee or representative director an impossibility.”122

Als dritter Präzedenzfall in Bezug auf einen Nominee Director wird die bereits diskutierte Entscheidung in Bennetts genannt. 123 Hier handelte es sich um ein staatlich errichtetes Gremium (Board), dem unter anderem ein Arbeitnehmervertreter angehörte. Das Gericht verwehrte dem Nominee Director das Recht, dem Gremium dadurch zu schaden, dass er ausschließlich die Partikularinteressen seiner Interessengruppe verfolge. 124 Dennoch führte es aus, dass der Nominee Director vorerst den Interessen dienen müsse, zu dessen Repräsentierung er bestellt wurde:

121

Re Broadcasting Station 2GB Ltd [1964-5] NSWR 1648 (1650, 1654-1656 – Jacobs J). 122 Re Broadcasting Station 2GB Ltd [1964-5] NSWR 1648 (1663 – Jacobs J). 123 Vgl. oben: Teil 3 B.II., Seite 92. 124 Bennetts v Board of Fire Commissioners of NSW (1967) 87 WN (Pt 1) (NSW) 307 (310 – Street J).

268

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner The board member must assume a “predominant duty to serve the interests of the board in preference, on every occasion upon which any conflict might arise, to serving the interests of the group which appointed him.”125

In einem vierten Präzedenzfall, der ebenfalls bereits diskutiert wurde, ging es um einen Zusammenschluss von einer australischen Kapitalgesellschaft mit Anteilseignern aus Neuseeland zur Firma Berlei Hestia (NZ). 126 An beide Gruppen wurden Anteile unterschiedlicher Klassen ausgegeben. Nach der Unternehmensverfassung sollte jede Klasse einen Repräsentanten in das Board entsenden können. Damit konnte jede Seite das Board seiner Arbeitsfähigkeit berauben. Berlei Hestia trat später in Konkurrenz zu der australischen Gesellschaft. Daraufhin wurde die Erteilung von Auskünften an den Nominee Director der australischen Gesellschaft verweigert. 127 Dagegen wandte sich der Kläger. Das Gericht erkannte, dass jedes Mitglied des Boards eine Gesamtverantwortung gegenüber der Gesellschaft als solcher habe. Diese Verantwortung könne durch die Anteilseigner abbedungen werden, soweit die Rechte außenstehender Dritter dadurch nicht gefährdet werden. Der konkreten Unternehmensverfassung sei inzident zu entnehmen, dass die Direktoren besondere Pflichten gegenüber der sie einsetzenden Klasse von Anteilseignern hätten, die neben die allgemeinen Pflichten der Direktoren träten. 128 Der letzte für die Auslegung der Pflichten eines Nominee Director wichtige Präzedenzfall umfasst ein Joint Venture zwischen drei Gesellschaften, die sich in einem gesonderten Vertrag (Shareholders’ Agreement) darauf einigten, dass jeder zwei Direktoren benennen kann und dass bestimmte unternehmerische Entscheidungen der Einstimmigkeit bedürfen. In der Klage wurde die Zustimmungsverweigerung der Nominee Director eines Joint-Venture-Partners angegriffen, allerdings ohne Erfolg. 129 Das Gericht erkannte an, dass die tatsächlichen unternehmerischen Entscheidungen der Direktoren durch die Anteilseigner getätigt wurden. Die Joint-Venture-Partner dürften in ihren Ent-

125

Bennetts v Board of Fire Commissioners of NSW (1967) 87 WN (Pt 1) (NSW) 307 (311 – Street J). 126 Vgl. oben: Teil 3 B.II., Seite 92, insbes.: Seite 93. 127 Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (152-154 – Mahon J). 128 Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (166 – Mahon J). 129 Japan Abrasive Materials Pty Ltd v Australian Fused Materials Pty Ltd (1998) 16 ACLC 1172 (1175 – Templeman J).

A. Personalpolitik

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scheidungen ihre eigenen Interessen verfolgen und ein Nominee Director könne diese übernehmen. 130 Diese fünf Präzedenzfälle sind ähnlich. Am weitesten scheinen die Pflichten des Nominee Director zugunsten der jeweils repräsentierten Interessengruppe in der Entscheidung Bennetts zu gehen. Diese Entscheidung darf aber nicht überbewertet werden. Schließlich wies dort das Gericht die Klage des Nominee Director ab. Es entschied, dass er nicht die Interessen des Boards zugunsten der von ihm vertretenen Gruppe gefährden dürfe. Überdies handelt es sich in dem Fall um keine privatrechtliche Kapitalgesellschaft, sondern um ein durch Gesetz eingerichtetes Gremium.131 Die Entscheidung wurde durch das gleiche Gericht gefällt, in der auch Levin v Clark und 2GB entschieden wurden. Dennoch finden diese zum Zeitpunkt der Bennetts-Entscheidung zwei und fünf Jahre alten Entscheidungen in der Urteilsbegründung keine Erwähnung.132 Im Umkehrschluss sollte Bennetts auf private Kapitalgesellschaften allenfalls mit Vorsicht angewendet werden, sofern die Entscheidung inhaltlich abweichend von den anderen interpretiert wird. Als zweite Besonderheit ist die Entscheidung 2GB zu nennen. Diese Entscheidung ist die einzige der diskutierten Präzedenzfälle, in der der Unternehmensverfassung kein relevanter Verweis auf den Nominee Director entnommen werden konnte. 133 Hier kam das Gericht zum Ergebnis, dass der Nominee Director pflichtgemäß handele, indem er andere als die Gesellschaftsinteressen verfolge, soweit die konkreten Maßnahmen auch den Gesellschaftsinteressen dienen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass regelmäßig Gesellschaftsinteressen und die Interessen des Einsetzungsbefugten übereinstimmen.134 Diese Feststellungen gleichen der Auslegung der Pflichtenstellung des Nominee Director und des Begriffs „Interests of the Company“ für Direktoren allgemein und für Direktoren in Tochterunternehmen im Besonderen. 135 Es gilt Folgendes: Unabhängig von den diskutierten Präzedenzfällen wird die Pflichtmäßigkeit von Maßnahmen eines Direktors an den Interessen der konkreten Kapitalgesellschaft gemessen. Personen mit faktischer Einsetzungs-

130

Japan Abrasive Materials Pty Ltd v Australian Fused Materials Pty Ltd (1998) 16 ACLC 1172 (1177 – Templeman J). 131 Vgl.: Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (144). 132 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (219). 133 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (218). 134 Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218). 135 Vgl. oben: Teil 4 C.I., Seite 206.

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befugnis benennen regelmäßig Direktoren, die kompetent und zuverlässig sind und denen sie zutrauen, die jeweiligen Unternehmensziele zu verwirklichen.136 Auch aus der Sicht von Konzernobergesellschaften kommt es darauf an, dass die Akteure in den Tochterunternehmen die im jeweiligen Tochterunternehmen zusammengefassten Partikularinteressen verfolgen, was inzident den Interessen der Konzernobergesellschaft dient. Die Direktoren sollen dabei die konkrete Unternehmenssituation nicht aus den Augen verlieren und müssen den Konzernzusammenhang beachten. Soweit aktive Kooperation wie ein Gegenseitiges-Nehmen-und-Geben ausgestaltet wird, sind die Interessen des Tochterunternehmens gewahrt. Regelmäßig gibt es für den Nominee Director keine Interessengegensätze. Alle relevanten Interessen können vielmehr miteinander in Einklang gebracht werden. 137 Nur wenn ausnahmsweise doch ein Interessengegensatz auftritt, muss der Nominee Director diesen benennen und sich bei der Abstimmung zumindest der Stimme enthalten. Diese Regeln können den allgemeinen Pflichten der Direktoren nach Common Law und Corporations Act entnommen werden. Sie ergeben sich auch aus der Entscheidung 2GB in Bezug auf den Nominee Director. Entgegen vereinzelt anders lautenden Aussagen in der australischen Literatur138 stellt folglich dieser Präzedenzfall keine neuen, abweichenden Regeln auf. Ein Nominee Director handelt pflichtgemäß, auch wenn sie nur die Interessen der konkret für ihre Einsetzung berechtigten Person verfolgen. Sie müssen dabei der Meinung sein und auch sein dürfen, dass dessen Interessen mit denen der Gesellschaft übereinstimmen. 139 In den verbleibenden drei Entscheidungen zum Nominee Director waren in der Unternehmensverfassung bzw. in einer sonstigen formellen Absprache (Shareholders’ Agreement) ausdrücklich Einsetzungsbefugnisse für einzelne Direktorenposten vereinbart. In derartigen Konstellationen wurde die inzidente Entscheidung entnommen, dass die jeweiligen Direktoren zur Wahrung der Interessen des Einsetzungsbefugten bestellt werden sollten. 140 Dies basiert auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass Direktoren Treuhänder und Sachwalter über das in der Gesellschaft zusammengefasste Vermögen sind und dass deren

136

Austin, in: Rickett/Grantham, Corporate Personality, 71 (75); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (218, 245). 137 Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (145); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (215). 138 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (218). 139 Austin, in: Gillooly, Corporate Groups, 133 (145); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (221 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (217). 140 CASAC, Corporate Groups, [2.94]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (217).

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Rechte und Pflichten abdingbar sind. 141 Das Gleiche gilt in Deutschland für die GmbH, § 43 GmbHG (ggf. in Verbindung mit § 93 V 2, 3 AktG analog). Ein australischer Nominee Director ist allgemein zur Wahrung der in der Gesellschaft zusammengefassten Interessen verpflichtet und haben zusätzlich besondere Aufgaben gegenüber dem formell Einsetzungsbefugten. 142 Damit gleicht die Grundaussage dieser drei Präzedenzfälle auch der in 2GB und damit den allgemeinen Regeln. 143 Grundsätzlich entstehen keine Interessengegensätze zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns. Insbesondere gibt es kein Eigeninteresse der Organisation unabhängig von ihren Akteuren. Folglich kann ein Nominee Director die „Interests of the Company” dadurch verfolgen, in dem er die Interessen des Einsetzungsbefugten im Rahmen seiner Aufgaben in der Gesellschaft verfolgt. Der Nominee Director verletzt grundsätzlich nur dann seine Pflichten, wenn er bewusst der Gesellschaft zugunsten des Einsetzungsbefugten Schaden zufügen. 144 Es gibt keine grundlegenden Gegensätze zwischen dem australischen und neuseeländischen Fallrecht zum Nominee Director einerseits und den weitgehend aus England übernommenen allgemeinen Regeln zu den Pflichten von Direktoren andererseits. 145

2. Interessenkonflikte von Doppelmandatsträgern In Deutschland gibt es mit der in Australien geführten Diskussion über die Pflichten eines Nominee Director vergleichbare Problemkonstellationen in Konzernen. Die Thematik wird hier allerdings auf die Stellung von Doppelmandatsträgern begrenzt, wäre inhaltlich aber auf alle durch Entsendungsberechtigte benannte Organwalter (dem deutschen Korrelat zum Nominee Director) übertragbar. Im Ausgangspunkt der Diskussion in Deutschland stehen zwei Feststellungen. Erstens müssen Organwalter in Kapitalgesellschaften für pflichtwidriges Verhalten stets unmittelbar selbst einstehen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie als Interessenvertreter, Strohmann, Repräsentant, etc. eines Dritten auftreten

141

Levin v Clark [1962] NSWR 606 (701 – Jacobs J). Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 NZLR 150 (165 – Mahon J). 143 Ähnlich: Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (643). 144 CASAC, Corporate Groups, [2.95]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (216). 145 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (220); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (215 f.). 142

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und auch unabhängig davon, ob die Gesellschaft weiß, dass der Organwalter von einem Dritten in seinen Handlungen beeinflusst wird. 146 Zweitens sind die Pflichten des Organwalters gegenüber der jeweiligen Gesellschaft stets unabhängig von dessen Pflichten gegenüber Dritten. Die Pflichterfüllung gegenüber der einen Gesellschaft kann also keine Pflichtverletzung gegenüber der anderen rechtfertigen.147 Diese Feststellungen gelten sowohl für Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als auch für Geschäftsführer einer GmbH. Sie gleichen weitgehend den Auslegungsergebnissen im australischen Recht. Ungeachtet der einhelligen Zustimmung zu diesen Grundsätzen gibt es in der deutschen Literatur und Rechtsprechung bei ihrer Anwendung Unterschiede.148 Der zweite Grundsatz, nach dem Vorgaben aus der Konzernobergesellschaft den Doppelmandatsträger in der Ausführung seiner Aufgaben in dem Tochterunternehmen nicht binden, führt allgemein zu der Schlussfolgerung, dass – unabhängig von einer zentralen Vorgabe – alle Organwalter in jedem Einzelfall zu einer Überprüfung der Veranlassungen am Maßstab des Eigeninteresses der Gesellschaft verpflichtet sind.149 Sie scheint nun auch in der Formulierung der Business Judgment Rule in § 93 I 2 AktG einen Niederschlag gefunden zu haben. Allerdings ist die Interpretation des Rechtsbegriffs Wohl der Gesellschaft kontrovers. 150 Jedenfalls gehen die Verpflichtungen von Doppelmandatsträgern nach deutschem Recht weiter als die in Australien mit der Entscheidung zu 2GB aufgestellten Maßstäbe. Dort sah das Gericht Direktoren, die eine Interessenidentität beider Gesellschaften festgestellt hatten, als berechtigt an, Vorgaben von der Konzernobergesellschaft ohne genaue Einzelfallprüfung zu übernehmen. 151 Das australische Gericht lässt damit eine zweistufige Prüfung externer Einflussnahme durch Direktoren zu, wie sie in Deutschland bislang nicht diskutiert wird. Die Verpflichtung von Doppelmandatsträgern, auch gegenüber der Konzernobergesellschaft die Interessen der Tochterunternehmen zu vertreten, ist in Australien und in Deutschland gleich. Sie ist für Doppelmandatsträger nicht

146

Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 69. Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1019); Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (576 f.). 148 Überblick: Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1021 f.). 149 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1019). 150 Spindler, NZG 2005, 865 (872) m.w.N. 151 Vgl. oben: Teil 5 A.II.1., ab Seite 265, insbes.: Seite 266. 147

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anders als die in Teil 4 C.II getroffenen Feststellungen für sonstige Organwalter in Tochterunternehmen. 152 Als Konsequenz daraus wird für Doppelmandatsträger in der deutschen Literatur betont, dass Doppelmandatsträger selbst bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags die anderen Organwalter im Tochterunternehmen ggf. auf die Unwirksamkeit einer Weisung hinweisen und gegen die Weisung in dem Tochterunternehmen vorgehen müssen. 153 Einer anderen Auffassung zufolge müsse ein Organwalter sogar stets den Eindruck vermeiden, durch Eigen- oder Drittinteressen bei der Ausübung seiner Tätigkeit beeinflusst zu sein. 154 Dem steht eine vierte Auffassung nahe, Repräsentanten der Konzernobergesellschaft könnten prinzipiell, nicht einmal in Aufsichtsorganen von Tochterunternehmen, ihrer Aufgabe als Mithüter über die Vermögensinteressen des Tochterunternehmens in geeigneter Weise nachkommen. 155 Schließlich wird aufgrund der separaten Verpflichtung gegenüber jeder Kapitalgesellschaft die Auffassung vertreten, Doppelmandate seien ausschließlich bei einer Eingliederung unproblematisch. 156 Wieder andere meinen, potenzielle Interessenkonflikte von Doppelmandatsträgern lägen den Abschluss von Beherrschungsverträgen nahe. 157 Zumindest wäre das Potential von Interessenkonflikten dort und bei Tochterunternehmen in der Rechtsform der GmbH aufgrund des Weisungsrechts niedriger. 158 Die Eigenverantwortung des Vorstands bei einem faktischen AG-Konzern und die gleichzeitige Verpflichtung der Organe der Konzernobergesellschaft auf deren Interessen führten beim faktischen AG-Konzern zu einem durchgängigen Interessenkonflikt des Doppelmandatsträgers. 159 Eine weitere Ansicht betont, dass es auch im faktischen AG-Konzern dann zu keinen Konflikten käme, wenn Gläubigerinteressen geschützt blieben und keine Minderheitenaktionäre vorhanden seien.160 Letztere Auffassung basiert auf pauschalisierten Beurteilungen von Unternehmensinteressen, die der in 2GB getroffenen Ent-

152

Vgl. oben: Teil 4 C., Seite 206. Semler, Festschrift Stiefel, 719 (751, 756). 154 Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 145. 155 Decher, Personelle Verflechtungen, 165. 156 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (749). 157 Martens, Festschrift Heinsius 523 (532 f.). 158 Decher, Personelle Verflechtungen, 28. 159 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1018). 160 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (574 f.). 153

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scheidung nahe kommen. Dort gab es allerdings außenstehende Anteilseigner und die Direktoren durften auch ohne Bestehen einer Verlustübernahmeverpflichtung von einer generellen Interessenidentität ausgehen. Vielfach wird in der deutschen Literatur die Auffassung vertreten, tatsächliche Interessen- und Loyalitätskonflikte des Doppelmandatsträgers seien unumgänglich. 161 Diese Annahme beruht auf der Auffassung, dass die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane stets ausschließlich den Eigeninteressen verpflichtet seien und unbeachtet von externen Einflüssen zu entscheiden hätten. 162 Das Bestehen von Loyalitätskonflikten wird von anderen grundsätzlich hingenommen. 163 Der Doppelmandatsträger habe zunächst das Recht, im jeweiligen Organ die Interessen der anderen Gesellschaft „zur Erweiterung des Argumentationshaushaltes“ vorzutragen. Bei der Abstimmung müsse er aber ausschließlich im Interesse der konkreten Gesellschaft gestimmt haben (Interessenabstraktion). In Extremsituationen seien Stimmenthaltung oder Mandatsverzicht notwendig. Um beim Auftreten von Interessenkonflikten Schaden von der jeweiligen Gesellschaft abzuwenden, wird sogar die paritätische Besetzung der Organe durch Personen gefordert, die eine etwaige einseitige Betrachtungsweise der Repräsentanten der Konzernobergesellschaft und insbesondere der Doppelmandatsträger ausgleichen könnten. 164 Zumindest beim faktischen AG-Konzern müsse der Doppelmandatsträger im Tochterunternehmen ausschließlich die Eigeninteressen des Tochterunternehmens berücksichtigen. 165 Vereinzelt wird gefordert, einer angeblichen „Zementierung“ des Interessenkonflikts durch eine Anpassung der Pflichtenstellung nur für Doppelmandatsträger zu bewirken. Danach komme dem Doppelmandatsträger eine Mittlerrolle zwischen beiden Gesellschaften zu, die anders zu interpretieren ist als die Pflichten der übrigen Mandatsträger.166 Dem wird von anderen Stimmen in der Literatur entgegengehalten, dass bei den Organen der Aktiengesellschaft eine Abmilderung oder sonstige Abbedin-

161

Decher, Personelle Verflechtungen, 127; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (734). Decher, Personelle Verflechtungen, 135-137. 163 Semler, Festschrift Stiefel, 719 (735). 164 Martens, Festschrift Heinsius 523 (537). 165 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 70. 166 Decher, Personelle Verflechtungen, 144, 148, 156 f., 170, 203 f. 162

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gung der Pflichtenstellung nicht möglich ist.167 Selbst im Rahmen des § 93 IV 1 AktG sind die Organwalter bei einem formellen Beschluss der Hauptversammlung nur gegenüber der Gesellschaft von einer Haftung befreit. Bei einer GmbH können dagegen die Pflichten in den Grenzen des § 43 III 3 GmbHG (ggf. in Verbindung mit § 93 V 2, 3 AktG analog) durch Vereinbarung abbedungen werden. Deshalb wird vorgeschlagen, dem Doppelmandatsträger einen besonders großen Ermessensspielraum einzuräumen, wie er die widerstreitenden Interessen zum Ausgleich bringt. 168 Den Vertretern dieser Meinung sind auch Äußerungen zuzuordnen, wonach das Verhalten in Fällen von Interessenkollisionen von der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur des Mandatsträgers abhänge. 169 Nach einer ähnlichen Auffassung wird verlangt, dass zumindest bei Zustimmungsbindung des Doppelmandatsträgers durch das Aufsichtsorgan der Konzernobergesellschaft sich diese Bindung gegenüber dem Grundsatz der Weisungsfreiheit durchsetzen soll.170 Schließlich wird bei der Untersuchung der potenziellen Interessenkonflikte nicht nur die Gefahr einer Vernachlässigung der Eigeninteressen der außenstehenden Akteure des jeweiligen Tochterunternehmens zugunsten der Konzernobergesellschaft problematisiert, sondern auch auf die umgekehrte Möglichkeit hingewiesen. 171 Übernimmt der Doppelmandatsträger im Tochterunternehmen eine herausragende Stellung und erfolgt seine Haupttätigkeit im Rahmen dieses Amtes, so kann es zu einer Dominanz der Interessen des Tochterunternehmens auch in seiner Amtsführung in der Konzernobergesellschaft kommen. Deren Eigeninteressen würden ggf. vernachlässigt. 172 Vorteile der Konzernobergesellschaft durch solche Strukturen ergeben sich allenfalls dadurch, im Informationsfluss unmittelbar vom Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens informiert zu werden. 173 Auch die im Rahmen des Arbeitnehmermitbestimmungsrechts in Konzernen von Tochterunternehmen entsandten Vertreter im Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft (§§ 5 I 1 MitbestG, 76 IV 1 BetrVG 1952) verstehen sich häufig als Interessenvertreter „ihres“ Tochterunterneh-

167

Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (578). Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 152. 169 So: Semler, Festschrift Stiefel, 719 (761). 170 Krieger, in: Lutter, Holding-Handbuch, §6 Rz 43. 171 Decher, Personelle Verflechtungen, 76 f. 172 Decher, Personelle Verflechtungen, 41; Martens, Festschrift Heinsius 523 (526, 533). 173 Decher, Personelle Verflechtungen, 75. 168

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mens. Eine übermäßige Berücksichtigung von deren Interessen durch die Organe der Konzernobergesellschaft soll die Folge sein. 174 All diesen vorgeschlagenen Differenzierungen und Vorbehalten kann nur eingeschränkt gefolgt werden. Der Unterschied in der Ausgestaltung der Pflichten der Organe des Tochterunternehmens zwischen Unternehmensvertrag und Eingliederung einerseits sowie faktischem AG-Konzern andererseits besteht allein in der Verschiebung der Letztentscheidungsbefugnis.175 Auch beim Vertragskonzern bleiben Partikularinteressen in dem Tochterunternehmen gebündelt und deren Organe sollen in erster Linie diese Partikularinteressen verfolgen. Stets sollen sie gleichzeitig die Interessen des Gesamtkonzerns nicht aus den Augen verlieren, die als externe Faktoren in die Entscheidungsfindung einfließen. Auch beim faktischen AG-Konzern muss das Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens die Unternehmenswirklichkeit berücksichtigen. Sie wird maßgebend durch das Wechselspiel der verbundenen Kapitalgesellschaften geprägt. Ein Interessengegensatz zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns, der bei Doppelmandatsträgern besonders eklatant sein würde, besteht entweder sowohl im Vertrags- als auch im faktischen AG-Konzern oder er besteht für keine Form des Konzerns. Zu beachten ist weiterhin, dass bei Befolgung einer unrechtmäßigen Einflussnahme der Konzernobergesellschaft in einem Tochterunternehmen, das als Aktiengesellschaft firmiert, sich nicht nur die Organwalter des Tochterunternehmens, sondern sich auch die Organwalter der Konzernobergesellschaft und die Konzernobergesellschaft selbst ersatzpflichtig machen (Treuepflicht, §§ 117 I 1, 309 II, 310, 317 I, III, 323 I 2 AktG, bzw. aus Verletzung des Beherrschungsvertrags). Das gilt sowohl für Vertrags- als auch für faktische Konzerne. Eine unzulässige Einflussnahme und deren Befolgung sind also für den Doppelmandatsträger in der Stellung als Organwalter des Tochterunternehmens und auch in der Stellung als Organwalter der Konzernobergesellschaft pflichtwidrig. 176 Die Handlungsanreize der Akteure in den unterschiedlichen Kapitalgesellschaften eines Konzerns sind zumindest dadurch einander angeglichen, soweit sie nicht von Anfang an identisch waren. 177 Dem steht nicht entgegen, dass in der Wirtschaftspresse Doppelmandatsträgern in Einzelfällen eine Interessenkollision vorgeworfen und ein Mandatsver-

174

Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995) 325 (327). Vgl. oben: Teil 4 C.II., Seite 212. 176 Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 70 f. 177 Im Ergebnis so auch: Eversberg, Konzernleitung durch Doppelmandate, 73 f. 175

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zicht nahe gelegt wurde. 178 Der Sache nach ging es dabei aber gar nicht um den Doppelmandatsträger, sondern um Meinungsverschiedenheiten zwischen den Anteilseignern, die diese in der Öffentlichkeit durch den Besetzungsstreit der Organpositionen kanalisierten. 179 Die Diskussion der aktiven Kooperation zwischen Kapitalgesellschaften im Konzern in Teil 4 hat gezeigt, dass die Konzernobergesellschaft, soweit sie auf die Entscheidungen in den Tochterunternehmen Einfluss nimmt, sich zunächst über die betroffenen Belange im Tochterunternehmen informieren muss. Gleichzeitig sind die Organe der Tochterunternehmen verpflichtet, von sich aus die Konzernobergesellschaft über die Auswirkungen von zentral gefällten Entscheidungen auf die Tochterunternehmen zu beraten. Ggf. müssen die Organe der Tochterunternehmen von sich aus bei der Konzernobergesellschaft intervenieren und die Akteure in der Konzernobergesellschaft auf die Folgen ihrer Entscheidungen hinweisen. Der Doppelmandatsträger hat also kein bloßes Recht, etwaige entgegenstehende Interessen der anderen Gesellschaft vorzutragen, damit sie bei der Abwägung berücksichtigt werden können. Hierzu besteht eine positive Verpflichtung sowohl des Doppelmandatsträgers als auch der übrigen Organwalter. 180 Eine Entscheidung, deren Umsetzung einem Tochterunternehmen Schaden zufügt, die aber vom Tochterunternehmen selbst vorzunehmen ist und die gleichzeitig im Interesse der Konzernobergesellschaft liegt, besteht zudem nur in der Theorie. Als übliche Situationen, in denen Interessenkonflikte innerhalb eines Konzerns auftreten, werden in der Literatur folgende Fallgruppen genannt: Die Expansion anderer Tochterunternehmen auf Kosten des Tochterunternehmens, die Verlagerung der Forschungsschwerpunkte, eine erhöhte Gewinnabführung des Tochterunternehmens, der Abzug von Führungskräften, Markt- oder Produktionsverlagerungen, eine geringe Rücklagenbildung im Tochterunternehmen und dafür volle Gewinnausschüttung, die Beteiligungsplanung an anderen Kapitalgesellschaften und schließlich die Ressourcenzuweisung innerhalb des Konzerns.181 Keine dieser Entscheidungen werden im Tochterunternehmen gefällt, noch sollten sie dort gefällt werden. Mit Ausnahme der internen Abwerbung von

178

Lipinski, Handelsblatt, 11.06.01, 19. Ausdrücklich: Ellison, WSJE, 10.11.03. 180 Ähnlich aus: Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 68 f. 181 Eversberg, Konzernleitung durch Doppelmandate, 71; Martens, Festschrift Heinsius 523 (533). 179

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Führungskräften betreffen die Entscheidungen die Einteilung der eigenen Ressourcen in der Konzernobergesellschaft oder die Einteilung der Ressourcen in dem Tochterunternehmen, für die die Konzernobergesellschaft in ihrer Position als Anteilseignerin zuständig ist (Gewinnverteilung, Ausschüttung). Selbst bei der Abwerbung von Personal entscheiden die eigenen Organe naturgemäß nicht mit. Eine Pflichtenkollision entsteht nur dann, wenn der Doppelmandatsträger zu Lasten des Tochterunternehmens die Abwerbung veranlasst. Im Übrigen hat die Herausbildung von Nachwuchskräften in Leitungsaufgaben von Tochterunternehmen auch für diese regelmäßig positive Effekte. 182 Zusätzlich sind in den genannten Situationen die §§ 311 ff. AktG einschlägig, auch wenn die betreffenden Entscheidungen durch die Hauptversammlung des Tochterunternehmens getroffen werden. Dadurch wird die Konzernobergesellschaft zur Wahrung der Interessen des betreffenden Tochterunternehmens verpflichtet, vgl. § 317 AktG. Damit wird das Potential für Pflichtenkollisionen noch weiter eingeschränkt. Schließlich kann differenziert werden zwischen den Aufgaben der unterschiedlichen Organe, in denen Doppelmandate vorkommen. Bei Doppelmandaten auf Vorstandsebene wird der Person in beiden Gesellschaften praktisch ausnahmslos der gleiche Geschäftsbereich zugewiesen, den der Mandatsträger weitgehend eigenständig und regelmäßig mit Einzelgeschäftsführungskompetenz führt. Seine Aufgaben in der Konzernobergesellschaft und im Tochterunternehmen sind ähnlich. Folglich sind dem Doppelmandatsträger im Geschäftsführungsorgan des Tochterunternehmens generell die gleichen Pflichtenkreise wie in seiner Position in der Konzernobergesellschaft zugeordnet. 183 Eine Pflichtenkollision entfällt. Das Gleiche gilt für Doppelmandate von Geschäftsführern eines Tochterunternehmens in der Rechtsform einer GmbH. Anders ist die Beurteilung bei Doppelmandaten im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. Eine Tätigkeit in diesem Gremium ist neben und unabhängig von sonstigen Positionen in anderen Kapitalgesellschaften denkbar. Identische Pflichtenkreise müssen nicht bestehen. Für Aufsichtsräte sind aber eine gewisse Heterogenität des Gremiums und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen vom Gesetzgeber akzeptiert. Beispiele sind die Möglichkeit der Gewährung einer einseitigen Einsetzungsbefugnis und die Bestellung von Arbeitnehmervertretern. Deshalb wird der Verweis in § 116 AktG auf § 93 I 2 AktG mit der Verpflichtung zur Handlung zum Wohl der Gesellschaft

182 183

Decher, Personelle Verflechtungen, 78 f., 93. Eversberg, Konzernleitung durch Doppelmandate, 108.

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nach der Business Judgment Rule restriktiv interpretiert.184 Die Problematik möglicher Interessenkollisionen für Doppelmandatsträger im Aufsichtsrat wird generell dadurch relativiert, dass es bei der Ausführung einer reinen Kontrollfunktion zu keinen Konflikten mit der Geschäftsführungsfunktion in einer anderen Gesellschaft kommt. Ein Interessenkonflikt kann allenfalls dann eintreten, wenn der Aufsichtsrat den Vorstand bei der Abwägung der Eigeninteressen des Tochterunternehmens gegenüber der Konzernobergesellschaft berät. 185 Dann liegt es aber im Interesse beider Organe und beider Gesellschaften, eine unzulässige Einflussnahme aufgrund der beschriebenen Haftungsgefahren zu vermeiden. Sollten dennoch Interessengegensätze verbleiben gilt das, was auch sonst allgemein bei Interessenkollisionen im Aufsichtsrat gilt: „Die gesetzliche Regelung beruht auf der Vorstellung, es sei möglich und zweckmäßig, die vielfach dabei aufeinander prallenden Interessengegensätze zunächst in der verantwortlichen Stellungnahme jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und sodann im Beratungs- und Entscheidungsprozess des Aufsichtsratsplenums abzuklären und dem Unternehmen nutzbar zu machen.“ 186

Zusammenfassend lässt sich für die deutschen Regelungen feststellen, dass die Pflichten von Doppelmandatsträgern bei der Ausführung ihrer Mandate in Tochterunternehmen und in der Konzernobergesellschaft regelmäßig identisch sind. Die vielfach behaupteten Interessenkonflikte, in denen die Person aufgrund ihrer doppelten Organstellung entgegengesetzte Entscheidungen fällen müsste, bestehen nicht. Die Beurteilung ihrer Pflichtenerfüllung bleibt dennoch einer Einzelfallbeurteilung vorbehalten. Pauschalisierende Bewertungen – wie nach der Entscheidung zu 2GB in Australien möglich – sind in Deutschland nicht zulässig. Bei den zu überprüfenden Einzelfallentscheidungen darf der Doppelmandatsträger den Gesellschaften, zu deren Organ er bestellt ist, nicht schaden. Folglich sollte zumindest ein Doppelmandat in Konkurrenzunternehmen ausscheiden. 187 In der Praxis werden allerdings auch bei formell in Konkurrenz zueinander stehenden Kapitalgesellschaften eines Konzerns teilweise Doppel-

184

Spindler, NZG 2005, 865 (872). Decher, Personelle Verflechtungen, 165. 186 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §15 Rn 121. 187 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §15 Rn 122. 185

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mandate vergeben. 188 In Deutschland haben die bestehenden Restriktionen durch Regulierung offensichtlich allenfalls geringe Auswirkungen auf die Auswahl der Handlungsalternativen durch die Akteure in Konzernen.

3. Material Personal Interest Wie in Deutschland werden auch in Australien bei Doppelmandaten die Gefahren besonderer Interessenkonflikte betont. In beiden Staaten werden unter diesem Stichpunkt spezielle Verhaltensregeln in der aktiven Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften diskutiert. Allerdings geht es in Australien dabei nicht abstrakt um die Pflichten von Doppelmandatsträgern in der Aufgabenerfüllung, sondern konkret um die Teilnahmerechte am Entscheidungsverfahren in den Organen und auf die Anwendbarkeit privilegierender Rechtssätze. Nach der ursprünglichen Regel des Common Law in Australien und in England ist es grundsätzlich jedem Direktor verboten, mit der Amtsführung Privatinteressen zu verfolgen. Jede Art von persönlichem Interesse an einer unternehmerischen Maßnahme ist zu vermeiden. Alle Vorteile, die ein Direktor durch Maßnahmen der Gesellschaft erlangt, sind an die Gesellschaft weiterzureichen.189 Bis heute gilt der Grundsatz, dass jede Art von Interessenkonflikt und deren Möglichkeit zu verhindern ist.190 Der Begriff eines Interessenkonfliktes ist für diese Konstellation weit auszulegen und betrifft jedweden anderen Handlungsanreiz, der für die Person von Bedeutung ist und potenziell der ordnungsgemäßen Amtsführung entgegenstehen kann. Dies ist ähnlich dem Unternehmensbegriff in § 15 AktG. Bei Anwendung auf Konzernsachverhalte käme es zu einem faktischen Transaktionsverbot zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns, in denen ein Nominee Director mitwirkt. Allerdings konnte diese Regel des Common Law schon immer durch die Unternehmensverfassung abbedungen werden.191 Bei einer Proprietary Company erfolgt dies heute regelmäßig durch die dispositive Vorschrift der s 194 Corporations Act. Danach muss ein Direk-

188

Handelsblatt, 03.09.03, 12. Imperial Mercantile Credit Association v Coleman (1873) 6 LR HL 189 (204 – Cains LJ). 190 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (232 [735] – Santow J); Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (357 – Owen J). 191 Farrar, Dealing with Self-Interested Transactions. 189

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tor allenfalls etwaige persönliche Interessen an unternehmerischen Maßnahmen und Entscheidungen im Kollegium offen legen. Im Übrigen gelten in Australien die zwingenden ss 191, 195 Corporations Act, die vor allem Public Companies binden. Der Grundsatz in s 191 I Corporations Act lautet: “A director of a company who has a material personal interest in a matter that relates to the affairs of the company must give the other directors notice of the interest unless subsection (2) says otherwise.”

Die Vorschrift in s 195 Corporations Act verbietet dem Direktor die Anwesenheit im Board einer Public Company bei der Aussprache über die in Frage stehende Maßnahme und entzieht ihm das Stimmrecht. Ein Direktor einer Public Company hat stets persönliche Interessen am Erfolg der Gesellschaft, in der er bestellt ist. Das gilt bei Doppelmandatsträgern für beide bzw. für alle Kapitalgesellschaften, in denen er eine Organfunktion ausführt. In australischen Konzernen übernimmt die Konzernobergesellschaft regelmäßig die gesamte Vergütung der Nominee Director und von Doppelmandatsträgern – auch für die Tätigkeiten in Tochterunternehmen. Damit entstehen besondere persönliche Interessen am Erfolg der Konzernobergesellschaft. In der australischen Literatur wurde vereinzelt vorgeschlagen, das persönliche Interesse zumindest bei einem Non-Executive Director als nicht erheblich („Non-Material“) einzustufen. 192 Ob dem gefolgt werden kann, ist zweifelhaft. Jedenfalls hängt dies vom Einzelfall ab – vor allem von der konkreten Höhe der Vergütung, der Gesamtzahl solcher Posten, die der Direktor innehat, und der sozialen Bedeutung des Direktorenpostens. Pauschal hilft deshalb der Verweis auf die fehlende Erheblichkeit des Eigeninteresses nicht. Allerdings werden für Konzerne die Anforderungen der ss 191 ff. Corporations Act relativiert durch s 191 II Ziff.(a)(viii) Corporations Act. Die s 191 II Corporations Act nimmt Direktoren von den genannten Pflichten aus, “if … (a) the interest: … (viii) is in a contract, or proposed contract, with, or for the benefit of, or on behalf of, a related body corporate and arises merely because the director is a director of the related body corporate”.

192

Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 9.

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Der Begriff „Related Body Corporate” ist in s 50 Corporations Act definiert und umfasst jegliche Art von Konzernverbindung. Diese Ausnahme gilt für Doppelmandate, nicht aber für einfache Nominee Director, die z.B. auf unteren Ebenen in der Konzernobergesellschaft angestellt sind. Auch gilt die Ausnahme nur für Verträge, nicht für sonstige Maßnahmen. Kein Vertrag ist beispielsweise eine einseitige Vermögenszuwendung, da nach australischem Recht für Verträge immer eine Gegenleistung notwendig ist. Ein bloßer Informationsaustausch ist beispielsweise regelmäßig nicht als Vertrag einzustufen. Weiterhin sind Bürgschafts- und sonstige einseitige Garantieversprechen nicht als Vertrag im Sinne der Ausnahmevorschrift einzustufen. Schließlich ist unklar, ob durch die Vergütung beider Posten durch die Konzernobergesellschaft eine Anwendung von s 191 II Ziff.(a)(viii) Corporations Act für Entscheidungen im Board des Tochterunternehmens ausgeschlossen ist. Die Einschränkung „merely because“ könnte in diesen Fällen nicht einschlägig sein. Zu diesen Fragen gibt es bislang weder Fallrecht noch in der australischen Literatur eine Diskussion. Eine Problemlösung durch Analogieschluss bzw. teleologische Auslegung contra legem, an die in solchen Fällen in Deutschland zu denken wäre, ist im australischen Recht nur ausnahmsweise möglich. Sie wird sich in diesem Fall aufgrund des eindeutigen Wortlautes und des Ausnahmecharakters der Vorschrift voraussichtlich nicht durchsetzen. In jedem Einzelfall können die übrigen Direktoren dem Nominee Director oder Doppelmandatsträger die Teilnahme gestatten und ein Stimmrecht einräumen, s 195 II Corporations Act. Dies wird im Regelfall zu umständlich sein. Stattdessen sollte ein generelles Teilnahme- und Stimmrecht durch Genehmigung der Regulierungsbehörde ASIC nach ss 195 III, 196 Corporations Act eingeholt werden. Im engen Zusammenhang mit diesem Problemkreis steht die Frage, ob ein Nominee Director bzw. ein Doppelmandatsträger sich auf die Business Judgment Rule aus s 180 II Corporations Act berufen kann. 193 Nach Buchstabe (b) dieser Vorschrift darf ein Direktor keine erheblichen persönlichen Interessen an der zu beurteilenden Maßnahme haben. Wie bei s 191 Corporations Act ist auch hier ein persönliches Interesse für Doppelmandatsträger und einen Nominee Director bei jeder Transaktion mit der sie entsendenden Gesellschaft

193

Vgl. oben: Teil 3 A.II.2., ab Seite 71, insbes.: Seite 74.

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gegeben. Allenfalls die Erheblichkeitsschwelle (Materiality of the Interest) könnte im Einzelfall in Frage gestellt werden. 194 Schließlich verstoßen Direktoren grundsätzlich gegen die allgemeinen Pflichten aus dem Common Law und den ss 180 ff. Corporations Act, wenn sie mit einer Maßnahme Privatinteressen verfolgen. 195 Ein Pflichtenverstoß allein aufgrund des Bestehens von Doppelmandaten wird aber abgelehnt. Ein Gericht hat 2002 in der viel beachteten Entscheidung ASIC v Adler ausgeführt, dass das Eigeninteresse eines Direktors in einer anderen Gesellschaft für sich genommen keinen Verstoß gegen ss 181, 182 Corporations Act begründet und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Direktor im Einzelfall sein Eigeninteresse berücksichtigt. 196 Ausschlaggebend sei allein, ob das Eigeninteresse die konkrete Handlung oder Entscheidung bestimmt hat und ob der Gesellschaft ein eigener Vorteil aus der Maßnahme erwachsen ist. Diese Rechtsprechung sollte auf die Business Judgment Rule ausgedehnt werden, um die bestehende Einheitlichkeit in der Auslegung des Pflichtenkanons zu erhalten. Auf die beschriebenen Auslegungsprobleme der ss 191 ff. Corporations Act kann diese Entscheidung allerdings keine Anwendung finden. Dort geht es darum, die gegenseitige Kontrolle der Organwalter zu ermöglichen. Das aber ist unabhängig von den in ASIC v Adler diskutierten Pflichten. Für Doppelmandate hat der australische Gesetzgeber insgesamt durch die Figur des „material personal interest“ Problemkonstellationen geschaffen, deren Auswirkungen noch nicht abschließend geklärt sind. Teilweise werden dadurch umständliche Verfahren notwendig. Soweit die erforderlichen Genehmigungen eingeholt werden, beeinträchtigen diese Vorschriften die aktive Kooperation von Kapitalgesellschaften innerhalb eines Konzerns auch bei personeller Verflechtung nicht.

4. Stimmrecht in Deutschland Vergleichbar mit diesen Problemen des „material personal interest“ von Doppelmandatsträgern in Australien ist in Deutschland die Diskussion ihrer Stimmrechte in den Organen. Im Gegensatz zu den Regeln in Australien gibt es

194

Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 9. Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (168). 196 ASIC v Adler (2002) 41 ACSR 72 (232 [735] – Santow J). 195

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Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

in Deutschland kein grundsätzliches Stimmverbot bei Interessenkollision. Ein Ausschluss des Stimmrechts ist nur nach den engen Regeln der §§ 136 AktG, 47 IV GmbHG, 28, 34 BGB (ggf. analog) möglich, wenn unmittelbare Eigeninteressen der Personen im Gremium behandelt werden (vor allem Richter in eigener Sache). Eine Einschränkung des Anwesenheits- und Rederechts ist auch dann nicht vorgesehen. Das Gleiche gilt bei Doppelmandaten. Doppelmandatsträger in Kapitalgesellschaften in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft sind in ihrem Stimmrecht nicht beschränkt, auch wenn eine Transaktion mit der sie entsendenden Gesellschaft oder eine Weisung von ihr zu beurteilen ist.197 Selbst eine Regelung in der Geschäftsordnung der Organe zum Stimmrechtsverbot wäre bei einer Aktiengesellschaft wegen § 23 V AktG nur als Klarstellung für ein ohnehin bestehendes Stimmrechtsverbot denkbar. 198 Vereinzelt findet sich in der deutschen Literatur die Auffassung, bei einem „nicht auflösbaren Konflikt“ zwischen beiden Mandaten des Doppelmandatsträgers müsse mit Stimmverboten bis hin zur verpflichtenden Mandatsniederlegung reagiert werden. Damit würde aber die Funktion des Doppelmandats untergraben. Deshalb wird sie weitgehend abgelehnt. 199 Allenfalls wird auf die Grenze von § 181 BGB hingewiesen, die die Vertretungsmacht bei Alleinvertretern ausschließen sowie in Fällen, in denen eine Mehrheit des Organkollegiums Doppelmandatsträger sind. 200 Diese Vorschrift kann von den jeweiligen Anteilseignern oder dem Kontrollorgan durch Beschluss abbedungen werden. Die verbleibende, relevante Fallgruppe des Stimmverbots ist (analog) § 136 AktG das Verbot des Organwalters der Konzernobergesellschaft, über seine eigene Entlastung in dem Tochterunternehmen zu entscheiden. 201 Das soll nach Auffassung des LG Köln sogar für die Konzernobergesellschaft als Ganzes gelten, wenn die Organe nahezu identisch besetzt sind. Das Verbot gelte unabhängig davon, ob die Doppelmandatsträger selbst an der Meinungsbildung über den Beschluss zu ihrer Entlastung in der Konzernobergesellschaft beteiligt

197 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1022); F. Fischer, NZG 1999, 192 (193); Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (580); Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 359 f.; Semler, Festschrift Stiefel, 719 (757). 198 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986) 570 (584). 199 Decher, Personelle Verflechtungen, 134; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §53 Rn 12. 200 Säcker, ZHR 151 (1987) 59 (65). 201 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1022); F. Fischer, NZG 1999, 192 (193); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (745).

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sind. 202 Nach einer anderen Meinung gilt das Stimmverbot nur für das jeweils betroffene Organmitglied. Dies führe selbst bei Personalidentität in den Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen zu einer Stimmberechtigung der Konzernobergesellschaft, wenn im Wege der Einzelentlastung über die Organwalter in dem Tochterunternehmen abgestimmt würde und nur der jeweilige Organwalter nicht mitstimmt.203 Für letztere Auffassung spricht, dass nach der Gegenauffassung in bestimmten Konstellationen, vor allem bei Gesellschaften im Alleineigentum der Konzernobergesellschaft, eine Beschlussfassung der Anteilseigner insgesamt ausgeschlossen wäre. Je nachdem welcher dieser Auffassungen gefolgt wird, müsste eine entsprechende Regelung auch für die Beschlussfassung über die Bestellung für den designierten Doppelmandatsträger, die Befreiung von einer Verbindlichkeit und die Geltendmachung von Ansprüchen gelten. 204 Letztlich kann der Meinungsstreit aber dahinstehen. Für die vorliegende Diskussion ist die Feststellung entscheidend, dass das deutsche Recht insgesamt das Stimmrecht von Doppelmandatsträgern in nur unerheblicher Weise einschränkt und potenzielle Interessenkonflikte im Gegensatz zur Regelung in Australien generell zugelassen werden. Für Organwalter in Kapitalgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH gilt grundsätzlich das Gleiche. Hier können allerdings anders als im Aktienrecht abweichende Regeln in der Unternehmensverfassung zugelassen werden. Die oben für Aktiengesellschaften beschriebenen Probleme treten regelmäßig nicht auf, da aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafter in problematischen Konstellationen die Geschäftsführer einen Gesellschafterbeschluss herbeiführen können. Die Gesellschafter sind nur an rudimentäre Treue- und Loyalitätspflichten gebunden. Entsteht ein anders nicht überwindbarer Interessengegensatz, können die Geschäftsführer zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung verpflichtet sein. Dies dürfte nur ausnahmsweise der Fall sein. 5. Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten Abschließend ist als ein weiterer Problemkreis der Informationsaustausch im Konzern zu beachten. Auf die dabei in Australien entstehenden Probleme in Bezug auf ss 191, 195 Corporations Act wurde bereits hingewiesen. Im Kern

202

LG Köln, NZG 1998, 193 m.w.N. F. Fischer, NZG 1999, 192 (193 f.). 204 Aschenbeck, NZG 2000, 1015 (1022); F. Fischer, NZG 1999, 192 (193). 203

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Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

handelt es sich beim Problem des Informationsaustausches bei Doppelmandatsträgern aber um eine andere Frage. Es geht darum, welche Informationen der Doppelmandatsträger selbst weiterleiten darf oder sogar muss. Diese Frage wird sowohl in Australien als auch in Deutschland problematisiert. Sie ist zu trennen von den allgemeinen Regeln der interkonzernlichen Kommunikation, die in Teil 3 oben unabhängig von der konkreten Personalstruktur behandelt wurden. Im Folgenden soll es ausschließlich darum gehen, ob und wie eine etwaige Pflichtenkollision der gleichen natürlichen Person aufzulösen ist, die gleichzeitig ein Akteur in unterschiedlichen Kapitalgesellschaften eines Konzerns ist. Für Australien wird teilweise das neuseeländische Kapitalgesellschaftsrecht als Vorbild zitiert.205 Dort darf ein Nominee Director grundsätzlich Informationen an die Person weiterleiten, deren Interessen er vertritt bzw. nach deren Wünschen und Weisungen er im Board handelt. 206 Für Doppelmandatsträger als besonderer Fall des Nominee Director gilt das gleiche. Eine vergleichbare Regelung wurde in Australien im Rahmen der Reformen in den 1990er Jahren abgelehnt. Daher erfolgt die Weitergabe von Informationen bei Doppelmandatsträgern grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln, die für alle Direktoren in Konzernen gelten.207 Dabei sind aber Besonderheiten aufgrund der Personenidentität zu beachten. Es kann zur Kollision von Offenlegungs- und Verschwiegenheitspflichten kommen. Probleme aus kollidierenden Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten für Doppelmandatsträger gibt es auch in Deutschland. Die Lage ist für Organwalter von Aktiengesellschaften formal sogar weiter zugespitzt als in Australien, da hier Stimmenthaltungen, Stimmverbote oder die Nichtteilnahme an Beratungen nicht vorgesehen sind. Sie kann auch für Geschäftsführer in der GmbH problematisch sein, wenn die Gesellschafter ihnen nicht die Informationsweitergabe an Dritte bzw. die Verschwiegenheit gegenüber der GmbH durch Beschluss erlaubt haben. In Deutschland wird das Wissen einer Person, das sie als Organwalter einer Gesellschaft erfährt, ihr auch als Organwalter der anderen zugerechnet. Gleichzeitig unterliegt sie den Verschwiegenheitspflichten aus ihrer Position in der ersten Gesellschaft, §§ 93 I 2, 116 AktG.208 Ein Verstoß gegen die Verschwie-

205

CASAC, Corporate Groups, [1.80]. Section 145 II New Zealand Companies Act 1993. 207 Vgl. oben: Teil 3 , Seite 62. 208 BGH, NJW 1980, 1629 (1629 f.); Seifert, AG 1967, 1 (2). 206

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genheitspflicht ist nach §§ 404 AktG, 85 GmbHG strafbar. Sie hat unbedingten Vorrang vor einem berechtigten Informationsinteresse Dritter. Nur wenige ausdrückliche Ausnahmen sind in den §§ 394, 395 AktG vorgesehen. 209 Gleichzeitig muss der Mandatsträger sein extern erlangtes Wissen bei seinen Entscheidungen als Organwalter nicht nur berücksichtigen. Er ist darüber hinaus verpflichtet, sämtliche für die Gesellschaft erheblichen Vorgänge gegenüber den anderen Mandatsträgern offen zu legen. Dies gilt unabhängig davon, ob er von diesen Vorgängen in seiner Stellung als Organwalter dieser Gesellschaft oder in einer anderen Stellung erfährt. 210 Weiterhin ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft zur Versorgung des Aufsichtsrats mit allen kontrollrelevanten Informationen verpflichtet, § 90 I AktG. Diese Verpflichtung gilt für alle Mitglieder des Organs. Aufsichtsratsmitglieder haben ihrerseits nicht nur die Pflicht, eigenes Wissen aus anderen Tätigkeiten zu berücksichtigen, sondern müssen selbst aktiv Schaden von der Gesellschaft abwenden, unabhängig davon, ob andere Personen auch oder sogar primär dazu verpflichtet sind. 211 Besonders problematisch ist die Kollision von Offenlegungs- und Verschwiegenheitspflichten in Übernahmesituationen, wenn in den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen von Bieter- und Zielgesellschaft dieselben Personen sitzen. Auch in Australien gilt, dass grundsätzlich Doppelmandatsträger in solchen Situationen von Board- und Ausschusssitzungen nicht auszuschließen sind. 212 Die Regelung in s638 III Corporations Act sieht sogar ausdrücklich vor, dass jeder Direktor der Zielgesellschaft eine eigene begründete Stellungnahme gegenüber den Anteilseignern zum Übernahmeangebot abgeben muss. In der Unternehmenspraxis enthalten sich aber Doppelmandatsträger unter Hinweis auf den potenziellen Interessenkonflikt regelmäßig einer eigenen Bewertung, was s 638 III Ziff.(b) Corporations Act zulässt. In einer Übernahmesituation darf der Bieter nach australischem Recht – wie jede andere Kapitalgesellschaft auch – Informationen, die er unrechtmäßig durch einen Doppelmandatsträger erlangt hat, nicht veröffentlichen.213 Gleichzeitig ergibt sich aus s 636 I Ziff.(m) Corporations Act und dem Insiderhandelsverbot (s 1043A Corporations Act) die Verpflichtung des Bieters, alle

209

Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, §15 Rn 106. Großkomm AktG/Hopt, §93 Rn 133. 211 BGH, NJW 1980, 1629 (1629 f.). 212 Trounce and Wakefield v NCF Kaiapoi Ltd (1985) 2 NZCLC 99,422 (99,42899,429 – Heron J). 213 Austen & Butta Ltd v Shell Australia Ltd (1992) 10 ACLC 610 (615 – Browie J). 210

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Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

kursrelevanten, erheblichen Informationen zu veröffentlichen, die er oder einer seiner Direktoren besitzt. Ein Direktor einer Kapitalgesellschaft verfügt immer über geheime, kursrelevante, erhebliche Informationen in Bezug auf seine Gesellschaft. 214 Soweit ein Direktor das Mandat aufgrund seiner Tätigkeit als Direktor oder Officer einer anderen Gesellschaft übertragen bekommen hat, wie dies stets bei Doppelmandatsträgern und oft beim Nominee Director der Fall ist, wird sein Wissen häufig der entsendenden Kapitalgesellschaft zuzurechnen sein, ss 1042G, 1042H Corporations Act. 215 Allerdings ist den bereits diskutierten Entscheidungen in Bennetts, Berlei Hestia (NZ) und Harkness v Commonwealth Bank of Australia zu entnehmen, dass in Konfliktsituationen gerade keine generelle Berechtigung zur Informationsweitergabe durch die Direktoren besteht und demzufolge auch keine Wissenszurechnung erfolgt.216 Die einander gegenseitig ausschließenden Verschwiegenheits- und Publizitätspflichten führten dazu, dass in der Entscheidung Austen & Butta v Shell Australia eine Übernahme als insgesamt unzulässig angesehen wurde. 217 Diese Konsequenz wird weitgehend abgelehnt. Vielmehr scheint die Regulierung Publizitätspflichten Vorrang vor Verschwiegenheitspflichten in Übernahmesituationen beizumessen. 218 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass beide Gesellschaften vom Doppelmandatsträger stets umfassend informiert werden. Eine mögliche Pflichtverletzung des Direktors gegenüber der anderen Gesellschaft durch die u.U. verbotene Informationsweitergabe sollten weder das Board noch die Gesellschaft binden. Im Jahr 1999 wurde das Ergebnis von Austen & Butta vom gleichen Gericht, das die Entscheidung ursprünglich erlassen hatte, angezweifelt. 219 Zur Begründung führte es aus, dass Verschwiegenheitspflichten generell abdingbar seien. Bei der Kollision mit Publizitätspflichten in Übernahmesituationen läge sogar eine Verdrängung der dispositiven Verschwiegenheitspflicht durch Spezialgesetz vor. Im konkreten Fall konnte dies aber offen gelassen werden, da die

214

Renard/Santamaria, Takeovers and Reconstructions, [1149]. Renard/Santamaria, Takeovers and Reconstructions, [616]; Tomasic/Bottomley/ McQueen, Corporations Law in Australia, 635. 216 Vgl. oben: Teil 3 B.II., Seite 92. 217 Austen & Butta Ltd v Shell Australia Ltd (1992) 10 ACLC 610 (615 – Browie J). 218 Renard/Santamaria, Takeovers and Reconstructions, [817]. 219 Cultus Petroleum NL v OMV Australia Pty Ltd (1999) 32 ACSR 1 (18 [58-59], 20 [72] – Santow J). 215

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geheim zu haltende Information hoch spekulativ und sogar potenziell irreführend war. Deshalb bestanden keine Publizitätspflichten, so dass auch keine Pflichtenkollision gegeben war. Eine ähnliche Problematik stellt sich aufgrund des Insiderhandelsverbots außerhalb der für Australien diskutierten Übernahmesituationen.220 Die hier für Australien geführte Diskussion bestätigt das allgemeine Auslegungsergebnis aus Teil 3 A.III oben: Solange der Handel mit Anteilen an Tochterunternehmen nicht ausgeschlossen ist, muss der konzerninterne Informationsaustausch ex ante beschränkt werden. Eine sog. Chinese Wall ist aufzubauen. Kollisionen aus Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten können unabhängig vom Handel mit Wertpapieren entstehen. Der Informationsfluss zwischen den Kapitalgesellschaften kann einseitig Nachteile hervorrufen. Der für Australien zu zitierende Präzedenzfall ist die Entscheidung Fitzsimmons.221 Dabei ging es um den Duke-Konzern, dessen finanzielle Lage angespannt war. Ein einflussreicher Direktor verhandelte die Übernahme von Kia Ora in den Konzernverbund, wodurch das Überleben des Konzerns gesichert werden sollte. Er wurde als Direktor in das Board von Kia Ora berufen, das im Anschluss daran der Übernahme zustimmte. Der Direktor informierte das Board von Kia Ora nicht über die prekäre Finanzlage des Duke-Konzerns, die er aus der Stellung als Direktor in der Duke-Holding kannte. Das Gericht entschied, dass er damit pflichtwidrig gehandelt habe. Es ließ offen, ob der Direktor die Finanzlage entgegen seiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber Duke hätte offen legen, sich der Stimme im Board von Kia Ora enthalten, seinen Interessenkonflikt benennen oder als Direktor hätte zurücktreten müssen. Zumindest seine Untätigkeit sei pflichtwidrig gewesen. Problematisch an diesem Ergebnis ist, dass bei jeder der vom Gericht genannten Handlungsalternativen die übrigen Direktoren die Nachteilhaftigkeit des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts für Kia Ora erkannt hätten. Jede dieser Handlungen hätte damit das Überleben des Duke-Konzerns gefährdet und wäre aufgrund der Stellung als Direktor der Duke-Holding pflichtwidrig gewesen. Dem hätte der Direktor nur entgehen können, wenn er die Position im Board von Kia Ora erst nach dessen Aufnahme in den Konzernverbund angenommen hätte. Den Interessenkonflikt fasst eine Kommentierung wie folgt zusammen:

220 221

Renard/Santamaria, Takeovers and Reconstructions, [1149]. Fitzsimmons v R (1997) 23 ACSR 355 (357-359 – Owen J).

290

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner “In the Kia Ora case, the director not only had an obligation to the subsidiary to which he had been appointed, but also to the holding company – by virtue of being a director of both. The relevant directors may find that they cannot properly be a director of both companies in all situations. When that occurs, of course, the dilemma becomes even more excruciating.”222

Im Vergleich dazu ist die Rechtslage in Deutschland weniger problematisch. Hier hat die Konzernobergesellschaft gegenüber den Tochterunternehmen stets einen Auskunftsanspruch, soweit es sich beim Tochterunternehmen nicht um einen faktischen AG-Konzern handelt. Kollisionen zwischen Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten können sich in Deutschland beim Informationsfluss down-stream ergeben, um den es auch bei der australischen Entscheidung Fitzsimmons ging. Dieser Fall veranschaulicht, dass die Abwägung von widerstreitenden Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten die eigentlich relevanten Fallkonstellationen der Interessenkonflikte darstellen, die zuvor abstrakt diskutiert wurden. Die gleichzeitige Aufgabenerfüllung gegenüber mehr als einer Gesellschaft ist für Doppelmandatsträger notwendig, aber dennoch unmöglich, wenn die Verschwiegenheits- und Offenlegungsinteressen der Gesellschaften miteinander nicht vereinbar sind. Eine Informationsweiterleitung ist aber insgesamt – auch bei faktischen AGKonzernen und in australischen Kapitalgesellschaften – regelmäßig sachdienlich und liegt im Interesse aller beteiligten Gesellschaften. 223 Zu berücksichtigen ist, dass die Festlegung der generellen Informationspolitik eine Geschäftsführungsmaßnahme ist, über die das Geschäftsführungsorgan im Kollegium zu befinden hat. 224 Folglich ist in Konzernen darauf zu achten, dass eine ausdrückliche Ermächtigung zur Informationsweiterleitung vorliegt. Nicht zugestimmt werden kann der in Deutschland vereinzelt geäußerten Annahme, die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats sei bei Tochterunternehmen generell gelockert. 225 Die Situationen, in denen die Interessen von Kapitalgesellschaften, die im gegenseitigen Mehrheitsbesitz stehen, nicht miteinander vereinbar sind, kom-

222

Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (634). Vgl. oben: Teil 3 B.II., Seite 92. 224 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 278; Löbbe, Unternehmenskontrolle im Konzern, 121 f. 225 So aber: Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn 276. 223

A. Personalpolitik

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men nur ausnahmsweise vor. Die in Australien zitierten Fälle, in denen es zu Kollisionen von Verschwiegenheits- und Offenlegungspflichten kam, betreffen Übernahmesituationen, im Rechtsstreit befindliche Gesellschaften, Konkurrenzunternehmen und gefährliche Liquiditätskrisen. Bei den diskutierten Präzedenzfällen handelt es sich um keine Konzernkonstellationen, allenfalls um Mehrmütterkonzerne oder um noch zu errichtende Konzernbeziehungen. Für derartige Ausnahmekonstellationen, in denen eine tatsächliche Interessenkollision besteht und in denen auch eine Informationsweiterleitung pflichtwidrig wäre, gilt in Deutschland Entsprechendes. In Australien kann bei solchen oder ähnlichen Konfliktsituationen die personelle Verflechtung dadurch beendet werden, dass die Direktoren zumindest vorübergehend von ihren Pflichten gegenüber einer Gesellschaft entbunden werden. So kann beispielsweise im Einzelfall mit Hilfe der sonst eher hinderlichen ss 191, 195 Corporations Act bei Public Companies der Direktor mit einem Doppelmandat von den Beratungen ausgeschlossen sein. Zumindest bei deutschen Aktiengesellschaften kann nicht mit einer solchen Entbindung von den Pflichten auf eine Interessenkollision reagiert werden. Auch Stimmverbote stehen nicht zur Verfügung. Allerdings setzen die Regeln in Australien voraus, dass der betreffende Direktor die anderen auf die Kollisionslage hinweist, was regelmäßig einer Preisgabe der Information gleichzustellen ist. Konflikte sind folglich in beiden Staaten prinzipiell ex ante auszuräumen, wenn eine Mandatsniederlegung von Doppelmandatsträgern vermieden werden soll.

III. Zwischenergebnis Das Ergebnis der Diskussion konzernweiter Personalplanung gleicht für Doppelmandate und für Nominee Director im australischen Recht weitgehend den Regeln für Doppelmandate in Deutschland. Grundsätzlich sind die Vergabe von Doppelmandaten und die Einsetzung eines Nominee Director unbedenklich. Als größter und regelmäßig einziger Anteilseigner der Tochterunternehmen hat die Konzernobergesellschaft formellen oder zumindest de facto Einfluss auf die Personalplanung im gesamten Konzern, der von ihren Akteuren regelmäßig betätigt wird. Eine verbreitete Möglichkeit des Personaleinsatzes ist die Vergabe von Doppelmandaten sowohl auf der Ebene der Geschäftsführungs- als

292

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

auch auf der der Aufsichtsorgane. Durch diese Form der Corporate Governance kann der konzernweite Informationsfluss, die Kontrolle, die zentrale Leitung sowie die Ressourcenallokation von Humankapital verbessert werden.226 Im Kern der wissenschaftlichen Diskussion dieser Strukturvorteile geht es häufig nicht um die Personalplanung, sondern darum, eine bestimmte Form der aktiven Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften zu fördern oder zu verhindern. Die dabei zu beachtenden Handlungs- und Verfügungsrechte sind unabhängig von der Personalplanung. Auch viele der angeführten Nachteile, die sich für Tochterunternehmen sowie für ihre außenstehenden Akteure und für die Konzernobergesellschaft sowie für deren Akteure ergeben sollen, bestehen unabhängig von der Personalplanung und sind auf eine unzulängliche Gestaltung der Kooperationsbeziehungen zurückzuführen. Personelle Verflechtungen durch Doppelmandate kommen nicht nur innerhalb von Konzernen vor, sondern sind ganz allgemein häufig. Dabei spielen Meinungsaustausch, Informationsfluss, allgemeine geschäftliche Verbindungen, Vertrauensbildung und Gewinnung von Renommee eine herausgehobene Rolle. Eine Erhebung in Deutschland aus dem Jahre 1985 (neuere empirische Daten sind nicht vorhanden) zeigt, dass von den 330 größten deutschen Unternehmen 270 personell miteinander verflochten waren. Das sind über 80 Prozent. Nur 129 Personen machten dabei 70 Prozent des „Netzwerkes“ aus.227 Auch in Australien wird häufig eine große Anzahl von Direktorenposten an einzelne Personen vergeben, ohne dass alle Kapitalgesellschaften einem einheitlichen Konzern angehören. Die Mehrheit der Führungspositionen und Vorstandsposten in Kapitalgesellschaften wird aber weiterhin intern rekrutiert.228 Das allgemein für aktive Kooperation in Teil 4 Gesagte gilt auch für personell verflochtene Kapitalgesellschaften eines Konzerns. Es ist darauf zu achten, dass jeder Kooperationspartner Vorteile aus dem eigenen Beitrag an der Kooperation ziehen kann. Solange dies gewährleistet ist, sind Doppelmandate und Nominee Director wie auch aktive Kooperation und umfangreicher Informationsaustausch innerhalb eines Konzerns unbedenklich. Die Handlungs- und Verfügungsrechte, die bei aktiver Kooperation (Teil 4 ) und bei konzernweiter Informationsabfrage und -weitergabe (Teil 3 ) in Konzernen zu beachten sind, gelten erst recht bei personeller Verflechtung. Sie begründet keine neuen

226

Decher, Personelle Verflechtungen, 20; Hadden, NSW LJ 15 (1992) 61 (64-65); Semler, Festschrift Stiefel, 719 (724). 227 Biehler/Ortmann, DBW 45 (1985) 4 (vor allem 14). 228 Biehler/Ortmann, DBW 45 (1985) 4 (9).

B. Anpassungen der Unternehmensverfassung

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Rechte und Pflichten. Vielmehr werden die allgemein in Konzernen aufgrund von Regulierung auftretenden Problemkonstellationen hier nur in besonderem Maße deutlich. Die Kooperationsstruktur im Konzern hängt von anderen Faktoren als der Art der Doppelmandate ab. Kooperation und Informationsaustausch kann entlang dieser personellen Verflechtungen erfolgen. Insgesamt sind die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die konzernweite Corporate Governance durch Personalplanung begrenzt. Vor allem die Möglichkeit der Doppelmandatsvergabe stößt an tatsächliche Grenzen. Die Bedeutung von Doppelmandaten und der Einsatz eines Nominee Director als besonderes Mittel der Corporate Governance darf für Konzerne deshalb nicht überbewertet werden.

B. Anpassungen der Unternehmensverfassung Neben der Personalplanung kommt im Rahmen der Betrachtung von Ausgestaltungsmöglichkeiten der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen entlang rechtlich vermittelter Einflussnahmemöglichkeiten eine indirekte Einflussnahme auf die Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane in Betracht. Die Konzernobergesellschaft kann regelmäßig durch ihre Stimmmacht die Unternehmensverfassung (Constitution, Satzung, Gesellschaftsvertrag) der Tochterunternehmen einseitig anpassen. Die dabei entstehenden Probleme werden vor allem in der australischen Literatur diskutiert. Sie sind im wissenschaftlichen Diskurs in Deutschland von untergeordneter Bedeutung. In Australien gibt es seit 1998 eine einheitliche Unternehmensverfassung (Constitution). Die Unterscheidung zwischen Articles und Memorandum wurde abgeschafft. 229 Während ein Großteil des Corporations Act zwingendes Gesetzesrecht darstellt, werden in einer Reihe dispositiver Normen (Replaceable Rules) die Corporate Governance und die Rechte und Pflichten der Anteilseigner definiert. Sie können abweichende Regelungen treffen, indem sie sich eine Unternehmensverfassung geben. 230 Im Unterschied dazu ist in Deutschland eine Satzung bzw. ein Gesellschaftsvertrag zwingend für die Unternehmensgründung erforderlich, §§ 2, 23, 37 AktG, 3 GmbHG. Die Funktion, die in Deutschland die Mindestangaben in Satzung und Gesellschaftsvertrag haben,

229 230

Vgl. oben: Teil 2 D., Seite 54. Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 190, 194.

294

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

übernimmt in Australien das Certificate of Registration, s 118 Corporations Act. Im Vergleich zur australischen Kapitalgesellschaft besteht für Satzungsbestimmungen bei einer deutschen Aktiengesellschaft nur relativ wenig Gestaltungsfreiheit. Fast alle Vorschriften des Aktiengesetzes sind zwingendes Gesetzesrecht, § 23 V AktG (Satzungsstrenge). 231 Die im Aktiengesetz vorgesehenen Ausnahmen beschränken sich auf §§ 10 V, 24, 25, 31 II, 52 V, 55, 58-60, 63, 67 VI, 68 II, 76 II, 77, 78, 95, 100 IV, 101 II, 103 I, 108, 109 III, 111 IV, 118, 121-123, 133 f., 139, 140 III, 150 II, 179 I, 182, 186 III, 193 I, 202, 203 III, 208 I, 221 I, 222 I, (229 III), 237 IV, 262 I, 265 II, 269, 274 I AktG. Ob diese Satzungsstrenge, die aus ökonomischen Gesichtspunkten unter immer stärkeren Deregulierungsdruck gerät, in der Zukunft abgemildert wird, bleibt abzuwarten. Hier ist vom derzeitigen Regulierungsstand auszugehen. Eine derart eingeschränkte Dispositionsmöglichkeit ist im internationalen Vergleich außergewöhnlich und wird vielfach kritisiert. 232 Problematisch ist, dass individuelle Anpassungen und Produktivitätssteigerungen in Folge organisatorischer Kreativität von vornherein verhindert werden. 233 Derartige Anpassungen waren maßgebend für die Entstehung moderner Kapitalgesellschaften. 234 Ihre Weiterentwicklung scheint nun strukturell eingedämmt zu sein. Andererseits entstehen geringere Kosten aufgrund der mit zwingenden Normen zunehmenden Rechtssicherheit und der abnehmenden Möglichkeit opportunistischer Vertragsänderungen sowie der Abnahme von Informationspathologien. 235 Dadurch kann es zu Produktivitätssteigerungen kommen. Eine Mischung von dispositiven und zwingenden Normen wird in Deutschland dadurch hergestellt, dass den Akteuren neben der Aktiengesellschaft eine zweite Rechtsform zur Auswahl gestellt wird. Der Zuständigkeitsrahmen für die GmbH ist weitgehend dispositiv. 236 Dort wird auf das Funktionieren des Marktmechanismus beim Aushandeln zwischen

231

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §5.III.4., 123; Schwark, DBW 47 (1987) 239

(241). 232

Hopt, ZGR-Sonderheft 13, 123 (126, 144 f.). Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 160. 234 Vgl. oben: Teil 2 A., Seite 29. 235 Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 85. 236 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §36.III.2., 1095. 233

B. Anpassungen der Unternehmensverfassung

295

den Anteilseignern vertraut. 237 Die Gestaltungsfreiheit bei der GmbH geht über die in australischen Kapitalgesellschaften hinaus. Die Rechte und Pflichten in der Unternehmensverfassung einer australischen Kapitalgesellschaft, die ergänzt werden durch die Replaceable Rules des Corporations Act, formen in ihrer Gesamtheit ein gesetzliches Schuldverhältnis (Statutory Contract) zwischen den Anteilseignern untereinander, zwischen den Anteilseignern und der Gesellschaft sowie zwischen den Direktoren und der Gesellschaft, s 140 I Corporations Act. Jede dieser Personen kann die ihnen in der jeweiligen Eigenschaft eingeräumten Rechte durchsetzen. 238 Auch in Deutschland werden nicht nur die Anteilseigner selbst, sondern auch die Organwalter der Unternehmensorgane durch die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag gebunden, §§ 82 II AktG, 37 I GmbHG. Außenstehenden Dritten können Befugnisse ebenfalls nur eingeschränkt und nur schuldrechtlich eingeräumt werden. Eine gesetzlich geregelte Ausnahme von diesen Einschränkungen ist der aktienrechtliche Beherrschungsvertrag, der als organisationsrechtlicher Vertrag auch mit einer Person abgeschlossen werden kann, die kein Anteilseigner ist, §§ 291 ff. AktG. Insgesamt werden in Australien und in Deutschland durch die Unternehmensverfassung die Rechte und Pflichten der Anteilseigner untereinander und zur Gesellschaft sowie die Stellung der Organe umfassend geregelt. Sie kann als Anreizsystem interpretiert werden, das das Verhalten der Akteure im Sinne der Organisationsziele begünstigen soll.239 Damit ist die Unternehmensverfassung in der Theorie ein bedeutendes Instrumentarium der internen Corporate Governance. Folglich kommt sie auch als Mittel zur Regulierung der relationalen Beziehungen zwischen Konzernobergesellschaft in ihrer Funktion als Anteilseigner und den Tochterunternehmen sowie zu deren Organen in Betracht. Änderungen der Unternehmensverfassung bedürfen in beiden Staaten für alle Rechtsformen stets mindestens einer Dreiviertelmehrheit, ss 136 II, 9 (Special Resolution) Corporations Act, §§ 179 II 1 AktG, 53 II 1 GmbHG. Selbst wenn der Mehrheitseigner einer Kapitalgesellschaft über diese Stimmenmehrheit verfügt, kann seine Freiheit in der Ausgestaltung der Unterneh-

237

Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (186 f.). Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [11.235]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 190, 205. 239 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 260. 238

296

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mensverfassung eingeschränkt sein. Die äußere Grenze stellt in Australien und in Deutschland die Verbandsautonomie dar. Die Anteilseigner können danach nicht auf bestimmte Befugnisse für die Zukunft wirksam verzichten. Besonders wichtig ist ihr Recht, die Unternehmensverfassung ändern zu können. 240 Die sonstigen Grenzen der Mehrheitsmacht im Bereich der Veränderung der Unternehmensverfassung sind in Australien die gleichen wie bei der Ausübung von Stimmrechten. Sie basieren weitgehend auf Billigkeitsgesichtspunkten (Equitable Remedies). 241 Dies ähnelt der deutschen Treuepflicht. In Betracht kommt in Australien vor allem das Rechtsinstitut des Fraud on the Minority. Alle Anteilseigner müssen stets redlich und im Interesse der Gesellschaft als Gesamtheit handeln (Good-Faith-Test). 242 Nach diesen Grundsätzen handelt ein Anteilseigner treuwidrig, wenn er sich persönlich zum Schaden der übrigen bereichert. Eine unternehmerische Fehlentscheidung oder Privatinteressen des Anteilseigners sind dagegen grundsätzlich unerheblich. 243 Die diesbezügliche Billigkeitsrechtsprechung in Australien ist uneinheitlich und bietet nur rudimentären Schutz. Die Feststellung der Unwirksamkeit einer Stimmabgabe kommt nur ausnahmsweise vor. 244 Insgesamt obliegt die Konzernobergesellschaft nur geringen Einschränkungen auf Grundlage des Good-Faith-Tests bei der Betätigung ihres Stimmrechts. 245 Weiter gehend sind die Einschränkungen der Mehrheitsmacht bei Veränderungen der Unternehmensverfassung, die im Rahmen der Entscheidung Gambotto vom High Court aufgestellt wurden. 246 In diesem Präzedenzfall hielt der Mehrheitseigner (IEL) 99,7 Prozent der stimmberechtigten Eigenkapital-

240

Für die Aktiengesellschaft: Großkomm AktG/Wiedemann, §179 Rn 3; für die GmbH: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §36.III.2., 1095. 241 Allen v Gold Reefs of West Africa Ltd [1900] 1 Ch 656 (671 – Lindley MR); CASAC, Corporate Groups, [1.77] – Fn.95. 242 Clemens v Clemens Bros [1976] 2 All ER 268 (282 – Foster J); Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170 f.). 243 Hollington, Minority Shareholders’ Rights, [2-008]; Yeung, LMCLQ 1997, 208 (234). 244 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [11.100]; Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (229); Tomasic/Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 196-198. 245 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (228 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (234). 246 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432, 16 ACSR 1 (Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ).

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anteile (Voting Shares) und wollte die übrigen Anteile übernehmen. IEL war aber nicht imstande, die Voraussetzungen des gesetzlichen Squeeze-Out-Verfahrens zu erfüllen. Das lag vor allem daran, dass innerhalb der verbleibenden außenstehenden Anteilseigner ein Anteilseigner (Gambotto) einen hohen Anteil besaß. Aufgrund seiner Weigerung dem Squeeze-Out zuzustimmen, konnte das festgeschriebene Quorum von außenstehenden Anteilseignern nicht erreicht werden. Daraufhin änderte die Gesellschaft ihre Unternehmensverfassung und legte darin ein neues Verfahren fest, nach dem außenstehende Anteilseigner ihre Anteile an den jeweiligen Mehrheitseigner auch gegen ihren Willen abtreten müssten. Hiergegen wandte sich der Kläger. Das Gericht gab der Klage statt und verwarf die Änderung der Unternehmensverfassung. Es hielt den GoodFaith-Test für den vorliegenden Fall für unanwendbar. 247 Das Gericht stellte fest, dass ein Herausdrängen der außenstehenden Anteilseigner mit Hilfe einer nachträglichen Änderung der Unternehmensverfassung grundsätzlich möglich sei (anders in Deutschland, § 237 I AktG). Die Änderung müsse aber für einen angemessenen Zweck (Proper Purpose) erfolgen und dürfe nicht treuwidrig sein (not Oppressive). 248 Ein angemessener Zweck sei nur dann gegeben, wenn ein erheblicher Nachteil vom Unternehmen abgewendet werde. Beispielsweise solle es angemessen sein, wenn ein Konkurrenzunternehmen aus der Stellung als Anteilseigner herausgedrängt werden soll oder wenn nur durch das Herausdrängen bestimmter Anteilseigner gesetzliche Vorgaben eingehalten oder erfüllt werden können.249 Allein wirtschaftliche Vorteile seien nicht ausreichend. Darüber hinaus statuierte das Gericht eine Beweislastumkehr. Es sei die Aufgabe des Mehrheitseigners nachzuweisen, dass die Änderung der Unternehmensverfassung zulässig sei. 250 Einschränkend ist im Rahmen der Gambotto-Entscheidung zu berücksichtigen, dass inzwischen das australische Recht – wie auch das deutsche – neue Verfahren vorsieht, mit denen außenstehende Anteilseigner herausgedrängt werden können, ohne sich dabei einer Satzungsänderung bedienen zu müssen. Die Entscheidung ist dennoch weiterhin als ein Urteil des höchsten australischen Gerichts für Satzungsänderungen bindend. Sie wird von den Gerichten

247

Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (444), 16 ACSR 1 (8 – Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ). 248 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (444 f.), 16 ACSR 1 (8 f. – Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ). 249 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (445), 16 ACSR 1 (9 – Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ). 250 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (447), 16 ACSR 1 (10 f. – Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ).

298

Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

auch tatsächlich berücksichtigt. 251 Das Urteil betrifft nur nachträgliche Änderungen der Unternehmensverfassung, nicht aber die ursprüngliche Ausgestaltung der Corporate Governance. 252 Neben Squeeze-Out-Szenarien gelten die in Gambotto aufgestellten Grundsätze auch für alle anderen Eigentumsrechte und eigentumsgleichen Rechte der Anteilseigner. Damit sind sie auch anwendbar für Regelungen in Bezug auf Stimmrechte, Dividendenrechte und das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen. 253 Veränderungen der Unternehmensverfassung, die diese Rechte außenstehender Anteilseigner beeinflussen, sind praktisch ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung weist Ähnlichkeiten auf mit der Kernbereichslehre des deutschen Personengesellschaftsrechts. Allerdings handelt es sich hierbei um eine bloße Auslegungsregel, die ihre Grenzen im Bestimmtheitsgrundsatz findet. In Australien gelten die engen Voraussetzungen der Gambotto-Entscheidung nicht für Änderungen der Unternehmensverfassung, soweit keine eigentumsrechtlich geschützten Rechte der Anteilseigner betroffen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob im konkreten Fall Interessenkonflikte bestehen. Solche Änderungen sind an dem ursprünglichen Good-Faith-Test zu messen und regelmäßig wirksam. 254 Folglich gelten für viele Aspekte der Corporate Governance in Konzernen, die im Rahmen der Unternehmensverfassung von Tochterunternehmen geregelt werden können, die Einschränkungen der Gambotto-Entscheidung nicht. Der Konzernobergesellschaft kann beispielsweise eine formelle Einsetzungsbefugnis für Direktoren eingeräumt werden. Aufgrund ihrer Stimmmacht in der Hauptversammlung hat sie diese aber ohnehin. Entscheidenden Einfluss auf die Corporate Governance über die Unternehmensverfassung in australischen Tochterunternehmen kann die Konzernobergesellschaft in Bezug auf die Definition der Pflichten ihrer Direktoren nehmen. Direktoren müssen sich bei ihren Handlungen stets an Vorgaben in der Unternehmensverfassung halten. 255 Die Unternehmensverfassung könnte den unbestimmten Rechtsbegriff der „Interests of the Company“ definieren, an dem die

251

Zuletzt: Capricorn Diamonds Investments pty ltd v Catto [2002] 5 VR 61 (Warren J). 252 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [11.060]; Tomasic/ Bottomley/McQueen, Corporations Law in Australia, 200. 253 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [11.080]. 254 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 CLR 432 (444), 16 ACSR 1 (8 – Mason CJ, Brennan, Deane, Dawson JJ). 255 Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.160].

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Pflichten der Direktoren gemessen werden. Es kann beispielsweise bestimmt werden, dass es dem Interesse der Gesellschaft entspricht, wenn einzelne oder alle Direktoren im Interesse eines bestimmten Dritten handeln – im Interesse eines Gläubigers, einer anderen Kapitalgesellschaft (der Konzernobergesellschaft) oder auch des Konzerns als Ganzem. 256 Andere Stimmen in der australischen Literatur betonen die Möglichkeit, den Ermessensspielraum der Direktoren über die Unternehmensverfassung derart zu erweitern, dass sie Entscheidungen treffen können, die andernfalls eine Pflichtenverletzung darstellten.257 Praktisch dürfte dies ebenfalls auf eine Definition der „Interests of the Company“ hinauslaufen. Es bleibt unzulässig, einem Direktor in der Unternehmensverfassung zu erlauben, der Gesellschaft und ihren Akteuren (bewusst) Schaden zuzufügen. Dies verstieße gegen den in ss 180 ff. Corporations Act festgesetzten Mindestrahmen. Auch haben Direktoren ohnehin einen weiten Ermessensspielraum. Sie können ohne Definition in der Unternehmensverfassung Außeneinflüsse und Drittinteressen in der Entscheidungsfindung berücksichtigen. 258 Folglich spricht vieles dafür, dass etwaigen Ausführungen zu den Aufgaben, Rechten und Pflichten der Direktoren in der Unternehmensverfassung allenfalls eine Klarstellungsfunktion zukommt. Eine weiter gehende Funktion kann dagegen Pflichtendefinitionen in der Unternehmensverfassung im Rahmen der s 187 Corporations Act zukommen. Diese Regel wurde mit der CLERP-Reform ins Gesetz aufgenommen. Sie lautet: “A director of a corporation that is a wholly-owned subsidiary of a body corporate is taken to act in good faith in the best interests of the subsidiary if: (a) the constitution of the subsidiary expressly authorises the director to act in the best interests of the holding company; and (b) the director acts in good faith in the best interests of the holding company; and (c) the subsidiary is not insolvent at the time the director acts and does not become insolvent because of the director’s act.”

256

Levin v Clark [1962] NSWR 686 (700 f. – Jacobs J); Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (218). 257 Whitehouse v Carlton Hotel Pty Ltd (1987) 162 CLR 285 (291 – Mason, Deane, Dawson JJ); Afterman, Company Directors and Controllers, 61; Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (218); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (217). 258 Vgl. oben: Teil 4 C., Seite 206.

300

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Die Auslegung der Vorschrift ist kontrovers. Nach einer Interpretation ist der Regel eine mittelbare Auswirkung auf die allgemeinen Regeln beizumessen. 259 Nach den allgemeinen Regeln sind Direktoren durch Pflichtendefinitionen und Handlungsanweisungen in der Unternehmensverfassung gebunden.260 Beispielsweise wurde der Unternehmensverfassung in den Entscheidungen Levin v Clark und Berlei Hestia eine inzidente Erweiterung der Definition „Interests of the Company“ entnommen, die den Ermessensrahmen der Direktoren erweiterte. 261 Im Gegenschluss aus s187 Corporations Act könnte nun angenommen werden, dass in jeder Gesellschaft, die nicht im Alleineigentum eines Anteilseigners steht, derartige Drittinteressen keine Berücksichtigung finden dürfen. Ein derartig grundlegender Wechsel der Pflichteninterpretation war aber vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt und sollte deshalb nicht dem Gesetz entnommen werden. 262 S 185 Corporations Act ist vielmehr ausdrücklich zu entnehmen, dass die allgemeinen Regeln des Common Law weiter Bestand haben sollen. Die Regelung in s 187 Corporations Act wird nach einer anderen Auffassung als eine Erweiterung des Handlungsspielraums interpretiert. Normalerweise darf ein Direktor nur solche Fremdinteressen berücksichtigen, die mit den Eigeninteressen des Tochterunternehmens vereinbar sind. Im Vergleich dazu könnte es nach s 187 Corporations Act dem Direktor gestattet werden, die Eigeninteressen vollständig zu ignorieren. 263 Es könnte bei einer entsprechenden Regelung in der Unternehmensverfassung für Direktoren sogar zulässig sein, der Gesellschaft Schaden zuzufügen, solange dadurch nicht die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt wird. Eine solche Interpretation der Vorschrift führte dazu, dass vor allem die Durchsetzbarkeit einseitiger Garantieerklärungen von Tochterunternehmen zugunsten der Konzernobergesellschaft erleichtert wird.264 Die Anteilseigner könnten unabhängig von s 187 Corporations Act stets Handlungen der Direktoren genehmigen oder ihnen im Voraus zustimmen, die

259

Dazu: Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (644). Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.160]. 261 Vgl. oben: Teil 5 A.II.1., Seite 265. 262 CLERP Bill 1998, Explanatory Memorandum [6.17-6.21]. 263 Greenwood, Directors' Duties in the Light of CLERP, 5. 264 CASAC, Corporate Groups, [2.32]; Ford/Austin/Ramsay, Ford’s Principles of Corporations Law, [8.140]. 260

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andernfalls einen Pflichtenverstoß beinhalten.265 Insofern tritt s 187 Corporations Act allenfalls an die Stelle derartiger Erlaubnisverfahren. 266 Eine dritte Auffassung entnimmt der Vorschrift keine Änderung der bestehenden Pflichten. Die Regel ist nur anwendbar bei Tochterunternehmen, die im Alleineigentum der Konzernobergesellschaft stehen. Abweichende Interessen außenstehender Anteilseigner gibt es nicht. Die Interessen von Gläubigern werden durch die Liquiditätsklausel in Ziff.(c) geschützt. Im australischen Recht wird – wie in Deutschland – bei Kapitalgesellschaften ein Eigeninteresse an ihrem Bestand unabhängig von dem ihrer Akteure nicht anerkannt. Somit gibt es in den durch s 187 Corporations Act beschriebenen Fällen keine relevanten Interessen, die mit denen der Konzernobergesellschaft kollidieren könnten. 267 Nach dieser Interpretation kommt s 187 Corporations Act keine eigenständige Bedeutung zu. Zumindest ändert die Norm weder das Common Law noch die allgemeinen Regeln der ss 180 ff. Corporations Act.268 Dieser Auffassung ist zu folgen, denn sie lässt sich mit dem sonstigen Pflichtensystem innerhalb von australischen Kapitalgesellschaften insgesamt am Besten vereinbaren. Folglich sollte einer Regelung in der Unternehmensverfassung, die aufgrund s 187 Corporations Act erfolgt, allenfalls eine Klarstellungsfunktion beigemessen werden. Eine neue Beurteilung der Interpretation wäre allerdings notwendig, wenn sich Vorschläge der ständigen Regierungskommission CAMAC (damals CASAC)269 durchsetzen. Sie hatte im Jahre 2000 gefordert, die Regelung auf Tochterunternehmen mit außenstehenden Anteilseignern auszuweiten. Die außenstehenden Anteilseigner sollen dem gesondert zustimmen müssen bzw. sollte ihnen ein Abfindungsanspruch eingeräumt werden. 270 Damit ließe sich die hier vertretene Auffassung nicht vereinbaren, dass einer solchen Regelung in der Unternehmensverfassung allenfalls eine Klarstellungsfunktion zukommt. Auf der anderen Seite erkannte die Kommission in ihrer damaligen Stellungnahme an, dass bereits nach geltendem Recht Direktoren Drittinteressen

265 Pascoe Ltd v Lucas (1998) 16 ACLC 1247 (1272-1276 – Debelle J); CASAC, Corporate Groups, [2.1-2.4]. 266 Baxt/Lane, C&S LJ 16 (1998) 628 (639); CASAC, Corporate Groups, [2.34]. 267 Hill, Canadian Business Law Journal 24 (1995) 321 (349). 268 CLERP Bill 1998, Explanatory Memorandum, [6.17, 6.19]; a.A.: De Mott, C&S LJ 16 (1998) 575 (578). 269 Vgl.: s 147 ASIC Act. 270 CASAC, Corporate Groups, Recommendation 3; Cilliers, AJCL 13 (2001) LEXIS 8, 39.

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berücksichtigen dürfen, soweit sie damit der Gesellschaft nicht schaden. Die Frage, wie die vorgeschlagene Regel zu interpretieren ist, kann aber unbeantwortet bleiben, da eine Umsetzung des Vorschlags nicht absehbar ist. Auch die Kommissionsleitung geht zumindest mittelfristig nicht mehr von einer Umsetzung des Vorschlags aus. Zusammenfassend zeigt die Diskussion des australischen Rechts, dass die Konzernobergesellschaft auch bei ausreichender Stimmmacht die Unternehmensverfassung nicht einseitig verändern darf, soweit dadurch die eigentumsrechtlich geschützten Primärrechte außenstehender Anteilseigner berührt werden. Andere mögliche Anpassungen in der Unternehmensverfassung haben unbedeutende Auswirkungen auf das Verhältnis des Tochterunternehmens zur Konzernobergesellschaft. In der Praxis finden sich dennoch häufig s187 Corporations Act entsprechende Regelungen in den Unternehmensverfassungen. Dies ist weitgehend auf die mit der Interpretation dieser Vorschrift im Zusammenhang stehende Rechtsunsicherheit zurückzuführen. In Deutschland gibt es keine vergleichbare Diskussion zur Satzung einer Aktiengesellschaft bzw. zum Gesellschaftsvertrag einer GmbH. Soweit das AktG überhaupt einen Spielraum für Regelungen in der Satzung zulässt, binden diese grundsätzlich einheitlich alle Aktionäre. Differenzierungen zwischen einzelnen Anteilseignern sind unzulässig, § 53a AktG. Eine Ausnahme besteht, soweit verschiedene Aktiengattungen ausgegeben werden. Eine Änderung der Rechte solcher Aktiengattungen bedarf anders als nach Gambotto nicht der Zustimmung aller betroffenen Anteilseigner. Ein Sonderbeschluss mit qualifizierter Mehrheit ist ausreichend, § 179 III AktG. Weiter als Gambotto geht § 237 I AktG. Danach ist eine nachträglich in die Satzung eingefügte Vorschrift, die ein Herausdrängen von Anteilseignern zulässt, generell unzulässig. Bedeutsam für die deutsche Aktiengesellschaft sind aber nicht diese Spezialvorschriften. Prägend ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers, für Publikumsgesellschaften zum Schutz der Kleinaktionäre weitgehend zwingendes Recht zu statuieren. 271 Über den gesetzlichen Rahmen hinaus haben Gerichte unabdingbare Corporate-Governance-Regeln geschaffen, durch die die Aufgabenverteilung zwischen den Organen ebenfalls gebunden ist (vor allem Holzmüller-Doktrin).272 Sie betrifft allerdings nur außergewöhnliche Strukturänderungen, die in ihren Auswirkungen wertungsmäßig an die Notwendigkeit

271

Kübler, in: Kübler, Verrechtlichung von Wirtschaft, 167 (186 f.). BGH, Der Konzern 2004, 421 ff. (Gelantine I, II); Hopt, ZGR-Sonderheft 13, 123 (130 f.). 272

B. Anpassungen der Unternehmensverfassung

303

einer Satzungsänderung heranreichen müssen. 273 Die Unentziehbarkeit der wesentlichen Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands in der Aktiengesellschaft auch gegenüber den Anteilseignern als Träger des residualen Risikos kann mit den Pathologien der Stimmrechtsausübung durch die Aktionäre, mit Informationsvorteilen des Managements und mit dem Verbot der Rückdelegation von eigener Verantwortung begründet werden. 274 Für die Corporate Governance bleibt lediglich eine mögliche Änderung des Unternehmensgegenstands in der Satzung bedeutungsvoll. Dieser ist allerdings in der Praxis umfassend ausgestaltet und wird kaum eingeschränkt werden. Im GmbH-Recht ist dagegen der Zuständigkeitsrahmen in den Grenzen der Verbandsautonomie weitgehend dispositiv. 275 Entsprechend der personalistischen Struktur und dem kleinen Kreis von Anteilseignern ist die individuelle Einigung auf einzelfallgerechte Ausnahmen vom gesetzlichen Normalstatut wahrscheinlich. Das GmbH-Recht eröffnet einen weiteren Gestaltungsspielraum als das australische Recht. Grenzen der Abdingbarkeit sind die Verbandsautonomie, die qualifizierten Mehrheitserfordernisse und die gegenseitige Treuepflicht. Die Minderheit soll damit vor dem einseitigen Diktat unangemessener Bedingungen geschützt werden. 276 Als weitere Möglichkeit der Inhaltskontrolle bei der GmbH wird teilweise die Gesetzesumgehung angeführt.277 Die formellen Voraussetzungen für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags sollen einzuhalten sein, wenn der Gesellschaftsvertrag Regeln enthält, die tatsächlich einen mit dem Gesellschaftsvertrag verbundenem Beherrschungsvertrag beinhalten. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings muss beachtet werden, dass entgegen einer verbreiteten Ansicht die Voraussetzungen der §§ 291 ff. AktG gerade nicht analog bei der GmbH anzuwenden sind.278 Grundsätzlich kann im Gesellschaftsvertrag der Konzernobergesellschaft ein Weisungsrecht eingeräumt werden. Die Weisungsbefugnis kann dem Mehrheitsgesellschafter auch durch einfachen Beschluss der Gesellschafterversammlung eingeräumt werden.279 Weiterhin ist die Schaffung eines neuen Gremiums innerhalb der

273

Götze, NZG 2004, 585 (586). Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 182 f. 275 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §36.III.2., 1095. 276 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, §5.III.4., 123. 277 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §291 Rn 274

42. 278 279

Vgl. oben: Teil 4 B.I.1., ab Seite 127, insbes.: Seite 134. Konzen, NJW 1989, 2977 (2979).

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Teil 5 : Konzernobergesellschaft als Anteilseigner

GmbH möglich, dem das Weisungsrecht übertragen wird. 280 Zudem bedarf es bei der GmbH regelmäßig keiner Änderung des Gesellschaftsvertrags, da die Konzernobergesellschaft ohnehin über die Stimmmehrheit in der Gesellschafterversammlung ein Weisungsecht ausüben kann. Soweit dies im Gesellschaftsvertrag formalisiert werden soll, sind die zulässigen Grenzen der gegenseitigen Treuepflicht und der Verbandsautonomie zu beachten. Auch die Weisungen selbst sind durch die Treuepflicht gebunden. Andernfalls sind Beschlüsse und die Änderung des Gesellschaftsvertrags unwirksam und können durch die Minderheit angefochten werden. 281 Die Diskussion hat gezeigt, dass für die Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns in Australien und in Deutschland der Unternehmensverfassung eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Nur bei der deutschen GmbH können weitgehende Veränderungen des Zuständigkeitsgefüges beschlossen werden, die aber auch ohne Formalisierung de facto erfolgen können.

C. Unternehmerische Entscheidungen Schließlich können die Anteilseigner neben Personalentscheidungen und der Festsetzung der Unternehmensverfassung mitunter selbst unternehmerische Entscheidungen treffen. Folglich stellt sich die Frage, ob die formalisierte Einflussnahme auf solche Entscheidungen für die Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance von Bedeutung ist. In Australien besteht nur ausnahmsweise eine Verpflichtung des Boards, unternehmerische Entscheidungen den Anteilseignern vorzulegen. Zu nennen sind zum einen die Related-Party-Transactions-Regeln. 282 In diesen Situationen stellen die relationalen Beziehungen zur Konzernobergesellschaft den Grund für die Entscheidung der Anteilseigner dar. Als Konsequenz schließt das Gesetz das Stimmrecht der Konzernobergesellschaft aus, s 224 I Corporations Act. Darüber hinaus sind die Anteilseigner mit unternehmerischen Entscheidungen befasst, wenn sie Fehlverhalten der Direktoren genehmigen sollen. In der Unternehmenswirklichkeit weisen die Direktoren die Anteilseigner aber nicht auf eigenes Fehlverhalten hin und ersuchen dann um eine Geneh-

280

Konzen, NJW 1989, 2977 (2980 f.). H.P. Westermann, in: Centrale für GmbHen, GmbH-Konzern, 25 (44). 282 Vgl. oben: Teil 4 B.I.3., Seite 154. 281

C. Unternehmerische Entscheidungen

305

migung. 283 Zudem ist eine Genehmigung in der Insolvenz und in anderen Fällen, in denen eine Benachteiligung von Gläubigerinteressen möglich ist, ausgeschlossen. Nur hier wäre sie aber praktisch bedeutungsvoll. Die Anteilseigner in Australien werden grundsätzlich nicht mit unternehmerischen Entscheidungen befasst. 284 Andernfalls wäre die Gesellschaft zu einer umfassenden Offenlegung aller in Frage kommenden Erwägungsgründe verpflichtet. Dies ist aus Kostengründen und zum Schutz gegenüber Wettbewerbern inopportun. Soweit die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft im Einzelfall dennoch eine unternehmerische Entscheidung treffen müssen, ist die Konzernobergesellschaft grundsätzlich in ihrer Stimmabgabe frei.285 Die Maßnahme darf aber nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen (Oppressive Conduct). 286 Insofern gilt die erwähnte Billigkeitsrechtsprechung (Equitable Remedies) mit dem damit in Verbindung stehenden Good-Faith-Test. Das Stimmrecht des Anteilseigners ist eigentumsrechtlich geschützt und kann grundsätzlich auch im Eigeninteresse betätigt werden. Die Konzernobergesellschaft ist also in Australien grundsätzlich in ihrer Stimmabgabe nicht eingeschränkt. 287 Der Stimmabgabe der Anteilseigner kommt außerhalb der in Teil 5 A. diskutierten Personalentscheidungen nur eine untergeordnete Bedeutung zu. In der deutschen Aktiengesellschaft sind dagegen grundlegende Entscheidungen und Maßnahmen, die die Unternehmensstruktur ändern, stets der Hauptversammlung vorbehalten (Holzmüller-Doktrin).288 Die Rechtsprechung wurde ursprünglich für die Ausgliederung des wichtigsten Unternehmensteils

283

Yeung, LMCLQ 1997, 208 (224). Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170). 285 Redmond, in: Gillooly, Corporate Groups, 208 (228 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (234). 286 Afterman, Company Directors and Controllers, 136; CASAC, Corporate Groups, [2.4]; Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (224). 287 Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] AC 187 (221 – Lowry LJ); North-West Transportation Co Ltd v Henry Beatty (1887) 12 AC 589 (593 – Sir Baggallay LJ); Afterman, Company Directors and Controllers, 136; Gillooly, in: Gillooly, Corporate Groups, 159 (170 f.); Yeung, LMCLQ 1997, 208 (224, 234). 288 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (332). 284

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begründet. Auch für die Entscheidung, ein Delisting vorzunehmen, ist ausschließlich die Hauptversammlung zuständig. Minderheitenrechten ist dabei durch Abfindungsansprüche gerecht zu werden.289 Zuletzt hat der BGH seine Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, dass die Kernkompetenzen der Hauptversammlung berührt sein müssen, um ihre Zustimmung zu einer Umstrukturierungsmaßnahme erforderlich werden zu lassen (GelatineRechtsprechung). 290 Dies sei bei konzerninternen Umstrukturierungen erst dann der Fall, wenn diese in ihren Auswirkungen wertungsmäßig an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen. Diese Voraussetzung setzt voraus, dass etwa 80 Prozent des Gesellschaftsvermögens von der Umstrukturierung erfasst werden. Unter diesem Schwellenwert kommt eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung beispielsweise in Frage, wenn das Geschäftsführungsorgan nach der Strukturänderung nicht mehr in der Lage ist, den satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand zu verfolgen.291 Insgesamt hatte sich in Deutschland bis zu dieser Klarstellung durch den BGH sukzessive eine verstärkte Kontrolle des Innenverhältnisses der Anteilseigner in der Aktiengesellschaft und der diese betreffenden Strukturänderungen herausgebildet. 292 Auch die neue Rechtsprechung bestätigt grundsätzlich die ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung, setzt ihr aber deutliche Grenzen. Es wurde klargestellt, dass nur in absoluten Ausnahmesituationen eine unmittelbare Einflussnahme durch die Anteilseigner der Aktiengesellschaft erfolgen muss. 293 Für Konzernsachverhalte fällt diese Form der formalisierten Einflussnahme auf Tochterunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft praktisch aus. Auch eine formalisierte Einflussnahmemöglichkeit der Anteilseigner der Konzernobergesellschaft auf Strukturänderungen in besonders wichtigen Tochterunternehmen ist durch die Klarstellung in der GelatineRechtsprechung auf außergewöhnliche Konstellationen beschränkt. Vergleichbare Regeln gibt es in Australien für börsennotierte Unternehmen über die ASX Listing Rules. Regulierung legt dabei allgemein verpflichtende Ausgleichszahlungen (Appraisal Rights) fest, wenn durch Strukturänderungen einzelne Anteilseigner Nachteile haben. Diese werden ausgeglichen, ohne die

289

BGH, NJW 2003, 1032 (1034 f.). BGH, Der Konzern 2004, 421 ff. (Gelantine I, II); Götze, NZG 2004, 585 (587). 291 OLG Stuttgart, ZIP 2005, 1415 (1419). 292 Assmann, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (335). 293 Götze, NZG 2004, 585 (586 f.). 290

D. Ergebnis

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Minderheit an der gesamten Wertsteigerung für die Mehrheit teilhaben zu lassen. 294 Derartige Strukturänderungen kommen nur selten vor. Teilweise geht von Ausgleichsansprüchen außenstehender Anteilseigner sogar ein abschreckender Präventiveffekt aus.295 Insgesamt ist die Zuständigkeit der Anteilseigner in der deutschen Aktiengesellschaft wie bei australischen Kapitalgesellschaft als Mechanismus der Corporate Governance zu vernachlässigen. Das ist anders bei der deutschen GmbH. Hier sind die Anteilseigner für die Entscheidung aller wesentlichen Maßnahmen zuständig. Mitunter wird diese Zuständigkeit einem besonderen Gremium (Aufsichtsrat) oder einem Gesellschafter (Konzernobergesellschaft) zugewiesen. Dieser Strukturunterschied liegt darin, dass von vornherein bei der GmbH im Unterschied zur Aktiengesellschaft und den australischen Gesellschaften die Letztentscheidungsbefugnis nicht bei ihrem Geschäftsführungsorgan liegt. Die im Rahmen der Weisungen und sonstigen unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigenden Handlungs- und Verfügungsrechte wurden bereits in Teil 4 diskutiert.296

D. Ergebnis Untersucht wurden die Einflussnahmemöglichkeiten der Konzernobergesellschaft auf Tochterunternehmen entlang rechtlich vermittelter Beziehungen. Bereits in Teil 4 wurde gezeigt, dass in Konzernen alle Kooperationspartner eigene Vorteile aus ihrem Beitrag zur Kooperation ziehen sollten. Für das gegenseitige Verständnis und für die interne Kooperation kann eine einheitliche Personalplanung durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft, die Entsendung von Repräsentanten in die Organe von Tochterunternehmen und die Vergabe von Doppelmandaten förderlich sein. Traditionell ist eine gemeinsame Personalplanung in europäischen Konzernen stark ausgeprägt. Allerdings verursacht sie erhebliche Kosten gegenüber anderen Kooperationsmethoden.297 Auch rein tatsächlich ist es nicht möglich, umfassenden Einfluss durch Personalplanung, insbesondere durch die Vergabe von Doppelmandaten zu erreichen. Andere Faktoren der konzerninternen Corporate Governance sind für den

294

Easterbrook/Fischel, Economic Structure of Corporate Law, 139. Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 207. 296 Vgl. oben: Teil 4 B.II., Seite 172. 297 Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 188-190. 295

308

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Erfolg der Kooperation und das Erzielen von Verständnis regelmäßig bedeutsamer. Insgesamt ist der rechtlich formalisierte Einfluss der Anteilseigner auf die Corporate Governance in Australien und auch in der deutschen Aktiengesellschaft zu vernachlässigen. Bedeutung zur Klarstellung der relationalen Beziehungen kann die Unternehmensverfassung haben. Eine materielle Änderung der relationalen Beziehungen bewirkt auch eine Änderung in den Gesellschaftsverträgen bei der GmbH, in der ein umfangreicher Handlungsspielraum besteht, regelmäßig nicht. Entscheidender ist, dass bei dieser Gesellschaftsform die Anteilseigner unmittelbaren Einfluss auf die aktive Kooperation im Konzern nehmen können. Dies wurde in Teil 4 diskutiert. Aus vertragstheoretischer Sicht mag die indirekte Einflussnahme auf die Corporate Governance durch Anteilseigner mit Hilfe des Stimmrechts neben den unter Teil 4 ..B. diskutierten Handlungs- und Verfügungsrechten, die die Konzernobergesellschaft binden, der zentrale Mechanismus zum Ausgleich der Lücken des relationalen Vertrags sein. 298 Rechtstatsächlich entfällt er aber als eigenständiger Corporate-Governance-Mechanismus. Bereits in Teil 2 A oben wurde festgestellt, dass die Bedeutung der Anteilseigner für die Corporate Governance in modernen Kapitalgesellschaften gering ist. Dem trug der nationale Regulierer in beiden Staaten Rechnung, indem er anderen Organen die funktionalen Aufgaben in der Kapitalgesellschaft zuwies. Entwickelt hat sich dadurch ein Regelungssystem, in dem für Anteilseigner kaum Anreize, aber hohe Hürden bestehen, um auf die interne Corporate Governance einzuwirken. 299 Die Untersuchung in diesem Teil der Arbeit hat ergeben, dass die Stellung der Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten der formalisierten Einflussnahme auf die Corporate Governance zwischen den Kapitalgesellschaften gering sind. Die Konzernobergesellschaft mag häufig die konzernweite und auch die interne Corporate Governance dominieren. Diese Dominanz erfolgt aber regelmäßig nicht entlang den Wegen, die ihr formell aus ihrer Stellung als Anteilseigner zugewiesen sind.

298 299

Ruffner, Die ökonomischen Grundlagen, 173. Ramsay, Conn J Int'l L 13 (1999) 329 (358).

Teil 6

Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne Im bisherigen Verlauf der Untersuchung wurde Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und den Tochterunternehmen auf der Grundlage der jeweils nationalen Regulierung und deren Wirkungsweise in der nationalen Unternehmenswirklichkeit untersucht. Entscheidende Bedeutung haben Konzernverbindungen über die Staatengrenzen hinweg. 1 Viele Konzerne sind nicht auf einzelne Staaten beschränkt. Allein rund ein Drittel aller Tochterunternehmen von australischen Konzernobergesellschaften sind ausländische Kapitalgesellschaften (1998).2 Rund 600 internationale Konzerne haben ihre Hauptverwaltung oder zumindest die staatenübergreifende Regionalverwaltung (Asien-Ozeanien) in Australien (2002).3 Die größte Zahl internationaler, bedeutender Konzerne kommt aus den USA, aus Europa und aus Asien. Allein 33 der 500 weltweit größten Konzerne kamen 1991 aus Deutschland. Australien nahm im Vergleich dazu nur eine untergeordnete Position ein.4 Der relative Anteil einflussreicher deutscher Konzerne ist in den 90er Jahren weiter gestiegen. Im Jahr 1997 kamen 5 der 50 weltweit umsatzstärksten Kapitalgesellschaften aus Deutschland. 5 Auch in den bilateralen Beziehungen zwischen Australien und Deutschland wird der internationale Handel immer bedeutsamer. Im Haushaltsjahr 2002/03 belief sich der Gesamtumsatz im Warenverkehr zwischen beiden Staaten auf 9,5 Mrd. A$ (ca. 5,7 Mrd. €). Die Zuwachsraten betragen im Im- und im Export fast 20 Prozent. Deutschland ist für Australien inzwischen der siebtwichtigste Handelspartner. Nur aus drei Staaten bezieht Australien mehr Importe als aus Deutschland. Aus der Sicht Deutschlands ist allerdings die Bedeutung der

1

Dine, Governance of Corporate Groups, 41; Einsele, ZGR 1996, 40 (40); Theisen, Konzern, 8. 2 Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 3, 9. 3 Blake Dawson Waldron/Invest Australia, 2. Aufl., Australia, iii. 4 Blumberg, Multinational Challenge, 153. 5 Theisen, Konzern, 7.

310

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

Handelsbeziehungen zu Australien verglichen mit dem Gesamtaufkommen im internationalen Handel kleiner. 6 In Australien gibt es inzwischen rund 330 Tochterunternehmen deutscher Kapitalgesellschaften. Im Jahr 2002/03 wurden nach Angaben australischer Statistikbehörden Direktinvestitionen aus Deutschland in Höhe von 17 Mrd. A$ (ca. 10,16 Mrd. €) getätigt. 7 Das Auswärtige Amt gibt etwas geringere Zahlen allerdings ohne Bekanntgabe des Bezugszeitraums an. Es bestätigt insgesamt die große Bedeutung Deutschlands für den australischen Handel. 8 Für eine Untersuchung von Corporate Governance in Konzernen reicht es folglich nicht aus festzustellen, auf Grundlage welcher Regulierung das nationale Recht die Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen beeinflusst. Entscheidend ist, auf welche Weise die nationalen Regeln verschiedener Staaten ineinander greifen, wenn Konzerne nationale Grenzen überschreiten, und welche Wirkungsweise das Zusammenspiel entfaltet. Für eine Untersuchung internationaler Konzerne und das Ineinandergreifen verschiedener nationaler Regeln werden nun die Wirkungsweise von Konzernbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaften mit kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Rechtstradition und die Wirkungsweise deutschen Kapitalgesellschaftsrechts im Ausland untersucht. Beispielhaft wird dafür die CorporateGovernance-Struktur in deutsch-australischen Konzernen betrachtet.

A. Gründungs- und Sitztheorie Maßgebend ist die Wirkungsweise der in Teilen 3 bis 5 vorgestellten nationalen Regulierung, wenn diese nicht für alle Kapitalgesellschaften des Konzerns einschlägig ist. Dabei wird die vorliegende Diskussion auf die Frage der Anwendbarkeit und der Wirkungsweise des australischen und des deutschen Kapitalgesellschaftsrechts nach den jeweiligen nationalen Vorschriften

6

http://www.dfat.gov.au/geo/germany/germany_brief.html#baod; Fis cher Weltalmanach, Australien. 7 http://www.dfat.gov.au/geo/germany/germany_brief.html#baod. 8 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos.

A. Gründungs- und Sitztheorie

311

begrenzt. 9 Als Vorfrage stellt sich das Problem, wann das jeweils nationale Kapitalgesellschaftsrecht einschlägig ist. Das Kapitalgesellschaftsrecht beider Staaten basiert auf dem Trennungsprinzip nach dem eine Kapitalgesellschaft eine eigenständige juristische Einheit bildet. Die Regeln, welche Rechtsordnung auf die jeweilig getrennt zu beurteilenden Kapitalgesellschaften einschlägig sind, können sich nach der Gründungstheorie (Incorporationstheorie) oder nach der Sitztheorie (Seat Theory / Siege Social) richten. 10 Nach ersterer ist das Recht des jeweiligen Gründungsstaates einschlägig, in dem der Kapitalgesellschaft ursprünglich die Rechtsfähigkeit verliehen wurde.11 Auf dieser Konzeption beruht das australische Gesellschaftsrecht. Nach s 9 Corporations Act ist eine Company eine nach den Regeln des Gesetzes eingetragene Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die anderswo eingetragen wurde, wird nach den Regeln der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung beurteilt, auch wenn ihre Hauptverwaltung in Australien angesiedelt ist, Foreign Corporations (Application of Laws) Act 1989. Ursprünglich geht die im angelsächsischen Rechtskreis vorherrschende Gründungstheorie auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse Großbritanniens im 18. Jahrhundert zurück. 12 Mit Hilfe dieses Konzepts konnten überseeische Wirtschaftsaktivitäten in Großbritannien gegründeter Gesellschaften auch dann dem Schutz des heimischen Rechts unterstellt bleiben, wenn der Ort der tatsächlichen Geschäftstätigkeit anderswo lag. Die Gründungstheorie gab nicht nur Rechtssicherheit für die Unternehmer, sondern sicherte zugleich auch den

9

Andere Problemstellungen (Internationales Privatrecht und Völkerrecht zur Anwendbarkeit des Rechts und zum Rechtsschutz): Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308; Blumberg, AJCL 5 (1995) 295; Blumberg, Multinational Challenge, 168 ff., 301, 314 f.; Dine, Governance of Corporate Groups, 69 ff.; Farrar, Corporate Governance in Australia, 434; Großfeld, International Lawyer 1999, 963; Hillier, Public International Law, 250 ff., 275 ff.; Johns, MULR 19 (1994) 893; Tilbury/Davis/Opeskin, Conflict of Laws in Australia, 67 f., 138 f., 176 f. 10 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn 26 ff. 11 Dine, Governance of Corporate Groups, 67; Großfeld, International Lawyer 1999, 963 (968 f.). 12 Vgl. oben: Teil 2 A., Seite 29.

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Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

staatlichen Einfluss auf die Corporate Governance bei der weltweiten Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen.13 Bis kurz nach der Jahrtausendwende wurde die Gründungstheorie vielfach als problematisch angesehen. Eine Gesetzesumgehung könne ermöglicht werden, wenn die Unternehmensgründung in einem anderen Land vorgenommen wird (Forum Shopping). Der staatliche Schutz der Akteure in einer Kapitalgesellschaft werde folglich zumindest im Rahmen des Gesellschaftsrechts erschwert. 14 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Ort der Eintragung und damit das anwendbare Recht häufig auf Zufall oder Bequemlichkeit zurückzuführen sind. 15 Eine positive Rechtswahl der Gründer kann nicht allgemein unterstellt werden. Soweit es tatsächlich zu einer aktiven Rechtswahl kommt, ist zudem ein Automatismus zur Wahl des schwächsten Rechtsschutzes nicht notwendig. Vielmehr scheint eine Auswahl des Gründungssitzes wahrscheinlich, dessen Regeln für das Bestehen der Kapitalgesellschaft am Markt die größten Vorteile verspricht. Ausschlaggebend dafür dürfte eine angemessene institutionelle Wahrung der Interessen aller Akteure sein, deren Kooperation für die Kapitalgesellschaft wichtig ist. 16 Im Rahmen der Kritik an der Gründungstheorie muss berücksichtigt werden, dass der nationale Gesetzgeber aufgrund der fast uneingeschränkten Mobilität des Kapitals insgesamt einen Teil seiner Regelungsautarktie verloren hat.17 Konzerne haben die Möglichkeit, anderswo Tochterunternehmen zu betreiben, die grenzüberschreitend am Handel teilnehmen oder als Subunternehmer auftreten können. Die Einflussmöglichkeiten des nationalen Gesetzgebers auf die Corporate Governance multinationaler Organisationen sind gering. Auf die Besonderheiten der Gründungstheorie kommt es insofern nicht an. Im Rahmen dieser Theorie können zudem Gläubiger und potenzielle Anleger aufgrund der Firmierung der Kapitalgesellschaften erkennen, welche Corporate-GovernanceRegeln einschlägig sind. 18 Ihr Schutz ist also gewährleistet. Allerdings können

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MüKoBGB/Kindler, Int GesR Rn 266. Dine, Governance of Corporate Groups, 68; Großfeld, International Lawyer 1999, 963 (979); Sugarman, in: Sugarman/Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 13 (25 f.). 15 Johns, MULR 19 (1994) 893 (895). 16 Assmann, Microcorporatist Structures in German Law on Groups of Companies, in: Sugarman / Teubner, Regulating Corporate Groups in Europe, 317 (350). 17 Hopt, ZGR-Sonderheft 13, 123 (125). 18 Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1916). 14

A. Gründungs- und Sitztheorie

313

für Gläubiger Transaktionskosten entstehen, wenn sie sich zunächst über die Grundlagen ausländischen Gesellschaftsrechts informieren müssen. 19 Nach der Sitztheorie muss eine Gesellschaft stets in dem Land eingetragen sein, in dem sich die Hauptverwaltung (der Unternehmenssitz) befindet. 20 Das Kapitalgesellschaftsrecht des Sitzlandes ist anwendbar. Im Gegensatz zur Gründungstheorie kann sich nach der Sitztheorie eine Kapitalgesellschaft nur dann auf das Trennungsprinzip berufen, wenn es an dessen Sitz wirksam eingetragen ist. Damit wird eine staatliche Beeinflussung der Corporate Governance der in dem jeweiligen Staatsgebiet operierenden Kapitalgesellschaften einfacher. Nachteile der Sitztheorie ergeben sich bei Sitzverlegung und bei Fällen in denen die Feststellung des Sitzlandes schwierig ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Kapitalgesellschaft in verschiedenen Staaten oder nur virtuell tätig wird.21 Das deutsche Gesellschaftsrecht folgte bislang traditionell der Sitztheorie. Noch 1999 wurde von wachsender Kritik an der Gründungstheorie auch in Staaten mit angelsächsischer Rechtstradition berichtet. 22 Spätestens seit der Überseering-Entscheidung des EuGH Ende 2002 wird dagegen auch in Deutschland eine Abkehr von der Sitztheorie immer stärker gefordert. 23 Inhaltlich geht es dabei um die Anwendung der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG auf Kapitalgesellschaften. Nach den EuGH-Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art hat ein Mitgliedstaat der EG den Bestand von in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften solange anzuerkennen, wie er nach dem Recht des Gründungsstaates anerkannt wird. 24 Folglich muss es einer Kapitalgesellschaft, die in einem Mitgliedstaat mit Gründungstheorie gegründet wurde, grundsätzlich ermöglicht werden, eine Zweigniederlassung in Deutschland zu gründen, unabhängig davon, ob ein Hauptsitz im Gründungsland besteht und damit ob die Kapitalgesellschaft als solche nach

19

Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (171 f.; 183 f.). Großfeld, International Lawyer 1999, 963 (970). 21 Großfeld, International Lawyer 1999, 963 (970, 972). 22 MüKoBGB/Kindler, Int GesR Rn 266. 23 BayObLG, NZG 2003, 290 (290); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 (927 ff.), m.w.N. 24 EuGH, NJW 2002, 3614 (3614 Tz. 59, 3616 Tz. 80 f.) (Überseering); BGH, ZIP 2003, 718, (720). Zum Meinungsstand und der diesbezüglichen Auslegung der Urteile Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (168 ff.); Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 (926928) jeweils m.w.N. 20

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Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

deutschem Recht existiert.25 Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass der Schutz einer Kapitalgesellschaft durch die Niederlassungsfreiheit selbst dann gelte, wenn sie im europäischen Ausland nur gegründet wurde, um nationale Vorschriften zu umgehen. 26 Dies galt im Grundsatz aber bereits seit der Centros-Entscheidung. 27 Danach wäre es nicht ausreichend, der Kapitalgesellschaft unter Nichtanwendung des Trennungsprinzips lediglich als deutsche Personengesellschaft Parteifähigkeit zuzusprechen, wie dies bei Anwendung der Sitztheorie geschehe.28 Für Kapitalgesellschaften, die in einem EFTA-Staat gegründet wurden, gelten aufgrund des EWR-Abkommens diese Grundsätze entsprechend. 29 Für den außereuropäischen Rechtsverkehr hat der BGH 2003 dem Freundschaftsvertrag mit den USA entnommen, dass unabhängig von der sonstigen Anwendbarkeit der Sitztheorie, aufgrund der völkerrechtlichen Bindung, in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründete Kapitalgesellschaften auch in Deutschland anzuerkennen sind.30 Eine vergleichbare Bindung mit Australien ist bislang nicht eingegangen worden. Die bisherigen Urteile betreffen nur den Zuzug von Kapitalgesellschaften. Insofern gilt die Sitztheorie für alle praktisch relevanten Fälle nicht mehr.31 Ungeklärt ist die Frage, ob das nationale Gesellschaftsrecht in Anwendung der Sitztheorie weiterhin den Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat der EG verhindern kann. 32 Ein Indiz gegen die pauschale Ablehnung der Sitztheorie stellen die Art. 7, S. 1, Art. 8, 64 VO (EG) 2157/2001 (EG-SE-Verordnung) dar, die seit Oktober 2004 gelten. Danach muss für die europäische Aktiengesellschaft (SE – Societas Europaea) der Sitz der Hauptverwaltung am Registersitz liegen. Soweit nicht davon ausgegangen wird, dass diese Verordnung ihrerseits gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, kann ein begrenztes Fortbeste-

25 EuGH, Slg. 1999, I-1484 (1491 ff. Tz 17, 19-21, 26, 29); OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849 (851); kommentiert in: Handelsblatt, 21.05.2003, R2; Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1917). 26 EuGH, ZIP 2003, 1885 (1891, Tz. 98). 27 EuGH, Slg. 1999, I-1484 (1493 Tz 26). 28 BGH, ZIP 718 (720); Zimmer, NJW 2003, 3585 (3586 f.); anders noch: Hirte, NJW 2003, 1090 (1091). 29 BGH, ZIP 2005, 1869 (1869 f.). 30 BGH, ZIP 2003, 720 (721). 31 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, §291 Rn 33. 32 Offen gelassen: EuGH, ZIP 2003, 1885 (1891, Tz. 102 f.); kritisch: Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (176 f.).

A. Gründungs- und Sitztheorie

315

hen der Sitztheorie unterstellt werden. 33 Allerdings hat der EuGH Anfang 2004 in seiner Entscheidung Hughes de Lasteyrie du Saillant zur französichen Wegzugsbesteuerung ausdrücklich erklärt, dass nach der Niederlassungsfreiheit der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einen anderen Mitgliedstaat nicht behindern dürfe. 34 Schließlich hat der EuGH Ende 2005 für das deutsche UmwG entschieden, dass die Tatsache, dass grenzüberschreitende Hinein-Verschmelzungen nach Deutschland nach gängiger Praxis der Registergerichte nicht eintragungsfähig sind, gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit verstößt. Das Gericht hat dabei entscheidend darauf abgestellt, dass die bisherige Auslegung des deutschen UmwG für staatenübergreifende Sachverhalte erhebliche Komplikationen, Zeit- und Kostenaufwendungen veranlassen würde, die für eine innerdeutsche Verschmelzung nicht erforderlich werden.35 Mit der gleichen Argumentation erscheint eine Differenzierung zwischen einer innerdeutschen und einer innereuropäischen Sitzverlegung von detuschen Kapitalgesellschaften kaum noch haltbar. Sie soll nach dem als Referentenentwurf vorliegenden MoMiG abgeschafft werden. Dem EuGH liegt die Zulässigkeit von Wegzugsperren aus Ungarn vor. 36 Eine Abkehr von der Sitztheorie auch für Wegzugsfälle durchsetzen wird. Im Anschluss an das Überseering-Urteil hat der BGH dennoch vorerst sein Festhalten an der Sitztheorie bekräftigt. 37 Das BayObLG hat sogar ausdrücklich festgestellt, dass ein Wegzug einer deutschen GmbH aus Deutschland auch vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des EuGH unzulässig bliebe.38 Die Sitztheorie gilt demnach nur für in Deutschland gegründete, nicht aber für in Deutschland ansässige, aber im europäischen Ausland mit Gründungstheorie oder in den USA gegründete Kapitalgesellschaften. 39 Für deutsche Kapitalgesellschaften bedeutet dies, dass eine Sitzverlegung ins Ausland nicht möglich ist. In Frage kommt regelmäßig nur die Liquidation in Deutschland und eine Neugründung im Ausland. Dies verbietet sich in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere aus der dabei notwendigen Offenlegung und Versteuerung stiller Reserven. 40 Die Notwendigkeit einer Liquidation bei Sitzverlegung liefe zudem den relevanten Gläubigerinteressen entgegen, die durch die

33

Teichmann, ZGR 2003, 367 (399 f.); kritisch: Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1918). EuGH, ZIP 2004, 2439 (2439). 35 EuGH, NJW 2006, 425 (426). 36 Vorlagebeschluss: Regionalgericht Szeged, EWIR 2006, 459 (459 f.). 37 BGH, ZIP 2003, 720 (721). 38 BayObLG, Der Konzern 2004, 344 (345 f.). 39 Hirte, NJW 2003, 1090 (1091). 40 Creutz, Handelsblatt 14.05.2003, R2; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925 (929 f.). 34

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Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

Sitztheorie geschützt werden sollten.41 Auch hat das OLG Zweibrücken Ende 2005 im Vereinsrecht für die Frage des Zuzugs einer französischen Association, für die Art. 43, 48 EG keine Anwendung haben, unter Anwendung der Sitztheorie die Eintragung in ein deutsches Vereinsregister abgelehnt.42 Diese Entscheidungen erscheinen nach dem bereits Gesagten angreifbar. Dennoch ist für die Rechtspraxis in Deutschland zunächst von einem Festhalten an der Sitztheorie auszugehen. Vereinzelt wurde zunächst im Anschluss an die neue Rechtsprechung des EuGH in der deutschen Literatur behauptet, dass auch ausländische Kapitalgesellschaften, die im Inland niedergelassen und hier als ausländische Kapitalgesellschaften anerkannt sind, in Bezug auf die Außenhaftung nach den Grundsätzen des inländischen Gesellschaftsrechts zu beurteilen seien.43 Dem kann nicht zugestimmt werden.44 Im innereuropäischen Rechtsverkehr verstieße die behauptete Rechtsfolge gegen die Niederlassungsfreiheit. Unabhängig davon, ob eine für Kapitalgesellschaften diskutierte Einschränkung der Handlungsfreiheit dogmatisch als gesellschaftsrechtliche Regulierung einzustufen ist, kann sie für eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland als Eingriff in ihre Freiheiten aus dem EG-Vertrag wirken. 45 Dieser könnte nur durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls und in Missbrauchsfällen gerechtfertigt werden. So hat inzwischen auch der BGH klargestellt, dass die persönliche Handelndenhaftung des Akteurs in einer britischen private limited company sich ausschließlich nach dem britischen Recht richtet: „Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einer solchen Gesellschaft folgt zugleich, daß deren Personalstatut auch in bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist … Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des EuGH ist es selbst unter Gläubigerschutzgesichtspunkten mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, wenn das Landgericht im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage einer Haftung

41

Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1919). OLG Zweibrücken, NZG 2005, 1019 (1019 f.). 43 Altmeppen, NJW 2004, 97 (insbes. 100 ff.); Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1088 f.); Übersicht zum Meinungsstand: Schön, ZHR 168 (2004), 268 (290 ff.); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1202 f.). 44 BGH, BB 2004, 1868 (1869); Borges, ZIP 2004, 733 (743); Goette, ZIP 2006, 541 (544); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1205 ff.). 45 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (166, 181 ff.); differenzierend: Borges, ZIP 2004, 733 (740 ff.). 42

A. Gründungs- und Sitztheorie

317

des Gesellschafter-Geschäftsführers der U. Ltd. deren maßgebliches Personalstatut (ausnahmsweise) nicht an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht, sondern an das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anknüpfen will. “ 46

Das OLG München hat selbst die Eintragung der Befreiung vom Verbot der Selbstkontrahierung nach § 181 BGB für die Organwalter einer in Großbritannien gegründeten Kapitalgesellschaft abgelehnt, weil es nach britischem Gesellschaftsrecht keine der deutschen Befreiung spiegelbildlich gleichende Freistellung gibt.47 Die Nichtanwendbarkeit deutschen Rechts gilt auch für Ansprüche wegen Gläubigerschädigung durch Existenzvernichtung (Bremer Vulkan/KBV) und bei qualifizierter Unterkapitalisierung – und zwar selbst dann, wenn die jeweiligen Anspruchsgrundlagen als gesellschaftsrechtliche Ausprägungen des allgemeinen Zivilrechts angesehen werden. 48 Im ausländischen Kapitalmarktrecht sind vergleichbare Rechtsinstitute vorhanden, deren Anwendung zu prüfen ist.49 Von diesem Streit zu trennen ist die Frage, ob aufgrund der Art. 2; 22 Nr. 2 S.2; 60 EuGVVO der Gerichtsstand für die ausländische Kapitalgesellschaft unabhängig von ihrem Sitz regelmäßig das Gründungsland ist.50 Dann würde ohnehin das dortige Gesellschaftsrecht angewendet. Wie die soeben zitierte Entscheidung des BGH zeigt, kann aber eine Reihe von Sachverhalten zur Entscheidung bei anderen Gerichten verbleiben. Die Regulierung, die für eine bestimmte deutsche Kapitalgesellschaftsform anzuwenden ist, kann aber unabhängig davon nicht einfach deshalb auf eine andere, ausländische Kapitalgesellschaftsform angewendet werden, weil dessen Regulierung Schutzlücken in Auslandssachverhalten aufweist. Dies ist in Staaten, die der Gründungstheorie folgen, seit langem anerkannt. Beispielsweise wurde im Falle der Unternehmensübernahme einer in England gegründeten aber allein in Australien tätigen Kapitalgesellschaft festgestellt, dass weder das britische noch das australische Übernahmerecht anwendbar seien. 51 Derartige Konsequenzen sind hinzunehmen und unterstreichen die Begrenztheit nationa-

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BGH, MDR 2005, 1000 (1001). OLG München, ZIP 2005, 1826 (1827). 48 AG Bad Segeberg, ZIP 2005, 812 (813 f.). 49 H.P. Westermann, ZIP 2005, 1849 (1852). 50 Vgl. Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, 1083 (1086 f. – lehnt dies aber für den allgemeinen Gerichtsstand ab). 51 Panfida Ltd v Hartogen Energy Ltd (1988) 51 SASR 404 (408), 14 ACLR 601 (605 – Jacobs J, allerdings nur orbiter). 47

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Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

ler Regelungsmacht für multinationale Sachverhalte. 52 Soweit es sich dabei um ausländische Kapitalgesellschaften mit Gründung in einem Staat mit angelsächsischer Rechtstradition handelt, können zudem Lücken durch Schaffung neuen Fallrechts problemlos geschlossen werden. Eine Ableitung neuer Rechtssätze von kodifiziertem Gesellschaftsrechts ist dort nicht erforderlich. Der Grundsatz der Nichtanwendbarkeit deutschen Kapitalgesellschaftsrechts gilt auch für richterrechtlich entwickelte Regulierung. So sind die deutsche Durchgriffshaftung und die Rechtsprechung zum Verbot der Gläubigerschädigung (existenzvernichtender Eingriff) unabhängig von ihrer dogmatischen Einordnung nur einschlägig, wenn es sich um eine deutsche Kapitalgesellschaft handelt. 53 Dem steht nicht entgegen, dass der BGH die eigene Rechtsprechung des Schadensersatzes bei Einmann-Gesellschaften (umgekehrter Durchgriff) zugunsten des Gesellschafters für Schäden, die der Gesellschaft entstanden sind, im Falle einer in den USA tätigen und inkorporierten Gesellschaft bejaht hat. 54 Diese Entscheidung unterstreicht vielmehr das Untersuchungsergebnis aus Teil 4 B.I.2., demzufolge es kein einheitliches Rechtsinstitut des Durchgriffs im Kapitalgesellschaftsrecht gibt. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine Gesetzesauslegung einer nationalen Regelung (§ 7 StrEG – Entschädigung für durch Inhaftierung erfolgte Schäden), die unabhängig von ausländischer Regulierung erfolgt. Außergesellschaftsrechtliche Haftungstatbestände können inländische und ausländische Kapitalgesellschaften binden. 55 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die als Durchgriffshaftung diskutierten Fallgruppen offensichtlich pathologische Sachverhalte betreffen, die in praktisch allen Jurisdiktionen zu einer Haftungszuweisung mit geringfügigen Unterschieden führen. Ausländisches Gesellschaftsrecht führt regelmäßig zu den gleichen Rechtsfolgen und gewährleistet den Schutz der Akteure zu einem mit Deutschland vergleichbaren Ausmaß. 56 Die Unterschiede zwischen Sitz- und Gründungstheorie sollten nicht überbewertet werden. Nach beiden Ansätzen ist das Kapitalgesellschaftsrecht des Landes anwendbar, in dem die jeweilige Kapitalgesellschaft gegründet und

52

Vgl.: Johns, MULR 19 (1994) 893 (896). Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, 159 (182); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1208); Ziemons, ZIP 2003, 1913 (1917). 54 BGH, DB 1989, 374 (375). 55 Im Ergebnis ähnlich: Zimmer, NJW 2003, 3585 (3588 f.). 56 Borges, ZIP 2004, 733 (735 ff.); Burg, GmbHR 2004, 1379 (1380-1382); Schulz, NJW 2003, 2705 (2707); Ulmer, NJW 2004, 1201 (1206). 53

B. Grenzüberschreitende Corporate Governance

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eingetragen wurde. 57 Unterschiede bestehen hinsichtlich der Frage, ob die Eintragung weiter Bestand hat. Dies wird in Ausnahmefällen und vor allem bei kleineren Kapitalgesellschaften relevant. Ungeachtet dessen, ob eine Sitzverlegung zwischen Australien und Deutschland rechtlich möglich ist, wird sie in der Praxis nicht vorkommen. Für eine – relevante – innereuropäische Sitzverlegung erscheint insgesamt die Sitztheorie aufgegeben zu sein. Für Konzerne mit Verbindungen zwischen Australien und Deutschland ist entscheidend, dass die australischen Kapitalgesellschaften nach dortigem und die deutschten nach hiesigem Recht beurteilt werden und dass für jede Kapitalgesellschaft das Trennungsprinzip gilt. Dieses Ergebnis ist unabhängig vom Streit um die Sitztheorie.

B. Grenzüberschreitende Corporate Governance Sowohl die Gründungs- als auch die Sitztheorie stoßen an ihre Grenzen, wenn verschiedene Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsordnungen gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen werden auf Grundlage der Rechtsordnung beurteilt, die die jeweilige Kapitalgesellschaft binden, unabhängig davon, welche Regulierung die jeweils andere Kapitalgesellschaft binden. Dabei kann es dazu kommen, dass ein einschlägiges Regelungssystem eine bestimmte relationale Beziehung vorschreibt, die das andere, das ebenfalls einschlägig ist, verbietet. Derartige Probleme blieben bislang ungelöst. Im innereuropäischen Raum werden seit Oktober 2004 zumindest internationale Verschmelzungen geregelt. 58 Für Konzerne, die in Australien und in Deutschland tätig sind, bleiben Regelungsprobleme bestehen, die sich durch die zwei unterschiedlichen aufeinander treffenden Normsysteme ergeben. Beide Gesellschaftsrechtsordnungen lösen Probleme aus internationalen Sachverhalten nicht. Dadurch entstehen Abgrenzungsprobleme aufgrund unscharfer Grenzen der beiden Regulierungssysteme. Viele Steuerungsmechanismen des nationalen Rechts sind aufgrund disproportional steigender Transaktionskosten auf zwischenstaatlicher Ebene nicht herausgebildet. 59 Australische Gerichte vermeiden traditionell Entscheidungen in Bezug auf ausländische Gesellschaften. 60 In Deutschland kam es aufgrund der Sitztheorie bislang noch zu wenig Urteilen in Bezug auf ausländische Gesell-

57

Blumberg, Multinational Challenge, 171. Dazu: Teichmann, ZGR 2003, 367 (371 f.). 59 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 328 f. 60 Tilbury/Davis/Opeskin, Conflict of Laws in Australia, 472-475. 58

320

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

schaften. Auch in der Literatur wird das Problem nicht angemessen gelöst. Allenfalls gibt es Handlungsanweisungen, die der folgenden ähneln: „Der multinationale Konzern muss [bei der Ausgestaltung der Corporate Governance] juristischen Rat auch in den anderen Jurisdiktionen einholen, in denen er mit Beteiligungsgesellschaften vertreten ist, um sicherzustellen, dass er die durch lokales Recht gesetzten Grenzen für seine Konzernleitung einhält.“ 61

Im Folgenden soll versucht werden, die Probleme zu lösen, die aufgrund der Anwendung der in Teilen 3 bis 5 untersuchten Regulierung in australisch-deutschen Konzernverhältnissen entstehen.

I. Informationsabfrage und -weitergabe In Teil 3 wurde festgestellt, dass sowohl in Australien als auch in Deutschland die Konzernobergesellschaft verpflichtet ist, einen Konzernabschluss vorzulegen. In diesem Rahmen sind in beiden Rechtsordnungen auch die Tochterunternehmen bzw. deren Akteure gesetzlich verpflichtet, die dazu notwendigen Informationen an die Konzernobergesellschaft weiterzuleiten. Grundsätzlich gilt das Gleiche, wenn das Tochterunternehmen eine australische und die Konzernobergesellschaft eine deutsche Kapitalgesellschaft ist – und umgekehrt. Als Besonderheit ist im Rahmen der Auskunftsansprüche der ausländischen Konzernobergesellschaft gegen das inländische Tochterunternehmen zu beachten, dass ausnahmsweise ausländisches Recht Verhaltenspflichten des inländischen Tochterunternehmens festlegt. Die Auskunftsansprüche aus s 323 Corporations Act und § 294 III HGB binden nämlich auch ausländische Tochterunternehmen. In Australien ergibt sich dies aus der Definition von Entity in s 64A Corporations Act. In 323 I Corporations Act sind die Anspruchsgegner die Organwalter einer Entity. In Deutschland ergibt sich dies aus der weiten Definition von Tochterunternehmen in § 290 I HGB, gegen die der deutsche Auskunftsanspruch gerichtet ist. Soweit eine deutsche Aktiengesellschaft als Tochterunternehmen bzw. bei einer australischen Konzernobergesellschaft die Organwalter des deutschen Tochterunternehmens aufgrund eines ausländischen Gesetzes Informationen an die ausländische Konzernobergesellschaft für deren Konzernabschluss abführen müssen, kommt § 131 IV 3 AktG ebenfalls zur Anwendung. Diese Vorschrift schließt eine Offenlegungspflicht der Informationen an etwaige außenstehende

61

J. Götz, ZGR 2003, 1 (8).

B. Grenzüberschreitende Corporate Governance

321

Anteilseigner nach Gleichbehandlungsgesichtspunkten aus. Die Ausnahmevorschrift nimmt zwar Bezug auf die Vorschriften des HGB, die für die ausländische Konzernobergesellschaft nicht einschlägig sind. Allerdings beinhaltet die Bezugnahme nur einen Verweis auf die dortigen Legaldefinitionen. Die Legaldefinition von Mutterunternehmen in § 290 I HGB umfasst auch ausländische Konzernobergesellschaften. Die theoretisch diskutierten Probleme der Durchsetzbarkeit dieses nationalen Auskunftsanspruchs im Ausland62 sollten bei Konzernverbindungen zwischen Australien und Deutschland keine Probleme aufwerfen. 63 In Teil 3 wurde weiterhin festgestellt, dass die Konzernobergesellschaft sich grundsätzlich über die Liquidität von Tochterunternehmen informieren muss. Diese Pflicht obliegt im australischen Recht der Konzernobergesellschaft als Ganzes und besteht im Verhältnis zu den anderen Akteuren im Tochterunternehmen. Gegenüber diesen haftet die Konzernobergesellschaft für Insolvenzverschleppung wie ein Direktor des Tochterunternehmens. In Deutschland dagegen ist die konzernweite Liquiditätsvorsorge ausschließlich eine Verpflichtung der Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft im Verhältnis zur Konzernobergesellschaft. Als Konsequenz daraus muss das Tochterunternehmen, wenn es sich um einen faktischen AG-Konzern handelt, die der Konzernobergesellschaft für dessen Liquiditätsüberprüfung zur Verfügung gestellten Informationen auch gegenüber den übrigen Anteilseignern offen legen, § 131 IV AktG. Diese Unterschiede setzen sich fort, wenn Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen aus dem anderen Land kommen. Sie spiegeln die unterschiedliche Konzeption des jeweiligen Kapitalgesellschaftsrechts wider. Aus Sicht des Tochterunternehmens ändert sich nichts: In australischen Tochterunternehmen (Subsidiary im Sinne der s 46 Corporations Act) ist eine inländische und auch eine ausländische Konzernobergesellschaft (Holding Company im Sinne der s 9 Corporations Act) grundsätzlich den anderen Akteuren im Tochterunternehmen gegenüber dazu verpflichtet, eine etwaige Insolvenzverschleppung der Organwalter des Tochterunternehmens zu verhindern, ss 588V ff. Corporations Act. Eine Differenzierung zwischen in- und ausländischer

62 Dazu: Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, §294 Rz 11, 38, 43; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB §294 Rn 3; Wiedemann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB §294 Rn 16. 63 Vgl.: Weimar, DB 1987, 521 (522 – Feststellung allgemein für Länder, die vergleichbare Konzernrechnungslegungspflichten vorsehen).

322

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

Konzernobergesellschaft scheint im Rahmen des Verschuldens (kennen bzw. kennen müssen) der etwaigen Liquiditätskrise möglich. Nach s 588V I Ziff.(d)(ii) Corporations Act ist dies abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Ausübung tatsächlicher Kontrolle durch die Konzernobergesellschaft. Darüber hinaus kann sich eine Konzernobergesellschaft nach s 588X II Corporations Act von einer Haftung exkulpieren, wenn ihre Akteure tatsächlich die begründete Annahme hatten, dass das Tochterunternehmen solvent war und geblieben ist. Eine Wissenszurechnung zu einer nicht australischen Konzernobergesellschaft, deren Hauptverwaltung weit entfernt ist, wird regelmäßig große Schwierigkeiten aufwerfen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sie im Rahmen ihrer Liquiditätsüberwachung auf die Richtigkeit der Angaben vertrauen muss, die ihr die Akteure im Tochterunternehmen machen.64 An eine deutsche Konzernobergesellschaft eines australischen Tochterunternehmens dürfen folglich nur geringe Anforderungen in Bezug auf die Liquiditätsüberwachung des Tochterunternehmens gestellt werden. Ob diese Anforderungen steigen, wenn wichtige Positionen im Board des australischen Tochterunternehmens von Angestellten der deutschen Konzernobergesellschaft besetzt werden, ist bislang ungeklärt. Es spricht einiges dafür, dass in solchen Fällen ein aktiver Informationsaustausch und auch ein intensives Kontrollsystem angenommen werden, was Auswirkungen auf die Beurteilung der s 588V I Ziff.(d)(ii) Corporations Act haben kann. Anders als gegenüber deutschen Tochterunternehmen muss insgesamt auch gegenüber für die Konzernobergesellschaft unbedeutenden australischen Tochterunternehmen zumindest ein rudimentäres Frühwarnsystem zur Erkennung von Liquiditätskrisen aufgebaut werden. In deutschen Tochterunternehmen sind dagegen nur die eigenen Organe zu einer ständigen, umfassenden Liquiditätsprüfung verpflichtet. Dies ergibt sich aus §§ 91 II, 92 I AktG bzw. den entsprechenden Pflichten bei der GmbH. Begehrt die in- oder ausländische Konzernobergesellschaft Auskunft über den Liquiditätsstatus eines australischen Tochterunternehmens, so erfolgt dies auch im Interesse der sonstigen Akteure des Tochterunternehmens. Bei einem deutschen Tochterunternehmen erfolgt eine solche Informationsweitergabe im Eigeninteresse der Konzernobergesellschaft und in deren Funktion als Anteilseigner. Alle anderen Anteilseigner haben deshalb in Deutschland Anspruch auf die gleichen Informationen (§§ 51a GmbHG, 131 IV AktG), es sei denn die Auskunftserteilung beruht nicht auf dem Anteilsbesitz, sondern auf einem schuldrechtlichen Vertrag oder einem Unternehmensvertrag. Bei einem fakti-

64

Rogers, in: Gillooly, Corporate Groups, 123 (129 f.).

B. Grenzüberschreitende Corporate Governance

323

schen AG-Konzern sind vor der Informationsweitergabe an die (australische) Konzernobergesellschaft zudem die Grenzen der §§ 311 ff. AktG zu beachten, die regelmäßig zu keinen weiteren Schwierigkeiten führen. Für die weiteren oben diskutierten Gesichtspunkte der Informationsabfrage und -weitergabe gleichen sich die Handlungs- und Verfügungsrechte der Akteure im Tochterunternehmen und in der Konzernobergesellschaft in Australien und in Deutschland. Die Konzernobergesellschaft muss aufgrund des Insiderhandelsverbots in beiden Rechtsordnungen den Informationsfluss begrenzen. Weiterhin sollte sie Informationen, die nicht unmittelbar für den Konzernabschluss oder zur Liquiditätsprüfung erforderlich sind, nur dann von Tochterunternehmen abfragen, wenn dies für die aktive Kooperation im Einzelfall erforderlich ist. Anders als bei der deutschen GmbH und bei Vorliegen eines ausdrücklich eingeräumten Informationsanspruchs hat die Konzernobergesellschaft gegen ein Tochterunternehmen in der Rechtsform einer faktisch konzernierten Aktiengesellschaft oder einer australischen Kapitalgesellschaft keine Auskunftsansprüche. Die Akteure in der Konzernobergesellschaft müssen sich darauf beschränken, die ihnen freiwillig überlassenen Informationen zu akquirieren. Aus Sicht des Tochterunternehmens und seiner Akteure bestehen regelmäßig keine Bedenken gegen eine freiwillige Informationsweitergabe. Diesbezüglich gibt es keine Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Konzernverbindungen zwischen Australien und Deutschland. II. Aktive Kooperation Im Rahmen der Diskussion zur aktiven Kooperation in Teil 4 wurde festgestellt, dass die Geschäftsführungsorgane der Konzernobergesellschaft zur Konzernleitung berechtigt sind. Die Akteure in der Konzernobergesellschaft sollten nur dann aktiven Einfluss auf die konzerninterne Kooperation der Tochterunternehmen ausüben, wenn dadurch eine Ertragssteigerung für die Konzernobergesellschaft erreicht werden kann, die die Kosten ihrer Einflussnahme übersteigt. Dies gilt sowohl in Australien als auch in Deutschland. Für staatenübergreifende Konzerne bestehen keine Besonderheiten. Die Handlungs- und Verfügungsrechte, die die Konzernobergesellschaft im Rahmen der aktiven Kooperation binden, knüpfen in beiden Staaten an die Stellung des Tochterunternehmens an. 65 Dies gilt unabhängig davon, ob die

65

Für Deutschland: Einsele, ZGR 1996, 40 (41, kritisch); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn 557, 562 ff.

324

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

Konzernobergesellschaft aus Sicht des Tochterunternehmens im In- oder Ausland eingetragen ist. 66 Eine inländische Konzernobergesellschaft wird durch das ausländische Kapitalgesellschaftsrecht, das für die Tochterunternehmen einschlägig ist, gebunden. Mit der aktiven Kooperation bei staatenübergreifenden Konzernsachverhalten werden allerdings häufig Nachteile für die nationalen Wirtschaftskreisläufe in Verbindung gebracht. 67 Besonders die Möglichkeit der Umgehung nationaler Gesetze, vor allem die Steuerflucht wird kritisiert.68 Beispielgebend ist die Äußerung Blumbergs: “[M]ost commentators agree that multinational groups pursue a policy of group profit maximization in which the interests of the individual constituent members of the group are subordinated to the interests of the holding, that is, the group as a whole. [...] A second major area is the persistent utilization by multinational groups of distorted transfer pricing of intra-enterprise transactions as a technique to manipulate or circumvent national regulatory and revenue statutes. The opportunity and temptation to utilize transfer pricing to accomplish such objectives are great.”69

Derartige pauschale Kritik ist nicht gerechtfertigt. In jedem Konzern sind die konzernweite Kooperation und die Aktivierung möglicher Kostenvorteile für den weiteren Bestand und den Erfolg der Organisation erforderlich. Dies gilt auch bei international agierenden Konzernen. Eine intensive, staatenübergreifende Kooperation zwischen den Kapitalgesellschaften eines Konzerns ist regelmäßig zu begrüßen. Blumberg berichtet, dass ungefähr 30 Prozent aller Exporte aus den USA und rund 40 Prozent der Importe zwischen Kapitalgesellschaften eines Konzerns erfolgten. 70 Er geht davon aus, dass einem Großteil dieser Transaktionen Konzernverrechnungspreise und keine Marktpreise zugrunde lägen und diese Transaktionen kritisch zu beurteilen seien. Diese Annahme sollte empirisch untermauert werden um verlässliche Rückschlüsse für die wissenschaftliche Argumentation zu gewinnen. Das hohe Transaktionsvolumen innerhalb von Konzernen kann ebenso darauf zurückzuführen sein, dass in Konzernen häufig Produkte oder sonstige Vermögenswerte in einem

66

Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (346). Leonard, Tex Int'l LJ 33 (1998) 543 (543). 68 Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (318); Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 14. 69 Blumberg, Multinational Challenge, 139. 70 Blumberg, Multinational Challenge, 140. 67

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325

Staat durch eine bestimmte Kapitalgesellschaft hergestellt und in einem anderen Staat durch eine andere Kapitalgesellschaft vertrieben werden. Diese Art der Kooperation ist nicht abzulehnen. Unterstellt man die Richtigkeit der Schlussfolgerungen Blumbergs, ergibt sich zudem kein grundsätzliches Unwerturteil für diese Transaktionen. Wenn eine Kapitalgesellschaft eines Konzerns Vermögen gewinnbringender einsetzen kann als eine andere, liegt es im gemeinsamen Interesse, das Vermögen der zweiten an die erste zu transferieren, auch wenn beide in unterschiedlichen Staaten agieren und die Transaktion inzident dazu führt, dass am Sitzland der zweiten Kapitalgesellschaft dadurch weniger Steuern anfallen. Die von solchen Sachverhalten zu unterscheidende bewusste Steuerflucht ist im Übrigen kein Problem der staatenübergreifenden Kooperation, sondern beruht auf Lücken des nationalen Steuerrechts. Dies ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Hier sei nur soviel gesagt: Der tatsächliche Umfang an Transaktionen, die auf Steuerflucht zurückgehen, sollte nicht überbewertet werden. Er ist vor allem in grenznahen Bereichen von Bedeutung. 71 Nach einer empirischen Studie aus dem Jahre 1997 haben nur 1,5 Prozent aller Tochterunternehmen von australischen Kapitalgesellschaften ihre Hauptverwaltung in so genannten Steuerparadiesen. 72 Viele der 500 wichtigsten australischen Public Companies, die in dieser Studie untersucht wurden, hatten kein Tochterunternehmen in Niedrigsteuerländern. Wäre die Steuerumgehung ein prägendes Motiv für staatenübergreifende Kooperation in Konzernen, wären andere Untersuchungsergebnisse wahrscheinlicher. Insgesamt sollte die Gefahr der Steuerflucht nicht unberücksichtigt bleiben, jedoch darf sie auch nicht überbewertet werden. Jedenfalls rechtfertigt sie es nicht, eine staatenübergreifende Kooperation in Konzernen generell kritisch zu beurteilen. Im australischen Recht entsteht bei aktiver staatenübergreifender Kooperation zwischen Kapitalgesellschaften eine Besonderheit, die das nationale Gesellschaftsrecht bei Auslandssachverhalten in der Anwendung einschränkt. Die Related-Party-Transactions-Regeln sind nicht anwendbar, wenn keine australische Public Company in den Konzern eingebunden ist. Davon können ausländische Konzernobergesellschaften profitieren, soweit innerhalb von Australien nur Tochterunternehmen mit wenigen Anteilseignern gegründet wurden. In diesen Fällen entsteht eine Anreizwirkung, australische Tochterunternehmen als Proprietary Company firmieren zu lassen. Die übrigen Schutz-

71 72

Handelsblatt, 02.12.03, 6. Ramsay/Stapledon, Corporate Groups in Australia, 10.

326

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

vorschriften, insbesondere die umfangreichen Rechtsfolgen, die sich an die Figur des Shadow Director knüpfen, gelten uneingeschränkt für alle australischen Tochterunternehmen. Im deutschen Recht gibt es ebenfalls Besonderheiten, die bei staatenübergreifenden Regelungen zu beachten sind. So setzen die Regeln zur Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG sowohl als Konzernobergesellschaft als auch als Tochterunternehmen eine Aktiengesellschaft voraus. Folglich gibt es diese Handlungsalternative nicht bei deutsch-australischen Verbindungen. Die Zulässigkeit grenzüberschreitender Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im Sinne von § 291 AktG wird dagegen überwiegend bejaht. 73 Folglich ist dann die ausländische Konzernobergesellschaft nach §§ 302 f. AktG verpflichtet. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass die Kapitalerhaltungs- und Durchgriffsregeln anzuwenden sind, die für das Tochterunternehmen gelten. Durch Abschluss eines solchen Organisationsvertrages wird allerdings nach dem oben Gesagten dem Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft eine eingeschränkte Konzernleitungspflicht aufgegeben. 74 Die Konzernleitungspflicht wird den Organen durch Beschluss ihrer Anteilseigner zugewiesen und dieser Beschluss seinerseits ist nach deutschem Recht Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Vertrages nach § 291 AktG. Mittelbar gestaltet damit deutsches Kapitalgesellschaftsrecht für staatenübergreifende Sachverhalte die Beziehung zwischen ausländischer Konzernobergesellschaft, deren Organen und deren Anteilseignern, ohne dass aus dieser Beziehung Rechte oder Pflichten des inländischen Tochterunternehmens oder seiner Akteure entstehen. Insgesamt kommen Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nur selten vor und sind in staatenübergreifenden Sachverhalten zu vernachlässigen. 75 Das steuerrechtliche Privileg der Organschaft nach §§ 14 KStG, das für den Abschluss solcher Verträge Anreize schafft, ist nur auf inländische Konzernobergesellschaften anwendbar. Ungeachtet dieser Besonderheiten in der australischen und in der deutschen Regulierung sind die Regeln, die die Konzernobergesellschaft im Rahmen der aktiven Kooperation binden, in Australien und in Deutschland ähnlich. Die Konzernobergesellschaft ist nur ausnahmsweise durch Handlungen in den Tochterunternehmen gebunden. Insbesondere entsteht außerhalb von offensichtlichem Rechtsmissbrauch und von steigenden Sorgfaltspflichten bei inten-

73

Ausführliche Diskussion: Einsele, ZGR 1996, 40 (46 ff.); Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn 568 ff. 74 Vgl. oben: Teil 4 A.II.3., ab Seite 111, insbes.: Seite 122. 75 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn 567.

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siver Einmischung durch Akteure der Konzernobergesellschaft in unternehmerische Entscheidungen des Tochterunternehmens grundsätzlich kein Haftungsrisiko für die Konzernobergesellschaft. 76 Einschränkend ist zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Durchsetzungsprobleme der nationalen Regulierung in staatenübergreifenden Sachverhalten zunehmen. Es besteht ohnehin das Problem, dass Akteure im Tochterunternehmen regelmäßig geringe Anreize haben, Ausgleichs- und Haftungsansprüche gegen die Konzernobergesellschaft durchzusetzen, und dass außenstehende Anteilseigner zudem von etwaigen Ansprüchen unter Umständen nichts erfahren. Die notwendig werdende Durchsetzung von Ansprüchen über Staatengrenzen hinweg dürfte die geringe Anreizwirkung weiter mindern. Daneben besteht das Problem, dass die Konzernobergesellschaft durch ausländisches Recht, das für das Tochterunternehmen anwendbar ist, gebunden wird. Die in Teil 4 B. untersuchte Regulierung ist in beiden Staaten im Detail unterschiedlich. Folglich ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz der ausländischen Regulierung am Sitz der Konzernobergesellschaft wenig ausgeprägt ist. Allerdings konnte auch festgestellt werden, dass das die Konzernobergesellschaft bindende Gesamtsystem von Handlungs- und Verfügungsrechten in Australien und in Deutschland ähnlich ist. Folglich sollten Durchsetzungs- und Akzeptanzprobleme weder vernachlässigt noch überbewertet werden. Soweit die Akteure der Konzernobergesellschaft die aktive Kooperation der verbundenen Kapitalgesellschaften gestaltet, müssen sie gewährleisten, dass alle Akteure in den beiteiligten Kapitalgesellschaften und auch die beteiligten Kapitalgesellschaften entsprechend ihrem eigenen Beitrag von der Kooperation profitieren. Für Konzerne, die sowohl australische als auch deutsche Kapitalgesellschaften umfassen, entstehen insofern für die konzernweite Corporate Governance keine Besonderheiten. Die Pflichtenstellung der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane im Tochterunternehmen schließlich, die in Teil 4 C. untersucht wurde, gleicht sich in beiden Rechtsordnungen. Einerseits sind Organpflichten ausschließlich im Verhältnis zu der das Organ bestellenden Kapitalgesellschaft zu messen. Andererseits muss jeder Organwalter stets die Gesamtsituation der Kapitalgesellschaft in der Unternehmenswirklichkeit berücksichtigen, was Außeneinflüsse einschließt. Folglich muss ein Organwalter eines Tochterunternehmens auch

76

Behrens, RabelsZ 46 (1982) 308 (341-343).

328

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

die relationalen Beziehungen des Tochterunternehmens zu anderen Tochterunternehmen und zur Konzernobergesellschaft beachten. Die Unterschiede in der Rechtsanwendung in Australien und in Deutschland sind nur gering und beeinflussen die Ausgestaltung der Corporate Governance in staatenübergreifenden Konzernsachverhalten nicht.

III. Konzernobergesellschaft als Anteilseigner der Tochterunternehmen Für staatenübergreifende Konzerne zwischen Australien und Deutschland gelten die Feststellungen in Teil 5 mit nur geringen Modifikationen. In einer empirischen Studie aus dem Jahr 2000 wurde festgestellt, dass sich die Binnenstruktur überregional handelnder Kapitalgesellschaften von regionalen unterscheiden. 77 Die Organe überregional tätiger Organisationen schlössen auch ausländische Organwalter ein und seien intern häufig dazu verpflichtet, sich beispielsweise durch Besuche über die Angelegenheiten von Geschäftsbereichen im Ausland zu informieren. Einschränkend wurde in dieser Studie allerdings festgestellt, dass in australischen Konzernen im weltweiten Vergleich die geringste Anzahl an ausländischen Organwaltern vorhanden ist. Die Schlussfolgerungen dieser Studie, denen zufolge Corporate Governance in nationalen und in internationalen Sachverhalten unterschiedlich sei, erscheinen fraglich. Für nationale Konzerne wurde in Teil 3 A.II.3. festgestellt, dass häufig zu Unrecht gefordert wird, das Geschäftsführungsorgan der Konzernobergesellschaft müsse sich ständig über alle wesentlichen Angelegenheiten der Tochterunternehmen informieren. Schließlich wurde in Teil 5 A.I.2. festgestellt, dass sowohl australische als auch deutsche Konzerne eine Vielzahl von Doppelmandaten zur Verbesserung der kozernweiten Kommunikation und Kooperation einsetzen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich anscheinend diese Ergebnisse der nationalen Corporate Governance auf staatenübergreifende Konzerne übertragen lassen. Insofern sind die Ähnlichkeiten zwischen nationalen und staatenübergreifenden Strukturen zu betonen. Besondere Schwierigkeiten für staatenübergreifende Konzernsachverhalte bestehen bei zentralisierter Personalplanung für internationale Sachverhalte. Einerseits entspricht es weltweiter Managementpraxis, von der Konzernobergesellschaft Personal in Tochterunternehmen zu entsenden. Andererseits kann es bei überregionalen Konzernen zur Ausgrenzung gegenüber lokalen Führungs-

77

Egon Zehnder International, Board of Directors Global Study, 8.

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329

kräften kommen. Sprachprobleme und kulturelle Unterschiede bestehen. Es kann sogar die Gefahr entstehen, dass durch derartige Managementstrukturen die ausländisch dominierte Kapitalgesellschaft für lokale Führungskräfte unattraktiv wird. 78 Hinzu kommen die hohen Folgekosten, die mit der Entsendung eines Angestellten in einen anderen Staat entstehen. In der Praxis entsenden deutsche Konzernobergesellschaften immer weniger Personal in australische Tochterunternehmen. Diesen Trend bestätigt die oben genannte Studie für Australien. Die Spitze der Unternehmensführung (CEO, Vorstandsvorsitzender) übernimmt traditionell ein Inländer, der mit dem nationalen Markt vertraut ist und in der Regel bereits eine Reihe von Geschäftskontakten hat. Auch die Entsendung eines CFO durch deutsche Konzernobergesellschaften nach Australien nimmt aufgrund der hohen Kosten ab. Die Bedeutung personeller Verflechtung sollte insgesamt für staatenübergreifende Konzernverbindungen vorsichtig interpretiert werden. Allerdings fehlen verlässliche empirische Daten, um tatsächliche Aussagen treffen zu können. Die zitierte Studie lieferte diese Daten nicht. Als Besonderheit staatenübergreifender Konzerne in der Ausgestaltung der internen Corporate Governance wird schließlich vereinzelt auf die Gründung von organexternen Strukturen hingewiesen. 79 Dadurch werde eine tatsächliche Angleichung an das angelsächsische Kapitalgesellschaftssystem herbeigeführt. Allerdings wurde bereits für das nationale Recht auf die Möglichkeit der Schaffung informeller Gremien, von Organverflechtungen oder sonstigen Strukturen hingewiesen, die – solange sie keine Auswirkungen auf die formelle Letztentscheidungsbefugnis der Organe zeitigen – unbedenklich sind. Für die genannten Strukturen überregionaler Konzerne gilt nichts anderes. Insgesamt sind die Möglichkeiten der Einflussnahme entlang rechtlich über den Anteilsbesitz vermittelter Einflussnahmemöglichkeiten auf die Ausgestaltung der Corporate Governance zwischen Konzernobergesellschaft und Tochterunternehmen nur von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt für nationale Konzerne und erst recht für international verflochtene Konzerne in Australien und in Deutschland.

78 79

Bartlett/Ghoshal, Managing Across Borders, 214 f. J. Götz, ZGR 2003, 1 (9 f.).

330

Teil 6 : Schlussbemerkungen: International agierende Konzerne

C. Gesamtergebnis Die Anreizwirkungen für die Auswahl von Handlungsalternativen bei der Ausgestaltung der Corporate Governance durch die Akteure in der Konzernobergesellschaft und in den Tochterunternehmen nach der australischen und der deutschen Regulierung wurden untersucht. Es ist festzustellen, dass das Corporate-Governance-System in international agierenden Konzernen in beiden Staaten ähnliche Entscheidungen begünstigt. Einzelne Unterschiede ergeben sich durch Variationen in den lokalen Wirtschaftsdaten und der historischen Entwicklung. Sowohl in Australien als auch in Deutschland hat im 20. Jahrhundert, mit Ausnahme von wenigen Einzelaspekten, die für Corporate Governance in Konzernen konstitutionelle Regulierung kaum grundlegende Änderungen erfahren. In Deutschland wird in der Diskussion häufig und zu Unrecht gefordert, den Akteuren in der Konzernobergesellschaft umfangreiche allgemeine Pflichten der Informationsbeschaffung, der Herbeiführung konzernweiterer Kooperation oder der Personalplanung aufzugeben. Tatsächlich werden die Akteure in den Kapitalgesellschaften eines Konzerns sowohl in Australien als auch in Deutschland in der Auswahl der Handlungsalternativen bei der Ausgestaltung der konzernweiten Corporate Governance nur unwesentlich durch die Regulierung beeinflusst. Für das konzernweite Informationssystem ist seine Funktion als Hilfsmittel entscheidend. Sie dient dem Ziel der Herbeiführung des Konzernerfolgs, der Konzernrechnungslegung und eingeschränkt der Liquiditätsüberwachung. Regulierung erfordert nur eine restriktive Informationspolitik. Die untersuchte Regulierung in Australien und in Deutschland setzt rudimentäre Handlungsanreize, den Konzern so zu strukturieren, dass die Tochterunternehmen von ihrem eigenen Beitrag zum Konzernerfolg profitieren. Es ist die Aufgabe der Akteure festzulegen, ob dies mit Hilfe von Personalplanung, durch eine intensive zentrale Einflussnahme, durch umfangreiche Kontrollmechanismen oder gänzlich ohne zentrale Steuerung geschieht. Hierzu gibt es keine allgemeingültigen Vorgaben. Allgemein gilt, dass Verbindungen zwischen Kapitalgesellschaften in einem Konzern auf Anteilsbesitz und auf Absprachen beruhen. Informelle Absprachen sind für die Ausgestaltung der Corporate Governance von größerer Bedeutung als rechtlich vermittelte Einflussnahmemöglichkeiten. Für die tatsächlich bestehenden Handlungsanreize bei der Austgestaltung der Corporate Governance für die Akteure in Konzernen in Australien und in Deutschland ist Regulierung insgesamt von untergeordneter Bedeutung.

Verzeichnis der Präzedenzfälle Adams v Cape Industries plc [1990] Chancery Division 433 - 572, [1991] 1 The All England Law Reports 929 - 1054 Allen v Gold Reefs of West Africa Ltd [1900] 1 Chancery Division 656 - 683 ANZ Executors & Trustee Company Ltd v Qintex Ltd (1990) 2 Australian Corporations and Securities Reports 676 - 691 Austen & Butta Ltd v Shell Australia Ltd (1992) 10 Australian Company Law Cases 610 - 616 Australian Securities and Investments Commission (ASIC) v Adler (2002) 41 Australian Corporations and Securities Reports 72 - 255 Australian Securities Commission (ASC) v AS Nominees Ltd (1995) 18 Australian Corporations and Securities Reports 459 - 520, 133 Australian Law Reports 1 - 63, 13 Australian Company Law Cases 1822 - 1846 Australian Securities Commission (ASC) v Lucas (1992) 7 Australian Corporations and Securities Reports 676 - 696 Australian Securities Commission (ASC) v Multiple Sclerosis Society of Tasmania (1993) 11 Australian Company Law Cases 461 - 483 Baden v Société Générale pour Favoriser le Développement du Commerce et de l’Industrie en France SA [1992] 4 The All England Law Report 161 - 279 Barnes v Addy (1874) 9 The Law Reports, Chancery Appeal Cases 244 - 256 Beach Petroleum NL v Johnson (1993) 115 Australian Law Reports 411 - 602 Bennetts v Board of Fire Commissioners of NSW (1967) 87 The Weekly Notes (New South Wales) Pt. 1 307 - 313 Berlei Hestia (NZ) Ltd v Fernyhough [1980] 2 New Zealand Law Reports 150 - 167 Briggs v James Hardie & Co Pty Ltd (1989) 7 Australian Company Law Cases 841 865 Capricorn Diamonds Investments pty ltd v Catto [2002] 5 Victorian Reports 61 - 138 Charterbridge Corp Ltd v Lloyds Bank Ltd [1970] Chancery Division 62 - 75 Clemens v Clemens Bros [1976] 2 The All England Law Report 268 - 282 Consul Development Pty Ltd v DPC Estates Pty Ltd (1975) 132 Commonwealth Law Reports 373 - 416

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Verzeichnis der Präzedenzfälle

Corporate Affairs Commission (NWS) v Drysdale (1978) 141 Commonwealth Law Reports 236 - 256, 22 Australian Law Reports 161 - 175, 3 Australian Company Law Reports 760 - 774 Cultus Petroleum NL v OMV Australia Pty Ltd (1999) 32 Australian Corporations and Securities Reports 1 - 22 Dairy Containers Ltd v NZI Bank [1995] 2 New Zealand Law Reports 30 - 128 Daniels v Anderson (1995) 16 Australian Corporations and Securities Reports 607 - 761 DHN Food Distributors Ltd v Tower Hamlets London Borough Council [1976] 1 Weekly Law Report 852 - 868 Elliott v Australian Securities and Investments Commission [2004] 10 Victorian Reports 369 - 4001 Equiticorp Finance Ltd (in liq) v Bank of New Zealand (1993) 32 New South Wales Law Reports 50 - 151 Farrow Finance Company Ltd (in liq) v Farrow Properties Pty Ltd (in liq) (1997) 26 Australian Corporations and Securities Reports 544 - 592, [1991] 2 Victorian Reports 589 - 596 Fitzsimmons v R (1997) 23 Australian Corporations and Securities Reports 355 - 379 Foody v Horewood [2003] Supreme Court of Victoria 347 Foss v Harbottle (1843) 2 Hare 461, 67 English Reports 189 - 208 Gambotto v WCP Ltd (1995) 182 Commonwealth Law Reports 432 - 460, 16 Australian Corporations and Securities Reports 1 - 20 Gilford Motor Co Ltd v Horne [1933] Chancery Division 935 - 969 Harkness v Commonwealth Bank of Australia (1993) 12 Australian Corporations and Securities Reports 165 - 180 Huddart Parker & Co Pty Ltd v Moorehead (1909) 8 Commonwealth Law Reports 330 419 Imperial Mercantile Credit Association v Coleman (1873) 6 The Law Reports, House of Lords 189 - 211 Japan Abrasive Materials Pty Ltd v Australian Fused Materials Pty Ltd (1998) 16 Australian Company Law Cases 1172 - 1198 Johnson Matthey (Aust) ltd v Dascorp Pty Ltd [2003] Supreme Court of Victoria 291 352 Jones v Lipman [1962] 1 Weekly Law Report 832 - 837 Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd [1991] Appeal Cases 187 224

Verzeichnis der Präzedenzfälle

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Levin v Clark [1962] New South Wales Reports 686 - 703 Lewis v Doran (2004) 208 Australian Law Reports 385, Lexis Lindgren v L & P Estates Co Ltd [1968] 1 The All England Law Reports 917 - 928 Morgan v 45 Flers Avenue Pty Ltd (1986) 10 Australian Company Law Reports 692 708; 5 Australian Company Law Cases 222 - 237 New South Wales v Commonwealth (1990) 8 Australian Company Law Cases 120 133, 169 Commonwealth Law Reports 482 - 514, 90 Australian Law Reports 355 370, 1 Australian Corporations and Securities Reports 137 - 152 Nicholas v Soundcraft Electronics Ltd [1993] Butterworths Company Law Cases 360 373 North-West Transportation Co Ltd v Henry Beatty (1887) 12 Appeal Cases 589 - 601 Panfida Ltd v Hartogen Energy Ltd (1988) 51 The South Australian State Reports 404 411, 14 Australian Company Law Reports 601 - 608 Pascoe Ltd v Lucas (1998) 16 Australian Company Law Cases 1247 - 1280 Permanent Building Society (in liq) v Wheeler (1994) 14 Australian Corporations and Securities Reports 109 - 168 Peter’s American Delicacy Co Ltd v Heath (1939) 61 Commonwealth Law Reports 457 - 515 Qintex Australia Finance Ltd v Schroders Australia Ltd (1990) 3 Australian Corporations and Securities Reports 267 - 278 R v Evans & Doyle [1999] Supreme Court of Victoria 488 R v Hughes (2000) 171 Australian Law Reports 155 - 191, 18 Australian Company Law Cases 394 - 424 Raymond v Cook (1998) 29 Australian Corporations and Securities Reports 252 - 269 Re Asiatic Banking Corp, Royal Bank of India (1869) 4 Chancery Appeal Cases 252 263 Re Austcorp Tiles Pty Ltd, Re Global Marble Pty Ltd, Re Austcorp Quarries Pty Ltd (1992) 10 Australian Company Law Cases 62 - 64 Re Barned's Banking Co, Ex parte The Contract Corporation (1867) 3 Chancery Appeal Cases 105 - 131 Re Broadcasting Station 2GB Ltd [1964 - 5] New South Wales Reports 1648 - 1666 Re Caremark International Inc Derivative Legislation (1996) 698 Atlantic Reporter Second Series 959 - 972 Re City Equitable Fire Insurance Company Ltd [1925] Chancery Division 407 - 532

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Cash-Pool-System 131, 136, 192, 222 Centros-Entscheidung 313 Charterbridge-Entscheidung 206, 207, 209, 213 CLERP-Reformen 55, 74, 157, 188, 299 Common Law 71 Corporate Governance Kodex siehe Deutscher Corporate Governance Kodex Corporate Governance, Definition 16, 24 Corporate Veil 137

Dairy Containers-Entscheidung 262, 264 Daniels v Anderson-Entscheidung 72 Davey Committee 37 DCGK siehe Deutscher Corporate Governance Kodex Delegation 69, 70, 78, 79, 81, 105, 106, 109, 110, 115, 125, 171, 221, 229, 230, 242 Deutscher Corporate Governance Kodex 80, 253 DHN Food Distributors-Entscheidung 141 Doppelmandat 94, 146, 147, 156, 167, 207, 241–93, 307, 328 Durchgriffshaftung 137–54, 171, 195, 196, 264, 318, 326

Economics of Scale / Scope siehe Synergien Eigenkapital 127, 128, 129, 130, 131– 36, 149, 192, 297 Eigennutztheorem 19, 20, 22, 23, 25, 229

Sachverzeichnis Eingliederung 66, 90, 106, 122, 133– 34, 136, 158, 200, 202, 216, 218, 219, 220, 234, 242, 249, 273, 276, 326 Einmann-Gesellschaft 39, 137, 140, 151, 318 Einsichtsrecht 89 Equitable Remedies 296 Equiticorp-Entscheidung 206, 208, 209, 213 Europäische Aktiengesellschaft 51, 70, 314 Executive Director 68, 72, 266 Existenzvernichtender Eingriff 49, 126, 128, 132, 134, 139, 149, 151, 170, 189, 190–200, 201, 205, 230, 232, 234, 235, 246, 317, 318, siehe auch qualifiziert faktischer Konzern, siehe auch Bremer Vulkan-Entscheidung Façade siehe Durchgriffshaftung Fitzsimmons-Entscheidung 289, 290 Forum Europaeum 51 Free-Rider-Problem 23, 119, 126, 205, 226 Frühwarnsystem 64–67, 77, 79, 97, 98, 100, 101, 102, 264, 322 Gambotto-Entscheidung 296, 297, 298, 302 Gelantine-Entscheidung siehe Holzmüller-Doktrin, siehe auch Existenzvernichtender Eingriff General Law 71 Gewinnabführung siehe Unternehmensvertrag Gewinnausschüttung 129 Gläubigerschutz siehe Existenzvernichtender Eingriff Gleichbehandlungsgebot 97, 189, 214– 15, 214 Gleichordnungskonzern 14 Good-Faith-Test 296, 297, 298, 305 Gründerjahre 33 Gründerkrach 35

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Gründungstheorie 311, 312, 313, 315, 317, 318 Handlungs- und Verfügungsrechte 21 Hold up Problem 26 Holzmüller-Doktrin 121, 164, 302, 305 Huddart Parker v MooreheadEntscheidung 43 Independend Director 259 Independent Director 157 Individualismus, methodologischer 19, 25 Informationspathologie 102, 256, 294 Informationspflicht 67, 76, 77, 78, 82, 83, 95 Informationsweiterleitung 93–94 Insiderhandelsverbot 86, 87, 102, 144, 287, 289, 323 Insolvenzrecht 54, 66, 67, 73, 101, 148, 191, 197, 198, 321 Inspire Art-Entscheidung 58, 70, 313 Interessenkonflikt 53, 72, 94, 251, 271–80, 280, 285, 287, 289, 290, 298 Interests of the Company 74, 109, 206–12, 213, 265, 266, 269, 271, 298, 299, 300 Interlocking Directorships Siehe Doppelmandat ITT-Entscheidung 183, 184 Joint Stock Company 30 Kapitalaufbringung 127, 128, 129, 131 Kapitalerhaltung 126, 127–36, 137, 156, 159, 160, 197, 230, 231, 326 KBV-Entscheidung 132, 139, 151, 190, 192, 193, 195, 199 Kontrollaufgabe 81, 230, 232, 241, 251 Kontrollpflicht 63, 76, 78, 79, 81, 117, 240, 247 Konzernabschluss 63, 83, 320, 323 Konzerndefinition 14–15

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Sachverzeichnis

Konzerneingangskontrolle 107, 164, 166, 246 Konzernleitungspflicht 107, 108, 111– 23, 124, 159, 167, 240, 242, 247, 326 Konzernleitungsrecht 106, 158 Kuwait Asia Bank v National Life Nominees-Entscheidung 262, 263, 264 Law of Equity 71 Levin v Clark-Entscheidung 266, 269, 300 Limited Liability siehe Trennungsprinzip Marktbedingung 155, 156, 157, 165, 211 Material Personal Interest 74, 280, 281, 283 Matrixorganisation 234 Mindestkapital 127, 128 Modularisierung 232, 233, 234, 236, 264 Netzwerkstruktur 105, 123, 234, 236, 264 Neue Institutionenökonomik 18 Niederlassungsfreiheit 313, 314, 316 No-Liability Company 34 Nominee Director 175, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265–71, 271, 280, 281, 282, 286, 288, 291, 292, 293 Non-Executive Director 68, 72, 260, 281 Octroisystem 30, 33 Offenlegungspflicht 165, 286, 287, 320 Opportunistisches Verhalten 19, 21, 22, 23, 24, 26, 106, 111, 120, 125, 126, 234, 255 Opportunitätskosten 20, 36, 44, 221 Oppression Remedy 100, 101, 163, 186–89, 200, 205, 215, 297, 305 Organfunktionen 68

Organisation, Definition 15 Organtheorie 45 Pariwert 55, 127 Personalplanung 27, 112, 238–93, 293, 307, 328, 330 Profit-Center 230 Property Rights siehe Handlungs- und Verfügungsrechte Prüfrecht siehe Auskunftsanspruch Qualifiziert faktischer Konzern 49, 134, 170, 189, 199, 246, siehe auch Existenzvernichtender Eingriff Rationalität, beschränkte 20, 21, 22, 25, 102, 120, 214, 229, 237 Related-Party-Transactions-Regeln 54, 126, 154, 156, 157, 158, 161, 162, 172, 187, 203, 205, 211, 230, 231, 304, 325 Replaceable Rules 293 Ressourcenknappheit 20 Royal Brunei-Entscheidung 146, 147 Salomon-Entscheidung 137 Satzungsstrenge 294 SE siehe Europäische Aktiengesellschaft Separate Legal Entity siehe Trennungsprinzip Shadow Director 14, 126, 147, 173– 80, 182, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 193, 199, 200, 201, 205, 231, 233, 236, 260, 263, 264, 326 Shadow Officer 173, 180–82, 182, 189, 200, 201, 205, 233, 236 Shareholders’ Agreement 259, 268, 270 Shirking 23 Sitztheorie 52, 310, 311, 313, 314, 315, 319 Sitzverlegung 313, 315, 319 Smith, Stone & Knight-Entscheidung 141

Sachverzeichnis

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Societas Europaea siehe Europäische Aktiengesellschaft Sonderprüfung 164 Sorgfaltspflichten 65, 71–76, 77, 100, 107, 108, 172, 177, 181, 184, 193, 194, 200, 205, 212, 213, 235, 263, 327 Spartenorganisation 69, 115, 123, 166, 208, 230, 231, 235, 254, 257 Sphärenvermischung siehe Vermögensvermischung Spieltheorie 23, 119 Spillover-Effects 125 Stimmrecht 46, 143, 185, 220, 247, 259, 267, 274, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 291, 293, 295, 296, 298, 299, 302, 304, 305, 308 Synergien 99, 222, 231

Überseering-Entscheidung 313, 315 Überwachungssystem siehe Frühwarnsystem Unterkapitalisierung, qualifizierte 149, 150–51, 151, 198, 317 Unternehmensvertrag 45, 52, 54, 66, 90, 133, 134–36, 159, 218, 243, 273, 276, 277, 322, 326

Tit-for-Tat 119 Transaktionskosten 20, 24, 106, 226, 228 Trennungsprinzip 32, 137 Treuepflicht 89, 126, 135, 178, 180, 181, 182–86, 186, 187, 189, 190, 191, 194, 198, 201, 202, 205, 219, 230, 232, 234, 236, 261, 276, 296, 303, 304 Two-Dollar-Companies 138

Walker v Wimborne-Entscheidung 206, 207, 209, 213 Waschkorblage siehe Vermögensvermischung Weisungsrecht 99, 106, 135, 200, 219, 273, 285, 303 Winter-Gruppe 66, 165

Überprüfungsrecht siehe Auskunftsanspruch

Vermögensvermischung 149, 150, 151, 153, 171, 196 Verschwiegenheitspflicht 89, 90, 92, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291 Vertragskonzern 49, 84, 122, 134, 168, 171, 203, 276, siehe auch Unternehmensvertrag Vertretungsrecht 140–42, 143, 148, 153, 284

Zentralistische Organisation 115, 146, 166, 175, 228, 229, 231, 250