Organhandeln und Interessenkonflikt: Vergleichende Untersuchung zum deutschen und französischen Aktienrecht [1 ed.] 9783428455348, 9783428055340

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Organhandeln und Interessenkonflikt: Vergleichende Untersuchung zum deutschen und französischen Aktienrecht [1 ed.]
 9783428455348, 9783428055340

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HANS-MICHAEL GIESEN

Organhandeln und Interessenkonflikt

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 47

Organhandeln und Interessenkonflikt Vergleichende Untersuchung zum deutschen und französischen Aktienrecht

Von

Dr. Hans-Michael Giesen

DUNCKER &

HUMBLOT/BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Giesen, Hans-Michael: Organhandeln und Interessenkonflikt : vergleichende Unters. zum dt. u. franz. Aktienrecht / von Hans-Michael Giesen. - Berlin : Duncker und HumbIot, 1984. (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd.47) ISBN 3-428-05534-9 NE:GT

D6 Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-05534-9

Meinen Eltern

Vorwort Die Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 1982/83 als Dissertation vorgelegen. Soweit dies möglich war, sind Literatur und Rechtsprechung bis zum November 1983 berücksichtigt worden. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Bernhard Großfeld, der mich weit über die Betreuung der Dissertation hinaus in großzügiger Weise gefördert hat. Der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. habe ich dafür zu danken, daß sie mich durch ein Stipendium in die Lage versetzte, für ein halbes Jahr in Paris die notwendigen Vorarbeiten zu leisten. Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Broermann bin ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Schriften zum Wirtschafts recht" verpflichtet. Berlin, im November 1983

Hans-Michael Giesen

Inhaltsverzeichnis Einführung

15 Erster Teil

Frankreich A. Struktur und Verbreitung der Societe Anonyme

18

I. Organisationsstruktur .......... . ...............................

18

1. Hauptversammlung ............ . ............... . . . ..........

18

2. Verwaltung ............... . ...... . ........... . ...... . ....... a) Traditionelles Modell .... . . . ...... . ........... . . . ........ aal Verwaltungsrat ...................................... bb) Präsident des Verwaltungsrates .... . ................. ce) Generaldirektoren ............... . ...... . ............ b) Neues Modell ........................ . ................... aal Direktorium ...... . . . .. . . . ...... . .... . ...... . . . .... . . bb) Aufsichtsrat .................. . ...................... 3. Bilanzprüfer ........................... . ........... . ...... . .

18 19 19 19 20 21 21 22 22

11. Verbreitung

.. . .... . ...... . ........ . .................... . ......

B. Entstehungsgeschichte der L.Art. 101

23

If., 143 ff. ...................... 24

I. Art.40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 ..........................

25

11. Novellierung durch das Gesetz vom 4. März 1943

25

111. Art. 101 ff., 143 ff. des Gesetzes vom 24. Juli 1966

26

C. Verbotene Verträge ................ . .............................. . I. Adressaten

27

....................................................

27

11. Erfaßte Geschäfte .............. . ...... . ............. . ...... . ... 1. "Emprunts" ........... . ....................................

28 28

2. "Decouverts" ................... . . . ......................... 3. "Cautionnements et Avals" ..................................

29 30

111. Ausnahmen............... . ................... .... .... .. . ......

30

IV. Sanktion .................................... . .................. 1. Wesen der Nichtigkeit ................................. . .... 2. Praktische Durchsetzung der Nichtigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

31 31 32

Inhaltsverzeichnis

10

D. Dem besonderen Kontrolluerfahren unterworfene Abreden 1. Anwendungsbereich .................................... . ...... . 1. Adressaten

35 35

................... . .... . ...... . . . .............. .

35

2. Erfaßte Geschäfte ............ . .................... . ...... . . a) Begriff der "convention" ................................ aal Allgemeine Definition .................... . .. . ....... bb) Teleologische Korrektur ............................. b) Direktes Interesse des "erwalters ........................ c) Gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen "erwaltungsmitglied und "ertragspartner ............................ d) Sonstiges indirektes Interesse des "erwaltungsmitgliedes ..

36 36 36 37 38 38 39

3. Ausnahmen....................................... . .........

41

4. Sonderfall: Bezüge der "erwaltungsmitglieder .... . . . . . . . . . .. a) Mitglieder des "erwaltungsrates ............ . ............ b) Präsident des "erwaltungsrates .......................... c) Direktorium und Aufsichtsrat ............. . ..............

43 44 45 46

5. Stellungnahme ................................... . ...... . ..

46

II. Ablauf des Kontrollverfahrens und Sanktionen .................

46

1. Zustimmung des "erwaltungs- bzw. Aufsichtsrates. . . . . . . . ..

"orlage durch den interessierten "erwalter .............. Spezielle Einwilligung ........................... . ....... Abstimmung und Stimmverbot ....... . . . ................ Stellungnahme .......................................... Nichtigkeit bei Fehlen einer wirksamen Zustimmung . . . . .. aal Sachvoraussetzungen ................................ bb) Heilung durch Beschluß der Hauptversammlung ...... ce) Ermessen des Gerichts ............................... dd) Praktische Durchsetzung ...... . ... . ...... . ...... . ....

47 47 48 48 50 51 52 52 53 53

2. Sonderbericht der Bilanzprüfer ..... . . . . . . . . . . . . . .. ......... a) "orlage durch den Präsidenten ....... . .................. b) In dem Bericht behandelte Abreden .......... . . . .... . . . .. c) Inhalt des Sonderberichtes ............................... d) Termin und Art der "eröffentlichung .................... e) Rechtsfolge bei Fehlen oder Mängeln des Berichtes ....... f) Stellungnahme ..........................................

54 54 54 55 56 57 57

3. Beurteilung durch die Hauptversammlung ... . ...... . ........ a) Beschlußfassung ......................................... aal Allgemeine Anforderungen ........ . ................. bb) Abstimmung und Stimmverbot ...................... b) Bedeutung des Beschlusses ............... . ............... c) Stellungnahme ........................................ . .

58 58 58 58 59 60

a) b) c) d) e)

1nha:I tsverzeichnis II1. Nichtigkeit wegen betrügerischer Handlungen ("fraude")

11

60

1. Sachvoraussetzungen ..

60

2. Rechtsfolge ......... .

62

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder 1. Zivil rechtliche Verantwortlichkeit 1. Anspruchsvoraussetzungen ..

a) Besondere Haftung für getroffene Abreden b) Allgemeine aktienrechtliche Haftung

62 62 62 62 64

2. Gerichtliche Durchsetzung .... . a) Klagearten .................. . aal "Action sociale ut universi" bb) "Action sociale ut singuli" b) Verjährung und Zuständigkeit ..

65 65 65

3. Beurteilung der zivilrechtlichen Haftung

67

11. Strafrechtliche Verantwortlichkeit

66 67 68

1. Mißbrauch von Gütern der Gesellschaft

68

2. Mißbrauch von Vollmacht oder Stimmrecht

70

3. Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

70

F. Andere Interessenkonflikte ...... . .... .

71

G. Weitere Kontrollmöglichkeiten

74

1. Sachverständigengutachten

74

II. Kontrolle durch die Börsenaufsicht

75

Zweiter Teil

Bundesrepublik Deutschland A. Verbot von Verträgen ............ .

77

B. Vertretungsrechtliche Regelungen

78

1. übertragung auf ein anderes Organ ... 1. Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates bei Geschäften der Ge-

sellschaft mit Vorstandsmitgliedern al Allgemeines .......... . b) Umfang der Vertretungsmacht .. c) Ausübung der Vertretungsmacht aal Grundsatz der Gesamtvertretung bb) Delegation der Willensbildung ..... ce) Delegation der praktischen Ausführung d) Zusammenfassung ............. .

78 78 78 79

81 81 81 82 82

12

Inhaltsverzeichnis 2. Festlegung der Aufsichtsratsvergütungen durch die Hauptversammlung .................................................. a) Festsetzung durch die Hauptversammlung ...... . ......... b) Höhe der Vergütung ....................................

83 83 84

11. Ausschluß interessierter Personen von der Vertretung (§ 181 BGB)

85

IH. Treuwidriges Verhalten des Vertreters ... . .....................

86

1. Kollusion .................................... . ........... . ..

2. Mißbrauch der Vertretungsmacht ........... . ................ a) Einführung in die Problematik ....................... . .. b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht .................... c) Organschaftliche Vertretungsmacht gemäß § 78 AktG . . . . .. aal Beschränkungswidriges Handeln des Vorstandes ...... bb) Bewußtes Handeln zum Nachteil der Gesellschaft .... cc) Ergebnis ............................................

86 86 87 88 88 88 89 92

C. Kontrolle durch Mitwirkung des Aufsichtsrates .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

92

1. Kredite an Vorstandsmitglieder ................................

92

1. Begriff der Kreditgewährung .............. . ................ 2. Betroffene Personen und Gesellschaften ....... . .... . ....... 3. Zustimmung des Aufsichtsrates ............................. 4. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung .....................

93 93 94 94

11. Kredite an Aufsichtsratsmitglieder ........................ . ....

95

IH. Dienst- und Werkverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . .. 1. Anwendungsbereich

96

........................................ 2. Rechtsfolge bei Verstoß .....................................

96 97

IV. Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs.4 S.2 AktG ..... . ......

97

V. Organkredite von Kreditinstituten ........... . ..................

98

1. Anforderungen an die Kreditgewährung .. . .... . . . . . . . . . . . . .. 2. Rechtsfolge bei Verstoß .................. . ..................

98 99

D. Regelungen der Willensbildung ....................................

99

1. Bewegliche Stimmrechtsschranken ........... . ............... . .. 100 11. Stimmrechtsausschlüsse ....... . ............. . ........ . .... . .... 101 101 1. Zweckmäßigkeit 2. Rechtsgrundlage ........................... . . . .............. 103 a) § 181 BGB ............................ . ........... . ...... 104 b) Allgemeine Sorgfaltspflicht ........... . . . ................ 107 c) Treu und Glauben ....................................... 109 d) § 34 BGB LV.m. § 28 Abs. 1 BGB ........ . . . ......... . . . .. 110 e) Allgemeiner Rechtsgrundsatz ............................. 112

Inhal tsverzeichnis

13

3. Sachlicher Anwendungsbereich .............................. 114 4. Einzelfälle .................................................. a) Sozialrechtliche Beschlüsse ........ . ............. . ........ b) Konzernproblematik ............................ . ....... . c) Entsandte Aufsichtsratsmitglieder ...... . ...... . ......... . d) Arbeitnehmervertreter ................ . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Einführung .......................................... bb) Stimmverbot bei gleichzeitiger betrieblicher Mitbestimmung ................................................ ce) Stimmverbot bei tarifpolitischen Entscheidungen und im Arbeitskampf .....................................

117 117 120 122 124 124 125 126

5. Teilnahme- und Rederecht bei Stimmrechtsausschluß . . . . . . ..

127

6. Folgen der Verletzung von Stimmverboten .................. a) Kausalitätsgrundsatz .................................... b) Auswirkung auf den Beschluß ............................ c) Gerichtliche Durchsetzung der Rechtsfolgen eines fehlerhaften Beschlusses .......................................

127 128 128 130

E. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder ....... 131 1. Allgemeine Haftung gemäß §§ 93, 116 AktG .... . . . . . . . . . . . . . . . .. 131 1. Allgemeines

................................................ 132

2. Einzelfälle .................................................. a) Schaffgotsch-Fall ........................................ b) übernahme-Fall ............... . ........... . ............. c) Personal-Fall ............................................ d) Schlußfolgerung ............................... . .........

133 133 135 136 137

3. Durchsetzung der Haftung ........ . . . ...... . .... . . . .... . .... 137 H. Weitere Haftungsnormen ........ . ............................. 138

Dritter Teil

Schlußfolgerungen A. Vergleich

1. Verbote

139 ................. . ..................................... 139

II. Kontrolle ...................................................... 140 IH. Haftung ........ . .... . . . ............. . ............. . ...... . .... 142 B. Ausblick ...................................... . .................... 143 C. Schluß ............................ . .... . ........................... 146

Literaturverzeichnis

147

Abkürzungen A.N.A.F. A.N.S.A. B.C.N.C. Bull.civ. Bull.COB Bull.F.A.C.S. C.civ. C.comm. Civ.sec.soc. C.O.B. Com. C.proc.pen. Crim.

D.

D.Art. D.C. D.S. Gaz.Pal. INSEE J.C.P. J.O. Deb.Senat Deb.Ass.Nat. J.S. L.Art. L.1867 Art. n.C.proc.civ. P.D.G. PRODAC Rep.min. Req. Rev.soc. Rev.trim.dr.com. S.A. S.A.R.L. Soc. TGI Trib.corr. TVA

Association Nationale des Actionnaires de France Association Nationale des Societes par Actions Bulletin du Conseil National des Commissaires aux Comptes Bulletin des arrets des chambres civiles de la Cour de Cassation Bulletin de la Commission des Operations de Bourse Bulletin de la Federation des Associations de Commissaires de Societes Code Civil Code de Commerce Cour de Cassation, Chambre civile, Section sociale Commission des Operations de Bourse Cour de Cassation, Chambre commerciale Code de Procedure Penale Cour de Cassation, Chambre criminelle Recueil Dalloz Art. des Dekretes Nr. 67 - 236 vom 23. März 1967 Recueil critique Dalloz Reeueil Dalloz-Sirey, Droit Social Gazette de Palais Institut National de la Statistique et des Etudes economiques Jurisclasseur Periodique Journal Officiel Debats du Senat Debats d'Assemblee Nationale Journal des Soehi!tes Art. des Gesetzes Nr. 66 - 537 vom 24. Juli 1966 Art. des Gesetzes vom 24. Juli 1867 nouveau Code de Procedure Civile President-Directeur General Promotion et Defense de l'Actionnariat Reponse ministerielle Cour de Cassation, Chambre de Requetes Revue des Societes Revue trimestrielle de droit commercial Soeiete Anonyme Societe a Responsabilite Limitee Cour de Cassation, Chambre sociale de Requetes Tribunal de Grande Instance Tribunal correctionnel Taxe a la valeur ajoutee

Die deutschen Abkürzungen entsprechen: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der deutschen Rechtssprache, 3. Auflage, Berlin 1983

Einführung Die leblose juristische Person Aktiengesellschaft wird erst durch ihre Organe willens- und handlungsfähig. Diese bilden ihren Willen, und durch sie erwirbt die Gesellschaft Rechte und Pflichten. Das Verhalten ihrer Organe wird der Aktiengesellschaft in umfassender Weise so zugerechnet, aIs sei es ihr eigenes. Zwar haben diese Organe bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in uneigennütziger Weise allein dem Verbandszweck zu dienen, doch bestehen auch sie aus Menschen, deren wesensmäßige und natürliche Schwächen die Rechtsordnung als gegeben hinzunehmen hat. Umso wichtiger ist es, die Gesellschaft unter Einschluß von Aktionären und Gläubigern schon vor der Möglichkeit zu schützen, daß Organmitglieder die ihnen zukommenden, weitreichenden Befugnisse mißbrauchen. Dies steht vor allem dann zu befürchten, wenn ein Organmitglied bei seinem Handeln anderen - eigenen oder fremden - Interessen augesetzt ist. Der klassische Fall einer solchen Interessenkollision liegt vor, wenn das Organmitglied direkt an einem Geschäft mit der Gesellschaft beteiligt ist. Anlaß zu Mißtrauen gibt dann die Tatsache, daß die gleiche natürliche Person auf beiden Seiten eines Geschäfts mitwirkt oder zumindest mitwirken kann. Ähnlichen Bedenken begegnet das Tätigwerden nächster Angehöriger eines Organmitgliedes. Darüber hinaus haben die mittelbaren Interessenkonflikte, welche sich aus den vielfältigen Verflechtungen in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung ergeben, eine wesentlich größere praktische Bedeutung. Man denke z. B. an den Verwaltungschef eines Industrieunternehmens im Aufsichtsorgan einer Bank, wenn dort über die Zustimmung zu einem Großkredit an dieses Industrieunternehmen entschieden wird. Probleme ergeben sich insofern, als die betroffene Person beiden Gesellschaften als Organmitglied verpflichtet ist. Weiterhin sind die Fälle zu nennen, in denen ein Organmitgied oder ein Unternehmen, dem das Organmitglied verpflichtet oder verbunden ist, nicht rechtlich, sondern nur tatsächlich von den Auswirkungen einer Entscheidung der Gesellschaft (z. B. über die Vornahme einer Großinvestition) betroffen ist. In den verschiedenen Rechtsordnungen werden vielfältige Lösungswege für derartige Interessenkonflikte beschrittenI. Größere Bedeutung I Zur Problematik und den angebotenen Lösungen aus rechtsvergleichender Sicht ausführlich: Groß/eId Management Tz 142 ff.

Einführung

16

hat die Problematik durch den überarbeiteten Kommissionsvorschlag für eine 5. EG-Richtlinie2 gewonnen, deren Art. 10 lautet: (1) Jeder Vertrag, an dem die Gesellschaft beteiligt ist und der auch nur mittelbar die Interessen eines Mitglieds des Leitungs- oder des Aufsichtsorgans berührt, bedarf zumindest der Genehmigung des Aufsichtsorgans. (2) Wenn ein Mitglied des Leitungs- oder Aufsichtsorgans erfährt, daß

die Voraussetzungen des Abs.1 vorliegen, muß es davon beide Organe unterrichten. Es hat das Recht, gehört zu werden; es darf jedoch an der Beratung und Beschlußfassung des Leitungsorgans über den Vertrag sowie der Beratung und Beschlußfassung des Aufsichtsorgans über die Erteilung der Genehmigung gemäß Abs. 1 nicht teilnehmen.

(3) über die nach Abs. 1 erteilten Genehmigungen ist die Hauptver-

sammlung zu unterrichten.

(4) Das Fehlen der Genehmigung des Aufsichtsorgans oder die Un-

rechtmäßigkeit des Beschlusses über die Erteilung dieser Genehmigung kann Dritten nur entgegengehalten werden, wenn die Gesellschaft beweist, daß dem Dritten das Fehlen der Genehmigung oder die Unrechtmäßigkeit des Beschlusses bekannt war, oder daß er darüber nach den Umständen nicht in Unkenntnis sein konnte.

Vor diesem Hintergrund nimmt die Arbeit unter Beschränkung auf die organschaftlichen Befugnisse3 der Verwaltungsmitglieder4 zu den Antworten des französischen und deutschen Aktienrechts auf die angeschnittenen Fragen Stellung. Das französische Aktienrecht hat in diesem Zusammenhang ein ausgefeiltes System von Verboten und Kontrollmechanismen geschaffen, an dessen Struktur die Darstellung im ersten Teil der Arbeit ausgerichtet ist. Besonderer Wert wird dabei auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen gelegt. Dagegen fehlt es im deutschen Aktienrecht an einem entsprechenden speziellen Instrumentarium, so daß im zweiten Teil der Arbeit ein etwas breiterer Ansatz gewählt werden mußte. Neben Gesichtspunkten der Organisationsstruktur und des Vertretungsrechts wird besonderer Wert auf die Frage gelegt, inwieweit Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Aktiengesellschaft bei Interessenkonflikten vom organschaftlichen Stimmrecht ausgeschlossen sind. ABI EG vom 9.9. 1983 Nr. C 240 S. 2 ff. Zum mitgliedschaftlichen Stimmrecht umfassend die Arbeit von ZöllneT. 4 Unter diesem Begriff werden im folgenden die Mitglieder der Leitungsund Aufsichtsorgane der Aktiengesellschaft (Verwaltungsrat, Direktorium, Vorstand, Aufsichtsrat) zusammengefaßt. 2

3

Einführung

17

Mit akademischen Erörterungen allein kann man einem solchen Thema nicht gerecht werden. Eine überzeugende Lösung setzt daneben Erfahrungen und Verständnis der wirtschaftlichen Praxis und ihrer Erfordernisse voraus. Diese Anforderungen konnte der Autor selbst nicht erfüllen, doch hat er sich durch eine Vielzahl von Gesprächen mit Anwälten, Richtern und Juristen in Unternehmen, Verbänden und Behörden in Frankreich und Deutschland bemüht, einen kleinen Ausgleich zu schaffen. Allen Gesprächspartnern sei an dieser Stelle für ihr Verständnis und ihre Geduld gedankt.

Erster Teil

Frankreich A. Struktur und Verbreitung der Societe Anonyme In Frankreich ist das Recht der Aktiengesellschaft gemeinsam mit dem der anderen Handelsgesellschaften in dem Gesetz Nr.66-537 vom 24. Juli 1966 und dem ergänzenden Dekret Nr.67-236 vom 23. März 1967 geregelt. Danach entspricht die socil~te anonyme in einer Reihe von Merkmalen der Aktiengesellschaft des deutschen Aktiengesetzes von 1965: Ihr Kapital ist in fungible Aktien eingeteilt, und ihre Gesellschafter haften nur bis zur Höhe ihrer Einlage (L.Art.73). Sie ist kraft ihrer Rechtsform Handelsgesellschaft (L.Art. 1 Abs. 2) und erwirbt mit der Eintragung ins Handelsregister die Eigenschaft einer juristischen Person (L.Art.5 Abs.1). Neben diesen Übereinstimmungen existieren aber einige Besonderheiten, die zum besseren Verständnis der späteren Ausführungen vorangestellt werden sollen. I. Organisationsstruktur 1. Hauptversammlung

Souverän der Gesellschaft ist zumindest in der Theorie die Hauptversammlung!. Sie tritt mindestens einmal pro Jahr zusammen, berät und beschließt über alle Fragen, die sich auf den Abschluß des abgelaufenen Geschäftsjahres beziehen, soweit sie damit nicht in die Führung der laufenden Geschäfte eingreift (L.Art. 157). Eine Reihe von Einzelbefugnissen ist ihr gesondert zugewiesen und ihre Einberufung und ihr Ablauf sind zum Schutz der Aktionäre ausführlich geregelt (L.Art. 153 ff.). 2. Verwaltung

Seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. Juli 1966 können die Aktionäre zwischen zwei verschiedenen Verwaltungsformen frei wählen: !

Guyon Tz 289 S. 256.

A. Struktur und Verbreitung der Societe Anonyme

-

19

dem traditionellen Modell mit einem VerwaItungsrat, dessen Präsident d,ie Geschäftsführung im engeren Sinne obliegt, und dem neuen, vom deutschen Recht inspirierten Modell mit kollegialer Geschäftsführung durch ein Direktorium und ebenfalls kollegialer Kontrolle durch einen Aufsichtsrat.

-

a) Traditionelles Modell

aal Verwaltungsrat Im Rahmen der traditionellen Organisationsform wird die Gesellschaft von einem Verwaltungsrat mit drei bis zwölf Mitgliedern geleitet (L.Art. 89), die von der Hauptversammlung ernannt werden (L. Art. 90). Sie müssen Inhaber einer durch die Satzung bestimmten Anzahl von Aktien sein, die als Haftungsgarantie für alle Verwaltungsmaßnahmen dienen (L.Art. 95). Auch juristische Personen können in den Verwaltungsrat gewählt werden, müssen dann allerdings einen ständigen Repräsentanten für die Wahrnehmung dieser Aufgabe benennen (L.Art.91). Die Mitglieder des Verwaltungsrates können von der Hauptversammlung jederzeit ohne Angabe von Gründen abberufen werden (L.Art. 90 Abs. 3). Die Aufgaben des Verwaltungsrates ergeben sich teilweise aus speziellen Zuweisungen, wie z. B. Einberufung der Hauptversammlung (L.Art. 158), Beschlußfassung über Abreden zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltungsmitgliedern (L.Art.101) sowie über sämtliche Bürgschaften, Avale und Garantien (L.Art.98 Abs.2). Darüber hinaus hat der Verwaltungsrat gemäß L.Art.98 Abs. 1 umfassende Befugnisse, um in jeder Situation für die Gesellschaft handeln zu können, was jedoch keine Vertretungsmacht nach außen beinhaltet. Begrenzt werden diese Kompetenzen durch den Gesellschaftszweck, die gesetzlich anerkannten Befugnisse der Aktionäre und entsprechende Satzungsbestimmungen, die aber nur im Innenverhältnis von Bedeutung sind. Damit kommt dem Verwaltungsrat nach dem gesetzlichen Leitbild eine umfassende Zutändigkeit für die Leitung der Gesellschaft zu, deren Ziele und Geschäftspolitik er definiert2 • bb) Präsident des Verwaltungsrates Oberstes Exekutivorgan ist der Präsident des Verwaltungsrates, der im Sprachgebrauch weiterhin den Titel "president - directeur general" trägt, obwohl sich diese Bezeichnung in den Texten des geltenden Rechts nicht mehr wiederfindet. Er ist eine natürliche Person, die der 2 2'

Guyon Tz 339 S.311.

1. Teil:

20

Frankreich

Verwaltungs rat aus seiner Mitte höchstens für die Dauer seiner Amtszeit als Mitglied des Verwaltungs rates wählt. Er kann 'l0n diesem auch jederzeit wieder abberufen werden (L.Art.110). Dem P.D.G. kommt eine dreifache Kompetenz zu: 1. Ihm obliegt die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten

(L.Art. 113 Abs. 1 S.2), die allerdings auf andere Beschäftigte der Gesellschaft delegiert werden kann3 • 2. Als Präsident des Verwaltungsrates beruft er dessen Sitzungen ein und leitet sie. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag, soweit die Satzung nichts Abweichendes bestimmt (L.Art. 100 Abs.3). 3. Schließlich steht ihm die Generaldirektion der Gesellschaft gemäß L.Art.113 Abs.1 unter eigener Verantwortung zu. Mit Ausnahme der Zuständigkeiten, die das Gesetz der Hauptversammlung und dem Verwaltungsrat zuerkennt, verfügt er im Rahmen des Gesellschaftsgegenstandes über umfassende Vollmachten, um in jeder Situation im Namen der Gesellschaft handeln zu können (L.Art. 113 Abs.2). Da somit die L.Art.98 Abs.1 und 113 Abs.2 durch ihren übereinstimmenden Wortlaut dem Verwaltungsrat und seinem Präsidenten die gleichen Geschäftsführungsaufgaben zuweisen, ergibt sich eine gewisse Unicherheit für die Kompetenzverteilung, was ausführliche dogmatische Erörterungen hervorgerufen hat4• In der Praxis kommt dem P.D.G. die überragende Rolle zu, da er die Gesellschaft nach außen vertritt, die täglichen Geschäfte führt, unmittelbaren Zugang zu allen Informationen hat und die größte Verantwortung trägt. Er informiert den Verwaltungs rat und hat damit auch tatsächlich in der Hand, was dort besprochen und entschieden wird. Gerade in kleineren Gesellschaften, wo der P.D.G. häufig Mehrheitsaktionär ist, regiert er gelegentlich als fast unumschränkter Herrscher, von dessen Gutdünken der Verwaltungsrat in seinen Aktivitäten völlig abhängig ist. Doch gibt es auch viele andere, oft größere Gesellschaften, bei denen der Verwaltungsrat gewichtigen Einfluß auf die Formulierung und Durchsetzung der Geschäftspolitik nimmt. ce) Generaldirektoren Gemäß L.Art.115 kann der Verwaltungs rat auf Vorschlag seines Präsidenten eine, bei einem Aktienkapital von mindestens FF 500 000 auch zwei natürliche Personen als Generaldirektoren bestellen. Dauer und Umfang ihrer Befugnisse werden im Einvernehmen mit dem Prä3

4

Guyan Tz 345 S.319. Ripert / Rablat Tz 1308

m.w.N.

A. Struktur und Verbreitung der Socil~te Anonyme

21

sidenten bestimmt, was aber nur Bedeutung im Innenverhältnis hat, da die Generaldirektoren im Verhältnis zu Dritten über die gleichen Vollmachten verfügen wie der P.D.G. (L.Art. 117). Insbesondere in größeren Gesellschaften wird diese Möglichkeit zur Entlastung des P.D.G. gern wahrgenommen. b) Neues Modell

Um die weitgehende Ausschaltung des Verwaltungsrates in der Praxis zu korrigieren und klare Abgrenzungen von Geschäftsleitung und Kontrolle zu schaffen, wurde als zweite Möglichkeit die Aktiengesellschaft mit Direktorium und Aufsichtsrat in das Gesetz vom 24. Juli 1966 aufgenommen. Die Resonanz der Praxis ist bis heute außerordentlich schwach. Zwar existiert bedauerlicherweise kein verläßliches statistisches Material über die Zahl der nach dem neuen Modell organisierten Aktiengesellschaften, doch dürften es nicht mehr als 3 Ofo der Aktiengesellschaften insgesamt seinS. Zur Gesetzestechnik sei bemerkt, daß die L.Art. 118 bis 150 diesbezüglich eine umfassende Regelung enthalten, die teilweise wortgleich mit jener der traditionellen Struktur ist. Bei allgemeinen Aussagen über die Verwaltung der Aktiengesellschaft sind daher häufig Doppelzitate der gesetzlichen Normen erforderlich. aal Direktorium Das Direktorium besteht aus höchstens fünf vom Aufsichtsrat auf vier Jahre gewählten natürlichen Personen (L.Art. 119 f., 122), die nicht Aktionäre sein müssen. Bei Gesellschaften mit einem Kapital von weniger als FF 250 000 kann auch ein "alleiniger Generaldirektor" ernannt werden (L.Art.119 Abs.2, 120 Abs.2). Die Voraussetzungen für die Abberufung von Mitgliedern des Direktoriums durch die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrates sind strenger als jene für die Abberufung von Verwaltungsratsmitgliedern (L.Art.121), womit eine größere Stabilität des Direktoriums erreicht werden soll. Das Direktorium verfügt über umfassende Befugnisse, um in jeder Situation für die Gesellschaft handeln zu können; diese übt es in den Grenzen des Gesellschaftsgegenstandes und der gesetzlich anerkannten Zuständigkeiten der Hauptversammlung und des Aufsichtsrates aus (L.Art. 124 Abs. 1). Es handelt dabei als Kollegialorgan, was nicht ausschließt, daß eine interne Aufgabenverteilung nach Geschäftsbereichen stattfindetö. Die Leitung des Direktoriums obliegt seinem vom Aufsichtsrat ernannten Präsidenten ebenso wie die Vertretung der Gesellschaft nach außen (L.Art. ] 26 Abs. 1). Die Satzung kann aber den AufS 6

Boucourechliev S.18. Guyon Tz 354 S.329.

22

1. Teil:

Frankreich

sichtsrat ermächtigen, daneben auch andere Mitglieder des Direktoriums mit der Vertretungsbefugnis zu betrauen, welche dann den Titel "Generaldirektor" tragen (L.Art. 126 Abs. 2). bb) Aufsichtsrat Während dem Direktorium die Geschäftsleitung obliegt, kommt dem Aufsichtsrat deren ständige Kontrolle im Hinblick auf Recht- und Zweckmäßigkeit zu. Er kann dazu jederzeit die notwendigen Prüfungen vornehmen und läßt sich mindestens einmal pro Viertelj ahr von dem Direktorium Bericht erstatten (L.Art. 128). Hinzu kommen spezielle Aufgaben wie Einberufung der Hauptversammlung (L.Art.158), übermittlung des Geschäftsberichtes des Direktoriums mit seiner Stellungnahme an die Hauptversammlung (L.Art. 128 Abs. 6), Beschlußfassung über Abreden zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Direktoriums oder des Aufsichtsrates etc. Der Aufsichtsrat besteht aus drei bis zwölf Mitgliedern (L.Art. 129), die von der Hauptversammlung gewählt werden (L.Art.134) und, wie die Mitglieder des Verwaltungsrates, Inhaber von Garantieaktien sein müssen (L.Art. 130). Sie können von der Hauptversammlung jederzeit abberufen werden (L. Art. 134). Es besteht Unvereinbarkeit zwischen der Mitgliedschaft im Direktorium und im Aufsichtsrat (L.Art. 133). 3. Bilanzprüfer

Bei beiden Modellen ist die Tätigkeit der commissaires aux comptes oft bedeutsamer als die Kontrolle durch Verwaltungs- oder Aufsichtsrat. Die Bilanzprüfer bestätigen die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit des Inventars, der Betriebsabrechnung, der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz. Weiterhin prüfen sie die Richtigkeit der Berichte von Verwaltungsrat und Direktorium sowie der den Aktionären übermittelten Unterlagen über die Finanzlage und das Rechnungswesen der Gesellschaft (L.Art. 228). Zu diesem Zweck verfügen sie über umfangreiche Befugnisse, die in den L.Art. 229 ff. näher geregelt sind. Die Hauptversammlung ernennt entsprechend der Größe der Gesellschaft einen oder zwei Bilanzprüfer für die Dauer von sechs Geschäftsjahren (L.Art. 223 f.). Nur im Fall einer Verhinderung oder bei Vorliegen einer Pflichtverletzung können die Bilanzprüfer von der Hauptversammlung ihres Amtes enthoben werden (L.Art. 227).

A. Struktur und Verbreitung der Societe Anonyme

23

11. Verbreitung Der Platz, den die sociE~te anonyme im Wirtschaftsleben Frankreichs einnimmt, soll durch zwei übersichten verdeutlicht werden:

Societes

Anzahl

Chiffre d'affaires (ohne TVA) in Tausend FF

11 responsabilite limitee anonymes en nom collectif en commandite simple en commandite par actions

164.930 107.664 942 925 120

326.336.178 1.596.579.672 2.031.750 2.837.630 14.157.307

274.581

2.041.942.537

Stand: 31. 12. 1975 Quelle: Rapport ANSA S. 65

Zahl der Beschäftigten

SARL

SA

0 19 10- 99 100- 999 1.000-9999 10.000 und mehr

63.117 178.654 48.182 2.131 62 4

19.263 39.004 57.160 10.337 881 41

292.150 2.544.223

126.686 8.030.701

Summe der Gesellschaften Summe der Beschäftigten

Stand: 1. 7. 1981 Quelle: Auskunft des IN SEE vom 2. Nov. 1981 In der Bundesrepublik Deutschland standen dem am 31. Dezember 1981 1660 Aktiengesellschaften (einschließlich KGaA) und 218365 Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegenüber7• Die folgende übersicht gibt einen Eindruck von den jeweiligen Größenverhältnissen8 :

7 B

Statistisches Jahrbuch 1982, S. 111. Wirtschaft und Statistik 1981, S. 358 ff. Stand: 31. Dez. 1980.

24

1. Teil: Frankreich Grundkapital in DM

Zahl der AG

bis 1 Mio bis 10 Mio bis 50 Mio bis 100 Mio bis 250 Mio über 250 Mio

464 865 492 145 99 76

Stammkapital in DM

Zahl der GmbH

bis bis bis bis bis über

20.000 100.000 1 Mio 5Mio lOMio 10 Mio

154.964 72.343 21.374 4.754 1.157 1.348

Auffällig und im Vergleich zu Deutschland überraschend sind die große Zahl von Aktiengesellschaften sowie der hohe Anteil an kleinen und kleinsten Handelsgesellschaften. Die S.A.R.L. nimmt in diesem Bereich keineswegs die überragende Stellung ein, die in Deutschland der GmbH zukommt. Damit wird das Recht der Aktiengesellschaften auf wirtschaftliche Lebenssachverhalte angewendet, für die es eigentlich nicht gedacht ist. Diese vielfach sehr kritisch beurteilte Situation ergibt sich weitgehend aus der Tatsache, daß der president - directeur general der S.A. steuerlich und sozialversicherungsrechtlich sogar dann als Arbeitnehmer behandelt wird, wenn er selbst Mehrheitsaktionär ist. Die damit verbundenen erheblichen Vergünstigungen kommen dagegen nicht dem Geschäftsführer der S.A.R.L. zugute, der gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter ist9•

B. Entstehungsgeschichte der L.Art. IOlff., 143ff. Die in Frankreich geltenden Normen zur Bewältigung der hier betrachteten Interessenkonflikte stehen am Ende einer mehr als hundertjährigen Entwicklung der Gesetzgebung. Als wichtigste Etappen auf diesem Wege sind die Jahre 1867, 1943 und 1966 zu nennen.

9

Guyon

Tz 278 S. 245.

B. Entstehungsgeschichte der L.Art. 101 ff., 143 ff.

25

I. Art. 40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 Gemäß dieser ersten umfassenden Regelung!, welche ein Gesetz vom 23. Mai 1863 ersetzte, war es den Verwaltungsratsmitgliedern untersagt, ohne Zustimmung der Hauptversammlung Geschäfte ("entreprises et marches") mit ihrer Gesellschaft abzuschließen, soweit eigene Interessen der Verwaltungsratsmitglieder direkt oder indirekt betroffen waren oder für ihre Rechnung gehandelt wurde. Außerdem war der Hauptversammlung ein jährlicher Bericht über die Ausführung derartiger Geschäfte nach erfolgter Zustimmung vorzulegen. Der französische Gesetzgeber von 1867 sah damit in der Hauptversammlung den eigentlichen Herrn der Gesellschaft. Da diese aber als nichtständiges Organ nur selten einberufen werden konnte, mußte der Anwendungsbereich des Zustimmungserfordernisses auf "entreprises et marches" beschränkt werden - zwei Begriffe, welche die Gerichte außerordentlich restriktiv interpretiert haben2 • Obwohl damit nur noch wenige Fälle der. in Art. 40 vorgesehenen Kontrolle unterlagen, wurde diese dadurch weiter ausgehöhlt, daß man auch eine nachträgliche Beschluß fassung zuließ 3 • Zusätzlich bürgerte sich die Praxis ein, daß die Hauptversammlung den Verwaltungsratsmitgliedern im voraus eine allgemeine Zustimmung erteilte4• Auch die Berichte der Verwaltung und später der BilanzprüferS beschränkten sich meist auf sehr allgemeine Äußerungen, die den Aktionären keinen wirklichen Einblick gestatteten. Die Regelung in Art. 40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 hatte sich damit in ihrem Anwendungsbereich als zu eng und bezüglich ihrer Wirkung als praktisch nutzlos erwiesen6 •

11. Novellierung durch das Gesetz vom 4. März 1943 Aufgrund dieser Erfahrungen wurde der Art.40 durch das Gesetz vom 4. März 1943 völlig neu gestaltet7 • Zwischen dem unpraktikablen Erfordernis der vorherigen Einwilligung und der unbefriedigenden Lösung einer nur nachträglichen Kontrolle durch die Hauptversammlung wurde ein Mittelweg beschritten: Direkte und indirekte Abreden ("conventions") zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltungsratsmit1 2

855. 3

4 5

6

7

Text bei Balensi Tz 16. Pau, 21. Juli 1911, J .S. 1911.2.288; Angers, 15. Oktober 1935, G.P. 1935.2. Trib. Seine, 25. Juni 1888, J.S. 1888.525.

Balensi Tz 17.

Dekret vom 8. August 1935. Enc.D.soc. "Administrateur" Tz 122; Balensi Tz 18. Text bei Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 2.

1. Teil: Frankreich

26

gliedern bedurften der vorherigen Zustimmung des Verwaltungs rates, bei deren Fehlen sie angefochten werden konnten. Der folgenden Hauptversammlung mußte dann Bericht erstattet werden, worauf auch diese über die Geschäfte befand. Versagte sie ihre Genehmigung, so blieben die Abreden zwar wirksam, doch kam dann eine Haftung des interessierten Verwaltungsratsmitgliedes und der weiteren Mitglieder des Verwaltungsrates in Betracht. Die unklare und teilweise lückenhafte Fassung der neuen Regelung führte zu überreichlichen Erörterungen durch Lehre und Rechtsprechung. Schwierigkeiten ergaben sich bezüglich der erfaßten Personen und Handlungen sowie der Rechtsfolgen, die Verletzungen der Vorschrift nach sich ziehen sollten. Auch die Aufgaben der Bilanzprüfer waren nicht mit der notwendigen Deutlichkeit festgelegt worden8• Damit bot auch die novellierte Fassung des Gesetzes vom 24. Juli 1867 keine zufriedenstellende Lösung. 111. Art. 101 ff., 143 ff. des Gesetzes vom 24. Juli 1966 Nach Vorarbeiten, die bis in das Jahr 1942 zurückreichten, wurde 1966 das Recht der Handelsgesellschaften vereinheitlicht und in einem Gesetzeswerk zusammengefaßt. Aufgrund der oben geschilderten Erfahrungen wurde Art. 40 des alten Rechts stark überarbeitet und als Art. 101 - 105 in das neue Gesetz eingefügt. Diese Bestimmungen gelten seitdem mit Modifizierungen auch für den neugeschaffenen Typus der societe anonyme mit Direktorium und Aufsichtsrat (L.Art.143 -148), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (L.Art. 258) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (L.Art. 50). Bei der Novellierung wurde die nach allgemeiner Ansicht bewährte Grundstruktur der Vorschrift (vorherige Zustimmung des Verwaltungsrates als wichtigstes Element, Sonderbericht der Bilanzprüfer, Abstimmung der Hauptversammlung ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Abreden) beibehalten, während man die aufgetretenen Schwierigkeiten durch Präzisierungen auszuräumen suchte. Damit wird klar, welche Bedeutung die Auslegung des Art. 40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 durch Rechtsprechung und Lehre und die Beratung vor Verabschiedung des Gesetzes vom 24. Juli 1966 für das Verständnis der Art. 101 ff. und 143 ff. des geltenden Rechts haben. Das Gesetz ist am 1. April 1967 zusammen mit dem ergänzenden Dekret vom 23. März 1967 in Kraft getreten9 • 8

Balensi Tz 20.

J.O., Lais et DEkrets. Gesetz: 25.126. Juli 1966, S. 6402 - 6440. Dekret: 24. März 1967, S. 2882 - 2884 mit Berichtigung am 1. Juni 1967 S.5381. 9

C. Verbotene Verträge

c.

27

Verbotene Verträge

Durch ein allgemeines Verbot von Geschäften der Gesellschaft mit ihren Organmitgliedern und diesen nahestehenden Personen oder Unternehmen ließen sich die aus Interessenkonflikten resultierenden Gefahren am wirkungsvollsten beherrschen. Von derartigen Operationen, die zu einer Benachteiligung der Gesellschaft zugunsten eines Verwaltungsmitgliedes führen können, sind die reinen Finanzgeschäfte am leichtesten - nämlich häufig durch einfache Buchungsvorgänge - zu bewerkstelligen. Diese enthalten daher in besonderem Maße die Gefahr einer Ausbeutung der Gesellschaft, zum al sie üblicherweise in keinem Zusammenhang mit der Erreichung des Gesellschaftszweckes stehen!. Aus diesem Grunde verbieten L.Art. 106, 148 wie schon Art. 40 Abs.5 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 in der Fassung vom 4. März 1943 verschiedene Finanz-, insbesondere Kreditgeschäfte zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltungsmitgliedern.

I. Adressaten Gegenüber dem alten Recht, das allein natürliche Personen als Verwaltungsratsmitglieder der Aktiengesellschaft erfaßte, haben L.Art. 106, 148 den Anwendungsbereich des Verbotes erheblich ausgedehnt. Es gilt jetzt nicht nur für die Mitglieder von Verwaltungsrat, Direktorium und Aufsichtsrat, soweit sie natürliche Personen sind. Darüber hinaus werden die Generaldirektoren und die gern. L.Art.91, 135 nominierten Repräsentanten von solchen juristischen Personen einbezogen, welche einen der genannten Posten (mit Ausnahme des Direktoriums) einnehmen. Daraus ergibt sich bereits, daß die erfaßten Geschäfte nicht untersagt sind, soweit sie zwischen zwei Gesellschaften vorgenommen werden, die über gemeinsame Verwaltungsmitglieder verfügen2 • Diese Privilegierung, die interessanterweise nicht für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gilt, läßt sich zunächst damit erklären, daß in solchen Fällen eine ausreichende Kontrolle dadurch gewährleistet sein dürfte, daß oft auf beiden Seiten das dreistufige Kontrollverfahren gemäß L.Art. 101 ff., 143 ff. ablaufen wird. Soll die Gesellschaft Bürgschaften, Avale und Garantien übernehmen, so bedarf dies ohnehin der Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates (L.Art.98 Abs. 2, 128 Abs. 2). Letztlich erkennt das Gesetz damit die praktische Notwendigkeit derartiger Geschäfte an. Dies gilt in besonderer Weise ! Beachte aber die Ausnahmen, wenn die Gesellschaft ein Bank- oder Finanzunternehmen betreibt; unten S. 30. 2 Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 33.

1. Teil: Frankreich

28

für den Bereich verbundener Unternehmen, ohne daß dies in Frankreich durch ein im Zusammenhang geregeltes Konzernrecht gewährleistet würde3. Weiterhin gilt das Verbot seit 1966 auch für die Ehegatten, Vorfahren und Nachkommen in direkter Linie der genannten Verwaltungsmitglieder. Die ausdrückliche Einbeziehung von Mittelsmännern nimmt die Rechtsprechung zum alten Recht auf4 •

11. Erfaßte Geschäfte Den genannten Personen ist es gemäß L.Art.106, 148 verboten, Darlehen bei der Gesellschaft aufzunehmen, sich von ihr einen offenen Kredit einräumen zu lassen sowie sich Verpflichtungen gegenüber Dritten von der Gesellschaft verbürgen oder avalisieren zu lassen. 1. "Emprunts"

Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß der vom Gesetz verwendete Begriff "emprunt", der sich mit Anleihe oder Darlehen übersetzen läßt, nicht der juristischen Terminologie entstammt, sondern ein Fachausdruck des Bankgeschäftes ist. Darunter fallen sicherlich alle diejenigen Geschäfte, mit denen die Gesellschaft einem ihrer Verwaltungsmitglieder eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung stellt ("pret d'argent"). Fraglich ist aber, ob es damit sein Bewenden haben sollS oder ob nicht auch der "pret a usage" als Gebrauchsüberlassuntf und der "pret de consommation" im Sinne der überlassung von vertretbaren Sachen (Darlehen) hier einzuordnen sind7• Während diese Fragen unter der Geltung des ab 1943 geltenden Rechts umstritten waren, herrscht jetzt eine eher restriktive Interpretation vor, die sich mit der harten Sanktion der Nichtigkeit des Vertrages erklären läßt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß auch bei Verneinung des Verbotes gemäß L.Art.106, 148 das Kontrollverfahren gemäß L.Art. 101 ff., 143 ff. eingreifen kanns. Demnach ist kein Verbot des "pret a usage" durch L.Art.106, 148 anzunehmen, weil die Gesellschaft in diesem Falle Eigentümerin der Sache bleibt, so daß ihr insofern keine Gefahr droht9• Da die Vorschrift deutlich auf finanzielle Transaktionen zugeschnitten ist, erfaßt sie so3 4

5

6

7 S Y

Balensi Tz 142 - 144.

TGI Seine, 27. November 1962, J.C.P. 1963.II.13.305. So Percerou. Escarra I Rault Bd IV Tz 1426 S. 101. Bizot-Espiard S. 104 f.; Braudo S. 107 ff. zum alten Recht. Hemard / Terre I Mabilat Tz 1014. Balensi Tz 122 S. 85; Bastian J-Cl. soc.fase. 130-5 Tz 24.

C. Verbotene Verträge

29

mit weder den "pret de consommation"IO noch solche Verträge, bei denen dem Kreditelement nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, wie z. B. dem Abzahlungs- und KreditkauflI. Dafür spricht auch die Fassung von L.Art. 92, wonach der Bericht der Bilanzprüfer an die Hauptversammlung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach L.Art. 101 ff., 143 ff. u. a. die vereinbarten Zahlungsfristen enthalten muß. Grundsätzlich fällt unter das Verbot auch die Überlassung von Wertpapieren ("pret de titres"). Dabei kann sich jedoch ein Problem aus der Tatsache ergeben, daß gemäß L.Art.95, 130 jedes Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates eine bestimmte Anzahl von Aktien seiner Gesellschaft bei dieser als Sicherheit hinterlegen muß. Man stelle sich etwa vor, daß eine Gesellschaft A eines ihrer Verwaltungsmitglieder zum Verwaltungsratsmitglied der Gesellschaft B bestellen möchte, deren sämtliche Aktien sie besitzt oder deren Aktien nicht frei gehandelt werden. Dann wird die Gesellschaft A es vorziehen, einen "pret de titres" vorzunehmen, diesem Verwaltungsmitglied also die erforderliche Anzahl von Aktien zu diesem Zweck vorübergehend zu überlassen anstatt sie ihm zu verkaufen. Diese Operation liegt im Interesse der Gesellschaft A und fällt somit nicht unter das Verbot l2 • 2. "Decouverts"

Weiterhin untersagen L.Art. 106, 148 der Gesellschaft, den genannten Personen eine Kreditlinie auf einem laufenden Konto oder in anderer Weise einzuräumen. Damit ist die Einrichtung eines laufenden Kontos keineswegs verboten, nur darf dieses nicht mit einem negativen Saldo zu Lasten des Verwaltungsmitgliedes abgeschlossen werden13 • Dagegen meint BalensP4, daß ein Debetsaldo nur dann verboten sei, wenn er auf der Einräumung einer Kreditlinie beruhe, nicht dagegen, wenn er sich aufgrund regulärer Kontobewegungen ergebe. Der Streit hat aber wenig Bedeutung, da dann jedenfalls ein "emprunt" vorliegen würde. Fraglich ist auch, ob bei Bestehen von zwei nicht kompensierbaren Konten, von denen eines einen negativen Saldo aufweist, der niedriger ist als das Guthaben auf dem anderen Konto, das Verbot eingreift l5 • 10 11

12

Bastian a.a.O.; zurückhaltend Balensi Tz 122, 124. Balensi Tz 124. Balensi Tz 123 S.87. Hemard / TeTTe / Mabilat Bd I Tz 1013 S.886; Schmidt / Gramling

Tz 548; Rep.min. Nr.14764, J.O. Deb.Senat 20. Aug. 1974 S.1084; Nr.22524 J.O. Deb. Senat 23. Juni 1977 S. 1649. 14 Tz 128 S. 90. 15 Bejahend Rep.min. Nr.22524, J.O. Deb.Senat 23. Juni 1977, S.1649; mit ablehnender Anmerkung Houin Rev.trim.dr.com. 1977 S. 54l. 13

1. Teil: Frankreich

30

3. "Cautionnements et Avals" Verpflichtet sich die Gesellschaft, für die Schulden ihres Verwaltungsmitgliedes einzustehen, so hat dies im Falle ihrer Inanspruchnahme durch dessen Gläubiger die gleichen Folgen, als habe sie ihm die Summe geliehen. Daher verbieten L.Art. 106, 148 alle derartigen Sicherungsgeschäfte wie persönliche Bürgschaften, die Einräumung von Pfandrechten an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Garantien und Wechselbürgschaften (Avale) der Gesellschaft an ihre Verwaltungsmitglieder l6 • Diese weite Auslegung der Vorschrift wird durch ein Urteil der Cour d'appel de Paris vom 19. November 197417 gestützt, das einen Vertrag für nichtig erklärte, mit dem eine societe anonyme und ihr president-directeur general einen "solidarischen Kredit" bei einem Finanzunternehmen aufgenommen hatten, der aber im Innenverhältnis allein dem P.D.G. zugute kommen sollte. Das Gericht hat dieses Vorgehen zutreffend als "cautionnement" im Sinne der L.Art.106, 148 gewertet.

III. Ausnahmen Betreibt die Gesellschaft ein Bank- oder Finanzunternehmen, so gilt das Verbot gemäß L.Art.106 Abs.2, 148 Abs.2 nicht für laufende Geschäftsvorgänge, die zu üblichen Bedingungen abgeschlossen werden. Dahinter steht die Erwägung, daß ein Mißtrauen gegenüber solchen Geschäften der Gesellschaft mit ihren Verwaltungsmitgliedern nicht geboten ist, die diese üblicherweise zu den gleichen Bedingungen mit ihren normalen Kunden abschließt. Insoweit bedarf es daher weder eines Verbotes noch des besonderen Kontrollverfahrens gern. L.Art. 101 ff., 143 ff. 18 , weshalb sich in L.Art. 102, 144 eine gleichlautende Ausnahmevorschrift für das dreistufige Kontrollverfahren findet l9 • Sondervorschriften für Kreditgeschäfte mit Verweisung auf das Aktienrecht enthalten Art. 19 des Dekretes Nr.46-1247 vom 28. Mai 1946 bezüglich der freien Banken und Art. 4 des Dekretes Nr.46-1246 bezüglich der nationalisierten Banken, beide modfiziert durch das Dekret Nr.70-1028 vom 25. Nov. 1970. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art.3 des Dekretes vom 14. Juni 1938 (modifiziert durch das Gesetz 17

Schmidt I Gramling Tz 549; Balensi Tz 129-136. Gaz.Pal. 1975.1.286; zustimmend Bastian J-CI. soc.fasc. 130-5 mis

18

Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 28.

16

1979 Tz 235.

a jour 2,

Da diese eine wesentlich größere praktische Bedeutung hat, insbesondere einige Gerichtsentscheidungen vorliegen, soll erst dort auf die von der Ausnahmevorschrift umfaßten Fälle näher eingegangen werden; siehe unten S. 41 ff. 19

C. Verbotene Verträge

31

Nr.71-546 vom 8. Juli 1971) bezüglich der "entreprises d'assurance et de capitalisation". IV. Sanktion

Gemäß L.Art.106 Abs.1, 148 Abs.1 sind die unter Verstoß gegen diese Vorschriften abgeschlossenen Verträge nichtig. 1. Wesen der Nichtigkeit

Grundsätzlich bedeutet dies, daß der Vertrag keine Wirksamkeit entfaltet2O , so daß keine Partei Erfüllung verlangen kann. Ist bereits ganz oder teilweise geleistet, so sind die gewährten Leistungen zurückzugewähren, was allerdings im Einzelfall zu praktischen Schwierigkeiten führen kann. Die richterliche Feststellung kann entweder durch eine selbständige Nichtigkeitsklage21 oder durch Geltendmachung der Nichtigkeit als Einrede erlangt werden, wenn eine Partei aus dem Vertrag in Anspruch genommen wird22 • Diese Feststellungen gelten für die Nichtigkeit im allgemeinen. Jedoch kommt es für die Fragen der Verjährung und der Berechtigung zur Geltendmachung der Nichtigkeit entscheidend darauf an, ob relative oder absolute Nichtigkeit gegeben ist. Die Unterscheidung dieser beiden Rechtsfolgen bedarf somit hier der Erörterung. Relative Nichtigkeit23 folgt aus der Verletzung von Vorschriften, welche den Interessen einzelner zu dienen bestimmt sind. Solche Geschäfte werden durch den Richterspruch annulliert, wobei dessen Herbeiführung wie auch die mögliche Bestätigung des Geschäftes allein den geschützten Personen zusteht. Es gilt die fünf jährige Verjährungsfrist des Art. 1304 C.civ. Teilweise ist die Nichtigkeit gemäß L.Art. 106, 148 bzw. deren Vorgängervorschriften hier eingeordnet worden24 •

Dagegen tritt absolute Nichtigkeif2S dann ein, wenn die verletzte Vorschrift nicht nur Einzelinteressen, sondern auch allgemeinere Prinzipien schützen soll. Die Feststellung durch den Richter hat in diesem Fall nur deklaratorische Bedeutung, und eine Bestätigung des Geschäftes durch einen der Beteiligten scheidet aus. Jede Person, die ein berechtigtes Interesse nachweist, kann die Nichtigkeit geltend machen. Rep.civ. "nullite" Tz 151 f. a.a.O. Tz 32, 34. 22 a.a.O. Tz 31. 23 Dazu ausführlich: Rep.eiv. "nullite" Tz 15, 42 ff. 24 TGI Seine 27. Nov. 1962, J.C.P. 1963.11.13305; Bastian J -Cl. soc.fase. 130-5 Tz 85, der allein die Gesellschaft als geschützt ansieht, und Guyon Tz 422 S. 389, der auch die Aktionäre einbezieht. 2S Rep.civ. "nullite" Tz 14, 60 ff. 20 21

32

1. Teil: Frankreich

Soweit keine Sondervorschriften eingreifen, gilt die dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß Art. 2262 C.civ., da Art. 1304 C.civ. nur die relative Nichtigkeit erfaßt. überwiegend wird angenommen, daß die Verletzung der L.Art. 106, 148 absolute Nichtigkeit nach sich zieht26 • Die Rechtsprechung begründet dies damit, daß es sich um eine "nullite d'ordre public" handele, da nicht nur die Interessen der Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft geschützt würden, sondern ganz allgemein ein moralisierender Einfluß auf die Geschäftsführungsorgane der Aktiengesellschaften ausgeübt werden sollte27 • 2. Praktische Durchsetzung der Nichtigkeit

Jeder, der ein entsprechendes, berechtigtes Interesse nachweisen kann, darf somit die Nichtigkeit eines Geschäftes gemäß L.Art. 106, 148 geltend machen28 • Einem Dritten, der nicht Aktionär oder Gläubiger der Gesellschaft ist, wird dies nur selten möglich sein. Doch fällt auf, daß auch Aktionäre eine solche Klage fast nie anstrengen, wofür die Gründe in verschiedenen Bereichen zu suchen sind. Entscheidend für die Erfolgsaussichten einer Klage ist der Umstand, welche Beweise erforderlich sind und inwieweit diese tatsächlich erbracht werden können. Die Bestimmung der Beweislastverteilung ergibt sich im französischen Recht grundsätzlich aus dem Code Civil, während die einzelnen Beweismittel und ihre Erhebung im nouveauCode de procedure civile geregelt sind29 • Wie auch im deutschen Recht trägt der Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen, während der Beklagte - bei der hier untersuchten Konstellation also üblicherweise die Gesellschaft - die Voraussetzungen der von ihm vorgebrachten Einreden zu beweisen hat3O • Verteidigt sich z. B. ein Finanzunternehmen mit dem Argument, es habe sich um ein gewöhnliches und zu normalen Bedingungen abgeschlossenes Geschäft gehandelt, so hat es für diese Tatsache die Beweislast zu tragen. Das ist durchaus interessengerecht, da der Kläger derartige Beweise nur schwer liefern könnte, während dies dem Beklagten leichtfällt. 26 Ripert I Roblot Tz 1284; Schmidt I Gramling Tz 552; Balensi Tz 185 S. 134; Lamy soc. Tz. 2862. 27 Chambery 22. Nov. 1976, J.C.P. 1979.11.19607 mit zustimmender Anmerkung Bernard und Rev.soc. 1977 S.259 mit ablehnender Anmerkung Guilberteau; Paris 19. Nov. 1974, Gaz.Pal. 1975.1.286; Rep.min. Nr.7147, J.O. Deb. Ass.Nat. 16. Feb. 1974 S. 756; zur Anwendung des ordre public durch den Richter: Anmerkung Malaurie unter Civ.sec.soc. 18. März 1955, D. 1956, S. 517. 28 Rep.civ. "nullite" Tz 64 f. 29 Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Tribunal de commerce, da Art. 853 ff. n.C.proc.civ. insoweit keine Sonderregeln enthalten. 30 Für das vertragliche Schuldverhältnis kodifiziert in Art. 1315 C.civ.; siehe auch Art. 9 n.C.proc.civ.

C. Verbotene Verträge

33

Zu beachten sind die besonderen Befugnisse, welche dem Zivilrichter im Rahmen der Reform des Code de procedure civile zugewachsen sind und seine Position jener des Strafrichters angenähert haben3!. Gemäß Art. 10 n.C.proc.civ. kann er nämlich von Amts wegen alle ihm notwendig erscheinenden Maßnahmen treffen, insbesondere alle zulässigen Beweismittel einfordern. Weigert sich ein Beteiligter, so kann er ihn gemäß Art. 11 n.C.proc.civ. dazu zwingen oder aber die entsprechenden Schlüsse aus seinem Verhalten ziehen. Grundsätzlich besteht also eine recht gute Chance, die notwendigen Tatsachen zu ermitteln, so daß sich die Zurückhaltung der Aktionäre aus diesem Aspekt nicht ohne weiteres erklären läßt. Die vom Verfasser mit Handelsrichtern geführten Gespräche haben jedoch für die Praxis ein abweichendes Bild ergeben, da die Richter die geschilderten Befugnisse sehr zögernd wahrnehmen und nur ungern in den inneren Bereich der Gesellschaft eingreifen. Die praktischen Beweisschwierigkeiten können daher kaum unterschätzt werden, so daß Vermutungen und Beweislastregeln in gesellschaftsrechtlichen Prozessen eine sehr große Rolle spielen. Ein ebenfalls sehr starkes Hindernis stellen die Verfahrenskosten dar. Zwar sind die reinen Gerichtskosten niedriger als in der Bundesrepublik Deutschland, da mit dem Gesetz Nr.77-1468 vom 30. Dez. 1977 der Grundsatz der Kostenfreiheit für die Verfahren vor Zivilund Verwaltungsgerichten eingeführt worden ist. Die darüber hinaus entstehenden Gebühren und Auslagen ("depens") hat gemäß Art. 696 n.C.proc.civ. die unterlegene Partei zu tragen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist aber, daß die Anwaltshonorare davon nicht erfaßt werden, es sei denn, es herrscht Anwaltszwang32, was aber vor den Handelsgerichten nicht der Fall ist33 • Damit hat jede Partei die Kosten für ihren Anwalt unabhängig vom Ausgang des Prozesses selbst zu bezahlen. Diese sind im übrigen schwieriger abzuschätzen und können wesentlich höher liegen als in der Bundesrepublik Deutschland, da es keine entsprechende Gebührenordnung gibt. Hier liegt ein ganz wesentlicher Grund für die mangelnde Inanspruchnahme der Klagebefugnis durch die Aktionäre. Man hat diese Probleme in Frankreich erkannt und durch das Dekret Nr. 76-714 vom 29. Juli 1976 einen neuen Art. 700 in das Gesetz eingefügt, der es dem Richter erlaubt, eine Partei aus Billigkeitsgründen auch mit solchen Auslagen der anderen Seite zu belasten, die nicht unter die depens gemäß Art. 695 f. n.C.proc.civ. fallen. Wenn die Vorschrift auch in zunehmendem Maße angewendet wird34 , bleibt doch ein enormes Risiko. 32

Mazeaud I Chabas Tz 372. Vgl. Aufzählung in Art. 695 n.C.proc.civ.; Vincent I Guinchard Tz 1315

33

Art. 853 n.C.proc.civ.

3!

S.1121.

3 Glesen

1. Teil: Frankreich

34

Der letzte Grund für die geringe Zahl entsprechender Klagen ist darin zu sehen, daß der Aktionär auch bei einem erfolgreichen Ausgang des Prozesses keinen unmittelbaren Vorteil für sich selbst zu erwarten hat, so daß sich Beschwernisse, Kosten und Risiken nur ausnahmsweise lohnen. Zwar steht damit die Erweiterung der Klagebefugnis weitgehend auf dem Papier, doch hat die Einstufung als absolute Nichtigkeit noch eine weitere bemerkenswerte Folge: Der Richter hat sie nämlich gemäß Art. 12 Abs.3 n.C.prov.civ. auch dann zu berücksichtigen, wenn sich keine der Parteien darauf beruft, z. B. wenn das VerwaItungsmitglied von der Gesellschaft Erfüllung verlangt oder diese gegen ihn einen Schadensersatzanspruch geltend macht. Selbst wenn die Gesellschaft ihr Verwaltungsmitglied zu schonen sucht, ist damit die Wirksamkeit der Vorschriften wenigstens für den Fall gewährleistet, daß es zum Prozeß kommt. Die Verjährungsfrist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage beträgt entsprechend der allgemeinen Vorschrift des Art.2262 C.civ. dreißig Jahre von dem Tage an, da das berechtigte Interesse der Person entstanden ist, welche die Klage erhebtJs. Insbesondere greift nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist gern. L.Art. 367 ein, die allein die Nichtigkeit der Gesellschaft selbst oder von Urkunden und Beschlüssen aus der Zeit nach ihrer Gründung erfaßtJ6. Da der Wortlaut des Art. 2262 C.civ. allein die Verjährung von Klagen nennt, wird angenommen, daß die Einrede der Nichtigkeit unbegrenzt erhoben werden kann: "quae temporalia sunt ad agendum, perpetua sunt ad excipiendum'6. In Zweifelsfällen sollte er dies aber dennoch tun, da er sonst das alleinige Risiko einer möglichen Fehlentscheidung trägt. Es dürfte ausreichend sein, daß ein Dritter den Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat informiert, weil damit das Zustimmungsverfahren in Gang kommt und allein die fehlende Vorlage durch das interessierte Verwaltungsmitglied mit keiner Sanktion bedroht ist67 • Der Rat ist auch keineswegs darin gehindert, von sich aus einen Geschäftsvorgang aufSiehe oben S. 25. Hemard / TeTTe I Mabilat Tz 1028 S.902. 65 Ene.D.soe. "administrateur" Tz 131; Bastian J -Cl. soe.fase. 130-5 Tz 47. 66 Hemard / TeTTe / Mabilat Tz 1028 a.E. S.902; Bastian J-Cl. soe.fase. 130-5 Tz 45. 67 Bastian J -Cl. soe.fase. 130-5 Tz 48; Vuillermet S.389; dagegen Hemard I Terre I Mabilat. 63

64

1. Teil: Frankreich

48

zugreifen, wenn er von ihm Kenntnis erhält und ihn für zustimmungsbedürftig erachtet68 • b) Spezielle Einwilligung

Aufgrund der schlechten Erfahrungen, welche man mit dem Art. 40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 in seiner ursprünglichen Fassung gemacht hatte, war seit der Novellierung erforderlich, über jedes einzelne Geschäft vor seinem Abschluß separat abzustimmen. Diese Regelung wurde 1966 in L.Art.101, 143 übernommen, so daß die Zustimmung nicht pauschal für eine gewisse Art von Geschäften oder die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abgeschlossenen Geschäfte erteilt werden kann. Vielmehr muß jede Abrede vor ihrem Abschluß mit ihrem gesamten Inhalt dem Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat zur Beschlußfassung vorgelegt werden69 • Fehlt es daran, so kann der Rat den Mangel nicht durch eine nachträgliche Zustimmung heilen, da hierfür gemäß L.Art. 105 Abs.3, 147 Abs.3 ausschließlich die Hauptversammlung zuständig ist70 • Es wird aber aus praktischen Gründen für zulässig erachtet, Verträge schon vor einer Entscheidung des Rates vorbehaltlich seiner Zustimmung abzuschließen71 • c) Abstimmung und Stimm verbot

Die Zustimmung muß der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat als Kollektivorgan erteilen. Dies setzt voraus, daß die Möglichkeit zur Beratung besteht, um den Inhalt der vorgelegten Abrede in allen Einzelheiten diskutieren und möglicherweise noch weitere Informationen einholen zu können. Damit reicht es nicht aus, wenn im Umlaufverfahren die Meinungen der einzelnen Organmitglieder eingeholt werden72 • Auch eine stillschweigende Entscheidung ist unzulässig. Für die Abstimmung gelten die L.Art.l00 bzw. 139 sowie die entsprechenden Satzungsbestimmungen, doch ist darauf hinzuweisen, daß das interessierte Verwaltungsmitglied gemäß L.Art.103 Abs.l, 145 Abs.l von der Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen ist. Unter der Geltung des alten Rechts hatte das betroffene Verwaltungsmitglied Balensi Tz 158 S. 115. Paris 23. Nov. 1955, D.1956.290 bestätigt durch Corno 16. Juni 1959, D.1959. 44; Ripert I Roolot Tz 1281; Enc.D.soc. "adrninistrateur" Tz 130; Bastian J-Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 51 rn.w.N. 70 Balensi Tz 159 S. 116; Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 5I. 71 Hemard I Terre I Mabilat Tz 1028 S.902; Bastian wie Fn 70; zum alten Recht Escarra I Rault Tz 1436 S. 113. 72 Paris 18. März 1959; Rev.soc. 1959; 192; Rouen 24. Nov. 1959, Gaz.Pal. 1960.1.144; Balensi Tz 161 S. 117; Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 52. 68

69

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

49

mitstimmen dürfen. Der schwere Interessenkonflikt, in dem er sich dabei befand, führte lediglich zu dem Ratschlag, sich der Stimme zu enthalten73 • Erst das Gesetz vom 24. Juli 1966 hat diesen unbefriedigenden Zustand durch die Einführung eines Stimmverbotes beendet. Bei der Anwendung des gesetzlichen Stimmverbotes im französischen Recht ergeben sich die beiden folgenden Probleme: Zunächst stellt sich die Frage, ob der dem Stimmverbot unterliegende Verwalter bei der Feststellung der notwendigen Anwesenheit und der Mehrheit (L.Art. 100, 139) mitgezählt wird. Bejaht man dies, so sind bei einem sechs Mitglieder umfassenden Verwaltungsrat vier Ja-Stimmen für die Zustimmung zu einer Abrede erforderlich; zählt man den Ausgeschlossenen nicht mit, so sind es nur drei Stimmen74 • Für diese zweite Lösung spricht die Überlegung, daß derjenige, der kein Stimmrecht hat, auch nicht in sonstiger Weise bei der Abstimmung ins Gewicht fallen darf. Doch ergeben sich Zweifel daraus, daß das Gesetz zu diesem Punkt schweigt, während es in L.Art. 103 Abs. 4, 145 Abs.4 bezüglich der Abstimmung in der Hauptversammlung neben dem Stimmverbot ausdrücklich die Nichtberücksichtigung der Aktien des Verwalters bei der Feststellung der Anwesenheitsziffer und der für die Mehrheit erforderlichen Stimmenzahl anordnet. Letztlich besteht Übereinstimmung darüber, daß sich daraus kein argurnenturn e contrario herleiten läßt. Der interessierte Verwalter bleibt also bei der Feststellung beider Ziffern außer Betracht15• Ein weitaus größeres Problem stellt sich, wenn alle Verwaltungsoder Aufsichtsratsmitglieder dem Stimmverbot unterliegen. Diese Fallkonstellation hat keineswegs nur akademische Bedeutung, sondern kommt gerade innerhalb von Unternehmensgruppen dann vor, wenn zwei Gesellschaften einen Vertrag schließen, deren Verwaltungsräte durch die gleichen Personen gebildet werden. Die Leitungsorgane beider Gesellschaften können dann nicht den erforderlichen Zustimmungsbeschluß fassen. Es besteht Einigkeit darüber, in solchen Fällen auf die originäre Befugnis der Hauptversammlung zurückzugreifen76 , doch bleiben Einzelheiten unklar. So besteht einerseits die Möglichkeit, auf die Zustimmung des Rates zu verzichten, den Bericht der Bilanzprüfer einzuholen und die reguläre Abstimmung der Hauptversammlung gemäß L.Art. 103 Abs. 3, 145 Abs. 3 durchzuführen. Andererseits könnte man einen zusätzlichen Beschluß der Hauptversammlung vor dem Be73 74 75 76

Escarra I Rault Tz 1436 S. 114. Beispiel von Hemard I Terre I Mabilat Tz 1029 S.903. Balensi Tz 162; Hemard / Terre I Mabilat wie Fn 74. Hemard I Terre I Mabilat Tz 1029 S. 903 f.; Bastian J -Cl. soc.fase. 130-5

Tz 53; Vuillermet S.369. ~

Giesen

1. Teil: Frankreich

50

richt der Bilanzprüfer herbeiführen77 • Präziser und überzeugender erscheint der Vorschlag, auf das in L.Art.105 Abs.3, 147 Abs.3 vorgesehene Verfahren zurückzugreifen78• Danach kann nämlich die Nichtigkeit einer Abrede durch einen Beschluß der Hauptversammlung geheilt werden, wenn dieser ein Sonderbericht der Bilanzprüfer vorgelegen hat, der erläutert, warum das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten worden ist. Wie derartige Fälle in der Unternehmenspraxis gehandhabt werden, läßt sich nicht einheitlich sagen. Vor allem versucht m~m, sie gar nicht erst entstehen zu lassen, indem man z. B. Verträge in verschiedene Teile aufspaltet, damit wenigstens einzelne Verwalter stimmberechtigt sind. Auch dieses Beispiel zeigt, welche enormen Schwierigkeiten sich für die französische Praxis daraus ergeben, daß keine zusammenhängenden Regelungen für das Recht der Unternehmensverbindungen existieren. Ist die Zustimmung des Rates unter Einhaltung der vorgeschriebenen Formalitäten79 erteilt, so wird der wesentliche Inhalt des Vertrages in das gemäß D.Art.85, 109 zu führende Protokoll aufgenommenso. Er kann anschließend unterzeichnet und ausgeführt werden81 • Die Vertretungsbefugnis obliegt dabei auch dann dem P.D.G., wenn es sich um eine Abrede zwischen ihm und seiner Gesellschaft handelt, denn ein allgemeines Verbot des "contrat avec soi-meme" existiert im französischen Recht nicht82 • Durch das Kontrollverfahren wird ein ausreichender Schutz gewährleistet. d) Stellungnahme

Das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates kann eine sehr viel stärkere Belastung des Geschäftsbetriebes mit sich bringen, als es zunächst den Anschein hat. Der Aufsichtsrat ist nämlich fast nie, der Verwaltungsrat nur selten sofort greifbar, da beide Organe nur in größeren Abständen tagen. In der Praxis müssen aber häufig rasche Entscheidungen getroffen werden. Daher werden entgegen dem Wortlaut des Gesetzes Abreden vom P.D.G. oder dem Direktorium de facto abgeschlossen, welche die Kontrollorgane später nur "absegnen". Denn es ist der Verwaltung oft zu riskant, auf die vorherige Zustimmung gänzlich zu verzichten und auf die für diesen Fall vorgesehene Heilung durch die Hauptversammlung Tz 573. Rep.min. Nr.20677 J.O. Deb.Ass.Nat. 26. Juli 1975 S.5429; Balensi Tz 163. 79 Bastian J -Cl. soe.fase. 130-5 Tz 52. so Schmidt / Gramling Tz 573; BaIensi Tz 164. 81 Ene.D.soe. "administrateur" Tz 132; Bastian J -Cl. soe.fase. 130-5 Tz 56. 82 Ausführlich dazu Weill / Terre Obligations Tz 86 ff. 77 Schmidt / Gramling 78

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

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gemäß L.Art.105 Abs.3, 147 Abs.3 zu vertrauen. Was die Effektivität der ausgeübten Kontrolle angeht, so dürfte diese im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Gerade in kleineren Gesellschaften, wo der P.D.G. praktisch frei schalten und walten kann, ist der Verwaltungsrat häufig so schlecht informiert, daß eine wirksame überwachung oder sogar Teilhabe an der Aushandlung der fraglichen Abrede, wie sie dem gesetzlichen Leitbild entspricht, gar nicht möglich ist. Oft genug ist in derartigen Fällen der Verwaltungsrat ohnehin mit Freunden oder Verwandten des P.D.G. besetzt, was deshalb besonders bedauerlich ist, weil gerade in solchen Gesellschaften de facto nicht immer streng zwischen Privat- und Gesellschaftsvermögen getrennt wird, so daß eine gewisse Kontrolle erforderlich wäre. Dagegen sieht es bei größeren und durch Direktorium und Aufsichtsrat geleiteten Gesellschaften meist günstiger aus. e) Nichtigkeit bei Fehlen einer wirksamen Zustimmung

Art. 40 des alten Rechts enthielt keine Vorschrift für den Fall, daß die wirksame Zustimmung des Verwaltungsrates fehlte. Doch wurde insoweit von Rechtsprechung 83 und Lehre84 übereinstimmend Nichtigkeit des Vertrages wegen Formmangels angenommen, womit die Zustimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung für das Geschäft gewertet wurde. Schwierigkeiten ergaben sich allerdings bei der Frage, ob bei Geschäften zwischen zwei Gesellschaften mit gemeinsamen Verwaltungsmitgliedern Bösgläubigkeit des Vertragspartners vorausgesetzt werden sollte85 • Das Gesetz von 1966 hat diese Lösung teils präzisiert, teils abgeändert. Nach seinem Art. 105 Abs.1, 147 Abs.1 können die in L.Art. 101, 143 genannten Abreden, die ohne die vorherige Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates geschlossen worden sind, aufgehoben werden, wenn sie schädliche Folgen für die Gesellschaft gehabt haben. Die Annullierung hat Rückwirkung, so daß das Rechtsverhältnis so behandelt wird, als habe die Abrede nie existiert86 • Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzugewähren. Soweit dies (z. B. bei Dienstleistungen) nicht möglich ist, setzt das Gericht eine angemessene Vergütung fest87 • Es handelt sich um relative Nichtigkeit im bereits oben88 beschriebenen Sinne89 • Unabhängig von der Nichtigkeit kommt 83 84

85 86 87 88

89

Paris 23. Nov. 1955, Gaz.Pal. 1956.1.40. Escarra / Rault Tz 1445 S. 124. Dazu ausführlich Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 95. Schmidt / Gramling Tz 589. Montpellier 20. Nov. 1963, J .C.P. 1964.11.13596, Balensi Tz 171. S. 31. Guyon Tz 423 S.390.

1. Teil:

52

Frankreich

die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des oder der beteiligten Verwaltungsmitglieder in Betracht90 • aa) Sachvoraussetzungen Erste Voraussetzung für die Annullierbarkeit ist das Fehlen einer wirksamen Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates. Unerheblich ist, ob der Rat überhaupt nicht befaßt worden ist, er die Abrede explizit abgelehnt hat oder seine Zustimmung aus formalen Gründen unwirksam war91 • Zweitens ist abweichend von dem vor 1966 geltenden Recht erforderlich, daß der Gesellschaft Nachteile entstanden sind. Dabei ist nicht auf die Nützlichkeit des Vertrages für die Gesellschaft abzustellen, da diese allein von der Geschäftsleitung zu beurteilen ist, sondern auf die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung92 • Damit löst sich auch die Frage der Gutgläubigkeit des Vertragspartners. Ob nämlich das Kontrollverfahren wegen des Vorhandenseins gemeinsamer Verwalter bei den kontrahierenden Gesellschaften anwendbar ist, läßt sich leicht durch einen Blick ins Handelsregister klären. Und da eine Annullierung nur dann in Betracht kommt, wenn der andere Vertragspartner seinen Vorteil zum Schaden der Gesellschaft erlangt hat, dürfte dessen Schutzwürdigkeit regelmäßig, also unabhängig vom Vorhandensein eines guten Glaubens, zu verneinen sein93 • Diese Antwort betrifft aber wohlgemerkt allein die Nichtigkeit der Abrede, nicht die Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder. bb) Heilung durch Beschluß der Hauptversammlung Teilweise wird angenommen, der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat könne seine fehlende Zustimmung später noch nachholen94 • Diese Ansicht ist aber mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren, der in L.Art.101, 143 ausdrücklich eine vorherige Zustimmung verlangt95 • Vielmehr wird diese Befugnis durch Art. 105 Abs.3, 147 Abs.3 allein der Hauptversammlung eingeräumt, der vorher in einem Sonderbericht der Bilanzprüfer die Umstände darzulegen sind, deretwegen das Kontrollverfahren nicht in der gebotenen Weise durchgeführt worden ist. Bei dieser Abstimmung werden entsprechend einer Verweisung auf L.Art. 103 Abs.4, 145 Abs.4 die Aktien der interessierten Verwalter nicht berücksichtigt. Siehe unten S. 62 ff. Schmidt I Gramling Tz 587. 92 Balensi Tz 170. 93 Hemard I TeTre I Mabilat Tz 1031 S.905. 94 Hamell Lagarde Tz 658 S. 400. 95 Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 97; Balensi

90 91

Tz 176.

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

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Diese Heilungsmöglichkeit war von den Gerichten schon unter der Geltung des alten Rechts anerkannt worden und hatte damals auch ihren Sinn, da die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens dort automatisch zur Nichtigkeit geführt hatte. Gegen das Fortbestehen dieses Ausweges auch nach der Neuregelung 1966 sind aber Bedenken vorgebracht worden96 • Billigt die Hauptversammlung z. B. einen Vertrag, den der Verwaltungs rat abgelehnt hat97 , so greift sie auf diese Weise nachträglich in dessen Geschäftsführungsbefugnisse ein. Außerdem erscheint bedenklich, daß damit gerade solche Verträge der Annullierbarkeit entzogen werden können, die für die Gesellschaft nachteilige Folgen haben. Dazu ist allerdings zu sagen, daß es manchmal sinnvoller sein kann, auf der Ausführung eines nachteiligen Geschäftes zu bestehen, wenn z. B. benötigte Güter oder Leistungen anderswo nicht mehr rechtzeitig zu beschaffen sind. Dann muß es der Gesellschaft aber auch möglich sein, durch Heilung des Mangels die Ungewißheit über das Schicksal des Vertrages zu beseitigen. Mögliche Schadensersatzansprüche werden dadurch nicht berührt98 • cc) Ermessen des Gerichts Eine Annullierung ist nicht immer die sinnvollste Sanktion der hier behandelten Rechtsverletzung. 1st der Vertrag nämlich schon ganz oder teilweise ausgeführt, so können der Gesellschaft durch die Rückabwicklung weitere Nachteile entstehen. Auch die Tatsache, daß sich beide Seiten auf die Wirksamkeit eingestellt hatten, mag ein Festhalten daran in manchen Fällen für die Gesellschaft günstiger erscheinen lassen. Das Gesetz trägt dem Rechnung, indem es dem Richter einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung einräumt, ob er den Vertrag annulliert oder nicht. Dabei hat er die entstandenen Vor- und Nachteile, den Grund für die fehlende Zustimmung und die Gutgläubigkeit der Parteien abzuwägen99 • dd) Praktische Durchsetzung Es ist vorauszuschicken, daß die Nichtigkeitsklage nur insoweit erforderlich ist, als die Gesellschaft bereits erbrachte Leistungen zurückfordert. Gegen sie aufgrund des annullierbaren Vertrages geltend gemachte Erfüllungsansprüche kann sie auch nach Ablauf der Drei-J ahres-Frist nach dem Grundsatz "Quae temporalia sunt ad agendum, perpetua sunt ad excipiendum" abwehren100 • Auf L.Art.105, 147 geDazu ausführlich BaZensi Tz 176 f. Hemard I Terre I MabiZat Tz 1031 S.906. 98 Schmidt / GramZing Tz 591. 99 Schmidt / GramZing Tz 589; BaZensi Tz 172. 100 Siehe oben S. 34.

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1. Teil:

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Frankreich

stützte Klagen sind daher außerordentlich selten, weshalb die prozessualen Einzelheiten dieser isolierten Nichtigkeitsklage noch weitgehend offen sind. 2. Sonderbericllt der Bilanzprüfer

Das letzte Wort über die Abrede spricht gemäß L.Art. 103 Abs.2, 145 Abs. 2 die Hauptversammlung. Sie kann aber nur dann eine begründete Entscheidung fällen und damit eine vernünftige Kontrolle ausüben, wenn ihr detaillierte Informationen vorliegen. Diesem Ziel dient der Sonderbericht der Bilanzprüfer. Die ursprüngliche Regelung in Art.40 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 sah lediglich einen Rechenschaftsbericht des Verwaltungsrates über die Ausführung der von der Hauptversammlung autorisierten Abreden vor, der seit dem Dekret vom 8. August 1935 durch einen Sonderbericht der Bilanzprüfer ergänzt wurde. Mit der Novellierung im Jahre 1943 wurde der Bericht des Verwaltungsrates abgeschafft, weil er sich meist in allgemeinen Formeln erschöpft hatte. Die bestehende Regelung wurde durch das Gesetz vom 24. Juli 1966 übernommen, aber durch D.Art. 91 f., 116 f. wesentlich präzisiert. a) Vorlage durch den Präsidenten

Der Präsident des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates hat den Bilanzprüfern Kenntnis von den vom Rat gebilligten Abreden zu geben (L.Art.103 Abs.2, 145 Abs.2). Zurückgewiesene Abreden und solche, die nicht der Einwilligung bedurften, fallen nicht darunter lol • Die Frist beträgt einen Monat nach Abschluß des Vertrages (D.Art.91 Abs.l, 166 Abs.l). Sind Verträge, die in den vorangegangenen Geschäftsjahren abgeschlossen und gebilligt worden sind, im letzten Geschäftsjahr weiterhin ausgeführt worden, so sind die Bilanzprüfer davon innerhalb eines Monats nach Ablauf des Geschäftsjahres zu unterrichten (D.Art. 91 Abs. 2, 116 Abs.2). Damit wird den Bilanzprüfern eine möglichst lange Zeitspanne für die Anfertigung ihres Berichtes eingeräumt.

b) In dem Bericht behandelte Abreden Erfaßt werden jedenfalls alle im Rat gebilligten Abreden, von denen der Präsident die Bilanzprüfer in Kenntnis setzt, und zwar unabhängig davon, ob sie der Ansicht sind, daß diese Verträge dem Verfahren des L.Art. 101 ff., 143 ff. unterfallen lO2 • Zweifelhaft ist, ob auch solche Verträge in dem Bericht zu behandeln sind, denen zwar der Rat zuge101 102

Balensi Tz 190. Balensi Tz 192 S. 140.

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

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stimmt hat, die aber den Bilanzprüfern nicht vorgelegt worden sind. Obwohl der Text der genannten Vorschriften diesbezüglich nicht ganz eindeutig ist, wird doch allgemein angenommen, daß sich der Sonderbericht auch darauf erstrecken mußl03. Denn nur so wird die für die Abstimmung in der Hauptversammlung notwendige Information sichergestellt, und außerdem stoßen die Bilanzprüfer zwangsläufig auf diese Geschäfte, wenn sie die Sitzungsprotokolle durchsehen. Unterlassen sie dies, so begehen sie eine Pflichtverletzung, welche eine entsprechende Haftung nach sich ziehen kann104• Weniger deutlich liegt der Fall, wenn die Prüfer von Abreden Kenntnis erhalten, die nicht vom Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat gebilligt worden sind, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Teilweise wird angenommen, daß sie diese Abreden in ihrem Sonderbericht behandeln dürften, aber nicht müßtenlOS. Gegen diese Ansicht spricht neben dem Gesetzestext, der nur vom Rat gebilligte Abreden nennt, der Sinn der Vorschrift. Dieser liegt nämlich darin, den Aktionären durch den Sonderbericht jene Informationen zu geben, die für die Abstimmung in der Hauptversammlung notwendig sind. Eine solche Entscheidung findet aber nicht statt, wenn schon die erste Stufe des Kontrollverfahrens fehlt. Damit besteht kein Bedürfnis für die Erörterung derartiger Geschäfte in dem Sonderbericht. Vielmehr beschränkt sich die Pflicht der Bilanzprüfer darauf, im Rahmen ihres allgemeinen Berichts die Verwaltung (L.Art.230 Nr.3) und die Hauptversammlung (L.Art.233 Abs.1) entsprechend zu informieren106 • c) Inhalt des Sonderberichtes

Während der Aktionär an möglichst umfassenden Informationen interessiert ist, tendiert die Verwaltung regelmäßig zu größerer Zurückhaltung, teilweise um den Aktionären keinen Anlaß zur Kritik zu liefern, teilweise aber auch, um interne Vorgänge den Augen der Konkurrenz zu entziehen. Aufgrund der tatsächlichen Machtverteilung hatte dies unter der Geltung des alten Rechts häufig dazu geführt, daß die Berichte nichtssagend formuliert worden waren. Es wurde daher verlangt, daß die Bilanzprüfer selbst eine wesentliche Kontrolle übernehmen sollten107 , was erlaubt hätte, den Umfang der Informationen stark einzuschränken, welche in dem Sonderbericht an die Aktionäre weitergegeben werden. Anderen Autoren zufolge sollte die Kontrolle 103 104 105

60.

Tz 1037 S. 911; Balensi Tz 192 S. 141. Com. 2. Juli 1973, D.1973.674. Hemard I Terre I Mabilat Tz 1037 S. !nl; Bastian J-Cl. soc.fasc. 130-5 Tz Hemard / Terre I Mabilat

106 So im Ergebnis BaIensi Tz 193, Schmidt I Gramling Tz 577; dem entspricht auch die Praxis der Bilanzprüfer. 107 Hamel S. 41 ff.

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1. Teil: Frankreich

der Hauptversammlung zufallen, so daß die Bilanzprüfer auf die Übermittlung der Informationen an die Aktionäre und deren Überprüfung auf inhaltliche Richtigkeit beschränkt sein solltenlOB. Dann mußte der Sonderbericht möglichst ausführlich ausfallen. Dieser zweiten Position hatte sich die Rechtsprechung angeschlossen 109 , und ihr ist nun auch das neue Recht mit D.Art. 92, 117 gefolgt. Danach muß der Sonderbericht im einzelnen folgende Angaben enthalten: eine Aufzählung der Abreden; die Namen der interessierten Verwaltungsmitglieder; Wesen und Gegenstand der Geschäfte; alle wesentlichen Einzelheiten, insbesondere Preise und Tarife, gewährte Abschläge und Provisionen, vereinbarte Zahlungsfristen und Zinsen, geleistete Sicherheiten und alle weiteren zur Beurteilung erforderlichen Erläuterungen; hinzu kommen Informationen über die Durchführung älterer Abreden. Eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit der geschlossenen Abreden steht den Bilanzprüfern nicht zu, da sie sich gemäß L.Art.228 jeder Einmischung in die Geschäftsführung zu enthalten haben llo• Sie ist in letzter Instanz allein die Aufgabe der Hauptversammlung11l • Mit diesen Erfordernissen soll ein Mittelweg zwischen den oben aufgezeigten Interessen gewiesen werden, da den Aktionären ein Mindestmaß an Informationen garantiert wird, andererseits aber der Geschäftsbereich der Gesellschaft einer gewissen Diskretion unterworfen wird, die insbesondere durch das Berufsgeheimnis des Bilanzprüfers geschützt wird 1I2 • In der Praxis wird dieses Ziel aber kaum erreicht. Zwar genügen die Sonderberichte den Buchstaben des Gesetzes, doch sind sie nur selten detailliert genug, um die betreffenden Geschäfte hinreichend beurteilen zu können. d) Termin und Art der Veröffentlichung

Gemäß D.Art.191 haben die Bilanzprüfer den Sonderbericht vor Ende des dritten Monats nach Abschluß des Geschäftsjahres, aber mindestens 20 Tage vor der Jahreshauptversammlung anzufertigen und am Sitz der Gesellschaft zu hinterlegen. Jeder Aktionär hat gemäß L.Art. 168 Nr.2, D.Art. 135 Nr.6 das Recht, in diesen Bericht Einsicht zu nehmen (D.Art.139) oder ihn sich unter Nachweis seiner Aktionärseigenschaft auf Kosten der Gesellschaft zusenden zu lassen (D.Art. 138).

lOB

109 110

111

Nachweise bei Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 61. Paris 24. Februar 1954, Gaz.Pal. 1954.1.166. Wie vorangehende Fußnote. Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 65; Hemard / Terre / Mabilat Tz 1038

S. 916 f.; Vuillermet S.370. 112 Guyon Tz 423 S. 390; Hamell Lagarde Tz 658 S. 400.

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

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e) Rechts/alge bei Fehlen oder Mängeln des Berichtes

Der Sonderbericht dient der Information der Hauptversammlung, die auf dieser Grundlage über die Abreden entscheidet. Sein Fehlen führt daher gemäß L.Art. 360 Abs. 2 zur Nichtigkeit eines gleichwohl ge faßten Hauptversammlungsbeschlusses l13 • Dem ist der Fall eines unzureichenden Berichts gleichzustellenl14, wobei allerdings bezüglich jedes einzelnen Vertrages gesondert zu prüfen ist, ob der Bericht der Bilanzprüfer ausreichende Informationen für die Beurteilung durch die Hauptversammlung enthalten hat 115 • Eine verspätete Vorlage des Berichtes ist nur dann erheblich, wenn deshalb die Verteilung an die Aktionäre gemäß L.Art. 168 Nr.2 nicht mehr fristgerecht vorgenommen werden konnte. Gemäß L.Art. 173 Abs.2, 362 ff. kann dann jeder Aktionär innerhalb von drei Jahren auf Annullierung des Hauptversammlungsbeschlusses klagen l16 • In allen genannten Fällen kommt daneben die Haftung der Bilanzprüfer gemäß L.Art. 234 in Betracht. f) Stellungnahme

Angesichts der nicht immer befriedigenden Kontrolle durch Verwaltungs- oder Aufsichtsrat ist die Tätigkeit der Bilanzprüfer um so wichtiger, denen als Außenstehenden eine größere Unabhängigkeit zugetraut wird. Auch verfügen sie über erheblich mehr wirtschaftlichen Sachverstand, als dies bei den Mitgliedern des Aufsichts- und vor allem des Verwaltungsrates oft der Fall ist. Schon wegen der viel größeren Zahl der zu prüfenden Gesellschaften sind die Bilanzprüfer zwar kein so ausgewählter Kreis, wie dies für die deutschen Wirtschaftsprüfer in Anspruch genommen wird. Man ist jedoch mit ihren Leistungen mehr und mehr zufrieden, zum al gesteigerte Ausbildungsanforderungen und die Überwachung durch ihre Berufsorganisation inzwischen ein erhebliches Niveau garantieren117 • Es wurde bereits erwähnt, daß der Sonderbericht der Bilanzprüfer über getroffene Abreden den Aktionären meist kein sehr genaues Bild vermitteln kann, zumal er keine Beurteilung der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit enthalten darf. Damit liegt die Bedeutung dieser Kontrolle mehr in der Tatsache, daß eine unabhängige Instanz Zugang zu 114

Hemard / Terre / Mabilat Tz 1039 S.917; Ripert / Roblot Tz 1282 S.832. Hemard / Terre / Mabilat wie vorangehende Fußnote; Bastian J -Cl. soc.

117

Ripert / Roblot Tz 1338 f.

113

fasc. 130-5 Tz 105. 115 Balensi Tz 21l. 116 Balensi Tz 213.

1. Teil: Frankreich

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Konten, Akten und Sitzungsprotokollen hat, so daß die Möglichkeit der Verwaltung zur Geheimniskrämerei zumindest eingeschränkt wird. 3. Beurteilung durch die Hauptversammlung

Letzte Instanz in dem dreigliedrigen Kontrollverfahren ist die Hauptversammlung, die ebenfalls über die Abrede zu befinden hat. a) Beschlußfassung

aal Allgemeine Anforderungen Gemäß L.Art.103 Abs.2, 145 Abs.2 hat der Präsident des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates die Abreden der Hauptversammlung zur Abstimmung vorzulegen. Unterläßt er dies, so wird es für zulässig erachtet, daß die Bilanzprüfer dies tun oder die Hauptversammlung selbst den Fall aufgreift 118 • Zuständig ist nur eine ordentliche Hauptversammlung, da für außerordentliche Hauptversammlungen andere Einberufungs- und Abstimmungsregeln gelten119• Allerdings muß es sich nicht um die reguläre Jahreshauptversammlung handeln l2O • bb) Abstimmung und Stimmverbot Wie auch im Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat, muß über die Abreden in der Hauptversammlung einzeln abgestimmt werden, eine Generalzustimmung reicht nicht ausl21 • Die Entscheidung muß in Form eines ordentlichen Beschlusses gefällt werden122 , wobei vorausgesetzt wird, daß den Aktionären die notwendigen Informationen (insbesondere der Sonderbericht der Bilanzprüfer) vorgelegen habenl23 • Seit der Neufassung 1966 darf das interessierte Verwaltungsmitglied nicht an der Abstimmung in der Hauptversammlung teilnehmen (L.Art. 103 Abs.4, 145 Abs.4). Damit verliert es zunächst das Stimmrecht für seine eigenen Aktien, was sich insofern recht gut überwachen läßt, als gemäß L.Art.162-1 die Verwaltungsmitglieder sowie ihre Ehegatten verpflichtet sind, ihre eigenen Aktien und die ihrer minderjährigen Kinder in Namensaktien umzuwandeln. Der Verwalter darf auch nicht als Bevollmächtigter anderer Aktionäre abstimmen l24 • In Frankreich Balensi Tz 215; Schmidt I Gramling Tz 580. Rep.min. Nr.16169, J.O. Deb.Ass.Nat. 1. März 1975 S.765; Bastian J-Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 68; Schmidt I Gramling Tz 580; a.A. Hemard I Terre / Mabilat Tz 1034. 120 Balensi Tz 219; Bastian J-Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 68. 121 Balensi Tz 216. 122 Paris 18. März 1959, Gaz.Pal. 1959.2.7. 123 Rouen 24. März 1959, Gaz.Pal. 1960.1.144. 118

119

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

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besteht nämlich die weitverbreitete und von den Gerichten gebilligte Praxis12S , per Blankovollmacht Verwaltungsmitglieder mit der Vertretung abwesender Aktionäre in der Hauptversammlung zu betrauen. Dies bedeutet eine grundsätzliche Zustimmung zu den Vorschlägen der Verwaltung (D.Art.134) und folgt zum Teil aus der Tatsache, daß sich ein Aktionär nur durch seinen Ehegatten oder einen anderen Aktionär vertreten lassen darf (L.Art.161 Abs.1). Wegen der sich aus diesem Verfahren ergebenden faktischen Entmachtung der Hauptversammlung wird daran reichlich Kritik geübt l26 • Gemäß L.Art. 103 Abs.4, 145 Abs. 4 zählen die von dem Stimmverbot betroffenen Aktien bei der Feststellung von Quorum und Mehrheit'27 nicht mit. Sind an mehreren zu behandelnden Abreden unterschiedliche Verwalter interessiert, so müssen für jeden Beschluß Quorum und Mehrheit gesondert festgestellt werden l28 •

b) Bedeutung des Beschlusses Auf die Wirksamkeit der in Frage stehenden Abrede hat die Abstimmung in der Hauptversammlung nach dem klaren Wortlaut der L.Art.104 Abs.1, 146 Abs.1 keinen Einfluß; sie bleibt auch bei einer negativen Entscheidung bestehen. Diese Lösung ist sachgerecht, weil eine genauere und damit wirksamere Kontrolle bereits vor ihrem Abschluß durch die Beratung und Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates stattgefunden hat. Außerdem sind derartige Verträge häufig schon ganz oder teilweise abgewickelt, bis es zu einer Entscheidung der Hauptversammlung kommt l29 • Eine Befugnis der Hauptversammlung, einen Vertrag zu Fall zu bringen, würde zudem der prinzipiellen Verteilung von Geschäftsführungs- und Kontrollbefugnissen in der Gesellschaft widersprechen l3O • Diese Wirksamkeit der Abrede unabhängig von der Entscheidung durch die Hauptversammlung gilt trotz des insoweit mißverständlichen Wortlautes der L.Art. 104 Abs. 1, 146 Abs.1 sowohl gegenüber Dritten als auch im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander l31 • Die Abstimmung hat weiterhin gemäß L.Art. 104 Abs.1, 146 Abs. 1 keinen Einfluß auf solche Annullierungs124 Paris 25. Jan. 1972, Rev.soe. 1972, 688 insoweit nicht durch Com. 8. Okt. 1973, Rev.soe. 1974, 518 kassiert. 125 Com. 7. Juni 1963, D.1964.308. 126 Ripert I RabIat Tz 1199; C.O.B. Rapport 1977,34. 127 Dazu näher L.Art. 155. 128 Bastian J-Cl. soe.fase. 130-5 Tz 70; Ene.D.soe. "administrateur" Tz 136. 129 Ripert / RabIat Tz 1283 S. 832. 130 Balensi Tz 222. m Hemard I Terre / Mabilat Tz 1041; BaIensi Tz 229; Schmidt I GramZing Tz 381.

1. Teil: Frankreich

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und Schadensersatzansprüche, die sich aus betrügerischen Handlungen (fraude) ergeben, welche im Zusammenhang mit der Abrede vorgenommen worden sind 132 • Die Bedeutung des Hauptversammlungsbeschlusses liegt vielmehr in seinen haftungsrechtlichen Konsequenzen für die Verwaltungsmitglieder. Hat nämlich eine Abrede schädliche Folgen für die Gesellschaft, so reicht gemäß L.Art. 104 Abs. 2, 146 Abs. 2 ihre Ablehnung durch die Hauptversammlung aus, um den oder die beteiligten Verwaltungsmitglieder haftbar zu machen, ohne daß es auf ein Verschulden ankommt. Mit einem zustimmenden Beschluß werden derartige Ansprüche dagegen ausgeschlossen. c) Stellungnahme

Die Befugnisse der Hauptversammlung sind damit recht weitgehend, denn sie kann nicht nur die Nichtigkeit von Abreden gemäß L.Art. 105 Abs.3, 147 Abs.3 heilen, sondern es hängt auch die besondere Verwalterhaftung gemäß L.Art.104 Abs.2, 146 Abs.2 von ihrem Votum ab. Diese Kompetenzverteilung erscheint aber angesichts der Tatsache fragwürdig, daß die meisten Aktionäre durch Erteilung eines pouvoir en blanc von vornherein den Vorschlägen der Verwaltung zustimmen. Soweit Aktionäre eine aktivere Rolle spielen wollen, fehlt es neben dem häufig nicht ausreichenden wirtschaftlichen Sachverstand vor allem an den notwendigen Informationen, um sich ein vernünftiges Urteil bilden zu können. Damit muß die Kontrolle durch die Hauptversammlung im Regelfall als unbefriedigend bezeichnet werden. III. Nichtigkeit wegen betrügerischer Handlungen ("fraude") Gemäß L.Art. 104 Abs. 1, 146 Abs.1 können Abreden, die dem besonderen Kontrollverfahren unterliegen, auch wegen betrügerischer Handlungen nichtig sein. 1. Sachvoraussetzungen

Bei der "fraude" handelt es sich um ein nicht allgemein geregeltes Instrument des französischen Rechts 133 , welches es ermöglicht, Gesetzeslücken zu schließen und Umgehungen von Vorschriften zu verhindern l34 • Die Voraussetzungen richten sich nach dem speziellen Fall, enthalten jedoch im allgemeinen drei Elemente: Erstens muß die umgan132 133 134

Dazu näher diese Seite unten sowie S. 65. Siehe als Sonderfall die action paulienne, Art. 1167 C.civ. Ghestin I Goubeaux Tz 741.

D. Dem besonderen Kontrollverfahren unterworfene Abreden

61

gene oder mißbräuchlich angewendete Vorschrift eine verbindliche Regelung enthalten135 • Zweitens ist erforderlich, daß die handelnde Person den Mißbrauch oder die Umgehung beabsichtigt hat 136 • Und schließlich verlangt der subsidiäre Charakter der fraude, daß die dadurch herbeigeführten Akte ohne Anwendung der fraude rechtlich wirksam sind, da es sonst dieses Instrumentes gar nicht bedürfte 137• Die Rechtsfolge ergibt sich dann aus dem Grundsatz "fraus omnia corrumpit", wobei dem Richter für die Anwendung im Einzelfall ein erheblicher Spielraum zukommt l38 • Welche betrügerischen Handlungen kommen nun im hier behandelten Zusammenhang in Betracht? Sicher ist, daß die Zustimmung de.s Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates im Sinne einer mißbräuchlichen Anwendung der L.Art. 101, 143 davon betroffen wird 139 • Dies um faßt zunächst die Täuschung des Rates über Einzelheiten oder Auswirkungen der zur Abstimmung gestellten Abrede durch das interessierte Verwaltungsmitglied. Hierzu kommt der Fall, daß die Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratsmitglieder ihre Zustimmung zu einem für die Gesellschaft nachteiligen Geschäft (z. B. zugunsten eines einflußreichen Großaktionärs) erteilen und damit bewußt die Interessen der Gesellschaft verletzen l40 • Einige Autoren141 nehmen darüber hinaus an, auch das Herbeiführen der Zustimmung der Hauptversammlung durch eine betrügerische Handlung falle unter die Regelung der L.Art.104 Abs.1, 146 Abs. l. Dies erscheint aber nicht überzeugend, wenn man sich die Bedeutung dieses Hauptversammlungsbeschlusses vor Augen führt, der ja keinerlei Auswirkung auf die Gültigkeit der Abrede hat l42 • Betrügerische Handlungen in diesem Zusammenhang mögen daher die Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung in Frage stellen, die Gültigkeit der Abrede selbst kann dadurch jedoch nicht beeinträchtigt werden l43 • Es ist somit festzuhaIten, daß betrügerische Handlungen im Sinne der L.Art. 104 Abs. 1, 146 Abs. 1 nur im Zusammenhang mit der Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates möglich sind. Tz 749. Tz 750. 137 Tz 752. 138 Weill / Terre Introduction Tz 17 S. 23. 139 Hemard / Terre / Mabilat Tz 1041 S.920; Schmidt / Gramling Tz 586; Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 74; a.A. Hamel / Lagarde Tz 658 S.40l. 140 Balensi Tz 230; Lamy soc. Tz 286l. 141 So ohne Begründung: Hamel/ Lagarde Tz 658 S.401; Bastian J-Cl. soc. fasc. 130-5 Tz 74; Hemard / Terre / Mabilat Tz 1041 S. 920. 142 Siehe oben S. 59. 143 Balensi Tz 230 S. 168; Schmidt / Gramling Tz 586. 135

136

Ghestin / Goubeaux Ghestin / Goubeaux Ghestin / Goubeaux

62

1. Teil: Frankreich

2. Rechtsfolge

Rechtsfolge ist die absolute Nichtigkeit l44 der Abrede, was gemäß Art.2262 C.civ. von der Gesellschaft und ihren Aktionären l45 , unter Umständen auch ihren Gläubigern l46 , innerhalb von 30 Jahren geltend gemacht werden kann. Demjenigen, der die Täuschung verübt hat, ist allerdings nach dem Grundsatz "Nemo auditur propriam turpitudinem allegans" die Berufung auf die Nichtigkeit versagt l47 •

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder Neben der bereits beschriebenen, möglichen Nichtigkeit von Abreden kommt der Verantwortlichkeit der handelnden Personen große Bedeutung zu, um die Einhaltung rechtlicher Regeln zu gewährleisten. Im folgenden wird daher auf die zivilrechtliche und die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der societe anonyme eingegangen. I. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit 1. Anspruchsvoraussetzungen

Es ist zwischen der speziellen Haftung im Zusammenhang mit dem besonderen Kontrollverfahren und der allgemeinen aktienrechtlichen Verwalterhaftung zu unterscheiden. a) Besondere Haftung für getroffene Abreden

Gemäß L.Art.104 Abs.2, 146 Abs.2 sind die Verwaltungsmitglieder ersatzpflichtig, wenn ihrer Gesellschaft schädliche Folgen durch solche Abreden im Sinne der L.Art. 101 ff., 143 ff. entstanden sind, die von der Hauptversammlung nicht gebilligt worden sind. Erste Voraussetzung ist somit, daß die Gesellschaft durch die Abrede Nachteile erlitten hat. Allein der Nachweis eines solchen Schadens reicht aus, ohne daß es auf die häufig nur sehr schwer zu beweisende persönliche Schuld ankommt. Ob darin eine unwiderlegliche Vermutung für die Schuld zu sehen istl oder ob es sich um eine verschuldensunabhängige Haftung 144

Näher dazu oben 8.31.

Balensi Tz 231; Schmidt / Gramling Tz 586. 146 Bastian J -Cl. soc.fasc. 130-5 Tz 75. 147 Balensi Tz 23l. 1 Balensi Tz 234. 145

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

63

handelt2, mag dahingestellt bleiben. Zweite Voraussetzung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die Mißbilligung durch die Hauptversammlung. Dem sind die vom Gesetz nicht genannten Fälle der Nichtvorlage an die Hauptversammlung und des gemäß L.Art.360 Abs.2 unwirksamen Hauptversammlungsbeschlusses (z. B. wegen Fehlens des Sonderberichtes der Bilanzprüfer3) gleichzustellen4• Diese strenge Haftung auch bei Fehlen einer betrügerischen Handlung bedeutet eine wesentliche Verschärfung gegenüber Art.40 des alten Rechtss. Andererseits scheidet der Ersatzanspruch selbst bei Schädigung der Gesellschaft dann aus, wenn die Hauptversammlung die Abreden gebilligt hat6 • Dies erscheint zunächst überraschend, läßt sich aber damit rechtfertigen, daß bis zu einem solchen Beschluß der Hauptversammlung bereits der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat entschieden hat und die Bilanzprüfer ihren Sonderbericht vorgelegt haben. Es haften zunächst diejenigen Personen, welche an der fraglichen Abrede direkt oder indirekt interessiert sind: Verwaltungsratsmitglieder und Generaldirektoren bei Verwaltung nach dem herkömmlichen Modell (L.Art. 104 Abs. 2) und Direktoriums- und Aufsichtsratsmitglieder nach dem neuen Modell (L.Art. 146 Abs. 2). Bedeutsam ist, daß daneben die weiteren Mitglieder des Verwaltungsrates und des Direktoriums erfaßt werden. Unmittelbar einsichtig ist dies für den Verwaltungsrat, der dem Vertrag vorher zugestimmt und somit die Mitverantwortung übernommen hat'. Die Haftung trifft dann diejenigen Mitglieder, die den Beschluß mitgetragen habenS. Damit erweitert sich die Zielrichtung der Vorschrift ganz wesentlich: es sollen nicht nur die Verwaltungsratsmitglieder am Abschluß sie selbst begünstigender Abreden gehindert werden, sondern auch ihre Kollegen im Verwaltungsrat werden dazu angehalten, bei ihrer Entscheidung allein die Interessen ihrer Gesellschaft zu verfolgen. Damit soll sichergestellt werden, daß die Zustimmung des Verwaltungsrates mehr als nur eine Formalität ist. Umso mehr muß es überraschen, daß bei zweigliedrig geführten Gesellschaften zwar die Direktoriumsmitglieder haften, denen die gemeinsame Geschäftsführung obliegt, nicht aber die Aufsichtsratsmitglieder, die doch wie der Verwaltungsrat bei den eingliedrig geführten GesellTz 583. Siehe oben S. 57. 4 Balensi Tz 236; Schmidt I Gramling Tz 594. 5 Ene.D.soe. "administrateur" Tz 141. 6 Balensi Tz 233. 7 Bastian J-Cl. soe.fase. 130-5 Tz 79. S Lamy soe. Tz 2859; Balensi Tz 237.

2 Schmidt I Gramling 3

1. Teil: Frankreich

64

schaften ihre vorherige Zustimmung zu der Abrede gegeben haben. Es wäre daher auch die gleiche haftungsrechtliche Konsequenz angemessen.

b) Allgemeine aktienrechtliche Haftung Gemäß L.Art.244, 249 Abs.1 haften die Verwaltungs rats- und Direktoriumsmitglieder für Verstöße gegen die Gesetze und Verordnungen, die auf die Aktiengesellschaft Anwendung finden, Verletzungen der Satzung und Fehler bei ihrer Geschäftsführung. Die Mitglieder des Aufsichtsrates sind gemäß L.Art.250 Abs. 1 für persönliche Fehler verantwortlich, die sie in Ausübung ihres Amtes begehen, nicht aber für Geschäftsführungshandlungen und ihre Folgen. Für Delikte der Direktoriumsmitglieder können sie in Anspruch genommen werden, wenn sie diese wissentlich nicht der Hauptversammlung angezeigt haben. In allen diesen Fällen wird eine schuldhafte Pflichtverletzung vorausgesetzt, die kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Gemäß L.Art. 246 Abs. 2, 250 Abs. 2 kann ein solcher Schadensersatzanspruch nicht durch einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluß beseitigt werden. Gerade dieser Punkt macht einen wesentlichen Unterschied zu der speziellen Haftung gemäß L.Art. 104 Abs. 2, 146 Abs. 2 deutlich, so daß sich die Frage nach dem Verhältnis beider Haftungsnormen zueinander stellt. Da erstere mit dem Verzicht auf den Nachweis persönlichen Verschuldens, der Bedeutung des Hauptversammlungsbeschlusses und der weiteren Fassung des betroffenen Personenkreises gegenüber der allgemeinen aktienrechtlichen Haftung ganz unterschiedliche Voraussetzungen aufstellt, schließt sie diese insoweit als Sonderregel aus9• Der verbleibende Anwendungsbereich der L.Art. 244 ff. läßt sich folgendermaßen umschreiben: Zunächst werden diejenigen Fälle umfaßt, in denen Verwaltungsmitglieder an dem Abschluß von gemäß L.Art. 106, 148 verbotenen Kreditgeschäften beteiligt waren lO oder Abreden ohne die gemäß L.Art.101, 143 erforderliche Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates getroffen worden sind. Da insoweit das Kontrollverfahren nicht oder nicht mehr durchzuführen war, sind L.Art.104 Abs.2, 146 Abs.2 nicht anwendbar. Derartige Fälle sind relativ unproblematisch, da die klare Gesetzesverletzung den Nachweis persönlichen Verschuldens leicht macht 11 und Kausalität und Schaden ohne weiteres nachweisbar sind. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings dann, wenn unklar ist, ob die Abreden überhaupt dem Regime der L.Art. 101 ff., 143 ff. unterfielen, ob es sich nicht z. B. um gewöhn9 10 11

Tz 232 S. 171. Paris 3. Kammer 3. März 1978, Urteil Nr. 0310 (unveröffentlicht). Guyon J -Cl. so~.fasc. 132 Tz 19.

Balensi

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

65

liche Operationen handelte, die zu normalen Bedingungen vorgenommen wurden. Allerdings ist zu beachten, daß dann der Beklagte entsprechend dem Grundsatz "Reus in excipiendo fit actor"12 die Voraussetzungen dieser Einrede zu beweisen hat. Durch L.Art. 104 Abs. 2, 146 Abs. 2 werden nach dessen ausdrücklichen Wortlaut ebenfalls solche Fälle nicht berührt, in denen Verwaltungsmitglieder im Zusammenhang mit der Zustimmung des Verwaltungsrates betrügerische Handlungen vorgenommen haben. Liegen die Voraussetzungen für eine "fraude" vor 13 , so stellt diese auch eine schuldhafte Pflichtverletzung ("faute de gestion") im Sinne der L.Art. 244 ff. dar, so daß darüber hinaus allein ein Schaden gegeben sein mußl4. Als letzter Anwendungsfall der allgemeinen Verantwortlichkeit sei die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gemäß L.Art. 250 genannt, da diese Personen von den L.Art. 104 Abs.2, 146 Abs.2 überhaupt nicht erfaßt werden. Es müßte dann die Zustimmung eines Aufsichtsratsmitgliedes zu einer Abrede eine schuldhafte Pflichtverletzung bei Ausübung seines Amtes darstellen. Wegen des ihm zugewiesenen Beurteilungsspielraumes ist dieser Nachweis aber kaum zu erbringen1S, so daß der Vorschrift insoweit keine besondere praktische Bedeutung zukommt. 2. Gerichtliche Durcbsetzung

Das Gesetz enthält keine Spezialvorschriften über die Geltendmachung der besonderen Ersatzansprüche, die sich aus L.Art.104 Abs. 2, 146 Abs. 2 ergeben. Ihre Durchsetzung richtet sich daher wie auch die der allgemeinen aktienrechtIichen Verwalterhaftung nach den L.Art. 244 ff. a) Klagearten

Aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit ist normalerweise die Gesellschaft selbst die Geschädigte, so daß ihr und nicht den Aktionären die Ersatzansprüche zustehen. Nach dem französischen Recht haben aber beide die Möglichkeit, diese einzuklagen. aal "Action sociale ut universi" Grundsätzlich macht die Gesellschaft die ihr zustehenden Ansprüche durch ihre gesetzlichen Vertreter geltend. Bei den hier behandelten Ansprüchen sieht es in der Praxis allerdings anders aus, da die GeU Für das vertragliche Schuldverhältnis kodifiziert in Art. 1315 C.civ.; siehe auch Art. 9 n.C.proe.civ. 13 Zu den Voraussetzungen siehe oben S. 60 f. 14 Ghestin / Goubeaux Tz 766 S.649. 15 Dazu ausführlich Guyon J -Cl. soe.fase. 132 Tz 14 ff.; Sehmidt / Gramling Tz 585.

5 Giesen

1. Teil: Frankreich

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schäftsleitung der Gesellschaft meist zu verhindern sucht, daß gegen sie oder einzelne ihrer Mitglieder vorgegangen wird l6 • Besonders deutlich sind die Schwierigkeiten dann, wenn der Präsident des Verwaltungsrates verklagt werden soll, dem gemäß L.Art.113 auch die Vertretung der Gesellschaft nach außen obliegt. Er kann aber nicht gleichzeitig für die Klägerin auftreten und Beklagter sein17 • Selbst wenn er zurücktritt oder gemäß L.Art.110 abberufen wird, dürfte der Nachfolger häufig zögern, seinen Vorgänger mit einer Schadensersatzklage zu überziehen. Es wird oft dem Ansehen der Gesellschaft zuträglicher sein, von einer Klage abzusehen. Da es keine dem § 147 Abs.1 und 3 AktG entsprechende Möglichkeit gibt, die Gesellschaft zur Durchsetzung ihrer Ersatzansprüche gegen Verwaltungsratsmitglieder zu zwingen, sind diese vor derartigen Klagen der Gesellschaft selbst weitgehend geschützt l8 • bb) "Action sociale ut singuli" Um den geschilderten Schwierigkeiten entgegenzutreten, wurde schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Befugnis der Aktionäre anerkannt, insoweit die Ansprüche ihrer Gesellschaft geltend zu machen l9 • Einzelheiten waren allerdings auch nach der Kodifizierung in L.1867 Art. 17 umstritten. So sprachen die Gerichte die Ersatzleistung des Verwalters nicht der Gesellschaft, sondern den klagenden Aktionären entsprechend ihren Anteilen am Aktienkapital der Gesellschaft zu20 • Aufgrund der genaueren Regelung in L.Art. 245 ff., D.Art. 200 f. herrscht nun gößere Klarheit: Die Klage kann von einem Einzelaktionär ohne Rücksicht auf die Höhe seiner Beteiligung oder von einer Gruppe von Aktionären erhoben werden, die gemeinsam mindestens 20 Prozent des Aktienkapitals hält und der dann eine Reihe von Verfahrensvorteilen zugute kommen. Der Gesellschaft ist der Streit zu verkünden (D.Art. 201). Auf diese Weise kann der Ersatz des gesamten von der Gesellschaft erlittenen Schadens verlangt werden, der auch an diese als die tatsächliche Inhaberin des Anspruchs zu bewirken ist. Dieses Recht der Aktionäre kann weder durch eine entsprechende Satzungs bestimmung noch einen Hauptversammlungsbeschluß beschränkt werden (L.Art. 246). Mit der dogmatisch sauberen Lösung ist diese Klageart zur Bedeutungslosigkeit verdammt worden; denn kaum ein Aktionär nimmt soviel Ärger, Kosten und das Prozeßrisiko auf 16 17

18

Guyon J-Cl. soc.fasc. 132 Tz 147. Guyon a.a.O.

Bernard S.59, 81.

19

Zur geschichtlichen Entwicklung dieser Klageart ausführlich Bernard

20

Nachweise bei Bernard S. 94 f.

S. 81 ff.

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

67

sich, um im günstigsten Falle eine Entschädigung der Gesellschaft erreichen zu können, ohne daraus einen direkten persönlichen Vorteil zu haben21 ,22. b) Verjährung und Zuständigkeit

Unter der Geltung von L.1867 Art. 17 verjährte der Anspruch drei Jahre nach Abschluß des Geschäftes, während diese Frist gemäß L.Art. 247 erst mit dem Eintritt der Schädigung bzw. ihrer Aufdeckung zu laufen beginnt. Zuständig ist gemäß Art. 631 Nr.2 C.eomm. das Tribunal de Commeree. 3. Beurteilung der zivilrechtlicben Haftung

Will man die Wirksamkeit der beschriebenen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit ab.schätzen, so ist unter materiellen Gesichtspunkten auf die spezielle Haftung gemäß L.Art.104 Abs. 2, 146 Abs. 2 hinzuweisen, die einen recht großen Bereich abdeckt. Die Absicht, eine einfache, von subjektiven Elementen freie und damit schlagkräftige Haftungs-. norm zu schaffen, scheint dabei nicht gelungen zu sein. Denn in der Praxis folgt der Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates fast immer auch die der Hauptversammlung, da die meisten Aktionäre ein "mandat en blane" erteilen und damit die Vorschläge der Verwaltung billigen23 • Sehr bedenklich ist, daß auf diese Weise auch andere, engagierte re Aktionäre der Möglichkeit beraubt werden, die Verwaltungsmitglieder für eine schädigende Abrede in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn die Hauptversammlung nicht wirksam zugestimmt hat oder wenn die allgemeinere Haftung gemäß L.Art. 244 ff. eingreift, sind diese Ansprüche recht schwer durchzusetzen. Die Gesellschaften tun dies üblicherweise nur bei einem Wechsel in der Geschäftsführung oder im Anteilseignerkreis, was so häufig nicht vorkommt. Aber auch die Aktionäre nehmen die ihnen durch die action soeiale ut singuli eingeräumte Klagebefugnis im Zivilprozeß24 aus einer Reihe von Gründen kaum wahr. Die Erfolgsaussichten eines Prozesses sind häufig nicht zu überblicken, da die teilweise unpräzisen Formulierungen dem Richter einen sehr weiten Spielraum geben, denn wer ist schon "indirekt interessiert" und was sind "normale Bedingungen"? Hinzu kommen die Beweisschwierigkeiten, soweit es um gesellschaftsinterne Vorgänge geht. Auch darf nicht übersehen werden, daß der Kläger den größten Teil seiner Anwaltskosten selbst zu tragen hat. Und selbst von C.O.B. Rapport 1975 S.48. Enc.D.soc. "administrateur" Tz 179. 23 Siehe oben S. 59. 24 Zum Adhäsionsverfahren unten S. 71. 21

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68

1. Teil: Frankreich

einer Verurteilung des Verwalters hat der Aktionär keinen unmittelbaren Vorteil, da die Ersatzleistung in die Kassen der Gesellschaft als der Anspruchsinhaberin fließt. Die action sociale ut singuli wird daher nur außerordentlich selten, dann meist von starken Minderheitsgruppen ausgeübt. Dagegen ist sie als Druckmittel weiterhin in Gebrauch, indem nämlich Aktionäre einzelne Organmitglieder wegen möglicherweise begangener Delikte mit einer Schadensersatzklage bedrohen, um ihnen dann ihre Aktien zu einem überhöhten Preis zu verkaufen. Insgesamt ist daher die Wirksamkeit der zivil rechtlichen Haftung als relativ gering zu beurteilen, so daß die strafrechtlichen Vorschriften in den Vordergrund rücken.

11. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Die Notwendigkeit von strafrechtlichen Sanktionen bei der Verletzung von gesetzlichen Verpflichtungen der Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft wird teilweise mit der Tatsache begründet, daß die durch schuldhaftes Fehlverhalten angerichteten Schäden das Vermögen der haftenden Personen um ein Vielfaches überschreiten können. Auch ist ihr Abschreckungseffekt höher, da der Staat zu ihrer Durchsetzung wesentlich wirksamere Mittel einsetzen kann, als sie dem privaten Kläger bei der Geltendmachung von zivil rechtlichen Ersatzansprüchen zur Verfügung stehen. Aus der bemerkenswerten und von den Geschäftsleuten heftig kritisierten Vielzahl der Strafvorschriften, welche das französische Aktienrecht enthält, sollen hier nur die beiden für unseren Zusammenhang wichtigsten herausgegriffen werden. 1. Mißbrauch von Gütern der Gesellschaft

L.Art.437 Nr.3 bedroht den Präsidenten, die Verwaltungsratsmitglieder und Generaldirektoren einer Aktiengesellschaft mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren sowie Geldstrafen von 2000 bis zu 2500000 FF, wenn sie mit betrügerischer Absicht von den Gütern oder dem Kredit der Gesellschaft zu persönlichen Zwecken oder zur Begünstigung einer anderen Gesellschaft oder eines anderen Unternehmens, an denen sie mittelbar oder unmittelbar interessiert sind, einen Gebrauch machen, von dem sie wissen, daß er den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft. Gleiches gilt gemäß L.Art. 464 für die Direktoriums- und Aufsichtsratsmitglieder von Gesellschaften mit zweigliedriger Leitung. "Gebrauchmachen" in diesem Sinne umfaßt jede Entnahme oder Belastung von Mitteln der Gesellschaft25 • Als Beispiel seien genannt: Be-

E. Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

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zahlung der Kosten für die Verteidigung eines Verwaltungsratsmitgliedes gegen eine Schadensersatzklage von Aktionären aus Gesellschaftsmitteln26 ; Einräumung eines debitorisehen Kontos unter Verstoß gegen L.Art.106, 14827 ; Inanspruchnahme von Personal oder Sachmitteln der Gesellschaft für persönliche Zwecke28 ; Zuweisung von Vorteilen an Tochtergesellschaften29 • Diese Handlung muß den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen, wobei nicht erforderlich ist, daß tatsächlich ein Schaden eingetreten ist. Schon das Risiko eines solchen Verlustes reicht aus3O • In die Beurteilung ist der gesamte wirtschaftliche Zusammenhang einzubeziehen, in dem der Vertrag abgeschlossen wurde. Problematisch ist dies insbesondere bei Abreden innerhalb von Unternehmensverbindungen, wo folgende Elemente berücksichtigt werden sollen3!: die Art der Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen, übereinstimmung der Abrede mit dem Gesellschaftszweck, wirtschaftliche Rechtfertigung, Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung, Verhältnis gegebenenfalls gewährter Zuschüsse zur Leistungskraft der Gesellschaft ete. Erforderlich ist weiterhin, daß die Handlung zu persönlichen Zwecken vorgenommen wird, wofür schon ausreicht, daß ein moralischer oder beruflicher Vorteil angestrebt wird32 • Dem ist der Fall geichgestellt, daß eine andere Gesellschaft, an der der Verwalter direkt oder indirekt interessiert ist, Vorteile aus dem Geschäft zieht. Letzte Voraussetzung ist die betrügerische Absicht des Handelnden. Es genügt das Bewußtsein des Risikos für die Gesellschaft und die Kenntnis des Vorteils, der ihm selbst oder einer ihm nahestehenden Gesellschaft zugewandt wird. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Vornahme der Handlung, weshalb es nicht ausreicht, daß sich Risiko oder Schaden erst später herausstellen33 • Den Gerichten macht die Feststellung der betrügerischen Absicht in der Praxis meist keine große Mühe. Soweit sie der Angeklagte nicht im Prozeß von vornherein selbst zugibt, um ein mildes Urteil zu erreichen, wird sie oft aus den Umständen der Tat (z. B. VerschleierungsAusführliche Nachweise bei Guyon J-Cl. soe.fase. 132 bis Tz 46 ff. Colmar 4. Februar 1960, J.C.P. 1960.11.11833. 27 Trib.eorr. Seine 21. Dezember 1955, Rev.soe. 1957, 71. 28 Crim. 30. Januar 1974, J.C.P. 1974 ed.G. IV, 91. 29 Trib.eorr. Seine 13. Juli 1963, Gaz.Pal. 1963.2.325; bestätigt durch Paris 15. Januar 1964, Gaz.Pal. 1964.1.293. 30 Ständige Rechtsprechung: Crim. 8. Dezember 1971, J.C.P. 1972.II.17125. 3! Guyon J-Cl. soe.fase. 132 bis Tz 51 mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen; weitere Literaturhinweise zu diesem Problemkreis enthält die Anmerkung von B. O. unter TGI Paris 16. Mai 19'74, Rev.soe. 1975, 657. 32 Crim. 16. Februar 1971, Gaz.Pal. 1971.1.372. 33 Guyon J -Cl. soe.fase. 132 bis Tz 62. 25

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1. Teil: Frankreich

versuchen)34 und mehr oder weniger aus dem Vorhandensein der objektiven Tatbestandsmerkmale gefolgertJs. 2. Mißbrauch von Vollmacht oder Stimmrecht

L.Art.437 Nr.4, 464 bedrohen die genannten Personen mit der gleichen Strafe, soweit sie von ihren Befugnissen als Organmitglieder oder von den Stimmen, über die sie in dieser Eigenschaft verfügen, zu persönlichen Zwecken oder zur Begünstigung einer anderen Gesellschaft oder eines anderen Unternehmens, an denen sie mittelbar oder unmittelbar interessiert sind, einen Gebrauch machen, von dem sie wissen, daß er den Interessen der Gesellschaft zuwiderläuft. Mit "Befugnissen" sind alle Rechte und Pflichten gemeint, die den Verwaltungsmitgliedern aus Satzung und Gesetz zukommen36 • Enger ist der "Mißbrauch von Stimmrechten" zu verstehen, da davon ausdrücklich solche ausgenommen sind, die ein Organmitglied selbst als Aktionär ausübt. Die Vorschrift zielt vielmehr auf die bereits erwähnte Praxis37, Organmitglieder gemäß L.Art. 161, D.Art. 132 ff. mit der Vertretung von Aktionären in der Hauptversammlung zu betrauen38• Dabei ist es nicht erforderlich, daß eine die Gesellschaft schädigende Entscheidung wirklich zustande gekommen ist. Vielmehr reicht es aus, daß ein Verwaltungsmitglied in Ausübung ihm übertragener Stimmrechte in diesem Sinne votiert hatJ9. Bezüglich der weiteren Elemente, Handeln gegen das Gesellschaftsinteresse, Verfolgung perönlicher Zwecke und betrügerische Absicht kann auf das zu L.Art. 437 Nr. 3 Gesagte verwiesen werden. 3. Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

Es wird bemängelt, daß sich die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten trotz der Einrichtung einer besonderen Abteilung bei der Staatsanwaltschaft in Paris noch zu langsam und zu schwierig gestalte4O • Trotzdem stehen die hier behandelten Strafvorschriften keineswegs nur auf dem Papier, sondern führen recht häufig zu teilweise drastischen Verurteilungen. Dabei kommt den Befugnissen von Staatsanwaltschaft und Gericht vor und während des Prozesses erhebliche Bedeutung zu, da sie eine wesentlich bessere Sachaufklärung als im Zivil34

3S

36

37 38 39 40

Hemard I Terre I Mabilat Tz 1273.

Ausführliche Rechtsprechungshinweise bei Lamy soc. Tz 1022. Guyon J-Cl. soc.fasc. 132 bis Tz 87. Siehe oben S. 59. Hernard I Terre I Mabilat Tz 1287. Hemard I Terre I Mabilat a.a.O. Ripert I Roblot Tz 1363 S. 885.

F. Andere Interessenkonflikte

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prozeß erlauben. Wichtig ist auch die Verpflichtung der Bilanzprüfer gemäß L.Art.233 Abs.2, der Staatsanwaltschaft Vergehen mitzuteilen, von denen sie Kenntnis erhalten, andernfalls sie sich selbst gemäß L.Art.457 strafbar machen. Diese stark kritisierte Vorschrift wurde von den Bilanzprüfern anfangs kaum befolgt, was sich aber inzwischen aufgrund einer Reihe von Verurteilungen (zum Teil zu erheblichen Haftstrafen) sehr geändert hat41 • Allerdings muß hinzugefügt werden, daß in Frankreich in Strafsachen das Opportunitätsprinzip gilt, so daß nicht jeder Hinweis eines Bilanzprüfers auch zu einer Anklage führt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft hat aber auch einen wesentlichen Einfluß auf die Durchsetzung gegen sie gerichteter zivilrechtlicher Ansprüche. Gemäß Art. 2 ff. C.proc.pen. kann nämlich vor dem Strafgericht im Adhäsionsverfahren ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden, wenn sich die Straftat gleichzeitig als haftungsbegründendes Delikt darstellt. Dann entscheidet das Strafgericht auch über die zivilrechtlichen Ansprüche, was für den Kläger den Vorteil hat, daß die Ergebnisse der staatsanwaltlichen und gerichtlichen Ermittlungen auch für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit verwertet werden können42 • Außerdem werden ihm dadurch erhebliche Kosten erspart. Diese Möglichkeit, die auch die Erhebung der action sociale ut singuli einschließt43 , wird in der Praxis so häufig wahrgenommen, daß Schadensersatzklagen der hier behandelten Art außerhalb des Strafverfahren kaum noch erhoben werden44 • Ein Grund hierfür mag auch in dem geringen Vertrauen liegen, das den Tribunaux de Commerce teilweise entgegengebracht wird, deren Richter als Laien nicht immer über die erforderliche Rechtskenntnis und die notwendige Unabhängigkeit verfügen sollen. Insgesamt kommt somit den strafrechtlichen Sanktionen entscheidende Bedeutung zu.

F. Andere Interessenkonflikte Die erörterten gesetzlichen Regelungen, welche bestimmte Verträge verbieten und andere besonderen Kontrollverfahren unterwerfen, behandeln keineswegs alle denkbaren Konfliktfälle, bei denen die Gefahr einer Benachteiligung der Gesellschaft durch ihre Verwaltungsmitglie41 Crim. 12. Januar 1981, B.C.N.C. 1981, 221; TGI Creteil 2. Dezember 1980, B.C.N.C. 1981, 81. 42 Guyon J-Cl. soc.fasc. 132 Tz 161. 43 Lamy soc. Tz 2719. 44 Anm. Toubiana unter Com. 18. Juni 1973, Rev.soc. 1975, 129.

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1. Teil: Frankreich

der zugunsten von anderen Interessen besteht. Als Beispiel wäre die Entscheidung des Verwaltungs rates oder Direktoriums über die Einführung eines neuen Produktes zu nennen. Darf daran ein Mitglied mitwirken, welches selbst ein Konkurrenzprodukt herstellt oder marktführender Lieferant des entsprechenden Halbfertigproduktes ist? Diese Frage wird von der Literatur meist im Hinblick auf eine Entscheidung des Kassationshofes aus dem Jahre 1975 bejaht!, der folgender Sachverhalt zugrunde lag: Eine Gruppe von Mehrheitsaktionären wollte ihre Anteile an ein Konkurrenzunternehmen verkaufen und bedurfte dazu aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung der Zustimmung des Verwaltungsrates. Diese wurde mit den Stimmen derjenigen Verwaltungsratsmitglieder erteilt, die selbst zum Kreis der Abtretungswilligen gehörten. Auf die Nichtigkeitsklage der Minderheitsaktionäre hat der Kassationshof erklärt, ein Stimmverbot komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Abtretung die Ausübung eines grundlegenden Aktionärsrechtes sein, so daß sich die Zustimmung gar nicht als eigentliche Geschäftsführungsmaßnahme darstelle. Damit fehle es an dem behaupteten Gegensatz von persönlichem und allein zu berücksichtigendem Gesellschaftsinteresse. Diese Begründung bietet Anlaß zur Kritik2 • Es ist nicht einsichtig, warum der Verkauf der Aktienmehrheit einer Gesellschaft an ein Konkurrenzunternehmen das Gesellschaftsinteresse unberührt lassen soll, insbesondere dann, wenn die Satzung eine Zustimmung des Geschäftsführungsorgans verlangt. Im Ergebnis findet die Entscheidung aber allgemeine Zustimmung, da davon ausgegangen wird, daß die Stimmverbote gesetzlich abschließend geregelt sind3• Damit bleibt das Stimmrecht auch dann erhalten, wenn persönliche Interessen eines Verwalters betroffen sind. Gegen diese Lösung erhebt sich auf der Grundlage des geltenden Rechts kein Widerspruch, doch wird sie teilweise bedauert und durch eine Empfehlung zur Stimmenthaltung ergänzt4• Das bedeutet natürlich nicht, daß der Verwalter bei seiner Stimmabgabe völlig frei ist, denn er hat sich an den Interessen seiner Gesellschaft und nicht an Eigen- oder Fremdinteressen zu orientieren. Die Schranken, die sich daraus für die Ausübung des Stimmrechtes ergeben, hat ein grundlegendes Urteil des Kassationshofes vom 19. Januar 1959 Com. 24. Februar 1975, Rev.soc. 1976, 92; davor schon Hemard / Terre I Tz 925. 2 Anm. Hauin Rev.trim.dr.com. 1975,535. 3 Hemard / Terre / Mabilat Tz 925; Ripert / RabIat Tz 1292 S.838; Lefebvre Tz 1330. 4 Guyon Tz 336 S.308; Rep.min. Nr.30539 Deb.Senat 24. August 1979, veröffentlicht bei Lamy soc. Tz 2735. 1

Mabilat

F. Andere Interessenkonflikte

73

aufgezeigt5 • Danach können Entscheidungen des Verwaltungsrates wegen betrügerischer Handlungen (fraude), Überschreitung seiner Befugnisse (exees de pouvoir) oder Rechtsmißbrauch (abus de droit) annulliert werden, wenn dadurch der Gesellschaft oder einzelnen Aktionären ein Schaden zugefügt worden ist. Diese Entscheidung hat ihre Bedeutung unter dem Gesetz vom 24. Juli 1966 behalten und ist auch auf die anderen Gesellschaftsorgane anzuwenden6 • Neben der bereits behandelten "fraude" ist insoweit am ehesten der Tatbestand des Stimmrechtsmißbrauches von Bedeutung. Es war daher im Rahmen der Beratungen über das neue Gesetz der Antrag gestellt worden, diesen Tatbestand gesetzlich zu regeln7 • Dies wurde aber abgelehnt, um der Rechtsprechung einen größeren Spielraum zu lassen und damit eine effektive Anwendung dieses Rechtsgedanken zu ermöglichen8• Das Ergebnis ist ein Zustand erheblicher Rechtsunsicherheit, denn die zivilrechtliche Lehre hat sich bisher no eh nicht einmal über die grundlegenden Elemente des Rechtsrnißbrauches einigen können9• Auch die Rechtsprechung vermag kein klares Bild zu zeichnen; allenfalls für die Abstimmung in der Hauptversammlung läßt sich als allgemeine Linie festhalten, daß ein Mißbrauch dann vorliegt, wenn eine Entscheidung unter Verstoß gegen das Gesellschaftsinteresse und mit dem alleinigen Ziel getroffen wurde, die Mehrheit zulasten der Minderheit zu begünstigen1o • Einzelheiten, wie z. B. die Frage, was unter dem Gesellschaftsinteresse zu verstehen ist, bleiben hingegen unklarII. Auch die wenigen Urteile, die in bezug auf Entscheidungen des Verwaltungsrates ergangen sind, geben kaum Aufschluß über die angelegten Kriterien. So verneint die bereits zitierte Entscheidung des Kassationshofes bezüglich der Abtretung von Aktien l2 einen Rechtsrnißbrauch mit der Begründung, eine Schädigung der Gesellschaft sei nicht ersichtsich und der Erwerber der Aktien habe allen Aktionären das gleiche Angebot gemacht. Dagegen wurde die Erhöhung der Bezüge eines president-directeur general um 80 % wegen Rechtsrnißbrauchs annulliert, die von diesem in dem Verwaltungsrat zusammen mit einem anderen Mitglied zu einem Zeitpunkt beschlossen worden war, als die 5

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7 8 9

J.C.P. 1959.II.10966.

Hemard I Terre I Mabilat Tz 1088; Bastian J -Cl. soc.fasc. 131 Tz 68, 112.

J.O. Deb.Ass.Nat. 12. Juni 1965 S. 2031.

Lefebvre Tz 1892. Eindrucksvoll: Ghestin I Goubeaux Tz 693 - 737.

10 Corno 18. April 1961, D.1961, 661; weitere Nachweise bei Bastian J-Cl. soc.fase.139-1 Tz 155. 11 Ghestin I Goubeaux Tz 733. 12 Siehe oben S.72, Fußnote 1.

1. Teil: Frankreich

74

Verluste das Sechs fache des Kapitals erreicht hatten 13 • Wenn man der Lösung auch gefühlsmäßig zustimmt, so erscheint doch die Begründung unbefriedigend, der Beschluß über die Anhebung der Vergütung habe allein im Interesse des P.D.G. gelegen. Denn dies gilt in derartigen Fällen bei oberflächlicher Betrachtungsweise immer und ohne Rücksicht auf die Lage der Gesellschaft, so daß aus dogmatischer Sicht genauere Erörterungen wünschenswert gewesen wären. Die fehlende Begründung und inhaltliche Präzisierung des Instituts des "abus de droit de vote" führt letztlich dazu, daß die Verwaltungsmitglieder in ihrem Stimmverhalten auch bei Vorliegen von massiven Interessenkonflikten fast völlige Freiheit genießen, soweit nicht spezielle gesetzliche Regelungen wie die L.Art. 101 ff., 143 ff. eingreifen. Nur bei ganz besonders schweren Pflichtverletzungen greifen die Lehre vom Rechtsrnißbrauch und bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen die strafrechtlichen Sanktionen des L.Art. 437 Nr.4 ein.

G. Weitere Kontrollmöglichkeiten Um seinen Rechten und Pflichten gegenüber der Gesellschaft und ihrer Verwaltung gerecht werden zu können, bedarf der Aktionär genauer Informationen, die ihm die Gesellschaft und ihre Bilanzprüfer nicht immer in ausreichender Weise zur Verfügung stellen. Dies gilt nach dem bisher Gesagten in besonderem Maße für Ansprüche gegen Verwaltungsmitglieder. Aus diesem Grund sieht das Gesetz zwei weitere Informations- und Kontrollmöglichkeiten vor. Zunächst können bei allen Aktiengesellschaften die Aktionäre ein Sondergutachten von einem unabhängigen Sachverständigen anfordern, wenn die notwendigen formalen und materiellen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber hinaus unterliegen die börsennotierten Gesellschaften der Kontrolle durch die Börsenaufsicht. I. Sachverständigengutachten

Gemäß L.Art.226, D.Art.195 können Aktionäre, die mindestens ein Zehntel des Gesellschaftskapitals vertreten, im Wege der einstweiligen Verfügung die Bestellung eines Sachverständigen beantragen, der einen oder mehrere Geschäftsführungsvorgänge zu untersuchen hat. Das Gericht legt Auftrag und Befugnisse fest. Nach Abschluß seiner Tätigkeit wird der Bericht des Sachverständigen den Antragstellern, 13

Paris 30. März 1977, Rev.soc. 1977,470.

G. Weitere Kontrollmöglichkeiten

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den Verwaltungsorganen der Gesellschaft und im Rahmen der Unterlagen für die nächste Hauptversammlung auch den anderen Aktionären übermittelt. Die Rechtsprechung hat den Ausnahmecharakter dieses Minderheitsrechtes unterstrichen l . Nur wenn Anhaltspunkte für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorhanden sind und die Antragsteller auf den üblichen Wegen keine ausreichenden und zuverlässigen Informationen enthalten konnten, gibt das Gericht dem Antrag statt. Das Sachverständigengutachten muß sich dann auf einzelne, abgrenzbare Vorgänge beziehen, so daß eine allgemeine Beurteilung der Geschäftsführung im Laufe eines bestimmten Zeitraumes nicht zulässig ist2• Die Befugnisse des Sachverständigen bestimmt das Gericht, welches ihm üblicherweise ein sehr weitgehendes Informationsrecht einräumt. Ebenso setzt es das Honorar fest, welches von den Antragstellern zu entrichten ist. Doch sind gesetzgeberische überlegungen im Gange, als zweite Möglichkeit auch die Bezahlung durch die Gesellschaft vorzusehen. Entsprechend seinem Sinn hat sich das Sondergutachten in der Praxis als wirksame und gern genutzte Möglichkeit der Minderheitsaktionäre erwiesen, sich gegen Ausuferungen der Mehrheitsmacht insbesondere in Unternehmensgruppen zur Wehr zu setzen. Ein spezieller Anwendungsfall sind dabei die Abreden im Sinne der L.Art. 101 ff., 143 ff., wenn die Aktionäre nicht ausreichend informiert worden und Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten worden ist3• Soweit ein Zehntel der Aktionäre zu diesem Zweck zu mobilisieren ist, wird in derartigen Fällen fast immer ein Sachverständigengutachten beantragt, bevor über die Erhebung einer Haftungsklage gegen Verwaltungsmitglieder entschieden wird.

11. Kontrolle durch die Börsenaufsicht Wichtig für die Einhaltung der hier behandelten rechtlichen Regelungen ist auch die Kontrolle, welche die Commission des Operations de Bourse (C.O.B.) ausübt4• Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist es nämlich, die ordnungsgemäße Erteilung aller gesetzlich vorgeschriebenen Informationen von börsennotierten Gesellschaften an ihre Aktionäre zu überwachen. Sie überprüft diese auf ihre inhaltliche Richtigkeit und kann bei Fehlern die Gesellschaften zur Korrektur zwingen 1 Paris 12. Januar 1977, J.C.P. 1978.11.18823 und 22. Juni 1978, Rev.soc. 1979, 333; Douai 10. Juli 1970, Rev.soc. 1970, 662; Trib.com. Rouen 30. April 1971, Rev.soc. 1971, 562. 2 Paris 21. Dezember 1976, D.S. 1977,29. 3 Rouen 17. März 1970, Rev.soc. 1971, 59; Paris 22. Juni 1978, Rev.soc. 1979, 333. 4 Siehe dazu Ordonnance Nr. 67-833 vom 28. September 1967.

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1. Teil: Frankreich

(Art. 3 der Ord. vom 28. September 1967). Diese Kompetenz schließt auch solche Berichte ein, die den Aktionären im Zusammenhang mit den behandelten Abreden von den Bilanzprüfern und der Verwaltung der Gesellschaft zu erstatten sind. Zwar wird mit der Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften nur eine relativ kleine Zahl von Unternehmen von der Kontrolle der C.O.B. erfaßt, doch handelt es sich dabei um die größten und wichtigstens. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben sind der C.O.B. sehr weitreichende Befugnisse zugewiesen6 • So können ihre Beamten ohne vorherige richterliche Entscheidung an Ort und Stelle in alle Akten Einsicht nehmen, die bei der Gesellschaft, gegen die sich die Untersuchung richtet, bei Banken und Börsenmaklern geführt werden, soweit sie dies für nützlich erachten. Alle Personen, von denen Informationen über den Gegenstand der Untersuchung zu erwarten sind, können unter Strafandrohung vorgeladen und vernommen werden. Die Kommission kann jederzeit die ihr notwendig erscheinenden Untersuchungen einleiten, insbesondere die ihr gegenüber vorgebrachten Beschwerden von betroffenen Personen aufgreifen, soweit sie in ihren Kompetenzbereich fallen (Art.4 der Ord. vom 28. September 1967). Allein im Jahre 1980 sind 127 Beschwerden und 841 Anfragen betreffend Handelsgesellschaften eingegangen7• Hinzu kommt die Verpflichtung von C.O.B. und Staatsanwaltschaft, sich gegenseitig zu informieren, wenn ein Verdacht auf strafbare Handlungen gegeben ist8 • So hat die C.O.B. im Jahre 1980 einen Fall der Staatsanwaltschaft übergeben, in dem das Verfahren gemäß L.Art. 143 ff. nicht eingehalten worden war und die Bilanzprüfer sich auf die Bemerkung beschränkt hatten, das Gesellschaftsinteresse sei nicht geschädigt worden9 • Durch diese Instrumente wird die C.O.B. in die Lage versetzt, eine außerordentlich strenge Kontrolle über die ihr unterworfenen Gesellschaften auszuüben. Es verwundert daher nicht, daß ihre Arbeit in der Praxis als sehr wirksam eingeschätzt wird. Man kann davon ausgehen, daß die L.Art. 101 ff., 143 ff. im Bereich der börsennotierten Gesellschaften ganz überwiegend befolgt werden.

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710 Gesellschaften am 30.6. 81 laut Auskunft C.O.B. Zum folgenden vgl. Art. 5 der Ord. vom 28. September 1967. C.O.B. Rapport 1980,281. Lamy soc. Tz 1236. C.O.B. Rapport 1980, 40.

Zweiter Teil

Bundesrepublik Deutschland Nachfolgend sollen die verschiedenen Instrumente (Verbote, Regelungen von Vertretungsbefugnis und Willensbildung, haftungsrechtliche Vorschriften) dargestellt werden, mit denen das deutsche Aktienrecht die Probleme der Interessenkonflikte von Verwaltungsmitgliedern zu lösen sucht.

A. Verbot von Verträgen Allgemeine Verbote von Geschäften wegen des Vorliegens eines Interessenkonflikts haben den Nachteil, daß sie regelmäßig über das angestrebte Ziel hinausschießen, weil damit auch für die Gesellschaft vorteilhafte Geschäfte unmöglich gemacht werden!. Dies muß schon deshalb unerwünscht sein, weil gerade in Krisenzeiten häufig nur die Organmitglieder oder die hinter ihnen stehenden Unternehmen zur Hilfeleistung bereit sind. Aus diesem Grunde kennt das deutsche Recht im Gegensatz zu den Ansätzen im französischen Recht kein allgemeines Verbot der genannten Art. Eine Ausnahme findet sich in § 5 KAGG. Danach können Mitglieder des Vorstandes (Geschäftsführer) oder des Aufsichtsrates einer Kapitalanlagegesellschaft keine Gegenstände des Sondervermögens von der Gesellschaft erwerben oder an diese veräußern, soweit diese für gemeinsame Rechnung der Anteilsinhaber tätig wird. Dieses Verbot wirkt sowohl schuldrechtlich als auch dinglich2• Ein gegen § 5 KAGG verstoßendes Rechtsgeschäft ist nichtig3, was sich aus § 134 BGB und dem Umkehrschluß aus § 8 Abs.7 KAGG ergibt, welcher für die dort aufgeführten Fälle gerade keine Nichtigkeit anordnet.

!

2 3

Großfeld Management Tz 142. Jürgen Baur § 5 Anm. 1. Steder in Investment-Handbuch 425 § 5 Rn 1.

78

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

B. Vertretungsrechtliche Regelungen I. Obertragung auf ein anderes Organ Abweichend von der grundsätzlichen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft sind für Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern der Aufsichtsrat und für die Festlegung der Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder die Hauptversammlung zuständig. 1. Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates bei Geschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern a) Allgemeines

Ein besonders deutlicher Fall einer Interessenkollision liegt dann vor, wenn ein Vorstandsmitglied ein Rechtsgeschäft mit seiner Gesellschaft abschließt. Würde es nämlich dabei die AG gemeinsam mit anderen Vorstandsmitgliedern (§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG) oder gar allein (§ 78 Abs.3 S.l AktG i.V.m. der Satzung) vertreten, so "väre auf beiden Seiten des Geschäfts die gleiche natürliche Person tätig, von der man nur ausnahmsweise erwarten könnte, daß sie ihre eigenen Interessen völlig zugunsten derer der Gesellschaft zurückstellt. Daher war schon nach § 247 HGB 1897 und § 97 AktG 1937 der Aufsichtsrat befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten und gegen diese die von der Hauptversammlung beschlossenen Rechtsstreitigkeiten zu führen. Diese Normen erwiesen sich jedoch in vielerlei Hinsicht als unbefriedigend. So konnte die AG bei Rechtsgeschäften mit einem ihrer Vorstandsmitglieder nicht nur durch den Restvorstand sowie Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte vertreten werden!, sondern auch durch das Vorstandsmitglied selbst, soweit ihm dieses gestattet war oder das Rechtsgeschäft in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestand (§ 181 BGB)2. Zur Erhebung einer Klage der AG gegen ein Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat war grundsätzlich3 ein entsprechender Beschluß der Hauptversammlung erforderlich. Im umgekehrten Fall der Klage eines Vorstandsmitgliedes gegen die Gesellschaft wurde eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrates ganz abgelehnt4• ! Schmidt I Meyer-Landrut in Großkomm z. AktG 1937 Anm.3; Schlegelberger I Quassowski § 97 Anm. 3. 2 BGH vom 11.7.1953 in LM § 75 AktG 1937. 3 Eine Ausnahme enthielt § 97 Abs. 2 AktG 1937 für den Fall, daß sich

Aufsichtsratsmitglieder durch die Unterlassung der Klage einer Sorgfaltspflichtverletzung schuldig machten. 4 RG JW 1907, 516; BGHZ 13, 188 (191); Schmidt I Meyer-Landrut in Großkomm. z. AktG 1937 § 97 Anm.8; v. Godin I Wilhelmi § 97 Anm. 5.

B. Vertretungsrechtliche Regelungen

79

Durch die Neufassung in § 112 AktG sind diese Streitfragen inzwischen erledigt worden. Bei der Lektüre der RegierungsbegründungS drängt sich allerdings der Eindruck auf, daß die Vorschrift weniger der Behandung von Interessenkonflikten als vielmehr der Lösung der spezifisch vertretungsrechtlichen Probleme dienen sollte, die sich insbesondere aus § 181 BGB und der Anordnung der Gesamtvertretung ergeben. Dem Aufsichtsrat kommt nunmehr eine ausschließliche Vertretungsmacht bei allen Rechtsgeschäften, Aktiv- und Passivprozessen zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern zu. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Hauptversammlung oder das zuständige Gericht nach § 147 Abs.3 AktG besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder bestellen. Fraglich bleibt die rechtliche Bewertung von Rechtsgeschäften, die unter Verstoß gegen § 112 AktG abgeschlossen werden. Da die §§ 177 ff. BGB auch auf die organschaftliche Vertretung ohne Vertretungsmacht angewendet werden können6 , hält ein Teil der Literatur solche Verträge für schwebend unwirksam, bis der Aufsichtsrat die Genehmigung erteilt oder ablehnt7 • Dabei wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß die §§ 177 ff. BGB dann nicht anwendbar sind, wenn für ein Rechtsgeschäft die Stellvertretung überhaupt ausgeschlossen ist8• Da der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG zwingend zuständig ist (§ 23 Abs. 5 AktG), insbesondere keine Vertretungsbefugnisse auf den Vorstand delegieren kann9 , kann ein Vorstandsmitglied bei einem Rechtsgeschäft mit sich selbst weder als Organwalter der Gesellschaft noch als Vertreter des zuständigen Aufsichtsrates tätig werden. Die §§ 177 ff. BGB greifen daher nicht ein, so daß als Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 112 AktG nur die Nichtigkeit des Geschäftes bleibt10• b) Umfang der Vertretungsmacht

§ 112 AktG betrifft Rechtsgeschäfte und gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen der Gesellschaft und einem wirksam bestellten und nicht abberufenen Vorstandsmitglied. Eine Beschränkung allein auf Abgedruckt bei Kropff S. 156. MünchKomm / Thiele § 177 Rn 4; Staudinger / Dilcher § 177 Rn 3. 7 So Baumbach / Hueck § 82 Anm. 5, Meyer-Giesow S. 149, U. Hübner S.250. 8 BGH LM § 177 Nr. 10, MünchKomm / Thiele § 177 Rn 3, Soergel / Leptien § 177 Rn 14. 9 Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 4 siehe auch § 111 Abs.5 AktG. 10 So im Ergebnis auch Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 5, JurA 1970 S.468 und Hejermehl in G/H/E/K § 78 Rn 87, die § 134 BGB anwenden; Meyer-Landrut in Großkomm. § 82 Anm.2, § 112 Anm. 1, Henn S.208. 5

6

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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diese Fälle würde jedoch dem aufgezeigten Sinn der Vorschrift widersprechen. Vielmehr führt der Aufsichtsrat auch die Verhandlungen mit den Personen, die für einen Vorstandsposten in Aussicht genommen werden l1 • Er ist weiterhin dann zuständig, wenn Streitigkeiten um die Wirksamkeit einer Bestellung12 , deren Widerruf 13 oder die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes l4 auftreten. Ihm obliegt ebenfalls die Beendigung eines faktischen Vorstandsverhältnisses l5 • Allerdings ist der Aufsichtsrat nicht für Rechtsgeschäfte oder Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern vertretungsbefugt, selbst wenn diese in engem Zusammenhang mit deren früheren Tätigkeiten stehen l6 • Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrates umfaßt nach dem Wortlaut des § 112 AktG alle Arten von gerichtlichen Rechtshandlungen der Gesellschaft gegenüber den genannten Personen17 • Fraglich ist aber, ob nicht für die ihrem Umfang nach wenig bedeutsamen Geschäfte des täglichen Lebens (Bezug von Waren und Dienstleistungen von der eigenen Gesellschaft) eine Ausnahme zu machen ist. Zwar läßt sich ein entsprechendes praktisches Bedürfnis nicht leugnen, doch sieht das Gesetz eine solche Ausnahme im Gegensatz zu L.Art. 102, 144 im französischen Recht nicht vor. Um dem praktischen Bedürfnis nach Vereinfachung entgegenzukommen, erscheint aber eine Bevollmächtigung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten durch Beschluß des Aufsichtsrates möglich, diesen bei eng abgegrenzten Geschäften des täglichen Lebens zwischen Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft zu vertreten l8 •

BGHZ 26, 236 (238) zum AktG 1937; Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 4. in Kölner Komm. § 112 Rn 8; Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm.1. 13 BGH, AG 1982, 18; Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 9; Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 5; Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm.1; Möhring / Tank Rz 238; BGHZ 13, 188 (191) ist insoweit überholt. 14 Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 8; Meyer-Landrut § 112 Anm. 1. 15 Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 8; Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 8; BGHZ 47, 341 (344) hielt aufgrund § 97 AktG 1937 daneben auch den Vorstand für vertretungsbefugt. 16 Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 7; Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 8; BGHZ 41,223 (227) für AktG 1937. 17 Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 10; Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 11; Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm. 1. 18 Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 12; Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm.2; Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 11 - Näheres zur Delegation von Aussichtsratsbefugnissen im folgenden. 11

12

Mertens

B. Vertretungsrechtliche Regelungen

81

c) Ausübung der Vertretungsmacht

aal Grundsatz der Gesamtvertretung Die Vertretungsmacht nach § 112 AktG steht nicht einzelnen Mitgliedern oder dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu, sondern sie liegt bei diesem Gremium als Organ. Es ist demnach Gesamtvertretung an geordnet19 • Schon in der Begründung des Regierungsentwurfes20 wurde darauf verwiesen, daß diese Grundform der gesetzlichen Regelung nicht immer zweckmäßig ist. Schon angesichts der möglichen Größe eines Aufsichtsrates von bis zu 21 Mitgliedern mag es häufig angemessener sein, die Erörterung und Beschlußfassung über Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern, welche meist auch deren privaten Bereich tangieren, auf kleinere Gremien zu verlagern, die einen höheren Grad von Vertraulichkeit gewährleisten. Laut Regierungsbegründung sollte diese schon nach altem Recht bestehende Möglichkeit erhalten bleiben. Im folgenden werden daher Art und Adressaten der Delegation untersucht, wobei zwischen der Bildung des rechtsgeschäftlichen Willens und der Ausführung dieses Beschlusses zu unterscheiden ist21 • bb) Delegation der Willensbildung Eine Übertragung der Befugnisse des Aufsichtsrates aus § 112 AktG auf andere Personen oder Gremien durch eine entsprechende Satzungsbestimmung scheitert gemäß § 23 Abs.5 S.l AktG daran, daß das Gesetz eine solche Ausnahme nicht vorsieht22 • Dagegen ist nach § 107 Abs. 3 AktG eine Überweisung durch Beschluß an einen Aufsichtsratsausschuß zur Entscheidung möglich. Es darf dabei keine der in § 107 Abs.3 S.2 AktG genannten Ausnahmen vorliegen, wobei hier besonders an die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern zu denken ist. Der Ausschuß muß mindestens 3 Mitglieder haben23 •

19 BGHZ 41, 282 (285); Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 20, Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm. 3. 20 Abgedruckt bei Kropff S. 156. 21 Meyer-Landrut in Großkomm. § 112 Anm.3; Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 19 f.; Möhring / Tank Rn 329; Heim AG 1970 S.191; kritisch Mertens in Kölner Komm. § 112 Rz 23. 22 OLG Frankfurt, AG 1975 S. 18; OLG Stuttgart, AG 1967 S.237; Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 16; a.A. Rowedder in Möhring-Schwartz S. 143, der sich auf die längst überholte Entscheidung RG JW 1928, 215 sowie die Begründung zu § 109 RegE bezieht, die aber auf eine Aussage zur Art der Delegation gänzlich verzichtet. 23 BGHZ 65, 190; Mertens in Kölner Komm. § 107 Rn 123.

6 Glesen

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

82

ce) Delegation der praktischen Ausführung Haben der Aufsichtsrat und sein zuständiger Ausschuß beschlossen, ein Rechtsgeschäft mit einem Vorstandsmitglied abzuschließen, so muß diese Entscheidung durch Abgabe von Willenserklärungen und Vornahme von Handlungen rechtsgestaltend nach außen umgesetzt werden. Der Wortlaut des § 112 AktG läßt vermuten, daß dann alle Mitglieder des Aufsichtsrates oder seines Ausschusses tätig werden. Sie alle müßten dann z. B. das Vertragsformular unterzeichnen oder eine Auflassungserklärung vor dem Notar abgeben. Es besteht Einigkeit in Literatur und Rechtsprechung, daß eine solchermaßen unpraktikable und lebensfremde Auslegung des § 112 AktG nicht zutreffend sein kann. Zwar ist der Aufsichtsratsvorsitzende nicht schon kraft Amtes zur praktischen Ausführung der Vertretungshandlung berufen, da gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat als Organ die Gesellschaft vertritt24 • Doch wird eine entsprechende Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden durch Beschluß für zulässig erachtet, die bei Vorliegen besonderer Umstände schon in der Entscheidung des Aufsichtsrates über das Geschäft gesehen werden kann2S • Gleiches kann durch die Satzung angeordnet werden, was als ergänzende Bestimmung im Sinne des § 23 Abs. 5 S. 2 AktG zu werten ist, da es allein um die Ausführung von Beschlüssen des Aufsichtsrates geht, so daß dessen Entscheidungsbefugnis nicht beschränkt wird26 • d) Zusammenfassung

Der Aufsichtsrat übt die ihm aus § 112 AktG zukommende Vertretungsmacht grundsätzlich im Wege der Gesamtvertretung aus. Die Entscheidung über die Vornahme eines Rechtsgeschäftes darf er an einen mit mindestens drei Mitgliedern aus den eigenen Reihen besetzten Ausschuß delegieren. Die Ausführung kann durch Beschluß oder Satzung einem Mitglied des Aufsichtsrates (in der Regel seinem Vorsitzenden) übertragen werden.

BGHZ 41, 282 (285); a.A. Pöschl S. 804. Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 22; Mertens in Kölner Komm. § 112 Rn 24; Heim AG 1967,4 und 1970, 191; A. Hueck, FS Bötticher S. 199. 26 Geßler in G/H/E/K § 112 Rn 17; Heim a.a.O.; Rowedder in Möhring / Schwartz S. 143 f.; § 18 11 der Mustersatzung bei Lehmann / Heinsius S.81, 24

2S

wo in Fn 9 darauf hingewiesen wird, daß immer ein Aufsichtsratsbeschluß vorangegangen sein muß; a.A. Möhring / Tank Rn 329 und A. Hueck, FS Bötticher S. 199.

B. Vertretungs rechtliche Regelungen

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2. Festlegung der Aufsichtsratsvergütungen durch die Hauptversammlung

Die Mitglieder des Aufsichtsrates haben ohne weiteres Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen, soweit sie solche nach den Umständen für erforderlich halten durften (§§ 675,670 BGB). Darüber hinaus wird ihnen üblicherweise von der Gesellschaft eine Vergütung gewährt, was durch § 113 Abs. 1 S. 1 AktG ausdrücklich zugelassen wird. Allerdings besteht die Gefahr, daß die Gesellschaft durch Festsetzung überhöhter Vergütungen geschädigt wird. Das Gesetz begegnet dem durch Kompetenzregelungen und Vorschriften über die Höhe der Vergütung. a) Festsetzung durch die Hauptversammlung

Die übertragung dieser Befugnis an den Aufsichtsrat wäre untunlich, da dieser dann in eigener Angelegenheit entscheiden müßte. Aber auch der Vorstand ist dafür kein geeignetes Organ, da der Aufsichtsrat von ihm abhängig werden könnte, was angesichts seiner Kontroll- und überwachungsfunktion gerade verhindert werden soll. Daher weist § 113 Abs. 1 AktG (insoweit übereinstimmend mit § 98 AktG 1937) diese Kompetenz der Hauptversammlung zu, die sie durch Beschluß oder Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die Satzung ausüben kann. Die Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines Aufsichtsratsmitgliedes ergibt sich dann aus seinem Anstellungsverhältnis mit der Gesellschaft. Ob man dieses mit der Rechtsprechung und h.L. als Vertragsverhältnis27 oder wie Mertens28 als ein allein durch Gesetz und Satzung ausgestaltetes schuldrechtliches Verhältnis versteht, spielt hier keine Rolle, da jedenfalls die Vergütung einseitig von der Hauptversammlung festgelegt wird. Das gewählte Aufsichtsratsmitglied hat diesbezüglich keinen Verhandlungsspielraum; es könnte lediglich die Annahme der Bestellung verweigern. Umstritten ist weiterhin, ob es ausreicht, daß die Hauptversammlung eine Gesamtvergütung für den Aufsichtsrat bestimmt, die Verteilung auf die einzelnen Mitglieder aber diesem überläßt. Dagegen bestehen insoweit keine Bedenken, als dem Aufsichtsrat oder seinem Vorsitzenden allein die technische Abwicklung der Verteilung entsprechend Kopfzahl, Funktion (üblich sind der doppelte Satz für den Vorsitzenden, der anderthalbfache für seinen Stellvertreter) und Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat im Laufe des Geschäftsjahres überlassen wird, soweit die dazu erforderlichen Regelungen in der Satzung oder dem HV-Beschluß enthalten sind. 27 28

Baumbach / Hueck § 101 Rn 7 m.w.N. Kölner Komm. § 113 Rn 5, § 101 Rn 5, 8.

84

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Weitergehend wird angenommen, daß die Verteilung der Gesamtvergütung auch dem Aufsichtsrat oder seinem Vorsitzenden nach eigenem Ermessen überlassen werden könne29 • Letzteres erscheint schon im Hinblick auf § 108 Abs.1 AktG unhaltbar. Auch die Einräumung eines Ermessens an den Aufsichtsrat insgesamt begegnet erheblichen Bedenken. Denn dieser würde gegenüber seinen einzelnen Mitgliedern als Vertreter der Gesellschaft auftreten, was gegen die zwingenden Regelungen der §§ 113, 78, 112 AktG verstoßen würde. Danach soll kein Organ in eigener Sache entscheiden dürfen. Ein weiteres Argument liefert der Wortlaut von § 113 Abs.1 AktG, wo von der Vergütung "der Aufsichtsratsmitglieder" und nicht des Aufsichtsrates die Rede ist. Die Festsetzung einer Gesamtvergütung ist daher nur zulässig, wenn die Kriterien für die Verteilung auf die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder so genau festliegen, daß dem Aufsichtsrat kein eigener Spielraum verbleibt30• Die davon weitgehend abweichende Handhabung in der Praxis braucht aber unter dem hier untersuchten Aspekt der Interessenkollision keine Sorgen hervorzurufen, da eine Benachteiligung der Gesellschaft deshalb ausscheidet, weil ihre Belastung von vornherein feststeht. b) Höhe der Vergütung

Nach § 113 Abs.1 S.3 AktG soll die Vergütung, die sich aus den in § 87 Abs.1 S.l AktG genannten Bestandteilen zusammensetzen kann,

in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Aufsichtsratsmitgliedes und zur Lage der Gesellschaft stehen. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift erscheint zweifelhaft. Vergleichsmaßstab kann wohl am ehesten die von anderen Gesellschaften gezahlte Vergütung sein3!. Ein Hauptversammlungsbeschluß, der eine zu hohe Vergütung bestimmt, unterliegt der Anfechtung32. Ist die Festsetzung in einer Satzung enthalten, so kann das Registergericht deren Eintragung ablehnen. Da aber die Angemessenheit der Vergütung von Jahr zu Jahr für jedes Mitglied unterschiedlich zu beurteilen sein kann, wird dies nur bei ganz offenkundigen Verstößen der Fall sein33 .

29 v. Godin / Wilhelmi § 113 Anrn.2; Meyer-Landrut in Großkomm. § 113 Anm. 11; § 19 S.2 der Mustersatzung bei Lehmann / Heinsius S. 83 und § 14 II der Satzung der Deutsche Bank AG. 30 So im Ergebnis auch Mertens in Kölner Komm. § 113 Rn 26. 3! Mertens in Kölner Komm. § 113 Rn 8. 32 LG Mannheim, AG 1967,83. 33 Mertens in Kölner Komm. § 113 Rn 27.

B. Vertretungs rechtliche Regelungen

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11. Ausschluß interessierter Personen von der Vertretung (§ 181 BGB) Auch § 181 BGB dient der Regelung von Interessenkonflikten34, wobei das Handeln der Organe von juristischen Personen eingeschlossen ist35 • Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift im Aktienrecht aufgrund der bereits dargestellten Sonderregelungen sehr begrenzt. Sie ist letztlich nur für die Mehrvertretung von Bedeutung, welche dann vorliegt, wenn eine Person als Vertreter eines anderen ein Rechtsgeschäft mit sich selbst als Vertreter eines Dritten vornimmt. Dies gilt auch dann, wenn ein Vorstandsmitglied, welches als Vertreter eines Dritten tätig wird, die Gesellschaft nur gemeinschaftlich mit weiteren Vorstandsmitgliedern vertritt36• Denn die für die Anwendung des § 181 BGB vorausgesetzte Personengleichheit auf beiden Seiten wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß zusätzlich weitere Gesamtvertreter mitwirken. § 181 BGB ist auch auf die Ermächtigung eines gesamtvertretungsberechtigten Organmitglieds zur Alleinvertretung anzuwenden37 • Entsprechendes muß für die Bestellung eines Untervertreters durch das Organmitglied gelten38 • Für die Einzelheiten dieser umstrittenen Fragen wird wegen ihrer geringen Bedeutung im hier gegebenen Zusammenhang auf die Spezialliteratur verwiesen. Auch bei der Mehrvertretung entfällt das Kontrahierungsverbot dann, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht oder wenn beide Vertretenen es gestattet haben (§ 181 2. HS BGB). Eine gesetzliche Gestattung kann nicht schon in § 78 Abs. 4 AktG gesehen werden. Zwar kommt insoweit eine entsprechende Satzungsbestimmung in Betracht39 , doch wird man diesen Weg wegen des erheblichen Risikos nur sehr selten beschreiten. Bedeutsamer ist daher die Gestattung im Einzelfall. Sie kann nur durch das für die Bestellung zuständige Organ40, hier also den Aufsichtsrat, erteilt Protokolle I, S. 352 ff.; Flume § 48, 1 und 3. BGHZ 33, 189 (190); U. Hübner S. 74 f. 36 RGZ 89, 367 (373); Staudinger I Dilcher § 181 Rz 17; Soergell Leptien § 181 Rz20. 37 Reinicke S. 1185 ff.; U. Hübner S.238; Plander S. 1493; Enneccerus I Nipperdey § 181 III 2 Fn 23; a.A. BGHZ 64, 72 und Soergell Leptien § 181 Rn 21. 38 Hefermehl in G/H/E/K § 78 Rn 93; MünchKomm / Thiele § 181 Rn 23 f.; Soergell Leptien § 181 Rn 28; U. Hübner S. 190, der eine Entlastung im Einzelfall durch den Nachweis für möglich hält, daß das Geschäft interessengerecht ist. 39 RGZ 80, 180 (183); 103, 147 (148); Soergel/ Leptien § 181 Rn 34; MünchKomm / Thiele § 181 Rn 45 allg. für juristische Personen; U. Hübner S.251 für die AG. 40 BGHZ 33, 189 (192); BGH NJW 1976, 1537 (1538); BFH WM 1975, 456 (457); MünchKomm / Thiele § 181 Rn 45; Soergel / Leptien § 181 Rn 34. 34

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

werden41 • Ein unter Verstoß gegen § 181 BGB abgeschlossenes Rechtsgeschäft ist solange schwebend unwirksam, bis es von den beiden Vertretenen genehmigt ist42 • Abschließend soll noch erwähnt werden, daß die Bedeutung von § 181 BGB für den hier untersuchten Bereich nicht nur durch die besondere Vertretungsregelung des § 112 AktG geschmälert wird. Der Abschluß von wichtigeren Rechtsgeschäften setzt nämlich meist eine Entscheidung des Vorstandes voraus. Kommt ein solcher Beschluß zustande, so wird er regelmäßig in die Praxis umgesetzt. Daher sind Regelungen, die auf der Ebene der kollektiven Willensbildung ansetzen, letztlich bedeutsamer als solche, die nur die vertretungstechnische Ausführung betreffen. III. Treuwidriges Verhalten des Vertreters Neben den bisher dargestellten formalen Mechanismen kann zum Schutz der Gesellschaft auch auf den Inhalt des von einem Organver..., treter abgeschlossenen Rechtsgeschäftes abgestellt werden. Selbst- oder Fremdbegünstigung durch den Organvertreter können dazu führen, daß das betreffende Geschäft nichtig ist oder daß der verpflichteten Gesellschaft eine Einrede gegen daraus geltend gemachte Ansprüche zusteht. 1. Kollusion Bei bewußtem und gewolltem Zusammenwirken des organschaftlichen Vertreters mit einem Dritten zum Nachteil der Gesellschaft ist das Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs.1 BGB nichtig, was die Gesellschaft ihrem Vertragspartner als Einrede entgegenhalten kann43 • Außerdem machen sich sowohl das Vorstandsmitglied als auch der Geschäftspartner nach §§ 826,840 BGB schadensersatzpflichtig. 2. Mißbrauch der Vertretungsmacht Die vertretene Gesellschaft ist aber auch dann schutzbedürftig, wenn es an einem derartigen Zusammenwirken der beteiligten Personen fehlt oder dieses nicht nachweisbar ist, wenn sich also nur ihr Vertreter unkorrekt verhält. Die hierfür entwickelten Grundsätze über den Mißbrauch der Vertretungsmacht sind im Aktienrecht allerdings nur in modifizierter Weise anwendbar, da die Vertretungsmacht der 41 Hefermehl in G/H/E/K § 78 Rn 94; Meyer-Landrut in Großkomm. § 78 Anm.22; U. Hübner S.251. 42 Allg. Meinung: Staudinger I Dilcher § 181 Rn 30 m.w.N. 43 MünchKomm / Thiele § 164 Rn 113 m.w.N.; Flume § 45 11 3; Mertens in Kölner Komm. § 82 Rn 16; Hefermehl in G/H/E/K § 82 Rn 39.

B. Vertretungsrechtliche Regelungen

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Vorstandsmitglieder nach § 78 AktG unbeschränkt und unbeschränkbar ist. Die Lösung der daraus resultierenden Probleme muß sich sinnvol1crweise aus der Einbettung in das Gesamtsystem des deutschen Vertretungsrechts ergeben. Dieses sowie die daraus hergeleiteten Mißbrauchs regeln bei der rechtsgeschäftlichen Vollmacht sollen zunächst skizziert werden (im folgenden unter a. und b.), bevor (unter c.) eine Lösung für den Mißbrauch der organschaftlichen Vertretungsmacht versucht wird. a) Einführung in die Problematik

Das deutsche bürgerliche Recht trennt scharf zwischen der Vertretungsmacht und dem ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Vertretungsmacht als Legitimation44 bedeutet die Fähigkeit, mit Wirkung für den Vertretenen rechts geschäftliche Regelungen treffen zu können. Sie kann grundsätzlich in der Weise inhaltlich beschränkt sein, daß nur solche Geschäfte gegen den Vertretenen wirken, die sich inhaltlich im Rahmen der Beschränkung bewegen. Die organschaftliche Vertretungsmacht bei den juristischen Personen des Handelsrechts ist dagegen nicht beschränkbar4s • Der Vertretene ist deshalb aber nicht der Willkür seines Vertreters ausgeliefert. Vielmehr besteht zwischen beiden eine interne Pflichtbindung durch das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, welches das rechtliche Dürfen bestimmt. Dies hat allerdings grundsätzlich keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Vertretungsmacht, so daß der Vertreter Geschäfte mit Wirkung für den Vertretenen vornehmen kann, obwohl er es nicht darf. Mit dieser Abstraktion bekennt sich das deutsche Recht zu den Erfordernissen des Verkehrsschutzes und der Praktikabilität, da der Rechtsverkehr sonst regelmäßig die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Geschäftspartner und dessen Vertreter in ihrer Gesamtheit überprüfen müßte, was weder möglich noch wünschenswert wäre. Dies gilt in besonderem Maße für den Handelsverkehr, den Laband46 deshalb zum Ausgangspunkt seiner grundlegenden überlegungen gewählt hatte. Der Schutz des Vertragspartners zu Lasten des Vertretenen erscheint deshalb interessengerecht, weil der Geschäftsherr durch die Begründung der Vertretungsmacht deren Umfang und die Person des Vertreters bestimmt hat. Die Motive zum BGB messen daher der Mißbrauchsproblematik keinerlei Bedeutung ZU47 • Dagegen besteht in Rechtsprechung und Litera44

Laband S. 240; Flume § 45 II 1 S.784.

§§ 74 Abs.2 AktG, 37 Abs. 2 S. 1 GmbHG, 27 Abs.2 S. 1 GenG; auch § 126 Abs.2 HGB. 46 S. 183 ff. 47 Schott S. 386; Flume § 45 II 3 S.788. 4S

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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tur Einigkeit darüber, daß der aufgezeigte Interessenkonflikt in den Fällen anders gelöst werden muß, in denen der Verkehrsschutz die rechtliche Trennung von Vertretungsmacht und interner Pflichtbindung nicht erfordert. Die Einzelheiten sind allerdings bis heute umstritten.

b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Auf Seiten des rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters begründet jedes Handeln gegen die Weisungen und Bindungen im Innenverhältnis einen Mißbrauch, ohne daß es darauf ankommt, ob er bewußt pflichtwidrig handelt48 • Bezüglich der an den Geschäftspartner zu stellenden Anforderungen besteht Einigkeit, daß jedenfalls Kenntnis des Mißbrauchs die Berufung auf die bestehende Vertretungsmacht ausschließt49 • Fehlt es an dieser Kenntnis, so muß der Vertreter "in ersichtlich verdächtiger Weise" von seiner Vertretungsmacht Gebrauch gemacht haben. Die daraus entstehende Informationspflicht des Geschäftspartners müßte dieser fahrlässig 50 oder grob fahrlässig51 verletzt haben. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen versagt die überwiegende Literatur in übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung dem Geschäftspartner die Berufung auf die Vertretungsmacht als unzulässige Rechtsau.sübung im Sinne des § 242 BGB52. Auf der Grundlage dieses überblicks soll nun eine Lösung für den Bereich der organschaftlichen Vertretungsmacht versucht werden, in dem leicht abweichende Regeln gelten. c) Organschaftliche Vertretungsmacht gemäß § 78 AktG

Es soll danach unterschieden werden, ob die Vertreter der Gesellschaft allein Beschränkungen aus dem Innenverhältni.s mißachten oder ob sie darüber hinaus bewußt zum Nachteil der Gesellschaft handeln. aal Beschränkungswidriges Handeln des Vorstandes Selbst- oder fremdbegünstigende Rechtsgeschäfte, die Vorstandsmitglieder zu Lasten der Gesellschaft abschließen, überschreiten im Regel48

BGH NJW 1966, 1911; MünchKomm/ Thiele § 164 Rn 118 m.w.N.; a.A.

Soergell Leptien § 177 Rn 17 m.w.N. 49 Staudinger I Dilcher § 167 Rn 97 m.w.N.

50 So RG und BGH in ständiger Rechtsprechung, BGHZ 50, 112 (114), BGH WM 1976,632 (633); Tank NJW 1969, 11. 51 Enneccerus / Nipperdey § 183 I 5 Fn 25; Soergell Leptien § 177 Rz 18; MünchKomm / Thiele § 164 Rn 121. 52 Staudinger / Dilcher § 167 Rn 101; Soergell Leptien § 177 Rn 15; Mertens JurA 1970, 477; Fischer FS Schilling S. 11 ff.; Schott S.394; a.A. Kipp S.287, Flume § 45 11 I S.789, welche Entfallen der Legitimation des Vertreters annehmen, der somit gemäß §§ 177 ff. BGB zu behandeln sei.

B. Vertretungsrechtliche Regelungen

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fall ihre Geschäjtsjührungsbejugnis. Diese unterliegt nämlich weitgehenden Begrenzungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die Satzung und Regelungen der Geschäftsordnung. Gegenüber der Gesellschaft sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, alle diese Beschränkungen einzuhalten (§ 82 Abs. 2 AktG). Die Vertretungsmacht des Vorstandes ist dagegen unbeschränkt (§ 78 Abs. 1 AktG) und unbeschränkbar (§ 82 Abs. 1 AktG). Damit wird der Geschäftspartner der Notwendigkeit enthoben, den Umfang der Vertretungsmacht zu überprüfen. Die gesetzliche Abwägung der Interessen der Gesellschaft und ihrer Geschäftspartner fällt grundsätzlich zugunsten der Letzteren ausS3 • Der Geschäftspartner braucht demnach nicht nachzuprüfen, ob der Vorstand im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnisse handelt oder nicht. Entgegen der Ansicht von Geßler54 schadet ihm noch nicht einmal positive Kenntnis davon, daß sich der Vertreter beschränkungswidrig verhält55 • Dieser mag nämlich für sein Vorgehen gute Gründe haben, die zu einer Genehmigung im Innenverhältnis durch die dafür zuständigen Organe führen können. Der Geschäftspartner hat nicht nur keine dahingehende Nachprüfungspflicht (dann könnte ihm positive Kenntnis tatsächlich schaden), er braucht sich vielmehr um die internen Verhältnisse der Gesellschaft überhaupt nicht zu kümmern. Allein diese Lösung entspricht der aufgezeigten gesetzlichen Wertung. bb) Bewußtes Handeln zum Nachteil der Gesellschaft Etwas anderes muß aber gelten, wenn ein organschaftlicher Vertreter bewußt zum Nachteil der Gesellschaft handelt. Diese ist dann nämlich wesentlich schutzwürdiger als in dem Fall, in dem der Vertreter nur beschränkungswidrig handelt. Unredliche Geschäfte fallen nicht in den Schutzbereich der organschaftlichen Vertretungsmacht, die allein auf den redlichen Geschäftsverkehr zielt56• Da aber die Gefahr besteht, daß auf diesem Wege die institutionelle Ausformung der organschaftlichen Vertretungsmacht insgesamt in Frage gestellt wirds7, ist bei der Abwägung große Behutsamkeit geboten. Unproblematisch ist dabei der Fall, daß der Geschäftspartner das bewußte Handeln des Vertreters zum Nachteil der Gesellschaft kennt. Ihm kann die Gesellschaft nach ganz allgemeiner Ansicht die Einrede der Arglist entgegenhaltens8 • S3 Siehe dazu die Begründung des RegE bei Kropf! S. 103; BGH WM 1976, 658 (659). 54 FS v. Caemmerer S. 534. ss Mertens in Kölner Komm. § 82 Rn 15; Hefennehl in G/H/E/K § 82 Rn 40; Meyer-Landrut in Großkomm. § 82 Anm. 8; Fischer FS Schilling S.20; Tank S. 10; Schott S.398. 56 Geßler FS v. Caemmerer S. 536. S7 Heinz Hübner FS Klingsmüller S. 177 zur Prokura.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Fraglich ist, ob dem Vertragspartner auch bei Fehlen dieser Kenntnis versagt werden kann, sich auf die Vertretungsmacht zu berufen. Dies wird von einem Teil der Literatur>9 dann angenommen, wenn der Geschäftspartner bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen mußte, daß der Vertreter bewußt zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt hat. Es wird damit schon leichte Fahrlässigkeit des Geschäftspartners für ausreichend erachtet. Angesichts des besonderen Vertrauenstatbestandes, den die Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht schafft, erscheint diese Anforderung an den Vertragspartner zu streng, weshalb andere Autoren grobe Fahrlässigkeit für erforderlich halten60 • Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch der Bundesgerichtshof angenähert61, der die Bedenken "nicht von der Hand weisen" wollte, daß die bisherige Rechtsprechung allzu leicht eine Prüfungspflicht des Geschäftspartners angenommen habe, durch die der Vertretene entgegen Sinn und Zweck der gesetzlich festumrissenen Vertretungsmacht von der Gefahr des Mißbrauches entlastet werde. Aber auch die sich daraus ergebende Gleichstellung von Kenntnis und grob fahrlässiger Unkenntnis des Mißbrauchs vermag nicht zu befriedigen. Zwar findet sich eine gleichartige Bewertung in einer Reihe von gesetzlichen Vorschriften (§§ 932, 1207 BGB, 366 HGB), doch fehlt eine entsprechende Anordnung bei den Vorschriften über die organschaftliche Vertretungsmacht. Auch ein Analogieschluß scheidet aus, da es in den genannten Fällen gerade an der Berechtigung des Verfügenden fehlt, während hier die organschaftliche Vertretungsmacht besteht. Außerdem wird unabhängig von dem Grad der Fahrlässigkeit notwendigerweise eine Pflichtverletzung vorausgesetzt. WaB für eine Pflicht soll das aber sein? Teilweise wird angenommen, daß den Geschäftspartner eine Prüfungspflicht treffe62 • Da aber übereinstimmung darüber besteht, daß die gesetzliche Ausformung der organschaftlichen Vertretungsmacht eine Prüfungspflicht ausschließt63, läßt sich kaum begründen, warum diese trotzdem bestehen soll. Es kann nicht überzeugen, wenn zu einer angeblichen "Verletzung der Sorgfalt in eigenen 58 Geßler a.a.O. S.536; Fischer FS Schilling S.21; Flume § 4511 3 S.791; Mertens in Kölner Komm. § 82 Rn 15; Hefermehl in G/H/E/K § 82 Rn 41. 59 Mertens JurA S.473; Kölner Komm. § 82 Rn 15; Baumbach / Hueck § 82 Anm. 13; Meyer-Landrut in Großkomm. § 82 Anm.8; v. Godin I Wilhelmi § 82

Anm.4 unter Bezugnahme auf BGHZ 15, 112, welche einen Fall von Prokuramißbrauch behandelt. 60 Fischer FS Schilling S.21; Hefermehl in G/H/E/K § 82 Rn 41; Enneccerus I Nipperdey § 183 Fn 25; Soergell Leptien § 177 Rn 18; RGRK I Steifen § 167 Rn 24; Heinz Hübner S. 175 f. 61 WM 1966, 491. 62 Hefermehl in G/H/E/K § 82 Rn41; Mertens in Kölner Komm. § 82 Rn 17. 63 So ausdrücklich Hefermehl a.a.O.; BGH WM 1966, 491.

B. Vertretungs rechtliche Regelungen

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Angelegenheiten"64 oder zu einer an Treu und Glauben orientierten Interessenabwägung65 Zuflucht genommen wird. Auch sollte nicht vergessen werden, daß unabhängig von dem Vorliegen eines Mißbrauchs eine erhebliche Belastung der Geschäftsbeziehungen zu der Gesellschaft zu befürchten ist, wenn der Geschäftspartner ihr gegenüber schon bei Vorhandensein eines leichten Verdachtes Erkundigungen einziehen müßte. Dem Geschäftspartner wäre dann eher zu raten, von dem Geschäft überhaupt Abstand zu nehmen. Trotz dieser Bedenken gegen das Fahrlässigkeitskriterium besteht jedenfalls darüber Einigkeit, daß nicht nur das Wissen des Geschäftspartners um den Mißbrauch die Berufung auf die Vertretungsmacht ausschließen darf. Unter prozessualen Gesichtspunkten spricht dafür schon, daß die Kenntnis eines Sachverhalts nur schwer zu beweisen ist ll6 • Die angestrebte Lösung darf aber nicht auf Umwegen eine Prüfungsoder Sorgfaltspflicht des Dritten einführen, durch welche die Unbeschränktheit und Abstraktheit der organschaftlichen Vertretungsmacht wieder aufgehoben wird. Zu diesem Zweck bietet sich das von Flume67 vorgeschlagene Kriterium der Evidenz des Mißbrauches an. Diese liegt dann vor, wenn ein "reasonable man" den Mißbrauch erkennen oder ihm das Verhalten des Vertreters doch so fragwürdig erscheinen würde, daß er sich auf das Geschäft nicht einlassen würde68. Es wird also objektiv auf den Erklärungstatbestand, nicht subjektiv auf die tatsächliche Erkenntnis des Vertragspartners abgestellt. Die Parallele zur Auslegung von Willenserklärungen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ist deutlich69 . Diese Offensichtlichkeit ist nicht mit dem "Kennenmüssen" i.S.d. Fahrlässigkeit zu verwechseln, da der Geschäftspartner nicht nachforschen muß70. Er soll lediglich seine Augen aufmachen71 . Was jedem anderen an seiner Stelle bewußt wäre, muß auch er sich entgegenhalten lassen. Nur in diesem Fall ist er entgegen der gesetzlichen Zuweisung des Mißbrauchs risikos an die vertretene Gesellschaft nicht schutzwürdig. HejennehZ a.a.O. Fischer S. 20 f.; BGH WM 1966, 491 (492). 66 FZume § 45 II 3 S.789; GeßZer FS v. Caemmerer S. 544. 67 § 45 II 3 S. 789 f. 68 Dem folgen GeßZer FS v. Caemmerer S.543; Schott S. 397 f.; Larenz AT § 30 II a S. 586 f.; Fratz S.621; man beachte auch die sehr ähnliche Formulie64

65

rung von BGH WM 1966, 491, wo ein Gebrauchmachen in "ersichtlich verdächtiger Weise" verlangt wird. Allerdings operiert der BGH dort noch mit einer prüfungspfiicht. 69 GeßZer FS v. Caemmerer S. 544. 70 Larenz § 30 II a S. 586 f. 71 Frotz S.621; ganz ähnlich Jüngst S.83, der auf "sich geradezu aufdrängenden Verdacht" abstellt.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland cc) Ergebnis

Eine mißbräuchliche Ausübung organschaftlicher Vertretungsmacht kann die Aktiengesellschaft ihrem Geschäftspartner einredeweise entgegenhalten, wenn ihr Vorstand bewußt zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt und der Geschäftspartner dies gewußt hat oder der Mißbrauch offensichtlich war. Daß damit nur ein geringer Schutz für die Gesellschaft erreicht weden kann, steht außer Frage. Doch wird allein diese Lösung der gesetzlichen Regelung und den ihr zugrundeliegenden Erfordernissen des Schutzes des Handelsverkehrs gerecht.

C. Kontrolle durch Mitwirkung des Aufsichtsrates Der Schutz der Gesellschaft vor einer Benachteiligung im Interessenkonflikt wird nach dem bisherigen Ergebnis im wesentlichen durch die Verteilung der Kompetenzen auf Vorstand und Aufsichtsrat, in geringerem Maße durch die weiteren vertretungsrechtlichen Instrumente erreicht. Ergänzend ist bei einer Reihe von Geschäften erforderlich, daß neben dem Bestehen der Vertretungsmacht des handelnden Organs auch die Zustimmung des Aufsichtsrates vorliegt. I. Kredite an Vorstandsmitglieder Schon § 80 AktG 1937 hatte Kredite der Gesellschaft an Vorstandmitglieder und ihnen nahestehende Personen der Zustimmung des Aufsichtsrates unterworfen, um zu verhindern, daß sich Vorstandsmitglieder kraft ihrer Vertretungsmacht gegenseitig Gesellschaftskredite gewähren!. Außerdem waren die leitenden Angestellten wegen ihrer häufig außerordentlichen Machtfülle einbezogen worden. Zwar drohen heute der Aktiengesellschaft von derartigen Geschäften geringere Gefahren, da gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat für den Abschluß von Verträgen mit Vorstandsmitgliedern zuständig ist. Um aber Mißbräuchen vorzubeugen2 und auch Kreditgeschäfte mit leitenden Angestellten und Familienangehörigen erfassen zu können, wurde die alte Regelung mit gewissen Modifizierungen auch im Aktiengesetz von 1965 beibehalten und darüber hinaus sinngemäß auf die Aufsichtsratsmitglieder übertragen (§ 115 AktG). Forderungen aus den betreffenden Rechtsgeschäften sind in der Jahresbilanz gesondert auszuweisen (§ 151 Abs. 1 III Ziff. 11 a AktG). 1 2

Schlegelberger I Quassowski § 80 Rn 1. Siehe Begründung des RegE bei Kropf! S. 113.

C. Kontrolle durch Mitwirkung des Aufsichtsrates

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1. Begriff der Kreditgewährung

Um dem Schutzzweck gerecht zu werden, ist der wirtschaftliche Begriff des Kredits weit auszulegen, so daß darunter nicht nur Darlehen, Waren-, Wechsel- und Kontokorrentkredite, sondern auch Stundungen, Bürgschaften, Garantien und ähnliche Sicherungen zu verstehen sind3 • Ausdrücklich nennt § 98 Abs. 1 S. 4 AktG die Gestattung von Entnahmen, insbesondere von Vorschüssen auf Bezüge. Allerdings ist auch die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen, weshalb die Zahlung von Reisekostenvorschüssen oder eine im Rahmen des üblichen liegende Anzahlung von Waren nicht unter das Zustimmungserfordernis fallen4• Gemäß § 89 Abs. 1 S. 5 AktG werden nur solche Kredite erfaßt, die ein Monatsgehalt übersteigen. Maßgeblich ist das Bruttogehalt vor Abzug von Steuern und Versicherungen zuzüglich eines Zwölftels einer garantierten Mindesttantieme und eines 13. Gehaltes. Diese Freigrenze, welche unnötigen Verwaltungsaufwand vermeiden soll, wird von Mertens5 als zu niedrig kritisiert. 2. Betroffene Personen und Gesellschaften

Gemäß § 89 Abs.1 AktG wird zunächst die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder der Gesellschaft erfaßt, wobei unerheblich ist, ob es sich um ordentliche oder stellvertretende, gemäß § 105 Abs. 2 AktG entsandte oder gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder handelt. Durch Abs. 2 S. 1 werden die Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigten einbezogen. Um auch im Konzernbereich einen wirksamen Schutz der Gesellschaft zu gewährleisten, bedürfen weiterhin solche Kredite der Zustimmung des Aufsichtsrates, die den gesetzlichen Vertretern, Prokuristen oder Generalhandlungsbevollmächtigten eines abhängigen Unternehmens gewährt werden (§ 89 Abs.2 S.2 AktG) , ohne daß dieses die Rechtsform einer Aktiengesellschaft haben muß. Umgekehrt darf eine abhängige Aktiengesellschaft Kredite an gesetzliche Vertreter, Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte des herrschenden Unternehmens nur dann gewähren, wenn dessen Aufsichtsrat zugestimmt hat. Verfügt das herrschende Unternehmen, das ebenfalls keine Aktiengesellschaft zu sein braucht, nicht über einen Aufsichtsrat, so hat das Organ zuzustimmen, welches die Geschäftsführung überwacht6. 3 4

v. Godin / Wilhelmi § 89 Anm.2. Mertens in Kölner Komm. § 89 Rn 9; Meyer-Landrut in Großkomm. § 89

Anm.7. 5 Kölner Komm. § 89 Rn 10. 6 Siehe Begründung des RegE bei Kropf! S. 114; Meyer-Landrut in Großkomm. § 89 Anm.3.

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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In allen genannten Fällen sollen Umgehungen dadurch verhindert werden, daß die Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 89 Abs.3 S. 1 AktG auch dann erforderlich ist, wenn der Kredit dem Ehegatten oder minderjährigen Kind einer der oben genannten Personen gewährt wird. Desgleichen gilt gemäß § 89 Abs. 3 S. 2 AktG bei Einschaltung eines Strohmannes, der für Rechnung einer dieser Personen einschließlich der Ehegatten und minderjährigen Kinder handelt. Eine Erweiterung gegenüber dem Aktiengesetz von 1937 enthält Abs.4, welcher das Zustimmungserfordernis auf weitere mittelbare Interessenkonflikte ausdehnt. Ist nämlich ein Vorstandsmitglied, Prokurist oder Generalhandlungsbevollmächtigter zugleich gesetzlicher Vertreter oder Mitglied des Aufsichtsrates einer anderen juristischen Person oder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, so besteht das Zustimmungserfordernis auch für Kredite an die juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft. Damit soll verhindert werden, daß eine an die Zustimmung gebundene Person Kredite der eigenen Gesellschaft einem Unternehmen zukommen läßt, an dem die Person selbst ein eigenes Interesse hat7 • Um einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Geschäftsverkehrs entgegenzuwirken, sind Kredite unter verbundenen Unternehmen und Kredite für die Bezahlung von Waren ausgenommen, welche die Aktiengesellschaft der juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft liefert. 3. Zustimmung des Aufsichtsrates

Alle genannten Geschäfte bedürfen unabhängig von der Tatsache, ob für ihren Abschluß Aufsichtsrat oder Vorstand zuständig sind, der Zustimmung durch den Aufsichtsrat. Diese wird durch Beschluß erteilt und kann gemäß § 107 Abs. 2 AktG einem Ausschuß übertragen werden. Abgesehen von der Ausnahme des § 89 Abs. 5 AktG muß die Zustimmung im voraus erteilt werden, wobei eine Höchstfrist von drei Monaten gilt (§ 89 Abs.1 S.2 AktG). Diese Einwilligung muß die wichtigsten Einzelheiten der Vereinbarung umfassen, insbesondere Rückzahlungsmodalitäten und Zinsen. Sie kann sich auch auf bestimmte Arten von Kreditgeschäften beziehen, die dann inhaltlich genau festgelegt sein müssen. 4. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung

Unter Verstoß gegen § 89 AktG abgeschlossene Kreditgeschäfte sind unwirksam8• Die Gesellschaft hat gemäß Abs.5 einen Anspruch auf 7

g

Siehe die Begründung zum RegE bei Kropff S. 114. Meyer-Landrut in Großkomm. § 89 Anm. 12; v. Godin I Wilhelmi § 89

Anm.9.

C. Kontrolle durch Mitwirkung des Aufsichtsrates

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sofortige Rückgewähr, gegen den kein Entreicherungseinwand erhoben werden kann9• Der Kredit ist demnach sofort zurückzuzahlen, eine mögliche Sicherheit der Gesellschaft zurückzugewähren. Allerdings kann der Aufsichtsrat das Geschäft genehmigen, was den Rückgewähranspruch analog § 182 BGB rückwirkend entfallen läßt. Werden die Anforderungen des § 89 AktG nicht erfüllt, so kommt eine Haftung der betreffenden Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gemäß §§ 93 Abs. 3 Nr. 8, 116 AktG in Betracht. 11. Kredite an Aufsichtsratsmitglieder

Da für die Gewährung derartiger Kredite gemäß §§ 76, 78 AktG der Vorstand zuständig ist, scheint nicht die Gefahr zu bestehen, daß sich AufsichtsratsmitgIieder aus der Kasse ihrer Gesellschaft "selbstbedienen". Trotzdem hat der Gesetzgeber 1965 mit guten Gründen ein entsprechendes Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrates (§ 115 AktG) auch für diesen Fall in das Gesetz aufgenommen. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß einzelne AufsichtsratsmitgIieder ihre Stellung gegenüber dem Vorstand dazu benutzen, von der Gesellschaft Kredite zu unangemessenen Bedingungen zu erhalten. Derartige Mißbräuche sollten von vornherein ausgeschlossen werden10• Die Vorschrift lehnt sich stark an § 89 AktG an. Nur zwei Unterschiede sollen hier kurz erläutert werden: Im Gegensatz zu § 89 Abs. 1 S. 5, der Kredite von dem Zustimmungserfordernis ausnimmt, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen, kennt § 115 AktG keine solche Untergrenze. Dagegen gilt gemäß § 115 Abs. 1 S. 5 AktG eine andere Ausnahme: Der Einwilligung bedarf es dann nicht, wenn das Aufsichtsratsmitglied ein Handelsgewerbe als Einzelkaufmann betreibt und der Kredit der Bezahlung von Waren dient, welche die Gesellschaft seinem Handelsgeschäft liefert. Dahinter steht der Gedanke, daß ein Abnehmer der Gesellschaft durchaus deren Aufsichtsrat angehören kann und daß das Zustimmungserfordernis in diesem Fall den Geschäftsverkehr der Gesellschaft stark erschweren würdelI. Im übrigen wird auf das zu § 89 AktG Gesagte verwiesen.

9 10 11

Mertens

in Kölner Komm. § 89 Rn 17.

Siehe Begründung zum RegE bei Kropf! S. 160. Siehe Begründung zum RegE bei Kropf! S. 160.

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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111. Dienst- und Werkverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern Unter Umgehung der Vorschriften über die Aufsichtsratsbezüge könnte der Vorstand einzelne Aufsichtsratsmitglieder dadurch in seinem Sinne zu beeinflussen suchen, daß er ihnen - etwa in Form von Honoraren für fingierte Beratungsleistungen - ungerechtfertigte Sonderleistungen der Gesellschaft zukommen läßt. Um dieser Gefahr zu begegnenl2 , hat § 114 AktG ein dem früheren Recht unbekanntes Zustimmungserfordernis für bestimmte Dienst- und Werkverträge zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und der Gesellschaft aufgestellt. 1. Anwendungsbereich

Es muß sich um Leistungen handeln, die außerhalb der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erbracht werden, da ansonsten die abschließende Regelung des § 113 AktG eingreift. Eine Tätigkeit im Rahmen des Kontrollauftrages des Aufsichtsrates kann also nicht Gegenstand eines solchen Sondervertrages sein13 • Darüber hinaus ist ein Aufsichtsratsmitglied aber auch zur Beratung des Vorstandes in Geschäftsführungsfragen verpflichtet. Dieser darf sich die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse seiner Aufsichtsratsmitglieder zunutze machen. Erst wenn die Tätigkeit über das von dem Aufsichtsratsmitglied zu erwartende Maß hinausgeht, insbesondere wenn sie üblicherweise von einem darauf spezialisierten Fachmann wahrgenommen wird, ist die Grenze von Leistungen innerhalb und außerhalb des Aufgabenbereichs des Aufsichtsrates überschritten l4 • § 114 AktG beschränkt sich auf Dienst- und Werkverträge im Sinne der §§ 611, 631 BGB. Darunter fallen sowohl laufende Beratungsverträge als auch Verträge, die nur für eine einmalige Leistung abgeschlossen werden l5 • Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist dadurch eingeschränkt, daß Arbeitsverhältnisse generell ausgeschlossen sind, was für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bedeutsam ist, und daß die Verträge Tätigkeiten höherer Art im Sinne des § 627 BGB zum Gegenstand haben müssen. In der Praxis handelt es sich dabei fast immer um besonders anspruchsvolle Aufgaben im juristischen, kaufmännischen oder technischen Bereich. Für derartige Verträge besteht ein praktisches Bedürfnis, da solche Aufgaben wegen der gebotenen Vertraulichkeit Außenstehenden häufig nicht übertragen werden können. Das Aktiengesetz verbietet sie daher nicht, sondern unterwirft 12 13 14

IS

Siehe Ausschußbericht bei Kropf! S. 158. Mertens in Kölner Komm. § 114 Rn 5. Schlaus S. 376; Mertens in Kölner Komm. § 114 Rn 6. Schlaus a.a.O.; v. Godin I Wilhelmi § 114 Anm. 2.

C. Kontrolle durch Mitwirkung des Aufsichtsrates

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sie der Zustimmung des Aufsichtsrates. Dieser kann die Beschlußfassung auf einen Ausschuß übertragen, da § 107 Abs. 2 AktG nichts Gegenteiliges vorsieht l6 • Die Zustimmung erfolgt durch förmlichen Beschluß, von dem gemäß § 107 Abs. 2 AktG eine Niederschrift anzufertigen ist. Diese muß entweder auf einen schriftlichen Vertrag Bezug nehmen oder ihn mit seinen wesentlichen Einzelheiten (insbesondere Leistung und Gegenleistung) wiedergebenl7 • 2. Rechtsfolge bei Verstoß

Solange es an der Zustimmung fehlt, ist der Vertrag schwebend unwirksam. Sie kann vorher (§ 183 BGB) oder nachträglich (§ 184 BGB) dem Vorstand oder dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied gegenüber (§ 182 BGB) erklärt werden. Wird sie verweigert, so ist der Vertrag nichtigl8 • Bei fehlender Zustimmung des Aufsichtsrates hat das Aufsichtsratsmitglied bereits empfangene Leistungen gemäß § 114 Abs.2 AktG an die Gesellschaft zurückzugewähren, sofern der Vertrag nicht später noch genehmigt wird. Dagegen kann es nicht mit eigenen Ansprüchen gegen die Gesellschaft aufrechnen, soweit diese bereichert ist. Mit dieser Konstruktion soll verhindert werden, daß die Befriedigung des meist sehr leicht feststellbaren Rückgewähranspruches durch Streitigkeiten über eine eventuelle Bereicherung der Gesellschaft verzögert wird. Ohnehin wird einem solchen Bereicherungsanspruch gegen die Gesellschaft häufig die Einrede aus § 814 BGB entgegenstehen, wenn das Aufsichtsratsmitglied gewußt hat, daß es wegen des fehlenden Aufsichtsratsbeschlusses zu der Leistung nicht verpflichtet war. Die Vorstandsmitglieder selbst haften der Gesellschaft aufgrund § 93 Abs.3 Nr.7 AktG, wenn diese ohne Rechtsgrund Leistungen an Aufsichtsratsmitglieder erbracht hat.

IV. Zustimmungsvorbehalt gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktG Will sich der Aufsichtsrat nicht auf die reine überwachung der Geschäftsführung durch den Vorstand beschränken, so gibt ihm § 111 Abs. 4 S. 2 AktG ein weiterreichendes Mittel an die Hand. Danach können die Satzung oder der Aufsichtsrat selbst bestimmen, daß gewisse Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dür16 Schlaus S.377; v. Godin I Wilhelmi § 114 Anm.3; Meyer-Landrut in Großkomm. § 114 Anm.4; die gegenteilige Ansicht von Rowedder in Möhring I Schwartz S. 136 findet keine Stütze im Gesetz. 17 Mertens in Kölner Komm. § 114 Rn 9; v. Godin I Wilhelmi § 114 Anm.3. 18 Schlaus S. 377; Mertens in Kölner Komm. § 114 Rn 8.

7 Glesen

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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fen. Da aber der Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs.4 S.l AktG nicht die Geschäftsführung an sich ziehen darf, muß sich eine solche Zustimmungspflicht auf Geschäfte beziehen, die ihrer Art und Bedeutung nach über den routinemäßigen Geschäftsbetrieb hinausgehen l9 • Damit ist es zulässig, solche Entscheidungen an die Zustimmung des Aufsichtsrates zu binden, bezüglich derer sich einzelne Vorstandsmitglieder in einem Interessenkonflikt befinden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, daß von dieser Möglichkeit in der Praxis Gebrauch gemacht würde. Wahrscheinlich ist es zu schwierig, derartige Interessenkonflikte im voraus mit hinreichender Klarheit zu umschreiben. Der Vorschrift kommt damit für den hier behandelten Zusammenhang keine praktische Bedeutung zu.

v. Organkredite von Kreditinstituten Um Mißbräuche bei der Gewährung von Krediten an eng mit einem Kreditinstitut verbundene Personen oder Unternehmen zu vermeiden20 , bedürfen derartige "Organkredite" der einstimmigen Beschlußfassung aller Geschäftsleiter21 und der ausdrücklichen Zustimmung des Kontroll organs (§ 15 KWG). Eine Verletzung dieser Pflichten wird durch verschärfte Haftung der Beteiligten sanktioniert (§ 17 KWG). Bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen sind solche Geschäfte dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen anzuzeigen (§ 16 KWG). 1. Anforderungen an die Kreditgewährung

§ 15 KWG enthält eine lange Aufzählung von betroffenen Kreditgeschäften. Es fallen darunter Kredite an die Geschäftsleiter, persönlich haftende Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsorgans, Beamte und Angestellte sowie die Ehegatten und minderjährigen Kinder der genannten Personen. Gleiches gilt bei Krediten an juristische Personen und Personenhandelsgesellschaften, wenn ein Geschäftsleiter des Kreditinstituts deren gesetzlicher Vertreter oder Mitglied ihres Aufsichtsorgans ist, oder wenn umgekehrt ihr gesetzlicher Vertreter bzw. Gesellschafter dem Aufsichtsorgan des Kreditinstituts angehört. Erfaßt werden weiterhin die Fälle, in denen das Kreditinstitut oder ein Geschäftsleiter an dem kreditnehmenden Unternehmen mit mindestens einem Viertel des Kapitals beteiligt ist, oder umgekehrt das kreditnehmende Unternehmen bzw. dessen gesetzlicher Vertreter oder Gesell19 Mertens in § 111 Anm. 15.

20 21

Kölner Komm. § 111 Rn 61; Meyer-Landrut in Großkomm.

Siehe amtliche Begründung bei Schork S. 69. Zum Begriff § 1 Abs. 2 KWG.

D. Regelungen der Willensbildung

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schafter der Personenhandelsgesellschaft in diesem Umfang an dem Kreditinstitut beteiligt ist. Der Anwendungsbereich wird gemäß § 15 Abs. 2 KWG noch erweitert, wenn das Kreditinstitut VOn einem anderen Unternehmen abhängig ist oder es beherrscht. Der Begriff des Kredits ist wie schon im Zusammenhang mit den §§ 89, 115 AktG weit zu fassen und wird in § 19 KWG näher erläutert. Freigestellt sind Kredite an Beamte und Angestellte sowie deren Verwandte, wenn sie ein Monatsgehalt nicht überschreiten (§ 15 Abs. 3 KWG). Diese Geschäfte bedürfen eines einstimmigen Beschlusses der Geschäftsleiter und der Zustimmung des Aufsichtsorgans. Die Beschlüsse müssen Bestimmungen über die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits enthalten und sind nur für bestimmte Kreditgeschäfte und Arten von Kreditgeschäften für höchstens drei Monate im voraus zulässig. 2. Rechtsfolge bei Verstoß

Unter Verstoß gegen diese Vorschrift gewährte Kredite sind mit Ausnahme von solchen an personenverbundene Unternehmen sofort zurückzuzahlen, wenn die zustimmenden Beschlüsse nicht unverzüglich nachgeholt werden (§ 15 Abs. 5 KWG). Bei Verletzung dieser Vorschrift haften die Geschäftsleiter und die Mitglieder des Aufsichtsorgans dem Kreditinstitut gemäß § 18 KWG. Diese Vorschrift ist insbesondere bezüglich der Umkehr der Beweislast an die aktienrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 93 AktG angepaßt. Hinzu kommt die Möglichkeit einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bis zu DM 100000 gemäß § 56 Abs. 1 Nr.4 KWG.

D. Regelungen der Willenshildung Bisher sind drei Instrumente erörtert worden, welche das geltende Aktienrecht zur Verfügung stellt, um die Gesellschaft zu schützen, wenn sich Verwaltungsmitglieder in einem Interessenkonflikt befinden: gesetzliches Verbot von Verträgen, vertretungsrechtliche Regelungen im weitesten Sinne und Kontrolle durch zusätzliche Mitwirkung des Aufsichtsrates. Nur in dem seltenen Fall des Verbotes entfällt auch jegliche interne Willensbildung, während ihr in allen anderen Fällen als der Weichenstellung für das rechtsgeschäftliche Handeln der Gesellschaft entscheidende Bedeutung zukommt. Einmal gefaßte Beschlüsse werden nämlich unabhängig von möglichen Hindernissen, welche sich aus Vertretungs- und Kompetenzvorschriften ergeben können, in aller Regel auch ausgeführt.

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

100

Die wichtigste Frage in dem hier behandelten Zusammenhang ist daher, ob und in welcher Weise Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder an Entscheidungen mitwirken dürfen, an denen sie ein direktes oder indirektes Interesse haben. Dabei sind einerseits die beweglichen Stimmrechtsschranken zu nennen. Sie betreffen die Art und Weise der Ausübung eines gegebenen Stimmrechts, indem sie das Ermessen des abstimmenden Organmitgliedes einschränken. Andererseits ist an Stimmverbote zu denken, die als starre Stimmrechtsschranken einen viel stärkeren Eingriff darstellen, da sie die Mitwirkung des Betroffenen an der Willensbildung durch Abgabe seiner Stimme ganz ausschließen!. I. Bewegliche Stimmrechtsschranken

Bei der Teilnahme an Willensbildungsprozessen in den Gesellschaftsorganen hat das Verwaltungsmitglied grundsätzlich ein stimmrechtliches Ermessen: es kann einem Antrag zustimmen, ihn ablehnen oder sich der Stimme enthalten. Diese Entscheidungsfreiheit ist nicht grenzenlos, da das Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied nicht im eigenen, sondern im wohlverstandenen Gesellschaftsinteresse zu handeln verpflichtet ist. Außerdem sind die weiteren Beschränkungen zu beachten, die sich aus dem Anstellungsvertrag, der Satzung und dem Gesetz ergeben. Für die Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft ist hier insbesondere die Verpflichtung zu nennen, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG). Beweglich heißen diese Stimmrechtsschranken, weil sie nur Anhaltspunkte für die am speziellen Einzelfall orientierte Interessenabwägung sein können2• Darin liegen Vorteil und Nachteil zugleich. Einerseits kann das Ermessen durch derartige Schranken umfassend gebunden und kontrolliert werden. Auf der anderen Seite sind solche Begrenzungen auf ihrer Tatbestandsseite zu unscharf, um tatsächlich präventiv wirksam sein zu können. Dazu wären klar umrissene Tatbestände erforderlich, die einigermaßen gen au Auskunft über die Grenzen des Ermessens in einer Entscheidungssituation geben könnten, was aber die Gefahr einer unerwünschten Knebelung der Entscheidungsträger in sich birgt. Aus diesem Grunde fehlt es im geltenden Recht an derartigen Präzisierungen, was dazu führt, daß die existierenden beweglichen Stimmrechtsschranken nur für besonders krasse Fälle pflichtwidriger Ausübung von Verwaltungsmacht von Bedeutung sind3• ! Zur Terminologie Zöllner S. 97 ff. für das mitgliedschaftliche Stimmrecht. 2 3

Zöllner S. 287. Eng/er S. 78.

D. Regelungen der WiIlensbildung

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11. Stimmrechtsausschlüsse Die aufgezeigten Nachteile beweglicher Stimmrechtsschranken lassen sich durch starre Grenzen vermeiden, wie sie Stimmrechtsausschlüsse darstellen, die an klaren Tatbestandsmerkmalen ansetzen. Vor der Erörterung der einzelnen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen wird zunächst auf die Zweckmäßigkeit von Stimmverboten eingegangen. Im Anschluß daran soll ihr Anwendungsbereich im geltenden Recht dargestellt werden. 1. Zweckmäßigkeit

Der vollständige Ausschluß des Stimmrechts eines Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedes bedeutet einen erheblichen Eingriff in dessen Verwaltungrechte und -pflichten. Er läßt sich nur dann rechtfertigen, wenn das angestrebte Ziel auf diesem Wege auch tatsächlich zu erreichen ist. Die praktischen Konsequenzen eines Stimmverbotes sind davon abhängig, ob bei der Abstimmung das Einstimmigkeits- oder das Mehrheitsprinzip gilt. Nach dem Leitgedanken des § 77 Abs.1 S.l AktG werden Entscheidungen im Vorstand der Aktiengesellschaft grundsätzlich gemeinschaftlich getroffen. Damit kann jedes interessierte Vorstandsmitglied eine für sich ungünstige Entscheidung verhindern. Bei Bejahung eines Stimmverbotes entfällt dieses faktische Vetorecht, so daß die verbleibenden Vorstandsmitglieder eine von den Sonderinteressen des Betroffenen unabhängige Entscheidung fällen können. Wie im Aufsichtsrat (§ 108 AktG) gilt aber im Vorstand aufgrund entsprechender Satzungs- oder Geschäftsordnungsbestimmungen (§ 77 Abs. 1 S. 2 AktG) häufig das Mehrheitsprinzip. Je größer in einem solchen Fall das betroffene Organ ist, desto weniger kann sich ein Stimmverbot auf das Ergebnis der Entscheidung auswirken. Sehr stark ist dagegen der Einfluß eines Stimmverbotes, wenn das Organ sehr klein ist und wenn zwei Meinungen von einer annähernd gleich großen Zahl von Organmitgliedern vertreten werden. Führt das Stimmverbot dazu, daß eine Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingt, wie es das Reichsgericht4 angenommen hatte? Dies ist insoweit zu bejahen, als die zahlenmäßige Minderheit in einem solchen Fall den Beschluß verhindern kann, an dem ein Verwaltungsmitglied interessiert ist. Dagegen kann sie nicht automatisch eine andere positive Entscheidung in der gleichen Weise herbeiführen, da hierfür das Stimmverbot möglicherweise nicht eingreift. Auch ist die Herrschaft der Mehrheit kein Dogma, sondern besteht allein im Interesse der Ge4

RGZ 85, 170 (172).

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

sellschafts. Es kann dort keine Geltung beanspruchen, wo ein anderer Abstimmungsmodus diesem besser zu dienen vermag. Überzeugend ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Engfer6, daß das Erfordernis einer Mehrheitsentscheidung das Ziel verfolge, Interessen auszugleichen und Sonderinteressen auszuschalten. Dann muß es aber auch zulässig sein, gesellschaftsfremde Sonderinteressen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen von vornherein auszuschließen, wie dies durch Stimmverbote geschieht. Stimmverbote knüpfen an formale, klar zu erfassende äußere Tatbestände an, ohne daß im Einzelfall geprüft wird, ob tatsächlich ein das Gesellschaftsinteresse gefährdender Interessenkonflikt vorliegt oder dieses sogar konkret geschädigt wird. Damit kann der Stimmrechtsausschluß auch bei Abschluß eines für die Gesellschaft vorteilhaften Rechtsgeschäftes eingreifen. Diese "überschießende Tendenz"7 der Stimmverbote bietet Anlaß zur Kritik8 , da die Stimmrechtsbeschränkung damit ein stärkeres Ausmaß annimmt, als es zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist. Bedenklich erscheint diese Folge vor allem dann, wenn unter derartigen Umständen eine uneinsichtige Minderheit in die Lage versetzt wird, einen im Gesellschaftsinteresse wünchenswerten Beschluß zu verhindern. Doch ist es zweckmäßiger, diese Gefahr in Kauf zu nehmen und im Fall der gerichtlichen Austragung des Streites die Prozeßführungslast der Mehrheit aufzuerlegen9• Bei einem Verzicht auf das Stimmverbot müßte nämlich die Minderheit gegen die in vielerlei Hinsicht stärkere Mehrheit vorgehen und den schwierigen Nachweis führen, diese habe aufgrund ihrer Sonderinteressen das Gesellschaftsinteresse verletzt. Für ein Stimmverbot spricht daneben die Lebenserfahrung, daß eine befangene Mehrheit eher dem Gesellschaftsinteresse zuwider handeln wird als eine interessenneutrale Minderheit10• Engferll macht auf einen weiteren Gesichtspunkt aufmerksam, der für die Beurteilung von Stimmverboten von großer Bedeutung ist. Nur höchst selten kommt es bei Vorstands- oder Aufsichtsratsentscheidungen aufgrund vorgefaßter Standpunkte zu Kampfabstimmungen. Gerade wenn sich eine interessierte Gruppe oder ein einzelnes Mitglied aufgrund eines Stimmverbotes nicht in der Lage sehen, die gewünschte Entscheidung durchzusetzen, werden sie sich weniger auf ihre StimmZöllner S.167. S.98. 7 Zöllner S. 171. 8 Schlegelberger I Quassowski § 114 Anm.20. 9 Zöllner S. 171. 10 Müller-Erzbach S.223. 11 S. 101 f. 5

6

D. Regelungen der Willensbildung

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kraft als ihr überzeugungsvermögen verlassen. Es findet dann eher eine gründlichere Besprechung und Diskussion der beantragten Entscheidung durch alle Organmitglieder statt, was als rechtspolitisch wünschenswert angesehen werden muß. Die überschießende Tendenz der Stimmverbote ist schließlich eine notwendige Folge der Anknüpfung an formale Tatbestände ohne konkrete Prüfung im Einzelfall. Wie das Beispiel der beweglichen Stimmrechtsschranken zeigt, ist nur auf diesem Wege eine praktikable und den Erfordernissen der Rechtssicherheit genügende Lösung denkbar. Die damit verbundenen Nachteile sind daher in Kauf ·zu nehmen. Ebenso deutlich ergibt sich aber aus diesem Gesichtspunkt der überschießenden Tendenz die Notwendigkeit, starre Stimmverbote nicht zu stark ausufern zu lassen, was bei der anschließenden Erörterung der Rechtsgrundlagen und der Reichweite von Stimmverboten zu beachten sein wird. Wie ist zu verfahren, wenn alle Mitglieder eines Organs dem Stimmverbot unterliegen, was durchaus vorkommen kann? Im Aktienrecht besteht wegen des zwingenden Charakters der entsprechenden Vorschriften nicht die Möglichkeit, die Entscheidung in einem solchen Fall auf ein anderes Gremium zu übertragen. Will man es nicht bei der Beschlußunfähigkeit belassen, was tatsächlich ein starkes Argument gegen Stimmverbote wäre, so muß man in derartigen Fällen auf die Anwendung der Stimmverbote aller Beteiligten verzichten. Ein Ausschluß von Sonderinteressen ist dann praktisch nicht möglich, wenn alle Organmitglieder durch Sonderinteressen beeinflußt werden. Dieser Lösung ist auch deshalb zu folgen, weil nur sie die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft garantiert l2 • Es kommt dann den anderen Sicherungsmitteln wie z. B. der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit besondere Bedeutung zu. Insgesamt ist festzustellen, daß Stimmverbote ein sinnvolles und praktikables Mittel darstellen, um Interessenkollisionen zu bewältigen. 2. Rechtsgrundlage

Das geltende Aktiengesetz kennt wie auch seine Vorgänger keine Vorschrift über den Ausschluß des organschaftlichen Stimmrechts. Das in § 136 AktG angeordnete Stimmverbot betrifft allein die Ausübung des mitgliedschaftlichen Stimmrechts der Aktionäre in der Hauptversammlung. Daher bedarf es einer gen auen Untersuchung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen. überraschenderweise finden sich aber hierzu nur vergleichsweise wenige Äußerungen in der Literatur, 12

Für das mitgliedschaftliche Stimmrecht: Zöllner S. 181, HerzteIder S.99.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

die noch dazu oft sehr allgemein gefaßt sind13 • Soweit nicht überhaupt auf eine Begründung verzichtet wird l 4, berufen sich die Autoren häufig auf allgemeine Rechtsgedanken, was dann durch die Erwähnung der §§ 181, 34 BGB untermauert werden SOllIS. a) § 181 BGB

Indem diese Norm Rechtsgeschäfte erfaßt, bei denen auf beiden Seiten dieselbe Person tätig wird, dient sie der Bewältigung von Interessenkonflikten. Daher erscheint es naheliegend, auch Stimmverbote aus einer entsprechenden Anwendung des § 181 BGB herzuleiten, was in der neueren Literatur vor allem von Ulrich Hübner vertreten wird l6 • Daneben nennen weitere Autoren diese Vorschrift im Zusammenhang mit Stimmverboten, ohne eine besondere Begründung zu geben l7 • Der Anwendungsbereich wäre jedenfalls sehr eng, da er sich auf Beschlüsse beschränken müßte, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts der Gesellschaft mit dem Abstimmenden selbst oder diesem als Vertreter eines Dritten betreffen. Dagegen wollen die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur

§ 181 BGB auf gesellschaftsrechtliche Beschlüsse überhaupt nicht an-

wenden. Allerdings ist zu beachten, daß die hierzu ergangenen Entscheidungenl8 allesamt Fälle des mitgliedschaftlichen Stimmrechts betrafen und daß die Literatur nicht immer mit der gebotenen Schärfe zwischen dem Ausschluß des mitgliedschaftlichen und des organschaftlichen Stimmrechts differenziert. Das Reichsgericht l9 hatte bezweifelt, daß die Abstimmung den Charakter eines Rechtsgeschäftes habe. Jedenfalls sei die Einzelstimme keine empfangsbedürftige Willenserklärung, was die Anwendbarkeit von § 181 BGB ausschließe. Diese Argumentation mußte im Anschluß an die grundlegenden Arbeiten Bartholomeycziks20 aufgegeben werden. Demnach sind die Abgabe einer Einzelstimme als empfangsbedürftige Willenserklärung und das Zusammenwirken mehrerer Stim13 So z. B. Würdinger S. 119, der ein Stimmverbot im Aufsichtsrat im Falle "echter Interessenkollision" annimmt. 14 Würdinger a.a.O.; Möhring I Tank Rz 378. IS Baumbach / Hueck § 108 Anm.4; v. Godin / WilheZmi § 108 Anm.3; GeßZer in G/H/E/K § 108 Rz 9; MeiZicke S. 85 f. 16 S. 265 ff. 17 Baumbach I Hueck § 108 Rz 4; v. Godin / WiZheZmi § 108 Anm.3; GeßZer in G/H/E/K § 108 Rz 9; MeiZicke S. 85 f. 18 BGHZ 33, 189; 48, 163; 51, 209; 52, 316. 19 RGZ 137, 305 (316). 20 "Die Stimmabgabe im System unserer Rechtshandlungen"; "Der Körperschaftsbeschluß als Rechtsgeschäft".

D. Regelungen der Willensbildung

105

men im Wege des Beschlusses als Vornahme eines Rechtsgeschäftes zu charakterisieren21 • Der Bundesgerichtshof kommt nun mit abweichender Begründung zum gleichen Ergebnis wie das Reichsgerichf2• Bei der körperschaftlichen Willensbildung handele es sich um einen "Sozialakt", auf den der für allgemeine Rechtsgeschäfte gedachte § 181 BGB keine Anwendung finden könne. Diese Ansicht vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil so nur die direkte, nicht aber auch eine analoge Anwendung ausgeschlossen werden kann23 • In der Literatur ist diese Rechtsprechung daher auf einhellige Ablehnung gestoßen24, zumal mit dem unklaren Begriff des Sozial aktes die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Stimmabgabe eher verwischt als verdeutlicht werden. In einem späteren Urteil2S hat der Bundesgerichtshof diese Abgrenzungsschwierigkeiten selbst eingeräumt. Damit ist noch nicht entschieden, ob § 181 BGB auf die kollektive Willens bildung in den Gesellschaftsorganen anwendbar ist. Nur kann man dem Problem nicht mit solchen begrifflich-formalen Kriterien beikommen, wie sie die Rechtsprechung verwendet. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der Vorschrift exakt abzustecken. Grundlage der Untersuchung muß sein, daß § 181 BGB nach allgemeiner Ansicht keine Generalnorm ist, die jegliche Art von Interessenkonflikten vermeiden soll. Es handelt sich vielmehr um eine spezifisch vertretungsrechtliche Vorschrift, weshalb bezüglich der internen Willensbildung nur eine entsprechende Anwendung in Betracht kommt. Darauf weist auch U. Hübner hin26 • Für einen Analogieschluß erscheint ihm die Tatsache ausreichend, daß zwischen der Gesellschaft und ihren Verwaltern aufgrund deren gesetzlicher OrgansteIlung ein besonderes Treueverhältnis besteht. Dieses "vertretungsähnliche Verhältnis" gebiete die entsprechende Anwendung des § 181 BGB27. Hübners Argumentation leuchtet insofern ein, als die Interessenlage in den hier angesprochenen Fällen jener bei der Stellvertretung ähnelt: Es soll der Gefahr begegnet werden, daß der Handelnde pflichtwidrig seine eigenen Interessen denen der Gesellschaft bzw. des Vertretenen vorzieht. Gesellschaftsrechtlicher Stimmrechtsausschluß und Verbot des Insich-Geschäfts haben somit die gleiche SchutzrichtungU. 21 BGHZ 14, 264 (267); Baltzer S.142 m.w.N.; Schilling FS Ballerstedt S. 261 ff. m.w.N. 22 BGHZ 52, 316 (318). 2.1 U. Hübner S. 272. 24 Schilling FS Ballerstedt S. 259 m.w.N. 2S DB 19,74, 621 (622). 26 S.266. 27 S. 276 f. 28 Schilling FS Ballerstedt S. 270; U. Hübner S. 282.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Gewichtige Gründe sprechen aber gegen die Herleitung eines Stimmverbotes aus § 181 BGB: Vereins- und gesellschafts rechtliche Stimmverbote wie z. B. §§ 34 BGB, 136 AktG, 47 Abs.4 GmbHG, 43 Abs.6 GenG für das mitgliedschaftliche Stimmrecht führen zum Stimmrechtsausschluß und betreffen einzelne in den entsprechenden Vorschriften aufgezählte Fälle. Dagegen enthält § 181 BGB ein generelles Verbot und führt bei entsprechender Anwendung zur schwebenden Unwirksamkeit der Stimmen, die unter Verstoß gegen diese Vorschrift abgegeben werden. Eine Genehmigung durch das dazu berufene Organ wäre also möglich29 • Die durch einen solchen Schwebezustand hervorgerufene Rechtsunsicherheit kann jedoch im Kernbereich unternehmerischer Entscheidungen nicht hingenommen werden 30 • Noch bedeutsamer ist die Überlegung, daß mit der Herleitung eines Stimmverbotes aus § 181 BGB die für das deutsche Vertretungsrecht charakteristische Abstraktheit von Vertretungsakt und zugrundeliegendem Rechtsverhältnis (hier demnach von Ausführungsgeschäft und Beschlußakt) durchbrochen wird 31 • Interessenkonflikte bedürfen spezifisch gesellschaftsrechtlicher Lösungen, die auch in vielfältiger Weise vorhanden sind32 • Die analoge Anwendung von § 181 BGB würde mit diesen Vorschriften kollidieren und muß daher auf das Vertretungs recht beschränkt bleiben. Zwischen § 181 BGB und den genannten Vorschriften kann somit auch kein Verhältnis der Spezialität bestehen33 • Sie behandeln vielmehr unterschiedliche, sich nicht überschneidende Sachverhalte. Auch die historische Auslegung des § 181 BGB stützt die hier vertretene Ansicht. Die zweite Kommission hat nämlich bei den Beratungen zum BGB einen Antrag auf Streichung des § 45 des Entwurfs, dem § 34 BGB entspricht, abgelehnt34 • Dieser Antrag war gerade damit begründet worden, daß dieselbe Problematik schon durch § 126 ades Entwurfs, dem § 181 BGB entspricht, geregelt werde. Die Probleme, welche sich aus Interessenkollisionen bei Willensbildungsprozessen und bei Stellvertretungsakten ergeben, sind daher zu trennen und mit den dafür jeweils zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Instrumenten zu lösen. Aus § 181 BGB können somit keine Beschränkungen des organschaftlichen Stimmrechts von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern hergeleitet werden. U. Hübner S. 289 f . Fischer FS Hauß S. 75. 31 Schilling FS Ballerstedt S.264; Eng/er S.80; Meyer-Giesow S. 152. 32 §§ 34, 28 Abs. 1 BGB, 136 AktG, 47 Abs.4 GmbHG, 43 Abs.6 GenG. 33 So aber Herz/eIder S.69 und Staudinger / Dilcher § 181 Rz 12; dagegen Schilling FS Ballerstedt S. 272. 34 Mugdan I, S. 617 f. 29

.JO

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b) Allgemeine Sorgfaltsp[licht Vorstand und Aufsichtsrat haben bei der Ausübung ihrer Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§§ 93 Abs.l, 116 AktG). Daraus und aus ihrer besonderen Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft35 , die sich aus der gesetzlichen Organstellung ergibt36, folgert Engfer ein Stimmverbot, "wenn der Gegenstand des Beschlusses entweder in die persönliche Interessensphäre eines Organmitgliedes eingreift (unmittelbarer Konflikttatbestand) oder aber in die eines Dritten, sofern ein Mitglied zu diesem Dritten in einem derartigen Abhängigkeitsverhältnis steht, daß von ihm eine freie Entscheidung nicht mehr erwartet werden kann (mittelbarer Konflikttatbestand)"37. Engfer geht zutreffend davon aus, daß das Treueverhältnis den Mitgliedern der Verwaltung die Verpflichtung auferlegt, ihre eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterzuordnen38 . Aus der Sorgfaltspflicht ergebe sich, daß sich die Verwaltungsmitglieder nicht nur an den Interessen des Begünstigten orientieren müßten, sondern daß sie auch formale und ordnende Pflichten (Rechenschafts- oder Buchführungspflichten, Beachtung von Zustimmungserfordernissen) zu befolgen hätten. Aufgrund ihres formalen Ordnungscharakters gehörten hierzu auch die Stimmverbote, deren Beachtung der redliche Verkehr erfordere 39. Letztlich folgert Engfer das Stimmverbot daraus, daß die normale Sorgfaltspflicht des Verwalters durch die rein altruistische Natur der Treuepflicht dahingehend gesteigert werde, daß seine eigenen Interessen hinter denen des Begünstigten "nahezu völlig zurückzutreten" hätten40 • Das sei aber nichts anderes als die Geltung eines Stimmverbotes. Engfers Annahmen sind zutreffend, doch überzeugen die Schlußfolgerungen nicht, welche er zieht. Aus der Verpflichtung, die eigenen Interessen zugunsten derer der Gesellschaft zurückzustellen, leitet er ein Verbot des HandeIns überhaupt her. Damit wird aber nicht ausreichend die von ihm selbst eingeräumte Tatsache berücksichtigt, daß die Verwaltungsmitglieder das Recht und die Pflicht haben, ihre Organfunktionen wahrzunehmen41 • Die genannten Sorgfalts- und Treuepflichten 35 BGHZ 10, 187 (192); 13, 188 (192). Treuegedanke S. 12; Mestmäcker S. 214 f. 37 S. 105 ff., 113. 38 S.108; so auch Meyer-Landrut in Großkomm. § 111 Anm. 5, § 84 Anm. 59; Mertens in Kölner Komm. § 93 Rn 20; Mestmäcker S. 215. 36 A. Hueck

39 40 41

Eng/er S.107. Eng/er S. 111 f.

S.105.

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können daher nur einen Maßstab für das "Wie" der Ausübung von Stimmrechten geben, nicht aber das Stimmrecht völlig beseitigen. Mit Engfers Argumentation läßt sich begründen, daß bestehende Stimmverbote von der Verwaltung zu beachten sind und daß sie auch in das System der Pflichten von Verwaltungsmitgliedern passen. Dabei werden die Stimmverbote aber als bestehend vorausgesetzt, nicht hergeleitet. Die Anwendung von Sorgfalts- und Treuepflichten muß daher im hier behandelten Zusammenhang auf die beweglichen Schranken42 beschränkt bleiben. Ein Stimmrechts ausschluß läßt sich auf diesem Wege nicht begründen. Neben den aufgezeigten dogmatischen Schwächen sind auch Bedenken gegen das Ergebnis angebracht, weil es durch seine sehr allgemeine Fassung erhebliche Unsicherheit in die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft bringt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß z. B. gerade der Aufsichtsrat der Ort ist, wo die Vertreter vielfältiger Interessen (Großund Kleinaktionäre, Banken, Lieferanten, Belegschafts- und Gewerkschaftsvertreter, öffentliche Einrichtungen) ihren Einfluß entfalten. Insbesondere die Einführung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer verdeutlicht die Tatsache, daß die genannten Sonderinteressen nicht immer mit denen der Gesellschaft übereinstimmen müssen. Wenn der Gesetzgeber diese aber durch einen "institutionalisierten Interessenkonflikt" auszugleichen versucht, so paßt hierzu kein allgemeines Stimmverbot bei Interessenkonflikten43 • Daher will Engfer44 die Arbeitnehmervertreter grundsätzlich von den Stimmverboten entbinden, wodurch allerdings die verschiedenen im Aufsichtsrat vertretenen Sonderinteressen wieder aus dem Gleichgewicht kommen könnten. Jedenfalls ergibt sich aus der beschriebenen Sorgfalts- und Treuepflicht für das betroffene Verwaltungsmitglied die Verpflichtung, gegenüber den anderen an der Beschlußfassung beteiligten Personen einen bestehenden Interessenkonflikt aufzudecken, damit diese ihn bei der Beurteilung des Sachverhaltes und der Bewertung des Beratungsund Abstimmungsverhaltens des Betroffenen berücksichtigen können. Diese Erwägungen liegen auf der Linie einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, wonach aus der Treuepflicht eines Vorstandsmitgliedes die Verpflichtung zu völliger Offenheit gegenüber der Gesellschaft bei Vertragsverhandlungen mit dieser folge 45 •

42

43 44

45

Siehe oben S. 100. U. Hübner S. 291; Redding S. 50. S. 158 ff.

BGHZ 20, 239.

D. Regelungen der Willensbildung

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c) Treu und Glauben

Teile der Literatur haben die Ausübung des Stimmrechts in Fällen von Interessenkollisionen als gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden Rechtsrnißbrauch und damit als unzulässig angesehen. Goldschmit46 tat dies bezüglich des Aufsichtsrates in den in § 252 Abs. 3 HGB 1897 genannten Fällen47 und darüber hinaus bei anderen nicht näher präzisierten Interessenwiderstreiten. Wesentliches Argument für ihn war die Verpflichtung des Aufsichtsratsmitgliedes, seine eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterzuordnen. Redding48 nimmt eine unzulässige Stimmrechtsausübung dann an, wenn diese zur Durchsetzung gesellschafts fremder Interessen geeignet ist und von dem Aufsichtsratsmitglied wegen seiner Bindung an diese Interessen eine freie Entscheidung nicht erwartet werden kann49 • Zwar versuchen beide Autoren, durch eine gewisse Typisierung (Goldschmit durch die Aufnahme der Fallgruppen aus § 252 Abs. 3 HGB 1897) reine Generalklauseln zu vermeiden, doch ergibt sich daraus trotzdem keine deutliche und damit praktikable Grenzziehung zwischen zulässiger und unzulässiger Stimmrechtsausübung. Auch bleibt unklar, warum gerade diese und nicht mögliche andere Konkretisierungen gewählt wurden. Viel schwerer noch wiegt das Bedenken, daß gar nicht in allen genannten Fällen wirklich ein Rechtsrnißbrauch vorliegt. So führt z. B. die Lösung von Goldschmit auch dann zu einem Stimmverbot des Aufsichtsratsmitglieds, wenn der Aufsichtsrat über seine Zustimmung zu einem zwischen diesem und der Gesellschaft abzuschließenden Rechtsgeschäft abstimmt, wenn dieses für die Gesellschaft vorteilhaft ist. Auch Redding läßt schon die Gefährdung der Gesellschaftsinteressen durch das Vorhandensein eines Konflikttatbestandes für ein Stimmverbot ausreichen. Dies mag sinnvoll sein, läßt sich aber nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsrnißbrauchs begründen, da das notwendige Element der Treuwidrigkeit gerade fehlt. Auch der Grundsatz der Rechtsausübung im Rahmen von Treu und Glauben kann demnach nur zu einer Ermessensreduzierung des Abstimmenden führen. Ein allgemeines und starres Stimmverbot unabhängig von einem konkreten Mißbrauch läßt sich unter diesem Gesichtspunkt nicht begründenSO. 46

S. 247 f., 231.

Entlastung, Befreiung von einer Verbindlichkeit, Beschlußfassung über die Vornahme eines Rechtsgeschäftes oder die Einleitung bzw. Erledigung eines Rechtsstreits mit der Gesellschaft. 48 S.50. 49 Der Begriff der "Gesellschaftsfremdheit" entstammt § 101 AktG 1937. so Meyer-Giesow S.151; Eng/er S. 89 f.; für das mitgliedschaftliche Stimmrecht Zöllner S. 264 ff. 47

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

d) § 34 BGB i. V.m. § 28 Abs. 1 BGB

Die aufgezeigte Regelungslücke könnte durch die analoge Anwendung von § 34 BGB auf Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft gefüllt werden. Diese über § 28 Abs.l BGB auch für den Vereinsvorstand geltende Vorschrift schließt das Stimmrecht für solche Fälle aus, in denen über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Verein und einem seiner Vorstandsmitglieder oder die Einleitung bzw. Erledigung eines Rechtsstreits zwischen diesen entschieden wird. Einer Übertragung dieser Norm auf die entsprechenden Probleme bei der Aktiengesellschaft stehen grundsätzliche Bedenken nicht entgegen. Denn nach ganz allgemeiner Ansicht können wegen der vergleichbaren körperschaftlichen Struktur von Verein und Aktiengesellschaft die Vorschriften des Vereins rechts zur Füllung von Lücken des Aktienrechts herangezogen werden, soweit dem nicht der Sinn aktien rechtlicher Bestimmungen entgegensteht51 • Für den Vorstand ergibt sich die Übereinstimmung der Interessenlagen daraus, daß der Vorstand der Aktiengesellschaft mindestens in gleichem Maße wie jener des Vereins uneigennützig die Belange der Körperschaft und ihrer Mitglieder zu fördern hat. Es sind keinerlei aktienrechtliche Besonderheiten ersichtlich, die ein anderes Ergebnis nahelegen. Somit gilt § 34 BGB i.V.m. § 28 Abs. 1 BGB für die Willensbildung im Vorstand der Aktiengesellschaft52 • Auch bezüglich der Mitglieder des Aufsichtsrates besteht in den von § 34 BGB genannten Fällen die Gefahr, daß sie persönliche Interessen nicht völlig zurückstellen, obwohl sie dazu auf grund ihrer OrgansteIlung verpflichtet sind. Daß ein Verein kein dem Aufsichtsrat vergleichbares Organ hat, spricht nicht gegen die Analogie, denn der Aufsichtsrat nimmt solche Aufgaben wahr, die beim Verein entweder dem Vorstand oder der Mitgliederversammlung zugewiesen sind, für die beide das (einerseits organschaftliche, andererseits mitgliedschaftliche) Stimmverbot des § 34 BGB gilt. Damit ist dieses Stimmverbot auch auf Beschlüsse des Aufsichtsrates entsprechend anwendbar53• 51 A. Hueck Gesellschaftsrecht S. 116; Wiedemann S.93; Kraft in Kölner Komm. § 1 Rn 3; Meyer-Landrut in Großkomm. § 1 Anm.4; Baumbach I Hueck § 1 Anm. 3; Staudinger I Coing Vorbem. 58 zu §§ 21- 54. 52 Meyer-Giesow S. 156 f. 53 Meilicke S. 85 f., der sogar für unmittelbare Anwendung plädiert; ohne Begründung: Mestmäcker S.250; Redding S.49; Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 44; Meyer-Landrut in Groß komm. § 108 Anm. 5; Baumbach I Hueck § 108 Anm.4; v. Godin I Wilhelmi § 108 Anm.3 ("allgemeiner Grundsatz"); Soergell Schultze-v. Lasaulx § 34 Rn 2; Diether Hoffmann in Handbuch des AR, Rn 234; Dietrich Hoffmann Rn 501; R. Fischer, IM Duden, S.65; dagegen ohne nähere Begründung Geßler in G/H/E/K § 108 Rn 29, der aber "aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen" zu einem Stimmverbot in den Fällen des § 34 BGB kommt.

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Dagegen wendet sich Engfer54 mit der Begründung, die Machtbefugnisse eine Vereinsvorstandes seien wesentlich geringer als die von Verwaltungsgremien handelsrechtlicher Körperschaften, was sich schon aus deren unbeschränkbarer Vertretungsmacht ergebe. Da die §§ 34, 28 BGB somit nur einen wirtschaftlich unbedeutenden Fall regelten, seien sie für einen weitergehenden Analogieschluß zu schwach. Abgesehen davon, daß für die interne Willensbildung der Hinweis auf die unbeschränkte Vertretungsmacht fehlgeht, ist es gerade nicht so, daß §§ 34, 28 BGB eine Ausnahmeregelung für einen unbedeutsamen Fall aufstellen. Vielmehr finden sich Ausschlüsse des (mitgliedschaftlichen) Stimmrechts bei allen handelsrechtlichen Körperschaften55 , womit deutlich wird, daß Engfers Anschauung von Regel und Ausnahme bezüglich der handelsrechtlichen Körperschaften nicht mit dem vorhandenen Regelungsgerüst in Einklang steht. Seine Bedenken lassen sich wohl mit der Sorge erklären, durch die Bezugnahme auf §§ 34,28 BGB würden mögliche Stimmverbote von vornherein auf die dort genannten wenigen Konfliktfälle beschränkt56 • Bei § 34 BGB handelt es sich um eine zwingende Vorschrift, die auch durch die Satzung nicht abbedungen, wohl aber erweitert und verstärkt werden kann. Zweifelhaft bezüglich der Erweiterung auf den Vorstand und andere Organe ist dies deshalb, weil § 28 BGB, der auf den § 34 BGB verweist, gemäß § 40 BGB durch die Satzung abdingbar ist. Dagegen ist § 34 BGB bei unmittelbarer Anwendung (Beschlüsse der Mitgliederversammlung) nicht abdingbar, wie sich ebenfalls aus § 40 BGB ergibt. über diese bei wortgetreuer Anwendung der Vorschriften unterschiedliche Behandlung beider Fälle setzt sich die h.M. zu Recht mit der Begründung hinweg, es handele sich um ein Redaktionsversehen57 • Die Vorschriften über den Vereinsvorstand sind nämlich nur deshalb nachgiebiges Recht, weil sie für den Fall Regelungen zur Verfügung stellen sollen, daß entsprechende Satzungsbestimmungen ganz fehlen. Sie stehen damit im Interesse der Funktionsfähigkeit des Vereins und sollen nicht Vorstandsmitgliedern, die ihre Befugnisse rein altruistisch auszuüben haben, mehr Verwaltungsmacht als den Vereinsmitgliedern in der Mitgliederversammlung zuweisen, die dort in gewissem Maße persönliche Interessen in ihre Entcheidung einfließen lassen dürfen. Daraus folgt, daß § 34 LV.m. § 28 Abs.l BGB auch insoweit zwingend gilt, als die Anwendbarkeit auf Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft bejaht wurde. S. 84 f. §§ 136 Abs.1 AktG, 47 Abs.4 GmbHG, 43 Abs.6 GenG, 36 VAG. 56 Eng/er S. 85. 57 Staudinger / Coing § 28 Rn 6 (entgegen der Vorauflage); Soergel/ Schultze-v. Lasaulx § 28 Rn 2; RGRK / Steffen § 34 Rn 1; a.A. Eng/er S. 83. 54

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Aufgrund des recht präzisen Wortlauts von § 34 BGB scheinen nur vergleichsweise wenige Konstellationen davon erfaßt zu werden. Es fragt sich daher, ob sich unter Berücksichtigung einer anderen rechtlichen Grundlage ein weiterer Anwendungsbereich des Stimmrechtsausschlusses erreichen läßt. e) Allgemeiner Rechtsgrundsatz

Teilweise wird in der Literatur angenommen, daß ein Rechtsgrundsatz existiere, der das Stimmrecht bei Interessenkollisionen allgemein ausschließe. Trifft diese Ansicht zu, so wären die engen Fesseln des § 34 BGB gesprengt. Man bekäme dann auch die Fälle in den Griff, in denen das Verwaltungsmitglied nur mittelbar oder sogar nur rein tatsächlich betroffen ist: So könnte ein im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertretener Zulieferer durch eine Produktionsumstellung einen seiner wichtigsten Abnehmer verlieren. Oder es besitzt ein Verwaltungsmitglied, das an der Entscheidung über die Errichtung eines neuen Betriebes mitwirkt, in dem dafür in Aussicht genommenen Gelände ein Grundstück. Auch könnte der Abstimmende in nennenswertem Umfang an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt sein. In allen diesen Fällen versagen die bisher vorgestellten starren Regelungsmechanismen. Es wären dann allein die beweglichen Stimmrechtsschranken einzuhalten. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, im Sinne eines "argumentum a minori ad maius" auf die Vorschriften über den Ausschluß des mitgliedschaftlichen Stimmrechts zurückzugreifen58 , da für das organschaftliche Stimmrecht erst recht die Beschränkungen gelten müssen, die schon das in dieser Hinsicht freiere Mitglied binden. Nur ist dieser Ansatz für das Aktienrecht ohne Bedeutung, da die Beschränkungen des Aktionärsstimmrechts in §§ 136 Abs. 1, 142 Abs. 1 S. 2 AktG59 weniger weit gehen als die schon aus § 34 i.V.m. § 28 BGB hergeleiteten. Soweit in der Literatur ein allgemeines Stimmverbot bei Vorliegen von Interessenkollisionen bejaht wird, sind die Äußerungen hierzu recht unscharf. Meyer-Landruf'O nimmt ein Stimmverbot bei jedem "echten Interessengegensatz" an. Dietrich Hoffmann61 spricht von einem allgemeinen gesellschafts rechtlichen Grundsatz und empfiehlt bei weniger unmittelbaren Konflikten, "im Einzelfall geeignete Wege zu finden" So zutreffend U. Hübner S. 284. Entlastung eines Aktionärs, Befreiung von einer Verbindlichkeit, Geltendmachung von gegen ihn gerichteten Ansprüchen, Bestellung von Sonderprüfern in Zusammenhang mit Enlastung oder Inanspruchnahme des Aktionärs. 60 Großkomm. § 108 Anm.5. 61 Der Aufsichtsrat, Rn 501. 58

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und bei sich häufenden Interessenkonflikten das Amt niederzulegen. Diether Hoffmann62 meint, das Aufsichtsratsmitglied werde "natürlich nicht an Beschlüssen mitwirken, die in seinen eigenen Angelegenheiten gefaßt werden sollen". Coing63 hält es für ausreichend, daß "die privaten Interessen auch nur tatsächlich erheblich berührt werden". Ein solcher allgemeiner Grundsatz könnte sich nur im Wege einer Rechtsanalogie aus verschiedenen Normen herleiten lassen, die an unterschiedliche Tatbestände die gleiche Rechtsfolge knüpfen. Die ratio legis dieser einzelnen Regelungen dürfte dann nicht nur in diesen Einzelfällen zutreffen, sondern müßte darüber hinaus für weitere allgemein zu umschreibende Fälle geIten. Ein Analogieschluß scheidet aber aus, wenn die Beschränkung des Gesetzgebers auf die vorhandenen Regelungen vernünftige Gründe hat64. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Normen, die bei Vorliegen eines Konflikttatbestandes mitgliedschaftliches oder organschaftliches Stimmrecht ausschließen. Doch wurden die unterschiedlichen Fassungen des § 34 BGB und der engeren §§ 136, 142 AktG bereits erwähnt, auf die wiederum § 36 VAG für den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit verweist. Im Vergleich dazu betrifft § 43 Abs.6 GenG nur die Entlastung, Befreiung von einer Verbindlichkeit und GeItendmachung eines Anspruchs gegen einen Genossen. § 47 Abs.4 GmbHG fügt dem noch die Beschlußfassung über ein Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter hinzu. Es zeigt sich, daß alle diese Normen unterschiediche Fälle von Interessenkollision behandeln, die nicht nur beispielhaften Charakter haben, sondern auf eine bewußte kasuistische Regelung schließen lassen. Im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit sollen die Gesellschaften vor einem generalklauselartigen Eingriff in ihre internen Entscheidungsprozesse bewahrt werden. Statt dessen wurden präzisere EinzeItatbestände geschaffen, die auf die jeweilige Gesellschaftsform abgestimmt sind6S • Dieses Bestreben des Gesetzgebers darf nicht durch den Rechtsanwender im Wege einer allgemeinen Rechtsanalogie zunichte gemacht werden66 • Somit bleibt festzuhaIten, daß ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der im Interessenkonflikt das Stimmrecht ausschließt, weder im deutschen Gesellschaftsrecht im allgemeinen noch im deutschen Aktienrecht existiert67• Handbuch des AR, S. 64. Staudinger / Coing § 34 Rn 12. 64 Larenz Methodenlehre S. 369 f., 375. 65 MünchKomm I Reuter § 34 Rn 2; RGRK / Steffen § 34 Rn 34; Zöllner S. 263 f. 66 Bezüglich § 47 Abs. 4 GmbHG: BGHZ 6B, 107 (109). 67 Mertens in Kölner Komm. § lOB Rn 44f.; Geßler in G/H/E/K § lOB Rn 29; Möhring / Tank Rn 37B; Redding S. 49; Meilicke S. B7. 62

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland 3. Sachlicher Anwendungsbereich

Somit bleibt es dabei, daß Rechtsgrundlage für einen Stimmrechtsausschluß allein § 34 i.V.m. § 28 Abs.l BGB ist. Unmittelbar werden davon nur Beschlüsse über Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und dem an der Entscheidung beteiligten Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied erfaßt. Der Anwendungsbereich ist damit sehr eng, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß die aus derartigen Fallkonstellationen entstehenden Probleme im wesentlichen durch die Kompetenzzuweisung der §§ 78, 112 AktG ausgeräumt werden68 • Das Stimmverbot wird daher auf weitere, genau abgrenzbare Fälle angewendet. Die durch den Wortsinn gezogenen Grenzen werden noch nicht überschritten, wenn man Maßnahmen der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen sowie Klagen vor Schiedsgerichten69 ebenfalls unter die Begriffe "Rechtsgeschäft" und "Rechtsstreit" einordnet. Auch eine bloße Ermächtigung des Vorstandes oder die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes70 sind hier zu nennen. Dazu gehören vor allem die Zustimmungsvorbehalte gemäß §§ 111 Abs.4 S.2, 114, 115 AktG. Es müßte überraschen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied z. B. bei der Entscheidung darüber mitstimmen könnte, ob die Gesellschaft ihm durch den Vorstand einen Kredit gewähren oder mit ihm einen Beratungsvertrag abschließen darf. Soweit aber bei darüber hinausgehenden Fällen von "ausdehnender Anwendung" gesprochen wird71 , läßt sich dies nur im Wege der Gesetzesanalogie begründen. Es soll nämlich die gleiche Rechtsfolge für einen Tatbestand gelten, der sich zwar von dem Tatbestand der Norm unterscheidet, diesem aber in der für die gesetzliche Bewertung maßgebenden Hinsicht gleicht. Die Frage, ob zwei Tatbestände insoweit als gleich oder ungleich anzusehen sind, ist anhand der ratio legis zu beantworten72 • Diese besteht in der Bewältigung der Interessenkollisionen, welche sich daraus ergeben, daß der Abstimmende als Vertragspartner der Gesellschaft oder als Gegner in einem Rechtsstreit von dem Beschluß unmittelbar persönlich betroffen ist. Da von ihm aus diesem Grunde kaum erwartet werden kann, daß er sich bei der Entscheidung ausschließlich an den Interessen der Gesellschaft orientiert, wird ihm für diese Fälle das Stimmrecht versagt. 68 Wohl deshalb fehlen Äußerungen in der Literatur zur Anwendbarkeit von § 34 BGB auf den Vorstand fast völlig. 69 Zöllner S.214. 70 BGHZ 68, 107 (112) in bezug auf den gleichlautenden § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG; dazu Zöllner S. 254 ff., 261 ff. für das mitgliedschaftliche Stimmrecht; Müller-Erzbach S. 226. 71 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 45; Staudinger / Coing § 34 Rn 9 ff. 72 Larenz, Methodenlehre S. 366.

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Deutlich ist diese übereinstimmung der Interessenlage bei der Beschlußfassung über einen Vertrag zugunsten eines Dritten (§ 328 BGB), durch den ein Abstimmender ein Forderungsrecht gegen die Gesellschaft erwerben soll. Auch wenn er nicht selbst als Partei an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist, so treffen ihn dessen Folgen doch unmittelbar. Er ist daher bezüglich § 34 BGB so zu behandeln, als sei er selbst Vertragspartei, so daß das Stimmverbot auch ihn erfaßt. Ist der Abstimmende Bürge des Geschäftspartners, so ist seine Schuld akzessorisch zu der Hauptverpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Bezieht sich der Beschluß darauf, daß die Schuld aufgehoben, durch Kündigung fälliggestellt oder durch Herbeiführung des Verzugs erhöht werden soll, so treffen diese Folgen den Bürgen unmittelbar. Er muß daher so behandelt werden, als sei er selbst der Hauptschuldner, darf also nicht mitstimmen. Bei entsprechender Ausgestaltung eines Garantievertrages gilt dies auch für den Garanten73 • Auch wenn der Dritte, der Vertragspartner der Gesellschaft ist, als Treuhänder74, gesetzlicher Vertreter oder Kommissionär des Abstimmenden handelt, ist letzterer der Sache nach unmittelbar an dem Rechtsgeschäft bzw. Rechtsstreit beteiligt, obwohl er formal nur mittelbar betroffen ist75 • Da somit auch in diesem Fall die Interessen des Abstimmenden und des Geschäftspartners der Gesellschaft sachlich übereinstimmen, ist hierauf das Stimmverbot anzuwenden76• Dies gilt weiterhin dann, wenn der Abstimmende Gesellschafter einer OHG oder Komplementär einer KG ist, da er dann trotz der rechtlichen Verselbständigung des Gesellschaftsvermögens unmittelbar und persönlich haftet (§§ 128, 161 Abs. 2 HGB). Dieser Gesichtspunkt kann dagegen nicht eingreifen, wenn über den Abschluß eines Rechtsgeschäftes oder die Austragung eines Rechtsstreits mit einer juristischen Person Beschluß ge faßt wird, an der ein Abstimmender beteiligt ist. Dann treffen die Folgen nicht ihn, sondern unmittelbar diese Gesellschaft aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit. Unbedenklich erscheint dies dann, wenn er nur wenige Anteile dieser juristischen Person hält, da dann von ihm erwartet werden kann, daß er die Interessen der Gesellschaft vorzieht, deren Aufsichtsratsmitglied er ist. Anders liegt der Fall aber dann, wenn der Abstimmende als einziger Gesellschafter der anderen Vertragspartei mit die73 Staudinger I Coing § 34 Rn 11; für das mitgliedschaftliche Stimmrecht Zöllner S. 211 und Herz/elder S. 119. 74 RGZ 104, 128 (130); 108, 322 (326); 122, 159 (162). 75 BGHZ 56, 47 (53). 76 BGH a.a.O.; Staudinger I Coing § 34 Rn 9; Müller-Erzbach S.229.

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ser wirtschaftlich identisch ist oder diese beherrscht. Dann gilt für ihn das Stimmverbof7• Von großer Bedeutung sind schließlich die Fälle, in denen das abstimmende Aufsichtsratsmitglied Vertreter oder Mitglied des Vertretungsorgans des Dritten ist, mit dem ein Rechtsgeschäft abgeschlossen werden soll. Man denke etwa an das Vorstandsmitglied einer Bank, welches im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft an der Beschlußfassung über ein Rechtsgeschäft mit der Bank (z. B. in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung oder der Emission einer Anleihe dieses Unternehmens) teilnimmt. Diese Konstellation weicht insofern von den bisher behandelten Fällen ab, als die rechtlichen Folgen dieser Entscheidung nicht direkt oder indirekt das abstimmende Aufsichtsratsmitglied treffen, sich vielmehr allein auf die Gesellschaft auswirken, deren Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder leitender Angestellter78 er ist. Dieser Unterschied wird aber dadurch ausgeglichen, daß der Abstimmende aufgrund seiner gesetzlichen Organstellungen oder seines Dienstvertrages im Verhältnis zu seiner Gesellschaft so zu handeln verpflichtet ist, wie es ein Unternehmer in bezug auf sein eigenes Unternehmen tun würde. Diese starke Bindung führt für ihn zu dem gleichen Konflikt, als sei er selbst der Geschäftspartner: Einerseits muß er für die von ihm geführte Gesellschaft handeln, andererseits soll er die Interessen der Gesellschaft vertreten, deren Aufsichtsratsmitglied er ist. Er muß also zwei Herren gleichzeitig dienen, was zu einem kaum lösbaren Konflikt führt. Aufgrund dieser Interessenlage ist auch hier die entsprechende Anwendung des § 34 BGB geboten79 • Trotz dieser weiten Auslegung des § 34 BGB bleiben viele Interessenkonflikte offen, die im Einzelfall ernsthafte Gefährdungen des Gesellschaftsinteresses befürchten lassen. Hier sind die Fälle zu nennen, in denen ein Organmitglied nur mittelbar oder rein tatsächlich von einer Entscheidung betroffen isto. Gleiches gilt, wenn der Ehegatte oder ein naher Verwandter des Abstimmenden in einer der vorstehend beschriebenen Konstellationen an dem Geschäft beteiligt istB 1• Eine Ausdeh77 BGHZ 56, 47 (53); Möhring / Tank Rn 378; Meilicke S. 86; Meyer-Giesow S. 153; Eng/er S. 150; MünchKomm / Reuter § 34 Rn 7; Staudinger / Coing § 34 Rn 10; a.A. Geßler in G/H/E/K § 108 Rn 9 ohne Begründung. 78 Dazu Pleyer S. 206; Eng/er S. 145. 79 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 45; Baumbach / Hueck § 108 Anm.4; Möhring / Tank Rz 378; Meyer-Giesow S. 153 f.; Staudinger / Coing § 34 Rn 10; Soergel / Schultze-v. Lasaulx § 34 Rn 4; im Ergebnis auch Eng/er S. 144, Redding S. 50, Herz/eIder S. 98. 80 Beispiele siehe oben S. 112. 81 Für Anwendung des § 34 BGB: Staudinger / Coing § 34 Rn 12, Erman / H. Westermann § 34 Rn 2 "erwägenswert"; dagegen: BGHZ 56, 47 (54), Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 45, Soergel / Schultze-v. Lasaulx § 34 Rn 2 a.E., Zöllner S. 281 f., Herz/eIder S. 80.

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nung des Stimmverbotes auf diese Fälle begegnet jedoch großen Bedenken. Auch bei großzügiger Betrachtungsweise fehlt es hier an der durch § 34 BGB vorausgesetzten Identität oder Teilidentität auf beiden Seiten des Geschäfts. Die Grenzen der Gesetzesanalogie würden mit Sicherheit überschritten, und es würde entgegen dem gesetzlichen Regelungsgerüst die Hintertür des allgemeinen Rechtsgrundsatzes doch noch geöffnet. Die Anknüpfung an einigermaßen klare Konflikttatbestände würde zugunsten allgemeiner Ermessens- und Abwägungsgesichtspunkte aufgegeben, welche Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit beeinträchtigen müßten. De lege lata ist daher eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Vorschrift abzulehnen. 4. Einzelfälle

Auf der Grundlage der vorstehenden Umschreibung bestehender Stimmverbote soll im folgenden auf einige bedeutsame Einzelfälle näher eingegangen werden. a) Sozial rechtliche Beschlüsse

In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, daß eine Einschränkung der Stimmverbote für Beschlüsse geboten ist, welche dem innergesellschaftlichen Bereich zuzurechnen sind, wie z. B. Wahlen, Organbestellungen ete. Die Rechtsprechung zum mitgliedschaftlichen Stimmrecht hat diese Problematik dadurch zu lösen versucht, daß sie "individual- und sozialrechtliche Rechtsgeschäfte" gegenübergestellt hat. Die Stimmverbote sollten sich nicht auf letztere beziehen, da der Abstimmende insoweit der Gesellschaft nicht als Dritter gegenübertrete, sondern allein sein Mitverwaltungsrecht als Gesellschafter ausübe82• Für das hier untersuchte organschaftliche Stimmrecht wählt Engfer einen ähnlichen Ansatz, indem er darauf abstellt, ob die privaten Interessen oder das Verwaltungs recht des Organmitglieds berührt werden83 • Bisher ist es jedoch weder der Rechtsprechung noch der Literatur gelungen, in überzeugender Weise zu erläutern, was sich hinter Begriffen wie Sozialakt, sozialrechtlicher Beschluß ete. verbergen soH84. Aus diesem Grunde ist auch für die möglichen Ausnahmen von Stimmverboten auf eine kasuistische Betrachtungsweise unter Abwägung der Interessen im Einzelfall zurückzugreifen8s • 82 RGZ 60, 173 (173); 74, 176 (278); 81, 37 (38); 104, 182; BGH NJW 1969, 841 (844); Soergell Schultze-v. Lasaulx § 34 Rn 3. 83 Engfer S. 135. 84 Dazu ausführlich Zöllner S. 225 ff. 85 Zöllner S.229; Engfer S. 22 f., 134; Staudinger I Coing § 34 Rn 13.

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Dabei ist der Bewertung der einzelnen Fälle folgende überlegung zugrunde zu legen. Das Stimmverbot des § 34 BGB knüpft an kollidierende Interessen von Verein und Mitgliedern bzw. hier von Aktiengesellschaft und Organmitgliedern an. Insoweit ist es folgerichtig, daß das Stimmverbot dort nicht gilt, wo sich nicht typische Verbands- und Einzelinteressen konträr gegenüberstehen, wo statt dessen komplementäre Mitgliederinteressen zur Verwirklichung des Verbandszwecks zusammenwirken86 • Wie läßt sich dieser Ausgangspunkt auf das organschaftliche Stimmrecht übertragen? Man müßte statt der Mitgliedschaftsrechte auf die Verwaltungsrechte abstellen, die den Abstimmenden persönlich zur Ausübung ihrer Organfunktion gewährt worden sind. Soweit sie diese Verwaltungsrechte im gleichberechtigten Zusammenwirken ausüben, ohne daß das Gesellschaftsinteresse typischerweise entgegengesetzt wäre, liegt dieses Vorgehen außerhalb des Geltungsbereiches der Stimmverbote. Als Anwendungsfälle dieser Problematik kommen zunächst die Wahlen zu besonderen Funktionen innerhalb eines Organs in Betracht, wie z. B. die Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrates gern. § 107 Abs. 1 S. 1 AktG oder der Mitglieder von besonderen Ausschüssen. Hier stehen sich nicht ihrer Natur nach gegensätzliche Interessen des abstimmenden Kandidaten und der Gesellschaft gegenüber, vielmehr nehmen alle Abstimmenden gleichberechtigt zusammenwirkend eigene Verwaltungsrechte in Anspruch. Auch die Tätigkeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates oder als Mitglied eines seiner Ausschüsse ist Teil seiner Aufgaben als Aufsichtsratsmitglied. Daher handelt ein Aufsichtsratsmitglied im Rahmen der ihm zugewiesenen Befugnisse, wenn es bei gewissenhafter Prüfung zu dem Ergebnis kommt, selbst am besten für die in Frage stehende Position geeignet zu sein. Für derartige Fallkonstellationen läßt sich nicht feststellen, daß das Verwaltungsmitglied daran mitwirkt, sich selbst auf Kosten der Gesellschaft Vorteile zukommen zu lassen. Die gleichen Erwägungen gelten für die Abwahl von einer solchen Position87• Ausnahmsweise ist aber doch ein Stimmverbot anzunehmen, wenn die Maßnahme - insbesondere ein Beschluß des Aufsichtsrates über die gerichtliche Abberufung eines Mitgliedes aus diesem Gremium (§ 103 Abs.3 AktG) - auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestützt wird88 • Neben dem Aspekt, daß das betroffene Organmitglied MünchKomm / Reuter § 34 Rn 9. in Kölner Komm. § 108 Rn 44; Meyer-La:ndrut in Großkomm. § 108 Anm. 5; Möhring I Tank Rn 378. 88 Mertens und Möhring I Tank a.a.O.; Engfer S. 136; Staudinger / Coing 86 87

Mertens

§34 Hz 15.

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nicht Richter in eigener Sache sein darf89 , ist festzuhalten, daß bei dieser Konstellation der für das Stimmverbot vorausgesetzte typische Interessenkonflikt besteht. Denn bei Vorliegen eines wichtigen Grundes hat die Gesellschaft regelmäßig ein Interesse an der Abberufung des pflichtwidrig Handelnden, was dieser abzuwehren versucht. Die in dem Stimmverbot liegende Beschränkung seines Verwaltungsrechts wiegt nicht allzu schwer, da in dem einzig gravierenden Fall des § 103 Abs.3 AktG letztlich das Gericht entscheidet. Fraglich ist, wie die Bestellung eines Vorstandsmitglieds aus den Reihen des Aufsichtsrates zu behandeln ist. Handelt es sich dabei um einen innerkörperschaftIichen Akt, an dem der Kandidat mitwirken darf? So hat z. B. die Mitwirkung des Lufthansa-Aufsichtsratsmitgliedes Dr. Ruhnau an seiner Wahl in den Vorstand derselben Gesellschaft Aufsehen erregt90• Die gesellschafts rechtliche Praxis und die herrschende Lehre lehnen in diesen Fällen ein Stimmverbot meist ohne nähere Begründung ab91 • Hier soll nicht auf die feinsinnigen überlegungen zur Rechtsnatur der Bestellung eingegangen werden. Man würde den Kern des Problems verfehlen, wollte man die Anwendbarkeit von § 34 LV.m. § 28 BGB damit begründen, daß die Bestellung den Charakter eines Rechtsgeschäfts habe. Vielmehr ist auch hier auf die Interessenlage der Gesellschaft und ihres Aufsichtsratsmitgliedes abzustellen. Im Interesse der Gesellschaft liegt es, daß der fähigste und kompetenteste Kandidat in ihren Vorstand berufen wird, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Kandidaten üblicherweise nicht aus dem Aufsichtsrat kommen. Den Mitgliedern des Aufsichtsrates kommt bei der Entscheidung ein kaum einzugrenzender Spielraum für persönliche Wertungen zu, welche weitgehend auf Erfahrungen und Menschenkenntnis aufzubauen haben. Eine überprüfung des Ergebnisses dieser persönlichen Entscheidung eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes ist somit fast völlig ausgeschlossen, so daß die beweglichen Stimmrechtsschranken praktisch versagen. Der dem Aufsichtsrat angehörende Kandidat für einen Vorstandsposten wird aber diesen von ihm verlangten Abwägungs- und Wertungsprozeß nicht vornehmen, da er - wenn er sich schon bewirbt - aufgrund seines Selbstvertrauens und seines Ehrgeizes typischerweise davon ausgeht, selbst der Geeignetste zu sein und sein Verhalten danach ausrichtet. Niemand wird einem Aufsichtsratsmitglied ein solches Verhalten verübeln, da es folgerichtig und zutiefst menschlich ist. Doch zeigt diese Gegenüberstellung, daß die Interessen der Gesell89 90

Staudinger I Coing a.a.O.

FAZ 25. 1. 1982 Nr.20 S. 11.

Mertens in Kölner Komm. § 84 Rn 6; He/ermehZ in G/H/E/K § 84 Rn 12; Eng/er S. 135; dagegen ausführlich UZmer NJW 1980, 1605 und 1982, 2288. 91

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schaft und des für ein Vorstandsamt kandidierenden Aufsichtsratsmitgliedes regelmäßig in der Weise kollidieren, daß eine sachgerechte, allein am Gesellschaftsinteresse orientierte Entscheidung von dem Abstimmenden nicht erwartet werden kann. Das Stimmverbot gemäß § 34 i.V.m. § 28 Abs.1 BGB erfaßt somit auch diesen Fall. Der Unterschied zu den oben91a behandelten Wahlen zu besonderen Funktionen innerhalb eines Gremiums liegt darin, daß hier nicht ein Aufsichtsratsmitglied mit einer besonderen Aufgabe im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit betraut, sondern daß es in ein anderes Gremium gewählt werden soll. Für die Frage des Anstellungsvertrages stellen sich diese Probleme nicht, da dieser zweifellos den Charakter eines Rechtsgeschäft hat und ein Vorstandsmitglied mit seiner Bestellung das Aufsichtsratmandat niederlegen oder ruhen lassen muß (§ 105 AktG). Im Zusammenhang mit sozialrechtlichen Beschlüssen ist abschließend der Ausschluß von Mitgliedern aus der Körperschaft zu erwähnen. Bei der Kaduzierung von Namensaktien (§ 64 AktG) durch den Vorstand91b ist ein Interessenkonflikt dann gegeben, wenn von der Maßnahme auch ein Vorstandsmitglied als Aktionär betroffen ist. Dabei handelt es sich um die Geltendmachung der Einlageverpflichtung, was deutlich im Geltungsbereich des § 34 BGB liegt, ohne daß die Verwaltungsbefugnisse des Vorstandsmitgliedes hier das Stimmverbot einschränken könnten91c • Das wiegt auch nicht sehr schwer, weil der Betroffene das Verfahren durch Zahlung der ausstehenden Einlage beenden kann. Soll der Verlust der Mitgliedschaft dagegen durch Einziehung erfolgen (§ 237 AktG), so scheiden Interessenkonflikte der hier untersuchten Art aus, da grundsätzlich die Hauptversammlung entscheidet91d • Ist ausnahmsweise bei Vorhandensein einer entsprechenden Satzungsbestimmung gemäß § 237 Abs.6 AktG der Vorstand zuständig, so ist das Stimmverbot für das betroffene Vorstandsmitglied überflüssig, da die Verwaltung insoweit keinen Ermessensspielraum hat92 • b) Konzernproblematik In besonderer Weise treten Interessenkollisionen im Bereich verbundener Unternehmen auf. Den Interessen von Minderheitsaktionären steht das Interesse des Konzerns und seiner Leitung gegenüber, abhängige Gesellschaften einheitlich zu führen und ihr wirtschaftliches HanS.118. Lutter in Kölner Komm. § 64 Rn 7. 91c Eng/er S. 139; Zöllner S.240. 91d Lutter in Kölner Komm. § 237 Rn 12. 92 J.utter in Kölner Komm. § 237 Rn 70.

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deIn dem Gesamtkonzern zu unterwerfen und nutzbar zu machen. Der Vorstand einer Konzerngesellschaft steckt somit ungeachtet seiner Aufgabe, die Gesellschaft gern. § 76 Abs.l AktG "unter eigener Verantwortung zu leiten", in einem Zwiespalt93 • Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Konzerne sind zwar wirtschaftliche Realität und aus einer hochentwickelten, arbeitsteiligen Industriegesellschaft nicht wegzudenken. Doch stellen sie häufig auch Machtzusammenballungen dar, welche die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs erheblich gefährden können. Neben den speziellen wettbewerbsrechtlichen Instrumenten vermag auch die rechtliche Regelung der internen Entscheidungs- und Organisationsstrukturen der Gesellschaften ein gewisses Gegengewicht zu bilden, indem sie dem abhängigen Unternehmen ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Selbständigkeit garantiert94 • Das geltende Stimmverbot gemäß § 34 i.V.m. § 28 Abs. 1 BGB stellt allerdings aus mehreren Gründen kein wirksames Schutzinstrument für die Minderheitsaktionäre und den Wettbewerb dar. Zunächst einmal erfaßt es nur solche Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat, die im weitesten Sinne rechtsgeschäftlichen Charakter haben. Entscheidungen zur Geschäftspolitik fallen nicht darunter. Außerdem ist Anknüpfungspunkt für das Stimmverbot aus § 34 BGB immer eine persönliche Verflechtung der Organmitglieder. Eine Umgehung ist leicht dadurch möglich, daß man die Organe von Konzerngesellschaften mit der Konzernleitung genehmen Personen besetzt, ohne daß diese auch der übergeordneten Gesellschaft angehören. Wenn die Personenverflechtung trotzdem ein beliebtes Mittel zur Durchsetzung einer einheitlichen Konzernpolitik ist, so ergeben sich doch erhebliche Beschränkungen bereits aus dem Verbot der Aufsichtsratsmitgliedschaft entgegen dem Organisationsgefälle im Konzern (§ 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG) und der Überkreuzverflechtung (§ 100 Abs.2 Nr.3 AktG). Auch gilt das Stimmverbot seinem Inhalt nach nicht für den Fall, daß das abstimmende Vorstandsmitglied dem Aufsichtsrat des Geschäftspartners angehört. Im Konzernbereich hat § 34 BGB somit nur dann Bedeutung, wenn das abstimmende Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied auch Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft ist. Sogar in diesen beiden Fällen ist aber fraglich, ob das Stimmverbot nicht durch die besonderen konzernrechtlichen Regelungen ausgeschlossen wird. Besteht nämlich ein Beherrschungsvertrag (§ 291 Abs.1 AktG) oder ist die Gesellschaft eingegliedert worden (§ 319 AktG), so hat das herrschende Unternehmen gemäß §§ 308, 323 AktG gegenüber dem Vorstand des Konzernunternehmens ein Weisungs recht. Soweit dieses im 93 94

Rasch S. 114 f. mit Beispielen. Ausführlich hierzu Groß/eld Aktiengesellschaft S. 181 ff.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Einzelfall reicht, findet eine freie Willensbildung im hier vorausgesetzten Sinn gar nicht statt, so daß ein Stimmverbot konsequenterweise ausscheiden muß. Schon wegen der Abgrenzungsprobleme gilt dies auch, soweit keine konkreten Weisungen, sondern nur allgemeine Richtlinien ergehen. Wem es nämlich das Gesetz gestattet, auf Weisung allein im Konzerninteresse liegende, gegen die Belange der Gesellschaft verstoßende Entscheidungen zu fällen, dem muß es auch bei Einräumung eines konkreten Entscheidungsspielraums möglich sein, die Konzerninteressen zu berücksichtigen. Auch ohne Abschluß eines Unternehmensvertrages kann ein Unternehmen eine andere Gesellschaft von sich abhängig machen. Das Aktiengesetz von 1965 nimmt diese Tatsache hin und gestattet dem herrschenden Unternehmen sogar, in der Weise Einfluß auf die abhängige Gesellschaft zu nehmen, daß diese Nachteile erleidet. Dem Schutz der anderen Aktionäre und Gläubiger dienen der Ausgleichsanspruch (§ 311 AktG) , der Abhängigkeitsbericht (§ 312 ff. AktG) und die Haftung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates beider Gesellschaften (§§ 317 f., 309 Abs.3 bis 5 AktG). Angesichts dieser gesetzlich sanktionierten Abhängigkeit des Vorstandes der Gesellschaft kommt auch hier die Anwendung des Stimmverbotes nicht in Betracht. Das bisher Gesagte gilt nicht für Beschlüsse der Aufsichtsräte abhängiger Gesellschaften, da sich "Weisungen" (§ 308 AktG) und "Einfluß" (§ 311 AktG) nur auf die jeweiligen Vorstände beziehen, weshalb das Stimmverbot für Aufsichtsratsentscheidungen erhalten bleibt. Lehnt es allerdings der Aufsichtsrat einer abhängigen oder eingegliederten Gesellschaft ab, dem Vorstand die Zustimmung zu einem zustimmungspflichtigen Geschäft zu erteilen, zu dem dieser von der herrschenden Gesellschaft angewiesen worden ist, so entfällt mit Wiederholung der Weisung die Zustimmungspflichtigkeit (§§ 308 Abs.3, 323 Abs. 1 AktG) , wodurch der Aufsichtsrat der abhängigen oder eingegliederten Gesellschaft praktisch ausgeschaltet werden kann. Ob die beschriebenen konzernrechtlichen Instrumente einen wirksamen Schutz und angemessenen Interessenausgleich gewährleisten können, ob sie möglicherweise der Ergänzung durch weitergehende Stimmverbote bedürfen, kann nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung sein. De lege lata ist jedenfalls festzustellen, daß sie den Anwendungsbereich der bestehenden Stimmverbote einschränken. c) Entsandte Aufsichtsratsmitglieder

Gemäß § 101 Abs. 2 AktG kann durch die Satzung bestimmten Aktionären oder den jeweiligen Inhabern bestimmter Aktien das Recht zur Entsendung von bis zu einem Drittel der Aufsichtsratsmitglieder der

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Aktionäre eingeräumt werden. Es könnte in diesen Fällen das Stimmverbot aus § 34 BGB für solche Beschlüsse gelten, die den Abschluß eines der oben genannten Geschäfte mit dem Entsendungsberechtigten betreffen. Dafür spricht, daß der Entsender in der Praxis fast immer einen gewissen, manchmal sogar starken Einfluß auf den Entsandten ausübt, da der Zweck des Entsendungsrechtes auch in der Eröffnung dieser Möglichkeit liegt. Trotzdem unterscheidet sich diese Konstellation ganz wesentlich von dem Fall, in dem ein Aufsichtsratsmitglied gleichzeitig Mitglied des Vertretungsorgans des Geschäftspartners ist. Der Entsandte befindet sich allein gegenüber der Gesellschaft in der Pflicht, deren Aufsichtsratsmitglied er ist. Zwischen ihm und dem Entsendungsberechtigten besteht keine weitere Pflichtbindung, wie dies für das Mitglied des Vertretungsorgans des Geschäftspartners der Fall ist. Wegen der Unterschiedlichkeit der Sachverhalte fehlt es somit am geeigneten Ansatzpunkt für eine Analogie. Der Entsandte ist vielmehr allein an das GeseIlschaftsinteresse gebunden und darf Weisungen des Entsenders nur ausführen, wenn er nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß sie nicht im Widerspruch zum Gesellschaftsinteresse stehen. Im Falle eines Interessenkonfliktes geht dieses vor95 • Der Entsandte würde sich sonst gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen. Ein Stimmverbot scheidet damit aus96 • Davon abweichend bejaht Engfer97 das Stimmverbot, wenn das Entsendungsrecht einer Gemeinde zusteht und die für sie geltende Gemeindeordnung ein konkretes Weisungsrecht nach dem Vorbild des § 70 DGO enthält. Dabei übersieht er aber, daß die landesrechtIichen Gemeindeordnungen gern. Art. 31 GG nicht in die aktienrechtlich gesicherte Weisungsunabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder eingreifen dürfen98 • Soweit ein Bedürfnis zu weitergehenden Einflußmöglichkeiten der Gemeinde besteht, ist auf die bereits angesprochenen99 Lösungen des Konzernrechts zurückzugreifen loo , wie dies für den Bereich der Bundesbeteiligungen durch die "Gelsenberg-Entscheidung" des Bundesgerichtshofs geschehen ist lOI • 95 BGHZ 36, 296 (306); Mertens in Kölner Komm. § 101 Rn 51; Meyer-Landrut in Großkomm. § 101 Anm. 18; Baumbach I Hueck § 101 Anm. 13. 96 BGHZ 36, 296 (307); Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 46; Meyer-Landrut in Großkomm. § 108 Anm.5; Geßler in G/H/E/K § 108 Rn 29; Engfer S.146. 97 S. 147 f. 98 Nachweise bei Nesselmüller S. 93; Pagenkopf S. 182. 99 Siehe oben S. 120 ff. 100 Nesselmüller S. 97 f.; Emmerich S. 211 ff., 226, 229. 101 BGHZ 69, 334.

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2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

d) Arbeitnehmervertreter

Ganz besondere praktische Bedeutung haben jene Interessenkonflikte, welche bei den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat auftreten. aal Einführung Die bisher dargestellten Stimmverbote gelten für Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter in gleicher Weise. So ist selbstverständlich das Stimmrecht eines Arbeitnehmervertreters ausgeschlossen, wenn z. B. über die Zustimmung zu einem mit ihm abzuschließenden Kreditgeschäft Beschluß gefaßt wird. Ganz besondere Loyalitätskonflikte bestehen aber dort, wo eine Entscheidung im Aufsichtsrat spezielle Arbeitnehmerinteressen berührt. Diese Konflikte kann man nicht dadurch aus der Welt schaffen, daß man auf die Weisungsunabhängigkeit, die Bindung ausschließlich an das Unternehmensinteresse und die aktienrechtliche Verantwortlichkeit auch der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verweist lO2 • Konflikte können tatsächlich so stark sein, daß eine Entscheidung nur noch am Partikularinteresse orientiert wird. Kompliziert werden diese Probleme dadurch, daß sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf drei Ebenen abspielt: betriebsverfassungsrechtliche, tarifvertragliche und unternehmensbezogene Mitbestimmung stehen nebeneinander. Während tarifvertragliche Vereinbarungen gern. §§ 77 Abs.3, 87 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich den betrieblichen übereinkommen vorgehen, hat der Gesetzgeber auf eine Regelung des Verhältnisses der betriebsverfassungsrechtlichen und tarifvertraglichen Mitbestimmung zur Mitbestimmung im Aufsichtsrat verzichtet. Der Vorschlag von Säcker, für Entscheidungen über tarifvertrags- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen allein die Mehrheit der Stimmen der Anteilseigner im Aufsichtsrat ausreichen zu lassen lO3 , blieb unberücksichtigt. Diese kurze Einführung zeigt bereits, daß man den angesprochenen Problemen nicht allein durch Auslegung und Anwendung von § 34 BGB und Hinweis auf die Sorgfaltspflichten der Aufsichtsratsmitglieder gerecht werden kann. Ein nur gesellschaftsrechtlicher Ansatz wäre zu eng, vielmehr müssen die Gesichtspunkte des Mitbestimmungs- und kollektiven Arbeitsrechts berücksichtigt werden. Daher kann an dieser Stelle nur ein knapper überblick gegeben werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die reichhaltige Spezialliteratur verwiesen1M • 102 So aber das Bundesverfassungsgericht im "Mitbestimmungs-Urteil" BVerfGE 50, 290 (374). 103 Anhörung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 19. Dez. 1974, Prot.Nr. 62, 104. IM Sehr aufschlußreich die Vorträge und Diskussionsbeiträge auf dem Bad Homburger Mitbestimmungssymposium, abgedruckt in ZGR 1977, Heft 2 mit ausführlichen Literaturhinweisen.

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bb) Stimmverbot bei gleichzeitiger betrieblicher Mitbestimmung Eine Kumulation von Mitbestimmungsrechten in Betrieb und Aufsichtsrat ergibt sich dann, wenn Unternehmerentscheidungen, welche der betrieblichen Mitbestimmung unterliegen, an die Zustimmung des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs.4 AktG gebunden werden, was nach den Satzungen vieler Aktiengesellschaften insbesondere für Betriebsänderungen giltlOS. Kein Anlaß für einen Stimmrechtsausschluß besteht dort, wo sich die Rechte des Betriebsrates in Anhörung und Information erschöpfen (z. B. § 90 BetrVG). Hier liegt der Schwerpunkt der Mitbestimmung im Aufsichtsrat, die nicht zusätzlich durch die Rechte des Betriebsrates übersteigert wirdl()6. Daß auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von den allgemeinen Auswirkungen einer Entscheidung betroffen sein können, reicht für ein Stimmverbot nicht aus lO7 . Vergleichsweise deutlich ist auch, daß das Stimmverbot dort eingreifen muß, wo der Aufsichtsrat ausnahmsweise über eine Betriebsvereinbarung gemäß §§ 77 Abs.4 BetrVG abstimmt, deren normative Geltung sich auf die beteiligten Arbeitnehmervertreter erstrecktlOS. Hier tritt der für § 34 BGB typische Interessengegensatz deutlich zutage. Fraglich ist, wie die zwischen diesen beiden Extremen liegenden Fälle zu behandeln sind, bei denen der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht hat und dieses auch durch Anrufung der Einigungsstelle erzwingen kann, z. B. §§ 92 - 95 BetrVG (allgemeine Personalplanung), § 111 f. BetrVG (Betriebsänderungen). Das System der paritätischen, betrieblichen Mitbestimmung setzt nämlich voraus, daß beide Seiten unabhängig voneinander sind und gleichen Einfluß auf Besetzung, Verfahren und Entscheidung der Einigungsstelle nehmen können. Diese Balance wird gestört, wenn die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat die Position der Unternehmerseite beeinflussen können. Selbst wenn man das Reizwort von der überparität vermeiden will, so wird doch "der Kurs des Unternehmensschiffes zweimal in Richtung ,soziale Sicherheit' korrigiert" 109. Aus diesem Grunde wird für derartige Fälle weitgehend ein Stimmrechtsausschluß der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bejaht llo • lOS Wiedemann S.635.

Hanau S. 407; Schneider in GK-MitbestG § 29 Rn 33. Schneider in GK-MitbestG § 29 Rn 32; für weitergehenden Ausschluß Säcker, DB 1977 S.1794. lOS Säcker a.a.O.; Schneider a.a.O. 109 Wiedemann S.635. llO Hanau S.409; Säcker, DB 1977, 1794; Schneider in GK-MitbestG § 29 Rn 33; a.A. Martens S. 424 und Raiser, FS Duden S. 432 ff. 106

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cc) Stimmverbot bei tarifpolitischen Entscheidungen und Arbeitskampf üblicherweise fallen die Bereiche Tarifpolitik, Arbeitskampf und Angelegenheiten des Arbeitgeberverbandes in die Entscheidungskompetenz des Vorstands, doch ist nicht ausgeschlossen, daß der Aufsichtsrat zwecks Beratung und Zustimmung gemäß § 111 Abs.4 AktG hiermit befaßt wird1l1 • Die Arbeitnehmervertreter könnten auf diesem Wege erheblichen Einfluß auf die Verhandlungsführung des Vorstandes gewinnen, wenn dieser sich nach beiden Aufsichtsratsbänken orientiert und somit eine .. zahme Position" einnimmt l12 • Soweit derartige Probleme im Aufsichtsrat zur Entscheidung gestellt werden, ist der Interessenkonflikt offenkundig, in dem sich die Arbeitnehmervertreter befinden113 , da für sie in einer derartigen Situation die Wahrung ihrer Gruppeninteressen im Vordergrund steht. Dies widerspricht jedoch dem Grundprinzip des geltenden Tarifvertragssystems, welches voraussetzt, daß beide Parteien unverfälscht ihre jeweiligen Interessen vertreten können, ohne daß die eine Tarifpartei an der internen Willensbildung der anderen mitwirken dürfte. Wie die langen Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren gerade zu den Auswirkungen auf die Tarifautonomie gezeigt haben, war eine Änderung dieses (angenommenen) Gleichgewichts zwischen Kapital und Arbeit durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 nicht beabsichtigtl14 • Dies gilt insbesondere bei Berücksichtigung des durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährten Schutzes. Somit folgt aus § 34 BGB in Verbindung mit den Grundprinzipien der Tarifautonomie ein Stimmrechtsausschluß der Arbeitnehmervertreter für solche Beschlüsse, die Tarifpolitik und Fragen des jeweiligen Arbeitgeberverbandes betreffen l15 • Eine besondere Einschränkung der Wirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmervertreter ist mit dieser Lösung nicht verbunden, da die Entscheidung derartiger Fragen durch den Aufsichtsrat ohnehin der grundsätzlichen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft widerspricht. Auch wird nicht gegen Grundgedanken des Mitbestimmungsgesetzes verstoßen, da dieses nur den Einfluß der Arbeitnehmer auf tarifvertraglich nicht geregelte Angelegenheiten verstärken sollte. Für den Fall eines Arbeitskampfes wird heute ganz überwiegend nicht mehr angenommen, daß das Aufsichtsratsmandat der ArbeitnehS.402. S. 630 f. 113 Ausführlich BVerfGE 50, 290 (373 ff.). 114 Wiedemann S. 632. 115 Schneider in GK-MitbestimmungsG § 29 Rn 28 ff.; Hanau S.403; Säcker DB 1977; 1794; Wiedemann S.634; a.A. Hoffmann / Lehmann / Weinmann § 29 Rn 19; Fitting / WZotzke / Wißmann § 25 Rn 117; Raiser § 25 Rn 91. 111

Hanau

1J2 Wiedemann

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mervertreter während dieser Zeit ruhe 116. Umstritten ist dagegen, ob und in welchem Ausmaß das Stimmrecht bei solchen Entscheidungen ausgeschlossen ist, die Arbeitskampfmaßnahmen betreffenl17 • 5. Teilnahme- und Rederecht bei Stimmrechtsausschluß

Sind bei Annahme eines Stimmverbotes auch das Rederecht des betroffenen Organmitglieds und sein Recht auf Teilnahme an der Sitzung ausgeschlossen? Hierfür spricht die Erwägung, daß der Diskussion in dem jeweiligen Gremium wegen des häufigen Fehlens kontroverser Abstimmungen eine Schlüssel rolle zukommt, weshalb auch durch Art. 10 Abs. 2 des EG-Entwurfs eine Teilnahme an der Beratung untersagt werden SOll118. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß eine Person, deren Befangenheit den anderen Organmitgliedern bekannt ist, diese kaum mehr unterschwellig zu beeinflussen vermag. Vielmehr könnte sie - gerade auch wegen ihrer Nähe zu dem Beschlußgegenstand - durch ihren Sachverstand und ihre Erfahrungen den Entscheidungsprozeß bereichern. Ganz wesentlich spricht hierfür die Tatsache, daß die Teilnahme an den jeweiligen Sitzungen ein besonders wichtiges Element der Rechte und Pflichten von Vorstandsund Aufsichtsratsmitgliedern darstellt, ohne das diese ihre Aufgaben kaum mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllen könnten. In übereinstimmung mit der Literatur zum mitgliedschaftlichen Stimmrecht 119 bleibt somit festzuhalten, daß das Teilnahme- und Rederecht auch bei einem Stimmverbot erhalten bleibt. Unberührt bleibt die Möglichkeit, im Einzelfall ein Organmitglied bei konkreter Gefährdung wichtiger Belange der Gesellschaft durch Beschluß auszuschließen l20 • 6. Folgen der Verletzung von Stimmverboten

Die Abgabe einer Stimme trotz eines bestehenden Stimmverbotes ist ohne weiteres ungültig, da sie nur dann eine rechtliche Wirkung entfalten kann, wenn ihr ein entsprechendes Stimmrecht zugrunde liegt. Fraglich ist aber, welche Auswirkungen die Ungültigkeit einer Einzelstimme auf die Wirksamkeit des Beschlusses insgesamt hat. Das Aktiengesetz von 1965 befaßt sich nämlich nur an einer Stelle mit den 116 Fitting / Wlotzke / Wißmann § 25 Rn 116; Hanau S.406; Raiser § 25 Rn 111; a.A. Schilling in Großkomm. § 116 Anm. 9. 117 Dafür Hoffmann / Lehmann / Weinmann § 29 Rn 25; Martens S.429; Wiedemann S.634; Hanau S.403; Schneider in GK-MitbestG § 29 Rn 28; dagegen Raiser § 25 Rn 112; Mertens, AG 1977,311. 118 Siehe oben S. 16. 119 Zöllner S. 187; Staudinger / Coing § 34 Rn 3; RGRK / Steffen § 34 Rn 3. 120 Engfer S. 123 f.; Diether Hoffmann in Handbuch des AR, S. 64.

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Folgen eines fehlerhaften Beschlusses eines Verwaltungsorgans, indem es in § 107 Abs. 2 S.3 anordnet, daß das Fehlen oder die Unvollständigkeit eines Sitzungsprotokolls den auf der betreffenden Aufsichtsratssitzung gefaßten Beschluß nicht unwirksam macht. Weitergehende Bestimmungen fehlen, und auch der hier analog angewendete § 34 BGB enthält keine ausdrückliche Rechtsfolge. a) Kausalitätsgrundsatz

Die Ungültigkeit einer Einzelstimme führt nur dann zur Fehlerhaftigkeit auch des Beschlusses, wenn diese tatsächlich für den Ausgang der Entscheidung ausschlaggebend war12l • Man würde über das Ziel hinausschießen, wollte man allein auf grund verfahrensmäßiger überlegungen den Beschluß insgesamt in Frage stellen. Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung zum Vereinsrecht l22 • Damit wird deutlich, daß die Verletzung eines Stimmverbotes nur recht selten einmal kausal für den Beschluß sein wird. Denn in der Unternehmenspraxis stellen Kampfabstimmungen in Vorstand oder Aufsichtsrat die Ausnahme dar, weil in der Regel versucht wird, durch überzeugung und gegenseitiges Nachgeben Einvernehmen über die zu treffenden Entscheidungen herzustellen. b) Auswirkung auf den Beschluß

Früher wurde überwiegend angenommen, der auf einer ungültigen Einzelstimme beruhende und damit fehlerhafte Beschluß sei ex tune nichtig l23 • Dagegen ist Zöllner 124 für das mitgliedschaftliehe Stimmrecht der Auffassung, daß dadurch die Existenz des Beschlusses als wirksamer Entscheidungstatbestand nicht angetastet werde, sich vielmehr nur das Ergebnis seinem Inhalt nach ändere. Dieser Ansicht ist auch für das organschaftliche Stimmrecht zu folgen 12S • Haben alle Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder ihr Votum abgegeben, so liegen damit die Einzelstimmen als Elemente der Entscheidung fest. Nur die Auszählung ist dann unter Berücksichtigung des Stimmverbotes zu korrigieren. Zu einer neuerlichen Vornahme der Entscheidung allein wegen Nichtbe121 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 66; Meilicke S.90; Eng/er S.165; BGHZ 47, 341 (346) gegen BGHZ 12, 327 (330 ff.) für die Teilnahme Dritter an Aufsichtsratssitzungen. 122 Staudinger I Coing § 34 Rn 7, 17; SoergeZ / SchuZtze-v. LasauZx § 34 Rn 6. 123 Meyer-Landrut in Großkomm. § 108 Anm.6; v. Godin / WiZheZmi § 108 Rn 6; Baumbach / Hueck § 108 Anm. 3; Meyer-Giesow S. 157. 124 S. 362 ff., 373 f. 125 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 73; Eng/er S.166; Hoffmann I Lehmann / Weinmann § 29 Rn 54.

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achtung eines Stimmverbotes besteht keine Veranlassung. Ist also z. B. ein Einstimmigkeit erfordernder Antrag abgelehnt worden, weil das einem Stimmverbot unterliegende Organmitglied dagegen gestimmt hat, so gilt der Antrag als angenommen. Regiert dagegen das Mehrheitsprinzip, so ist ein Antrag (aufgrund Stimmengleichheit) abgelehnt, der unter Berücksichtigung des unbefugt Abstimmenden angenommen worden war. Eine derartige Umkehrung des Beschlußergebnisses muß aber dann ausscheiden, wenn sich das genaue Abstimmungsergebnis aufgrund ungenauer Protokollierung nicht mehr feststellen läßt oder wenn nachgewiesen wird, daß andere Organmitglieder bei Beachtung des Stimmverbots durch den Betroffenen anders abgestimmt hätten l26 • Gleiches gilt, wenn inzwischen eine neue Sachlage entstanden ist, weil der fehlerhafte Beschluß bereits ausgeführt worden ist l27 • In diesen Fällen bleibt es bei der Nichtigkeit. Entsprechend den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts müßten diese beiden in Betracht kommenden Rechtsfolgen (Umkehrung des Beschlußergebnisses bzw. im Ausnahmefall Nichtigkeit) ex tunc wirken, was für den Bereich gesellschaftsrechtlicher Entscheidungen Bedenken hervorrufen muß. Zwar besteht Einigkeit, daß eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse (§§ 241 ff. AktG), die zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit unterscheiden, nicht in Betracht kommt, da diese speziell auf die Ausübung mitgliedschaftlichen Stimmrechts in der Hauptversammlung zugeschnitten sind l28 • Doch können die dafür vorausgesetzten überlegungen auch in dem hier behandelten Zusammenhang Bedeutung haben. Sowohl die Gesellschaft selbst als auch Dritte könnten nämlich ein berechtigtes Interesse daran haben, daß fehlerhafte Vorstands- oder Aufsichtsratsbeschlüsse einem gewissen Bestandsschutz unterliegen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Mangel erst lange nach der Beschlußfassung zutage tritt. Allerdings haben die hier angesprochenen Probleme im Bereich des rechtsgeschäftlichen HandeIns nur selten Außenwirkung, da die Vertretungsmacht grundsätzlich fortbesteht. Geßler129 nimmt unter Berufung auf Sicherheit und Rechtsfrieden an, daß die Unwirksamkeit eines solchermaßen fehlerhaften Beschlusses nur dann geltend gemacht werden könne, wenn der Betreffende bei Anwesenheit sofort, sonst unverzüglich widerspreche. Andernfalls sei der Beschluß rechtswirksam und "rechtsbeständig". Diese Auffassung ist zu eng, da sie den nicht von dem Stimmverbot betroffenen Zöllner S. 374 f. Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 73. 128 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 74; Meyer-Landrut § 108 Anm. 6; Meilicke S. 78. 129 G/H/E/K § 108 Rn 71. 126

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9 Glesen

in Großkomm.

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Organmitgliedern keine ausreichende Gelegenheit für Überlegung und Diskussion einräumt. Das Verhältnis von Regel und Ausnahme würde auf den Kopf gestellt und die Wirkung der geltenden Stimmverbote stark relativiert. Es ist nicht erkennbar, warum das Schutzinteresse der Gesellschaft, nicht durch fehlerhafte Beschlüsse ihrer Verwaltungsorgane gebunden zu werden, regelmäßig von Bestands- und Schutzinteressen anderer übertroffen werden soll. Aus diesem Grunde sind die Folgen der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses wegen Nichtberücksichtigung eines Stimmverbotes nur insoweit einzuschränken, als dies die Grundsätze über die Abwicklung faktischer Dauerverhältnisse (insbesondere der fehlerhaften Gesellschaft) zulassen13o. Die Wirkungen treten demnach erst ex nune von ihrer Geltendmachung an ein, wodurch diese einen der Anfechtung nach den Vorschriften des BGB ähnlichen Charakter bekommt. Voraussetzung ist aber, daß nicht das Interesse der Gesellschaft die Vertrauensinteressen Dritter überwiegt und daß nicht ein so schwerer Gesetzes- oder Sittenverstoß vorliegt, daß auch die begrenzte rechtliche Anerkennung bis zu diesem Zeitpunkt nicht hingenommen werden kann. Beispiele für einen solchen zeitlich begrenzten Bestandsschutz sind die Bestellung eines Vorstandsmitglieds oder die Befreiung vom Wettbewerbsverbot gemäß § 88 AktG durch fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlußl3l. Die Nichtigkeit der Bestellung und die Ablehnung der Befreiung werden erst mit ihrer Geltendmachung rechtlich erheblich. Dazu ist jeder Interessierte ohne zeitliche oder formelle Beschränkungen berechtigt, insbesondere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Aktionäre l32 • c) Gerichtliche DUTchsetzung der Rechtsfalgen eines fehlerhaften Beschlusses

Soweit der Streit über Inhalt und Wirksamkeit eines Beschlusses des Vorstands oder des Aufsichtsrats wegen Mißachtung eines bestehenden Stimmverbotes gerichtlich ausgetragen werden muß, stellt das Gesetz hierfür das Instrument der Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO zur Verfügung. Es wird dann insofern über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gestritten, als es um die rechtlichen Beziehungen geht, die aufgrund des angegriffenen Beschlusses entstanden sind oder (bei Nichtigkeit) entstanden wären. 130 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 76; Hofjmann I Lehmann I Weinmann § 29 Rn 43; Fitting I Wlotzke I Wißmann § 25 Rn 31; dazu Wiedemann S. 148 f. m.w.N. 13l Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 76. 132 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 78; Meyer-Landrut in Großkomm. § 108 Anm.8; Geßler in GIHIE/K § 108 Rn 72; Hoffmann / Lehmann I Weinmann § 29 Rn 55; Fitting I Wlotzke I Wißmann § 25 Rn 25.

E. Zivil rechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

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Kläger kann jeder sein, der auch zur Geltendmachung der Rechtsfalgen der Fehlerhaftigkeit des Beschlusses berechtigt ist. Allerdings muß er ein eigenes rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses haben. Dies ist unproblematisch, wenn z. B. ein Vorstandsmitglied die Feststellung der Wirksamkeit seiner Bestellung oder ein Aufsichtsratsmitglied die Feststellung der wirksamen Zustimmung des Aufsichtsrates zu einem mit ihm gemäß § 114 AktG geschlossenen Vertrage begehrt. Ein eigenes Feststellungsinteresse eines Aktionärs wird wegen der Zwischenschaltung der Aktiengesellschaft als juristischer Person nur selten zu bejahen sein. Das ist z. B. dann der Fall, wenn er auf Feststellung klagt, daß ein für ihn vorteilhafter Aufsichtsratsbeschluß wirksam ist, wenn die Entscheidung nur deshalb zustande gekommen ist, weil von ihm entsandte Aufsichtsratsmitglieder dafür gestimmt haben und der Vorstand die Ausführung wegen Verstoßes gegen § 34 BGB ablehnt. Beklagte ist in derartigen Fällen die Gesellschaft, die durch den Vorstand vertreten wird. Ist allerdings die Bestellung eines Vorstandsmitglieds im Streit, so obliegt die Vertretung gemäß § 112 AktG dem Aufsichtsrat. Teilweise ist angenommen worden, das in einer solchen Sache ergehende Urteil wirke inter omnesl33 • Es fehlt jedoch an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung wie in den §§ 99 Abs.5, 248, 252 AktG, die unverzichtbar ist, wenn Personen an eine zwischen Dritten ergangene Gerichtsentscheidung gebunden werden sollen, die sie nicht beeinflussen konnten und zu der ihnen kein rechtliches Gehör gewährt worden ist. Das Urteil kann daher nur inter partes Wirkung haben l34 • Dies mag in den praktischen Konsequenzen unbefriedigend sein, doch ist dies nichts Ungewöhnliches, da derartige Probleme in Zusammenhang mit Feststellungsklagen in den verschiedensten Rechtsgebieten auftreten.

E. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder I. Allgemeine Haftung gemäß §§ 93, 116 AktG Gemäß §§ 93, 116 AktG haben die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der Aktiengesellschaft bei Ausübung ihrer Tätigkeit die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwen133 Meilicke S. 112 f. unter Berufung auf v. Tuhr, der aber nur Wirkung gegen jedes Vereinsmitglied bei fehlerhaftem Beschluß der Mitgliederversammlung annimmt; Geßler in G/H/E/K § 108 Rn 72. 134 Mertens in Kölner Komm. § 108 Rn 80; Meyer-Landrut in Großkomm.

§ 108 Anm.8. 9'

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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den. Unter Geschäftsleitung sind in diesem Zusammenhang alle Leitungs- und Überwachungsaufgaben zu verstehen, welche das Gesetz dem Vorstand und dem Aufsichtsrat überträgtl. Verletzen sie ihre Pflichten als Verwaltungsmitglieder, so sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. 1. Allgemeines

Die den Verwaltungsmitgliedern obliegenden Pflichten werden durch Gesetz (z. B. §§ 76 Abs.l, 83, 90, 92, 111 AktG) , Satzung und Anstellungsvertrag näher präzisiert. Darüber hinaus bilden §§ 93 Abs. 1 S.I, 116 AktG einen Auffangtatbestand, der eine allgemeine Haftung für die Zufügung von Nachteilen gegenüber der Gesellschaft begründet. Die Verwaltungsmitglieder haben danach bei ihrer Tätigkeit den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. Es ist zu berücksichtigen, daß der Vorstand die Gesellschaft gemäß § 76 Abs. 1 AktG "unter eigener Verantwortung" leitet und somit einen erheblichen Ermessungsspielraum für (im unternehmerischen Bereich notwendigerweise) risikobehaftete Entscheidungen haben muß, was sinngemäß auch für den Aufsichtsrat gilt. Ein starrer Maßstab, mit dem die Anforderungen an diese Sorgfaltspflicht gemessen werden können, existiert nicht. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles wie Art und Größe der Gesellschaft, wirtschaftliche Lage, besondere Aufgaben des einzelnen Verwaltungsmitgliedes ete. zu berücksichtigen2 • Daraus ergibt sich ein gewisses Mindestmaß von Anforderungen, welche an alle Mitglieder eines Organs einer Gesellschaft zu stellen sind. Diese Orientierung an einem durchschnittlich erfahrenen Organmitglied unterliegt aber gerade im Bereich des Aufsichtsrates einer gewissen subjektiven Korrektur, wenn das Mitglied über besondere Berufserfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt 3• Eine solche gesteigerte Verantwortung wird z. B. für einen Bankier bezüglich der mit dem Finanzwesen zusammenhängenden Fragen bejaht4• Allgemein läßt sich sagen, daß die Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht Loyalität in einem Maße schulden, welches über das zwischen Vertragspartnern Übliche noch hinausgeht. Sie haben ihr Handeln allein an den Interessen der Gesellschaft zu orientieren und müssen eigene kollidierende Belange zurückstellen, soweit nicht ohnehin ein Stimmverbot eingreift. Hinzu kommt die Verpflichtung zur Wahrnehmung ihrer Organfunktionen. 1 2 3 4

Anm. 1 und Meyer-Landrut § 116 Anm. 1 in Großkomm. RG Recht 1931 Nr. 823; BGHZ 21, 354 (357). LG Hamburg, AG 1982, 51 (52 f.); R. Fischer IM Duden, S. 62. Lutter ZHR 145, 228.

Schilling § 93

E. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

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Ein dagegen verstoßendes, pflichtwidriges Tun oder Unterlassen muß zu einem Schaden geführt haben, wobei Uneinigkeit darüber besteht, wie dieser festzustellen ist5• Er kann sich jedenfalls nicht nur aus der objektiven Differenz zweier Geldwerte ergeben, da zu berücksichtigen ist, ob eine etwaige Aufwendung sinnvoll und zweckmäßig war. Die Haftung setzt weiterhin Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus, doch stellt die Bezugnahme auf den "ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter" einen objektivierten Maßstab auf. Hat ein Verwaltungsmitglied derart typisierte Pflichten objektiv verletzt, so ist ihm dies im Regelfall auch subjektiv vorwerfbar. Mangelnde persönliche Fähigkeiten und Kenntnisse, die unter diesen Anforderungen bleiben, können das Verwaltungsmitglied nicht entschuldigen. Auch entfällt eine Haftung nicht von vornherein deshalb, weil das betreffende Verwaltungsmitglied gegen den schädigenden Beschluß gestimmt hat6• Bezüglich der weiteren Einzelheiten ist auf die ausführlichen Kommentierungen zu verweisen. Doch soll im folgenden auf einige typische haftungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit Interessenkollisionen eingegangen werden. 2. Einzelfälle

Die hier behandelten Beispiele beziehen sich überwiegend auf die Tätigkeit von Organmitgliedern von Banken, da dieser Bereich besonders im öffentlichen Interesse steht und durch ausgeprägt vielfältige, auch personelle Verflechtungen mit allen Bereichen des Wirtschaftslebens gekennzeichnet ist. Sowohl die angesprochenen Probleme als auch die hier angebotenen Lösungen sind aber allgemeiner Natur. a) Schaffgotsch-Fazz7

Diesem Fall lag stark vereinfacht folgender Sachverhalt zugrunde: X ist Aufsichtsratsvorsitzender der A-AG und Komplementär der B-Bank. Als die Bank im Gefolge der Herrstatt-Krise in Schwierigkeiten gerät, ruft X den Vorstand der A-AG an und veranlaßt ihn, der B-Bank gefälligkeitshalber einen Wechsel über eine Million DM auszustellen, um dieser im Wege der Diskontierung des Wechsels Liquidität zuzuführen. Kurz darauf bricht die B-Bank zusammen. Die A-AG klagt gegen X. 5

Mertens in Kölner Komm. § 93 Rn 14 ff.; Hefermehl in GIH/E/K § 93

Rn 28. 6

7

Hefermehl in G/H/E/K § 93 Rn 27. BGH WM 1980, 162.

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

134

Nach dem Sachverhalt war an der Verletzung der gebotenen Sorgfalt durch X kaum zu zweifeln. Zu Recht hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß die Pflicht des Aufsichtsrates zur überwachung der Geschäftsführung und zur Abwendung fehlerhaften und gesellschaftsschädigenden Verhaltens das Gebot an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder einschließt, dagegen verstoßende Maßnahmen nicht von sich aus dem Vorstand nahezulegen8• Bedeutsam für den hier behandelten Zusammenhang ist nun, wie sich der Beklagte X gegen diesen "kategorischen Imperativ für Aufsichtsratsmitglieder" verteidigt hat: Er habe bei dem fraglichen Telefongespräch allein in seiner Eigenschaft als Komplementär der Bank gehandelt und sein schädigendes Verhalten gegenüber der A-AG sei durch das Interesse der Bank gerechtfertigt gewesen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu festgestellt 9 , daß Interessenkollisionen, welche sich aus der Zugehörigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes zu zwei Gesellschaften ergeben, nicht in dem Sinne entlastend wirkten, daß die Pflichtwidrigkeit gegenüber der einen Gesellschaft durch die Pflichterfüllung gegenüber der anderen gerechtfertigt werden könne. Denn die Spaltung einer Person sei nicht in der Weise möglich, daß bestimmte Verhaltensweisen nur dem einen oder dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden könnten, soweit beide tatsächlich betroffen sind. UlmeriO stimmt dem BGH für den entschiedenen Fall zu, da X nicht in normaler Weise als Komplementär der Bank gehandelt, sondern hierfür ganz bewußt seine Einflußmöglichkeiten als Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft ausgenutzt habe. Wernerll stellt darauf ab, daß eine Pflichtenkollision schon deshalb fehle, weil sich aus der Stellung als Komplementär der Bank keine Rechtspflicht zur schädigenden Einwirkung auf die andere Gesellschaft, deren Aufsichtsratsvorsitzender X war, ergeben habe, was auch durch die Wertung des § 117 AktG LV.m. § 31 BGB belegt werde. Der BGH hatte angesichts der deutlichen Sachlage keine Veranlassung, eine umfangreichere Stellungnahme zu diesem Problem abzugeben. Die Allgemeinheit der getroffenen Aussage und das fast völlige Fehlen einer Begründung könnten jedoch Mißverständnissen in anderen, weniger klar gelagerten Fällen den Weg bereiten, wie das folgende Beispiel zeigen soll.

8 9

10 11

BGH a.a.O. S. 162. a.a.O. S. 162. NJW 1981, 1607. ZHR 145, 262 f.

E. Zivil rechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

135

b) Obernahme-FaW 2 X ist Aufsichtsratsmitglied der A-AG und der B-Bank. Die C-GeseIlschaft verhandelt mit der Bank über einen Kredit, mit dem sie die Aktienmehrheit der bisher unabhängigen A-AG erwerben will. Verletzt X seine Pflichten als Aufsichtsratsmitglied gegenüber der A-AG, wenn er an der Kreditgewährung mitwirkt? Für die Lösung soll unterstellt werden, daß der Schutz der Unabhängigkeit der Gesellschaft zu den Rechtspflichten eines Aufsichtsratsmitgliedes gehört 13 • An diesem Beispiel wird die Notwendigkeit deutlich, den zitierten Satz des Bundesgerichtshofes14 zu präzisieren und möglicherweise einzuschränken. Man nehme einmal an, daß das genannte Vorstandsmitglied noch in weiteren Aufsichtsräten vertreten ist und daß seine Vorstandskollegen der Bank ebenfalls Aufsichtsratsmitglieder weiterer Gesellschaften in den unterschiedlichsten Branchen sind, die möglicherweise sogar in einem Konkurrenzverhältnis stehen. Großer Vorstellungskraft bedarf es hierzu nicht, da dies wirtschaftliche Realität ist und auch dem gesetzlichen Zuschnitt des Aufsichtsratsmandats als typischem Nebenamt entspricht l5 • Sollten etwa alle Vorstandsmitglieder bei ihrer Tätigkeit in der Bank die Interessen der Gesellschaften zu berücksichtigen haben, deren Aufsichtsratsmitglieder sie sind, da sie sonst ihre Pflichten gegenüber diesen verletzen würden? Oder würden sie gerade dadurch eine Pflichtverletzung gegenüber der Bank begehen, zu deren Rechtfertigung sie sich nicht auf ihre Aufsichtsratstätigkeit beziehen könnten? Der Satz des BGH reicht für die Beantwortung dieser Fragen nicht aus. Vielmehr kann man dieser "Pflichtverfilzung" nur Herr werden, wenn man darauf abstellt, in welchem Pflichtbereich ein Organmitglied tätig wird l6 • Hat das Handeln als Vorstandsmitglied der einen Gesellschaft schädigende Auswirkungen (im Gegensatz zu der im Schaffgotsch-Fall gegebenen gezielten Einwirkung) auf den Pflichtbereich der anderen und umgekehrt, so stellt dies keine Pflichtwidrigkeit dar, soweit kein willkürliches Verhalten vorliegt l7 • Für den vorstehenden Fall bedeutet dies, daß sich X ungeachtet seines Aufsichtsmandats bei der 12 In Anlehnung an den "Washington Steel-Fall", wo die Chemical Bank verklagt worden war. Der District Court hatte die Haftung bejaht, was aber vor dem Court of Appeals keinen Bestand hatte; Nachweise bei Lutter ZHR 145, 245 Fn 64. 13 Lutter ZHR 145,245; zweifelnd Wemer ZHR 145,260. 14 Siehe oben S. 134. 15 Ausführlich Ulmer NJW 1981, 1604; R. Fischer IM Duden, S.56, 71. 16 Werner ZHR 145,258. 17 Ulmer NJW 1981, 1604, 1606; Wemer a.a.O.

2. Teil: Bundesrepublik Deutschland

136

A-AG für die Gewährung des Kredits durch die B-Bank an die C-GeseIlschaft einsetzen darf und dies im Verhältnis zur Bank sogar muß, soweit dies in ihrem Geschäftsinteresse liegt. Ergänzend soll noch eine Bemerkung zum Verhalten der Bank selbst in einem solchen Fall gemacht werden. Lutter hält sie für verpflichtet, wegen der Tätigkeit ihres Vorstandsmitgliedes im Aufsichtsrat des von der übernahme bedrohten Unternehmens die Finanzierung der übernahme abzulehnen l8 • Wenn er sagt, der geschilderte Konflikt würde damit vermieden, so ist dies nur bedingt richtig, da der Konflikt zwar tatsächlich auftritt, jedoch auf Kosten der Bank gelöst wird. Es kann in Lutters Ansicht nur eine Empfehlung zu sinnvollem Handeln, keinesfalls eine Rechtspflicht gesehen werden. Schließlich sind Vorstandsmitglieder von Banken bei der Ausübung eines Aufsichtsratsmandats regelmäßig keine Bankvertreter in diesem engen Sinne. c) Personal-Fazzt8a

X ist Mitglied in den Personalausschüssen der Aufsichtsräte der Gesellschaften A, Bund C. Y ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft A und wird als Vorstandskandidat in den Aufsichtsräten von Bund C ins Gespräch gebracht, während A sehr an seinem Bleiben interessiert ist. Wie hat X sich zu verhalten? Ein Stimmverbot greift nach dem oben Gesagten nicht einl9 • Auch die von Werner und Ulmer angebotenen, sich sachlich kaum unterscheidenden Kriterien20 helfen nicht weiter. Weder die Unterscheidung von Einwirkungen und Auswirkungen noch die Trennung in unterschiedliche Pflichtbereiche von Haupt- und Nebenamt können eine Antwort darauf geben, wie X sich zu verhalten hat, um seinen Pflichten gegenüber allen drei Gesellschaften gerecht zu werden. Da ein Interessenausgleich logisch ausscheidet, muß X sein jeweiliges Handeln im Aufsichtsrat einer jeden Gesellschaft entsprechend deren Interessen einrichten: Er muß den Kandidaten Y bei den Gesellschaften Bund C umfassend vorstellen und mit anderen Kandidaten abwägen, ohne daß er damit seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft AverIetzen würde21 • Daß X sich dabei in einer Zwickmühle befindet, soll nicht beschönigt werden. Noch schwieriger wird es, wenn auch der Aufsichtsrat der Gesellschaft A den Y durch ein besseres Angebot zum Bleiben zu veranlassen sucht. Im 18 19

20 21

ZHR 145, 245.

Beispiel bei Lutter ZHR 145, 233. Anders ohne nähere Begründung R. Fischer IM Duden S. 66. Siehe oben Fn 16 und 17. Lutter ZHR 145,248.

18a

E. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsmitglieder

137

Rahmen seiner Tätigkeit bei der einen Gesellschaft müßte X dann Stillschweigen über alle Tatsachen bewahren, die ihm als Aufsichtsratsmitglied der beiden anderen bekannt geworden sind. Ein Rücktritt wäre kaum ein gangbarer Weg, da dieser nicht zur Unzeit erfolgen darf und die anderen Gesellschaften aufmerksam werden könnten. Wer als Organmitglied nicht davon überzeugt ist, derartigen Konfliktsituationen gerecht werden zu können, darf nicht so viele gleichartige Mandate übernehmen. Dabei ist die hier vertretene Ansicht nicht so unbefriedigend, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Zunächst ist das Beispiel etwas überspitzt und wird in der Praxis nur äußerst selten vorkommen. Auch ist X nicht dadurch belastet, daß er eigene Interessen ins Spiel bringt, die eine sachgerechte Entscheidung noch viel mehr erschweren würden. Letztlich liegt die Entscheidung bei dem Kandidaten Y, der sich an seinen eigenen Interessen und einer etwaigen Bindung an die Gesellschaft A zu orientieren hat. d) Schlußfolgerung

Organmitglieder können sich zur Rechtfertigung pflichtwidrigen, schädigenden Verhaltens grundsätzlich nicht auf Interessenkonflikte berufen. Sie haben sich jeweils an den Interessen des Pflichtbereiches zu orientieren, in dem sie gerade tätig werden. Negative Auswirkungen eines solchen Handeins auf andere Pflichtbereiche begründen bezüglich dieser keine Pflichtwidrigkeit, sofern sie nicht willkürlich sind. 3. Durcl1setzung der Haftung

Die Haftung der Verwaltungsmitglieder der Aktiengesellschaft erhält besonderes Gewicht dadurch, daß sie gemäß § 93 Abs.2 S.2 AktG im Falle einer Inanspruchnahme selbst zu beweisen haben, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet haben. Aus einer Schädigung der Gesellschaft folgt somit die Vermutung einer objektiven und subjektiven Sorgfaltspflichtsverletzung22. Dieser gesetzlichen Anordnung liegt die überlegung zugrunde, daß regelmäßig nur die mit einem Vorgang befaßten Organe wissen können, wie dieser sich abgespielt hat, so daß Außenstehende insoweit nie die notwendigen Beweismittel beschaffen könnten23 • Die Haftung gegenüber der Gesellschaft ist gemäß § 93 Abs. 4 S. 1 AktG dann ausgeschlossen, wenn die fragliche Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Die Einwilli22 23

Mertens in Kölner Komm. § 93 Rn 48. Schilling in Großkomm. § 93 Anm. 17.

138

2.

Teil: Bundesrepublik Deutschland

gung des Aufsichtsrates dagegen kann Vorstandsmitglieder nicht entlasten. Ein Verzicht oder Vergleich ist gemäß § 93 Abs.4 S.3 AktG erst drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich, soweit nicht eine Minderheit von 10 0/0 des Grundkapitals widerspricht. Grundsätzlich werden Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat geltend gemacht, solche gegen Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstand (§§ 112, 78 AktG). Die Geltendmachung kann durch Mehrheitsbeschluß der Hauptversammlung oder auf Verlangen einer Minderheit von 10 % des Grundkapitals erzwungen werden (§ 147 Abs. 1 AktG). In diesen Fällen können die Hauptversammlung oder das Gericht besondere Vertreter zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs bestellen (§ 147 Abs.3 AktG), deren Auslagen und Vergütung die Gesellschaft trägt. Soweit nur eine Minderheit die Durchsetzung von Ansprüchen auf diesem Wege betreibt, ist allerdings zu beachten, daß sie gemäß § 147 Abs.4 AktG einem erheblichen Kostenrisiko ausgesetzt ist. 11. Weitere Haftungsnormen Gemäß § 117 AktG haftet weiterhin, wer unter Ausnutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates, einen Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten zu einer schädigenden Handlung bestimmt. Außerdem sind die konzernrechtlichen Haftungsnormen §§ 309,310 AktG bei Bestehen und §§ 317, 318 AktG bei Nichtbestehen eines Beherrschungsvertrages zu beachten.

Dritter Teil

Schlußfolgerungen Ausgehend von den wertenden Anmerkungen, die im vorstehenden Text bereits zu Einzelfragen gemacht worden sind, werden im folgenden die Lösungen des französischen und deutschen Aktienrechts gegenübergestellt, woran sich Folgerungen für das deutsche Recht unter besonderer Berücksichtigung der Problematik der Stimmverbote anschließen.

A. Vergleich Der Gegenüberstellung soll eine Bemerkung zur wirtschaftlichen Ausgangsposition vorausgeschickt werden. Die eingangs aufgeführten Statistiken! belegen nämlich, daß die dargestellten Normen in beiden Ländern recht unterschiedliche Anwendungsbereiche haben. Den ca. 1600 deutschen Aktiengesellschaften von überwiegend stattlicher Größe stehen fast 130 000 sociE~tes anonymes gegenüber, von denen knapp 80000 weniger als 10 Beschäftigte haben. Die tatsächlichen Verhältnisse in diesen kleinen Gesellschaften, welche meist unter dem überragenden Einfluß des P.D.G oder einer Gesellschafterfamilie stehen, entsprechen vielfach eher dem Bild, welches wir uns vom Geschäft des Einzelkaufmanns oder der Personenhandelsgesellschaft im deutschen Recht machen. Diese abnorme, auf sozial versicherungs- und steuerrechtlichen Gründen beruhende Situation erschwert den Vergleich und muß bei der Bewertung im Auge behalten werden.

I. Verbote Das deutsche Recht verzichtet fast völlig auf das Verbot von Verträgen, welche aufgrund eines Interessenkonfliktes Anlaß zu Bedenken geben könnten. Demgegenüber liegt dem französischen Aktienrecht eine wesentlich mißtrauischere Einstellung zugrunde, denn es ordnet für alle Kreditaufnahmen von Verwaltern und deren nächsten Ver!

Siehe oben S. 23 f.

140

3. Teil: Schlußfolgerungen

wandten bei der Gesellschaft die harte Sanktion der Nichtigkeit an. Dies mag gerade bei den kleineren familiär geprägten Gesellschaften eine gewisse Berechtigung haben, bei denen nicht immer scharf zwischen Privat- und Gesellschaftsvermögen getrennt wird. Skeptisch stimmt aber die oben näher ausgeführte Tatsache, daß die Rechtsfolge der Nichtigkeit nur unter großen Schwierigkeiten durchzusetzen ist. Das deutsche Aktienrecht setzt insoweit größeres Vertrauen in die innergesellschaftlichen Vertretungs- und Kontrollmechanismen, die Personenverschiedenheit auf Geber- und Nehmerseite (§§ 78, 112 AktG) und überdies die Mitwirkung des Aufsichtsrates erfordern (§§ 89, 115 AktG).

11. Kontrolle Das deutsche Recht versucht, die Problematik der Interessenkollision vor allem durch Verteilung der Führungsaufgaben im weitesten Sinne auf die beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat in den Griff zu bekommen. Wegen des Fehlens einer entsprechenden Sicherung im französischen Aktienrecht, wo die neue Organisationsstruktur gemäß L.Art. 118 ff. keine nennenswerte praktische Bedeutung erlangt hat, überrascht die Existenz des umfassenden, dreistufigen Kontrollverfahrens nicht. Es erscheint konsequent, daß gemäß L.Art. 101, 143 grundsätzlich jedes mittelbare Interesse eines Verwalters ausreicht, um das Kontrollverfahren in Gang zu setzen, soweit es sich nicht um ein normales Geschäft handelt, welches zu üblichen Bedingungen abgeschlossen wird. Daß durch diese wenig griffige Fassung der Vorschriften eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit erzeugt wird, soll an dieser Stelle noch einmal kritisch vermerkt werden. Eine weitere Schwäche liegt darin, daß insbesondere das Erfordernis der vorherigen Zustimmung des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrates den Geschäftsgang so stark belasten kann, daß man es in der Praxis manchmal vorzieht, diesen vor vollendete Tatsachen zu stellen oder das Kontrollverfahren nur pro forma durchzuführen. Die meist wenig aussagekräftigen Sonderberichte der Bilanzprüfer und die schwache Kontrolle durch die Hauptversammlung vermögen insoweit keinen Ausgleich zu leisten. Erhebliche praktische Probleme ergeben sich aus der völligen Vernachlässigung der konzernrechtlichen Aspekte. Der Anwendungsbereich der L.Art. 101 ff., 143 ff. ist auf diese speziellen Verhältnisse nicht abgestimmt, da eine Vielzahl von Abreden, die innerhalb eines Konzerns nichts Ungewöhnliches darstellen, trotzdem nicht von den Ausnahmetatbeständen L.Art.102, 144 erfaßt werden. Werden dann wegen des unverhältnismäßigen Aufwandes für das dreistufige Kontrollver-

A. Vergleich

141

fahren entsprechende Abreden vertuscht, so ist dem Schutz der Minderheitsaktionäre nicht gedient. Die allgemeine Unsicherheit bezüglich der Unternehmensverbindungen im französischen Gesellschaftsrecht wird somit auch durch die hier dargestellten Regelungen kaum gemildert. Wie groß der Nutzen des Kontrollverfahrens wirklich ist, läßt sich naturgemäß nur schwer abschätzen. Sicherlich hat schon die bloße Existenz dieser Normen einen gewissen bewußtseinsbildenden Einfluß auf die Organmitglieder. Darüber hinaus werden damit Anknüpfungspunkte für die Kontrolle der Gesellschaften durch die zuständigen Organe, die Bilanzprüfer und bei den notierten Gesellschaften die Börsenaufsicht geschaffen. Auch die Gewährleistung deutlich umschriebener Rechte der Aktionäre ist selbst dann positiv zu werten, wenn diese in der Praxis schwer durchzusetzen sind. Letztlich bleiben aber starke Bedenken, ob die Beschränkungen und Belastungen durch das dreistufige Kontrollverfahren in einem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis stehen. Mit diesen Eindrücken decken sich die Stellungnahmen, welche der Verfasser von den Aktionärsvereinigungen A.N.A.F. und PRODAC erhalten hat. Den gesetzestechnischen Regelungsmechanismus hält man dort für einigermaßen geglückt, beurteilt aber die Umsetzung in die wirtschaftliche Praxis eher zurückhaltend. Wegen der Degeneration der Hauptversammlung durch den pouvoir en blanc komme den Bilanzprüfern zwar eine Schlüsselrolle zu, doch müsse man trotz der beschriebenen gesetzlichen Verschärfungen immer noch die Sorge haben, diese Personen könnten zu eng mit den Verwaltungen der Gesellschaften zusammenarbeiten. Die geringsten Probleme sieht man bei Gesellschaften mittlerer Größe, deren Kapital von einer überschaubaren Zahl von Aktionären gehalten wird, die ein ausreichendes Gegengewicht bilden können, ohne daß die Anonymität der großen Publikumsgesellschaft gegeben ist. Es darf nicht verwundern, daß das deutsche Aktienrecht kein vergleichbares Kontrollverfahren bei Interessenkonflikten kennt. Durch die klare Trennung in Leitungs- und Kontrollorgan und die besonderen konzernrechtlichen Vorschriften sind nämlich die bedeutsamsten Konfliktbereiche schon geregelt. Dem leitenden Organ Vorstand wird ein grundsätzlich unabhängiges Kontrollorgan Aufsichtsrat zugeordnet, welches sich Zugang zu allen wesentlichen Informationen verschaffen kann und somit mögliche Mißbräuche der Verwaltungsmacht durch den Vorstand zu verhindern und gegebenenfalls abzustellen vermag. Außerdem steht damit ein zweites Organ zur Verfügung, welches für die Gesellschaft handelt, wenn Vorstandsmitglieder persönlich an einem Geschäft beteiligt sind, womit die erwünschte Personenverschiedenheit

142

3. Teil: Schlußfolgerungen

auf beiden Seiten des Geschäftes sichergestellt ist. Es mag zwar verlockend erscheinen, diesen Weg des § 112 AktG auch bei weniger unmittelbaren, aber in ihrer Schwere vergleichbaren Interessenkollisionen zu beschreiten, doch ist am klaren Wortlaut der Norm nicht zu rütteln. Dies gilt schon deshalb, weil sie nicht nur eine Kompetenzzuweisung, sondern darüber hinaus vor allem eine vertretungsrechtliche Anordnung enthält, welche keinerlei Unsicherheit verträgt. Der zweite große Bereich, in dem Interessenkollisionen typischerweise auftreten, ist jener der verbundenen Unternehmen. Im Unterschied zum französischen Recht wird dieses Feld durch die besonderen konzernrechtlichen Regelungen abgedeckt, so daß auch insoweit kein Ansatzpunkt für ein entsprechendes Kontrollverfahren bleibt. Führt man sich dies vor Augen, so versteht man, warum den Stimmverboten im deutschen Recht eine vergleichsweise geringe Bedeutung zukommt. Leider hat der deutsche Gesetzgeber darauf verzichtet, die Ausschlüsse des organschaftlichen Stimmrechts im geltenden Aktienrecht zu kodifizieren, was zu einer gewissen Unsicherheit über ihren Umfang in der wirtschaftlichen Praxis geführt hat. Trotzdem darf kein Zweifel daran bestehen, daß die Stimmverbote im oben erläuterten Maß geltendes Recht sind. Den Regelungsmechanismen beider Rechtsordnungen ist gemein, daß sie sich auf das rechtsgeschäftliche Tätigwerden von Organmitgliedern beschränken.

m.

Haftung

Das französische Recht hat die Möglichkeit nicht genutzt, in Anlehnung an die Erfordernisse des Kontrollverfahrens eine klare und damit wirksame Haftungsnorm zu schaffen. Die Vorteile der hierfür grundsätzlich gut geeigneten L.Art. 104 Abs.2, 146 Abs. 2 werden dadurch wieder zunichte gemacht, daß die Haftung durch die routinemäßig erteilte Zustimmung der Hauptversammlung regelmäßig ausgeschlossen wird. Es braucht daher nicht zu verwundern, daß durch harte strafrechtliche Sanktionen und die Kontrolle der notierten Gesellschaften durch die Börsenaufsicht der Ausgleich hergestellt wird. Dabei ist bemerkenswert, daß das strafrechtliche Instrumentarium nicht speziell an Verstöße gegen die L.Art.101 ff., 143 ff. anknüpft, sondern von anderen materiellen Kriterien ausgeht. Dies läßt den Schluß zu, daß ein ähnlicher Effekt allein aufgrund der strafrechtlichen Vorschriften ohne das aufwendige Kontrollverfahren erreicht werden könnte. Ob die präventive Wirkung der entsprechenden Vorschriften des deutschen Aktienrechts stärker ist, läßt sich nur schwer abschätzen.

B. Ausblick

143

Sicherlich sind die Informationsprobleme und das Kostenrisiko auch hier erheblich. Allein aus der geringen Zahl von entsprechenden Verurteilungen kann man allerdings nicht auf die Ineffektivität der Haftung schließen, da auch Zahl und Größe der Gesellschaften und das Vorhandensein der anderen beschriebenen Kontrollmechanismen zu berücksichtigen sind. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung deutscher Aktiengesellschaften besteht deren Führungspersonal ganz überwiegend aus gut ausgebildeten und in der Praxis bewährten Personen, welche schon wegen ihrer Bezahlung weniger Anreize verspüren, zulasten ihrer Gesellschaft bedenkliche Geschäfte vorzunehmen. Im Vergleich mit den P.D.G. oder Geschäftsführern von Zehntausenden kleiner und kleinster sociE~tes anonymes oder deutscher GmbH darf man daher bei aller Vorsicht vor Pauschalurteilen ein größeres Vertrauen haben, daß sie den an sie gestellten Anforderungen gerecht werden. Beide Rechtsordnungen haben mit den Erschwernissen zu kämpfen, die sich aus dem Charakter der Aktiengesellschaft als juristische Person ergeben. Sie bestehen darin, daß Ersatzansprüche der Gesellschaft selbst zustehen und grundsätzlich von deren Verwaltung geltend gemacht werden müssen, was diese in der Regel zu vermeiden sucht. Die Chancen, daß bestehende Ansprüche durchgesetzt werden, sind in Deutschland wegen der Zuweisung an das jeweils andere Organ etwas größer als in Frankreich, wo überdies die gerichtliche Geltendmachung durch Aktionäre auf zivil rechtlichem Wege so problematisch ist, daß sie fast nur noch als Adhäsionsverfahren im Rahmen eines Strafprozesses erfolgt. Der deutsche Weg, wie er in § 147 AktG vorgezeichnet ist, erscheint prinzipiell angemessen, zum al die Gesellschaft durch die dort aufgestellten Erfordernisse vor mißbräuchlichen Klagen geschützt wird. Gewisse Erleichterungen der Durchsetzbarkeit enthalten beide Rechtsordnungen insofern, als sie Elemente der Verschuldensunabhängigkeit bzw. Beweislastumkehr in die zivilrechtliche Verwalterhaftung eingebracht haben.

B. Ausblick Neben der bereits erwähnten Tatsache, daß eine Kodifizierung der bestehenden Stimmverbote im Aktiengesetz aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit wünschenswert ist, stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang das deutsche Recht insoweit der Fortentwicklung bedarf.

144

3. Teil: Schlußfolgerungen

Nach den obigen Ausführungenl kann es dabei nicht in erster Linie um die Abwehr denkbarer Mißbräuche von Verwaltungsmacht zu persönlichen Zwecken von Organmitgliedern gehen. Auch die Frage der Begünstigung von Ehegatten und nächsten Angehörigen, die in Frankreich durchgehend in die vorgestellten Normen einbezogen sind und denen auch das deutsche Recht mit einem gewissen Mißtrauen begegnet2 , dürfte im Bereich der Aktiengesellschaft (anders wohl bei der GmbH) kein Problem von großer praktischer Bedeutung sein. Wichtigere Konfliktfelder sind die Mehrfachmitgliedschaft in Organen verschiedener Aktiengesellschaften, die Einflußnahme von Vertretern öffentlich-rechtlicher Körperschaften (HEW/Brokdorf) sowie die Mitbestimmung. Bei derartigen Konstellationen rührt die Besorgnis einer gewissen Befangenheit von Organmitgliedern daher, daß fremde Interessen betroffen werden, denen diese Personen verpflichtet sind. Ganz überwiegend treten derartige Interessenkollisionen im Aufsichtsrat auf. Die Erfahrungen in Frankreich sprechen dagegen, zur Beherrschung dieser Fälle ein allgemeines Zustimmungserfordernis des Aufsichtsorgans mit generellem Stimmverbot für interessierte Organmitglieder aufzustellen, wie dies mit dem Vorschlag für eine 5. EG-Richtlinie beabsichtigt wird3 • Die dadurch in die Gesellschaft getragene Unsicherheit würde durch den erreichten Fortschritt kaum aufgewogen und könnte gesetzestechnisch nur durch eine Aufzählung gen au umschriebener Tatbestände vermieden werden. Es ist nicht ersichtlich, wie dies mit der gebotenen Klarheit zu bewerkstelligen sein soll, wenn man z. B. an die Vielfalt der zu berücksichtigenden, mittelbaren Interessenkonflikte denkt. Eine starke Aufweitung von Stimmverboten stünde auch in einem gewissen Widerspruch zum Charakter des Aufsichtsratsmandats, welches typischerweise von Bankiers, Abnehmern, Zulieferern etc. ausgeübt wird4• Gerade dieser Zuschnitt als Nebenamt ermöglicht es, Personen von Format heranzuziehen, welche aufgrund ihrer gleichzeitigen Tätigkeit in unterschiedlichen Bereichen einen breiten Schatz von Erfahrungen in das Aufsichtsratsamt einbringen können. Wegen dieser vielfältigen Verflechtungen wären die Auswirkungen weitgefaßter Stimmverbote unübersehbar. Solange keine gravierenden Mißbräuche auftreten, erscheint es daher vernünftiger, die Fähigkeiten solcher Organmitglieder für die jeweilige Gesellschaft zu nutzen und sie zur 1 2

3

4

Siehe oben S. 108, 116.

§§ 89 Abs. 3, 115 Abs. 2 AktG, § 15 Abs. 1 Nr. 5 KWG, § 3 AnfG.

Siehe oben S. 16. Mestmäcker S. 241; Lutter Information S. 97 f.

B. Ausblick

145

Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten, statt sie durch Stimmverbote aus der Gesamtverantwortung aller Organmitglieder zu entlassen. Außerdem würden weitere Reglementierungen dazu beitragen, daß die Rechtsform der Aktiengesellschaft noch aufwendiger und damit weniger attraktiv würde. In der Praxis besteht ohnehin eine starke Tendenz, über das Wettbewerbsverbot des § 88 AktG hinaus derartige Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. So achten z. B. die Banken selbst darauf, daß ihre Vorstandsmitglieder nicht Aufsichtsräten konkurrierender Gesellschaften angehörens. Die Führungskräfte eines deutschen Industriekonzerns sind arbeitsvertraglich verpflichtet, alle Sachverhalte offenzulegen, welche die Besorgnis der Befangenheit bei geschäftlichen Entscheidungen begründen könnten. Ausdrücklich eingeschlossen sind die Fälle, wo das Führungsmitglied oder ein naher Angehöriger Inhaber oder persönlich haftender Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist oder aber Anteile von mehr als 10 % des Kapitals dieses Unternehmens hält. Ein weiteres Beispiel für diese Konfliktvermeidungsstrategie bietet die Volkswagenwerk AG, deren Vorstand eine Tarifkommission mit dem Aushandeln der Haustarifverträge beauftragt hat, ohne daß der Aufsichtsrat damit befaßt wird. In die gleiche Richtung zielt bezüglich der Banken ein Referentenentwurf zur KWG-Novelle, wonach die Zahl von Aufsichtsratsmandaten weiter beschränkt und in den Geschäftsberichten die berufliche Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder angegeben werden so1l6. Es ist somit kein dringendes Bedürfnis ersichtlich, Stimmverboten im deutschen Aktienrecht eine wesentlich größere Bedeutung zuzumessen oder gar ein aufwendiges Kontrollverfahren nach französischem Muster einzuführen. Doch ist zu erwarten, daß die hier weitgehend ausgeklammerte Frage weiter in den Mittelpunkt rückt, inwieweit Organe, Organteile und Aktionäre ein eigenes Recht haben, die Einhaltung der bestehenden Vorschriften durch die Verwaltung der Gesellschaft gerichtlich überprüfen zu lassen7 •

5 Werner ZHR 145,255. 6 FAZ Nr. 91 vom 20.4.82, S. 13 f. 7 Zum Meinungsstand OLG Hamburg JZ 1981, 231 ff. mit ausführlichen Anmerkungen von Großfeld; BGH WM 1982, 388 ff.

10 G!esen

146

3. Teil: Schlußfolgerungen

c.

Schluß

In Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland wurden unter~ schiedliche Wege zur Beherrschung der Gefahren beschritten, welche der Aktiengesellschaft drohen, wenn ihre Verwalter eigenen Interessen ausgesetzt oder fremden Interessen verpflichtet sind. Trotz gewisser Erfolge hat keine der beiden Rechtsordnungen eine perfekte Lösung anzubieten. Selbst wenn die französische Antwort kaum als Modell für das deutsche Aktienrecht in Betracht kommt, vermag sie doch den Blick für die angesprochenen Probleme zu schärfen, welche in Deutschland bisher vergleichsweise wenig Beachtung gefunden haben. Auch das französische Beispiel beweist, daß eine als mangelhaft empfundene Kontrolle leicht dazu führen kann, daß sich andere, z. B. öffentlich-rechtliche überwachungs- und Eingriffsmechanismen entwickeln, welche diese Aufgabe in weitergehender und unangenehmerer Weise erfüllen. Schon aus diesem Grunde sollte das Bemühen der Verwaltungen der Aktiengesellschaften darauf gerichtet sein, auch ohne Zwang Transparenz zu beweisen und möglichst wenige Ansatzpunkte für Mißtrauen zu bieten.

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