Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts: Etappen auf einem langen Weg [1 ed.] 9783428536474, 9783428136476

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Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts: Etappen auf einem langen Weg [1 ed.]
 9783428536474, 9783428136476

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 425

Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts Etappen auf einem langen Weg

Von

Elmar Wadle

Duncker & Humblot · Berlin

ELMAR WADLE

Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 425

Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts Etappen auf einem langen Weg

Von

Elmar Wadle

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13647-6 (Print) ISBN 978-3-428-53647-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83647-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Wer sich als Jurist über die Zukunft unserer Rechtsordnung Gedanken macht, darf nicht vergessen, wie und wann die heutige Normenwelt entstanden ist. Schon deshalb sind die sogenannten Grundlagenfächer, nicht zuletzt die Rechtsgeschichte, für jeden Rechtswissenschaftler unverzichtbar. Dies gilt erst recht, wenn man sich für das breite Themenfeld interessiert, das heutzutage „Geistiges Eigentum“ genannt wird. Wer sich als Dogmatiker darauf einlässt, wird bald erfahren, wie vielfältig und kompliziert die Teilbereiche gewachsen sind. Dies gilt nicht zuletzt für die Geschichte des Urheberrechts. An diese Zusammenhänge möchte dieses Buch erinnern. Die hier zusammengestellten Beiträge setzen fort, was die beiden Bände beabsichtigt haben, die unter dem Titel „Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte“ in den Jahren 1996 und 2003 erschienen sind. In einer Zeit, in der man in Deutschland über den sogenannten „dritten Korb“, mithin die nächste Reform des Urheberrechts, diskutiert, könnte die Erinnerung an den Werdegang des Urheberrechts in den vergangenen Jahrhunderten hilfreich sein. Die Texte der in diesen Band aufgenommenen Aufsätze sind grundsätzlich nicht verändert worden; lediglich einige Schreibfehler wurden beseitigt. Entsprechendes gilt auch für die Anmerkungen; hier sind allerdings Verweise auf die zusätzlichen Erscheinungsorte einiger Beiträge eingefügt worden. Der Autor ist allen dankbar, die das Projekt unterstützt haben. Der Dank geht vor allem an den Förderungs- und Beihilfefonds der VG Wort (München) für die finanzielle Absicherung, aber auch an die Damen und Herren der Verlagsbuchhandlung Duncker & Humblot (Berlin) für die gute Zusammenarbeit. Saarbrücken / St. Ingbert, im November 2011

Elmar Wadle

Inhaltsverzeichnis Grundlagen und Zusammenhänge Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen. Anmerkungen eines Rechtshistorikers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Urheberrecht im Horizont historischer Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Zur Bedeutung der Rechtsgeschichte für das Urheberrecht und den Gewerblichen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Kontrolle und Schutz. Presserecht des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Von den Anfängen bis zum späten 18. Jahrhundert Würzburger Privilegien für Drucke des Georg Reyser (ca. 1440–1504) . . . . . . . 97 Privilegia Impressoria vor dem Reichshofrat. Eine Skizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Das Lustspiel „So rächen sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern“. Probleme um Honorar und Nachdruck im Blick eines unbekannten Autors des späten 18.  Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

19. Jahrhundert: Deutscher Bund – Preußen – Baden Grundrechte in der Deutschen Bundesakte? Notizen zu „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ (Artikel XVIII d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Gesetzlichkeit im vorkonstitutionellen Preußen. Zwei Fallbeispiele aus der Praxis nach 1815 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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Inhaltsverzeichnis

Der Schutz gegen den Nachdruck aus der Sicht eines Preußischen Beamten. Ein unbekanntes Votum aus dem Jahre 1825 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Preußens Initiative zum Schutz gegen Nachdruck (1826–1829): Zweiseitige Abkommen als Aushilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Frühe Bemühungen um den Rechtsschutz privater Briefe. Eine Berliner Diskussion zur Reichweite des preußischen Gesetzes vom 11. Juni 1837 . . . . . . 275 Die preußische Politik und Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes . . . . 321 Der badische Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes . . . . . 341 Ein Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck . . . 355 Der badische Entwurf eines „Gesetzes über den Schutz des Eigenthums an Werken der Literatur und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ von 1840 / 41. Ein zweiter Ansatz zur Reform des Urheberrechts im Großherzogtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Drucknachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Grundlagen und Zusammenhänge

Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen Anmerkungen eines Rechtshistorikers* I. Einleitung

Im Jahr 1781 bestellte der Berliner Verleger und Buchhändler C. F. Himburg bei Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726–1801), einem der bedeutendsten Künstler in der preußischen Königsstadt der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts1, eine Gravur, die danach zum Verkauf angeboten werden sollte. Die Radierung trägt einen bemerkenswerten Titel; er lautet: „Wercke der Finsternis oder Beytrag zur Geschichte des Buchhandels in Deutschland. Allegorisch vorgestellt zum besten, auch zur Warnung aller ehrliebenden Buchhändler“. *  Leicht überarbeitete Fassung der Abschiedsvorlesung vom 17. November 2006. 1  Jens-Heiner Bauer, Daniel Nikolaus Chodowiecki. Das druckgraphische Werk,

Hannover 1982, S.  127 Nr.  830.

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Das Bild gilt als „Satire auf die Raub – Drucker“ 2 , denn es zeigt, wie ein Zeitgenosse in der Literatur- und Theaterzeitung des Jahrgangs 1781 schreibt, folgende Szene: „In der Mitte des Bildes sieht man einen durch seinen Schleichhandel wohlgemästeten Nachdrucker, der einen rechtmässigen Verleger bereits bis aufs Hemde ausgezogen hat, und eben im Begriff ist, ihm auch dieses von der Schulter abzustreifen. Hinter diesem Räuber stehn im Eingange einer Höhle zwei seiner Helfershelfer, welche die eben geraubten Kleidungsstücke zerschneiden, um sich darin zu theilen. Auf der anderen Seite entfliehen drei reinausgeplünderte Buchhändler; das Gesicht des einen verkündigt tiefe Verzweiflung. Links unten liegt die Gerechtigkeit im tiefen Schlafe, auf welche der geplünderte Verleger zeigt. Neben der Höhle schwebt oberwärts der eselsgeöhrte Dämon der Raubsucht und ein Uhu“.

In einem Kompendium, das in unseren Tagen erschienen ist3, heißt es dazu, Chodowiecki habe die Radierung zwar auf Veranlassung des Buchhändlers angefertigt, damit aber auch eigene Interessen vertreten: Als Graphiker habe er ständig gegen unberechtigten Nachdruck und gegen unerlaubtes Kopieren seiner Blätter kämpfen müssen. Im Übrigen hält der Kommentator fest, es sei sehr eigenartig, dass Himburg selbst ein berühmtberüchtigter Nachdrucker gewesen sei, der mit seinen nachgedruckten Schriften große buchhändlerische Erfolge erzielt habe. Dem heutigen Betrachter fällt sofort auf, dass von den Autoren, deren Werke nachgedruckt wurden, nichts zu sehen ist, es sei denn, man wollte in dem ausgeraubten Mann keinen Buchhändler, sondern einen Autor vermuten. Gegen eine solche Deutung spricht indes nicht nur die Stilisierung der Figur, besonders ihre eher üppige Kleidung; gegen diese Deutung sprechen vor allem die Verhältnisse um 1781: Im Mittelpunkt des Streites, der in dieser Zeit schon voll im Gang war, standen weniger die Interessen der Schriftsteller oder anderer Urheber, sondern jene der Buchhändler bzw. der Verleger. Zwar ist nicht zu übersehen, dass schon im 18.  Jahrhundert viele bedeutende Köpfe für ein allgemeines Nachdruckverbot eingetreten sind, das die herkömmliche Schutzerteilung durch Privileg erübrigen sollte. Um 1781 allerdings war eine klare Orientierung des allseits gewünschten Nachdruckverbotes an der Position des Urhebers eher eine Ausnahme. Erst später, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Gesetzgebung des revolutionären Frankreich, entwickelte sich auch in Deutschland ein „Urheberrecht“, das diesen Namen verdient. 2  So: Willi Geismeier, Daniel Chodowiecki, Leipzig 1993, S. 170. – Zum folgenden Zitat vgl. man: Elisabeth Wormsbächer, Daniel Nikolaus Chodowiecki. Erklärungen und Erläuterungen zu seinen Radierungen, Hannover 1988, S.  82. Weitere Literaturhinweise ebenda S.  234  ff., sowie bei: Paul Dehnert, Daniel Chodowiecki, Berlin 1977 S.  74  f. 3  Wormsbächer, Chodowiecki (wie Anm.  2) S.  82  f.



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Ich komme auf diesen Punkt noch einmal zurück und mache einen großen zeitlichen Sprung in die Gegenwart. Ich greife eine Nachricht auf, die vor wenigen Wochen durch die Gazetten gegangen ist4. Eines der großen Unternehmen, das eine allseits bekannte Internetsuchmaschine betreibt, ließ anlässlich der Frankfurter Buchmesse erklären, es sei seine Mission „Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen“. Ein 2004 gestartetes Bibliotheksprojekt ist dabei, wissenschaftliche Bücher im großen Stil zu digitalisieren und mit Hilfe des Internet ganz oder teilweise zugänglich zu machen und zwar für jedermann. Durch den Zugang zu allen Büchern der Welt soll der Menschheitstraum einer Universalbibliothek verwirklicht werden. Große Bibliotheken in den USA, Großbritannien und Spanien haben bereits ihre Bestände für den Aufbau dieser virtuellen Bibliothek geöffnet. In einigen Ländern, darunter auch in Deutschland, sieht man diese Entwicklung eher mit Skepsis und Sorge. Während mancher Bibliothekar und mancher Konsument positive Signale gibt, bangen die Verlage um ihr Geschäft und die Autoren schwanken zwischen Beifall und Ablehnung. Wie vertragen sich diese Pläne mit dem Urheberrecht? Soweit der urheberrechtliche Schutz abgelaufen ist, helfen allenfalls andere Schutzrechte, die nicht befristet sind. Über den leichteren Zugang zu älteren Werken kann man sich sogar freuen; weniger willkommen könnten allerdings die Konsequenzen für die bestehende Bibliotheksstruktur sein: Warum sollte man alte Bücher, die im Internet leicht zugänglich sind, noch in ein Magazin stellen? Doch zurück zu den urheberrechtlichen Aspekten. Bei Büchern und Zeitschriften, die noch dem Urheberrecht unterliegen, ist die Rechtslage anders: Nach deutscher Gesetzgebung ist die Digitalisierung als Vervielfältigung, das Einstellen im Internet als öffentliche Zugänglichmachung grundsätzlich nur zulässig, wenn die Inhaber der Schutzrechte ihr Einverständnis erteilt haben. Brisant ist die Situation dann, wenn eine solche Lizenzierung fehlt und das Unternehmen gleichwohl ganze Container verlagsneuer Bücher nach Kalifornien verschifft, dort einscannen lässt und im Internet präsentiert. Diese Selbstbedienung soll – so das Unternehmen – mit dem Urheberrecht vereinbar sein, weil jedem Rechtsinhaber die Möglichkeit eingeräumt sei, die Herausnahme seines Werkes aus der Suchmaschine zu verlangen. Im Juli d. J. ist ein Versuch gestartet worden, dieses Verfahren durch die deutsche Gerichtsbarkeit prüfen und möglichst stoppen zu lassen. Ohne Erfolg: 4  Hannes Hintermeier, Daten sind Macht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (=  FAZ) vom 02.10.2006. Zur urheberrechtlichen Problematik zusammenfassend: Sebastian Kubis, Digitalisierung von Druckwerken zur Volltextsuche im Internet – die Buchsuche von Google („Google Book Serach“) im Konflikt mit dem Urheberrecht, in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht 2006, S.  370–379.

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Weil die Bücher in Amerika eingescannt werden und – angeblich – auch von dort aus über einen Server ins Netz gelangen, erklärte sich das deutsche Gericht für unzuständig und verwies den Fall an die amerikanische Justiz. In diesem Verfahren waren – wenn ich recht sehe – die Urheber nicht oder allenfalls mittelbar beteiligt, nämlich als diejenigen, die dem klagenden Verlag umfassende Nutzungsrechte eingeräumt hatten. Wie in der Allegorie von 1781 steht auch in diesem aktuellen Streit des Jahres 2006 der Autor im Hintergrund. Dieser Befund ist letztlich erstaunlich angesichts der Entfaltung des deutschen Urheberrechts im 19.  und 20. Jahrhundert. Wo ist der Urheber geblieben, den die Gesetze in den Mittelpunkt des Urheberrechts gestellt haben? II. Zur Vorgehensweise Halten wir kurz inne. Der Titel dieser Vorlesung lautet „Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen“. Die Radierung Chodowieckis steht symbolisch für das Gestern, besser für das Ende des Vorgestern; der Bericht über die virtuelle Universalbibliothek steht für das Morgen. Wo aber bleibt das Heute, das ich im Titel absichtsvoll vermieden habe? Als Rechtshistoriker spekuliere ich nicht gerne über die Zukunft; deshalb helfe ich mir mit einem Kunstgriff: Da das deutsche Urheberrecht seine aktuelle Grundstruktur im Gesetz von 19655 erhalten hat, tue ich so, als befänden wir uns in eben diesem Jahr; die seither vorgenommenen Veränderungen betrachte ich als Wegweiser in die Zukunft und ordne sie dem Stichwort Morgen zu. Der Blick auf die Reformen seit 1965 erleichtert so den Blick in die Zukunft. Damit freilich sind keineswegs alle Schwierigkeiten meines Themas beseitigt. Nimmt man das Gesetz von 1965 zur Grundlage für den Blick ins Gestern, so muss man sich einerseits auf die Grundprinzipien des Gesetzes besinnen und andererseits zugleich im Auge behalten, dass es neben dem deutschen Weg zum Urheberrecht noch viele andere nationale Wege und 5  Zur Vorgeschichte und Bedeutung des Urheberrechtsgesetzes vom 7. September 1965 findet man alle wichtigen Hinweise bei Thomas Dreier, Einleitung, in: ders. / Gernot Schulze, Urheberrechtsgesetz (Kommentar) München 2004; Heimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 3. Aufl. Tübingen 2005; Manfred Rehbinder, Urheberrecht, 14. Aufl. München 2006. – Einzelheiten bei Ralf-N. Vogt, Die urheberrechtlichen Reformdiskussionen in Deutschland während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2004; Katharina Maracke, Die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 (Schriften zur Rechtsgeschichte H. 99), Berlin 2003.



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internationale Abkommen gegeben hat. Alle diese Entwicklungen berühren sich mit dem deutschen Weg, weisen aber auch unübersehbare Besonderheiten auf, auf die ich hier schon aus Zeitgründen nur am Rande eingehen kann. Versuchen wir also zunächst die Grundstruktur des Gesetzes von 1965 zu beschreiben. III. Das Urheberrechtsgesetz von 1965 als Kennzeichen des Heute Dieses Gesetz befasst sich – wie schon der korrekte Langtitel „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Rechte“ erkennen lässt – auch mit anderen rechtlich abgesicherten Positionen, die dem Urheberrecht nahe stehen; diese so genannten Leistungsschutzrechte sind wirtschaftlich sehr bedeutsam und verdienten einen eigenen Vortrag. Heute kann und muss ich sie nur insoweit berücksichtigen, als dies für das Urheberrecht im eigentlichen Sinne unentbehrlich ist. Im Zentrum der gesetzlichen Regeln steht ohne Zweifel der Schutz des Urhebers in Bezug auf sein Werk. Damit sind drei grundlegende Elemente angesprochen, nämlich: Werk, Urheber und Rechtsschutz. Das Gesetz liefert damit die entscheidenden Stichworte für unseren Blick in die Vergangenheit ebenso wie für den Blick in die Zukunft. Objekte des Schutzes sind „Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst“; das Gesetz differenziert sie nach Werkarten; es spricht – ohne damit einen abschließenden Katalog aufstellen zu wollen – von „Sprachwerken“, „Werken der Musik“, „Werken der bildenden Künste“ ebenso wie von „Werken der Tanzkunst“, „Lichtbildwerken“ und „Filmwerken“. Werkarten, die dem 19.  Jahrhundert geläufig waren, stehen neben Werkarten, die erst das 20.  Jahrhundert beschert hat. Wichtiger noch ist die allgemeine Formel des § 2 Abs. 2; sie lautet: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen“. Diese Formel verweist auf den Kern: Das „Werk“ ist ein geistiger, ein immaterieller Gegenstand; dieser ist von der Verkörperung im Werkstück streng zu unterscheiden; diese (materielle) Verkörperung kommt ihrerseits als Objekt einer anderen rechtlichen Zuordnung in Betracht. Eine kurze Erläuterung dazu: Eine CD oder ein Buch, das ich erworben habe, gehört mir als Sacheigentümer; nicht aber der Song als „Werk der Musik“ oder der Roman als „Sprachwerk“. Diese Werke sind dem Inhaber des urheberrechtlichen Schutzes zugeordnet, und zwar grundsätzlich dem Komponisten bzw. dem Autor. Damit sind wir bei dem zweiten Stichwort, dem Inhaber der geschützten Rechtsposition. Das Gesetz nennt ihn „Urheber“ und sagt in §  7: „Urheber

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ist der Schöpfer des Werkes“. Diese Formel enthält das sog. Schöpferprinzip, d. h. den Grundsatz, dass derjenige, der die persönliche geistige Schöpfung (§  2 Abs.  2) bewirkt hat, originärer Inhaber des Schutzrechts ist. Der Begriff „Urheber“ wird damit letztlich am Werkbegriff festgemacht. Dies bedeutet zugleich, dass alle anderen Personen nicht originäre Träger des Urheberrechts sein können; sie können zwar auch in den Genuss des urheberrechtlichen Schutzes kommen, aber nur durch Ableitung von der ursprünglichen Rechtsposition des „Urhebers“. Dies gilt insbesondere für die Verwerter, etwa die Verleger oder die Sendeanstalten. Damit ist das dritte Stichwort gefallen: die Rechtsposition. Das Gesetz von 1965 folgt der Tradition und versteht das Urheberrecht primär als subjektives Recht, freilich als subjektives Recht besonderer Prägung: sie betrifft sowohl den Inhalt als auch die Grenzen des Rechts. Der Inhalt ist im Wesentlichen durch persönlichkeitsrechtliche Befugnisse einerseits und verwertungsrechtliche Positionen andererseits bestimmt. In beiden Gruppen werden die Rechte genauer, aber keineswegs abschließend benannt. Ich erwähne hier nur die wichtigsten Befugnisse: auf der einen Seite stehen das Veröffentlichungsrecht, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowie das Recht Entstellungen oder andere Beeinträchtigungen des Werks zu verbieten; auf der anderen Seite stehen die Verwertungsrechte, die wiederum unterschieden werden nach der Art der Verwertung. Zu einer ersten Gruppe, die durch das Stichwort „Verwertung in körperlicher Form“ gekennzeichnet ist, zählen das Vervielfältigungs-, Verbreitungsoder Ausstellungsrecht; zur zweiten Gruppe, zu den sog. „Rechten der öffentlichen Wiedergabe in unkörperlicher Form“, gehören vor allem das Vortragsrecht, das Aufführungs- und das Vorführungsrecht, das Senderecht, das Recht der Wiedergabe durch Bild oder Tonträger sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen. Das Gesetz beschreibt diese aus dem Urheberrecht fließenden Befugnisse aber nicht nur positiv; es zieht den Befugnissen auch Grenzen von außen, die sich wiederum unterschiedlich orientieren. Es gibt zunächst die allgemein bekannte zeitliche Schranke, die für das gesamte Urheberrecht beschränkt, d. h. der Schutz endet – übrigens schon 1965 – generell 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Nicht minder bedeutend sind die sachlichen Schranken, die sich zum Teil auf einzelne urheberrechtliche Befugnisse beziehen, zum Teil auf mehrere oder alle. Durch diese Schranken werden Befugnisse des Rechtsinhabers teilweise oder ganz zurückgenommen. In einigen Fällen wird – gleichsam als Trostpflaster – für den Inhaber des Schutzrechts eine angemessene Vergütung fällig, die teils direkt angefordert werden kann, teils nur kollektiv über eine Verwertungsgesellschaft erhoben werden muss.



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Genug der Einzelheiten. Stellt man die Frage nach dem Sinn eines solch detailreichen Regelwerkes, so sieht man sich schnell auf die unterschiedlichen Interessen verwiesen, im Urheberrecht gegeneinander abzuwägen hat. Es sind dies die Inte­ ressen der Urheber selbst, die Interessen der professionellen Werkverwerter, die Interessen der einzelnen Werknutzer und schließlich die Interessen der Allgemeinheit schlechthin. Meine Damen und Herren, eine Abschiedsvorlesung ist gewiss nicht der Ort, in weiteren Einzelheiten darzulegen, wie das Gesetz von 1965 dieses Geflecht teils kontroverser, teils paralleler Interessen bewältigt hat. Für den Blick zurück, den Blick in das Gestern, muss die Feststellung genügen, dass es vergleichbare Interessenlagen schon im Jahre 1781 gegeben hat, mithin im Erscheinungsjahr dieses Bildes. Ebenso sicher ist, dass es auch in Zukunft dieses Wechselspiel der Interessen geben wird. Wichtiger ist freilich die Feststellung, dass sich in diesem Mit- und Gegeneinander die Gewichte verschoben haben und weiter verschieben werden. Um diese Veränderungen sichtbar werden zu lassen, orientiere ich mich an den drei zentralen Elementen, die ich vorhin herausgestellt habe: an dem Gegenstand des Schutzes, also am „Werk“, sodann an der Inhaberschaft, mithin dem „Urheber“, und an dem zugewiesenen Schutzrecht und seiner Gestaltung. IV. Der Blick ins „Gestern“ Schauen wir zunächst ins Gestern und Vorgestern6. In der Geschichte der Menschheit hat es immer Menschen gegeben, die sich von den Musen küssen ließen oder den artes liberales oblagen; sie haben Dinge geschaffen, die wir aus heutiger Sicht „Werke“ nennen würden. Auch die Zeitgenossen waren sich der Besonderheit dieser Schöpfungen bewusst. Sie galten zumeist als Vorbild und Ansporn für andere Menschen. Dem Beispiel der kreativen Vorlagen zu folgen, war in der Regel nicht anstößig, es sei denn, man betätigte sich als Plagiator, mithin als einer, der ein fremdes Werk als das eigene ausgibt. Darüber, ob diese Haltung auch im Mittelalter gegolten hat, kann man streiten – sicher ist jedenfalls, dass jene Strömungen, die wir der Renaissance zurechnen, die individuelle 6  Zur Geschichte vgl. man außer den in Fn.  6 Genannten noch: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Baden-Baden 1995; Elmar Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgechichte Bde. I und II, Weinheim / München 1996 / 2003; sowie ders., Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des geistigen Eigentums in historischer Perspektive, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Germ. Abt.) 124 (2007) S.144–166; auch in diesem Band S.  73–94.

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Leistung der Dichter und Denker, der Maler und Komponisten neu bewertet haben. Sie, die Künstler, fanden Bestätigung und Erfüllung in ihrer Rolle als Hofdichter, Hofmaler oder Hofmusiker. Diese „Hofkünstler“ empfingen vom Fürsten Anerkennung, Lebensunterhalt und „Honorar“. Diese Entwicklung hat nicht ausgeschlossen, dass die Erfindung Gutenbergs zu gewissen Verschiebungen im Bereich jener Künste geführt hat, die mit neuen Drucktechniken vervielfältigt und vertrieben werden konnten. Buchdruck, Kupferstich und Radierung, Notenstich und – etwas später – Lithographie waren aufwändig; das Interesse des gern gepriesenen, aber mehr oder weniger gut honorierten Autors konnte vom Interesse der Verwerter überlagert werden. Sie, vor allem die Buchhändler, Buchführer und Verleger, hatten meist den Schaden zu tragen, der durch einen unerlaubten Nachdruck entstehen konnte. In diesem Kontext entwickelte sich die Vorstellung vom „ewigen Verlagsrecht“, das die Position der Verwerter letztlich übersteigerte. Es gibt aber auch eine gegenläufige Entwicklung, sie hat mit der Umformung des Künstlerbildes zu tun. Schon im 18.  Jahrhundert wurde nicht zuletzt unter dem Einfluss der sozialen und politischen Umbrüche ein am freien Bürger orientiertes Ideal vom freien Künstler zum Leitbild erhoben; seine Freiheit sollte die traditionelle Abhängigkeit von der Hofkultur ablösen durch eine neue und selbstgewisse Eigenständigkeit. Die Neubewertung der schöpferischen Kraft der Autoren basierte letztlich auf der Trennung von Werk und Werkstück und ermöglichte eine deutliche Scheidung der Interessen des Werkschöpfers einerseits und des Werkverwerters andererseits. Damit war der Weg frei, die Vervielfältigung durch den Druck und die Verbreitung von Werkstücken gleichsam ins zweite Glied zu rücken. Sie wurden als sekundäre Leistung betrachtet, also letztlich von der primären schöpferischen Arbeit des Autors abgeleitet. Im – schließlich erfolgreichen – Kampf gegen das „ewige Verlagsrecht“ spiegelt sich diese Entwicklung wider. Es war ein langer und mühevoller Weg, den Gesetzgeber und Rechtsgelehrte im 19. Jahrhundert gehen mussten, bis ein allgemeines und primär an den Interessen der Autoren orientiertes Schutzrecht, eben ein Urheberrecht, entstehen konnte. Dass sich das Urheberprinzip durchgesetzt hat, obwohl Buchhändler und Verleger 1825 den Börsenverein und damit einen der ältesten Interessenverbände gegründet haben, ist bemerkenswert. Es spricht viel dafür, dass die Neuorientierung der Überzeugungskraft zeitgenössischer Theorien zu verdanken ist, die sich einerseits am naturrechtlichen Denken, andererseits am französischen Vorbild ausgerichtet haben; sie prägen jedenfalls die Ansätze, die das 1837 erlassene preußische „Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ gebracht hat. Zu einem gewissen Abschluss kam diese Entwicklung aber erst in den Gründungsjahren des sogenannten Bismarckreiches.



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In dieser Geburtsphase des modernen deutschen Urheberrechts wurde nicht nur das Urheberprinzip festgelegt, das noch Gesetz von 1965 prägt. Es kam auch zu einer charakteristischen inhaltlichen Ausgestaltung des Schutzes. Neben das Vervielfältigungs- und das Verbreitungsrecht traten andere Befugnisse. Ich nenne hier nur zwei Beispiele. Schon das preußische Gesetz von 1837 definierte das Veröffentlichungsrecht des Autors; nahezu gleichzeitig wurde das Aufführungsrecht formuliert. Die Anerkennung und der Ausbau der Rechte des Urhebers gingen von Anfang an einher mit der Einführung allgemeiner Schranken zugunsten der Allgemeinheit bzw. der Konsumenten. Diesen Tribut mussten die Urheber und mit ihnen auch die Verwerter entrichten. Vor allem blieb die Rechts­ position fortan generell zeitlich beschränkt: Der Schutz galt zu Lebzeiten des Autors; seine Rechtsnachfolger konnten den Schutz nur für eine zunächst eher knapp bemessene Zeitspanne genießen; später wurde diese Frist jedoch verlängert. Auch einige inhaltliche Schranken wurden schon in der frühen Gesetzgebung festgelegt. Noch einige Sätze zu den Mitteln, mit deren Hilfe der Rechtsinhaber geschützt wurde: Anfänglich waren die Urheber vor allem durch Straftatbestände geschützt; doch schon am Ende der frühen Phase – mithin bereits in den ersten Reichsgesetzen – wurden selbständige zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche vorgesehen. Da das Urheberrecht im subjektiven Sinne grundsätzlich übertragbar war, konnte es auch den Inte­ ressen der Verwerter, namentlich der Verleger, gerecht werden. Kurz zusammengefasst: Alle Grundelemente des deutschen Urheberrechts waren schon in der Gesetzgebung der Bismarckzeit vorhanden. In den Folgejahren, also in der Phase zwischen 1890 und 1965, kamen wesentliche Ergänzungen und Verfeinerungen hinzu. Die Triebkräfte dieser Entwicklung kann man kurz mit drei Schlagworten andeuten: Es waren dies die Internationalisierung, die Industrialisierung und der technische Fortschritt. Für die Internationalisierung muss hier der Hinweis auf die multinationalen Abkommen genügen, namentlich auf die Berner Übereinkunft von 1886 und ihre späteren Revisionen. Der industrielle Aufschwung war bekanntlich von technischen Neuerungen getragen. Einige von ihnen wirkten unmittelbar auf das Urheberrecht ein. Die frühen deutschen Gesetze hatten eine der ersten dieser Erfindungen, nämlich die Fotografie, noch sehr stiefmütterlich behandelt und 1876 in ein besonderes Regelwerk verbannt. Nach jahrelangen Streitereien um den künstlerischen Gehalt der Fotografie wurde die Schutzwürdigkeit zwar an-

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erkannt; zu einer wenigstens teilweisen Gleichstellung mit anderen Künsten fand man sich jedoch erst 1907 im Kunsturhebergesetz bereit. Allzu lange hatte die Vorstellung nachgewirkt, bei Fotografien könne es sich gar nicht um Kunstwerke handeln; sie seien lediglich Produkte chemischer Prozesse. Noch im 19.  Jahrhundert reifte indes die Erkenntnis, dass auch eine Fotografie Werkcharakter haben kann. Als man die Fotografie – unter bestimmten Voraussetzungen – als Werk anerkannte, zeichneten sich schon neue Techniken ab, die das Urheberrecht tangierten. Neben die Fotografie trat die Möglichkeit, Töne, mithin Sprachwerke und Werke der Musik aufzuzeichnen und zu reproduzieren. Und als sich aus der Fotografie das bewegte Bild entwickelt hatte, war der Schritt zum Film getan. Noch vor dem Ersten Weltkrieg war die Gesetzgebung in der Lage, auf einen Teil dieser technischen Neuheiten zu reagieren; später überließ man dies der Rechtsprechung und einer langen Reformdiskussion. Im Bereich des Urheberschutzes registrieren wir einige besondere bemerkenswerte Ergänzungen. Neue Werkkategorien wurden anerkannt: Lichtbildwerke und Filmwerke. Auch den zulässigen, d. h. vom Urheber des Originalwerks konsentierten Übersetzungen und anderen Bearbeitungen wurde Werkcharakter zugesprochen, wenn sie eine entsprechende Qualität aufwiesen. Für den Urheber bedeutete dies zugleich eine Erweiterung seiner Verwertungsrechte, denn Übersetzungen und Bearbeitungen bedurften seiner Zustimmung. Die Zahl derartiger „Zweitverwertungsrechte“ nahm bald darauf weiter zu. Rundfunk und Fernsehen bescherten neue Nutzungsmöglichkeiten. Eine Frage in diesem Bereich blieb zunächst ungelöst. Der Gesetzgeber von 1908 reagierte zwar auf die Forderung, den Rechtsschutz auf mechanische Instrumente auszudehnen, die Töne produzieren bzw. reproduzieren konnten. Rechtliche Konsequenzen wurden – wie gezeigt – vor allem hinsichtlich des Genehmigungsrechts des Urhebers gezogen. Auf der Seite der übrigen Beteiligten kam es zu einer bemerkenswerten Lücke: Die Regelung begünstigte die Instrumentenhersteller und die neue Tonträgerindustrie, sie berücksichtigten aber nicht die Sänger, Musiker und Dirigenten, mithin diejenigen, die eine Konservierung erst möglich machten. Der Anspruch der „reproduzierenden Künstler“, als Schöpfer eines eigenen Werkes geschützt zu werden, blieb wieder einmal der Rechtsprechung und der späteren Reform überlassen. Am Ende dieser Diskussion um die Bewertung der „nachschaffenden“ Tätigkeit steht eine neue Lösung: die Anerkennung dieser „Leistung“ als selbständiges verwandtes Schutzrecht im Urheberrechtsgesetz von 1965. Dies war ein echter Fortschritt, denn die 1908 getroffene Regelung hatte einseitig die Hersteller von Wiedergabegeräten und Tonträgern, also die Industrie begünstigt. Sie verfügte schon damals über eine internationale Lobby, die ihre Interessen durchsetzen konnte. Vielleicht wirkte auch die aus den An-



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fängen dieser Technik herrührende Vorstellung weiter, ein mechanischer Apparat, der Töne produzieren kann, sei etwas Ähnliches wie ein Musiker. Die Regeln von 1908 zugunsten der Geräte- und Tonträgerhersteller eröffneten früh einen ganz neuen Entwicklungsstrang; er führte zur Anerkennung einer letztlich gewerblichen Leistung, die 1965 ebenfalls als „verwandtes“ Schutzrecht in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen wurde. Dieser Schritt ist zwar aus der Entstehungsgeschichte her verständlich, aber letztlich nur bedingt systemkonform. Damit berühren wir eine besonders markante Entwicklungslinie, die über das Gesetz von 1965 hinausreicht: die Diskussion um den Werkbegriff selbst. Zunächst sei festgehalten, dass schon das Kunsturhebergesetz von 1907 an anderer Stelle ältere Defizite behoben hat; das wichtigste Beispiel bleibt die endliche Anerkennung der Bauwerke als Gegenstände des Urheberschutzes. Nicht weniger bedeutsam war es, dass die seit dem preußischen Gesetz von 1837 bestehende Grenze zwischen den Werken der bildenden Kunst und dem Kunstgewerbe neu definiert wurde. Das Kunsturhebergesetz von 1876 hatte noch verfügt, dass jede vom Künstler genehmigte Nachbildung auf Industrie- und Gewerbeprodukten zum Verlust des urheberrecht­ lichen Schutzes führte; es sollte dann nur noch der engere Musterschutz gelten. Damals glaubte man, auf diese Weise „eine Brücke zwischen den hohen Künsten und der Industrie“7 geschlagen zu haben. 1907 wurde das Kunstgewerbe dann doch in den Schutz einbezogen, soweit es um „Werke“ ging: Es kam zu dem heute noch bestehenden Nebeneinander von Urheberrecht und Geschmacksmusterschutz. Diese Entscheidung blieb nicht ohne Einfluss auf den Werkbegriff selbst. Dies zeigt vor allem die Debatte um die sog. „kleine Münze“. Nicht mehr die „hohe Kunst“ im Sinne des 19.  Jahrhunderts war nun der Maßstab des Urheberrechtsschutzes, sondern das Mindestmaß der Gestaltungshöhe. Letztlich bedeutete dies, dass sich der Werkbegriff zu verändern begann. Seither gibt es eine nicht enden wollende Debatte um die „kleine Münze“. Der Streit hat einen markanten Hintergrund: Wenn ein Minimum an Individualität ausreicht, um den Werkbegriff zu bejahen, dann können auch kulturell völlig bedeutungslose, aber wirtschaftlich bedeutsame Produkte in den Genuss des Urheberrechts kommen. Das Gesetz von 1965 hat an dieser Entwicklung nichts geändert. Es hat sie vielmehr befördert. Die Anerkennung selbständiger Leistungsschutzrechte zugunsten von Tonträgerherstellern bzw. zugunsten von Sendeunternehmen hat diese Tendenz verstärkt. Gewiss, der Gesetzgeber konnte sich kaum 7  Stenographische Berichte über die Verhandlung des Deutschen Reichstages 1875 / 76 Anlagen-Band S.  296 (Drucksache Nr.  76).

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verweigern, denn Deutschland hatte sich mittlerweile in internationalen Abkommen (1960 / 61) zu solchen Schutzrechten bekannt. Das ist auch nicht zu tadeln. Fragwürdig war jedoch die Aufnahme in den Kreis der „verwandten Schutzrechte“ und ist auch heute noch fragwürdig, jedenfalls für das Leistungsrecht der Tonträgerhersteller. Denn hier geht es eindeutig um einen gewerblichen Schutz. Meine Damen und Herren, die Vorstellung vom Werk, mithin vom Objekt des urheberrechtlichen Schutzes muss auch bei unserem Blick auf das Morgen im Mittelpunkt stehen. V. Der Blick in das „Morgen“ Zunächst sei daran erinnert, dass die seit 1965 verabschiedeten Novellen bereits die Entwicklung andeuten, in der wir heute stehen. In den letzten vier Jahrzehnten ist das Urhebergesetz mehrfach verändert und ergänzt worden. Das Fortschreiten der Globalisierung und neue internationale Abkommen haben Anpassungen erforderlich gemacht. Bestärkt wurde diese Entwicklung durch die in den 80er Jahren einsetzenden Richtlinien der Europäischen Union. Noch wichtiger dürfte der technische Fortschritt gewesen sein, der mit Digitalisierung und weltweiter Vernetzung, sprich Internet, hier nur schlagwortartig angedeutet werden kann. Die neuen Techniken bescherten neue Möglichkeiten des Speicherns und der Wiedergabe. Als Beispiel für die Sprachwerke mag eine Zeitungsnotiz vom 4. Oktober d. J. stehen8: „Auf der Buchmesse sind fast ein Drittel aller Angebote digitale Produkte, wozu CD-ROM und DVD, Hörbücher, OnlineDatenbanken oder elektrische Bücher gehören.“ Zwar gibt es immer noch das gedruckte Buch, und zwar in allen seinen Varianten, vom Sortimentexemplar über Sonder- und Taschenbuchausgaben bis zu den Editionen für die Buchclubs. Die Zahl der Bücher, die in Volltextversion elektronisch zur Verfügung stehen, wächst aber rasant; die weltweiten Zugriffsmöglichkeiten schaffen neue Probleme für das Urheberrecht. Im Bereich der Musik- und Filmwerke hat diese Entwicklung schon etwas früher eingesetzt, nämlich mit der Satelliten- und Kabeltechnik im Rundfunk- und Fernsehgeschäft. Die Digitalisierung beförderte diesen Prozess zusätzlich in ungeahntem Umfang. Anderes kommt hinzu: seit kurzem gibt es eine neue technische Konvergenz von Telefonie, Fernsehen und Internet; neue Geräte werden zu Alleskönnern. Ein Beispiel9 nur: Das Handy 8  FAZ

v. 04.10.2006. Winkelhage, Der Abschied vom Mobiltelefon, in: FAZ v. 09.10.2006.

9  Johannes



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künftiger Generationen wird zur „Wunderkiste“; es kann nicht nur Gespräche und SMS vermitteln, es kann auch die Funktionen eines Fotoapparates, eines Radios und eines Fernsehgerätes übernehmen. Was bedeutet diese Entwicklung für das Urheberrecht? Die Konsequenzen, die Rechtsprechung und Gesetzgeber bereits gezogen haben und noch ziehen werden, sind vielfältig. Sie betreffen alle drei Bereiche, den Schutzgegenstand ebenso wie die Rechtsinhaberschaft und den Inhalt des Schutzrechts. Ich will wiederum diese drei Kernelemente des Urheberrechts ansprechen, allerdings in umgekehrter Reihenfolge und in der gebotenen Kürze. Im Übrigen müssen einige Beispiele genügen. Zunächst ein paar Stichworte zum Inhalt: Auf die „modernen Techniken gegenstandsloser Übermittlung“10 wurde reagiert, indem man den Katalog der Verwertungsrechte erweitert hat, und zwar um Vermiet- und Verleihrechte (1995), um Satelliten-, Rundfunk- und Kabelweiterverbreitungsrecht (1998) und vor allem um das „Recht der öffentlichen Zugänglichmachung“, mithin der Präsentation im Internet (2003). Anderes ist geplant, aber immer noch umstritten; dies gilt vor allem für das Folgerecht im Bereich der Bildenden Künste. Noch mehr Veränderungen gab es im Bereich der Schranken. Aufzeichnungsgeräte für Ton und Bild, immer perfektere Kopier- und Faxgeräte, Scanner und Kombigeräte, erleichtern das Vervielfältigen geschützter Werke und damit die Raubkopie in allen Varianten. Die erlaubte Vervielfältigung innerhalb der Schranken und die unerlaubte außerhalb der Schranken ist kaum noch zu kontrollieren seit Digitalisierung und Internet mit im Spiel sind. Solange dies noch nicht der Fall war, suchte man die Probleme dadurch zu lösen, dass man die aus dem Urheberrecht abgeleiteten zivilrechtlichen Ansprüche, namentlich den Unterlassungsanspruch, mehr und mehr durch Zahlungsansprüche ersetzt hat. Die 1965 eingeführten Abgaben für Vervielfältigungsgeräte und Leerkassetten boten eine gewisse Abhilfe. Den Inhabern der Verwertungsrechte floss eine Art Entschädigung zu, und zwar auch dann, wenn unerlaubt kopiert wurde. Im Zeitalter von Digitalisierung und Internet geraten solche Lösungen an ihre Grenzen. Ein Beispiel mag illustrieren, wie sich die Nachdruckgefahr erhöhen kann11. Solange die Tauschbörse Napster den Austausch von Musikstücken 10  Paul Kirchhof, Der Gesetzgebungsauftrag zum Schutz des geistigen Eigentums gegenüber modernen Vervielfältigungstechniken (Heidelberger Forum Bd.  54), Heidelberg 1988, z. B. S.  24. 11  FAZ v. 22.02. und 20.03.2001; sowie Alexander Klett, Internet-Tauschbörsen haften für Bruch des Urheberrechts, in: FAZ v. 06.07.2005.

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über ein zentrales System laufen ließ, konnte die Justiz relativ leicht zugreifen. Die Situation ändert sich jedoch rasant, nachdem dezentrale Systeme aufgekommen sind, die einen direkten Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern ermöglichen; diese sind sehr viel schwieriger gerichtlich zu erfassen und, wenn sie unerlaubt sind, zu sanktionieren. Es ist deshalb allzu verständlich, dass die Verwertungsberechtigten neue Techniken aufgreifen, um ihre Interessen durchzusetzen: Verschlüsselung, Zugangssperre und Kopierschutz können helfen, bringen aber zugleich neue Probleme: Sie sind einerseits schwer mit dem System der Abgabepflicht zu vereinbaren und schaffen andererseits besondere Gefahren für das überkommene Prinzip der Schrankenziehung, das ja vor allem den Interessen der Allgemeinheit und bestimmter Nutzergruppen dienen sollte. Neben solchen Konflikten hat sich seit geraumer Zeit ein neuer Interessengegensatz etabliert, nämlich jener zwischen den Rechteinhabern einerseits und der Industrie andererseits, die Geräte und Speichermedien verkaufen will; für die Industrie ist und bleibt jede Abgabepflicht ein unbeliebter Kostenfaktor. In dem jüngst vorgelegten Reformentwurf (Stichwort: Korb II) soll die Bestimmung der Vergütungssätze für private Kopien nichtkopiergeschützter Werke künftig den Vereinbarungen überlassen werden, die zwischen den Rechteinhabern und der Industrie betroffen werden. Ob dieses Verfahren bessere Ergebnisse zeitigen wird als die bisherige gesetzliche Reglementierung, darf bezweifelt werden; zu befürchten ist nicht zuletzt, dass die Autoren in diesem Kräftespiel die schlechteren Karten haben, denn innerhalb der Verwertungsgesellschaften suchen die Verwerter und ihre Verbände immer größere Stücke aus dem zu verteilenden Abgabenkuchen zu erstreiten, und das geht nur zu Lasten der Urheber. Mit diesen Überlegungen ist der zweite Orientierungspunkt angesprochen: die Trägerschaft des Urheberrechts. Ein Urheber, der nicht in der Lage ist, sein Werk selbst zu vermarkten, ist auf den Verleger oder – allgemeiner – auf den Verwerter angewiesen. Diese Einsicht ist uralt, erhält aber neue Brisanz, wenn man die Verschiebungen im Bereich der Verwertungsrechte bedenkt. Das Urheberrecht des 19.  Jahrhunderts war noch geprägt durch den Vorrang des Autors vor dem Verleger; dieses Verhältnis hat noch das Gesetz über das Verlagsrecht von 1901 bestimmt. Danach hat sich im Urheberrecht vielerlei geändert, nicht aber die 1901 formulierten Grundsätze. So hält auch der Gesetzgeber von 1965 am Prinzip der Vertragsfreiheit fest; bezeichnenderweise gilt das Verlagsgesetz von 1901 noch heute. Freilich gibt es mittlerweile auch einige gesetzliche Vorgaben zugunsten der Autoren, so etwa die zwingende Regel, dass Rechte bezüglich unbekannter Nutzungsarten nicht eingeräumt werden können. Allerdings hat sich in der Zeit nach



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1965 die Realität der Werknutzung stark verändert. Die Erstverwertung wurde um eine Vielzahl von Zweitverwertungs­möglichkeiten ergänzt – ich erinnere an Rundfunk und Fernsehen, Satelliten- und Kabelsendung, Digitalisierung und Internet. Der wirtschaftliche Wert dieser Rechte nimmt so rasant zu, dass man zögert, ihn noch „Zweitverwertungsrechte“ zu nennen. Vermarktungskonzerne und mächtige Verbände, Starkult, Mode und raffiniertes Marketing bestimmen allenthalben den Markt und machen es dem Urheber immer schwerer, einen angemessenen Ertragsanteil zu sichern. Wie in ganz alten Zeiten tut er gut daran, die Tantiemen eher als Zubrot denn als Mittel der Existenzsicherung zu begreifen. Gewiss, es gibt Bestseller­ autoren und Schlagerhits – doch sind sie sicher nicht die Regel. Die Antwort des Gesetzgebers auf diese Entwicklung ist zwiespältig. Auf der einen Seite gab es Reformen, die die Position des Autors stärken sollten. Auf der anderen Seite stehen jedoch neuere Entwicklungen, die den Autoren eher schaden. Die angestrebte „Liberalisierung“ bei der Bestimmung der Zahlungsansprüche habe ich schon erwähnt; sie dürfte den Autoren eher schaden als nützen. Wichtiger noch ist die jetzt vorgesehene Streichung jenes Paragraphen, der die Rechtseinräumung bezüglich unbekannter Nutzungsarten ausbremst. Gerade weil derartige Zweitnutzungsrechte auch für die Autoren immer wichtiger werden, darf man sie m. E. nicht dem mehr oder weniger deutlichen Diktat der Verwerter unterwerfen. Im neuen Entwurf, im sog. Korb  II, sind zwar gewisse Abhilfen vorgesehen; sie erscheinen mir aber nicht ausreichend. Schauen wir schließlich auf den dritten Kernbereich des Urheberrechts und seine Entwicklung nach 1965: auf den Gegenstand des Urheberrechts, mithin auf das „Werk“. In diesem Bereich ist es bereits zu gravierenden Änderungen gekommen. Ihre Tragweite wird deutlich, wenn man die Aufnahme der Computerprogramme in den Katalog der geschützten Werke betrachtet. Zunächst sei festgehalten, dass es eher eine Geschmacksfrage ist, ob man Computerprogramme neben Schriftwerken und Reden unter die Rubrik Sprachwerke einräumen sollte; von der Sache her mag dies sogar angehen. Schlimm, ja geradezu ein Sündenfall ist es jedoch, dass man zugunsten der Computerprogramme die Einheitlichkeit des Werkbegriffs in Frage gestellt hat. Dies signalisieren die 1993 eingefügten besonderen Bestimmungen des 8.  Abschnitts: „die Aufnahme der weniger formschöpferischen, sondern weitgehend technisch-funktionalen Computerprogramme in das Urheber­ recht“12 stellt letztlich einen Paradigmenwechsel dar. Um die Computerprogramme dem urheberrechtlichen Schutz unterwerfen zu können, wurden 12  Dreier,

Einleitung (Fn.  5), Rdnr.  17.

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für sie die Schutzvoraussetzungen abgesenkt; entscheidend ist allein das Vorliegen von „Individualität“ im Sinne des „Ergebnisses der eigenen geistigen Schöpfung“ des Programmherstellers. Da die Schutzfähigkeit ausdrücklich nicht von qualitativen oder gar ästhetischen Kriterien abhängen soll, wird letztlich auf jede Anforderungen im Sinne einer Gestaltungshöhe verzichtet. Schöpfung in diesem Sinne ist immer gegeben, wenn eine noch so kleine, gerade noch erkennbare individuelle Zutat im Programm festgestellt wird. Bei der Einbeziehung der Datenbanken hatte der Gesetzgeber noch zutreffend zwischen Datenbankwerken und schlichten Datenbanken unterschieden und letztere zugunsten der Industrie mit einem Leistungsschutzrecht versehen. Beim Computerprogramm hingegen fand eine solche Differenzierung nicht statt. Ich verhehle nicht, dass ich diese Verflachung des Werkbegriffs für gefährlich halte: Sie strahlt auf das gesamte Urheberrecht aus. Sie kann die Grenze zwischen Urheberrecht und gewerblichen Leistungsschutzrechten verwischen und die Legitimation des Schutzmodells Urheberrecht schwächen; der Urheberschutz ist ja an keinerlei Formalien gebunden und gewährt einen umfassenden und sehr langen Schutz; auf einen solchen Schutz greift jeder Gewerbetreibende gern zurück. Es wäre wohl besser gewesen, der deutsche Gesetzgeber hätte die Vorgaben der Europäischen Union zum Schutz der Computerprogramme in der Gestalt eines eigenen gewerblichen Leistungsschutzrechts umgesetzt. Hier wären auch alle Besonderheiten hinsichtlich Schutzumfang und Schranken besser unterzubringen gewesen. Nicht zu vergessen ist schließlich ein weiterer grundsätzlicher Aspekt: Jedes Schutzrecht, das Urheberrecht ebenso wie jedes andere Schutzrecht an einer gewerblichen Leistung bedarf der Rechtfertigung angesichts des freien Austausches von Waren und Dienstleistungen. Auch insoweit kann es noch zu Problemen kommen, wenn der Werkbegriff weiterhin ausgedehnt wird und das Urheberrecht seine relativ klaren Konturen verliert. Wie die Entwicklung weitergehen wird, ist ungewiss. Es deutet aber einiges darauf hin, dass der kreative Mensch, ob Komponist, Schriftsteller, Bildhauer, Dichter, Denker oder Multimediakünstler nicht mehr im Mittelpunkt des Rechtsschutzes stehen wird, soweit dieser materielle Erträge generiert. Ich erinnere an den Anfang dieser Vorlesung: Die beiden Szenen, von denen eingangs die Rede war, die Allegorie von 1781 und die aktuelle Zeitungsnotiz zur digitalen Bibliothek, stehen in der Tat für vergleichbare Ordnungswelten, in denen der Urheber nur eine sekundäre Rolle spielt.



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VI. Eine Schlussbemerkung Meine Damen und Herren, es wird Zeit, dass ich zu einer Schlussbemerkung komme. Sie gilt der Frage: warum habe ich dieses Thema gewählt? Nun, es schien mir geeignet, um einem Motto gerecht zu werden, das ich gerne an den Anfang meiner rechtshistorischen Vorlesungen gestellt habe, nämlich den Satz „Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht“. Dazu noch ein letztes Zitat: „Jede Kultur verdankt sich und ihr Wissen ihrem Gestern. Alles Wissen ist gestrig. Ob es sich heute erweitert, wird sich in der Regel erst morgen entscheiden“. Diese Sätze von Johannes Fried13 gelten auch für das Recht; als Teil der menschlichen Kultur hat auch das Recht ein Gestern und ein Morgen. Recht verändert sich. Jeder junge Jurist sollte wissen und erfahren, dass der Gegenstand seiner Bemühungen in den Lauf der Zeiten eingebunden ist und nur in diesem Kontext hinreichend verstanden werden kann. Dieses Bewusstsein zu fördern, ist Aufgabe der Rechtsgeschichte. Deshalb darf unsere Disziplin auch nicht im Studierzimmer verharren; sie darf vor allem nicht aus der Juristenausbildung verbannt werden. Es sei denn, man wollte die wissenschaftlichen Grundlagen des Rechtsstudiums weiter beschneiden. Gewiss, die Rechtsgeschichte ist vielfältig. Auf ihre Kerngebiete kann aber keine Fakultät verzichten, die sich ernst nimmt. Ich hoffe sehr, dass diese unsere Fakultät, dass meine Fakultät, an diesem Grundsatz festhält. In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.

13  Johannes Fried, Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004, S.  5 (Vorwort).

Urheberrecht im Horizont historischer Disziplinen I. Im September 1986 trafen sich, eingeladen von Clausdieter Schott und Manfred Rehbinder, Rechtshistoriker und Urheberrechtler im schweizerischen Murten zu einem wissenschaftlichen Kolloquium zu Ehren des gerade achtzigjährigen Hans Thieme, der sich zeitlebens für beide Disziplinen, die Rechtsgeschichte wie das Urheberrecht, interessiert hat. Die Teilnehmer der Tagung in Murten fanden Gefallen an der gemeinsamen Pflege der Urheberrechtsgeschichte und trafen sich fortan regelmäßig in jedem zweiten Jahr, um das Gespräch über die Fächergrenzen hinweg fortzusetzen1. In anderen Disziplinen aufgewachsene Interessenten waren anfänglich eher spärlich, später etwas zahlreicher vertreten. Es entwickelte sich ein kleines fachübergreifendes Gesprächsforum. Daß es gelungen ist, den Arbeitskreis zu erhalten und zu erweitern, kann nur den verwundern, der nicht die Vielfalt der Aspekte bedenkt, die das Urheberrecht und seine Geschichte geprägt haben und bis zum heutigen Tage prägen. Urheberrecht ist aufs engste verwoben mit der Kulturgeschichte der letzten 200 Jahre und reicht mit seinen Vorstufen und einzelnen seiner Elemente noch viel weiter in die Geschichte zurück2. Die Gründe lassen sich knapp benennen: Alle Erscheinungen menschlicher Kultur werfen die 1  Zu den Tagungen 1986–1991 vgl. die Hinweise im Vorwort zu Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa. Entwicklungslinien und Grundfragen (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 10), Berlin 1993, S. 7–10, hier S. 1 Fn. 2. Die Beiträge zu den Veranstaltungen in Trogen (1993), Krakau (1995), Villa Vigoni (1997), Halle / S.  (1999), in: Archiv für Ur­ heber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (= UFITA) 123, 126, 129, 130, 131, 136, 137, 138 (1994–1999) und 2000 I u. II. Die Angaben in den nachfolgenden Fn.  beruhen auf einer eher zufälligen Auswahl. Sie wollen und können nur als erste Hinweise auf die umfängliche Literatur zu den angesprochenen Themenbereichen verstanden werden. 2  Zur Geschichte des Urheberrechts vgl. insbesondere Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen 1995 (mit umfassenden Hinweisen auf die ältere Literatur); Elmar Wadle, Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim 1996. Zur Geschichte des Urheberrechts im 20. Jahrhundert vgl. man die einschlägigen Beiträge in Friedrich-Karl Beier / Alfons Kraft / Gerhard Schricker / Elmar Wadle (Hg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, 2 Bde., Festschrift zum

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Fragen nach ihrem Schöpfer auf; mag in der Frühzeit die Zuordnung zu Gruppen, Gemeinschaften, Personen, Verbänden oder Kollektiven überwiegen, seit der Entdeckung des Individuums ist man sich der Möglichkeiten persönlicher Schaffenskraft bewußt: Der Dichter, Maler, Bildhauer oder Architekt, der Autor eben, wird zum Thema, die Beziehungen zwischen dem Schöpfer und seinem Werk und (natürlich) auch zum Kreis der Kulturverwerter und -verbraucher werden zum Gegenstand jedweder kulturgeschichtlicher Disziplin. Die rechtlichen Aspekte dieser Beziehung mögen bisweilen in den Hintergrund treten, vorhanden sind sie immer. Letztlich kommt keine Disziplin, die sich mit zentralen Erscheinungen der Kulturgeschichte der europäischen Moderne befaßt, um das Urheberrecht herum. Ein summarischer Blick auf die verschiedensten Forschungsfelder mag diese These erhärten. II. Zu einer ersten Gruppe lassen sich jene Disziplinen gruppieren, die ihr Hauptaugenmerk auf die Werke selbst richten, also auf Werke der Literatur und Wissenschaft, der bildenden Künste und der Architektur, der Musik und der Tanzkunst – um nur die wichtigsten zu nennen. Wissenschafts- wie Literaturgeschichte haben immer den Wissenschaftler und den Autor im Blick, und wenn es um die Wirkung ihrer Produkte geht, auch die Verwerter und Verbraucher. Die prägende Kraft des Urhebers steht vielfach im Mittelpunkt der Überlegungen. Daß Darstellungen zur Geschichte der neueren Literatur so verfahren, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Dafür gibt es unzählige Beispiele, namentlich zu den Dichtern der Klassik. Als Beleg mag hier ein Hinweis auf jene Untersuchungen genügen, die mit dem Werk Johann Wolfgang Goethes zugleich Aspekte um Nachdruck und geistiges Eigentum ansprechen3. hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Weinheim 1991. 3  Aus der Vielzahl von Darstellungen, Buchpassagen und Aufsätzen seien hier genannt: Siegfried Unseld, Goethe und seine Verleger, Frankfurt a. M. / Leipzig 1991; Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, München 1991, S. 161; Waltraut Hagen, Nachdruck / Raubdruck, in: Bernd Witte u. a. (Hg.), Goethe-Handbuch Bd. VI, 2, Stuttgart / Weimar 1998, S. 740–743; allgemeiner aus literaturwissenschaftlicher Sicht unter starker Betonung des Schutzes gegen Nachdruck: Heinrich Bosse, Autorschaft ist Werkherrschaft. Über die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit, Paderborn 1981. Aus juristischer bzw. rechtshistorischer Sicht vgl. man Heinz Fröbe, Die Privilegierung der Ausgabe „letzter Hand“ Goethes sämtlicher Werke. Ein rechtsgeschichtlicher Beitrag zur Goetheforschung und zur Entwicklung des literarischen Urheberrechts, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 2 (1960), S.  187–229; Arthur-Axel Wandtke, Goethe und das Urheberrecht, in:



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Auch ältere Literatur wird häufig im spezifischen Blick auf Autoren und Publikum erörtert. Als Beispiel für diese Betrachtungsweise und ihre Nähe zu jener der Urheberrechtler sei ein Sammelband zur mittelalterlichen Literatur erwähnt, auf den jüngst Ludwig Gieseke aufmerksam gemacht hat4. Schließlich sei noch festgehalten, daß schon die klassische Literatur Probleme um Plagiate und Plagiatoren kannte und damit dem Urheberrecht nahestehende Phänomene zur Sprache gebracht hat5. Nicht weniger deutlich stehen Werk und Autor im Blickfeld der Kunstgeschichte. Persönlicher Stil und Schulenbildung, künstlerische Erfindungskraft, Kunstlandschaften und Rezeptionsvorgänge über größere Distanzen sind Dauerthemen kunstgeschichtlicher Betrachtung. Schon früh galt als ausgemacht, daß Autorstolz und -bewußtsein in der Künstlerwelt seit Renaissance und Humanismus besonders ausgeprägt sind. In der deutschen Literatur6 wird insoweit immer wieder gern auf Albrecht Dürer verUFITA 2002 II, S.  453–470; Elmar Wadle, Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1999, S.  2545–2551, jetzt auch in: Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte I (1999 / 2000), S. 556–575; ders., Rechtsprobleme um Nachdruck und geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: Karl Richter / Gerhard Sauder (Hg.), Goethe – ungewohnte Ansichten, St. Ingbert 2001, S.  344–386; die beiden letzten Aufsätze auch in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte Bd.  II, München 2003. 4  Ludwig Gieseke, Autor und Autorschaft im Mittelalter, in: UFITA 2000 I, S.  181–190. In umfassenderer Weise bringt die mittelalterliche „Personalisierung“ des Buches zur Sprache Horst Wenzel, Hören und Sehen, Schrift und Bild, München 1995, bes. S.  204  ff. 5  Astrid Eggert, Der Rechtsschutz der Urheber in der römischen Antike, in: ­UFITA 138 (1999), S. 183–217. Im übrigen vgl. man die einschlägigen Beiträge von Renate Frohne auf den in Fn.  1 genannten Tagungen. – Im Grundriß von Horst Blanck, Das Buch in der Antike, München 1992, wird (S.  117) die Existenz von „Urheber- oder Verlagsrecht, damals unbekannte Begriffe“ gesprochen; an anderer Stelle (S.  119  f., 125) werden das Interesse von Autoren erwähnt, die Verbreitung bestimmter Werke unter Kontrolle zu halten (Publikationsrecht?) oder die durch Verleger hergestellten Exemplare auf ihre Korrektheit zu überwachen (Schutz vor Verfälschung?). 6  Die folgenden Darstellungen mögen beispielhaft für viele andere stehen: Hans Huth, Künstler und Werkstatt der Spätgotik, Darmstadt 1967; Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1953, Sonderausgabe München 1978, bes. S.  278  ff., 349  ff.; Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 1995; Heinrich Klotz, Mittelalter 600–1400 (Geschichte der deutschen Kunst Bd.  1), München 1998, bes. S.  121  ff.; Martin Warnke, Spätmittelalter und Frühe Neuzeit 1400–1750 (Geschichte der deutschen Kunst Bd.  2), München 1999, bes. S. 12 f., 70 ff., 214 ff. Allgemein aus rechtlicher Sicht: Thomas Würtenberger, Das Kunstfälschertum. Entstehung und Bekämpfung eines Verbrechens vom Anfang des 15. bis zum Ende des 18.  Jahrhunderts, Weimar 1940 (ND Graz 1970), bes. S.  172  ff.

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wiesen7, aber auch auf die große Epoche der niederländischen Malerei und insbesondere deren Geschäftspraxis8. Gleichzeitig glaubte man, den vorausgehenden Zeiten das Streben nach Originalität und Betonung individueller Schöpferkraft eher absprechen zu müssen, weil das künstlerische Gestalten stark in kollektive Gebilde wie Familien oder Ordensgemeinschaften, Gilden oder Zünfte eingebunden, mithin weithin anonym geblieben sei. Diese Sicht dürfte sich aufgrund neuerer Forschungen über Kunst und Kunsthandwerk im Mittelalter als revisionsbedürftig erwiesen haben. Dafür steht nicht allein die (Wieder-)Entdeckung der Protorenaissance; dafür sprechen auch neuere Untersuchungen über Buchschreiber und -maler, über Glasmaler, Goldschmiede, Bronzegießer und Steinmetze und ihre mit stolzen Hinweisen auf die Autorschaft versehenen Werke9. Die Musikgeschichte schließlich hat schon immer die stil- und modeprägende Kraft einzelner Komponisten beschrieben. Zahlreiche ältere Untersuchungen belegen, daß schon frühe Autoren ein beachtliches Urheberbewußt7  Aus der Sicht der Rechtsgeschichte ist besonders zu nennen: Thomas Würtenberger, Albrecht Dürer. Künstler, Recht, Gerechtigkeit, Frankfurt a. M. 1971, bes. S. 50 ff., 60 ff. Aus der Sicht der Kunstgeschichte seien erwähnt: Heinrich Wölfflin, Die Kunst Albrecht Dürers, München 19049, mit einem Nachwort von Peter Strieder, München 1984; Vorbild Dürfer. Kupferstich und Rundschnitte Albrecht Dürers im Spiegel der europäischen Druckgraphik des 16.  Jahrhunderts, München 1978 (Ausstellungskatalog), darin bes. S.  2–12 (Einleitung von Peter Strieder); Ernst Rebel, Albrecht Dürer. Maler und Humanist, München 1996, bes. S. 457 ff. (zur Nachwirkung); Warnke, Spätmittelalter (Fn.  6), S.  160  ff., 235  ff. 8  Als Beispiele seien genannt: Svetlana Alpers, Rembrandt als Unternehmer. Sein Atelier und der Markt, Köln 1998, bes. S. 242 ff. (Erwähnung eines Privilegs für eine Radierung S. 292 Fn. 29); Michael North, Kunst und Kommerz im goldenen Zeitalter. Zur Sozialgeschichte der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln 1992; Ekkehard Mai / Hans Vlieghe (Hg.), Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flämischen Malerei (Ausstellungshandbuch und -katalog), Köln 1992 (darin Beiträge zur Druckgraphik bes. S. 252 ff. zur Bedeutung der Privilegien). 9  Vgl. etwa Anton Legner, Illustres manus, in: ders. (Hg.), Ornamenta ecclesiae. Kunst und Künstler der Romanik. Katalog zur Ausstellung des Schnütgen-Museums in der Josef Haubrich-Kunsthalle, Köln 1985, 3 Bde., hier Bd.  1, S.  187–230, bes. S.  205  ff.; Peter Cornelius Claussen, Künstlerinschriften, ebenda S.  263–267; Anton Legner, Reliquien in Kunst und Kult zwischen Antike und Aufklärung, Darmstadt 1995, bes. S.  145 m.  Anm.  331 (S.  369); Wenzel, Hören und Sehen (Fn.  4), S.  218  ff., 292  ff.; Matthias Müller, Der Künstler betritt das Stifterbild – Normen der Auftraggeber und Künstlerpräsentation in religiösen Bildwerken des hohen und späten Mittelalters (1140–1440), in: Doris Ruhe / Karl-Heinz Spieß (Hg.), Prozesse der Normbildung und Normveränderung im mittelalterlichen Europa, Stuttgart 2000, S.  27–53. Zurückhaltender bzgl. der Buchmalerei formuliert Johann Konrad Eberlein, Miniatur und Arbeit. Das Medium Buchmalerei, Frankfurt a. M. 1995 (bes. S.  114  ff., 330  ff.). Aus rechtlicher Sicht vgl. etwa: Wilhelm Schlechtriem, Rubens und das Recht am Werk, in: UFITA 7 (1934), S.  147–178.



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sein ausgebildet haben10. Neuerdings werden auch Querverbindungen zwischen der rechtlichen Entfaltung des Urhebergedankens und den Anfängen musiktheoretischer Reflexion besser erkannt11. Wie sehr Urheberrecht und Musikgeschichte miteinander verwoben sein können, zeigt etwa die überragende Gestalt eines Richard Strauß und seine Verdienste um die Anfänge der musikalischen Verwertungsgesellschaften12. Blickt man auf die „werkorientierten“ Disziplinen insgesamt, so bleibt trotz aller „Vorstufen“ und „Frühformen“ unverkennbar, daß das künstlerische Schaffen seit der „Sattelzeit“ um 1800, also seit der vom Wandel der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse getragenen „Geburt der Moderne“, in einen neuen Bezug zum Recht des Autors getreten ist, da das moderne Urheberrecht gerade in der Zeit dieses Wandlungsprozesses konzipiert worden ist. Was sich in der Epoche der in „Gilden“ eingebundenen Künstler nur ansatzweise und in der Zeit der „Hofkünstler“ und des „Honorars“ schon besser entfalten konnte, wird nun im Zeitalter der selbständigen Literaten und Künstler zur Grundlage der eigenen Existenz: Das sich entwickelnde „geistige Eigentum“ bildet die unverzichtbare Basis eines jeden „freien Künstlers“13. III. Mit diesem Hinweis sind zunächst jene Disziplinen angesprochen, die sich den technischen Bedingungen der Realisierung von Werken, aber auch ihrer Verwertung und ihrer Rezeptionsmöglichkeit zuwenden. 10  Viele Einzelheiten bei Hansjörg Pohlmann, Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts (ca. 1400 bis 1800). Neue Materialien zur Entwicklung des Urheberrechtsbewußtseins der Komponisten, Kassel u. a. 1962; Heinrich M. Schuster, Das Urheberrecht der Tonkunst, München 1891, bes. S.  6–50 (Geschichte des musikalischen Urheberrechts); Thomas Bösche (Hansjörg Pohlmann / Carl Haensel), Artikel „Urheberrecht“, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Ludwig Finscher, Sachteil Bd.  9, Kassel 19982, Spalte 1203–1214. 11  Vgl. etwa Friedemann Kawohl, Wie der Wein in die Flaschen kam. Oder: Die Entstehung des musikalischen Formbegriffs aus dem Geist des Urheberrechts, in: Sabine Sanio / Christian Scheib (Hg.), Form – Luxus, Kalkül und Abstinenz: Fragen, Thesen und Beiträge zu Erscheinungsweisen aktueller Musik, Saarbrücken 1999, S. 136–147; ders., Music Copyright and the Prussian Copyright Act of 1837, in: Jim Samson / Bennett Zon (Hg.), Nineteenth-Century Music. Selected Proceedings of the Tenth International Conference, Aldershot 2001. 12  Erich Schulze, Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, Weinheim 1995, bes. S.  30  ff. 13  Besonders charakterisiert wird dieser Zusammenhang von Bosse, Autorschaft (Fn.  3).

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In historischer Perspektive sind damit vor allem die Erfindung des Buchdrucks selbst und das Aufkommen neuer maschineller Druckverfahren, aber auch technische Neuerungen im Bereich der graphischen Künste und des Notendrucks angesprochen. In jüngerer Zeit hat sich das Blickfeld zur Mediengeschichte und zur Geschichte der Kommunikationsmittel ausgeweitet14. Die Bedeutung von Gutenbergs „Kunst“ war schon immer im historischen Bewußtsein verankert; im Jubiläumsjahr 2000 aus Anlaß des 600. Geburtstages Gutenbergs haben neuere Publikationen und Ausstellungen die „erste Medienrevolution“ gebührend in Erinnerung gerufen15. Auch andere technische Bedingungen für den Siegeszug des Buchdruckes, so insbesondere die fabrikmäßige Herstellung geeigneten Papiers hat man immer wieder hervorgehoben16. Die Erfindung Gutenbergs hat vielfache Konsequenzen für die rechtshistorische Betrachtung. Da jeder Druck durch Nachdruck gefährdet ist, steht der Kampf gegen diese Praxis im Zentrum der rechtlichen Bewertung. Der ursprünglich rein technische Vorgang prägt sogar die Sprache des Rechts, das sowohl in Privilegien wie in späteren Verbotsgesetzen zumeist die Formel „Nachdruck“ verwendet. Und auch später, als man nicht mehr nur das wirtschaftliche Risiko des Druckers und damit die Interessen des Verlegers im Blick hatte, sondern auch die Interessen des Autors als solche erkannte, hielt man längere Zeit am Begriff „Nachdruck“ fest, um alle urheberrechts14  Aus der umfangreicher werdenden Literatur seien erwähnt: Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt a. M. 1991 (bes. S. 445 ff. zur Privilegierung gegen Nachdruck); Hans-Jürgen Wolf, Geschichte der Druckverfahren. Historische Grundlagen, Portraits, Technologie, Elchingen 1992; Jürgen Gramlich, Rechtsordnungen des Buchgewerbes im Alten Reich. Genossenschaftliche Strukturen, Arbeits- und Wettbewerbsrecht im deutschen Druckerhandwerk, Frankfurt a. M. 1994 (Sonderdruck aus dem Archiv für Geschichte des Buchwesens Bd.  41); Ernst Fischer / Wilhelm Hefs / Jorg-Gothart Mix (Hg.), Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, München 1999 (Der Schutz gegen Nachdruck wird nur gelegentlich erwähnt, so etwa S. 128 f.); Rudolf Stöber, Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar, Konstanz 2000; Jürgen Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20.  Jahrhundert, Köln 2000 (mit umfassenden Literaturangaben und regelmäßigen Hinweisen auf rechtliche Fragen, vor allem zur Zensur). 15  Albert Kapr, Johannes Gutenberg. Persönlichkeit und Leistung, München 1987; Andreas Venzke, Johannes Gutenberg. Der Erfinder des Buchdrucks, Zürich 1993; Stephan Füssel, Gutenberg und seine Wirkung, Darmstadt 1999; Gutenberg, aventur und kunst  …, Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution (Ausstellungskatalog), Mainz 2000. 16  Man vergleiche die einschlägigen Beiträge im Katalog „Gutenberg“ (Fn.  15).



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widrigen Verhaltensweisen zu bezeichnen; das deutsche Recht nahm erst im ausgehenden 19.  Jahrhundert von dieser Sprechgewohnheit Abschied17. Technische Fortschritte haben nicht nur das Buch- und Pressewesen der Neuzeit ermöglicht, sondern ließen zugleich neue Werkkategorien entstehen oder vermehrten doch deren Vielfältigkeit. Hier ist einerseits an die Geschichte von Foto und Film zu denken, andererseits an die breite Auswirkung der Lithographie auf die graphische Kunst, auf den Notendruck und die Vervielfältigung von Texten schlechthin. Mit weiteren Stichworten wie „Stahlstich“, „Rundfunk“, „Fernsehen“ seien spätere Entwicklungen nur angedeutet, die mit den elektronischen Kommunikationsmitteln eine so erstaunliche Verstärkung gefunden haben, daß man in unseren Tagen geradezu von einer „zweiten Medienrevolution“ sprechen kann18. IV. Ähnlich tiefgreifende Auswirkungen wie die technische Entwicklung haben die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen gezeitigt, denen sich entsprechende Disziplinen verpflichtet fühlen. Standen bei ökonomiehistorischen Forschungen zur älteren Zeit die tatsächliche Verbreitung der neuen Kunst in ganz Europa im Vordergrund, so kamen später mehr und mehr andere Aspekte in den Blick, so das Verhältnis von Drucker und Verleger, die wirtschaftlichen und sozialen Arbeitsbedingungen beider Gruppen, der Buchvertrieb und die Messen in Frankfurt und Leipzig, der Wechsel vom Börsentausch zum Nettohandel, die Organisation der Buchverleger und 17  Dazu: Elmar Wadle, Die Entfaltung des Urheberrechts als Antwort auf technische Neuerungen, in: ders. (Hg.) Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bd. I (Fn. 2), S. 63  ff. 18  Zur Geschichte der Lithographie: Wilhelm Weber, Saxa loquuntur I, Geschichte der Lithographie von den Anfängen bis 1900, München 1964, bes. S.  85  ff., 105  ff.; Wilhelm Weber, Aloys Senefelder. Erfinder der Lithographie. Daten zum Leben und Wirken, Frankfurt a. M. 1981; Michael Henker / Karlheinz Scherr / Elmar Stolpe, Von Senefelder zu Daumier: Die Anfänge der lithographischen Kunst, München 1988 (Ausstellungskatalog). – Zur Geschichte der Photographie (mit Hinweisen zur Kunstreproduktion und Kunstphotographie, aber durchweg ohne Erwähnung rechtlicher Probleme): Urs Tillmanns, Geschichte der Photographie. Ein Jahrhundert prägt ein Medium, Stuttgart 1981, bes. S.  26  f.; Helmut Gernsheim, Geschichte der Photographie. Die ersten Hundert Jahre (Propyläen Kunstgeschichte, Supplementund Sonderbände), Frankfurt a. M. 1983, bes. S.  44  ff., 69, 81, 161, 173  f., 293  ff., 378; Silber und Salz. Zur Frühgeschichte der Photographie im deutschen Sprachraum 1839 bis 1860, Köln 1989 (Ausstellungskatalog), bes. S.  514  ff. Im übrigen vgl. noch Christa Pieske, Bilder für Jedermann. Wandbilddrucke 1840 bis 1940 (Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin 15), Berlin 1988 (umfassend zu technischen, ökonomischen und kulturhistorischen Aspekten).

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der Buchhändler. Das Erstarken der Position des Urhebers im Zuge der Fortentwicklung des rechtlichen Schutzes war nicht weniger folgenreich: Es kommt zu frühen, meist gescheiterten Versuchen mit dem Selbstverlag; später entstehen Formen kollektiver Wahrnehmung von Urheberrechten durch Rechtsvermittler, insbesondere die Verwertungsgesellschaften unterschiedlichen Zuschnitts19. Ein knapper Abriß der Entwicklung mag verdeutlichen, warum dieses Geschehen in das Blickfeld der wirtschafts- und politikgeschichtlichen Betrachtung geraten mußte. Das allgegenwärtige Problem des „Nachdrucks“ warf, da man nach rechtlicher Abhilfe suchte, nicht nur ökonomische, sondern auch zentrale politische Fragen auf. Die über Jahrhunderte übliche Privilegierung ging von Anfang an Hand in Hand mit der Frage nach Kontrolle und Zensur. Erst als mit Hilfe der Idee vom „geistigen Eigentum“ der Ausbau der Nachdruckverbote zum eigenständigen Schutzsystem gelangte, konnte der Zusammenhang mit Aufsicht und Zensur gelöst werden: In Deutschland etwa standen seit den 30er Jahren des 19.  Jahrhunderts privatrechtlich organisiertes Urheberrecht und als polizeiliche Maßnahme interpretierte Aufsicht und Zensur getrennt nebeneinander20.. Nur diese strenge Abschichtung erlaubte den bruchlosen Übergang des Urheberrechts in ein durch Gewerbefreiheit geprägtes modernes Wirtschaftssystem. Diese Abfolge mag plausibel machen, warum sich Zensur- und Pressegeschichte, Verlags- und Vertriebsgeschichte der allgemeinen politischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Ordnung zuwenden mußten; sie mußten zwangsläufig Gegenstand auch der politik- und verfassungsgeschichtlichen Forschung werden21. 19  Aus der kaum noch überschaubaren Literatur zur Geschichte des Buchwesens und Buchhandels, vgl. Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels (Fn.  3); Hans Widmann, Geschichte des Buchhandels Teil I, Wiesbaden 1952, Neubearbeitung 1975. Zum Selbstverlag vgl. man noch: Unseld, Goethe (Fn.  2), S.  43  ff.; Christian Czychowski, Ein Muster im Ringen um die Unabhängigkeit der Urheber – Anhalt-Dessau-Wörlitz und seine Selbstverlagsunternehmungen (1731–1785), in: UFITA 2000 I, S. 191–204. 20  Näheres dazu bei: Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in Helmut Reinalter (Hg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830–1848/49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ Bd.  32), Frankfurt a. M. u. a. 2002, S.  229–249; auch in Geistiges Eigentum II (Fn.  3). 21  Dieter Breuer, Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland, Heidelberg 1982; Herbert G. Göpfert / Erdmann Weyrauch (Hg.), „Unmoralisch an sich  …“. Zensur im 18. und 19.  Jahrhundert (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 13), Wiesbaden 1988, darin bes. Ulrich Eisenhardt, Wandlungen von Zweck und Methoden der Zensur im 18. und 19. Jahrhundert, S. 1–35; Dieter Breu-



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Die gegenwärtige Debatte von Reichweite und Grenzen des Urheberrechts im heraufziehenden Zeitalter der „neuen Medien“ zeigt, daß dies noch immer so ist22. Verstärkt werden diese besonderen Bedingungen des Urheberrechts durch Phänomene, für die hier die Schlagworte „Industrialisierung“, „Europäisierung“ und „Globalisierung“ stehen mögen. Die seit einigen Jahren begonnene, mittlerweile auch ein breiteres Publikum erreichende Forderung nach Freiheit und Unbeschränktheit der elektronischen Medienwelt hat nicht nur Zensur und Kontrolle in Frage gestellt, sondern auch das Urheberrecht selbst, vielleicht sogar das Recht überhaupt23. Solche Visionen müssen nicht nur bei Juristen, sondern auch bei jedem verantwortlich handelnden Politiker auf Unverständnis stoßen, wissen sie doch, daß es neben der Freiheit des Austausches und der Kommunikation noch andere zentrale Werte des menschlichen Kulturlebens gibt, etwa den Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte. Allerdings mag es zutreffen, daß die bisherigen Ausprägungen des Schutzes und seine Instrumentarien den Bedingungen der neuen „Cyberwelt“ nicht mehr gerecht werden können. Hier wird man neue, die nationalstaatliche Gesetzgebung überformende Rechtsgrundsätze und –strukturen entwickeln müssen. Für das Urheberrecht gilt dasselbe. Die Kreativität einzelner Menschen soll andere bereichern und anregen, sie muß aber zugleich rechtlich umhegt werden, soll sie erhalten bleiben. Eine empfindliche Quelle muß man pflegen, soll sie zum Nutzen aller weiter sprudeln. Über die Einzelheiten dieser Umhegung, und ihre Reichweite mag man streiten, nicht aber über ihre grundsätzliche Notwendigkeit.

er, Stand und Aufgaben der Zensurforschung, S. 37–60; Der Zensur zum Trotz. Das gefesselte Wort und die Freiheit in Europa, Wolfenbüttel 1991 (Ausstellungskatalog). Im übrigen vgl. man die in Fn.  14 genannten Darstellungen. 22  Vgl. etwa Perry Barlow, Wein ohne Flaschen. Globale Computernetze, IdeenÖkonomie und Urheberrecht, in: Stefan Bollmann (Hg.), Kursbuch Neue Medien. Trends in Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Kultur, Mannheim 19962, S. 79– 106. – Barlow und andere Autoren haben wesentlich dazu beigetragen, daß Fragen um „Urheberrecht und Internet“ ein breites publizistisches Interesse finden. 23  Hier kann ein Hinweis auf die „Regierungserklärung“ des Europa-Direktors von Icann genügen: Andy Müller-Maguhn, Meine Regierungserklärung. Warum ich Internet-Politiker und nicht Terrorist geworden bin, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.10.2000. Aus der umfangreichen Literatur zu rechtlichen Problemen um das Internet sei lediglich genannt: Heimo Schack, Neue Techniken und Geistiges Eigentum, in: ­Juristenzeitung 1998, S.  753–763.

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V. Wie jede historische Disziplin mündet auch die Geschichte des Urheberrechts in die Gegenwart. Als Teil der Rechtsgeschichte ist die Entwicklung des Urheberrechts – und man darf hinzufügen: auch der übrigen, mit „geistigem Eigentum“ gemeinten Rechtsgebiete – von den eigenen Fachvertretern zunächst nicht recht wahrgenommen worden; jedenfalls gilt sie noch nicht als selbstverständlicher Teil der Themenkataloge rechtshistorischer Gesamtdarstellungen24. Andererseits kann dankbar registriert werden, daß viele Vertreter der aktuellrechtlichen Disziplin Urheberrecht erkannt haben, wie nützlich es sei kann, die historische Genese dieses relativ jungen Rechtsgebietes genauer zu kennen. Das Wissen um die Geschichte von Rechtsinstituten und ihre Entstehungsbedingungen fördert das Verständnis für eben diese Institute und Reformen. Die „schöne neue Welt“ der elektronischen Medien würde verarmen, würden kreative Menschen, eben Urheber von „Werken“, sie nicht inhaltlich bereichern; dies aber wird nur gelingen, wenn es weiter ein Recht gibt, das die Urheber angemessen schützt.

24  In älteren Darstellungen sucht man entsprechende Stichworte vergebens. Als Ausnahme erscheinen: Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Göttingen 19972, S.  544, und Heinrich Mitteis / Heinz Lieberich, Deutsches Privatrecht, München 19819. In jüngeren Darstellungen sind die Rechtsgebiete wenigstens zum Teil erwähnt, so das Stichwort „Urheberrecht“ bei: Gerhard Wesenberg / Günter Wegener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte im Rahmen der europäischen Rechts­ entwicklung, Lahr 19854, und: Hans Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, Heidelberg 19968.

Zur Bedeutung der Rechtsgeschichte für das Urheberrecht und den Gewerblichen Rechtsschutz In den meisten Darstellungen zur Deutschen Rechtsgeschichte des 19.  und 20.  Jahrhunderts finden sich Hinweise auf die Leistungen des Gesetzgebers seit der Gründung des Deutschen Reiches. Im Mittelpunkt stehen in aller Regel der Auf- und Ausbau zentraler Bereiche des Privat- und Strafrechts, des Arbeits- und Wirtschaftsrechts und schließlich auch des Sozialrechts. Die Gebiete, die man gern mit dem Schlagwort „Geistiges Eigentum“ belegt, also das Urheberrecht und die gewerblichen Schutzrechte, stehen eher am Rande: Sie werden erwähnt, aber nur selten eingehender dargestellt. Solche Beobachtungen1 dürften jeden herausfordern, der sich sowohl der Rechtsgeschichte als auch dem Recht des „Geistigen Eigentums“ verpflichtet fühlt. So erscheint es angebracht, wenigstens einige Notizen und Hinweise auf die Wechselbeziehungen zwischen der Rechtsgeschichte einerseits und den gesamten Gebieten des geltenden Rechts andererseits festzuhalten. I. Zunächst sei daran erinnert, daß die frühen Regeln zum Urheberrecht und zum gewerblichen Rechtsschutz vor allem einer praxisnahen Diskussion zu verdanken sind; dabei führten Politiker und Vertreter der beteiligten Wirtschaftskreise das Wort, während sich der wissenschaftliche Diskurs nur langsam entfalten konnte. Als Beleg mag hier die in der zweiten Hälfte des 18.  Jahrhunderts entbrannte Debatte um den Nachdruck stehen2. Die Wortführer stammten vor allem aus der Verlegerschaft und der Politik; Stimmen aus der wissenschaftlich-akademischen Sphäre meldeten sich erst im weiteren Fortgang zu Wort: Der Hinweis auf die Äußerungen von Trägern berühmter Namen wie J. St. Pütter (1774), Kant (1785), Fichte (1793), Hegel 1  Näheres dazu in: Elmar Wadle, Urheberrecht im Horizont historischer Disziplinen, in: Marcel Senn / Claudio Solivar (Hg.), Rechtsgeschichte und Interdisziplinarität, Festschrift für Clausdieter Schott zum 65. Geburtstag, Bern 2001, S.  303–314, bes. S.  314; auch in diesem Band. 2  Näheres bei: Hellmut Rosenfeld, Zur Geschichte von Nachdruck und Plagiat, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 11 (1971) Sp. 337–372. Im übrigen: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, Göttingen (jetzt Baden-Baden) 1995, bes. S.  157  ff.

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(1833) und Savigny (1837) bedürfte zwar der Ergänzung durch manch anderes Werk, zeigt aber die allgemeinere Tendenz an. In der Folgezeit hat sich in die durch die historische Schule geprägte Rechtswissenschaft zu den Gebieten des Geistigen Eigentums sehr unterschiedlich verhalten3. Die Romanisten folgten durchweg der These Savignys, daß der Urheberschutz primär eine Sache von Polizei und Strafrecht, mithin der positiven Gesetzgebung sei. Bei den Germanisten hingegen wurden ältere Theorieansätze aufgegriffen und die neuen Rechtsgebiete zunehmend in das Privatrecht und die Privatrechtswissenschaft integriert; dafür können die Namen von Runde, Mittermaier, Beseler, Bluntschli, Gareis und Gierke stehen. Allenthalben fand nun eine stark historisch geleitete systematische Durchdringung dieser Rechtsmaterien statt; im Werk Josef Kohlers erreichte sie einen ersten ­Höhepunkt. In den folgenden Jahrzehnten und insbesondere in den Jahren nach 1945 traten aktuelle gesetzgeberische Projekte und Bedürfnisse der Praxis immer stärker in den Vordergrund. Die Disziplinen der Rechtsgeschichte, die sich auf andere Epochen und Gegenstände konzentrierte, überließen die Besinnung auf den historischen Kontext im Bereich von Urheberrecht und gewerblichen Schutzrechten weitgehend den historisch interessierten Praktikern. Autoren dieses Kreises verdanken wir zahlreiche Aufsätze und Bücher; als jüngstes Beispiel mag die weltumspannende Darstellung zu Patentwesen und -recht aus der Feder von Peter Kurz dienen4. Nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich allerdings auch eine Wende zu größerem Engagement der Rechtsgeschichtswissenschaft ab. Sie wurde herausgefordert nicht zuletzt durch zwei Faktoren: zum einen durch die wiederum wachsende Erkenntnis der dogmatisch arbeitenden Wissenschaftler, daß der Blick auf das Werden dieser Rechtsgebiete für deren Verständ3  Barbara Dölemeyer / Diethelm Klippel, Der Beitrag der deutschen Rechtswissenschaft zur Theorie des Gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts, in: Friedrich-Karl Beier / Alfons Kraft / Gerhard Schricker / Elmar Wadle (Hg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, 2 Bde., Weinheim 1991, hier Bd. 1, S. 185–237; Elmar Wadle, Friedrich Carl von Savignys Beitrag zum Urheberrecht, in: Gerhard Lüke (Hg.), Grundfragen des Privatrechts, Köln 1989, S.  9–20; auch in: ders., Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim 1996, S.  267–307; Heinrich Hubmann, Immanuel Kants Urheberrechtstheorie, in: UFITA 106 (1987), S.  145–154; Barbara Dölemeyer, „Das Urheberrecht ist ein Weltrecht“ – Rechtsvergleichung und Immaterialgüterrecht bei Josef Kohler, in: Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, Berlin 1993, S. 139–150; Ingeborg Malek-Kohler / Heinz Püschel, Auf den Spuren Josef Kohlers, in: UFITA 139 (1999), S.  5–122. 4  Peter Kurz, Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, Erfinder und Patente im Spiegel der Zeiten, Köln 2000.



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nis unentbehrlich ist; zum anderen durch die Einsicht aller, die mit der Rechtsfortbildung durch Gesetzgebung und Reformprojekte umzugehen hatten und erkannten, daß bei den im Vergleich zu anderen Bereichen des Privatrechts noch jungen Rechtsmaterien ohne genauere Kenntnis ihrer Geschichte nicht auszukommen war. Einsichten in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte waren wiederum stärker gefragt. Die Rückbesinnung auf diese Grundsätze hat das Interesse an der Vorgeschichte des geltenden eigenen Rechts neu belebt; die einsetzende europäi­ sche Integration sorgte ebenfalls dafür, daß die historische Perspektive auch der ausländischen Rechte im Bereich des geistigen Eigentums mehr Gewicht erlangte. Den wohl eindrucksvollsten Beleg für diese These liefert das „Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht“ (UFITA; seit 2000: Archiv für Urheber- und Medienrecht). Diese Zeitschrift hat sich seit Jahren rechtshistorischen Beiträgen zum Urheberrecht geöffnet und trägt viel dazu bei, den Blick für gewachsene Probleme und Problemlösungen zu schärfen. Daß dies möglich war, ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, daß im geltenden Recht engagierte Wissenschaftler diese Entwicklung aktiv unterstützt haben; für den Bereich des Urheberrechts seien hier die Namen von Hans Thieme, Heinrich Hubmann und Manfred Rehbinder eigens genannt5. Ähnliche Förderung haben auch die Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes erfahren. Die Zeitschrift „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht“ (GRUR), das Organ des „Grünen Vereins“, hat immer wieder Beiträgen zur Geschichte ihrer Rechtsgebiete Raum gegeben, namentlich unter dem Einfluß des historisch besonders interessierten ehemaligen Direktors des Münchner Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Urheber-, Wettbewerbs- und Patentrecht, Friedrich-Karl Beier. Überdies hat Beier gemeinsam mit anderen Kollegen ein großes, zutiefst historisch angelegtes Werk getragen, das die Geschichte von Urheberrecht und gewerb­ lichem Rechtsschutz über ein ganzes Jahrhundert hinweg dokumentiert: die Festschrift des „Grünen Vereins“ und seiner Zeitschrift6. Die Zunft der Rechtshistoriker hat auf solche Herausforderungen in verschiedener Weise reagiert: durch Mitarbeit einerseits und durch eigene Projekte andererseits. Von den letzteren seien hier lediglich einige zusammenfassende Darstellungen genannt, wie jene von Ludwig Gieseke und Martin Vogel, sowie die weit ausgreifenden Überblicke von Barbara Döle5  Rehbinder, der seit 1984 als Herausgeber der UFITA fungiert, und Hubmann sind wiederholt als Autoren historischer Studien zum Urheberrecht hervorgetreten und haben zahlreiche Dissertation historischen Zuschnitts angeregt. Entsprechendes gilt für Thieme, vgl. Clausdieter Schott / Manfred Rehbinder, Hans Thieme zu Ehren, in: UFITA 106 (1987), S.  5. 6  Vgl. Fn.  3.

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meyer und Siegbert Lammel in dem von Helmut Coing herausgegebenen Handbuch zur Geschichte des Privatrechts. Für die Vielzahl breiter angelegter Einzelstudien mögen hier stellvertretend stehen die Untersuchungen Hansjörg Pohlmanns zur Geschichte des musikalischen Urheberrechts, das Buch Diethelm Klippels zum Firmenrecht und die Arbeit des Autors dieses Beitrages zum Fabrikzeichen- und Markenrecht7. II. Sucht man nach diesem kursorischen und in vielen Einzelheiten gewiß ergänzungsbedürftigen Überblick einzelne Themen zu benennen, die für die Wechselwirkung von Rechtsdogmatik und Rechtsgeschichte besonders signifikant sind, so stellt sich nicht zuletzt das Problem der großen Auswahl. Die Beispiele, die im Folgenden genannt werden, erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit; daß sie sich überdies dem Vorwurf der Einseitigkeit aussetzen, ist angesichts des zur Verfügung stehenden Raumes nicht zu vermeiden. 1.  Im Bereich des Patentrechts, in einem Gebiet also, das durch wissenschaftlichen Fortschritt und Suche nach technischen Novitäten geprägt ist, mag man auf den ersten Blick einen sinnvollen Rückgriff auf historische Erfahrungen nicht erwarten. Gleichwohl gibt es ihn, wie die ökonomischtheoretische Diskussion der Jahre nach 1960 zeigt8. 7  Vgl. einerseits Gieseke, Vom Privileg (Fn. 2); Martin Vogel, Deutsche Urheberund Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850, Sozial- und methodengeschichtliche Entwicklungsstufen der Rechte von Schriftsteller und Verleger, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978), Sp. 1–90; Siegbert Lammel, Rechtsordnung des Wettbewerbs, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der Neueren Europäischen Rechtsgeschichte, 3.  Bd.: Das 19.  Jahrhundert, 3.  Teilbd.: Gesetzgebung zu den Privatrechtlichen Sondergebieten, München 1986, S.  3749–3954, Barbara Dölemeyer (unter Mitarbeit von Janos Zlinsky), Urheberund Verlagsrecht, ebenda S. 3955–4066; dies., Patentrecht und Musterschutz, ebenda S. 4067–4213; zuletzt mit umfassenden Literaturhinweisen: Martin Vogel, Geschichte des Urheberrechts, in: Gerhard Schricker (Hg.), Urheberrecht, Kommentar, 2. Auflage München 1999, Einleitung IV (Rdnr.  50–82). Andererseits: Hansjörg Pohlmann, Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts (ca. 1400–1800). Neue Materialien zur Entwicklung des Urheberrechtsbewußtseins der Komponisten, Kassel 1962; Diethelm Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens. Eine historisch-dogmatische Untersuchung, Paderborn 1985; Elmar Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19.  Jahrhundert, Bd.  I: Entfaltung, Berlin 1977; Bd.  II: Historisch-dogmatische Grundlinien, Berlin 1983. 8  Zum Folgenden s. Friedrich-Karl Beier / Rainer Moufang, Vom deutschen zum europäischen Patentrecht – 100 Jahre Patentrechtsentwicklung im Spiegel der Grünen Zeitschrift, in: GRUR-Festschrift (Fn. 3) I, S. 241–321, bes. S. 295 ff., 311 ff. –



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Der im Kaiserreich ausgestaltete Patentschutz galt über viele Jahrzehnte hinweg als eher selbstverständlicher Bestandteil der wirtschaftlichen Ordnung. Im Kontext der Europäisierung des Patentrechts durch die Übereinkommen von Straßburg (1963) und München (1973) sowie das Gemeinschaftspatentübereinkommen (1975) entwickelte sich eine breitere Diskussion um die volkswirtschaftliche Rechtfertigung des Patentschutzes. Angeregt wurde die Diskussion in den USA während der späten 50er Jahre durch Publikationen von Fritz Machlup. Die Auseinandersetzung fand in Deutschland Resonanz. In zahlreichen grundlegenden Arbeiten wurden die im Patentrecht wirksamen Interessen diskutiert. Immer wieder wurde die Informationsfunktion herausgehoben und fand schließlich als Mittel zur Förderung des technischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts breite Zustimmung. Die Gesamtdiskussion war von Anfang an durch historische Aspekte angereichert. Insbesondere bezog sich die Diskussion auf die Patentkontroverse, die seit der Mitte des 19.  Jahrhunderts in ganz Europa ausgetragen worden ist9. So gelangte die historische Dimension der Problematik erneut ins allgemeine Bewußtsein. 2.  Im Bereich des Kennzeichenschutzes ist das Interesse an der Geschichte in den letzten Jahren ebenfalls gewachsen10. Die traditionellen Linien des durch die Reichsgesetze von 1874 und 1894 fixierten Warenzeichenrechts hatten dadurch eine neue Gewichtung erfahren, daß der Markenschutz als Sonderfall eines umfassender konzipierten Kampfes gegen den unlauteren Wettbewerb verstanden wurde. Diese Neuorientierung begann schon bald nach dem Inkrafttreten des BGB und dessen deliktischer Generalklausel (§  826); sie wurde forciert durch das Inkrafttreten des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb von 1909, das eine allgemeine Norm zum Schutz gegen sittenwidrigen Wettbewerb formulierte (§  1 UWG). EiIm übrigen sei noch verwiesen auf: Klaus Prahl, Patentschutz und Wettbewerb (Wirtschaftspolitische Studien 17) Göttingen 1969; Claus Ott / Hans-Bernd Schäfer, Ökonomische Analyse der rechtlichen Organisation von Innovationen, Beiträge zum IV. Travemünder Symposium zur ökonomischen Analyse des Rechts (23.–26.  März 1994), Tübingen 1994. 9  Alfred Heggen, Erfindungsschutz und Industrialisierung in Preußen 1793–1877, Göttingen 1975, S.  69  ff.; Wilhelm Treue, Die Entwicklung des Patentwesens im 19.  Jahrhundert in Preußen und im Deutschen Reich, in: Helmut Coing / Walter Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.  Jahrhundert, Bd. IV Frankfurt a. M. 1979, S. 136–182; Friedrich-Karl Beier, Gewerbefreiheit und Patentschutz, ebenda S.  183–205. 10  Alfons Kraft, Die Entwicklung des Warenzeichenrechts als Teil des allgemeinen Wettbewerbsrechts, in: GRUR-Festschrift (Fn. 3), S. 729–763; Axel Beater, Verbraucherschutz und Schutzzweckdenken im Wettbewerbsrecht, Tübingen 2000, bes. S. 8 ff.; Elmar Wadle, Werden und Wandel des deutschen Markenrechts – Zum Rechtsschutz von Markenartikeln, in: Manfred Bruhn (Hg.), Die Marke: Symbolkraft eines Zeichensystems (Facetten der Medienkultur I), Bern u. a. 2001, S. 75–114.

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nen Höhepunkt in der Debatte um das Verhältnis von Warenzeichenrecht und Wettbewerbsrecht bildet bekanntlich Eugen Ulmers Buch „Warenzeichen und unlauterer Wettbewerb in ihrer Fortbildung durch die Rechtsprechung“, Berlin 1929. Solange man Warenzeichenrecht als Teil des Wettbewerbsrechts verstand, lag es nahe, die Interessen der Wettbewerber in den Vordergrund zu ­rücken. Nachdem sich aber die Einsicht durchgesetzt hatte, daß auch die Interessen der Allgemeinheit zu berücksichtigen seien, erhielt der Schutz der „Verbraucher“ im Wettbewerbsrecht einen eigenen Platz. Nun lag die Frage nahe, ob und in welcher Weise auch das Markenrecht dem Verbraucherschutz zu dienen hatte. In der Debatte um diese Frage lieferte die zweibändige Unter­suchung von Henning-Bodewig und Kur einen besonderen Höhepunkt11. In unserem Zusammenhang ist diese Arbeit vor allem deshalb wichtig, weil sie sich dem Problem mit einer Vielfalt methodischer Ansätze nähert und dabei der Geschichte des Markenrechts einen prominenten Platz einräumt: Auf diese Weise wird sichtbar, daß der Schutz von Marke und Fabrikzeichen in der Frühzeit der Gesetzgebung primär öffentlichen Zielen und Interessen gedient hat, und erst mit dem Aufschwung des Markenwesens stärker an den Interessen der Markeninhaber orientiert worden war. Damit wurden in der Tat „die Weichen für ein vorwiegend individualrechtliches Verständnis der Marke gestellt“12. Es ist der Blick in die Geschichte, der deutlich signalisierte, daß auch Interessen der „Allgemeinheit“ und der „Verbraucher“ im Markenschutz zum Zuge kommen können; konsequenterweise sprechen Henning-Bodewig und Kur von einer „Doppelspurigkeit“13 der Marke. Die Frage, ob man den Schutz der Verbraucherinteressen als bloßen „Nebengewinn“14 verstehen sollte oder nicht, war einer der Kernpunkte der Debatte in den 80er Jahren. In der Zeit danach, namentlich infolge der Impulse, die von der deutschen Einheit und von den europäischen Initiativen ausgingen, trat diese „Doppelspurigkeit“ des Markenrechts wieder in den Hintergrund. Die Akzente verlagerten sich im Zuge der mit dem Wegfall der Betriebsbindung einher­ gehenden Neuumschreibung der Markenfunktionen; sie lösten einen „Para­ digmenwechsel“15 aus, der die Seite des Rechtsinhabers wieder stärker be11  Frauke Henning-Bodewig / Annette Kur, Marke und Verbraucher, Funktionen der Marke in der Marktwirtschaft, 2  Bde., Weinheim 1988 / 89. 12  Henning-Bodewig / Kur, Marke (Fn.  11), S.  214. 13  Ebenda S.  272  ff. 14  Ebenda S.  214 Anm.  62 mit Belegen. 15  Karl-Heinz Fezer, Markenrecht, Kommentar zum Markengesetz, zur Pariser Verbandsübereinkunft und zum Madrider Markenabkommen, 2.  Auflage, München 1999, Einleitung zum Markengesetz, Rdnr.  35.



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tonte. Die Berücksichtigung öffentlicher Belange fielen nun abermals in den „Zuständigkeitsbereich“ des Wettbewerbsrechts zurück. 3.  Einige weitere Beispiele für die Bedeutung rechtshistorischer Studien seien dem Bereich des Urheberrechts entnommen. Als die europäische ­Union daran ging, das Urheberrecht zu vereinheitlichen, ergaben sich mannigfache Probleme aufgrund der beschränkten Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane16. Das Urheberrecht betraf zwar auch den gemeinsamen Markt, ragte aber weit in den Bereich der Kulturpolitik hinein. Frühe Überlegungen zur Vereinheitlichung marktrelevanter Bereiche des Urheberrechts hatten diese Situation zu berücksichtigen. Eines der frühen „Grünbücher“ der Brüsseler Kommission suchte einen Ausweg in der Anlehnung an das angelsächsische Copyright-Denken. Es zeigte sich jedoch bald, daß die kontinentaleuropäische Urheberrechtstradition, so ausdifferenziert sie in Einzelheiten auch war, damit nicht zu vereinbaren war. Historisch gewachsene Zusammenhänge mußten bei jedem Schritt stärker berücksichtigt werden, als man zunächst geglaubt hatte. Die unterschiedliche Entwicklung des kontinentalen Urheberrechts einerseits und des britischen Copyright andererseits trat erneut ins allgemeine Bewußtsein17. Beide Lösungswege haben einen gemeinsamen Ursprung, nämlich das ältere Privilegienwesen. Der Privilegienschutz allerdings brauchte die Frage nicht zu entscheiden, ob die Interessen des Autors oder des Druckers / Verlegers geschützt werden sollten. Die frühe Etablierung des allgemeinen Nachdruckschutzes in England führte zur Bevorzugung des Druckers / Verlegers, mithin der Interessen der Werkverwerter; der Schutz, den die Privilegien gegen Nachdruck nur im Einzelfall gewähren konnten, wurde im Prinzip des „Copyright“ verallgemeinert. Auf dem Kontinent hingegen setzte die Entwicklung genereller Normen später ein, und zwar zu einer Zeit, als das Bild des Autors durch den Genie-Gedanken in vielerlei Hinsicht überhöht worden war. Damit trat der Urheber als „Schöpfer“ von „Werken“ auf den Plan. Die Entscheidung für die Priorität der Autorinteressen lag nahe. Sie wiederum führte zum Urheberrecht ­(droit d’auteur), das fortan die kontinentale Sicht des Nachdruckproblems geprägt hat. Durch die Initiativen der EU traten diese unterschiedlichen Ansätze wiederum deutlich hervor. Man mußte Auswege finden und fand sie auch in 16  Hierzu und zum Folgenden vgl. etwa Haimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Auflage, Tübingen 2001, bes. S.  61  ff. 17  Vgl. etwa die Studien von Alain Strowel, Droit d’auteur et copyright, Divergences et convergences, Étude de droit comparé, Brüssel / Paris 1993; Julia Ellins, Copyright Law, Urheberrecht und ihre Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft. Von den Anfängen bis zum Informationszeitalter, Berlin 1997.

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zahlreichen Richtlinien, die die unterschiedlichen Systeme in kleineren Schritten anzunähern suchen. Eine andere Fragestellung führt etwas tiefer in die Probleme des Urheberrechts. Mit der kontinentalen Entscheidung für den Autor oder für die englische Lösung zugunsten des Verlegers waren die Interessen der Allgemeinheit, deren kulturelle Tradition die Schöpfertätigkeit bereicherte und zugleich ermöglichte, noch keineswegs hinreichend berücksichtigt. Es boten sich nun vielerlei Instrumentarien an, um die Interessen der Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen. Allgemein akzeptiert wurde der Weg der Schrankenziehung, insbesondere jener der zeitlichen Begrenzung des Schutzes. Wo die Grenzen im einzelnen zu ziehen waren, entnahm man immer wieder der historischen Erfahrung. Besonders die deutsche bzw. schweizerische Entwicklung ist von solchem Denken geprägt, wie die Untersuchungen von Heymann und Grün zeigen18. Später kamen andere Instrumentarien hinzu. Die Fülle der erlaubten, weil durch legitime Konsumenteninteressen begründeten Nutzungsbefugnisse, führten in einem längeren Prozeß zu einer teilweisen Ersetzung des Verbietungsrechts durch die Kombination von Zwangslizenz und Gebührenpflicht; letztlich läuft dies darauf hinaus, daß die Werknutzung nicht verhindert werden, aber wohl dem Autor ein materieller Vorteil zufließen soll. In dieser Entwicklungslinie spiegelt sich zugleich der Wandel in der Technologie der Kommunikation. Ein Blick in die Geschichte läßt die neue Situation deutlich hervortreten19. Solange der Autorschutz durch Buchkultur und Buchdruck geprägt war, ging es zuvörderst um die Verhinderung unerlaubten Nachdrucks. „Druck“ und „Nachdruck“ bestimmten zunächst auch die inhaltliche Ausgestaltung der dem Autor zugesprochenen Befugnisse: das Verbietungsrecht ist ursprünglich auf den „Nachdruck“ bezogen. Als man andere Interessen des schöpferischen und kreativen Autors erfassen wollte, knüpfte man an diese Formeln an: Das Veröffentlichungsrecht wurde als „QuasiDruck“ verstanden und entsprechend gesetzlich normiert. Später mußte man zu weiterreichenden Abstraktionen greifen. An die Stelle des „Nachdruckens“ traten das „Vervielfältigen“, das „Verbreiten“ und das „Ausstellen“ und andere auf das Werkstück bezogene Begriffe wie etwa das „Vermieten“ und das „Verleihen“. Die In-Dienstnahme elektromagnetischer Verfahren ließ die heu18  Ernst Heymann, Die zeitliche Begrenzung des Urheberrechts (Sitzungsberichte der preußischen Akademie der Wissenschaften IX / 1927), Berlin 1927; Christian Grün, Die zeitliche Schranke des Urheberrechts. Eine historische und dogmatische Erklärung, Diss. iur. Freiburg / Br., Bern 1979. 19  Elmar Wadle, Die Entfaltung des Urheberrechts als Antwort auf technische Neuerungen, in: Technikgeschichte 52 (1985), S.  233–243, auch in: ders., Geistiges Eigentum (Fn.  3), S.  63–74.



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tigen Formen unkörperlicher Wiedergabe entstehen, das öffentliche „Senden“ und andere Formen der „öffentlichen Wiedergabe“. Seit geraumer Zeit nun hat die Welt der digitalen Informationstechnik auch das Urheberrecht vor neue Aufgaben gestellt20. Insbesondere ist die Frage zu beantworten, ob die berechtigten Interessen der Autoren eine Erweiterung des Urheberschutzes verlangen. Dies gilt nicht zuletzt für die bisherigen Formen unkörperlicher Wiedergabe: sie sind auf öffentliche Nutzung im Sinne des §  1 Abs. 3 UrhG gegründet, eine Schrankenziehung, die bei herkömmlicher Sende- und Wiedergabetechnik verständlich ist, nicht aber beim individuellen Zugang mittels Internet. III. Diese kurzen Notizen sind gewiß ergänzungsfähig und ergänzungsbedürftig. Sie dürften aber genügen, um deutlich werden zu lassen, daß die Rechtsgebiete des geistigen Eigentums nur unter Rückbesinnung auf ihre historische Dimension sinnvoll fortentwickelt werden können.

20  Näheres

bei Wadle, Urheberrecht im Horizont (Fn.  1), S.  313  f.

Kontrolle und Schutz Presserecht des 19.  Jahrhunderts im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und Privatrecht I. Einleitung: Notizen der aktuellen Situation Der Titel „Kontrolle und Schutz“ dürfte – so ist zu hoffen– neutral genug sein, um die beiden dominierenden Zielsetzungen zu benennen, die für das Presserecht charakteristisch sind, und zwar in der Vergangenheit ebenso wie in der Gegenwart. Natürlich haben sich die Gewichtungen im Laufe der Zeit erheblich verändert, und auch die Mittel, die durch die Rechtsordnung zur Verfügung gestellt werden, sind präzisiert oder gar ausgetauscht worden. Damit deutlicher werden kann, was damit gemeint ist, sei ein kurzer Blick in die gegenwärtige Situation gestattet.1 Heute muss jede Zeitung aufgrund presserechtlicher Vorschriften ein „Impressum“ abdrucken. In ihm werden bestimmte Angaben gemacht; es werden vor allem die Personen genannt, die für den Inhalt verantwortlich sind. Neben diesen „verantwortlichen Redakteuren“ begegnen auch viele andere Angaben, etwa über das Unternehmen, das die Zeitung trägt, über die Erscheinungsweise, über die Bezugsbedingungen und manches andere mehr. In vielen Zeitungen finden sich außerdem auch Hinweise zu urheberrecht­ lichen Fragen.2 1  Aus der umfangreichen Literatur zum geltenden Presse- und Medienrecht seien hier genannt: Jörg Soehring, Presserecht, 3.  Aufl. Stuttgart 2000; Martin Löffler / Reinhard Rieker, Handbuch des Presserechts, 4.  Aufl. München 2000, bes. S.  24  ff. (Geschichte), S.  38  ff. (Pressefreiheit), S.  94  ff. (Impressum); Edzard Schmidt-Jortzig, Meinungs- und Informationsfreiheit, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Bd.  VI: Freiheitsrechte, 2. Aufl. Heidelberg 2001, S. 635–665; Martin Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk, Film, ebenda S. 667–695; Ekkehart Stein / Götz Frank, Staatsrecht, 18.  Aufl. Tübingen 2003 (bes. S.  295  ff.: Meinungsfreiheit). – Zur neueren Geschichte des Pressewesens vgl. man: Jürgen Wilke (Hrsg.), Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1999. 2  So heißt es etwa in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten Zeitung oder der in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, besonders durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urhebergesetz nichts anderes ergibt. Besonders ist eine Einspeicherung oder Verbrei-

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Derartige Angaben haben zunächst den Zweck, dass Leser und Käufer erfahren, wer für den Inhalt der Zeitung gerade zu stehen hat, mit anderen Worten, wer sich evtl. eine Kontrolle gefallen lassen muss, durch wen auch immer, sei es durch den Staat, sei es durch Privatleute. Der Staat hat darauf zu achten, dass die im öffentlichen Interesse erlassenen Rechtsregeln eingehalten werden, dass etwa im Falle einer Straftat ermittelt wird. Überdies können sich Privatleute mit Hilfe von Regelwerken gegen die Verletzung privater Rechte wehren; sie können etwa gegen rechtswidrige Verletzungen von Vermögen, Ehre oder allgemeinem Persönlichkeitsrecht vorgehen. Natürlich kann sich auch der Redakteur, der Journalist oder ein anderer Beteiligter, sagen wir kurz „die Presse“, gegen Bürger oder Konkurrenzunternehmen wehren, wenn diese in ihre Rechte, etwa das Urheberrecht, eingreifen. Die Presse kann sich aber auch gegen staatliche Behörden wenden, wenn diese die Grenzen überschreiten, die ihrem Handeln durch die verfassungsmäßige Ordnung gezogen sind. Damit ist der wichtigste Komplex von Regeln angesprochen, die heute die gesamte Rechtsordnung bestimmen, das Verfassungsrecht, namentlich der Katalog der Grundrechte. Um seine umfassende Bedeutung zu markieren, braucht man nur an den vor kurzem in jeder Zeitung erwähnten und kommentierten Fall „Caroline von Hannover (bzw. Monaco)“ zu erinnern; er ist gut geeignet, die Rolle der innerstaatlichen Grundrechte, aber auch des Grundsrechtsschutzes der Europäischen Menschenrechtskonvention schlagartig zu beleuchten.3 Es liegt auf der Hand, dass mit diesen Bemerkungen die vielfältige Problematik des heutigen Presserechts nur angerissen ist. Auf sie näher einzugehen, ist hier nicht der Ort. Unsere Aufgabe ist vielmehr, in die Geschichte zu schauen, namentlich ins 19.  Jahrhundert, in dem die Grundlagen für die heutige Rechtsordnung gelegt worden sind. Der Exkurs in die Welt des gegenwärtigen Rechts sollte klären helfen, was mit Kontrolle und Schutz gemeint ist. Es geht um die Interessen der drei Hauptbeteiligten. Diese sind zum Ersten der für Recht und Gesetz verantwortliche Staat, sodann – zum Zweiten – die Personen auf der Seite dessen, was wir kurz „Presse“ nennen; zum Dritten geht es um die Inte­ tung von Zeitungsinhalten in Datenbanksystemen, zum Beispiel als elektronischer Pressespiegel oder Archiv, ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.“ 3  Zum aktuellen Fall vgl. man das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte v. 24.  Juni 2004, abgedruckt u. a. in: Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) 2004, S.  651–665; oder: Neue Juristische Wochenschrift (= NJW) 2004, S. 2647–2656. Von den zahlreichen Stellungnahmen sei hier lediglich genannt: Andreas Heldrich, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: NJW 2004, S.  2634–2636.



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ressen der Menschen, die als Privatpersonen berechtigt sind, ihre eigene Rechtssphäre zu schützen. Das Recht des einen zu schützen bedeutet in der Regel zugleich Kontrolle des Handelns eines anderen, nämlich des potenziellen oder tatsäch­lichen Verletzers solcher Rechte. Die Mittel, die das Recht hierbei zur Verfügung stellt, sind heute stark ausdifferenziert. Soweit öffentliche Interessen betroffen sind, geht es in der Regel um staatliche Aufgaben und damit um öffentliches Recht; soweit private Interessen betroffen sind, handelt es sich durchweg um Regeln und Befugnisse, die von der Rechtsordnung einzelnen Bürgern eingeräumt werden oder ihrem Schutz dienen, mithin um privates Recht.4 Versucht man die rechtliche Situation der Presse allgemeiner zu bestimmen, so kann man sagen: Sie ist dadurch charakterisiert, dass sie einerseits nahezu alle Rechtspositionen beinhalten kann, die jedem Teilnehmer am normalen bürgerlichen Rechtsverkehr zustehen können; zu denken ist an Befugnisse aufgrund von Verträgen, an Vermögensrechte, an Persönlichkeitsrechte, an gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte u.v. a.m. Andererseits jedoch sprechen wir der Presse üblicherweise auch eine besondere, über das Private hinausreichende, bereits öffentliche Funktion zu: Sie trägt wesentlich zur allgemeinen Information bei und fördert dadurch den gesellschaftlichen Diskurs, auf den jede Demokratie angewiesen ist; Presse entfaltet damit Wirkungen in den öffentlichen Raum hinein und bedarf wegen dieser besonderen Rolle auch eines besonderen Schutzes, sei es gegen staatliche Eingriffe, sei es gegen Einschränkungen aus dem gesellschaftlichen Raum; die Begriffe „äußere“ und „innere“ Pressefreiheit beziehen sich auf solche Phänomene. Nun dürften wir recht und schlecht gerüstet sein, um mit der erforder­ lichen Sensibilität in die Vergangenheit zu schauen. Dabei zeigt sich schnell, dass fast alles ganz anders organisiert war; ein Teil der heute wichtigen Belange war überhaupt noch nicht vom Recht erfasst. II. Die Vorherrschaft des Privilegs: Zur Situation im Alten Reich Ein kurzer Blick auf die Situation vor 1800 ist sinnvoll, um die Neuerungen und Reformen besser verstehen zu können, die in der Zeit des politischen Umbruchs in den ersten beiden Jahrzehnten des 19.  Jahrhunderts zu verzeichnen sind. 4  Strafrechtliche Sanktionen bedürfen der näheren Zuordnung, da neben dem grundsätzlich erforderlichen öffentlichen Interesse auch der Schutz privater Rechtsgüter im Vordergrund stehen kann; dies gilt nicht zuletzt für die „zivilrechtsakzessorischen“ Tatbestände des modernen Urheberstrafrechts. Hinweise zum Wandel des Sanktionensystems im Urheberrecht s. Fn.  31.

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Das Alte Reich und seine vielfältigen Ordnungsformen sind noch nicht geprägt durch die Forderungen der Menschen- und Freiheitsrechte und den Grundsatz der Trennung von Staat und Gesellschaft. In der Theorie waren solche Prinzipien zwar schon vorhanden, eine generelle Anpassung der Praxis fehlte jedoch; trotz aller Ansätze in einigen reformfreudigen deutschen Staaten war die Neuausrichtung der politischen Ordnung noch nicht sehr weit gediehen.5 Absolutistische Staatsmodelle und ständestaatliche 5  Zur Geschichte der Unterscheidung von „Staat“ und „Gesellschaft“, von „öffentlich“ und „privat“, sowie zur Bedeutung der Freiheits- und Menschenrechte vgl. man etwa: Diethelm Klippel, Artikel „Freiheit VI“, und Christof Dipper, Artikel „Freiheit IV u. VII“, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Bd. II, Stuttgart 1979, S. 446–456; 469–538; Manfred Riedel, Artikel „Gesellschaft, bürgerliche“ ebenda S.  719–800, bes. S.  756  ff., sowie die Sammelbände: Werner Conze (Hrsg.), Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815– 1848, Stuttgart 1962; Ernst-Wolfgang Böckenförde (Hrsg.), Staat und Gesellschaft (Wege der Forschung Bd. 471), Darmstadt 1976; Günter Birtsch (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Grundund Freiheitsrechte 1), Göttingen 1981; ders. (Hrsg.), Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft (Veröffentlichungen zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte 2), Göttingen 1987; Götz Landwehr, Die Einheit der Rechtsordnung in der Rechtsgeschichte. Göttliches und weltliches Recht, Privatrecht und öffentliches Recht, in: Karsten Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung? (Hamburger Rechtsstudien 85), Berlin 1994, S. 31–60; Otto Dann / Diethelm Klippel (Hrsg.), Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution (Studien zum 18.  Jahrhundert 16), Hamburg 1995. Aus der Vielzahl von Einzelbeiträgen seien eigens erwähnt die einschlägigen Studien in: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, Frankfurt a. M. 1991; ders., Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt a. M. 1991; ders., Staat, Na­ tion, Europa, Frankfurt a. M. 1999; Dieter Grimm, Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1987; Rainer Wahl, Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, Frankfurt a. M. 2003; ders., Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts Bd.  I: Historische Grundlagen, 3.  Aufl. Heidelberg 2003, S.  45–91; Heinz Mohnhaupt, Historische Vergleiche im Bereich von Staat und Recht. Gesammelte Aufsätze (Ius Commune Sonderhefte Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 134), Frankfurt a. M. 2000; Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18.  Jahrhunderts, Paderborn 1976; ders., Die Theorie der Freiheitsrechte am Ende des 18.  Jahrhunderts in Deutschland, in: Heinz Mohnhaupt (Hrsg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988– 1990). Beispiele, Parallelen, Positionen (Ius Commune Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 53), Frankfurt a. M. 1991, S.  348–386; ders., Verfasste Freiheit. Die Entdeckung der Freiheitsrechte als Verfassungsprinzip im 18. und 19.  Jahrhundert, in: Paul-Joachim Heinig / Sigrid Jahns / Hans-Joachim Schmidt /  Rainer Christoph Schwinges / Sabine Wefers (Hrsg.), Reich, Regionen und Europa in  Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000, S.  149–169; Oliver Volckart, Öffentliches und privates Wirtschaften: Zur Trennung von Staat und



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Strukturen dominierten und konkurrierten allenthalben, und mit ihnen lebten traditionelle Kompetenzvorstellungen und Ordnungsmittel fort: Die Obrigkeit hatte „Gemeinwohl“ und „Staatsinteresse“ im Auge und sorgte im Sinne der „guten Polizei“ für Sicherheit und Wohlfahrt aller Stände. In das Gewerbsleben, das geprägt war durch Zünfte und Korporationen, griff die Obrigkeit gestaltend ein mit Hilfe von Befehlen, teils in Gestalt mehr oder weniger genereller Gesetze, teils mit Einzelanordnungen, namentlich mit Konzessionen und Privilegien.6 Derartige Ordnungsmittel bestimmten auch Gesellschaft im Verlauf der Vormoderne (ca. 12.–18.  Jahrhundert), in: Jürgen Schneider (Hrsg.), Öffentliches und privates Wirtschaften in sich wandelnden Wirtschaftsordnungen (Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 156), Stuttgart 2001, S.  53–81. Mit besonderem Bezug auf den Bereich des Pressewesens: Jürgen Wilke (Hrsg.), Pressefreiheit (Wege der Forschung 625), Darmstadt 1984; Christian Starck, Herkunft und Entwicklung der Klausel „allgemeine Gesetze“ als Schranke der Kommunikationsfreiheiten in Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes, in: ders., Freiheit und Institution, Tübingen 2002, S.  419–444; Dietmar Willoweit, Meinungsfreiheit im Prozess der alteuropäischen Staatswerdung, in: Johannes Schwartländer / Dietmar Willoweit (Hrsg.), Meinungsfreiheit – Grundgedanken und Geschichte in Europa und USA, Kehl a. Rh. / Straßburg 1986, S.  105–119; Dieter Grimm, Soziale Voraussetzungen und verfassungsrechtliche Gewährleistungen der Meinungsfreiheit, ebenda S.  145–171; Ernst Opgennoorth, Publicum – privatum – arcanum. Ein Versuch zur Begrifflichkeit frühneuzeitlicher Kommunikationsgeschichte, in: Bernd Sösemann (Hrsg.), Kommunikation und Medien in Preußen vom 16. bis zum 19.  Jahrhundert (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 12), Stuttgart 2002, S.  22–44, hier bes. S.  33  ff. 6  Zum rechtlichen „Instrumentarium“ („Rechtsbegriff“, „Gesetz“, „Verordnung“, „Rescript“, „Privileg“ usw.) vgl. man etwa: Jan Schroeder, Recht als Wissenschaft. Geschichte der juristischen Methode vom Humanismus bis zur historischen Schule (1500–1800), München 2001 (bes. S. 7 ff., 97 ff. zum Rechtsbegriff); Rolf Grawert, Artikel „Gesetz“, in: Geschichtliche Grundbegriffe II (Fn.  5), S.  863–922; Heinz Mohnhaupt, Potestas legislatoria und Gesetzesbegriff im Ancien Régime, in: ders., Historische Vergleichung (Fn.  5), S.  221–273 (ebenda auch andere wichtige Studien zur Geschichte des Privilegs); Barbara Dölemeyer / Heinz Mohnhaupt (Hrsg.), Das Privileg im europäischen Vergleich,  Bde. I / II (Ius Commune Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 93 / 125), Frankfurt a. M. 1997 / 1999 (mit zahlreichen einschlägigen Beiträgen); Thorsten Lieb, Privileg und Verwaltungsakt. Handlungsformen der öffentlichen Gewalt im 18. und 19.  Jahrhundert (Rechtshistorische Reihe 280), Frankfurt a. M. 2004. Zur Vielfalt der Ordnungsmittel im Bereich des Buchwesens insbesondere: Erdmann Weyrauch, Leges librorum. Kirchen- und profanrechtliche Reglementierungen des Buchhandels in Europa, in: Albert Göpfert / Peter Vodosek / Erdmann Weyrauch / Reinhard Wittmann (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im konfessionellen Zeitalter (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 11), Wiesbaden 1985, S.  315–335; sodann Johannes Kunisch, Absolutismus und Öffentlichkeit, in: Der Staat 34 (1995), S. 183–198; Wolfram Siemann, Normenwandel auf dem Weg zur „modernen“ Zensur. Zwischen „Aufklärungspolizei“, Literaturkritik und politischer Repression (1989–1848), in: John A. Mac.Carthy / Werner von

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den Wirkungsbereich jener Medien, die wir üblicherweise zur „Presse“ zählen, während Herstellung und Vertrieb von Flugblättern, Zeitungen und Zeitschriften zum Tätigkeitsbereich der oft zunftmäßig verfassten Drucker, Verleger und Buchhändler rechneten. Auch wenn sich im Laufe des 18. Jahrhunderts die rechtlichen Rahmenbedingungen nur wenig geändert haben, können wir doch gewisse Verlagerungen im gesamten Bereich der Branche ausmachen.7 So können wir einerseits eine gewisse Spezialisierung der Akteure feststellen: Drucker einerseits und Verleger / Buchhändler andererseits üben zunehmend unterschiedliche Funktionen aus – eine Entwicklung, die oft durch eine besondere Organisationsweise der Drucker begünstigt wird, nämlich ihrer Organisation in Zünften bzw. „Gesellschaften“. Andererseits wird der rechtliche Kontext der Arbeit durch zwei „Geschäfts­ hindernisse“8 bestimmt, nämlich durch die Zensur und durch den Nachdruck. Zensur bedeutet Kontrolle durch die Obrigkeit zum Schutze des rechten der Ohe (Hrsg.), Zensur und Kultur. Zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik mit einem Ausblick bis heute, Tübingen 1995, S.  63–86. 7  Die allgemeineren Tendenzen im Buch- und Pressewesen sind vielfach beschrieben worden; hier sei verwiesen auf die einschlägigen Kapitel bei Friedrich Kapp / Johann Goldfriedrich, Geschichte des deutschen Buchhandels  Bde. I–IV, Leipzig 1886–1913; Franz Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit. Studien zur politischen Geschichte Deutschlands bis 1848, Neuwied 1966; ders., Presse, Pressefreiheit, Zensur, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe IV (Fn. 5), Stuttgart 1978, S. 899–927; Margot Lindemann, Deutsche Presse bis 1915 (Geschichte der deutschen Presse Teil 1), Berlin 1969; Hans Widmann, Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1975 (zur Zensur und Nachdruckprivilegien bes. S.  91  ff.); Reinhard Wittmann / Berthold Hack (Hrsg.), Buchhandel und Literatur. Festschrift für Herbert G. Göpfert (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 20), Wiesbaden 1982; Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein Überblick, München 1991 (zur Zensur bes. S. 52 ff., 138 ff.; zum Nachdruck S. 120 ff.); Wolfgang Piereth, Artikel „Presse“, in: Ergänzbares Lexikon des Rechts, Bd.  I: Rechtsgeschichte, Neuwied 1983, S.  1–4; Ernst Fischer / Wilhelm Haefs / York Gothart Mix (Hrsg.), Von Almanach bis Zeitung. Ein Handbuch der Medien in Deutschland 1700–1800, München 1999; Jürgen Wilke, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20.  Jahrhundert, Köln u. a. 2000 (zu Zensur und Privilegien, Druckern und Verlegern bes. S. 35 ff., 49 ff., 57 ff., 127 ff.); Rudolf Stöber, Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar, Konstanz 2000 (bes. S.  95  ff.); Werner Greiling, Presse und Öffentlichkeit in Thüringen. Mediale Verdichtung und kommunikative Vernetzung im 18. und 19.  Jahrhundert (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe 6), Köln 2003. 8  Dieter Breuer, Stand und Aufgaben der Zensurforschung, in: Herbert G. Göpfert / Erdmann Weyrauch (Hrsg.), „Unmoralisch an sich  …“. Zensur im 18. und 19.  Jahrhundert (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens 13), Wiesbaden 1999, S.  37–60, hier S.  38. Der Aufsatz bietet einen verlässlichen Überblick über die einschlägige Literatur.



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Glaubens, der guten Sitten oder auch der öffentlichen Ordnung schlechthin; Nachdruck eröffnet der Konkurrenz billige Absatzmöglichkeiten und schädigt auf diese Weise das Geschäft. Beide „Geschäftshindernisse“ standen im Mittelpunkt des Interesses aller, die am Druckereigeschäft beteiligt waren; sie bestimmten bis weit ins 19.  Jahrhundert hinein die ­politischen Aktionen der Branche. Alle diese Strömungen lassen sich anhand eines Beispiels illustrieren. Einige Hinweise auf die Verhältnisse in der Reichsstadt Augsburg, die ja eines der Zentren des Druck- und Verlegergewerbes jener Zeit war, müssen hier genügen.9 Die Ordnung der Buchdruckergesellschaft von 1713 steht für den zunftartigen Abschluss des Druckereigewerbes. Die Buchhändlerschaft beginnt sich nun außerhalb dieser Zunft zu organisieren und dominiert bald auch das verlegerische Geschäft. Es gibt aber zwei Ausnahmen: einerseits den Musikalienverlag und andererseits die Herausgeberschaft von Zeitungen. Beide Bereiche blieben weitgehend in den Händen von Drucker-Verlegern. So ist es bezeichnend, dass Zeitungen wie die evangelische „Abendzeitung“ (seit 1675) und die katholische „Postzeitung“ (seit 1686) bald nach den Verlegern bzw. Druckern bezeichnet werden: die Abendzeitung wird zu „Maschenbauersche Zeitung“, die Postzeitung zu „Moy’sche Zeitung“. Beide Häuser, Maschenbauer wie Moy, gehören der Buchdruckergesellschaft an und beide haben das Zeitungsgeschäft durch kaiserliche Privilegien gegen den Nachdruck abgesichert. Ein solches Privileg wiederum wurde vom Reichshofrat nur erteilt, wenn der Inhalt des Blattes kontrolliert und die Zuverlässigkeit des Verlagshauses garantiert war. Umfassende Zensurbestimmungen und aktive Zensurbehörden der Reichsstadt, hier die Augsburger „Zensurherren“, stellten diese Kontrolle sicher. Ähnliche Zustände finden wir in allen politischen Gebilden des Alten Reiches10. Die Kontrolle aller für den Druck bestimmten Manuskripte und 9  Zur Geschichte von Buchdruck, Zensur und Verlagswesen in Augsburg eingehend: Helmut Gier / Johannes Janota (Hrsg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997; darin insbesondere S.  479–516: Helmut Gier, Buchdruck und Verlagswesen vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende der Reichsstadt; und S.  683–733: Josef Mančal, Zu Augsburgs Zeitungen vom Ende des 17. bis zur Mitte des 19.  Jahrhundert: Abendzeitung, Postzeitung und Intelligenzzettel. 10  Zur älteren Geschichte vgl. man außer den bisher Genannten noch: Zur Zensur: Dieter Breuer, Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland, Heidelberg 1982, S. 23 ff.; Begleitband zur Ausstellung „Südwestdeutsche Zeitungsgeschichte“ in der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttart: Von der Preßfreiheit zur Pressefreiheit. Südwestdeutsche Zeitungsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1983; Klaus Kanzog, Artikel „Zensur, literarische“, in:

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Vorlagen durch die Obrigkeit im Sinne der präventiven Zensur war die Regel. Die reichsrechtliche, aus dem Bücherregal abgeleitete Kompetenz des Kaisers und der kaiserlichen Behörden, namentlich des Reichshofrats und der Frankfurter Bücherkommission, war seit dem 16.  Jahrhundert mehr und mehr ausgebaut und um Zuständigkeiten der Landesherrn und Reichsstädte ergänzt worden. Kontrolle durch Zensur einerseits und Privilegien gegen den Nachdruck andererseits waren die wichtigsten Mittel, um dem öffentlichen Interesse der Obrigkeit und dem privaten Interesse der Buchund Zeitungsverleger gerecht zu werden. Ein allgemeiner Schutz gegen hoheitliche Willkür lag noch in weiter Ferne – ein allgemeiner Schutz gegen Nachdruck ebenso. Im Einzelnen freilich gab es bis zum Ende des 18.  Jahrhunderts viele Unterschiede. Die Landkarte der Zensur war – wie Franz Schneider schon vor Jahren festgehalten hat11 – „ebenso bunt wie die Karte des Reiches selbst“. Entsprechendes gilt für das Problem des Nachdrucks: Kaiserliche und landesherrliche Privilegien dominierten; erst am Ende des 18.  Jahrhunderts gab es hier und da Ansätze zu einer allgemeineren rechtlichen Bewältigung Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte Bd. 3, Berlin 1984, S. 998–1049 (mit umfangreichen Hinweisen zur älteren Literatur); ders., Artikel „Zensur“, in: Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft III, Berlin 2003, S.  891–894; Ulrich Eisenhardt, Wandlungen von Zweck und Methoden der Zensur im 18. und 19.  Jahrhundert, in: Göpfert / Weyrauch (Hrsg.), Unmoralisch (Fn.  8), S.  37–60; Hans J. Schütz, Verbotene Bücher. Eine Geschichte der Zensur von Homer bis Henry Miller, München 1990, bes. S.  36; Gerd Kleinheyer, Zensur zwischen Polizei und Staatsschutz, in: Sösemann (Hrsg.) Kommunikation (Fn.  6), S.  136–143; Thomas Olechowski, Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918. Ein Beitrag zur österreichischen Mediengeschichte, Wien 2004, bes. S.  15  ff., 89  ff. Zu Nachdruck und Urheberrecht: Ulrich Eisenhardt, Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (1496–1806), Karlsruhe 1970; Martin Vogel, Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850. Sozial- und methodengeschichtliche Entwicklungsstufen der Rechte von Schriftsteller und Verleger, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978), Sp.  1–190; Heinrich Bosse, Autorschaft ist Werkherrschaft. Über die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit, Paderborn 1991; Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen 1995; Steffen-Werner Meyer, Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck anlässlich der Wahlkapitulation Leopolds II. aus dem Jahre 1790 (Rechtshistorische Reihe 291), Frankfurt a. M. 2004. Im Übrigen sei hier noch auf die einschlägigen Aufsätze des Verfassers hingewiesen: Elmar Wadle, Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte (Weinheim) jetzt München 1996, und: Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte II, München 2003 (künftig zitiert: GE  I / II – bes. GE  I, S.  99–118: Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts). 11  Schneider, Presse (Fn.  7), S.  919.



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dieses Problems. Es gab freilich auch strikt gegenläufige Phänomene: Es gab die ausdrückliche Gewährung von Pressefreiheit im Einzelfall, was immer solche Privilegien in der Praxis dann bedeutet haben; und es gab das durch Privileg positiv eingeräumte Recht des Nachdrucks fremder Vorlagen. Derartige, durch Gnadenerweise erteilte „Freiheiten“ passten ebenso in die Epoche der obrigkeitlichen Steuerung wie die generelle Zensur und die Ansätze zum allgemeineren Vorgehen gegen den Nachdruck. Das Nebeneinander bisweilen widersprüchlicher Regelungsziele begann sich zu ändern im Zuge des allgemeinen politischen Umbruchs, der nicht zuletzt durch die Französische Revolution und ihre Ziele beschleunigt wurde.12 Unter dem Ansturm der revolutionären Truppen und dann der napoleonischen Armeen zerbrach nicht nur das Alte Reich; es stabilisierten sich auch Modelle zur Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Bürgerwelt und Staatsgewalt wurden vor allem durch die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte neu definiert: Rechte und Freiheiten der Bürgergesellschaft bedingten eine Neubestimmung der Obrigkeit. Staat und Gesellschaft traten in ein neues Gegen- und Miteinander; öffentliches und privates Recht gewannen eine neue, gerade durch die Trennung der Sphären gekennzeichnete Prägnanz. Die „Preßfreiheit“, die im alten Jahrhundert vielfach noch nicht als krasser Gegenbegriff zur Zensur gesehen worden war, konnte in der Folgezeit eine neue Bedeutung gewinnen, während „Zensur“ mehr und mehr zum Kernbegriff der Presseunterdrückung werden sollte. Mit solchen Sätzen ist eine Entwicklungslinie angedeutet, die weit über die Mitte des 19.  Jahrhunderts hinausreicht. In der nämlichen Zeitspanne wurde zugleich das Problem des Nachdrucks, das auch für die periodischen Erzeugnisse der Druckerpresse immer wichtiger werden sollte, neu im Recht verortet: Aus dem vielfach zu öffentlichen Zwecken im Wege des Gnadenerweises gewährten Schutzrecht wurde ein privates Abwehrrecht: An die Stelle des Nachdruckverbots trat das Urheberrecht. Unser Überblick muss sich aus nahe liegenden Gründen in zweierlei Hinsicht beschränken: er muss zum einen einen zeitlichen Schwerpunkt 12  Wolfram Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat 1806–1871 (Neue Deutsche Geschichte 7), München 1995, bes. S.  297  ff.; Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 5.  Aufl. München 2005, bes. S.  234  ff., 265  ff. Im Übrigen vgl. man außer den oben (Fn.  5) genannten Arbeiten von Klippel und Dipper noch: Hans Georg Molitor, Zensur, Propaganda und Überwachung zwischen 1780 und 1815 im mittleren Rheinland, in: Alois Gerlich (Hrsg.), Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit: Kontinuität und Wandel im Gefolge der Französischen Revolution am Mittelrhein (Geschichtliche Landeskunde 22), Wiesbaden 1982, S.  28–44; Jürgen Wilke, Die Entdeckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18.  Jahrhunderts, in: Dann / Klippel, Naturrecht (Fn.  5), S.  121–139.

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setzen, zum anderen kann er nur die beiden „Haupthindernisse“ näher behandeln, nämlich die Stichworte „Zensur“ und „Nachdruckschutz“. Ins Posi­ tive gewendet heißt dies: Es geht einerseits um „Meinungsfreiheit“ und „Pressefreiheit“, andererseits um Schutz und Freiheit des Eigentums, nämlich des „geistigen Eigentums“. Mit dieser Einordnung lässt sich die These formulieren, dass alle wichtigen Bauelemente eines modernen Regelwerkes zur Kontrolle und zum Schutz der Presse um 1850 wenigstens in der Konzeption vorhanden gewesen sind. Dass die Realisierung des gesamten Regelgebäudes noch viel mehr Zeit erfordert hat, liegt auf der Hand: Das Presserecht in seiner heute vertrauten Gestalt ist letztlich erst unter dem Grundgesetz der Bundesrepublik entstanden. Im Folgenden konzentriert sich dieser Beitrag auf die Zeit der wegweisenden Konzeptionen, mithin auf die Zeit zwischen 1815 und 1850. Die Entwicklung danach kann nur noch in einigen zentralen Punkten angedeutet werden. Entsprechendes gilt erst recht für die Zeit des Umbruchs bis zum Wiener Kongress. Die Spanne zwischen 1800 und 1815 ist zwar voller Bewegung und deshalb besonders interessant; auf sie kann aber nur ganz am Rande eingegangen werden und zwar nur insoweit, als die Vorgeschichte der Deutschen Bundesakte und ihrer einschlägigen Bestimmungen zu erwähnen ist. III. Ein zögerlicher Neubeginn: Die Forderung nach „Pressefreiheit“ und die Trennung von Polizeiaufsicht und privatem Schutzanspruch (1815–1848 / 49) Die revolutionären Forderungen nach Verfassungsgesetzen einerseits und Menschen- und Bürgerrechten andererseits fanden zwar auch in Deutschland viele Anhänger. Zur Richtlinie für die offizielle Politik wurden sie freilich nur in wenigen Staaten der nachnapoleonischen Zeit. Insoweit bieten Verfassung und Recht im Bereich der hier interessierenden Problemfelder Zensur / Pressefreiheit und Nachdruckschutz / Urheberrecht auch nach 1815 immer noch ein buntes Bild. Gleichwohl sind Neuansätze unverkennbar, und zwar auf der Ebene der deutschen Einzelstaaten ebenso wie auf der Ebene des Deutschen Bundes.13 13  Alle hier relevanten Themenbereiche der älteren und neueren Geschichte des Buch- und Pressewesens sind angesprochen in: Goldfriedrich, Geschichte (Fn.  5),  Bde. III / IV; Georg Jäger i.  Verb. mit Dieter Langewiesche / Wolfram Siemann (Hrsg.), Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20.  Jahrhundert, Bd.  1: Das Kaiserreich 1870–1918, 2 Teile, Frankfurt a. M. 2001 / 2003 (bes. die Beiträge von Wolfram Siemann / Andreas Graf und Martin Vogel).



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Insgesamt lassen sich für den Zeitraum bis 1850 vier Abschnitte unterscheiden. Jeder von ihnen hat seinen besonderen Akzent. Der erste Abschnitt, der nur bis zu den Karlsbader Beschlüssen (1819) reicht, ist durch eine gewisse Offenheit gekennzeichnet. Im zweiten Abschnitt – er dauert von der Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse bis zur Wiener Ministerialkonferenz von 1834 – dominiert die vom Bund getragene Neuordnung der Zensur. Erst im dritten Abschnitt, der bis zum Vorabend der Revolution von 1848 / 49 währt, gelingt es, das Problemfeld des Nachdruckschutzes zu verselbständigen, d. h. von der Zensurfrage zu lösen; der vierte Abschnitt schließlich ist bestimmt durch den Versuch eines fundamentalen Neuanfangs, dessen Ziele in der Paulskirchenverfassung festgehalten sind. 1. Anfängliche Offenheit (1814–1819) Nach der Niederlage Napoleons zeigen sich schon früh erste Ansätze zur Modernisierung auf einzelstaatlicher Ebene. Ein gutes Beispiel bietet das Nassauische Edikt vom 4. bzw. 5. Mai 1814.14 Es beseitigte nicht nur alle älteren „Beschränkungen des BuchhanIm Übrigen sei verwiesen auf: Kurt Koszyk, Deutsche Presse im 19.  Jahrhundert (Geschichte der deutschen Presse Teil II), Berlin 1966; Schneider, Presse (Fn.  7), S.  919  ff.; ders., Pressefreiheit (Fn.  7), S.  171  ff., 218  ff., 243  ff.; Wittmann, Geschichte (Fn.  7), S.  201  ff.; Widmann, Geschichte (Fn.  7), S.  124  ff.; Breuer, Geschichte der literarischen Zensur (Fn.  10), S.  145  ff.; Siemann, Vom Staatenbund (Fn.  12), S.  213  ff., 345  ff.; Wilke, Grundzüge (Fn.  7), bes. S.  155; Stöber, Pressegeschichte (Fn.  7), bes. S.  113  ff.; Edda Ziegler, Zensurgesetzgebung und Zensurpraxis in Deutschland 1819 bis 1848, in: Reinhard Wittmann / Bertold Hack (Hrsg.), Buchhandel und Literatur. Festschrift für Herbert G. Göpfert (Beiträge zum Buchund Bibliothekswesen 20), Wiesbaden 1982, S.  185–220; dies., Literarische Zensur in Deutschland 1819–1848. Materialien, Kommentare, München 1983; Wolfram Siemann, Kampf um Meinungsfreiheit im deutschen Konstitutionalismus, in: Schwartländer / Willoweit (Hrsg.), Meinungsfreiheit (Fn.  6), S.  173–188; ders.; Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle. Der Wandel in der deutschen Pressgesetzgebung und Zensurpraxis des 19.  Jahrhunderts, in: Göpfert / Weyrauch, Unmoralisch (Fn.  8), S.  293–308; Eberhard Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Die endgültige Stabilisierung der restaurativen Politik im Deutschen Bund nach dem Wiener Kongress von 1814 / 15, Hildesheim 1974. 14  Zu Nassau Näheres (mit weiterführenden Hinweisen) bei: Paul Kaller, Druckprivileg und Urheberrecht im Herzogtum Nassau. Zur Bedeutung des Edikts über die Pressefreiheit von 1814, Frankfurt a. M. u. a. 1992. Aus der umfangreichen Literatur zu Presse und Zensur in den einzelnen deutschen Staaten seien hier genannt: Ursula Giese, Studien zur Geschichte der Pressegesetzgebung, der Zensur und des Zeitungswesens im frühen Vormärz. Auf Grund bisher unveröffentlichter Dokumente aus Wiener Archiven, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 6 (1966), Sp. 341–546; Rüdiger Busch, Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt.

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dels und der Preßfreiheit“ im Sinne der Vorzensur und ersetzte sie durch eine nachträgliche gerichtliche oder amtliche „Ahndung“ für den Fall, dass „der Inhalt einer Druckschrift als Passquill oder Schmähschrift gegen Personen und öffentliche Behörden, oder als Hintansetzung der Pflichten gegen Kirche und Staat, oder als eine öffentliche Verletzung der Ehrbarkeit und Sittsamkeit, den bestehenden allgemeinen Gesetzen zur Folge, betrachtet werden muss.“

Außerdem schrieb das Edikt (§ 4) vor, dass die Buchdrucker den eigenen Namen und Wohnort sowie die entsprechenden Angaben des Verfassers aufzuweisen hätten. Weiterhin gewährte das Edikt Schutz gegen Nachdruck deutscher Autoren zu deren Lebzeiten; ein weitergehender Schutz konnte durch Privilegien gewährt werden. Preßfreiheit unter Beibehaltung nachträglicher Kontrolle ist hier in Nassau kombiniert mit einem teils generellen, teils begrenzten Schutz gegen den Nachdruck. In anderen Staaten finden wir ähnliches, freilich zumeist in getrennten Regelwerken.15 So ergeht etwa in Württemberg das Rescript über die ErteiEin Beitrag zur Geschichte der Bücher- und Pressezensur (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts, Reihe  A: Studien Bd.  7), Karlsruhe 1970; Götz Wricke, Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen im Kurfürstentum und Königreich Hannover von den Anfängen bis 1848. Ein Beitrag zur Geschichte der Bücher- und Pressezensur, iur.  Diss. Bonn 1973; Manfred Treml, Bayerns Pressepolitik zwischen Verfassungstreue und Bundespflicht (1815–1837). Ein Beitrag zum bayerischen Souveränitätsverständnis und Konstitutionalismus im Vormärz (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter 16), Berlin 1977; Frank Thomas Hoefer, Pressepolitik und Polizeistaat Metternichs. Die Überwachung von Presse und politischer Öffentlichkeit in Deutschland und der Nachbarstaaten durch das Mainzer Informationsbüro (1833–1848) (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung 37), München u. a. 1983; Eduard Naujoks, Der badische Liberalismus im Vormärz im Kampf für Pressefreiheit und gegen Zensur (1832 / 47), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 131 (N.F. 92–1983), S.  347–381; Hildegard Müller, Liberale Presse im badischen Vormärz. Die Presse der Kammerliberalen und ihre Zentralfigur Karl Mathy 1840–1848, Heidelberg 1986; Roger Mann, Die Garantie der Pressefreiheit unter der Kurhessischen Verfassung von 1831, Frankfurt a. M. 1993; Volker Knüpfer, Presse und Liberalismus in Sachsen. Positionen der bürgerlichen Presse im frühen 19.  Jahrhundert (Geschichte und Politik in Sachsen 2), Weimar 1996; Dominik Westerkamp, Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz (Juristische Zeitgeschichte Abt.  I: Allgemeine Reihe 3), BadenBaden 1999; Maria Kurzweg, Presse zwischen Staat und Gesellschaft. Die Zeitungslandschaft in Rheinland-Westfalen (1770–1819) (Forschungen zur Regionalgeschichte 32), Paderborn 1999, bes. S. 141 ff.; Martin M. Arnold, Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz. Im Spannungsfeld zwischen Bundestreue und Liberalismus (Juristische Zeitgeschichte, Abt. I: Allgemeine Reihe 15), Berlin 2003; Barbara Széchéngi, Rechtliche Grundlagen bayerischer Zensur im 19.  Jahrhundert (Rechtshistorische Reihe 273), Frankfurt a. M. 2003; Olechowski, Preßrecht (Fn.  10), S.  123  ff. 15  Zu den folgenden Zitaten und Angaben: Hermann Theodor Schletter, Handbuch der Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das



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lung von Privilegien gegen den Nachdruck am 25.  Februar 1815, die Zensurregel datiert vom 30.  Januar 1817. Wieder andere begnügen sich mit der Ersetzung der Vorzensur durch die Nachzensur. Entsprechende Grundsätze zur Preßfreiheit fanden bald nach dem Ende des Wiener Kongresses Eingang in die süddeutschen Verfassungen. Die Verfassung Bayerns von 1818 (Titel IV § 11) bestätigte die „Freyheit der Presse und des Buchhandels“ im Sinne des gleichzeitig erlassenen Edikts; die Verfassung Badens von 1818 (§  17) verwies auf die künftigen Bestimmungen der Bundesversammlung; Württemberg gewährte ebenfalls die Pressefreiheit in seiner Verfassung von 1819 (§ 28) im Rahmen „der gegen den Mißbrauch bestehenden oder künftig zu erlassenden Gesetze“; einen entsprechenden Vorbehalt nahm auch Hessen-Darmstadt in seine Verfassung von 1820 (Art.  35) auf. Insgesamt boten die rechtlichen Regeln der meisten deutschen Staaten ein ähnlich buntes Bild wie im Alten Reich.16 In einigen Staaten allerdings fehlten neue gesetzliche Regeln ganz; dazu gehörten auch Österreich und Preußen. In beiden Staaten galt älteres Recht fort, offenbar wartete man ab, wie sich die Debatte auf der Ebene des Deutschen Bundes entwickeln würde. Damit sind wir beim entscheidenden Bereich, dem Einfluss des Bundes: Die Bundesakte vom 8. Juni 1815 bestimmte in Art.  18 d: „Die Bundesversammlung wird sich bey ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreyheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.“

Über die Bedeutung dieses Auftrages ist schon viel geschrieben worden.17 Anhand der Vorgeschichte kann man nachweisen, dass es sich um eine Kompromissformel handelt, die insbesondere versuchte, den unterschied­ lichen Positionen Österreichs und Preußens gerecht zu werden, und darüber literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten nebst geschichtlicher Einleitung, Leipzig 1846; die Verfassungstexte bei: Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd.  1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, 3. Aufl. Stuttgart 1978, S.  155  ff. 16  Vgl. Schneider, Presse (Fn.  7), S.  919  ff. 17  Die Bundesakte ist zitiert nach: Huber, Dokumente I (Fn.  15), S.  84  ff. (hier S. 90). – Dazu: Ulrich Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, in: Der Staat 10 (1971), S.  339–356; ders., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Gerhard Köbler / Meinrad Heinze / Wolfgang Hromadka (Hrsg.), Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends. Festschrift für Alfred Söllner, München 2000, S. 255–272; kritisch dazu: Wahl, Entwicklung (Fn. 5), S. 88; Näheres jetzt bei: Elmar Wadle, Grundrechte in der Deutschen Bundesakte? Notizen zu „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ (Artikel XVIII d), in: Jürgen Bröhmer u. a. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Festschrift für Georg Ress, Köln 2005, S. 1333–1351; auch in diesem Band S. 137–161.

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hinaus das Beharren der mittleren Staaten auf ihrer wiedergewonnenen Souveränität respektierte. Art.  18 d bot ohne Zweifel Chancen zum Neubeginn auf beiden Problemfeldern. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass beide Stichworte noch durch ein „und“ verknüpft sind. Diese Verbindung scheint noch ganz dem Denken der Vergangenheit behaftet zu sein. Gleichwohl hat sie einen Neubeginn nicht ausgeschlossen. Solche Chancen18 sah auch der oldenburgische Gesandte von Berg, der in der Bundesversammlung als Berichterstatter fungierte. Ihm gelang es, dass zwei bemerkenswerte Entscheidungen akzeptiert wurden: Zum einen wurden auf seinen Vorschlag hin die in der Bundesakte noch miteinander verbundenen Problemfelder getrennt. Berg erstattete zwei Berichte und behandelte beide Materien eigenständig. Zum anderen erzielte die nach seinem Bericht einberufene Kommission beachtliche Fortschritte. Im Bereich Pressefreiheit / Zensur gelang Berg eine erste systematische Übersicht über die unterschiedlichen Kontrollsysteme; er teilte sie nach zwei Arten ein; er stellte das präventive „Polizeisystem“ gegen das repressive „Gerichtssystem“ und sprach sich eindeutig für das letztere aus. Im Bereich des Nachdruckschutzes präsentierte die von ihm wesentlich beeinflusste Kommission einen sehr fortschrittlichen Entwurf, der den Schutz gegen Nachdruck als privates Recht durch generelle Regeln ausformulierte. Bekanntlich ist aus beiden Projekten nichts geworden19. 2. Dominanz der Zensur (1819–1834) Metternich setzte in Karlsbad nicht nur die Vorzensur für presserelevante Druckerzeugnisse durch, nämlich alle periodischen Werke unter zwanzig 18  Immer noch brauchbar die Dokumentation von Julius August Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemeinen deutschen Pressrechts, Berlin 1844. Im Übrigen jetzt: Ludwig Gieseke, Der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 138 (1999), S.  117–151, auch in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 56 (2002), S.  163–178. 19  Zum Folgenden: Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819. Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 38 (1999), S. 153–181 (auch in: GE II, S.  221–239); ders., Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830–1848 / 49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ Bd. 32), Frankfurt a. M. 2002, S. 229–249 (auch in GE II, S.  241–256); ders., Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck, in: Peter Thorau u. a. (Hrsg.), Re­ gionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäschke, Köln u. a. 2003, S.  231–245; auch in diesem Band S.  163–180.



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Bogen; er brachte auch den Frankfurter Gesetzentwurf zum Schutz vor Nachdruck, der weithin den Wünschen Preußens entsprach, dadurch zu Fall, dass er ein inakzeptables Modell zur Organisation des deutschen Buchhandels vorlegte. Dieser von Adam Müller vorbereitete Plan hielt am Junktim von Zensur und Nachdruckschutz fest; er sollte also die Schutzgewähr in traditionellem Sinne mit der inhaltlichen Kontrolle verknüpfen. Die Folgen dieser Politik sind bekannt20: Im Bereich Zensur beschloss die Bundesversammlung am 20.  September 1819 das in Karlsbad vorbereitete Bundespressegesetz, die „provisorischen Bestimmungen hinsichtlich der Freiheit der Presse“; die gleichzeitig beschlossene Mainzer „Zentral-Untersuchungs-Kommission“ konnte auch für die Pressekontrolle eingesetzt werden. Im Bereich des Nachdruckschutzes verblieb alles beim alten System. Die deutschen Staaten machten recht heterogene Vorschläge und konnten sich nicht einigen. Die Bundesversammlung bediente sich sogar des Privilegiensystems, weil sie sich außerstande sah, das Ersuchen Goethes zum Schutz der Ausgabe letzter Hand abzulehnen. Die folgenden Jahre brachten nicht viel Neues: Die Zensur der Druckwerke über 320 Seiten wurde in den Staaten unterschiedlich gehandhabt. Jede Lockerung wurde beargwöhnt und – wie im Falle Badens nach 1830 – bekämpft. Von Bundes wegen hatte man schon 1824 das provisorische Preßgesetz auf unbestimmte Zeit verlängert; die revolutionären Umtriebe des Jahres 1830 führten zur nochmaligen Bekräftigung und Verschärfung der Zensurmaßnahmen. Zum Schutz gegen den Nachdruck setzten die meisten Staaten Privilegien ein, und zwar auch und gerade dann, wenn generelle Regeln den Schutzbedürfnissen der Verleger und Autoren nicht mehr gerecht werden konnten. Die Diskussion um gleichförmige Regeln wurde wieder aufgenommen, nachdem Preußen für das Prinzip der Gleichbehandlung der Untertanen anderer Bundesstaaten eingetreten war. Schließlich fasste auch die Bundesversammlung 1832 einen generellen Beschluss in diesem Sinne. Eine neuerliche, von der älteren Forschung nicht hinreichend gewürdigte Wende brachten die Geheimen Wiener Konferenzen des Jahres 1834. 3. Die Aufgabe des Junktims von Zensur und Nachdruckschutz und die Anfänge des Urheberrechts (1834–1847) Auf den Wiener Konferenzen wurden letztlich alle Fragen behandelt, die den Kampf gegen revolutionäre oder auch nur unwillkommene politische Strömungen berührten. Für unser Thema ist wichtig, dass es gelungen ist, 20  Dazu

vgl. man die in Fn.  10 genannten Darstellungen.

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das Junktim von Zensur und Nachdruckschutz zu durchbrechen. Während Metternich seine schon in den zwanziger Jahren gescheiterten Organisa­ tionspläne nur wenig modifiziert erneut vorlegte, setzte die preußische Seite auf strikte Trennung der polizeilich – hoheitlichen Kontrolle einerseits vom Schutz gegen den Nachdruck andererseits. Der Schutz gegen Nachdruck hatte in Berliner Entwürfen mittlerweile die Gestalt eines gerichtlich durchsetzbaren privatrechtlich akzentuierten Urheberrechts gewonnen.21 In Wien gelang es nun, wie die Entwicklung der Beratungsbeschlüsse zeigt, die anfänglich miteinander verbundenen Materien Zensur einerseits und Nachdruck andererseits zu trennen:22 In Entwürfen, die in einem frühen Stadium der Konferenz erstellt worden sind, standen die einschlägigen Bestimmungen noch nebeneinander; in der Endredaktion der geheimen „Sechzig“ Artikel stehen beide Materien weit auseinander. Die auf der Konferenz entworfenen Konzepte wurden beide an die Bundesversammlung weitergeleitet, dort jedoch gelang es Preußen, den Vorschlag einer Buchhändler­zunft in langwierigen Verhandlungen ergebnislos enden zu lassen. Die Frage des Nachdrucks indes wurde gemeinsam vorangetrieben und mündete schließlich im Bundesbeschluss vom 9.  November 1837, der allgemeine Grund­ sätze formulierte, an die sich die Gesetzgebung der Bundesstaaten halten  sollte. Preußen hatte mit seinem inzwischen erarbeiteten Gesetz vom 11.  Juni 1837 das modernste Urhebergesetz der Zeit geschaffen.23 Ihm schlossen sich andere Staaten an; wieder andere gingen weiterhin eigene Wege. Auch das widerspenstige Württemberg schränkte sein Privilegiensystem ein und selbst das zunächst eher unwillige Österreich entschied sich 1840 für den urheberrechtlichen Schutz, der 1846 in einem Gesetz endgültig festgehalten wurde24. 21  Elmar Wadle, Die Berliner „Grundzüge“ eines Gesetzentwurfes zum Urheberschutz. Ein gescheiterter Versuch im Deutschen Bund (1833 / 34), in: GE II, S.  257– 276. 22  Wadle, Junktim (Fn.  19), passim; Treml, Pressepolitik (Fn.  14), befasst sich S.  228  ff. „ausschließlich mit dem pressepolitischen Aspekt der Wiener Konferenzen“ (S.  231 Fn.  14) und übergeht den Zusammenhang mit den Problemen des Nachdrucks. 23  Elmar Wadle, Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht, in: GE I, S.  223–265; ders., Das preußische Urheberrechtsgesetz von 1837 im Spiegel seiner Vorgeschichte, in: GE I, S.  167–222; Rainer Nomine, Der Königlich Preußische Literarische Sachverständigen-Verein in den Jahren 1838 bis 1870 (Schriften zur Rechtsgeschichte 84), Berlin 2001. 24  Herbert Hofmeister, Die Entwicklung des Urheberrechts in Österreich vom aufgeklärten Absolutismus bis zum Jahre 1895, in: Robert Dittrich (Hrsg.), Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es? Wurzeln, geschichtlicher Ursprung, geistesgeschichtlicher Hintergrund und Zukunft des Urheberrechts (Österreichische



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Am Vorabend der Märzrevolution, so kann man zusammenfassen, war nicht nur das Junktim von Zensur und Nachdruck gefallen. Durch die Fortschritte der einzelnen Gesetzgeber war das Urheberrecht zu einem eigenen, dem privaten Interesse dienenden Teil der Rechtsordnung entfaltet worden. In der Paulskirchenverfassung finden diese Entwicklungen ihren Niederschlag. 4. Der verfassungsrechtliche Aufbruch (1848 / 49) Im Grundrechtskatalog der Paulskirchenverfassung werden Pressefreiheit und Urheberrecht eindeutig angesprochen.25 Art.  IV §  143 gewährt Meinungs- und Pressefreiheit: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise durch vorbeugende Maaßregeln, namentlich Censur, Concessionen, Sicherheitsbestellungen, Staatsauflagen, Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden.“

Im Übrigen wird die Aburteilung von Preßvergehen den Schwurgerichten zugewiesen; die Kompetenz für den Erlass eines Preßgesetzes liegt beim Reich. Die Bestimmungen normieren die Preßfreiheit als individuelles Freiheitsrecht mit strafrechtlich, mithin im öffentlichen Interesse definierten Grenzen. Das Urheberrecht ist eindeutig als Privatrecht eingeordnet; es wird im Kontext der Eigentumsgarantie angesprochen. Nachdem die Verfassung die Unverletzlichkeit des Eigentums und die Entschädigungspflicht bei zulässiger Enteignung normiert hat, führt sie aus (Art.  IX §  164): „Das geistige Eigentum soll durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden.“ Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht 7), Wien 1988, S.  99–146; ders., Der österreichisch-sardinische Urheberrechtsvertrag von 1840, in: Robert Dittrich (Hrsg.), Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes im Lichte seiner Geschichte (Österreichische Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht 9), Wien 1991, S.  239–251. 25  Die folgenden Zitate nach: Huber, Dokumente I (Fn.  16), S.  375  ff. – Aus der umfangreichen allgemeineren Literatur seien hier lediglich genannt: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd.  II: Der Kampf um Einheit und Freiheit, 2.  Aufl. 1960, bes. S.  767  ff., 842  ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte (Fn.  12), S.  295  ff.; Jörg-Detlef Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche. Vorbild und Verwirklichung im späteren deutschen Rechtsleben, Frankfurt a. M. 1985. – Zu den Vorschriften des Presserechts immer noch brauchbar: P.  Kloeppel, Das Reichspreßrecht, Leipzig 1894, S.  90  ff.; im Übrigen vergleiche man noch: Olechowski, Preßrecht (Fn.  10), S.  205  ff.; Elmar Wadle, Das geistige Eigentum in der Reichsverfassung der Paulskirche, in: GE I, S.  19–34.

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Was darunter zu verstehen ist, sagt eine andere Regel im Rahmen der Normen zur Gesetzgebungskompetenz des Reiches. In Art. VII § 40 können wir lesen: „Erfindungs-Patente werden ausschließlich von Reichswegen auf Grundlage eines Reichsgesetzes ertheilt; auch steht der Reichsgewalt ausschließlich die Gesetzgebung gegen den Nachdruck von Büchern, jedes unbefugte Nachahmen von Kunstwerken, Fabrikzeichen, Mustern und Formen und gegen andere Beeinträchtigungen des geistigen Eigenthums zu.“

Schon die Art und Weise der Behandlung von Pressefreiheit und Nachdruckschutz lässt deutlich werden, dass künftig beide Bereiche selbständig nebeneinander stehen sollten. Auch dem Inhalt nach sind die Bestimmungen klar und eindeutig. Während Art.  18  d der Bundesakte allenfalls Ansätze für die Anerkennung von Pressefreiheit und Nachdruckschutz geboten hatte, spricht die Paulskirchenverfassung in beiderlei Hinsicht eine klare Sprache. Die rechtlichen Posi­ tionen sind in den Grundrechtskatalog aufgenommen und deutlicher als je zuvor im Rechtssystem verortet. Auf der einen Seite ist die Pressefreiheit als Grundrecht dadurch gesichert, dass die Befugnisse des Staates, sie zu definieren und rechtlich einzuengen, klar beschnitten sind; die Kontrolle der Obrigkeit ist allenthalben zurückgedrängt: Die (Vor-)Zensur ist untersagt, die polizeilichen Kontrollmöglichkeiten sind beschnitten, die mittelbare Kontrolle durch Konzessions- oder Kautionspflicht, durch Post- oder Gewerbeverbote sind verboten. Auf der anderen Seite werden Nachdruckschutz bzw. Urheberrecht als geistiges Eigentum begriffen, mithin mit dem Eigentum an Sachen als dem Urmodell privater Herrschaftsrechte auf eine Stufe gestellt; es soll durch Gesetze privatrechtlichen Charakters definiert und durch Instrumente abgesichert werden, die zum Schutz derartiger privater Interessen zur Verfügung stehen. Die Paulskirche – so J.-D. Kühne26 – „erreichte einen Standard, der erst wieder gegen Ende der Weimarer Republik erreicht werden konnte“. Im Kontext der März-Revolution waren bereits Teile dieses Programms verwirklicht worden. Durch das Scheitern der Verfassung standen diese bemerkenswerten Grundsätze allerdings wieder zur Disposition; ein Hinweis auf die 1854 in der Bundesversammlung geschlossenen „Bestimmungen zur Verhinderung des Mißbrauchs der Presse“ muss hier genügen.27 Ohne Einfluss ist der Grundrechtskatalog dennoch nicht geblieben. Wie die jüngere Forschung28 gezeigt hat, haben viele der Forderungen von 1848 / 49 auch in der nachfolgenden Periode weitergewirkt. Freilich ist bei 26  Kühne,

Reichsverfassung (Fn.  25), S.  393. der Bundesversammlung 1854 §  213 (hier bes. S.  919–924). 28  Dazu insbesondere Kühne, Reichsverfassung (Fn.  25), passim. 27  Protokolle



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aller Modernität zu bedenken, dass das zeitgenössische Verständnis weder die Verfassungssätze insgesamt noch die Grundrechte als Rechtssätze höheren Ranges begriffen hat. Eine Normenhierarchie heutigen Zuschnitts war allenfalls in Ansätzen zu erkennen. Insgesamt kann man ein eher zwiespältiges Zwischenergebnis festhalten: Einerseits hätten die Bestimmungen der Reichsverfassung, wären sie in Kraft geblieben, in der politischen Auseinandersetzung präzisiert werden müssen; es hätte durchaus die Möglichkeit bestanden, den einen oder anderen der vorgesehenen Freiheitsräume zu reduzieren. Andererseits gilt aber auch: Obwohl die Verfassung förmlich aufgehoben wurde, hatten ihre Grundrechte gleichwohl eine Chance, als politische Leitlinien bei der Ausformung neuen Rechts anerkannt zu werden. Diese Einschätzung wird durch die Fortentwicklung in den nächsten Jahrzehnten bestätigt. IV. Die Entfaltung des Dualismus (1850–1914): Das Nebeneinander von Urheberrecht und Pressefreiheit Im weiteren Verlauf des „langen“, bis 1914 reichenden 19.  Jahrhunderts fanden Nachdruckschutz und Pressefreiheit endgültig ihre selbständige Gestalt. Im Bereich des Urheberrechts wurden die seit 1837 sichtbaren Ansätze zu einem urheberorientierten, tendenziell alle Gebiete geistigen Schaffens umfassenden Schutzrecht ausgebaut.29 Einzelnen Bundesstaaten gelang es bereits vor der Reichsgründungszeit, derartige Gesetze zu verabschieden, so namentlich Bayern. Auf Bundesebene gibt es neben einigen Verbesserungen zu älteren Beschlüssen ebenfalls umfassende Neuansätze. Vom Börsenverein initiierte Entwürfe werden von der Bundesversammlung aufgegriffen und zu einem verabschiedungsreifen Entwurf vorangetrieben. Gescheitert ist dieses Projekt dann jedoch an der politischen Großwetterlage, die letztlich zum Ende des Deutschen Bundes und damit zur Gründung des Deutschen Reiches geführt hat. Ein neues Urheberrechtsgesetz stand schon im Norddeutschen Bund auf dem Programm. Das erste Reichsgesetz wurde noch während des deutsch-französischen Krieges verabschiedet und dann in das Reichsrecht überführt. Was noch fehlte, wurde 1876 nachgeliefert. Das Kaiserreich hat dann um die Wende zum neuen Jahrhundert – genauer 1901 und 1906 – in neuen Gesetzen den privatrechtlichen Charakter des 29  Zum Urheberrecht vgl. man etwa den Überblick bei: Elmar Wadle, Der Weg zum gesetzlichen Schutz des geistigen und gewerblichen Schaffens. Die deutsche Entwicklung im 19.  Jahrhundert, in: GE II, S.  3–72, bes. S.  21  ff., 52  ff.

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Urheberrechts noch stärker betont. In der Zeit davor, genauer bis 1876 einschließlich, dominierten Strafnormen als zentrale Schutzmittel; ihre Anwendung blieb freilich immer dem geschützten Urheber überlassen, es ging ja um sein Interesse. Der Schutz durch deliktsrechtliche Vorschriften führte dazu, dass die Rechtsnormen sich lange Zeit am Tatbestand des Nachdrucks ausgerichtet haben.30 Der stark pönale Charakter des Schutzes privater Interessen konnte aber bald ohne Probleme durch vorwiegend zivilrechtliche Tatbestände abgelöst werden, nachdem die Wissenschaft einen weitgehenden Konsens über den Charakter des Urheberrechts gefunden hatte: Es galt fortan als zivilrechtliche Zuordnung von immateriellen Gütern. Die neuen Gesetze verorteten nicht nur das Urheberrecht als Privatrecht, sie passten es zugleich an die gestiegenen internationalen Anforderungen an.31 Damit war der „Einbau des Urheberrechts“ in das Privatrecht weitgehend abgeschlossen. Es gehörte nunmehr zu einem Rechtsbereich, der im Gefolge der theoretischen Strömungen der Zeit als weithin autonomer Bereich gelten konnte, mithin durch eine starke Tendenz zur Eigenständigkeit gekennzeichnet war. Neben diesem „Hauptstrom“ der Urheberrechtsentwicklung gibt es einige „Nebenflüsschen“, die für die Presse bedeutsam geworden sind. Hier können nur zwei Bereiche genannt werden: Zum einen gab es Probleme um die Einbeziehung journalistischer Produkte in den Schutz30  Elmar Wadle, Die Entfaltung des Urheberrechts als Antwort auf technische Neuerungen, in: GE I, S.  63–74. 31  Dazu die Überblicke von: Martin Vogel, Die Entwicklung des Urheberrechts, und: Die Entwicklung des Verlagsrechts, in: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert (Fn. 13), S. 122–169. Zusätzlich seien noch genannt: Kai Bandilla, Urheberrecht im Kaiserreich. Der Weg zum Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19.  Juni 1901, Frankfurt a. M. 2005; Manuela M. Schmidt, Die Anfänge der musikalischen Tantiemenbewegung in Deutschland. Eine Studie über den langen Weg bis zur Errichtung der Genossenschaft deutscher Tonsetzer (GDT) im Jahre 1903 und zum Wirken des Komponisten Richard Strauss (1864–1949) für Verbesserungen des Urheberrechts, Berlin 2005. Allgemein zur Entwicklung des urheberrechtlichen Sanktionensystems vom strafrechtlichen Tatbestand über die vom Antrag des Verletzten abhängige Strafsanktion zum Vorrang zivilrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten mit „zivilrechtsakzessorischen“ Straftatbeständen vgl. man: Ulrich Weber, Der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts. Unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten (Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 40), Tübingen 1976, bes. S.  18  ff., 34  ff., 71  ff.; ders., Zur Anwendbarkeit des deutschen Urheberstrafrechts auf Rechtsverletzungen mit Auslandsberührung, in: Wilhelm Küper / Jürgen Welp (Hrsg.), Beiträge zur Rechtswissenschaft. Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels, Heidelberg 1993, S. 613–623, bes. S. 616 f., 623. – Zur Sonderstellung der Sanktionsform „Geldbuße“ siehe: Elmar Wadle, Die Geldbuße im Urheberrecht. Eine strafgesetz­ liche Nebenfolge als Wegmarke zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht, in: GE II, S.  319–333.



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bereich des Urheberrechts, zum anderen stellte sich schon bald die Frage nach der Position angestellter Autoren und Mitarbeiter. Das erste Problemfeld wird gut beleuchtet durch ein Projekt, das 1855 in einer Petition an die Bundesversammlung herangetragen wurde.32 Im Namen der Redaktionen führender Tageszeitungen sowie des Telegrafischen Büros B. Wolff verlangte ein Frankfurter Anwalt den Schutz des „journalistischen Eigentums“, das ja ein Zweig des literarischen Eigentums sei, und in dem „in neuerer Zeit ein immer größeres intellektuelles und materielles Kapital“ angelegt werde. Kleinere Blätter lebten geradezu vom Plagiat der größeren, die ihrerseits viel Geld für ihre Nachrichten, Aufsätze und Leitartikel aufwenden mussten. Das bisher geduldete Entlehnen rein faktischer Mitteilungen und Tagesneuigkeiten aus einem Blatt in das andere unter Angabe der Quelle habe sich durch die Telegrafie zu einem „Raubsystem“ fortentwickelt. Die Zeitungen, die für telegrafische Depeschen bezahlten, müssten durch eine Schutzfrist von mindestens 24 Stunden geschützt werden. In der Bundesversammlung fand dieser Vorschlag keine Mehrheit. Dies kann den modernen Urheberrechtler nicht verwundern, denn für die Schutzfähigkeit kommt es auf die Qualität des Sprachwerkes an und nicht auf die Art der Übermittlung. In den Jahren 1855 / 56 betrachtete man überdies Zeitungsberichte noch nicht als schutzfähige literarische Werke, sondern allenfalls als „kleine Münze“. In einigen Staaten wurde den Texten in Zeitungen sogar generell jeder Schutz versagt, so etwa in Bayern durch das Gesetz von 1865. Es gab aber schon früh andere Stimmen, die für eine stärkere Differenzierung nach bloßen Nachrichten und so genannten Feuilleton-Artikeln eintraten. In der späteren Diskussion war unbestritten, dass Zeitungstexte in der Regel Werkcharakter haben, mithin schutzfähig waren; dies führte freilich dazu, dass nicht jeder in einer Zeitung enthaltener Text auch tatsächlich geschützt werden konnte. Das Problem der Übernahme wurde dadurch gelöst, dass man in das Urheberrecht besondere Schranken einbaute, die es erlaubten, bestimmte Zeitungsinhalte zu übernehmen, andere aber nicht. Weniger erfreulich war die Entwicklung im zweiten vorhin erwähnten Teilbereich des Urhebervertragsrechts, der die Presse schon immer stark berührt hat: die urheberrechtliche Stellung der Journalisten.33 Ein Vergleich 32  Näheres bei Elmar Wadle, Der Schutz telegraphischer Depeschen. Eine urheberrechtliche Episode in der Spätzeit des Deutschen Bundes, in: GE II, S.  307–318. 33  Zu den Rechtsproblemen um den angestellten Urheber im 19. Jahrhundert gibt es – soweit ersichtlich – noch keine neuere Darstellung. Die folgenden Überlegungen beziehen sich vor allem auf die Bestimmungen des Reichsgesetzes „betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und

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der Grundsatzregeln von 1870 einerseits und 1901 andererseits zeigt zwar, dass die originäre Zuweisung des Urheberrechts zum Verfasser deutlicher markiert worden ist als zu Beginn der Reichsgesetzgebung; das Festhalten an der freien Übertragbarkeit des Rechts an Unternehmen, Redaktionen oder Herausgeber lieferte aber den im Pressewesen tätigen Autor grundsätzlich dem freien Spiel der Kräfte aus: Er konnte seine Rechte nur durch Vertrag sichern. Dass der journalistische Autor damals nicht am längeren Hebel saß, brauch kaum betont zu werden. Unter diesen Umständen war es nur im Ausnahmefall möglich, die Vertragsfreiheit für sich zu nutzen. Die heute teils im Arbeitsrecht, teils im Urhebervertragsrecht verankerten Schutzmechanismen waren im 19.  Jahrhundert noch unbekannt. Es bleibt noch ein Blick auf die Entwicklung des Bereichs Pressefreiheit / Zensur.34 Obgleich der Grundrechtskatalog der Paulskirchenverfassung aufgehoben worden war, verblieben die späteren Pressegesetze bei der grundsätzlichen Anerkennung der Pressefreiheit. Die förmliche Zensur im Sinne einer Vorzensur wurde nicht mehr eingeführt; wohl aber kehrten die in der Paulskirchenverfassung aufgezählten Möglichkeiten der mittelbaren Beschränkung allesamt wieder. Die Formen der mittelbaren Kontrolle, die in der Paulskirchenverfassung gleichsam als „Sündenkatalog“ aufgezählt waren, wurden durch Beschluss der Bundesversammlung vom 6. Juli 1854 allgemein zugelassen, ja für alle Bundesstaaten verbindlich vorgeschrieben. dramatischen Werken“ v. 11.  Juni 1870 (RGBl. S.  339 – bes. §§  1–3) und des Gesetzes „betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ v. 19. Juni 1901 (RGBl. S. 227 – bes. §§ 2–4). Dazu Näheres bei: Oscar Wächter, Das Autorrecht nach dem gemeinen deutschen Recht systematisch dargestellt, Stuttgart 1875, S.  89  ff. (§§  10–15); Philipp Allfeld, Kommentar zu den Gesetzen vom 19. Juni 1901 betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst und über das Verlagsrecht, München 1902, S.  63  f.; Josef Kohler, Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, Stuttgart 1907, bes. S. 89 ff., 228 ff.; Erwin Riezler, Deutsches Urheber- und Erfinderrecht, München / Berlin 1909, S.  40  ff.; Eugen ­Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, Berlin 1951, bes. S.  116  ff. 34  Zu Presserecht und Zensur allgemein vgl. man: Wolfram Siemann, Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle. Der Wandel in der deutschen Pressgesetzgebung und Zensurpraxis des 19.  Jahrhunderts, in: Göpfert / Weyrauch, Unmoralisch (Fn.  8), S.  293–308; ders. i. Verb. m. Andreas Graf, Verbote, Normierungen und Normierungsversuche, in: Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20.  Jahrhundert I (Fn. 13), S. 87–121; ders. (Hrsg.), Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten. Eine Dokumentation zur Überwachung der Öffentlichkeit nach der Revolution von 1848 / 49, Tübingen 1982. – Zur Entwicklung in Deutschland: Kloeppel, Reichspressrecht (Fn. 26), bes. S. 103 ff., 143 ff.; Richard Kohnen, Pressepolitik des Deutschen Bundes. Methoden staatlicher Pressepolitik nach der Revolution von 1848, Tübingen 1995; Jürgen Frölich, Repression und Lenkung versus Pressefreiheit und Meinungsmarkt. Zur preußischen Pressegeschichte in der Reichsgründungszeit 1848–71, in: Sösemann (Hrsg.), Kommunikation (Fn.  6), S.  364–385. – Zu Österreich jetzt: ­Olechowski, Preßrecht (Fn.  10), S.  333  ff., 447  ff.



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Das Reichspressegesetz vom 7. Mai 187435 brachte dann gewisse Fortschritte, indem es manche der in den Einzelstaaten noch geltenden Einschränkungen beseitigte, so Kautionen, Konzessionen, Stempelsteuern, Entzug des Postzugangs. In anderen Feldern, im Gewerberecht etwa und vor allem im Strafrecht, blieb es bei vielfältigen Möglichkeiten zum Eingriff in das Pressewesen. Im Zuge des Kulturkampfes und der Sozialistengesetze wurden sie sogar erweitert. Auch die Tatsache, dass die Solidarhaftung aller am Produktions- und Verteilungsprozess beteiligten Personen im Grundsatz erhalten blieb, bedrohte den mit der Pressefreiheit gewährten Spielraum. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kehrte man sogar teilweise zum Teil wieder zur strengeren Kontrolle zurück, insbesondere zur Zensur. In der Weimarer Zeit schließlich lebten viele Formen der mittelbaren Kontrolle weiter, obwohl die Verfassung von 1919 die Pressefreiheit erneut als Grundrecht fixiert hatte. Der Vorrang des Verfassungsrechts vor dem einfachen Gesetz, die Garantie der Grundrechte auch gegen verfassungsändernde oder gar verfassungsdurchbrechende Gesetzgebung – derartige Schutzmechanismen zugunsten von Pressefreiheit und geistigem Eigentum konnten erst nach dem Zweiten Weltkrieg wirkungsvoll etabliert werden36. Mit diesen Sätzen kehren wir zu den Bemerkungen zurück, die diesen Beitrag eingeleitet haben.

35  Zum Presserecht nach 1914 vgl. man die einschlägigen Artikel bei Sösemann (Hrsg.), Kommunikation (Fn.  6). Zum neueren Urheberecht sind jetzt noch heranzuziehen: Ralf-M. Vogt, Die urheberrechtlichen Reformdiskussionen in Deutschland während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2004; Catharina Maracke, Die Entwicklung des Urhebergesetzes von 1965 (Schriften zur Rechtsgeschichte 99), Berlin 2003. 36  Man vgl. insbesondere Rainer Wahl, Der Vorrang der Verfassung, in: Der Staat 20 (1981), S. 485–516; auch in: ders., Verfassungsstaat (Fn. 5), S. 121–160 (ebenda noch andere einschlägige Studien). Im Übrigen sei verwiesen auf: Christian Starck (Hrsg.), Rangordnung der Gesetze (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Phil.-Hist. Klasse 3. Folge Nr. 210), Göttingen 1995.

Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive* I. Einleitung Am Nachmittag des 15.  Mai 1823 hat Goethe in einem Gespräch, das auch den Nachdruck berührt hat, folgenden gern und oft zitierten Satz gesagt1: „Wer keinen Geist hat, glaubt nicht an Geister und somit auch nicht an geistiges Eigenthum der Schriftsteller“. Was immer Goethe unter „geistigem Eigenthum“ verstanden hat – sicher ist jedenfalls, dass er den Autor, also den Schriftsteller, als den originären Träger einer Rechtsposition betrachtete, die den Nachdruck als Unrecht erscheinen lassen kann. Goethes Ansicht steht gewiss nicht allein, doch gab es zu seiner Zeit noch oder schon wieder zahlreiche Stimmen, die anderer Meinung waren und die Lehre vom Geistigen Eigentum rundweg abgelehnt haben. Ähnlich liegen die Dinge noch heute. II. Aktuelle Aspekte und ihre historische Dimension (1)  Die Frage, was Geistiges Eigentum eigentlich ist, wird gestellt, seit es die Rechte gibt, die mit dieser Formel erfasst werden sollen2. Und ebenso wie diese Rechte selbst ist auch die Frage nach dem „Eigentümer“, also nach dem Träger dieser Rechte, umstritten, und zwar bis in unsere Tage. *  Für

Arno Buschmann – eine späte Gabe zu einem „runden“ Geburtstag. Der Aufsatz geht auf einen Vortrag zurück, der während des 33.  Deutschen Rechtshistorikertages in Jena 2000 gehalten wurde. 1  Ernst Grumbach (Hg.), Friedrich von Müller. Unterhaltungen mit Goethe. Kritische Ausgabe, Weimar 1956, S.  68: Notiz über ein Gespräch vom 15.  Mai 1823, an dem auch Cotta teilnahm. 2  Allgemein zur aktuellen Diskussion um die Bezeichnung „Geistiges Eigentum“: Volker Jänich, Geistiges Eigentum – eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? (Jus privatum Bd.  66), Tübingen 2002; Cyrill P. Rigamonti, Geistiges Eigentum als Begriff und Theorie des Urheberrechts (Schriftenreihe des Archivs für Urheber- und Medienrecht Bd.  194), Baden-Baden 2001. – Weitere Hinweise bei Haimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 3.  Aufl. Tübingen 2005, bes. Rdnr.  19–23, 99–104.

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Besonders deutlich werden diese Zusammenhänge im Bereich des Urheberrechts und der mit ihm verwandten Rechte. Einige Hinweise müssen genügen, um die Aktualität unserer Frage anzudeuten. Zunächst sei festgehalten, dass in den letzten Jahren immer wieder die Diskussion darüber entflammt ist, ob man neben dem Recht des Urhebers auch ein selbstständiges Recht des Verlegers anerkennen sollte3. Ein solches originäres Recht wäre mit dem geltenden deutschen Urheberrecht schwer vereinbar; es könnte allenfalls als Leistungsschutzrecht ausgebildet werden. Vergleichbare Schutzrechte gibt es ja bereits; man denke etwa an das Recht der Tonträgerhersteller sowie an die Rechte der Produzenten von Filmen oder Datenbanken. Die Diskussion um die Datenbankrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (1996) hat eine ältere, viel grundsätzlichere Debatte in Erinnerung gerufen, die Jahre zuvor ebenfalls auf europäischer Ebene um die unterschiedlichen Ansätze von Urheberrecht und Copyright geführt worden ist4. Das erste Grünbuch der Brüsseler Kommission (1984) hatte sich bekanntlich stark an den englisch-amerikanischen Copyright-Ansatz angelehnt, der traditionsgemäß das Schwergewicht des Schutzes auf das Interesse des Verwerters legt, jenes also, der mit dem wirtschaftlichen Risiko belastet ist. Derartige Diskussionen, die hier nicht weiter verfolgt werden können, fordern auch den Rechtshistoriker heraus, der sich mit der Vor- und Frühgeschichte des Urheberrechts beschäftigt. Dieser Beitrag will sich der Herausforderung stellen. Er kann freilich nur einen Ausschnitt des historischen Geschehens in den Blick nehmen, nämlich die Zeit der Privilegien gegen den Nachdruck. Damit ist eine ungemein weite Zeitspanne angesprochen, die vom Inkunabeldruck bis ins 19.  Jahrhundert reicht. (2)  Soweit es um das Privilegienwesen in der Zeit des Alten Reiches geht, hat es schon in den 60er Jahren eine heftige Kontroverse zwischen Walter Bappert und Hansjörg Pohlmann gegeben5. Bappert hat im Wesent3  Vgl.

etwa Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht (Fn.  2), Rdnr.  475–477. Dietz, Das Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft, in: FriedrichKarl Beier / Alfons Kraft / Gerhard Schricker / Elmar Wadle (Hg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, 2 Bde., Weinheim 1991, hier: II, S. 1445–1484, bes. S. 1479 ff. 5  Einzelheiten bei Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen / Baden-Baden 1995, bes. S.  38  ff., 145  ff.; zu Bappert vgl. man noch: Albrecht Götz von Olenhusen, Wege zum Verlags- und Urheberrecht. Walter Bappert (1894–1985) als Verlagsrechtler und Rechtshistoriker, in: Archiv für Urheber- und Medienrecht (begründet als: Archiv für Urheber-, Film- und Theaterrecht; künftig: UFITA) 2003 III S.  743–767, bes. S.  759  ff. 4  Adolf



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lichen die ältere Position verteidigt, wonach der Schutz durch Privileg an der Drucklegung anknüpfe, mithin der Leistung des Druckers oder Verlegers gelte. Pohlmann hingegen meinte, letztlich stehe der Schöpfungsakt des Autors im Zentrum, der Privilegienschutz habe nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die ideellen Interessen des Autors berücksichtigen wollen. Die ausgetauschten Argumente sind vielfach erörtert und gewichtet worden. Heute kann man zum Stand der Dinge folgendes festhalten: Auf der einen Seite ist zu vermerken, dass zahlreiche weiterführende Arbeiten erschienen sind. Sie haben uns allgemeinere Aspekte zum Privilegienwesen insgesamt neu erschlossen; zu verweisen ist insbesondere auf die von Barbara Dölemeyer und Heinz Mohnhaupt veranstalteten Tagungen, deren Ergebnisse in zwei stattlichen Bänden vorliegen6. Und auch zu den hier besonders interessierenden Privilegien gegen den Nachdruck ist manche neue Arbeit hinzugekommen. Es fehlen allerdings immer noch genauere Studien zur Erteilungspraxis und zum Umgang mit erteilten Privilegien. Rein statistische Erwägungen helfen nur wenig weiter, wenngleich man nicht verkennen sollte, dass Pohlmanns Listen über das Verhältnis von Autorenprivilegien einerseits und Verlegerprivilegien andererseits die Diskussion seinerzeit erst entfacht haben. Auf der anderen Seite jedoch wird man den Eindruck nicht los, dass größere Gewissheit in der aufgeworfenen Frage noch nicht gewonnen worden ist. Der wichtigste Grund dürfte darin liegen, dass man die Vielschichtigkeit des Privilegienwesens nicht immer in hinreichender Weise bedacht hat7. 6  Barbara Dölemeyer / Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich  Bde. 1, 2 (Ius Commune, Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 93 u. 125), Frankfurt a. M. 1997 / 1999. Man vergleiche auch die einschlägigen Beiträge in: Heinz Mohnhaupt, Historische Vergleiche im Bereich von Staat und Recht. Gesammelte Aufsätze (Ius Commune Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 134), Frankfurt a. M. 2000. 7  Zum Folgenden darf hingewiesen werden auf: Hans-Joachim Koppitz, Prager Privilegien Kaiser Rudolfs II., in: UFITA 2003 II S.  347–364 (mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen); im Übrigen seien erwähnt: Elmar Wadle, Vor- oder Frühgeschichte des Urheberrechts? Zur Diskussion über die Privilegien gegen den Nachdruck, in: UFITA Bd.  106 (1987) S.  95–106; ders., Privilegienschutz gegen Nachdruck um 1800 – Der Fall Artaria contra Götz, in: ders. (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa. Entwicklungslinien und Grundfragen (Schriften zur Europäischen Rechts- u. Verfassungsgeschichte Bd.  10), Berlin 1993, S.  33–55; ders., Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1990 S.  51–67; diese Aufsätze auch in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, 2  Bde., Weinheim 1996 / München 2003, hier I, S.  99–128; 145–166. Verf. hofft, im Rahmen eines Projekts weitere Erkenntnisse zur kaiserlichen Privilegienpraxis zu gewinnen.

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Das Privileg ist ein Instrument der Rechtsgestaltung, das zweifelsohne bestimmten allgemeineren Regeln unterliegt; es ist aber außerordentlich vielfältig einsetzbar. Selbst wenn auf bestimmten Feldern der Privilegienpraxis Gewohnheiten entwickelt und sogar zu Regeln verdichtet sein sollten, so bleibt das Privileg doch immer auf den Einzelfall bezogen. Übergeordnete, allgemeine Maßstäbe können im Einzelfall die Überhand gewinnen und die bisherige Übung durchbrechen. Genauer und auf unser Problem hin formuliert bedeutet dies: Nicht nur die Interessen von Verlegern / Druckern oder Autoren bestimmen die Privilegierung in concreto, sondern viele andere Interessen können zusätzlich und entscheidend ins Gewicht fallen, politisch-weltanschauliche Motive ebenso wie merkantilistische oder volkserzieherische Ziele. Diese mögliche Vielfalt sollte man nicht vorschnell verkürzen auf die Alternative Autor oder Verleger, Werkschöpfer oder Werkverwerter. Das zeigt schon die Tatsache, dass es Privilegien gibt, die sich in das Pohlmann’sche Alternativschema nicht recht einsortieren lassen. Als Beispiele seien die Generalprivilegien für Ordensgemeinschaften und die Privilegien für Verleger von Kalendern und Zeitschriften genannt. Bei der ersten Gruppe bleibt meist unklar, ob die Ordensangehörigen als Autoren oder der Orden selbst als Verwerter begünstigt werden sollten; und bei der zweiten Gruppe darf man den schöpferischen Beitrag von Druckern und Verlegern keineswegs übersehen. Es kommt hinzu, dass der für das Privilegienwesen relevante Zeitraum insgesamt sehr weit gespannt ist: Man sollte nicht unterstellen, dass die für Nachdruckprivilegien maßgeblichen Überlegungen über rund 350 Jahre hinweg dieselben geblieben und überdies noch mit demselben Gewicht eingesetzt worden sind. Will man angesichts solcher Vorgaben weiterkommen, so bleibt letztlich nur der Versuch, möglichst viele zeitlich und räumlich enger begrenzte Segmente der Privilegienpraxis gründlicher zu erkunden. Versucht man dies, so türmen sich die Probleme. Auf jedem Segment trifft man auf eine Unzahl von Einzelfällen, die sich oft kaum durchschauen lassen. Wie schwer es ist, aus der Kenntnis dieser Einzelfällen verallgemeinernde Folgerungen zu ziehen, weiß jeder, der einmal versucht hat, dem disparaten Archivmaterial zuverlässige Informationen abzutrotzen. Im Folgenden soll demonstriert werden, wie und mit welchen Erfolgschancen man einen kleineren Ausschnitt aus dem weiten Themenfeld angehen könnte.



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III. Die Spätphase des Nachdruckprivilegs (1)  Die letzte Epoche der Privilegienpraxis im deutschen Rechtsraum lässt sich etwa durch die Jahreszahlen um 1770 und 1870 markieren. Sie ist gekennzeichnet durch zwei sich überlappende Tendenzen. Diese Entwicklungslinien hat Ludwig Gieseke im Titel seines Buches8 angedeutet, zu dem heute jeder greift, der über die Geschichte des Urheberrechts schreiben möchte. In der Formel „Vom Privileg zum Urheberrecht“ scheint die ganze Breite der im späten Privilegienwesen herrschenden Problematik auf. Der Titel verweist nämlich zum einen auf den Weg vom Privileg zum gesetzlich fundierten Schutzrecht; damit sind die Mittel angesprochen, die den Schutz ermöglichen, nämlich Privileg und Gesetz. Zum anderen verweist der Titel auf die inhaltlichen Aspekte des Schutzes, insbesondere auf den Inhaber des Schutzrechts; sie führen von der großen Vielfalt des älteren Privilegienwesens hin zum Schutz des Autors, mithin zu einer am Urheberprinzip ausgerichteten Gesetzgebung. Der Weg vom Privilegienschutz im Alten Reich über eine Gesetzgebung gegen den Nachdruck bis hin zum Urheberrecht ist außerordentlich facettenreich. (2)  Festzuhalten ist zunächst, dass die Gesetzgebung des noch jungen Deutschen Reiches einen Schlusspunkt markiert, indem sie einerseits dem Urheberprinzip zum Durchbruch verholfen und andererseits dem Privilegienschutz ein eindeutiges Ende bereitet hat: Die Gesetze der Jahre 1870 und 1876 untersagen ausdrücklich den Erlass von Privilegien im Bereich des Nachdruckschutzes9. Zuvor ist dies nicht mit der gleichen Grundsätzlichkeit geschehen. Überblickt man den Zeitraum seit etwa 1770 im Ganzen, so lassen sich zwei Entwicklungsphasen ausmachen, die durch Ereignisse des Jahres 1837 abgeschlossen bzw. eröffnet worden sind, nämlich den Beschluss der Bundesversammlung von 7. November 1837 und das wenig ältere, aber erst im Dezember verkündete preußische Gesetz vom 11. Juni 183710. Im Bundes8  Vgl.

Fn.  5. des Gesetzes vom 11. Juni 1870 „betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken“; Bundesgesetzblatt S.  339  ff. – §  19 des Gesetzes vom 9. Januar 1876, „betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste“; Reichsgesetzblatt S.  4  ff. 10  Text bei: Hermann Th. Schletter (Hg.), Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten, nebst geschichtlicher Einleitung, Leipzig 1846, S.  3  ff., S.  18  ff.; Ch. F. M. Eisenlohr (Hg.), Sammlung der Gesetze und internationalen Verträge zum Schutze des literarisch-artistischen Eigenthums in Deutschland, Frankreich und England, Heidelberg 1856, S. 2 ff., S. 54 ff. – Näheres bei: Elmar Wadle, Das preußische Urheberrechtsgesetz von 1837 im Spiegel seiner 9  §  60

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beschluss ist zwar – ähnlich wie in der Bundesakte selbst (Art. 18 d: „Rechte der Schriftsteller und Verleger“) und in einem Bundesbeschluss von 1832 („Schriftsteller, Herausgeber und Verleger“) – von „Urhebern, Herausgebern und Verlegern“ (Art.  3 und 4) die Rede. Die entscheidenden Artikel 1 und 2 stellen aber den Vorrang des Autors dadurch sicher, dass zugunsten des Urhebers, also des Werkschöpfers, ein originäres Recht an seinem Werk – Art. 2: spricht von „Eigenthum des literarischen oder artistischen Werkes“ – statuiert wird, das von anderen nur durch Übertragung erworben werden kann. Fortan soll in den Staaten des Deutschen Bundes das Urheberrechtsprinzip („Schöpferprinzip“) gelten und für andere Personen als den Urheber selbst, also namentlich den Verleger, grundsätzlich nur ein derivativer Rechtserwerb in Betracht kommen. Das preußische Gesetz von 1837 hat die Entscheidung im Bund vorbereitet und zugleich weitergeführt; es nennt sich in bezeichnender Weise „Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ und statuiert bereits in § 1: „Das Recht, eine bereits herausgegebene Schrift ganz oder teilweise von neuem abzudrucken oder auf irgend einem mechanischem Wege vervielfältigen zu lassen, steht dem Autor derselben oder denjenigen zu, welche ihre Befugnis dazu von ihm herleiten“. Trotz dieser eindeutigen Neuorientierung am Urhebergedanken wird weder durch den Bundesbeschluss noch durch das preußische Gesetz die Erteilung von Privilegien für die Zukunft untersagt: Art.  3 des Bundesbeschlusses erlaubt im Einzelfall die an sich vorgesehene Zehnjahresfrist auf eine Dauer von insgesamt zwanzig Jahren auszudehnen, lässt mithin im Einzelfall eine Privilegierung einzelner Urheber, Herausgeber oder Verleger zu. Im Gegensatz dazu vermeidet das preußische Gesetz eine Aussage zur Privilegierung, verzichtet aber auch auf ein ausdrückliches Privilegierungsverbot. (3)  Die älteren Gesetze gegen den Nachdruck11 hatten, soweit sie überhaupt vorhanden waren, vielfach noch offen gelassen, wem das Verbotsrecht ursprünglich erwachsen sollte. Zumeist war nur sichergestellt, dass derjeniVorgeschichte, in: R. Dittrich (Hg.), Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es? Wurzeln, geschichtlicher Ursprung, geistesgeschichtlicher Hintergrund und Zukunft des Urheberrechts (Österreichische Schriftenreihe zum gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Medienrecht = ÖSGRUM 7), Wien 1988, S.  55–98; ders., Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht, in: ZRG GA 106 (1989), S.  189–237; beide Aufsätze auch in: ders., Geistiges Eigentum I (Fn.  7), S.  167–265. 11  Dazu vor allem Gieseke, Vom Privileg (Fn.  5), S.  150  ff., 188  ff.; Martin Vogel, Grundzüge des Urheberrechts in Deutschland vom letzten Drittel des 18.  Jahrhunderts bis zum preußischen Urheberrechtsgesetz vom 11. Juni 1837, in: Dittrich (Hg.), Woher kommt das Urheberrecht (Fn.  10), S.  117–134.



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ge ein Recht gegen den Nachdruck habe sollte, der den Druck veranlasst hatte, also in der Regel der Verleger. Die Frage, welche Rechtsposition dem Autor zustehen sollte, blieb zumeist im Ungewissen, zum Teil wurde sie nur sehr allgemein angesprochen. Dies gilt etwa für das kursächsische Mandat von 1773, das vom „rechtmäßigen“ Verleger spricht und damit auf die vertragliche Beziehung zum Autor anspielt. Ähnlich war die Lage im Preußischen ALR, das lediglich den Verlagsvertrag regelte und das Nachdruckverbot an das durch diesen Vertrag begründete „Verlagsrecht“ anknüpfte. Ob dieses Verlagsrecht letztlich ein originäres Recht, eine Art „Urrecht“ des Autors voraussetzte oder nicht, war in der Diskussion vor 1837 immer wieder umstritten gewesen. Dieser Befund bedarf freilich einer Ergänzung: Einige deutsche Staaten hatten, dem Vorbild Frankreichs folgend, das Recht des Urhebers anerkannt und normiert, so etwa das Großherzogtum Baden und das Herzogtum Nassau12. (4)  Die grundsätzliche Neuorientierung der deutschen Gesetzgeber nach dem Jahr 1837 ist zwar durch die Bereitschaft geprägt, dem Urhebergedanken zu folgen; er wurde jedoch nicht lückenlos und nicht überall zum alleinigen Zweck des Schutzes erhoben. Insgesamt kann man festhalten, dass nach dem Wendejahr 1837 eine Neuorientierung der deutschen Gesetzgeber am Recht des Urhebers überwiegt. (5)  Wenden wir uns nach diesem Blick auf die Gesetzgebung wieder der Geschichte des Privilegienwesens zu, so ist zunächst zu konstatieren, dass weder vor 1837 noch danach der Schutz durch Privileg ausgeschlossen war. Für diejenigen Staaten, die noch keinen gesetzlichen Schutz kannten, blieb der Ausweg der Privilegierung ohnehin offen. Doch auch jene, die den Urheberschutz gesetzlich fixiert hatten, konnten sich der Privilegierung bedienen, soweit dieser Weg nicht verfassungsrechtlich verschlossen war. Diese Situation erlaubt es, die Frage nach dem Träger der Schutzrechte auch im Blick auf die Privilegienpraxis zu stellen. Da die Privilegien gegen den Nachdruck den Begünstigten in der Regel eindeutig nennen, erscheint es sinnvoll, die für die Gesetzgebung ausgemachte Tendenz einer Neuausrichtung des Nachdruckschutzes auch auf die Privilegienpraxis zu beziehen. Die Frage ist also, ob man den „Paradigmenwechsel“ im Nachdruckschutz 12  Zu Baden vgl. man die Hinweise in Fn.  19. – Zu Nassau ausführlich: Paul Kaller, Druckprivileg und Urheberrecht im Herzogtum Nassau. Zur Bedeutung des Edikts über die Pressefreiheit von 1814, Frankfurt a. M. 1992. – Näherer Untersuchung bedürfte das Regelwerk im Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 (§§  1164–1171) und dessen Nähe zu den Vorschriften des Preußischen Allgemeinen Landrechts (I §§  996–1036); Hinweise bei Gieseke, Vom Privileg (Fn.  5), S.  186  ff., 194  ff.

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von einer zweiten Ebene her bestätigen kann, ob er, mit anderen Worten, auch im Privilegienwesen der Spätzeit einen Niederschlag gefunden hat. Um allen Fragen nach der Privilegienkompetenz einzelner Fürsten in der Spätzeit des Alten Reichs aus dem Wege zu gehen, beschränkt sich die weitere Erörterung auf die Zeit nach dem Wiener Kongress, der allen noch vorhandenen Staaten und Freien Städten die Souveränität zugesprochen hat. Alle im Deutschen Bund vereinigten souveränen Einheiten kommen als Aussteller von Nachdruckprivilegien in Betracht. Darüber hinaus kommt das Privile­ gienwesen auch in den Diskussionen zur Sprache, die nach 1817 auf Bundesebene geführt worden sind. Beide Ebenen, die Ebene der Einzelstaaten und die Ebene des Bundes, sollen im Folgenden angesprochen werden. IV. Das Privilegienwesen in einzelnen deutschen Staaten (1815–1866) (1)  Es liegt auf der Hand, dass die Ebene der „Bundesstaaten“13 nur anhand einzelner Beispiele erörtert werden kann. Die Staaten, in denen das Druck- oder Buchgeschäft florierte, sind hier von besonderem Interesse. Die meisten dieser „Glieder“ des Deutschen Bundes haben in der Zeit vor den gemeinsamen Beschlüssen im Deutschen Bund (1832, 1835, 1837) früher oder später über gesetzliche Normen zum Schutz gegen Nachdruck verfügt, so etwa Preußen (1794), Baden (1806, 1810), Bayern (1813) und Württemberg (1815); nur wenige haben vor 1837 auf jede allgemeine Regelung verzichtet, so namentlich Österreich und die Freie Stadt Frankfurt14. Da die 13  So eine der zeitgenössischen Bezeichnungen vgl. etwa die Art.  6, 16, 17, 18 der Deutschen Bundesakte v. 8. Juni 1815; daneben begegnet auch die Bezeichnung „Bundesglieder (Bundes-Glied)“, vgl. Art.  3, 5, 8, 11, 12, 19. 14  Die Entwicklung in Österreich ist bis 1840 / 1846 geprägt durch das Festhalten an der Verknüpfung von Nachdruckschutz (mittels Privileg) und Zensur. Hierzu vgl. man Herbert Hofmeister, Die Entwicklung des Urheberrechts in Österreich vom aufgeklärten Absolutismus bis zum Jahre 1895, in: Dittrich (Hg.), Woher kommt das Urheberrecht (Fn. 10), S. 135–146; ders., Der österreichisch-sardinische Urheberrechtsvertrag von 1840, in: R. Dittrich (Hg.), Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes im Lichte seiner Geschichte (ÖSGRUM 9), Wien 1991, S.  239–251; Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: H. Reinalter (Hg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830 bis 1848 / 49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ Bd.  32), Frankfurt a. M. 2002, S.  229–249; auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  7), S.  241–256; ders., Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck, in: P. Thorau u. a. (Hg.), Regionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäschke, Wien 2003, S. 231–245; ders., Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer „Organisation des Deutschen Buchhandels“ – Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: B.-R. Kern u. a.



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als Ersatz oder Ergänzung fungierende Privilegienpraxis für diese Staaten nur zum Teil aufgearbeitet ist, beschränken sich die folgenden Überlegungen auf einige Bemerkungen zu Württemberg und Bayern, um anschließend etwas ausführlicher auf Baden und Preußen einzugehen. (2)  Württemberg hat das Privilegienwesen bis ins Vorfeld des Bundesbeschlusses von 1837 verteidigt15. Zwar bestand seit 1815 ein besonderes Reskript für die Schutzvergabe im Einzelfall. Dieses Regelwerk brachte die Bedingungen für die Erteilung von Nachdruckprivilegien aber nur auf den neuesten Stand. Es änderte nichts an den herkömmlichen Prinzipien. Der Schutz der Gnadenbriefe knüpfte in hergebrachter Weise an der Drucklegung an; die Privilegierung stand zwar auch dem Autor offen, aber nur in seiner Eigenschaft als Selbstverleger. In der Präambel des maßgeblichen königlichen Reskripts von 1815 heißt es: „Um das Interesse der Schriftsteller, welche eine von ihnen verfasste Schrift entweder selbst oder durch einen anderen herausgeben, mit dem Interesse unserer Unterthanen in Absicht auf die Beförderung der Geistesbildung, und mit der ihnen gebührenden Gewerbsfreiheit zu vereinigen, haben wir uns bewogen gefunden …“ (Hg.), Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70.  Geburtstag, Heidelberg 2006, S.  431–457; die beiden Aufsätze auch in diesem Band S. 163–180, 245–273. Die Entwicklung des Nachdruckschutzes in Sachsen stellt einen Sonderfall dar: Einerseits wurde schon im Laufe des 18.  Jahrhunderts ein Regelwerk gegen den Nachdruck entwickelt, das sich besonders an den Interessen der Leipziger Buchhändler und Verleger orientierte. Andererseits hemmte diese Ausrichtung in der Zeit des Deutschen Bundes die Entfaltung des Urheberprinzips. Noch das „Gesetz zum Schutz der Rechte an den literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst betreffend“ v. 22. Februar 1844 (Schletter, Handbuch vgl. Fn. 10, S. 37 ff.) orientiert sich am Vervielfältigungsrecht, das einerseits „ausschließlich dem Urheber selbst und seinen Rechtsnachfolgern“ zustehen soll, aber andererseits als „ein auf Andere übertragbares Vermögensrecht“ lediglich der wirtschaftlichen Verwertung („zum Gelderwerbe“) durch Buchhandlung und Verlegerschaft dienen soll; von sonstigen schützenswerten Positionen des Urhebers ist nicht die Rede; zu diesem Gesetz vgl. jetzt noch Rainer Nomine, Vestigia terrent: Zur Entstehung des sächsischen Gesetzes, den Schutz der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst betreffend, vom 22. Februar 1844, in: UFITA 2007 II S. 481  ff. 15  Texte bei Schletter, Handbuch (Fn.  10), S.  53  ff.; Eisenlohr, Sammlung (Fn.  10), S.  92  ff. – Näheres dazu bei Elmar Wadle, Württembergische Nachdruckprivilegien für einen Berliner Verlag. Eine Fallstudie zur Privilegienpraxis im 19.  Jahrhundert, in: F. Dorn / J. Schröder (Hg.), Festschrift für Gerd Kleinheyer zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2001, S.  523–537; auch in: Geistiges Eigentum II (Fn.  7), S.  207–218; Thomas Gergen, Das württembergische Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck im 19.  Jahrhundert und die Privilegien zugunsten der Schillererben, in: UFITA 2006 I, S.  189–227; ders., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund, Berlin 2007.

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Privilegien für Autoren oder für Verleger?

Was auf den ersten Blick noch wie eine Betonung des Autoreninteresses aussehen mag, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als traditionelles Denken. Privilegien konnten dem Verleger wie dem Schriftsteller gewährt werden. Die Praxis der Privilegienvergabe macht überdies deutlich, was entscheidend sein sollte: Die zahllosen Anträge, die in Stuttgart eingegangen sind, wurden erst entschieden, nachdem man sich der Gründe für die Erteilung eines Privilegs vergewissert hatte; zuständige Gremien hatten alle relevanten Aspekte zu prüfen, diese reichten von Nützlichkeit und Qualität bis hin zu pädagogischen Zielen und zur Preisgestaltung. Für solche Gutachten bediente man sich seit 1818 vor allem des beim Innenministerium angesiedelten „Königlichen Studienrathes“. Dies bedeutet, dass der könig­ liche Gnadenbrief einer Rechtfertigung bedurfte, die sich nicht auf das Schriftsteller- oder Verlegerinteresse beschränkte. Württemberg hat seine Privilegienpraxis zwar an die seit 1832 auf Bundesebene sich wandelnde Rechtslage angepasst; im Kern hat es aber an älteren Vorstellungen und Verfahren festgehalten. Durch ein provisorisches Gesetz hat man 1836 „den von Angehörigen eines im deutschen Bunde begriffenen Staats verfassten oder verlegten Schriften“ Schutz gegen den Nachdruck für sechs Jahre gewährt, „wie wenn denselben … ein besonderes Privilegium deshalb verliehen worden wäre“. Autoren und Verleger sind dabei immer noch gleichrangig aufgeführt. Allerdings wurden Verfasser und Verleger, wenn sie Angehörige anderer deutscher Staaten waren, gegenüber den Württembergern bevorzugt: Jene waren generell geschützt, diese brauchten nach wie vor ein Privileg, dessen Verleihung von der üblichen Prüfung und Entscheidung im Einzelfall abhängig blieb. Das Gesetz vom 17.  Oktober 1838 ging einen Schritt weiter und sprach auch den eigenen Untertanen in gleicher Weise generell Schutz zu. Das System der Einzelfallbegünstigung wurde beseitigt; weiterreichende ältere Privilegien blieben aber erhalten. Eine inhaltliche Neuausrichtung des Schutzes gegen Nachdruck fand bei alledem nicht statt: Der Schutz wird zwar generell gewährt, Autor und Verleger stehen aber immer noch auf einer Ebene. Erst durch das Gesetz vom 24. August 1845 stellte das Königreich den Nachdruckschutz auf das Urheberprinzip um: Fortan war der Schutz für alle im Deutschen Bund erschienenen „schriftstellerischen und künstlerischen Erzeugnisse … auf die Lebensdauer des Urhebers eines solchen Werkes und auf dreißig Jahre vom Tode desselben ausgedehnt“ (Art. 1). Die Tatsache, dass Württemberg Beschlüsse der Bundesversammlung zur Fristverlängerung im Sinne des Bundesbeschlusses von 1837 nicht durch Privilegien, sondern durch ein allgemeines Gesetz (1838) realisiert hat, macht freilich deutlich, dass man auf das alte Privilegiensystem verzichtet hatte.



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Schaut man auf die Privilegienpraxis vor 1845, so bestätigt sich die früher herrschende Ambivalenz. Soweit Privilegien überhaupt noch erteilt werden, stehen Autor und Verleger auf derselben Stufe. Württemberg hat die Frage, wer denn eigentlich Eigentümer des Rechts gegen Nachdruck sein könne, recht gleichmäßig beantwortet und zwar im Sinne der Äquivalenz beider Seiten. Man hat in Stuttgart lange an den 1815 niedergelegten Prinzipien festgehalten; im Bereich der Trägerschaft wurde auf der Ebene der Gesetzgebung ebenso wenig prinzipiell geändert wie im Bereich des Privilegienwesens. (3)  Das Königreich Bayern16 stand, wohl unter dem Eindruck des französischen Vorbildes in der Ära des Reformers Montgelas, dem Urheberschutz offener gegenüber. In der Gesetzgebung der Reformzeit kam diese Haltung allerdings nicht mit gleicher Eindeutigkeit zur Geltung. Lediglich im Strafgesetzbuch von 1813 ist eine Schutznorm (Th.  I §  397) zu finden, deren Unzulänglichkeit in der Praxis bald deutlich wurde. Wo im Einzelfall ein ergänzender Schutz geboten schien, schuf man Abhilfe durch Privilegierung. Diese Praxis weist eine ähnliche Offenheit auf wie jene im Königreich Württemberg. So kann es auch nicht verwundern, dass Bayern im Kontext der Diskussion um den 1819 in der Bundesversammlung formulierten Entwurf zum Urheberrecht ebenso wie Württemberg ein allgemeines Regelwerk über die Erteilung von Privilegien befürwortet hat17. Als mit dem Bundesbeschluss von 1837 ein neuer Rahmen zur Verfügung stand, schwenkte Bayern früher als Württemberg, nämlich bereits mit dem Gesetz vom 15.  April 1840, auf die Präferenz des Urheberschutzes ein, ohne auf die Möglichkeit einer Privilegierung eines Autors im Einzelfall zu verzichten (Art.  IV). Erst mit dem Gesetz von 1865, das den von einer Bundeskommission vorbereiteten gesamtdeutschen Entwurf in Bayern umsetzte18, wur16  Gesetzestexte bei: Schletter, Handbuch (Fn.  10), S.  30  ff.; Eisenlohr, Sammlung (Fn. 10), S. 13 ff. – Eingehender zur bayerischen Entwicklung: Hermann Meyer, Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland unter spezieller Berücksichtigung Bayerns und die rechtliche Natur des Urheberrechts, Bayreuth 1923; Rudolf Greisbacher, Die Entwicklung des Gewerblichen Urheberrechts in Bayern von der Zeit des Privilegs bis zur Reichsgesetzgebung, iur. Diss. (Masch.) Erlangen 1948; Egon Friedrich Hoffmann, Der urheberrechtliche Privilegienschutz in Bayern, iur. Diss. (Masch.) München 1953; Andreas Feld, Das bayrische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck vom 15. April 1840. Vorgeschichte und Zustandekommen, Frankfurt a. M. 2007. 17  Dazu Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819. Näheres zur Haltung einzelner Bundesstaaten, in: UFITA 138 (1999), S. 153– 181; auch in: ders., Geistiges Eigentum II (Fn.  7), S.  221–239, bes. S.  230  ff. 18  Gustav Mandry, Das Urheberrecht an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst. Kommentar zum Königlich-Bayrischen Gesetz v. 28. Juni 1865, Erlangen

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de die Möglichkeit der Privilegienerteilung aufgehoben. Bayern hat damit das modernere Urheberrechtssystem der späteren Reichsgesetze vorweggenommen. (4)  Angesichts dieser Befunde gewinnt die Frage an Bedeutung, ob diejenigen Staaten anders vorgegangen sind, die ihre Gesetzgebung schon vor 1815 am Urheberprinzip ausgerichtet hatten oder wenigstens bei den Auseinandersetzungen nach 1815 deutlich erkennen ließen, dass sie diesem Prinzip folgen möchten. Als Beispiele sollen hier Baden und Preußen etwas näher betrachtet werden. (5)  Zu den ersten gesetzgeberischen Maßnahmen, die das gerade souverän gewordene Großherzogtum Baden19 getroffen hat, zählt die Verordnung gegen den Nachdruck vom 8.  September 1806. Diese Verordnung gewährte inländischen „Privatschriftstellern“ und ihren inländischen Verlegern allgemein einen lebenslangen Schutz gegen Nachdruck. Dagegen brauchten „inländische Verleger von Werken ungenannter oder ausländischer Autoren“ ein Privileg; gleichgestellt waren ausländische Verleger, letztere freilich nur, wenn eine Gegenseitigkeit des Schutzes gegeben war. Dieses reichlich komplizierte Regelwerk wurde durch die Bestimmungen des Landrechts vom 1. Januar 1810 überlagert; die einschlägigen Landrechtssätze (577da–577dh) waren trotz der auffälligen Verwendung des Begriffs „Schrifteigentum“ eher persönlichkeitsrechtlich orientiert, indem sie den Schriftsteller zum Angelpunkt des Schutzes erklärten: „Jede niedergeschriebene Abhandlung ist ursprüngliches Eigenthum dessen, der sie verfasst hat“. Das Verhältnis beider Regeln zueinander, also der Verordnung von 1806 einerseits und der Regeln des Badischen Landrechts andererseits, blieb lange Zeit ungeklärt. Einigkeit bestand allerdings schon früh darüber, dass auch nach 1810 Schutzlücken bestanden. Dies gilt zunächst für die zeitlichen Grenzen; der Schutz war auf die Lebenszeit des Schriftstellers beschränkt. Für diese Grenze sah schon das Landrecht selbst die Möglichkeit einer Verlängerung durch Privileg vor. 1867. Zur Vorgeschichte vgl. man Elmar Wadle, Der Frankfurter Entwurf eines deutschen Urheberrechtsgesetzes von 1864, in: UFITA 120 (1992), S.  33–55, auch in: ders., Geistiges Eigentum I (Fn.  7), S.  309–326. 19  Die badische Gesetzgebung ist zusammengestellt bei Schletter, Handbuch (Fn.  10), S.  60  ff.; Eisenlohr, Sammlung (Fn.  10), S.  9  ff. – Allgemeine Übersicht bei Gieseke, Vom Privileg (Fn.  5 S.  191  ff.; Einzelheiten zur Privilegienerteilung sind badischen Akten im Generallandesarchiv Karlsruhe (= GLA) entnommen, insbesondere: GLA 233 / 157, 3100, 3157, 3158, 3161, 27594, 27596; 234 / 727, 7309; 236 / 156, 158, 161, 168, 176, 180, 186, 189, 190, 192, 199, 210, 211, 5745, 5746, 5748; 237 / 141, 146. – Der Verf. verdankt zahlreiche Hinweise Herrn Rechtsanwalt Dietmar Funk, der eine Gesamtdarstellung des Nachdruckschutzes im Großherzogtum vorbereitet.



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Andere Mängel zeigten sich erst in der Praxis und konnten dann ebenfalls durch Privilegien geschlossen werden: Dies galt vor allem für den Schutz von Darstellungen der bildenden Künste, die weder als Werk eines „Schriftstellers“ im Sinne der Verordnung noch als „Schrifteigentum“ im Sinne des Landrechts gelten konnten. Auch der Schutz ausländischer Autoren und Verleger bot Probleme, da die Regeln der Verordnung von 1806 weiterhin angewendet werden mussten, was sich allerdings erst später herausstellte. Angesichts dieser Situation kann es nicht verwundern, dass wir nach 1806 bzw. 1810 immer wieder Privilegien antreffen, die solche Lücken schließen sollen: Alle drei Anlässe sind bei der Privilegierung maßgeblich; wir finden die Verlängerung des Schutzes über den Tod hinaus, den Schutz zugunsten „nichtschriftstellerischer“ Werke und den Schutz von Werken ausländischer Verleger oder Autoren. Gelegentlich konnten diese Motive auch zusammentreffen. Doch damit nicht genug: Es werden Privilegiengesuche auch unter zusätzlichen Gesichtspunkten wie Qualität und Nützlichkeit des Werkes oder Berühmtheit des Autors bewertet. Man gewinnt jedoch den Eindruck, dass solche Erwägungen im Laufe der 20er Jahre stärker in den Hintergrund getreten sind. Eine Prüfung derartiger Aspekte durch ein besonderes Gre­ mium, wie es in Württemberg überliefert ist, gab es in Baden nicht. Im Übrigen verfuhr man bisweilen sehr großzügig: Einige wenige Privilegien wurden erteilt, obwohl im Gesetz genannte Voraussetzungen gar nicht erfüllt waren. In anderen Fällen wiederum war die Privilegierung angesichts des Schutzes durch das geltende Recht schlichtweg überflüssig und dennoch wurde ein Schutzbrief erteilt. Privilegierungen, die im Gesetz angelegt waren, betrafen namentlich die Werke ausländischer Autoren und Verleger. So verlangte die Verordnung von 1806, wie erwähnt, eine Gegenseitigkeit. Mit dem Nachweis einer solchen Gegenseitigkeit ging man aber außerordentlich großzügig um. So wurde 1806 beim Privileg zugunsten des Zürcher Buchhändlers Gessner für die von Wieland übersetzten Briefe Ciceros auf jeden qualifizierten Nachweis verzichtet. Überdies spielten im Rahmen dieses Erteilungsverfahrens nur die Verlegerinteressen eine gewisse Rolle; außerdem herrschte der Gedanke vor, man könne durch das Privileg der Wissenschaft dienen. Dabei klingt nichts an, was man als urheberrechtlichen Ansatz bewerten könnte. Gleiches gilt für ein Privileg aus dem Jahre 1810, das für die bei Cotta in Tübingen erschienenen Werke Johannes von Müllers von dem in der Schweiz lebenden Bruder des Autors erbeten wurde. Ähnliches gilt schließlich für das 1817 für Pestalozzi ausgestellte Privileg; es war sogar ohne Antrag des Autors oder seines Verlegers gewährt worden; man hat es geradezu als eine Art Orden verstanden.

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Manches Privileg war angesichts der Rechtslage – wie schon erwähnt – eigentlich überflüssig, wurde aber gleichwohl erteilt. So gab es 1806 ein Privileg für den Heidelberger Professor Schreiber und dessen neu aufgelegte Beschreibung von Baden. 1809 erteilte man dem Heidelberger Wissenschaftler Graimberg ein Privileg für seine Grammatik, die bei einer ortsansässigen Buchhandlung verlegt werden sollte. In beiden Fällen war angesichts des gesetzlichen Schutzes gar kein Privileg erforderlich; trotzdem hat man es erteilt. Später scheint man zurückhaltender agiert zu haben. Schon 1818 wird das Privileg eines badischen Autors abgelehnt, weil er angesichts der geltenden Regeln hinreichend geschützt sei. Die Argumentation kehrt später wieder, nämlich im Jahre 1832, als durch Bundesbeschlüsse die Rechtslage zugunsten von Angehörigen anderer deutscher Staaten verbessert worden war. Jetzt hat man auch die Privilegien zugunsten von Bürgern anderer Bundesstaaten für überflüssig erklärt. So wurden 1833 ein Gesuch des bayerischen Autors Allioli und 1834 der Antrag zum Privileg für eine bei Cotta geplante Ausgabe von Werken Uhlands abgelehnt. Allerdings konnten neben der Ausländereigenschaft noch andere Gründe für ein Privileg sprechen, so etwa die Tatsache, dass der ausländische Autor verstorben war und seine Erben eine Schutzverlängerung beantragt hatten. Hierunter fallen etwa auch die Privilegienkampagnen zugunsten der Erben Jean Pauls, Herders, Wielands, Schillers und Goethes. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen, das seit der Mitte der 20er Jahre häufiger beobachtet wird. Badische Autoren suchten bereits zu ihren Lebzeiten um Privilegien nach, um sich eine Laufzeit zu sichern, die über den Tod hinausreichte. Das Innenministerium, das für die Privilegienvergabe federführend war, meinte dazu am 1. Dezember 182620: „Seitdem S. königl. Hoheit einigen ausgezeichneten teutschen Schriftstellern oder deren Erben Gnadenbriefe gegen den Nachdruck huldreichst ertheilt haben, häufen sich solche Gesuche vorzüglich auch von Seiten inländischer Schriftsteller, welche wohl einzig dabey von der Betrachtung geleitet werden können, daß ihr sogenanntes Schrifteigenthum auf die unbestimmte Lebensdauer des Verfassers landrechtlich beschränkt ist. Obwohl nun hierlands wie überhaupt wenig gedruckt zu werden pflegt, was den Nachdruck zu fürchten hätte, so gibt sich ein Autor doch leicht dieser nicht unangenehmen Besorgnis hin, und findet sein Selbstgefühl durch ein obrigkeitliches, im Regierungsblatt verkündetes Strafgebot gegen den Nachdruck geschmeichelt. Uns scheint es unangemessen, S. Königliche Hoheit mit häufigen Berichten über derartige Privilegien für oft unbedeutende Geistesprodukte zu behelligen, die Regierungsblätter mit einer Reihe von Gnadenbriefen an zu füllen, und sie zulezt 20  GLA

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zu einer eigenen Art von Bücheranzeige benutzen zu laßen. Eine Unterscheidung zwischen ausgezeichneten Werken und minder bedeutenden zu treffen, scheint aber aus verschiedenen Gründen nicht thunlich.

Um Abhilfe zu schaffen regt das Ministerium eine Verbesserung des einschlägigen Landrechtssatzes an, welcher für die Zukunft diese Gesuche um die Verleihung von Gnadenbriefen auf ganz seltene Fälle von selbst beschränken würde. Wenig später heißt es: „Uns scheint es nemlich, daß, will man einmal durch die positive Gesetzgebung die Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck schützen, dem Autor den Genuß der Früchte seines Fleißes und seiner Naturgaben sichern wollte, dies auf eine Weise geschehen müßte, welche die Erreichung dieses Zweckes nicht dem bloßen Zufall anheim gäbe. Daß nun aber jener Schutz auf die ungewisse Dauer des Lebens der Verfasser beschränkt und dadurch der Verlag eigentlich zum Glücksvertrag gemacht würde, rührt nur von dem Gesichtspunkt her, unter welchem der Verfasser des Landrechts die fraglichen Verhältnisse und zwar nach unserer Meinung ganz unpassend gebracht hat.“

Letztlich beanstandet der Autor dieses Vermerks die geltende Rechtslage, die für eine Verlängerung der Frist auf zehn Jahre nach dem Tod des Verfassers ein Privileg verlangte. Im gleichen Schriftstück wird konsequenterweise auch die Frage angesprochen, ob man nicht für Kupferstiche und lithographische Arbeiten eine gesetzliche Regelung treffen sollte, da auch hierfür immer wieder Privile­ gien nachgesucht werden würden. Allerdings sollte diese Frage zuvor durch Sachverständige geprüft werden. Aus dem Gesetzesprojekt, auf das hier nicht weiter eingegangen werden kann, ist nichts geworden. Die Folge war, dass es beim alten System blieb. Die zusätzliche Frist über den Tod des Autors hinaus konnte nur durch Privileg gewährt werden; dies aber erforderte den Antrag des Autors oder seiner Erben und musste außerdem eigens begründet sein. Als der Leipziger Verleger Fleischer im März 1827 ein Gesuch zugunsten der Erben des 1812 verstorbenen Dichters Ernst Wagner einreichte, ließ ihm das Innenministerium eröffnen, „daß, wenn derartige Privilegien bewilligt würden, dieß nur auf Ansuchen der Schriftsteller oder ihrer Erben geschehe“. Als dies nachgeholt wurde, konnte man das Privileg ausstellen. Dass man immer eine zureichende Begründung für das Privileg brauchte, musste auch ein anderer Antragsteller (Schreiber) 1830 erfahren, der als Inländer lediglich ein Privileg ohne nähere Hinweise für dessen Notwendigkeit erbeten hatte; er wurde auf das Landrecht verwiesen. Später scheint man die Dinge wieder großzügiger gehandhabt zu haben, zumal wenn es sich bei den Antragstellern zugleich um Bundesausländer oder die Erben berühmter Autoren handelte.

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Diese Einzelheiten zum badischen Privilegienwesen müssen hier genügen. Es bleibt die Frage, was sie für unser Thema bedeuten. Die Privilegienpraxis zeigt, dass man sich mehr und mehr am vorhandenen gesetzlichen Schutz orientiert hat. Er gab seit 1810 ganz eindeutig dem Autor den Vorrang und auch der Schutz durch Privileg hat sich immer deutlicher am Autorinteresse orientiert. Handelte es sich um Privilegien zur Verlängerung der Schutzfrist über den Tod hinaus, so akzeptierte man seit der Mitte der 20er Jahre nur noch Anträge eines Schriftstellers oder seiner Erben. Dies verweist eindeutig auf eine Akzentuierung der Position des Autors. Die Privilegienstatistik zeigt in dieselbe Richtung. Zwischen 1809 und 1835 wurden 39 Privilegien ausgestellt, davon 28 für Autoren und 11 für Verleger. Von den 11 Verlegerprivilegien liegen 6 vor 1826, von den 28 Autorenprivilegien dagegen nur 2. Im Übrigen kann man festhalten, dass eine besondere Vergünstigung in jedem Falle einer besonderen Begründung bedurfte. An dieser Grundbedingung eines jeden „Gnadenbriefes“ kam niemand vorbei. (6)  Werfen wir zum Vergleich noch einen Blick auf Preußen und seine Privilegienpraxis zwischen 1815 und 183721. In Preußen dienten Privilegien in erster Linie dazu, den gesetzlich gewährten Schutz zu ergänzen. Der Schutz durch Gesetz war freilich nicht einheitlich ausgestaltet, denn bis 1837 galten in den Gebieten des ALR andere Regeln als im Bereich des Rheinischen Rechts. Das Rheinische Recht folgte der französischen Linie vom Geistigen Eigentum und wies das originäre Recht gegen den Nachdruck vorzugehen, dem Autor zu. Das ALR hingegen knüpfte den Schutz am Verlagsrecht an, das im konkreten Fall 21  Elmar Wadle, Der langsame Abschied vom Privileg: Das Beispiel des Urheberrechts, in: Dölemeyer / Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg I (Fn.  4), S.  377–399; ders., Privilegienpraxis in Preußen: Privilegien zum Schutz gegen Nachdruck 1815–1837, in: Dölemeyer / Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg I (Fn.  4), S.  335–632; ders., Preußische Privilegien für Werke der Musik. Ein Kapitel aus der Frühzeit des Urheberrechts, in: M. J. Montoro Chiner / H. Schäffer (Hg.), Musik und Recht. Symposion aus Anlass des 60. Geburtstages von Prof. Dr. Dr. Detlef Merten (Schriften zum Öffentlichen Recht Bd.  771), Berlin 1998, S.  85–112. – Diese Aufsätze auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  7), S.  101–116; 165–205. Zur Problematik der Privilegienerteilung nach 1837 jetzt noch: Elmar Wadle, Gesetzlichkeit im vorkonstitutionellen Preußen – Zwei Fallbeispiele aus der Praxis nach 1815, in: K. Grupp / U. Hufeld (Hg.), Recht – Kultur – Finanzen. Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70.  Geburtstag, Heidelberg 2005, S.  653–672, bes. S.  660  ff.; auch in diesem Band S.  181  ff. Zum rechtlichen Rahmen vgl. man: Rainer Nomine, Der Königlich Preußische Literarische Sachverständigenverein in den Jahren 1838 bis 1870 (Schriften zur Rechtsgeschichte 84), Berlin 2001, bes. S. 26 ff.



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dem Verleger oder dem Autor in seiner Rolle als Selbstverleger zustehen konnte. Ob dieses Verlagsrecht letztlich ein originäres Recht vorausgesetzt hat oder nicht, war – wie erwähnt – in der Diskussion der 20er und 30er Jahre immer wieder umstritten; endgültig durchgesetzt hat sich die Anknüpfung am Schöpfungsakt, mithin das Schöpferprinzip, erst 1837. Im Ergebnis kann man für Preußen festhalten: Die Rechtslage vor 1837 war zum Teil unklar, zum Teil regional differenziert. Es gab ein gemeinsames Problem: In beiden preußischen Rechtsgebieten war die Einbeziehung von Ausländern in den Schutz vor Nachdruck unbefriedigend. Privilegien für ausländische Verleger und Autoren bildeten deshalb ein wichtiges Aushilfsmittel; sie stellen deshalb auch die größte Gruppe der Privilegierten. Im Gebiet des ALR kamen zwei weitere Problembereiche hinzu. Da hier nur „Gedrucktes“ gegen „Nachdruck“ geschützt war, fielen andere Beeinträchtigungen aus dem gesetzlichen Schutz heraus. Dies galt zum einen für Bearbeitungen musikalischer Werke, seien sie nun ungedruckt oder gedruckt gewesen; und es galt zum anderen für Sprachwerke, die nicht gedruckt oder noch nicht einmal veröffentlicht waren. Für beide Situationen gibt es markante Beispiele. Beliebte Melodien aus zeitgenössischen Opern, wie Webers „Freischütz“ oder „Oberon“, fanden zahllose Bearbeitungen für Hausmusik; hier tauchte das Problem des Melodienschutzes auf, das man durch Privileg erledigen konnte. Auch öffentliche Reden und Predigten waren gegen Nachschrift und Nachdruck ungeschützt, denn es galt, vereinfacht formuliert der Satz, „wo kein Druck, da auch kein Nachdruck“. Abhilfe konnte nur ein Privileg schaffen. Trägt man nun unsere Frage „Autor oder Verleger“ an die beiden Privilegiengruppen heran, von denen eben die Rede war, so ergibt schon die Statistik einen ersten Hinweis: 4 Privilegien für Verleger stehen 8 Privile­ gien für Urheber gegenüber; von den letzteren werden 7 in der Zeit nach 1826 erteilt. Die Unterscheidung nach In- und Ausländern ist zwar für die Frage „Urheber oder Verleger?“ nicht relevant. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass auch bei den Ausländerprivilegien mehr Urheber als Verleger begünstigt werden. Insoweit ist auf die Privilegien für Pestalozzi und Goethe, für die Erben Schillers und Jean Pauls und den Komponisten Hummel zu verweisen; ihnen stehen gegenüber die Privilegien für die Verleger Schott aus Mainz und Wilmanns aus Frankfurt. Allerdings wurde nicht jedem Ausländer, der darum nachsuchte, ein Privileg verliehen. Selbst das Privileg für Goethe drohte zu scheitern, solange bei einigen Berliner Ministerien die irrige Meinung vorherrschte, er sei auch durch das rheinpreußische Recht hinreichend geschützt.

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Andere Privilegienwünsche wurden abgewiesen, weil sie in Berlin als überflüssig galten; das war zumal nach den Gegenseitigkeitsabkommen der Fall, die Preußen seit 1828 abgeschlossen hat. Davon betroffen waren Komponisten wie Louis Spohr und Johann Strauß Vater und eine Reihe von Autoren, die man in Berlin nicht für bedeutend genug hielt, so etwa den Münchener Professor und Bibeleditor Allioli. Versucht man die vielen Einzelheiten zu bewerten, so kann man zweierlei erkennen: Zum einen sollten die gesetzlichen Grenzen des Schutzes nicht überflüssig gemacht werden. Nur wo eine „echte“ Schutzlücke war, sollte sie durch Privileg geschlossen werden. Zum anderen aber musste diese Lücke nicht in jedem Fall geschlossen werden: Nur dort, wo übergeordnete Gründe wie Qualität und Bedeutung des Werkes oder auch der politische Nutzen hinzukamen, hat man sich dann tatsächlich zur Privilegierung bereitgefunden. Im Vordergrund stand hier weniger die Frage „Verleger oder Autor?“, sondern die Tatsache, dass man an den gesetzlichen Vorgaben prinzipiell festhalten wollte: Der gesetzliche Schutz sollte Vorrang haben vor den Durchbrechungen im Einzelfall – eine Haltung, die in Preußen nach 1837 besonders deutlich hervortreten sollte. Hierzu sei verwiesen auf die Diskussion der Jahre 1841 / 42 um die Privilegierung Herders. Umso wichtiger erscheint vor diesem Hintergrund die Gruppe jener Privilegien, die Bearbeitungen und unveröffentlichte Werke schützen sollten. Beide sind letztlich nur aus der Position des Werkschöpfers her begründbar. Gleichwohl wird man nicht einfach feststellen können, diese preußischen Privilegien seien ausschließlich deshalb gegeben worden, weil man das Interesse der Autoren schlechthin begünstigen wollte. Es waren – wie bei jedem Privileg – immer bestimmte Autoren, denen man einen Gnadenbrief gewährt hat – aus welchen besonderen Gründen auch immer. In Preußen allerdings hat das eine oder andere Privileg (noch) einen (zusätzlichen) eindeutig rechtspolitischen Hintergrund. Zwei Beispiele machen dies deutlich. Zum einen das Privileg für Goethe, zum anderen das Privileg für Schleiermacher. Sie reichen beide weit in einen bundespolitischen Zusammenhang hinein. Der massive Einsatz für Goethes Antrag bei der Bundesversammlung verfolgte auch und gerade das Ziel, die festgefahrenen Verhandlungen im Bund wieder flott machen. Und das Privileg zugunsten von Schleiermacher sollte nicht nur in Preußen selbst, sondern auch außerhalb den Weg zu einem allgemeinen Veröffentlichungsrecht von Autoren bahnen helfen.



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V. Das Privilegienwesen auf der Ebene des Deutschen Bundes (1)  Der Deutsche Bund war einerseits durch Art.  18d der Bundesakte gehalten, „gleichförmige Verfügungen über … die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ abzufassen. Andererseits war im Zusammenhang mit Goethes Privilegienaktion von 182522 deutlich geworden, dass der Bund als solcher keine Privilegien gegen den Nachdruck gewähren konnte. Die Privilegierung musste eine Angelegenheit der einzelnen Souveräne und Freien Städte bleiben. Daran hat auch der Bundesbeschluss des Jahres 1837 nichts geändert; denn er hat lediglich die Möglichkeit geschaffen, durch Vereinbarung in der Bundesversammlung zugunsten berühmter Autoren eine längere Schutzfrist festzulegen, als sie nach der Regel gelten sollte. Verfassungsrechtlich gesehen führte ein solcher Beschluss allenfalls zu einem Bündel einzelstaatlicher Privilegien. Insoweit konnte es auf der Ebene des Bundes gar keine Privilegienpraxis im eigentlichen Sinne geben, die für unser Thema hätte relevant werden können. Letztlich wurde die Privilegienkompetenz der einzelnen Bundesstaaten bestätigt, auch wenn es sich nur um eine Art „Annexprivilegien“ handeln konnte, die durch den Verlängerungsbeschluss der Bundesversammlung ausgelöst wurden. Gleichwohl ist wichtig, dass diese Annexprivilegien immer nur für Autoren, nicht aber für Verleger erteilt worden sind. Den Zeitgenossen war dieser Zusammenhang voll bewusst, und zwar schon bei der Übereinkunft zugunsten Goethes im Jahre 1825. Dies zeigt die Reaktion der Bundesversammlung auf spätere Anträge, die sich auf das Beispiel Goethes berufen haben. In einem Fall etwa wird die Einmaligkeit der Stellung Goethes als Autor besonders stark hervorgehoben. Als der Leipziger Buchhändler Julius A. Baumgärtner 1827 einen entsprechenden Antrag zugunsten einer „Encyclopädie der gesammten Land- und Hauswirthschaft“ stellte, wurde er in Frankfurt abgewiesen23. In seinem Gutachten hob die zuständige „Eingabencommission“ den Ausnahmecharakter des Beschlusses zugunsten Goethes hervor: 22  Eingehender dazu: Elmar Wadle, Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik, in: Neue Juristische Wochenschrift 52 (1999), S. 2545–2551; ders., Rechtsprobleme um Nachdruck und geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: K. Richter / G. Sauder (Hg.), Goethe: ungewohnte Ansichten (Annales Universitatis Saraviensis, Philosophische Fakultät Bd.  17), St.  Ingbert 2001, S.  345–386; beide Aufsätze auch in: ders., Geistiges Eigentum II (Fn.  7) S.  117–218. 23  Protokolle der Deutschen Bundesversammlung nebst den loco dictaturae gedruckten Separat-Protokollen und Beilagen, Frankfurt 1827, §  24 S.  67  ff. (3. Sitzung v. 8. Februar 1827).

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„Es war darum zu thun, einem Deutschen Schriftsteller ersten Ranges, der seit einem halben Jahrhundert für die Wissenschaft mit das Größte geleistet, mit seltener Vielfältigkeit und allgemein erkannten Erfolg für die Verbreitung geistiger Ausbildung unermüdet gewirkt hatte, gegen Beeinträchtigung des Ertrags seiner vieljährigen großen literarischen Anstrengungen sicher zu stellen. Daß dieß geschehe, schien gewissermaßen die Nationalehre und die dem Herrn von Göthe für seine ausgezeichneten Verdienste als Schriftsteller gebührende Dankbarkeit des Deutschen Vaterlandes zu fordern“.

Im Fall Baumgärtner lägen vergleichbare Motive nicht vor; überdies wolle man sich „nicht der Folge aussetzen …, mit einer Menge in gleicher Weise motivirter Gesuche angegangen zu werden und die höchsten Bundesregierungen unaufhörlich mit ihren Verwendungen zu belästigen“. (2)  Es bleibt die Frage, ob und wie die Vorgänge auf Bundesebene auf die Haltung der Einzelstaaten zum Privilegienwesen und dessen Ausrichtung gewirkt haben. Preußen, das in der Diskussion der Bundesversammlung um den Reform­ entwurf von 1819 das Autorprinzip zunächst verteidigte, aber danach einen gewissen Rückzug antrat, hat in seiner Praxis auf Privilegien für Verleger nicht völlig verzichtet. Später, als erste Erfolge auf Bundesebene erzielt waren, setzt sich auch in der Privilegienpraxis der Vorrang des Autorinte­ resses durch: Privilegien für Verleger kommen nun nicht mehr in Betracht. In anderen deutschen Staaten wie etwa Bayern und Baden ist die Entwicklung ähnlich verlaufen, wenngleich mit gewissen Verzögerungen. Bayerns Privilegienpraxis blieb ambivalent, dies änderte sich erst, als das neue Gesetz von 1840 das Urheberrecht anerkannte. Baden behielt sein altes Recht bei, schwenkte aber in der Privilegienpraxis auf das Urheberprinzip ein. Wieder andere haben die Entscheidung für den Autor und gegen den Verleger nicht mit vollzogen, namentlich Württemberg generalisierte lediglich seinen Nachdruckschutz. Es überwand also das Privilegienwesen durch Gesetz, blieb aber bei der Gleichbehandlung von Autoren und Verlegern. Späteren Projekten und Gesetzgebungsakten blieb es vorbehalten, den Schutz gegen den Nachdruck als Urheberrecht im eigentlichen Sinne auszugestalten. Was bei der Aktion Goethes im Jahre 1825 in der Gestalt von Privilegien bereits sichtbar wurde, und was das preußische Gesetz von 1837 zum allgemeinen Prinzip erhob, hat sich endgültig und allgemein erst in der Gesetzgebung des Deutschen Reiches durchgesetzt.



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VI. Ergebnisse In der Spätphase (1770–1870) des Privilegienwesens kündigt sich ein Wechsel an. Die ältere Offenheit der einzelstaatlichen Privilegien für Autoren und Verleger wird, je weiter die Zeit fortschreitet, umso mehr zugunsten des Autorenschutzes eingeschränkt; es gibt zwar Ausnahmen, wie etwa Württemberg, sie bestätigen jedoch eher die Regel. Die Beschlüsse des Deutschen Bundes zum Privilegienschutz begünstigen diesen Prozess, da nur solche Personen eine Besserstellung erhalten sollten, die es verdient hatten, und dazu wurden nur Autoren, aber keine Verleger gerechnet. Solche Sätze stehen freilich unter einem ganz allgemeinen Vorbehalt: Bei einem Instrument der Rechtssetzung, das wie das Privileg einen Einzelfall betrifft und dessen Motivation offen ist, muss man immer mit Überraschungen rechnen. Gleichwohl sei die These gewagt, dass sich in der Privilegienpraxis vor 1870 die Anfänge des langen deutschen Weges zur gesetzlichen Verankerung des Schöpferprinzips widerspiegeln. VII. Schlussbemerkung Zum Schluss sei noch eine allgemeine Anmerkung gestattet, und zwar eine knappe Antwort auf die Frage, warum dieser Vortrag gehalten wurde und an dieser Stelle publiziert wird. Wenn nicht alles täuscht, muss man konstatieren, dass die Geschichte des Geistigen Eigentums in der rechtshistorischen Forschung bisher eher vernachlässigt worden ist. Diesen Eindruck gewinnt man, wenn man in die Lehrbücher schaut24. Selbst in neueren Dar24  Dazu auch: Elmar Wadle, Urheberrecht im Horizont historischer Disziplinen, in: M. Senn / C. Soliva (Hg.), Rechtsgeschichte & Interdisziplinarität. Festschrift für Clausdieter Schott zum 65. Geburtstag, Bern / Berlin / Frankfurt a. M. / Wien u. a. 2001, S.  303–314; ders., Zur Bedeutung der Rechtsgeschichte für das Urheberrecht und den gewerblichen Rechtsschutz, in: J. Eckert (Hg.), Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte. Hans Hattenhauer zum 8. September 2001, Heidelberg 2003, S.  549–556. Beide Beiträge auch in diesem Band S.  29  ff. Erfreulich ist, dass die Zahl der einschlägigen Monographien und Dissertationen deutlich gestiegen ist; beispielhaft seien hier folgende Arbeiten genannt: Manuela Maria Schmidt, Die Anfänge der Tantiemenbewegung in Deutschland (Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 125), Berlin 2003; Ralf-M. Vogt, Die urheberrechtlichen Reformdiskussionen in Deutschland während der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 2004; Steffen-Werner Meyer, Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck anlässlich der Wahlkapitulation Leopolds II. aus dem Jahre 1790 (Rechtshistorische Reihe Bd.  291), Frankfurt a. M. 2004; Kai Bandilla, Urheberrecht im Kaiserreich. Der Weg zum Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 (Rechtshistorische Reihe Bd.  308), Frankfurt a. M. 2005; Margrit Seckelmann, Industriali-

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stellungen zum 19. und 20. Jahrhundert werden Gegenstände wie Patentwesen und Erfinderrecht, Markenschutz und Urheberrecht meist nur gestreift. Man braucht Jeremy Rifkins These vom „Verschwinden des Eigentums“25 nicht zu kennen, um zu wissen, dass neben dem Eigentum an Sachen dem Geistigen Eigentum in Zukunft eine größere Bedeutung zukommen wird als heutzutage. Neue Medien und Kommunikationsmöglichkeiten werden die bisherige rechtliche Umhegung des Geistigen Eigentums einerseits in Frage stellen, andererseits aber auch als unentbehrliche Teilbereiche der Rechtsordnung festigen. Wer mit solchen Problemen zu tun hat, wird auch um die Geschichte des Geistigen Eigentums nicht herumkommen und damit auch nicht um die Frage, von der hier die Rede war: Wem sollen die Werkherrschaft und die damit verbundenen Rechte zustehen, den Urhebern und Erfindern, den Kreativen und Schöpferischen oder den Verwertern und Vermittlern? Die Frage war aktuell und wird es auch bleiben. Goethe, der mit seiner Initiative im Deutschen Bund so viel zur Entwicklung des Urheberrechtsdenkens beitragen hat, hat sie auf seine Weise mit einem Sechszeiler beantwortet26: „Ich weiß, daß mir nichts gehört Als der Gedanke, der ungestört Aus meiner Seel will fließen, Und jeder günst’ge Augenblick, Den mich ein liebendes Geschick Von Grund aus läßt genießen“.

sierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich 1871–1914 (Schriften zur Europäischen Rechtsgeschichte Bd.  201), Frankfurt a. M. 2006. 25  Jeremy Rifkin, Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weniger besitzen und mehr ausgeben werden, Frankfurt / New York 2000. 26  Das Gedicht mit der Überschrift „Eigentum“ ist entstanden als Stammbucheintrag für Henriette Löhr am 28. November 1813 und wurde am 27.02.1825 im Kontext des Privilegienantrags einem Brief an Karl Friedrich von Reinhard beigelegt; vgl. Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens, Münchener Ausgabe Bd.  9, München 1987, S.  88  f. und 1106.

Von den Anfängen bis zum späten 18. Jahrhundert

Würzburger Privilegien für Drucke des Georg Reyser (ca. 1440–1504) Die von Johannes Gutenberg entwickelte Drucktechnik hat die Welt der Bücher ebenso verändert wie den Umgang mit ihnen. Gedruckte Bücher, aber auch andere Produkte der neuen Kunst, konnten nützlich sein für Hersteller, Autoren und Verwender, da wichtige Texte aller Art schnell und oft auch preiswerter zu beschaffen waren. Zugleich konnten sie auch gefährlich werden für alle Beteiligte: Autoren, Auftraggeber und Drucker hatten für Inhalt, Qualität und Preis einzustehen und nicht zuletzt das Risiko konkurrierender Nachdrucke zu tragen; Hersteller und Leser mußten nicht nur mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen, sondern auch mit Schäden an Seele und Gemüt. Angesichts dieser Situation erscheint es selbstverständlich, daß man die Interessen der Beteiligten zu wahren und zu schützen suchte. Rechtliche Schranken waren unvermeidlich; man ergänzte überkommenes Regelwerk, um der neuen vielfältigeren Interessenlage gerecht werden zu können. Schon wenige Jahre nach der Erfindung des Drucks mit beweg­ lichen Lettern sind derartige Rechtsakte nachzuweisen; sie sind vor allem in der Gestalt von Mandaten und Privilegien überliefert, die Ermächtigungen, Verbote und Schutzbefehle enthalten.1 1  Aus der umfangreichen Literatur zu den angedeuteten Aspekten seien hier genannt: Hans Widmann, Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1952, völlige Neubearbeitung, Wiesbaden 1975; Walter Bappert, Wege zum Urheberrecht. Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechtsgedankens, Frankfurt am Main 1962; Ulrich Eisenhardt, Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (1496–1806). Ein Beitrag zur Geschichte der Bücher- und Pressezensur (Studien und Quellen zur Geschichte des Deutschen Verfassungsrechts, Reihe A: Studien, Bd.  3), Karlsruhe 1970; Martin Vogel, Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850. Sozial und methodengeschichtliche Entwicklungsstufen der Rechte von Schriftsteller und Verleger, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 19 (1978) Sp. 1–190; Michael Giesecke, Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt am Main 1991, bes. S.  441  ff.; Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts bis 1845, BadenBaden 1995, bes. S.  13  ff., 39  ff.; Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, München 1991, bes. S.  19  ff.

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Unter den frühen Dokumenten im deutschen Sprachraum kommt einer Reihe von Schutzbriefen eine besondere Bedeutung zu, da sie zu den ältesten Dokumenten dieser Art gehören: es sind dies die zahlreichen Privile­ gien, die zwei Würzburger Fürstbischöfe beziehungsweise ihre Domkapitel zwischen 1479 und 1503 zugunsten des Druckers Georg Reyser und seiner Werke ausgestellt haben.2 Diese Serie von Dokumenten bietet sich geradezu an, einen besonderen Blick in die Frühzeit der Druckprivilegien zu werfen, der für die Buch- wie für die Rechtsgeschichte besonders interessant sein dürfte. Sie stehen nicht zuletzt für eine Art „Vorgeschichte“ des Privilegienschutzes gegen den Nachdruck, die möglicherweise auch in anderen Bistümern oder Herrschaften in ähnlicher Weise abgelaufen ist.

2  Zu Georg Reyser, seinen Drucken und den Würzburger Privilegien seien hier (in alphabetischer Folge) genannt: Falk Eisermann, Bevor die Blätter fliegen lernten. Buchdruck, politische Kommunikation und die „Medienrevolution“ des 15. Jahrhunderts, in: Karl-Heinz Spieß (Hg.), Medien der Kommunikation im Mittelalter (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte Bd.  15), Stuttgart 2004, S.  289–313; ders., Buchdruck und Herrschaftspraxis im 15.  Jahrhundert. Der Würzburger Fürstbischof und sein Drucker Georg Reyser, in: Horst Brunner (hg.), Würzburg, der Große Löwenhof und die deutsche Literatur des Spätmittelalters (Imagines Medii Aevi Bd.  17), Wiesbaden 2004, S.  495–313; ders., Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15.  Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (VE 15), Wiesbaden 2004, 3 Bde., hier: Bd.  I S.  223  f.; Helmut Engelhart, Die frühesten Druckausgaben des Missale Herbipolense (1481–1503). Ein Beitrag zu einem „Census“ der liturgischen Drucke aus der Offizin Georg Reysers in Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 62 / 63 (2001) S.  69–174; ders., Georg Reyser zum 500. Todestag, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 56 (2004) S.  130–161; ders., Vigiliae Maiores Secundum Chorum Herbipolensiem. Bemerkungen zu einem wenig bekannten liturgischen Druck aus der Offizin Georg Reysers in Würzburg, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 2006 S.  215–259; Friedemann Kawohl, Commentary on the privilege granted by the Bishop of Würzburg (1479), in: Primery Sources on Copyrihgt (1450–1900), eds. L. Bently & M. Kretschmer. www.copyrighthistory.org; Otto Meyer, Georg Reyser. Der Meister des Würzburger Frühdrucks, Würzburg 1981; auch in: ders., Varia Franconiae Historica. Aufsätze-Studien-Vorträge zur Geschichte Frankens Bd.  III (Mainfränkische Studien Bd. 24 / III) Würzburg 1986, S. 1265–1301 (hiernach wird zitiert); Kurt Ohly, Georg Reysers Wirken in Straßburg und Würzburg. Zum Problem des Druckers des Henricus Arminensis, in: Gutenberg-Jahrbuch 31 (1956), S.  121–140; ders., Der Brief des Würzburger Fürstbischofs Rudolf von Scherenberg an den Straßburger Magistrat über Michael Reyser (datiert 25.IV.1480), in: Kurt Ohly / Werner Krieg (Hg.), Aus der Welt des Bibliothekars. Festschrift für Rudolf Juchoff zum 65. Geburtstag, Köln 1961, S. 99–117; Eva Pleticha-Geuder, Druck- und Verlagswesen im Hochstift Würzburg, in: Abklatsch, Falz und Zwiebelfisch. 525 Jahre Buchdruck und Bucheinband in Würzburg, Würzburg 2004, S.  11–50, bes. S.  11  ff., 16 ff.; Christoph Reske, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet. Auf der Grundlage des gleichnamigen Werkes von Josef Benzing (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen Bd.  51), Wiesbaden 2007, S.  1022  f.



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Um diese „Würzburger Vorgeschichte“ vorzustellen, ist es sinnvoll, zunächst auf die beteiligten Personen und ihre Projekte einzugehen, insbesondere auf die Bücher und die sie begleitenden Privilegien (I.). Auf dieser Grundlage können dann die Inhalte der Schutzbriefe eingehender betrachtet werden (II.). Die besondere Bedeutung der Würzburger Urkundenreihe und ihr Zusammenhang mit dem entstehenden Privilegienwesen gegen den Nachdruck werden am Ende dieses Beitrages stehen (III.). I. Georg Reyser gilt als „Würzburgs erster und einziger Inkunabeldrucker“ (Engelhart). In dieser Funktion begegnet er uns zum ersten Mal in einem fürstbischöflichen Privileg vom 20. September 1479. Die Urkunde ist abgedruckt in der ersten Ausgabe des „Breviarium Herbipolense“, die nach dem genannten Datum fertiggestellt worden ist; eine handschriftliche Vorlage ist nicht überliefert.3 Aussteller des Privilegs ist Rudolf von Scherenberg, der von 1466 bis 1495 als Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Franken amtierte.4 Dieser Kirchenmann gilt als „großer Restaurator des Bistums Würzburg“ (O. Meyer); er hatte früh erkannt, wie nützlich die Erfindung Gutenbergs für den Wiederaufbau sowohl des geistlichen Lebens in der Diözese als auch der fürstbischöflichen Herrschaftsrechte sein würde. Die neue Technik konnte, wenn sie sorgfältig gehandhabt wurde, in beiden Bereichen eingesetzt werden. Sie ermöglichte zum einen, die im Alltag des kirchlichen Lebens unentbehrlichen Bücher in ausreichender Zahl sicherzustellen und dabei Fehler und Ungleichheiten zu vermeiden, die sich bei einer handschriftlichen Vervielfältigung der Texte immer wieder eingeschlichen hatten. Die erstrebte Zuverlässigkeit der Drucke setzte freilich voraus, daß der Druckvorgang überwacht werden konnte und daß insbesondere ein zuverlässiger Drucker zur Verfügung stand. Zum anderen war die neue Technik hilfreich in aktuellen kirchen- oder allgemeinpolitischen Situationen: sogenannte Einblattdrucke konnten zahlreich hergestellt und schnell verteilt werden, wenn es darum ging, Anweisungen an die Untergebenen zu verbreiten; sie konnten zur Unterstützung der fürstbischöf­ lichen Politik sofort in Umlauf gebracht werden. 3  Text und Abbildung der Privilegienseite bei: Meyer, Reyser (Anm.  2) S.  1267, sowie (mit englischer Übersetzung) in: Privilege of the Prince-Bishop of Würzburg (1479), Primary Sources on Copyright (1450–1900), eds. L. Bently & M. Kretschmer, www.copyrighthistory.org – Zur Sache eingehendere Hinweise bei: Meyer, Reyser (Anm.  2) S.  1267; Engelhart, Druckausgaben (Anm.  2) S.  79; zuletzt: Kawohl, Commentary (Anm.  2). 4  Zu Rudolf von Scherenberg vgl. man vor allem die in Anm.  3 genannte Literatur; zusätzliche Hinweise bei: Eisermann, Buchdruck (Anm.  2) S.  495 Anm.  2.

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Für beide Einsatzbereiche, für die Herstellung zuverlässiger kirchlicher, vor allem liturgischer Bücher ebenso wie für die schnelle Lieferung von Einblattdrucken, war Georg Reyser offenbar gut geeignet. Er stammte aus Ensingen, das im Südosten von Stuttgart liegt, und hatte das Druckerhandwerk in Straßburg, der „wichtigsten Verlagsstadt der frühen Inkunabelpe­ riode“ (H.Wittmann), ausgeübt. Durch das Würzburger Privileg von 1479 wissen wir, daß mit Reyser zwei weitere druckerfahrene Männer aus dem Elsaß nach Würzburg gerufen wurden5. Es handelt sich zum einen um Stephan Dold, der vormals als Kanoniker bei Alt-St. Peter in Straßburg amtiert hatte und im neuen Würzburger Unternehmen als Redaktor, vielleicht auch als Geldgeber fungierte. Zum anderen handelt es sich um Johannes Beckenhub, einen aus Mainz stammenden Kleriker, der nach seinem Studium in Heidelberg im Druck-Gewerbe ein neues berufliches Betätigungsfeld als sorgfältig arbeitender Korrektor gefunden hatte. Ob sich das aus Straßburg eingeworbene Trio schon bald nach dem Erstdruck des „Breviarium“ aufgelöst hat, ist ungewiß. Jedenfalls ist Beckenhub seit 1485 in Regensburg, bald danach in Bamberg und Nürnberg nachweisbar. Wohin Dold gegangen ist, bleibt unklar. Georg Reyser blieb in Würzburg und baute in den folgenden Jahren seine Druckerei aus.6 Das „Breviarium“ erlebte 1480, 1485 und 1490 weitere Ausgaben. Dazwischen, nämlich 1481, erschien als „neues Großwerk“ (O. Mayer) das „Missale Herbipolense“; dieses Würzburger Meßbuch gilt als „Reysers wichtigstes Druckunternehmen“ (Engelhart). Auch dieses Werk erlebte in der Folgezeit (1484, 1491, 1493, 1497, 1499 und 1503) mehrere Ausgaben. 1495 brachte Reysers Werkstatt noch ein Spezial-Missale heraus, das nur die Texte der Hochfeste enthielt. In den achtziger und neunziger Jahren erschienen noch weitere Liturgica, nämlich eine „Agenda“ (1482), die „Vigiliae maiores“ (um 1496 / 97), sodann ein „Diurnale“ (1490) und ein sehr aufwendig ausgestattetes „Antiphonarium“ in zwei Bänden (1498 und 1499). Zu diesen Werken gesellten sich noch eine Reihe nichtliturgischer Bücher, vor allem ein „Psalterium“ (1485 / 6), das auch einen dem Würzburger Bischof Bruno zugeschriebenen Kommentar enthält, sodann eine Sammlung der Synodal-Statuten des Bistums (1486) und den um 1495 entstandenen Druck der „Historie des Grafen von Soffey“ (Savoyen), eines „verbreiteten Erzählliedes (Eisermann), außerdem zwei Almanache (1485 und 1486)

5  Näheres dazu vor allem bei Ohly, Brief (Anm.  2) S.  109  ff. Zeitweise dürfte auch Michael Reyser, ein Verwandter Georg Reysers, in der Würzburger Offizin gearbeitet haben. 6  Zu den folgenden Angaben bieten Einzelheiten und Belege die in Anm.  3 genannten Aufsätze, sowie Eisermann, Buchdruck (Anm.  2).



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sowie zahlreiche andere Einblattdrucke, darunter Ablaß- und Ächtungsbriefe, Einladungen und Ausschreiben in Streitfällen. Die Offizin Reysers wurde offenbar recht schnell bekannt und auch von anderen Kirchenfürsten geschätzt. So bestellte der Mainzer Erzbischof 1482 ein Meßbuch; ein Jahr später ließ der Eichstädter Bischof ein Brevier herausgeben, das vor Ort durch Reyser beziehungsweise durch dessen Verwandten Michael Reyser gedruckt wurde. Aus den Erscheinungsjahren der erwähnten Projekte ergibt sich bereits, daß Georg Reyser auch nach dem Tod Rudolfs von Scherenberg unter dessen Nachfolger Lorenz von Bibra (1495–1519) in Würzburg weiterhin als Drucker fungiert hat. Man kann wohl sagen, daß Reysers Offizin in dieser Zeit „eine zweite Hochblühte“ (Engelhart) erlebt hat. In diese Periode fällt auch das bereits erwähnte „Antiphonarium Herbipolense“ (1498 / 1499), das als erster Musiknotendruck im deutschsprachigen Raum gilt. Im Rahmen unseres Themas stehen naturgemäß jene Druckwerke im Vordergrund, die mit einem Würzburger Privileg verbunden sind. Das Brevier des Jahres 1479, in dem das erste Privileg abgedruckt ist, wurde schon erwähnt. Auch das Missale von 1481 enthält den Druck eines fürstbischöflichen Privilegs. Gleiches gilt für die jeweiligen Ausgaben der nachfolgenden Jahre. Auch in anderen Werken Reysers sind Privilegien abgedruckt.7 Das letzte Privileg ist enthalten in der siebten Ausgabe des „Missale Herbipolense“ (1503), mithin im letzten uns bekannten Druckwerk Reysers. Neben den gedruckten „Gnadenbriefen“ gibt es allerdings noch einige weitere Privilegien zugunsten Reysers, die nur als handschriftliche Urkunden erhalten sind.8 Bereits 1481 und zwar kurz nach dem Erscheinen des 7  So z. B. in der Agenda (1482) und im Antiphonarium (1496–1499). – Auch die für Mainz (1482) und Eichstädt (1483) gedruckten Bücher enthalten den Druck eines Privilegs des jeweils zuständigen Bischofs. 8  Zu den im Würzburger Staatsarchiv aufbewahrten Urkunden von 1481 und 1485 bieten nähere Angaben Engelhart, Reyser (Anm. 2) S. 134 und ders., Druckausgaben (Anm.  2) S.  75  ff., 84  ff. – Beide Urkunden sind transkribiert bei Gustav Schäfer, Die Entwicklung des Buchgewerbes in Würzburg, Staatswissenschaftliche Dissertation Würzburg Wintersemester 1923 / 24 (Maschinenschrift), S. 135–137. Die Urkunde von 1481 ist abgebildet bei Alfred Wendehorst (Hg.), Würzburg. Geschichte in Bilddokumenten, München 1981, Abb.  131. Die Urkunde von 1496 wird häufig zitiert, eine zuverlässige Transkription des Textes steht allerdings noch aus. Die Textwiedergaben von Thomas Welzenbach, Geschichte des Buchdruckerkunst im ehemaligen Herzogthume Franken und in benachbarten Städten, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken Bd.  14 Heft  2 (1857) S.  117–278, hier: S.  150, und F. Hermann Meyer, Würzburger Befreiungen für Buchdrucker, 1481–1548, in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels Bd.  15 (1892) S.  4–10, hier: S.  6  f. sind nicht zufriedenstellend. Gleichwohl wird in der Literatur direkt oder indirekt auf diese Wiedergaben zurückgegriffen.

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Meßbuchs gewährte das Domkapitel im Einvernehmen mit dem Fürstbischof einen besonderen Schutzbrief auf sechs Jahre; 1485 wurde dieser Brief um drei Jahre verlängert. Der Nachfolger Rudolfs von Scherenberg, Lorenz von Bibra, bestätigte 1496 noch einmal die Rechte Reysers auf weitere vier Jahre und ergänzte sie nicht unerheblich. Insgesamt dürften – wenn man die mehr oder minder variierenden Fassungen späterer Ausgaben desselben Werkes mitzählt – etwa 20 Würzburger Privilegien für Georg Reyser überliefert sein. II. Wichtiger als die Zahlen sind freilich die Inhalte. Für die gedruckten Privilegien dürfte es genügen, zwei Briefe näher vorzustellen, die als Repräsentanten für typische Inhalte gelten können: das Privileg für das „Breviarium“ von 1479 und das Privileg für das „Missale“ von 1481. Die erste Urkunde, die „Geburtsurkunde des Buchdrucks zu Würzburg“ (O. Meyer), mithin jene, die im 1479 erschienenen Brevier abgedruckt ist,9 enthält zwei zentrale an die Öffentlichkeit gerichtete Botschaften. Zum einen wird hervorgehoben, man habe alle kirchlichen Stundenbücher durch genaue und geeignete Männer durchforsten und korrigieren lassen. Zum anderen wird verkündet, daß nach Vollendung dieser Arbeit der Druck der korrigierten und verbesserten Bücher erfolgt sei. Dann heißt es, die „impressura“ sei geschehen „per aliquos notabiles artis impressorie magistros“. Dazu habe man sich mit Stefan Dold, Georg Reyser und Johannes Beckenhub vereinbart und sie in „unsere“ Stadt Würzburg zu gleichen Bedingungen und Vereinbarungen eingeworben. Ihnen und nicht anderen habe man die Erlaubnis erteilt, die Stundenbücher auf genaue und besondere Weise – wie versprochen worden sei – zu drucken; dafür habe man die Meister und ihre Familien, ihre Sachen und Güter in väterlichen Schutz und Fürsorge aufgenommen. Damit dem Drucken der genannten Bücher volles Vertrauen zukomme, habe man befohlen und erlaubt, daß die „magistri impressorii“ die Stundenbücher mit den Wappen unseres Bistums und unseres Kapitels schmückten. Durch den Beidruck der Wappen wird der amtliche Charakter des Buchs besonders betont; es ist gleichsam eine „quasi-trademark“ (Kawohl), ein „Beglaubigungszeichen“ (Eisermann), das die Zuverlässigkeit des Inhalts nach dessen strenger Prüfung garantiert. Außerdem machen die Wappen deutlich, daß es den drei eingeworbenen Meistern und niemandem sonst erlaubt sein sollte, dieses Werk zu drucken. 9  Vgl.

Anm.  3.



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Die Kombination des obrigkeitlichen Einstehens für den Text einerseits und der alleinigen Druckbefugnis andererseits verweist auf den besonderen Charakter der Drucke: es handelt sich um kirchenamtliche Schriften, deren Integrität gesichert sein mußte; nicht nur die Textvorlage, sondern auch die drucktechnische Umsetzung sollten fehlerfrei sein. Der als Privileg gestaltete Text erscheint als eine Art „Vorwort“ besonderer Qualität; es ist nicht nur ein „Einführungs- und Empfehlungsschreiben“ (Engelhart) des Bischofs, sondern eher eine amtliche Garantieerklärung, ein „Beglaubigungsschreiben (Engelhart). Der Hinweis auf die Qualität der drei Partner in der Druckerei weist ebenfalls in diese Richtung. Die zweite gedruckte privilegienförmige Urkunde begegnet uns in einem Werk, das rund zwei Jahre später erschienen ist, also zu einer Zeit, da Georg Reyser bereits allein für die Offizin verantwortlich war: in der 1481 vollendeten ersten Ausgabe des Würzburger Meßbuchs („Missale Herbi­polense“).10 Der auf den 8. November datierte Text ist nicht unerheblich erweitert; er enthält eingehende Hinweise auf die Verbesserung der fortan gültigen Meßformulare und auf die Absicht, dieses Werk von erfahrenen Meistern des Druckens („per certos impressorie artis magistros peritos“) herstellen zu lassen, damit jedermann sie zu einem mäßigen Preis („sub pecuniarum tolerabili taxa“) anschaffen könne. Zur Umsetzung dieser Pläne heißt es sodann, man habe Reyser als „huius artis impressorie opificem peritum“ berufen; ihn habe man verpflichtet, bis zur Vollendung des Werkes „in nostra civitate herbipolensi“ zu verbleiben; außerdem sei er vom Bischof in väterlichen Schutz und Schirm genommen worden („sub nostra paterna tuitione et protectione recepimus“). Später wird Reyser noch zweimal als „artis impressorie magister“ gewürdigt. Im übrigen wird der Preis für das einzelne Exemplar festgelegt und außerdem für die Käufer und alle, die zur Herstellung des Buches beigetragen haben, ein besonderer Ablaß gewährt. Auch diesem Text sind auf Befehl des Fürstbischofs die beiden Wappen beigefügt. Die Zahl der Privilegientexte, die in den liturgischen Büchern Reysers abgedruckt sind, ist beachtlich. Ähnliche, wie sie das Breviarium von 1479 und das Missale von 1481 aufweisen, finden wir nicht nur in den schon erwähnten späteren Ausgaben, sondern auch in anderen Werken, freilich nicht in allen.11 Es gibt sogar ein Druckwerk, das die Wappen von Fürstbischof und Domkapitel enthält, nicht aber den sonst üblichen Privilegientext.12 10  Die Privilegientexte für alle Ausgaben des „Missale“ sind abgedruckt bei Engelhart, Druckausgaben (Anm.  2) S.  141–146. 11  Ein Privileg fehlt sowohl im „Psalterium“ (1485 / 6) als auch in der Historie des Grafen von Savoyen (um 1495). 12  So im Druck der „Vigiliae Maiores“, den Engelhart, Vigiliae (Anm.  2), lediglich auf Grund eines Vergleichs der Wappen in die Zeit nach 1496 einordnet.

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Auf weitere Einzelheiten und Besonderheiten bei anderen gedruckten Schutzbriefen braucht an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden. Wichtiger ist die schon erwähnte Tatsache, daß es neben den in den Werken selbst abgedruckten Urkunden noch drei andere Privilegien gibt, die ausschließlich die rechtliche Stellung Reysers in Würzburg betreffen. Am 15. Dezember 1481, nur wenige Tage nach dem im Missale von 1481 genannten Datum, stellten der Dompropst Kilian von Bibra, der Domdechant Martin von der Kere und das Domkapitel „mit Verwilligung“ des Fürstbischofs eine weitere Urkunde13 aus; in ihr wurde bestätigt, daß sie „den erbarn und achtbarn Maister Jörgen Reyser dieser zeit Buchtrucker zu Wirtzpurg alle seine Dienern und gesellen, die er itzo hat oder in der hernach genannten Zeit aufnemen würdet, ir leybe, habe und gütern In unsern und unsers Cappitels sunderlichen verpruche, schutze und schirme genomen und empfangen haben“. Zugleich erweiterte man ihre Rechte.14 Der Schutz wird auf sechs Jahre ausgedehnt und sein Inhalt deutlicher gekennzeichnet. Zur Garantie für Leben und Besitz kommen weitere Befugnisse hinzu. Zum einen wird geregelt, wie eventuelle Streitigkeiten zu behandeln seien, die zwischen Reyser selbst und seinen Gesellen und Dienern untereinander entstehen konnten, aber auch solche, in die Reyser und seine Leute mit Einwohnern der Stadt oder den geistlichen und weltlichen Untertanen des Bischofs geraten könnten; alle diese Streitigkeiten sollten vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden. Zum anderen wird Reyser, wenn er die Bedingungen zum Gerichtsstand akzeptiert hat, für sechs Jahre von allen Steuern freigestellt. Bereits vor Ablauf der Sechsjahresfrist, nämlich am 12.  November 1485, wurden diese Rechte für drei weitere Jahre verlängert. Die neue Urkunde bekräftigte die eingeräumten Rechte und Pflichten Reysers und seiner Leute. Bemerkenswert ist eine eher beiläufige Passage, die auf die Tätigkeit des Druckers hinweist: der Brief spricht davon, daß man „den erbarn und achtbarn Meister Jörgen Reyser „zu unserm Drucker von (?) bethbucher und anderes … aufgenommen“ habe. 1496 erhielt Georg Reyser wiederum ein Privileg, das seinen Aufenthalt und seine Tätigkeit in Würzburg absichern sollte15. Dieses ebenfalls handschriftliche Privileg weist zwei Besonderheiten auf. Zunächst ist bemerkens13  Vgl.

Anm.  8. den im Würzburger Staatsarchiv aufbewahrten Urkunden von 1481 und 1485 Näheres etwa bei Engelhart, Reyser (Anm.  2) S.  134 und ders., Druckausgabe (Anm.  2) S.  75  ff., 84  ff. – Die Urkunde von 1481 ist abgebildet bei Alfred Wendehorst (Hg.), Würzburg. Geschichte in Bilddokumenten, München 1981, Abb.  131. 15  Vgl. Anm.  8. 14  Zu



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wert, daß es nicht vom Domkapitel (unter Billigung des Bischofs), sondern vom neuen Fürstbischof selbst ausgestellt worden ist. Wichtiger noch ist die Reichweite des Schutzes: dem Drucker und seinen Leuten werden – wie schon zuvor – „schutz, schirm unnd verspruch“ für weitere vier Jahre garantiert. Hinzu kommt aber eine neu formulierte Befugnis: Reyser erhielt eine allgemein gehaltene Erlaubnis, in Würzburg „Gradual Antiffanir Missal Special Vigili und Betbücher“ zu drucken.16 Vergleicht man die hier etwas ausführlicher vorgestellten Urkunden miteinander, so zeichnet sich ziemlich deutlich ab, daß sie unterschiedliche Ziele verfolgt haben. Bei den beiden in den Büchern abgedruckten Privilegien steht die Sorge für die Zuverlässigkeit im Vordergrund. Die dem Drucker eingeräumte Erlaubnis zum alleinigen Druck war vor allem eine Konsequenz der obrigkeitlichen Aufsicht. Die Aufnahme des Druckers in den Schutz und Schirm des Fürstbischofs war mithin eine Folge, die unvermeidlich war, wollte man das wichtigste Ziel erreichen, nämlich die interessierten Abnehmer mit zuverlässigen, mithin lizensierten liturgischen Büchern zu versorgen. Die Festsetzung eines erträglichen Abgabepreises weist in dieselbe Richtung. Da wir bedauerlicherweise keine Einzelheiten über die Finanzierung der Drucklegung erfahren, kann man schwer abschätzen, ob die Furcht vor einem unerlaubten Nachdruck einen ökonomischen Hintergrund hatte und damit nicht nur den Bischof, sondern auch den Drucker interessieren mußte; ganz ausschließen kann man solche Motive nicht. Gleichwohl dürfte es dem reformfreudigen Kirchenmann in erster Linie um die rasche Verbreitung der revidierten Texte gegangen sein. Die beiden handschriftlichen vom Bischof gebilligten Privilegien des Domkapitels weisen in eine andere Richtung. Ihnen geht es um die recht­ liche Verankerung Reysers in der Residenzstadt: seine Tätigkeit für das Bistum und dessen Seelsorge sollte abgesichert werden durch Garantien für den Aufenthalt des Buchdruckers in Würzburg; sein rechtlicher Status wurde definiert. Beide Privilegien beschreiben Garantien für Person, Familie und Geschäft. Das inhaltliche Nebeneinander der beiden Privilegientypen findet einige Jahre später eine bemerkenswerte Bestätigung. In der Urkunde von 1496 fließt zusammen, was zuvor in den gedruckten Privilegien einerseits und in den beiden handschriftlichen Privilegien des Domkapitels andererseits getrennt aufgeführt war: der persönliche Rechtsstatus Reysers wird mit einer generellen Erlaubnis verknüpft, bestimmte liturgische Bücher drucken zu dürfen. Auch diese Rechte und Befugnisse sollten vier weitere Jahre gelten.

16  Schreibweise

nach: Ohly, Reysers (Anm.  2) S.  1286.

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Ob diese Urkunde von 1496 zu Beginn des 16.  Jahrhunderts, mithin den letzten Arbeitsjahren Reysers erneuert worden ist, wissen wir nicht. Bekannt sind jedoch ähnliche Privilegien für einige seiner Nachfolger.17 Wie sich das Privileg von 1496 mit seiner generellen Druckerlaubnis auf die Gestaltung späterer Drucke ausgewirkt hat, ist schwer auszumachen. In den Drucken nach diesem Stichjahr sind weiterhin Privilegien enthalten; allerdings findet sich ein Wappenabdruck in einem Werk, das zeitlich nicht eindeutig eingeordnet werden kann, da ein Textdruck fehlt. Wahrscheinlich hat dieser Abdruck als Hinweis auf die generelle Erlaubnis genügt.18 Die zitierte allgemein gehaltene Passage über die liturgischen Druckwerke in der Urkunde von 1496 fordert den Vergleich der ungedruckten mit den gedruckten Schutzbriefen geradezu heraus. Die drei handschriftlichen Privilegien gewähren Rechte, die zeitlich begrenzt sind. Im Gegensatz dazu sind die erwähnten gedruckten Privilegien zeitlich unbegrenzt, aber allesamt auf ein bestimmtes Druckwerk beschränkt. So enthält etwa jede neue Ausgabe des Breviers oder des Meßbuches eine eigene neue Urkunde mit einem mehr oder weniger stark veränderten Wortlaut. Demgegenüber erteilt die ungedruckte Urkunde von 1496 eine generelle Druckerlaubnis für eine ganze Reihe von liturgischen Druckwerken. Gleichwohl kann man nicht sagen, daß sie die gedruckten Urkunden erübrigt hätten: die Missale-Drucke von 1497 und 1499 weisen solche gedruckten Urkunden auf, obgleich die ungedruckte Urkunde von 1496 noch gültig ist. Ein weiterer Reysers.19 Der dürfen, für die werden konnte

Punkt kommt hinzu: es gibt auch nicht privilegierte Drucke Drucker hat demnach auch Werke hergestellt und herstellen er keinerlei Privileg besaß, das in den Band aufgenommen oder gar mußte.

Die Unterschiede zwischen den beiden Privilegiengruppen lassen sich letztlich aus ihrer unterschiedlichen Funktion erklären. Ein im Buch abgedrucktes Privileg garantiert die Qualität des Druckwerks und zwar vor allem die Korrektheit des kirchenamtlichen Buches. Außer17  Dazu: Schäfer, Entwicklung (Anm.  8) S.  29  ff.; Meyer, Befreiungen (Anm.  8) S. 7 ff.; Welzenbach, Geschichte (Anm. 8) S. 161 ff.; Reske, Buchdrucker (Anm. 2) S.  1024  f. 18  So in den Vigiliae Maiores, vgl. Engelhart, Vigiliae (Anm.  2) S.  220  ff. 19  Vgl. oben Anm.  11. Dass auf den Einblattdrucken kein besonderes Privileg abgedruckt wurde, erscheint selbstverständlich.



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dem sorgt es – wenigstens in einigen Fällen – für einen breiten Absatz durch die Festlegung eines erträglichen Preises. Die Interessen des Druckers stehen hier eher im Hintergrund. Die drei ungedruckten Privilegien betreffen primär den Status des Druckers und Buchführers; hier geht es vor allem um die geschäftliche Seite: Reyser sollte in Würzburg günstig leben und arbeiten können. Man hat ihn deshalb als „Hofbuchdrucker“ (Ohly / Engelhart) bezeichnet. Dieser Begriff beschreibt die Rechtslage nicht genau genug. Reyser war nicht nur ein Drucker im Dienst des Fürstbischofs und des Domkapitels; er hat offenbar auch eigene Initiativen ergreifen können und nichtamtliche Drucke erstellt, die von keinem Privileg begleitet worden sind. Wer nichtamtliche Texte ohne besondere Erlaubnis herausbringt, handelt wie ein „eigenverantwort­ licher Verleger“ (Engelhart); beide Funktionen, die des „Hofbuchdruckers“ und die eines „Druckerverlegers“ stehen nebeneinander. III. Versuchen wir, diese Befunde in die Vorgeschichte oder Frühgeschichte des Schutzes gegen den Nachdruck einzuordnen. In der Geschichte des Buchdrucks zeichnen sich bis ins erste Drittel des 16. Jahrhunderts mehr oder weniger deutlich drei Entwicklungsfelder ab: zu einen geht es um „Aufsicht und Zensur“; sodann um „Gewerbebefugnis und Bürgerrecht“ und schließlich um den „Schutz gegen den Nachdruck“. In den gedruckten Würzburger Privilegien steht – wie wir gesehen haben – die Kontrolle der Werke selbst, aber auch die Kontrolle der am Druck beteiligten Personen im Vordergrund. Anfangs mag die Zensurbedürftigkeit der kirchenamtlichen Werke noch nicht so klar formuliert worden sein.20 Man muß jedoch bedenken, daß kirchliche Bücherverbote schon lange vor Gutenbergs Erfindung verhängt worden sind; Päpste und Bischöfe haben diese Praxis in die Zeit des gedruckten Buches übertragen. So hat etwa der Mainzer Erzbischof 1485 die Kontrolle volkssprachlicher Bibeldrucke verfügt; diesem Verbot schloß sich sein Würzburger Suffragan unverzüglich an. Eine generelle Vorzensur, die vor allem ketzerische Äußerungen unterdrücken sollte, wurde erst später gefordert und zwar von kirchlicher Seite ebenso wie von weltlichen Mächten. 20  Zur Entwicklung vgl. man noch Ulrich Eisenhardt, Staatliche und kirchliche Einflussnahmen auf den deutschen Buchhandel im 16.  Jahrhundert, in: Herbert G. Göpfert u. a. (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Buchwesens im konfessionellen Zeitalter (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens Bd. 11), Wiesbaden 1985 S.  295–313, bes. S.  206  ff.; jetzt auch Kawohl, Commentary (Anm.  2).

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Bei den ersten ungedruckten Würzburger Privilegien liegen die Akzente etwas anders. Sie dienen vor allem dem Status des Druckers und Buchführers; sie sichern den Status Reysers, seiner Familie und seiner Helfer und damit der Offizin. Die Schutzbriefe können einerseits als Beleg für die freudige Aufnahme des Druckers in Würzburg gelten; sie enthalten an­ dererseits eine Art „Betriebserlaubnis“, die nach dem Recht der Resi­ denzstadt erforderlich war. Insoweit kann man von „Gewerbeprivilegien“ sprechen.21 Am wenigsten ausgeprägt ist in der Würzburger Privilegienreihe der Schutz gegen den Nachdruck. Zwar läuft die einem einzigen Drucker erteilte Erlaubnis zur Herstellung bestimmter Drucke praktisch auf ein Verbot des Nachdrucks durch andere hinaus; es diente gleichwohl in erster Linie der Kontrolle des Inhalts, also der „Reinheit“ der Texte, weniger dem Schutz gegen Nachdruck. Ein solches, eher „mittelbares“ Nachdruckverbot erstreckte sich überdies nur auf den Herrschaftsbereich des Fürstbischofs; es schützte gegen heimische Konkurrenten und gegen den Import fremder Nachdrucke. Es konnte aber nicht in andere Rechtskreise hineinwirken – ein Mangel, der bekanntlich allen späteren fürstlichen Privilegien gegen den Nachdruck innewohnte. Dieses Defizit konnte nur ansatzweise durch allgemeine Verbote von Reichswegen behoben werden; daneben und danach entwickelte sich die bekannte variantenreiche Tradition der kaiserlichen Schutzbriefe. Unser kurzer und in vielerlei Hinsicht ergänzungsbedürftiger Blick auf die spätere Entwicklung zeigt an, daß die Würzburger Privilegien für Georg Reyser einer Phase angehören, die man in der Tat als „Vorgeschichte“ des Privilegienschutzes gegen den Nachdruck bezeichnen kann. In Reysers Jahren steht der Schutz gegen den Nachdruck noch ganz im Schatten von Zensur und Gewerbebefugnis. Erst im Laufe des 16.  Jahrhunderts gewinnt er allmählich ein eigenes Gewicht. Der Bereich „Gewerbserlaubnis“ wurde relativ bald zu einer selbständigen Angelegenheit fortentwickelt.22 Der Zusammenhang von Zensur und Nachdruckverbot hingegen hat sich bis in die Zeit nach dem Untergang des „Alten Reiches“ erhalten. Dafür seien hier nur zwei markante Belege angeführt: zum einen das würt21  Im Sinne eines „Drucker-Gewerbemonopols“; vgl.: R. Golpon, Privileg 2. a., in: Lexikon des Gesamten Buchwesens Bd. 6 (Stuttgart 2003) S. 109–110. 22  In den für den Buchdruck wichtigen Städten gingen sie zumeist in die Buchdruckerordnungen ein, vgl. Jürgen Gramlich, Rechtsordnungen des Buchgewerbes im Alten Reich. Genossenschaftliche Strukturen, Arbeits- und Wettbewerbsrecht im deutschen Druckerhandwerk; in: Archiv für Geschichte des Buchwesens Bd. 41 (1994) S.  1–145.



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tembergische Reskript von 1815, das an dem Grundsatz festhielt, das gewährte Schutzprivileg müsse im geschützten Werk abgedruckt werden23; zum anderen die Diskussion, die im Deutschen Bund bis 1834 / 37 über die Verknüpfung von Zensur und Nachdruckschutz geführt wurde.24

23  Näheres dazu bei: Thomas Gergen, Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19.  Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund (Schriften zur Rechtsgeschichte 137), Berlin 2007. 24  Elmar Wadle, Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen den Nachdruck, in: P.  Thorau u. a. (Hg.) Re­ gionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäschke zum 65. Geburtstag, Köln / Weimar / Wien 2003 S. 231–45, und: ders., Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: Bernd-Rüdigger Kern u. a. (Hg.), Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, Berlin / Heidelberg / New York 2005, S.  431–457. Beide Beiträge auch in diesem Band.

Privilegia Impressoria vor dem Reichshofrat Eine Skizze Es gibt Themen, die jeden, der sich um sein Fach bemüht, über lange Zeit beschäftigen können. Diese Erfahrung hat auch der Autor dieser Skizze gemacht. Schon vor Jahren hat er sich in einem Vortrag vor der Wiener Gesellschaft für Rechtsgeschichte mit dem Thema „Druckprivilegien und Urheberrecht“ befasst und danach hat er immer wieder über kaiserliche und landesfürstliche Privilegien gegen den Nachdruck nachgedacht1. I. Derartige Privilegien haben eine lange Tradition; sie reicht vom späten 15. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert, im Gebiet des untergegangenen Alten Reiches sogar weit über das Jahr 1806 hinaus. In Deutschland jedenfalls gibt es – neben allen Bemühungen um bessere Schutzinstrumente – Privilegien gegen den Nachdruck bis zu den Urheberrechtsgesetzen des frühen Bismarckreiches. Erst diese modernen Gesetze haben ausdrücklich festgelegt, dass fortan der Nachdruck nicht mehr mit Hilfe förmlicher Privilegien bekämpft werden konnte. Dieser „langsame Abschied vom Privileg“2 1  Der am 16.  Januar 1990 in Wien gehaltene Vortrag ist nicht veröffentlicht worden; entsprechendes gilt für ein Statement, das im Oktober 1997 in Göttingen vorgetragen worden ist. Im Übrigen darf auf folgende Beiträge des Autors hingewiesen werden: Vor- oder Frühgeschichte des Urheberrechts? Zur Diskussion über die Privilegien gegen den Nachdruck, in: UFITA Bd.  106 (1987), S.  95–106; Neuere Forschungen zur Geschichte des Urheber- und Verlagsrechts, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1990, S. 51–67; Privilegienschutz gegen Nachdruck um 1800. Der Fall Ataria contra Götz, in: Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Bd.  10), Berlin 1993, S.  33–55. Diese Beiträge sind auch abgedruckt in: Elmar Wadle, Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim 1996. Hinzuzufügen ist noch: Privilegien für Autoren oder für Verleger. Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte; Germanistische Abteilung (=  ZRG.GA.) 124. Bd., 2007, S.  144–166; auch in diesem Band S.  73  ff. 2  So der Titelbeginn eines Beitrages, den der Referent zum Frankfurter Sympo­ sion von 1995 geliefert hat; dazu Näheres in Fn.  7 und im Text dazu. Die Titelei wurde variierend („Der lange Abschied vom Privileg“) aufgegriffen u. a. von Marg-

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kündigt sich schon im späteren 18.  Jahrhundert an; auch auf der Reichs­ ebene gibt es entsprechende Bemühungen3. Dennoch hat man bis zum Ende des Alten Reiches an den überkommenen Kompetenzen des Kaisers und der obersten Behörden und Gerichte im Reich festgehalten. Dafür bieten nicht zuletzt die Privilegia Impressoria, die seit dem 16. Jahrhundert vom Reichshofrat verwaltet werden, ein gutes Beispiel. Der Reichshofrat war nicht nur für das Erteilungsverfahren zuständig, sondern hatte auch über Streitigkeiten bei Erteilung oder nachträglicher Anfechtung sowie vor allem über Verletzungsfälle in gerichtsförmiger Weise zu entscheiden. Die allermeisten Akten zu diesen Verfahren lagern im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Niemand, der sich dem Phänomen Privilegia Impressoria zuwenden will, kommt um die hier aufbewahrten Akten herum und hat schon deshalb ein großes Interesse an der besseren Erschließung der Bestände4. Um die Nachdruckprivilegien, nicht zuletzt um die kaiserlichen Impressoria, ranken sich viele Probleme, die schon oft diskutiert worden sind. Auf einige der zentralen Streitpunkte soll unten noch näher eingegangen werden. rit Seckelmann, Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich, 1871–1914 (Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte Bd.  201), Frankfurt am Main 2006, S.  V und 57. 3  Dazu zuletzt Steffen-Werner Meyer, Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck anlässlich der Wahlkapitulation Leopold  II. aus dem Jahre 1790 (Rechtshistorische Reihe 291), Frankfurt a. M. u. a. 2003. 4  Über die bisherigen Bemühungen zur Neuaufnahme der Wiener Bestände des Reichshofrats Näheres bei: Wolfgang Sellert, Projekt einer Erschließung der Akten des Reichshofrats, in: ders. (Hg.), Reichshofrat und Reichskammergericht. Ein Konkurrenzverhältnis (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 34), Köln 1999, S.  199–210; Leopold Auer, Such- und Erschließungsstrate­ gien für die Prozessakten des Reichshofrats, ebenda, S.  211–219; Annette Baumann / Eva Ortlieb, Netzwerke Reichsgerichtsbarkeit, in: Brigitte Feldner u. a. (Hg.), Ad fontes. Europäisches Forum junger Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker, Wien 2001, Frankfurt a. M. 2001, S.  23–36; Eva Ortlieb, Gerichtsakten und Parteiakten zur Überlieferung der Kaiserlichen Kommission des Reichshofrats, in: Annette Baumann / Siegfried Westphal / Stephan Wendehorst / Stefan Ehrenpreis (Hg.), Prozessakten als Quelle (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 37), Köln / Weimar / Wien 2001, S.  101–118; dies., Die „alten Prager Akten“ im Rahmen der Neuerschließung der Akten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51 (2004), S.  593–634; dies. / Siegrid Westphal, Die Höchstgerichtsbarkeit im Alten Reich: Bedeutung, Forschungsentwicklung und neue Perspektiven, in: ZRG.GA 123 (2006), S.  291–304; dies., Gnadensachen vor dem Reichshofrat (1519–1584), in: Leopold Auer / Werner Ogris / Eva Ortlieb (Hg.), Höchstgerichte in Europa. Bausteine frühneuzeitlicher Rechtsordnungen, in: Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Bd.  53, Köln / Weimar / Wien 2007, S.  177–202.



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Ziel des hier zu skizzierenden Projektes5 ist es, durch breiter angelegte Archivrecherchen die Vorgänge, namentlich die Prozesse vor dem Reichshofrat, besser zu erfassen und die anstehenden Fragen nach der rechtshistorischen Bedeutung der kaiserlichen Impressoria einer Antwort näher zu bringen. Das Vorhaben soll in drei Schritten näher charakterisiert werden: Zunächst ist allgemein auf die Bedeutung der Privilegienforschung einzugehen (II.). Die angesichts der Materialfülle notwendigen Eingrenzungen sind anschließend zu erläutern (III.); ebenso sollen zwei zentrale methodische Probleme im Kontext der bisherigen Diskussion behandelt werden (IV.). Zum Abschluss mag ein Beispiel verdeutlichen, welche Ereignisse durch archivgestützte Detailstudien erhofft werden können (V.). II. Die rechtshistorische Erforschung der Nachdruckprivilegien6 kommt natürlich nicht umhin, ganz allgemein über das Privilegienwesen im Alten Reich nachzudenken und insbesondere die Rolle des Privilegs im Rechtsdenken der Jahrhunderte ins Auge zu fassen, mithin die rechtswissenschaftliche Einordnung dieses Instruments zu erörtern. Auch zu dieser Thematik ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden. Vor allem Barbara Dölemeyer und Heinz Mohnhaupt haben wichtige Beiträge geliefert; sie haben nicht zuletzt durch zwei Tagungen, die allgemein der Rechtsgeschichte des Privilegienwesens gewidmet waren, große Verdienste erworben7. So wichtig dieses Unternehmen, das „die Unendlichkeit des Privilegienbegriffs“ (Mohnhaupt) ins Bewusstsein gerufen hat, auch war – im Hinblick auf die Impressoria hatte es auch gewisse Tücken: Es weitete einerseits den Blick des auf das Urheberrecht und seine Vorläufer fixierten Rechtshistorikers, ließ aber andererseits die Besonderheiten der Nachdruckprivilegien etwas in den Hintergrund treten. Bei alledem bleibt unbestritten, dass jeder, der sich den 5  Das hier vorgestellte Projekt („Privilegia Impressoria vor dem Reichshofrat“) wird seit März 2006 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt. 6  Über den Stand der Forschungen orientiert recht zuverlässig Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Baden-Baden 1995, S.  39  ff.; im Übrigen darf auf die in Fn.  1 genannten Beiträge verwiesen werden. 7  Die Beiträge der Tagungen von 1995 und 1998 sind präsentiert in: Barbara Dölemeyer / Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich, Bde. I / II (Ius Commune, Sonderheft, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 93 und 125), Frankfurt a. M. 1997 und 1999. Die wichtigsten übrigen Beiträge Mohnhaupts sind gut zugänglich durch den Sammelband „Historische Vergleiche im Bereich von Staat und Recht“ (Ius Commune, Sonderhefte, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 134), Frankfurt a. M. 2000. Im Übrigen sei abermals auf die Hinweise bei Gieseke (Fn.  6) verwiesen.

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Privilegia Impressoria zuwendet, gut daran tut zu beachten, dass diese Kategorie von „Gnadenbriefen“ auch in der Praxis anderer Reichsstände, namentlich der Landesfürsten, zu finden ist. Außerdem darf man nicht vergessen, dass Kaiser bzw. Reichshofrat neben den Impressoria auch andere Privilegien bewilligt haben; der Bestand „Gratialia“ im Haus-, Hof- und Staatsarchiv macht überdeutlich, wie viele andere Begünstigungen mit Hilfe eines kaiserlichen Schutzbriefes zugewiesen werden konnten. Diese Vielfalt der Privilegienwelt legt einerseits nahe, allgemeinere Kriterien zu entwickeln, um die rechtliche Bedeutung charakterisieren zu können; andererseits schließt sie aber auch nicht aus, dass innerhalb einer Kategorie von Privilegien artspezifische Maßstäbe gegolten haben. Mehr noch: Das Privileg als Einzelakt ist grundsätzlich offen für individuelle, auf den einzelnen Privilegierungsakt bezogene Kriterien. Diese Offenheit mag bei zunehmender rechtstheoretischer Betrachtung der Privilegienwelt beschränkt worden sein; bei einer kaiserlichen Institution wie dem Reichshofrat spricht jedoch viel dafür, dass man peinlich genau darauf geachtet hat, den durch Herkommen und Praxis geprägten Entscheidungs- und Wertungsspielraum zu erhalten. Eingrenzungen der überlieferten Praxis hätten nicht zuletzt die Kompetenzen des Reichshofrats berührt und ihn dadurch in Frage gestellt. Diese Überlegungen dürften rechtfertigen, dass man sich auf eine bestimmte Privilegiengattung beschränken kann und sie so konkret wie möglich zu erfassen sucht. III. Mit der Entscheidung für die kaiserlichen Nachdruckprivilegien ist demnach nur ein erster Schritt getan; weitere Konsequenzen sind unvermeidlich, soll die geplante Untersuchung nicht allzu stark ausufern. Die kaiserlichen Impressoria reichen in einer kaum überschaubaren Kette vom 15.  Jahrhundert bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches. Bislang weiß niemand genau, wie viel Anträge am kaiserlichen Hof und später am Reichshofrat verhandelt worden sind. Nicht einmal die positiv beschiedenen Gesuche sind bislang hinreichend erfasst. Deshalb ist eine Untersuchung, die alle Privilegien umfasst, zurzeit nicht möglich. Es empfiehlt sich eine doppelte Beschränkung, eine zeitliche und eine räumlich. Das Forschungsprojekt muss sich demnach auf die Privilegia Impressoria einer bestimmten Epoche konzentrieren. Die Entscheidung fiel zugunsten der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg; das Projekt gilt also der Spätzeit der reichshofrätlichen Praxis. Allerdings ist – wie angedeutet, auch die Überlieferung zu diesem Zeitraum noch allzu breit. Sie findet sich nicht nur



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in den eigentlichen Prozessakten des Reichshofrats, mithin in den „Judicialia“, sondern auch den „Gratialia“, also den Akten über die Erteilung von Gnadenbriefen. Darüber hinaus muss man auch die zahlreichen lokalen Archive bedenken, insbesondere jene der Reichsstädte, in denen sich eine Menge zusätzlichen Materials finden lässt, das für die Beurteilung konkreter Fälle unentbehrlich ist. Dieser Befund zwingt zu einer weiteren Eingrenzung: Die Untersuchung muss auch räumlich segmentiert werden. Es liegt nahe, sich auf die Zentren des Druckgeschäfts und auf jene Prozesse konzentrieren, die Drucker und Verleger solcher Zentren betreffen. Zur Auswahl bieten sich vor allem die Reichsstädte an, besonders Augsburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt und Köln. Frankfurt ist schon der Messe wegen unverzichtbar, solange das Buch­ geschäft noch nicht nach Leipzig abgewandert war. IV. Bevor an einem konkreten Beispiel gezeigt werden kann, welchen Nutzen diese mehrfache Segmentierung des Untersuchungsgegenstandes hat, soll noch auf zwei methodische Grundprobleme eingegangen werden, zum einen auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit statistischer Erhebungen, zum anderen auf die Frage nach der Verortung des Privilegienwesens in den Rechtsvorstellungen der angesprochenen Epoche. Aus den bisher aufgezeigten Zugriffsmöglichkeiten ergibt sich zunächst, dass die Ermittlung statistischer Angaben nicht im Vordergrund stehen kann. Damit – und diese Feststellung ist mir wichtig – soll nicht geleugnet werden, dass auch quantifizierende Fragestellungen neue Erkenntnisse bringen können. Gerade anhand der Akten der obersten Reichsgerichte – namentlich des Reichskammergerichts, aber auch des Reichshofrats – lassen sich brauchbare Erkenntnisse gewinnen, freilich nur in solchen Bereichen, die einer Quantifizierung zugänglich sind. Ob diese Methode für eine rechtliche Differenzierung der Privilegien tauglich ist, erscheint mir eher fraglich. Zum Beleg sei auf den Disput verwiesen, der in den 1960er Jahren zwischen Hansjörg Pohlmann und Walter Bappert geführt worden ist8. Es ging damals um die Frage, ob man bei den kaiserlichen Nachdruckprivilegien, namentlich bei jenen des 16. und frühen 17.  Jahrhunderts, Frühformen urheberrechtlichen Denkens ausmachen kann oder nicht. Oder anders formuliert: Ob man aus dem Text und Kontext der Privilegien entnehmen könnte, ob sie lediglich gewerblichen Zwecken dienen wollten, mithin nur die Un8  Nachweise

bei Gieseke, Vom Privileg (Fn.  6), S.  67  ff.

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ternehmerinteressen im Auge hatten oder ob sie mehr bewirken wollten. Bappert verteidigte die erste Deutung, also die These vom Vorrang der Interessen der Drucker und Verleger, und schloss sich damit der herrschenden älteren Lehre an. Pohlmann indes suchte diese Sicht durch ein Gegenmodell zu entkräften, das stärker urheberrechtlichen Ansätzen verpflichtet war. An dieser Stelle kann die Auseinandersetzung nur sehr pauschal angesprochen werden; viele Einzelheiten und Nuancen müssen hier übergangen werden; sie führen fast immer zu der Frage, ob es notwendig ist, die jeweiligen Fälle genauer zu betrachten. Pohlmann hat in seiner frühen Untersuchung zu den Schutzbriefen zugunsten von Komponisten bzw. Musikwerken möglichst genau Entstehungsgeschichte und Wortlaut verfolgt9. In späteren Beiträgen hat er sich allzu sehr auf die Zahl der Empfänger gestützt und gefragt, wie viele Privilegien zugunsten der Verlegern und wie viele zugunsten der Autoren ausgestellt worden sind. Hier zeigt sich, dass sowohl Bappert als auch Pohlmann trotz aller beachtenswerten Einzelbeobachtungen sich allzu stark an Kategorien der Statistik orientiert haben. Mit einer solchen Betrachtungsweise sollte man aber vorsichtig umgehen. Selbst wenn eines Tages die Gesamtmenge der Privilegien hinreichend erfasst wäre, könnte man Kernfragen nach der rechtlichen Bewertung des Nachdruckschutzes nur mit größter Vorsicht mit Hilfe statistischer Daten angehen. Dies hat einen besonderen Grund: Das Privileg ist und bleibt ein Instrument, das im Einzelfall eingesetzt wird. Es unterliegt in seiner Handhabung Regeln, die mehr durch Herkommen als durch Theorie geprägt sind. Auch mag es Regelmäßigkeiten in der Motivation und Zielsetzung der erteilenden Stellen geben, sicher ist dies jedoch keineswegs. Aus der Praxis der Privilegienerteilung im 19.  Jahrhundert kann man lernen, dass es immer wieder Fälle gegeben hat, in denen ein Schutz durch Privileg gar nicht erforderlich war10. Es sind Fälle belegt, in denen ein Privileg gegen den Nachdruck erbeten und auch gewährt wurde, obwohl ein Schutz durch Gesetz vorhanden war; das Privileg wurde offenbar aus anderen Gründen erteilt. Allgemein und positiv formuliert bedeutet dies: Privilegien können aus den unterschiedlichsten Gründen und Erwägungen gewährt werden; man darf sie nicht einmal – ohne genauere Recherche – als notwendige Folge des Fehlens anderer Schutzinstrumente begreifen. 9  Hansjörg Pohlmann, Die Frühgeschichte des musikalischen Urheberrechts (ca. 1400–1800). Neue Materialien zur Entwicklung es Urheberrechtsbewusstseins der Komponisten, Kassel 1962. 10  Dazu Näheres bei Wadle, Privilegien für Autoren (Fn. 1); Thomas Gergen, Die Nachdruckprivilegienpraxis in Württemberg im 19.  Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund, Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 137, Berlin 2007, bes. S.  24  ff., 35  ff.



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Mit diesem Hinweis ist ein weiteres grundlegendes Themenfeld angesprochen, nämlich die Frage nach der Stellung des Privilegs in der Rechtsordnung, insbesondere sein Verhältnis zu anderen zeitgenössischen Formen von Rechtsaussagen, etwa zu Gesetzen und Verordnungen, zu Lehrtraditionen und zum überlieferten gemeinen Recht. Dass es nicht ganz einfach ist, das Privileg in den Rechtskosmos der frühen Neuzeit einzuordnen, ist bekannt. Die alleinige Orientierung am Gesetzesbegriff, besser: an den Gesetzesbegriffen des Vernunftrechts oder des 19.  Jahrhunderts, ist außerordentlich fragwürdig, wenn es um die Verortung der Privilegien der vorangehenden Zeit geht. Heutzutage ist man schnell geneigt, die durch ein Privileg geschaffene und verbriefte rechtliche Position als Ausnahme von einer allgemeinen Regel zu verstehen; zumindest neigen wir dazu, dann, wenn ein punktuelles Verbot angesprochen wird, an eine Ausnahme von einer allgemeinen Freiheit zu denken, der vielleicht sogar Rechtscharakter zugeschrieben wird. In einer Zeit, deren Vorstellung von Recht durch eine mehr oder weniger geordnete Vielzahl von Regeln bestimmt ist, muss man mit einer derartigen Regel-Ausnahme-These vorsichtig umgehen: eine allgemeine NachdruckFreiheit ist keineswegs selbstverständlich; wir müssen mit einem gleichsam rechtsfreien Raum rechnen, einem Raum also, den hergebrachte Rechtsaussagen noch nicht besetzt haben. Dies gilt wohl auch noch für die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Eine überkommene Form der Rechtsaussage, wie sie das Privileg darstellt, ist vielleicht in der theoretischen Rechtsquellenlehre des späteren 17. und des 18.  Jahrhunderts brauchbar einzuordnen11. Ob dies auch in der Praxis so gesehen worden ist, muss allerdings vorerst offen bleiben. Die Frage, ob die im Nachdruckprivileg angesprochene Rechtsposition durch den Privilegierungsakt erst begründet oder nur bekräftigt oder vielleicht nur mit einem besonderen Schutzgebot ausgestattet wird, muss offen bleiben, solange die Sicht der Praxis nicht hinreichend erschlossen ist. Hier liegt der eigentliche Grund für die Absicht, die Gerichtspraxis zu den Privilegia Impressoria genauer zu untersuchen. Es ist letztlich die Hoffnung, näheren Aufschluss über den jeweils aktuellen Umgang mit einem traditionsreichen Rechtsgestaltungsinstrument zu ermitteln. Wie kann das geschehen? Die Antwort ist bereits angedeutet: Man muss sich segmentweise vorarbeiten. Man darf sicher sein, dass es sich lohnt, solche nach Zeit und Bezugsort begrenzten Bereiche näher zu untersuchen. 11  Siehe dazu vor allem: Diethelm Klippel, Das Privileg im deutschen Naturrecht des 18. und 19.  Jahrhunderts, in: Dölemeyer / Mohnhaupt (Hg.), Privileg I (Fn.  7), S.  329–345) und ders., Das Privileg in der deutschen Staatsrechtslehre des 19.  Jahrhunderts, in: Dölemeyer / Mohnhaupt (Hg.), Privileg II (Fn.  7), S.  285–308.

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V. Ein Arbeitsfeld wird die Reichsstadt Augsburg sein, und zwar das Geschehen um Druckprivilegien im 17. und 18.  Jahrhundert, genauer in der Zeit von ca. 1648 bis 180612. Heute kann nur ein Beispiel geliefert werden, nämlich ein Exposé über die Erfahrungen, die der Augsburger Buchhändler Bencard und seine Erben mit Druckprivilegien für eines seiner erfolgreichsten Bücher gemacht hat, nämlich den „Goldenen Himmelsschlüssel“ des Kapuzinerpaters Martin von Cochem. Zunächst einige Bemerkungen zu Bencard13. Johann Kaspar Bencard, der aus Würzburg stammte und zunächst in Frankfurt, dann in Dillingen als Buchdrucker bzw. Buchhändler gewirkt hatte, ließ sich 1694 in Augsburg nieder. Hier genoss er bis zu seinem Tode an Weihnachten 1720 großes Ansehen; er galt als einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der katholischen Buchhändlerschaft in der Reichsstadt. In seinem Verlag erschienen zwar die unterschiedlichsten Werke. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass er sich besonders für geistliche Werke (Erbauungs-, Predigt- und Gebetbücher) engagiert hat und damit auch beste Erfolge erzielen konnte. Zu den „Rennern“, die Bencard herausbrachte, gehörten die Schriften des Kapuziners Martin von Cochem (1634–1712)14. Dieser Mönch, dessen Wirken mit 12  Über die Geschichte der Druckereien und des Buchhandels in Augsburg informiert hervorragend der Sammelband: Helmut Gier / Johann Janota (Hg.), Augsburger Buchdruck und Verlagswesen: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997; für die ältere Zeit vor allem: Hans-Jörg Künast, „Getruckt zu Augspurg“. Buchdruck und Buchhandel in Augsburg zwischen 1468 und 1555 (Studia Augus­ tana Bd.  8), Tübingen 1997. 13  Die Geschichte der Familie Bencard und ihrer Tätigkeit als Buchdrucker und -händler ist gut dokumentiert durch Isabel Heitjan, Die Buchhändler, Verleger und Drucker Bencard (1636–1762), in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 3 (1961), Sp.  613–980. Die wichtigsten Daten zu Johann Kaspar Bencard und seinem Nachfolger Joseph Wolff bei: Hans-Jörg Künast, Dokumentation: Augsburger Buchdrucker und Verleger, in: Gier / Janota, Augsburger Buchdruck (Fn.  12), S.  1239–1340, hier S.  1250, 1283  f. 14  Näheres zu Pater Martin Linius (1634–1712), der nach seinem Geburtsort Martin von Cochem genannt wurde, und seinen Schriften, namentlich dem 1689 herausgegebenen Gebets- und Andachtsbuch „Der güldene Himmelsschlüssel“, bei: Johannes Chrysostomus Schulte / P. Martin von Cochem. 1634–1712. Sein Leben und seine Schriften (Freiburger Theologische Studien Heft  1), Freiburg i.  Br. 1910, bes. S. 91, 170 ff.; Wilhelm Kosch, P. Martin von Cochem, der Apostel Deutschlands im Zeitalter der großen Kriege, Mönchengladbach 1921; Leutfried Signer, Martin von Cochem. Eine grosse Gestalt des rheinischen Barock, Seine literarhistorische Stellung und Bedeutung (Institut für Europäische Geschichte Mainz, Vorträge, Nr. 35), Wiesbaden 1963.



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jenem eines Abraham à Santa Clara verglichen worden ist, hatte ein Buch geschrieben, das eine Art Bestseller werden sollte: den „Güldenen Himmelsschlüssel“. Die Kapuziner der rheinischen Provinz, zu der Martin von Cochem gehörte, konnten sich dank eines kaiserlichen Generalprivilegs gegen den Nachdruck einen Verleger aussuchen15. Sie entschieden sich für den damals noch in Dillingen wirkenden Johann Kaspar Bencard. Daraufhin wurde ihm 1689 ein kaiserliches Privilegium Impressorium auf zwölf Jahre ausgefertigt. 1701 wurde der Schutz für nochmals zwölf Jahre erteilt; 1710 gab es ein neues Privileg auf weitere zwölf Jahre. Damit war der Druck des Himmelsschlüssels – so scheint es jedenfalls auf den ersten Blick – über den Tod des Verlegers hinaus für die Erben gesichert. Johann Kaspar starb – wie erwähnt – gegen Ende des Jahres 1720. Es sollte jedoch einiges anders laufen als geplant. Zunächst bleibt festzuhalten, dass es schon im Kontext des zweiten Privilegs Ärger in der Familie gab16. Der in Frankfurt ansässige Bruder Johann Melchior Bencard, der ebenfalls mit dem Druck von Werken Martin von Cochems Geschäfte machte, wollte sich auch den „Goldenen Himmelsschlüssel“ sichern. 1695, mithin noch vor Ablauf des ersten Privilegs, ließ er sich von den Kapuzinern versprechen, dass er, Johann Melchior, das Anschlussprivileg erhalten werde. Es wundert nicht, dass Johann Kaspar energisch protestierte. Schließlich einigte man sich; Johann Kaspar behielt den „Himmelsschlüssel“ und im Übrigen teilten sich die Brüder im Rahmen eines Kompromisses den Druck anderer Werke des Kapuziners untereinander auf. Wenige Jahre später musste sich Johann Kaspar gegen einen weiteren Konkurrenten wehren17. Der Brünner Buchhändler Franz Ignaz Sinapi hatte den „Goldenen Himmelsschlüssel“ nachgedruckt und auf der Frankfurter Buchmesse angeboten. Bencard klagte in Wien und bewirkte, dass 1699 die Exemplare des Nachdrucks in Frankfurt beschlagnahmt wurden. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass Johann Kaspar seine durch Privilegien verbrieften Rechte wahrzunehmen wusste. Nach seinem Tode änderte sich die Situation. Man gewinnt den Eindruck, dass andere Buch15  Allgemein zu den Generalprivilegien vgl. man Gieseke, Vom Privileg (Fn.  6), S. 76 f.; zum Kapuzinerprivileg vom 7. Mai 1674 siehe Schulte, Martin von Cochem (Fn.  15), S.  192. Zu den Privilegien Bencards bezgl. der Schriften des Martin von Cochem, Einzelheiten bei Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  790  ff. 16  Schulte, a. a. O., S.  192  f.; Heitjan, a. a. O., Sp.  792. 17  Haus-, Hof- und Staatsarchiv (= HHStA), Reichshofrat (= RHR) Jud. misc. 5, Konv.  2; Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  802.

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händler glaubten, sie könnten den Erben die Behauptung ihrer Rechte und damit das Geschäft erschweren. Ein neues Privileg, das über weitere zwölf Jahre den Goldenen Himmelsschlüssel schützen sollte, war am 3. Oktober 1721 ausgestellt worden. Pflichtexemplare und Gebühren waren gerade geleistet, als sich Bencards Erben gegen einen neuen Konkurrenten wehren mussten18. Der Riedlinger Buchhändler Vallentin Ulrich hatte Nachdrucke herstellen lassen und an einige Sortimenter verkauft. Im Laufe des Jahres 1723 zeigten nun die Erben Bencards, nämlich seine Frau und ihre Kinder an, dass in Memmingen, Ulm und Lauingen Exemplare des Himmelsschlüssels verkauft worden waren, die nicht aus ihrer Offizin stammten. Der Reichshofrat wollte Beweise sehen; er ordnete Verhöre an und verlangte die Einsendung von Exemplaren. Es verging Zeit, allzu viel Zeit. Inzwischen waren die Nachdrucke bis auf einige abgesetzt worden. Die Bemühungen verliefen – soweit ersichtlich – im Sand. Einige Jahre später, genauer 1730 / 31, mussten sich die Bencardschen Erben gegen einen jüdischen Händler wehren, der einem Augsburger Konkurrenten 500 Nachdrucke zu einem geringen Preis angeboten hatte19. Auch dieser Prozess verlief ohne positives Ergebnis für die Nachfahren Bencards; es gelang nicht, die erforderlichen Beweise zu erbringen. Es kam noch schlimmer20. Die Nürnberger Buchhändler Gebr. Wolff erwarben 1736 ein Privileg auf zehn Jahre für den „Goldenen Himmelsschlüssel“. Wie konnte das geschehen? Man hatte in Augsburg offenbar nicht richtig aufgepasst. Als die Gebr. Wolff von den Erben Bencards belangt wurden, verteidigten diese sich mit dem Hinweis, das Privileg der Augsburger sei mittlerweile erloschen; deshalb hätten sie auf den Himmelsschlüssel zugreifen können. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass das Management in Augsburg recht chaotisch war. Man hatte zwar das Privileg 1735 in Wien verlängern lassen, aber vergessen, die erforderliche Konzession beim Kapuzinerorden einzuholen. Die Nürnberger Konkurrenten hatten diesmal die Nase vorn. Sie erreichten sogar eine Bestätigung ihrer Rechte durch die Kapuziner und erhielten 1746 ein Verlängerungsprivileg für weitere zehn Jahre. Ähnlich ungünstig verlief eine ebenfalls in die 30er Jahre fallende Auseinandersetzung der Bencardschen Erben mit dem Würzburger Drucker Rausch21. Rausch hatte am 17. April 1736 ein kaiserliches Privileg auf zehn Jahre zugunsten eines „Verbesserten Goldenen Himmelsschlüssels“ erhalten 18  HHStA

RHR Decisa 1143; Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  802. RHR Decisa 1143; Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  803. 20  HHStA  RHR Decisa 1143; Schulte, Martin von Cochem (Fn.  16), S.  191; Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  804  f. 21  HHStA RHR Decisa 1143; Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  805  f. 19  HHStA



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und dieses Buch drucken lassen. Der Anwalt der Bencardschen Erben verwies auf die Spezialkonzession, die der Kapuzinerorden Bencard früher gegeben habe, sowie auf das kaiserliche Privileg, das 1735 auf weitere zehn Jahre verlängert worden sei. Er verlangte die Einziehung des Schutzbriefes, den man dem Buchhändler Rausch erteilt hatte; man sollte dieses Privileg „denegieren oder allenfalls selbiges hinwiederum kassieren“, da „es sich um eine Vorsatz und freventlich attendierte Sub- und Obreption“ handle; die Nachdrucke sollten überdies konfisziert und an den Kläger ausgeliefert werden. Der Anwalt des beklagten Rausch verteidigte in einem Schriftsatz, der beim RHR am 21. August 1736 eingegangen ist, seinen Mandanten vor allem mit dem Hinweis, dass es sich bei dem von ihm nachgedruckten Buch, für das Rausch ja ein kaiserliches Privileg erhalten habe, um ein verbessertes, mithin „ein ganz anderes neues Werk“ gehe. Gegen diesen Einwand war schwer anzukommen, zumal sich inzwischen herausgestellt hatte, dass die Konzession des Kapuzinerordens zugunsten der Bencardschen Erben fehlte. Der Anwalt der Augsburger versuchte nun in einem langen Schriftsatz zu begründen, dass der Nachdruck auch ohne Privileg rechtswidrig sei. Diese Erörterung ist sehr interessant, weil sie zeitgenössische Interpretationen des Gemeinen Rechts wie des Vernunftrechts heranzieht, um das Nachdruckverbot zu begründen. Erfolgreich war diese Argumentation allenfalls insoweit, als es zu einem Vergleich kam, in den auch andere strittige Punkte einbezogen wurden. Auch wenn auf weitere Einzelheiten hier nicht eingegangen werden kann, so dürfte der zuletzt erwähnte Fall jetzt schon einen wichtigen Fingerzeig geben: In diesen Prozess ist die im 18.  Jahrhundert angelaufene Diskussion um den Nachdruckschutz ohne Privileg eingeflossen, und zwar durch einen praktisch tätigen Anwalt. Es kommt hinzu, dass Martin von Cochem im Laufe von Streitigkeiten um einem anderen Nachdruckfall geäußert haben soll, das Recht, Privilegien, also Konzessionen, zu erteilen, solle dem Orden genommen und den Autoren überlassen werden, damit diese selbst die Druckfreiheiten ihrem Verleger erteilen könnten22. Beide Beobachtungen, das anwaltliche Plädoyer für einen Schutz ohne Privileg und der Vorschlag des Kapuziners, auf die Generalprivilegien seines Ordens zugunsten der Rechte der Autoren zu verzichten, deuten letztlich in die Zukunft, nämlich in eine Zeit urheberrechtlicher Neuorientierung. Mehr als solche Andeutungen können zurzeit noch nicht geliefert werden. Sie mögen genügen um anzudeuten, dass sich eine genauere Recherche in den RHR-Akten des 17. und 18.  Jahrhunderts lohnen dürfte. Genau dies zu belegen, ist Ziel des hier skizzierten Projektes. 22  Dazu

Heitjan, Bencard (Fn.  13), Sp.  799  f.

Das Lustspiel „So rächen sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern“ Probleme um Honorar und Nachdruck im Blick eines unbekannten Autors des späten 18.  Jahrhunderts I. Dass sich Gesetzgeber und Rechtswissenschaft mit dem Schutz von „Werken“, mithin mit dem Interessengeflecht von Urhebern, Verwertern, Nutzern und Allgemeinheit befassen, erscheint heute selbstverständlich. Dass sich auch Autoren, die Schöpfer der Schutz verlangenden Werke, mit Problemen des Urheberrechts abgeben, ist weniger geläufig, verdient aber besondere Beachtung. Dies gilt namentlich dann, wenn rechtliche Fragen zum Gegenstand künstlerischer Aktivitäten werden. Diese Art der Auseinandersetzung ist gar nicht so selten, wie mancher zeitgenössische Jurist vielleicht glauben möchte. Zum Beleg dieser These seien nur einige Beispiele genannt. 1781 erscheint Daniel Nikolaus Chodowieckis Radierung „Wercke der Finsternis, oder Beytrag zur Geschichte des Buchhandels in Deutschland. Allegorisch vorgestellt zum besten, auch zur Warnung aller ehrliebenden Buchhändler“, eine „Satyre auf die Nachdrucker“. Das Blatt, das auf Veranlassung des Berliner Buchhändlers und berühmt-berüchtigten Nachdruckers Himburg angefertigt worden ist, zeigt einen Verleger und seine Helfer, die aus einer Höhle heraus agieren und Schriftsteller ihrer Kleider berauben, während die im Vordergrund liegende Justitia schläft1. Richard Strauß vertont 1918 in seinem Krämerspiegel op. 66 verlegerkritische Texte von Alfred Kerr; hier mögen zwei Titel für das Ganze stehen: 1  Vgl. etwa Jens-Heiner Bauer, Daniel Nikolaus Chodowiecki, Das druckgraphische Werk. Die Sammlung Wilhelm Burggraf zu Dohna-Schlobitten, Hannover 1972, S. 127 (Nr. 830). Dazu der Kommentar zum Bild bei: ders. (Hg.), Elisabeth Wormsbächer, Daniel Nikolaus Chodowiecki, Erklärungen und Erläuterungen zu seinen Radierungen. Ein Ergänzungsband zum Werkverzeichnis der Druckgraphik, Hannover 1988, S. 82 f. – Die Radierung ist oftmals abgedruckt worden; so etwa bei Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen 1995, S. 182 (Abb. 17). Auch in diesem Band S. 11.

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„Von Händlern wird die Kunst bedroht“ und „O Schröpferschwarm, o Händlerkreis“2. Am 14. Mai 1995 trägt während des Berliner Autorensymposions „Auf der Medienautobahn“ der Kabarettist Michael Quast sein „Kleingedrucktes“ vor, eine „Abrechnung“ mit der Vertragspraxis potenter Auftraggeber, insbesondere der Rundfunkanstalten3. Andere Stücke sind nicht so bekannt geworden, obgleich sie es verdient hätten. Dazu gehört auch das „Lustspiel“, über das im Folgenden zu berichten ist. II. Das Titelblatt der hier herangezogenen Druckausgabe vermeldet nicht nur den Titel („So rächen sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern“), sondern auch den Zusatz „Ein Lustspiel in fünf Aufzügen“. Als Erscheinungsort ist angegeben „Prag und Leipzig, in Kommission der von V.  Schönfeld – Meißnerischen Buchhandlung. 1790“. Der Name des Autors ist nicht abgedruckt; in dem Exemplar, das diesem Beitrag zugrunde liegt, ist aber von Hand – vermutlich durch einen Bibliothekar – hinzugefügt: „von J. A. Rothe“. Stück, Ausgabe und Autor sind in bibliographischen Werken nachzuweisen, so etwa bei Karl Goedeke4. Andere Kompendien vermerken zugleich eine weitere Ausgabe aus dem Jahre 17905. 2  Weitere Hinweise bei Manuela Maria Schmidt, Die Anfänge der musikalischen Tantiemenbewegung in Deutschland. Eine Studie über den langen Weg bis zur Errichtung der Genossenschaft deutscher Tonsetzer (GDT) im Jahre 1903 und zum Wirken des Komponisten Richard Strauss (1864–1949) für Verbesserungen des Urheberrechts, Schriften zur Rechtesgeschichte, Heft 125, Berlin 2005, S.  607 – Der „Krämerspiegel“ ist hier zitiert nach der von Peter Schreier / Norman Schettler (Ars Vivendi 2100206) eingespielten CD bei „magna Music“. 3  Auf der Medienautobahn – Urheber im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit. Autorensymposion unter der Schirmherrschaft von Bundesministerin der Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Sonntag, d. 14. Mai 1995 (Akademie der Künste Berlin Tiergarten) o. O. 1995., S. 17 m. Anlage: „Michael Quast mit Kleingedrucktes (CD)“. 4  Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl. fortgeführt v. Eduard Goetze, 5. Bd., 2. Abt., Dresden 1893, S. 350. 5  Es handelt sich um den Bd. „Lustspiele“ des Autors; neben dem hier vorgestellten Stück enthält die Ausgabe (Prag 1790, Neureutter), noch „Weiberlist geht über alles“. Gesamtverzeichnis (= GV) des deutschsprachigen Schrifttums 1700–1910, bearb. unter Leitung v. Hilmar Schmück / Willi Gorzny, Bd. 120 (Rob bis Rum), München 1984, S. 62; auch bei Goedeke, Grundriss (Fn. 4), S. 351; Georg Christoph



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Über den Autor selbst kann mit den zugänglichen Hilfsmitteln nur wenig in Erfahrung gebracht werden. Wir kennen weder die Lebensdaten noch den Werdegang, noch besteht Sicherheit hinsichtlich des Wohnorts6. Allein die Tatsache, dass noch andere Werke von ihm zu belegen sind, hilft etwas weiter. Rothe hat noch ein weiteres „Lustspiel in drei Aufzügen“ publiziert und zwar den Titel „Weiberlist geht über Alles“7. Außerdem stammen einige Prosa­ stücke von ihm; sie sind von Goedeke als „Ritter- und Räuberromane“ klassifiziert worden. Ihre Titel lauten „Isabellens Leiden, ein Roman in Briefen“8, „Agnes von Sizilien, Gemälde aus den Ritterzeiten“9 und „Adelheid, Gräfin von Ravensberg, eine Geschichte aus dem 12. Jahrhundert“10. Zeitgenössische Vermerke zu einzelnen Arbeiten lassen erkennen, dass Rothe und seine Werke nicht zum Bedeutendsten gehören, was in jenen Jahren geschrieben und gedruckt worden ist. Das Lustspiel „Weiberlist“ wird als „elend“ und „klägliche Farce“ bezeichnet11, der Roman „Agnes von Sizilien“ wird als „ziemlich zahmes“ Gemälde charakterisiert12; dem Roman „Adelheid“ werden „üppige und verfängliche Stellen“ attestiert13. Das Stück, das uns hier interessiert, wird von einem zeitgenössischen Kritiker auch nicht viel besser behandelt, wenn er meint14: „Ein solches Süjet, … würde schon an sich für wenig Leute interessant seyn. Hier ist nun aber vollends der armseligste Plan auf die schülerhafteste Weise behandelt“. Zum Roman „Adelheid“ meint ein anderer Rezensent15: Rothe „schreibt einen ziemlich richtigen, fließenden Stil; aber nirgends lebhaft, und wenn er Hamberger / Johann Georg Meusel, Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller Bd. VI, Lemgo 1798 ND Hildesheim 1965, S. 461. 6  Nach Goedeke, Grundriss (Anm. 4), S. 351, soll er in Dresden gelebt haben. – An dieser Stelle möchte ich meinem Saarbrücker Kollegen, dem Germanisten Gerhard Sauder, für viele nützliche Hinweise herzlich danken. 7  Wie Anm. 5. 8  Prag und Leipzig 1788. Nachweis bei Goedeke, Grundriss (Anm. 4), S. 516; auch verzeichnet bei Hamberger / Meusel, Lexikon (Anm. 5), S. 460 f. (mit dem Zusatz „aus dem Französischen übersetzt“). 9  336 S., Dresden und Leipzig 1792. Nachweis bei Goedeke, Grundriss (Anm. 4), S. 516; Hamberger / Meusel, Lexikon (Anm. 5), S. 461. 10  434 S., Dresden 1793; vgl. Goedeke, a. a. O.; Hambacher / Meusel, S. 461. Etwas ausführlicher GV 120 (Anm. 5), S. 62: Dresden und Leipzig in der Richterschen Buchhandlung 1793. A. E. Gedr. bei C. G. Matthic in Bautzen. 11  Goedeke, Grundriss (Anm. 4), S. 361; Allgemeine deutsche Bibliothek 101 (1791), S. 112. 12  GV 120 (Anm. 5), S. 62. Ebenso: Hugo Hayn / Alfred N. Gotendorf (Hg.), Bibliotheca Germanorum Erotica & Curiosa Bd. I, Hanau / M. 1911 (ND 1962), S. 33. 13  GV 120 (Anm. 5), S. 62, auch bei: Hayn / Gotendorf (Anm. 12), Bd. IV, S. 556. 14  Allgemeine deutsche Bibliothek 101 (1791), S. 112. 15  Neue Allgemeine Deutsche Bibliothek 7 (1794), S. 436 f.

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zuweilen witzig seyn will, so spürt man nur zu deutlich, daß es ihn Zwang kostet“. Solche Kritik dürfte dem Autor zweier Lustspiele nicht gerade willkommen gewesen sein. Trotz solch „schlechter Presse“ erscheint es sinnvoll, Rothes Stück als Zeugnis für zeitgenössische Probleme um das Urheberrecht vorzustellen. Sein Lustspiel bringt Probleme auf die Bühne, die in jenen Jahrzehnten heftig umstritten waren16. Die Auseinandersetzung um die Zulässigkeit des Nachdruckens war in vollem Gange und auch die Frage nach dem gerechten Honorar eines Schriftstellers war noch keineswegs endgültig beantwortet. Insoweit ist Rothes Stück für jeden interessant, der sich mit der Frühgeschichte des Urheberrechts beschäftigt. Für den Adressaten dieser Festschrift, einen Liebhaber des Theaters, mag hinzukommen, dass er und seine Familie Stücke mit satirisch-volkstümlichem Grundton nie verachtet haben, selbst dann nicht, wenn sie allerhöchsten Ansprüchen nicht gerecht werden könnten. Da sich der Rechtshistoriker überdies versagen muss, eine literaturhistorische oder gar literaturkritische Elle anzulegen, darf er sich darauf beschränken, das Stück selbst für sich sprechen zu lassen: Es ist ein bislang unbekanntes relativ bescheidenes Glied in der langen Kette von Zeugnissen zum Verlegerverhalten und zum Nachdruck. III. Das Stück spielt irgendwo im Alten Reich; der Personenliste ist nämlich der Vermerk beigefügt: „Der Schauplatz ist im h. d. Reich“. Ein Name, etwa der Name einer Stadt, wird nicht genannt. Etwas mehr ergibt sich aus dem Stück selbst. Einer der Akteure sagt, er habe ausländische Kommilitonen, die er im Studium kennen gelernt habe, in der „Stadt“, in welcher die Handlung spielt, wieder gefunden. Im Übrigen erfahren wir aus dem Stück, dass es an dem Ort ein Rathaus und ein Wechselgericht gibt. Es muss sich mithin um eine nicht allzu kleine Stadt handeln, ansonsten wäre auch die im Stück genannte große „Nachfrage“ nach einem im Druck befindlichen Buch nicht plausibel zu machen. 16  Aus der umfangreichen Literatur seien hier lediglich genannt: Hellmut Rosenfeld, Zur Geschichte von Nachdruck und Plagiat, in: Archiv für Buchgeschichte 11 (1971), Sp. 337–372, bes. Sp. 340 ff. (Bibliographie); Reinhard Wittmann, Der gerechtfertigte Nachdrucker? Nachdruck und literarisches Leben im achtzehnten Jahrhundert, in: G. Barber / B. Fabian, Buch und Buchhandel im 18. Jahrhundert (Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens Bd. 4), Hamburg 1981, auch in: UFITA 106 (1987), S. 109–135; ders., Geschichte des deutschen Buchhandels, München 1991, bes. S. 111 ff., 153 ff.; Gieseke, Vom Privileg (Anm. 1), bes. S. 157 ff.



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Wenden wir uns nun der Handlung zu, die in fünf Aufzüge aufgeteilt ist. Im ersten Aufzug (S. 3–19) kommen nacheinander drei Schriftsteller in das Wohnzimmer eines vierten Kollegen. Sie klagen allesamt über die Machenschaften des Buchhändlers Hamdorf; alle vier fühlen sich von ihm betrogen. Der Gastgeber, Oppel, hat sein Manuskript für nur drei Stunden an den Buchhändler ausgeliehen, um jeden Betrug zu vermeiden. Von Karl, dem Diener Hamdorfs, der das Manuskript zurückbringt, muss er erfahren, dass für solche Fälle ein gut funktionierendes Team von Abschreibern beschäftigt wird, um sich das Manuskript anzueignen. Der zweite Schriftsteller, Wiring, berichtet, er habe von Hamdorf sein Manuskript zurückgefordert, das er schon vor längerer Zeit übergeben habe; Hamdorf habe lediglich gesagt, er habe das Manuskript „verlegt“, Wiring solle sich gedulden. Oppel belehrt Wiring über den Doppelsinn des Wortes „verlegen“ und ergänzt (S. 12): „Der Unterschied zwischen den beiden Prellos, die er uns gespielt hat, besteht darin, dass er Dein Manuskript schon verlegt hat, und das Meinige erst verlegen wird“. Ein Honorar wird keiner von beiden sehen. Der dritte Schriftsteller, Springberg, berichtet, Hamdorf habe den mit ihm geschlossenen Vertrag gebrochen; er sollte 2000 Exemplare drucken lassen und mit dem Autor den Reingewinn teilen. Das Buch sei gedruckt und in der ganzen Stadt bekannt gemacht worden; ihm, dem Autor gegenüber, behaupte Hamdorf jedoch, es sei noch nichts verkauft worden. Der vierte Autor, Mirtenthal, erwähnt im ersten Aufzug nur allgemein einen Betrug des Buchhändlers; erst später erfahren wir, worum es geht. Alle vier Schriftsteller planen ihre eigene Rache, denn sie wissen, wie Oppel sagt, dass sie den Betrug nicht selbst „ausplaudern“ sollten, damit andere nicht über sie und „ihre geprellte Autorschaft spotten“ (S. 12) können; sie wollen sich auf andere Weise rächen. Wie dies geschehen könnte, wird im ersten Aufzug allerdings nur angedeutet: Vom reichlich belohnten Diener Hamdorfs erfährt Oppel, dass der Buchhändler vier Wechsel über beträchtliche Summen ausgestellt hat. Außerdem weiß er, dass der Bräutigam, den Hamdorf für seine Tochter ausgesucht hat, kein „Lieutenant“, sondern einfacher „Musketier“ ist. Wie beide Umstände zur geplanten Rache des Schriftstellers passen, erfährt der Zuschauer erst später. Der zweite Aufzug (S. 20–46) führt uns in ein „Wohnzimmer in Hamdorfs Haus“ und hat zunächst die Aufgabe, den Buchhändler vorzustellen. Im Eingangsmonolog lobt Hamdorf den Buchhandel (S. 20): „Kein besserer Handel, als der Buchhandel! Zwar geht es nicht ohne Verdruß ab; aber demohngeachtet handelt sich’s mit bedrucktem Papier am besten“. Er begründet diese These folgendermaßen (S. 20): „Jede andere Waare kann der Käufer vor dem Kaufe besehen – diese aber nicht. Ist der Titel anziehend –

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der Druck schön – das Papier weiß – so bin ich gewis, daß ich das schlechteste und elendeste Zeug in kurzer Zeit absetze“. Danach spricht Hamdorf von seinem Vermögen und von der guten Partie, die seiner Tochter ins Haus stehe. Die Selbstpräsentation wird fortgesetzt in einem Dialog mit Schreiber, einem Gelehrten, der Manuskripte begutachtet, die Hamdorf ihm vorlegt. Auch in diesem Gespräch geht es um Wert und Unwert des Buchhandels, um gute Literatur, die sich schlecht, und um schlechte Literatur, die sich gut verkaufe. Schließlich kommt die Rede auf ein bestimmtes Buch, nämlich die „Denkwürdigkeiten des xxxschen Hofes“, verfasst vom „Prinzen von xxx“. Hamdorf, der das Buch nicht gelesen hat, meint, der Verfasser lasse „schon viel erwarten“ (S. 25). Schreier, der das Werk begutachten soll, hält dem entgegen (S. 25): „Der Name verführt mich nicht“. Die folgenden beiden Szenen beleuchten Hamdorfs Geschäftspraxis noch deutlicher: Einem Verseschmied („Althof, ein Dichter“) luchst er Gedichte ab, ohne ein Honorar zu versprechen. Mit Rumbold, seinem Buchhalter, bespricht Hamdorf einige Geschäftsbriefe und beweist abermals, dass es ihm nur um das liebe Geld geht. Rumbold meldet auch, dass sich die „Denkwürdigkeiten“ im Druck befänden. Hamdorf freut sich und berichtet, bei ihm sei „ein galanter Mann, der sich für des Prinzen Sekretär ausgab“ (S. 32), erschienen mit einem „Kassier“. Diesem habe er für das Manuskript zweihundert Dukaten auszahlen und sogleich an das Waisenhaus abführen müssen, da der Prinz nicht das geringste annähme. Auf die skeptische Rückfrage Rumbolds meint Hamdorf (S. 32): „Ich war froh, daß ich ein so wichtiges Manuskript um einen solchen Preis erhielt. Ich hätte dreimal mehr gegeben, wenn man es verlangt hätte“. Hamdorf sieht seine Geschäfte wohl geordnet, da Rumbold noch zu vermelden weiß, es habe am Morgen schon mehr als fünfzig Nachfragen nach dem neuen Buch gegeben. Diese Nachricht wird dramatisch gesteigert durch die Auftritte dreier livrierter Diener, die sich für ihre Herrschaften dringlichst nach den „Denkwürdigkeiten“ erkundigen. Da sich hinter den Dienern die Schriftsteller Wiring, Springberg und Mirgenthal verbergen, ahnt der Zuschauer, wie die Rache der betrogenen Autoren aussehen wird. Zwischengeschaltet ist eine Szene, die deutlich machen soll, wie groß einerseits die Liebe Hamdorfs zu seiner Tochter Mariane ist und wie wichtig ihm andererseits die Hochzeit mit Leutnant Pfeifer erscheint, die aus der Bürgerstochter eine „Dame“ machen würde. Im Mittelpunkt des dritten Aufzugs (S. 46–75) – Ort der Handlung ist „Eine Laube im Hamdorfischen Garten“ – stehen Tochter Mariane und ihr Geliebter Gustav Pfeifer. Der vermeintliche Leutnant hat sich dazu durchgerungen, seine Betrügerei der Geliebten zu gestehen, und erzählt seine



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Lebensgeschichte. Völlig unberechtigt sei er von der Universität W  …, an der er Jura studiert habe, relegiert worden. Da die Gründe seiner Relegation phantasievoll erweitert worden seien, habe er seinen guten Ruf verloren und damit die Chance, ein Auskommen zu finden. Er sei aus Not Soldat geworden, durch Zufall habe er hier alte Studienfreunde wieder gefunden; einer von ihnen – wir erfahren später, dass es Oppel war – habe ihn im Hause Hamdorf eingeführt, wo er die „Mamsell“ kennen und ehrlich lieben gelernt habe. Mariane verzeiht dem Geliebten, dem Vater indes verheimlichen beide die Wahrheit, um ungestört zur angesetzten Heirat eilen zu können. Frisch vermählt kehren sie zurück, zur Freude Harmdorfs, der vor lauter Geschäften nicht einmal die Zeit gefunden hat, an der Trauung teilzunehmen. In der Zwischenszene erfahren wir ein wichtiges Detail. Hamdorf ist es wegen der Säumigkeit seines Dieners Karl nicht gelungen, die fälligen Wechsel verlängern zu lassen; er muss befürchten, dass die Forderungen durch das Wechselgericht eingetrieben werden. Im vierten Aufzug (S. 75–108) – die Handlung spielt abermals in Hamdorfs Haus („Ein Saal mit drei Thüren. An der einen Seite steht ein Sofa, in der Mitte aber ein ovaler Tisch mit Vorhängen, die bis auf die Erde gehen“) – beginnen sich die Rache-Aktionen der betrogenen Schriftsteller zu klären. Die erwartete Nachfrage nach den „Denkwürdigkeiten“ bleibt aus. Rumbold fragt nochmals nach dem Autor und fürchtet eine Betrügerei, doch Hamdorf wischt seine Einwände zur Seite. Schreier, der Gelehrte, weist Hamdorf darauf hin, dass nur der erste Bogen gut geschrieben sei; im Übrigen sei „nicht eine Zeile darin, die mit der anderen zusammenhinge – lauter Nonsens – lauter leere Worte –“ (S. 83). Wenig später treten die vier Schriftsteller auf; ihnen gibt Hamdorf das Buch zu lesen mit den Worten „eine ununterbrochene Reihe von Buchstaben, die Wörter ohne Bedeutung, ohne Zusammenhang formiren“ (S. 85 f.). Die Schriftsteller hingegen halten es für „das schönste, lehrreichste und unterhaltendste Buch“, dessen Verfasser „unsern gedankenleeren und wortreichen Schriftstellern Stof geben wollte“ (S. 86); es sei ein Buch „nur für Schriftsteller geschrieben“ (S. 87). Dann klären sie Hamdorf auf: Springberg habe das Buch selbst geschrieben und die 200 Dukaten kassiert, für die Neugier in der Stadt und die livrierten Besucher hätten sie selbst gesorgt. Oppel stellt am Ende der Szene zufrieden fest (S. 91): „Er ist geprellt – der Buchhändler, der sonst Schriftsteller zu prellen gewohnt war!“ Und alle vier Autoren rufen vor dem Abgang aus: „So rächen sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern!“. Hamdorf steht jedoch noch mehr bevor. Seine Frau hat einen der Schriftsteller, nämlich Wiring, zu einem Tête-à-Tête geladen und der Geladene sorgt selbst dafür, dass Hamdorf das Rendezvous belauschen kann. Als Wirings Avancen zu dreist werden, kriecht Hamdorf aus seinem Versteck – er kauert unter dem Tisch – hervor und will Wiring zur Rede stellen.

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Doch dieser verlangt Genugtuung im Duell. Da Hamdorf sich nicht schlagen kann und will, stellt er den von Wiring geforderten Wechsel über 1000 Gulden aus. Wiederum erschallt der Ruf (S. 108): „So rächen sich  …!“. Auch der fünfte und letzte Aufzug (S. 109–136) spielt im Hamdorfs Haus („Wohnzimmer in Hamdorfs Hause“). Mariane gesteht, dass ihr Gustav nicht „Lieutenant“, sondern „Musketier“ ist. Der Vater ist entsetzt und droht zunächst, die Tochter zu verstoßen, dann jedoch besinnt er sich und verzeiht ihr, aber erst, nachdem sie in Ohnmacht gefallen ist. Als Mirgenthal, einer der vier Schriftsteller, ihm kurz danach eröffnet, er habe Pfeifer zu dem Täuschungsmanöver angestiftet, sieht Hamdorf seine Existenz als Buchhändler durch die betrügerischen Schriftsteller bedroht (S. 123): „Der eine weis durch Intriken mich dahin zu bringen, daß ich seinen Unsinn theuer bezahle und drucken lasse, ohne das Manuskript zuvor anzusehen – der andere buhlt vor meinen Augen mit meinem Weibe – der dritte verheirathet meine Tochter, die einzige Erbin meines ansehnlichen Vermögens, an einen Musketier. Oh! Ich möchte rasen! – Was könnten sie nicht noch aus mir machen, wenn ich mir sie nicht vom Halse schafte! Nie soll ein Schriftsteller mehr diese Schwelle betreten! … Aber ein Buchhändler ohne Schriftsteller? Das kann nicht seyn! Soll ich meine Handlung aufgeben? (Pause) Ha! Glücklicher Gedanke! Dich muß ich ausführen - - Ja! Ja! nachdrucken will ich bloß, was nur erscheint. Dadurch werde ich meine Handlung, ohne eines Schriftstellers benöthigt zu seyn, fortsetzen können. Welchen Verdrieslichkeiten wäre ich entgangen, hätt’ ich diesen glücklichen Einfall eher gehabt!“ Die Handlung treibt jetzt ihrem Höhepunkt entgegen. Im Auftrag des Wechselgerichts fordert ein „Kommissär“ von Hamdorf die sofortige Zahlung von 53.000 Gulden. Zahle er nicht, so müsse Hamdorf ins Gefängnis, es sei denn, der Wechselkläger habe ein Nachsehen. Als Kläger offenbart sich nun Oppel; der vermögende Autor, den Hamdorf durch Abschreiberei „geprellt“ hatte, hat alle Wechsel aufgekauft und besteht auf sofortiger Zahlung. Hamdorf kann der Verhaftung nicht mehr ausweichen. Alles wendet sich jedoch zum Guten, als Oppel anbietet, seine Klage vor dem Wechselgericht zurückzunehmen, wenn Hamdorf bereit wäre, sein Geschäft an den Schwiegersohn zu übergeben. In diesem Augenblick treten als rettende Engel Mariane und Pfeifer auf: sie bietet die vom Vater geschenkten Juwelen an und er ist bereit, auf die 30.000 Gulden zu verzichten, die ihm Hamdorf zur Heirat gegeben hat. Erst durch diese Angebote wird Hamdorf versöhnlich gestimmt und geht auf den Vorschlag Oppels ein; über die Schulden will man sich später einigen. Oppel beglückwünscht seinen Freund Pfeifer und warnt ihn „vor den Betrügereien  …, wozu so mancher Buchhändler durch niederträchtigen Geiz sich verleiten läßt. Laß Dir’s nie einfallen, einen Schriftsteller um das Honorarium zu prellen, sonst - - - Doch



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dein Herr Schwiegerpapa wird itzt Zeit genug haben, dir erzählen zu können, wie sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern rächen“ (S. 136). IV. Bereits der Titel des Lustspiels legt fest, welche Personengruppen im Zentrum des Geschehens stehen sollen: Es sind Buchhändler und Schriftsteller. Neben ihnen treten noch die Vertreter anderer Professionen auf; auch sie bekommen ihre Seitenhiebe ab. Dies gilt für Advokaten (S. 58) und Professoren (S. 58) ebenso wie für Geistliche (S. 72), Kammerjungfern17 und Diener18. Die Buchhändler werden vom Autor nicht generell für betrügerisch gehalten, wohl aber vertritt er die Ansicht, die meisten seien betrügerisch wie die Hauptfigur Hamdorf. Der Buchhändler, den Rothe auftreten lässt, ist nicht sonderlich ansprechend. Als Vater, der seine Tochter über alles liebt, kann er beim Zuschauer Sympathien wecken; als Buchhändler und Verleger ist er jedoch ein schlimmer Bursche. Er eignet sich Manuskripte ohne Zustimmung der Autoren an, er verspricht Honorare durch Gewinnbeteiligung und verheimlicht den Absatz; er behauptet, nicht das eingereichte Manuskript einer Übersetzung gedruckt zu haben, sondern eine fremde Vorlage. Hamdorf prellt nicht nur Schriftsteller, sondern geht auch mit seinen Geschäftspartnern schlecht um. Ein Buchhändler schreibt, er habe von den von Hamdorf geschickten Tauschexemplaren keines verkaufen können, „da das hiesige Publikum so sehr an gute Schriften gewöhnt“ sei (S.  29); deshalb schicke er sie zurück und verlange seinerseits die Rückgabe seiner „guten Werke“ oder bares Geld. Hamdorf beschließt, auf dieses Verlangen gar nicht zu reagieren (S. 29 f.). Gleich danach nennt er einen zahlungssäumigen Kollegen einen „Lumpenkerl“, dem er die erbetenen neuen Bücher erst schicken werde, wenn die alten bezahlt seien (S. 70). Einen fremden Verleger, der einen billigen Nachdruck eines von Hamdorf verlegten Buches angekündigt hat, nennt er einen „abscheulichen Betrüger“ (S. 27); Hamdorf beschließt, seine Werke billiger zu verkaufen, um den Nachdruck zu vertreiben. In einer späteren Szene erwägt Hamdorf – wie berichtet –, ganz zum Nachdruckgeschäft überzugehen. Mit einem Wort: Dem Buchhändler Hamdorf geht es einzig und allein um Geld und das damit geschaffene Ansehen. Dass es auch andere, ehrenhafte Buchhändler geben soll, wird eher gelegentlich erwähnt. Der Schwiegersohn Pfeifer etwa, der am Ende des 17  Im Stück verkörpert durch die für Hamdorf tätige Lisette, die übrigens im Personenregister vergessen worden ist. 18  Verkörpert durch Hamsdorfs Diener Karl.

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Stücks die Buchhandlung übernimmt, wird von Oppel entsprechend ermahnt. Dem biederen Pfeifer, der seine Qualitäten erweisen darf, traut man eine solche Haltung auch zu. An anderen Stellen, namentlich im Dialog zwischen Hamdorf und Schreier, ist ebenfalls davon die Rede, dass es auch gute Buchhändler gibt. Schreier versichert, er kenne viele rechtliche Männer in den kaiserlichen Staaten, die mit Büchern handeln, und dennoch meint auch er, nur wenige Buchhändler werden dem eigentlichen Zweck des Buchhandels gerecht (S. 22): „Der Buchhandel ist eines der rühmlichsten Geschäfte, denen sich nur ein Honnethomme unterziehen kann. Sein Zweck ist, durch schnellen Umlauf guter Schriften, Gelehrsamkeit, Künste und Wissenschaften zu befördern. Wie viele Buchhändler giebt es aber, die diesen Zweck vor Augen haben? Betrachten nicht die meisten den Buchhandel als ein niedriges Gewerbe, das sie nur treiben, um sich Brod zu verschaffen? Treiben diese nicht den Buchhandlung, wie der Käsehändler seinen Käsehandel? Und hat nun der Kaiser Unrecht, wenn er beide in eine Klasse setzt?“ Damit nimmt Schreier Bezug auf ein kaiserliches Patent, das er kurz zuvor vorgezeigt hat und in dem die Buchhändler mit Käsehändlern verglichen werden19. Hamdorf hält dagegen (S. 24 f.): „Der Buchhändler muß Bücher auflegen, die gesucht werden. Was wird izt am meisten gesucht? – Romane! – gute Romane sind äusserst rar. Wollen wir gangbare Schriften in die Handlung haben, so müssen wir schlechte drucken lassen. Gehen sie ab – so hat der Buchhändler alles gethan, was man von einem vernünftigen Manne erwarten kann.“ Wesentlich besser kommen in Rothes Stück die Schriftsteller weg. Doch auch ihnen gilt die eine oder andere Kritik. So erweist sich der impulsive Wiring als nicht sonderlich sprachgewandt, da er von Oppel über die Mehrdeutigkeit des Wortes „verlegen“ belehrt werden muss (S. 11): „Ein Werk verlegen heißt in der Buchhändlersprache: ‚Ein Werk in Druck geben – ein Werk auf eigene Kosten drucken lassen‘“. Vielleicht hat Rothe die Passage auch nur der Zuschauer wegen eingefügt, da Buchhandel und Verlag in jener Zeit noch regelmäßig miteinander verbunden waren; im Fall Hamdorfs übt der Buchhändler sogar noch das Druckerhandwerk aus, eine Kombination, die um 1790 nicht mehr selbstverständlich war. Im Übrigen konzentriert sich die Autorenkritik auf die Gestalt des allzu beflissenen Verseschmiedes Althof. Als ihm Hamdorf entgegen hält, „geistliche Lieder, erhabene Oden oder ernstliche Lehrgedichte“ ließen sich schlecht verkaufen, bietet Althof Satiren in Versen an (S. 26). Im fünften 19  Der Vergleich mit dem Käsehandel stammt von Kaiser Joseph II.; dazu Näheres bei Wittmann, Geschichte (Anm. 16), S. 131.



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Akt kommt Althof mit den Satiren zurück; als Hamdorf ablehnt, meint der Dichter: „Es sind Satiren, die reißend abgehen müssen. Eine darunter ist vorzüglich beißend. Sie ist auf meine Mitbrüder, die Schriftsteller, soll ich sie ihnen vorlesen?“ (S. 129). Nachdem Althof jedoch den dramatischen Auftritt des Kommissärs und den Spott der geprellten Schriftsteller miterlebt hat, stellt er fest (S. 132): „Itzt sehe ich, was meiner Satire auf die Schriftsteller noch fehlt. Ich muß sie sogleich umarbeiten. Bei ihrer Rückkunft wird sie fertig seyn“. Durch seine beinahe schon aufdringliche Willfährigkeit macht sich Althof selbst zu einer fragwürdigen Figur. Das – von solchen Akzenten abgesehen – durchweg positive Bild der Schriftsteller sollte wohl zugleich ihre „Rache“ in einem milderen Licht erscheinen lassen: Mirgenthals Zahlungsversprechen, das Pfeifer veranlasste, als Leutnant um Marianes Hand zu werben; Springbergs Verkauf eines wertlosen Manuskripts; Wirings Getändel mit Frau Luise, seine Aufforderung zum Zweikampf und die Erpressung einer Wechselhingabe; Oppels Präsentation der aufgekauften Wechsel, die Hamdorf in den wirtschaftlichen Ruin hätten treiben können. Dass sich alle Rankünen letztlich zerschlagen, ist der Liebe zu verdanken: Der Liebe Hamdorfs zu seiner Tochter, die ihrerseits Gustav und ihren Vater liebt und den gefährlichen Angriff auf Hamdorf, den Oppel führt, letzten Endes abwehrt. Die Lösung: der betrügerische Buchhändler übergibt sein Geschäft dem redlichen Schwiegersohn; alle Schriftsteller können auf einen korrekten Buchhändler und Verleger hoffen. Das Betrügen und „Prellen“, das „Hereinlegen“ von redlichen aber wirtschaftlich unbedarften oder auch weltfremden Schriftstellern war in der Zeit, als das Stück entstand, ohne Zweifel ein Problem20. Oft genug erhielten Autoren kein oder nur ein bescheidenes Entgelt. In einer Epoche, die den freien und zugleich auf sein Honorar angewiesenen Künstler hervorgebracht hat, waren neue Maßstäbe gefragt. Entsprechendes gilt für den redlichen Verleger, dessen finanzielles Engagement auch den Autoren zugute kommen sollte. Sie hatten selbst häufig Grund genug zur Klage über ihre Konkurrenten, solange der Nachdruck noch keinesfalls für jedermann als rechtswidriges Handeln galt. Ohne solide Honorarabsprachen einerseits und eine grundsätzliche Ächtung des Nachdrucks andererseits war an eine Besserung der Lage nicht zu denken. Es mussten nach 1790 noch viele Jahrzehnte vergehen, bis Rechtslage und Rechtspraxis ein Niveau erreichen konnten, mit dem alle Seiten, die Autoren, die Buchhändler / Verleger und auch die Konsumenten, die allzu lange noch von der Obrigkeit bevormundet wurden, zufrieden sein konnten. 20  Näheres

dazu in der oben Anm. 16 genannten Literatur.

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Einer der erfolgreichsten Teilnehmer an diesem Kampf der Interessen war bekanntlich Goethe21. Seinem Beispiel suchten manche Autoren zu folgen, sein Erfolg weckte ebenso wie der Erfolg seiner Nachahmer Kritik und nicht zuletzt auch Neid. Aus heutiger Sicht wird gelegentlich vermutet, dass sich daran nicht so viel geändert hat, denn auch heute fürchten Verlage um ihren Erfolg am Markt und Autoren um ihr angemessenes Honorar. Vielleicht gilt auch für unsere Tage und Büchermessen, was die Weimarer Dichterfürsten, den Vergleich Josephs II. aufgreifend, über den Handel mit Gedrucktem gesagt haben22: „Einem Käsehandel verglich er Eure Geschäfte? Wahrlich der Kaiser, man siehts, war auf dem Leipziger Markt“.

21  Wittmann, Geschichte (Anm. 16), S. 161 ff.; man vgl. noch Manfred Tietzl, Goethes Strategien bei der wirtschaftlichen Verwertung seiner Werke, in: Buchhandelsgeschichte 1999 / 1, S. B1–B18; Elmar Wadle, Rechtsprobleme um Nachdruck und Geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: Karl Richter / Gerhard Sauder (Hg.), Goethe – Ungewohnte Ansichten (Annales Universitatis Saraviensis, Phil. Fak., Bd. 17), St. Ingbert 2001, S. 345–386, jetzt auch in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte II., München 2003, S. 131–154. 22  Das Zitat folgt der Münchner Ausgabe: Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens, hg. v. Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert / Norbert Miller / Gerhard Sauder, Bd. 4.1 (Wirkungen der Französischen Revolution 1791–1797, I, hg. v. Reiner Wild), München 1988, S. 810.

19. Jahrhundert: Deutscher Bund – Preußen – Baden

Grundrechte in der Deutschen Bundesakte? Notizen zu „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ (Artikel XVIII d) I. Keine Disziplin, die sich mit der deutschen Geschichte im 19.  Jahrhundert befasst, kann die Deutsche Bundesakte vom 8.  Juni 1815 übergehen. Das auf dem Wiener Kongress beschlossene Gründungsdokument einer neu geordneten Staatlichkeit in Deutschland interessiert vor allem die allgemeine Verfassungsgeschichte. Es enthält indes viele „Stichworte“, die auch andere Zweige der Geschichtsschreibung herausfordern. Dies gilt nicht zuletzt für die Zusicherung bestimmter Rechte durch Art.  XVIII. Da unter diesen „Rechten“ in Abschnitt  d auch „Preßfreiheit“ und die „Rechte der Schriftsteller und Verleger“ genannt sind, liegt es nahe, Fragen nach ihrer Bedeutung für die Entwicklung des Presse- und Zensurwesens sowie des Urheberrechts zu stellen. Noch näher liegt es, so möchte man annehmen, dass sich für die genannten Stichworte, namentlich die „Preßfreiheit“, jene Juristen interessieren, die sich mit der Geschichte der Grund- und Menschenrechte befassen. Ein näherer Blick in die einschlägige Literatur zeigt indes, dass solche Vermutungen nur zum Teil zutreffen. Die Verfassungsgeschichtsschreibung, zu deren „Groß-Themen“ die Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte zählt, hat die deutsche Entwicklung im Vormärz eher kursorisch behandelt1. Im Mittelpunkt des Interesses 1  Überblicke über den Stand der Forschung bieten: Gerd Kleinheyer, Grundrechte, Menschen- und Bürgerrechte, Volksrecht, in: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhard Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. II, Stuttgart 1975, S. 1047– 1082; ders., Grundrechte – Zur Geschichte eines Begriffs (Kleine Arbeitsreihe des Instituts für europäische und vergleichende Rechtsgeschichte an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz 10), Graz 1977; Rainer Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktion der Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus des 19.  Jahrhunderts, in: Der Staat 18 (1979), S.  321–348, jetzt auch in: ders., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, Frankfurt a. M. 2003, S.  341–373; Christian Starck, Entwicklung der Grundrechte in Deutschland, in: Ulrich Immenga (Hg.), Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, Göttingen 1980, S. 89–105; Thomas Würtenberger, Von der Aufklärung zum Vormärz, in: Detlev Merten / Hans-Jürgen Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd.  I: Entwicklung und Grundlagen, Heidelberg 2004, S.  49–95. Im Übrigen vgl. man die

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Grundrechte in der Deutschen Bundesakte?

stehen das später in die Paulskirchenverfassung eingegangene „Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes“ vom 27. Dezember 1848. Im Übrigen wird zumeist ein großer Bogen zu den Vorbildern geschlagen, etwa zur „Virginia Bill of Rights“ (1778) und zur „Déclaration des droits de l’hommes et des citoyens“ (1789). Demgegenüber geraten die Besonderheiten der in Deutschland entwickelten Konzepte und Vorlagen eher in den Hintergrund. Freilich gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Abhandlungen, die auf deutsche Stimmen des späten 18.  Jahrhunderts verweisen, sei es, dass sie die naturrechtlichen Ansätze des späten Vernunftrechts hervorheben, sei es, dass sie die frühen Versuche zur Übernahme des französischen Beispiels betonen2. Besondere Aufmerksamkeit haben schließlich die Rechtsgarantien in den frühen Verfassungswerken einzelner deutscher Staamit zahlreichen weiterführenden Hinweisen versehenen Passagen der Überblicke von: Dieter Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776–1866, Frankfurt a. M. 1988, bes. S. 129 ff.; Rainer Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hg.), Handbuch des Staatsrechts Bd.  I: Historische Grundlagen, 3. Aufl., Heidelberg 2003, S.  45–91, bes. S.  86  ff. 2  Dazu vgl. man vor allem die einschlägigen Beiträge in den folgenden Sammelbänden: Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte. Beiträge zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte vom Ausgang des Mittelalters bis zur Revolution von 1848 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte 1), Göttingen 1981 (darin insb. die Aufsätze von Klaus Gerteis / Hans Erich Bödeker / Ulrich Scheuner); Johannes Schwartländer / Dietmar Willoweit (Hg.), Meinungsfreiheit – Grundgedanken und Geschichte in Europa und USA, Kehl a. Rh. 1986 (darin bes. die Beiträge von: Dietmar Willoweit / Dieter Grimm / Wolfram Siemann); Günter Birtsch (Hg.), Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft (Veröffentlichungen zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte 2), Göttingen 1987 (insb. die Beiträge von Dieter Grimm / Klaus Gerteis / Hans Erich Boedeker); Otto Dann / Diethelm Klippel (Hg.), Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution (Studien zum achtzehnten Jahrhundert 16), Hamburg 1995 (bes. die Beiträge von Günter Birtsch / Jürgen Wilke / Diethelm Klippel). Aus der Vielzahl von Monographien und sonstigen Aufsätzen seien hier hervorgehoben: Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, Paderborn 1976; ders., Die Theorie der Freiheitsrechte am Ende des 18.  Jahrhunderts in Deutschland, in: Heinz Mohnhaupt (Hg.), Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten (1988–1990), Beispiele, Parallelen, Positionen (Ius Commune Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 53), Frankfurt a. M. 1991, S. 348–386; ders., Verfaßte Freiheit. Die Entdeckung der Freiheitsrechte als Verfassungsprinzip im 18. und 19. Jahrhundert, in: Paul-Joachim Heinig u. a. (Hg.), Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit, Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000, S.  149–169; Horst Dippel (Hg.), Die Anfänge des Konstitutionalismus in Deutschland, Texte deutscher Verfassungsentwürfe am Ende des 18.  Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1991; Rose Staps, Bekenntnisfreiheit – Ein Unterfall der Meinungsfreiheit? Rechtsvergleichende Untersuchung in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland. Politische Entwicklung und geistesgeschichtliche Einflüsse bei der Entstehung der beiden Grundrechte, Kehl a.Rh. 1990, bes. S. 96 ff., 160 ff., 176 ff. – Weitere Literaturhinweise insb. bei Wahl, Entwicklung (Fn. 1), bes. S. 53 ff.



Grundrechte in der Deutschen Bundesakte?

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ten gefunden, und zwar jene Garantien, die vor der Bundesakte erlassen worden sind, wie die Rechtsgewährungen in der Präambel der Verfassung von Nassau (1814), ebenso wie die Kataloge in den Verfassungen des sog. süddeutschen Konstitutionalismus in Bayern (1818), Baden (1818), Württemberg (1819) und Hessen-Darmstadt (1820)3. Neben diesen Texten werden die beiden Grunddokumente der Verfassung des Deutschen Bundes, die Bundesakte einerseits und die Wiener Schlussakte vom 15. Mai 1820 andererseits, durchweg nur erwähnt, wenn es gilt, ein Gesamtbild der Grundrechtssituation im Vormärz zu zeichnen. Sie erscheinen zumeist nur als Belege für die Rückwirkungen der durch die Karlsbader Beschlüsse begründeten Restaurationspolitik im Bereich der Grund- und Freiheitsrechte. Als Beispiele für diese Einschätzung sei hier lediglich auf die Darstellungen von Ulrich Scheuner und Ernst Rudolf Huber näher eingegangen. Huber4 äußert sich recht ausführlich zu den Art.  XVI und XVIII, behandelt sie aber weniger als Aussagen über Grundrechte, sondern eher als Belege für Thesen in anderen verfassungsgeschichtlichen Zusammenhängen. Besonders deutlich tritt dies bei der Behandlung des Art.  XVI hervor, dessen Entstehungsgeschichte nahezu ausschließlich unter staatskirchenrechtlichen Aspekten nachgezeichnet wird. Die schließlich angenommene Fassung enthält nach Huber weder eine Garantie der Gewissens- und Kultusfreiheit der Anhänger der drei christlichen Konfessionen, noch steht Art.  XVI für die Zulassung und Gleichberechtigung aller christlichen Glaubensrichtungen. Die Gleichheit in Bezug auf die bürgerlichen und politischen Rechte beschränke sich auf die Anhänger der drei Hauptkonfessionen, gewährleiste überdies nur das Recht der persönlichen Glauben- und Gewissensfreiheit, nicht aber eine Gleichheit der korporativen Religionsfreiheit, begründe mithin weder eine allgemeine Religionsfreiheit noch das Recht auf öffentliche Religionsausübung. Der Bund habe, so Huber, jeden Ansatz eines gesamtdeutschen Staatskirchenrechts vermieden und dieses Thema den souveränen Staaten überlassen. Daran habe auch die Wiener Schlussakte nichts geändert. Ebenso einseitig wird Art.  XVIII beurteilt, auf den Huber lediglich im Kontext der Karlsbader Beschlüsse näher eingeht. Es habe sich bei diesem 3  Wolfgang von Rimscha, Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus, Köln 1973; Michael Kotulla, Die Tragweite der Grundrechte in der revidierten preußischen Verfassung vom 31.01.1850, Frankfurt a. M. 1992. – Neuere Literatur bei Wahl, Entwicklung (Fn. 1), S. 61 ff., und Würtenberger, Von der Aufklärung (Fn. 1), S. 58 ff. 4  Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 2. Aufl., Stuttgart 1960 (ND 1975), Bd. 1: Reform und Restauration 1789 bis 1830, bes. S. 412 ff., 543  ff., 742  ff.; Bd.  II: Der Kampf um Einheit und Freiheit, 1830 bis 1850, bes. S.  774  ff.

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Artikel nur um ein prinzipielles Bekenntnis zur Pressefreiheit gehandelt, mithin einen bloßen Programmsatz, der einer allgemeinen, die Pressehoheit der einzelnen Staaten beseitigenden Einführung der Zensur nicht entgegengestanden habe. An späterer Stelle, im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Frankfurter Grundrechte, kommt Huber nochmals kurz auf die beiden Artikel zu sprechen, die bundesverfassungsrechtliche Garantien enthielten, sich aber auf die in den Abschnitten a) bis c) ausdrücklich genannten Rechte beschränkten5. In der zugehörigen Fußnote heißt es lapidar: „Art.  16 gewährleistete die Unabhängigkeit der bürgerlichen und politischen Rechte von der Konfessionsverschiedenheit zwischen drei christlichen Hauptkonfessionen (….). Art.  XVIII gewährleistet die Freiheit des Erwerbs- und Grundeigentums, die Freiheit des Wegzugs von einem deutschen Land in ein anderes einschließlich der Freiheit von Nachsteuer sowie die Freiheit zum Eintritt in den Zivil- oder Militärdienst eines anderen deutschen Landes. Die Verheißung der Preßfreiheit (Art.  18 litt.  d) blieb bloßes Programm  (…).“

Scheuner6 skizziert „die rechtliche Tragweite der Grundrechte“ in der Verfassungsentwicklung des deutschen Vormärz recht allgemein; auf die Bestimmungen der Bundesakte geht er nur am Rande ein. Da „die Freiheitsrechte positiv als staatliche Gewährung verstanden“ und Grundrechte demnach als Gesetzesaussagen ohne jeden Vorrang in das jeweils bestehende Recht eingefügt worden seien, hätten sie „keine tief greifenden Einwirkungen äußern“ können; man habe sie in die Spezialgesetzgebung eingefügt, „von der im Grunde im eigentlichen Sinne die Realisierung der Verbürgungen erwartet“ worden sei. Doch viele Regierungen hätten sich politisch gegen den Gedanken einer grundrechtlichen Sicherung gewendet: „Es sind also nicht nur die zahlreichen Einschränkungen der Freiheitsrechte, die namentlich etwa die Pressefreiheit weitgehend beengen, sondern es ist das Fehlen der Anerkennung eines höheren Ranges und einer richtunggebenden Bedeutung, die ihre Tragweite im Vormärz noch recht begrenzt erscheinen lassen. Dazu tritt noch die politische Abneigung vieler Regierungen gegen den Gedanken grundrechtlicher Sicherungen.“

In einem deutlichen Gegensatz zu Huber und Scheuner will vor allem Ulrich Eisenhardt den beiden Artikeln eine größere Bedeutung zumessen. Sie verdienen – wie Eisenhardt wiederholt betont hat – eine eigene Bewertung7. 5  Bd.  II,

S.  774. Scheuner, Die rechtliche Tragweite der Grundrechte in der deutschen Verfassungsentwicklung des 19.  Jahrhunderts, in: Ernst Forsthoff / Werner Weber / Franz Wieacker (Hg.), Festschrift für Ernst Rudolf Huber zum 70. Geburtstag, Göttingen 1973, S.  139–165, Zitate S.  147  f. 7  Ulrich Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, in: Der Staat 10 (1971), S.  339–356; ders., Die gerichtliche Überprüfung eines verfassungsmäßig verankerten Rechtes im Jahre 1833. Ein Beitrag zum Charakter der Bürgerrechte in den frühen Verfassungen des 19.  Jahrhunderts, in: Gerhard Köbler 6  Ulrich



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Eisenhardt stützt sich zum einen, soweit die „Preßfreiheit“ in Rede steht, auch auf die Entstehungsgeschichte der Bundesakte; zum anderen versucht er jedoch, die Tragweite der Garantien der Art.  XVI und XVIII stärker aus der Perspektive der Jahre nach 1819 zu entwickeln als aus der Sicht der Zeitgenossen des Wiener Kongresses. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Eisenhardt sich bemüht, die Eigenwertigkeit der beiden Artikel der Bundesakte deutlicher herauszustellen, als dies die Mehrzahl der Autoren unter dem Einfluss von Huber und Scheuner getan hat. Ein Versuch, Ansätze zum besseren Verständnis des 1815 beschlossenen Regelwerks auszumachen, hat sich zunächst dem Text, namentlich den einschlägigen Artikeln XVI und XVIII zuzuwenden (unten II.). Ein eingehender Blick auf die Entstehungsgeschichte der Bundesakte schließt sich an (unten III.). Es folgen einige Beobachtungen zur Verfassungspraxis nach 1815 (unten IV.). Die Ergebnisse dieser Notizen sind in einem knappen Schlussteil (unten V.) festzuhalten. II. Die Deutsche Bundesakte8 zeichnet sich bekanntlich durch eine gewisse Kürze aus. Zwischen Präambel und Schlussformel behandeln die elf Artikel des ersten Abschnitts („I. Allgemeine Bestimmungen“) die Ziele und Aufgaben des Bundes sowie Organisation und Funktionsweise seines einzigen Organs, der Bundesversammlung, die ihren „Sitz zu Frankfurt a. M.“ haben sollte (Art.  IX). Der zweite mit der Überschrift „II. Besondere Bestimmungen“ und einer besonderen Einleitung9 versehene Abschnitt umfasst die (Hg.), Wege europäischer Rechtsgeschichte, Karl Kroeschell zum 60. Geburtstag (Rechtshistorische Reihe 60), Frankfurt a. M. 1987, S.  75–88; ders., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Gerhard Köbler / Meinrad Heinze / Wolfgang Hromadka (Hg.), Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des 3.  Jahrtausends. Festschrift f. Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, München 2000, S. 255–272. Die in den Aufsätzen begründete Sicht hat Eisenhardt zusammenfassend dargestellt in seiner „Deutschen Rechtsgeschichte“ (jetzt: 4.  Aufl. München 2004, bes. S.  327  ff., 488  ff.). Zu Eisenhardts Thesen hat – soweit ersichtlich – bislang nur Wahl, Entwicklung (Fn.  1), S.  88, eingehender Stellung genommen. 8  Bundesakte, Wiener Schlussakte und Frankfurter Reichsverfassung werden zitiert nach: Günther Dürig / Walter Rudolf (Hg.), Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 3. Aufl., München 1996. 9  Die Einleitung lautet: „Außer den in den vorhergehenden Artikeln bestimmten auf die Feststellung des Bundes gerichteten Puncten sind die verbündeten Mitglieder übereingekommen hiemit über folgende Gegenstände die in den nachstehenden Artikeln enthaltenen Bestimmungen zu treffen, welche mit jenen Artikeln gleiche Kraft haben sollen.“

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Art.  XII–XX. Unter diesen wiederum sind die Art.  XVI und XVIII für das Stichwort „Grundrechte“ von besonderem Interesse. Art.  XVI legt Folgendes fest: „Die Verschiedenheit der christlichen Religionspartheien kann in den Ländern und Gebieten des Deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen. Die Bundesversammlung wird in Berathung ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sey, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Uebernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft und gesichert werden könne; jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.“

Während diese Bestimmungen recht homogen erscheinen, stellt Art. XVIII unterschiedliche Gegenstände zusammen. Er lautet: „Die verbündeten Fürsten und freien Städte kommen überein, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern: a) Grundeigenthum außerhalb des Staates, den sie bewohnen, zu erwerben und zu besitzen, ohne deßhalb in dem fremden Staate mehreren Abgaben und Lasten unterworfen zu seyn, als dessen eigene Unterthanen. b) Die Befugniß 1. des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will, auch 2. in Civil- und Militärdienste desselben zu treten, beides jedoch nur in so fern keine Verbindlichkeit zu Militärdiensten gegen das bisherige Vaterland im Wege stehe; und damit wegen der dermalen verwaltenden Verschiedenheit der gesetzlichen Vorschriften über Militärpflichtigkeit hierunter nicht ein ungleichartiges für einzelne Bundesstaaten nachtheiliges Verhältniß entstehen möge, so wird bei der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über diesen Gegenstand in Berathung genommen werden. c) Die Freiheit von aller Nachsteuer (jus detractus, gabella emigrationis), insofern das Vermögen in einen andern deutschen Bundesstaat übergeht und mit diesem nicht besondere Verhältnisse durch Freizügigkeits-Verträge bestehen. d) Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.“

Bereits ein erster Vergleich der beiden Artikel lässt nicht nur Unterschiede in der Art und Weise der Zusicherung, sondern auch erhebliche sprachliche Differenzen erkennen. Abs.  1 des Art.  XVI ist das magere Ergebnis der kirchenpolitischen Diskussion auf dem Wiener Kongress. Angesprochen werden nur die „christlichen Religionspartheien“, mithin die seit dem Westfälischen Frieden anerkannten Kirchen; überdies geschieht dies lediglich in einer negativen Weise, indem festgelegt wird, dass die Mitglieder



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dieser Kirchen keinerlei Auswirkungen auf ihre „bürgerlichen und politischen Rechte“ befürchten müssten. Abs.  2 garantiert den „Bekennern des jüdischen Glaubens“ bereits vorhandene, in den Einzelstaaten gegebene „bürgerliche“ Rechte und verspricht Verbesserungen durch Verhandlungen im Bund. Andere positive Aussagen, etwa zu einer allgemeinen Bekenntnisfreiheit oder zu Statusrechten von Religionsgemeinschaften fehlen völlig. Es fällt deshalb schwer, Art.  XVI überhaupt als eine Vorschrift zu betrachten, die Grundrechte gewähren will; jedenfalls geht solchen eventuell enthaltenen Zusicherungen jede Allgemeinheit ab. Anderes gilt für Art.  XVIII, der schon im einleitenden Satz sagt, allen „Unterthanen der deutschen Bundesstaaten“ würden bestimmte Rechte zugesichert. In den Abschnitten  a) bis c) sind solche Rechte näher umschrieben. In Abschnitt d) geht die Bundesakte jedoch zu einem anderen Stil über, indem sie nicht lediglich Rechte nennt, sondern eine baldige Befassung der Bundesversammlung vorsieht. Der aktuellen Zusicherung von bestimmten Untertanen-Rechten scheint eine bloße Absicht, „gleichförmige Verfügungen“ zu erarbeiten, gegenüber zu stehen. Allerdings sollen diese Bestimmungen die „Preßfreiheit“ einerseits und die „Sicherstellung“ gegen Nachdruck andererseits betreffen, weshalb man zumindest im zweiten Falle durchaus die grundsätzliche Anerkennung einer Rechtsposition erblicken könnte, die lediglich durch gleichförmige, mithin in allen deutschen Staaten geltende Regeln vereinheitlicht werden sollten. Auf künftige Verhandlungen verweisen auch andere Abschnitte des Art.  XVIII. Im Abschnitt c Ziff. 2 wird zugesagt, man werde in der Bundesversammlung die „Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze“ über die „Militärpflichtigkeit“ beraten, damit das Recht zum Eintritt in den „Civil- und Militärdienst“ in einem anderen Bundesstaat nicht zur Benachteiligung führen könnte. An der Pflicht der Bundesstaaten, die „Befugnis“ zum Wegzug oder zum Eintritt in andere Dienste grundsätzlich zu gewähren, sollte dadurch nichts geändert sein. Anderes gilt für die Rechtsgewähr zugunsten jüdischer Bürger nach Art.  XVI Abs.  2 nur insoweit, als bereits bestehende Rechte in den einzelnen Bundesstaaten garantiert sein sollten; die Zusage künftiger Beratungen über einen „möglichst übereinstimmenden bürgerlichen Status“ war eine bloße „Aussicht“. Der Vergleich der drei Passagen erlaubt zumindest den Schluss, dass der Wunsch nach Vereinheitlichung gemäß Art.  XVI die Pflicht zur Rechtsgewähr als solche nicht einschließt, während die angestrebten „gleichförmigen Grundsätze“ im Sinne des Art.  XVIII eine solche Pflicht im Rahmen des Abschnitts b mit umfasst. Ob diese Interpretation auch für die „gleichförmigen Verfügungen des Abschnitts d zutrifft, bleibt angesichts der unter-

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schiedlichen Textgestaltung in den Abschnitten  a bis c einerseits und im Abschnitt d andererseits jedoch ungewiss. An diesem Punkt der Überlegungen ist es unabdingbar, den besonderen Charakter der Bundesakte als solche einzubeziehen. Diesen Aspekt hat die bisherige Diskussion um die Grundrechte in der Bundesakte – soweit ersichtlich – noch nicht angemessen gewürdigt. Man war in aller Regel bestrebt, die beiden Artikel (XVI und XVIII) im Kontext der übrigen Verfassungen des vormärzlichen Deutschland und deren Rechtsgewährungen zu interpretieren. Dies vermittelte den Eindruck, dass die Bundesakte mit den übrigen Verfassungstexten weitgehend auf eine Stufe gestellt wurde, mithin die besondere Qualität dieses Dokuments nicht hinreichend beachtet wurde. Letztlich geht es um die Frage, wie man die rechtliche Struktur des Deutschen Bundes zu verstehen hat. Auszugehen ist von der Einsicht, dass die moderne Alternative „Staatenbund oder Bundesstaat“ nicht hinreicht, um die zeitgenössische Sicht der bündischen Struktur angemessen zu beschreiben10. Zumindest in der Frühzeit des Deutschen Bundes oszilliert die Interpretation seiner rechtlichen Struktur zwischen den beiden genannten Modellvorstellungen. Kein geringerer als Wilhelm von Humboldt bringt dies auf eine viel beachtete Formel:11 „Nimmt man das hier Gesagte zusammen, so erhellt daraus: Dass der Deutsche Bund, seiner ursprünglichen Bestimmung und seinem politischen Dasein nach, ein wirklicher Staatenbund ist, der sich aber zur Erreichung seines innern und äussern Zwecks in gewissen durch die Acte bestimmten Beziehungen eine Einheit und einen Zusammenhang gegeben hat, welche ihn in diesen Beziehungen zu einem Bundesstaate machen; dass also bei Bestimmung aller künftigen Verhältnisse der Begriff einer Verbindung selbständiger Staaten als die Grundidee und der Zweck, die den Bund zu einem collectiven Staat machende Einheit als Mittel zu diesem Zweck, und als etwas nur immer aus wirklichen und bestimmten Bedingungen des Grundvertrages und der ihm gesetzmässig gegebenen Erweiterungen Hervorgehendes angesehen werden muss.“ 10  Dazu Wolfram Siemann, Wandel der Politik – Wandel der Staatsgewalt. Der Deutsche Bund in der Spannung zwischen „Gesammt-Macht und völkerrechtlichem Verein“, in: Helmut Rumpler (Hg.), Deutscher Bund und deutsche Frage 1815–1866. Europäische Ordnung, deutsche Politik und gesellschaftlicher Wandel im Zeitalter der bürgerlich-nationalen Emanzipation (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit Bd.  16 / 17), Wien / München 1990, S.  59–73; Elmar Wadle, Staatenbund oder Bundesstaat? Ein Versuch über die alte Frage nach den förderalen Strukturen in der deutschen Verfassungsgeschichte zwischen 1855 und 1866, in: Wilhelm Brauneder (Hg.), Staatliche Vereinigung: Fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte (Der Staat Beiheft 12), Berlin 1989, S.  137–170. 11  Bruno Gebhardt (Hg.), Wilhelm von Humboldts politische Denkschriften, 3.  Bd.: 1815–1834, 1.  Hälfte, Berlin 1904 (ND 1968; S.  77  f.).



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Aus Humboldts Sicht gehörten die durch Art. XVIII gewährten Rechte zu den von Bundes wegen vorgegebenen Gegenständen12. Die Rechtsgewährung erscheint durch die Bundesakte festgelegt, und zugleich ist den Bundesstaaten die gemeinsame Konkretisierung aufgegeben. Bundesstaatliche wie staatenbündische Aspekte scheinen hier ineinander zu greifen. Noch fehlt die deutliche, für den Bundesstaat charakteristische Unterscheidung der beiden Ebenen der Staatsgewalt, wie sie später im Regelwerk der Paulskirchenverfassung hervortreten wird. Deshalb ist ein Vergleich mit dieser Verfassung sinnvoll. Abschnitt VI integriert bekanntlich das wenig ältere Gesetz über die Grundrechte des deutschen Volkes in die Verfassung; dabei gewähren die Grundrechte „dem deutschen Volke“ (z. B. §§  130, 138), „jedem Deutschen“ (z. B. §§  132, 143) bzw. „jedem“ (z. B. § 138) und begreift diese Rechtsgewähr als „Norm“ für „Verfassung und Gesetzgebung jedes deutschen Einzelstaates“ (§  130, entsprechend §  195). Mithin stehen die Grundrechte im Rang über dem Recht des Einzelstaates; sie gewähren unmittelbare Rechtspositionen, wenngleich Konkretisierungen und Einschränkungen von Reichs wegen möglich bleiben. In einem gewissen Gegensatz dazu richtet sich Art.  XVIII der Bundesakte in seinem einleitenden Satz an die Einzelstaaten selbst und legt ihnen die Pflicht auf, „den Unterthanen folgende Rechte zuzusichern“; die in den anschließenden Abschnitten a bis d genannten Rechte der Bürger sollten mithin nur mittelbar von Bundes wegen begründet sein. Diese Formulierung entspricht dem Vertragscharakter der deutschen Bundesakte, schließt aber nicht aus, dass durch den Vertrag, den man gleichsam als Vertrag zugunsten Dritter begreifen kann, unmittelbare Rechtspositionen der Untertanen begründet werden sollten. Die Tatsache, dass Vorstellungen vom Vorrang der Bundesakte vor den Verfassungen der Bundesstaaten ebenso wenig zum Ausdruck kommen wie der erst später geläufige Grundsatz vom Vorrang der Verfassung und der damit verbundene Gedanke einer Verfassungsgerichtsbarkeit13, schließt eine Rechtsbegründung zugunsten der Bürger nicht aus. 12  Ebenda

S.  112  ff. Entwicklung dieser Grundsätze vgl. man insb. die Arbeiten von: Rainer Wahl, Der Vorrang der Verfassung, in: Der Staat 14 (1981), S.  485–516, bes. S.  488  ff.; ders. / Frank Rottmann, Die Bedeutung der Verfassung oder Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik – im Vergleich zum 19.  Jahrhundert und zu Weimar, in: Werner Conze / M. Rainer Lepsius (Hg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Beiträge zum Kontinuitätsproblem (Industrielle Welt Bd.  34), Stuttgart 1983, bes. S.  347  ff.; beide Aufsätze auch in: ders., Verfassungsstaat (Fn. 1), S. 121–159 und (leicht verändert) S. 320–340; Dieter Grimm, Die Entwicklung der Grundrechtstheorie in der deutschen Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts, 13  Zur

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Indirekt bestätigt wird diese Interpretation durch die bereits erwähnte Differenzierung zwischen den Rechten, die Art.  XVIII unter den Abschnitten a bis c einerseits und d andererseits vollzieht. Die unter a bis c genannten Rechte sind – mit Ausnahme der Probleme um die Militärpflichtigkeit (b, 2) – so gefasst, dass sie keiner Konkretisierung mehr bedürfen. Anderes gilt für die unter d angesprochenen Rechte, mithin für die „Preßfreiheit“ und die „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“. Die einzelstaatlichen Regelwerke waren zu unterschiedlich, um einen einheitlichen Schutz zu stiften. Die entscheidende Frage, ob eine Rechtsgewähr auch ohne Konkretisierung gegeben sein sollte, ist – im Unterschied zu Art.  XVI Abs.  2 – nicht ausdrücklich angesprochen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass Abschnitt d wenigstens eine grundsätzliche Rechtsgewährung herbeiführen wollte. Eine durch die Bundesakte begründete Pflicht der Einzelstaaten zur gemeinsamen Umsetzung kann konsequenterweise zwei Aspekte aufweisen: als unmittelbare Rechtsgewähr würde sie sich in dem Grundsatz erschöpfen, dass die Rechte zu gewähren sind. Diesem eher bundesstaatlich erscheinenden Element hätte dann später die Erfüllung der Konkretisierungspflicht zu folgen; diese sollte im Rahmen der Verhandlungen der Bundesversammlung „nachgeliefert“ werden, insoweit wäre dem Artikel ein eher staatenbündischer Charakter nicht abzusprechen. Da das zeitgenössische Verständnis der Rechtsstruktur des Deutschen Bundes noch nicht in allen Einzelheiten hinreichend bestimmt war, dürften in der Sicht der Zeitgenossen die Formulierungen der Bundesakte selbst ausreichend gewesen sein, um die vereinbarte Rechtslage zu schaffen und damit auch den Gewährungen des Art.  XVIII eine grundsätzliche Geltung beizulegen. „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ wären demnach als grundsätzlich gewährte „Rechte der Unterthanen“ zu begreifen. Im Folgenden bleibt zu fragen, ob diese Deutung durch die Vorgeschichte der Bundesakte und ihre praktische Handhabung in den ersten Jahren gestützt werden kann.

in: Birtsch, Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft (Fn.  2), S.  234–266, auch in: ders., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1987, S.  308–346. Ergänzend seien erwähnt: Hartmut Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht (Schriften zum öffentlichen Recht 507), Berlin 1986, bes. S.  54  ff.; Christian Hermann Schmidt, Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie (Schriften zur Verfassungsgeschichte 62), Berlin 2000.



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III. Die Verhandlungen des Wiener Kongresses sind – soweit es um die Vorgeschichte der Deutschen Bundesakte geht – aufgrund der zur Verfügung stehenden Quelleneditionen recht gut nachzuvollziehen14. Auch wenn man sich auf die Vorgeschichte des für unseren Zusammenhang wichtigen Art.  XVIII und namentlich auf dessen Abschnitt d beschränkt, so bleibt doch die Aufgabe, eine Reihe vielfach miteinander verschlungene Entwicklungslinien herauszuarbeiten, denn die endgültige Gestalt des genannten Artikels wurde erst in der vorletzten Sitzung der zweiten Serie der sog. „Deutschen Konferenzen“ am 8.  Juni 1815 festgelegt. Wie bei manch anderer Bestimmung wurden erste Anregungen und Vorlagen in der Zeit vor dem Kongressbeginn niedergeschrieben. Wilhelm von Humboldt15 hat im Dezember 1813 seine Gedanken über die künftige Verfassung Deutschlands fixiert und dabei eine Reihe von Thesen für den künftigen Gesetzgeber angeschnitten, die – wenigstens zum Teil – später in Art.  XVIII behandelt sind: Er nennt Freiheit der Auswanderung in andere deutsche Staaten, das Verbot der Ausweisung von Straffälligen und Verdächtigen, die Freiheit an fremden deutschen Universitäten zu studieren. Freiherr vom Stein16 formuliert Ende des Jahres 1813 seine Gedanken über Deutschlands Verfassung und fordert ebenfalls eine Reihe von „Grundbedingungen der Territorial-Verfassungen“ ein: die Freiheit der Person im Sinne der Habeas-Corpus-Akte, Freiheit der Wahl des Aufenthaltsortes und des

14  Die folgende Darstellung stützt sich vor allem auf die neueste bearbeitete Quellenedition von Eckhardt Treichel (Hg.), Die Entstehung des Deutschen Bundes 1813–1815 (Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes Abt.  I: Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des Deutschen Bundes 1813–1830, Bd.  I), München 2000 (im Folgenden zitiert: Treichel). Weiteres Material, das hier nicht ausgebreitet werden kann, bieten folgende Quelleneditionen: Johann Ludwig Klüber (Hg.), Akten des Wiener Congresses in den Jahren 1814–1815, 9 Bde., Erlangen 1815–1835 (ND Osnabrück 1966); Klaus Müller (Hg.), Quellen zur Geschichte des Wiener Kongresses 1814 / 15 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Freiherr vom Stein-Gedächtnis-Ausgabe Bd.  23), Darmstadt 1986; Michael Hundt (Hg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik auf dem Wiener Kongress. Die mindermächtigen deutschen Staaten und die Entstehung des Deutschen Bundes 1813– 1815 (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte 15), Hamburg 1996. Zur Entstehungsgeschichte der Bundesakte vgl. man außer dem sehr informativen „Überblick“ bei Treichel, S.  XXIX-CXXXVII noch die Arbeit von Michael Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongress (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Bd. 164), Mainz 1996, bes. S. 307 ff. („Untertanenrechte und Religionswesen“). 15  Treichel, S.  72  ff. 16  Treichel, S.  89  ff.

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Dienstherrn, Sicherheit des Eigentums und Schutz gegen willkürliche Eingriffe, Schutz der Ehre und des Lebens. In Fürst Hardenbergs „Entwurf der Grundlagen der deutschen Bundesverfassung“ (41 Artikel)17 findet sich eine Bestimmung, in der sich Vorstellungen Humboldts und Steins widerspiegeln: Art. 28 sieht vor, dass „die persönlichen Rechte eines jeden Deutschen als solchen … bestimmt und unter die Garantie des ganzen Bundes gesetzt werden“; genannt werden die Freiheiten zum Umzug des Diensteintritts und des Universitätsbesuchs innerhalb des Deutschen Bundes. Unter den Ergänzungswünschen des Freiherrn vom Stein18 begegnet erstmals die Formel „allgemeine durch die Bundes-Verfassung zugesicherte Bürger-Rechte“. Stein erwähnt neben dem Recht auf Auswanderung, Wohnortwahl und Dienstherrenwahl das Recht auf den ordentlichen Richter, das Beschwerderecht und – in unserem Zusammenhang besonders wichtig – die „Sicherheit des Eigenthums, auch des Geistigen gegen Nachdruck“. Hardenberg19 greift diese Anregungen auf und leitet Art.  VI eines neuen Entwurfs (Juli 1815) mit dem Satz ein: „Jedem Bundes-Unterthan werden durch die Bundes-Acte näher zu bestimmende deutsche Bürger-Rechte gesichert und vom Bunde garantiert, in Sonderheit: …“. Die bereits früher genannten Rechte werden in bemerkenswerter Weise erweitert um „Preßfreiheit nach zu bestimmenden Normen“. Die Formel zum Eigentum wird allerdings verkürzt zu „Die Sicherheit des Eigenthums (auch gegen Nachdruck)“. Entsprechendes ist in den Ergebnissen der Vorkonferenzen von September 1814 festgehalten. Bezeichnenderweise fügt der an diesen Besprechungen beteiligte Hannoversche Kabinettsrat Georg Friedrich von Martens20 zu den Punkten über „Eigentum und Nachdruck“ sowie „Preßfreiheit“ hinzu „erfordert ein Gesetz, das vielleicht vorerst ausgesetzt werden könnte“. In österreichischen Vorschlägen finden die vornehmlich von Preußen getragenen Formulierungen viel Zustimmung; man schlug vor, sie um weitere Regeln zu einem „deutschen Bürgerrecht“ oder gar zu einem „Reichsbürgerrecht“ zu ergänzen21. Bemerkenswert sind freilich gewisse Einschränkungen bei der Konkretisierung der einzelnen Rechte: Die „Sicherheit des Eigenthums“ fehlt zum Teil ganz oder wird nicht ergänzt um den Schutz gegen Nachdruck. Bei Besprechungen der Vertreter Österreichs, Preußens und Hannovers auf höherer Ebene22 wird an der Forderung nach einem Verbot des Nach17  Treichel, 18  Treichel, 19  Treichel, 20  Treichel, 21  Treichel, 22  Treichel,

S.  179  ff. (Zitat S.  187). S.  187  ff. (Zitat S.  192). S.  201  ff. (Zitat S.  204). S.  266  ff. (Zitat S.  273). S.  284  ff., 316  ff., 329  ff. (Zitate S.  287, 319, 340  f.). S.  362  ff. (Zitat S.  364).



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drucks festgehalten: „Dem Nachdruck hat man beschlossen, durch ganz Deutschland zu Gunsten in Deutschland erscheinenden Schriften zu steuern“. Dementsprechend sagt eine Klausel der „Zwölf Artikel“ (Oktober 1814)23: „Der Bundesvertrag bestimmt gewiße Rechte, welche jeder Deutsche  … in einem deutschen Staate ungekraenckt genießen soll“. Die weitere Entwicklung wird maßgeblich durch Vorschläge Wilhelm von Humboldts (November 1814) bestimmt24. Der letzte der „zwölf Artikel“ soll nicht nur eine neue Einleitung erhalten: „Alle Mitglieder des Bundes machen sich verbindlich, jedem ihrer Unterthanen folgende Rechte, als solche, deren jeder Deutsche genießen muss, unverbrüchlich einzuraeumen“. Darüber hinaus wird der Katalog der einzelnen Rechte weiter präzisiert; insbesondere wird die Passage „die Sicherheit des Eigenthums auch gegen den Nachdruck“ ergänzt um den Satz „Ueber den letzteren Gegenstand soll zwar ein eigenes organisches Gesetz gegeben werden. Indeß bestimmt der Bundesvertrag schon jetzt, daß keine mit dem Privilegium eines deutschen Bundesstaats gedruckte Schrift soll während der Lebenszeit des Verfaßers und seiner Kinder, oder im Fall er keine Kinder hinterlaeßt, während 30 Jahren nach seinem Tode, innerhalb der Grenzen Deutschlands, nachgedruckt werden koennen“. Die Passage über die „Preßfreiheit“ wird ebenfalls ergänzt: „Auf die Verantwortlichkeit der Schriftsteller gegründete, und mit der nöthigen polizeilichen Aufsicht für die Herausgabe periodischer Schriften vereinbarte Preßfreiheit“. In Humboldts Verfassungsentwurf vom Anfang Dezember 181425 kehren diese Formeln wieder unter der Überschrift „Verhältniß der einzelnen deutschen Staaten zu ihren Unterthanen“. In Humboldts zweitem Entwurf (Februar 1815)26 werden sie noch einmal leicht verändert wiedergegeben; die beiden Kernbestimmungen zu Eigentum / Nachdruck und „Preßfreiheit“ lauten nun: „§ 93 e: Die Sicherheit des Eigenthums gegen jede Beeinträchtigung, und mithin auch gegen Nachdruck“. Und: „§  96  g: Auf die Verantwortlichkeit der Schriftsteller, oder, falls diese nicht genannt sind, der Buchhändler oder Drucker gegründete, und mit der nöthigen polizeilichen Aufsicht auf die Herausgabe periodischer Schriften vereinbarte Preßfreiheit“. In den folgenden Monaten suchten Preußen und Österreich die anhaltende Diskussion durch neue Vorlagen zu beeinflussen. Schließlich einigten sich beide Mächte auf einen gemeinsamen Entwurf einer Bundesakte, die ihre 23  Treichel,

S.  365  ff. (Zitat S.  369). S.  533  ff. (Zitat S.  536  f.). 25  Treichel, S.  907  ff. (Zitat S.  926). 26  Treichel, S.  1068  ff. (Zitat S.  1092). 24  Treichel,

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Grundlage für die im Mai beginnenden Sitzungen der zweiten deutschen Konferenz bilden sollten. In den preußischen Entwürfen (vom 10. und 30.  April 1815)27 kehren – soweit Nachdruck und Pressefreiheit in Rede stehen – die von Humboldt geäußerten Thesen verkürzt wieder; außerdem werden sie mit der Forderung nach Erichtung von Landständen in einer Weise verknüpft, die zuvor nicht vorgesehen war28; im zweiten preußischen Entwurf wird überdies ein Passus über den Status der drei christlichen Religionsparteien und die Rechtsstellung der Juden angeschlossen. Die beiden österreichischen Entwürfe (vor dem 1. Mai und vom 30. April)29 trennten die Materien deutlich. Die Frage der Landstände wird in Art. 13 (bzw. Art. 8), Glaubensfreiheit und andere kirchlichen Angelegenheiten sind in Art.  16 (bzw. Art.  9) geregelt. Art.  17 (bzw. Art.  14) ist der Zusicherung zugunsten der „Unterthanen der teutschen Bundesstaaten“ vorbehalten. Genannt werden aber nur Freiheit des Liegenschaftserwerbs, Recht des freien Wegzugs und Freiheit von Abzugs- und Erbschaftssteuern; Presse­ freiheit und Nachdruckschutz sind nicht mehr erwähnt. Erst im gemeinsamen österreichisch-preußischen Entwurf30 tauchen beide Punkte wieder auf und zwar in einer Form, die dem schließlich beschlossenen Art.  XVIII sehr nahe kommt. Art.  16 des gemeinsamen Entwurfs trägt die Überschrift „Allgemeine Anordnungen zu Gunsten der deutschen Unterthanen“ und sichert zunächst die Freiheit des Liegenschaftserwerbs, das Recht zum Eintritt in Zivil- oder Militärdienst, das Recht des freien Wegzuges und die Freiheit von Abzugs- und Erbschaftssteuern. Dann folgt ohne jede Einordnung in den Duktus der Zusicherungen der hier interessierende Satz31: „e. Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfaßung zweckmäßiger Gesetze über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.“ Bayern, das mehr als andere Staaten eine Beschneidung seiner Souveränität fürchtete, wehrte sich auch gegen die vorgeschlagene Fassung des späteren Art.  XVIII und verlangte Abänderungen, die letztlich auf eine gewisse Abschwächung der Bundeskompetenz hinausgelaufen wären. An die Stelle der vorgeschlagenen Eingangsformel32 sollte die Formel treten „Die Souveraine des deutschen Bundes werden in Berathungen treten um den 27  Treichel,

S.  1243  ff., 1262  ff. S.  1267  f. 29  Treichel, S.  1256  ff. 30  Treichel, S.  1299  ff. (Zitat S.  1305  f.). 31  Treichel, S.  1306. 32  Treichel, S.  1334: „Den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten wird von den Bundesgliedern gegenseitig zugesichert  …“ 28  Treichel,



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Unterthanen die möglichen Erleichterungen zu verschaffen soweit es nur die Verhältniße gestatten. Dahin wird vorzüglich zu rechnen seyn …“. Überdies sollten die in den einzelnen Abschnitten verwendeten Worte „Recht“ durch „Erlaubnis“ und „Erleichterung“ ersetzt werden, im letzten Abschnitt sollte jeder Hinweis auf die Zeit („erste“) der Verhandlungen entfallen und „Vorschläge“ an die Stelle des Wortes „Gesetze“ treten. Der Vergleich mit dem schließlich beschlossenen Text zeigt, dass der bayerische Vorstoß nur zum geringeren Teil Erfolg hatte: Preußen bestand auf dem Begriff „Rechte in der Einleitung“ und stimmte lediglich zu, im (späteren) Abschnitt b „Recht“ durch „Befugnis“ zu ersetzen; die Einleitung wurde in der 10. Sitzung entsprechend umformuliert. An die Stelle der Zusicherung der „Bundesglieder“ trat die Formel „Die verbündeten Fürsten und freien Städte kommen überein  …“. Im (späteren) Abschnitt d findet sich statt „Gesetze“ oder „Vorschläge“ nun die Formel „gleichförmige Verfügungen“. Kurz nach dem Ende des Wiener Kongresses meinte Freiherr vom Stein, als er die Bundesakte recht kritisch betrachtete33, die „Rechte des einzelnen“ seien „durch nichts gesichert“ als die „unbestimmte Erklärung“ zu den Landständen und „durch eine Reihe Grundsätze (Art.  18) über die Rechte jedes Deutschen, worunter man die Habeas corpus, die Abschaffung der Leibeigenschaft ausgelassen hat …“; überdies wird die „Freiheit der Presse“ als eines der Mittel bezeichnet, mit deren Hilfe eine bessere Politik erreicht werden könnte. Die Kritik Steins geht offenbar davon aus, dass Art.  XVIII bereits eine grundsätzliche Rechtsgewährung darstellt und nicht nur eine bloße Verhandlungspflicht der Vertragsstaaten begründet. Diese Sicht wird durch die Tatsache bekräftigt, dass die oben erwähnte „weiche“ Eingangsformel Bayerns eben nicht in die Endfassung des Artikels aufgenommen worden ist. Für die Frage, ob die Entstehungsgeschichte Hinweise zur Interpretation des beschlossenen Art.  XVIII gibt, wird man ein doppeltes Ergebnis festhalten können. Das Beharren der preußischen Seite auf der Feststellung, dass der Artikel allen Untertanen der verbündeten Staaten aktuelle „Rechte“ in konstituierender Weise gewähren soll, erscheint angesichts des dominierenden preußischen Einflusses in der Entwicklung des Eingangssatzes gesichert. Problematischer ist die Frage, ob sich diese Gewährung auch auf die in Abschnitt  d genannten Bereiche „Preßfreiheit“ und Nachdruckschutz erstreckt hat. Dagegen spricht die von Humboldt formulierte Einsicht, dass ein „organisches Gesetz“ erforderlich sei, eine These, die auf die Zusiche33  Georg Heinrich Pertz, Das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein, 7 Bde., Berlin 1849–1855, hier Bd.  4, S.  444  ff.

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rung der „Preßfreiheit“ nicht ausgedehnt werden muss, wenngleich auch diese Rechtsgewährung von Martens mit der Einsicht verbunden wird, es sei ein Gesetz notwendig, um die Position zu umschreiben. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass Humboldt keinerlei Bedenken hatte, auch ohne ein organisches Gesetz die Möglichkeit der Konstituierung eines allgemeinen Nachdruckschutzes zu bejahen: der einzelstaatliche Privilegienschutz sollte allein durch eine entsprechende Regel in der Bundesakte sofort auf den ganzen Bund erstreckt sein. Schließlich bleibt noch zu betonen, dass der Schutz gegen Nachdruck in den Anfängen der Diskussion als Anwendungsfall der zu gewährenden Sicherheit des Eigentums verstanden wird. Dies gilt namentlich für die frühen Entwürfe Hardenbergs und Steins. Später hat die preußische Seite ihre Formel auf den Nachdruckschutz verkürzt, während die österreichischen Dokumente entsprechende Passagen ganz vermeiden; erst im gemeinsamen preußisch-österreichischen Entwurf wird die schließlich angenommene Formel zum Nachdruckschutz dem Grunde nach wieder aufgegriffen. Dabei handelte es sich aber nur um eine scheinbare Verengung des Eigentumsschutzes auf den Schutz des „geistigen Eigentums“; denn Abschnitt a bietet die unverzichtbare Ergänzung durch die zugesicherte Freiheit des Erwerbs von Grundeigentum in jedem Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes. Damit wird letztlich signalisiert, dass der Eigentumsschutz grundsätzlich gewährt sein soll, obwohl er nur in Bezug auf seine bundesweite Geltung angesprochen ist. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass einige der Vertragspartner, namentlich die um ihre innere Souveränität besorgten süddeutschen Staaten, glaubten, nur diesen bundesweiten Aspekt akzeptieren zu können. Der „grundrechtliche“ Gehalt der Bestimmung erscheint mithin nur im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit, ist aber gleichwohl gewährt: wenn jeder Bürger jeden Staates in jedem anderen Staat des Bundes Eigentum erwerben können soll, so läuft dies praktisch auf ein gleichwertiges Recht für alle Bürger hinaus. Für den Schutz gegen Nachdruck sollte dies genauso sein, wenngleich hier eine inhaltliche Annäherung der einzelstaatlichen Regelwerke noch nicht gegeben war. Dieser innere Zusammenhang erklärt auch die differenzierende Fassung des Abschnitts d: Das Verlangen nach „gleichförmigen Verfügungen“ erfasst die „Preßfreiheit“ generell, während es bei den Rechten der Schriftsteller und Verleger“ nur die „Sicherung“ zu gewährleisten hat. Insgesamt gesehen gewinnt man den Eindruck, dass auch Art.  XVIII das Ergebnis vielfacher Kompromisse ist. Während in der Einleitung sowie in den Abschnitten  a bis b die preußische Sicht dominiert, weist Abschnitt  d nur noch einen Restbestand der preußischen Forderungen auf: „Preßfreiheit“ und „die Rechte der Schriftsteller und Verleger“ werden zugesichert; zu-



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gleich aber eröffnet das Verlangen „nach gleichförmigen Verfügungen“ die Möglichkeit späterer Einschränkungen, an denen Österreich und einige süddeutsche Staaten interessiert waren. Allerdings dürften diese Vorbehalte unterschiedliche Ziele im Auge gehabt haben. Während Österreich besonderen Wert auf die Schranken der Preßfreiheit gelegt haben dürfte, richteten die süddeutschen Regierungen ihr Augenmerk wohl eher auf Schriftstellerund Verlegerrechte. Im Ergebnis rechtfertigen alle diese Überlegungen die Feststellung, dass die Möglichkeit einer sofortigen und prinzipiellen Anerkennung von Rechtspositionen durch den Bund behauptet werden kann. Bestätigt wird diese Interpretation durch eine Reihe von Hinweisen aus dem praktischen Umgang mit den Vorschriften des Art.  XVIII d in den ersten Jahren des Deutschen Bundes. IV. Die zahlreichen Ansichten, die in der Zeit nach dem Wiener Kongress zur Bundesakte und zu ihren einzelnen Artikeln geäußert worden sind, bieten ein außerordentlich vielseitiges und keineswegs widerspruchsfreies Gesamtbild. Dies gilt sowohl für die wissenschaftlich-theoretischen Betrachtungen des Vormärz als auch für die im Kontext praktischer Politik geäußerten Interpretationen34. Insbesondere im Zuge der verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen der zwanziger und dreißiger Jahre wird spürbar, welch tief greifende Folgen die Ereignisse nach dem Wartburgfest und der Ermordung Kotzhebues gezeitigt haben. Neben Interpretationen, die in willfähriger Weise die reaktionäre, vor allem mit dem Namen Metternich verbundene Politik widerspiegeln, finden sich Ansätze, die in einer deutlichen Zuneigung zu demokratisch-liberalen Traditionen stehen. Die Gegensätze zeigen sich besonders deutlich, wenn die Politik des Bundes im Gefolge der Karlsbader Beschlüsse und der Wiener Schlussakte in Rede steht. Beide Dokumente markieren nicht nur ­einen grundlegenden Wandel in der Politik des Deutschen Bundes, sie haben ebenso nachhaltig die Interpretation der Bundesakte und damit auch der in ihr enthaltenen Rechtsgewährungen beeinflusst. Im Vordergrund standen nunmehr das monarchische Prinzip, die einzelstaatliche Souveränität und die „Erhaltung der inneren und äußeren Sicherheit“ (Art. II Bundesakte); dies hatte unter anderem zur Folge, dass die Konkretisierungen im Bereich der zugesicherten Rechte dem Grundsatz der Einstimmigkeit unterlagen, denn sie waren fortan nur noch „durch gemeinschaftliche Uebereinkunft“ (Art. LXV Wiener Schlussakte) zu erreichen. 34  Entsprechende Belege liefern die oben Fn.  1 und 2 genannten Darstellungen; zu verweisen ist insb. auf die Beiträge von Eisenhardt (Fn.  7) und Grimm (Fn.  13).

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Deshalb erscheint es sinnvoll, den Blick auf die Anfangsjahre des Deutschen Bundes zu richten und die vom späteren politischen Geschehen noch nicht so stark geprägten Bewertungen heranzuziehen. 1.  In den Verhandlungen der Bundesversammlung zwischen 1816 und 1819 wurden die Regelungsbereiche des Art.  XVIII aus unterschiedlichen Anlässen angesprochen. Zum einen begegnen sie uns in allgemeiner Weise im Zuge der Diskussion um die Kompetenz der Bundesversammlung (unten  2); zum anderen kommen sie als Probleme der praktischen Umsetzung zur Sprache (unten 3–5). 2.  Die 1816 eingesetzte Kommission, die eine „provisorische CompetenzBestimmung der Bundesversammlung“ ausarbeiten sollte, legte im Juni 1817 ihr Gutachten vor35. Diese Richtlinie betont einerseits, dass der Bundesakte, der Begriff der vollen „Souverainität der einzelnen Bundesstaaten“ zugrunde liegt, andererseits heißt es: „(3)  Die Bundesversammlung ist berufen, darauf zu achten, daß die in der Bundesacte Art.  12, 13, 14, 16 und 18 den Staaten zur Ausführung vorgeschriebene öffentliche Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden.“

Schließlich heißt es: „(7)  Der Bund ist ebenfalls competent, sich mit all den Gegenständen zu beschäftigen, worauf sich die Art.  6, 18 und 19 der Bundesacte beziehen“.

Bayern wollte einige Änderungen eingefügt wissen36, stimmte aber – wie die meisten Staaten – grundsätzlich zu, und zwar auch in jenen Passagen, die einzelnen „Privatpersonen, Korporationen oder ganze(n) Classen“ entsprechende Antrags- und Reklamationsrechte einräumten; letzteres in dem Falle, „wenn die eben erwähnten, in der Bundesacte bestimmten Gerechtsame, oder solche, welche ihnen in derselben bereits ausdrücklich eingeräumt worden, ohne noch erst einer näheren Entwicklung zu bedürfen, verletzt werden  …“.

Die Möglichkeit, dass durch die Bundesakte private Rechtspositionen geschaffen worden sind, wird damit ausdrücklich anerkannt. Die Diskussionen um konkrete Umsetzungsfragen bestätigen diese Sicht. In den Jahren 1816 und 1817 stehen Probleme der praktischen Umsetzung des Auswanderungsrechts im Sinne des Abschnitts b zur Verhandlung; in den beiden folgenden Jahren wurden die Probleme um die „gleichförmigen Verfügungen“ zu „Preßfreiheit“ und zur „Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ debattiert. 35  Protokolle der Deutschen Bundesversammlung (künftig: ProtBV) 1817, S.  248  ff. (§  223). 36  In Nummer 3 sollten die Worte „den einzelnen Staaten zur Ausführung vorgeschriebene öffentliche Verhältnisse“ ersetzt werden durch „worüber die Bundesstaaten in der Bundesakte Art.  12, 13, 14, 16 und 18 überein gekommen sind“. ProtBV 1817, S.  454.



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Während der erste Komplex durch einen Beschluss beendet werden konnte, gerieten die beiden anderen Projekte in den Sog des beschriebenen Politikwechsels mit der Folge, dass die in der Bundesakte versprochenen Ergebnisse hinausgeschoben wurden. Insbesondere hat man die gemeinsame Lösung im Bereich des Nachdruckschutzes, die zunächst möglich erschien, dadurch verhindert, dass Österreich über mehr als ein Jahrzehnt hinweg nicht bereit war, das traditionelle Junktim von Nachdruckschutz und Zensur aufzugeben. Erst als die Wiener Ministerialkonferenz des Jahres 1834 dieses Junktim aufgelöst hatte, konnten am 9. November 1837 die „gleichförmigen Grundsätze“ zum Schutz gegen Nachdruck beschlossen werden; man verzichtete dabei auf „gleichförmige Verfügungen“ im Sinne einheitlicher vom Bund getragener Bestimmungen und begnügte sich mit einer Art „Rahmen­ gesetzgebung“37. 3.  In den frühen Verhandlungen der Bundesversammlung zeigt sich, dass alle Staaten bereit waren, die „Befugnis“ zur Auswanderung als ein durch die Bundesakte selbst gewährtes Recht zu begreifen. In der Diskussion38 um die nähere Bestimmung des Zusammenhangs dieses Rechts mit der „Militärpflichtigkeit“ (Abschnitt b 2) und der Befreiung von der „Nachsteuer“ im Sinne des Abschnitts c wird deutlich, dass die Auswanderungsfreiheit als ein „in demselben Artikel den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten zugesicherte Befugnis“ zu gelten habe; überdies heißt es: „Die allgemeine Befreiung der Deutschen von aller Nachsteuer in Deutschland ist durch die Bundesacte klar ausgesprochen“39. Eventuelle Abzugsabgaben seien bereits 37  Zum Ganzen eingehender Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen (BadenBaden) 1995, S. 203 ff.; Elmar Wadle, Der Beschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt.  109 (1989), S.  189– 237; ders., Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Helmut Reinalter (Hg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830 bis 1848 / 49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ Bd.  32), Frankfurt a. M. 2002, S.  229–249; beide Aufsätze sind auch abgedruckt in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte II., München 2002, S.  241–256. 38  Beginnt mit dem Hinweis ProtBV 1817 und 1818, insb. 1817, S.  60  f. mit S. 89 ff. (Beilage Nr. 15: Vortrag des Gesandten Heinrich von Berg über „kurze Uebersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des 18. Artikels in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten“); S.  103  ff., 108 ff., 128 f., 275 ff., 348, 441 f.; ProtBV 1818, S. 65 f. Zu von Berg bietet nähere Hinweise Ludwig Gieseke, Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 138 (1999), S. 117–151, auch in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 56 (2002), S. 163–178. 39  So lautet ein Kernsatz im Vortrag von Bergs Zitat S.  92.

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durch die Bundesakte „aufgehoben“, „mit dem Inhalt der Bundesacte unverträglich“40. Der über die Zweifelsfragen gefasste Beschluss vom 23.  Juni 1817 geht ebenfalls davon aus, dass die der Abzugsfreiheit widersprechende Abgaben aufgehoben seien und beschreibt sie näher41. 4.  Im Bereich des Nachdruckschutzes finden wir entsprechende Hinweise in den Verhandlungen der Bundesversammlung. Der Holstein-Oldenburgische Gesandte, Ober-Appellations-Gerichtspräsident Heinrich von Berg, erklärt in seinem Vortrag42, es hätten „die Stifter des Deutschen Bundes, wenn auch nicht ausdrücklich die Streitfrage des Nachdrucks, doch das entschieden  …, daß Schriftsteller und Verleger gegen denselben sicher zu stellen seyen“. Im Übrigen gilt es für ihn als ausgemacht, dass dem Schriftsteller ein „eigenthümliches Recht“ zustehe, an dem er dem Buchhändler ein „Verlagsrecht“ abtreten könne, „welches ihm ursprünglich zustehe, und welches, wie jedes eigenthümliche Recht, seiner Natur nach ausschließend ist“. Und später setzt er hinzu: „Die Anerkennung der innern Unrechtmäsigkeit des Büchernachdrucks und der daraus entspringenden Verbindlichkeit, das Eigenthum des Schriftstellers und Verlegers dagegen zu schützen, scheint ein besonderes Verbot überflüssig zu machen, indem hiernach das richterliche Amt, schon nach gemeinem Recht, seine Pflicht tun muß“.

Berg weiß allerdings, dass diese Konsequenz zum Nachdruckverbot nicht in allen deutschen Staaten gezogen wird, gleichwohl meint er: „Wird nun die innere Rechtswidrigkeit des Nachdrucks anerkannt, und als Grund der Gesetzgebung angenommen; so sollte allerdings kein anderes, als ein allgemeines und unbedingtes Verbot erfolgen“.

Aus solchen Sätzen geht deutlich hervor, dass für Heinrich von Berg der Nachdruck grundsätzlich verboten war, die Bundesversammlung mithin nur die Aufgabe hatte, gleichförmige, im ganzen Deutschen Bund geltende Verfügungen zu schaffen, die dieses Verbot praktikabel machen würden. Außerhalb der Verhandlungen im Bunde finden sich ebenfalls Hinweise für eine solche Sicht der Rechtslage gemäß Art.  XVIII  d. Am markantesten hat sich Fürst Hardenberg festgelegt, als er am 27. August 1816 eine Verfügung zum Nachdruckverbot im preußisch gewordenen Rheinland formulierte43. Darin äußert Hardenberg die Ansicht, dass nicht nur in Preußen 40  ProtBV

1817, S.  276. 1817, S.  504  ff. (§  254). 42  Sitzung v. 22.  Juni 1818, ProtBV 1818, S.  360  ff. (Zitate S.  362  f.). Die Hervorhebungen entsprechen dem Original. 43  Die Vorgänge um den Kölner Nachdrucker Spitz führten zu intensiven Diskussionen um Fortgeltung und Ausdehnung des französischen Nachdruckverbots in der nunmehr preußisch gewordenen Rheinprovinz. Einzelheiten in den Akten des Minis41  ProtBV



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erschienene Werke gegen Nachdruck geschützt seien, wobei er zur Begründung folgendes ausführt: „Da die französische Gesetzgebung den Nachdruck einheimischer, nämlich französischer Werke, verbietet, so folgt aus dieser Gesetzgebung von selbst, dass, da Cöln nunmehr der preußischen Oberherrschaft unterworfen ist, keine bei uns heimischen Werke nachgedruckt werden dürfen“.

Dieser Grundsatz sei durch die Bundesakte auf alle im Gebiet des Deutschen Bundes erschienenen Werke ausgedehnt worden: „Dieses gilt nicht bloß von Werken, die in den preußischen Staaten erscheinen, sondern von allen den Werken, auf deren Verlag der Unterthan eines deutschen Fürsten ein Recht hat, indem im Artikel 18 der deutschen Bundes-Acte bereits festgesetzt ist, daß die Bundes-Versammlung sich mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck verständigen werde. Und da die Vereinigung in einem deutschen Bund bereits feststehet, so halte ich es für angemessen, daß, ungeachtet der Beschluß selbst über solche Verfügungen noch nicht hat ergehen können, Preußen dennoch schon jetzt allen Unterthanen der in der Bundes-Acte genannten verbündeten Fürsten diejenigen Rechte gewähre, die es durch die Gesetzgebung seinen eigenen Unterthanen eingeräumt hat. Wiewohl notorisch in einigen deutschen Staaten der Nachdruck noch geduldet wird, so halte ich es doch der Würde der Regierung nicht gemäß, in dieser Angelegenheit und in Beziehung auf ein Gewerbe, auf welchem öffentliche Schmach ruht, und welches durch innere Gesetzgebung als strafwürdigen Eigennutz verpönt ist, ein Vergeltungs-Recht eingetreten zu lassen“.

Hardenbergs Interpretation des Art.  XVIII, der sich Humboldt ausdrücklich angeschlossen hat, ist zwar auf Widerspruch gestoßen44; dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine der markantesten Persönlichkeiten des Wiener Kongresses von einer unmittelbaren Wirksamkeit des Nachdruckverbotes ausgegangen ist. Dass wenig später, nach den Karlsbader Beschlüssen, derartige Interpretationen wenig Anklang fanden, ist bekannt45. Dabei stand allerdings die rechtliche Einordnung der in der Bundesakte ausgesprochenen „Rechte der teriums Hardenberg im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, Akten des Ministeriums Hardenberg (I. Hauptabt. Rep. 74 K VIII Nr.  18 vol.  I; fol. 25–26 enthalten den Entwurf). Die Verordnung v. 27.08.1816 ist gedruckt u. a. bei: Gebhardt, Humboldts politische Denkschriften (Fn.  11), S.  112  f. (Fußnote). 44  Dazu Elmar Wadle, Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik, in: NJW 1999, S.  2545–2551, auch in: ders., Geistiges Eigentum (Fn.  37), S.  117–130, bes. S.  126  ff. 45  Einzelheiten zur Entstehung des Entwurfs von 1819 und zu seiner Behandlung in der Bundesversammlung bei Gieseke, Heinrich von Berg (Fn.  38) und Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819. Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funkund Theaterrecht Bd.  138 (1999), S.  153–181; auch in: ders., Geistiges Eigentum (Fn.  37), S.  221–239.

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Schriftsteller und Verleger“ im Vordergrund der Diskussion. Besonders deutlich wird dies etwa in der Stellungnahme Württembergs zum Frankfurter Entwurf von 1819 und dessen Begründung46: „Hierbei ist zuvörderst zu bemerken, daß die zum Grunde liegende Stelle der Bundesacte nur von Rechten der Schriftsteller und Verleger spricht; der Commissionsbericht hingegen geradezu Eigenthumsrechte der Schriftsteller und Verleger voraussetzt, auf solche Art aber eine in der Theorie höchst bestrittene und in der Praxis der einzelnen Bundesregierungen sehr verschieden beurtheilte Frage ohne weiteres für entschieden annimmt. Wenn die Bundesacte verlangt, daß eine gleichförmige Verfügung zu Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu Stande kommen solle; so ist vor allen Dingen zu untersuchen: ob den Verfassern und Verlegern einer Druckschrift schon nach den Grundsätzen des natürlichen Rechts oder nach den Bestimmungen einer, bisher in ganz Deutschland als verbindend angenommenen, positiven Gesetzgebung Eigenthums- oder andere Rechte gegen den Nachdruck zustehen? Können weder aus der einen, noch aus der andern Quelle solche Rechte abgeleitet werden, so kann der Art.  18 der Bundesacte auch nur dahin verstanden werden, daß den Schriftstellern und Verlegern bestimmte Rechte gegen den Nachdruck beigelegt und durch eine gleichförmige Verfügung sicher gestellt werden sollen.“

5.  Auch zur Pressefreiheit gibt es in den ersten Jahren nach 1815 eindeutige Hinweise dafür, dass Art.  XVIII d als Rechtsgrundlage betrachtet worden ist. Als die neue Verfassung von Sachsen-Weimar-Eisenach aus dem Jahre 1816, die eine ausdrückliche Anerkennung der Pressefreiheit enthielt, in der Bundesversammlung kritisiert wurde, berief sich der Weimarer Gesandte darauf, dass dies schon „in dem XVIII.  Artikel der Bundesakte von allen Bundesgliedern geschehen sei“47. Kaum weniger deutlich sind jene Stimmen, die sich im folgenden Jahr zum Auftrag des Art.  XVIII d äußern. Wiederum ist es Heinrich von Berg, der eine grundsätzliche Anerkennung in der Preßfreiheit als Gegenstand der Vorschrift betrachtet. In seinem mit großer Vorsicht formulierten Bericht an die Bundesversammlung versäumt Berg nicht zu erwähnen, dass es seine Aufgabe war, eine erläuternde Übersicht über die Theorie und Praxis der Preßfreiheit zu erstellen. Gleichwohl verschweigt er seine eigene Sicht und Meinung nicht48: „Wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, aus der Freiheit zu denken, die Freiheit, seine Gedanken bekannt zu machen, ableiten will; so geräth man leicht in 46  Sitzung

v. 13.2.1823; ProtBV 1823 (§  13), S.  29  ff. (Zitat S.  29  f.). 1816, S.  204. 48  Vortrag in der Sitzung v. 12.10.1818; ProtBV 1818, S.  538 (§  236) mit Beilage 38 (S.  601–645, Zitate S.  602  f., 642  f.). 47  ProtBV



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Gefahr, durch Verwirrung der Begriffe, durch Verwechslung des Rechts mit der Freiheit, der Freiheit mit der Willkühr, und noch manch anderes Mißverständniß ein Verhältniß zu verdunkeln, welches aus der Natur des Menschen und seiner Bestimmung sonnenklar hervorgeht. Daß die Freiheit des Gedankens, der im Innersten des menschlichen Geistes verborgen ist, über alle menschliche Gewalt erhaben, sich gegen jeden äussern Einfluß unverletzt erhalten könne, würde unzweifelhaft seyn, wäre nicht die Macht des Glaubens und die mögliche Herrschaft über die Gewissen. So aber ist es gekommen, daß wir in der Denkfreiheit, als staatsbürgerlichem Recht, zuvörderst nur die Sicherheit gegen äussere Gewalt, mithin die Befugniß des Staatsbürgers erkennen, seine Gedanken, unabhängig von fremder Einwirkung, für sich zu behalten, und hieraus ergiebt sich von selbst, daß die Aeusserung der Gedanken in der Denkfreiheit zwar die Bedingung ihrer Gründlichkeit, Reichhaltigkeit und Wohlthätigkeit, keineswegs aber die Quelle eines rechtlichen Verhältnisses findet, dessen Bestimmung von dem Einflusse der Rede auf das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft abhängt. Denk- und Preßfreiheit haben eine und dieselbe Quelle. In dem Vermögen, zu denken und die Gedanken durch Worte auszudrücken, liegt das angeborne unveräusserliche Recht des Menschen, Andern seine Gedanken mitzutheilen, durch Austausch derselben sich aufzuklären, Lehre zu geben und Lehre zu empfangen; es liegt in diesem erhabenen Vorzug vor allen andern Geschöpfen die Pflicht, durch gegenseitige Mittheilung erlangter Einsichten und Kenntnisse das Band der menschlichen Gesellschaft zu befestigen und sie selbst immer mehr zu veredeln. Diese Pflicht fordert Oeffentlichkeit; und eben sie ist es, welche den Gebrauch jenes großen und heilsamen Rechts auf einen so bedeutenden und eigenthümlichen Standpunct erhebt, um so mehr erhebt, als eine Erfindung, welcher unter den wohlthätigste die erste Stelle gebührt, das einfachste, leichteste und bequemste Beförderungsmittel eines allgemeinen Gedankenverkehrs darbietet. Hieraus geht nun die Preßfreiheit von selbst hervor: der Zweck aber, dem die Presse dienen soll, verbietet Zügellosigkeit und Frechheit.“

Aus diesem Ansatz folgerte Berg einerseits die grundsätzliche Erlaubtheit, ja Notwendigkeit der Presse, andererseits zieht er Konsequenzen für die notwendigen Begrenzungen: „Wie nun, ausser dem Staate, mit dem natürlichen Rechte des Einen, seine Gedanken auszusprechen, das natürliche Recht des Andern verbunden ist, von demjenigen, der dadurch sein Recht verletzt, Genugthuung zu nehmen, und die Fortsetzung der Beleidigung zu verhindern: also ist der Staat verbunden, ein Gleiches zu bewirken, wenn durch Rede, Schrift oder Druck Rechte verletzt werden, und dieses ist die einzige, in der Natur der Sache gegründete rechtliche Beschränkung der Preßfreiheit“.

Die praktischen Konsequenzen will er nach dem Vorbild einer kurz zuvor der Bundesversammlung vorgelegten Schrift des badischen Gerichtspräsidenten Freiherrn von Drais ziehen: „Zwar fordert die Bundesacte die Abfassung gleichförmiger Verfügungen übe die Preßfreiheit: allein sie spricht damit nicht aus, daß in allen Bundesstaaten die Gesetzgebung über die Presse durchaus gleichförmig seyn soll. Nach dieser An-

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sicht hat der Freiherr von Drais dasjenige abgesondert, was gemeinsam zu beschliessen, und was jedem Bundesstaat zur besondern Gesetzgebung anheimzustellen wäre. Jenes hat er, nach vorgängiger Entwickelung der Gründe, in wenigen Sätzen zusammengefasst, dieses nur angedeutet, um die Grenze des Gemeinsamen und des Besondern desto deutlicher zu bezeichnen. Aus dem Ganzen geht folgendes System hervor: Die Preß- und Lesefreiheit sey Regel. Keine Censur von Schriften, deren Verfasser, oder Verleger, oder Drucker sich nennen, finde Statt, weder vor, noch nach dem Druck; wohl aber Aussicht über den literarischen Verkehr durch wohlgeordnete Bücher-Commissionen. Die Gesetzgebung unterscheide Pressverbrechen und polizeiliche Vergehen; bestimme deren Strafbarkeit und die Verbindlichkeit zum Schadensersatz; setze die Verantwortlichkeit der verschiedenen an dem literarischen Verkehre theilhabenden Personen fest, verordne, was vor die Gerichte und was vor die Polizei gehören soll; schreibe die Verfahrensart und Instanzen-Ordnung vor; bezeichne die Grenzen polizeilicher Bücherverbote mit möglichster Schonung der Schriftsteller und Buchhändler; halte den Schriftverkehr durch zweckmäsige Vorschriften für alle dazu Berechtigten, insonderheit für die zu einer Zeitschrift Privilegirten, in Ordnung. Auch für Zeitschriften aller Art, für Zeitungen, Journale, Flugblätter, und überhaupt für Volksschriften gelte völlige Censurfreiheit. Aber man unterscheide ausserordentliche Zeitläufe von den gewöhnlichen und für jene werde verfügt, daß kein Manuscript, oder wenigstens keines zu einer Zeit- und Flugschrift, ohne Staats-Vidit in die Druckerei gelangen dürfe.“

Im Ergebnis läuft dieses Denken darauf hinaus, dass keineswegs alles, was zu regeln sei, in „gleichförmige Verfügungen“ von Bundes wegen einzugehen habe. Wie Drais49 befürwortet auch Berg nur sieben Grundsätze, mehr sei „im allgemeinen und für die Gesammtheit des Bundes nicht nöthig“. Solche Überlegungen machen deutlich, dass Berg der Ansicht war, die Bundesakte habe den Kern einer naturrechtlich fundierten Pressefreiheit garantiert und Art.  XVIII  d verlange nur eine eingeschränkte Grenzziehung von Bundes wegen. Dass in den späteren Beschlüssen diese Grundsätze keine allgemeine Zustimmung mehr fanden, ist geläufig: der Auftrag zu „gleichförmigen Verfügungen“ im Bereich der Presse wurde extensiv interpretiert mit der Folge, dass in den Augen der maßgeblichen politischen Kräfte nicht mehr viel vom positiven Kern der „Preßfreiheit“, sondern nur noch von der Un49  Berg bezieht sich auf eine bei der Bundesversammlung eingereichte Schrift des Präsidenten des badischen Oberappellationsgerichts C. W. F. L. Freiherrn von Drais mit dem Titel „Abhandlung der hohen Bundesversammlung vorgelegt über eine Staats-Ordnung bei der Preßfreiheit, besonders wie viel davon auf dem teutschen Bundestag zu bestimmen wäre?“. Diese 1817 vorgelegte Schrift ist abgedruckt in den von Drais herausgegebenen „Materialien zur Gesetzgebung über die Preßfreiheit der Teutschen besonders zur Grundbestimmung auf dem Bundestag“, Zürich 1819, S.  1–46.



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verzichtbarkeit ihrer Grenzen die Rede war. Die „Preßfreiheit“ wurde nun allein durch ihre Grenzen definiert. In der Realität lief dies auf ein Streben nach möglichst umfassender Kontrolle durch Zensur hinaus50. V. Die Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte des Art. XVIII legen ebenso wie die Meinungen aus der Frühzeit des Deutschen Bundes die These nahe, dass die in der Bundesakte niedergelegten „Befugnisse“ und „Rechte“ der „Untertanen“ oder „Bürger“ von den Zeitgenossen als bereits geltende Rechte begriffen worden sind. Dass es sich nicht um unmittelbar wirkende, mit rechtlicher Garantie ausgestatteter Grundrechte im heutigen Sinne handeln konnte, liegt auf der Hand. Gleichwohl ist die Aussage möglich, dass die Bundesakte „Grundrechte“ gewähren wollte; sie bot mehr als bloße „Programmsätze“, mehr als Rechte mit „programmatisch-appellative(r) Funk­tion in den Rechtssetzungsprozessen“ (Wahl). Es handelt sich um Grundrechte, die freilich ihrem Zuschnitt nach zu rudimentär, ihrer Wirkungsmöglichkeit zu schwach ausgebildet waren, da man nur ein Antragsund Reklamationsrecht zulassen wollte. Dass die 1815 formulierten Ansätze in den folgenden Jahren nicht ausgebaut und zu allgemein anerkannten und durchsetzbaren Rechtspositionen weiterentwickelt werden konnten, ist dem grundlegenden Politikwandel zuzuschreiben, der mit den Karlsbader Beschlüssen und der Wiener Schlussakte durchgesetzt worden ist.

50  Näheres, insb. auch zur positiven Wertung der Pressefreiheit, bei: Eisenhardt (Fn.  7), S.  259  ff.; im Übrigen vgl. man die in Fn.  1–3 genannten Überblicke.

Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck I. Am 11.  Februar 1819 legte der oldenburgische Bundestagsgesandte von Berg den „Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ vor1. Mit diesem Dokument erreichten die Verhandlungen über den in der Bundesakte erteilten Auftrag, die Bundesversammlung solle sich „mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die … Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen“ (Art. 18 d), einen ersten Höhepunkt. Der Entwurf war möglich geworden, nachdem man sich zuvor im Bundestag darauf verständigt hatte, die Nachdruckfrage von den Problemen um die gleichfalls anstehenden „Verfügungen über die Preßfreiheit“ zu trennen. Von Bergs „Frankfurter Entwurf“ löste in der Folgezeit die unterschiedlichsten Reaktionen der Bundesstaaten aus2. Die Haltung Österreichs zeichnete sich erst im Folgejahr ab, und zwar während der Ministerialkonferenz, die im Spätjahr 1819 begann und bis in den Mai 1920 fortdauern sollte3. Diese Konferenz faßte bekanntlich eine Reihe grundlegender, durch die Punktation von Teplitz (1819) und die Karlsbader Vorgaben (1819) gepräg1  Dazu eingehend: Ludwig Gieseke, Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (= UFITA) 138 (1999), S.  117–151. Zur Einordnung insgesamt vgl. man dens., Vom Privileg zum Urheberrecht, Göttingen (jetzt Baden-Baden) 1995, S.  202  ff., bes. S.  223  ff. 2  Ausführlicher dazu: Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819. Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, in: UFITA 138 (1999), S.  153–181; auch in: Elmar Wadle, Geistiges Eigentum Bd.  II, München 2003, S.  221–239. 3  Leopold Friedrich Ilse (Hg.), Protokolle der deutschen Ministerial-Conferenzen, gehalten zu Wien in den Jahren 1819 / 20, Frankfurt a. M. 1860; Ludwig Karl Aegidi, Die Schluß-Acte der Wiener Ministerial-Conferenzen zur Ausbildung und Befestigung des Deutschen Bundes, Berlin 1860. Herangezogen wurden auch die Österreichischen Materialien zur Wiener Konferenz, Österreichisches Staatsarchiv Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv (HHStA), Staatskanzlei, Deutsche Akten, Kongreß­ akten 20 u. 21.

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Metternichs Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels

ter Beschlüsse zur Ergänzung und Ausführung der Bundesakte. Sie wurden in der „Wiener Schlußakte“ niedergelegt und schon am 8.  Juni 1820 von der Bundesversammlung zu einem „der Bundesacte an Kraft und Gültigkeit gleichen Grundgesetze des Bundes“ erhoben. Während der Wiener Konferenz wurden freilich noch zahlreiche andere Themen behandelt, die nicht zur Entscheidungsreife gebracht werden konnten4. Die meisten dieser Punkte finden sich in einem Papier wieder, das ein eigenes Komitee der Wiener Konferenz „zur Aufstellung der an die Bundesversammlung durch gleichförmige Instruction der Bundestagsgesandten zu bringenden Gegenstände“ ausgearbeitet hatte; es wurde am 23.  Mai vom Plenum der Konferenz verabschiedet und bald darauf dem Bundestag vorgelegt. Im Protokoll der Bundesversammlung erscheint diese Zusammenstellung als Beilage zur vertraulichen Sitzung vom 27. Juli 18205. Die „loco dictaturae“ erstellte Vorlage nennt die Probleme um den Nachdruck unter den „andere(n)“ Gegenständen, die in Wien „außer den eigentlichen Propositions-Gegenständen der Ministerial-Conferenzen  … bei Gelegenheit derselben und aus einer gewissen Verbindung damit“ zur Sprache gekommen seien: „(2)  Die Ausführung der letzten Bestimmung des 18. Artikels der Bundesacte, wegen möglichst gleichförmiger Verfügung über den Nachdruck. Es sind darüber von dem Fürsten Metternich zwei Actenstücke mit Vorschlägen in der 32. Conferenz mitgetheilt, und darauf beschlossen worden, dieselben einzusenden, damit die Sache, ehe sie förmlich an den Bundestag gebracht wird, durch vertrauliche Eröffnungen gehörig vorbereitet werden könne. So wie deshalb die Instructionen eingehen, würden solche also nach Befinden dem Präsidio oder in vertrauten Sitzungen vorläufig mitzutheilen seyn.“

Was sich unter diesem Hinweis verbirgt, geht aus dem offiziellen, wenn auch vertraulichen Papier nicht hervor; die in Wien dazu vorgelegten Dokumente sollten offensichtlich geheim gehalten werden. II. Genaueres ist den Materialien zur Wiener Konferenz zu entnehmen. Es handelt sich um Vorgänge während der 32. und 33.  Sitzung6. 4  Die

Unterlagen des „Comité“, in: HHStA Kongreßakten 20. der Deutschen Bundesversammlung 1820 nebst den loco dictaturae gedruckten Beilagen, S. 213–216 („Zusammenstellung der besonderen Gegenstände, welche in Folge der letzten Wiener Ministerial-Conferenzen zur weitern Berathung an den Bundestag zu bringen sind, mit näherer Bezeichnung des verschiedenen Standpunctes derselben“). 6  Dem folgenden Text liegt die gedruckte Ausgabe von Ilse, Protokolle (Fn.  3), S.  363  ff., 399  ff. zugrunde. Auf diese Edition beziehen sich auch die in den Text 5  Protokolle



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Zur 32.  Sitzung am 20.  Mai 1822, zu einem Zeitpunkt also, als die Wiener Schlußakte schon verabschiedet und der oldenburgische Gesandte von Berg schon abgereist war, vermerkt das Konferenzprotokoll (S.  363): „V.  Die Ausführung der letzten Bestimmung des 18. Art. der Bundes-Acte wegen möglichst gleichförmiger Verfügungen gegen den Nachdruck. Nach einigen vorläufigen Bemerkungen über die politische und moralische Wichtigkeit einer zweckmäßigen Regulirung des deutschen Buchhandels verlas der Herr Fürst einen kurzen sub. litt. B. dem Protocoll beygefügten Vortrag, der nach dem Wunsche des Herrn Fürsten, nebst einem zu littographirenden Aufsatz sub. litt. C. über diesen Gegenstand den Höfen und Regirungen mitgetheilt werden soll. Sämmtliche Herren Bevollmächtigten übernahmen es, beide Actenstücke einzusenden, damit die Sache, ehe sie förmlich an den Bundestag gebracht wird, durch vertrauliche Eröffnungen gehörig vorbereitet werden könne.“

Im beigelegten Vortrag geht Metternich auf die Nachdrucksfrage ein (S.  365  f.): „Nach dem 18. Artikel der Bundes-Acte soll die Bundes-Versammlung sich mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen zu Sicherstellung der Schriftsteller und Verleger gegen den Bücher-Nachdruck beschäftigen. Es sind über diesen Gegenstand bei der Bundes-Versammlung bereits gründliche Vorarbeiten geliefert worden, die bis jetzt aber noch zu keiner Berathung geführt haben. Unter diesen Umständen ist mir ein Vorschlag zugekommen, den ich dieser geehrten Versammlung mitzutheilen und empfehlen zu müssen glaube. Dieser Vorschlag hat das Eigenthümliche, daß er zweckmäßige Maßregeln gegen den Nachdruck, mit einem sehr durchdachten Plane zur gesetzlichen Organisation des deutschen Buchhandels überhaupt verbindet, und zugleich dem einzigen mit Ruhe und Ordaufgenommenen Seitenangaben. Die von Metternich vorgelegte Fassung der genannten Dokumente in HHStA Staatskanzlei, Deutsche Akten, Kongreßakten 21 fol.  65– 76; fol.  65 mit Bleistiftvermerk „nach Angaben Dr. Glossy von Adam Müller“. Abschriften der von Metternich vorgelegten Papiere auch in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin, I.  Hauptabteilung (= HA) Rep. 75 A Nr.  589; III. HA 2.4.1. Abt.  I Nr.  8945; Vortrag, Denkschrift und Entwurf sind ebenfalls abgedr. bei: L. Fr. Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, insbesondere ihres Verhaltens zu den deutschen Nationalinteressen, 3 Bde., Marburg 1861–1862, hier Bd. 3: S. 568–578; Aegidi, Schlußacte (Fn. 3), S. 382–408; Heinrich Eduard Brockhaus, Metternich’s Plan einer staatlichen Organisation des deutschen Buchhandels, in: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels I (1878), S.  91–119, hier S. 94–112. Zur Sache selbst vgl. man außer Brockhaus (a. a. O.) noch: Joachim Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels vom Beginn der Fremdherrschaft bis zur Reform des Börsenvereins im neuen Deutschen Reiche (1805–1884), Leipzig 1913, S.  127  ff.; Gieseke, Vom Privileg (Fn.  1) S.  223  ff.; Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830 bis 1848 / 49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ Bd.  32) Frankfurt a. M. 2002, S.  229–249, bes. S.  235  f.; auch in: Wadle, Geistiges Eigentum  II (wie Fn.  2) S.  241–256.

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nung in Deutschland vereinbaren System der Aufsicht über die Presse, eine neue, ungezwungene, dem Vortheil der Schriftsteller und Buchhändler durchaus angemessene Garantie darbietet. Es ist die Absicht Sr. Majestät des Kaisers, diesen Gegenstand am Bundestage zur Sprache zu bringen; damit die Sache aber zuvor in ihrem ganzen Umfange erwogen werden könne, hat es mir nützlich geschienen, den gedachten Vorschlag, der aus einer Denkschrift über die in Betreff des Bücher-Nachdrucks, der Sicherstellung des litterarischen Privat-Eigenthums und der Organisation des deutschen Buchhandels, und aus einem Entwurf eines Gesetzes über diese Gegenstände besteht, lithographiren zu lassen, und solchen den hier versammelten Herren Bevollmächtigten mitzutheilen, mit dem Ersuchen, diese in jeder Rücksicht interessante Arbeit baldmöglichst zur Kenntniß ihrer resp. Höfe und Regierungen gelangen zu lassen. Besonders erwünscht würde es sein, wenn dieselben ihre Ansichten über diesen Gegenstand, bevor derselbe am Bundestage zur Verhandlung käme, dem kaiserl. Hofe vertraulich mittheilen wollten.“

„Denkschrift“ und „Entwurf“, die sich Metternich damit zu eigen machte, sollten geheim bleiben und zunächst zur Grundlage direkter Verhandlungen mit den Bundesregierungen werden. Die Wiener Konferenz befaßte sich noch ein zweites Mal mit der Nachdruckfrage, allerdings nur sehr knapp. Das Protokoll der 33.  Sitzung (23. Mai 1820)7 weist aus, daß man auch eine Eingabe von Friedrich Arnold Brockhaus behandelt hat; der Leipziger Buchhändler hatte ein Nachdruckverbot innerhalb der deutschen Bundesstaaten gefordert8. Die Eingabe von Brockhaus begegnet in einer Liste von „Privat-Vorstellungen“ nebst „gutachtlichen Bemerkungen“ Metternichs, welche die bereits erwähnte Kommission vorgelegt hatte; Metternichs Votum zur Eingabe von Brockhaus war knapp (S.  410): „Gleichfalls in der 32.  Sitzung bereits der Erledigung zugeführt“. Liste nebst Bemerkungen wurden im Plenum abgesegnet. Das von Brockhaus ausgearbeitete Memoire wurde gleichsam zur Seite gelegt. Die von Metternich vorgelegten Dokumente sollten fortan allein die Diskussion bestimmen.

7  Ilse,

Protokolle (Fn. 3), S. 385 ff., bes. S. 387 f., 409 ff., bes. S. 410 (Anlage G). handelt sich um eine Eingabe an den König von Sachsen, gedruckt unter dem Titel „Sr. Majestät dem Könige von Sachsen am 20. November 1819 überreichte Vorstellung und Bitte nebst angehängter Denkschrift, den Nachdruck innerhalb der deutschen Bundesstaaten betreffend, von Brockhaus, Buchhändler in Leipzig“, 1819 ND 1879. Diese Schrift nebst Anlage („Denkschrift über die in Deutschland gegen den Nachdruck zu sichernden literarischen Eigenthumsrechte der Schriftsteller und Buchhändler“) wurde in gedruckter Form der Wiener Ministerialkonferenz vorgelegt. 8  Es



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III. Daß Metternich nicht der Verfasser der am 20.  Mai vorgelegten Papiere war, sagt er in seiner Ansprache selbst. Doch von wem waren ihm diese Vorschläge „zugekommen“? Schon 1878 hat Heinrich Eduard Brockhaus, der Enkel des Petenten von 1819 / 20, die These aufgestellt, es sei Adam Müller gewesen, „der bekannte österreichische Diplomat, langjähriger österreichischer Generalconsul in Leipzig, der Günstling von Metternich und Gentz“9. Brockhaus hatte – wie er selbst schreibt – „zwar keine directen Beweise“, berief sich aber auf Friedrich Perthes, seinen Großvater und den Bundestagsgesandten von Berg. Auch Heinrich von Treitschke10 vermutete in Adam Müller den Autor der Dokumente; er konnte dies freilich nur aus Stil und Gedankengang schließen. Erst Jakob Baxa11 hat definitiv nachweisen können, daß Adam Müller, der sich als Berater in wirtschaftspolitischen Fragen während der Konferenz in Wien aufhielt, die Texte geliefert hat. Die Entwürfe zu Denkschrift wie Gesetzentwurf finden sich in der Tat in den Papieren, die Müller hinterlassen hat12. Mehr noch: ein Schreiben, das 9  Brockhaus, Metternich’s Plan (Fn.  6), S.  113  ff. Ebenso allerdings (ohne Nachweise) Goldfriedrich, Geschichte (Fn.  6), S.  129. 10  Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Dritter Teil, Leipzig 1927, S.  23. 11  Jakob Baxa, Adam Müller. Ein Lebensbild aus den Befreiungskriegen und aus der deutschen Restauration, Jena 1930, S.  268  ff., bes. S.  373, 376. 12  HHStA, Generalkonsulat Leipzig Nr.  11. Das Dossier enthält (in ungeordneter Blattfolge) folgende Dokumente: fol.  5–6v, 9–11v: Denkschrift-Entwurf I („Denkschrift über die in betreff des deutschen Buchhandel, des schriftstellerischen Privateigenthums und des Nachdrucks zu ergreifenden Maasregeln“); fol. 2–4v, 23–26v u. 33–35 v: Denkschrift-Entwurf II („Denkschrift über die in betreff des Büchernachdrucks, der Sicherstellung des literarischen Privat-Eigenthums und der Organisation des deutschen Buchhandels zu ergreifenden Maasregeln“); fol.  7–8v: Gesetzentwurf I (ohne Titel, zu Nachdruck und Buchhandel); fol.  7: Aktenvermerk (Marginalie) über Methusalem Müller und dessen Geeignetheit als Direktor der geplanten Buchhandelsorganisation; fol. 12–14v: Punktation zu allgemeinen Fragen von Handel und Zoll (ohne Titel, mit folgender Einleitung: „Aus den vorstehenden Erörterungen ergeben sich demnach mit genügender Evidenz die folgenden allgemeinen Resultate:  …“); fol.  15–16: Gesetzentwurf II (ohne Titel, zu Nachdruck und Matrikel der deutschen Buchhandlungen); fol.  17: Schreiben an F. Perthes (Konzept, undatiert); fol.  17–20v: Antwort F. Perthes (Kopie ?; ohne Datum, wohl nach 20. Mai 1820); fol.  21–22v: Schreiben an den Grafen von Einsiedel (Kopie ?; Juni 1820) Bewerbung um das geplante Amt des Generaldirektors, vermutlich des Methusalem Müller; fol. 28–32v, 27: Gesetzentwurf III („Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung der literarischen Eigenthumsrechte in Deutschland und die hierzu erforderliche Organisation des deutschen Buchhandels betreffend“).

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Müller aus Leipzig an Metternich gerichtet hat, macht deutlich, daß auch die Initiative zu einem solchen Vorschlag von ihm ausgegangen ist. Müller handelte damit ganz im Sinne der geheimen Instruktion, die er zu seinem Dienstantritt in Leipzig (26. September 1815) mitgebracht hatte13; sie hatte ihm „besonders zur Pflicht gemacht: 1. die größte Aufmerksamkeit auf den Buch­ handel in dessen Mittelpunkt sie sich befinden.“

In seinem an Metternich gerichteten Brief vom 25.  Juni 181814 fordert Müller im Kontext der Debatte um den Nachdruck eine Neuorganisation des deutschen Buchhandels. Er verweist auf „die in der Ostermesse 1817 bewirkte Vereinigung sämmtlicher meßfähigen deutschen Buchhandlungen“ und ihre Bedeutung, auf die Rolle von Friedrich Perthes, den er „die Seele dieser Vereinigung“ nennt und dessen Lob für die jüngsten „Bayrischen Verfügungen in Betreff des Nachdrucks“ sowie auf die möglichen Nach­ teile, die Österreich erwachsen könnten, und wie man ihnen abhelfen könne. Die Gedanken münden ein in konkrete Vorstellungen zur Organisation der Buchhändler: „Es müßte also durch eine Controlle aller Beschlüsse der Buchhändlerzunft dafür gesorgt werden, daß kein deutscher Buchändler wegen früheren Nachdrucks und dessen fortgesetzten Vertrieb, von dem Hauptmarkte ausgeschlossen werden könnte. Die Matrikel der gesammten deutschen, von nun an ehrlichen Buchhandlungen müßte unter Aufsicht und Schutz des deutschen Bundes stehen; ebenso die Spezialverfassung der Buchhändlerinnung selbst, wobei Österreich wesentlich interessirt ist. 4.  Wie auch die Beschlüsse über die künftige allgemeine deutsche Preßgesetzgebung ausfallen möge, so ist ein wesentlicher Punkt, daß die Existenz jedes in Deutschland gedruckten Werkes unmittelbar bey seiner Erscheinung im Mittelpunkte des Buchhandels gesetzlich constatirt werde. Die böseste Wirkung gefährlicher und censurlos gedrukter Schriften bestehet nach den Lokalitäten in Deutschland darin, daß sie geraume Zeit in einem Theile des Landes cirkuliren und böses Blut machen können, ohne daß der angegriffene Theil auch nur von ihrem Daseyn Notiz erhält. Es wäre also die gesetzliche Verfügung erforderlich, daß kein Artikel eines deutschen Buchhändlers für ehrlich erschienen zu achten sey, als inwiefern er unmittelbar bey seiner Erscheinung, unter Einsendung zweier Exemplare an die Central-Behörde, von derselben gesetzlich einregistrirt oder protokollirt wäre, und dieses Protokoll wäre fortlaufend und unmittelbar durch den Druck bekannt zu machen, etwa unter Beifügung eines kurzen Inhaltsverzeichnisses. – Ohne eine solche Veranstaltung, wird, bei einer etwa beliebten größeren Freiheit der Presse, das Übel seine ganze schädliche Wirkung angerichtet haben, bevor es zu den 13  Baxa,

Adam Müller (Fn.  11), S.  323  f. Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie Nr.  219.

14  HHStA,



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Gegenmitteln, zur Constatirung des Preßvergehens, und der ersten Instruirung des richterlichen Verfahrens, bei der großen Zerstückelung der deutschen Territorien gelangen kann.“

Adam Müller hält es bereits 1818 für unerläßlich, den Nachdruckschutz mit dem Kampf gegen mißliebige Schriften zu verbinden. Damit ist von vornherein die Verknüpfung von Zensur und Nachdruckschutz hergestellt, die für die später vorgelegten Dokumente so charakteristisch ist. In den Entwürfen Müllers15 ist die zuvor nur skizzierte Richtung noch deutlicher ausgezogen. Ein erster Entwurf der Denkschrift beschreibt klarer noch als die Zweitfassung das eigentliche Ziel in den Eingangssätzen: „Unter denen, durch die Bundesakte einer weiteren Erörterung vorbehaltenen Gegenständen, verdient die Angelegenheit des Nachdrucks und der Sicherung der schriftstellerischen Rechte, eine baldige Erledigung, nicht wegen unmittelbarer Dringlichkeit der Sache, sondern weil sich an denen der schriftstellerischen Welt zum machenden Concessionen, diejenigen Gegenbedingungen, welche zur Ergänzung der Bundesbeschlüsse über die Preßbeschränkung dringend erforderlich sind, mit Leichtigkeit und Unaufsichtigkeit werden knüpfen laßen. Es wird nemlich die oberaufsehende Gewalt des deutschen Bundes über die Preße in Deutschland solange eine leere Stimme bleiben, als nicht jede neue in Deutschland erscheinende Druckschrift ohnmittelbar zur Kenntnis des Bundes gelangt, als nicht die von den einzelnen deutschen Regierungen verfügten Bücherverbote bey Zeiten algemein kundbar werden, und inzwischen nicht den deutschen Buchhändlern, welche die Vortheile des allgemeinen deutschen Büchermarktes genießen, die Fähigkeit genommen wird, Druckschriften, welche keine deutsche Censur paßirt, unter Waren oder fiktiven Firmen des Auslandes, in allgemeinen Umlauf zu setzen. Eine Anordnung des Buchdruckes und des Buchhandels, wie sie unter der kaiserlichen Regierungen in Frankreich verfügt worden, leidet in Deutschland keine Anwendung. Die Angelegenheit der Preße insbesondere, sowohl in Beziehung auf die Censur als auf die Buchdruckerpolicey gehört in Deutschland in allen den Rücksichten, welche durch die letzten Bundestagsbeschlüsse unberührt geblieben, vor das Forum der Particular-Regierungen. Auch der Buchhandel wird in Bezug auf den inneren literarischen Verkehr in den einzelnen deutschen Staaten der besonderen Verfügungen der resp. Regierungen überlaßen bleiben müssen, obschon zu wünschen wäre, daß sich die sämmtlichen Regierungen über correspondirende Bildung dieser Gewerbszweige, über wohlthätige Beschrän­ kungen der Handels- und Druckerey-Befugnisse, über das Erfordernis gehöriger  Lehrzeit und Vorbereitung zum Buchhandel, über Maasregeln gegen Win­kel-Druckereyen, und gegen das Hausiren mit Druckschriften u.s.f. vereinigen möchten.“ 15  Zu

Näherem vgl. Fn.  12.

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Im Anschluß daran schildert die Denkschrift die Besonderheiten des Leipziger „Centralmarkts“ und der dort „unter dem Schutze der Meßfreiheit“ bestehenden „Corporation“ der Buchhändler; diese bedürfe jedoch einer festeren „Consolidation“ und diese könne nur der Bund garantieren: „Nicht nur aber weil diese Corporation die Dazwischenkunft des Bundes zur Feststellung der literarischen Eigenthumsrechte verlangt, sondern weil ihre Einrichtung und Handlungsweise den Zwecken des Bundes nicht widersprechen darf, und weil sie überhaupt, der Natur der Sache nach keine andern Autorität als der des Bundes unterworfen und verantwortlich seyn kann, ist eine nähere Regulirung ihrer dermalen ganz unbestimmten Befugniße dringend erforderlich.“

Die gewachsene Autonomie müsse man berücksichtigen; sie sei aber zugleich „… in Aufsicht zu nehmen, und die Verfassung der Corporation einer Revision zu unterwerfen, welche überdies die Dauer der Anstalt selbst am zweckmäßigsten verbürgen wird.“ Dazu unterbreitet der erste Entwurf in insgesamt neun Punkten seine „Propositionen“, deren wichtigste kurz geschildert seien. (1) Als Teilnehmer der neuen „Leipziger Korporation können nur die in den deutschen Bundesstaaten wirklich befugten Buchhändler, und von anderweiten, nicht im Bunde begriffenen Ländern deutscher Landesfürsten nur diejenigen befugten Buchhändler zugelassen werden, die Gesetzen gehorchen, welche denen im Deutschen Bunde angenommenen, allgemeinen Verfügungen über die Presse nicht widersprechen“. Deshalb müßte als allgemeine Regel gelten, „daß das Princip der unbeschränkten Preßfreiheit mit der des schriftstellerischen Privateigenthums unverträglich  … sey“; damit wird die Teilnehmerschaft vom Geltungsbereich der Verfügung des Bundes über die Presse abhängig gemacht. (2) Überdies sollte die Mitgliedschaft in einem laufend zu ergänzenden Matrikel registriert und bekannt gemacht werden. (3) Die Verbote von Schriften durch die Zensur sollten von der zentralen Organisation registriert und bekannt gemacht werden. (4) Für einzelne Titel sollte Schutz nur dann gewährt sein, wenn ihnen durch den Eintrag in einem Protokoll zu „rechtlicher Existenz“ verholfen worden war. Am Ende hält Punkt 9 fest, welcher Nutzen von der neuen Ordnung zu erwarten sei: „Sämmtliche in Vorschlag gebrachte Veranstaltungen im ganzen genommen dürften nebenher die große Wirkung nicht verfehlen, daß der Neuigkeitskrämerey und dem Broschürenwesen in der Literatur wohlthätig verzögernde Hemmung aufgelegt, und deswegen dem wahren Buchhandel und der gründlichen Wissenschaft Sicherheit und Schutz gewährt würde.“

Schon diesem ersten Entwurf der Denkschrift ist ein mehrere Ziffern umfassender, aber nicht weiter unterteilter Vorschlag eines Gesetzes beigefügt. Eine zweite Fassung der Denkschrift ist ebenfalls in den Akten über-



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liefert; sie entspricht ebenso wie der angefügte Gesetzentwurf im wesent­ lichen den auf der Konferenz vorgelegten Texten. Die Endfassung unterscheidet sich schon durch ihren Umfang stark vom ersten Entwurf. Nach Inhalt und Aufbau gibt es erhebliche Unterschiede. Müller entwickelt ausführlich seine Ansicht über die Rechtsnatur des Druckverbots und die daraus folgenden Regelungskompetenzen des Deutschen Bundes. Zur Rechtsnatur des Nachdruckverbots heißt es – ähnliche Ansätze begegnen im Vorentwurf eher beiläufig – einleitend: „Es bedarf keines Beweises, daß die von allen Seiten verlangte Sicherstellung des literarischen Privat-Eigenthums gegen den Nachdruck niemals aus dem allgemeinen natürlichen Rechte hergeleitet werden kann. Vielmehr haben die Werke des Geistes überall die Präsumtion für sich, daß sie nicht Privat-, sondern GemeinEigenthum sind, also nach Belieben von jedermann verbreitet und vervielfältigt werden können, in wiefern nämlich die positiven Gesetze darüber nicht anderweitig verfügen.“

Daraus folgert Müller, daß grundsätzlich nicht der Bund, sondern nur die souveränen Bundesstaaten zu einer allgemeinen gesetzlichen Regelung des Nachdruckproblems befugt seien: „Hieraus folgt nun, daß das schriftstellerische Privat-Eigenthum nur kraft positiver Privilegien der einzelnen Regierungen bestehe. Diese Privilegien sind entweder allgemeine, wenn eine Regierung durch eine allgemeine Vorschrift ihrer Unterthanen den Büchernachdruck gegen ihre Mitunterthanen auszuüben untersagt, – oder specielle wenn sie ein einzelnes literarisches Eigenthum ihres Unterthanen, oder eines Unterthanen eines fremden Staates gegen den Nachdruck in Schutz nimmt. Um ein allgemeines Privilegium gegen den Nachdruck zu ertheilen, ist eine gesetzgebende Macht, im engern Sinne des Worts, Geschlossenheit des Staats und Einheit der Rechts-Verfassung erforderlich, wie sie in der Gesammtheit der Staaten des Deutschen Bundes nicht vorhanden ist.“

Zur Erteilung solcher „Special-Privilegien“ ist nach Müller der Bund befugt und sogar verpflichtet: „Hätte der Bund die Machtvollkommenheit, ein allgemeines Verbot des Nachdrucks zu proclamiren, und alles schriftstellerische Privat-Eigenthum innerhalb der deutschen Staaten unter seinen allgemeinen Schutz zu nehmen, so würde ein solches Verbot in vielen Fällen die schädlichsten Collisionen mit den Gesetzgebungen der einzelnen Staaten, ja selbst mancherlei Beeinträchtigungen früher bestandener Eigenthums-Rechte veranlassen. Der Bund wird also nur zu Special-Verfügungen gegen den Büchernachdruck befugt seyn, wenn ein allgemeines Privilegium in rechtlicher Hinsicht verworfen werden muß.“

Die Verpflichtung wird folgendermaßen begründet: „Mit der Entstehung des Bundes ist die Möglichkeit der durch ganz Deutschland gültigen Bücher-Privilegien hergestellt, auch eine desfallsige Andeutung in die Bundes-Acte aufgenommen.

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Die eigentliche Verpflichtung aber zum Schutze des neu entstehenden literarischen Privat-Eigenthums durch ganz Deutschland ergibt sich aus den ab Seiten des Bundes über ganz Deutschland verfügenden Paßbeschränkungen. Die Berechtigung des Bundes zu Präventiv-Maasregeln gegen die Mißbräuche der Presse oder zu einer gewissen Special-Revision und Berichtigung des Rechtstitels der neuerscheinenden Schriften, fließt, so unbestreitbar wie sie ist, dennoch mit der Verpflichtung des Bundes zum Schutze der Druckschriften gegen die Benach­ theiligung durch den Nachdruck, aus einer und derselben Quelle. Allerdings ist es wahr, daß es eine absolut freie Presse nicht geben kann, weil es ein literarisches Privat-Eigenthum gibt, welches, wie jedes andere Privat-Eigen­ thum ohne den Schutz des bürgerlichen Rechtes nicht bestehen kann. Weil aber Präventiv-Beschränkungen der Presse nothwendig sind, so ist auch andrerseits die beschränkende Behörde zum Schutze des unter ihrer Recognition entstehenden literarischen Privat-Eigenthums gegen den Nachdruck verpflichtet. Wie also die in den einzelnen Staaten bestandenen Preß-Gesetze, um des allgemeinen Vortheils Willen, eine Ergänzung durch den Bund bedurften (wofür durch die Bundesbeschlüsse vom 20. September 1819 gesorgt worden), so ist der Bund nunmehr auch verpflichtet, die in den einzelnen Staaten zum Schutze des schriftstellerischen Privat-Eigenthums bestehenden Einrichtungen zu ergänzen.“

Um einerseits eine bundesweite Privilegierung gegen den Nachdruck zu ermöglichen und andererseits die zensurrechtlichen Vorgaben der Karlsbader Beschlüsse sicherzustellen, greift Müller auf das in Leipzig etablierte Organisationsmodell16 zurück. Dort genügte seit 1773 die Einzeichnung eines in Chursachsen gedruckten Buches in das bei der Bücherkommission geführte Protokoll, da die Einzeichnung dieselbe Rechtsstellung verlieh, wie sie durch ein Privileg erlangt werden konnte. Daß diese Einzeichnung ebenso wie die Privilegierung, die daneben weiterhin möglich war, nur erfolgte, wenn den geltenden Zensurvorschriften genüge getan war, verstand sich von selbst. Adam Müller modifizierte letztlich das Leipziger Vorbild, indem er es den Bedürfnissen des Deutschen Bundes, wie er sie verstand, anpaßte. IV. Diese Verknüpfung von Zensur und Nachdruckverbot entspricht einer in Deutschland überlieferten Tradition. Im Alten Reich gab es bekanntlich kein allgemeines, d. h. generell und überall geltendes Verbot des Nachdrucks. Wohl aber gab es zwei verschiedene Formen eingeschränkter Verbote. Auf der einen Seite boten kaiserliche oder landesherrliche Privilegien Schutz für 16  Dazu

mit weiteren Hinweisen: Gieseke, Vom Privileg (Fn.  1), S.  150  ff.



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einzelne Bücher oder auch ganze Serien von Druckwerken. Auf der anderen Seite standen generalisierende Nachdruckverbote; sie hatten allerdings nur regionale Geltung, so etwa in einigen städtischen oder landesherrlichen Gebieten. Diese generellen, also den Einzelfall überschreitenden, aber gleichwohl regional begrenzten Nachdruckverbote sind durchweg mit Organisationen verknüpft, die sich so auf unterschiedliche Autoritäten wie Genossenschaft, Stadt oder Landesherr stützen, aber dennoch etwas gemeinsam haben. Es handelt sich allemal um zunftähnlich strukturierte Verbände oder Korporationen. Als Beispiele seien die Reichsstädte Frankfurt und Nürnberg genannt, deren Buchdruckerordnungen Nachdruckverbote enthielten17. Auch Leipzig gehört in diese Reihe, wenngleich dort nicht die Stadt oder gar das Gewerbe selbst den Nachdruck untersagte, sondern der Landesherr, der dieses Verbot durch eine eigene Bücherkommission verwalten ließ. Für alle diese Regelungen galt ebenso wie für das Privilegiensystem selbst der Grundsatz, daß gegen die Zensurvorschriften verstoßende Schriften keinen Schutz genießen konnten. Insoweit trifft zu, was Brockhaus18 bereits 1878 geschrieben hat: „Die Idee einer Organisation des deutschen Buchhandels und einer Centralbe­hörde für denselben war dagegen in der That nicht Adam Müller’s Erfindung; nur ihre Benutzung und weitere Ausbildung im Metternich’schen Geiste war sein Werk.“

V. Festzuhalten ist freilich, daß Adam Müller und der ihm folgende Metternich nicht die Einzigen waren, die in den Jahren vor 1820 die Idee einer zentralen Organisation befürworteten. In diesem Zusammenhang ist noch einmal auf die Eingabe des Friedrich A. Brockhaus – es handelt sich ja um dasselbe Papier, das der Wiener Konferenz vorgelegt wurde – zurückzukommen. Brockhaus behandelt ausführlich den Entwurf von Bergs und vergleicht ihn mit der Gesetzgebung Frankreichs, der Niederlande und Englands; er verweist überdies auf die Stellungnahme der zur Leipziger Ostermesse versammelten deutschen Buchhändler zu Bergs Entwurf und seine eigene Kritik an den Vorstellungen des Oldenburgischen Gesandten. Diese Kritik bezieht sich allerdings nur auf die vorgesehene Klausel zu den Bücherpreisen, nicht aber auf die übrigen Regeln (S.  23): 17  Ebenda

S.  72  ff. Metternich’s Plan (Fn.  3), S.  115  f.

18  Brockhaus,

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„Die sämmtlichen übrigen Bestimmungen in dem Entwurf des Herrn von Berg scheinen mir durchaus so zweckmässig, dass sie unbedenklich als Basis der neuen Gesetzgebung über diesen Gegenstand können angenommen werden.“

Nach zahlreichen weiteren Einzelheiten zum Entwurf entfaltet Brockhaus dann zwei neue Gedanken (S.  30): „Nur zwei Gegenstände vermisse ich gänzlich in dem von Berg’schen Entwurf, die mir von der höchsten Wichtigkeit, zugleich aber der schärfsten Bestimmung bedürftig erscheinen, wenn nicht die ganze neue Organiation des deutschen Buchhandels höchst unvollkommen bleiben soll. Der erste betrifft die Bestimmungen über die Werke der vor der Publication des neuen Gesetzes verstorbenen Schriftsteller. Die zweite, die Bildung einer Central-Behörde zur Direction des deutschen Buchhandels.“

Hier interessiert naturgemäß der zweite Punkt. Brockhaus knüpft an das napoleonische Modell von 1810 an (S.  33): „War die Errichtung einer Centralbehörde für die Direction des französischen Buchhandels bei einem Staate von politischer und administrativer Einheit, wie Frankreich, schon nothwendig, um wie nothwendiger muss sie bey den 39 deutschen Bundes-Staaten seyn!“

Hinsichtlich der einzelnen „Attribute“ lehnt sich Brockhaus an die Tradition der Leipziger Bücherkommission an. So findet sich im Vorschlag mancher Gedanke, den kurz darauf auch Adam Müller vertreten hat. Bei der „Central-Behörde“ sollten alle Bücher angezeigt und in einem Journal protokolliert werden; dadurch sollten sie Schutz gegen Nachdruck erwerben. Überdies sollte die in Leipzig residierende „Central-Behörde“ den gesamten Buchhandel beaufsichtigen (S.  33): „Sie hätte ein wachsames Auge auf Alles, was die gesetzlichen Bestimmungen der literarischen Verhältnisse innerhalb der deutschen Bundesstaaten beträfe, und setzte sich darüber mit den betreffenden Personen und Behörden in Beziehung. Es könnte ihr auch eine Aufsicht über die Beobachtung billiger Preise zugestanden werden.“

Ob Brockhaus mit den „gesetzlichen Bestimmungen“ auch die durch die Karlsbader Beschlüsse verschärften Gesetze über Aufsicht und Zensur gemeint hat, bleibt unklar. Bedenkt man, daß Brockhaus mit der Leipziger Buchhändlerschaft den Frankfurter Entwurf begrüßt hat, so erscheint es eher unwahrscheinlich, daß er im Jahre 1819 die Zensurbestimmungen mitgemeint haben könnte. Insoweit könnte sich sein Enkel zu Recht zugunsten des Großvaters Ehre verwahrt haben19. 19  Ebenda.



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Etwas anderes dürfte für Friedrich Perthes gelten, der schon im Juli 1816 gegen den Nachdruck angeschrieben hat20. Seine zunächst in der von Adam Müller herausgegebenen Zeitschrift „Deutsche Staats-Anzeigen“, dann auch als selbständige Broschüre publizierte Schrift „Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur“ handelt ausführlich von den Nachteilen des Nachdrucks und fordert Abhilfe. Auch Perthes denkt an eine gesetzliche Regelung, formuliert dies aber nicht aus, sondern begnügt sich mit vielfachen Andeutungen. In einem ersten Abschnitt seiner Schrift werden seine Forderungen näher begründet und folgende Schlüsse gezogen (S. 11): „§  10. Der Buchhandel an sich bedarf, so wie jeder Handel, keiner weiteren Begünstigung, als Freyheit, wohl aber zur Aufrechterhaltung derselben und Auseinandersetzung der dabey in Berührung kommenden Interessen: eines positiven Gesetzes über das Eigenthumsrecht der Autoren und Verleger, mit fester Bestimmung des Umfangs und der Dauer dieser Rechte an den Schriften, sowie: einer Behörde, durch welche diese Rechte geltend zu machen und aufrecht zu erhalten sind.“

Dem ersten Abschnitt, dem diese Sätze entnommen sind, folgen dann die Überschriften weiterer Kapitel, die nicht ausgearbeitet sind; es scheint, so schreibt Perthes (S.  34), „…  räthlicher dieß solange zu verschieben, bis auf dem Bundestag die Verhandlungen über diesen Gegenstand begonnen haben und darüber Gutachten und Berichte gefordert werden. Vorderhand mag es hinreichend seyn, kurz anzugeben, was den Inhalt der letzten drey bilden sollte.“

Die Überschriften zu den noch auszuarbeitenden Kapiteln. betreffen die Übertragbarkeit des Eigentumsrechts der Autoren und einen „Gesetzes-Vorschlag über das Eigenthums-Recht der Autoren in der deutschen Literatur“. Ein letzter Abschnitt verheißt die „Ausbildung der Organisation des deutschen Buchhandels, wodurch ohne Freyheit des Handels zu beschränken, die Garantie gewährleistet wird, zur Beeinträchtigung des Publikums und der Literatur durch eigennütige Autoren und betrügerische Buchhändler“. Ob Perthes später die geplanten Kapitel mit dem Gesetzentwurf und der Organisation des Buchhandels ausgearbeitet hat, bleibt ungewiß. 20  Friedrich Perthes, Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur, in: Adam Müller (Hg.), Deutsche Staats-Anzeigen, 3 Bde., Leipzig 1816–1818, hier Bd.  1; auch als Separatdruck Juli 1816; ND in: Helmut Hiller / Wolfgang Strauß (Hg.), Der deutsche Buchhandel. Wesen, Gestalt, Aufgabe, Hamburg 1975 (Anhang). Zitiert wird im Folgenden nach dem ND.

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Heinrich Eduard Brockhaus vertrat 1878 die Ansicht, Perthes habe unter der „Organisation“ keine Behörde im Sinne Adam Müllers gemeint21. Dies trifft für die Schrift des Jahres 1816 gewiß zu, denn der Beifall, den Perthes für den Zusammenschluß der Leipziger Buchhändler spendet, legt nahe, daß er diese „Organisation“ gemeint hat. Später jedoch, als ihm die MetternichMüllersche Denkschrift und der Gesetzentwurf zur Stellungnahme vorgelegt wurden, dürfte er seine Position geändert haben. Er bedenkt nämlich in einem Schreiben22 an einen unbekannten Adressaten beide Papiere mit Lob und Anerkennung: „Jeder wohlgesinnte, verständige und erfahrene Buchhändler, der das ihm, als ein heiliges Erbe vertraute Institut des Deutschen Buchhandels, worauf das Daseyn unserer Literatur beruht, zu schätzen weiß, wird die denselben betreffende Denkschrift, welche dem Wiener Minister-Congress von Sr.  D. dem Herrn Fürsten Metternich vorgelegt wurde, mit Rührung in sich aufnehmen. Wie kann man ohne innere Erhebung beachten, daß unser Geschäft und dessen Organisation auf dem Centralmarkt zu Leipzig hier ausgesprochen wird: ‚Als das seit Jahrhunderten bestandene Nationalband Deutschen Geistes und Deutscher Literatur!‘ – daß von dieser National-Veranstaltung gesagt wird: ‚Sie habe auf Erziehung, Geistesbildung und Volksstimmung einen fast größeren Einfluß als der deutsche Lehrstand selbst‘ und ‚daß unsere seit undenklichen Zeiten factisch bestehende Corporation‘ nun vom hohen deutschen Bundestag anerkannt werden sollte und so als (leider) einzig übrig gebliebene Deutsche Einheit dastehen wird. Äußerst wohlthuend und aufrichtend ist’s dabey, daß gerade aus unserm alten Keyserstaat diese Anerkennung ausgeht, welche bisher mit seinem literarischen Verkehr außerhalb unserer Corporation stand und dessen Ansicht deshalb umso reiner und sicherer anzusehen ist. Mit Freudigkeit darf ich aber auch nach mehr als 30jähriger Laufbahn sagen, daß unser Stand solcher Anerkennung nicht ganz unwürdig ist, indem er sich in letzten Zeiträumen immer reiner und geschlossener gehalten hat. Nicht im Allgemeinen allein sind aber die Ansichten der Denkschrift mit tiefer Achtung und höchstem Dank zu ergreifen, sondern es ist auch, wie der Herr Fürst Metternich sagt: ‚an den sehr durchdachten Plan‘ eine alles umfassende, umsichtige Sach- und Geschäftskenntnis zu bewundern. Nach meiner innigsten Ueberzeugung ist mit wenig Ausdehnungen und Beschränkungen der ganze Gesetzes-Entwurf nicht allein an sich den Wissenschaften förderlich, sondern auch durchgängig Geschäfts ausführbar! – und – Gott gebe es – Vaterländisch heilsam, wenn nicht der sofortigen Aufstellung Hindernisse aller Art im Wege stehen werden. 21  Brockhaus,

Metternich’s Plan (Fn.  6), S.  118  f. Fn.  12; das Original des Votums (August 1820) von Perthes mit einem Vorlageschreiben Adam Müllers an Metternich von 21.  August 1820, in: HHStA, Staatskanzlei, Deutsche Akten, alte Serie 219. 22  Vgl.



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Nach diesem Bekenntnis erlaube ich mir zu dem Gesetzes-Entwurf Bemerkungen zu machen und diesen später einige Bedenken über die Denkschrift selbst beyzufügen.“

Im einzelnen hat Perthes manche Verbesserung vorgeschlagen, so etwa bezüglich der Schutzgegenstände (Ausgabe klassischer Schriften / Neuauflagen), zur Strafe (Orientierung am Ladenpreis) bezüglich der Erlaubnis zum Nachdruck älterer Werke (Beschränkung auf einige Staaten), den Stichtag 11. Oktober 1820 (danach nur mehr drei Jahre Schutz), die Dauer des Nachdruckschutzes insgesamt (15 statt 30 Jahre). Wichtiger erscheinen die Vorschläge zur Buchhandelsorganisation. Hier legt Perthes vor allem Wert auf die strikte Zurückhaltung des künftigen „Generaldirektors“ in Zensurfragen; er wendet sich gegen die Einbeziehung dänischer Verleger, da dort die Preßfreiheit gelte; er fordert eine Revision der bürokratischen Vorgaben bei der „Legalisation“ einer Schrift bei der Kontrollbehörde und regt eine Revision dieser Bestimmung nach Ablauf der Preßverordnung vom 20. September 1819 an. Deutet sich bei diesen Vorschlägen bereits Perthes’ Bereitschaft an, das Junktim von Nachdruck und Zensur zu akzeptieren, so weisen seine Thesen zur Denkschrift noch deutlicher in diese Richtung. Er kritisiert einerseits die Ablehnung naturrechtlicher Begründungen des Nachdruckschutzes, andererseits jedoch äußert er sich zur Zensur als „Gegenbedingung“ der Obrigkeit: „Nicht so glücklich, wie wohl äußerst scharfsinnig, scheint die Wendung: daß Anforderung um ein positives Gesetz zum Schutze des geistigen Eigenthums zugleich die Obrigkeit befuge, Gegenbedingungen zu machen. Ich habe zu hohen Begriff vom Monarchischen als solchen contract social annehmen zu können und glaube, daß die Regierungen eben weil sie monarchisch sind, das Rechte thun müssen, um Gottes Willen – und thun sie das Rechte und beschränken, so hat der Beschränkte noch keine Befugnis deshalb von der Regierung ein Equivalent zu fordern. Hat die Denkschrift mit genannter Wendung den Regierungen den Plan annehmlich machen wollen, so hätte dies wohl besser in vertraulichen Besprechungen geschehen können! Eine solche Denkschrift bleibt nie geheim und dies Aufstellen und Durchblicken der Tendenz die Presse durch die Buchhändler Orden in Händen bekommen zu wollen, wird das Geschrey und Anschwärzen aller Zeitungs- und Hefteschreiber erregen.“

Solche Sätze zeigen, daß sich auch Perthes mit der Verquickung des Nachdruckschutzes mit der Presseaufsicht im Sinne Metternichs abgefunden hätte. Die amtliche Anerkennung der Leipziger Ansätze zur Organisation des deutschen Buchhandels waren ihm offenbar wichtiger als ein Kampf gegen die Zensur.

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Angesichts solcher Äußerungen wird man Goldfriedrich23 im wesentlichen zustimmen können, wenn er den Metternich-Müllerschen Plan folgendermaßen charakterisiert: „Der Zunftgeist buchhändlerischer Reform, Napoleonischer, Brockhaus-Perthesscher und Metternichscher Geist gingen hier eine Verbindung ein.“ Gewisse Vorbehalte zugunsten von Friedrich Arnold Brockhaus sind freilich angebracht. VI. Die Frage, was die Pläne von 1820 bewirkt haben, kann hier nur kurz angesprochen werden. Auf die Wiener Schlußakte selbst konnten sie keinen Einfluß mehr haben, da diese schon am 15.  Mai verabschiedet worden war. Der einzige Erfolg bestand zunächst darin, daß die Bundesversammlung am 27.  Juli 1820 in einer vertraulichen Sitzung einen Beschluß im Sinne der Wiener Vorgaben faßte24. Der Vorschlag sollte bei den weiteren Beratungen im Sinne des vorhin zitierten Artikel 65 der Wiener Schlußakte Verwendung finden. Im Februar 1823 kam Metternich noch einmal auf seine Anregungen von 1820 zurück; er verknüpfte sie abermals mit den Fragen um Presse und Zensur, die neu geregelt werden müßten25: „Mit den Verhandlungen über die beiden letzten Punkte könnten sehr zweckmäßig die, welche den Nachdruck betreffen, verbunden werden. Das am Schlusse der Wiener Conferenzen im Jahre 1820 mitgetheilte Memoire enthält über diesen Gegenstand, und zwar mit beständiger Rücksicht für Ordnung im Bücherwesen überhaupt, viele nützliche und sinnreiche Bemerkungen, die weit mehr Aufmerksamkeit verdienen, als ihnen bisher zu Theil geworden ist.“

Die von Metternich gewünschte Resonanz blieb aus. Die Gründe für diesen Fehlschlag sind leicht zu finden: die anderen Staaten lehnten die Konstruktion einer „General-Direktion des Buchhandels in Oberaufsicht des Bundestages“ rundweg ab. Dies gilt insbesondere für Preußen26. Bereits am 15. August 1820 teilte das Berliner Außenministerium dem Bundestagsgesandten mit, man habe Einwendungen gegen Metternichs Plan und „behalte  … sich, da die Sache an den Bundestag gebracht wurde, die nähere Vorbereitung durch vertrauliche Eröffnungen vor“. 23  Kapp / Goldfriedrich,

Geschichte (Fn.  6), S.  130. Fn.  4. 25  Ilse, Geschichte (Fn.  6), III, S.  597. 26  Dazu Näheres mit Belegen bei Wadle, Scheitern (Fn.  1) S.  162  ff. 24  Wie



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Obgleich Metternich – wie erwähnt – 1823 die Pläne wieder aufgegriffen hatte, brachte sie der Präsidialgesandte in den nachfolgenden Verhandlungen der Bundesversammlungen nicht mehr zur Sprache. Der preußische Gesandte vermerkt in seinem Bericht vom 19.  Juli 1823, auf den Vorschlag Metternichs scheine „kein besonderes Gewicht mehr gelegt zu werden“. Berlin folgerte aus diesem Verhalten, daß Österreich daran kein Interesse mehr hätte. In einer Weisung des Außenministeriums an den Berliner Gesandten heißt es: „Es scheint, daß Oesterreich selbst die ganze Sache für unausführbar halte und deshalb fallen lassen wolle. Daher können auch Ew. Excellenz ganz darüber schweigen. Sollte der Herr Baron von Münch die Sache gleichwohl entweder in einer vertraulichen Sitzung der Bundesversammlung oder auch gegen sie allein noch zur Sprache bringen, so können sie nur erwidern, es fehle ihnen darüber an Instructionen, die ihnen wohl deshalb bis jetzt noch nicht zugekommen seye, weil die diesseitigen Behörden die Bedenken gegen die Ausführbarkeit theilen möchten, worauf schon bei dem ersten Vortrage der Sache in den Wiener MinisterialConferenzen mehrere Gesandte aufmerksam gemacht hätten.“

Weiter wird erwähnt, daß bis jetzt keines der eigenen Ministerien eine Stellungnahme abgegeben hätte. Außerdem müsse man befürchten, daß die Beratung über die Nachdruckfrage verzögern werden könnte, wodurch der Eindruck entstehen würde, „als seyen die Verfügungen wider den Nachdruck mit einem von mehreren Gesandten gleich von Anfang an für unausführbar gehaltenen Plane in Verbindung gebracht worden, um die Verheißung der Bundesacte ganz zu vereiteln. Eine solche Absicht liegt aber dem Oesterreichischen Hofe ebensofern als dem unsrigen.“

Trotz dieser Vorsicht blieb Metternichs Plan nicht ohne Folgen27. So nahm etwa Bayern auf ihn Bezug, als es vorschlug, den Entwurf von 1819 durch eine Neuorganisation des Privilegiensystems zu ersetzen, verzichtete allerdings auf eine „Central-Behörde“ im Sinne Metternichs. Gleichwohl liefen sich in der Folgezeit die Verhandlungen über die Nachdruckfrage 27  Wadle, Scheitern (Fn.  2), bes. S.  160  ff. Zum Fortgang der Verhandlungen am deutschen Bund vgl. man den Überblick bei Gieseke, Vom Privileg (Fn. 1), S. 227 ff. Weitere Einzelheiten sind zu finden in: Elmar Wadle, Die Berliner „Grundzüge“ eines Gesetzentwurfes zum Urheberschutz. Ein gescheiterter Versuch im Deutschen Bund (1833 / 34), in: W. Ogris / W. H. Rechberger (Hg.), Gedächtnisschrift für Herbert Hofmeister, Wien 1996, S.  673–693; ders., Die Anfänge des Aufführungsrechts in Preußen und im Deutschen Bund, in: G. Hönn / H. Konzen / P. Kreutz (Hg.), Festschrift für Alfons Kraft zum 70. Geburtstag, Neuwied 1998, S. 645–664. Im übrigen vgl. man die einschlägigen Beiträge in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim 1996.

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fest, nicht zuletzt deshalb, weil sich Österreich trotz einer gewissen Vorliebe für die bayerische Vorlage für keines der verhandelten Modelle entscheiden konnte. Wenige Jahre später griff Metternich noch einmal auf das alte Konzept zurück, indem er während der Wiener Konferenzen des Jahres 1834 einen Plan favorisierte, der ebenfalls Buchhandelsorganisation, Zensur und Nachdruckschutz miteinander verbinden wollte; auch dieses Projekt sollte am Widerstand der anderen Bundesstaaten, nicht zuletzt Preußens, scheitern28.

28  Dazu Näheres in: Elmar Wadle, Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: B.-R. Kern / E. Wadle / K.-P. Schroeder /  Ch. Katzenmeier (Hg.), Humaniora. Medizin – Rechtgeschichte, Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, Berlin / Heidelberg 2006, S.431—457; auch in diesem Bd. S.  245–273.

Gesetzlichkeit im vorkonstitutionellen Preußen Zwei Fallbeispiele aus der Praxis nach 1815 I. „Gesetz“ gehört wie „Rechtsnorm“ zum alltäglichen „Handwerkszeug“ eines Juristen. Es erscheint selbstverständlich, dass sich die Wissenschaft mit diesem Grundbegriff, seinen Funktionen und seinen Grenzen immer wieder beschäftigt. Dabei zeigt sich, wie wichtig es ist, die historische Dimension auszuloten, um die gegenwärtige Tragweite der Begriffe zu markieren. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir über zahlreiche Darstellungen verfügen, die der Geschichte des Gesetzesbegriffes gewidmet sind; zumeist geschieht dies in allgemeineren Zusammenhängen, die Verfassungsoder Methodengeschichte in den Vordergrund stellen, die Begriffe mithin eher im theoretischen Kontext erläutern1. Die praktische Umsetzung des jeweiligen Verständnisses in konkreten Fällen wird seltener behandelt. Dieser kleine Beitrag will die Aufmerksamkeit auf diesen Zusammenhang lenken, in dem die praktische Bedeutung des Gesetzes anhand zweier Beispiele aufgezeigt, mithin zwei Fälle zum Thema „Gesetzlichkeit“ staatlichen Handelns vorgestellt werden. 1  Überblicke bei: Hermann Krause, Artikel „Gesetzgebung“, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG) I (1981), Sp. 1606–1620; und: Rolf Grawert, Artikel „Gesetz“, in: Geschichtliche Grundbegriffe II, Stuttgart 1975, S.  863–922. Aus der reichen Literatur im Übrigen seien hier genannt: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt. Von den Anfängen der deutschen Staatsrechtslehre bis zur Höhe des staatsrechtlichen Positivismus (Schriften zum Öffentlichen Recht 1), Berlin 1957, 2. Aufl. 1981; Rolf Grawert, Historische Entwicklungslinien des neuzeitlichen Gesetzesrechts, in: Der Staat 1972, S.  1–25; Heinz Mohnhaupt, Potestas legislatoria und Gesetzesbegriff im Ancien Régime, in: ders., Historische Vergleichung im Bereich von Staat und Recht (Ius Commune, Sonderheft 134), Frankfurt a. M. 2000, S.  221–273. Zur Bedeutung von „Gesetz“, „Gesetzesstaat“ und „Rechtsstaat“ in Preußen vor 1848: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I: Reform und Restauration 1789 bis 1830, Bd.  II: Der Kampf um die Einheit und Freiheit 1830 bis 1850, Stuttgart 1960, hier bes.: I, S. 151 ff. und II, S. 15 ff.; Böckenförde, a. a. O., S.  79  ff.; Dietmar Willoweit, War das Königreich Preußen ein Rechtsstaat? in: Dieter Schwab, u. a. (Hg.), Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift für Paul Mikat, Berlin 1989, S.  451–464, bes. S.  459  ff.

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II. Die verlegerische Tätigkeit des Kölner Buchhändlers Wilhelm Spitz2 in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ist begleitet von lang andauernden Streitigkeiten um die von ihm veranstalteten Nachdrucke. Bereits in napoleonischer Zeit nutzte Spitz die Zugehörigkeit der linksrheinischen Gebiete zum Kaiserreich für seine Zwecke: Da das französische Recht, insbesondere der Code pénal von 1810, den Nachdruck von Werken, die im Ausland erschienen waren, grundsätzlich nicht erfasste3, ließ der Buchhändler die nachgefragte Literatur aus deutschen Staaten großzügig nachdrucken. Autoren und Verleger hatten kaum eine Chance, diesen Missbrauch im französischen Köln zu bekämpfen. Bei Spitz konnten Werke von Schiller, Goethe und anderen Autoren erscheinen; diese Nachdrucke fanden ihren Weg zu Kunden in den rheinischen Departements, aber auch im restlichen Deutschland4. Nach Napoleons Sturz und der Angliederung der nördlichen Rheinlande an Preußen schien sich eine Chance zu eröffnen, Spitz das Nachdruckhandwerk zu legen. Die geschädigten Verleger bemühten sich um Schutz und fanden zunächst auch die Unterstützung der preußischen Behörden. Als sich Spitz jedoch auf das fortgeltende französische Recht berief, kam es zu langjährigen Streitigkeiten, die erst in einem 1822 angestrengten Strafverfahren geklärt werden konnten. Am 11. Dezember 1822 erging ein Urteil des Rheinischen Revisions- und Kassationshofs in Berlin, das die ganze Frage mit einem Teilerfolg des Kölner Buchhändlers beenden konnte.

2  Die folgende Schilderung der Vorgänge um Spitz stützt sich vor allem auf die Akten des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem (künftig: GStA PK) I. Hauptabteilung (künftig: HA), Rep.  77, 338 Nr.  1 Bd.  I und II; Rep.  74 K. 3. VIII Nr.  18 vol.  I. 3  Zur urheberrechtlichen Situation im napoleonischen Frankreich und im Rheinland vor und nach 1815 darf hier verwiesen werden auf die Angaben bei: Barbara Dölemeyer, Urheber- und Verlagsrecht, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, III.  Bd.: Das 19.  Jahrhundert, 3.  Teilbd.: Gesetzgebung zu den privatrechtlichen Sondergebieten, München 1986, S. 3955–4066, hier S. 3966 ff., 4010 f.; auch Elmar Wadle, Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (künftig: ZRG GA) 122 (2005), S.  301–316, bes. S.  310  f.; auch in diesem Band S.  321–340. 4  Im Streit mit Spitz werden außer einzelnen Werken Schillers und Goethes auch Arbeiten folgender Autoren erwähnt: Adelung, Blum, Hermstaedt, Lafontaine, Kant, Kleist, von Nicolai, Iffland, Lange, Tiedge, Nelckenbrecher, Horaz, Blumauer, Mendelsohn, Körner, Heinsius, Wilmsen, Becker, Krummacker, Krug, Manteufel, Tieck, Stollberg, Hufeland.



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Der gesamte Ablauf des Streits um Spitz braucht nicht geschildert zu werden5, da hier nur der Aspekt „Gesetz“ hervorzuheben ist. Um diesem Ziel gerecht zu werden, genügt es, auf das Berliner Urteil selbst und die ihm zugrunde liegenden Vorentscheidungen des Landgerichts Köln näher einzugehen6. Der Rheinische Revisions- und Kassationshof hatte sich mit einer sehr komplizierten Rechtslage zu befassen. Spitz hatte – wie erwähnt – nach der Angliederung der Rheinlande an Preußen den Nachdruck nicht aufgegeben. Die Versuche der Verwaltung, ihm das Handwerk zu legen, stießen bei Spitz und seinen Anwälten auf massive Gegenwehr. Die Polizeibehörden gingen davon aus, dass das fortgeltende französische Recht, insbesondere der Code pénal mit seinen Artikeln 425 bis 429, anwendbar waren; sie stießen aber bald auf die geschilderten Grenzen. Einige „Eigenthümer“ der nachgedruckten Werke waren außerhalb des Geltungsbereichs des rheinischen Rechts ansässig, teils im übrigen Preußen, teils in anderen deutschen Bundesstaaten. Ob auch die preußischen Eigentümer im Rechtsrheinischen durch die Schutzbestimmungen des französisch-rheinischen Rechts begünstigt werden sollten, erschien zunächst offen. Außerdem war zu klären, ob die schon vor dem Anschluss an Preußen nachgedruckten Werke nach 1815 weiterhin verkauft werden durften. Die problematischste Frage war freilich jene, ob der Nachdruck von Werken nichtpreußischer Rechtsinhaber verboten war oder nicht. Für diese Fallgruppe erwirkten die rheinischen Behörden zur Sicherheit eine Entscheidung des Staatskanzlers. Fürst von Hardenberg verfügte am 17. August 1816 in Doberan an die rheinischen Behörden folgendes7: 5  Der Nachdruckschutz in Rheinpreußen insgesamt muss einer eigenen Studie vorbehalten bleiben. 6  Im Folgenden sind verwendet die Abschriften in GStA PK I. HA Rep.  77, 338 Nr.  1 Bd.  I: fol.  202–213: Urteil des Landgerichts zu Coeln v. 19.  April 1822; fol. 214–218: Urteil der Appellations-Kammer des Landgerichts zu Coeln v. 11. Juli 1822; fol.  219–224: Urteil des Rheinischen Revisions- und Kassationshofes v. 11.  Dezember 1822. Hier sei noch vermerkt, dass in der Appellations-Kammer „Assessor von Schiller“, mithin Ernst, der Sohn Friedrich von Schillers, mitgewirkt hat. Im Rheinischen Revisions- und Kassationshof war unter dem „Chef-Präsident“ Sethe u. a. der „OberRevisionsrath“ von Savigny beteiligt. Ernst von Schiller hatte sich später ebenso wie von Savigny mit Problemen um Nachdruck und Urheberrecht zu befassen; dazu Wadle, Goethes Wünsche (Fn.  3), S.  313  ff.; ders., Savignys Beitrag zum Urheberrecht, in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte I / II (Weinheim 1996 / München 2003), hier I, S.  267–307. 7  Das Original der Verfügung v. 27. August 1816 ist enthalten in: GStA PK I. HA, Rep.  74 K. 3. VIII. vol.  I, fol.  25–25v; eine Abschrift, nach der hier zitiert wird, befindet sich als Anlage zum Schreiben an das Innenministerium in: Rep.  77,

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„Aus dem Zeitungs-Bericht der Königl. Regierung für den Monat Junius d. J. habe ich mit Befremden ersehen, dass der dortige Buchhändler Spitz, gestützt auf die französische Gesetzgebung, fortfährt, teutsche Werke nachzudrucken und feilzubieten. Da die französische Gesetzgebung den Nachdruck einheimischer, nämlich französischer Werke, verbietet, so folgt aus dieser Gesetzgebung von selbst, daß, da Cöln nunmehr der Preuß. Oberherrschaft unterworfen ist, keine bei uns einheimischen Werke nachgedruckt werden dürfen. Dieses gilt nicht blos von Werken, die in den Preuß. Staaten erscheinen, sondern von allen Werken, auf deren Verlag der Unterthan eines deutschen Fürsten ein Recht hat, indem im Art.  18 der deutschen Bundes-Acte bereits festgesetzt ist, daß die Bundes-Versammlung sich mit Abfassung gleichmässiger Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen werde. Und da die Vereinigung in einem Deutschen Bund bereits feststeht, so halte ich es für angemessen, daß unerachtet der Beschluß selbst über solche Verfügungen noch nicht hat erfolgen können, Preußen dennoch schon jetzt allen Unterthanen der in der BundesActe genannten verbündeten Fürsten diejenigen Rechte gewähre, die es durch seine Gesetzgebung seinen eigenen Unterthanen eingeräumt hat. Wiewohl notorisch in einigen deutschen Staaten der Nachdruck noch geduldet wird, so halte ich es doch der Würde der Regierung nicht gemäß, in dieser Angelegenheit und in Beziehung auf ein Gewerbe, auf welchem öffentliche Schmach ruhet, und welches durch unsere Gesetzgebung als ein strafwürdiger Eigennutz verpönt ist, ein Vergeltungsrecht eintreten zu lassen. Ich weise daher die Königl. Regierung an: dem Buchhändler Spitz den ferneren Nachdruck solcher Schriften, deren Verleger ein Unterthan eines deutschen Fürsten ist, unverzüglich zu untersagen, und in Ansehung des ihm etwa nachzulassenden Verkaufs solcher Schriften, die vor Eingang dieser Verfügung bereits nachgedruckt waren, mit Einsendung des Verzeichnisses, an mich zu berichten, den Verkauf inzwischen aber zu inhibiren und deshalb die erforderlichen Massregeln zu treffen.“

Diese „Verordnung“ – durch die Kölner Regierung in Nr.  34 der Amtsblätter veröffentlicht – wurde von den Polizeibehörden als Ergänzung des rheinischen Rechts betrachtet. Spitz hingegen und seine Anwälte waren anderer Ansicht. Nach mehrjährigem Streit um die Grenzen des Nachdruckverbots wurde Spitz im Februar 1822 vor dem Landgericht Köln angeklagt; bereits am 12.  April erging ein Teilurteil der „Correctional-Kammer“, die Spitz freisprach, soweit es sich um Werke von Eigentümern handelte, die außerhalb Preußens wohnten. Bezüglich der übrigen Vorwürfe erging am 19.  April eine weitere Entscheidung: Sie lautete auf Freispruch, da man der Ansicht war, die fortgeltenden französischen Vorschriften und Gesetze würden lediglich zugunsten der im Rheinland ansässigen Rechtsinhaber gelten. 338 Nr. 1. Bd. I, fol. 22–22v. Gedruckt ist die Verfügung in: Bruno Gebhardt (Hg.), Wilhelm von Humboldts politische Schriften, III., 1, Berlin 1904, S.  112  f. (Anm.).



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Die „Appellations-Kammer des Landgerichts zu Cöln“ fällte als Berufungsinstanz ein anderes Urteil: Sie unterschied die Fälle einerseits nach dem Zeitpunkt des Nachdrucks, wobei die Angliederung an Preußen als Einschnitt für den Geltungsbereich des Verbots zu gelten habe, da es nun auf alle Einwohner Preußens zu beziehen sei, mithin den Schutz aller preußischen Rechtsinhaber bezwecke; hingegen seien der Vertrieb älterer, also vor 1815 hergestellter Nachdrucke nur strafbar, soweit die Eigentümer im Gebiet des französischen Rechts gewohnt hätten. Andererseits wurde vom Berufungsgericht festgestellt, dass 1815 der Nachdrucktatbestand nicht zugunsten der Angehörigen anderer deutscher Staaten ausgedehnt worden sei. Die insoweit entscheidenden Passagen des Berufungsurteils lauten: „In Erwägung, soviel den Nachdruck oder den Verkauf nachgedruckter Werke betrifft, deren Eigenthümer außerhalb Preußens in deutschen Bundesstaaten wohnen, daß diese Staaten in Beziehung auf den vorliegenden Gegenstand als Ausland zu betrachten sind, und daß in den diesseitigen Rheinprovinzen weder vor noch nach der Vereinigung mit dem Königreich Preußen ein Gesetz bekannt gemacht ist, wodurch der Nachdruck oder der Verkauf des Nachdrucks der angegebenen Werke verboten und verpönt wird; In Ewägung, daß, da aus demselben Grunde die Königlich Preußischen Staaten bis zur Zeit, wo die Rheinprovinzen mit denselben vereinigt worden, in Beziehung auf die Rheinprovinzen als Ausland zu betrachten sind, der vor diesem Zeitpunkt unternommene Nachdruck der in den preußischen Staaten verlegten Werke als nicht verboten und nicht strafbar anzusehen ist; …“

Es fällt auf, dass die Kammer auf den Code pénal und das napoleonische Dekret vom 5. Februar 1810, mithin ausschließlich auf die Gesetzeslage Bezug nimmt und die Verfügung des Staatskanzlers von 1816 gar nicht erwähnt, während die Vorinstanz sich noch eingehender dazu geäußert hatte. Im Urteil vom 19. April 1822 sagt das Landgericht in Bezug auf die rheinische Gesetzgebung: „In Erwägung, daß die hier bestehende Gesetzgebung, so wie sie nur jeden, unter ihrer Herrschaft in Frankreich wohnenden Verfasser oder rechtmäßigen Verleger gegen den Nachdruck schützte, auch jetzt nur einzig auf die diesseitigen Rheinischen Verfasser und Verleger ihre Wirkung äußern kann; so wie den auf die darin beym Nachdruck vorkommenden Ausdrücke: en france, territoire français nicht auf den ganzen Preußischen Staat, in dessen älteren Provinzen eine eigene von der hiesigen ganz unabhängige und verschiedene Gesetzgebung über den Nachdruck besteht, sondern einzig auf die ehemaligen französischen Ländertheile bezogen werden können, weshalb nicht allein die Unterthanen der deutschen Bundesstaaten, sondern auch den jenseits dem Rheine wohnenden preußischen rechtmäßigen Eigenthümer für ihre außerhalb dem Bereiche der hiesigen Gesetzgebung erschienenen Werke den Schutz dieser Gesetzgebung gegen den Nachdruck rechtlich nicht anrufen können;

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In Erwägung, daß in dieser Gesetzgebung auch bisher nichts geändert worden ist, und die in dem Amtsblatt der hiesigen Königlichen Regierung enthaltene Bekanntmachung nicht als eine neue gesetzliche Verordnung angesehen werden kann; weil aus dem ganzen Inhalt des bey den Acten befindlichen Rescripts seiner Durchlaucht des Fürsten Staatskanzlers vom 27. August 1816 – worauf sich diese Bekanntmachung gründet – nichts weiter hervorgeht, als daß Höchstderselbe bei Gelegenheit der Spitzischen Nachdrucksache, seine Ansichten über die Anwendbarkeit der hiesigen Gesetzgebung äußerte, und der Königlichen Regierung für diesen Fall eine spezielle Weisung ertheilte, nicht aber die Absicht hatte, eine allgemeine Verordnung über den Nachdruck für die ehemaligen französischen Provinzen zu erlassen, er auch keinen Befehl zur Publikation erteilte; so wie diese sogenannte Verordnung in den Regierungsbezirken von Coblenz, Trier und Aachen auch nie bekannt gemacht worden ist.“

Nachdem sich das Berufungsgericht diese Auffassung nur zum Teil zu Eigen gemacht und Spitz ebenso wie das „öffentliche Ministerium“ das Rechtsmittel der Kassation ergriffen hatte, war Berlin an der Reihe. In der hier interessierenden Frage nach der Bedeutung der Verfügung Hardenbergs sagte der Revisions- und Kassationshof folgendes: „In Erwägung, daß noch kein Gesetz existirt, welches den Nachdruck für ganz Deutschland verbietet und mit Strafe bedroht, daß daher der Richter das einheimische Gesetz, welches das Verbot des Nachdrucks auf das Gebiet des Staats beschränkt, auf die übrigen Bundesstaaten nicht anwenden kann, die in rechtlicher Beziehung als Ausland zu betrachten sind, solange keine gleichförmige ganz Deutschland umfassenden Vorschriften über diesen Gegenstand erschienen sind, oder die darauf Bezug habenden Bestimmungen des rheinischen Rechts auf alle Bundesstaaten durch eine gesetzliche Verfügung ausgedehnt werden; daß also die Appellations-Kammer des Landgerichts zu Coeln, indem sie den Artikel 426 des Strafgesetzbuches nur auf den preußischen Staat anwendbar erklärte, weit entfernt diesen Artikel oder irgend ein Gesetz zu verletzen, vielmehr den Grundsätzen der Materie, insbesondere dem Artikel 4 des Strafgesetzbuches, ganz gemäß geurtheilt hat.“

Damit war klargestellt, dass die Verordnung Hardenbergs die Rechtslage nicht ändern konnte, mithin „Eigenthümer“, die in anderen deutschen Bundesstaaten wohnten, im preußischen Rheinland keinen Schutz gegen den Nachdruck erwarten konnten. Ohne auf die übrigen Aussagen des Urteils hier näher eingehen zu können, sei festgehalten, dass das Reskript Hardenbergs vom Berliner Revi­ sions- und Kassationshof nicht als eine Verordnung mit Gesetzeskraft anerkannt wurde. Die Gründe, die dafür angeführt werden, machen deutlich, dass das Berliner Gericht den in Artikel 4 des Code pénal festgeschriebenen Grundsatz des nulla poena sine lege8 ernst genommen hat. Darüber hinaus 8  Artikel 4 lautet in der deutschen Übersetzung nach der Ausgabe von Johann Cramer, Die fünf französischen Gesetzbücher. Neu übersetzt von einem praktischen



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ist zu erkennen, dass die Richter die Verordnung Hardenbergs nicht als „allgemeine Verordnung“ betrachten konnten, weil sie nicht in derselben Weise wie ein Gesetz verkündet worden, mithin auch nicht als gesetzmäßige Abänderung des bestehenden Rechts zu betrachten war9. Das Gericht sprach der Verfügung Hardenbergs den Anspruch allgemeiner Gültigkeit im Gebiet des Rheinischen Rechts ab. Die Tatsache, dass die Publikation lediglich in den Blättern der Kölner Regierung erfolgt ist, wird als Indiz dafür verstanden, dass der Wille zur Änderung des Gesetzes fehlte. Dies bedeutet einerseits, dass man in der preußischen Monarchie zwar die Möglichkeit einer Änderung des Rheinischen Rechts durch einen Befehl des Gesetzgebers in Betracht gezogen hat, dass man aber zugleich hohe Anforderungen an ein allgemeines und für jedermann im betroffenen Rechtsbereich geltendes Gesetz stellte und sie im konkreten Fall verneinte: Es war nicht der Monarch, der selbst oder durch seine Regierung das Recht ändern wollte, sondern lediglich der Staatskanzler, der überdies eine Weisung erteilte, die nur einen Einzelfall betraf. Eine solche Verfügung konnte dem im französischen Strafgesetzbuch ebenso wie dem im Allgemeinen Landrecht (u. a. II 20 § 9) niedergelegten Grundsatz nulla poena sine lege nicht genügen. Juristen, 8. revidierte Stereotypausgabe, Crefeld 1841: „Keine Uebertretung, kein Vergehen, kein Verbrechen kann mit Strafen belegt werden, die das Gesetz nicht verhängt hatte, ehe sie begangen wurden.“ Allgemein zum Grundsatz nulla poena sine lege: Hans-Ludwig Schreiber, Gesetz und Richter. Zur geschichtlichen Entwicklung des Satzes nullum crimen, nulla poena sine lege, Frankfurt a. M. 1976, bes. S. 83 ff., 156 ff., zusammenfassend: ders., Artikel „Nulla poena sine lege“, in: HRG III (1984), Sp. 1104–1111. 9  In Preußen ist die Publikation „durch die Aufnahme in die Gesetzsammlung“ erst 1846 als ausschließliche Form der Verkündung festgelegt worden. Die älteren Verordnungen von 1811 und 1819 verlangten nur die Aufnahme in die Regierungsblätter, und zwar durch vollständige Abdrucke, wenn das Gesetz nur den Regierungsbezirk betraf, in allen anderen Fällen durch Anzeige des in der (seit 1810 bestehenden) Gesetzsammlung erfolgten Abdrucks nach Titel, Datum und Nummer. Dazu ausführlich Max Fleischmann, Der Weg der Gesetzgebung in Preussen, Breslau 1898, S. 89 ff., bes. S. 92 f.; Eduard Hubrich, Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen, Greifswald 1918, bes. S.  35  ff. Zur Geschichte der französischen Publikationsmethode und ihrer Rezeption in Deutschland vgl. auch Josef Lukas, Über die Gesetzes-Publikation in Österreich und dem Deutschen Reiche. Eine historisch-dogmatische Studie, Graz 1903, bes. S.  65  ff., 133  ff.; Stefan Ruppert, Die Entstehung der Gesetzes- und Verordnungsblätter. Die Bekanntmachung von Gesetzen im Übergang vom Spätabsolutismus zum Frühkonstitutionalismus, in: Michael Stolleis (Hg.), Juristische Zeitschriften. Die neuen Medien des 18.-20.  Jahrhunderts (Ius Commune, Sonderheft 128), Frankfurt a. M. 1999, S.  66–105, bes. S.  100  ff. Im Übrigen vgl. man den Überblick von: Bernd Mertens, Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikation. Theorie und Praxis der Gesetzgebungstechnik aus historisch-vergleichender Sicht (Tübinger rechtswissenschaftliche Abhandlungen 98), Tübingen 2004, bes. S.  214  ff.

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Dass es dem Souverän in einer absoluten Monarchie wie der preußischen in diesen Jahren möglich war, die Rechtslage durch Befehl des Monarchen als des obersten Gesetzgebers10 abzuändern, zeigt die Tatsache, dass Berlin gerade das Kassationsurteil im Falle Spitz zum Anlass genommen hat, trotz aller Bedenken eine Privilegierung der Ausgabe „letzter Hand“ von Goethes Werken zu befürworten11. Zunächst hatte das Innenministerium der Erteilung des Privilegs skeptisch gegenüber gestanden. In seinem Votum vom 22. April 1825 stellte es fest: „Nach diesseitiger Ansicht ist der Nachdruck auch in den Rhein-Provinzen durch die allgemeine Gesetzgebung des Staats verbothen. Dies hat der verstorbene Fürst Staats-Kanzler auf das Bestimmteste erklärt und hiernach ist von Seiten des Polizei-Ministeriums fortwährend gehandelt und noch kürzlich dem berüchtigten Nachdrucker Spitz Buchhandel und Buchdruckerei geschlossen worden. Es bedarf daher des in dem verehrlichen Voto vom 19. d. M. in Beziehung auf Goethes Schriften eventualiter vorgeschlagenen Immediat-Antrages nicht. Das unterzeichnete Ministerium ist indessen, wenn das Königl. Hochlöbl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten es wünschen sollte, gerne bereit, den Regierungen in den Rhein-Provinzen und den dortigen Censur-Behörden eine besondere Aufmerksamkeit auf diese Schriften aufzugeben.“

Das Innenministerium war demnach noch im April 1825 von der Wirksamkeit, mithin von dem Gesetzescharakter der Hardenbergschen Verfügung überzeugt12. Infolge dieser Intervention sah sich das Außenministerium zunächst nicht in der Lage, ein Privileg für Goethe zu beantragen; es wollte sich mit einer kleinen Lösung begnügen: „Sobald über das Gesuch des Herrn von Goethe am Bundestage entschieden ist, werde ich den gedachten Herrn Minister um eine angemessene Verfügung ersuchen, damit in dem ganzen Umfange des Preußischen Staates das Unternehmen des Herrn von Goethe jedenfalls vollkommen sichergestellt werde. Im übrigen können Ew. Excellenz erklären, daß in Beziehung auf die Preußischen Staaten der Wunsch des Herrn von Goethe schon durch die Preußische Gesetz­ gebung und durch die Aufmerksamkeit der Verwaltung zur Behauptung des in ihr enthaltenen Verbots des Nachdrucks seine ganze Erfüllung finde.“ 10  Huber,

Verfassungsgeschichte II (Fn.  1), S.  16  ff. Angaben zum Folgenden: Elmar Wadle, Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik, in: Geistiges Eigentum II (Fn.  6), S.  117–130; ders., Rechtsprobleme um Nachdruck und geistiges ­Eigentum in Goethes Praxis, ebenda, S. 131–157. Die beiden in den Text aufgenommenen Zitate sind den Akten des Außenministeriums entnommen: GStA PK III. HA 2.4.1 III. 1869, fol.  13–15. 12  Das Innenministerium hat am 6. August 1824 Spitz die Erlaubnis zum Betrieb des Buchhändler-Gewerbes entzogen; vgl. die Bekanntmachung des Kölner Polizeipräsidenten v. 24. August 1824; GStA PK I. HA Rep.  77 Tit.  338 Nr.  1, Bd.  I, fol.  326. 11  Nähere



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Sowohl das Innen- wie das Außenministerium haben bald darauf im Lichte der höchstrichterlichen Entscheidung im Falle Spitz, die anlässlich eines weiteren Nachdruckstreites zur Kenntnis genommen werden musste, die Rechtslage anders beurteilt; gleichwohl zeigen diese Dokumente, dass man in Berlin dem Grundsatz folgte, dass ein Privileg zum Schutz gegen Nachdruck überflüssig ist, wenn die geltenden preußischen Gesetze den Nachdruck bereits allgemein verbieten. Ein Privileg erschien nur erforderlich, wenn die allgemeine Gesetzgebung eine Schutzlücke aufweisen sollte13. Letztlich bedeutete dies auch, dass man dem allgemeinen Gesetz einen höheren Rang zubilligte. Diese Einschätzung wird durch das zweite hier zu erläuternde Fallbeispiel bestätigt. III. Ein Vorgang aus dem Jahre 1842 lässt deutlich werden, dass das Verhältnis von Gesetz und Privileg unter bestimmten Voraussetzungen zum Rangproblem werden konnte. Preußen hatte sich 1837 endgültig von der Vorstellung getrennt, „Verlagseigentum“ oder „schriftstellerisches Eigentum“ verdiene ohne zeitliche Grenzen Schutz14. Das „Gesetz zum Schutz des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ vom 11.  Juni 1837 legt die Dauer des Schutzes im Grundsatz auf 30 Jahre nach dem Tod des Autors fest. Diese Regelung war so ausgelegt, dass Berlin glaubte, der im Bundesbeschluss von 1837 vorgesehenen Schutzdauer (Art.  2: „Mindestens während eines Zeitraumes von 10 Jahren“; Art.  3: „Bis zu einem längeren, höchstens 20-jährigen, Zeitraum“) gerecht werden zu können. Die Praxis der Bundesversammlung zeigte jedoch schon bald, dass Probleme nicht zu vermeiden waren. Preußen war mit der 1837 getroffenen Regelung des Deutschen Bundes nicht zufrieden, die weder im Ansatz noch hinsichtlich des Umfangs der Schutzfrist den eigenen, im Gesetz niedergelegten Vorstellungen entsprach. 13  Elmar Wadle, Der langsame Abschied vom Privileg. Das Beispiel des Urheberrechts, in: Geistiges Eigentum II (Fn.  6), S.  102–116; ders., Privilegienpraxis in Preußen: Privilegien zum Schutz gegen Nachdruck 1815–1837, in: Geistiges Eigentum II (Fn.  6), S.  165–184; ders., Preußische Privilegien für Werke der Musik. Ein Kapitel aus der Frühzeit des Urheberrechts 1794–1837, in: Geistiges Eigentum II, S.  185–205. 14  Zum Folgenden: Elmar Wadle, Das preußische Urheberrechtsgesetz von 1837 im Spiegel seiner Vorgeschichte, in: Geistiges Eigentum I (Fn. 6), S. 167–222; ders., Der Bundesbeschluss vom 9.  November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht, in: Geistiges Eigentum I, S.  223–265.

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Die seit 1838 gestellten Anträge um Verlängerung der Schutzfrist im Sinne des Art. 3 des Bundesbeschlusses boten Gelegenheit, die restriktive Haltung anderer Staaten wenigstens punktuell aufzubrechen und das in Berlin unbeliebte „Privilegiensystem“ zu bekämpfen. Freilich geriet die preußische Politik dadurch in einen gewissen Widerspruch zum eigenen 1837 niedergelegten Prinzip einer 30-jährigen Frist p. m. a. Um dies zu verdeutlichen, sei zunächst daran erinnert, wie energisch sich Berlin während der harten Diskussion, die schließlich in den Bundesbeschluss vom 9.  November 1837 einmündete, gegen jede Form der Privilegienvergabe ausgesprochen hatte; hartnäckig setzte sich der preußische Gesandte für ein gesetzliches Schutzsystem ein, wie es dem eigenen kurz zuvor beschlossenen Gesetz zugrunde lag. In der Weisung an den Bundestagsgesandten vom 29.  Oktober 1837 meinte das Ministerium zu Art.  3 des geplanten Beschlusses15: „Dagegen erachte ich den Art.  3 des Entwurfes seinem ganzen Inhalte nach für höchst bedenklich. Abgesehen auch selbst davon, daß dort als Dauer des Schutzes für den Fall der Privilegien-Gewährung ein Minimum vorgeschlagen wird, welches weit hinter der von uns vorgeschlagenen und auch von anderen Staaten bereits gebilligten gesetzlichen Frist zurück bleibt, legt die Art und Weise der Fassung der desfallsigen Bestimmung, indem es heißt: ‚soll das in Art.  2 ausgesprochene Minimum etc. auf bis zu einem längeren, höchstens zwanzigjährigen Zeitraum ausgedehnt werden, wenn die betreffende Regierung bei der Bundes-Versammlung zu einer Vereinbarung hierüber den Antrag macht‘, der angebenden Regierung in der fraglichen Beziehung noch Fesseln an, von denen bis jetzt, selbst bis dem bisherigen Stande der Sache in manchen Staaten, auch nicht entfernt die Rede war. Dann nach dem diesfälligen Vorschlag würde ohnfehlbar den einzelnen Regierungen die Befugnis streitig gemacht werden können, selbst den eigenen Unterthanen den bisherigen längeren gesetzlichen Schutz aus eigener Befugnis zu gewähren. Was hieße, sich überhaupt anders als die seither verfolgte Bahn verlassen und sich auf die des Privilegien-Systems hindrängen lassen, oder, nachdem zwanzig volle Jahre dazu verwendet worden sind, um dem Geist des Art.  18 der Bundes-Acte gemäß in der fraglichen Materie dem meist nur auf bloßer Convenienz und mithin Willkühr beruhenden System der Privilegien-Ertheilung, als einem positiven Rechtszustande für den Bund Anerkennung und Annahme zu verschaffen?“

An der grundsätzlichen Ablehnung des „Privilegien-Systems“ hielt Berlin auch nach dem Bundesbeschluss fest. Zum Antrag Sachsen-Weimars zuguns15  GStA

PK III. HA, 2.4.1 Nr.  8957, fol.  138–139.



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ten der Erben Goethes äußerte sich das Außenministerium im Jahre 1839 ähnlich16: „In seinem über diesen Gegenstand am 30.  März d.  J. an Ew. Excellenz gerichteten Schreiben hat sich das unterzeichnete Ministerium über mehrere hierbei in Betracht kommende, theils das Verhältnis der diesseitigen unter neuesten Weimarschen Gesetzgebung gegen den Nachdruck zu einander, theils das Verhältnis der diesseitigen zu der Bundes-Gesetzgebung in der Nachdrucks-Materie betreffende Momente geäussert und am Schlusse in desselben bemerkt: Wie es den Gebrauch, welchen dieselben von den diesfälligen Bemerkungen bei Gelegenheit der diesseitigen Abstimmung zu machen für gut finden, lediglich dem geneigten Ermessen Ew. Excellenz anheim stellen wolle. Wie wenig es hiernach auch in der Absicht des unterzeichneten Ministeriums liegen konnte, der diesseitigen Abstimmung jene Bemerkungen sämmtlich einverleibt zu sehen, so wäre es doch aus dem Grunde wünschenswerth gewesen, wenn wenigstens des Umstandes Erwähnung geschehen wäre, daß und weshalb die Goetheschen Erben sich nach der diesseitigen Gesetzgebung eines umfangreichern Schutzes schon jetzt in Preußen zu erfreuen hätten, als ihnen durch das Privile­ gium des Bundes gewährt werde, weil wir dadurch nur der Ansicht wie den Bestrebungen treu bleiben, welche wir bei den Berathungen am Bunde zur Herbeiführung des letzten Beschlusses in der Nachdrucks-Angelegenheit kund gegeben haben. Ew. Excellenz wollen Sich geneigt erinnern: daß damals Seitens unserer Regierung Alles aufgeboten worden ist, um auch die letzten Ueberbleibsel des früheren Privilegien-Systems zum Schutze gegen den Nachdruck zu beseitigen und daß wir dem jetzigen Stande der Sache auch mit den Bedingungen unter denen dies geschehen, nur in der Rücksicht unseren Beitritt nicht haben vorenthalten mögen, weil es in mancher andern dabei in Betracht kommenden Beziehung wünschenswerth schien, dem eigentlichen Ziele, wenn auch nur wieder um einige Schritte näher zu rücken. Um desto folgerechter erscheint es aber auch, daß unsere Regierung keine sich ihr darbietende Gelegenheit vorübergehen lasse, um am Bunde selbst auf unsere ­früheren diesfälligen Bestrebungen, wenn auch nur indirect dadurch zurückzu­ kommen, daß wir bei Ertheilung unserer Zustimmung zu den am Bunde nachgesucht werdenden Privilegien der in Rede stehenden Art auf die ungleich günstigeren Bestimmungen der diesseitigen Gesetzgebung dieser Materie aufmerksam machen.“

Während in dieser Situation die preußische Zustimmung im Bund die eigene gesetzliche Regel letztlich nicht tangierte und nur in anderen „Bundes-Staaten“ Privilegierungen bewirkte, musste es zu einem Konflikt kommen, als über das Gesuch zugunsten der Erben Herders zu entscheiden war. Allerdings übernahm jetzt der Justizminister die Rolle eines Verteidigers des 16  GStA PK I. HA Rep.  75 A, Nr.  601, fol.  100–100v., III. HA 2.4.1 Abt.  I, Nr.  8959 (unfoliiert).

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im Gesetz niedergelegten Prinzips, während das Außenministerium für die Privilegierung eintrat, freilich einer Begünstigung mit Einschränkungen. Der Antrag, der von Sachsen-Weimar gestellt worden war, löste in Berlin eine bemerkenswerte Diskussion darüber aus, ob die Zustimmung zu einem entsprechenden Bundesbeschluss mit dem eigenen preußischen Gesetz vereinbar war17. Während die älteren Gesuche zugunsten der Erben Schillers, Goethes, Jean Pauls und Wielands die Schutzdauer im Sinne des Gesetzes von 1837 nicht überschritten, stand jetzt eine echte, das eigene Gesetz ergänzende Privilegierung zur Debatte. Da Herder bereits am 18.  Dezember 1803 gestorben war und seine Werke weder vor noch nach diesem Stichjahr privilegiert worden waren, konnte der Schutzanspruch der Erben weder auf das preußische Gesetz noch auf ältere preußische Privilegien gestützt werden: Sie waren – aus preußischer Sicht – 1833 gemeinfrei geworden. Eine Zustimmung Berlins zu einem Bundesbeschluss zugunsten der Erben Herders hätte nach preußischer Rechtslage bedeutet, dass ein an sich überhaupt nicht mehr vorhandenes Schutzrecht neu begründet, mithin ein echtes Privileg erteilt werden würde. In dieser Bewertung der Rechtsfolge einer preußischen Zustimmung waren sich die Ministerien einig; über die Frage jedoch, ob man diese Konsequenz befürworten sollte, kam es zu einer lebhaften Diskussion. Die Kontroverse wurde ausgelöst durch eine Vorlage des Außenministeriums vom 20. Januar 1841 an den „Minister des Innern und der Policey“ und den „Minister der geistlichen, und der Rechts- und Medizinalangelegenheiten“. Die Vorlage hebt bereits hervor, dass sich das Gesuch zugunsten der Erben Herders deutlich von den Beschlüssen über den Schutz der Werke Schillers, Goethes, Jean Pauls (Friedrich Richters) und Wielands unterscheiden; während für diese der Schutz gegen Nachdruck „für einen längeren oder kürzeren Zeitraum ohnehin schon gesichert“ gewesen sei, handle „es sich in hinsichtlich der Herderschen Werke um Begründung eines an sich überhaupt nicht mehr vorhandenen Schutzrechtes innerhalb der diesseitigen Staaten“. Es sprächen jedoch Gründe dafür, im vorliegenden Fall „durch die Ertheilung einer Art von Privilegium den Herderschen Erben einen Schutz zu gewähren, auf den sie nach dem Gesetze keinen Anspruch mehr haben“. Unter den Gründen kam insbesondere die Bedürftigkeit der Familie Herder, aber auch die bisherige Praxis am Bund zur Sprache; auch seien „Exemplifikationen für andere“ nicht zu befürchten. 17  Die folgenden Ausführungen zum Fall Herder stützen sich auf die Protokolle der Deutschen Bundesversammlung (ProtBV) 1838–1842 und die Akten der Berliner Ministerien, vor allem auf GStA PK I. HA Rep.  75 A, Nr.  604; Rep.  89  ff. (Zivilkabinett) Ges. XI Nr.  3 Bd.  I (2.2.1 Nr.  18747); III. HA 2.4.1 Abt.  III Nr.  18645. Im Übrigen sei nochmals auf Wadle, Privilegierungspraxis (Fn.  13) hingewiesen.



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Während der Kultusminister meinte, er könne unter bestimmten Bedingungen zum Schutz preußischer Verleger, die von ihrer gesetzlichen Freiheit schon Gebrauch gemacht hatten, ein solches Privileg befürworten, und der Innenminister seine Zustimmung signalisierte, lehnte der Justizminister bereits in seiner ersten Stellungnahme vom 27. März 1841 die Erteilung eines Privilegs rundweg ab18. Er müsse sich „durchaus dawider erklären, daß den v. Herderschen Erben jetzt noch ein Privilegium … erteilt werde“. Zur Begründung führte er aus: „Da v. Herder bereits im J. 1803 verstorben ist, so können dessen Erben auf Schutz seiner Schriften gegen Nachdruck weder aufgrund des Bundestags-Beschlusses vom 9.  Novbr 1837 noch auf Grund des diesseitigen Gesetzes vom 11.  Juni dess. Jahres Anspruch machen; ihr schriftstellerisches Eigenthum ist gänzlich erloschen und die Schriften ihres Erblassers sind Gemeingut geworden, dergestalt daß ein Jeder befugt ist, dieselben zum Gegenstand buchhändlerischer Spekulationen zu machen. Wenn nun auch der Schutz gegen Nachdruck durch Privilegien über die gesetz­ liche Dauer hinaus erstreckt werden kann: So ist dies doch nur solange zulässig, als der betreffende Autor oder dessen Rechtsnachfolger überhaupt noch Anspruch auf Schutz haben; ist dagegen dieser Anspruch einmal erloschen, so handelt es sich nicht mehr um eine Ausdehnung des gesetzlichen Schutzes, nicht um Verlängerung der allgemein bestehenden Schutzfrist sondern um Beilegung eines neu zu begründenden Rechtes, das sich mit der bestehenden Gesetzgebung, wonach das schriftstellerische Eigenthum kein beständig fortdauerndes, sondern nur ein auf gewisse Zeit beschränktes Recht gewähren soll, nicht vereinigen läßt. Überdies ist schon bemerkt, daß Buchhändler, welche im Wege der erlaubten Spekulation eine neue Ausgabe der Herderschen Werke unternommen haben, durch ein jetzt den v. Herderschen Erben zu ertheilendes Privilegium in Nachtheil versetzt werden können, das Privilegium also eine Beschränkung bestehender Rechtsbefugnisse zur Folge haben würde. Der vorgeschlagene Ersatz der von den betreffenden Buchhändlern zum Zwecke neuer Ausgaben der Herderschen Werke gemachten baren Auslagen scheint mir nicht genügend, auch dürfte das Aussprechen einer desfalsigen Verpflichtung der im Auslande lebenden v. Herderschen Erben allein nicht ausreichen, inländische Buchhändler gegen die Weiterungen sicherzustellen, welche ihnen erwachsen können, wenn die genannten Erben bei Erstattung der Auslagen sich säumig erweisen oder stringente Beweise fordern, auf die der …. Buchhändler nicht vorbereitet ist und nicht sein kann, weil er nicht wusste, daß er für die ihm im eigenen Interesse gemachten Auslagen künftig einen Beweis zu führen haben werde. Auf die Fälle von Schiller, Goethe, Jean Paul Friedrich Richter und Wieland können sich die v. Herderschen Erben nicht berufen, da die Autorrechte der ersteren noch fortdauerten, als die ihnen bewilligten Privilegien gewährt wurden. 18  Votum v. 27.  März 1838, Entwurf in GStA PK I. HA Rep.  84a Nr.  2372, fol. 245–247; Rep. 90a Abt. S Tit. I Nr. 1 Bd. II, fol. 11–12; III. HA 2.4.1, Nr. 18645, fol.  66–67.

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Nach meiner Ansicht müssen die Rechte des Schriftstellers und die seiner Rechtsfolger ebenso, aber auch die Rechte der Buchhändler geschützt werden. Hiermit trage ich ganz ergebenst darauf an, Seitens der diesseitigen Regierung bei dem Deutschen Bundestage gegen die Bewilligung des von den v. Herderschen Erben erbetenen Privilegiums stimmen zu wollen.“

Der Kultusminister argumentierte sofort19 gegen die Behauptung, dass das gewünschte Privileg „gegenwärtig rechtlich nicht mehr zulässig sei, indem die Werke jenes Schriftstellers nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist im freien Verkehr unbedingt anheim gefallen seien“, und begründete seine Sicht folgendermaßen: „Durch die Publication des Bundesbeschlusses vom 9. November 1837 und durch den Erlaß des Gesetzes vom 11.  Juni desselben Jahres hat der Staat sich des ihm vor dem unzweifelhaft zugestandenen Rechtes durch besondere Privilegien den Rechten der Schriftsteller einen noch ausgedehnteren Schutz zu verleihen, nicht begeben; es erwächst im vorliegenden Falle für denselben nur die Verpflichtung dafür zu sorgen, daß die im guten Glauben mit einer Vorbereitung einer neuen Ausgabe der von Herderschen Werke bereits befaßten Buchhändler, durch das nachträgliche Privilegium keinen Schaden erleiden.“

Es könne, so in einem älteren Schreiben an das Außenministerium20, lediglich um einen Schutz „der wohl erworbenen Rechte“ jener preußischen Buchhändler gehen, die vor der Publikation des projektierten Bundesbeschlusses eine neue Ausgabe der v. Herderschen Werke veranstaltet oder wenigstens vorbereitet hätten. Daraufhin erwiderte der Justizminister21, „daß ich mich von dem Standpunkt des Rechts aus nicht damit einverstanden erklären kann ein Privilegium zu bevorworten, was unserer Gesetzgebung ent­ gegenläuft. Jeder Buchhändler hat jetzt das unzweifelhafte Recht, die von Herderschen Schriften herauszugeben; Gründe des öffentlichen Wohls sind nicht vorhanden, welche eine Beschränkung rechtfertigen könnten. Das Recht der Buchhändler hat auf gleichen Schutz des Staats Anspruch wie das der Schriftsteller und man würde mit der beabsichtigten Begünstigung ein Beispiel der Willkühr aufstellen, welches alles öffentliche Vertrauen in die Gerechtigkeit der Regierung untergraben würde. Ich, als Justizminister, werde das Privilegium unter keinen Umständen bevorworten und ich kann nur wünschen, daß man sich von den Grundsätzen des Rechts nicht im Mindesten entfernen wolle.“ 19  Antwort

v. 11.  Mai 1841; GStA PK I. HA Rep.  84a Nr.  2372, 261–261v. an Außenministerium v. 3.  Mai GStA PK I. HA Rep.  84a, Nr.  2372, fol.  263–265. Zum Stichwort „wohl erworbene Rechte“ vgl. man noch: Gertrude Lübbe-Wolff, Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, in: ZRG GA 100 (1986), S.  104–139. 21  An das Kultusministerium v. 13.  Mai 1841, ebenda fol.  267; auch in Rep.  77 Tit.  338, Nr.  16, fol.  23; Rep.  90a Abt.  S Tit.  I Nr.  1 Bd.  II, fol.  13. 20  Kultusministerium



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Dass man im Kultusministerium dem nicht zustimmen wollte, zeigen bereits seine Randbemerkungen „ein Privilegium ist aber gerade eine exceptio iuris communis“ und: „an dieser vermeintlichen Ungerechtigkeit partizipieren aber alle Deutschen Bundesstaaten“. Die offizielle Antwort22 formulierte dies vorsichtiger: „Es kann allerdings nicht in Abrede gestellt werden, daß in dem gegenwärtigen Augenblicke jeder Buchhändler das unzweifelhafte Recht hat, die von Herderschen Schriften herauszugeben. Das Privilegium hat dagegen den Zweck, diese Werke dem freien Verkehr zu entziehen, und der Familie des Schriftstellers das ausschließliche Eigenthum daran für die nächsten zwanzig Jahre zu verleihen. Der innere Grund welcher eine solche Ausnahme rechtfertigt, ist die Anerkennung, welche die ganze Nation den Verdiensten Herders um die deutsche Sprache und Literatur nicht versagen kann, und die billige Rücksicht, den Erben des Verfassers, welcher sich in keiner glänzenden Lage befinden, die Früchte der Arbeit ihres Erblasses zufließen zu lassen. Die Ertheilung des Privilegiums ist ein Act der Nationaldankbarkeit. Es werden selbst diejenigen Buchhändler, welche sich dadurch von der jetzt freien Herausgabe der Herderschen Werke ausgeschlossen sehen, das Privilegium nicht als ein, das öffentliche Vertrauen schwächendes Beispiel von Willkühr aufnehmen, sondern schlimmstenfalls nur als eine zu weit gehende Anerkennung eines unbestrittenen Verdienstes. Aus obigem Gesichtspunkte hat auch die Bundesversammlung das Gesuch für die v. Herderschen Erben aufgenommen und befürwortet. Alle deutsche Staaten selbst diejenigen, nach deren Gesetzgebung die Rechte der Erben schon weit früher erloschen sein würden – haben sich beifällig erklärt, und die Preußische Regierung würde sich mit dem ganzen Geiste ihrer Politik in Widerspruch setzen, wenn sie allein eine Ausnahme machen wollte. Ich glaube hoffen zu dürfen, daß das Gewicht dieser Gründe die beabsichtigte Maßregel Ew. Excellenz in einem milderen Lichte erscheinen lassen wird.“

Das Justizministerium ließ sich nicht überzeugen; es schrieb zurück23: „Bei aller Achtung vor den großen Verdiensten Herder’s um die deutsche Sprache und Litteratur kann ich daher nur bei der in dem Votum vom 27.  März d. J. ausgesprochenen Meinung beharren. Die Preußische Regierung hat sich allerdings das wesentliche Verdienst erworben, auf die Sicherung des schriftstellerischen Eigenthums gegen Beeinträchtigungen vorzugsweise hingewirkt zu haben; darum glaube ich aber auch, daß man dieses Gesetz nicht durchlöchern, kein böses Beispiel aufstellen und ein Recht nicht wieder herstellen darf, was einmal untergegangen ist.“

22  Randnotizen in: Rep.  77 Tit.  338 Nr.  16, fol.  23; das Schreiben v. 24.  Mai 1841, ebenda 24–25, auch Rep.  90a Abt.  S Tit.  I Nr.  1 Bd.  II, fol.  11–12. 23  Rep.  77 Tit.  338 Nr.  16, fol.  27–27v (Abschrift).

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Dass sich auch das Außenministerium nicht mit dieser Haltung einverstanden erklären würde, war zu erwarten. Zur grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit meinte es24: „Wenn der Herr Justiz-Minister Mühler, wie es nach dessen Schreiben vom 13.  v. M. den Anschein gewinnt, die Ertheilung des Privilegiums deshalb für unzulässig erachtet, weil das Recht der Buchhändler auf gleichen Schutz des Staats Anspruch habe, wie das der Schriftsteller, so dürfte hiegegen wohl zu erinnern sein, daß die Absicht des Gesetzes vom 11.  Juni 1837 offenbar doch nicht dahin geht, fortan jede Ertheilung eines Privilegiums auszuschließen, wodurch das Recht der Schriftsteller und deren Erben über die gesetzliche Frist hinaus ausgedehnt und auf der anderen Seite also ein Werk der freien Spekulation der Buchhändler auf längere Zeit, als es das Gesetz anordnet, entzogen würde. Das Bedenken des Herrn Justiz-Ministers hat auch keine der Regierungen getheilt, welche mit Preußen eine gleiche, oder auch den Buchhändlern minder günstige Gesetzgebung über den Nachdruck haben. Nimmt man aber neben dem Gesetze vom 11.  Juni 1837 die Ertheilung eines solchen Privilegiums überhaupt für zulässig an, so scheint der Umstand, ob durch das Privilegium ein noch bestehendes Autorrecht verlängert, oder ein schon erloschenes neu hergestellt wird, wohl nur insofern von Bedeutung zu sein, als im zweiten Falle den Buchhändlern durch das Privilegium wirklich ein Schaden zugefügt werden kann. Die Möglichkeit einer solchen Schadenszufügung wird indessen gerade in dem vorliegenden Specialfalle durch die von den Herderschen Erben abgegebene Erklärung beseitigt und so das wirkliche Recht der Buchhändler gesichert, wogegen nicht angenommen werden kann, daß sie auch verlangen könnten, in der bloßen, noch nicht ausgeübten Befugnis zur Veranstaltung neuer Ausgaben der betreffenden Werke unter allen Umständen geschützt zu werden.“

In der Folgezeit gab es zwischen den übrigen Ministerien noch eine Diskussion um die Fassung der Rechtsvorbehalte zugunsten preußischer Buchhändler; man einigte sich aber und legte dem Staatsministerium ein gemeinsames Votum vor25. Darin wurden sowohl die eigenen Überlegungen als auch jene des Justizministers, denen die übrigen sich nicht anschließen wollten, vorgetragen. Die Haltung des Justizministers, der die Vorlage nicht unterzeichnet hat, wird in folgenden Passagen ausdrücklich zitiert: „Wenn auch der Schutz gegen Nachdruck durch Privilegien über die gesetzliche Dauer hinaus erstreckt werden könne, so sei dies doch nur so lange zulässig, als der betreffende Autor oder dessen Rechtsnachfolger überhaupt noch Anspruch auf Schutz haben. Schon die Verlängerung einer noch bestehenden Schutzfrist laufe der Tendenz der Preuß. Gesetzgebung zuwider, da die Letztere ein ewig dauerndes Autor- und Verlegerrecht verworfen und den Schutz des literarischen Eigenthums auf eine bestimmte Frist nach dem Tode des Verfassers beschränkt habe. Gleich24  Schreiben an das Kultusministerium v. 20.  Juni 1841; ebenda fol.  31–32 (Abschrift). 25  Votum v. 18.  Dezember 1841; Abschrift in Rep.  77 Tit.  338 Nr.  16, fol.  56– 61v; Original in Rep.  90a Abt.  S Tit.  I Nr.  1 Bd.  II, fol.  1–10.



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wohl rechtfertigten sich ausnahmsweise Bewilligungen längerer Schutzfristen insofern, als das Interesse der Wissenschaft sie nöthig mache, oder ganz besondere literarische Verdienste des Autors einer Begünstigung desselben das Wort reden. Wie aber eine solche Begünstigung ohnehin nur selten gewährt werden könne, ohne das Prinzip der diesseitigen Gesetzgebung zu zerstören, so sei dieselbe stets ausgeschlossen, wo gar keine Autorrechte mehr existieren, wo mithin einem Werke, das bereits Gemeingut ist, ein gesetzlicher Schutz gewährt werden soll. Das Interesse des Publikums erfordere eine solche ausnahmsweise Begünstigung nicht, da wenn die betreffennde Schrift noch Gegenstand allgemeiner Nachfrage ist, Buchhändler nicht fehlen würden, welche sie drucken lassen. Das Privat-Interesse eines Autors u. seiner Erben sei niemals stark genug, um durch eine Rechtsfiction ein Recht für fortdauernd zu erklären, das nach der Gesetzgebung untergegangen ist. Auch die deutsche Bundes-Versammlung sei davon ausgegangen, daß nur ein noch bestehendes Autorrecht über die gewöhnliche Schutzfrist hinaus verlängert werden könne, da der Art.  3 des Beschlusses vom 9. Nov. 1837 die Verlängerung der Frist ausdrücklich davon abhängig mache, daß der Antrag hiezu drei Jahre nach dem Erscheinen des Werkes gestellt werde.“

Dem hielten die anderen Minister26 entgegen‚ die Zulässigkeit der Mitwirkung Preußens könne letztlich nur davon abhängen, ob und wie man die berechtigten Interessen der preußischen Buchhändler schützen könne. Auch der Justizminister habe anerkannt, „daß die Absicht des Gesetzes vom 11. Juni 1837 nicht dahin gegangen ist, fortan jede Ertheilung eines Privilegiums auszuschließen, wodurch das Recht der Schriftsteller oder deren Erben über die gesetzliche Frist hinaus ausgedehnt und auf der anderen Seite also ein Werk auf längere Zeit als es das Gesetz anordnet, der freien Speculation der Buchhändler entzogen wird. Nimmt man aber neben diesem Gesetze die Ertheilung eines jene freie Spekulation theilweise wieder aufhebenden Privilegiums überhaupt als zulässig an, so fehlt es nach unserem Dafürhalten an einem ausreichenden Grunde, um die Ertheilung eines Privilegiums auf den Fall zu beschränken, wo dadurch ein noch gesetzlich bestehendes Autorrecht verlängert werden soll, und sie dann für unthunlich zu erachten, wenn durch das Privilegium ein schon erloschenes Autorrecht neu hergestellt werden würde. In beiden Fällen wird von dem Prinzip des Gesetzes abgewichen, welches mit dem Ablaufe von 30 Jahren nach dem Tode des Autors etc. seine Werke als Gegenstand freier Speculation betrachtet wissen wollte. Der Fall, wo durch das Privilegium ein erloschenes Autorrecht neu begründet werden soll, hat nur das Besondere, das hier den Buchhändlern, welche im Vertrauen auf den Fortbestand der derzeitigen Gesetzgebung zur Benutzung des ihnen durch das Gesetz eingeräumten Befugnis zur Veranstaltung neuer Ausgaben des betreffenden Werkes schon irgendwie Anstalten gemacht haben, durch Ertheilung des Privilegiums an bisher nicht ausschließlich Berechtigte ein wirklicher Schaden zugefügt werden kann. Der Entstehung eines solchen Schadens wird allerdings vorgebeugt oder eine Entschädigung dafür gesichert werden müssen, worüber weiter unten das Nähere hervorgehoben werden wird. In Beziehung auf diejenigen Buchhändler aber, welchen das Privilegium 26  Ebenda.

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einen Schaden um des Willen nicht zufügt, weil sie von der fraglichen ihnen zustehenden Befugnis Gebrauch zu machen noch gar nicht begonnen haben, können wir kein Bedenken dabei finden, ihnen die ungenutzt gelassene Befugnis mittels eines Privilegiums auf eine Zeit lang wieder zu entziehen, wenn es sich wie gegenwärtig darum handelt, ungewöhnliche Verdienste eines Autors um die Nationalliteratur auf diesem Wege ein ehrendes Anerkenntnis zugunsten seiner bedürftigen Nachkommen zu Theil werden zu lassen. Nach der Gesetzgebung fast aller deutschen Staaten, vielleicht mit alleiniger Ausnahme des Königreichs Sachsen, ist jeder gesetzliche Anspruch der v. Herderschen Erben auf Anerkennung eines ihnen zustehenden ausschließlichen Rechtes auf Vervielfältigung der Werke ihres Erblassers längst erloschen. Gleichwohl hat keine deutsche Regierung Bedenken getragen, ihre Zustimmung zu dem Bundesbeschlusse zugunsten der v. Herderschen Erben zu ertheilen, nur die Erklärung Preußens ist noch rückständig.“

Vor der Sitzung des Staatsministeriums meldete sich das Justizministerium nochmals zu Wort und bekräftigte seine Haltung27: „Da ich meine Ansicht über die Unzulässigkeit des in Antrag gestellten Privile­ giums bereits in vier unterschiedenen Mitteilungen ausführlich dargestellt habe …, so wird es genügen, wenn ich unter Bezugnahme darauf hier nochmals wiederhole, daß es sich nicht um Verlängerung eines den von Herderschen Erben etwa noch zustehenden, sondern um neue Verleihung eines längst erloschenen ausschließlichen Rechtes handelt. Indem ihnen ein solches ausschließliches Recht zugestanden und von neuem kreirt würde, müßte anderen die ihnen bereits zustehende Theilnahme daran und die freie Koncurrenz wieder entzogen werden. Die Herderschen Schriften sind ein Gemeingut der Nation der Literatur geworden, welches ihr nunmehr unverletzt erhalten werden muß. Außerdem würde noch überdies gelegentlich ein vergriffenes Herdersches Werk, wenn es die Herderschen Erben nicht selbst wieder herausgeben, ganz unzugänglich werden. Aus diesen Gründen muß ich meiner rechtlichen Ansicht treu bleiben und der in Antrag gebrachten Verkümmerung eines literarischen Gemeingutes nach wie vor widersprechen. Es kann auch nicht verkannt werden, daß es der Literatur nur zum Nach­ theile gereichen kann, wenn neue Redactionen und Recensionen des Textes auf diese Weise verschreckt würden. Mit demselben Rechte könnten auch die Erben noch länger verstorbener verdienter Schriftsteller auf ein Monopol mit den Geistesproduktionen ihrer frühesten Vorfahren Anspruch machen, und ein Privilegium nach dem anderen in Antrag bringen. Hiernächst muß ich bemerken daß das verehrliche Votum vom 18. v. M. v. J. nur solche Fälle suggeriert, wo Buchhandlungen eine neue Ausgabe Herderscher Schriften unternehmen könnten oder schon unternommen oder auch vollendet haben. Ebenso wichtig und für die Literatur noch wichtiger sind aber die Fälle, wo Gelehrte um künftig ein Herdersches Werk in neuere Rezension herauszugeben und zu kommentieren, ein langes Vorstudium gemacht haben und nunmehr durch das neue Privilegium in ihren literarischen Vorhaben gelähmt werden würden. Es kommt mithin nicht allein das Interesse der preußischen Buchhandels, es 27  Votum v. 1. Januar 1842; Konzept in Rep. 84a, 2372 fol 41–45 v; Abschrift in Rep.  90a S I, 1 Bd.  II, fol.  18–19.



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kommt auch das Interesse der Literatur überhaupt und einzelner Gelehrter insbesondere bei der gegenwärtigen Berathung zu berücksichtigen. Alle diese Bedenken sprechen meines Erachtens gegen die neue Verleihung eines völlig erloschenen Rechts, worauf die von Herderschen Erben gegenwärtig nicht mehr Anspruch haben als andere. Diese Bedenken werden auch durch die Modifikationen des gegenwärtigen Vorschlages nicht erledigt: denn wenn auch hiernach denjenigen preußischen Buchhandlungen, welche bereits eine neue Ausgabe Herderscher Schriften vollendet oder begonnen haben, das Recht auf die schon veranstaltete Ausgabe ausdrücklich vorbehalten werden soll, so ist damit nicht einmal diesen für fernere Auflagen und Ausgaben, worauf dergleichen buchhändlerische Unternehmungen berechnet sind, aber noch weniger der Literatur und wissenschaftlichen Thätigkeit überhaupt vorgesehen; es wird vielmehr die bereits gewonnene freie Konkurrenz wieder gehemmt und zu einer Menge von Exemplificationen Veranlassung geben, wenn einmal statuiert wird, daß erloschene Rechte der Autoren und der Erben in ihren Nachkommen wieder aufleben können. Unter diesen Umständen kann ich nur wünschen daß schon um des Prinzips willen seitens Preußens, die Zustimmung zu einem neuen Privilegium für die von Herderschen Erben nicht ertheilt werden möchte.“

Bevor das Staatsministerium zusammentrat, äußerte sich noch von Kamptz, der Minister für Justiz und für die Revision der Gesetzgebung in seinem Votum vom 21. Januar 184228. Er brachte einen neuen Gedanken in die Diskussion ein: „Bei der in Rede stehenden Angelegenheit muß zunächst vorausgesetzt werden, daß keines der von Herderschen Werke in dem Verlage einer Preußischen Buchhandlung erschienen ist. Sollte dies mit vollkommener Gewissheit feststehen, so dürften deren Rechte vorzubehalten sein, da der Grundsatz wohl anzunehmen sein dürfte, daß die vor dem Gesetze des 11.  Juni 1837 entstandenen älteren Verlagsrechte durch dies Gesetz nicht alterirt worden; da dasselbe, wenn auch der §  25 eine Anwendung desselben zu Gunsten früher erschienener Werke gestattet, es doch nirgends eine Anwendung zum Nachtheil bestehender Rechte gebietet. Da nun das Recht der Buchhandlung, die ein Werk in Verlag erhalten, nach §  1029 verglichen mit §  1017 und §  1020 Titel 2 Teil 1 des Allgemeinen Landrechts an keine Zeitfrist gebunden ist, so besteht es auch nach dem Erscheinen des Gesetzes vom 11.  Juni 1837 über die §  6 angeordnete Frist hinaus, und zwar in sempiternum, so lange die Buchhandlung existiert. Hiernach dürfte dem Rechte der diesseitigen Buchhandlungen nicht bloß durch eine Beschränkung des Privilegii auf die nach Publikation des betreffenden Bundestags-Beschlusses veranstalteten Ausgaben, sondern durch einen ausdrücklichen Vorbehalt der Verlagsrechte diesseitiger Buchhandlungen vorgesehen werden müssen, wenn solche Rechte vorhanden wären. Soweit meine Nachforschungen reichen, haben aber diesseitige Buchhandlungen keine Herderschen Werke in Verlag, und würden daher jene Bemerkungen keine Anwendung finden und habe ich sie mir nur erlaubt, um darüber eine nähere Recherche zu veranlassen. 28  GStA

PK Rep.  90a S I 1 Bd.  II fol.  20–21.

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…  Die dagegen von dem Herrn Minister Mühler angeführten Gründe sind zwar ganz folgerecht aus dem Gesetze vom 11.  Juni 1837 entnommen; da indeß nur von der allgemeinen Freiheit die Rede ist, ein dem Publico verfallenes Werk von neuem abdrucken zu lassen, so ist kein Eingriff in die Rechte eines Einzelnen vorhanden, und die Ertheilung des Privilegii, an die (be)dürfenden Erben läßt sich mit Rücksicht auf die Verdienste ihres Erblassers wohl rechtfertigen.“

In der Verhandlung des Staatsministeriums vom 31.  Mai 184229 wurden die vielfältigen Überlegungen gegen und für eine Zustimmung Preußens zum Antrag nochmals vorgetragen und erörtert. Die eine Seite gab u. a. zu erwägen, ob, wenn die durch das Gesetz von 1837 eingeräumte Freiheit durch ein Privileg wieder entzogen würde, nicht eine „einer Expropriation vergleichare Maasregel“ vorliege, die sich nur aus Gründen des allgemeinen Besten rechtfertigen lasse. Die andere Seite hob hervor, „daß bei der gegenwärtigen Lage der Sache die Preußische Regierung dem fraglichen Bundes-Beschlusse nicht wohl ihre Zustimmung vorenthalten könne. Bisher sei Preußen derjenige Staat des Bundes gewesen, der sich der Rechte der Schriftsteller vorzugsweise angenommen und sich bemüht habe, ihm eine möglichst ausgedehnte Anerkennung zu verschaffen. Nur mit großer Mühe habe man, bei den Bundesstaaten anderer deutschen Regierungen, wenigstens das Zustandekommen des Bundesbeschlusses vom 9.  November 1837 erreicht, der das Mittel gegeben habe, den Erben von Schiller, Goethe, J. P. F. Richter und Wieland ein ausschließliches Recht für den Umfang des Bundesgebietes und auf 20 Jahre zur Herausgabe der Werke ihrer Erblasser zu sichern. Auf diese Beispiele fußend hätten die Herderschen Erben um gleiche Begünstigung nachgesucht; alle deutschen Regierungen, auch diejenigen nicht ausgeschlossen, welche sonst einem ausgedehnten Schutz der Interessen der Autoren in Beziehung auf Verhinderung des Nachdruckes nicht geneigt gewesen, hatten sich für Bewilligung des Privilegiums zugunsten der Herderschen Erben ausgesprochen; nur Preußen halte seine Zustimmung zurück. Lehne man deren Ertheilung definitiv ab, so werde das nur einen ungünstigen Eindruck in Deutschland machen können, da durch die Wei­ gerung Preußens der beabsichtigte Bundesbeschluß unmöglich werde und auf diese Weise Preußen als der Staat erscheine, welcher den Erben eines um die deutsche Litteratur verdienten Autors das versagen wolle, was alle übrigen Bundesregierungen zu bewilligen geneigt sind, obwohl ihre Gesetzgebung meist den Schutz gegen Nachdruck in viel engere Grenzen beschränkt als dies in Preußen der Fall ist.“

Schließlich einigte man sich im Staatsministerium, dass Preußen seine Zustimmung erteilen solle, freilich nur unter den von dem Kultus- und dem Außenminister formulierten Bedingungen. Letztendlich hat auch das Justizministerium zugestimmt. 29  Protokoll, ebenda fol.  24–27; auch Bärbel Holtz (Bearb.), Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums, Bd. III: 9. Juni 1840 bis 14. März 1848, Hildesheim 2000, S.  114  f. (Nr.  125).



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Warum es das getan hat, bleibt unklar. Man wird an die neuen Hinweise auf das fortgeltende Verlagsrecht des Allgemeinen Landrechts zu denken haben, denn sie machen deutlich, dass der Gesetzgeber von 1837 wohl eine Lücke gelassen hatte. Die Frage nach der rechtlichen Behandlung der vor 1837 erschienenen Werke und damit auch die Frage nach der Fortgeltung älterer Rechte waren nicht geregelt. Diese Lücke ermöglichte eine Einzelentscheidung im Sinne der Privilegierung. Daneben und vor allem war die prekäre politische Situation im Bundestag zu beachten: Hier hatte Preußen seit Jahren auf Fortschritte im Urheberschutz gedrängt und selbst das „Privilegien-System“ nicht verschmäht, wenn es genutzt werden konnte, anderswo Fortschritte hin zu einem gesetzlichen Schutz der Urheber zu erreichen. Nun, als es drohte, mit den Prinzipien des eigenen Gesetzes in Konflikt zu geraten, konnte der Rückgriff auf ein „echtes Privileg“ nur sehr bedingt willkommen sein. Zwar galt der König immer noch als Herr des Gesetzes; dass eine absolute Monarchie wie Preußen das geltende Recht im Einzelfall verändern und begründen konnte, war also nicht ausgeschlossen, wie die älteren Privilegien und zahlreiche allerhöchste Kabinettverordnungen zeigen30. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der Justizminister dem im Gesetz verankerten Recht eine besonders hohe Dignität zugemessen hat. Die grundsätzliche Hochachtung des Gesetzes weist ihn als Vertreter einer Beamtenschicht aus, die auf die Gesetzlichkeit des staatlichen Handelns besonderen Wert gelegt hat. Gleichwohl musste auch er der praktischen Politik im Deutschen Bund Rechnung tragen. Eine gewisse Bestätigung erfährt diese Bewertung dadurch, dass der Fall des Herderschen Privilegs die Berliner Ministerien später veranlasste, die Lücke zu schließen, die das Urhebergesetz im Blick auf die vor 1837 erschienenen Werke gelassen hatte. Nach relativ kurzer Diskussion erging 1843 eine das Gesetz ergänzende, also ihm gleichwertige Verordnung für „Altfälle“31: Danach waren Entscheidungen wie jene im Falle des Herderprivilegs grundsätzlich vermeidbar. Nachdem Preußen eine konstitutionelle Verfassung angenommen hatte, gewann die Frage nach der Möglichkeit eines Privilegs eine ganze neue Form: Für jeden Akt der Gesetzgebung stand dem Parlament ein Mitwirkungsrecht zu; dass dies auch für eine Begünstigung im Einzelfall, mithin für ein „Privileg“ gelten musste, schuf neue Probleme32.

30  Huber,

Verfassungsgeschichte II (Fn.  1), S.  16  f. Protokolle (Fn.  28), S.  116  f. (Nr.  127). 32  Näheres dazu bei: Wadle, Abschied (Fn.  13), S.  115  f. 31  Holtz,

Der Schutz gegen den Nachdruck aus der Sicht eines preußischen Beamten Ein unbekanntes Votum aus dem Jahre 1825 Wer Rechtsgeschichte ernst nimmt, kommt nicht umhin, zu den Quellen vorzudringen, die uns Handeln und Denken vergangener Generationen erkennen lassen. Für Diethelm Klippel ist dies eine Selbstverständlichkeit, die sich nicht zuletzt durch seine Forschungen zu den naturrechtlichen Denkweisen in der Jurisprudenz des 19.  Jahrhunderts belegen lässt. Im weiten Bereich der Diskussion um den Rechtsschutz für „geistiges Eigentum“ sind derartige Spuren besonders häufig anzutreffen. Dass solche Einflüsse auch auf die praktische Politik eingewirkt haben, zeigt schon ein flüchtiger Blick in die einschlägigen Akten. Schaut man genauer hin, so lassen sich Belege finden, die das Miteinander von Theorie und Praxis direkt bestätigen. Ein bislang unbekanntes Votum eines hohen Berliner Beamten sei als Beleg hier etwas näher vorgestellt. Zunächst sind der Text des Gutachtens und eines Begleitschreibens mitzuteilen (I.). Danach ist auf den Kontext einzugehen, insbesondere auf den Autor und den Adressaten sowie auf den Anlass der Schreiben (II.). Überlegungen zum Inhalt und zur Wirkung (III.) mögen die Präsentation abschließen. I. Die Akten des Bevollmächtigten Preußens bei der Bundesversammlung in Frankfurt enthalten zwei Dokumente, die zusammen gehören: zum einen ein Begleitschreiben, auf das später einzugehen ist; zum anderen ein Votum, das keinen Titel trägt, aber vom Autor unterschrieben und datiert ist1. Das Gutachten hat folgenden Wortlaut: „Der Bücher-Nachdruck ist immer und unter allen Umständen ein Betrug 1. an den Früchten des Talents und Fleißes des Schriftstellers oder Herausgebers, 2. an dem Capital, welches der Verleger 1  Geheimes Staatsarchiv – Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin (= GStAPK), Hauptabteiung (= HA) I, Rep. 75 A (Acta der Koeniglichen Gesandtschaft am Deutschen Bundestage zu Frankfurt a / M) Nr.  589 („Generalia: Abstellung des BücherNachdrucks betr.“).

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Schutz gegen Nachdruck aus der Sicht eines preußischen Beamten a. dem Staate für die ihm landesherrlich ertheilte Concession zum Buchhandel gezahlt hat, und an den Kosten die er für seine Institut so wie zum Druck des Werks verwendet, b. dem Schriftsteller für das Werk entrichtet.

Der Verleger hat Concession und Manuscript nur unter der Voraussetzung und Bedingung theuer erworben, daß die zu seinem Handel, zu seinem eigenthümlichen Verlags- und litterarischen Eigenthumsrecht – dessen Beweis durch die unter den Titel gesetzte Firma deutlich ausgesprochen ist – von Schriftstellern gekauften Werke, ohne seine ausdrückliche Genehmigung nicht vervielfältigt, d. h. nachgedruckt, und auf diese Art mit dem Verlagsbuch füglich sein Verlagsrecht mitverkauft wird. Darum darf der Verfasser nur nach dem Verkauf der ersten Auflage, seine Handschrift für weitere Ausgabe einem anderen Verleger übergeben.   N. B. Neue Auflage heißt ein neuer unveränderter Abdruck einer Schrift in eben demselben Format.   Neue Ausgabe hingegen ist ein neuer Druck einer Schrift in verändertem Formate oder mit Veränderungen im Inhalt. So wie dem Staate ausschließlich das Recht zusteht, Spielcharten und Kalender als Staatseigenthum zu drucken und die Einfuhr derselben zu verbieten, so hat der rechtmäßige Verleger einer Schrift als Privateigenthümer derselben ein Recht, Andere von dem Debit auszuschließen. Es ist auch gleichgültig, ob der Verleger in einzelnen Fällen ein landesherrliches Privilegium für eine Druckschrift erhalten hat oder ob er auf dem Titelblatt hat vermerken lassen, daß er sie nur unter der Bedingung verkauft, daß sie nicht nachgedruckt werde. In beiden Fällen ist der Reatus des Nachdruckes durch Verletzung der Rechte des Schriftstellers und Verlegers umso größer und strafbarer, die Sache selbst bleibt dieselbe. Eine einzige Ausnahme kann hiervon Statt finden, nehmlich die: wenn ein Schriftsteller oder Verleger eine Schrift auf seine Kosten, ohne Absicht daraus Gewinn zu ziehen, bloß auf dem Grund sie in das Publikum zu bringen, drucken läßt. Denn alsdann hat er keinen Nachtheil von dem Nachdruck, vielmehr wird sein Zweck ohne eigene Aufopferung erreicht. Wie selten ist aber dieser Fall! – Der Nachdruck ist daher wider das Naturrecht, nach welchem jeder das Eigen­ thum seines Fleißes und seiner Geschicklichkeit genießen soll, gegen allgemeine Grundsätze des positiven Rechts, und gegen Vertrag, und er ist umso mehr strafbar, als der Nachdrucker den Nachdruck wohlfeiler verkaufen kann, wie der rechtmäßige Verleger für sein Original, und als er nur solche Schriften nachdruckt, die schon am meisten gesucht werden, er mithin die Gefahr des Absatzes mit dem Eigenthümer nicht theilt. Es braucht daher nicht einmal spezieller Gesetze gegen denselben. Dennoch haben die gebildesten Staaten Europas und Deutschlands sie gegeben. Am umfassendsten hierüber spricht sich ohnstreitig die preußische Legislation aus. Ich füge die betreffenden Gesetze in Abschrift bei. Sie verbieten den Nachdruck eines jeden Buchs, auf welches ein königlicher Unterthan durch einen mit dem Verfasser geschlossenen Vertrag ein Verlagsrecht hat, und auch wenn das Recht des Verfassers und Verlegers dergestalt erloschen ist, daß jeder eine neue Ausgabe des Werks veranlassen kann, den Nachdruck der zweiten Ausgabe derselben, selbst den Handel mit auswärts nachgedruckten Büchern wenn der diesseitige Unterthan auf das Original ein Verlagsrecht hat. Außer der Civil-Entschädigung



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welche der innländische Nachdrucker, oder der Verkäufer auswärts nachgedruckter Bücher, deren Verlag einem Landesunterthan gebührt, dem Verleger zu theil werden lassen muß, und welche in dem Gesetze des von demselben dem Verfasser gezahlten Honorarii und der mehreren Kosten besteht, die er wegen besserem Druck und Papier, gegen den Nachdruck gerechnet, auf die rechtmäßige Auflage verwendet hat, leiden sie noch öffentliche Strafe. Dieselbe ist, sollte der rechtmäßige Verleger der nachgedruckten Schrift auf sie ein besonderes Privilegium erhalten hat, und dieses im Original vorgedruckt oder hinter dem Titelblatt desselben nur angezeigt worden ist, Auferlegung der in dem Privilegio angedrohten Strafe, sonst aber auf Confiscation und Zerstörung der nachgedruckten Exemplare oder auf Überlassung derselben an den rechtmäßigen Verleger, wenn selbiger sie übernehmen und dem Nachdrucker oder Verkäufer die darauf verwendeten Auslagen, welche jedoch die ihm zu leistende Entschädigung abzurechnen oder soweit sie dazu nicht erforderlich, an die Strafcasse zu zahlen sind, erstatten will, bestimmt. Es ist sogar verboten, daß ein Schriftsteller mit seinem Werke Anmerkungen zu anderen Büchern oder einzelnen gedruckten Schriften ohne Einwilligung deren Verfasser und Verleger drucken und in den königlichen Staaten verkaufen lasse. Selbst Auszüge daraus dürfen nicht besonders gedruckt werden. Blos neue Ausgaben ausländischer Schriftsteller, welche außerhalb Deutschland oder den königlichen Staaten, in einer fremden Sprache schreiben, und deren Verleger weder die Frankfurter noch die Leipziger Messe besuchen, sind nachzudrucken erlaubt, und modo retorsionis gegen auswärtige Staaten ist der Nachdruck nicht strafbar. In Frankreich ist der Nachdruck einheimischer Werke während des Lebens des Verfassers, und bis nach Ablauf von 10 Jahren nach seinem oder seiner Verleger Tod bei Strafe der Confiscation und Erlegung einer dem Werthe von 3000 Exemplaren der Originalausgabe gleichkommenden Summe für den Nachdrucker und von 500 Exemplaren für den Verkäufer verboten.    Daß diesfällige Gesetze vom 19. Juli 1793 liegt in Abschrift bei.    Außerdem ein Extract des Gesetzes vom 5.  Februar 1810. In England sichert ein Gesetz vom 8. Jahre der Königin Anna einem jeden Verleger durch 14 Jahre sein Verlagsrecht mit Verbot alles Nachdrucks. In den Niederlanden wird ein jeder Buchhändler so bald er nur den vorhabenden Druck eines Werkes bekannt macht, schon dadurch für privilegirt gehalten, daß kein anderer Buchhändler das Buch nachdruken, noch fremden Nachdruck desselben debitiren darf. Österreichs allgemeines bürgerliches Gesetzbuch verweiset im §  1171 hinsichts der Beschränkungen des Nachdrucks auf die politischen Gesetze. Im Badenschen verpönt eine besondere Verordnung vom 8. September 1806 und das badensche Landrecht Art.  577 den Nachdruck. In Baiern wird der Nachdruck durch das Strafgesetzbuch (1813) Theil I Art.  397 für polizei-strafbar erklärt. Eben so in Holstein-Oldenburg durch das Strafgesetzbuch Art.  1116. Im Würtembergschen sind durch die Verordnung vom 25.  Februar 1815 nur die Bücher, für welche ein inländisches Privilegium spricht, gegen Nachdruck sicher gestellt (Allgemeiner Anzeiger der Teutschen 1815 Nr.  77).

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Die Deutsche Bundesakte vom 8.  Juni 1815 verweiset Art.  18 die Abfassung gleichförmiger Verfügungen über Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen Nachdruck an die Bundesversammlung. Nach dem Artikel in Nr.  56 des Hamburger Correspondenten vom 8. April d.J. de dato Frankfurt dem 2. April 1825 ist in der 8.  Sitzung der Bundesversammlung auf den Vortrag des königlich bayrischen Bundestagsgesandten Herrn von Pfeffel der Antrag des Staatsministers von Goethe: daß er durch ein Privilegium durch den Nachdruck einer neuen Ausgabe seiner Werke in allen Bundesstaaten gesichert werden möge, wenigstens in so weit für zulässig befunden worden, als sämtliche Herren Bundestagsgesandte ersucht worden sind, es zu übernehmen, sein Gesuch angebrachtermaßen ihren resp. Regierungen bevorwortend vorzulegen, und dadurch die gewünschte Erledigung in geeignetem Wege zu bewirken. Hoffentlich wird den Buchhändlern Spitz in Cölln und Manklot in Stuttgart bald ihr Nachdruckerhandwerk gelegt werden. Daß übrigens nicht bloß Bücher, sondern auch Landcharten, Kupferstiche, topographische Zeichnungen und musicalische Compositionen unter dem Verbot des Nachdrucks begriffen sind, versteht sich, weil sie gleichfalls einen Gegenstand des Verlagsrechts ausmachen. In dem Preußischen Landrecht Teil 1 Titel 11 § 997 und in dem französischen Gesetze vom 19. Juli 1793 ist dies wörtlich ausgedrückt. Die Gründe, welche die Vertheidiger des Nachdrucks für ihre Meinung anführen, sind gewöhnlich folgende zwei: 1. Daß die Verleger beim Schutze gegen den Nachdruck den Preis ihrer Bücher zu hoch setzen würden. Die Erfahrung soll in England das Gegentheil bestätigen. Dort sollen die Bücher am wohlfeilsten seyn. Übrigens wird der rechtmäßige Verleger aus Besorgnis, daß sein Werk nachgedruckt werden könnte, wenigstens die zuerst abzusetzenden Exemplare desselben vertheuren. 2. Daß jedes brauchbare theure Buch wohlfeil werde, und das Geld für ausländische Geistesprodukte, die im Lande nachgedruckt würden, nicht außer Landes gehe. Dies ist wahr, denn der Nachdrucker hat keinen anderen Geldaufwand zu machen als für seinen Druck und für Papier; allein abgesehen davon, daß die Nachdrücke zu der in der Regel nachlässig, fehlerhaft und schlecht sind, so kann dieser Grund die Handlung des Betruges an einem litterarischen Eigenthum nicht entschuldigen, noch weniger rechtfertigen. Uibrigens bemerke ich, daß ich die gründlichste Abhandlung über diesen Gegenstand, die auch in Beziehung auf die Geschichte des Buchhandels und des Nachdrucks gelehrten Werth hat, in Pütters Beiträgen zum deutschen Staats- und Fürstenrecht, Göttingen 1777. Band 3. pag. 242. so wie Litteratur über den Nachdruck in Pütters Litteratur des teutschen Staatsrechts Göttingen 1783. Band 3. pag. 595, die jedoch nur bis zum Jahre 1780 geht, gefunden habe. Raumer Berlin, den 29. Juli 1825“



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Dem Votum sind Gesetzestexte als Anhang beigegeben. An erster Stelle steht ein „Auszug aus dem Allgemeinen Landrecht“ mit den Texten von Teil I Titel 11 §§ 996 bis 998, 1023 bis 1036 und Teil II Titel 20 §§ 1294–1297. Es folgenden Texte, zunächst einige aus der „ Loi du 19 Juillet 1793, relative aux droits de propriété des Auteurs d’écrits en tout genre“ mit den Artikeln 1 bis 7; angefügt ist ein „Auszug aus dem Decrèt impérial contenant Règlement sur l’Imprimerie et la Librairie du 5 Fevrier 1810“, Titre VII Art.  41 bis 43. Dem Gutachten ist ein Schreiben des Autors an den preußischen Gesandten bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt vorangestellt. Es lautet folgendermaßen: „Hochwohlgeborener Herr, Höchstzuverehrender Herr General-Postmeister und Bundestags-Gesandte(r) Gnädigster Herr, Ew. Exellenz geruhten mir vor Ihrer letzten Abreise von hier, die Anfertigung eines Aufsatzes über den Nachdruck anzubefehlen. Wenn ich diesem hohen Befehle erst jetzt Folge geleistet habe, so war wahrlich nur die drückende Last schwerer häuslicher Leiden durch Krankheit meiner Gattin und meiner Tochter die Ursache des Aufschubs. Mögten Ew. Exellenz die Verzögerung doch nicht ungnädig aufnehmen, und mögten Sie die geringfügige Arbeit, die ich Ew. Exellenz zu überreichen die Ehre habe, nur als einen Versuch für die Bearbeitung eines Gegenstandes betrachten, über den sich in alle Beziehungen nichts Neues sagen, das Alte aber nicht oft genug wiederholen läßt. Ich verharre in treuer Verehrung und inniger Ergebenheit Ew. Exellenz ganz gehorsamster Raumer

Berlin, den 29. Juli 1825

II. Über den Autor des Gutachtens sowie des Briefes unterrichten uns einige ältere Kompendien2 und insbesondere ein Aufsatz aus dem Jahre 2  Ausführlichere Angaben über R. sind zu finden bei: Ernst Friedländer, in: Allgemeine Deutsche Biographie (= ADB) Bd. 27 (1880), S. 416–418. Weitere Hinweise bietet die Sammlung: Deutsche Biographie Index 6 (München) 1998, S.  2781; besonders hervorzuheben sind neben den in Fn.  3 genannten Aufsatz die Beiträge von Andreas Gottfried Schmidt, im Anhalt’schen Schriftstellre-Lexikon, 1830, und eine ausführliche Erwähnung in „Neuer Necrolog der Deutschen“, Jg. 11, 1833 (1835).- Ein summarischer Überblick über den Lebenslauf bei Christina Rathgeber (Bearb.), Die Protokolle des Preußischen Staatsministeriums 1817–1934 / 38, Bd.  1:

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19303. Karl Georg von Raumer (1793–1833) hatte in den Jahren um 1820 zahlreiche Funktionen zu erfüllen. Er amtierte als vortragender Rat im Kanzleramt unter Hardenberg; seit 1818 war er Mitglied des Staatsrats, 1819 wurde Raumer Präsident des Ober-Zensur-Kollegiums und 1822 wurde er zum Direktor im Hausministerium und Direktor des Geheimen Staatsund Kabinettsarchivs und der Provinzialarchivverwaltung ernannt. Die hohen Ämter, die 1825 um die Titel „Wirklicher Geheimer Rat“ und „Exzellenz“ ergänzt wurden, zeigen an, dass er zu den oberen Rängen der Berliner Beamtenschaft gehörte. Raumers Werdegang hatte sich nach dem Studium der Rechte in Leipzig in mehrere Etappen vollzogen; zunächst hatte er sich bei preußischen Justizbehörden und Gerichten bewährt; seit 1797 bearbeitete in den Zentralbehörden auswärtige Angelegenheiten und Justizfragen, um schließlich 1814 zum Sektionschef im Außenministerium zu avancieren. Später verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die bereits erwähnten Funktionen im Kanzleramt, im Staatsrat im Zensurkollegium und im Archivwesen. Im Laufe seines wechselvollen Berufslebens trat Raumer mehrfach als Autor hervor; seine publizierten Schriften befassten sich überwiegend mit Fragen der praktischen Jurisprudenz4. Mit den in Artikel 18 d der Bundesakte angeschnittenen Themen – der Pressefreiheit einerseits, dem Schutz gegen Nachdruck andererseits – hat sich Raumer nicht öffentlich, wohl aber im Kontext seiner Amtsgeschäfte auseinandergesetzt. Als vortragender Rat im Kanzleramt unter Fürst Hardenberg und im Außenministerium hat Raumer ausführliche Voten zur Problematik der „Preßfreyheit“ vorgelegt5. Im Sommer 1817 wurde er mit der Erfassung einer Denkschrift beauftragt, die eine Verständigung mit Österreich über ein „Bundes-Preßgesetz“ vorbereiten sollte. Schon dabei wurde deutlich, dass er „den liberalen politischen Tendenzen der Zeit fern stand (Schulze): Raumer verlangte „vollständige Pressfreiheit für alle wissen19.  März 1817 bis 30.  Dezember 1829 (Acta Borussica Neue Folge, 1. Reihe), Hildesheim u. a. 2001, S.  387  f. 3  Johannes Schultze, Karl Georg v. Raumer, in: Mitteldeutsche Lebensbilder Bd.  4. 1930 (469). Dieser Aufsatz ist nach der Microfiche-Ausgabe der Deutschen Biographien Index (Fn.  2) II 302–318 verwendet. 4  Während seiner Tätigkeit bei Gerichten und Justizbehörden verfasste R. Aufsätze zu Problemen um Vormundschaft und Kindermord, publizierte aber auch Gedichte u. a. Literaturwerke. 5  Zum Folgenden vgl. man für die Zeit vor 1818 die Hinweise bei Schultze (Fn.  3). Das „Memoire“ vom 21.  Januar 1818 ist enthalten in: GStAPK HA III Ministerium des Auswärtigen (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8944. Ob dieses Memoire mit der von Schultze angesprochenen Denkschrift, die dem preußischen Bundestagsgesandten vorgelegt worden ist, identisch ist, konnte noch nicht geklärt werden.



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schaftlichen Werke, dagegen die Handhabung einer strengen Zensur bei der Zeitungspresse“ (Schulze). Wenig später äußerte sich Raumer in einem auf den 21. Januar 1818 datierten „Memoire“ deutlich gegen eine Initiative Sachsen-Weimars in der Bundesversammlung. Diese Vorschläge liefen darauf hinaus, die Grenzen der in Sachsen-Weimar grundsätzlich anerkannten Pressefreiheit im Einvernehmen mit den übrigen Regierungen zu definieren6. Raumer verurteilte bei dieser Gelegenheit vor allem die Kritik der liberalen Zeitungspresse an der Politik der Fürsten und ihrer Regierungen. Er argumentierte auch gegen die These, durch Art.  18 d der Bundesakte sei die Freiheit der Presse bereits anerkannt. Die Bundesversammlung habe bei der Garantie der Weimarer Verfassungsverhältnisse diesen Artikel nicht beachtet; er gebe aber Weimar keinerlei Befugnis, „ein Recht als unbedingt und unbeschränkt anzusprechen, welches durch gleichförmige Verfügungen aller deutschen Bundesstaaten sich erst näher gestalten sollte, sey es als ein Recht auf unbedingte, unbeschränkte, sey es vielmehr als ein Recht auf solche auf heilsam bedingte und beschränkte Preßfreyheit“. Auch habe Weimar nicht das Recht, etwas zu bestimmen, was weit über die Grenzen des dortigen Gebiets hinausreiche; selbst wenn sich die Preßfreiheit nur „auf dortige Landesangelegenheiten“ beziehe, so dürfe dies nur geschehen, solange nicht die innere und äußere Ruhe „des dortigen Landes“ darunter leide; über andere Gegenstände als Weimarsche Landesangelegenheiten habe Weimar selbst bei sich nicht das Recht unbedingte und unbeschränkte Preßfreiheit anzuordnen. Im Anschluss daran wird der aktuelle politische Hintergrund deutlich: „Die zügellose Frechheit, mit welcher dort herauskommende Zeitschriften deutsche und fremde Regierungen und Privatpersonen angegriffen haben, und den undeutschen Vorgang auf der Wartburg (denn deutsch heißt, was besonnen, rechtlich, sittlich, fromm ist) haben Preußen und Österreich veranlaßt, angemessene Schritte … zu thun … wider Frechheit, Unfug, Unwahrheit und Demagogie“.

Zu den ebenfalls durch Artikel 18  d anstehenden Fragen des Schutzes gegen den Nachdruck hat sich Raumer bei dieser Gelegenheit nicht geäußert. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die durch den oldenburgischen Bundestagsgesandten von Berg vertretene strikte Trennung von „Preßfreyheit“ und Zensur einerseits und Nachdruckschutz andererseits der preußischen Politik und damit auch den Vorstellungen Raumers entsprochen haben7. Die österreichische Seite wollte am Junktim von Zensur und Nach6  Protokoll der 18. Sitzung am 17. April 1818 § 99, in: Protokolle der Deutschen Bundesversammlung (= ProtBV) 1818, S.  257  ff. 7  Dazu Näheres bei Ludwig Gieseke, Zensur und Nachdruckschutz in deutschen Staaten in den Jahren nach 1800, in: Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa. Entwicklungslinien und Grundfragen (Schriften zur Euro-

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druckschutz festhalten und war schon deshalb mit den preußischen Zielen kaum zu vereinbaren. Da die Karlsbader Beschlüsse die österreichischen Absichten begünstigten, wurde die Diskussion um den Schutz der Schriftsteller und Verleger in der Folgezeit stark beeinträchtigt8. Der Adressat von Votum und Brief, mithin Karl Friedrich Ferdinand von  Nagler (1770–1846)9, kam später als Raumer mit den Problemen um Art.  18 d der Bundesakte in Berührung. 1824 trat Nagler an die Stelle des bisherigen Bundestagsgesandten August Graf von der Goltz und verblieb in diesem Amt bis 1835. Danach fungierte er in Berlin noch mehrere Jahre lang (1836-1846) als Geheimer Staatsminister ohne Ressort. päischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 10), Berlin 1993, S.  21–31; ders., Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1825, Baden-Baden 1995 bes. S.  203  ff. Zu weiteren Einzelheiten vgl. man: Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Helmut Reinalter, Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830–1848 / 49, Frankfurt a. M. 2002, S. 229–249; ders., Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck, in: Thorau / Penth / Fuchs (Hg.), Regionen Europas – Europa der Regionen. Fs für KurtUlrich Jäschke zum 65.  Geburtstag, Köln u. a. 2003, S.  231–245; ders., Grundrechte in der Deutschen Bundesakte? Notizen zu „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ (Art.  VIII d), in: Bröhmer u. a. (Hg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Fs für Georg Ress zum 70.  Geburtstag, Köln 2005, S.  1333–1351; ders., Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des Deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: Kern u. a. (Hg.), Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte. Fs für Adolf Laufs zum 70.  Geburtstag, Berlin u. a. 2005, S.  431–457; ders., Kontrolle und Schutz – Presserecht des 19.  Jahrhunderts im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und Privatrecht, in: C. Zimmermann (Hg.), Politischer Journalismus. Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20.  Jahrhundert (Schriften der Siebenpfeiffer-Stiftung 8), Ostfildern 2006, S.  61–77. Diese Aufsätze sind zu finden teils in: ders. Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte II, München 2003, teils in diesem Sammelband. 8  Zu Berg und den Debatten um den Frankfurter Entwurf sind noch zu nennen: Ludwig Gieseke, Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (= UFITA) Bd.  138 (1999), S.  117–151; Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819. Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, in: UFITA Bd.  138 (1999), S.  153–181, auch in: ders., Geistiges Eigentum II S.  221  ff. 9  Zu N. insbesondere der Art.  E. Kelchner, in: ADB 23 (1886), S.  233–237; Meier / Erwin Müller-Fischer, Einen summarischer Überblick bietet Rathgeber, Protokolle (Fn. 2), S. 384. Neue Deutsche Biographie (= NDB) 16 (1997), S. 717–728. Ob Nagler auf das Schreiben Raumers etwa in einem Dankesbrief reagiert hat, ist den Akten nicht zu entnehmen.



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In seiner Frankfurter Zeit wurden nicht nur die für die Entwicklung des Urheberrechts so wichtigen Bundesbeschlüsse von 1832 und 1835 gefasst, sondern auch der Bundesbeschluss von 1837 vorbereitet10. Am Beginn seiner Tätigkeit am Bundestag war die Diskussion um den Nachdruck freilich über viele Monate hinweg gehemmt, weil sich Österreich nicht zu den vorgelegten Plänen äußern wollte. Nagler gelang es dann jedoch, durch seinen massiven Einsatz zugunsten des Goetheschen Privilegiengesuchs am Bundestag die Diskussion neu zu beleben. Das im Brief Raumers erwähnte Berliner Treffen mit Nagler dürfte in den ersten Monaten des Jahres 1825 stattgefunden haben. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass Nagler bereits vor seiner Reise nach Wien mit Raumer gesprochen hat; diese letztgenannte Reise fand ja im Januar 1825 statt und diente nicht zuletzt dazu, das Anliegen Goethes beim österreichischen Hof zu befördern. Es spricht allerdings mehr dafür, dass sich Nagler in den ersten Monaten des neuen Jahres, wahrscheinlich im Februar, mit Raumer in Berlin getroffen hat. Es ist nachgewiesen, dass Nagler an den ersten vier Sitzungen der Bundesversammlung in Frankfurt nicht anwesend war; er wurde dabei durch den bayerischen Gesandten vertreten. Erst an der fünften Sitzung vom 24.  Februar nahm Nagler wieder teil. Das Gespräch dürfte demnach in der Zeit vor dem 24. Februar stattgefunden haben. Bald darauf, am 17.  März, wurde das Privilegiengesuch Goethes offiziell ins Protokoll des Bundestages aufgenommen11. Durch das Gespräch mit Nagler mag Raumer besonders aufmerksam die Verhandlungen am Bundestag verfolgt haben; die Erwähnung des Berichts des bayerischen Bundestagsgesandten von Pfeffel in Raumers Gutachten deutet auf dieses gesteigerte Interesse hin.

10  Einzelheiten bei: Gieseke, Vom Privileg (Fn.  7), S.  203  ff. Zur Entwicklung des Urheberrechts im 19.  Jahrhundert darf noch hingewiesen werden auf die einschlägigen Aufsätze des Autors dieses Beitrages in den beiden Sammelbänden „Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte I, II, Weinheim / München 1996 / 2003. Hinzuzufügen sind außerdem die in Fn.  7 genannten: Elmar Wadle, Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt.  124 (2007), S.  144–166. Ergänzend zu den in Fn. 10 Darstellungen seien erwähnt: Elmar Wadle, Preußens Initiative zum Schutz gegen Nachdruck (1826– 1829): Zweiseitige Abkommen als Aushilfe, in: Hans-Georg Hermann u. a. (Hg.), Fs. für Hermann Nehlsen, Köln 2008, S. 307–331, auch in diesem Sammelband. 11  Vgl. ProtBV1825 S.  32, 33, 39, 43.- Zu Goethes Antrag: ProtBV 1825 S.  59 (§  35) Beschluss zum Einreichungsprotokoll; S.  63  ff. (§  38): Bericht des bayerischen Gesandten von Pfeffel im Namen der „Reclamations-Commission“, Debatte und Beschluss.

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III. Das Gutachten Raumers lässt Rückschlüsse auf seine rechtliche Beurteilung der Nachdruckproblematik zu. Ins Auge fällt insbesondere das am Ende des Votums niedergelegte Bekenntnis zu Johann Stephan Pütter (1725–1807) und dessen Standpunkt in der Nachdruckfrage. Pütter hatte bereits 1774 in seiner Abhanldung „Der Büchernachdruck, nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft“12 den seit Beginn des 18.  Jahrhunderts bekannten Begriff des „Geistigen Eigentums“ aufgegriffen und zugunsten der Rechte der Verleger erweitert13. Für Raumer bot Pütters Ideenwelt offenbar den richtigen Ansatz um die Probleme um den Nachdruckschutz zu bewältigen. Es fällt freilich auf, dass Raumer Pütters Schrift von 1774 nicht ausdrücklich erwähnt, sondern allenfalls mittelbar zitiert, da sie in Pütters Literaturwerk von 1780, auf das sich Raumer bezieht, genannt wird14. Den von Raumer zitierten Aufsatz „Von Bücherprivilegien und ob und wieweit ohne dieselbe Bücher nachzudrucken erlaubt sey?“, der in einem Band der zitierten „Beiträge“ enthalten ist und gewissermaßen eine Kurzform des „Büchernachdrucks“ darstellt15, scheint Raumer gelesen zu haben. Letztlich legen diese Befunde ebenso wie eine Passage seines Votums den Schluss 12  Das Werk ist erschienen „Göttingen im Verlage der Wittwe Vandenhoek, 1774“. Ein Nachdruck ist in der von Reinhard Wittmann herausgegebenen Reihe „Quellen zur Geschichte des Buchwesens“ als „Nachdruck und geistiges Eigentum, Band 2“, München 1981, zu finden. 13  Zur Vorgeschichte der Lehre vom geistigen Eigentum und Pütter ausführlich und mit vielen Hinweisen: Martin Vogel, Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte zwischen 1450 und 1850. Sozial- und methodengeschichtliche Entwicklungsstufen der Rechte von Schriftsteller und Verleger, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens (= ADB) 19 (1978), Sp. 1–190, bes. Sp.  63  f.; Ludwig Gieseke, Vom Privileg (Fn.  7), S.  115  ff., 163; Barbara Dölemeyer / Diethelm Klippel, Der Beitrag der deutschen Wissenschaft zur Theorie des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland. Fs zum 100jährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd.  1, Weinheim 1991, S.  185–237; Diethelm Klippel, Die Idee des geistigen Eigentums in Naturrecht und Rechtsphilophie des 19.  Jahrhunderts; in: Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht (Fn. 7), S. 121–138; zu Pütter insb.: Gerd Kleinheyer, Johann Stephan Pütter (1725– 1807), in: ders. / Jan Schröder (Hg.), Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten, 4.  Aufl., Heidelberg 1996, S.  331–335; Wolfgang Neusüß, Gesunde Vernunft und Natur der Sache. Studien zur juristischen Argumentation im 18.  Jahrhundert (Schriften zur Rechtsgeschichte 2), Berlin 1970, bes. S.  76  ff. 14  Johann Stephan Pütter, Litteratur des teutschen Staatsrechts, Dritter und letzter Theil, Göttingen 1783 (ND Frankfurt a. M. 1965), S.  595 Nr.  8. 15  Zu den „Beyträgen zum Teutschen Staats- und Fürsten-Rechte“ sei noch angemerkt: Die Angabe Raumers „Band 3. Seite 242“ stimmt mit den Angaben von



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nahe, dass Raumer den Gedanken Pütters folgt ohne eigene Ansätze zu entwickeln. Entscheidend war für Raumer der Grundsatz, den er in seinem Votum so formuliert: „Der Nachdruck ist … wider das Naturrecht, nach welchem jeder das Eigenthum seines Fleißes und seiner Geschicklichkeit genießen soll“.

Raumer folgert daraus: „Es braucht … nicht einmal spezieller Gesetze gegen denselben“, mithin gegen den Nachdruck. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass Raumer auch die einschlägigen Normen des Allgemeinen Landrechts und die Gesetze anderer Staaten hervorhebt und besonders auf das Recht Frankreichs aus der Zeit der bürgerlichen Revolution und Napoleons hinweist. Offenbar sah Raumer im Bereich des „Geistigen Eigentums“ keinerlei nennenswerten Widersprüche zwischen naturrechtlichem Denken und positiven Gesetzen. Der Ansatz im Sinne Pütters reichte für den preußischen Beamten aus, um den Nachdruck als unrecht, als „Betrug“16 zu begreifen. In der Diskussion, die die Bundesversammlung zwischen 1819 und 1837 geführt hat, war eine solche Sicht nicht durchzuhalten. Schon die intensive Auseinandersetzung um den „Frankfurter Entwurf“ von 1819 ließen deutlich werden, dass der Rückgriff auf das „Geistige Eigentum“ im naturrechtlichen Sinne noch nicht zu allseits akzeptierbaren Ergebnissen führten konnte. Man brauchte Kompromisse, um das in Art.  18 d gesteckte Ziel eines möglichst gleichförmigen Schutze der Schriftsteller und Verleger durch positives Recht zu erreichen. Erst der Bundesbeschluss von 1837 ermöglichte den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum modernen deutschen Urheberrecht.

Neusüß, Gesunde Vernunft (Fn.  13), S.  131 nicht überein; N. zitiert „Bd.  1 S.  241– 292“. 16  Zur Problematik der zeitgenössischen Begriffe „Betrug“ und „Fälschung“ („falsum“) weitere Hinweise bei Udo Ebert, Artikel „Betrug“, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, 2.  Aufl., 3.  Lfg., Berlin 2005, Sp. 555–557. Zu verwandten Problemen im Bereich des Markenschutzes schon: Elmar Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19.  Jahrhundert, I / II (Schriften zur Rechtsgeschichte 14 / 30), Berlin 1977 / 1983, hier: Bd. 1, S.  276  ff. u. Bd. 2, S.  269  ff.

Preußens Initiative zum Schutz gegen Nachdruck (1826–1829): Zweiseitige Abkommen als Aushilfe Als sich abzeichnete, dass die Diskussion im Deutschen Bund um den 1819 vorgelegten Entwurf zum Urheberrecht vorerst keine Ergebnisse mehr zeitigen würde1, nahm der preußische Gesandte am Bundestag, Generalpostmeister Karl Ferdinand Friedrich von Nagler, jede Gelegenheit wahr, um die Verhandlungen über den Schutz gegen Nachdruck neu zu beleben. Er erkannte früh, dass Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg eine gute Chance dazu bot2. Als die Verhandlungen um diesen Antrag erfolgreich abgeschlossen werden konnten, bot ein im Außenministerium entwickelter Plan neue Ansätze: Berlin wollte mit den anderen „Bundesstaaten“3 direkt verhandeln und auf diese Weise mit möglichst allen Mitgliedern des Deutschen Bundes separate Vereinbarungen erreichen, die ganz im Sinne des modernen Fremdenrechts4 die jeweiligen Untertanen in den Schutz des Partnerstaates einbeziehen würden. Ziel dieses Beitrages ist es, diese Initiative näher zu beschreiben5. Im ersten Abschnitt soll es zunächst um die Entstehung der Aktion gehen (I.). 1  Zu diesen Vorgängen vgl. man vor allem: Ludwig Gieseke, Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht (= UFITA) 138 (1999) S. 117–152; Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819. Näheres zur Haltung einzelner Bundesstaaten, in: UFITA 138 (1999) S. 153–181; auch in ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte (künftig: GE), 2 Bde., Weinheim 1996 / München 2003, hier: II S.  222–239. 2  Dazu (mit weiteren Hinw.): Elmar Wadle, Rechtsprobleme um Nachdruck und geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: Karl Richter / Gerhard Sauder (Hg.), Goethe: Ungewohnte Ansichten, St. Ingbert 2001, S.  345–386; ders., Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik, in: Neue Juristische Wochenschrift 52 (1999) S.  2545–2551; beide Aufsätze auch in: ders., GE II (Fn. 1) S. 117–130 und S. 131–154 (nach diesem Abdruck wird zitiert). 3  „Bundes-Glieder“ und „Bundesstaaten“ sind zeitgenössische Bezeichnungen für die Mitglieder des 1815 gegründeten Deutschen Bundes. 4  Heute würde man vom Grundsatz der „Inländerbehandlung“ im Sinne einer rein „formellen Gegenseitigkeit“ sprechen; Näheres dazu bei Haimo Schack, Urheberund Urhebervertragsrecht, 3. Aufl. Tübingen 2005, Rdnr. 811–815, 845–851. 5  Dieser Beitrag stützt sich auf die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem (= GStA-PK) verwahrten Bestände, insbesondere auf

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Danach sind die zahlreichen Probleme anzusprechen, die bei der Umsetzung entstanden sind. Angesichts der Vielzahl der deutschen Bundesstaaten kann dies nur zum Teil und nur kursorisch geschehen; dies gilt vor allem für diejenigen Regierungen, die der Einladung Preußens gefolgt sind (II.). Auf die wenigen Bundesstaaten, die sich Berlin verweigert haben, muss

näher eingegangen werden; besondere Aufmerksamkeit kommt dem Verhalten Österreichs und Frankfurts zu (III.). Zum Abschluss bleibt zu zeigen, dass die Aktion Preußens insgesamt keineswegs erfolglos war, sondern neue Perspektiven eröffnet hat (IV.). I.

Wenige Monate nach der Unterzeichnung des preußischen Privilegs für Goethe (23. Januar 1826) startete das Berliner Außenministerium eine neue Aktion6: Man erkundete über die diplomatischen Vertretungen bei den anderen Bundesstaaten den jeweiligen Stand der Strafgesetzgebung gegen den Nachdruck. Unter dem 11. Juli 1826 ergingen Anfragen an die jeweiligen Regierungen. Auf der Grundlage dieser Informationen, die in einem Promemoria zusammengestellt wurden, zog das Außenministerium erste Konsequenzen, über die man Nagler am 14.  Mai 1827 in Kenntnis setzte: „Das unterzeichnete Ministerium hat die Ehre gehabt, Eurer Excellenz durch sein Schreiben vom 17. Juli v. J. vorläufig von der Absicht in Kenntnis zu setzen, welche in der Angelegenheit wegen des Bücher-Nachdrucks jenem Circular zu Grunde lag. Aus den nunmehr vorliegenden Berichten der königlichen Gesandtschaften in den deutschen Bundes-Staaten ergiebt sich über den in Frage gestellten Gegenstand: daß fast überall der Nachdruck inländischer Werke und der Handel mit auswärts unternommenen Nachdrucken inländischer Werke entweder schon verboten ist, oder das Verbot durch besondere Privilegien ertheilt wird. Im übrigen ist noch eine große Verschiedenheit in den einzelnen gesetzlichen Bestimmungen vorhanden, wie sich dies auch bei den früheren Verhandlungen am Bundestage ergeben hat. Indem nun das unterzeichnete Ministerium dafür hält, daß schon viel gewonnen sey, wenn diejenigen Staaten, bei welchen der Nachdruck überhaupt verboten ist, den Grundsatz annehmen wollten, in Anwendung der bei ihnen vorhandenen Gesetze gegen den Nachdruck keinen Unterschied zwischen Inländer und Ausländer zu machen, hat es gegenwärtig auf diese Basis hin, die Sache bereits in München, Stuttgardt, Carlsruhe und Hannover anhängig machen lassen. Mit einer ähnlichen Einleitung bei den übrigen Staaten ist man aber im Werke. Akten des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten, III. Hauptabteilung (=  HA) 2.4.1, sowie der Gesandtschaft am Deutschen Bundestag, I. HA Rep. 75 A. 6  GStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt.  1 Nr.  8946–8948.



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Nur in Absicht Österreichs ist sie zur Zeit noch ausgesetzt worden. Und in Beziehung auf das Königreich Sachsen ist man solcher ganz überhoben, da die dasige Gesetzgebung allen Nachdruck ohne allen Unterschied, gleich scharf, was den Inländern als was den Ausländer betrifft, verbietet.“

Beigefügt waren Kopien der Schreiben an die Gesandten in München und Stuttgart; sie sollten über „die Art und Weise, wie im Einzelnen die Sache bei den resp. Höfen anhängig gemacht worden ist“, unterrichten. Alle diese Schreiben stellten – im Wesentlichen gleich lautend – das Ziel heraus, das Preußen verfolgte: „Die Verhandlungen am Bundestage in Folge des 18. Artikels der Bundesacte, um, wie es daselbst heißt: ‚zu gleichförmigen Bestimmungen über die Sicherstellung der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu gelangen‘ haben bis jetzt noch nicht zu dem gewünschten Resultat geführt. So übereinstimmend sich hierbei auch das Verlangen der Bundesstaaten zu erkennen gegeben hat, dem Uebel des Nachdrucks durch wirksame Maaßregeln abzuhelfen, und solches ganz ausgerottet zu sehen; so scheinen doch einige Regierungen in ihrer Gesetzgebung und ihren bisherigen Verwaltungsnormen nach, Schwierigkeiten gegen den Beitritt zu den gewünschten gleichförmigen Bestimmungen wider den Nachdruck zu finden. Die bisherigen Verhandlungen am Bundestage, und die diesseits im gesandtschaftlichen Wege noch besonders eingegangene Erkundigung haben ergeben, daß die zur Zeit in den Bundesstaaten bestehende Gesetzgebung meist von der Art ist, daß der Büchernachdruck entweder schon verboten ist, wenigstens bei Werken inländischer Schriftsteller und Verleger, oder ein Verbot mittelst nachzusuchender Privilegien erteilt wird. Die preußische Regierung ist der Meinung, daß vor der Hand und bis dahin, daß es in Folge des erwähnten 18ten Artikels der Bundesacte zu einer weiteren Erledigung dieses Gegenstandes durch einen gemeinsamen Bundesbeschluß kömmt, es immer sehr wünschenswerth und den Forderungen der Zeit angemessen sei, wenn sich vorläufig diejenigen einzelnen Bundesstaaten, bei denen die vorhandene Gesetzgebung bereits in jenen allgemeinen Prinzipien gegen den Nachdruck übereinstimmend ist, sich somit von Staat zu Staat nähern möchten, um den gegenseitigen Unterthanen gleichen Schutz in dem Maaße zu sichern, wie er bis jetzt meist nur den eigenen Unterthanen, zu Ungunsten der Fremden, zu Theil wird.“

Bereits am 23. Juli 1827 beschlossen die Berliner Ministerien einen ausführlichen Bericht an den König; der Vorlage war der Entwurf eines „Kabinettsbefehls“ beigefügt. Die Minister wiesen auf die bisherigen Schwierigkeiten hin, gleichförmige Bestimmungen im Sinne des Art.  16 der Bundesakte zu erreichen, und markierten deutlich das Ziel der Aktion: „An sich ist der Bücher-Nachdruck fast in allen Bundesstaaten entweder schon verboten, oder wird durch nach allgemeinen vom Schutz des Eigentums abgeleiteten Prinzipien und nach der Gerichts-Praxis für unerlaubt angesehen. Indessen

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beschränkt sich zur Zeit ein solcher Schutz meist nur auf den inländischen Schriftsteller und Verleger, wogegen der Ausländer sich in der Regel derselben noch nicht zu erfreuen hat. Selbst im preußischen Staate ist, was die Rheinprovinzen betrifft, nach der dortigen Gesetzgebung zur Zeit der Bücher-Nachdruck in Beziehung auf ausländische Verlagsartikel nicht verboten, und was die übrige Monarchie anlangt, so ist nach dem allgemeinen Landrecht der Bücher-Nachdruck im Wege der Reciprocität gegen solche andere Staaten, die ihn zum Nachteil diesseitiger Verleger und Schriftsteller gestatten, ebenfalls zulässig.“

Zur Art und Weise des Vorgehens heißt es sodann: „Um dem gerade izt wieder zunehmenden Unwesen des Bücher-Nachdrucks möglichst Einhalt zu thun, und den Schriften der preußischen Schriftsteller und Verleger auch in den anderen deutschen Staaten den von ihnen dringend begehrten Schutz zu verschaffen, bietet sich für izt und bis dahin, daß es zu einem allgemeinen Bundesbeschlusse im eingangs gedachten Sinne kömmt, kein anderes Auskunfts-Mittel dar, als wenn diejenigen Bundesstaaten, in denen die vorhandene Gesetzgebung den Bücher-Nachdruck schon verbietet oder die noch izt ein ausdrückliches Verbot wider selbigen auszusprechen sich bewogen finden sollten, unter einander sich dahin vereinigen, in Anwendung dieser Gesetze fernerhin keinen Unterschied mehr zwischen dem Inländer und Ausländer zu machen. Schon liegt dem mitunterzeichneten Minister der auswärtigen Angelegenheiten eine beifällige Erklärung Hannovers vor, wo ebenfalls der Nachdruck in Beziehung auf ausländische Verlagsartikel gefordert ist. Bei einer solchen Vereinbarung zwischen Preußen und Hannover würde in Zukunft kein Bücher-Nachdruck mehr von den beiderseitigen Unterthanen gegeneinander mehr ungestraft verübt werden dürfen, und dem in jedem dieser Länder die jenseitigen Unterthanen in Beziehung auf ihre Verlagsartikel eben denselben Schutz finden würden, wie der eigene Unterthan. Daß die Bestimmungen über das Maaß der Strafe und der rechtlichen Folgen des Nachdrucks überhaupt nach den verschiedenen Gesetzgebungen verschieden sind – darauf wird es für den Zweck dieser vorläufigen Vereinbarung mit einzelnen Staaten des Deutschen Bundes nicht weiter ankommen dürfen, indem derselbe, mit Vorbehalt der weiteren Erledigung dieses Gegentandes am Bundestage, nur darauf gerichtet ist, den in den einzelnen Gesetzgebungen zwischen dem Inländer und Ausländer gemachten Unterschied im Verhältnis der deutschen Bundesstaaten untereinander aufzuheben und so von dieser Seite dem Bücher-Nachdruck möglichst Einhalt zu thun und ihn vom deutschen Boden immer mehr zu verdrängen. Der Abschluß der Vereinbarung wird durch Austausch von Ministerialerklärungen erfolgen können und diese Erklärungen würden mit Gesetzeskraft ebenso wie es in jedem Staat mit den Gesetzen geschieht, zu publizieren seyn. Aus vorstehenden Gründen, indem nemlich für Preußen schon im allgemeinen durch die Bundesacte die Verbindlichkeit besteht, mitzuwirken, um den BücherNachdruck ganz zu unterdrücken, und denselben bereits durch die bestehende Gesetzgebung, soweit von inländischen Verlagsartikeln die Rede ist, im ganzen Umfange der Monarchie verboten ist, die Absicht der Ausdehnung dieses Verbots



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auf die Verlagsartikel der Unterthanen der übrigen deutschen Bundesstaaten aber dahin geht, daß in jenen Staaten auch den preußischen Unterthanen derselbe Schutz wider den Nachdruck zu Theil werde, wie dem eigenen Unterthan, und die Verhandlungen am Bundestage, nach ihrer dermaligen Lage, die Erledigung dieses Gegentandes mittelst eines gemeinsamen Bundesbeschlusses als nahe bevorstehend nicht erwarten lassen; glauben wir keinen Anstand nehmen zu dürfen, bei Eurer Königlichen Majestät dahin allergnädigst anzutragen: ‚es Allergnädigst zu genehmigen, daß mit den einzelnen Bundesstaaten eine Vereinbarung überden aufgestellten Grundsatz eingeleitet werden könne, und daß die getroffenen Übereinkünfte zu seiner Zeit mit Gesetzeskraft durch die Gesetzessammlung zur öffentlichen Kenntnis gebracht werden.‘ “

Auf diese von den Ministern der geistlichen Angelegenheiten, des Inneren und der Polizei, der auswärtigen Angelegenheiten und der Justiz unterzeichnete Eingabe erging am 16. August 1827 eine allgemein gehaltene Kabinettsorder7: „Da zur Zeit die Verhandlungen am Bundestag in Frankfurt a / M., um in Folge des 18ten Artikels der deutschen Bundesacte zu gleichförmigen Bestimmungen über die Sicherstellung der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu gelangen, noch nicht zum gewünschten Resultat geführt haben, so genehmige Ich die in ihrem gemeinschaftlichen Bericht vom 23ten d.M. in Antrag gebrachte Einleitung einer Verhandlung mit denjenigen deutschen Staaten, in denen der BücherNachdruck verboten ist, um mit Vorbehalt der weiteren Erledigung dieses Gegenstandes durch gemeinsamen Bundesbeschluß sich vorläufig über den Grundsatz zu vereinbaren, daß in Anwendung der vorhandenen Gesetze der Unterschied zwischen Inländer und Ausländer in Beziehung auf die gegenseitigen Unterthanen aufgehoben und denselben wegen ihrer Verlags-Artikel ein gleicher Schutz wie dem Inländer zu Theil werde. Auch genehmige Ich, daß die Vereinbarungen, sobald sie durch Austausch von Ministerial-Erklärungen vollzogen worden, durch die Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntnis gebracht werden, um auf den Grund Meiner gegenwärtigen ebenfalls in die Gesetzsammlung aufzunehmenden Order, Gesetzeskraft zu erhalten.“

Mit dieser Ermächtigung waren die Instrumente bereitgestellt, mit denen die Berliner Regierung ihren Plan vollziehen konnte. Warum Preußen die Idee der Gegenseitigkeitsverträge aufgegriffen hat, lässt sich der unmittelbaren Vorgeschichte entnehmen. Die interne Diskussion um das Privilegiengesuch Goethes hatte dazu beigetragen, die Rechtslage im Bereich des Nachdruckschutzes im eigenen Land zu klären8. Das Nebeneinander des Schutzes nach französischem Recht in der Rheinprovinz und nach Allgemeinem Landrecht in den übrigen Teilen der Monarchie bereitete keine Schwierigkeiten mehr, soweit es um 7  HStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt.  1 Nr.  8948 fol.  28; auch Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten (= GS) 1827 S.  123. 8  Dazu Wadle, Goethes Gesuch (Fn.  2) S.  126  ff.

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den Kreis der geschützten Personen ging: die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts galten ohnehin zugunsten aller preußischer Untertanen, erfassten demnach auch die Bewohner der seit 1815 bestehenden Rheinprovinz. Für das französische Recht, das nur inländische Rechtsinhaber schützte, war durch ein Urteil des Rheinischen Revisions- und Kassationshofes vom 11.  Dezember 1822 festgestellt worden, dass es nach dem Anschluss an Preußen nunmehr auch alle Urheber und Verleger der „alten“ Provinzen als Inländer begünstigte. Diese Rechtslage („regionale Rechte schützen alle Staatsbürger“) diente anscheinend als Vorbild für die geplanten Abkommen mit den anderen Bundesstaaten: ohne das jeweilige Schutzrecht inhaltlich zu ändern, sollte der Anwendungsbereich der eigenen Gesetze zu Gunsten der Angehörigen des jeweiligen anderen Staates erweitert werden. Um das Schutzrecht in dieser Weise generell ausdehnen zu können, musste die preußische Erklärung allerdings mit der Kraft eines allgemeinen Gesetzes ausgestattet sein. Diese Konsequenz war unumgänglich, wollte man die Gegenseitigkeit nicht auf Einzelfälle beschränken; für diese hätte ein Privileg ausgereicht. Zu dieser Lösung hatte man sich in Preußen durchgerungen, als Goethe seinen Privilegienantrag gestellt hatte. Einerseits war der Dichter kein preußischer Untertan; deshalb mussten die regionalen Schutzregeln im Rheinland und im übrigen Preußen ergänzt werden. Andererseits war noch nicht bekannt, wann und wo die Ausgabe letzter Hand erscheinen würde; infolgedessen war eine allgemeine Regel zu Gunsten der Angehörigen eines bestimmten Staates nicht sinnvoll. Das von Goethe beantragte Privileg war in dieser Situation das geeignete, aber auch notwendige Mittel, um den defizitären preußischen Schutz zu ergänzen. Diese Lösung hat zwar nicht dem entsprochen, was Art. 18 der Bundesakte nach Ansicht Preußens bewirken sollte. In der konkreten Situation war der Rückgriff auf das Privileg jedoch unvermeidbar. Um die gleiche Zeit sorgten vier weitere Fälle dafür, dass Berlins Wunsch nach allgemeinen Regeln bekräftigt wurde. Ein Privilegienantrag, den der Berliner Verlag Duncker & Humblot in Stuttgart gestellt und den das Berliner Außenministerium unterstützt hatte, scheiterte an der Retorsionsklausel des Allgemeinen Landrechts (I, 11 §  1033) bzw. an der Beschränkung des rheinischen Rechtsschutzes auf Inländer9. Diese überkommene Rechtslage führte auch dazu, dass die preußischen Behörden nicht gegen den Bielefelder Buchhändler Küster vorgehen konnten, der einen Nachdruck des Hannöverschen Katechismus vertrieben hatte10. Auch die im August 1825 vorgelegte Eingabe des Frankfurter Buch9  GStA-PK

III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8946. III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8947 fol.  53  ff.

10  GStA-PK



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händlers Friedrich Wilmanns hat die Schutzlücken des preußischen Rechts bestätigt. Wilmanns bat „um Schutz gegen gesetzwidrige Nachdrucker-Eingriffe“ des Kölner Konkurrenten F. A. Motta; dieser hatte das in Frankfurt verlegte Werk „Panorama des Rheins und seiner nächsten Umgebungen von Mainz bis Cölln“ in Steindruck nachstechen lassen11. Abermals wurde deutlich, dass eine allgemeine Regel unentbehrlich war. Schließlich hat im März 1827 ein weiterer Vorgang die Unhaltbarkeit der aktuellen Rechtslage bestätigt12. Der Buchdrucker Wagenfeld aus Neiße suchte um die „Erlaubnis“ nach, eine in Hildesheim erschienene Schrift nachdrucken zu dürfen. Angesichts der im Falle Küster festgestellten Rechtslage war das Verhalten Wagenfelds nicht zu beanstanden; das Außenministerium verwies jedoch auf das bevorstehende Abkommen mit Hannover, weshalb man dem Wagenfeldschen Gesuch nicht entsprechen solle. Derartige Fälle aus der Praxis ließen die geplanten Gegenseitigkeitsabkommen als unverzichtbar erscheinen. Es liegt auf der Hand, dass man in Berlin vor allem an jene Staaten dachte, die über einen im Wesentlichen gleichwertigen Schutz verfügten, namentlich einen durch gesetzliche Regeln verbürgten Schutz. Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben waren, war man – wie die Praxis zeigen sollte – auch zu anderen Lösungen bereit: Preußen gewährte auch dann einen generellen Schutz für alle Untertanen, wenn der betreffende Staat noch das Privilegiensystem praktizierte. Entscheidend blieb, dass man an der Grundidee festhielt, durch die Gleichbehandlung aller Angehörigen der jeweiligen Partnerländer den Schutz gegen Nachdruck im Deutschen Bund zu fördern. Die Gleichstellung konnte nach der Vorstellung Berlins umgesetzt werden durch den Austausch von Erklärungen, die als Hoheitsakte mit Gesetzeskraft auszustatten waren. Schriftsteller und Verleger sollten im jeweiligen Partnerstaat den dort vorhandenen Schutz gegen Nachdruck beanspruchen können; gleiches sollte fortan für die fremden Untertanen in Preußen gelten. Dies entsprach dem Hauptziel der Berliner Regierung, dem Nachdruckverbot, das preußischer Ansicht zufolge schon in Art.  18 der Bundesakte enthalten war, im ganzen Deutschen Bund zum Leben zu verhelfen.

11  Vorgänge dazu in GStA-PK III. HA (2.4.1.) 1. Abt.  Nr.  8946 und I. HA Rep. 75A Nr.  589. – Weitere Hinweise bei Wadle, Goethes Gesuch (Fn.  2) S.  127; ders., Privilegienpraxis in Preußen: Privilegien zum Schutz gegen Nachdruck 1815–1837, in: Barbara Dölemeyer / Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich Bd.  2 (Ius Commune 125), Frankfurt a. M. 1999, S.  335–362; auch in: ders., GE II (Fn.  1) S.  165–184, hier S.  170  f. 12  GStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8947 fol.  90  ff., 121  ff., 144.

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II. Die Berliner Initiative, die nach den ersten positiven Reaktionen auf alle deutschen Staaten ausgedehnt worden ist, traf vielfach auf Zustimmung, führte aber nicht überall zu einem schnellen Austausch der erforderlichen Erklärungen. (1)  Diese Entwicklung zeichnete sich bereits in einer internen Bestandsaufnahme („Stand der Sache“) des Außenministeriums vom 25.  Oktober 182713 ab. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits folgende Staaten eine Vereinbarung mit Preußen getroffen: Hannover, Hessen-Darmstadt, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, Braunschweig, Schwarzburg-Sondershausen, Lübeck, Bremen, Schwarzburg-Rudolstadt und Lippe-Detmold14. Bis zum Jahresende 1828 kamen die meisten anderen Bundesstaaten hinzu. 1829 folgten noch Bayern, Anhalt-Köthen und Kurhessen15. Die Tatsache, dass einige Staaten schnell auf das preußische Angebot eingingen, während andere mehr oder weniger lange zögerten, hat gewiss vielfältige Gründe. Allgemein-politische Motive, etwa die politische Nähe zu Preußen oder die Bereitschaft zur Rücksichtnahme auf Österreich, standen neben rechtlichen Einschätzungen des vorhandenen oder neu zu schaffenden Nachdruckschutzes. Während der Einfluss der „großen Politik“ hier allenfalls am Rande angesprochen werden kann, verdienen die rechtlichen Fragen unser besonderes Interesse. Angesichts der Vielzahl der Partnerstaaten kann freilich nicht jedes Abkommen und seine Vorgeschichte näher beschrieben werden. Einige der angesprochenen Staaten hatten allerdings Probleme bei der Ausdehnung des Schutzes auf preußische Untertanen. Dabei ist bemerkenswert, dass nicht nur Bundesstaaten, die über gesetzliche Schutzregeln verfügten, Bedenken äußerten, sondern auch solche, die nur die Privilegienerteilung praktizierten. Die zum Teil sehr unterschiedlichen Problemlagen sollen im Folgenden an einigen Beispielen angesprochen werden, nämlich an Hamburg (2), Württemberg (3), Bayern (4) und Kurhessen (5). (2)  Während die freien Städte Lübeck und Bremen keine größeren Probleme sahen, die bei ihnen übliche Vergabe von Privilegien gegen den Nachdruck so zu modifizieren, dass die preußischen Untertanen in diesen Schutz 13  GStA-PK

III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8948 fol.  212–214 v. die Übersicht in: GStA-PK I. HA Rep. 77 Tit.  242 Nr.  21. 15  In der zeitlichen Reihenfolge sind dies: Sachsen, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Hohenzollern-Sigmaringen, Waldeck, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt-Dessau, Mecklenburg-Strelitz, Dänemark, Baden, Sachsen-Altenburg, Hohenzollern-Hechingen, Anhalt-Bernburg, Reuß-Schleitz, Reuß-Plauen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Württemberg, Haunburg, Bayern, Anhalt-Köthen, Kurhessen. Nach der Zusammenstellung in den Akten (Fn.  14). 14  Vgl.



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einbezogen werden konnten16, gab es in Hamburg Bedenken gegen ein solches Verfahren17. Der preußische Gesandte, Graf Grote, hatte mehrfach versucht, den Senat für ein Abkommen zu gewinnen und dabei auch die mit Lübeck ausgetauschten Erklärungen vorgelegt; gleichwohl meinte die Regierung in einer Note vom 22.  Oktober 1827, „die inneren Verhältnisse des Hamburgischen Staats“ würden ein Eingehen auf den preußischen Vorschlag nicht zulassen: „Denn, wiewohl, wenn man die Sache von der moralischen Seite betrachte, der Senat in der Mißbilligung des Nachdrucks mit dem Königlich preußischen Gouvernement vollkommen einverstanden sey, so sey es doch Sr. Excellenz bekannt, daß in Hamburg keine ausdrücklichen Gesetze gegen denselben bestehen; eben so wenig habe man bisher Privilegien behufs Unterdrückung derselben in irgend einer allgemeinen Ausdehnung angewandt. Solche seyen vielmehr nur höchst selten und ausnahmsweise, als Anerkennung der Verdienste vorzüglich ausgezeichneter Schriftsteller ertheilt. In diesen wenigen Fällen sey man aber so weit entfernt gewesen, den eigenen Bürgern einen Vorzug vor fremden Unterthanen zuzugestehen, daß vielmehr die beiden einzigen, seit langen Jahren ertheilten Privilegien fremden Unterthanen, nämlich dem Herrn von Göthe und den Schillerschen Erben zugestanden seyen. Demnach bedürfe es einer gesetzlichen Gleichstellung des Ausländers mit dem Inländer, welcher das Königlich-Preußische Gouvernement hauptsächlich beabsichtige, in Hamburg nicht mehr. Bey einer größeren Ausdehnung in der Ertheilung der Privilegien walte außerdem die Schwierigkeit ob, das wegen jedes einzelnen derselben nach den bestimmten Vorschriften der Hamburgischen Fundamental-Gesetze mit bürgerlichen Collegien Rückrede genommen werden müsse. Endlich lasse sich auch nicht verkennen, daß die vorgeschlagene unbeschränkte Ertheilung von Privilegien an jeden Schriftsteller und Verleger einem gesetzlichen Verbot des Nachdrucks gleichstehen würde. Ein solches Verbot, die Form desselben möge seyn, welche sie wolle, könne aber vom Senat nur mit Zuziehung der Bürgerschaft eingeführt werden; und dieser einen deßfalsigen Antrag zu machen, dürfte wohl nach der großen Verschiedenheit der über den Nachdruck vorwaltenden Ansichten große Schwierigkeiten haben.“

Grote kommentiert diese Sicht in folgender Weise18: „Es hat seine Richtigkeit, daß nach den bestehenden Fundamental-Gesetzen, der Rath über jedes einzelne Privilegium mit den bürgerlichen Collegien Rücksprache nehmen muss, so wie auch das Verbot des Nachdrucks ohne ausdrückliche Einwilligung der Bürgerschaft nicht verfügt werden darf, und bei dieser darauf anzutragen, findet der Rath wohl hauptsächlich deshalb Bedenken, weil sie ein Gesetz derart als eine Einschränkung der Handels-Freiheit ansehen könnte, und alles was nur entfernt darauf hindeutet, sucht der Senat sorgfältig zu vermeiden. Auf meine Bemerkung, daß wenn das Verbot des Nachdrucks durch eine Übereinkunft beim 16  GS

1827 S.  167  f., 170  f. Folgenden vgl. man GStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt. 1 Nr. 8948 (fol. 244 ff.) und 8949 (fol.  55  ff., 125  ff.). 18  Bericht v. 26.  Oktober 1827. 17  Zum

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Bundestage beliebt werde, doch auch die Stadt Hamburg ihn zu verbieten genöthigt seyn werde, erwiderte man, dann sey man genöthigt, sich diesem Beschluß zu fügen, und der Senat gegen die Bürgerschaft außer Verantwortung.“

Berlin war überrascht über den Standpunkt Hamburgs19: Alle anderen Staaten, die auf Preußens Anträge reagiert hatten, hätten bestätigt, dass der Nachdruck entweder durch besondere Gesetze oder durch allgemeine Gesetze über das Eigentum bestimmt hätten, dass der Nachdruck nicht erlaubt sei. Dann heißt es lapidar: „Der Senat der Stadt Hamburg ist der erste, welcher den diesseits gemachten Antrag aus einem Grunde abgelehnt hat, auf welchen man nicht vorbereitet gewesen ist. Nach Inhalt der Eingangs erwähnten Erklärung scheint wesentlich bei demselben die Ansicht obzuwalten, als wenn die Angelegenheit wegen des Nachdruckschutzes in den deutschen Bundesstaaten noch in einer solchen Lage sich befinde, daß man wohl in Frage ziehen könne, ob dasselbe für hinlänglich erlaubt oder unerlaubt zu halten sey; und die Bestimmung darüber der eigenen Gesetzesgebung eines jeden Bundesstaates nach Willkür freystehe. So verhält sich die Sache aber keineswegs. Denn Artikel 18 litt d der Bundes-Acte hat darüber keinen Zweifel gelassen, daß die Schriftsteller und Verleger Rechte an den Druckschriften haben und daß diese Rechte sicher zu stellen sind. Der gedachte Artikel setzt das Eigenthum der Schriftsteller und Verleger als etwas unzweifelhaftes voraus und hat als Gegenstand weiterer Berathungen den Punkt an die BundesVersammlung verwiesen, daß von ihr gleichförmige Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger abgefaßt werden. Wenn es nun auch an diesen gleichförmigen Verfügungen zur Zeit noch mangelt, weil man bei dem Bunde noch zu keinem Beschluß darüber hat gelangen können, so folgt daraus doch nicht, daß bis dahin Schriftsteller und Verleger an ihren Druckschriften selbst keine Rechte oder kein Eigenthum haben, daß ihnen ein Anspruch auf Sicherstellung desselben nicht zustehe und daß nicht jeder Nachdruck, als wenn Rechte die dadurch verletzt würden, gar nicht existierten, an und für sich als etwas Erlaubtes angesehen werden könne. Eine solche Ansicht würde mit dem in Artikel 18 der Bunde-Acte aufgestellten Prinzip offenbar in Widerspruch stehen. Die deutschen Unterthanen können unter den Rechten, welche der mehrerwähnte 18te Artikel der Bundes-Acte ihnen zugesichert hat, mindestens auch die Sicherstellung des schriftstellerischen Eigenthums in Anspruch nehmen und da es hiernach nur auf die Ausführung des Grundsatzes ankömmt, welcher schon durch die Bundes-Acte entschieden ist, so läßt sich gar nicht absehen, wie wegen eines gesetzlichen Verbots des Nachdruckes oder wegen unbeschränkter Ertheilung von Privilegien an jeden Schriftsteller und Verleger der Stadt Hamburg, so wie an die Unterthanen derjenigen deutschen Staaten, welche auch den Hamburger Schriftstellern und Verlegern einen gleichen Schutz zu bewilligen geneigt sind, von 19  Note

v. 31.  Oktober 1827.



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Seiten des Senats erst noch mit den bürgerlichen Collegien Rücksprache genommen werden muß.“

Der Gesandte, Graf Grote, trug diese Stellungnahme höflich, aber bestimmt dem Senat vor20. Nicht nur die Rechtslage wurde explizit vorgeführt; auch die Interessenlage hat Grote eingehend beschworen: Wenn Hamburg den Nachdruck billige, so komme die Retorsionsklausel des Allgemeinen Landrechts (I, 11 § 1033) zum Zuge, die die Interessen Hamburgs treffen würde. Der Senat21 erklärte sich daraufhin bereit, zu „gegebener Zeit“ die Sache einer weiteren Erörterung zu unterziehen. Im Übrigen signalisierte er sein Entgegenkommen in folgender Weise: „Uebrigens sey es dem Senat sehr erwünscht, dem Königlich-Preußischen Gouvernement einen ferneren Beweis bereitwilligen Entgegenkommens durch die Zusicherung geben zu können, daß er inzwischen gern bereit seyn werde, zu veranlassen zu suchen, daß classischen Werken ausgezeichneter Preußischer Schriftsteller ein Privilegium in Hamburg ertheilt werde; und zweifle er nicht, daß das Königlich-Preußische Gouvernement in Betreff Hamburgischer Angehörigen eine gleiche Willfährigkeit beweisen werde.“

Grote22 gab dazu folgenden Kommentar nach Berlin: „Wie ich annehme, wünscht man hier, über den Handel mit Euer Königlichen Majestät Staaten eine bestimmte Übereinkunft getroffen zu sehen, und werde dann, wie ich nach dem Ausdruck zu gelegener Zeit, und auch nach anderen Äußerungen zu vermuten Ursache habe, die Sache wegen des Nachdrucks zugleich mit an die Bürgerschaft gebracht werden, indem die Communikation mit dieser und die Besorgnis, daß selbige den Antrag des Raths den Nachdruck betreffend verwerfen möge, gewiß der Hauptgrund ist, weshalb derselbe sich so wie so viele andere Gouvernements für gesetzliche Verfügungen gegen den Nachdruck zu erklären, Anstand nimmt.“

Dass Berlin mit dem Hamburger Angebot nicht zufrieden sein konnte, liegt auf der Hand. Die angebotene Privilegierung für „klassische Schriftsteller und Verleger“ könne23 nicht genügen, ganz abgesehen von der Frage, wann ein Werk als „classisch“ zu betrachten sei. Hamburg reagierte auf die preußische Kritik, wie von Berlin erhofft: Senat und Bürgerschaft beschlossen am 3.  Juni 1828 ein „gemeines Gesetz wider den Nachdruck und den Verkauf nachgedruckter Werke“24. Damit war das letzte Hindernis beseitigt. Preußen bot am 13. Juli 1828 Hamburg über 20  Schreiben

v. 14.  November 1827. des Senats v. 14.  Dezember 1827. 22  Bericht an das Ministerium v. 21.  Dezember 1827. 23  So die Note v. 8.  März 1828. 24  Verordnung in Betreff des Nachdrucks v. 3. / 4. Juli 1828; Herrmann Th. Schletter (Hg.), Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung, Leipzig 1846, S.  147  f. 21  Antwort

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den Gesandten eine entsprechende Erklärung an; sie wurde bald darauf in der preußischen Gesetzsammlung publiziert25. (3)  Über die Rechtslage in Württemberg war man schon durch die Umfrage im Spätjahr 1826 unterrichtet26. Im Mai des folgenden Jahres wurde der preußische Gesandte in Stuttgart beauftragt, der Regierung ein Abkommen über die Gegenseitigkeit des Nachdruckschutzes zu unterbreiten27. Im Oktober28 berichtete Graf Lusi über die „gegenwärtige Lage dieser Sache“. Der württembergische Außenminister Graf Beroldingen habe deutlich gemacht, dass man vonseiten der Regierung an sich bereit sei, auf die angebotenen Vorschläge einzugehen; bei der Prüfung durch das Innenministerium seien jedoch von mehreren Seiten Bedenken erhoben worden, „indem man zum Beyspiel angeführt habe, daß an einigen Orten, wie in Reutlingen, der Nachdruck (ein so schändliches Gewerbe es auch ist) offen getrieben werde und den Nahrungszweig vieler Familien bilde“. Der Bericht fährt dann fort: „Ich erlaube mir hierauf die Bemerkung, dass, unabgesehen von der Unzulänglichkeit, daß ein solches der Moralität entgegengesetztes Gewerbe von der Regierung geschützt werden könnte, dieses bey dem Überhandgreifen des von meinem Höchsten Hofe vorgeschlagenen Prinzips einer gegenseitigen Garantie deutscher Staaten gegen den Nachdruck, auf die Länge der Zeit nicht einmal dem Nachdruck vortheilhaft sein könne, und sogar vielleicht (was ich indes der Wahrheit gemäß als meine eigene unmaßgebliche Meinung angab) den reellen Buchhandel solcher Staaten, die sich nicht anschließen würden, beeinträchtigen könne.“

Derartige Einwände trugen dazu bei, dass Stuttgart sich bald für die gewünschte Erklärung zu Gunsten preußischer Verleger entschieden hat: in einer Note vom 6. Februar 1828 wurde diese Bereitschaft mitgeteilt; im preußischen Gesetzblatt ist die Erklärung unter dem 11. März 1828 veröffentlicht29. Es fällt auf, dass in der Erklärung Württembergs, die auf dem durch das Reskript von 1815 geregelten Privilegiensystem basiert, nur von preußischen Verlegern, nicht aber von Schriftstellern die Rede ist und dass überdies die Frage der Taxen nicht angesprochen wird. Die württembergische Note erklärt beides: Zum einen habe man die Zusage auf Verleger beschränkt, weil man vermeiden wollte, dass ein preußischer Schriftsteller einen ausländischen Verleger beauftrage und sodann für diesen einen Schutzanspruch gewinnen könnte; zum andern erwarte man von preußischen Untertanen nur dieselbe Taxe wie von einem württembergischen Antragsteller. 25  GS

1828, S.  91  f. den Akten GStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt.  1 Nr.  8946–8950. 27  Weisung v. 14.  Mai 1827. 28  Bericht v. 31.  Oktober 1827. 29  GS 1828, S.  23  f. 26  Nach



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(4)  Bereits in seiner frühen Auskunft vom 16. August 1826 betonte Bayern30 zur Rechtslage beim Nachdruck ausländischer Autoren und Verleger: „Nachdruck von Werken, welche in einem den Bücher-Nachdruck selbst duldenden oder begünstigenden Staate erscheinen, und nicht mit einem besonderen baierischen Privilegio versehen sind, sind von Bestrafung ausdrücklich ausgenommen, und die Behandlung ausländischer Verfasser und Verleger in Beziehung auf den Nachdruck überhaupt von Rücksichten der Reciprocität abhängig gemacht. Die legale Praxis hat hinsichtlich der Bestrafung des inländischen Nachdrucks im Lande selbst gedruckter und verlegter Werke, dann des Handelns mit auswärtigen Nachdrucken inländischer Werke noch insbesondere festgesetzt, daß in jedem Falle auf Begehren des Beschädigten der rechtswidrige Umlauf durch polizeiliches Einschreiten alsbald gehemmt, die vorhandenen Exemplare zur Disposition des rechtmäßigen Verlegers gestellt, und diesem die Civilklage auf Schadenersatz gegen den Beschädiger gleichzeitig vorbehalten wird.“

Auf das preußische Angebot vom 8. Mai 1827 wurde positiv reagiert. Am 21. August übermittelte Bayern Auszüge aus dem neuesten Entwurf zum Strafgesetzbuch nebst Motiven; zugleich teilte es im Übrigen mit, dass „hiesigen Orts die Einhaltung der Reciprocität bereits als in den bayerischen Gesetzen begründet feststehe“. In einer weiteren Note vom 31. August an von Küster, den Gesandten in München, stellte das Berliner Außenministerium fest, dass zwar für die meisten Gebiete Preußens und Bayerns dank der Reciprocitätsklausel ein Schutz auch für preußische Autoren und Verleger bestehe, dass man aber nicht sicher sein könne, wie die Gerichte die Klausel anwenden würden; genau diese Sicherheit solle aber durch den wechselseitigen Austausch der Erklärungen erreicht werden. Außerdem verwies Berlin auf die ungewisse Situation im bayerischen Rheinkreis, wo ebenso wie in der Rheinprovinz noch das auf den Inländerschutz beschränkte französische Recht gelte. Der beigefügte Entwurf der auf Bayern bezogenen preußischen Erklärung erhielt folgenden Passus: „Nachdem von der Königlich baierischen Regierung die Zusicherung gemacht worden ist, daß vorläufig und bis dahin, daß es nach Artikel 18 der deutschen Bundes-Acte zu einem gemeinsamen Bundesbeschluß zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Bücher-Nachdruck kommen wird, das Verbot wider den Bücher-Nachdruck, sowie solches bereits im ganzen Bereiche des Königreichs Baiern zum Schutz der inländischen Schriftsteller und Verleger nach den in den einzelnen Landestheilen geltenden Gesetzen besteht, in 30  GStA-PK III. HA 2.4.1 Abt.  1 Nr.  8946–8950. Weitere Hinweise aufgrund der bayerischen Akten bietet: Andreas Feld, Das bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck v. 14.05.1840. Vorgeschichte und Zustandekommen (Rechtshistorische Reihe Bd.  339), Frankfurt a. M. 2007, bes. S.  32–38.

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ganz gleichem Maaße auch zum Schutze der Schriftsteller und Verleger der preußischen Monarchie für gültig erklärt und in Anwendung gebracht werden solle.“

In seiner Note an den bayerischen Außenminister erläuterte von Küster31 ausführlich die Haltung Berlins, die vorgeschlagene Erklärung sei „ein ganz einfaches Mittel …, ein für allemal für die beiderseitigen Gerichte und Behörden im Voraus festzustellen, dass die Reciprocität … geachtet werden solle“. Um eventuellen Bedenken zu begegnen, fügte der Gesandte noch hinzu: „Die Vereinbarung soll keine an und für sich neue gesetzliche Disposition aufstellen, sondern bloß und allein zum Gegenstand haben, hinsichtlich eines schon vorhandenen, den Unterschied zwischen dem Ausländer und Inländer in Beziehung auf die beiderseitigen Staaten aufzuheben. Denn das Verbot wider den Nachdruck ist schon vorhanden hier wie dort. Es ist nicht nöthig ein solches erst zu erlassen, es sollen nur seine Gränzen für die Anwendung in der angegebenen Art erweitert werden. Man könnte sich ebenso gut mit Frankreich oder einem Staate auf gleiche Weise vereinbaren; aber das Interesse waltet nicht ob, was die Staaten haben, die eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Literatur besitzen und sie vor Ungebühr schützen wollen. Sie sind bereits gegen einander zu einem solchen Schutze nach Artikel 18 der deutschen Bundesacte verbunden, so daß niemals davon die Rede sein kann, das Verbot wider den Bücher-Nachdruck ganz aufzuheben, sondern es handelt sich vielmehr darum, es gegenseitig zu machen, und alle Unterthanen der gesamten deutschen Bundesstaaten in gleichförmigen Schutz zu nehmen. Die Frage wegen der Gleichförmigkeit der näheren Bestimmungen ist es allein, worüber am Bundestage noch zu verhandeln ist, die aber allerdings bei der Verschiedenheit der Verfassungen und Verwaltungsnormen in den einzelnen Staaten ihre mancherlei Schwierigkeiten darbietet. Bis daß die Schwierigkeiten beseitigt werden können, soll die angetragene Vereinbarung ein vorläufiges Auskunftsmittel sein.“

Die bayerische Seite hatte mit dieser Sicht der Rechtslage Probleme. In seinem Bericht nach Berlin schreibt der preußische Gesandte über eine Aussprache mit Zentner folgendes32: „Ich bin dann bald auf sein Hauptbedenken, welches eigentlich auch das einzige ist, gestoßen, nämlich auf seine Scheu, durch eine solche Vereinbarung, die im Lande mit Gesetzeskraft verkündet werden, und wenigstens für Rheinbaiern eine wirklich neue gesetzliche Disposition gewähren soll, ein Act von Gesetzgebung auszuüben, hiermit der in der hiesigen Verfassungs-Urkunde den Ständen beigelegten Mitwirkung und Zustimmung der Erlassung, Abänderung oder authentischen Erläuterungen allgemeiner Gesetze anscheinend vorzugreifen, und sich Vorwürfen oder Erörterungen darüber bei den Ständen auszusetzen. Um den Ein31  Note

v. 18.  Oktober 1827. v. 22.  Oktober 1827.

32  Bericht



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fluß, den eine solche Ansicht hiesigen Orts hat, bemerklich zu machen, darf ich ehrerbietig daran erinnern, daß der Herr von Zentner selbst einer der Verfasser der hiesigen Verfassungsurkunde und nach seinen constitutionellen Gesinnungen immerfort eine ihrer Hauptstützen ist, daß eben eine neue Ständeversammlung auf den 10ten k.M. bevorstehet, und daß die Regierung bei so mancherlei mit ihr auszufechtenden viel wichtigeren Interessen gern umso vorsichtiger ist, in einer für sie nur unbedeutenden nicht willkürlich bei derselben anzustoßen. Umso zutreffender war es, daß das mitgetheilte Stück der Gesetzsammlung mir den Anlaß geben konnte, ein darin enthaltenes Beispiel zur hiesigen Befolgung recht geltend zu machen, nämlich die sofort zustande gekommene Vereinbarung mit der Großherzoglich Hessischen Regierung, welche letztere doch gerade in demselben Geist und Umfang wie Baiern eine Constitution besitzet, und in dieser ihren Ständen, ebenso und selbst in noch etwas schärferer Bestimmung wie Baiern das Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung eingeräumt hat. Auch konnte ich es dem Herrn Minister nicht verbergen, dass, selbst abgesehen von diesem Beispiel, meine Regierung es sich nicht würde erklären können, wie die hiesige erleuchtete Regierung sich durch die Verfassung so sehr die Hände gebunden fühlen sollte, um nicht einmal wenigstens provisorisch bis daß demnächst ein der Verfassung vielleicht vollkommener entsprechender Gesetzgebungsact hinzukomme, die vorgeschlagene an sich ebenso unbedenkliche als rathsame und nothwendige Maaßregel angehen zu können. Der Herr von Zentner, wiewohl er sich nicht ganz bestimmt ausließ, schien diesen Ansichten seine Überzeugung nicht zu versagen. Er äußerte, daß er die Sache zuförderst bei dem Justizministerio in nähere Überlegung ziehen lassen müsse, und daß er solches nach dem Gesichtspunkt thun wolle, ob vielleicht die Regierung auf eine provisorische Weise, mit Vorbehalt weiterer Gesetzgebungsacte, die gewünschte Vereinbarung treffen könne.“

Am 23.  Februar 1828 ergänzte der preußische Gesandte seine früheren Berichte: Herr von Zentner habe neuerdings Bedenken geäußert, da das Innenministerium „nach staatswirtschaftlichen Gesichtspunkten wegen Beschränkung der Gewerbs-Freiheit“ interveniert habe; letztlich müsse der König die Angelegenheit entscheiden. In Berlin war man über solche Nachrichten nicht erfreut. Am 8.  März 1828 schrieb das Berliner Außenministerium nach München, angesichts der positiven Berichte von Küsters sei man enttäuscht über die Haltung des bayerischen Ministers: „Gleichwohl hat das unterzeichnete Ministerium nur mit Bedauern die Verzögerung wahrnehmen können, welche, wie es den Anschein hat, die definitive Erledigung dieses Gegenstandes seitens der Königl. Baierischen Ministerii des Innern erleidet. Der Wunsch der diesseitigen Regierung, diese Angelegenheit auch mit dem Königreich Baiern zu Ende gebracht zu sehen, wird umso lebhafter, nachdem fast alle übrigen deutschen Staaten, selbst diejenigen, bei denen die Sache gleich wie bei dem K. Baierischen Hofe einige Schwierigkeiten finden schien, wie zB Württemberg, ihren Beitritt bestimmt zu erkennen gegeben haben und der Austausch der Ministerialerklärungen mit derselben eben von Staaten gehen soll.

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Nach den früheren Berichten des Herrn Außenministers schien das dortige Ministerium des Innern in der dort bestehenden Gewerbefreiheit einige Schwierigkeiten zu finden, die diesseitigen Anträge zu berücksichtigen. Von solchen Schwierigkeiten vermag man sich diesseits jedoch umso weniger zu überzeugen als auch im Preußischen die Gewerbefreiheit in sehr großer Ausdehnung besteht und die Königlich baierische Regierung gewiß ebenso wenig geneigt sein wird, den Nachdruck für ein erlaubtes Gewerbe gelten zu lassen, als dies diesseits der Fall ist.“

Von Küster verweist am 26. April 1828 auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Münchner Ministerien. Minister Graf von Armannsperg halte die von Berlin vorgeschlagene Erklärung für ein „Eingreifen in die verfassungsmäßige Gesetzgebung“; man solledieses Verfahren aussetzen. Außerdem könne man die gewünschte Übereinkunft „bloß auf ein Privilegiensystem, so wie es zwischen Preußen und Württemberg geschehen“, basieren. Der preußische Gesandte berichtet weiter, er habe auf Anregung Zentners eine „Antworts-Note“ erlassen, um erkunden zu können „ob die endliche Beistimmung des Ministers des Innern zu erlangen sein werde“. Berlin beharrte auf seinen Vorschlägen. Am 17. September 1828 teilte der Gesandte aus München mit, das bayerische Außenministerium, das die preußischen Ansichten teile, habe mit dem neuen Innenminister, Herrn von Schenck, in der Sache Übereinstimmung erzielt. Im Januar 1829 gelang dann endlich der Austausch der Erklärung zwischen Berlin und München; die bayerische Note trägt das Datum 2.  Februar, die preußische datiert vom 22.  Februar 182933. München erklärte, dass „diejenigen Bestimmungen, welche in dieser Beziehung zugunsten der baierischen Untertanen im Königreich Baiern bereits bestehen oder künftig erlassen werden, in ganz gleichem Maaße auch zum Schutze der Schriftsteller und Verleger der preußischen Monarchie in Anwendung gebracht werden sollen“. Preußen hatte sein Ziel erreicht. (5)  Aus Kassel wurde am 11.  Oktober 1826, also schon bei der ersten Nachfrage nach Berlin gemeldet, es sei „nicht bekannt, daß jemals eine förmliche Anklage gegen einen inländischen Nachdrucker anhängig gewesen“ sei34. Als Preußen im folgenden Jahr wegen eines Abkommens zum wechselseitigen Schutz nachfragte, entschied sich Kurhessen für das Privilegiensystem und erklärte sich erst Anfang 1828 bereit, auf dieser Basis ein Abkommen mit Berlin abzuschließen. Das preußische Außenministerium ging am 33  GS

1829 S.  10. Folgenden: GStA-PK III. HA (2.4.1.) Abt.  1 Nr.  8946–8951.

34  Zum



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8.  März 1828 darauf ein, verschwieg aber nicht, dass man auf eine bessere Lösung gehofft hatte: „Wenngleich es wünschenswerth gewesen wäre, den Nachdruck auch im ganzen Umfange der kurfürstlichen Lande durch ein besonderes Gesetz oder ein Verordnung bestimmt verboten zu sehen, da die Ertheilung von Privilegien an alle darum nachsuchenden Schriftsteller und Verleger der preußischen Monarchie diesseits leicht lästig werden dürfte, so beharrt doch das unterzeichnete Ministerium zur Zeit umso weniger auf obigem Wunsch, als auch noch einige andere Regierungen sich für das Privilegien-System erklärt haben.“

Berlin erwartete freilich eine Gegenleistung: Kurhessen sollte auf die Privilegiengebühren ebenso verzichten wie auf die vorgesehene Einlieferung von Pflichtexemplaren; letztere würden in Preußen aus anderen Gründen und auch nur für inländische Produkte verlangt. Die Reaktion Kassels vom 25.  Februar 1829 enttäuschte in Berlin. Kurhessen war der Ansicht, dass ein bloßer Austausch von Ministerialerklärungen nicht genüge; man sei zwar geneigt, „Privilegien gegen den Nachdruck den darum nachsuchenden Königl. Preuß. Unterthanen nach Befinden zu ertheilen. So wenig es auch in den Absichten der kurfürstl. Staats-Regierung liegen kann, dem Nachdruck irgend eine Begünstigung angedeihen zu lassen, so dachte man sich doch den Fall als möglich, daß der Verfasser oder Verleger eines Werkes, dessen Verbreitung in Kurhessen nicht erwünscht werden könne, um ein Privilegium gegen den Nachdruck nachsuche und das Kurfürstliche Gouvernement durch die Ertheilung eines solchen, anderen von ihm selbst ausgegangenen Maaßregeln, ungeachtet diese Letzteren gegen den Nachdruck in Hessen vollkommen schützen würden, zu widersprechen scheinen müßte.“

Berlin35 nahm die Note, die schon den preußischen Vertreter in Kassel geärgert hatte, „mit Bedauern“ entgegen; es gehe keineswegs darum, die kurhessischen Zensurgesetze in Frage zu stellen; es solle lediglich Schutz gegen den Nachdruck gewährt werden. Der „Beisatz“, die Privilegien den preußischen Untertanen „nach Befinden“ zu erteilen, könne nicht aufgenommen werden, weil damit das Schutzmittel gegen den Nachdruck „ganz der Willkür der kurhessischen Behörden überlassen und dadurch der Grundsatz der Reciprocität aufgehoben werden würde“. Andere deutsche Regierungen hätten Preußen auf der Basis des Privilegiensystems entsprechende Erklärungen ausgetauscht und dabei vorausgesetzt, dass die Zensurgesetze dadurch ganz unberührt bleiben. Nachdem man in Berlin wochenlang auf eine Antwort gewartet hatte, wurde das Ministerium ungeduldig. Ein Hinweis Naglers half wenig, als dieser am 29. April 1829 mitteilte, ihm seien aus Kassel „Privat-Nachrichten 35  Note

v. 6.  März 1829.

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zugegangen, dass die Sache dort im Zuge sey“; er hoffe „von Tag zu Tage die Nachricht von dem erfolgten Abschlusse der Vereinbarung zu erhalten“. Am 16.  Oktober schrieb das Ministerium an seinen diplomatischen Vertreter in Kassel: „Seit der letzten Note, welche Ew. etc. etc. nach Inhalt ihres Berichts vom 20. Juni dem Kurfürstlichen Ministerium in der Nachdrucksache übergeben haben, sind nun abermals vier Monate verflossen, ohne daß sie über den Erfolg, welche der desfälligen Einlassung gehabt hat, Anzeige erstattet hätten. Das unterzeichnete Ministerium darf zwar annehmen, daß das Kurfürstliche Ministerium Ew. etc. etc. auf jene Note bisher noch nicht geantwortet haben wird, kann ihnen jedoch nicht verbergen, daß eben dieses Stillschweigen, welches man dortseits fast auf alle Anträge beobachtet, die sie im Namen ihres Gouvernements an das Kurfürstliche Ministerium gelangen lassen, mit der Würde der diesseitigen Regierung und mit der Ihnen als jetzigen Geschäftsträger gebührenden Achtung durchaus nicht zu vereinbaren ist.“

Der harsche Ton mag die Dinge beschleunigt haben; wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass Kurhessen am 16.  Mai 1829 eine Verordnung über den Büchernachdruck erlassen hatte, die nicht nur den preußischen Untertanen, sondern allen in deutschen Bundesstaaten erschienen „Druckschriften“ Schutz gewährte. Damit war eine neue Basis für einen Vertrag mit Preußen gegeben; er wurde am 30.  Oktober 1829 publiziert36. III.

Trotz zahlreicher Erfolge ist nicht zu übersehen, dass sich einige Bundesstaaten von Anfang an geweigert haben, auf die preußischen Angebote einzugehen. Zu ihnen zählen vor allem Österreich und die Freie Stadt Frankfurt. (1)  Auf die erste Nachfrage über die Rechtslage hatte Österreich bereits im Dezember 1826 geantwortet37. Ein anfangs Mai 1827 konzipiertes Angebotsschreiben nach Wien blieb zunächst liegen. Realisiert wurde die Anfrage erst im Oktober38 desselben Jahres. In diesem Schreiben an Freiherrn von Maltzahn, den preußischen diplomatischen Vertreter in Wien, wird auch der Zeitpunkt näher begründet: „Man hat hier bis izt Anstand genommen, mit gleicher Eröffnung bei Österreich vorzugehen, indem der Herr Fürst Metternich von Wien abwesend war, und bei der Sache es hauptsächlich auf seine besondere Erwiderung ankommen wird.“ 36  Der folgende Bericht stützt sich auf GStA-PK I. HA Rep. 75A Nr.  596 und GStA-PK III. HA (2.4.1.) Nr.  8945–8950. 37  GS 1829, S.  127. 38  Note v. 6.  Oktober 1827.



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Im beigefügten „Entwurf der Note für Österreich“ wird vor der Schilderung der Rechtslage in Preußen und Österreich Grundsätzliches festgehalten: „Die preußische Regierung, indem sie das dringendste Bedürfniß einer solchen Vereinbarung zunächst in Beziehung auf einige mit dem preußischen Staate mehrfach begrenzte Bundesstaaten empfunden hat, ist bei ihnen auf ganz gleiche Stimmungen und Wünsche gestoßen, so daß eine Vereinbarung über den aufgestellten Grundsatz alsbald schon erfolgt ist, und der Unterzeichnete sich die Ehre geben kann, dem etc. etc. das neueste Blatt der allgemeinen preußischen Gesetzsammlung, worin diese Übereinkünfte mit Gesetzeskraft zur öffentlichen Kenntnis gebracht worden sind, anbei ganz ergebenst mitzutheilen. Auch in Absicht der übrigen Bundesstaaten hegt man die angemessene Erwartung, den diesseitigen Ansichten durch baldigen Abschluß ähnlicher Vereinbarungen entsprochen zu sehen und insbesondere glaubt man auch bei der K. Oesterreichischen Regierung auf eine wohlgeneigte Annahme eines hierauf gerichteten Antrages rechnen zu dürfen.“

Gegen Ende des Entwurfs wird bekräftigt, dass die gewünschte Gleichstellungserklärung weder den Ergebnissen neuer Verhandlungen am Bundestag noch einer „freien Fortbewegung der eigenen Gesetzgebung“ im Wege stehen würde. Eine offizielle Antwort auf das Berliner Angebot ließ auf sich warten. Im Dezember 182739 berichtet von Maltzahn, die Grafen Saurau und Sedlnitzky hätten erkennen lassen, dass es „kein wesentliches Hinderniß“ gebe; es scheine aber, dass Münch Bellinghausen, der österreichische Gesandte am Bundestag, und die Geheime Hof- und Staatskanzlei „mehr dafür stimmen, ehe der Antrag Preußens angenommen werde, durch Abgabe der beim Bundestag rückständigen österreichischen Erklärung zu versuchen, ob die dort anhängigen Verhandlungen in Betreff des Bücher-Nachdrucks, nicht zu einem Resultate zu führen seyn möchten“.

Noch im März 1828 glaubte man in Berlin, von Österreich erwarten zu können, „daß es seine Teilnahme nicht ablehnen werde“40. Wenige Tage danach äußert das Außenministerium41 gegenüber dem Gesandten in Wien, es lasse sich „nicht wohl absehen, worin die Schwierigkeiten liegen können, welche der definitiven Erklärung des Kaiserlich-Oesterreichischen Hofes noch entgegenstehen. In der That kann sich das unterzeichnete Ministerium auch keine Vorstellung davon machen, wodurch die Kaiserlich-Oesterreichische Regierung nach den ihr von uns gemachten Anerbietungen noch die Verweigerung begründen könnte, dem 39  Bericht

v. 4.  Dezember 1827. in einem Schreiben v. 28.  März 1827 an von Nagler, GStA-PK I. HA Rep. 75A Nr.  596 fol.  74. 41  Note v. 3. April 1828. 40  So

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Nachdruck, welchen die eigene österreichische Gesetzgebung für unerlaubt und strafbar erklärt, und den auch die Bundesakte im Prinzip längst verdammt hat, im Verhältnis zu preußischen Schriftstellern und Verlegern diesen Charakter der Strafbarkeit beizulegen. Zu einer Ablehnung unseres Antrags können wir nur eine Ungeneigtheit erblicken, das Geringste zur Ausführung des betreffenden Artikels der deutschen Bundesakte beizutragen, da der von Preußen gemachte Vorschlag doch wohl das wenigste ist, was von den in jenem Artikel enthaltenen Verabredungen erwartet werden kann. Eine solche Erklärung glaubt das unterzeichnete Ministerium jedoch von einer Regierung besorgen zu dürfen, welcher die Darlegung ächt foederaler Gesinnungen in allen vorkommenden Bundesangelegenheiten so umsichtig am Herzen liegt.“

Von Maltzahn berichtete42 über seine schriftliche Anregung und ein vertrauliches Gespräch mit Münch-Bellinghausen; danach sei bald eine Antwort zu erwarten, allerdings nur eine vorläufige. An der Beratung seien viele innere Behörden beteiligt. Auch sei eine Entscheidung des Kaisers erforderlich, da die einschlägigen Artikel des österreichischen Gesetzbuches abgeändert werden müssten. Im Übrigen sei nicht von Sedlnitzky, sondern die vereinigte Hofkanzlei unter dem Grafen von Saurau den preußischen Vorschlägen „am wenigsten günstig“. Als Berlin wenig später eine schriftliche Rückäußerung Österreichs anmahnte, konnte von Maltzahn wiederum nur vermelden43, dass Metternich versprochen habe, „bei den inneren Behörden dahin zu wirken, daß eine baldige Rückäußerung erfolge“; auch habe er wiederholt, „daß vonseiten der Hof- und Staatskanzleibei den gedachten Anträgen nichts im Wege stehe“. Im Übrigen ließ Maltzahn erkennen, dass er die Ansicht teilte, wonach die Einbeziehung der preußischen Untertanen in den Schutz „jedenfalls einer Abänderung oder Erweiterung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen“ bedürfe. Ein konkreter Streitfall um den Nachdruck in Österreich verschärfte die Tonlage. Der Buchhändler Enslin, der unter dem Nachdruck einiger Werke in Graz zu leiden hatte, stellte fest, dass alle bisherigen Vorstellungen ohne Erfolg geblieben waren und stellte nun im Rahmen der Retorsionsklausel des Allgemeinen Landrechts, den Antrag „einige von kaiserlich österreichischen Untertanen verlegte Werke nachdrucken zu dürfen“44. Das Innenministerium regte an, diesen Fall in die Diskussion um die Gegenseitigkeitserklärung einzuführen. Eine entsprechende Weisung erging noch im Sep42  Bericht

v. 18. April 1828. v. 12.  Juni 1823. 44  Schreiben Enslins an das Außenministerium v. 14. April 1828 mit einer Kopie der Eingabe gleichen Datums an das Ministerium des Innern und der Polizei. 43  Bericht



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tember 1828. Ende Oktober konnte der preußische Gesandte die Antwort Metternichs nach Berlin weiterreichen mit dem „Bedauern, …, daß es mir trotz der unablässigsten Bemühungen nicht gelungen ist, eine frühere und in ihren Resultaten befriedigendere Erledigung dieser Angelegenheit zu erreichen“. In seiner Note vom 25.  Oktober entschuldigte Metternich die Verzögerung „mit Schwierigkeiten, … welche die Würdigung der Anwendbarkeit einer solchen immerhin nicht unwichtigen Administrationsmaßregel und die diesseitigen Erhebungen bei der Verschiedenheit der Bestandteile der österreichischen Monarchie finden mussten“. In der Sache habe man nach sorgfältigen Prüfungen zu vermerken, „daß obschon man diesseits keinesweges abgeneigt ist, wesentliche Modificationen in dem, von der österreichischen Staatsverwaltung hinsichtlich des Nachdrucks bisher angenommenen System eintreten zu lassen, immerhin doch eine unbedingte völlige Gleichstellung des Auslandes mit dem Inlande, die vonseiten des K. Preuß. Hofes in Vorschlag gebracht wird, mit den diesseitigen Ansichten über die Behandlung des fraglichen administrativen Gegenstandes wenigstens zur Zeit noch nicht sich in Einklang befindet, und erst wenn man auch in besonderer Rücksicht der zwischen beiden Höfen bestehenden so innigen freundschaftlichen Verhältnisse sich zu einer Ausnahme bereitfinden lassen wollte, immerhin auf der Ausführung einer solchen partiellen Vereinbarung mancherlei wesentliche Schwierigkeiten insbesondere in privatrechtlicher Beziehung entgegentreten würden. Der K. K. Hof glaubt daher, daß die fraglichen gegenseitigen Verhältnisse am füglichsten und angemessensten ihre Erledigung bei jenen Verhandlungen finden dürften, welche in Berücksichtigung des 18. Artikels der deutschen B.-Acte in Betreff des Bücher-Nachdrucks sich bereits am Bundestage im Zuge befinde, und deren ehemöglichste Wiederaufnahme zu befördern, und dadurch auf die Erlangung eines gemeinschaftlichen Resultats zu wirken, in der diesseitigen Absicht liegt.“

Die Reaktion des preußischen Außenministeriums war unmissverständlich. Dem Innenminister stellte man in einem Schreiben vom 6.  November 1828 anheim, ob dieser im Sinne der Retorsionsregel zugunsten Enslins entscheiden wollte, und fügte hinzu: „Einer politische Rücksicht steht, bei der von dem Kaiserlich-Oesterreichischen Hofe nach vielen Verhandlungen abgegebenen hinhaltenden Erklärung, der Gewährung eines solchen Gesuchs durchaus nichts im Wege.“

An Nagler erging schon am 3.  November die Mitteilung, dass Österreich die „Annahme unserer Vorschläge von den künftigen Verhandlungen beim Bundestage über diesen Gegenstand abhängig macht“. Nachdem der preußische Gesandte in Wien wenige Tage später (11.  November) noch einmal bestätigt hatte, dass Österreich die Nachdruckfrage bei der Gesetzesrevision bedenken wolle, dachte man in Berlin über eine neue Initiative nach.

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Am 6.  Dezember 1828 genehmigte der Außenminister, Graf Bernstorff, eine Reihe von Schriftstücken. Nagler wurde beauftragt, eine in Berlin entworfene Erklärung in das Bundestagsprotokoll aufnehmen zu lassen; über den Inhalt dieser Schreiben wurden die Vertreter Berlins in Dresden, Karlsruhe und Darmstadt informiert. Der Gesandte in Wien wurde beauftragt, in einer „offiziellen Eröffnung“ Metternich von diesen Absichten zu unterrichten. Dabei wurde festgehalten, dass die Wiener Antwort auf den Berliner Antrag „gegen die Erwartungen der diesseitigen Königl. Regierung ausgefallen“ sei; dann heißt es weiter: „Die letztere, welche nichts sehnlicher wünscht, als das Unwesen des Nachdrucks ganz von ihrem Boden zu vertilgen, ist dadurch in die unangenehme Lage versetzt worden, nunmehr in Gemäßheit der gesetzlichen Vorschriften allen denjenigen preußischen Verleger, welche die Erlaubnis österreichische Verlagsartikel nachzudrucken, nachsuchen, solche nicht weiter zu versagen, ihnen den Verkauf solcher Nachdrucke zu verstatten und die Beschwerden österreichischer Unterthanen über dadurch erlittene Beeinträchtigung unberücksichtigt zu lassen.“

Die zweite Initiative Berlins, die das Gegenseitigkeitsprinzip mit Hilfe des Bundestages generell zwischen allen Bundesstaaten etablieren sollte, zeitigte erst nach vielen Monaten erste Erfolge. Es gelang Österreich, die Aufnahme der preußischen Erklärung in das Protokoll bis zum 20. August 1829 hinauszuzögern. Bis zu diesem Datum liefen die älteren Bemühungen um die Serie zweiseitiger Abkommen weiter. (2)  Die Freie Stadt Frankfurt hielt sich bereits45 zu Beginn der preußischen Aktion mit eindeutigen Antworten zurück46. Auf die Nachfrage Berlins nach dem in Frankfurt geltenden strafrechtlichen Schutz gegen Nachdruck hat man erst am 8. August 1827 reagiert: Es gäbe „keine neueren Verordnungen“, „in vorkommenden Fällen“ werde die Angelegenheit „nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt“. Das Außenministerium informierte am 11. September von Nagler, der auch für Frankfurt zuständig war, über den Stand der Verhandlungen mit anderen Staaten: „Die Verhandlungen mit den einzelnen deutschen Bundesstaaten, den BücherNachdruck betreffend, von deren Einleitung Ew. Excellenz in Kenntnis gesetzt worden sind, schreiten erwünschtermaaßen vor, und in kurzem glaubt sich das unterzeichnete Ministerium in den Stand gesetzt zu sehen, die Vereinbarungen mit Baiern, Hannover, Braunschweig, Hessen-Darmstadt, Oldenburg, Lippe-Detmold, Lübeck, Königreich Sachsen durch die Gesetz-Sammlung publiciren zu können. 45  Der in den folgenden Sätzen nur angedeutete Plan bedarf noch einer eingehenderen Untersuchung anhand der Akten; hier muss ein Hinweis auf die abschließende Bewertung (IV) genügen. 46  Nach den Akten GStA-PK I. HA Rep. 75A Nr.  589 und 596 sowie III. HA (2.4.1.) Abt.  1 Nr.  89468950.



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Indem nun fast bei allen Bundes-Regierungen jene Verhandlung anhängig gemacht worden ist – bis auf Österreich, Liechtenstein, auch Anhalt-Dessau und Köthen – ergeht nunmehr auch an Eure Excellenz das ergebenste Ersuchen mit der Stadt Frankfurt die gewünschte Vereinbarung durch Austausch von Erklärungen herbeizuführen.“

Das eigentliche Ziel der preußischen Aktion wird unverblümt ausgesprochen: „Am wünschenwertesten bleibt es, die Staaten, wo zur Zeit noch kein bestimmtes Verbot wider den Nachdruck besteht, sondern wo man sich nur auf allgemeine Grundsätze beruft, – für deren Anwendung jedoch keine Garantie vorhanden ist – dahin zu vermögen, daß sie ein bestimmtes Verbot doch aussprechen, wäre es auch noch so einfach.“

Beigefügt war eine Instruktion, die wesentliche Teile der früheren Anfragen, aber auch spezifische Äußerungen zur Rechtslage in Frankfurt enthält. Unter Bezugnahme auf die Auskunft vom 8. August 1826 heißt es: „Es scheint hiernach, daß es hierbei zunächst auf die Beurtheilung der Behörden und Gerichte ankommt, und daß diese wahrscheinlich einen Anhalt in der auch in anderen deutschen Staaten bei diesem Gegenstande zur Anwendung gebrachten Grundsätzen über das Eigenthum findet, so daß mithin wenigstens nach der Praxis, der Nachdruck als unerlaubt sich darstellen wird. Daß erst durchweg Privilegien auszuwirken seyen, um einen Schutz gegen den Bücher-Nachdruck zu erhalten, wird mithin nicht anzunehmen seyn. Aber es dürfte, wie es scheint dennoch das sicherste für den rechtmäßigen Verleger seyn, sich ein besonderes Privilegium auszuwirken, indem die ertheilte Auskunft nichts Näheres enthält, daß jedenfalls die Gerichte und Behörden nicht umhin können, den gewünschten Schutz wider den Nachdruck zu gewähren, welche Anwendung sie auch von den allgemeinen Grundsätzen immer machen mögen.“

Im Folgenden werden zwei Lösungsmöglichkeiten im Verhältnis zu Frankfurt erörtert: Zum einen die Zusicherung, dass jeder preußische Untertan zu den gleichen Bedingungen wie Frankfurter Bürger ein Privileg erhalten könne, zum anderen, dass ein allgemeines Verbot gegen den Nachdruck ergehe, wie es in mehreren Bundesstaaten bereits bestehe, und dieses Verbot durch eine Erklärung auch auf preußische Untertanen auszudehnen sei. Diese Konzepte werden in einer Instruktion an Nagler weiter erläutert. Im Übrigen verweist Berlin auf eine Reihe von Beispielen: So habe Oldenburg bereits eine Strafnorm und auch Braunschweig habe sich zum Erlass einer allgemeinen Anweisung an Behörden und Gerichte bereiterklärt. Ebenso verfahre Schaumburg-Lippe, das sich für das Privilegiensystem entschieden habe; dort sei man zu einer Erklärung bereit, die preußischen Untertanen mit den eigenen gleichzustellen. Naglers Note vom 24. August an die „für Verhandlungen mit den von Bundestagsgesandtschaften ernannte Senatsdeputation“ verschärfte den Ber-

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liner Entwurf etwas, indem der Wunsch nach einer generellen Erklärung verstärkt wurde: „Zur Erreichung des Zweckes dürfte es immer am angemessensten sein, wenn Staaten, in welchen zur Zeit noch kein bestimmtes Verbot wider den Nachdruck besteht, sondern wo man sich auf allgemeine Grundsätze beruft, für deren Anwendung jedoch keine Garantie vorhanden ist, ein bestimmtes Verbot noch aussprechen wollte, wäre es auch noch so einfach.“

Bis Frankfurt auf das Angebot reagierte, verging viel Zeit. Berlin beklagte in seiner Note vom 11.  Februar 1828, dass die Stadt den Antrag bislang „ohne alle offizielle Erwiderung gelassen habe“, und fügt hinzu: „Wir hätten erwarten können, daß die Obrigkeit jener Stadt sich vor anderen beeilen werde, unsere Vorschläge anzusprechen, da dort viele ansehnliche Buchhandlungen bestehen welche den Schutz ihrer Regierung gegen den Nachdruck ihrer Verlagsartikel in Anspruch nehmen. Von der anderen Seite sollen aber auch wieder in jener Stadt auf eine schamlose Weise Nachdrucke aller bedeutenden Schriften zum öffentlichen Verkauf ausgelegt werden, so daß es fast den Anschein gewinnt, der Senat befinde sich in einer Verlegenheit, ob er mehr das rechtmäßige Geschäft des Buchhandels oder das ehrlose Gewerbe der Nachdrucker begünstigen soll. Darüber läßt ihm aber schon die den Nachdruck betreffende Bestimmung der Bundesakte keine Wahl mehr. Denn im Prinzip ist der Nachdruck durch die Bundesakte bereits verdammt, darüber können daher auch gar keine Verhandlungen bei dem Bunde mehr stattfinden, diese Verhandlungen haben nur zum Zweck, gleichförmige Bestimmungen zur Unterdrückung desselben in allen deutschen Staaten zu Stande zu bringen und nur an der Schwierigkeit, welche die Behauptung der Eigenthümlichkeit der Gesetzgebung in den einzelnen deutschen Staaten deren Vereinigung zu gleichförmigen Vorschriften entgegensezte, ist bis jetzo die Lösung jener Aufgabe gescheitert.“

Berlin versäumte bei der Gelegenheit nicht, auf die Retorsionsklausel des Allgemeinen Landrechts hinzuweisen und drohte damit indirekt, den Frankfurter Verlegern und Schriftstellern an, den Schutz gegen Nachdruck in Preußen zu verweigern. Der Zufall wollte es, dass Frankfurt ebenfalls am 11.  Februar seine Antwort niederlegte. Man wollte nicht auf das Angebot Preußens eingehen. Die entscheidenden Passagen lauten: „Der Senat hält es zwar, in Erwartung, daß sich sämtliche Regierungen der deutschen Bundesstaaten, in Gemäßheit des Art.  18 der deutschen Bundes-Akte, über gemeinsame Masregeln zur Verhütung des Nachdrucks und der Verbreitung desselben vereinbaren werden, nach den individuellen Verhältnissen von Frankfurt für bedenklich, mit einer dem Resultate der Bundestagsverhandlungen vorgreifenden neuen Gesetzgebung mit diesem Punkte, für die hiesige Stadt vorwegzunehmen, ohne jedoch die Absicht zu haben, wenn alle deutsche Bundesstaaten in dem Wunsche eine Masregel zur Unterdrückung des Nachdrucks übereinstimmen sollten, sich von einem Verbote auszuschließen; und obgleich bey dem PrivilegienSystem, wobey durchgängig in allen vorkommenden Fällen, auf Geschehenes



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Ansuchen, Privilegien zum Schutz wider den Nachdruck, mit darin ausgedrückten Strafbestimmungen, ertheilt würden, gleiche Bedenklichkeit vermeldet, indem es bey Ertheilung von Privilegien auf die Beurtheilung der Eigenthümlichkeit eines jeden einzelnen Falles, hauptsächlich ankommt, mithin eine solche allgemeine Masregel einer neuen Gesetzgebung vollkommen gleichstehen würde, so verehrt der Senat doch in vollem Maße die dankenswerthen Masregeln der Königlich Preußischen Regierung gegen den Nachdruck und wird daher, um dieses zu be­ thätigen, in einzelnen Fällen und bey bedeutenden Werken mit Ertheilung von Privilegien, wie dies erst seit kurzem für die Werke Goethes, Schillers, Hummels etc. etc. der Fall gewesen, nach Umständen, den darum ansuchenden Königlich Preußischen Unterthanen zu Hande gehen.“

Nagler kommentiert die Haltung Frankfurts ausführlich; in seinem Bericht vom 28.  Februar heißt es: „Der Senat hat die Vereinbarung abgelehnt – Auch aus dieser Sache ist aufs Neue der große Einfluss zu ersehen, den hier österreichische Ansichten auf das ganze Benehmen des Senates äußern. Ich habe keine Gelegenheit versäumt, die sich irgend darbot, um gesprächsweise auf einzelne Senats-Mitglieder einzuwirken. Der zur Verhandlung mit den Bundestags-Gesandtschaften beauftragte Senator Thomas, welcher die Note unterzeichnet hat, war nach seiner mündlichen Erklärung mit der diesseitigen Absicht einverstanden und ich habe keine Ursache, an der Aufrichtigkeit seiner Versicherung zu zweifeln. Ebenso hat der Legations-Rath von Bülow den Schöffen von Meyer, mit welchem er näher bekannt ist, und der als Schriftsteller ohnehin das Gute der Sache nicht verkennen kann, für sie besonders einzunehmen gesucht; aber beide Einfluß reiche Männer haben dennoch gegen die Mehrheit der Stimmen, die sich gegen sie erhoben hat, nichts auszurichten vermocht.“

Im Übrigen verweist Nagler wiederum auf die Meinung der Mehrheit der Buchhändler, die sich vor der Konkurrenz in den umliegenden Städten fürchte. Die Ablehnung Frankfurts hat das Berliner Außenministerium „auf das höchste überrascht“ – so der Beginn der Note an Nagler vom 28.  März 1828. Im Übrigen heißt es dann: „Die Gründe, durch welche der dortige Senat sein Verfahren zu rechtfertigen sucht, sind so unhaltbar, daß die Ablehnung nur aus Motiven eines üblen Willens erklärbar ist. Was anders läßt sich voraussetzen, wenn eine Regierung, nachdem alle Nachbarstaaten dem diesseitigen Vorschlage bereits beigetreten sind, ihre Theilnahme aus dem nichtigen Grunde versagt, weil sie besorgt, dem Resultate der künftigen Bundestagsverhandlungen vorzugreifen; da doch im Prinzip der Nachdruck durch die Bundes-Acte bereits verdammt ist und die von uns in Vorschlag gebrachte Maasregeln nichts als die gleichsam von selbst sich verstehende Anwendung dieses Prinzips bezwecken? Die Geschichte der bisherigen Bundestags-Verhandlungen über den Nachdruck hat bewiesen, daß man an der Aufgabe gleichförmige Bestimmungen zum Schutze des literarischen Eigenthums in den deutschen Staaten zustande-zubringen, fast verzweifeln muß. Was anders ist daher die Beziehung auf einen Bundesbeschluß, welchem man nicht vorgreifen will, als ein blosser Vor-

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wand, um jede Maasregel gegen den Nachdruck überhaupt auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben und dieses ehrlose Gewerbe ungehindert forttreiben zu lassen? Wenn, wie es nach der Fassung jener Note den Anschein hat, der dortige Senat auf das Verfahren Hamburgs in dieser Angelegenheit exemplificiert, so darf nicht außer Acht gelassen werden, daß zwischen beiden Städten doch ein sehr wesentlicher Unterschied Statt findet, indem der Hamburger Senat sich nicht nur bestimmt gegen den Nachdruck als ein unerlaubtes Gewerbe ausgesprochen, sondern auch versichert hat, daß in Hamburg überhaupt kein Nachdruck Statt findet, auch kein Verkehr mit nachgedruckten Büchern dort getrieben werde, während es notorisch ist, daß Frankfurt a / M ein Hauptsitz dieses Unwesens ist. Wir können uns daher umso weniger bei jener Erklärung des dortigen Senats beruhigen, als in diesem Augenblick nur noch einige Regierungen mit ihren beifälligen Erklärungen im Rückstand sind.“

Außer Österreich, von dem man erwarte, dass es noch teilnehmen werde, stünden nur noch die Erklärungen von Kurhessen, Bayern und Hamburg aus. Die Note fährt dann fort: „Auffallend ist es, daß gerade von zwei der freien Städte die Theilnahme an einer Maasregel verweigert wird, welche eine für ganz Deutschland gemeinnützige Anordnung betrift, da man von ihnen in Sachen dieser Art vorzüglich eine thätige Mitwirkung erwarten sollte, am meisten aber wo es sogar auf die Ausrottung eines Unfugs ankommt, welcher die Eigenthumsrechte des einzelnen gefährdet. Wir werden alle und jede uns zu Gebote stehenden Mittel anwenden müssen, um auch bei dem dortigen Senate unseren gemeinnützigen und billigen Vorschlägen Eingang zu verschaffen.“

Nagler versäumte nicht, den Frankfurter Senat zu belehren. Das Angebot, das man unterbreitet hatte, genüge nicht dem in Art.  18 der Bundesakte niedergelegten Gedanken, wonach nur eine Gleichförmigkeit des Schutzes herzustellen sei: „Hierdurch ist dem Prinzipe nach der Nachdruck in ganz Deutschland als verworfen zu betrachten“; letztlich stehe Preußen für seine Untertanen ein Anspruch auf gleichen Schutz in den übrigen Bundesstaaten zu. In Naglers Bericht nach Berlin vom 22.  Mai ist zu lesen: „Ich möchte fast glauben, daß dieser Note die nähere Anleitung des kaiserlich österreichischen Gesandten Baron von Münch zum Grunde liegt, da der Senat sich lediglich nach österreichischer Intension zu benehmen pflegt. Der Senat ist bereit, ‚den Schriftstellern und Verlegern der preußischen Monarchie auf ihr Ansuchen, mit Privilegien zu handen gehen zu wollen‘ bis es zu einer weiteren Vereinbarung aller Staaten kommen werde. Aber es scheint der Anerkennung einer ausdrücklichen Verpflichtung zu dieser Privilegienertheilung ohne Ausnahme und im kostenfreien Wege, mittels einer auszutauschenden Erklärung, sich noch entziehen zu wollen.“

Berlin wartete ab, bis die Verhandlungen mit Hamburg positiv abgeschlossen waren. Am 31.  Juli wies es Nagler an, dem Frankfurter Senat ein



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entsprechendes neues Angebot zu unterbreiten. Nagler übernahm die Vorgaben der Berliner Note, die recht scharf ausfielen, in sein Schreiben an den Senat vom 21. August 1828. Für die preußische Regierung sei die abgegebene Erklärung „höchst unerwartet“ gewesen; weiter heißt es: „Diese Erklärung bezieht sich auf die am Bundestage stattgefundenen Verhandlungen, indem solche ergeben sollen, daß der Senat den lebhaften Wunsch hege, daß dem Uebel des Nachdruckes soviel als möglich gesteuert werde; sie gedenkt zugleich des in der 18. Sitzung des Jahres 1823 gemachten Vorschlages, wodurch der gewünschte Zweck mittelst Abschließung einerÜbereinkunft aller deutschen Bundesstaaten über den Nachdruck erreicht werden würde, undindem noch die Äußerung beigefügt ist, es werde dem Senat erwünscht seyn, wenn die Königlich Preußische Regierung jener Angelegenheit in den Verhandlungen der BundesVersammlung ihre kräftige Unterstützung wolle angedeihen lassen, scheint sie fast andeuten zu wollen, daß es nicht an dem guten Willen des Senats, sondern nur an dem Mangel einer kräftigen Unterstützung der Preußischen Regierung liege, weshalb jenem von dem Senate anerkannten Uebel bis jetzt noch nicht abgeholfen worden sey. Auf die Königliche Regierung hat es einen sehr unangenehmen Eindruck gemacht, in diesem Zusammenhange an die Verhandlungen der Bundes-Versammlung erinnert zu werden, deren bisherige Erfolglosigkeit, nachdem Preußen, wie die Geschäfte jener Verhandlungen beweist, es an keiner Bemühung hat fehlen lassen, einen gemeinsamen Beschluß zwischen allen deutschen Regierungen herbeizuführen, allein Ursache ist, daß man diesseits den Weg eingeschlagen hat, mittelst besonderer Uebereinkünfte zwischen den einzelnen Staaten, wenn auch minder vollkommen, dasjenige zu erreichen, was man viel lieber vollkommener und entscheidender durch eine von dem Bundestage gefaßte gemeinschaftliche Uebereinkunft aller deutschen Regierungen unter sich zustande gebracht gesehen hätte. Auch bei dem jetzt eingeschlagenen Weg ist es … nicht die Absicht der Königlichen Regierung, einer solchen gemeinschaftlichen Uebereinkunft vorzugreifen, oder derselben gar hinderlich zu seyn; indem vielmehr die Vereinbarungen, welche bis jetzt mit dem bei weitem größten Theile der deutschen Staaten abgeschlossen worden sind, eine allgemein Vereinigung aller deutscher Staaten am Bundestage über Maasregeln gegen den Nachdruck nur förderlich seyn können. Wenn daher die Königlich Preußische Regierung die Überzeugung gewinnen soll, daß der Senat der freien Stadt Frankfurt in der That den lebhaften Wunsch hegt, daß dem Uebel des Nachdrucks soviel als möglich gesteuert werde, so wird dieselbe einem Antrage nicht entgegen seyn oder ausweichen können, welcher bloß darauf abzweckt, eine gemeinschaftliche Vereinigung aller deutscher Staaten vorzubereiten, und bis dahin, daß dem Uebel noch kräftigerer Widerstand geleistet werden kann, dasselbe vorläufig, wo und wie sich die Gelegenheit dazu darbietet, so viel als möglich zu hemmen.“

In der Folge wird betont, dass Preußen dem Wunsch der Stadt Frankfurt, den Schutz auf ein Privilegiensystem zu gründen, nicht abgeneigt sei. Nur müssten auch in diesem Falle Erklärungen, wie es unter ähnlichen Umständen mit anderen Staaten geschehen sei, ausgetauscht werden. Es folgt ein Verweis

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auf die neue Verordnung Hamburgs. Damit gibt Preußen zu erkennen, dass es eine gesetzliche Regelung des Verbotes auch in Frankfurt wünscht. Frankfurt reagierte auf diese Vorschläge auf besondere Weise; es ging auf diese Note nicht weiter ein, erteilte (1.  November 1828) aber dem Obristen von Witzleben ein Privileg für die Herausgabe der „von Tromlitzschen Werke“, und das Ministerium in Berlin äußerte einige Tage später die Hoffnung, „daß ein hiernach gerichtetes Gesuch jedes anderen preußischen Schriftstellers und Verlegers, welcher sich an den Senat der Freien Stadt Frankfurt wenden möchte, nicht zurückgewiesen werden wird“. Nachdem Österreich das von Preußen gewünschte Abkommen abgelehnt und sich die Berliner Politik im Dezember 1828 mit der Initiative am Bundestag ein neues Ziel gesetzt hatte, waren weitere Verhandlungen mit dem widerspenstigen Frankfurt ohnehin nicht mehr interessant. IV. Versuchen wir die preußische Aktion der Jahre 1826-1829 insgesamt zu bewerten. Zunächst ist festzuhalten, dass sie den Schutz gegen Nachdruck befördert hat. Es ist Preußen gelungen, diejenigen Staaten, die noch nicht hinreichend für den Kampf gegen den Nachdruck sensibilisiert waren, zu Neuansätzen zu bewegen. Am weitesten gingen jene Regierungen, die – wie Hamburg oder Kurhessen – durch die preußische Initiative veranlasst worden sind, allgemeine Regeln zum Schutz gegen den Nachdruck zu erlassen47. Andere Bundesstaaten erweiterten wenigstens ihr Privilegiensystem durch die generelle Gleichstellung der preußischen Schriftsteller und Verleger mit den eigenen Untertanen oder versprachen eine verbesserte Praxis zu deren Gunsten. Die Aktion Preußens hat damit letztlich auch die Debatte über die Nachdruckfrage im Deutschen Bund wiederbelebt. Sie war 1824 zum Stillstand gekommen, weil Österreichs Vorstellungen über die Verknüpfung von Nachdruckschutz und Zensur von anderen Staaten nicht geteilt worden waren48. 47  Weitere Staaten haben sich ebenso verhalten: Anhalt-Dessau, Anhalt-Dernburg, Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Lübeck, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Altenburg, Hessen-Darmstadt; Nachweise bei Schletter, Handbuch (Fn.  24). 48  Einen Überblick dazu bietet: Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Helmut Reinalter (Hg.), Die Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830–1848 / 49, Frankfurt a. M. 2002, S.  229249, auch in: ders., GE II, S.  241–256. Weitere Einzelheiten in: ders., Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck, in: Peter Thorau u. a. (Hg.), Regionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäsch-



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Die preußische Initiative hat wesentlich dazubeigetragen, dass Österreich bereit war, die Debatte im Bundestag wieder aufzunehmen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch der Meinung war, Nachdruckschutz und Zensur bildeten eine Einheit. Die Tatsache, dass Wien das Junktim von Nachdruckschutz und Zensur auf der Wiener Ministerialkonferenz von 1834 zunächst erneuern wollte, dann aber aufgab, ist ein Hinweis darauf, dass man zwischen 1826 und 1829 dieses politische Ziel noch verfolgt hat. Wenn sich Wien gleichwohl auf die Verhandlungen eingelassen hat, so geschah dies vermutlich deshalb, weil es seine Stellung im Deutschen Bund nicht schwächen wollte. Die preußische Aktion zielte ja auf Zweiseitigkeit ab und konnte damit die Gefahr heraufbeschwören, dass die Position Österreichs im Herzen des Deutschen Bundes geschwächt würde. Zu bedenken ist dabei, dass in den Jahren 1828 / 29 außerhalb der Bundesebene neue Zollund Handelsvereine zwischen Bundesstaaten gebildet wurden49; wenn die Nachdruckfrage auch auf dieser Ebene behandelt worden wäre, hätte der Bundestag womöglich einen wichtigen Auftrag aufgegeben und damit seine Kompetenz geschwächt. Die 1829 deutlich werdende Bereitschaft Preußens, das Gegenseitigkeitspostulat auf die Bundesebene zu bringen, signalisierte ein Entgegenkommen, das Wien im eigenen Interesse nicht mehr ablehnen konnte. Preußens Initiative zum Abschluss zweiseitiger Abkommen führte dazu, dass die Debatte um den Nachdruck auf der Bundesebene wieder eröffnet werden konnte. Man kehrte auf den langen Weg zurück, der über die Beschlüsse von 1832 und 1835 zu den „gleichförmigen Grundsätzen“ von 1837 führen sollte50.

ke zum 65.  Geburtstag, Köln 2003, S.  231–245; ders., Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: Bernd-Rüdiger Kern u. a. (Hg.), Humanoria. Medizin – Recht – Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70.  Geburtstag, Berlin u. a. 2005, S.  431–457; ders., Kontrolle und Schutz – Presserecht des 19.  Jahrhunderts im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und Privatrecht, in: Clemens Zimmermann (Hg.), Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20. Jahrhundert (Schriften der Siebenpfeiffer-Stiftung Bd.  8), Ostfildern 2006, S.  61–77. Die zuletzt genannten Beiträge sind auch in diesem Band abgedruckt. 49  Dazu vgl. man etwa: Hans-Werner-Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, Göttingen 1984, bes. S.  43. 50  Allgemein dazu: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Baden-Baden 1995, S. 230 ff.; im Übrigen darf verwiesen werden auf die einschlägigen Untersuchungen von ­Wadle, in: GE I / II (Fn.  1), sowie in diesem Sammelband.

Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“ Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern I. Die Ergebnisse der Wiener Ministerialkonferenzen sind im Schlussprotokoll vom 12.  Juni 1834 niedergelegt1. Zwei dieser geheimen „Sechzig Artikel“ befassen sich mit den aktuellen Problemen des Nachdruckschutzes, und zwar in folgender Weise: „Art.  36: Die Regierungen vereinbaren sich dahin, dass der Nachdruck im Umfang des ganzen Bundesgebietes zu verbieten, und das schriftstellerische Eigen­ thum nach gleichförmigen Grundsätzen festzustellen und zu schützen sey. Art.  37: Es soll am Bundestage eine Commission ernannt werden, um in Erwägung zu ziehen, inwiefern über die Organisation des deutschen Buchhandels ein Uebereinkommen sämmtlicher Bundesglieder zu treffen sey. Zu diesem Ende werden die Regierungen geachtete Buchhändler ihrer Staaten über diesen Gegenstand vernehmen, und die Ergebnisse dieser Begutachtung an die Bundestagskommission gelangen lassen.“

Der erste der beiden Artikel bestätigte das bereits im Bundesbeschluss von 1832 vorausgesetzte und von der Bundesakte (Art.  18  d) angestrebte 1  Aus der reichen Literatur zu den Wiener Konferenzen von 1834 seien hier nur genannt: Friedrich von Weech (Hrsg.), Correspondencen und Actenstücke zur Geschichte der Ministerconferenzen von Carlsbad und Wien in den Jahren 1819, 1820 und 1834, Leipzig 1865, S.  119–296; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830–1850, 2. Aufl., Stuttgart 1975, S.  173  ff., bes. S.  182; Ralf Zerback (Bearb.), Reformpläne und Repressionspolitik 1830–1834 (Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes Abt.  II, 1), München 2003, bes. S.  XXXIX  ff. Das Zitat folgt der Ausgabe von Ernst-Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd.  I: Deutsche Verfassungsdokumente 1803– 1850, 3. Aufl., Stuttgart 1978, S.  137–149 (Nr.  47), hier S.  143. Sonstige Ausgaben der „Sechzig Artikel“ bei von Weech (Hrsg.), Korrespondenzen, S.  281–296; Hans Pelger, Das Schlußprotokoll der Wiener Ministerialkonferenzen von 1834 und seine Veröffentlichungen 1843–1848, in: Archiv für Sozialgeschichte 23 (1983), S.  439– 472; hier S.  452  ff.; Elisabeth Droß (Hrsg.), Quellen zur Ära Metternich (Freiherr v. Stein-Gedächtnisausgabe Bd.  XXIII a), Darmstadt 1999, S.  221–237; Zerback, Reformpläne, S.  552–576.

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Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe bundesweiter „Organisation“

allgemeine Verbot; zugleich modifizierte er die älteren Vorgaben, da nur noch von „gleichförmigen Grundsätzen“ die Rede ist und nicht mehr von „gleichförmigen Verfügungen“. Diese Entscheidung trug wesentlich dazu bei, dass Preußen 1837 sein fortschrittliches „Gesetz zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ erlassen und damit einen Mindeststandard für den Bundesbeschluss vom November desselben Jahres vorweisen konnte. Diese Zusammenhänge sind weitgehend erforscht2. Für den zweiten der beiden zitierten Artikel gilt dies nicht in gleicher Weise3. Dennoch kann ein Zusammenhang mit der Problematik des Nachdruckverbots deutlich markiert werden, wenn man die Vorgeschichte anhand der Wiener Beratungen genauer betrachtet (II.). Das weitere Schicksal des Konzepts kann aus den Verhandlungen in der Bundesversammlung (III.) und in deren Umfeld (IV.) erschlossen werden; dabei wird auch verständlich, warum die 1834 angeregte „Organisation des deutschen Buchhandels“ nicht zustande kommen konnte. II. 1. Am 26.  März 1834 legte Fürst Metternich der Wiener Konferenz ein Schriftstück vor, das von den Frankfurter Buchhändlern Jügel und Brönner stammte und über den Präsidialgesandten von Münch an den Staatskanzler 2  Die ältere Literatur zusammenfassend: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entstehung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen (jetzt Baden-Baden) 1995, bes. S.  203  ff.; Elmar Wadle, Der Weg zum gesetzlichen Schutz des geistigen und gewerblichen Schaffens. Die deutsche Entwicklung im 19.  Jahrhundert, in: Friedrich Karl Beier, Alfons Kraft, Gerhard Schricker, Elmar Wadle (Hrsg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, 2 Bde., Weinheim 1991, hier 1. Bd., S. 93–183. Im Übrigen vgl. man die einschlägigen Aufsätze, in: Elmar Wadle, Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, 1.  Bd., Weinheim 1996, 2.  Bd., München 2003; insbesondere in Geistiges Eigentum I: „Das preußische Urheberrechtsgesetz von 1837 im Spiegel seiner Vorgeschichte“ und „Der Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht“, sowie Geistiges Eigentum II: „Die Berliner Grundzüge eines Gesetzentwurfes zum Urheberschutz. Ein gescheiterter Versuch im Deutschen Bund (1833 / 34)“. 3  Einige der grundsätzlichen Aspekte sind angesprochen bei: Elmar Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz und dessen Aufhebung im Jahre 1834, in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S. 241–256 (S. 247 f. Fn. 20: Hinweise zur Überlieferung).



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vermittelt worden war. Das Dokument, das den Titel „Entwurf zu einem Regulativ für den literarischen Rechtszustand“4 trägt, wurde von Metternich gegen Ende der zweiten Plenarsitzung vorgestellt. Nach dem offiziellen Protokoll5 sagte er, ihm sei der Entwurf „mit der Bitte zugesendet worden, selben der hier versammelten Conferenz zur Prüfung und Genehmigung vorzulegen“. Es folgte laut Protokoll eine kurze Stellungnahme des Staatskanzlers: „Die Tendenz des Antrags der Bittsteller gehe dahin, den gesammten rechtlichen Buchhandel Deutschlands in eine, einer gewissen Controlle unterworfene, und dagegen besonderer Rechte, namentlich des Schutzes gegen den Nachdruck genießende Corporation zu vereinigen. Nach seiner, des Herren Fürsten Ansicht, sey die Sache wohl werth, von den Regierungen in Erwägung gezogen zu werden; denn es scheine sich hiermit ein ausreichendes Mittel darzubieten, dem soliden Buchhandel Unterstützung gegen die Eingriffe des Schlechten zu gewähren; ersteren, und die mit ihm in Verbindung stehenden Schriftsteller durch ihr Interesse an die Sache der Ordnung zu knüpfen; den schlechten und Winkelbuchhandel hingegen mit um so größerem Fuge der ganzen Strenge der Gesetzgebung anheim zu geben.“

Das Protokoll fährt dann fort: „Ein Auszug aus dem gedachten Regulativ ward hierauf verlesen; und nachdem sich der Herr Minister Ancillon insbesondere sowohl, als sämmtliche übrige Herren Minister für das Beachtungswerthe des Gegenstandes ausgesprochen hatten, beschlossen, die Eingabe der Frankfurter Buchhändler der 4ten Commission über die Preßfrage zur Erörterung und Benützung bei dem von ihr zu erstattenden Vortrage zuzuweisen.“

2. Wer das Frankfurter Papier verfasst hat, ist nicht genau zu ermitteln; es mag von den beiden Buchhändlern Jügel und Brönner formuliert worden 4  Der Frankfurter Entwurf eines „Regulativs“ ist vielfach im Aktenmaterial überliefert und mehrfach abgedruckt worden. Nähere Nachweise bereits bei Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, S. 249 ff. (bes. Fn. 22). Das Dokument ist bereits bei von Weech, Correspondencen (Fn.  1), S.  217–221 publiziert. Ihm folgt der Abdruck im Anhang zu diesem Beitrag. 5  Als Nachweis zum Protokoll sei hier verwiesen auf folgende Bestände: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (künftig: GSTA PK), III. Hauptabteilung (künftig: HA) Außenministerium (2.4.1.) I. Abt.  Nr.  1795–1802 / 1; Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (künftig: BayHStA), Außenministerium (künftig: MA) Nr.  1104–1110; Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe (künftig: GLAK), Abt. 48 Nr. 1567, 1573. Zum Verlauf der Konferenz insgesamt vgl. man Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, S. 247 ff., (Fn. 20: Hinweis auf ein Exemplar des Protokolls im Bestand „Deutscher Bund“ (DB 1) des Bundesarchivs Koblenz (früher Außenstelle Frankfurt / M.) – Die Zitate im nachfolgenden Text sind entnommen aus GLAK 48 Nr.  1573.

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sein, könnte aber auch mit anderen Initiativen aus Buchhändlerkreisen zusammenhängen6. Die Tatsache, dass die Vorschläge über den österreichischen Präsidialgesandten an Metternich gelangt sind, darf man als Indiz dafür werten, dass auch er die Hand im Spiel gehabt hat. Metternich hatte sich umgehend für das Papier interessiert. Er schickte die Frankfurter Eingabe schon Ende Februar 1834 an Trautmansdorff, den österreichischen Gesandten in Berlin, und vermerkte dabei7: „Die anliegende Arbeit ist eine von Frankfurter Buchhändlern, als das Ergebniß ihrer Erfahrungen und Wünsche, in Bezug auf die Festsetzung eines gemeingiltigen litterarischen Rechtszustandes in Deutschland, zugesendet worden. Sie haben mich gebeten, die in dem Aufsatze niedergelegten Ideen als Materialien, bei den die Presse betreffenden Verhandlungen der Ministerial-Conferenz benutzen zu lassen.“

Bereits bei dieser Gelegenheit betonte Metternich, der Entwurf scheine „in der That manches Beachtenswerthe zu enthalten“, und fügte hinzu: „Der Gegenstand ist wichtig, und die Seite von welcher aus er in dem fraglichen Aufsätze behandelt wird, theilweise neu, sonach beides Grund genug um zu dem Wunsche zu berechtigen, dass ihm die allseitige Erwägung und Beleuchtung zu Theil werde.“

Metternich war gut informiert, als er diese Bemerkung machte. Die Idee, den Nachdruckschutz mit der Organisation von Anbietern zu verbinden, lag in der Luft8. In den Jahren 1829 / 1830 hatte es mehrere Versuche gegeben, das Problem des Nachdrucks mit Hilfe einer besseren Organisation der Buchhändler und Verleger anzugehen. Die Berliner Buchhändler beantragten 1829, ihrem Verein, der auch der Bekämpfung des Nachdrucks dienen sollte, die Rechte einer Korporation zu verleihen9. Gegen die ablehnenden Bescheide der zuständigen Ministerien wandten sie sich 1830 in einer Rekurseingabe an den König; die Sache wurde im Staatsrat beraten und letztlich abschlägig beschieden. 6  Zu Jügel und Brönner ausführliche Hinweise bei Zerback, Reformpläne, S.  593 Fn.  19 u. 20. 7  GSTA PK III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8954 (1) vol. XI. 8  Zu den älteren Ansätzen vgl. man die Hinweise bei Elmar Wadle, Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck, in: Peter Thorau, Sabine Penth, Rüdiger Fuchs (Hrsg.), Regionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäschke zum 75. Geburtstag, Köln 2003, S.  231–245; auch in diesem Band. – Zum Vereinswesen allgemein und der Buch- und Musikalienhändler insb. vgl. jetzt: Friedemann Kawohl, Urheberrecht der Musik in Preußen (1820–1840). Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Musikverlagswesens, 2.  Bd., Tutzing 2005, S.  153  ff., bes. S.  159  ff. 9  Das Gesuch datiert v. 12.  Mai 1829; Vorgänge dazu in: GSTA PK I. HA Rep. 90 (Staatsministerium) Tit.  28 Nr.  91 Bd.  1; Tit.  80 Bd.  1.



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Im nämlichen Zeitraum (Mai 1830) fassten die auswärtigen Mitglieder des 1825 gestifteten Leipziger Börsenvereins den Beschluss, dass jedes neue Mitglied sich nicht nur der Börsenordnung unterwerfen, sondern auch verpflichten musste, „sich des Nachdrucks und des Nachdruckvertriebes zu enthalten“. Jeden, der „sich in einem Staat, in welchem der Nachdruck verboten ist, damit nachweislich befasst“, sollte mit dem Ausschluss aus dem Verein bestraft werden10. Vergleichbare Ziele verfolgten durch gemeinsame Absprachen anlässlich der Ostermessen 1829 und 1830 die an der Leipziger Messe beteiligten Musikhandlungen; sie schlossen Abkommen gegen den Nachdruck11. Auch die Kunsthändler gründeten 1831 während der Ostermesse eine Gesellschaft, in deren (zunächst vorläufiger) Satzung die Sicherung des Eigentums gegen jede Nachbildung verankert war12. Diese Pläne lehnten sich an ältere Konzepte an, beschränkten sich allerdings strenger, als dies zuvor geschehen war, auf die Probleme des Nachdrucks; eine Verquickung mit Zensur und obrigkeitlicher Kontrolle suchten sie zu vermeiden. Metternich hingegen hatte schon früh ältere Pläne für sein Ziel einer strengeren Kontrolle genutzt und 1820 einen ersten Plan vorgelegt, der erfolglos geblieben war13. In der Situation des Jahres 1834, die einerseits durch die Organisationsvorschläge der Händler und andererseits durch den festen Willen führender Politiker zur Verschärfung von Zensur und obrigkeitlicher Kontrolle geprägt war, musste der Vorschlag der Frankfurter Buchhändler sehr willkommen sein. 10  Vgl. dazu das Protokoll der Verhandlung v. 9. Mai 1830, in: GSTA PK III. HA (2.4.1.) M Abt.  I Nr.  8952; dazu s. noch: Friedrich Johannes Fromann, Geschichte des Börsen-Vereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1875, S.  8  ff., 33  ff., bes. S.  34. 11  Die Abkommen von 1829 und 1830 sind enthalten in: GSTA PK III. HA (2.4.1.) Nr.  18104 Bl. 295–297; abgedruckt in: Der Musikalien-Nachdruck in rechtlicher und staatspolizeilicher Beziehung, in: Caecilia, Eine Zeitschrift für die musikalische Welt, hg. von einem Vereine von Gelehrten, Kunstverständigen und Künstlern, 13.  Bd., Mainz, Paris, Antwerpen 1831, S.  90–106. 12  „Protocoll über die Beratung der zur Ostermesse 1831 in Leipzig anwesenden Herren Kunsthändler für eine nähere Vereinigung unter sich“, v. 7.  Mai 1831, nebst Beilage „Vorläufig anerkannte Grundlagen zu dem Verein der deutschen Kunsthandlungen“; vgl. GSTA PK III. HA (2.4.1.) Nr.  18104 fol.  295–297. 13  Dazu ausführlich Wadle, Metternichs erster Vorschlag; in diesem Band S.  163  ff. – Zum Geschehen in den 1820er Jahren viele Einzelheiten bei: Ludwig Gieseke, Günther Heinrich Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in: Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht 138 (1999), S.  117– 151, Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819. Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten s. dort S.  153–181; dieser Beitrag auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S.  221–239.

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Dass Metternich die Eingabe gelegen kam, ergibt sich vor allem aus der inhaltlichen Nähe zu jenem älteren Projekt aus der Feder Adam Müllers. Auch das Frankfurter Papier, dessen Entwurf siebzehn Paragraphen umfasst, sieht eine bundesweite Organisation vor und verknüpft dabei den Schutz gegen Nachdruck mit der Zensur. Schutz sollte nur solchen Buchhändlern zustehen, die sich bei der jeweils zuständigen Landesbehörde „immatrikuliren und dadurch ihre Befugnis als berechtigter Buchhändler bestätigen …“ lassen (§  1). Die auf diese Weise bestätigten Buchhandlungen sollten „die Corporation der deutschen Buchhändler“ bilden und Mitglieder der Leipziger Buchhandels-Börse werden (§  2); anderen Personen sollte das Recht, „eine Verlags- oder Sortiments-Handlung zu betreiben“ nicht zustehen (§§ 3 u. 4). Die bei immatrikulierten Verlegern erscheinenden Werke sollten Schutz gegen Nachdruck genießen (§  5). Überdies sollte jeder Buchhändler „verbunden“ sein, „außer der Beobachtung der in Beziehung auf Preßfreiheit bestehenden gesetzlichen Bestimmungen“ auf alle bei ihm erscheinenden Werke nebst „der Jahreszahl der Publikation auch seine Firma beizusetzen“ (§  6). Jeder Verleger sollte zudem verpflichtet sein, der zuständigen Behörde „vor Ausgabe des Werkes zwei Exemplare abzuliefern und dagegen eine Bescheinigung zu empfangen“; diese Bescheinigung sollte ihm das Recht geben, einen entsprechenden Vermerk in den Buchtitel aufzunehmen, der „einem Privilegium gegen den Nachdruck gleichzuachten ist, und in allen deutschen Bundesstaaten gleichen Schutz genießt“ (§  7). Die nicht deponierten Werke sollten keinerlei Schutz genießen und konfisziert werden können (§  8). Alle Verhaltensmaßregeln waren strafbewehrt, der Nachdruck sollte sogar mit der Streichung aus der Matrikel geahndet werden (§ 9). Die restlichen Paragraphen enthielten Übergangsvorschriften und Bestimmungen technischen Charakters. Vergleicht man diese Organisation mit jener Adam Müllers, so zeigen sich einige Unterschiede, insbesondere bezüglich der Kompetenz der Landesbehörden und bei der Ersetzung der Bekanntgabe von Neuerscheinungen in einem zentralen Journal durch den Sichtvermerk. Das Grundprinzip ist aber dasselbe: Niemand sollte drucken dürfen, den nicht eine Regierung anerkannt hatte, und kein Werk sollte geschützt sein, das nicht vor der Ausgabe angemeldet und mit einem Sichtvermerk versehen war; die Zensur hatte es in der Hand, den Schutz gegen Nachdruck zu versagen; wer sich ihr nicht beugte, bekam auch kein „schriftstellerisches Privateigentum“ (§ 5). Dass Metternich dem Frankfurter Papier eine große Bedeutung zugemessen hat, wird von anderer Seite bestätigt. Der bayerische Bevollmächtigte, der Bundestagsgesandte von Mieg, berichtete nach München14: 14  Bericht

v. 27.  März 1834, BayHStA MA II 1107.



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„Der Herr Fürst schien Wichtigkeit auf diese Erscheinung zu legen, weil er darin einen Weg zu finden hofft, auf die Unterdrückung des Preßunfugs durch thätige Betheiligung der rechtlichen Buchhändler selbst hinzuwirken. Die Sache eignet sich nach meiner Ansicht zur Bundes-Versammlung, wo bereits eine Commission mit Anträgen zur Regulirung des Buchhandels beschäftigt ist. Auch sind die Vorschläge großentheils nicht neu; an der Leipziger Buchhändler-Börse schon oft besprochen worden, aber an der niedrigen Gewinnsucht der Einen und der sträflichen Bestrebungen der anderen gescheitert.“

3. Im weiteren Verlauf der Konferenz bestätigte sich die Politik, die Metternich mit dem Frankfurter Vorschlag verfolgte. Zunächst freilich bekam das Papier Konkurrenz. Im Protokoll15 der nächsten, der dritten Plenarsitzung (31.  März) ist ein weiteres einschlägiges Dokument erwähnt: „Schließlich ward eine von dem Herrn Minister von Minkwitz übergebene Denkschrift der Deputation des Buchhandels zu Leipzig, die Verhältnisse des deutschen Buchhandels betreffend der 4ten Commission (über die Preßfrage) als in den Bereich ihrer Verhandlungen gehörig zugewiesen.“

Dieses sächsische Dokument ist uns (noch) nicht bekannt16. In den Verhandlungen der vierten Kommission mag es einen gewissen Einfluss gehabt haben; zum offiziellen Bestandteil des Protokolls wurde es allerdings nicht. Der von Metternich favorisierte Frankfurter Plan ist gemeinsam mit dem sächsischen Papier an die vierte Kommission weitergeleitet worden, die sich mit der Pressezensur, einem der zentralen Probleme der Konferenz, zu befassen hatte17. In der 7. Plenarsitzung am 30. April erstattete die Kommission ihren Bericht und formulierte ihre Vorschläge in zehn noch nicht nummerierten Artikeln. Neun dieser Artikel befassten sich mit Presse und Zensur, der zehnte lautete folgendermaßen: „Die Regierungen stimmen in der Ansicht überein, dass der Nachdruck im Umfange des ganzen Bundesgebiets gesetzlich zu verbieten und das schriftstellerische Eigenthum nach denselben Grundsätzen festzustellen und zu schützen sey, und dass damit auf eine zweckmäßige Weise bundesgesetzliche Bestimmungen über die, von Seiten einiger Buchhändler in Antrag gebrachte Organisation des deutschen Buchhandels in Verbindung gebracht werden können. 15  Zum Folgenden vgl. man die Nachweise bei Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, S.  249  ff. 16  Näheres dazu bei Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, S.  251 mit Fn.  24. 17  Näheres zu den Abläufen bei: Wadle, Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, S. 248 ff.

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Es wird zu dem Ende verabredet, daß nachdem die Regierungen den in ihren Staaten ansäßigen geachteten Buchhändlern Gelegenheit gegeben haben werden, sich über den Inhalt dieser Anträge näher zu äußern, eine Commission an Bundestage ernannt werden soll, um diese Angelegenheit zu prüfen und sie in möglichst kurzer Frist ihrem Ziel zuzuführen.“

Die Beratung über diese Vorlage beschäftigte die siebte (30.  April) und achte (3.  Mai) Sitzung. Die Artikel zur Presse und zum Nachdruck wurden dabei neu gestaltet. Der zehnte Artikel wurde in zwei Bestimmungen aufgespaltet. Der neue Artikel 10 lautete nunmehr: „Die Regierungen vereinbaren sich dahin, dass der Nachdruck im Umfange des ganzen Bundesgebietes zu verbieten und das schriftstellerische Eigenthum nach gleichförmigen Grundsätzen festzustellen und zu schützen sey.“

Aus dem Rest des alten Artikels 10 wurde ein neuer Artikel 11 gebildet. Er lautete nun: „Die Regierungen werden den in ihren Staaten ansässigen, geachteten Buchhändlern Gelegenheit geben, sich über den Inhalt der von einigen Frankfurter Buchhändlern wegen Organisation des deutschen Buchhandels gemachten Anträge zu äußern und hierauf in Erwägung zu ziehen, inwiefern über diesen Gegenstand bundesgesetzliche Bestimmungen festgesetzt werden sollen. Zu diesem Ende wird eine Commission am Bundestage ernannt werden, um diese Angelegenheit zu prüfen, und in möglichst kurzer Zeit ihrem Ziel zuzuführen.“

Später wurden die Artikel neu geordnet; in der Schlussredaktion während der zwölften Sitzung (7.  Juni) wurde dies abgesegnet. Artikel 10 behielt seinen Wortlaut. Artikel 11 wurde geändert und hatte nun folgende Gestalt: „Es soll am Bundestage eine Commission ernannt werden, um in Erwägung zu ziehen, in wie fern er über die Organisation des deutschen Buchhandels ein Uebereinkommen sämmtlicher Bundesglieder zu treffen sey. Zu diesem Ende werden die Regierungen geachtete Buchhändler ihrer Staaten über diesen Gegenstand vernehmen, und die Ergebnisse dieser Begutachtung an die Bundestags-Commission gelangen lassen.“

Die eigentliche Bedeutung dieser Artikel wird durch eine Passage im Protokoll der entscheidenden achten Sitzung (3.  Mai) markiert: „Da in dem Art.  11 auf die, bereits in dem Protocolle der 2ten Sitzung erwähnte Eingabe Frankfurter Buchhändler, ein Regulativ für den deutschen Buchhandel betreffend, Bezug genommen, auch den Regierungen anheimgegeben ist, über selbes die Stimmen achtbarer Buchhändler ihres Landes zu vernehmen, so ward beschloßen, diese Eingabe dem Protokoll … beizulegen; und es übernahm es insbesondere Hr. Baron v. Minkwitz, zu veranlassen, daß die Vorsteher der Buchhändler-Börse von Leipzig sich über den Gegenstand gutächtlich zu äußern aufgefordert werden.“



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4. Die beiden Artikel 36 und 37 bedeuteten letztlich zweierlei: Zum einen bestand jetzt schon eine Verpflichtung, den Nachdruck zu verbieten und das Recht der Schriftsteller nach „gleichförmigen Grundsätzen“ zu schützen. Zum anderen sollte das Frankfurter Papier, das sich Metternich zu Eigen gemacht hatte, den Verhandlungen am Bundestag zugrunde gelegt werden. Der Hinweis auf die Frankfurter Buchhändler ist zwar aus dem Text der Beschlüsse verschwunden, durch die Vorlage an die Bundesversammlung behielt ihr Plan freilich sein Gewicht: Er sollte der eigentliche Gegenstand weiterer Verhandlungen sein. III. 1. Die „Sechzig Artikel“ lieferten unterschiedlich zugeschnittene Vorgaben für die künftige Arbeit der Bundesversammlung. In unserem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass die einzelnen Materien auf Artikelgruppen unterschiedlicher Größe verteilt und dadurch zugleich voneinander getrennt worden sind. Damit war der Ablauf der Beratungen in Frankfurt bereits vorstrukturiert. An anderer Stelle konnte schon gezeigt werden, dass die säuberliche Scheidung der Artikel zur Kontrolle der Presse von jenen Bestimmungen, die sich mit den Fragen des Nachdrucks und der Buchhändlerorganisation befassen, entscheidend dazu beigetragen hat, dass das traditionelle Junktim von Zensur und Nachdruckschutz aufgegeben werden konnte18. Das Nebeneinander von Nachdruckverbot (Art.  36) und Buchhändlerorganisation (Art.  37) scheint zwar noch an dieses Junktim zu erinnern; die der Bundesversammlung erteilten Aufträge weisen jedoch deutlich in eine andere Richtung. Das in Artikel 36 enthaltene Versprechen, den Nachdruck allgemein zu verbieten und gleichförmige Grundsätze dazu aufzustellen, steht neben dem Auftrag des Artikels 37, die Organisation des deutschen Buchhandels zu „erwägen“. Dies führte dazu, dass auch diese beiden Materien getrennt voneinander beraten werden mussten. 2. Die inoffiziellen Verhandlungen in Frankfurt sind zwar in aller Regel schwer zu rekonstruieren, da man dabei vor allem auf die Berichte der 18  Wadle,

Das Junktim zwischen Zensur und Nachdruckschutz, passim.

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Bundestagsgesandten an ihre Regierungen angewiesen ist; in Einzelfällen jedoch liefert auch der zentrale Aktenbestand der Bundesversammlung deutliche Hinweise. Zu unserem Themenkreis gibt es derartige „Fingerzeige“. Fast gleichzeitig mit dem Abschluss der Verhandlungen in Wien legte der badische Gesandte, Freiherr von Blittersdorff, in seiner Eigenschaft als Mitglied der schon 1832 eingesetzten Kommission einen ausführlichen „Comissionsvortrag über den Büchernachdruck“ nebst einer „Uebersicht der Gesetzgebung über den Nachdruck in den einzelnen Bundesstaaten“ und einem „Commissionsgutachten“ vor; diese Schriftstücke wurden am 23.  Juni und 4. Juli 1834 durch den preußischen Gesandten von Nagler in Umlauf gesetzt19. Blittersdorffs Konzept einer Vorlage geht auf eine längere interne Diskussion zurück; an ihr hatte sich vor allem der preußische Gesandte intensiv mit einem eigenen, im Berliner Außenministerium formulierten Gesetzentwurf beteiligt, konnte sich aber letztlich nicht durchsetzen20. Die Mehrheit wolle, so der Gutachtenentwurf Blittersdorffs, an dem „wahrhaft bundes­ gemäße(n) Grundsatz der vollsten Reciprocität zwischen allen Bundesstaaten“, mithin am Bundesbeschluss von 1832 festhalten; diese „von der Königlich-Preußischen Regierung angeregte Idee“ sei „eine sehr glückliche“ gewesen. Nun könne es nur noch um „einige ergänzende Bestimmungen“ gehen; diese sollten ein „allgemeines Verbot des Nachdrucks“ enthalten und „Grundsätze formulieren, damit bei den erforderlichen Gesetzen und Verordnungen eine „möglichste Gleichförmigkeit“ zu erzielen sei. Einer solchen Abkehr von der Vision der Bundesakte, deren Artikel 18  d „gleichförmige Verfügungen“ gefordert hatte, widersprach der sächsische Gesandte beim internen Umlauf nicht direkt; in seinem Votum vom 24.  Juni 1834 schlug er zwar zahlreiche Verbesserungen vor, verwies aber klar auf die Wiener Verhandlungen: „Nur dann kann dazu gerathen werden, einen Vortrag an die Bundesversammlung zu bringen, wenn man sicher ist, daß nicht über den nämlichen Gegenstand Beschlüsse bei dem Minister-Congreß in Wien gefaßt worden sind.“

Dass diese Intervention des sächsischen Gesandten den Fortgang der Beratungen in der Bundestagskommission zum Nachdruckschutz beeinträchtigt hat, ergibt sich auch aus einem späteren Bericht des preußischen Gesandten; am 15.  Dezember 1834 schreibt Nagler rückblickend21: Mitte des Jahres seien die Verhandlungen an einem Punkt angelangt gewesen, 19  Bundesarchiv

Koblenz DB 1 / 304. Einzelheiten bei Wadle, Berliner Grundzüge eines Gesetzentwurfes zum Urheberschutz, in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S.  257  ff. 21  GSTA PK I. HA Rep. 75 A Nr.  590 und III. HA (2.4.1.) Abt.  I 8954. 20  Dazu



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„welche eine baldige Erledigung der Sache offen ließ, da indem der Referent im Ausschusse, der Großh. Badische Gesandte Frhrr. v. Blittersdorff bereits mit der Ausarbeitung eines in Antrag zu bringenden mit den diesseitigen Ansichten wesentlich übereinstimmenden Beschlusses beschäftigt war, als der K. Sächsische Gesandte von Manteuffel, welcher Bedenken dagegen hegt, den Umstand, daß die Sache auch bei den Conferenzen in Wien zur Sprache gebracht worden sei, brauchte, um im Ausschusse zu bevorworten, daß erst noch das Resultat der in Wien gepflogenen Verhandlungen abgewartet werden möchte, weshalb auch die weitere Berathung des Ausschusses ausgesetzt wurde.“

3. Die Wiener Beschlüsse gaben der Diskussion in der Bundesversammlung eine neue Richtung vor, denn die Frage nach einer Organisation, die Nachdruckschutz und Kontrolle wieder in traditioneller Weise verknüpfen wollte, musste beantwortet sein, bevor man auf dem seit 1819 eingeschlagenen Weg weitergehen konnte. So kann es nicht verwundern, dass Art.  37 zuerst von der Bundesversammlung aufgegriffen wurde. Am 4.  Dezember 1834 war er Gegenstand einer offiziellen Sitzung22. Der Präsidialgesandte, von Münch, veranlasste die Wahl einer aus fünf Mitgliedern und zwei Stellvertretern bestehenden Kommission; ein besonderer Beschluss legte außerdem das weitere Procedere fest: „1.  Die aus den Herren Gesandten von Österreich, Preußen, Bayern, Königreich Sachsen und Baden als Mitgliedern, dann den Herren Gesandten von Würtemberg und der freien Stadt Frankfurt als Stellvertretern bestehende Commission wird ersucht, in Erwägung zu ziehen und zu begutachten, inwiefern über die Organisation des Deutschen Buchhandels ein Uebereinkommen unter sämmtlichen Bundesgliedern zu treffen sey. 2.  Die höchsten und hohen Regierungen werden ersucht, geachtete Buchhändler ihrer Staaten über diesen Gegenstand zu vernehmen und die Ergebnisse dieser Vernehmung an die Bundestags-Commission gelangen zu lassen.“

4. Am schnellsten reagierte das Königreich Sachsen. Bereits am 16.  Januar 1835 konnte der Gesandte, Freiherr von Manteuffel, seinen „Herren MitCommissarien“ die „Vorschläge“ überreichen, die auch im Mittelpunkt des offiziellen Berichts in der Bundestagssitzung vom 29.  Januar 1935 stan22  Protokolle der deutschen Bundesversammlung 1816–1848 (künftig: ProtBV), hier 1834, §  597.

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den23. Es handelte sich um eine vom „Verein der Buchhändlerbörse in Leipzig“ veranlasste „Druckschrift“; sie trägt den Titel „Vorschläge zur Feststellung des literarischen Rechtszustandes in den Staaten des Deutschen Bundes“24. Der Gesandte würdigte laut Protokoll diese Druckschrift ausführlich und kennzeichnete ihre Entstehung: „Diese Arbeit umfaßt zwei verwandte Gegenstände, nämlich Grundsätze über das schriftstellerische Eigenthum, um den Nachdruck zu hindern, und Bestimmungen über die Einrichtung des deutschen Buchhandels. Beide werden zu berücksichtigen seyn, um den Rechtszustand des literarischen Verkehrs in Deutschland zu ordnen. Jene Vorschläge wurden durch die an den Verein der Buchhändlerbörse in Leipzig ergangene Aufforderung, sich über den Frankfurter Entwurf eines Regulativs für den deutschen Buchhandel gutachtlich zu äussern, veranlaßt und sind zunächst als das Resultat dieser Begutachtung anzusehen. Dieselben haben aber zugleich um deßwillen einen ganz besonderen Werth, weil hierdurch schon dasjenige im Wesentlichen geleistet worden ist, was nach dem obangezogenen Bundesbeschlusse ad 2 geschehen soll. Nach letzerm werden nämlich die höchsten und hohen Regierungen ersucht, geachtete Buchhändler ihrer Staaten über die Organisation des deutschen Buchhandels vernehmen und die Ergebnisse dieser Vernehmung an die Bundestags-Commission gelangen zu lassen. Die in der Druckschrift zusammen gestellten Vorschläge enthalten aber bereits den Ausdruck der gemeinschaftlich und gegenseitig wohl erwogenen Ansicht der angesehensten Geschäftsmänner des Buch- und Kunst-Handels aus allen deutschen Staaten, welche dabei wiederum nicht ihrer eigenen individuellen Meinung gefolgt sind, sondern die schriftlich eingezogenen Vota von beinahe 300 deutschen Buchhändlern zu Rathe gezogen haben. Die Bearbeitung erfolgte nämlich unter Leitung des Königlichen Regierungscommissärs in Leipzig, durch einen Redactionsausschuß, welcher durch Wahl nach Stimmenmehrheit sämmtlicher deutschen Buch-, Kunst- und Musikalien-Händler constituirt worden war.“

Für den Inhalt fand der Gesandte besonders lobende Worte: „Aus der Tendenz des ganzen ergibt sich deutlich, daß die Verfasser sich durchaus fern gehalten haben, von aller Neuerungssucht, von phantastischen und unausführbaren Ideen, so wie von dem Streben, sich durch die vorgeschlagenen Einrichtungen irgend einen, mit den bestehenden Verfassungen und Staatsverhältnissen unvereinbaren Einfluß zu verschaffen, oder den deutschen Buchhandel und die Literatur der Aufsicht der Regierungen zu entziehen. Vielmehr hat dabei der Geist der 23  ProtBV 35 § 60 (hieraus sind die im Text enthaltenen Zitate entnommen). Das Schreiben v. 16. Januar „an die Herren Mitkommissarien“ nebst Anlagen ist genannt im ergänzenden Schreiben v. 29.  Januar; letzteres mit zahlreichen Anlagen zur Vorgeschichte der Vorschläge, in: Bundesarchiv Koblenz DB 1 / 37 und als Abschrift in GLAK 49 / 360 und 236 / 5745. 24  Die „Vorschläge“ nebst „Motiven“ sind im Druck überliefert in: DB 1 / 307 fol. 1038–1061. – Zu den sächsischen Papieren vgl. man auch Fromann, Geschichte des Börsen-Vereins, S.  35  ff.



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Achtung für Gesetze, Verfassung und für das Ansehen der Regierungen, so wie das Streben vorgewaltet, Ordnung und Schutz für das Eigenthum, kurz das was in Deutschland wirklich gemangelt hat, einen geregelten Rechtszustand des literarischen Verkehrs, herzustellen.“

Zusätzlich überreichte er mehrere Dokumente, die Ordnung der Buchhändlerbörse, einen notariell beglaubigten Auftrag an ein Redaktionskomitee und schließlich einen Aufsatz zu den Vorschlägen überhaupt. Der Gesandte versäumte nicht, auf die Schnelligkeit der sächsischen Reaktion hinzu­ weisen25: „Wenn die Königliche Regierung sich beeilt hat, dem von sämmtlichen Bundesregierungen durch Beschluß der 42. vorjährigen Sitzung ergangenen Ersuchen zu entsprechen und die bereits an sie gelangten Schriften geachteter deutscher Buchhändler vorzulegen, so fand sie sich hierzu nicht nur im gemeinschaftlichen Interesse des Bundes, sondern auch noch insbesondere durch die Lage des Landes, als des Mittelpuncts des deutschen Buchhandels, aufgefordert.“

Dass Sachsen so schnell auf den Beschluss vom 4.  Dezember reagieren konnte, hatte seine guten Gründe. Den Beschluss der Wiener Konferenz hatte man sofort umgesetzt. Schon am 6.  Mai hatte die Regierung die Vorsteher des Börsenvereins zur Stellungnahme aufgefordert. Da die Ostermesse bereits beendet war, hatte der Vorstand eine schriftliche Umfrage in ganz Deutschland gestartet. Aus den Stellungnahmen hatte ein Redaktionsausschuss gemeinsam mit dem Regierungskommissar die neuen „Vorschläge“ erarbeitet. Ohne hier auf die Einzelheiten dieser Leipziger Denkschrift und des mitgelieferten Gesetzentwurfs eingehen zu können, sei doch festgehalten, dass Sachsen und der Börsenverein auf die von Metternich favorisierte Frankfurter Vorlage grundsätzlich positiv reagiert haben. Die neuen Vorschläge, so heißt es im „Aufsatz“, das dem Schreiben vom 29.  Januar 1835 beigefügt ist, scheinen „vielleicht formell und äußerlich ein neues Produkt zu seyn“; sie enthielten jedoch „materiell nur die Begutachtung des ‚Frankfurter Entwurfs‘ in einer übersichtlichen Redaktion“26. Es sieht so aus, als habe von Manteuffel die Ähnlichkeit der beiden Entwürfe nicht unerheblich übertrieben. In einem Aufsatz, den er dem an die „Mitcommissarien“ gerichteten Schreiben vom 29.  Januar 1835 beigelegt hat, wurden in neun Punkten die Besonderheiten der Leipziger „Vorschläge“ zusammengestellt27: Sie betreffen zwei Drittel der insgesamt 60 Paragraphen. Überdies hebt der Vorstand der „Deutschen Buchhändlerbörse“ zu 25  ProtBV

1 / 37.

1835 §  60; die zuvor genannten Dokumente im Bundesarchiv DB

26  Bundesarchiv 27  Bundesarchiv

Koblenz DB 1 / 37 (Abschrift). Koblenz DB 1 / 37 (Abschrift).

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Leipzig in seiner „Überreichungsschrift“ an den sächsischen „RegierungsCommissär“ vom 26.  Oktober 1834 ausdrücklich folgendes fest28: „Darin, daß wir mit gänzlicher Übergehung aller Bestimmungen, welche in das Polizeigebiet der Regierungen eingreifen, und uns streng an die Lösung der Aufgabe gehalten haben, welche uns von E. H. Ministerium gestellt war, glauben wir die hohe Verordnung richtig aufgefaßt zu haben, und es stellt sich zugleich die Weglassung der Bestimmungen des Regulativs, welche die Feststellung des literarischen Rechtszustandes und die Organisation des Buchhandels überschritten, als eine nothwendige Folge davon dar.“

Die Leipziger Vorschläge vermieden damit jedes Junktim von Nachdruckschutz und Zensur und beschränkten sich auf die Verbindung von Organisation und Schutz gegen Nachdruck. Man orientierte sich demnach am hergebrachten Leipziger Modell des Nachdruckschutzes und schwächte die im Frankfurter Regulativ intendierte Idee „einer über ganz Deutschland sich verbreitenden Zunft“29 ab. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass die Intervention Sachsens die zuvor Erfolg versprechenden Verhandlungen am Bundestag erheblich dadurch verzögert hat, dass Dresden an der Verknüpfung von Nachdruckschutz und Bundeshändlerorganisation festzuhalten suchte. 5. In der Folgezeit gingen noch einige andere Voten bei der Bundestagskommission ein30. Sachsen-Weimar, das Fürstentum Lippe, Lübeck und Hamburg begnügten sich damit, die Stellungnahmen einzelner Buchhändler einzureichen. Die beiden Mecklenburg wiesen darauf hin, dass sie über keinen nennenswerten Buchhandel verfügten. Nur Frankfurt und Hannover legten ausführlichere Voten vor. 6. Der Frankfurter Senat äußerte in einem relativ knapp gehaltenen Schriftstück vom 29. April 183631 Kritik am Entwurf des „Regulativs“ und lobte die Verbesserungen der Leipziger „Vorschläge“; man kritisierte das vorgesehene Verbot des Selbstverlags, die eingeschränkte Zulassung zum Buchhandelsgeschäft und vor allem die 28  Bundesarchiv

Koblenz DB 1 / 37 (Abschrift). der bei Anm.  26 genannte „Aufsatz“. 30  Bundesarchiv Koblenz DB 1 / 37. 31  Bundesarchiv Koblenz DB 1 / 37. 29  So



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„zu stiftende große geschlossene Zunft, welche die Literatur ganz unter Botmäßigkeit bringen und den Rechten der Autoren gefährlich werden kann […]“

Auch die beigefügten ausführlicheren „Bemerkungen“ der „Sachverständigen“ setzten sich kritisch mit den „Vorschlägen“ auseinander; das „Leipziger Comite“ habe „sich […] von zu engherzigen Grundsätzen leiten lassen und, indem es versucht hat den Autoren und Verlegern Alles zu erhalten, hat es ein System aufgestellt, das, wollte man sich streng an dessen Gränzen halten, das Interesse aller opfern würde um die Vortheile einiger zu wahren.“

Im Einzelnen richten sich die Einwände etwa gegen die vorgesehene Schutzdauer, eine „Lebensfrage“ des ganzen Schutzes; gegen die Gleichstellung von Kunstwerken und Literatur; gegen die Beschränkung von Übersetzungen; gegen die dauerhafte Abhängigkeit von der Leipziger Börse, die durch die Eintragungspflicht „zu einer Art Puissance erhoben“ würde, „die wir nicht zugestehen können, da die erste Gewalt überall der Staatsbehörde gehört“; die geplante Organisation könne „der freyen Bewegung des Handels hinderlich in den Weg treten“ und könne zum „Staat im Staate“ werden. 7. Auch Hannover sah viele Nachteile; die Regierung lehnte in ihrem Votum32 sowohl das Frankfurter „Regulativ“ als auch die Leipziger „Vorschläge“ ab. Die entscheidenden Argumente sind in einem Satz zusammengefasst: „In beiden Entwürfen herrscht unverkennbar die Absicht vor, dem Buchhandel den Charakter eines zunftmäßigen Gewerbes zu ertheilen, und dabei dem Buchhändler Börsen-Vereine zu Leipzig eine Art von Oberaufsicht, das Recht einer keiner weiteren Controle unterliegenden oberen Leitung beizulegen.“

Hannover beschränkt sich allerdings nicht darauf, seine „erheblichen Bedenken“ zu formulieren gegen jeden Versuch, „den Buchhandel für ganz Deutschland in die Klasse eines zünftigen Gewerbes zu versetzen“. Er solle vielmehr „nach dem Prinzip der möglichsten Freiheit des Verkehrs geordnet und festgestellt werden“. Die dazu erforderlichen Bestimmungen wurden in einem eigenen Entwurf niedergelegt33.

32  Bundesarchiv Koblenz DB 1 / 37. – Ein bekanntes Detail sei noch festgehalten: Der sächsische Gesandte, der bei der Vorlage des Votums aus Hannover seinen Kollegen vertreten musste, versäumte in seinem Anschreiben an die Mitglieder der Kommission nicht, die an den Leipziger Vorschlägen geäußerte Kritik seinerseits zu kritisieren. 33  Dieser Entwurf bedarf noch einer näheren Untersuchung, auf die hier verzichtet werden muss.

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8. Im Plenum der Bundesversammlung selbst wurde über das Frankfurter „Regulativ“ nicht mehr verhandelt, jedenfalls nicht offiziell. Der von Metternich unterstützte Plan ließ sich nicht realisieren. Über die Gründe erfahren wir wiederum aus den Berichten des badischen Gesandten einige Einzelheiten34. Sachsens Vorgehen sei bei den anderen Gesandten auf erheblichen Widerstand gestoßen, nicht zuletzt deshalb, weil Dresden meinte, dass die Leipziger Denkschrift „gewissermaßen bereits dasjenige enthalte, was der […] Bundesbeschluß sämtlichen Bundesregierungen aufgebe, indem über die anliegenden von dem Börsenverein in Leipzig ausgearbeiteten Vorschläge die geachtetsten Buchhändler aus allen Bundesstaaten vernommen worden seyen, und sich damit einverstanden erklärt hätten.“

Der Präsidialgesandte von Münch habe sich gegen eine solche Vereinnahmung gewehrt, es handle sich bei den Vorschlägen nur um „[…] die individuelle Ansicht der Buchhändler des Königreichs Sachsen […], keineswegs aber auch die der Buchhändler anderer Bundesstaaten, indem keine Regierung es sich werde nehmen lassen, ihre eigenen Unterthanen zu vernehmen, und der Bundesversammlung die ihr gutdünkenden Mittheilungen über die in Vorschlag zu bringenden gemeinsamen Maaßregeln in Betreff des deutschen Buchhandels zu machen. Abgesehen hiervon verdiene bemerkt zu werden, dass von circa 800 in Deutschland bestehenden Buchhandlungen nur ungefähr 130 sich mit den Vorschlägen des Leipziger Börsenvereins, etliche 80 hingegen mit den Vorschlägen der Frankfurter Buchhändler […] einverstanden erklärt, während 600 Buchhandlungen gar nicht abgestimmt hätten, die aber von dem Börsenverein in Leipzig als seiner Ansicht beitretend angesehen worden seien. Der Börsenverein habe sich hierdurch eine Gewalt angemaßt, die keineswegs gebilligt werden könne. Ferner habe der Verein in seine Vorschläge eine Menge Dinge aufgenommen, die nicht hinein gehörten, und viel zu weit führen würden.“

Als der sächsische Gesandte die Vorschläge verteidigte, habe er, der badische Vertreter, vermittelnd eingegriffen und bemerkt, „[…] daß man es den Leipziger Buchhändlern nicht verargen könne, wenn sie den Buchhandel in Leipzig mehr und mehr zu concentriren und sich die Hauptleitung der Geschäfte zu sichern suchten, aber so wenig als man sämmtlichen Buchhändlern verargen könne, wenn sie ihr Gewerbe in die Form einer Zunft zu bringen und sich ein allgemeines Monopol zu verschaffen bemüht seyen […]. Dies hindere aber nicht, dass die übrigen Regierungen ihre Ansichten ebenfalls geltend machten und ihr Interesse verfolgten, weshalb man dann auch die Anlage als die 34  Das Folgende nach GLAK 49, 360 und 236 / 5745. Herangezogen sind vor allem die Berichte (Abschriften bzw. Konzepte) v. 30.  Januar und 27.  März 1835.



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Ansicht der Buchhändler des Königreichs Sachsen enthaltend unbedenklich an den fraglichen Bundestagsausschuß gehen lassen könne, in der Erwartung, daß auch die übrigen Regierungen die Verordnungen ihrer Buchhändler eben dahin würden gelangen lassen.“

Diesem Vorschlag Blittersdorffs ist die Versammlung durch den Beschluss vom 4.  Dezember 1834 dann auch gefolgt35. Seiner Regierung gegenüber äußerte er sich skeptisch über den Sinn des Leipziger Papiers36: „Die den Sächsischen Vorschlägen in der Bundesversammlung zu Theil gewordene Aufnahme gibt nur wenig Hoffnung, daß man zu einer gemeinsamen Organisation des deutschen Buchhandels werde gelangen können. Eine solche Organisation ist ohne eine im höheren Interesse des Staates geleitete Beaufsichtigung und ohne die Wahrung der Rechte der Schriftsteller und des lesenden Publicums nicht gedenkbar, und gerade hierbey müßen sich Collisionen zeigen, die schwer und nicht unmöglich auszugleichen seyn werden.“

9. Der weitere Gang der Dinge ließ klar werden, dass weder das Frankfurter Papier noch die Leipziger Vorschläge eine Chance auf Realisierung hatten. Der badische Gesandte schrieb schon am 27.  März 183537 an seine Regierung: „Der Gesandte zweifelt indessen stets noch, dass die Bundesregierungen geneigt seyn werden darauf einzugehen, und glaubt, dass man zuletzt jederzeit wieder darauf zurückkommen werde, das zur Vervollständigung der früher gefaßten Beschlüsse, noch einige allgemeinere Bestimmungen hinsichtlich des Verbots des Nachdrucks, und der Dauer des Verlagsrechts anzunehmen, alles übrige aber den Bundesregierungen zu überlassen sey.“

Kurze Zeit danach, am 2. April 1835, beantragte der Präsidialgesandte38, den Artikel 36 des Wiener Konferenzprotokolls zum Bundesbeschluss zu erheben und damit das Ersuchen an die Regierungen zu verbinden, anzuzeigen, was sie zur Erfüllung der in Wien getroffenen Vereinbarung bzw. zur Ausführung „dieses durch vorstehenden Beschluß angesprochenen Verbots des Nachdrucks bereits verfügt haben oder noch zu verfügen beabsichtigen“. Bevor der Antrag angenommen wurde, gab es eine „ziemlich umständliche Diskussion“ wie der badische Gesandte berichtet39. Durch ihn erfahren wir, dass 35  ProtBV

1834 §  60 vgl. auch Anm.  25. 49, 360 und 236 / 5745. 37  GLAK 49, 360 und 236 / 5745. 38  ProtBV 1835 §  140. 39  Bericht v. 3. April 1835 in: GLAK 49, 360. 36  GLAK

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„von verschiedenen Seiten, insbesondere von den Gesandten von Preußen, Königreich Sachsen, Württemberg und Holstein geäußert wurde, dass vor allen Dingen erforderlich sey, sich über die von den Regierungen zum Schutze des schriftstellerischen Eigenthums zu handhabenden gleichförmigen Grundsätze zu vereinbaren, und dass es nicht genüge, ganz einfach das Verbot des Nachdrucks durch Bundesbeschluss auszusprechen, weil dieses Verbot ohne eine dasselbe näher bestimmende Gesetz keine Anwendung finden könne.“

Auch in dieser Situation trug von Blittersdorff zur Annäherung der Standpunkte bei, indem er klarmachte, dass ein solcher Beschluss einzelne Staaten, die noch das Privilegiensystem handhabten, veranlassen könnte, ein allgemeines gesetzliches Verbot des Nachdrucks zu erlassen, um dadurch die 1832 beschlossene Gegenseitigkeit mit Leben zu erfüllen. Es sei darüber hinaus sinnvoll, gleichförmige Grundsätze zum Schutz des schriftstellerischen Eigentums zu benennen, die dann im Wege der Partikulargesetzgebung umgesetzt werden könnten. Andere Gesandte waren erheblich skeptischer. Nagler, der Repräsentant Preußens, meinte am 31.  Mai 183540, mithin gut einen Monat nach dem neuerlichen Bundesbeschluss, durch die Diskussion um die Organisation sei „die schon so lange beabsichtigte Unterdrückung des Nachdrucks dem Ziel in der That nur wenig näher gerückt, ja vielleicht mehr davon entfernt worden.“

Naglers Einschätzung der Lage war zu pessimistisch, denn der Beschluss vom 2.  April hat einen Weg eröffnet, der nach langen Verhandlungen schließlich zu dem für die weitere Geschichte des Urheberrechts so wichtigen Bundesbeschluss von 1837 geführt hat. Auf den Frankfurter Plan eines „Regulativs“ oder die Leipziger „Vorschläge“ kam man auf der Ebene des Deutschen Bundes nicht mehr zurück. IV. Wollte man die Gründe im Einzelnen erörtern, die zur Ablehnung des Frankfurter Planes geführt haben, so müsste man in den Ministerialakten aller Bundesstaaten nachforschen. Dass dies den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würde, steht außer Frage. Es erscheint deshalb sinnvoll, sich auf einige Beobachtungen anhand der Akten in Berlin, Karlsruhe und München zu beschränken.

40  GSTA

PK I. HA Rep. 75 A Nr.  590 und III. HA (2.4.1.) Abt.  I 8954.



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1. Das preußische Außenministerium war – wie bereits erwähnt41 – schon Ende Februar / Anfang März 1834, also vor dem Beginn der Wiener Konferenz, von Metternich über den Regulativentwurf unterrichtet worden. Als es am 22. März den Entwurf an drei andere Ministerien weiterleitete42, schreibt das Ministerium, es hätten „mehrere Buchhandlungen Deutschlands den gegenwärtigen Augenblick, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die zur Zeit in Wien Statt findenden Berathungen deutscher Cabinete, als günstig erscheinen lassen, ihre Ansichten darüber: wie die Grundsätze über das literarische Eigenthum in Deutschland am angemessensten regulirt werden könnte, in einem Entwurf zu einem diesfälligen Regulativ zusammen zu fassen und dieses einigen der größeren Bundes-Regierungen einzureichen.“

Die „Grundidee der gemachten Vorschläge, eine Corporation des deutschen Buchhändler-Vereins zu bilden“, sei zwar nicht neu, sondern „öfter schon als das wirksamste Mittel zur Steuerung des Nachdrucks zur Sprache gekommen“. Bislang sei es allerdings daran gescheitert, dass es kein allgemeines Nachdruckverbot gebe. Dann wird zugestanden, dass die Nachdruckfrage auch anders gelöst werden könne; gleichwohl sprächen für eine Corporation nach Ansicht des Außenministeriums andere Gründe: „Eine besonders unter den gegenwärtigen Zeitumständen vorzugsweise Beachtung verdienende Rücksicht, von der aus sich jener Vorschlag bevorworten ließe, möchte vielmehr die sein: dass eine der gleichen Corporation schon von ihrem eigenen Interesse aus die Nothwendigkeit erkennen werde, sich den Bundes-Regierungen, durch deren gemeinsamen Beschluß sie ins Leben gerufen worden, und in deren vereintem Schutze sie ihre Fortdauer nur allein gesichert sehen kann, möglichst anzuschließen, zu diesem Behufe unter ihren Mitgliedern, auch was den Betrieb ihres Geschäftes betrifft, einen dem Rufe und der bestehenden Ordnung zugewendeten Geist zu wecken und zu pflegen, und dadurch jenem eine ihrer Natur nach sicheren Garantie gegen den Mißbrauch der Presse zu gewähren, als den bisherigen Erfahrungen nach in noch so strengen Repressiv-, oder noch so sorgfältigen geordneten Präventiv-Maaßregeln gefunden werden kann.“

Allerdings sah das Außenministerium auch, dass der Entwurf „einen, wenn auch modifizierten Zunftzwang keineswegs ganz verkennen“ lasse, gleichwohl solle man den Vorschlag prüfen. Die erste Antwort kam aus dem Ministerium des Innern und der Polizei. Der Minister, Freiherr von Brenn, schrieb, „[…] daß ich eine Vereinigung der Buchhändler Deutschlands in einer, die Entfaltung der öffentlichen Ruhe zugewandten Richtung für sehr wünschenswerth 41  Vgl. 42  Die

GSTA PK III. HA (2.4.1.) Abt.  I Nr.  8954 (1) vol. XI. folgenden Zitate nach GSTA PK III. HA Abt.  I 8954 (2.4.1.).

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halte, daß ich aber diese Richtung in dem vorliegenden Entwurfe vermisse, und von meinem Standpunkte aus die Stiftung eines Vereins deutscher Buchhändler in der durch jenen Entwurf angedeuteten Richtung nicht unterstützen kann, da nicht allein zur Sicherung literarischen Eigentums durch die preußische Gesetzgebung schon mehr geschehen ist, als erreicht werden würde, wenn das entworfene Regulativ die Bestätigung sämtlicher Bundesregierungen erhalten möchte, sondern auch mehrere Bestimmungen des letzteren […] mit den diesseits schon bestehenden Vorschriften nicht zu vereinigen sein würden.“

Die Antwort des Finanzministeriums datiert vom 5. April. Das Ministerium meint, für Buchhandel und Fiskus sei es am besten, wenn „man dessen freieste Bewegung selbst mit mindest möglicher Rücksicht auf das so genannte literarische Eigenthum gestatten wolle“. Das Verbot des Nachdrucks könne man auf „anderem Wege als durch die Errichtung einer Reichszunft der Buchhändler“ erreichen, namentlich durch weitere Bemühungen im Bundestag. Dann heißt es weiter: „Jene andere Zwecke aber angehend, welche man durch die Errichtung der allgemeinen deutschen Buchhändlercorporation erzielen will; so beruht deren Verwirklichung auf der Voraussetzung, dass das neu erschaffene Organ derjenigen Macht dankbar und dienstbar bleiben werde, welche es ins Leben hat treten lassen. Die Geschichte aller Zeiten liefert der Beispiele genug von der Trüglichkeit solcher Voraussetzungen. Ganz abgesehen von der politischen Seite der Sache zweifle ich gar nicht, dass auch die in den Ansprüchen auf monopolistische Begünstigung und möglichster Beschränkung des Gewerbes in der Personenzahl der Betreiber die neue Corporation in ihren Bestrebungen dem Vorbild der älteren Schwestern ähneln werde, und lassen sich Andeutungen hierauf bereits in dem vorgelegten Entwurfe deutlich genug wahrnehmen.“

Das „Kultusministerium“, also das Ministerium für geistliche und öffentliche Unterrichtsangelegenheiten, trug am 3. Juli seine „Hauptbedenken“ vor: Sie richteten sich gegen die Übertragung von Kompetenzen an die Bundesversammlung, gegen die Bevorzugung Leipzigs und gegen die Benachteiligung der Schriftsteller. Das für die Gewerbepolitik zuständige Ministerium des Innern für Gewerbe und Handel unter von Schuckmann formulierte schließlich am 15. April die schärfste Ablehnung: „Nach meinem Dafürhalten ist es mit der bestehenden organischen Einrichtung der Deutschen Bundesversammlung ganz unverträglich, derselben die Privat-Interessen einer einzelnen Klasse von Gewerbetreibenden in den zum Bunde gehörigen Staaten, zum besonderen Schutze anzuvertrauen, und zu diesem Zwecke nach dem Inhalte jenes Regulativs die deutschen Buchhändler in eine privilegierte Corporation zu vereinigen, wie solche zur Zeit der Reichs-Verfassung nicht einmal für irgend einen Gewerbzweig unter den Fesseln des Zunftzwanges bestanden hat. Auch würde selbst dann, wenn die Deutsche Bundesversammlung zur Wahrnehmung der Interessen eines Handels-Vereins berufen und geeignet wäre, aus staatspolitischen Gründen widerrathen werden müssen, eine Institution zu begründen,



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welche nach dem vorliegenden Plane, die ohnehin auf anderem Wege zu bewirkende Verhinderung des Nachdrucks und des Prozeß-Unfugs als Zweck nur im Schilde führt, in der That aber durch die projectirten Bestimmungen über die Rechte der Schriftsteller, mithin über die Rechte dritter Personen, die Gesetzgebung der Bundesstaaten in ihrer Entwicklung und im Fortschreiten hemmt.“

Im Übrigen verwies das Ministerium auf die beabsichtigte Revision des Allgemeinen Landrechts und die Notwendigkeit, die preußische Gesetzgebung nicht zu fesseln. Dann kommt das Ministerium ins Grundsätzliche: „Im allgemeinen Gewerbe-Interesse aber habe ich bereits im Jahre 1829 den Antrag der hiesigen Buchhändler, auf Vereinigung derselben in eine Corporation zurückgewiesen, und auf die demnächst darüber stattgefundene Staats-MinisterialVerhandlungen haben des Königs Majestät mittels allerhöchster Kabinettsorder vom 15.  Januar 1832 die diesseitige zurückweisende Verfügung zu bestätigen geruht. Es kann also, wenn im Einverständnisse mit dem königlichen Ministerium der Unterrichts- usw. Angelegenheiten wie geschehen, die Bildung einer GewerbeCorporation der preußischen Buchhändler nicht zuträglich gehalten worden ist, noch weniger der Corporations-Vereinigung der Buchhändler in ganz Deutschland das Wort geredet werden, und ich glaube daher für jetzt auf eine Prüfung der einzelnen Bestimmungen des in Rede stehenden sogenannten Regulativs mich nicht einlaßen sondern ohne Weiteres dem Antrage mich entschieden entgegen erklären zu dürfen.“

Daraufhin beschloss man in Berlin, die Angelegenheit bis zur Rückkehr des in Wien weilenden Ministers ruhen zu lassen. Sie wurde im Außenministerium erst sehr viel später wieder aufgenommen. Nachdem die Bundesversammlung beschlossen hatte, die einzelnen Regierungen sollten „geachtete Buchhändler“ über den Regulativ-Entwurf anhören, lud das Außenministerium am 19.2.1835 die Herren Reimer, Parthey, Duncker, Ensslin und Müller zu einer Besprechung ein. Dabei dürften die Buchhändler jedoch kaum von den bereits vorliegenden Ansichten abgewichen sein, die der Börsenverein in seiner Stellungnahme niedergelegt hatte. An der negativen Haltung Berlins änderte sich durch diese Vorgänge nichts mehr. 2. In Karlsruhe reagierte man ebenso wie in anderen Hauptstädten früh auf den Vorstoß Metternichs43. Reitzenstein, der Bevollmächtigte in Wien, übersandte am 8.  Mai 1834 das Frankfurter Papier und vermerkte dabei, dass die Absicht bestehe, den Regierungen eine „Vernehmung der Stimmen achtbarer Buchhändler ihres Landes“ zu empfehlen. Das Staatsministerium veranlasste umgehend (15. Mai) das Innenministerium zu einer Stellungnah43  GLAK

233, 27608.

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me; dies wiederum bezog sich in seinem Votum (30. Juni) auf seine älteren kritischen Äußerungen zu den 1833 von Blittersdorff übermittelten preußischen „Grundzügen“44 und fügte noch einige grundsätzliche Bemerkungen hinzu: „Da es sich hier um keine, – in dem allgemeinen Zwecke des Deutschen Bundes begründete Anordnung, sondern im Sinne des §  7 der Bundesacte um ein jus singulorum handelt, und da eben deswegen in §  18. litt. d kein allgemeines Bundesgesetz über den Bücher-Nachdruck, sondern nur ‚die Abfassung gleichförmiger Verfügungen‘ über denselben zugesichert ist, – da es ferner bekanntermaaßen nicht in dem Interesse der kleineren Staaten liegen kann, den Kreis der Bundesgesetzgebung zu erweitern und dadurch die Souveränitaet der einzelnen Staaten zu beschränken, so dürfte es in jeder Beziehung räthlich sein, die in anliegendem Entwurfe enthaltenen Bestimmungen nicht in der Form eines wirklichen BundesGesetzes zu verkünden, sondern sich darüber nur in der Art zu vereinigen, daß jede Regierung nach den verabredeten Grundzügen ein besonderes Landesgesetz erlassen werde. Jedenfalls sind wir der Meinung, daß es der vorgeschlagenen Bestimmungen über den Buchhandel nicht bedürfe, indem in der Deutschen Bundesacte nicht von der Regulirung des Buchhandels, sondern nur von dem Nachdruck die Rede ist. Soweit es sich vom [sic!] dem Mißbrauch der Presse handelt, so bestehen bereits Bundes-Vorschriften und sie sind jedenfalls nicht der Gegenstand des vorliegenden Entwurfs. In anderer Beziehung aber, eignet sich die Regulirung des Buchhandels ebenso wenig zu einer bundesgesetzlichen Bestimmung, als jene eines jeden anderen Gewerbes, und da auch in der Bundesacte kein Titel und überhaupt kein Anlaß zu solchen Bestimmungen liegt, so wäre eine Vereinbarung darüber nur unter denselben verfassungsmäßigen Bedingungen und Formen, wie bei anderen Staatsverträgen, möglich.“

Im Übrigen beschränkt sich das Votum auf jene Paragraphen des Regulativentwurfs, die sich mit dem Buchhandelsgeschäft und dem Nachdruck befassen; die meisten seien überflüssig, da in Baden schon vorhanden, anregend oder ergänzungsbedürftig. Diese ablehnende Haltung setzte sich in Karlsruhe allgemein durch, nachdem das Schlussprotokoll und mit ihm die Art.  36 und 37 feststanden. Bereits ein Vermerk vom 3. August, der am 6. September ergänzt wurde, macht deutlich, dass das Außenministerium die Meinung des Innenministers teilte: „Die Grundabsicht des Entwurfs geht dahin, eine Corporation deutscher Buchhändler zu bilden, und denen, die ihr angehören, ausschließlich nicht nur die bundesmäßige Garantie gegen Nachdruck, sondern auch die Befugnis zum Buchhandel zu geben. Die Prüfung der einzelnen Bedingungen, unter welchen dieses geschehen soll, wird es noch klar machen, wie eng dies alles mit dem Privatrechte, u. mit den Poli44  Vgl.

die in Anm.  2 angeführte Literatur.



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zeigesetzen jedes einzelnen Bundesstaats zusammenhängt. Alle diese Privatrechte und Polizeigesetze müßten also der Bundesgesetzgebung hingegeben werden, – und dabei würde es sich zeigen, daß es nicht allein nicht rathsam ist, die Souveränität der einzelnen Staaten in dieser Weise zu beschränken, sondern daß es auch nicht ausführbar ist, weil das meiste als Gegenstand der Gesetzgebung nicht allein die Übereinstimmung der Fürsten, sondern auch die Beistimmung der Landstände erforderte, u. außerdem bei dem Zusammenhange mit dem Gewerbswesen, mit der Strafgesetzgebung u.s.w. jedes einzelnen Staates eine völlige Übereinstimmung nicht erwarten ließe.“

Besonders scharf wird die Absicht gegeißelt, eine bundesweite Zunft zu etablieren: „Mit Recht wird dagegen bemerkt, daß nicht einzusehen sei, warum es eine Leipziger Börse, u. eines Buchhändlervereins bedürfe, den Buchhandel zu treiben. Eine gute Richtung der Presse wird dadurch nicht bewirkt, da hierüber die Einzelnen eine Verbindlichkeit nicht übernehmen, dazu auch kaum im Stande sind. Die große deutsche Zunft wird aber, wie jede Zunft, am Ende ihren Vortheil besser besorgen, als den des Publikums. Zudem greift es in die Partikulargesetzgebung ein, den Betrieb des Gewerbes von besonderen Qualifikationen oder von einer Immatrikulirung abhängig zu machen, was in den Ländern des Überrheins wo noch die Patente gelten, damit kaum vereinbar wäre. Eine Bekanntmachung derjenigen, die Buchhändlerrecht haben, ist an sich Privatsache – in keinem Falle von so bedeutendem Interesse, um Gegenstand eines Bundesgesetzes zu werden.“

Nach alledem stand für die badische Regierung die Ablehnung des Frankfurter Projekts schon fest, bevor der Bundesbeschluss zur Organisationsfrage (4.  Dezember) gefasst wurde. Als der Bundestagsgesandte Ende Januar 1835 die sächsischen Vorschläge nach Karlsruhe übersandte, veranlasste das Innenministerium zwar noch am 17.  Mai die von der Bundesversammlung gewünschte Befragung von Buchhändlern; demgemäß wurden die Stadtämter in Karlsruhe, Heidelberg und Freiburg angewiesen. An der Politik Karlsruhes hat dies aber nichts mehr geändert. Mittlerweile war im Bundestag bereits der Beschluss vom 2.  April zu Art.  36 gefasst worden. 3. Die bayerische Regierung brauchte erheblich länger, um eine Antwort auf den Bundesbeschluss vom 4.  Dezember zu finden45. Erst nachdem das Innenministerium mit Hilfe der Kreisregierungen die Buchhändler hatte befragen lassen, gelangte man in München zu einem bestimmten Ergebnis. Am 45  BayHStA

MA 1868.

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16.  Januar 1836 konnte das Innenministerium Bericht erstatten und seine eigene Bewertung formulieren. Da mittlerweile auch schon der Bundesbeschluss vom 2. April 1835 gefasst worden war, schied man alle Vorschläge aus, die „auf den Nachdruck und auf die Sicherung des schriftstellerischen Eigenthums Bezug“ hatten, und beschränkte sich auf den „Gesichtspunkt der Gewerbs-Ordnung“. Darüber hinaus wählte das Ministerium nur einige für die Vereinbarung im Bund geeignete Aspekte aus, um skeptisch anmerken zu können, dass es zweifelhaft sei, ihretwegen einen Bundesbeschluss zu fassen. Auf erhebliche Bedenken stießen vor allem die Pläne einer „allgemeinen Buchhändler-Matrikel“, einer generellen Anmeldepflicht für alle Verlagswerke und erst recht die Schaffung einer Korporation: „Eine Anordnung durch Bundesbeschluß würde den Character der Maasregel in vielen Beziehungen verändern, und dem dadurch anerkannten Verein der Buchhändler eine Stellung, dem Bunde und den einzelnen Landes-Regierung gegen über, geben, woraus wenigstens für die letzteren Inconvenienzien von mancherley Art entspringen könnten“.

Noch weitere Gründe wurden vorgebracht: Zum einen der Wunsch, in Nürnberg eine eigene Buchhändlermesse zu begründen und zum anderen die Erwartung, dass die Registrierungspflicht für Bücher erfolglos bleiben werde. Da das Außenministerium seine Bedenken am 28. Januar 1836 noch schärfer formulierte, stand das Ergebnis der internen Willensbildung im Wesent­ lichen fest. In der gemeinsamen Vorlage an den König vom 24. April lauten die zentralen Sätze: „In der Hauptsache hat sich im Benehmen mit dem eben erwähnten Staatsministerium herausgestellt, a)  daß einige der besagten Vorschläge den souveränen Regierungen sehr präjudizierlich seyen und gewissermaaßen eine von den Landes-Regierungen eximierte, durch ganz Deutschland verbundene Corporation des Standes der Buch- und Kunsthändler constituiren würde, um solche unmittelbar unter die Bundesversammlung zu stellen. b)  einige Maaßregeln würden hingegen von der Beschaffenheit seyn, daß sie den Schutz der Landespolizei-Gewalt für Kunst und Wissenschaft billig in Anspruch nehmen, und unbeschadet der Landesgesetzgebung als allgemeine Maximen der Bundes-Regierungen zu empfehlen wären.“

Die Anweisung an den bayrischen Bundestagsgesandten war unmissverständlich: Er hatte „1.  Die bey der Bundesversammlung vorgekommenen, der Souveränität des Monarchen von Bayern präjudizirlichen Vorschläge unumwunden abzulehnen, 2.  und nur jene der Landespolizeigewalt entsprechenden Schutzmaasregeln anzuempfehlen, welche unbeschadet der Landesgesetzgebung für den Schutz der Kunst und Wissenschaft als allgemeine Maximen in Anspruch zu nehmen sind.“



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4. Der Blick in die Akten der drei Regierungen lässt deutlich werden, dass diese teils übereinstimmende, teils unterschiedliche Gründe hatten, jede Organisation des Deutschen Buchhandels abzulehnen, die sich an dem Frankfurter „Regulativ“ oder an den Leipziger „Vorschlägen“ orientieren würde. Die „Organisation“ war weder mit liberaler Wirtschaftspolitik noch mit den gewohnten Souveränitätsvorbehalten gegenüber dem Deutschen Bund zu vereinbaren. Die Pläne einer „Bundeszunft“ verschwanden endgültig aus der Diskussion. Preußen forcierte die anstehenden Verhandlungen zur Ausführung des Artikels 36 der Wiener Beschlüsse und damit die Bemühungen um die „gemeinsamen Grundsätze“. Die übrigen Regierungen folgten mehr oder weniger schnell diesem Weg, der letztlich im bereits mehrfach erwähnten Bundesbeschluss vom 9.  November 1837 endete. V. Anhang Entwurf zu einem Regulativ für den literarischen Rechtszustand (Abdruck nach der Ausgabe von Weechs, vgl. Fn.  4): In Erwägung, daß die Feststellung der literarischen Eigenthumsrechte in Deutschland und die hierzu erforderliche Organisation des deutschen Buchhandels ein längst gefühltes Bedürfniß ist, dessen Abhilfe von den wohlthätigsten Folgen für die allgemeine und wissenschaftliche Cultur, die deutsche Presse und den literarischen Verkehr überhaupt sein wird; in Erwägung ferner, daß der Buchhandel in Folge der Censur, der Bücherverbote und der Ertheilung von Concessionen für Buchhandel und Buchdruckereien als ein mehr oder weniger vom Staate abhängiges Institut zu betrachten ist, dessen freie Bewegung den gesetzlichen Bestimmungen mehr unterworfen ist wie ein jeder anderer Handel, – sind sämmtliche Staaten des deutschen Bundes dahin übereingekommen, den Buchhandel unter ihren besonderen und speziellen Schutz zu nehmen, und zu dem Ende nachstehende gesetzliche Bestimmungen aufzustellen, zu deren Festhaltung jeder deutsche immatriculirte Buchhändler berechtigt sein soll, seinen Recurs an die Intercession des Bundestags zunehmen, im Falle einer Uebertretung des gegenwärtigen Regulativs, oder einer Justizverzögerung oder Verweigerung in einem Bundesstaate. 1. Sämmtliche in den deutschen Bundesstaaten wohnende und zur Betreibung einer Verlags- oder Sortimentsbuchhandlung Berechtigte sind gehalten, sich binnen sechs Monaten, von der Publication des gegenwärtigen Regulativs an gerechnet, bei den von ihren resp. Regierungen dazu bestellten Behörden immatriculiren und dadurch ihre Befugniß als berechtigte Buchhändler bestätigen zu lassen. 2. Die auf diese Weise bestätigten Buchhandlungen, gleichwie die späterhin immatriculirten, bilden die Corporation des deutschen Buchhändlervereins, werden Mitglie-

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der der in Leipzig bestehenden Buchhändlerbörse, und haben sich bei dem Vorstand derselben als berechtigte Buchhändler einschreiben zu lassen. 3. Niemand kann in diesen Verein aufgenommen und zur Betreibung einer Buchhandlung künftig berechtigt werden, als Solche, welche dieses Geschäft in der üblichen Lehrzeit praktisch erlernt und bei ihrem Etablissement Zeugnisse ihres Wohlverhaltens sowie Beweise beibringen, daß sie nicht ganz ohne verhältnismäßige Geldmittel sind. 4. Außer den auf obige Weise immatriculirten Buchhandlungen ist Niemand, weß Standes und Gewerbes er auch sein möge, befugt, eine Verlags- oder Sortimentsbuchhandlung zu betreiben, und namentlich steht dieses nicht zu: 1)  Den Buchdruckereien und Leihbibliotheken, im Falle keine berechtigte Buchhandlung damit verbunden ist; 2)  Den Autoren, welche ihre Werke selbst drucken lassen, wegen deren Debit sie sich mit einer Buchhandlung vereinen müssen; 3)  Den Antiquaren, welche sich alles Verlags- und Sortimentshandels zu enthalten und einzig auf den Handel mit alten, gebundenen und gebrauchten Büchern zu beschränken haben; 4)  Den Buchbindern, die auf ihr Gewerbe angewiesen sind und denen nur der Verkauf von gebundenen Bibeln, Gesang- und solchen Büchern erlaubt ist, welche in den Elementarschulen auf dem Lande eingeführt sind, und 5)  Den Hausirern, denen der Verkauf von Büchern gänzlich untersagt ist, bei Strafe von fünfzig Thalern oder zwanzigfachen Werthe des betreffenden Gegenstandes für jeden überwiesenen Fall, welcher obigen Bestimmungen entgegen ist. 5. Der Nachdruck sämmtlicher in Deutschland im Verlag oder in Commission bei immatriculirten Buchhändlern erschienenen und außer den Bestimmungen des §  12. liegenden, so wie aller künftig erscheinenden Werke ist gänzlich und für immer untersagt und das schriftstellerische Privateigenthum von dem gegenwärtigen Augenblick an unter den besondern, gegenseitigen Schutz sowohl sämmtlicher Regierungen als auch des deutschen Bundes gestellt. Der Nachdruck aller im Ausland erscheinenden Werke ist dagegen erlaubt und steht einem jeden immatriculirten Buchhändler frei, insofern nicht Landesgesetze, Bestimmungen des deutschen Bundes oder der Bundesversammlung, oder Staats- und rechtsgültige Privatverträge demselben entgegen sind. 6. Jeder Buchhändler ist verbunden, außer der Beobachtung der in Beziehung auf Preßfreiheit bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, auf alle Werke, die bei ihm, von den Publicationen dieses Regulativs an, erscheinen, oder deren Debit er von einem Autor oder Selbstverleger für seine Rechnung und Verbindlichkeiten übernimmt, benebst der Jahreszahl der Publication, auch seine Firma beizusetzen, bei Strafe, im Unterlassungsfalle sein ohne Angabe der rechtmäßigen Firma erschienenes Werk der Confiscation ausgesetzt zu sehen.



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7. Von jedem Werke, welches von jetzt an in den deutschen Bundesstaaten erscheint, ist der Verleger gehalten, an die ihm von seiner Regierung bestimmte Behörde, vor Ausgabe des Werks, zwei Exemplare abzuliefern und dagegen eine Bescheinigung zu empfangen, die ihm von der Behörde bei Ueberlieferung ohne weitre Rücksicht auf den Inhalt des Werks, in welcher Beziehung es bei den bestehenden Gesetzen sein Verwenden hat, ausgefertigt werden muß. Diese Bescheinigung giebt ihm das Recht, auf dem Titel seines Werks oder auf dessen Kehrseite die Bemerkung „deponirt“ oder „gesetzmäßig hinterlegt“ zu drucken, welches einem Privilegium gegen den Nachdruck gleich zu achten ist, und in allen deutschen Bundesstaaten gleichen Schutz genießt. 8. Alle Werke, welche nicht deponirt werden, stehen außer dem Schutz des obigen Privilegiums und können auf keine in diesem Regulativ bestimmten Rechte Anspruch machen; jedes Werk aber, welches unter dieser Aegide erscheint, ohne wirklich deponirt zu sein, ist der Strafe der Confiscation unterworfen. Nur immatriculirte Buchhändler können auf diese Weise ihre Verlagswerke deponiren, und jede Deposition, die nicht von einem solchen ausgeht, wird von der dazu bestellten Behörde nicht angenommen und als ungültig betrachtet. 9. Jeder Buchhändler, welcher des Nachdrucks eines solchen deponirten Werkes überführt wird, ist seiner Matrikel auf Lebenszeit verlustig, wird unter öffentlicher Bekanntmachung als Mitglied des Buchhändlervereins gestrichen und ist seiner Börsenrechte beraubt. Auch ist der von ihm veranstaltete Nachdruck der Confiscation unterworfen und der Originalverleger berechtigt, auf Entschädigung zu klagen. – Dagegen ist 10. Der Verkauf aller bis zur Publication dieses Regulativs veranstalteten Nachdrücke noch auf die Dauer von fünf Jahren in allen deutschen Bundesstaaten erlaubt; nach Ablauf dieser Frist aber gänzlich und dergestalt untersagt, daß ein jeder Buchhändler, welcher des Verkaufs eines solchen verfallenen Nachdrucks überführt ist, in eine Strafe von fünfzig Thalern oder zwanzigfachem Werthe des verkauften Gegenstandes für jeden einzelnen Fall zu Gunsten des rechtmäßigen Verlegers versetzt wird. Der oben bezeichnete Nachdruck darf jedoch während diesen fünf Jahren nicht auf die Leipziger Buchhändlermesse gebracht und dort in Masse debitirt werden; eben so wenig darf während der anberaumten Frist von fünf Jahren der zusammengegangene Vorrath eines Nachdrucks neu aufgelegt werden, bei Strafe der Confiscation der veranstalteten Auflage und des doppelten Werthersatzes der etwa schon verkauften Exemplare, zu Gunsten des rechtmäßigen Verlegers. 11. Da nun auf diese Weise der fernere ungesetzliche Nachdruck gänzlich verboten und der Debit der bis daher noch bestehenden Vorräthe beschränkt worden ist, so treten dagegen folgende gesetzliche Bestimmungen ein, nämlich:

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12. Von dem Augenblick an, wo gegenwärtiges Regulativ in Kraft tritt, sind die sämmtlichen Werke aller vor zwanzig Jahren verstorbenen Autoren als Gemeineigenthum zu betrachten, und es steht deren Wiederauflage unter Beobachtung der Pressgesetze, jedem immatriculirten Buchhändler frei. 13. Dasselbe gilt von allen ohne Angabe des Autors erschienenen, oder von mehreren Verfassern redigirten Werken, von denen in den letztverflossenen zwanzig Jahren von dem Datum der gegenwärtigen Bestimmung zurückgerechnet, keine neue Auflage erschienen ist; dasselbe gilt von allen commentirten oder bereicherten neuen Auflagen älterer Schriften, desgleichen von deutschen Uebersetzungen, in fremden, alten oder neuen Sprachen erschienener Werke. 14. Alle Buchhandlungen, welche von diesem ihnen zustehenden Rechte des Wiederabdrucks älterer Werke Gebrauch machen wollen, sind gehalten, solche Unternehmungen spätestens zwei Monate vor deren Herausgabe in dem von dem Vorstand des Buchhändlervereins zu diesem Behuf redigirten Blatte öffentlich bekannt zu machen, um dem ursprünglichen Verleger oder den Erben des verstorbenen Autors Zeit zu lassen, bei dem genannten Vorstand oder bei der den Abdruck beabsichtigenden Buchhandlung Widerspruch einzulegen, und sofern dieser nicht beachtet werden sollte, Recurs an die geeignete Behörde zu nehmen. Im Fall einer Uebertretung dieser Vorschrift haftet der Verleger des neuen Abdrucks dem Urverleger oder den Erben des Autors für allen Schaden, und ist ein solcher in dem obigen Blatte nicht angekündigter Wiederabdruck als ein Nachdruck zu behandeln. 15. Ein jeder solcher neu veranstalteter Abdruck muß, gleich einem neuen Verlagswerke, bei der betreffenden Behörde zu zwei Exemplaren gegen Bescheinigung deponirt und auf dem Titel oder dessen Kehrseite gesetzt werden: „neu veranstalteter deponirter Wiederabdruck“ oder „neuer gesetzmäßig hinterlegter Abdruck“, wodurch der neue Abdruck, wenn seiner Erscheinung sonst keine rechtsgültigen Hindernisse entgegenstehen, den Stempel der Rechtmäßigkeit erhält. Alle Werke, welche ohne diese Formalität wieder aufgelegt werden, sind als Nachdruck anzusehen und als solcher zu behandeln. 16. Die oben in §  12 und 13 ausgesprochenen Bestimmungen bleiben, sobald sie in Kraft getreten, während drei Jahren unverändert, und ohne in ihrer Wirkung mit der Zeit fortzuschreiten, stehen, um dem Buchhandel Zeit zu lassen, seine künftigen Einrichtungen darnach zu modeln; nach Ablauf dieser drei Jahre aber würde obiges Gesetz als fortwirkend anzusehen sein, dergestalt also, daß, wenn z. B. dasselbe vom 1. Juli 1834 publicirt würde, alle Werke, welche bis zum 1. Juli 1834 den obigen Bestimmungen unterlägen, freies Eigenthum würden – aber erst 1837 dürfte man anfangen die Werke wieder aufzulegen, welche 1815, 1816 und 1817 dem Gesetze verfallen sind, und dann schritte dasselbe erst in dem ursprünglich ausgesprochenen Sinne mit jedem Jahre fort.



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17. Gegenwärtiger Entwurf eines Regulativs soll zur nächsten Leipziger Buchhändlermesse dem Vorstand der Buchhändlerbörse übergeben und von demselben sämmtlichen anwesenden Buchhändlern zur Discussion vorgelegt werden, worauf er, mit allen Erörterungen begleitet, spätestens binnen zwei Monaten vom Tage des Empfangs, an die hohe deutsche Bundesversammlung gehen und von dieser sodann mit Berücksichtigung der vorliegenden Materialien als Grundbestimmung zur Feststellung der literarischen Eigenthumsrechte in Deutschland definitiv festgestellt und in Kraft gesetzt werden soll.

Frühe Bemühungen um den Rechtsschutz privater Briefe Eine Berliner Diskussion zur Reichweite des preußischen Gesetzes vom 11.  Juni 1837 Was heute als selbstverständlich erscheint, ist oftmals das Produkt einer langen Entwicklung. Dies gilt nicht zuletzt für zentrale Bausteine unserer Rechtsordnung und deren Beziehungen zueinander. Ein markantes Beispiel bietet die Frage nach dem Verhältnis von Urheberrecht einerseits und Persönlichkeitsrechten andererseits. Das selbständige Nebeneinander beider Rechtsinstitute ist heute allgemein anerkannt. Wenn ein Student entdeckt, daß in seiner Gesetzessammlung einige Paragraphen des „Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst und der Photographie“ vom 9. Januar 1907 heute noch gelten, während die übrigen Bestimmungen zum eigentlichen Urheberrecht längst durch neue Regeln ersetzt worden sind, so mag er sich die Frage stellen, warum dies so ist. Die Lehrbücher1 bieten eine Antwort, die man so zusammenfassen kann: Da man heute das „Recht am eigenen Bild“ als „besonderes Persönlichkeitsrecht“, mithin als eine spezifische Ausprägung des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ versteht, ist es in einem Gesetz zum Urheberschutz eigentlich fehl am Platz. Weil man jedoch die gesetzlichen Regeln und vor allem die auf ihnen basierte Spruchpraxis erhalten wollte, wurde auf ein neues spezielles Gesetz verzichtet. Der Gesetzgeber, der um die Wende zum 20.  Jahrhundert das Urheberrecht reformierte,2 ging noch von einer anderen Position aus. Da die anstehende Reform des Kunsturheberrechts auch den Schutz der Photographien einbeziehen sollte, bot sich die Gelegenheit, zugleich ein „Recht am eigenen Bild“ zu formulieren. Ein solcher Schutz war nicht zuletzt veranlaßt durch das berühmt-berüchtigte Photo „Bismarck auf dem Totenbett“, das wenige 1  Manfred Rehbinder, Urheberrecht, 13.  Aufl. München 2004, bes. S.  307  ff.; Haimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 4. Aufl., Tübingen 2007, S. 25 f. 2  Dazu vgl. man etwa: Martin Vogel, Die Geschichte des Urheberrechts im Kaiserreich, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (künftig: GRUR) 1987, S.  873–883; ders., Die Entwicklung des Urheberrechts, und: Die Entwicklung des Verlagsrechts, in: Georg Jäger (Hg.), Geschichte des deutschen Buchhandels im 19.  und 20.  Jahrhundert. Das Kaiserreich 1870–1918, Teil I, Frankfurt a. M. 2001, S.  122–169.

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Jahre zuvor viel Aufsehen erregt hatte; das in diesem Fall ergangene Urteil des Reichsgerichts3 hatte deutlich gemacht, daß der vorhandene Schutz nicht ausreichend war. In einem anderen Bereich, in dem sich ebenfalls das Urheberrecht und ein besonderes Persönlichkeitsrecht überschneiden, war man besser gerüstet. Im Urteil über die Wagnerbriefe konnten die Richter auf Überlegungen zurückgreifen, die Rechtssprechung und Jurisprudenz in den vorangehenden Jahrzehnten entwickelt hatten.4 Die Anfänge dieser Tradition sind weniger bekannt; sie dürften in einer Debatte zu suchen sein, die in den Jahren 1840 bis 1842 zwischen den Berliner Ministerien geführt worden ist. Diese Diskussion soll im folgenden etwas deutlicher vorgestellt werden. Zunächst ist danach zu fragen, wodurch dieser Gedankenaustausch ausgelöst worden ist (I.). Sodann sind der Verlauf der Diskussion und die vorgetragenen Argumente vorzustellen (II.). Zum Abschluß dieses Beitrags kann nur noch kurz auf die Frage eingegangen werden, warum der Notenwechsel zu diesem Thema beendet worden ist (III.). I. Die Berliner Diskussion um den Schutz von Privatbriefen hat vermutlich verschiedene Ursachen.5 3  Urteil des Reichsgerichts v. 28.  Dezember 1899, RGZ 45, 170–174. – Im übrigen sei hingewiesen auf: Josef Kohler Das Eigenbild im Recht, Berlin 1903 (mit Hinweisen S.  28  ff. auf neuere in- und ausländische Entscheidungen); ders., Das Kunstwerkrecht (Gesetz vom 9.  Januar 1907), Stuttgart 1908, bes. S.  157  ff. 4  Urteil des Reichsgerichts v. 28. II. 1898, RGZ 41, 43–50. Zur Geschichte der Rechte an Briefen seien nur genannt: Josef Kohler, Das Recht an Briefen, in: Archiv für Bürgerliches Recht XVI (1893) S.  94–149; Leo Pinner, Das Recht des Briefes in rechtsvergleichender Darstellung, Leiden 1937, bes. S.  177  f.; Albrecht Götz von Olenhusen, Urheber- und Persönlichkeitsschutz bei Briefen und Dokumentationsfreiheit, in: Archiv für Urheber- Film- Funk- und Theaterrecht (künftig: UFITA) 67 (1973), S.  57–73; Erik Jayme, Rechtliche Verfestigungen der Erinnerungskultur, in: UFITA 2008 II, S.  313–336, bes. 320  ff. 5  Die folgende Darstellung basiert auf den Akten der Preußischen Staatsministerien, und zwar: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz    I. Hauptabteilung: Die sogenannten alten und neuen Reposituren     Rep. 76 (Kultusministerium) V e Sekt. 1 Abt. 15 Nr.  40 (1840–1842) und Nr.  41 (1842–1853)      Rep. 84 (Justizministerium zur Revision der Gesetzgebung)     Rep. 84 a (Justizministerium) Nr.  2371 (1837–1839), Nr.  2372 (1840–1841) und Nr.  2373 (1842–1843)



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Am 27.  April 1840 unterrichtete der „Minister der auswärtigen Angelegenheiten“, Heinrich Freiherr von Werther, seine Kollegen über eine Anregung, die in den bayerischen Kammern im Zuge der Debatte über das geplante Nachdruckschutzgesetz zur Sprache gekommen war6. Der Minister ließ „den Wunsch erkennen, … dero geneigte Äußerung darüber zu erhalten, ob es vielleicht zweckmäßig erscheine, Schritte zur Herbeiführung einer Vereinbarung beim deutschen Bunde zu thun, wodurch auch die ohne strafbare Absicht stattfindende Veröffentlichung von Briefen Verstorbener bis zu einem bestimmten Zeitpunkte nach dem Tode des Urhebers der Regel nach untersagt würde.“

Der Justizminister, Heinrich Gottlob von Mühler, signalisierte daraufhin am 17.  August dem federführenden Kultusminister („Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten“) seine Zustimmung zu dem Vorschlag, „daß nicht räthlich sei, im Wege der Gesetzgebung der unzeitigen Veröffentlichung von Briefen Verstorbener vorzubeugen“. Als das Außenministerium am 22.  August die Antwort anmahnte, übersandten das Kultusministerium und das „Ministerium des Innern und der Polizei“ am 24.  Oktober einen entsprechenden Entwurf, den auch der Justizminister unterzeichnen sollte. Diese Vorlage beschäftigte sich zunächst mit einer anderen offenen Frage und ging erst danach auf das hier interessierende Thema ein. Zur ersten „Frage, ob es den politischen Tageszeitungen gestattet sei, aus wissenschaftlichen Zeitschriften oder größeren Werken ganze Anschnitte… ohne ausdrückliche Genehmigung des Verfassers oder seines Rechtsnachfolgers aufzunehmen“, wurde darauf hingewiesen, daß die dazu erforderlichen Materialien fehlten und man noch keine Gelegenheit gehabt habe, „über die Nothwendigkeit von desfälligen gesetzlichen Bestimmungen Erfahrungen zu sammeln.“ Dann fährt der Text fort: „Was aber die als wünschenswerth bezeichnete Beschränkung der Veröffentlichung von Briefen Verstorbener angeht, so halten wir nicht dafür, daß ein Bedürfnis vorhanden sei, auf legislativem Wege Vorsorge zu treffen, daß nicht durch Veröffentlichung von Briefen Verstorbener der Takt und das Schicklichkeitsgefühl verletzt, und auf diese Weise im Voraus den üblen Folgen unüberlegter Abfassungen von Briefen    III. Hauptabteilung :Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten     2.4.1. Abt. I Nr. 8959 (1839–1840), Nr. 8960 (1840–1841) und Nr. 8961(1841– 1843). 6  Einzelheiten zu den Verhandlungen in München bei: Andreas Feld, Das bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck vom 15.04.1840. Vorgeschichte und Zustandekommen (Rechts­ historische Reihe Bd.  339), Frankfurt a. M. 2007, S.  198, 209, 213, 237.

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vorgebeugt werde. Auch scheint einer unbefugten Veröffentlichung von solchen Briefen schon durch die diesseitige Gesetzgebung begegnet zu sein, da nach § 3 des Gesetzes vom 11.  Juni 1837 der ohne Genehmigung des Verfassers oder seiner Rechtsnachfolger bewirkte Abdruck von Manuscripten aller Art dem Nachdruck gleichgeachtet und daher ebenfalls verboten worden ist. Denn auch Briefe werden unbedenklich zu den Manuscripten gerechnet werden müssen.“

Unter den Rechtsnachfolgern des Briefschreibers könnten weder der Empfänger der Briefe noch dessen Rechtsnachfolger „um so weniger verstanden werden, als der letzte Satz des angezogenen Paragraphen auch dem rechtmäßigen Besitzer eines Manuscripts das Recht der Veröffentlichung desselben ohne Genehmigung des Autors ausdrücklich abspricht“. Im Justizministerium, das dieser Einschätzung in einem älteren Votum an den Innenminister noch zugestimmt hatte, beurteilte man die Rechtslage nun anders. Die neue Haltung geht zurück auf den erst im Laufe des Jahres ins Justizministerium abgeordneten Kammergerichtsassessor Franz A. Hinschius, der am 16.  November dem Minister eine Stellungnahme vorgelegt hatte7. Hinschius stellte in seinem Votum zunächst fest, er könne die Ansicht des Kultusministeriums nicht teilen, „da es nicht räthlich sei, im Wege der Gesetzgebung der unzeitigen Veröffentlichung von Briefen Verstorbener vorzubeugen“. Dann heißt es weiter: „Mit der Publikation von Briefen nicht bloß verstorbener, sondern sogar lebender Personen ist in neuester Zeit ein nicht großer Mißbrauch getrieben worden, in welcher Beziehung ich nur an die bekannte Dorow’sche Autographen-Sammlung mir zu erinnern erlaube. Ein Bedürfnis, hier durch die Gesetzgebung Einhalt zu thun, möchte daher nicht zu leugnen sein. Daß dadurch bloß den übeln Folgen „unüberlegter“ Abfassung von Briefen vorgebeugt werden solle, wie das Kgl. geistl. Ministerium meint, kann ich nicht zugeben. Viele Verhältnisse des Lebens führen nothwendig vertrauliche, freundschaftliche oder Geschäftsbriefen mit sich, bei deren Abfassung der Briefsteller nicht die mindeste Unüberlegtheit zur Last fällt, wo deren Veröffentlichung durch den Druck dennoch die nachtheiligsten Folgen haben könnte“.

Sodann kritisiert Hinschius die These des Innenministers, durch das in § 3 enthaltene Verbot des Abdrucks von „Manuscripten aller Art“, zu denen auch die Briefe zu zählen seien, „werde bereits der eigenmächtigen Veröffentlichung der letzteren ohne Zustimmung des Briefstellers / Verfassers vorgebeugt“. Er schreibt weiter: 7  Zu Hinschius ausführlicher: Rainer Nomine, Der Königlich Preußische Literarische Sachverständigen-Verein in den Jahren 1838 bis 1770 (Schriften zur Rechtsgeschichte H.  84), Berlin 2000, S.  119.



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„Allein m. E. wird die Sache so eng ausgedeutet, wenn man nur den Briefsteller berücksichtigt; auch das Verhältnis des Empfängers verdient Beachtung, und das um so mehr, als es nicht von ihm abhängt, in den an ihn gerichteten Briefen das berührt zu sehen, was ihm bei einer späteren Publikation des Briefes nachtheilig sein kann. Ein Brief berührt in der Regel ebensowohl Verhältnisse des Empfängers als des Absenders, und der Briefsteller hat kein Recht oder sollte es wenigstens nicht haben, die ihm bekannten Geheimnisse des Adressaten deshalb zu veröffentlichen, weil er dem letzteren in einem Brief etwas mitgetheilt hat. Ich erlaube mir ein Beispiel: X. schreibt seinem Freunde Z., der N.N. habe ihn, den X. in Gegenwart des A. und B. auf das Empfindlichste beleidigt; er sei indeß zweifelhaft, ob er gegen N.N. klagen solle, zumal A. und B. über den Vorfall bestimmt schweigen würden; er erbitte sich daher den Rath von Z. In der Antwort resümiert der Letztere den Vorfall und äußert seine Meinung. Soll nun Z. diesen seinen Brief drucken lassen können und damit die Absicht des A. den unangenehmen Vorfall der Vergessenheit zu übergeben, vereiteln dürfen?

Das Votum endet mit folgenden Sätzen: „Sonach erachte ich es denn allerdings für wünschenswerth, eine nähere Berathung darüber zu veranlassen, ob es in einem Falle der unbefugten Publikation von Briefen durch die Gesetzgebung vorzubeugen sein dürfte, zu welchem Zweck alsdann noch nähere Einleitungen, z. B. durch Vernehmung des Gutachtens geachteter Schriftsteller, nothwendig sein möchten. Ew. Excellenz stelle ich die folgenreiche Prüfung der vorstehenden Ansicht unter­ thänigst anheim und behalte mir vor, für den Fall solcher Zustimmung ein anderweitiges, zur Mittheilung an die Kgl. Ministerien des Innern und der geistl. Angelegenheiten bestimmtes Votum zu entwerfen.“

Der Vorschlag wurde von Mühler positiv aufgenommen. Am 27.  November schrieb er folgenden Randvermerk in die Akten: „Ich bin mit dieser Ausführung vollkommen einverstanden. Dergl. Briefe dürfen meines Erachtens nur mit Genehmigung der Erben des verstorbenen Schriftstellers und unter Verantwortlichkeit derselben sowie des Herausgebers durch den Druck bekannt gemacht werden. Die Aufgabe der Censur aber wird es sein, alle dritte Personen betreffende Stellen, insofern sie nicht zur Veröffentlichung geeignet sind, zu streichen“.

Hinschius legte alsbald einen Entwurf der Antwort an die Minister von Rochow und Eichhorn vor. Zum einen griff er oft wörtlich die wesentlichen Passagen seines ersten internen Votums auf; zum anderen wurde der Text bemerkenswert erweitert. In diesem umfangreichen letzten Teil verwies Hinschius auf die jüngsten Publikationen zu diesem Thema in der „Allgemeinen Preß-Zeitung“. Hinschius leitete diesen Abschnitt mit folgenden Sätzen ein: „Überhaupt aber dürften ferner Briefe aus einem ganz anderen Gesichtspunkte zu betrachten sein, wie andere Manuscripte. Auf der einen Seite sind sie – seltene

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Ausnahmen abgerechnet – von Hause aus von dem Briefsteller nicht für den Druck bestimmt. Andererseits aber können sie auch nach der Natur der Sache nicht für ein bloßes Produkt des Briefstellers angesehen werden. Sie werden in der Regel durch die Verhältnisse des Empfängers mit bedingt; bei einer fortlaufenden Korrespondenz bildet gewissermaßen jeder Brief des Einen das Komplement des Andern, so daß recht eigentlich beide Korrespondenten als Autoren des ganzen Briefwechsels zu betrachten sind.“

Es folgen danach präzise Hinweise auf die einschlägigen Beiträge in den „Beilagen“ zur Preß-Zeitung, die überdies im Original (mit der Bitte um Rückgabe) beigefügt waren. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, in der gebotenen Kürze auf die Preß-Zeitung und die von Hinschius präsentierten Nummern einzugehen. In den Nummern 67 und 68 hatte Julius Eduard Hitzig, der Herausgeber der Zeitschrift, einen mehrspaltigen Aufsatz veröffentlicht8 unter dem Titel „Einige Bemerkungen zu der Frage über Veröffentlichung von Privatbriefen, insbesondere von den wechselseitigen Rechten des Schreibers und des Empfängers. Bei Gelegenheit eines beabsichtigten Gesetzes über diesen Gegenstand“.

Inhaltlich ging es ihm zunächst um die Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des preußischen Gesetzes, mithin die zentralen §§  1–3 und die eigene Kommentierung in seinem 1838 erschienenen Buch9. Dort hatte er sich noch etwas allgemeiner geäußert: „Die beiden Fälle des Wiederabdrucks einer gedruckten Schrift und des Abdrucks einer noch nicht gedruckten Handschrift sind in Beziehung auf die Rechtskränkung, die der Verfasser erleidet, wenn er seine Einwilligung im einen wie in dem anderen Fall nicht gegeben hat, allerdings von dem Gesetze, wie es auch geschehen, gleich zu behandeln; dagegen sind beide Fälle, ihrer Natur nach, wesentlich verschieden“.

Im ersten Falle habe der Autor „in der Regel“ sein Manuskript zum Druck freigegeben; bei dem Druck der Handschrift trete aber „der Kränkung des Autors in seinem Rechte eigenthümlich der wichtige Grund hinzu, daß es dahin steht, ob der Urheber die Verbreitung seiner Gedanken durch den Druck überhaupt gewünscht, vielmehr nicht jede öffentliche Bekanntmachung seiner Gedanken zu hindern getrachtet habe“.

In seinem Beitrag in der Preß-Zeitung geht Hitzig einen Schritt weiter: er unterscheidet deutlich zwischen „Manuscripten aller Art“ einerseits und „Briefen“ andererseits. Das im Gesetz verwendete Wort „Manuscript“ stehe 8  Sp.  615–618. – Zur Person des Autors und Herausgebers informiert: Nomine, Sachverständigen-Verein (Anm.  7), S.  117  ff. 9  Das Königl. Preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 zum Schutze des Eigenthums an Werken der Wissenschaft und der Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung, dargestellt in seinem Entstehen und erläutert in seinen einzelnen Bestimmungen aus den amtlichen Quellen, Berlin 1838, S.  49  f.



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bloß im Gegensatz zu den in §  1 erwähnten „bereits herausgegebenen Schriften“, meine also „eine noch nicht herausgegebene, aber zur Herausgabe bestimmte Schrift“. Bei Briefen, die bereits an einen Empfänger gegangen sind, komme es an auf „die Rechte des Empfängers an einem an ihn gerichteten Brief“: „Man muß, scheint es mir, um zuvörderst darüber auf das Reine zu kommen, was der Empfänger nicht dürfe, unterscheiden zwischen dem Recht an dem einzelnen Exemplar des an ihn gerichteten Schreibens und dem Recht es zu vervielfältigen. In Hinsicht aus das erstere dürfte eine Disposition über das einzelne Exemplar keinerlei Beschränkung unterworfen zu sein … Das Editionsrecht dagegen dürfte dem Empfänger, ohne daß der Briefschreiber oder dessen Rechtsnachfolger in die Publication nicht einwilligen, nicht zustehen, schon aus dem einfachen Grunde nicht, weil der Gebrauch eines Privatschreibens nur für denjenigen, an den der Schreiber sie richtet, bestimmt nur mit Bezug auf diese Bestimmung abgefaßt zu werden pflegen. Aus dem Eigenthum an dem Exemplar aber das Recht, darüber auch für den Druck zu disponiren, herzuleiten; dies Argument würde in dem Munde eines Empfängers, der dasselbe zu seinen Gunsten anführen wollte, wohl noch seltsamer klingen, als das nämliche Argument, wie es von den Nachdruckern geltend gemacht worden, die bekanntlich darauf trotzt, daß sie das Exemplar, von welchem sie die Vervielfältigung bewirkten, auf eine rechtmäßige Weise erworben hätten und damit also machen könnten, was sie wollten, mithin es auch wieder abdrucken lassen.“

Von diesem Ansatz her hält es Hitzig für möglich, die Frage nach dem Editionsrecht im Einzelfall zu klären; auch die Rechtsprechung könne auf diesen Differenzierungen aufbauen. Freilich könne nur der Gesetzgeber die Frage regeln, soweit es um die Veröffentlichung durch Druck geht: „Wenn aber, wie öffentliche Blätter verkündigten, wirklich davon die Rede ist, in Preußen ein Gesetz über die Befugnis zur Publikation von Briefen zu erlassen, so dürfte es in der angegebenen Beziehung zur Sicherung des Autorrechts ausreichend sein, den §  3 mit Bezug auf 3 a auch auf Briefe gleich wie auf Collegienhefte und nachgeschriebene Predigten ausdrücklich ausdehnen“

Dann indes folgt ein Satz, der andeuten könnte, daß es nicht nur um –  modern gesprochen – urheberrechtliche Fragen konnte: „Viel schwieriger dagegen scheint die Frage: ob dem Empfänger gar keine Rechte an ihn gerichteter Briefe zuzugestehen?“

In den nachfolgenden Beispielen wurden allerdings lediglich das literarische Eigentum und dessen Nutzen erörtert. Hitzig hatte wohl nur diese Probleme lösen wollen. Dr. Hartmann Schellwitz, der die übrigen Beiträge in der Preß-Zeitung10 zum Nachdruckschutz von Briefen geliefert hat, beschränkte sich noch ein10  Sp.  709–716, 721–728, 739–744, 771–776, 788–794. – Zunächst lautet der Titel „Literarische Rechtsfragen“, er wird später (ab Sp.  721) ergänzt um: „Ueber das Recht, Briefe in Druck zu geben“.

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deutiger auf die urheberrechtlichen Fragen. Nach allgemeinen Überlegungen präsentiert er Schriftsätze und Urteile, die im Verfahren der Weidmann’schen Buchhandlung gegen Julius Wunders Verlagsmagazin in Leipzig vor dem Handels- und dem Appellationsgericht sowie vor dem Sächsischen Oberappellationsgericht geführt worden waren.11 Am Ende seiner Publikationsreihe kommt Schellwitz zwar auch auf die Auslegung des preußischen Gesetzes zu sprechen; seine Überlegungen führten allerdings nicht über den Bereich des Nachdruckschutzes hinaus. Anderes gilt für die Überlegungen, die Hinschius selbst im bereits erwähnten Votum für seinen Minister angestellt hat. Eines seiner Beispiele deutet letztlich auch auf das Interesse am Schutz der persönlichen Integrität hin und zwar sowohl auf der Seite des Briefstellers als auch auf der Seite des Empfängers; hier geht es offensichtlich um einen persönlichkeitsrechtlichen Ansatz. Es dürfte auch kein Zufall sein, daß die Randnotiz des Justizministers in dieselbe Richtung geht; in diesem Sinne wird man den Hinweis auf die Zensur zu deuten haben. Diese beiden in der Preß-Zeitung abgedruckten Beiträge haben das Votum des Justizministeriums mit Sicherheit beeinflußt. Sie waren Hinschius gewiß schneller als anderen Ministerialbeamten bekannt geworden, war er doch schon im September oder Oktober des Jahres 1838 zum Mitglied des im Gesetz vom 11.  Juni 1837 vorgesehenen Literarischen SachverständigenVereins ernannt worden, als dessen Präsident Hitzig amtierte.12 Man kann davon ausgehen, daß Hinschius frühzeitig über die Probleme um den Nachdruck von Privatbriefen unterrichtet war. Für Hinschius und wohl auch für den Justizminister kamen die Berichte in der Preß-Zeitung sicherlich nicht ungelegen, konnten sie doch dazu beitragen, daß sich die beiden anderen beteiligten Ministerien zu einer intensiveren Diskussion bereit erklärten. II. Am 18.  Dezember 1840 unterzeichnete Mühler eine überarbeitete und leicht ergänzte Fassung der Stellungnahme, die den Ministern von Rochow 11  In diesem Rechtsstreit ging es um die Verlagsrechte an einer in Wunders Verlagsmagazin erschienenen „Sammlung Göthescher Briefe, deren Manuskript „von dem Herausgeber Dr. Döring erkauft worden“ war. – Die Qualität der Döring’schen Briefsammlung war bereits unter den Zeitgenossen umstritten. Sie gilt heute als „textkritisch höchst bedenklich“, als eine „problematische bis mangelhafte“ Edition; so: Benedikt Jeßing, Goethe als Briefschreiber“; in: Goethe Handbuch Bd. 3. Prosaschriften, Stuttgart 1997, S.  430–473, hier S.  430  f. 12  Wie oben nach Anm.  7.



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und Eichhorn vorgelegt wurde; der Inhalt orientierte sich im wesentlichen an den Vorarbeiten von Hinschius.13 Auch zum weiteren Verfahren äußerte sich der Minister: „Wenn ich mich sonach im Allgemeinen dafür erkläre, daß nach dem Vorschlage des Königl. Ministerium der ausw. Angel. etwas geschehe, um der mißbräuchlichen Veröffentlichung von Briefen vorzubeugen, so scheint mir doch der Gegenstand nicht so wichtig, um ihn zur Unterlage eines besonderen Bundesbeschlusses zu machen. Vielmehr bin ich der Meinung, daß es genügen wird, den Gegenstand beim Eintritt des Jahres 1842, wo nach dem Bundesbeschlusse vom 9.  November 1837 (Gesetz-Sammlung S. 163) am Bundestage die Frage wegen einer verlängerten Dauer des den Rechten der Schriftstellen und Verleger von der Gesammtheit der Bundesglieder zu bewilligenden Schutzes neuerdings gemeinsam berathen werden soll, mit zur Sprache zu bringen.“

Die Argumente des Justizministers führten dazu, daß die Diskussion unter den Ministerien weiter anhielt; sie wurde erst im September des folgenden Jahres unterbrochen und zwar dadurch, daß man den „Literarischen Sachverständigen-Verein“ um ein Gutachten bat. Die zuvor ausgetauschten Voten machen deutlich, daß die Argumente und Vorschläge des Justizministeriums nicht überall aufgegriffen wurden. Johann Albert Friedrich Eichhorn, der seit Oktober dem Kultusministerium vorstand, bejahte am 15.  Januar 1841 als erster eindeutig, „daß etwas geschehen müsse, um das Recht zur Veröffentlichung vom Briefen näher zu bestimmen, um dadurch zugleich den Nachtheilen vorzubeugen, welche aus der Bekanntmachung derselben ohne Zustimmung der Betheiligten hervorgehen“.

Zugleich sprach er sich dagegen aus, die Angelegenheit zuerst auf Bundesebene zu verhandeln und deshalb bis Ende 1842 abzuwarten. Man solle vielmehr das eigene Gesetz vervollständigen und die entsprechende Bestimmung durch jene Kommission vorbereiten lassen, die über das Gesetz beraten hatte. Justizminister Mühler ergänzte wenige Tage danach, nämlich am 23.  Januar 1841, seine Vorschläge. Wenn alle anderen beteiligten Ministerien damit einverstanden wären, die die Sache nicht an den Bundestag zu bringen, sondern sofort zu erledigen, so rege er an, die weitere Arbeit in dieser Frage dem Literarischen Sachverständigen-Verein zu überlassen, der sich mittlerweile ohnehin mit dem neuen Verlagsrecht zu befassen habe. Es hat 13  Eine der längeren Passagen schließt sich unmittelbar an das oben schon zitierte „Beispiel“ an; sie lautet: „Dergleichen Beispiele lassen sich sehr viele anführen. Daß aber die nicht zu vermeidende mündliche Propolation von Geheimnissen und vertraulichen Mittheilungen dieselben Nachtheile habe wie der Abdruck von Briefen, läßt sich meines Erachtens nicht behaupten; eine mündliche Erzählung wird vergessen, das durch Schrift verfestete Wort bleibt stehen und wirkt noch nach Jahren nachtheilig fort!“.

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den Anschein, als habe Mühler dem Sachverständigen-Verein größere Kompetenz zugeschrieben als der alten Ministerialkommission. Während Eichhorn sich lediglich zum weiteren Vorgehen geäußert hatte, ging von Rochow, der Innenminister, in seinem an das Außenministerium und den Justizminister für die Revision der Gesetzgebung, von Kamptz, gerichteten Votum vom 25.  Mai auf die Sache selbst ein. Er trennte deutlich zwischen zwei anstehenden Fragen: zu einen gehe es um die erste Veröffentlichung von Briefen, zum anderen um die urheberrechtliche Einschätzung. Zum ersten Bereich heißt es: „Die indiscrete und unbefugte Veröffentlichung von Privatbriefen durch den Druck läßt sich dem Begriffe des Nachdrucks nur selten unterordnen, indem ein Privatbrief nicht zum Druck bestimmt zu sein pflegt und dem Gesichtspunkt eines litterärischen Eigenthums fast immer entzieht: der Grundsatz unseres NachdruckGesetzes, daß der Abdruck eines Manuscripts nur mit Einwilligung des Autors geschehen dürfe, ist mithin auch, wie ich nach wiederholter Erwägung einräumen muß, nicht anwendbar auf Briefe, bei denen das Eigenthümliche stattfindet, daß weder der Empfänger – der sonst in allen Beziehungen über das Scriptum disponirt – noch der Autor den Inhalt durch den Druck vervielfältigen darf, wenn der Brief nicht seine eigenen Angelegenheiten betrifft. Durch Gesetze gegen den Nachdruck wird deshalb der indiscreten Veröffentlichung von Privatbriefen nicht begegnet werden können, weit eher wird dies durch eine zweckmäßige Handhabung der Censur geschehen, weshalb ich mich auch von der schon ausgesprochenen Ansicht nicht trennen kann, daß durch ein legislatives Einschreiten auf dem von Herrn Justizminister Mühler proponirten Wege wenig für den eigentlichen Zweck gewonnen werden kann.“

Zur zweiten Frage meinte er: Indeß verkenne ich nicht, daß insofern die Herausgabe von Privatbriefen ein Gegenstand des buchhändlerischen Verkehrs ist, auch ein litterarisches Eigenthum daran stattfindet, und mithin ein Mißbrauch desselben, also ein Nachdruck davon möglich ist. Nur ist augenscheinlich dieses litterarische Eigenthum ganz anders qualifizirt als das an einem gewöhnlichen zum Druck von vornherein bestimmte Manuscript, und deshalb ist es wünschenswerth, daß der leitende Grundsatz in dieser Hinsicht im Wege der Gesetzgebung bestimmt werde.“

In diesem Punkt schloß sich von Rochow dem Vorschlag Mühlers an, den Literarischen Sachverständigen-Verein und „demnächst“ die Kommission, die über das Gesetz von 1837 beraten hatte, zu Gutachten aufzufordern. Der Außenminister antwortete am 8. Juni 1841. Er war mit den Vorschlägen zum weiteren Vorgehen im wesentlichen einverstanden, insbesondere damit, daß man vor einer Initiative beim Deutschen Bund die eigene Gesetzgebung ergänzen und dazu ein Gutachten des Literarischen Sachverständigen-Vereins einholen und danach die für das Gesetz von 1837 gebildete Kommission beraten lassen wollte.



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In der Sache selbst stimmte er den Vorschlägen nur zum Teil zu. So befürwortete er den Vorschlag, an § 3 des Gesetzes von 1837 anzuknüpfen. In dem „schon der allgemeine Grundsatz ausgesprochen ist, daß der Genehmigung des Autors, welche auch für die Publikation von Briefen in allen Fällen erforderlich sein wird, selbst der rechtmäßige Besitzes eines Manuskriptes bedarf, wenn er dasselbe abdrucken lassen will. Es kommt also jetzt nur noch darauf an, auch die Rechte feststellen, welche dem Empfänger von Briefen hinsichtlich deren Veröffentlichung einzuräumen sein dürften.“

Bedenken hatte er freilich gegen die Ansicht des Innenministers, „daß durch Gesetze gegen den Nachdruck der indiscreten Veröffentlichung von Privatbriefen nicht begegnet werden könne, … daß vielmehr dies weit eher durch eine zweckmäßige Handhabung der Censur geschehe“.

Der Außenminister hielt dagegen, die Bestimmungen des noch geltenden Zensuredikts vom 18.  Oktober 1819, würden den Zensoren keine Befugnis geben, „zu prüfen und zu entscheiden, ob der Herausgeber einer Schrift für seine Person und im Verhältnisse zu einem Dritten berechtigt sei, zur Herausgabe dieser Schrift zu schreiten. Ein Bedenken hinsichtlich der ausschließlichen Autor- und Verlagsrechte dessen, welcher eine Schrift herausgeben will, würde nach der erwähnten Bestimmung dem Censor nicht als Motiv dienen können, das Imprimatur zu versagen, bis das Recht zur Herausgabe vollständiger nachgewiesen sei. Selbst wenn man diese Befugnis dem Censor beimessen könnte, würde durch des Letzteren Einwirkung die Veröffentlichung von Briefen des Briefstellers, welche dem Briefempfänger unwillkommen wäre, nicht verhindert werden können, da die zur Zeit bestehende Gesetzgebung dem Briefempfänger wenigstens keine, das Autorrecht der Briefsteller beschränkende Befugnis ausdrücklich verliehen ist“.

Dieser Sicht der Dinge trat am 24.  Juni 1841 von Kamptz, der Justizminister für Gesetzgebung, mit einem umfangreichen Votum entgegen: „Nach meiner Ansicht ist die unbefugte Veröffentlichung von Briefen eine Thatsache, der nur im Wege der Zensur entgegen getreten werden kann und stimme ich daher dem Herrn Minister des Innern und der Polizei vollkommen bei. Ich vermag nicht einzusehen, in welcher Beziehung die Schlechtigkeit, Gemeinsucht und Indiscretion, einen erhaltenen Brief durch den Abdruck zu veröffentlichen, die Gesetzgebung über den Druck wissenschaftlicher Schriften berühren könnte. Das Gesetz vom 11.  Juni 1837 §  3 erwähnt zwar die ungedruckten Manuscripte, Kanzel- und Lehr-Vorträge; allein der vorliegende Fall gehört nicht allein überall nicht in diese, sondern in die entgegengesetzte Kathegorie und folgt vielmehr aus dieser Analogie, daß die Gesetzgebung den Briefsteller eben sowohl vor dem Abdruck seines Briefes, wie den Kanzelredner vor dem Abdruck seiner Kanzelrede schützen müsse. Der Fall des Briefes ist noch weit schwerer, wie der der Kanzelrede, da jener im Vertrauen geschrieben und für die öffentliche Kunde weder berechnet, noch bestimmt ist; die Kanzelrede dagegen in dieser Beziehung öffentlich gesprochen ist, und daher deren Abdruck dem Verfasser höchstens einen Gewinn entziehen, die Veröffentlichung des Briefes aber dem Briefsteller sonst unberechenbarsten Nachtheile zuziehen kann. Es

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giebt keinen Grund, aus welchem der Abdruck eines Briefes von Seiten des Empfängers gerechtfertigt werden könnte; das geistige Eigenthum desselben gehört ihm nicht und der Brief ist nicht zum Behuf der Veröffentlichung an ihn geschrieben; der Abdruck des Briefes ist daher Missbrauch fremden Guts und fremden Vertrauens. Ueber den Satz selbst dürfte wohl auch schwerlich ein Zweifel aufkommen können, und noch weit weniger könnte es für nöthig gehalten werden, diesen Satz erst durch ein förmliches Gesetz vorgängig festzustellen. Es kommt lediglich darauf an, diesem Frevel vorzubeugen, welches m. E. am zweckmäßigsten durch die Allerhöchste Bestimmung geschehen kann: Da Niemandem gestattet sei, empfangene Briefe, ohne Unterschied des Inhalts, ohne Genehmigung des Briefstellers durch den Druck zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen; so sollen alle Censurbehörden und Censoren durch die vorgesetzten Ministerien angewiesen werden, den Abdruck solcher Briefe, ohne ausdrückliche glaubhafte Genehmigung der Briefstellers schlechthin nicht zu gestatten, und solle diese Verfügung durch die Gesetz-Sammlung amtlich bekannt gemacht werden. Es ist hier gar keine wissenschaftliche Beziehung vorhanden, wodurch der Briefabdruck auf irgend eine Art mit der Litteratur in irgend eine Kathegorie gesetzt werden könnte; dieser Fall passt in keines der über letztere erlassenen Gesetze. Existierte ein Gesetz, dass Niemand ein fremdes Manuscript ohne Genehmigung des Verfassers drucken lassen darf, so würde dieser Fall unter ein solches Gesetz gehören; man hat jene Handlung aber schon ohne alles Gesetz für unerlaubt zu halten. Alle Rücksichten, welche ein Gutachten der Kommission veranlassen könnten, würden schriftstellerische und litterarische sein, welche hier aber überall nicht eintreten können. Selbst bei Korrespondenzen über wissenschaftliche Gegenstände kann ich dies ohne Genehmigung des Briefstellers nicht zugeben; bei solchen Korrespondenzen kann dies vollends nicht zulässig sein, weil hier ein Geisteseigenthum im Spiele ist, welches der Empfänger dem Briefsteller entzieht. Es kann der Wille und die Absicht des letztern, wenn er sie nicht ausgesprochen hat, um so weniger vermuthet werden, als er, hätte er diese Absicht, den Brief, oder einen den Inhalt desselben enthaltenden Aufsatz würde haben drucken lassen, oder dem Adressaten die Erlaubnis zur Veröffentlichung ertheilt haben würde.“

Durch dieses Votum sah sich das Außenministerium zu einer abschließenden Stellungnahme herausgefordert. In seinem Schreiben vom 8. Juli 1841 teilte es den drei übrigen mit der Sache befassten Ministerkollegen (Inneres, Justiz und Kultus) folgendes mit: „Die Veröffentlichung von Privatbriefen durch den Druck in Form eines besonderen, für sich bestehenden Werkes ist in neuerer Zeit häufig vorgekommen; auch abgesehen davon, ob dergleichen Briefwechsel wissenschaftliche oder andere Gegenstände behandeln, werden dieselben, sobald sie in dieser Form publicirt werden, doch immer als ein litterarisches Produkt zu betrachten sein, bei welchem es auf Entscheidung der Frage ankommt, wer als Autor und damit als Subject der in § 3.5.b. des Gesetzes vom 11. Juni 1837 bezeichneten Rechte anzusehen ist. In so weit wird deshalb nicht in Abrede gestellt werden können, daß die Publication von Briefen wirklich in einer sehr nahen Beziehung zu der Gesetzgebung über den



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Schutz des Eigenthums an Werken der Wissenschaft steht, wie solche in dem Gesetze vom 11.  Juni 1837 vorliegt.“

Zur Einschaltung der Zensur meinte der Minister, diese Forderung scheine von der „durch die vorangegangenen Vota nicht begründeten Voraussetzung geleitet worden zu seyn, daß man den Empfänger des Briefes als denjenigen betrachte, dem das Publicationsrecht an sich beizumessen sey; deshalb geht auch der Vorschlag in dem Votum vom 24. v. Mts. dahin, das Imprimatur jedenfalls so lange versagen zu lassen, bis die Genehmigung des Briefstellers für die Publication nachzuweisen sey. Gleichwohl hat sich die Meinung der Ministerien, die bisher votiert haben, für das umgekehrte Prinzip ausgesprochen, daß nämlich an sich der Briefsteller als Subject des Autorrechtes zu betrachten, und daß dies Autorrecht in Berücksichtigung des dabei mitconcurrirenden Interesses des Briefempfängers zugunsten des letzteren in gewisser Art zu beschränken sey.“

Im übrigen wird auf die Inkompetenz der Censurbehörden hingewiesen, eine Ansicht, die auch der Justizminister teile, weil er eine „allerhöchste Bestimmung“ verlange. Der Außenminister plädierte im übrigen dafür, die bestehende Lücke in der Gesetzgebung zum Autorrecht zu füllen. Unter Hinweis auf sein Votum vom 8.  Juni stellte der Minister sodann seinen Kollegen das weitere Vorgehen anheim. Mit diesem Verfahren erklärten auch die anderen Minister einverstanden, zuletzt auch der Justizminister Mühler am 18.  August 1841. Er ließ dabei die Kollegen wissen, daß er die Ansicht des Ministers von Kamptz über die notwendige Einschaltung der Zensurbehörde nicht teilte. Nun war der Kultusminister an der Reihe: am 1. September 1841 erging eine entsprechende Anfrage an den Literarischen Sachverständigen-Verein. Seine Mitglieder sollten „zuvörderst“ über die Frage beraten, „ob die unbefugte Veröffentlichung von Briefen … an die Gesetzgebung über das Verlagsrecht und den unerlaubten Nachdruck angeschlossen werden kann, oder ob dieselbe als eine selbstständige unerlaubte Handlung aufzufassen sein wird.“

Sodann sollte, je nach dem, welcher der „beiden Auffassungsweisen“ man den Vorzug gebe, über die „zu gewährenden Schutzmittel“ nachgedacht werden. Am 20.  Januar 1842 konnte Eichhorn über die mageren Ergebnisse berichten, die am 15.  Dezember des Vorjahres in der 40.  Sitzung des Vereins erzielt worden waren.14 Die in einem Protokoll festgehaltene Diskussion verlief „so kontrovers wie ergebnislos“.15 14  Die einzelnen Voten der sechs Mitglieder, das Protokoll über die 40. Sitzung, der Bericht des Vorsitzenden Hitzig und das Votum des Kultusministers sind u. a. überliefert in: GStA PK, HA I. Rep. 76. V e, Sekt.  1, Abt.  15, Nr. 40, Bd.  4. 15  So Nomine, Sachverständigen-Verein (Anm.  7) S.  316, der (S.  316–318) eine zusammenfassende Beschreibung des Geschehen bietet.

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Diese Situation hatte sich schon vor der Beratung des Plenums, das aus sieben Mitgliedern bestand, abgezeichnet. Jedes Mitglied hatte ein eigenes Votum vorgelegt; einer der Gutachter hat seine Meinung in einem späteren zweiten „Separatvotum“ noch einmal revidiert. Schon diese Stellungnahmen widersprachen sich in grundlegenden Fragen, sowie in vielen Details. Die Voten der Vereinsmitglieder sind in der Regel ausführlich begründet. Im Protokoll der Sitzung sind sie nur verkürzt wiedergegeben; gleichwohl wird auch die Vielfältigkeit der Argumente einigermaßen deutlich. An dieser Stelle kann die Komplexität der Vorträge nicht umfassend beschrieben werden; es dürfte genügen, die Ergebnisse der Sitzung in Anlehnung an das Protokoll zu skizzieren und im Anschluß daran einige der besonders bemerkenswerten Überlegungen in einigen Voten vorzustellen. Die grundlegende Frage, ob ein besonderes Gesetz erforderlich sei, wurde in der Aussprache von zwei Gutachtern 16 verneint. Froriep meinte für ein solches Gesetz gebe es kein Bedürfnis; es wäre überdies für die Literatur schädlich und würde seinen Zweck verfehlen. Parthey war der Ansicht, §  3 des Gesetzes vom 11.  Juni 1837 biete schon jetzt „vollständigen Schutz“; eine „Berücksichtigung des Interesses des Briefempfängers“ würde überdies „zu erheblichen Inconvenienzen führen“. Die übrigen fünf Votanten plädierten für den „Erlaß einer gesetzlichen Bestimmung, wodurch die Grundsätze über die Veröffentlichung von Privatbriefen geregelt“ würden. Wenig Übereinstimmung gab es allerdings hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieser Regeln. Drei Gutachter wollten auch das Interesse des Briefempfängers berücksichtigt sehen, allerdings in recht unterschiedlicher Weise. Hinschius wollte die Notwendigkeit der Zustimmung davon anhängig abhängig machen, ob die Briefe nur die Verhältnisse des Briefstellers oder auch jene des Briefempfängers betreffen. Heyse hingegen differenzierte stärker: die Zustimmung beider Correspondenten sei erforderlich, solange sie noch lebten; allerdings sollten Strafen für die durch eine Veröffentlichung verübten Injurien oder sonstige Delikte vorbehalten bleiben. Dritte, die Briefe zu Lebzeiten von Schreiber und Empfänger ohne deren Zustimmung veröffentlichen, sollten als Verletzer der Autorrechte gelten. Zwei Gutachter meinten, daß auf die Interessen des Briefempfängers grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen sei. Duncker befürwortete darüber hinaus eine entsprechende „authentische Deklaration des Gesetzes“; Hitzig hingegen wollte eine gerichtliche Untersuchung vom Antrag des Verletzten 16  Näheres zu den votierenden Mitglieder bei: Nomine, Sachverständigen-Verein (Anm.  7), S.  177  ff.



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abhängig machen und überdies bei einem Widerspruch des Briefempfängers gegen die Publikation der an ihn gerichteten Briefe dem Richter die Entscheidung überlassen. Ein weiterer Aspekt wurde ebenfalls unterschiedlich bewertet. Auf die Frage, ob die neue Verordnung zur Veröffentlichung von Briefen an die Gesetzgebung über das Verlagsrecht und den unerlaubten Nachdruck angeschlossen werden sollte oder als eine selbständige unerlaubte Handlung aufzufassen sei, sprachen sich vier Votanten für die erste Alternative aus; Hitzig meinte, daß es um „ein Strafgesetz gegen eine selbständige unerlaubte Handlung“ gehe, gegen die man nicht mit Präventivmaßregeln, etwa der Zensur, sondern durch Strafandrohungen vorgehen sollte. Froriep hingegen war der Ansicht, daß das „nach seiner Ansicht nicht erforderliche, der Literatur schädliche und seinen Zweck verfehlende, deshalb aber auch nicht zu erlassende Gesetz eventuell als Theil der Censurgesetze betrachtet werden müßte“. In der anschließenden Aussprache wurde Bereitschaft zu einigen Kompromissen bekundet; eine einheitliche Vorlage kam indes nicht zustande. Die einzelnen Voten enthalten viele berichtenswerte Gedanken und Formulierungen. Vor allem wird deutlich, daß auch – modern formuliert – persönlichkeitsrechtliche Aspekte angesprochen worden sind; sie wurden freilich nicht immer deutlich genug dem Rechtsbereich des Autors oder dem allgemeinen Rechtsschutz jeder Person zugeordnet. In seinem Bericht vom 20. Januar 1842 ging der Kultusminister nicht nur auf die Diskussion im Sachverständigen-Verein ein, er präsentierte zugleich seine eigenen Vorstellungen zur Sache: „Bei der großen Divergenz der darin niedergelegten Ansichten, wird es bei der Ergreifung legislativer Maaßregeln einer besonders vorsichtigen Abwägung des Bedürfnisses und der rechtlichen Grundlagen, auf welche diese Bestimmungen zurückzuführen sind, bedürfen. Meines ganz ergebensten Dafürhaltens dürften folgende Gesichtspunkte als die leitenden anzusehen sein: 1. Was das Interesse des Briefschreibers anbetrifft, so steht derselbe unzweifelhaft in dem Verhältnisse eines Autors des Briefes, und genießt aller der Rechte, welche der §  3 des Gesetzes vom 11. Juny 1837 dem Autor jedes Manuscripts beilegt. Die Mitteilung des Briefmanuscripts an den Briefempfänger enthält noch keine Autorisation zur weiteren Veröffentlichung durch den Druck. Der Abdruck eines Privatbriefes wird daher in allen Fällen der Genehmigung des Autors oder seiner Erben bedürfen, und dürfte es zweckmäßig sein, bei der Revision des Gesetzes vom 11. Juny 1837 dem Briefe, als zu den in §  3 bezeichneten Manuscripten mitgehörig, besonders zu erwähnen. Der allgemeine Schutz des Gesetzes gegen den Nachdruck genügt zur Sicherstellung des Rechts des Briefschreibers.

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Frühe Bemühungen um den Rechtsschutz privater Briefe Zu erwägen wird dabei sein, ob die den Erben des Briefschreibers zukommende, dreißigjährige Schutzfrist zu beschränken, und etwa auf zehn Jahre herabzusetzen sein müßte? Es ist dies im Interesse der Literatur beantragt worden. Indessen scheint mir das Interesse, welches das Publikum an der Veröffentlichung von Privatbriefen bedeutender Männer hat, nicht in dem Grade überwiegend zu sein, um eine Ausnahme von der Consequenz des Gesetzes nothwendig zu bedingen.

2. Was die Interessen des Briefempfängers anlangt, so läßt sich die Beeinträchtigung, welche in der Veröffentlichung eines an Jemanden gerichteten Privatbriefes möglicherweise liegen kann, nicht wohl an die Gesetzgebung über den Nachdruck anschließen. Der Briefempfänger kann nicht als Mitautor des an ihn gerichteten Briefes angesehen werden. Es würde den rechtlichen Gesichtspunkt verrücken, wenn man die Genehmigung des Briefempfängers in allen Fällen fordern, und bei deren Ermangelung die Vorschriften und Strafen für den unerlaubten Nachdruck zu Anwendung bringen wollte. Eine Rechtsverletzung des Briefempfängers ist nicht absolut in der Veröffentlichung des an ihn gerichteten Briefes enthalten, sondern nur dann, wenn derselbe Verhältnisse und Ansichten desselben aufdeckt, welche zur öffentlichen Kenntnißnahme nicht bestimmt sind. Die Rechtsverletzung besteht in diesem Falle nicht in der Verletzung der Mitautorenrechte des Briefempfängers, sondern in der Verletzung seiner ganzen Persönlichkeit und kann nach Umständen unter den strafrechtlichen Begriff der Injurie fallen. Eine Kränkung des einen Mitcorrespondenten liegt nicht bloß darin, wenn der andere Correspondent die in der Correspondenz ihm mitgetheilten Geheimnisse durch den Druck seiner Rückbriefe enthält, sondern auch schon darin, wenn letzterer von den ihm mündlich zugegangenen Nachrichten einen indiscreten Gebrauch macht. Inwieweit ein solche Benehmen für strafbar zu erachten ist, und dem Verletzten einen Anspruch auf Genugthuung gewähren kann, wird nicht hier, sondern im allgemeinen Strafrechte, allenfalls bei den Bestimmungen über Injurie, zu erörtern und festzusetzen sein, und erlaube ich mir, darauf anzutragen, die nähere Berathung über diesen Gegenstand, bei den Verhandlungen über das Strafgesetzbuch in Anregung zu bringen.“

In den folgenden Monaten trafen die entsprechenden Antworten ein. Auch von ihnen hier kann nur das Wichtigste vorgestellt werden. Von Kamptz, der Justizminister für Gesetzgebung, beharrte in seiner Stellungnahme vom 14.  Februar 1842 auf seiner Position, wonach „der unbefugten Veröffentlichung von Privatbriefen nur auf dem Wege der Censur entgegen getreten werden könne“. Dabei sei „nicht die Absicht, daß im Interesse der Betheiligten von dem Inhalte der zu druckenden Briefe Kenntniß genommen werden solle, – denn eine solche Kenntnißnahme findet überhaupt nur im öffentlichen Interesse statt, – sondern es ist die Erlaubniß zum Druck (das Imprimatur) von der beizubringenden Zustimmung des Briefschreibers und des Briefempfängers anhängig zu machen.“



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Zu §  3 des Gesetzes von 1837 hält der Minister fest, daß der Ausdruck „Manuscripte“ nicht nur solche Schriften erfassen sollte, welche zur Veröffentlichung bestimmt seien; aus der Entstehungsgeschichte, namentlich den Verhandlungen im Staatsrat ergebe sich deutlich, daß es darum ging, „Schriften, deren Bekanntmachung der Urheber nicht wolle, von den Druckschriften“ zu unterscheiden und dazu habe man damals auch die Briefe gezählt. Er selbst sei freilich der Meinung gewesen, daß man das Gesetz auf dieser Basis erlassen könne“; er „habe vielmehr, wie die Akten ausweisen, bis zu Ende widersprochen“ und sei auch jetzt noch dieser Meinung. Man müsse „ausdrücklich Briefe als solche ansprechen und nicht als Handschriften bezeichnen, denn nicht die Handschrift, sondern die beabsichtigte briefliche Mitteilung ist das Entscheidende“. Eine bessere Lösung könne so aussehen: „1.  Briefe werden nicht zum öffentlichen Druck und für den Buchhandel geschrieben; sie sich Privatmittheilungen, gewöhnlich vertrauliche. Weder der Empfänger noch der Schreiber können sie einseitig abdrucken lassen, tertii nicht ohne Genehmigung beider; wer sie dennoch abdrucken lasse, handelt nicht bloß rechtlos, sondern schändlich und verdient Strafe. 2.  Das Recht, Briefe drucken zu lassen, kann durch keine Verjährung erworben werden, so wenig, wie das Widerspruchsrecht des Absenders oder Empfängers durch Verjährung verloren gehen kann. 3.  Es ist daher zur Erledigung des Bedenkens darüber ein Verbots- und Strafgesetz erforderlich. 4.  Um dieses Gesetz aufrecht zu halten und das Publikum zu sichern, ist m. E. die Censur erforderlich und sie anzuweisen, Briefen ohne den Consens beider Theile nicht das imprimatur zu ertheilen. 5.  Welchem Gesetz diese Anordnungen anzuschließen, oder ob es als eigene Bestimmung zu erlassen sei, ist m. E. gleichbedeutend. Es kommt nur darauf an, dem Unfug baldigst vorzubeugen, da aus der Veröffentlichung von Privatbriefen die unangenehmsten Verhältnisse, Zwistigkeiten, Unfriede etc. entstehen können und die Zügel um so strenger gehalten werden müssen, als hierbei ein wissenschaft­ liches Interesse gar nicht obwaltet und die Handlung an sich eine schlechte ist.“

Am 4.  März 1842 nahm auch Justizminister Mühler noch einmal Stellung. Er wiederholte seine Ansicht, daß dem Autor nach dem Gesetz von 1837 ein ausschließliches Recht schon an den durch den Druck „veröffentlichten Werken seiner Feder zusteht, so kommt es ihm auch an noch nicht veröffentlichten zu, namentlich an Manuscripten, selbst an Lehr-Vorträgen. Eine Kontravention dagegen ist zwar kein Nachdruck, aber dem Nachdruck gleich zu achten.“

Dies sollte auf legislativem Wege sicher gestellt werden; möglichen „Kränkungen“ im Sinne von Eingriffen in „Privat-Geheimnisse, FamilienVerhältnisse, vertrauliche Ansichten“ sollten bei der Veröffentlichung von Privatbriefen mit Hilfe der „Zensur-Behörde“ begegnet werden.

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Mühlers Vorschlag fand am 30. April die Zustimmung des Innenministers von Rochow. Der Außenminister hingegen hatte Einwendungen. In seiner Stellungnahme vom 18. Mai 1842 verweist er vor allem auf die widersprüchlichen Aussagen zur Frage, ob gesetzliche Bestimmungen erforderlich seien, und gegebenenfalls auf welcher Basis diese entwickelt werden sollten. Bei diesem Resultat der Beratungen des Sachverständigen-Vereins halte er es nicht für angemessen eine Kommission der beteiligten Ministerien zusammentreten zu lassen. Er befürwortete, „vor der Hand die beabsichtigten weiteren Bestimmungen auf sich beruhen zu lassen und dafür einen Zeitpunkt abzuwarten, wo entweder die bestehende Gesetzgebung erfahrungsgemäß sich als unzureichend, oder als dem Interesse des Be­ theiligten zuwiderlaufend gezeigt werde.“

Ein weiteres Votum steuerte von Savigny, der neue Justizminister für die Revision der Gesetzgebung, bei. Er sprach sich in seinem Votum vom 28. August 1842 gegen den Einsatz der Zensur aus; er hielt die Strafgesetzgebung für den besseren Weg. Dabei sei aber zu beachten, daß das Gesetz von 1837 – wie sich aus den Protokollen der Verhandlungen der StaatsratsVerhandlungen ergebe – unter den „Manuscripten aller Art“ auch die Briefe einbezogen habe. Dann heißt es weiter: „Die bisherigen Bedenken sind auch nicht gegen diesen dem Briefsteller zu gewährenden Schutz gerichtet, sondern sie betreffen wesentlich die andere Frage, ob nicht auch im Interesse des Empfängers des Briefs ein Schutzmittel gegen den von ihm nicht genehmigten Abdruck zu geben sei.“

Allerdings sei nicht zu übersehen, daß „Kränkungen“ für den Empfänger möglich seien; soweit „eine nach den allgemeinen Strafgesetzen zu ahndende Handlung, insbesondere eine Injurie“ vorliege, sei das schon vorhandene Strafrecht anzuwenden. Soweit eine solche Kränkung vom Strafrecht nicht erfaßt werden könne, sei der Briefempfänger durch besondere Strafvorschriften nicht zu schützen. Am 1.  Oktober 1842 antwortete das Kultusministerium auf das Votum von Savignys, es könnten „zur Zeit noch keine ausreichenden gesetzlichen Vorkehrungen getroffen werden“; dann heißt es weiter: „Was den Schutz der Rechte des Briefträgers anbetrifft, so erkennen Ew. Excellenz nach den votis der übrigen Geheimen Staats-Minister an, daß für denselben ein in allen Fällen ausreichendes Schutzmittel in der bestehenden Gesetzgebung nicht wohl ausfindig gemacht werden kann, daß wenigstens die Hülfe der Censur und die gesetzlichen Kategorien des unerlaubten Nachdrucks hierfür keine Anwendung findet, und daß die dem Briefempfänger zugefügte Verletzung meist in das Gebiet des Indiscretion und Unschicklichkeit, höchstens in das einer Injurie gehören wird. Zu Gunsten des Briefstellers selbst scheint schon die ganz allgemeine, auf den Abdruck    ‚von Manuscripten aller Art‘



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gerichtete Verbotsbestimmung des Gesetzes vom 11.  Juni 1837 §  3 eine genügende Vorkehrung zu treffen, wenigstens liegen noch keine speziellen Erfahrungen vor, daß die Gerichte dieses Verbot auf eine den Briefschreibern ungünstige Weise ausgelegt hätten. Kann ich gleich Euerer Excellenz darin nur beitreten, daß die Auslegung dieses §  nicht unzweifelhaft, und daß eine abweichende Interpretation desselben durch die Gerichtshöfe in Zukunft nicht unmöglich ist, so muß ich doch andererseits das Bedenken des Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten theilen, daß durch eine isolierte Declaration der §  3 zu Gunsten der Briefsteller die Meinung hervorgerufen würde, als stehe dem Briefempfänger in keiner Weise ein Widerspruch gegen die Veröffentlichung zu, und daß als dann der indiscrete Briefsteller umso weniger Anstand nehmen würde, gegen die Briefempfänger die Grenzen des Anstands und der Schicklichkeit zu überschreiten. Aus diesen Gründen, und da ein allen Interessen vollständig genügender Vorschlag zur Zeit nicht hat ausfindig gemacht werden können, bin der ganz ergebensten Ansicht, die weitere Erfahrung abzuwarten, und für jetzt die Sache auf sich beruhen zu lassen.“

Dieses Scheiben wurde am gleichen Tag auch dem Außenminister mitgeteilt. III. Damit war die weitere Diskussion auf unbestimmte Zeit vertagt. Andere Probleme im Bereich des Urheberrechts waren für die Berliner Ministerien aktueller und wohl auch wichtiger. Nahezu gleichzeitig setzte man sich mit der Frage auseinander, ob in Preußen angesichts des gesetzlichen Schutzes gegen den Nachdruck weiterhin Schutzprivilegien erteilt werden sollten.17 Gleiches gilt für das Projekt eines Gesetzes über den Verlagsvertrag.18 Mit diesem Projekt sollte das Ansinnen, genauere Regeln für die älteren, vor dem Gesetz vom 11.  Juni 17  Vgl. dazu: Elmar Wadle, Der langsame Abschied vom Privileg. Das Beispiel des Urheberrechts, in: Barbara Dölemeyer / Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich (Ius Commune Sonderheft. Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 3), Frankfurt a. M. 1996, S.  377–399, auch in: ders. Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte Bd.  II, München 2003, S.  101–116, hier S.  11  ff.; ders., Gesetzlichkeit im vorkonstitutionellen Preußen. Zwei Fallbeispiele aus der Praxis nach 1815, in: Klaus Grupp / Ulrich Hufeld (Hg.), Recht – Kultur – Finanzen. Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70.  Geburtstag am 26.  Oktober 2005, Heidelberg 2005, S.  653–672, hier S.  660  ff.; auch in diesem Band, S.  181  ff. 18  Dazu jetzt: Rainer Nomine, Der Entwurf eines preußischen Gesetzes über den Verlagsvertrag (1836–1846). Ein gescheiterter Versuch zur Neuregelung der vertraglichen Stellung von Urhebern, in: UFITA 2003 II S.  365–397.

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1837 entstandenen Verlagsrechte zu schaffen, verbunden werden.19 Auch die Verbesserung des Rechtsschutzes für Werke der bildenden Kunst stand zur Diskussion.20 Außerdem waren die Probleme um das Aufführungsrecht durch einen Vorstoß Bayerns in der Bundesversammlung wieder aktuell geworden21. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch noch auf die Debatte um die gerichtliche Auseinandersetzung im Fall Schelling / Paulus hinzuweisen22 Es kommt hinzu, daß die unruhigen Zeiten der Jahre 1848 / 49 trotz der positiven Ansätze in der Paulskirchenverfassung bis in die fünfziger Jahre nachwirkten. Für die Berliner Ministerien gab es mithin im Bereich des Urheberrechts noch viel zu tun. Die Probleme um das Recht der Briefe wurden vertagt, da man erkannt hatte, daß die Diskussion um die Privatbriefe weit über das Urheberrecht hinausreichte. Man wollte es im Berlin der vierziger Jahre bei den allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts belassen. Überdies mußte das Recht des Autors präziser bestimmt sein, um zusätzlich angemessene Schutzmöglichkeiten entwickeln zu können. Erst in den Jahrzehnten nach der Gründung des Deutschen Reiches wurde das Recht an Briefen wieder ernsthaft aufgegriffen. Die Gesetzgebung in den Anfangsjahren, namentlich jene zum Urheberrecht, gab hinreichend Anlaß, die überkommenen Vorstellungen von „Nachdruck“ und „Geistigem Eigentum“ in Frage zu stellen und neue Begriffe wie „Immaterialgüterrecht“ und „Persönlichkeitsrecht“ zu entwickeln.23 19  Die Vorgeschichte der Verordnung vom 5. Juli 1844 (Preußische Gesetzsammlung S.  261) ist eng mit der Problematik der Privilegienerteilung verbunden; dazu auch: Elmar Wadle, Jacob Grimms Kritik an der Privilegierung der Werke Schillers, in: Heike Jung (Hg.), Das Recht und die schönen Künste. Heinz Müller-Dietz zum 65.Geburtstag, Baden-Baden 1998, S.  31–43, auch in: ders., Geistiges Eigentum II (Anm.  17), S.  154–164, hier: S.  162. 20  Elmar Wadle, Sonderrecht für Werke der bildenden Kunst? Ein preußisches Reformprojekt von 1842, in: Gerhard Köbler / Hermann Nehlsen (Hg.), Wirkungen europäischer Rechtskultur. Festschrift für Karl Kroeschell zum 70. Geburtstag, München 1997, auch in: ders., Geistiges Eigentum II (Anm.  17), S.  295–306. 21  Elmar Wadle, Die Anfänge des Aufführungsrechts in Preußen und im Deutschen Bund, in: Günter Hönn / Horst Konzen / Peter Kreutz (Hg.), Festschrift für Alfons Kraft zum 70. Geburtstag, Neuwied 1998, S. 645–664; auch in: ders., Geistiges Eigentum II (Anm. 17) S.  277–294. 22  Eingehender dazu: Manfred Rehbinder, Kein Urheberrecht ohne Gesetzesrecht. Zum Urheberschutz um die Mitte des 19.  Jahrhunderts, in: Robert Dittrich (Hg.), Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es? Wurzeln, geschichtlicher Ursprung, geistesgeschichtlicher Hintergrund und Zukunft des Urheberrechts (ÖSGRUM Bd.  7), Wien 1988, S.  99–116, bes. S.  104  ff. 23  Dazu möge ein Hinweis auf die in Anm.  2–4 genannte Literatur genügen.



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Mit Hilfe der Kategorie „allgemeines Persönlichkeitsrecht“ gelang es schließlich Rechtswissenschaft und Spruchpraxis ein Instrument zu schaffen, das den am Briefverkehr beteiligten Personen einen hinreichenden Rechtsschutz gewährte.24

24  Aus der reichen jüngeren Literatur seien hier nur genannt: Dieter Leuze, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert. Zugleich ein Beitrag zum Verhältnis allgem. Persönlichkeitsrecht – Rechtsfähigkeit (Schriften zum deutschen und europäischen Zivil-, Handels- und Prozeßrecht Bd.  19), Bielefeld 1862; Jürgen Simon, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerbliche Erscheinungsformen. Ein Entwicklungsprozeß (Freiburger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen NF Bd.  3), Berlin 1981; Katrin Kastl, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Der Prozeß seiner Anerkennung als „sonstiges Rechts im Sinne des §  823 Abs. 1 BGB (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Bd.  92), Ebelsbach 2004.

Die preußische Politik und Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes*

1

Als Goethe die Ausgabe „letzter Hand“ seiner Werke plante, steckte der gesetzliche Schutz gegen den Nachdruck in den Staaten des Deutschen Bundes noch in den Anfängen. Der Dichter hoffte, durch ein Privilegiengesuch an die Deutsche Bundesversammlung in Frankfurt a. M. schnell und kostengünstig einen ganz Deutschland umfassenden Schutz zu erhalten, der ihm bei den Verhandlungen mit dem Verleger nützlich sein würde. Goethe kam auch ans Ziel, allerdings auf andere Weise, als er es geplant hatte. Die Gründe dafür sind in der Struktur des Deutschen Bundes, aber auch in der Politik zu suchen. I. Goethes Werkausgabe „letzter Hand“ und das deutsche Urheberrecht Kaum eine Darstellung zur Geschichte des Urheberrechts in Deutschland – und sei sie noch so knapp – versäumt es, auf das an die Bundesversammlung gerichtete Gesuch einzugehen, das Goethes Werkausgabe „letzter Hand“ gegen den Nachdruck schützen sollte. Die durch diese Eingabe ausgelöste Diskussion und ihr Ergebnis werden unterschiedlich bewertet; den einen gelten sie eher als Beleg für die unbefriedigende Lage des Autorschutzes um das Jahr 1825, den anderen eher als Beweis der außerordentlichen Hochschätzung des „Dichterfürsten“. Einhelligkeit scheint zu bestehen, wenn es darum geht, den positiven Beitrag der Repräsentanten Preußens herauszustreichen1. 2

*  Stark erweiterte und verbesserte Fassung des in der Neuen Juristischen Wochenschrift 52.  Jg. Heft 35 (30.  August 1999), S.  2545–2551 unter dem Titel „Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik“ veröffentlichten Beitrags zum Goethe-Jubiläum. In einem weiteren thematischen Zusammenhang hat der Autor das Thema nochmals aufgegriffen und ergänzt: Rechtsprobleme um Nachdruck und Geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: Karl Richter / Gerhard Sauder, Goethe: Ungewohnte Ansichten (Annales Universitatis Saraviensis Philosophische Fakultäten, Bd.  17), St.  Ingbert 2001, S.  345–386; auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S.  131–154. 1  Die Vorgänge um das Privilegiengesuch Goethes sind umfassend dargestellt und belegt bei Karl Theodor Gaedertz, Bei Goethe zu Gast, Leipzig 1900, bes. S.  313– 348 („Preußens Privilegium für Goethes Werke, seine Geschichte und Korrespondenz“); Joseph Prys, Das bayerische Nachdruckprivileg für Goethe, in: Zeitschrift

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Diese Einschätzung ist zwar nicht falsch, bedarf aber gewisser Korrekturen, denn eine erneute Durchsicht des Materials und vor allem dessen Kontext deuten darauf hin, daß sich der preußische Einsatz keineswegs darauf beschränkt hat, dem betagten Goethe einen wichtigen Gefallen zu tun. Die beteiligten Minister und Beamten Preußens wollten zugleich die zum Stillstand gekommene Debatte in der deutschen Bundesversammlung um den Autorschutz neu beleben (II.). Sie sahen allerdings bald ein, daß der Weg, den Goethe gehen wollte, nicht zum Ziel führen konnte, und mußten sich damit begnügen, daß sich die Bundesversammlung offiziell mit dem Gesuch befaßte und eine Empfehlung aussprach (III. u. IV.). Daß die Umsetzung dieser „Vereinbarung“ dann noch auf innerpreußische Hindernisse stieß (V.), beeinträchtigte den Erfolg nur wenig; nun herrschte mehr Klarheit über die Haltung der einzelnen Staaten und auf dieser Basis konnte Preußen eine neue Initiative starten (VI.). II. Zum Stand der Debatte im Jahre 1824 Im Februar 1819 legte eine Kommission den „Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ vor, der den Auftrag der Bundesakte (Artikel 18 d) zur „Abfassung gleichförmiger Verfügungen über … die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ erfüllen sollte2. Danach, insbesondere im Laufe des Jahres 1823, wurde im Plenum ebenso intensiv 3

für bayerische Landesgeschichte 5 (1932) S.  140–162; ders., Das königlich sächsische Nachdruckprivileg für Goethe, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 53 (1932) S.  112–126; ders., Das württembergische Nachdruckprivileg für Goethe, in: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 39 (1933) S.  136–160; Heinz Fröbe, Die Privilegierung der Ausgabe „letzter Hand“ Goethes sämtlicher Werke, Ein rechtsgeschichtlicher Beitrag zur Goetheforschung und zur Entwicklung des literarischen Urheberrechts, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 2 (1960) S.  187–229 (mit umfassenden Hinweisen auf die ältere Literatur); auch Siegfried Unseld, Goethe und seine Verleger, Frankfurt a. M. / Leipzig 1991 (bes. S.  524  ff.). Zur „Ausgabe letzter Hand“ eingehend Waltraut Hagen, Artikel „Werkausgaben“, in: Goethe – Handbuch, Stuttgart / Weimar 1998 Bd.  IV, 2, S.  1137–1147, bes. S.  1143  ff. Im übrigen vgl. etwa Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1945, Göttingen (jetzt: Baden-Baden) 1995, bes. S.  227  ff.; Elmar Wadle, Der langsame Abschied vom Privileg: das Beispiel des Urheberrechts, in: Barbara Dölemeyer /  Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Privileg im europäischen Vergleich Bd.  1, Frankfurt a. M. 1997, S.  377–399 auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S.  101–116; Heimo Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., Tübingen 2001, S. 53; Manfred Rehbinder, Urheberrecht, München 1998, S.  13. 2    Hierzu vgl. Gieseke, Vom Privileg (Fn.  1) S.  206  ff., und ausführlicher: ders., Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, in UFITA 138 (1999) S.  117–151 und Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter



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wie kontrovers über das Projekt diskutiert. Preußen, Sachsen und andere Staaten nahmen den Entwurf wohlwollend auf; Württemberg hingegen favorisierte hartnäckig das herkömmliche Privilegiensystem und selbst Bayern schwenkte auf diese Linie ein; Österreich schwieg sich ganz aus, nachdem Metternichs Vorschlag einer Art gesamtdeutscher Verlegerzunft keinen Anklang gefunden hatte. Spätestens im Sommer 1824 stand fest, daß kaum noch Aussicht bestand, das allseitige Einvernehmen, das Bundesakte und Wiener Schlußakte verlangten, zustande zu bringen. In dieser Phase der Stagnation sandte Berlin einen neuen Gesandten an den Bundestag, den Generalpostmeister Karl Ferdinand Friedrich von Nagler. Nagler war nicht nur ein Verehrer Goethes und seines Werkes, er erwies sich in den Jahren seiner Tätigkeit in Frankfurt ebenso wie manch anderer Beamte des Berliner Außenministeriums als engagierter Verfechter der Idee des geistigen Eigentums. Mit diesem Mann trat Goethe in Kontakt. Ob der Dichter selbst auf die Idee gekommen ist, bei der Bundesversammlung um ein umfassendes Privileg nachzusuchen, oder ob dieses Vorhaben von seiner Umgebung aufgebracht wurde, ist kaum mehr zu ergründen. Sicher ist lediglich, daß Goethe von Männern wie Riemer und Eckermann bestärkt worden ist und schließlich auch von Nagler Zuspruch erfuhr. Goethe mag Nagler schon persönlich gekannt und deshalb seinen Rat und seine Unterstützung gesucht haben; jedenfalls sah Nagler eine Chance, daß Goethes Plan nicht nur dem Dichter selbst, sondern auch der preußischen Politik in der Nachdruckfrage dienlich sein konnte. III. Goethes Ziele und die Kompetenz in der Bundesversammlung 1. Die Vorbereitung des Gesuchs Als Goethe3 am 2.  November 1824 Nagler über das Vorhaben, dessen Gründe und Ziele der Dichter in einer Denkschrift niedergelegt hatte, vertraulich unterrichtete und um Rat und Hilfe bat, berichtete der Gesandte – 4

Urheberrechtsentwurfes von 1819, Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, ebenda S.  153–181 auch in: ders., Geistiges Eigentum II, S.  221–239. 3  Die Denkschrift, von Goethe „Geneigtest zu gedenken“ überschrieben, ist vielfach abgedruckt, etwa bei Gaedertz, Bei Goethe (Fn. 1) S. 337–339. Die im folgenden Text verwendeten wörtlichen Zitate aus Dokumenten stützen sich vor allem auf die Arbeiten von Gaedertz und Fröbe (beide Fn.  1) und die gedruckten Protokolle der Bundesversammlung, aber auch auf die Akten des Bundesarchivs Koblenz (früher Außenstelle Frankfurt a. M.) (DB 1, 309), der Stiftung Weimarer Klassik, Goethe- und Schillerarchiv (Goethe-Akten 30 / 328), des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (GSPK), Berlin-Dahlem (bes. I. (Hauptabteilung = HA) Rep. 75

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natürlich ebenso vertraulich – am 17.  Dezember an den Berliner Außenminister Graf von Bernstorff. Goethes Schrift formulierte eindeutig den Wunsch, ein „Privilegium von den verbündeten vereinigten Mächten“ zu erlangen. Auch Nagler war der Ansicht, daß dies zu bewerkstelligen sei; er hielt es für wahrscheinlich, daß sich eine Beschlußfassung über das 1819 vorgelegte Projekt länger verzögern würde, als das vorgerückte Alter des Schriftstellers und die Dringlichkeit der Sache erlaubten. Dann fährt der Bericht des Gesandten fort: „Unstreitig würde sich dagegen die Bundes-Versammlung bald und leicht vereinigen, die neue Ausgabe der Goetheschen Werke mittelst Beschlusses über Ertheilung eines speziellen Privilegiums oder Schutzes wider den Nachdruck sicher zu stellen, wenn erst Preußen und Oesterreich über gemeinschaftlichen Beitritt zu einem solchen Beschlusse miteinander einverstanden wären. In Preußen gewährt diesen Schutz die bestehende Gesezgebung; und was das Kaiserlich Oesterreichische Gouvernement betrifft, so ist bei aller bisher gezeigten Abneigung desselben gegen allgemeine Maasregeln wider den Nachdruck doch kein Grund abzusehen, warum es sich nicht in diesem einzelnen Falle auf das Gesuch eines hochgefeierten Schriftstellers willfährig erweisen sollte, vielmehr ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß es nur eines Schrittes des Herrn etc. von Goethe bei dem Herrn Fürsten von Metternich bedarf, um den letzteren zu bestimmen, den Kaiserlichen Präsidial-Gesandten zur kräftigen Unterstützung jenes Gesuches – wenn selbiges am Bundestage angebracht wird – zu instruieren. Hiernach könnte ich dem Herrn etc. von Goethe in Beantwortung seiner Zuschrift anheimstellen, sich wegen Erlangung der K. Oesterreichischen Unterstützung zunächst direkt an den Herrn Fürsten von Metternich zu wenden und demselben ein an die Bundesversammlung gerichtetes Gesuch um Ertheilung des gewünschten Schutzes und die Bitte zu senden, solches dem Präsidialgesandten zur Proposition und Unterstützung zu empfehlen. Vielleicht wäre es auch angemessen, ihn zu veranlassen, daß er mittelst einer an Ew. Excellenz zu richtenden Vorstellung zuvörderst die diesseitige Verwendung bei dem Kaiserlich Oesterreichischen Hofe für den beabsichtigten Zweck nachsuche, wofern nicht Ew. Excellenz die obige, durch mich vorgelegte Denkschrift und meinen gehorsamsten Antrag als Gesuch des Herrn von Goethe betrachten, und hierauf Hochdero Empfehlung eintreten lassen wollen“.

Es fällt auf, daß Naglers Bericht im Entwurf noch anders gelautet hatte. Zwei bemerkenswerte Veränderungen wurden vorgenommen: Zum einen sind die zu Beginn des Zitates erwähnten Worte „oder Schutzes“ nachträglich eingefügt; zum anderen heißt im Entwurf die Empfehlung bei Metternich noch folgendermaßen: „… anheimstellen, sich wegen Erlangung der … Unterstützung zunächst direkt an den Herrn Fürsten von Metternich zu wenden und nach Auswirkung desselben mit A Nr.  601; Rep. 77 Tit.  338 Nr.  2 und Rep. 89 Nr.  18747; III. HA 2.4.1. Nr.  8946 u. 18639) und des Generallandesarchivs Karlsruhe (Abt.  233, 3100).



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einem Gesuche um Ertheilung des gewünschten ‚Spezial-Privilegiums‘ an die Bundesvesammlung zu wenden  …“.

Nagler vermeidet in der Endfassung dieser Passage den Begriff „SpezialPrivilegiun“ und spricht nur vom „Schutz“. Dazu paßt die – ebenfalls später hinzugefügte – Schlußbemerkung: „Schließlich bemerke ich gehorsamst, daß ein bloßer Beschluß der Bundes-Versammlung, wegen Ertheilung eines Privilegii oder Schutzes gegen Nachdruck bei Confiscation und sonstiger dem hiernächst zu erwartenden allgemeinen Beschlusse gegen den Bücher-Nachdruck vorzubehaltenden Strafe, den Wünschen des Herrn etc. von Goethe genügen und den Ansichten derjenigen Bundesstaaten zugleich entsprechen dürfte, die die Ertheilung specieller Privilegien wünschen“.

Die erwähnten Korrekturen und die (hinzugesetzte) abschließende Bemerkung machen deutlich, daß Nagler Goethes Vorstellungen von einem „Privileg der Bundesversammlung“ nicht allzu wörtlich nahm. Goethe hatte in seiner Denkschrift unter Bezug auf die ältere Privilegienpraxis der einzelnen Souveräne gefragt: „Sollte nun aber gegenwärtig der erhabene Bundestag, der Verein aller deutschen Souveränitäten, nicht dasjenige als Einheit zu bestimmen geneigt seyn, was den Einzelnen vorher anzuordnen und festzusetzen zukam, und würde nicht die hohe Versammlung durch einen solchen Akt ihr entschiedenstes Gewicht auf deutsche Litteratur und Geistesbildung kräftigst bethätigen? Würde daher ein Autor, der so viele Jahre in seinem Vaterlande gewirkt, dessen reine, mit allen bestehenden und zu wünschenden Guten im Einklang beharrende Thätigkeit dem Einsichtigen vor Augen liegt, einen allzukühnen Wunsch aussprechen, wenn er ein solches Privilegium von den verbündeten vereinigten Mächten sich erbäte und zwar für sich und die Seinigen, so daß er einen Selbstverlag unternehmen, oder wenn er einem Commissionair, vielleicht auch einem Verleger das Recht von seinen Geistesproducten merkantilischen Vortheil zu ziehen übertragen wollte, er auch zugleich auf diese den gesetzlichen Schutz zu erstrecken das Befugniß hätte?“

Nagler war sich offenbar darüber im klaren, daß ein Privileg im herkömmlichen Sinne nicht Sache der Bundesversammlung sein konnte; deshalb wollte er nur die „Ertheilung eines speziellen Privilegiums oder Schutzes“, nämlich die konkrete auf Goethes Projekt zugeschnittene Zusage, daß die in Diskussion stehenden allgemeinen Sanktionen, die im wesentlichen unbestritten waren, jedenfalls, unter Umständen auch „rückwirkend“, zugunsten Goethes Ausgabe anwendbar sein sollten, wenn denn tatsächlich ein solcher Bundesbeschluß über die „gleichförmigen Verfügungen“ zustande käme. Nagler war letztlich bestrebt, den Antrag Goethes mit der allgemeinen Diskussion zu verknüpfen; er tat dies, weil er wußte, wie peinlich genau einzelne Staaten des Deutschen Bundes darauf achteten, daß die Bundesversammlung die Grenzen ihrer Kompetenz einhielt. Eine Zuständigkeit zum Beschluß über „gleichförmige Verfügungen“ im Sinne des Artikels 18 d der

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Bundesakte war schwerlich zu bestreiten und diese Kompetenz wollte Nagler auch im Einzelfall Goethe nutzen. Ein weiterer Bericht bestätigt diesen Zusammenhang. Am 22.  Dezember reagiert Nagler auf eine ältere Weisung des Ministers; er bekräftigt sein Bemühen, „auf jede mir angemessen erscheinende Weise“ dahin zu wirken, daß die in der Bundesversammlung noch anstehenden Abstimmungen zur Nachdruckfrage „sobald wie möglich eingehen“ werden, und fährt dann fort: „… wozu ich mir umso mehr Hoffnung machen darf, je kräftiger derjenige Impuls sein wird, welchen das neuerliche Gesuch des Großherzogl. Sachsen-Weimarschen Staats-Ministers von Goethe, worüber ich unterm 17ten d.M. zu berichten die Ehre hatte, diesen Angelegenheiten unstreitig geben wird. Ich behalte mir gehorsamst vor, diesen Impuls schon bei meiner bevorstehenden Anwesenheit in Wien zweckmäßig zu nutzen  …“.

Das Außenministerium griff in seiner Antwort vom 23.  Dezember die Vorschläge Naglers auf; es war eine gute Gelegenheit, die Debatte um den Schutz gegen Nachdruck voranzubringen: „Es wäre sehr zu wünschen, daß dasjenige, was Herr von Goethe für sich sucht, ein Anlaß werden könnte, um bald und schnell für alle deutschen Schriftsteller und Verleger zu erreichen, was ihnen bereits durch die Bundes-Acte verheißen worden ist“.

Berlin wollte die Begünstigung Goethes zwar nicht vom positiven Ausgang der Verhandlungen abhängig machen, hätte es aber gerne gesehen, wenn durch Goethes Vorstoß wieder Bewegung in die Sache gekommen wäre und vor allem Österreich seine abwartende Haltung aufgegeben hätte. Bernstorff hielt einen förmlichen Antrag Goethes in Berlin für „nicht nöthig“, befürwortete aber einen Vorstoß Goethes bei Metternich, den Nagler während seines bevorstehenden Aufenthaltes in Wien offiziell unterstützen könne; danach sollte Nagler dem Dichter „einen Wink darüber geben, ob und welche Vorstellung er nun gleich bei der Bundesversammlung einzureichen habe“. Ein solcher Antrag, so Bernstorff, empfehle sich überdies als Zeichen der Rücksichtnahme auf die übrigen deutschen Regierungen. Das Dokument schließt mit dem Wunsch, „daß Ew. Exzellenz aus dem vorliegenden Falle Veranlassung nehmen mögen, dem Herrn Fürsten von Metternich die dringende Nothwendigkeit vorzustellen, daß die Verhandlungen über eine Angelegenheit, woran die Königl. Regierung mit den übrigen deutschen Regierungen ein gleich warmes Interesse nimmt, endlich einmal zum Ziel geführt werden“.

Nagler hielt sich an die Weisungen des Ministers, wich aber von dem vorgegebenen Zeitplan etwas ab: er veranlaßte Goethe kurz nach Weihnachten (26.  Dezember) zu den Schritten in Wien und gab, ohne die Ergebnisse seiner eigenen Gespräche in Wien abzuwarten, dem Dichter Hinweise für die Eingabe an die Bundesversammlung.



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Nagler berichtete Goethe am 26.  Dezember 1824 über seinen nunmehr amtlichen Auftrag zur Unterstützung in Wien und in der Bundesversammlung. Dann fährt sein Schreiben fort: „Ew. Excellenz stelle ich gehorsamst anheim, ein schriftliches Gesuch an die Bundes-Versammlung (nach meiner unvorgreiflichen Privat-Meinung) dahin zu richten‚ daß Ihnen durch Beschluß der Bundes-Versammlung für die neue Ausgabe Ihrer Werke Schutz gegen Nachdruck in allen Bundesstaaten bey Confiskation, und sonstiger Strafe, welche durch allgemeinen gegen den Nachdruck (etwa) erfolgenden Bundes-Beschluß noch festgesetzt werden möchte, mit der Zusicherung ertheilt werde, daß Sie hierbey von Seiten aller Bundes-Staaten kräftigst gehandhabt, auch auf Ansuchen bey einzelnen, Bundes-Regierungen mit besonderem Privilegio kostenfrei versehen werden sollen. Ich erlaube mir zur Erläuterung meines Vorschlages einige Bemerkungen. Es scheint mir nöthig, Ew. Excellenz Wunsch nicht mit der bey der Bundes-Versammlung anhängigen Angelegenheit wegen Abstellung des Nachdruckes zu combiniren, denn diese allgemeine Sache ist, obgleich nur noch 2 Abstimmungen abgehen, dem Ziele nach meiner Vermutung nicht ganz nahe, weil die Fassung des Beschlußes aus den verschiedenen mit vielen Details durchwebten Abstimmungen zu ziehen seyn wird. Mehrere Bundes-Staaten dürften zur Wahrung ihrer landesherrlichen Gerechtsame oder Verwaltungs-Grundsätze oder constitutioneller Verhältnisse die Ertheilung besonderer Privilegien für nötig halten. Diese Gesichtspunkte habe ich bey obigem Vorschlage ungefährer Fassung des Gesuchs, die Ew. Excellenz nach Gutfinden ändern können, berücksichtiget.“

Nagler verwies anschließend noch einmal auf die „große Bereitwilligkeit und Teilnahme“, die der preußische Außenminister bewiesen habe. Dann riet er Goethe, das an die Bundesversammlung zu richtende Gesuch an den Fürsten Metternich „mit Bitte um Unterstützung und Empfehlung desselben an den Präsidialgesandten baldigst (zu) übersenden, allenfalls letzterem wenige Privatzeilen zu gleichem Zwecke auch (zu) schreiben“. Er selbst werde entsprechend seiner Vollmacht warten, bis Metternich sich äußere, dann jedoch die Gelegenheit „so benützen, wie meine Ew. Excellenz gewidmete Verehrung und Freundschaft mich verpflichtet“. Schließlich teilt Nagler noch mit, daß er gegen den 20.  Januar wieder in Frankfurt sein werde; sollte Goethe noch „Aufträge für mich nach Wien“ haben, so solle er sie „baldigst“ an die Berliner Adresse senden. Goethe sandte Nagler bereits am 2.  Januar ein Dankschreiben, in dem er auch auf seine früheren Begegnungen mit Bernstorff, Metternich und Gentz zu sprechen kommt. Unter dem 9.  Januar teilt Goethe Nagler mit, daß er am Tag zuvor an Gentz geschrieben habe und das „Hauptschreiben“ an Metternich am 11.  Januar abgehen werde. Goethe hielt sich im wesentlichen an die Ratschläge Naglers. Das Gesuch an die Bundesversammlung, das am 11.  Januar abgeschlossen war, wurde Metternich, aber auch dem eigenen Landesherrn, dem Großherzog von

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Sachsen-Weimar, zugeleitet; als Eingabe an die Bundesversammlung trägt es das Datum vom 17.  März. Inzwischen war Nagler in Wien vorstellig geworden und hatte bei dieser Gelegenheit das Gesuch Goethes mit den bisherigen Verhandlungen in der Bundesversammlung in Zusammenhang gebracht. In einem auf den 19.  Januar datierten Schriftstück, das bei den Gesprächen übergeben wurde, hält Nagler seine Einschätzung der Lage fest. Zum Gesuch des Dichters schreibt er folgendes: „Da solches ohne Zweifel ehestens der kaiserl. oester. Präsidial Gesandtschaft eingereicht werden wird, so ist die Ansicht Sr. Durchlaucht des Herrn etc. Fürsten von Metternich, so wie Sr. Exzellenz des Herrn Präsidial Gesandten dem Unterzeichneten dahin ausgesprochen worden, daß die Sache womöglich zu dem Beschlusse zu leiten sei: den Bundestagsbeschluß in Absicht auf die allgemeinen Maasregeln gegen den Bücher Nachdruck möglichst zu beschleunigen, dem Herrn etc. von Goethe aber den gebetenen besondern Schutz gegen Nachdruck für die neue Ausgabe seiner Werke ausnahmsweise in Rücksicht seiner ausgezeichneten Verdienste um die deutsche Litteratur dergestalt zuzusichern und zu gewähren, daß auf sein Ansuchen von den einzelnen Bundes-Staaten oder auch ohne solches nach Gutfinden einzelner Bundesstaaten ihm besondere Privilegien zu obigen Zwecken unentgeltlich erteilt, und derselbe von allen einzelnen Bundes Staaten gegen den Nachdruck gedachter neuer Auflage überall kräftig geschützt werden solle.“

Naglers Einschätzung sollte sich bald als zu optimistisch erweisen. 2. Die Formulierung des Gesuchs Bemerkenswert ist, daß Goethes Eingabe in einem zentralen Punkt von der Empfehlung Naglers abweicht. Goethe formuliert den Antrag nämlich folgendermaßen: „Daß mir durch Beschluß der hohen deutschen Bundes-Versammlung für eine neue, vollständige Ausgabe meiner Werke ein Privilegium ertheilt und dadurch der Schutz gegen Nachdruck in allen Bundesstaaten gesichert werde, unter Androhung der Confiscation und sonstiger Strafe, welche durch allgemeinen, gegen das Verbrechen des Nachdrucks künftig erfolgenden Bundes-Beschluße noch fest gesetzt werden möchte. Mit der Zusicherung, daß ich hierbey von Seiten aller hohen Bundesstaaten gehandhabt auch auf Ansuchen bey einzelnen Bundesregierungen mit Privilegien kostenfrey versehen werden solle“.

Naglers Formel war elastischer; sie verzichtete zunächst auf das Reizwort „Privileg“ und suchte eine Verbindung mit der Diskussion um die „gleichförmigen Verfügungen“ herzustellen; damit bezog sie die Frage nach der Kompetenz der Bundesversammlung in ihr Kalkül ein. Goethes Gesuch hingegen zielte auf ein echtes Privileg der Bundesversammlung ab und



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deutet nur im Nachsatz an, daß auch eine Alternative im Sinne eines Bündels von einzelstaatlichen Privilegien denkbar sei. Damit hatte Goethe die Erfolgschancen seines Gesuchs selbst erheblich gemindert und das Geschäft Naglers am Bundestag unnötig erschwert. 3. Der verfassungsrechtliche Hintergrund des Gesuchs Goethes Eingabe war das erste Gesuch dieser Art an die Bundesversammlung. Angesichts der hohen Bekanntheit und Wertschätzung, die der Dichter in aller Welt genoß, einerseits und der Protektion, die ihm Preußen und Österreich gewährten oder wenigstens in Aussicht stellten, andererseits war es nicht möglich, eine förmliche Befassung zu umgehen. Der Antrag stellte die Bundesversammlung aber zugleich vor schwierige verfassungsrechtliche Fragen. Es ging um nichts weniger als um die Frage nach den grundlegenden Zielen des Deutschen Bundes und der sich daraus ergebenden Kompetenzen. Zwar hatte die Bundesakte durch die Wiener Schlußakte von 1820 bereits eine deutliche Präzisierung erfahren; manche Frage war indes noch offen geblieben. Die stärkere Betonung des obersten Bundeszweckes, nämlich des Schutzes der Sicherheit Deutschlands und seiner Staaten nach außen und nach innen, war durch die Karlsbader Beschlüsse bereits in recht konkrete Maßnahmen umgesetzt worden4. Eine so detailreiche, vom Bund veranlaßte Gesetzgebung mußte den Widerstand einiger mittlerer Staaten, die ihre Eigenständigkeit und Souveränität bedroht sahen, geradezu herausfordern. Ein reiches Betätigungsfeld fand dieser Widerstand im Bereich der „gemeinnützigen Angelegenheiten“; dieser Aufgabenkreis war durch das in der Wiener Schlußakte (Artikel 64) niedergelegte Einstimmigkeitsprinzip nur formal präzisiert worden, stellte aber eben deshalb ein leicht handhabbares „Vetorecht“ zur Verfügung: Jeder Vorstoß zugunsten einer „gemeinnützigen Angelegenheit“ konnte von jedem Mitglied des Deutschen Bundes abgeblockt werden. Eine gewisse Ausnahme bildeten nur jene Aufgabenfelder, die schon in der Bundesakte selbst genauer bezeichnet worden waren; zu ihnen zählten eben auch die „gleichförmigen Verfügungen“ im Sinne des Artikels 18  d. In dieser Situation war jeder, der um seine Souveränität besorgt war, gleichsam gezwungen, diese Sonderregeln besonders eng auszulegen. Bereits bei der Diskussion um den Entwurf von 1819 hatten sich 5

4  Dazu Näheres nebst weiterführenden Hinweisen bei Elmar Wadle, Staatenbund oder Bundesstaat? Ein Versuch über die alte Frage nach den föderalen Strukturen in der deutschen Verfassungsgeschichte zwischen 1815 und 1866, in: Wilhelm Braun­ eder (Hg.), Staatliche Vereinigung: fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, Berlin 1998, S.  137–170, bes. S.  150  ff.

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entsprechende Tendenzen bei Württemberg und Bayern gezeigt; beim Antrag Goethes nun waren sie unvermeidlich. IV. Die Diskussion in der Bundesversammlung und ihr Ergebnis 1. Die Haltung der deutschen Staaten Es zeigte sich bald, daß es Widerstand auf vielen Seiten gab. Als ersten Hinweis auf die Differenzen darf man die Tatsache werten, daß die Eingabe entgegen dem Wunsche Naglers am 17.  März nicht eingehender behandelt, sondern an die Reklamationskommission überwiesen wurde. Nagler wollte eigentlich schon in der ersten Sitzung einen „schnellen Beschluß“ erreichen. Nähere Einzelheiten erfahren Sie aus seinen Berichten. Am 21.  März schreibt er nach Berlin: „Ich fand mich hiernach berechtigt, das anzubringende Gesuch auf alle Weise zu unterstützen, und auf ähnliche Unterstützung desselben vonseiten Oesterreichs zu rechnen. Mit Hülfe der letzteren hoffte ich es dahin zu bringen, daß die BundesVersammlung bei erster Kenntnisnehmung von diesem Gesuche einen entsprechenden einhelligen Beschluß fassen werde. Meine hierauf gerichteten Bemühungen bestärkten zwar viele meiner Kollegen in ihrer, dem Gesuche günstigen Stimmung; einige Andere aber erhoben Bedenklichkeiten, welche von seiten des Präsidiums nicht kräftig genug beantwortet wurden. Es kam daher noch kein, das Materielle betreffender Beschluß zu Stande; und man beschränkte sich lediglich darauf, die von Goethe’sche Vorstellung an die Reclamations-Commission zu verweisen, damit durch selbige gutachtlicher Vortrag darüber erstattet werde.“

In einem späteren Bericht (13. April) kommt Nagler noch einmal auf sein Verhandlungsziel und die Reaktionen in der Bundesversammlung zurück: „Gern hätte ich es dahin gebracht, daß gleich in der siebenten Sitzung, unmittelbar nach Verlesung des Einreichungs-Protokolls ein solcher, dem Wunsche des Herrn von Goethe entsprechender Beschluß ohne Weiteres gefaßt worden wäre. Dieses aber fand sofort und selbst von seiten des Präsidial-Gesandten Widerspruch. Man hielt es für unumgänglich nothwendig, zuvörderst von der Reklamations-Commission Vortrag über die Eingaben erstatten zu lassen. Der Königlich-Baierische Gesandte als Mitglied dieser Commission erbot sich zur Uebernahme des Referates und versprach solches, meinem Wunsche gemäß, schon in der nächst bevorstehenden Sitzung zu halten; womit sich die Versammlung einverstanden erklärte.

Die Vorgänge vom 17. März werden vom Badischen Gesandten, Freiherrn von Blittersdorff bestätigt: „Der K. K. Oesterreichische Präsidial-Gesandte sagte einige empfehlende Worte hierüber und trug darauf an, dieses Schreiben an die Reclamations-Commission zum Vortrag zu verweisen. Der königlich preußische Gesandte hingegen war der Ansicht, daß es bei einer so klaren und einfachen Sache eines Kommissions-Be-



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richtes gar nicht bedürfe; sondern, daß man das Gebetene durch die Gesandtschaften bey den Regierungen unmittelbar und ohne Zeitverlust auswirken könne. Die Majorität trat jedoch der Ansicht des Präsidiums bey.“

Nach der Überweisung an die Kommission hatten alle Gesandten genügend Zeit, die Ansichten ihrer Regierungen zu erkunden und deren Weisungen einzuholen. Obgleich bis zum Bericht der Kommission nur wenige Tage vergingen, wurde schnell deutlich, daß Goethes Antrag kaum eine Chance hatte. Offene Zustimmung war eher die Ausnahme. Der Gesandte Hannovers war der Ansicht, das Verbot des Nachdrucks sei in Artikel 18 d der Bundesakte schon vorausgesetzt; es handle sich mithin nur um einen deklaratorischen Akt, wenn man Goethe den Schutz zuspreche. Sachsen hätte zwar gerne gesehen, daß Goethes Gesuch „die Veranlassung gegeben hätte, die beabsichtigten Maßnahmen gegen den Nachdruck, deren vor einiger Zeit wieder vorgenommene Bearbeitung neuerlich abermals in Vergessenheit zu geraten scheint, zur endlichen Ausführung zu bringen“. Folgte Sachsen insoweit der Linie Preußens, so hielt man eine Privilegierung durch die Bundesversammlung gleichwohl für unzulässig. Eindeutigen Widerstand leisteten vor allem Württemberg und Bayern, die von einem traditionellen Privilegienverständnis ausgingen und die Kompetenz der Bundesversammlung zur Erteilung eines Privilegs rundum ablehnten. Nagler beschreibt diesen Widerstand in einem Bericht (13.  April) folgendermaßen: „Man machte es zugleich Herrn von Goethe zum Vorwurf, daß er aus angeblicher Anmaßung sich wegen eminenter Verdienste um die deutsche Litteratur befugt halte, ein Privilegium ausnahmsweise für seine Person in Anspruch zu nehmen; man tadelte dabei seine angeblich dabei zum Grunde liegende Sorge für sein pekuniäres Interesse, ja man rügte es sogar, daß er sich in Verfolgung seines Zwecks nicht an seinen Landesherrn, den Großherzog von Sachsen-Weimar, sondern mit Umgehung desselben direkt an die Bundes-Versammlung gewandt habe.“

Bayern und letztlich auch Württemberg zogen allerdings nicht die Konsequenz, daß sich die Bundesversammlung mit dem Antrag Goethes überhaupt nicht befassen sollte; man schlug vielmehr namens der Kommission „in Anbetracht der ausgezeichneten litterarischen Verdienste des Bittstellers, besonders der Rücksicht auf die angelegentliche Verwendung des Herrn von Nagler für das Gesuch“ vor, die Eingabe Goethes an die jeweiligen Regierungen empfehlend weiterzuleiten. Österreich folgte der Linie Bayerns. Dies scheint mit den „Zusicherungen wohlwollender Berücksichtigung“ in Widerspruch zu stehen, die Fürst Metternich und der Präsidialgesandte selbst in Wien Nagler gegeben hatten. Bei Naglers Wiener Gesprächen war jedoch der Wortlaut der Eingabe Goethes noch nicht bekannt. Nagler hatte bei dieser Gelegenheit lediglich von un-

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entgeltlichen „besonderen Privilegia“ gesprochen. Durch Goethes weitergehenden Antrag war eine neue Lage entstanden. Preußen setzte sich weiterhin für das Gesuch Goethes ein, obwohl der Dichter Naglers „Wink“ nicht recht gefolgt war, was nicht nur Goethe, sondern auch Nagler den bayerischen Vorwurf „einer völligen Verkennung der Stellung und Befugnisse der Bundes-Versammlung“ eintrug. Um eine förmliche Abweisung der Eingabe zu vermeiden, soll Nagler zunächst angeregt haben, daß die einzelnen Regierungen ihren jeweiligen Gesandten bei der Bundesversammlung zur Privilegierung bevollmächtigen sollten; dieser Vorschlag fand indes keinen Beifall. Nagler ließ sich – wie er später schreibt – nicht entmutigen: „Meines Erachtens wäre diese Commission auf den Grund der, den Nachdruck betreffenden Bestimmung im Art.  18  der Bundes-Acte vollkommen befugt gewesen darauf anzutragen, daß von sämmtlichen Gesandtschaften bei Berichterstattung über das v. Goethe’sche Gesuch den resp. höchsten und hohen Regierungen die Formel eines, dem Gesuche entsprechenden Beschlusses zur gleichmäßigen Genehmigung vorgelegt werden möge, damit dieser Beschluß, wenn die Genehmigung allerseits erfolge, von der BV. gefaßt werden könne. Ich eilte daher eine solche Beschlußformel, so wie sie mir den Verhältnissen am angemessensten schien, zu Papiere zu bringen, ließ dieselbe durch Abschriften vervielfältigen und solche zur etwaigen Benutzung nicht allein dem Referenten, sondern auch meinen übrigen Kollegen privatim zukommen, während ich meine Ansicht bei ihnen Eingang zu verschaffen suchte.“

Naglers Beschußentwurf hatte folgenden Wortlaut: „Auf das Gesuch des großherzoglich Sachsen-Weimarschen Staats-Ministers von Goethe um Sicherstellung der neuen in 40 Bänden erscheinenden Ausgabe seiner Werke gegen den Nachdruck, dürfte der Bundestags-Beschluß dahin zu fassen sein: In Ermangelung allgemeiner Maaßregeln gegen den Bücher-Nachdruck, deren Bundesgesetzliche Anordnung nach Möglichkeit beschleunigt werden würde, solle dem Herrn etc. von Goethe aus Rücksicht auf seine ausgezeichneten Verdienste um die deutsche Litteratur der nachgesuchte Schutz gegen den Nachdruck für die beabsichtigte Ausgabe seiner Werke ausnahmsweise durch einhelligen Beschluß dergestalt gewährt und zugesichert werden, daß auf sein Ansuchen oder nach Gutbefinden einzelner Bundes-Regierungen auch ohne solches die Ertheilung besonderer Privilegien von den einzelnen Bundesstaaten zu obigem Zwecke unentgeltlich stattfinden, und derselbe gegen den Nachdruck gedachter neuer Ausgabe überall von allen einzelnen Bundesstaaten kräftigst geschützt werden solle“.

Nagler konnte sich mit dieser Vorlage, die in allen wesentlichen Punkten der Wiener Verabredung entsprach, nicht durchsetzen. Man kann sich gut vorstellen, daß er über das Verhalten des österreichischen Gesandten, der sich in Wien wohl ganz anders eingelassen hatte, sehr enttäuscht war.



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Nagler führte die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen später (13.  April) auf ein Mißverständnis zurück: „Meine Absicht wurde so mißverstanden, als ob ich den Beschluß, dessen Formel ich vorschlagsweise mitgetheilt, ohne vorherige Instruktions-Einholung und allseitige Genehmigung der Regierungen, schon in der nächsten Sitzung durchzusetzen suchen wolle. Einem solchen Eingriffe in die Souverainität der mittleren und mindermächtigen Bundesstaaten glaubte man im voraus begegnen zu müssen. Sehr eifrig schien besonders der Königl. Württembergische Gesandte Freiherr von Trott bemüht zu seyn, manche seiner Collegen auf die (im Entwurf gestrichen: von seiten Preußens) drohende Gefahr aufmerksam zu machen und zum Widerstande zu ermuntern, obgleich er selbst noch in der siebenten Sitzung der Meynung gewesen war, die Bundes-Versammlung könne per modum delegationis außerordentlicherweise von sämmtlichen Bundes-Regierungen zu demjenigen Organ gemacht werden, durch welches die gemeinschaftliche und gleichförmige Ertheilung des gewünschten Privilegiums in der Form eines Beschlusses auszusprechen wäre.“

2. Bemühungen um einen Kompromiß Nagler gab nicht auf und suchte durch einen Kompromiß zu retten, was zu retten war: „Jenes Mißverständniß suchte ich, sobald ich es gewahr wurde, gründlich zu beseitigen. Es kam mir auf baldige bundesverfassungsmäßige Erreichung des Zweckes mehr an, als auf die Art, wie derselbe zu erreichen sey. Eben darum bestand ich nicht länger darauf, daß ein eigentlicher Beschluß gefaßt und eine Beschlußformel zur Genehmigung an die Regierungen eingesandt wurde; vielmehr schloß ich mich der Ansicht des Königl.Baierischen Gesandtschaft in so weit an, als mir solches mit dem wesentlichen Interesse des Herrn von Goethe vereinbar schien. In diesem Sinne wurde derjenige Antrag abgefaßt, welcher späterhin bei der Abstimmung als Königl. Preußisches Votum in das Protokoll der 8ten Sitzung aufgenommen worden ist.“

In Naglers Akten findet sich ein entsprechender Entwurf: „Auf den Grund des Vortrages der Reclamations-Commission, die Eingabe des Großherzogl. Sachsen-Weimarischen Staats-Ministers von Goethe betreffend, wurde von sämmtlichen Gesandtschaften einhellig verabredet: Da bei (gestrichen: fortwährender Ermangelung) zur Zeit noch nicht ganz zustande gekommenen allgemeineren bundesgesetzlich angeordneten Maaßregeln wider den Bücher-Nachdruck der Herr von Goethe sein Gesuch (gestrichen: nicht unmittelbar an die einzelnen Bundes-Regierungen, sondern) zur Vermeidung von Weitläufigkeit und Ungleichförmlichkeit nicht unmittelbar, sondern auf den hiesigen Verein der Gesandtschaften aller Bundes-Regierungen (gestrichen: an dieselben) an die letzteren gelangen lassen zu dürfen geglaubt habe; so wolle man in Berücksichtigung seiner ausgezeichneten Verdienste um die deutsche Literatur wegen gleichförmiger unentgeldlicher Bewilligung dieselben an die allerhöchsten und Commitenten in solcher Art bevorwortend berichten, daß der gewünschte Schutz

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gegen den Nachdruck für die beabsichtigte neue Ausgabe seiner Werke, den Umständen nach mittelst Ertheilung besonderer Privilegien – sey es nun auf sein besonderes Ansuchen oder ohne solches – von allen einzelnen Bundesstaaten zugesichert und gwährt werden möge; wovon demnächst – wenn die Gesandtschaften von dieser Bewilligung Kenntnis erhielten, der Herr von Goethe durch die BV. zu benachrichtigen wäre.“

Naglers Text fand bis auf zwei „Nebenpunkte“ Zustimmung. Das offizielle Gutachten der Reklamationskommission aber folgte den Vorschlägen des Bayerischen Gesandten. Zu den Einzelheiten berichtet (13. April) Nagler: „Bis auf zwey Nebenpunkte waren damit nicht allein der Präsidial-Gesandte, sondern auch der Referent völlig einverstanden. Jene Nebenpunkte bestehen: In dem Zusatze des Wortes: ‚unentgeltlich‘. Dieses wollte der Referent nicht in seinen Antrag und der Präsidial-Gesandte nicht in die nothwendige Verabredung aufgenommen haben; beide meynten, es würde dadurch den Entschließungen der resp. Regierungen vorgegriffen werden. Der Referent verstand sich zuletzt dazu, das Wort ‚anerkannter maßen‘ in seinen Antrag einzurücken, wodurch der Wunsch kostenfreier Privilegien-Ertheilung wenigstens angedeutet ist; In dem Schlußsatze, wo es heißt: ‚Wovon demnächst, wenn die Gesandtschaften von dieser Bewilligung Kenntnis erhielten, der Herr von Goethe durch die Bundes-Versammlung zu benachrichtigen wäre‘. Um in der oben vorgestellten Ansicht konsequent zu seyn, wollte man der BundesVersammlung als solcher nicht einmal das Recht zugestehen, dem Herrn von Goethe das Resultat der gesandtschaftlichen Verabredung indirekt zu eröffnen; selbst der Freiherr von Münch bestritt ihr dieses Recht und sagte eben deshalb in seinem Voto, der zweifle nicht, daß sein Hof ihn baldmöglichst in die Lage setzen werde, eine entsprechende Entschließung über das vorliegende Gesuch, der Großherzoglich Sachsen-Weimarischen Btgs.-Gesandtschaft zur Verständigung des Herrn von Goethe mitteilen zu können. Die schließliche Verabredung erwähnt nichts von einer solchen Mitteilung und läßt es auf sich beruhen, ob und in welcher Art sie von seiten der BV. geschehen soll oder nicht. Höchstwahrscheinlich wird man sich zu einer solchen Eröffnung – nach der Ansicht des Präsidial-Gesandten – demnächst der Vermittlung des Grafen von Beust bedienen wollen. Viele Gesandte fanden dagegen mit mir angemessen, daß die BV. dem Herrn von Goethe direkt auf sein Gesuch eine Antwort erteile, und das Resultat der gemeinschaftlichen Eröffnung bekannt mache.“

Über den weiteren Verlauf heißt es im Bericht Naglers weiter: „Der im Protokoll der 8. Sitzung abgedruckte Vortrag der Reclamations-Commission – von dem Königl.Baierischen Legations-Sekretär von Obercamp ausgearbeitet – die darauf folgenden Abstimmungen und die schließliche Verabredung unter den Gesandten, wobei die Ausdrücke ‚Bundes-Versammlung‘ und ‚Beschluß‘ sorgfältig vermieden worden sind, scheinen kaum eines weiteren Kommentares zu bedürfen.“



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Bei alledem ist nicht zu übersehen, daß man in der Reklamationskommission mit dem Antrag Goethes wenig zimperlich, vielleicht sogar manipulativ umgegangen ist. Das Votum gab die von Goethe gebrauchte Antragsformel stark verkürzt wieder und hob einseitig den Wunsch nach einem Privileg der Bundesversammlung hervor. Im Bericht des bayerischen Gesandten, Christian Hubert von Pfeffel, heißt es: „…  daß ihm durch Beschluß der hohen Deutschen Bundesversammlung für die neue vollständige Ausgabe seiner Werke ein Privilegium kostenfrei ertheilt, und dadurch der Schutz gegen Nachdruck in allen Bundesstaaten gesichert werde. Die Commission bemerkt hierauf: Wenn gleich bei den Verfügungen gegen den Nachdruck, wie bei andern gemeinnützigen Anordnungen, in Folge der Bestimmungen der Bundes- und Schluß-Acte, die Bundesversammlung berufen sey, für eine Vereinbarung sämmtlicher Bundesregierungen über allgemeine Grundsätze und gemeinsame Bestimmungen zu wirken, und diese zum Gegenstande ihrer Berathung zu machen; so sey doch unverkennbar, daß sie, ihrer Wesenheit und Stellung nach, vor wie nach zu Stande gebrachten Vereinbarungen, sich nie auf die Anwendung und Ausführung des Festzusetzenden in einzelnen Fällen einlassen könne, und diese lediglich den einzelnen Bundesregierungen überlassen müsse. So sey denn auch unstreitig die Ertheilung von Privilegien immer und überall ein Act der innern Staatsverwaltung, welcher dem Geschäftskreise der Bundesversammlung durchaus fremd wäre“.

Der Bericht hat den schwer verständlichen, jedenfalls recht undeutlichen Nachsatz des Goetheschen Antrages, der den Weg zu einer Einzelprivilegierung offen halten sollte, schlichtweg übergangen und damit die Ablehnung der Eingabe erleichtert. Der zaghafte Hinweis Pfeffels auf die gemeinnützigen Anordnungen zielte wohl auf Naglers Versuch, die Eingabe des Dichters mit der Kompetenz zur Abfassung „gleichförmiger Verfügungen“ zu verknüpfen. Pfeffel verhinderte aber eine derartige Interpretation durch seine besonders enge Auslegung des Artikels 18  d. Der bayerische Gesandte unterstellte auch Nagler kurzerhand eine Verkennung der Rechtslage, „einer Verkennung deren wenigstens augenblickliches Eingang finden bei dem Königlich Preußischen Gesandten Herrn von Nagler, der sich hierzu durch die freundschaftliche Rücksicht verleiten ließ, noch mehr beklagt werden muß“.

Die bayerische Kritik an Nagler erscheint unberechtigt, wenn man bedenkt, daß Goethe durch seine von Naglers Wink abweichende Antragsformel den Weg in die Bundesversammlung selbst erschwert hat. Nagler hatte die Rechtslage, wie auch das Metternich übergebene Papier zeigt, sehr wohl im Auge. Es darf allerdings angenommen werden, daß Nagler den „Test“ in der Nachdruckfrage wollte: Preußen suchte herauszufinden, wie weit man in der Sache kommen konnte. So ist es auch konsequent, daß sich Nagler durch die übergroße Mehrheit, die am 24.  März für den Kommissionsvorschlag stimmte, nicht entmutigen

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ließ und sich noch in derselben Sitzung für eine Ergänzung im Sinne des zweiten „Nebenpunktes“ warb. Diesen Wunsch griffen allerdings nur wenige andere Gesandte auf. Im Protokoll der Bundesversammlung heißt es schließlich über die Vereinbarung: „Sämmtliche Stimmen vereinigten sich sonach in der angetragenen Verwendung bei ihren höchsten und hohen Regierungen, damit diese dem Herrn von Göthe das nachgesuchte Privilegium ertheilen mögen, welche Verleihung auch gleichzeitig von den Gesandtschaften von Hannover, Baden, Großherzothum Hessen, Brandenburg und Nassau zugesichert worden ist.“

Über die Sitzung selbst berichtet (25.  März) Nagler nach Berlin: „Hiermit waren sämmtliche Stimmen, nachdem man über die Behandlung dieses Falls schon vor der Sitzung viel gestritten hatte, nach einigen ferneren Diskussionen mehr oder weniger einverstanden. Man traf, die, dem Antrage entsprechende Verabredung; und wenngleich von der einen Seite der Königl. Württembergische Gesandte Frhr. von Trott auch hierbei noch Erinnerungen zu machen hatte, so trat gegen diese Einwendungen der Gesandte von Hannover auf, auch erklärten mit Letzterem die Gesandten von Baden, Großherzogtum Hessen, Nassau und der freien Städte, daß sie sich auf den Grund eingeholter Instruktionen bereits ermächtigt fänden, die gewünschte Privilegien-Ertheilung im Namen ihrer höchsten und hohen Committenten zuzusichern. Aehnliche Erklärungen sind in späteren Sitzungen wohl von den meisten Gesandtschaften zu erwarten; wornach diese Sache ungeachtet aller ihrer in den Weg gelegten Schwierigkeiten, deren Beseitigung in und außer der Sitzung ich mich sehr angelegen seyn ließ, schließlich eine würdige, den Wünschen des Staats-Ministers von Goethe entsprechende Erledigung finden dürfte.“

Wie stark die Debatte um Goethes Gesuch mit dem Bemühen Preußens um einen allgemeinern Schutz gegen den Nachdruck verknüpft war, geht aus der Schlußpassage des ausführlichen Berichts vom 13. April hervor. „Was endlich die Nachdruck-Sache im Allgemeinen betrifft, so habe ich nach Vorschrift der verehrlichen Rescripte vom 13ten und 23ten Dec. v. J. nicht versäumt, bei Gelegenheit des von Goethe’schen Gesuches in dem oben erwähnten Promemoria und in mündlichen Unterhaltungen sowohl dem Herrn Fürsten von Metternich, als dem Präsidial-Gesandten vorzustellen, wie dringend die Königl. Regierung wünsche, daß die Verhandungen über diese Angelegenheit endlich einmal zum Ziele geführt würden. Beide, auch der Policey-Minister, versicherten mich, man sey Oesterreichischer Seits jetzt ernstlicher als jemals darauf bedacht, im inneren des Landes solche Maasregeln einzuleiten, welche den Beitritt des Kaiserlichen Hofes zu einem definitiven Bundestags-Beschlusse in Betreff des Bücher-Nachdrucks möglich machen würden. Nach der Feststellung dieser Maasregeln, womit die inneren Verwaltungs-Behörden beschäftigt seyen, werde die Abstimmung Oesterreichs in der Nachdrucksache sofort erfolgen; bis dahin aber wünsche man, nicht an dieselbe erinnert zu werden und würde es demnach gern sehen, wenn bei der Bundestags-Verhandlung über das v. Goethe’sche Gesuch jede Hindeutung auf die Verzögerung des



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Oesterreichischen Votums unterbliebe. Ich ließ mich hierdurch zwar nicht abhalten, in meinem Voto, jenes Gesuch betreffend: an die zur Zeit noch nicht genug zustande gekommenen allgemeinen bundesgesetzlich anzuordnenden Maasregeln wider den Büchernachdruck zu erinnern; ich würde aber durch stärkere Erinnerung Empfindlichkeit des Oesterreich. Ministerii und Präsidial-Gesandten erregt haben, daher konnte ich bey dieser Gelegenheit es nicht dahin bringen, daß in die schließliche allgemeine Verabredung eine ähnliche Erinnerung ebenfalls aufgenommen wurde.“

Als Nagler diesen Bericht verfaßte, konnte er noch nicht ahnen, daß es ausgerechnet in Berlin wegen Goethes Privilegienwunsch Widerstände geben würde. V. Preußische Probleme bei der Umsetzung 1. Die Rechtslage in Preußen und ihre Bewertung durch die zuständigen Ministerien Die meisten Staaten und freien Städte folgten der Absprache in der Bundesversammlung und erteilten im Laufe des Jahres 1825 Privilegien unterschiedlichen Zuschnitts ohne einen besonderen Antrag Goethes zu erwarten. Als erster ging im Mai 1825 der dänische Schutzbrief bei Goethe ein, der sich nicht nur auf Holstein und Lauenburg, sondern auch auf das nicht zum Deutschen Bund gehörige Schleswig erstreckte. Sachsens Bewilligungsschreiben trägt das Datum vom 15. Juli 1825. Die restlichen Privilegien wurden in der zweiten Jahreshälfte erteilt, darunter die besonders aufwendig ausgestaltete Urkunde Österreichs vom 23. August. Zum Jahreswechsel fehlte nur noch das Privileg Preußens. Ausgerechnet derjenige Staat, dessen Vertreter sich so massiv für Goethe verwendet hatte, brauchte am längsten, um den Wunsch des Dichters zu erfüllen. Erst am 23. Januar 1826 unterzeichnete Friedrich Wilhelm III. die Urkunde, die alsbald über Nagler an Goethe gelangte. Diese Verzögerung scheint in der bisherigen Forschung nicht weiter aufgefallen zu sein; die Gründe für sie lassen sich indes genauer benennen. Bereits in seinem Bericht vom 13. April sprach Nagler die Tatsache an, daß der Schutz gegen Nachdruck auch in Preußen nicht ohne Probleme sei. Nachdem er zunächst auf die dänische Zusicherung hingewiesen hatte, man wolle dort die neue Ausgabe der Goethe’schen Werke unter einen besonderen Schutz der Landesgesetze stellen, fährt er fort: „Ich nehme hiervon Veranlassung, Ew. Excellenz hochgeneigter Erwägung gehorsamst anheim zu geben, ob nicht auch in den diesseitigen Königl. Staaten, wo der Nachdruck ebenfalls schon durch die bestehende Gesetzgebung verboten ist, dem Herrn von Goethe dem ungeachtet ein besonderer Schutz für die neue Ausgabe

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seiner Werke – etwa durch (gestrichen: Ertheilung eines öffentlich bekannt zu machenden Privilegiums) öffentliche Bekanntmachung von Seiten des Königlichen Ministerii des Innern zu gewähren und diese zur Kenntnis der B. V. zu bringen seyn dürfte. Zu seiner völligen Sicherstellung scheint dieses wenigstens in so weit sehr wünschenswerth, als in den Rheinprovinzen durch (gestrichen: jene Gesetzgebung) dortige Gesetzvorstellungen das Unwesen des Nachdruckes noch nicht (gestrichen: gänzlich) beseitigt (gestrichen: seyn sollte, möchte) ist. Es scheint wünschenswert, daß jetzt durch Immediatantrag und Verfügung dieser Übelstand behoben werde. In Frankreich schreitet die Gesetzgebung fort, – in der Rheinprovinz dauern die napoleonischen Gesetze – weil seit Jahren eine allgemeine Revision und Änderung vergebens gehofft wird, – unverändert fort und sonach ist auch dort der Nachdruck noch erlaubt.“

Nagler war um diese Zeit bereits bekannt, was in Berlin noch nicht Allgemeingut war. Nur so ist verständlich, daß der preußische Gesandte in der Sitzung der Bundesversammlung am 7. Juli 1825 eine Erklärung verlas, in der es heißt, Goethes „Unternehmen“ werde, „sobald jene Verabredung ihren Zweck in allen übrigen Bundes-Staaten, wie zu hoffen, erreicht hat auch im ganzen Umfange der preußischen Staaten mittels einer angemessenen Verfügung an die kompetenten Staatsbehörden, insbesondere unter vollkommenen Schutz wider den Nachdruck gestellt werden, obwohl der billige Wunsch dieses um die deutsche Litteratur hochverdienten Mannes in Beziehung auf die preußischen Staaten durch die für dieselbe bestehende Gesetzgebung und durch die Aufmerksamkeit der Verwaltung zur Behauptung des darin enthaltenen Verbotes des Nachdruckes schon im Allgemeinen seine ganze Erfüllung findet“.

Diese Erklärung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen sollte sie nicht nur die anderen Gesandten zu Äußerungen über den Stand der Dinge veranlassen, was ja auch gelang, wie die gleichzeitigen Erklärungen Bayerns, Württembergs und Österreichs zeigen; Nagler war sogar gehalten, den anderen Staaten den Vortritt zu lassen. Zum anderen spricht die Erklärung des Gesandten nur von einer „angemessenen Verfügung“ und deutet an, daß Preußen selbst Probleme damit hatte, Goethe das gewünschte Privileg zu erteilen. Die Gründe dafür lagen eindeutig in Berlin: Außenministerium und Innenministerium waren sich in der Privilegienfrage zunächst nicht einig. Der Außenminister befürwortete am 19. April das Privilegium für den Fall, daß der Nachdruck in der Rheinprovinz noch nicht verboten sei; das Innenministerium hingegen war in seiner Antwort vom 22. April der Meinung, daß der durch die preußische Gesetzgebung gewährte Schutz ausreiche und ein Privileg überflüssig mache; dies gelte auch für das Gebiet des rheinischen Rechts. In der Tat war man in Berlin wie in der Rheinprovinz seit einer internen Verfügung des Staatskanzlers Hardenberg aus dem Jahre 1816 davon ausgegangen, daß die rheinisch-französischen Bestimmungen nicht nur allen preußischen



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Untertanen, sondern auch den Angehörigen anderer deutscher Staaten Schutz boten. Ein Blick auf die Berliner Praxis5 zeigt, daß Privilegien nur erteilt wurden, wenn die Rechtslage es verlangte. Deshalb war nach Ansicht des Innenministers ein Privileg auch für Goethe überflüssig. 6

Das Außenministerium trug dieser Rechtsauffassung Rechnung und gab Nagler am 2.  Mai entsprechende Anweisungen: „Was die in unserem Staate geltenden Verordnungen gegen den Nachdruck, namentlich in den Rheinprovinzen betrifft, so habe ich von Ew. Excellenz diesfälligen Bemerkungen Anlaß genommen, den Herrn Staatsminister von Schuckmann um eine bestimmte Auskunft zu ersuchen, wiefern ein Verbot des Nachdrucks der in den übrigen deutschen Staaten verlegten Schriften auch in den Rheinprovinzen bestehe. Nach dessen Rückäußerung, die ich hier in Abschrift ganz ergebenst beifüge, ist in den genannten Provinzen auch jener Nachdruck untersagt, und über dies hat sich der Herr Minister von Schuckmann bereit erklärt, den Regierungen und Censurbehörden daselbst eine besondere Aufmerksamkeit auf die neue Ausgabe der Goethe’schen Schriften, wenn sie erscheint, anzuempfehlen. Sobald über das Gesuch des Herrn von Goethe am Bundestage entschieden ist, werde ich den gedachten Herrn Minister, um eine angemessene Verfügung ersuchen, damit in dem ganzen Umfange des preußischen Staates das Unternehmen des Herrn von Goethe jedenfalls vollkommen sichergestellt werde. Im uebrigen können Ew. Excellenz erklären, daß in Beziehung auf die Preußischen Staaten der Wunsch des Herrn von Goethe schon durch die Preußische Gesetzgebung und durch die Aufmerksamkeit der Verwaltung zur Behauptung des in ihr enthaltenen Verbots des Nachdrucks seine ganze Erfüllung finde.“

Nagler registrierte daraufhin die einlaufenden Stellungnahmen der übrigen Bundesstaaten und gab schließlich am 7. Juli für Preußen die vorerwähnte Erkärung ab. Diese Erklärung gab zu erkennen, daß Berlin hinter dem Antrag Goethes zurückbleiben und nur „eine angemessene Verfügung an die kompetente Staatsbehörde“ erlassen wollte. Man kann sich unschwer vorstellen, daß Nagler über dieses magere Ergebnis seiner Bemühungen nicht sehr erfreut war. Geradezu peinlich muß es für ihn gewesen sein, daß Österreich im August ein ebenso umfängliches wie prächtiges Privileg erteilte. Nachdem Goethe durch ein Schreiben Metternichs (6. September) davon unterrichtet worden war, übersandte er (18. September) eine Abschrift mit einem Brief an Nagler. Darin heißt es: 5  Näheres dazu bei Elmar Wadle, Preußische Privilegien für Werke der Musik, Ein Kapitel aus der Frühzeit des Urheberrechts 1794–1837, in: Maria Jesus Mon­toro Chiner / Heinz Schäffer (Hg.), Musik und Recht, Symposion aus Anlaß des 60.  Geburtstages von Prof. DDr. Detlef Merten, Berlin 1998, S. 85–112; ders., Privilegienpraxis in Preußen: Privilegien zum Schutz gegen Nachdruck 1815–1837, in: Dölemeyer / Mohnhaupt, Privileg (Fn. 1) Bd. 2, Frankfurt a. M. 1999, S. 335–362, m. w. H.; beide Aufsätze auch in: Wadle, Geistiges Eigentum II, S. 165–184 und S.  185–205.

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„Ew. Excellenz. beykommendes ungesäumt schuldigst übersendend erinnere mich garwohl der Zeit als Hochdieselbe mir zu dem wichtigen Schritte Muth machten und bey Ihrer Gegenwart in Wien dasjenige zu begründen wußten, was sich nun auf eine so höchst vortheilhafte Weise hervorthut. Wie ich nun überzeugt bin, daß Ew. Excellenz an einem die Sache vollkommen entscheidenden Gelingen den lebhaftesten Antheil nehmen, so darf ich nun wohl hoffen, daß diese Angelegenheit auch von seiten des allerhöchsten Preußischen Hofes zu einer gedeihlichen Endschaft geführt werde.“

Die Lage änderte sich erst, als die Berliner Ministerien die im April vertretene rechtliche Einschätzung aufgaben. Dies mußte auch geschehen, nachdem ein neues Urteil allgemein zur Kenntnis gelangt war, das der Rheinische Revisions- und Kassationshof in letzter Instanz gefällt hatte. Dieses Urteil beendete das Strafverfahren gegen den berüchtigten Kölner Nachdrucker und Buchhändler Spitz, der Texte Schillers und anderer deutscher Autoren ohne jede Genehmigung herausgebracht hatte, mit einem Freispruch, weil der Verfügung Hardenbergs vom 27. August 1816 keine gesetzliche Kraft im Gebiet des rheinischen Rechts beigemessen werden könne. Der Wandel der rechtlichen Sicht wird in einem anderen Zusammenhang deutlich: Anfang August 1825 erreichte Nagler die Beschwerde eines Frankfurter Buchhändlers, dessen Werk ebenfalls in Köln nachgedruckt worden war. Der Bericht Naglers veranlaßte den Außenminister dazu, den Innenminister auf dessen ältere Äußerung im Falle Goethes hinzuweisen und um Klärung der Rechtslage zu bitten. Das Innenministerium bestätigte nun, daß nach dem obersten Richterspruch die Rechtslage anders einzuschätzen sei. Nun hätte das Außenministerium Gelegenheit zu einem neuen Anlauf zugunsten des Privilegs für Goethe gehabt; die Angelegenheit blieb jedoch liegen. 2. Die neue Initiative Goethes Es bedurfte wiederum eines Anstoßes von außen, und wiederum war es Goethe selbst, der Bewegung in die Sache brachte. Im November 1825 ließ der Dichter Nagler über den sachsen-weimarischen Kanzler Friedrich von Müller wissen, wie sehr ihm an einer „preußischen Ausfertigung“ gelegen war. Nagler beeilte sich, Goethe zu beteuern, daß ihm die „Angelegenheit gewiß sehr am Herzen“ liege; gegenüber Müller betonte Nagler seinen „guten Willen“ und bat darum, eventuelle Wünsche Goethes mitzuteilen. So verfaßte Goethe am 25.  November eine neue Denkschrift („Geneigtest zu gedenken“). Darin wurde nicht nur das österreichische Privileg erwähnt, das „in bester Form mit größer Geneigtheit ausgefertigt worden sei“; es wurden auch die wichtigsten Wünsche an Preußen formuliert: er werde, wenn die förmliche Ausfertigung eines gleichen Privilegii …  nicht belieben, auch



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„eine bestimmt zusichernde, von den Herren Ministern des Inneren und des Äußeren vollzogene Eröffnung, dankbar“ entgegen nehmen. Inhaltlich wünschte Goethe ein Dokument, das sich auf ganz Preußen erstreckte, zeitlich unbegrenzt war und im Gesetzblatt veröffentlicht werden sollte. Diesen „sehnlichsten Wunsch“ (so Müller) Goethes unterstützte Nagler in seinem Bericht vom 30.  Dezember nachdrücklich: es sei ihm, Nagler, „ungemein daran gelegen …, daß meine eigen höchste Regierung nicht hinter dem Kaiserlichen Hofe zurückstehe“. 3. Das preußische Privileg Inzwischen war man in Berlin nicht untätig geblieben. Ein erster Bericht Naglers über die Anfrage aus Weimar hatte den Außenminister am 12.  Dezember zu einem Schreiben an den Innenminister veranlaßt; Bernstorff schlug abermals vor, man solle gemeinsam beim König ein Privileg beantragen. Jetzt hatte der Vorstoß beste Aussichten: die neue Beurteilung der Rechtslage in der Rheinprovinz ließ ein Privileg unentbehrlich erscheinen. Das Innenministerium folgte dem Antrag am 19.  Dezember und verwies zusätzlich auf die Unzulänglichkeiten der Regeln des Allgemeinen Landrechts, namentlich auf dessen Strafbestimmungen, die nichtpreußische Werke nur im Falle einer Privilegierung schützten, und überließ es dem Außenministerium, da dieses die besseren Kenntnisse von den Vorgängen in Frankfurt besitze, den gemeinsamen Bericht zu entwerfen. Das Außenministerium kam dem nach und entwarf zusätzlich den Text des Privilegiums. Der Text des gemeinsamen Berichts war zwar schon am 24.  Dezember unterschriftsreif, wurde aber noch einmal geändert und verließ die Ministerien erst am 31.  Dezember. Zwei Veränderungen fallen bei diesem Vorgang auf: zum einen wurden die Passagen, die die Einschätzung des Allgemeinen Landrechts betreffen, noch einmal neu formuliert; zum anderen wurde der vorgeschlagene Text des Privilegs vom Innenministerium durch einen eigenen ersetzt. Das Außenministerium hat einen knappen Entwurf geliefert, der sich im wesentlichen an der Abschrift eines am 13.  August 1825 für die Gebrüder Schott als Verleger mehrerer Werke Beethovens ausgestellten Privilegs orientiert; der Entwurf lautet6: 7

„Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preußen etc …“ Nachdem das von unseren Ministerien des Innern etc. und der auswärtigen Angelegenheiten über das Ansuchen des Großherzoglich Sachsen Weimarschen Staatsministers von Göthe um Ertheilung eines Privilegiums zum Schutz wider den Nachdruck 6  Die

folgenden Zitate nach GSPK I. HA Rep. 77 Tit.  338 Nr.  2.

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der für die gesammte Folge der von ihm beabsichtigten neuen und bereicherten Ausgabe seiner Werke Vortrag gehalten worden ist, ertheilen Wir hierdurch gern in Anerkennung der ausgezeichneten Verdienste des Nachsuchenden um die deutsche Literatur, demselben oder seinem rechtmäßigen Verleger auf den Zeitraum von zwanzig Jahren gedachtes ausdrückliches Privilegium kostenfrei und dergestalt: daß der Nachdruck und der Handel mit etwa auswärts unternommenem Nachdruck vorerwähnter neuer vollständigen Ausgabe der Götheschen Werke nicht blos in denjenigen Provinzen Unseres Staates, wo das allgemeine Landrecht zur Anwendung kommt, sondern auch in dem Rheinischen Lande, wo das französische Recht noch besteht, bei Vermeidung der Strafe, welche der Nachdruck inländischer Verlagsartikel nach sich zieht, untersagt seyn soll. Wir gebieten allen Unseren Unterthanen, danach sich zu achten. So gegeben …“

Dem Innenministerium gefiel dieser Vorschlag nicht, denn er wurde durch einen anderen ersetzt. Dieser von Schuckmann abgezeichnete in zwei Gesetzesvarianten enthaltene Entwurf hat folgenden Wortlaut: „Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc. Es ist Uns von Unseren Ministerien des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten das Ansuchen des Großherzoglich Sachsen Weimarschen Staats-Ministers von Göthe, um Ertheilung eines ausdrücklichen Privilegii zum Schutz wider den Nachdruck für die gesammte Folge der von ihm beabsichtigten neuen und bereicherten Ausgabe seiner Werke, so wie gegen allen Handel mit einem etwa auswärts unternommenem Nachdrucke dieser Schriften, vorgetragen worden. In Anerkennung der ausgezeichneten Verdienste des Nachsuchenden um die deutsche Literatur, erteilen Wir hierauf demselben, sowie seinen Erben und dem rechtmäßigem Verleger, auf den Zeitraum von 20 Jahren von der Zeit ab, wie diese neue Ausgabe zuerst in den Buchhandel gelangen wird, das gebetene ausdrückliche Privilegium stempel- und kostenfrei, dergestalt, daß Wir den Nachdruck und den Handel mit etwa auswärts veranstaltetem Nachdruck sowohl vorerwähntem vollständigen neuen Ausgabe der von Götheschen Werke, als wie auch einzelner Teile oder Auszüge daraus, in sämmtlichen Provinzen Unseres Staats, mithin nicht nur in denjenigen, wo die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten zur Anwendung zu bringen sind, sondern auch in denjenigen Landestheilen, wo das französische Recht oder andere Gesetzgebungen noch in Gültigkeit bestehen, hiermit ausdrücklich verbieten, und wollen, daß jede Entgegenhandlung dieses Privilegiums, welches dieser Ausgabe der Götheschen Werke vorzudrucken, oder nach seinem Inhalte auf oder hinter dem Titelblatte zu bemerken ist, zu den gesetzlich bestimmten Entschädigungs-Ansprüchen berechtigen und mit denjenigen Strafen belegt werden soll, welche der Nachdruck inländischer Verlags-Artikel und der Handel mit auswärts nachgedruckten Büchern nach sich zieht. Nach dieser Unserer Allerhöchsten Willensmeinung hat sich ein jeder Unserer Unterthanen den es angeht, in sonderheit aber sämmtliche Gerichte und PolizeiBehörden genau zu achten. So gegeben …  1826.“



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Die Verbesserungen des Wortlauts sind unverkennbar. Sowohl der Tatbestand des Nachdrucks wie die Vererblichkeit des durch das Privileg begründeten Rechts sind eingearbeitet. Damit war die Sache aber noch nicht zu Ende gebracht. Am 4. Januar 1826 wandte sich das Außenministerium noch einmal an den Innenminister. Bernstorff verwies auf den Bericht Naglers vom 30.  Dezember und stellte dem Innenminister anheim, „ob nicht mit Rücksicht auf die Willfährigkeit und Begünstigung, welche Herr von Göthe bei den anderen Staaten und namentlich bei Österreich, welches nach der in seinen Staaten über diesen Gegenstand zur Zeit noch bestehenden Gesetzgebung auf bei weitem größere Schwierigkeiten hat stoßen müssen, gefunden hat, die Dauer des diesseitigen Privilegiums ganz unbestimmt zu lassen oder doch auf eine sehr lange Zeit festzusetzen sein dürfte; sodann, ob nicht ebenfalls in der äußeren Form das Privilegium auf eine nicht minder ausgezeichnete Art, als es von Österreich geschehen, auszufertigen sei.“

Auch diese auf Nagler zurückgehenden Anregungen wurden noch berücksichtigt. Die nunmehr ausgefertigte gemeinsame Vorlage an den König trägt das Datum vom 23. Januar. Das am gleichen Tag unterzeichnete Privileg war nunmehr nach Form und Inhalt endgültig festgelegt. Es gewährte einen umfassenden, zeitlich nicht begrenzten Schutz in ganz Preußen. Da am 2. April 1826 in der preußischen Gesetz-Sammlung ein entsprechendes Publikandum erschien, war ein rechtliches Defizit nicht mehr zu befürchten. Die für Goethe bestimmte prachtvoll gestaltete Ausführung des Privilegs schickte Bernstorff am 28. Januar an Nagler, der es – vermutlich mit einiger Genugtuung – an Goethe weiterleitete. Zwei Schreiben begleiteten die Urkunde, zum einen eine amtliche Mitteilung (9.  Februar), zum anderen eine persönliche Glückwunschadresse (7.  Februar). Goethe bedankte sich bei Nagler in einem persönlich gehaltenen Brief (15.  Februar), indem es u. a. heißt: „Ew. Excellenz haben mich seit langem berechtigt von Ihrer wohlwollenden Thätigkeit alles zu hoffen und zu erwarten. In diesem betreff muß ich um Vergebung bitten, wenn ich auszusprechen genöthigt bin, daß die herrliche Sendung mich doch überraschte. Ein vollendetes Aeußere, ein entschiedenes Innere, das eine blendend für die Sinne, das andere dem Geiste mehr als genugthuend. Dagegen wollen mir Worte, denen ich sonst zu ziemlich gebieten kann, diesmal nicht zu Diensten stehen. So sey mir denn gegenwärtig nachgesehen, nur das Wenigste zu sagen und meine innigsten Dankgefühle durch diese Zeilen gleichsam nur durchblicken zu lassen; wobey ich noch die Bitte hinzufüge, ein, an Ihro Königliche Majestät zu richtendes allerunterthänigstes Danksagungsschreiben vorher geziemend mittheilen zu dürfen. Auch wünschte ich bestimmten Wink, ob die Absicht Beyfall verdiene, die ich hege, den beiden Herren Staatsministern Excellenzen, denen ich persönlich

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bekannt zu seyn das Glück habe, jedem insbesondere meine Schuldigkeit brieflich abzutragen. So dankbar und als vertrauend und angehörig gehorsamst J. W. von Goethe“

Daß Goethe dem preußischen Monarchen und den beiden Ministern Dankadressen zugeleitet hat, ist bekannt. Gern wird auch erwähnt, daß der Dichter das Prachtdokument bei passender Gelegenheit seinen Gästen gezeigt hat. Als der bayerische König ihm anläßlich eines Besuches das Großkreuz des Verdienstordens verliehen hatte, soll Goethe dem Berliner Verleger Parthey die preußische Urkunde vorgeführt und bemerkt haben: „Sehen Sie, das ist der beste Orden!“ So kommentierte der Dichter die Tatsache, daß das bayerische Privileg weit hinter seinen Wünschen zurückgeblieben war. VI. Neue Ansätze der preußischen Politik Die Vorgänge um das Privileg waren ein Test, mit dessen Hilfe Preußen die Haltung der übrigen Bundesstaaten in der Nachdruckfrage erproben wollte. Das Ergebnis war deutlich: es bestand noch keineswegs überall die Bereitschaft, „gleichförmige Verfügungen“ auszuhandeln; namentlich Württemberg und Bayern hielten am Privilegiensystem fest. So mußte Berlin einen anderen Ansatz wählen, um die Angelegenheit voranzutreiben. Noch im Laufe des Jahres 1826 begann das Außenministerium eine neue Kampagne: sie hatte zweiseitige Gegenseitigkeitsabkommen mit allen anderen Staaten des Deutschen Bundes zum Ziel. Dadurch erreichte man zweierlei: zum einen wurde das Netz der Wechselseitigkeit im Deutschen Bund enger, da auch andere Staaten eigene Initiativen zu zweiseitigen Abkommen ergriffen; und schließlich mündeten diese Aktionen in dem Beschluß der Bundesversammlung vom 6. September 1832, der die allgemeine Gegenseitigkeit festschrieb. Zum anderen gewann Preußen mittelbar Einfluß auf die jeweilige innere Gesetzgebung anderer deutscher Staaten; einige von ihnen begannen schon bald ihr eigenes Recht zum Schutz gegen den Nachdruck zu modernisieren. Damit eröffnete sich allmählich die Möglichkeit, das Urheberrecht von Bundes wegen wenigstens inhaltlich an gemeinsamen „Grundsätzen“ auszurichten7. Solche Grundsätze wurden am 7. November 1837 von der Bundesversammlung beschlossen und boten nun einen entscheidenden Anstoß für die weitere Modernisierung des Urheberschutzes in Deutschland. 8

7  Dazu näher Gieseke, Vom Privileg (Fn.  1) S.  227  ff.; im übrigen vgl. die einschlägigen Beiträge in: Elmar Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim u. a. 1996, sowie ders., Die Berliner „Grundzüge“ eines Gesetzentwurfes zum Urheberschutz. Ein gescheiterter Versuch im Deutschen Bund (1833 / 34), in: Werner Ogris / Walter H.  Rechberger, Gedächtnisschrift Herbert Hofmeister, Wien 1996, S. 673–693; auch in Wadle, Geistiges Eigentum II, S. 257–276.

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes Die Literatur über Goethe, sein Wirken und sein Werk füllt bekanntlich ganze Bibliotheken. Auch über das im Alter wachsende Talent des Dichters bei der Vermarktung seiner Texte gibt es zahlreiche Arbeiten. Goethes Erkenntnis, dass der Schutz gegen Nachdruck nicht nur für das Geschäft des Verlegers, sondern auch für das Geschäft mit dem Verleger hilfreich ist, wird gerne und häufig erwähnt. Wenn man freilich solche Zusammenhänge mit der dem Historiker (und Rechtshistoriker) geläufigen Genauigkeit zu ergründen sucht, stößt man immer wieder auf Gelände, das unzureichend vermessen ist. Dies gilt nicht zuletzt für die Privilegienaktion beim Deutschen Bund, die Goethe zur Verbreitung der Ausgabe „letzter Hand“ im Herbst des Jahres 1824 gestartet hat.1 An anderer Stelle ist schon versucht worden, solche Defizite zu verringern und Genaueres über die Kampagne am Bundestag zu ermitteln2; auch diese Arbeiten waren immer begleitet von dem Wissen um die Lücken, die es noch auszufüllen gilt. Heute soll versucht werden, ein weiteres Steinchen zum Gesamtmosaik hinzuzufügen: Es soll gehen um die Überlegungen und Wünsche des Dichters zum Nachdruckschutz in den Staaten außerhalb des Deutschen Bundes. 1  Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, der am 17.  Oktober 2003 auf dem Wiener Symposion zu Ehren von Werner Ogris gehalten worden ist, um die zahlreichen Anregungen zu würdigen, die der Geehrte zur rechtshistorischen Goetheforschung beigesteuert hat. 2  Vgl. Elmar Wadle, Die preußische Politik und Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes, Archiv für Geschichte des Buchwesens (AGB) 56 (2002), S.  147–161; auch in diesem Band S.  297  ff.; ders., Rechtsprobleme um Nachdruck und Geistiges Eigentum in Goethes Praxis, in: Karl Richter / Gerhard Sauder (Hgg.), Goethe: Ungewohnte Ansichten (= Annales Universitatis Saraviensis, Phil. Fak. Bd. 17), St. Ingbert 2001, S. 345–386; auch in: ders., Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte II, München 2003, S.  131–154, jeweils mit weiterführenden Hinweisen. Hervorzuheben sind außerdem: Karl Theodor Gaedertz, Preußens Privilegium für Goethes Werke, seine Gedichte und Korrespondenz, in: Bei Goethe zu Gaste, Leipzig 1900, S.  313–348; Heinz Fröbe, Die Privilegierung der Ausgabe „letzter Hand“ Goethes sämtliche Werke, Ein rechtshistorischer Beitrag zur Goetheforschung und zur Entwicklung des literarischen Urheberrechts, in: AGB II (1960), S. 187–229; Siegfried Unseld, Goethe und seine Verleger, Frankfurt a. M. 1991, bes. S.  479 ff.; Arthur-A. Wandtke, Goethe und das Urheberrecht, Archiv für Urheber-, Film-, Funkund Theaterrecht (UFITA) 2000 / II, S.  453–470.

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Da dem Deutschen Bund eine Reihe von Staaten angehörten, deren Gebiete über die Grenzen des Bundes hinausreichten, empfiehlt es sich, die anstehenden Fragen in zwei Etappen zu behandeln. In einem ersten Teil (II.) sollen die eben genannten Staaten erörtert werden; in einem zweiten Teil (III.) soll dann die Situation im übrigen, mithin im „richtigen“ Ausland zur Sprache kommen. Eine allgemeinere, aber kurze Einordnung des Befundes in die Entwicklung des grenzüberschreitenden Urheberrechts soll den Abschluss bilden (IV.). Zunächst jedoch erscheinen einige allgemeinere Bemerkungen zum Nachdruck und Nachdruckschutz im Zeitalter Goethes angebracht (I.). I. Die Diskussion um den Nachdruck begleitet Goethes Schriftstellerleben von Anfang an. So gut wie alle seine Schriften wurden nachgedruckt3. In den Anfängen traf es vor allem Bestseller wie „Werther“ oder „Goetz von Berlichingen“; später, als der Dichter berühmt war, druckte man auch weniger populäre Werke nach. Selbst Gesamtausgaben und Sammelwerke wurden zuerst von Verlegern präsentiert, die nicht von Goethe autorisiert worden waren. Ich erinnere vor allem an die frühen Werkausgaben, die in Biel, Berlin, Bern, Karlsruhe und Reutlingen herausgebracht wurden. Die Nachdruckerei mag in der Zeit vor 1815 im süddeutschen Raum besonders ausgeprägt gewesen sein; sie findet sich jedoch auch anderswo und nicht zuletzt außerhalb der Grenzen des Alten Reiches, die ja zugleich für die Grenzen des Deutschen Bundes maßgeblich werden sollten. Nachgedruckt wurde in der Schweiz und in den Niederlanden, vor allem aber im 3  Über die Nachdrucke von Werken Goethes bieten erste Informationen: Waltraud Hagen, Goethes Werke auf dem Markt des deutschen Buchhandels, in: Goethe Jahrbuch 100 (1983), S.  11–58; dies., Artikel „Nachdruck / Raubdruck“ in Goethe-Handbuch, Bd.  4, 2, Stuttgart / Weimar 1998, S.  740–743; Herbert G. Göpfert, Von Breitkopf zu Cotta – Zur Druckgeschichte von Goethes Werken, in: Buchhandelsgeschichte 1990, Beilage zum Buchhandelsblatt Nr. 76, S. B  90–B  114. Einzelheiten sind vor allem folgenden Werken zu entnehmen: Waltraud Hagen, Die Drucke von Goethes Werken, 2.  Aufl. Berlin / Weinheim 1983; Quellen und Zeugnisse zur Druckgeschichte von Goethes Werken, Teil 1: Gesamtausgaben bis 1822, Berlin 1966, Teil 2: Die Ausgabe letzter Hand, Berlin 1982, Teil 3: Die nachgelassenen Werke und die Quartalsausgabe, Berlin 1986, Teil 4: Die Einzeldrucke, Berlin 1984 (zitiert: Quellen und Zeugnisse I–IV); Goethes Werke, Weimarer Sophienausgabe Abt. IV: Briefe, Weimar 1887 ff. (zitiert: WA IV mit Bandzahl); Goethe und Reinhard, Briefwechsel in den Jahren 1807–1832, Wiesbaden 1957, Goethe und Cotta, Briefwechsel 1797–1832. Textkritische und kommentierte Ausgabe in drei Bänden, hg. von Dorothea Kuhn (Veröffentlichungen der deutschen Schillergesellschaft Bde. 31, 32, 33 / 1 u. 33 / 2), Stuttgart 1979–1983 (zitiert: Kuhn I, II, III).

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linksrheinischen Deutschland, das Napoleon nach dem Frieden von Lunéville (1801) in seinen Herrschaftsbereich eingefügt hatte. Nach dem Wiener Kongress hat sich an diesen Verhältnissen nicht viel geändert. Goethes Werke wurden weiterhin nachgedruckt. Wie der Nachdruck selbst überdauerte auch die Diskussion um seine rechtliche Zulässigkeit die politischen Umbrüche um die Wende vom 18. zum 19.  Jahrhundert4. Der Untergang des Alten Reiches unter dem Einfluss der Französischen Revolution, aber auch die Kurzfristigkeit des napoleonischen Imperiums haben die Suche nach einem effektiven Schutz gegen den Nachdruck nicht gerade beflügelt. Freilich gab es eine bemerkenswert grundsätz­ liche Diskussion und sogar einige Ansätze zur praktischen Umsetzung. Zu erinnern ist an die Gesetzgebung einzelner Territorialstaaten wie Sachsen, Preußen oder Baden; zu erwähnen sind aber auch die Versuche anlässlich der Wahlkapitulationen der Jahre 1790 und 1792 reichsrechtliche Grundsätze gegen den Nachdruck zu formulieren5. Ähnliche, allerdings zaghaftere Pläne wurden anlässlich der Konferenz der Rheinbundfürsten in Erfurt (1809) diskutiert; an diesen Plänen hat sich zunächst auch Goethe beteiligt, der Dichter zog sich jedoch bald wieder in seine Klause zurück6. Neue Impulse gingen erst wieder vom Wiener Kongress aus, nachdem es einer Delegation deutscher Buchhändler gelungen war, das Nachdruckproblem in der Deutschen Bundesakte als Aufgabe für die Zukunft zu verankern. Der erste Anlauf der Bundesversammlung zu einem einheitlichen Regelwerk verlief aber bekanntlich Anfang der 20er Jahre im Sande7. Alle diese Unternehmungen dürften Goethe nicht unbekannt geblieben sein, beteiligt hat er sich an ihnen – sieht man von seinem anfänglichen Engagement in Erfurt einmal ab – aber nicht. Er überlies die praktischen Probleme des Nachdrucks seinen Verlegern, die sich auf ihre Weise der Konkurrenz zu erwehren suchten, sei es durch Preisnachlässe, sei es durch neu zugeschnittene Auflagen oder auch durch die Privilegierung von einzelnen Ausgaben. 4  Einen Überblick bietet vor allem Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Göttingen / Baden-Baden 1995, S.  157 ff. 5  Dazu eingehender jetzt: Steffen-Werner Meyer, Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, Anlässlich der Wahlkapitulation Leopolds II. aus dem Jahre 1790 (= Rechtshistorische Reihe Bd.  291), Frankfurt a. M. 2004. 6  Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S.  142 f. 7  Ludwig Gieseke, Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, UFITA (1999), S. 117–151; Elmar Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819 – Näheres zur Haltung einzelner deutscher Bundesstaaten, ebenda, S.  153–181; auch in: ders., Geistiges Eigentum  II (Fn.  2) S. 221–239.

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Erst im Zuge der Vorbereitung der Ausgabe „letzter Hand“ gab Goethe seine eher passive Haltung auf: er ersuchte – wie er im Januar 1825 schreibt8 – die Bundesversammlung „um ein Privilegium … in der Voraussetzung, dass die höchsten Herrscher dasjenige was sie sonst wohl einzelnen verliehen auch jetzt zusammen gewähren und einen Akt verbündeter Souveränität dadurch auszusprechen geneigt seyn möchten“.

Goethes Erwartungen wurden nur zum Teil erfüllt; die Bundesversammlung sah sich nicht in der Lage, ein Privileg zu erteilen, sondern begnügte sich mit der Empfehlung an die deutschen Staaten und Städte, jeweils eigene Privilegien zu gewähren. Die einzelnen Regierungen reagierten nun in unterschiedlicher Weise. Einige erteilten ein Privileg, ohne ein besonderes Gesuch Goethes abzuwarten. Andere legten gerade auf ein solches Gesuch großen Wert, zum Teil verlangten sie auch zusätzliche Informationen über das Vorhaben des Dichters. Unterschiedlich war auch der Zuschnitt der einzelnen Privilegien. Es gab inhaltliche Differenzen, vor allem im Blick auf den Umfang und die Dauer des Schutzes. So interessant ein genauerer Vergleich wäre, auf ihn muss hier verzichtet werden. Denn für unser Thema ist nur die Frage nach dem Geltungsgebiet von Belang. Sie ist überall dort schnell beantwortet, wo ein Staat mit seinen gesamten Territorium zum Deutschen Bund gehörte. Nicht so selbstverständlich war die Antwort in den Fällen, wo ein Souverän nur mit einem Teil seines Herrschaftsgebietes dem Deutschen Bund angehörte. Hier musste die Frage beantwortet werden, ob der Privilegienschutz auch die bundesfernen Gebiete dieser Staaten erfassen sollte. Das war besonders dann bedeutsam, wenn in diesen Gebieten eine vorwiegend deutschsprachige Bevölkerung lebte, die potentielle Leser und Kunden der neuen Goetheausgabe erwarten ließ. II. In dieser Situation befanden sich Dänemark wegen des Herzogtums Holstein und das um diese Zeit noch ungeteilte, also das spätere Belgien mitumfassende Königreich der Niederlande wegen des Großherzogtums Luxemburg, ferner die beiden Hauptmächte des Deutschen Bundes, Österreich und Preußen. Diese vier Staaten haben bemerkenswerte Entscheidungen zum Geltungsbereich des Schutzbriefes getroffen. 1.  Dänemark entsprach als erster Staat den Wünschen Goethes, ohne ein besonders Gesuch abzuwarten. Bereits am 6. Mai erteilte die Kopenhagener 8  So im Schreiben an Friedrich von Gentz v. 7.  Januar; ähnliche Formulierungen in zahlreichen anderen Briefen der Zeit; man vgl. etwa WA IV 39, S. 3, 85, 89, 113, 125, 127.

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Regierung Privilegien „nicht nur für die Herzogthümer Holstein und Lauenburg, sondern auch für das nicht zum teutschen Bunde gehörende Herzog­ thum Schleswig, in welchem ebenfalls teutsche Buchdruckereyen bestehen“9. Darüber hinaus untersagten die dänischen Privilegien auch den Vertrieb solcher Nachdrucke, die in anderen Staaten hergestellt worden waren. Goethe war „auf’s Angenehmste“ überrascht10, und dennoch nicht ganz zufrieden, denn er fügte in seinem Dankschreiben an den dänischen Bundestagsgesandten die Hoffnung an, „… daß Ew. Excellenz die bisher erwiesene Geneigtheit auch auf die Folge zu erstrecken geruhen möchten, so darf ich glauben, daß solche sich auch auf die meinigen, als die eigentlich in diesem Falle Begünstigen ausdehnen werde; wie denn ebnermaßen mein dankbares Gefühl auf meine Familie übergehen und bis in späte Zukunft sich in ihr lebendig erhalten muß.“

Goethe hatte offenbar den Eindruck gewonnen, dass die gewährten Privilegien sich allzu stark auf seine eigene Person beschränkten. Immerhin bleibt festzuhalten, dass die dänischen Privilegien mit Schleswig ein außerhalb des Deutschen Bundes liegendes Gebiet erfassten. 2.  Die Tatsache, dass der Schutz durch ein „besonderes Document“ auf Schleswig, „das mit dem Deutschen Bunde in keinem Verhältniß steht“, ausgedehnt wurde, brachte Goethe wohl auch auf den Gedanken, im Vereinigten Königreich der Niederlande Entsprechendes zu beantragen. Im Brief an den Weimarischen Gesandten von Beust fragt er nach11): „Sollte man wohl bei ihre Majestät dem König der Niederlande ein Privilegium für Höchstdero sämmtliche Staaten zugleich mit dem für das Großherzogthum Luxemburg erbitten dürfen? Vielleicht sondiren Hochdieselben bei des Herrn von Grünne Excellenz, ob man mit dergleichen Gesuch hervortreten dürfe; ich würde mich sodann an denselben unmittelbar wenden und eine frühere aus persönlicher Bekanntschaft entsprungene Gewogenheit bescheidentlich in Anspruch nehmen.“

Goethe musste im Falle der Niederlande länger auf Antwort warten. Im Dezember 1825 stellt er fest12: „…  von Brüssel her habe ich noch nichts vernommen. Da die Ausdrücke meines Schreibens allgemein sind, weder Luxemburg besonders, noch das ganze König9  Schreiben des Grafen F. von Eyben, des dänischen Gesandten am Bundestag v. 30.  Juni 1825, WA IV 39, S.  367 (Anm. zu Nr.  217). – In Dänemark gewährte seit 1741 eine königliche Ordonnanz Schutz gegen Nachdruck; dieser Schutz wurde –  vermutlich durch Goethes Gesuch angeregt – 1828 auf Angehörige ausländischer Staaten ausgedehnt; sofern Gegenseitigkeit gewährt war; dazu vgl. Edouard Romberg, Compte rendu des travaux du Congrès de la propriété littéraire et artistique, tome II, Bruxelles / Leipzig / Paris / Londres 1859, S. 139 ff. 10  Goethe an von Eyben v. 8. Juli 1825, WA IV 39 Nr.  217, S.  243 f. 11  Brief v. 22. Juli 1825, WA IV 39 Nr. 230, S.  255 f. 12  Brief an von Beust v. 18.  Dezember 1825, WA IV 39 Nr.  159, S.  176 ff. (hier S.  178).

326 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes reich überhaupt ansprechen, so wäre die Frage: ob seine Excellenz Herr Graf von Grünne, dem ich mich angelegentlichst zu empfehlen bitte, vielleicht in die Sache, wie sie schwebt, gefällig einwirken wollten. Wäre das Privilegium auf das Königreich nicht zu erlangen, so würde man wenigstens wegen Luxemburg beruhigt.“

Im Februar des folgenden Jahres weiß Goethe lediglich zu berichten, des königlich-niederländischen Privilegs solle „in den Zeitungen gedacht seyn“13. Die Meldungen trafen auch zu. Das Staatsblad hatte den könig­ lichen Beschluss vom 25. Januar 1826 verkündet, der den Nachdruck der Werke Goethes im Großherzogtum Luxemburg verbietet14: „WIJ WILLEM, BIJ DE GRATIE GODS, KONING DER NEDERLANDEN, PRINS VAN ORANJE-NASSAU, GROOT-HERZOG VAN LUXEMBURG, enz., enz., enz. Gezien Ons Besluit van den 18 April 1825 nº 137, waarij onder anderen, Onze Minister van buitenlandsche Zaken ist gemagtigd om door Onzen gezant bij de Duitsche Bondsvergadering, voor zoo ver het Groot – Hertogdom Luxemburg betreft, te doen toetreden tot hetgeen aanvankelijk mogt worden beslist in het belang van den dichter von Göthe, die bij gemelden bondsdag een uitsluitend privilegie verzocht heeft tegen het nadrukken, in de Duitsche Staten, eener oorspronkelijke en volledige uitgave uijner werken: Gelet op hetgeen deswege bij de gemelde Bondsvergadering is verbandeld en besloten; – alsmede op het verzoek nader aan Ons ingediend door den heer von Göthe voornoemd; Gezien de rapporten van de Departementen van Buitenlandsche Zaken, van Justitie en van Binnenlandsche Zaken, van den 25  October/3 November 1823, nº 45/100 en van den 31 December 1825/12 en 18 Januarij 1826, nos. 34, 42, 64; Willende, als Groot-Hertog van Luxemburg, so zooverre dat landschap in deszelfs betrekking tot het Duitsch verbond betreft, mede werken tot het waarborgen van den heer von Göte, tegen eenen mogelijken nadruk in de Duitsche Staten, eener eerlang te verschijnen volledige uitgave zijner werken, Hebben besloten en besluiten: Art. 1. Het regt van kopij of kopijëren door den druk der oorspronkelijke uitgave der dichtwerken van den heer von Göthe, zahl voor zooveet Ons Groot-Hertogdom Luxemburg aangaat, uitsluitend aan dien dichter of zijne regtverkrijgenden verblijven. 2. Alle inbreuk op het voorz. kopijregt, hetzij bij eene eerste uitgave, hetzibij herdruk, zal als nadruk aangemerkt en als zoodanig gestraft worden met confiscatie van alle, binnen Ons Groot-Hertogdom Luxemburg voorhanden zijnde onverkochte exemplaren van den nadruk, alsmede met betaling aan den eigenaar van 13  Brief

an von Beust v. 15.  Februar 1826, WA IV 40 Nr.  236, S.  297. van het jaar 1826 Nr.  3, zitiert nach: Staatsbladen van het Koningrijk der Nederlanden over de Jaren 1813–1840, Gouda / Arnheim 1841, S. 613; eine Kurzfassung findet sich bei B. van den Velden, Over hat Kopij-Regt in Nederland, ’s Gravenhage 1835, S.  92. 14  Staatsblad

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  327 het regt, van het regt, van de waarde van twee diuzend exemplaren van het nagedrukte boek, te berekenen naar den boekverkoopers prijs van den wettigen druk, en zulks behalve de betaling eener boete, niet te boven gaande de som van duizend guldens, en niet minder dan honderd, ten behoeve van de algemeene armen van de woonplaats des nadrukkers; en zahl de nadrukker bovendien, ingeval van herhaald misdrijf, en naar gelang der omstanigheden, onbekwaam kunnen worden verklaard om, in het vervolg het beroep van boek of kunstdrukker of verkooper te kunnen uitoefenen; alles onvermindered de bepalingen en straffen, welke tegen vervalsching bij de algemeene wetten zijn of mogten worden gestatueerd. Op dezelfde wijze als hierboven is bepaald zahl worden gestraft het invoeren, verspreiden of verkoopen in het Groot-Hertogdom Luxemburg van de bovengemelde werken, welke buiten hetzelve mogten worden nagedrukt. 3. Alle actien, welke uit dit Ons Besluit mogten voortvloeijen, behooren tot de kennis van den gewonen regter: Onze Ministers van Binnenlandsche Zaken en van Justitie, zijn belast met de uitvoering dezes, welke in het Staatsblad zal worden gedrukt, en waarvan een afschrift, door de zorg van het Departement van Buitenlandsche Zaken, den heer von Göthe zal worden toegezonden. Gegeven de ’s Gravenhage den vijf en twintigsten Januarij des jaars 1826, en van Onze Regering het Dertiende. Willem. Van wege den Koning, J. G. De Mey van Streefkerk, De Secretaris van Staat, J. G. De Mey van Streefkerk Uitgegeven den eersten Februarij 1826“.

Mit dieser Entscheidung wurde das im Großherzogtum geltende Recht in einem wichtigen Punkt zugunsten Goethes durchbrochen. Das im Erlass erwähnte niederländische Gesetz von 1817, das auch im Großherzogtum galt, gewährte nämlich Schutz nur für Werke, die im Inland gedruckt wurden und einen im Inland wohnenden Editeur aufwiesen; insoweit behielt das Gesetz das ältere französische Recht bei, das im Königreich der Niederlande nach dessen Errichtung weitergegolten hatte15. 15  Staatsblad van 1817 Nr. 5, vgl. Staatsbladen (Fn. 14), S. 276. – Zur zeitgenössischen Geschichte des Nachdruckschutzes im Königreich der Niederlande: Einzelheiten bei van den Velden, Kopij-Regt (Fn.  14) und Romberg, Compte rendu II (Fn.  9), S. 110 ff., 192 ff.; Ch. F. M. Eisenlohr (Hg.), Sammlung der Gesetze und internationalen Verträge zum Schutze des literarisch-artistischen Eigenthums in Deutschland, Frankreich und England, Heidelberg 1856, S.  33 ff. – Im Übrigen vgl. man Victor Cappellemans, De la propriété littéraire et artistique en Belgique et en France, Bruxelles / Paris 1854, bes. S. 88 ff., 257 ff.; Paul Wauwermans, Le droit des auteurs en Belgique, Bruxelles 1894, bes. S.  46 ff., 50 ff.; Barbara Dölemeyer, Urheber- und Verlagsrecht, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Lite-

328 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

Goethes Hoffnungen auf einen weiterreichenden, auch die übrigen Teile des Königreichs erfassenden Schutz blieben unerfüllt. Wie misslich das werden sollte, wird noch zu zeigen sein. 3.  Wichtiger für Goethe war der Schutz in anderen, weit über die Grenzen des Deutschen Bundes hinausragenden Staaten, nämlich in Österreich und Preußen. Mit Österreich hatten Goethe und seine Verleger keine guten Erfahrungen gemacht. Da die Habsburger-Monarchie ausländischen Verlegern den Schutz gegen Nachdruck grundsätzlich verweigerte, mussten Goethes Verleger mit ihren österreichischen Kollegen besondere Arrangements treffen16. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wenn Cotta in einem Brief vom 12. April 1825 nicht sehr freundlich über Österreich spricht17: „Diß bleibt immer der gefährlichste Feind, wenn nicht Allem Nachruk dort gesteuert wird und wie manche Rücksicht hibei zu nemen, zeigt die Original Anlage, die ich eben erst erhielt, aber natürlich abschlug –  /  /  Was ich bei dieser Ausgabe erzielen wollte, den Nachruk abzuhalten, müßte nur durch ein Privilegium bewirkt werden – und ich wünschte nun, daß Sie hiefür aufs baldste die nöthigen Schritte in Verfolg der Zusichrung des Öster. Gesandten am Bundestag machen möchten, damit das dortige Nachdruker Gesindel nicht den Markt verderbe.“

Bei der Originalanlage, die Cotta erwähnt, handelt es sich um den Vorschlag seines Wiener Geschäftspartners Armbruster, „das schwer erworbene Verlagsrecht auf Goethes Werke in Österreich auch fernerhin zu behaupten“; es geht dabei um die von Cotta mit Armbruster verabredete sog. „Wiener Original-Ausgabe der Goetheschen Werke“; sie war einige Jahre zuvor erschienen und drohte nun auszugehen, was nach Ansicht Armbrusters dazu führen könnte, dass andere österreichische Verleger zum Nachdruck greifen würden18. Zum Verständnis sei noch hinzugefügt, dass diese Wiener Originalausgabe zu einer Verstimmung zwischen Goethe und Cotta geführt hatte, denn Goethe konnte sich an die ursprünglich erteilte Zustimmung zu diesem Verfahren später nicht mehr erinnern und war sehr erbost, als er in einer Karlsbader Buchhandlung auf die „Wiener Ausgabe“ stieß. Cotta war deshalb nur konsequent, wenn er Goethe vorschlug, man solle die in seinem Haus erscheinende Ausgabe „letzter Hand“ durch ein österreichisches Privileg absichern. ratur der Neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, III.  Bd.: Das 19.  Jahrhundert, 3.  Teilband, München 1986, S.  3955–4066, hier bes. S.  3973 ff., 3979 ff. 16  Vgl. Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn. 2), S. 137 ff. Zur Rechtslage allgemein vgl. Dölemeyer, Handbuch (Fn.  15), S.  4037 ff., auch Romberg, Compte rendu II (Fn.  9), S.  63 ff., bes. S.  66 f., 76 ff.; Eisenlohr, Sammlung (Fn.  15), S. 10 ff. 17  Kuhn II 120 ff. (hier S. 121); auch Quellen und Zeugnisse II Nr. 386, S. 1825. 18  Wie Fn.  17. – Zur Verstimmung zwischen Goethe und Cotta im Jahre 1823 vgl. Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S.  140.

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  329

Goethe bedurfte dieses Hinweises nicht; er hatte um diese Zeit auf Anraten des preußischen Bundestagsgesandten von Nagler schon längst Kontakte zu einflussreichen Wiener Persönlichkeiten aufgenommen und Briefe geschrieben an Friedrich von Gentz, an den Präsidialgesandten von Münch Bellinghausen und nicht zuletzt an Fürst Metternich19. Auch Nagler selbst war Goethe zu Diensten, indem er seinen Aufenthalt in Wien im Sinne des Dichters nutzte. Bei alle diesen Kontakten war noch nicht die Rede vom räumlichen Zuschnitt eventueller Privilegien; denn Goethe ging zu diesem Zeitpunkt – also im Januar 1825 – noch davon aus, dass der Bundestag, „der Verein aller deutschen Souveränitäten … als Gesamtheit“ ein Privilegium erteilen könne; durch einen solchen „Ackt verbündeter Souveränität“ könne der „Schutz gegen Nachdruck in allen Bundesstaaten“20 gesichert werden. Nachdem am 24. März 1825 die erwähnte Übereinkunft in der Bundesversammlung getroffen worden war, stand aber fest, dass nur Einzelprivilegien zu erwarten waren. Als die ersten Schutzbriefe einliefen, registrierte Goethe den unterschiedlichen zeitlichen Zuschnitt des Schutzes und, seit dem erwähnten Privilegium aus Kopenhagen, wohl auch die möglichen Differenzen in territorialer Hinsicht. Da Wien sich nicht rührte, wandte er sich am 11. September 1825 nochmals an Gentz21; er verwies auf den geplanten Vertrag mit Cotta und äußerte den Wunsch, „dass die Angelegenheit des mir huldvoll zu ertheilenden Privilegiums abgeschlossen werde, indem gedachter Contrakt und die daraus entspringenden Vortheile bloß hierauf gegründet werden können“. Goethe bat Gentz deshalb um „geneigte Vermittlung“ bei Metternich und dem Präsidialgesandten Münch. Goethe konnte nicht ahnen, dass in diesem Zeitpunkt in Wien die Entscheidung bereits gefallen und eine Nachricht Metternichs – sein Brief trägt das Datum 6. September – unterwegs war. Der Hof war den Vorschlägen gefolgt, die Metternich am 23. Mai unterbreitet hatte; am 8. August hatte der Kaiser das Privileg unterzeichnet22: „Wir Franz der Erste von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König zu Jerusalem, zu Hungarn, Beheim, der Lombardie und Venedig, zu Dalmazien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illirien; Erzherzog zu Oesterreich, Herzog 19  Hierzu

und zum Folgenden: Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S. 120 ff. die Formulierungen aus dem Schreiben vom 7. Januar 1825 an Gentz (WA IV, 39, Nr.  61, S.  73) und dem Gesuch an die Deutsche Bundesversammlung v. 11.  Januar 1825 (WA IV, 49, Nr.  68, S.  85). – Die Briefwechsel Goethes mit Gentz und Metternich sind auch enthalten in: August Sauer (Hg.), Goethe und Österreich, Briefe mit Erläuterungen, 1.  Theil (= Schriften der Goethe-Gesellschaft 17.  Bd.), Weimar 1902. 21  Schreiben v. 11. September, WA IV 40 Nr. 43, S. 45 ff., hier S. 46. Zu den Vorgängen in Wien vgl. man im Übrigen Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn. 2), S. 150 f. 22  Nach einer Abschrift aus dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem, I.  Hauptabteilung 75 A Nr.  601 fol. 54–55; ebenso III.  Hauptabteilung 2.4.1. Nr.  18639 fol.  33–34. 20  So

330 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes zu Lothringen, Salzburg, Steier, Kärnthen, Krain, Ober- und Niederschlesien, Großfürst in Siebenbürgen, Markgraf in Mähren, gefürsteter Graf zu Habsburg und Tirol pp: Bekennen öffentlich mit dieser Urkunde: es habe uns der großherzoglich-SachsenWeimarische Staats-Minister Johann Wolfgang von Goethe unterthänigst angezeigt, daß er eine neue Auflage seiner sämmtlichen literarischen Werke zu veranstalten gesonnen sey, hierbey aber einen seinen großen Auslagen schädlichen Nachdruck besorge, zu dessen Verhüthung er um Verleihung eines Druck-Privilegiums in unseren Staaten bittet – Da Wir nun den ausgezeichneten Werth dieser literarischen Producte in gnädigste Erwägung gezogen haben, und geneigt sind, Jedermann die Früchte seiner Arbeit und Unkosten genießen zu laßen und in dem Genusse derselben zu schützen, so haben wir Uns gnädigst entschlossen, demselben das angesuchte Druck-Privilegium für den ganzen Umfang der Oesterreichischen Monarchie gegen dem zu ertheilen, dass der von Uns aufgestellten Censur vorbehalten bleibe, gegen einzelne Bände oder gegen das ganze Werk selbst, ungeachtet dieses Druck-Privilegiums, nach dem Geiste Unserer allerhöchsten Verordnungen vorzugehen. Unter dieser Beschränkung und Bedingniß ertheilen Wir dem Großherzogl. Sachsen-Weimarischen Staats-Minister Johann Wolfgang von Goethe, seinen Erben und Zessionarien kraft dieser Urkunde die Freyheit, die von ihm veranstaltete neue Auflage seiner sämtlichen Werke in dem ganzen Umfange der österreichischen Monarchie ausschließend ausgeben und verkaufen zu lassen. Wir verordnen demnach, daß Niemand ohne eine ausdrückliche Einwilligung die neue Auflage seiner sämmtlichen Werke, weder unter diesem noch unter einem anderen Titel nachdrucken oder verkaufen solle; dessen sich dann Jeder nicht nur bey Verlust der Exemplarien und des hierzu vorbereiteten Materials, welches alles zum Nutzen des Staats-Ministers Johann Wolfgang von Goethe zu verfallen hat, sondern auch bey Unserer allerhöchsten Ungnade und einer Geldstrafe von hundert Ducaten in Gold enthalten soll, welche letztere in jedem Falle zu erlegen seyn, die eine Hälfte Unserem Aerarium, die andere aber dem Staats-Minister Johann Wolfgang von Goethe oder seinen Erben und Zessionarien zufallen und unnachsichtlich durch das im Lande, wo die Uebertretung geschehen ist, aufgestellte Fiscalamt eingetrieben, dieses Privilegium aber andern zur Warnung dem Werke selbst vorgedruckt werden soll. – Dieß meinen Wir ernstlich. Zur Urkunde dieses Briefes besiegelt mit unserem Kaiserlichen, Königlichen und Erzherzoglichen anhangenden größeren Insiegel. Der gegeben ist in Unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, am dreiundzwanzigsten Monatstage August, im achtzehnhundert und fünfundzwanzigsten, Unserer Reihe im vierunddreisigsten Jahre. Franz Franz Graf von Saurau Oberster Canzler C. Graf Chotek Hofkanzler Nach seiner K. K. Majestät selbst eigenem Befehle Franz Joseph Graf v. Guimardi[?]“

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  331

Der österreichische Schutzbrief gewährte den Schutz „nicht nur für die zum Deutschen Bundes gehörigen Provinzen,  …“, sondern erstreckte ihn auch „auf den ganzen Umfang der österreichischen Monarchie“. Genau diesen Zuschnitt hatte Metternich auch beantragt. Sein Votum formuliert unter Hinweis auf die bereits getroffene Übereinkunft im Bundestag die Gründe in lapidarer Weise23: „Von Eurer Majestät allerhöchsten Beschlußfassung hängt es nun lediglich ab, ob der Bittsteller sich der von ihm nachgesuchten Begünstigung auch in der österreichischen Monarchie, und zwar zur Verhinderung jeder an sonst zu befürchten Paralysierung des ihm zugedachten Vortheils, nicht mit Beschränkung auf die zu dem deutschen Bund gehörigen Provinzen, zu erfreuen haben wird,  …“

Goethe scheint durch den räumlichen Zuschnitt des Schutzes überrascht worden zu sein; er pries nicht nur die Großzügigkeit der Privilegierung, die sein Verleger als „Hauptbase“ der neuen Ausgabe betrachtete24, sondern nutzte die Erstreckung des Schutzes auf die Gebiete außerhalb des Bundes dazu, an Preußen ein entsprechendes Ansinnen zu richten. 4.  Schon wenige Tage nach dem Eingang der Nachricht Metternichs bedankt sich Goethe auch bei Nagler25 und hoffte, „… daß diese Angelegenheit auch von Seiten des allerhöchsten preußischen Hofes zu einer gedeihlichen Endschaft geführt werde.“ Deutlicher wird Goethe in einem pro memoria, das er am 25.  November Nagler übersendet26; hier heißt es: „Das k.k. österreichische Privilegium lautet auf die sämmtlichen Länder der Monarchie; ein gleiches wünscht man von allerhöchster königlich preußischer Seite, besonders da, ungeachtet der vorhandenen Gesetze, von Köln aus hie und da Nachdrücke cursiren.“

Der Hinweis auf die Probleme um die Kölner Nachdrucke war berechtigt; obgleich sie mit einer Erstreckung des Schutzes auf die Gebiete außerhalb des Deutschen Bundes nichts zu tun hatten, so zeigt er doch an, warum Berlin seine Zögerlichkeit bei der Privilegienerteilung überwinden konnte. 23  Das erste Zitat nach dem Dankschreiben Goethes an Metternich v. 17. September 1825, WA IV 40 Nr.  56, die nachfolgende Passage ist der Vorlage Metternichs v. 23.  Mai 1825 entnommen; sie ist abgedruckt bei Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S.  153. 24  So die Entwürfe v. 16.  September 1825 zum Vertrag mit Cotta, WA IV 40, S.  371 (Anm. zu Nr.  59); auch Kuhn II, S.  134 ff. (Nr.  499). 25  Schreiben an Nagler v. 18. September 1825, WA IV 40 Nr.  58, S.  67. Zur Frage der Anwendbarkeit des rheinisch-französischen Rechts vgl. man etwa Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S.  126 ff. 26  WA IV 40 Nr.  129, S.  137.

332 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

Im schließlich erteilten Schutzbrief ist von den Grenzen des Bundesgebietes bezeichnenderweise gar nicht mehr die Rede: Die Formel lautet nun27: „… wir … ertheilen … das Privilegium …, dergestalt, daß Wir den Druck und den Handel mit etwa auswärts veranstalteten Nachdrücken sowohl vorerwähnter vollständigen neuen Ausgabe der von Goetheschen Werke, als wie auch einzelner Theile oder Auszüge daraus, in sämmtlichen Provinzen Unseres Staats, mithin nicht nur in denjenigen, wo die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten zur Anwendung zu bringen sind, sondern auch in denjenigen Landestheilen, wo das französische Recht oder andere Gesetzgebungen noch in Gültigkeit bestehen, hiemit ausdrücklich verbieten, und wollen, daß jede Entgegenhandlung dieses Privilegiums, welches dieser Ausgabe der Goetheschen Werke vorzudrucken oder nach seinem Inhalte auf oder hinter dem Titelblatte zu bemerken ist, zu den gesetzlich bestimmten Entschädigungs-Ansprüchen berechtigen und mit denjenigen Strafen belegt werden soll, welche der Nachdruck inländischer Verlags-Artikel und der Handel mit auswärts nachgedruckten Büchern nach sich zieht.“

Der Sache nach waren damit die nicht zum Deutschen Bund zählenden preußischen Ostprovinzen einbezogen, denn in ihnen hatte das ALR schon immer gegolten. III. Schauen wir nun auf das „richtige“ Ausland, namentlich auf jene drei Staaten, in denen einzelne Werke Goethes schon vor 1815 nachgedruckt worden waren; es handelt sich um Frankreich, die Schweiz und die Niederlande. 1.  Auf französischem Staatsgebiet sind vor allem auf dem annektierten linken Rheinufer zahlreiche Nachdrucke erschienen. Neben Drucken in Mainz (1788 Egmont) und Bonn (1801 Herrmann und Dorothea) war vor allem der Kölner Buchhändler Spitz als Nachdrucker hervorgetreten; bereits 1810 ließ er Herrmann und Dorothea erscheinen, 1814 folgten Faust und Goethes Gedichte. Im übrigen Frankreich sind nur wenige Nachdrucke nachzuweisen28. Ein erster Hinweis findet sich in einem Brief, den Graf von Reinhard, der Goethefreund, der zu dieser Zeit als Vertreter Frankreichs bei der Bundesversammlung fungierte, am 7.  Januar 1826 an den Dichter geschrieben hat29. Hier heißt es: 27  Zitiert nach Gaedertz, Preußens Privilegium (Fn. 2), S.  330 f.; auch bei Fröbe, Privilegierung (Fn.  2), S. 227. 28  Hagen, Drucke (Fn.  3), Nrn.  26, 58, 101, 181, 191, 240–241, 314, 321, 372– 373, 391a, 421. 29  Brief v. 7.  Januar 1826, zitiert nach WA IV 40 Anm. zu Nr.  211, S.  447; auch in: Goethe und Reinhard, Briefwechsel (Fn.  3), Nrn.  153–339 ff.

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  333 „Graf Beust hat mir Ihre beiden Briefe mitgeteilt, aus denen ich den Stand der Privilegienverhandlung mit den deutschen Bundesstaaten ersehe. Er fragte mich bei dieser Gelegenheit, ob vielleicht wegen eines möglichen Nachdrucks in Straßburg Vorkehrungen zu treffen sein möchten. Ich glaube nein, es träte denn der Fall ein, daß ein solcher Nachdruck wirklich zu besorgen wäre. An der Spitze des straßburgischen Buchhandels stehn zwei sehr rechtliche Häuser, die Häuser Levrault und Treuttel und Würtz. Diese würden ein solches Nationalvergehn nicht nur sich selbst nicht zuschulden kommen lassen, sondern auch bei andern dagegenwirken. Geschäh es aber dennoch, so würden sich immer zeitig genug noch Maßregeln nehmen lassen. Auf diesen Fall wäre ein auf die ganzen Niederlande sich ausdehnendes Privilegium ein vortreffliches précédent weil dadurch der Weg gezeigt werden würde, auf welchem die in Frankreich, wie in jenem Lande, vorwaltenden Schwierigkeiten sich beseitigen ließen. denn in beiden Reichen würde das Recht, durch eine bloße Ordonnanz zu verfügen, bestritten werden können, oder wenigstens die Ausübung Bedenklichkeiten bei den Regierungen selber finden; und bis zu den gesetzgebenden Behörden hinaufzusteigen, würde, ohne dringende Notwendigkeit, nicht wohl ratsam sein. Bedenken Sie, was entstehn würde, wenn zu unsern andern Zerwürfnissen, wie die Schweizer sagen, auch noch Debatten über Romantiker und Klassiker auf die Tribüne kämen.“

Man darf annehmen, dass hinter der Anfrage des Grafen Beust eine Anregung Goethes steckte; er hatte Beust ja auch wegen des erwähnten die ganzen Niederlande umfassenden Privilegs angesprochen. Die Rechtslage30 war in der Tat vergleichbar, denn weder das niederländische Gesetz von 1817 noch das französische Recht erstreckten den Schutz generell auf Ausländer; ihre Werke waren nur geschützt, wenn sie im Inland erschienen waren: Die geplante Ausgabe „letzter Hand“ sollte bei Cotta, mithin in Württemberg, verlegt werden, hatte also weder in Frankreich noch in den Niederlanden Schutz zu erwarten. Ein Privileg in Frankreich hätte ebenso wie ein solches der Niederlande als „bloße Ordonnanz“ gelten können, die den durch das Gesetz gezogenen Grenzen des Schutzes zuwiderliefe und deshalb fragwürdig sein konnte. Ein Akt der „gesetzgeberischen Behörden“ aus dem gegebenen Anlass zu verlangen, schien Reinhard aber nicht ratsam. Goethe freilich – und dies spricht für die vorhin geäußerte These, dass er hinter der Anfrage Beust stand – ließ nicht locker zum Schutz seiner „Gerechtsame Überrhein“. Der Antwort an Reinhard vom 23.  Januar 1826 fügt 30  Zum Folgenden vor allem „Propriété littéraire et artistique“, in: D. Dalloz (Hg.), Jurisprudence Générale, Répertoire méthodique et alphabétique de Législation, de Doctrine et de Jurisprudence, Nouv. éd., tom.  38 (Paris 1857), S.  441–524 (bes. S.  443, 493); im Übrigen vgl. man Romberg, Compte rendu II (Fn.  9), S.  161 ff.; Albert Vannois, De la notion du droit naturel chez les Romains / De la propriété artistique en droit françois, Thèse Paris 1884, bes. S. 341 ff., sowie die Fn. 15 genannten Arbeiten von Cappellemans, Wauwermans und Dölemeyer (bes. S.  3967 ff.).

334 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

der Dichter ein Promemoria31 bei, für das er die Aufmerksamkeit Reinhards erbittet; hier schreibt er: „Die Angelegenheit wegen des Nachdrucks darf und kann nicht ruhen; ich glaube meinen Zeitgenossen und der Welt schuldig zu sein, auf den mir gegönnten Vorteilen nicht egoistisch zu verstummen. Da die bisherigen auswärtigen Vorgänge der Nation, welcher Sie, mein Teuerster, verpflichtet sind, zur größten Ehre gereichen und nach den eben benannten Einleitungen zunächst gereichen werden, so haben Sie auch gewiß deshalb doppelte Neigung, die Sache ins Klare zu setzen, worauf es eigentlich jetzt nur ankommt.“

Das Promemoria erwähnt zwei einschlägige Zeitungsmeldungen32. Die von Goethe zitierten Meldungen beziehen sich zum einen auf den Prozess um die Edition einer Oper, deren Textdichter dem Druck nicht zugestimmt hatte, zum anderen auf eine gerade eingesetzte Kommission zur Reform des Autorrechts. Dann aber greift Goethe auf die Erfahrung zurück, die er 1810 gemacht hatte; damals ging es um die Rechtmäßigkeit des Nachdrucks eines Werkes im französischen Köln, wobei der zuständige französische Minister Portalis habe erkennen lassen, dass in Frankreich „ein Gesetz auch zugunsten der Ausländer vorhanden sei“. Das Promemoria fährt dann fort: „Da nun dieses schwerlich möchte in der Zeit aufgehoben sein, auch höchstwahrscheinlich ist, daß die obgemeldete Kommission nicht engherziger denken werde als ihre gesetzgebenden Vorgänger, so darf ein deutscher Autor allerdings den Wunsch hegen, zu erfahren, wie diese Angelegenheit gegenwärtig in Frankreich steht, und würde für die ihm so wichtige Nachricht auf das höchste dankbar sein.“

Trotz der Skepsis, die Reinhard geäußert hatte, verfolgte Goethe die Frage weiter; er schrieb an Portalis und Victor Cousin, ohne eine baldige Antwort zu erhoffen. Überdies ging er davon aus, dass, „da in der gegenwärtigen Sitzungsperiode die Schriftstellerinteressen nicht werden verhandelt werden,  … wir uns einen nichts gefährdenden Aufschub wohl gefallen lassen“ können. Im Mai übersandte Reinhard33 die Antwort von Cousin, „der auf seine Weise ungefähr nämliches sagt, was der frühere des Herrn von Portalis“; dies beweise „abermals, daß auf kein ausdrückliches Privilegium von Seiten Frankreichs zu rechnen sei. Es bleibt folglich immer die Möglichkeit, daß, in Straßburg, etwa, ein 31  WA IV 40 Nr. 211, S. 260 ff.; auch Goethe und Reinhard, Briefwechsel (Fn. 3), Nr.  154, S.  343 f. 32  Zum Folgenden vgl. Wadle, Geistiges Eigentum II (Fn.  2), S.  143 f. Die von Goethe erwähnte Kommission hat einen Gesetzentwurf vorgelegt; er ist abgedruckt bei: Romberg, Compte rendu II (Fn.  9), S.  236 ff. 33  Brief v. 8.  Mai 1826, nach WA IV 40, S.  282 (Anm. zu Nr.  25); auch Goethe und Reinhard, Briefwechsel (Fn. 3), Nr.  157, S.  348 f.

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  335 Nachdruck unternommen werde. Allein, 1. schließen alle deutschen Privilegien den Verkauf von Nachdrücken in Deutschland aus, 2. würde der Verkauf eines Nachdrucks, auf Frankreich allein beschränkt, so unbedeutend sein, daß für diesen Markt allein kein Nachdrucker eine solche Unternehmung wagen würde; 3. würde, wenn dies geschehn sollte, das Cottaische savoir faire und der Rechtlichkeitssinn der straßburgischen Buchhandlungen dem Unternehmen so viele Schwierigkeiten entgegensetzen, daß ich wirklich nicht einsehe, wie von dieser Seite irgendeine Gefahr zu besorgen sei.“

Goethe bedankte34 sich für diese „Pariser Nachrichten“; er sei „dadurch völlig befriedigt; denn eigentlich war mein Wunsch nur zu erfahren, wie jene Commission sich benehmen würde. Wenn ein Einfluss von dorther auf irgendeine Weise zu erwarten sey, daran war ohnehin kaum zu denken“.

Goethes Sorgen um Nachdrucke im Linksrheinischen waren im Zeitpunkt der Privilegien letztlich gegenstandslos, soweit die napoleonischen Annexionen rückgängig gemacht worden waren. Doch auch für Straßburg gab es keinen aktuellen Grund zur Sorge, da im Jahrzehnt vor dem Vertrag mit Cotta dort keine Nachdrucke nachzuweisen sind. Um so ärgerlicher musste es für den Dichter, seine Erben und den Verleger sein, dass 1831 in Paris ein Nachdruck des Faust nach der Cotta-Ausgabe auftauchte und 1832 ein weiterer Nachdruck der bei Weigand in Leipzig verlegten „Leiden des jungen Werthers“ erschien35. Die schlimmste Konkurrenz stand aber noch bevor: 1834, also nach dem Tod des Dichters, erfuhr Cotta von den Planungen für einen Nachdruck der gesamten neuen Cotta’schen Ausgabe „letzter Hand“, sie sollte im Verlag Tétot frères in Paris erscheinen: Sie kam auch zustande und zwang Verleger und Nachlassverwalter dazu, das früher übliche Abwehrmittel der Preisreduktion einzusetzen; auch eine ebenso schöne wie wohlfeile neue Ausgabe ist dieser Konkurrenz zu verdanken. Cotta selbst hat die Situation treffend charakterisiert36: „Es ist allerdings höchst verdrießlich daß in dem Augenblike wo endlich einmal gesicherter Rechtszustand im Innern Deutschlands hergestellt werden soll, die Anfälle von Außen sich mehr und mehr vervielfältigen. /  /  Aber der Geist der Zeit, welcher die Literaturen aller Völker immer mehr zum Gemeingute erhebt, bringt diß mit sich, und wir werden von dieser Seite nie wieder Ruhe haben, so lange nicht Editionen von Göthe vorliegen, die gleich den neuesten von der Cotta’schen Buchhandlung veranstalteten von Schiller, alle Forderungen der Schönheit und Wohlfeilheit vereinigen.“ 34  Brief v. 12.  Mai 1826, WA IV 40 Nr.  25, S.  28; auch Goethe an Reinhard, Briefwechsel (Fn.  3), Nr.  158, S.  359 f. 35  Hierzu und den folgenden Angaben vgl. man Hagen, Drucke (Fn.  3), Nr.  321 und 529; Göpfert, Von Breitkopf (Fn.  3), S.  37. 36  Brief Cottas an Müller v. 14.  Juli 1835, Quellen und Zeugnisse III Nr.  423, S.  345.

336 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

Cotta schrieb diese Sätze nicht nur unter dem Eindruck des Pariser Nachdrucks. Etwas früher schon hatte er erfahren, dass in Herisau ein ähnliches Projekt angelaufen war, und damit wären wir bei der Schweiz. 2.  In der Eidgenossenschaft hat man schon im 18.  Jahrhundert Goethenachdrucke hergestellt. Heilmann in Biehl ließ 1775 / 76 drei Bände mit Jugendwerken erscheinen; 1775 bzw. 1776 brachte Beat Ludwig Walters in Bern die „Leiden des jungen Werthers“, „Götz von Berlichingen“ und „Stella“ als Einzeldrucke heraus. Ebenfalls 1776 erschien „Stella“ in Schaffhausen. 1804 folgte „Herrmann und Dorothea“ bei der typographischen Societät in Bern. Der vorhin erwähnte Nachdruck der Cotta‘schen Ausgabe „letzter Hand“ in Herisau fällt in die Jahre 1835–3837. Dass in der Schweiz in Bern, Herisau und anderswo nachgedruckt wurde, ist nicht verwunderlich, ist es doch ein bedeutendes Absatzgebiet. Verwunderlich ist freilich, dass Goethe im Kontext der Ausgabe „letzter Hand“ nicht an Präventivmaßnahmen gedacht zu haben scheint. Cotta geht im Zuge der Verhandlungen mit Goethe (Schreiben vom 7. Oktober 1825) auf diese Möglichkeit ein38. Unter Hinweis auf die Privilegierung aus Wien und Dresden meint er: „Daß die Schweiz sich auf diese Weise günstig ausspreche, ist nicht zu bezweifeln, aber zur Unterdrückung der Nachdruke Hyder nothwendig.“ Von entsprechenden Bemühungen Goethes um Privilegien in der Schweiz ist indes nichts bekannt. Ganz anders handelten übrigens die Erben Schillers39. Für die 1826 mit Cotta verabredete Werkausgabe erlangten sie nicht nur von den wichtigsten deutschen Staaten Privilegien, sondern ersuchten – durchweg mit Erfolg – 37  Hagen, Drucke (Fn.  3), Nrn. 42, 48, 86, 124, 125, 237; dies., Markt (Fn.  3); S.  17, 56; Göpfert, Von Breitkopf (Fn.  3), S. B  105. – Zur Situation des Schutzes gegen den Nachdruck in der Schweiz vgl. man A. von Orelli, Der Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerisches Recht 12 (1864), S. 109–154, bes. S. 118 ff. (zum Schutz in der Zeit nach 1815); Ernst Felix Lotz, Die geschichtliche Entwicklung der Urheberrechtsgesetzgebung auf dem Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, Diss. Basel 1941; Ernst Hefti, Die geschichtliche Entwicklung des Urheberrechts und die Entstehung des Urheberrechtsgesetzes von 1883, in: 100 Jahr URG, Festschrift zum einhundertjährigen Bestehen eines eidgenössischen Urheberrechtsgesetzes, Bern 1983, S. 1–13; Manfred Rehbinder, Die geschichtliche Entwicklung des schweizerischen Urheberrechts bis zum Bundesgesetz vom Jahre 1883, in: Elmar Wadle (Hg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, Berlin 1993, S.  67–80; Dölemeyer, Handbuch (Fn.  15), S.  4189 ff.; auch Romberg, Compte rendu II (Fn.  9), S.  225 ff. 38  Brief Cottas v. 7. Oktober 1825, Kuhn II Nr.  502, S.  141. 39  Zum Folgenden Näheres bei: Rudolf Krauß, Zur Geschichte des Nachdrucks und Schutzes der Schillerschen Werke, Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF XIII (1904), S.  187–201; Karl Schwarber, Der Schutz der Werke Schillers in der Schweiz, Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 39

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  337

auch die Schweizer Kantone um Schutzbriefe. Ernst von Schiller und sein tatkräftiger Partner, der General von Wolzogen, ein Verwandter von Schillers Frau, schätzten die Rechtslage in der Schweiz besser ein: ohne Privilegien musste der Kampf gegen die Hydra (Cotta schreibt Hyder) Nachdruck aussichtslos bleiben. Das Verhalten Goethes und seiner Ratgeber hatte Folgen für die Erben, aber auch für Cotta. 1834 wurde bekannt, dass im Literatur-Comptoir in Herisau eine zwölfbändige Ausgabe geplant sei; dieser Nachdruck der Ausgabe „letzter Hand“ erschien dann auch, wie bereits erwähnt. Er veranlasste gemeinsam mit dem Pariser Nachdruck Cotta und die Erben Goethes zu der bereits vorhin beschriebenen Abwehraktion. 3.  Werfen wir noch ein zweites Mal einen Blick auf die Niederlande. Während sich Goethe und Cotta im Großherzogtum Luxemburg auf das Privileg berufen konnten, bestand in den übrigen Niederlanden keinerlei Schutz für die Ausgabe „letzter Hand“. Dass sich an dieser Konstellation nichts ändern würde, zeigt der Versuch Goethes, für den 1828 bei Cotta erschienenen Briefwechsel zwischen Goethe und Schiller, ebenfalls Privilegienschutz zu erlangen. Cotta berichtet am 28. Dezember 1829 an Goethe40: „Vom Haag aus droht gegenwärtig ein sehr gefährlicher Nachdruck von Schillers Werken, der noch bedenklicher wird, da auch der Briefwechsel darinnen aufgenommen werden soll. Dem erstern suchte ich durch eine weit splendidere und wohlfeilere Ausgabe zu begegnen, freilich mit solchen Opfern, dass kaum Ersatz herauskommt: wie aber dem Nachdruck des Briefwechsels zu begegnen, weiss ich wahrhaftig nicht – Könten Euer Excellenz durch Ihren bedeutenden Einfluss ein Privilegium für den Briefwechsel und für Ihre gesammten Werke vom König der Niederlande erhalten, so wäre diess sehr gut und je bälder Schritte desswegen gemacht würden desto besser wäre diess.“

An Cotta ging am 13. Februar folgende Antwort Goethes41 ab: „In Erwiderung Ihres letzten gefälligen Schreibens darf ich nun wohl nicht versichern, wie sehr mir die sowohl Autoren als Verlegern gleich gehässige Eingriffe des Nachdrucks zuwider sind. Lange wußte ich in dem gegenwärtigen Falle keine vorsorgliche Gegenwirkung einzuleiten, da kaum irgend ein Geschäfts-Verhältniß zwischen hier und dem Königreich der Niederlande stattfindet. Nur vor kurzem habe Gelegenheit genommen an des Herrn v. Gagern Excellenz eine Anfrage deshalb zu richten. Dieser würdige Staatsmann könnte uns wohl eine nähere Anleitung geben. Was von dorther vernehme theile sogleich mit.“ (194), S. 159–175, auch UFITA 114 (1990), S.  101–117; Herbert Göpfert, Schillerprivilegien, in: Buchhandelsgeschichte 1982–1984, S.  B  90–B 104. 40  Kuhn II Nr.  582, S. 250 ff.; auch WA IV 46, S.  384 (Anm. zu Nr.  220). 41  WA IV 46 Nr.  220, S. 234–237; auch Kuhn II Nr.  583, S.  252.

338 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

Goethe agiert freilich erst am 2. März, indem er sich den Weimarer Kanzler von Müller wendet42: „Könnte man wohl ein königlich niederländisches Privilegium auf die Goetheschen Werke, wie man eins gnädigst für Luxemburg, als bezüglich auf das gesammte Deutschland, erhalten hat, auch für das ganze Königreich erlangen incl. des Briefwechsels mit Schiller? Von dem angekündigten und wohl schon vorgeruckten Nachdruck der eigentlichen Schillerschen Werke ist hier die Rede nicht.“

Die „kleine Note“43 war für den Herrn von Gagern bestimmt, der Erkundigungen in Frankfurt anstellen sollte. Gagern seinerseits wandte sich an seinen im Haag tätigen Sohn, dieser wiederum fragte bei offizieller Stelle der Niederlande an und erstattete Bericht: „Je me suis adressé directement à Mr. Hofmann au sujet de la demande de Goethe. La même demande a été faite par les héritiers de Schiller; et si le Gouvernement veut avoir les mêmes égards pour ceuxci que pour Goethe même, il accordera un privilège pour le Grand-duché de Luxembourg. Voilà tout ce qu’il peut faire d’après les principes adoptés. L’édition en un volume des œuvres de Schiller a effectivement paru il y a quelques mois, chez les frères Hartmann à la Haye; mais tout porte à croire que cette entreprise n’aura pas un grand succès; surtout puisque le débouché de l’Allemagne lui est interdit; cette édition, d’après tout ce que j’entends, n’est en aucune façon comparable à celle de Cotta, elle est imprimée en lettres romaines, et par des imprimeurs vallons, ce qui fait soupçonner qu’elle n’est pas fort correcte. Je reviendrai sur ce point quand je saurai si l’on s’occupe aussi du Briefwechsel.“

An Cotta sendet Goethe am 12.  März 183044 folgende Bewertung der Antwort: „Eine Ausdehnung des uns zu Gunsten meiner Werke auf Luxemburg gegebenen Privilegiums gleichfalls auf den Briefwechsel erstreckt, würde wohl zu erlangen seyn. Sollten es Ew. Hochwohlgeboren für räthlich halten, so könnte deshalb die nöthigen Schritte thun. Ein Privilegium auf das ganze Königreich steht nicht zu hoffen. Das ungünstige Urtheil über den Nachdruck der Schillerschen Werke gibt vielleicht einige Beruhigung.“

Cotta ergriff nochmals die Initiative. Am 7. Juni 183045 schrieb er an Goethe: „Es hat mir ein Freund den Rat ertheilt, Euer Excellenz, so wie die von Schiller’schen Erben zu veranlassen, daß Sie sich entschließen möchten, jenes Gesuch in direkten Briefen an den König der Niederlande zu bringen. Dieß würde, wie Jener glaubt, dem Könige schmeicheln, und das einzige Mittel seyn, zu unserem Ziele zu gelangen, – da nun auf diplomatischem Wege, wie ich aus ei42  WA

IV 46 Nr.  234, S.  256. II Beilage zu Nr.  585, S.  255. 44  Kuhn II Nr.  585, S.  255. 45  Kuhn II Nr.  591, S.  282 f. u. Anm. zu Nr.  591, S.  205. 43  Kuhn

Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes  339 nem Schreiben des Generals von Wolzogen und Ernst von Schillers ersehe, nichts zu bewirken ist, so bin ich so frey Hochdemselben, obige Gedanken zur Prüfung vorzulegen, überzeugt, daß Sie ihn Ihrer Aufmerksamkeit würdigen und zu seiner Ausführungen schreiben werden, wenn Sie ihn ausführbar finden.“

Dass Cotta diesen Rat gegeben hat, verwundert etwas, denn er hatte schon im Januar 1830 durch General Wolzogen erfahren, dass das Gesuch Schillers an den König der Niederlande abschlägig beschieden worden war. Goethe schätzte die Situation besser ein; in seiner Antwort vom 9. Juli 183046 heißt es: „Nach einer allfalsig möglichen Einwirkung auf das Königreich der Niederlande habe mich sorgfältig erkundigt; man will mir aber zu keinem der gleichen Schritte rathen, indem es mehr aufregend und schädlich als ablehnend zu förderlich wirken könne.“

Es blieb also beim alten Zustand. Die Niederlande erteilten keine Privilegien – weder für Schiller noch für Goethe. IV. Genug der Einzelheiten! Versuchen wir zum Schluss eine allgemeinere Einordnung der geschilderten Wünsche Goethes nach Schutz der Ausgabe „letzter Hand“ und anderer Werke im Ausland. Ebenso wie die Privilegienaktion beim Deutschen Bund selbst zeigen auch die Versuche, den Schutz ins übrige Ausland zu erweitern, wie unbefriedigend die Rechtslage war. Die Verleger von Autoren, die im Ausland, namentlich soweit es zum gleichen Sprachraum gehörte, gelesen wurden, hatten nur die Wahl zwischen verschiedenen kostspieligen Absatzstrategien, wollten sie den Nachdruckern Paroli bieten. Ein genereller rechtlicher Rahmen war nicht vorhanden; ausländische Autoren und ihre Werke waren eine Art Freiwild. Es genügte auch nicht, innerhalb der einzelnen Staaten Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen. Eine vernünftige Lösung konnte letztlich nur das Prinzip der Inländerbehandlung bieten. Dies aber setzte voraus, dass die innere Gesetzgebung einen jeweils vernünftigen Standard erreicht hatte. Diese Zusammenhänge waren auch in der Zeit Goethes bekannt47. Die Initiative zum Abschluss von Gegenseitigkeitsverträgen, die Preußen schon bald nach Goethes Privilegienaktion startete, mündete 1832 in einen Beschluss der Bundesversammlung, der die Inländerbehandlung zu einem all46  Kuhn

II Nr.  592, S.  283 f. dazu und weitere Hinweise bei Elmar Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte I., Weinheim 1996, bes. S.  167 ff., 223 ff.; ders. Geistiges Eigentum II (Fn.  2), bes. S.  221 ff., 241 ff. 47  Einzelheiten

340 Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes

gemeinen Prinzip des Deutschen Bundes erhob. Zu einer weiterreichenden Gleichbehandlung der Ausländer brauchte es jedoch mehr, nämlich der Orientierung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts an gleichwertigen Maßstäben. Dieses Schutzniveau lieferte für den Deutschen Bund der Beschluss von 1837. Dass Österreich, das sich bis in die 30er Jahre hinein gegen die Einführung urheberrechtlicher Grundsätze gesperrt hatte, auf diesem Weg folgte, ist bemerkenswert: der österreichisch-sardische Vertrag von 1840 basierte auf dem Inländerprinzip und dies führte nur wenige Jahre danach zu einem österreichischen Urhebergesetz, das den erforderlichen Standards genügte. Es ist wohl nicht ganz falsch, wenn man solche Entwicklungen in einen gewissen Zusammenhang bringt mit Goethes Wünschen zum Schutze gegen den Nachdruck seiner eigenen Werke. Sie waren nicht der unmittelbare Anlass, wohl aber haben sie das Klima geschaffen, das notwendig war, um erträgliche Verhältnisse im internationalen Urheberrecht zu schaffen. Was Goethe selbst angeht, so wird man sagen müssen, dass er zunächst nicht sonderlich weitsichtig gehandelt hat, denn im Zeitpunkt seines Antrages bei der Bundesversammlung glaubte er noch, es sei möglich, ein Privileg für alle zum Bunde gehörenden Staaten zu erlangen; ein solches Privileg hätte sich freilich auf das Gebiet des Deutschen Bundes beschränken müssen, hätte also ein viel kleineres Gebiet erfasst, als die letztendlich erteilten Einzelprivilegien. Handelt es sich bei alldem um eine „List der Vernunft“, die ja zugleich eine List der Geschichte ist? Vielleicht. Goethe jedenfalls hat die Zusammenhänge wohl nicht recht durchschaut. Denn er beharrte darauf, dass auf die Titelseite der Ausgabe „letzter Hand“ ein Schutzvermerk aufgenommen wurde, der die Rechtslage nur sehr ungenau wiedergab. Der Vermerk48 lautete nämlich „Unter des durchlauchtigsten deutschen Bundes schützenden Privilegien“.

48  Fröbe,

Privilegierung (Fn.  2), S.  226.

Der badische Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes Solange und soweit es keine gesetzlichen Regeln gab, die Rechtsschutz gegen den Nachdruck gewährleisten konnten, war der Rückgriff auf den traditionellen Schutz durch Privileg unvermeidlich. Dies gilt auch für das Großherzogtum Baden (I.) und seine Reaktion auf die Eingabe Goethes beim Deutschen Bund im Frühjahr 1825 (II.). Wenige Jahre später sah sich der Großherzog veranlaßt, das Privileg vom 3. Oktober 1825 zu bekräftigen (III.). Als Goethes Erben 1839 und 1840 erneut beim Deutschen Bund vorstellig wurden, erweiterte auch Baden den Schutz durch besondere Bekanntmachungen (IV.). I. Das Großherzogtum Baden verfügte früher als andere Staaten im Deutschen Bund über gesetzliche Regeln gegen den Nachdruck, nämlich die Verordnung vom 8.  September 1806 und die in das „Badische Landrecht“ von 1809 aufgenommenen Sätze 577 da bis 577 dh.1 Gleichwohl griff man in Karlsruhe immer wieder zum Privileg, um den Schutz bestimmter Autoren oder Verleger zu garantieren. Die Gründe für diese Praxis lagen vor allem im Zuschnitt der beiden Regelwerke. Die neuen Normen konzentrierten sich ganz auf den Schutz von „Schriften“. Die Verordnung spricht von „Staatsschriften“, vom „Privatschriftsteller, der ein Werk herausgibt“, von „Autoren“ und „Verlegern“, von „Buch1  Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungsblatt 1806 S.  60  f. – LandRecht für das Großherzogthum Baden, nebst Handelsgesetzen, Ausgabe Karlsruhe 1814, S.  161  f. Beide Texte sind auch abgedruckt bei: Schletter, Hermann Theodor (Hg.): Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten nebst geschichtlicher Einleitung. Leipzig 1846, S.  60 ff. Sowie bei: Eisenlohr, Ch. F. M. (Hg.): Sammlung der Gesetze und internationalen Verträge zum Schutze des literarisch-artistischen Eigenthums in Deutschland, Frankreich und England. Heidelberg 1856, S. 9 ff. – Zur badischen Gesetzgebung gegen den Nachdruck im allgemeinen vgl. man vor allem: Gieseke, Ludwig: Vom Privileg zum Urheberrecht: Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845. Göttingen / Baden-Baden 1995 S. 191 ff. – Jetzt auch: Löhnig, Martin: „Vom Schrift – Eigenthum“. Das erste deutsche Urheberrecht in Art.  557 da–dh des Badischen Landrechts. In: UFITA, Archiv für Urheber- und Medienrecht 2007 III, S.  783–793.

342 Badischer Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes

druck“ und „Nachdruck“. Auch das Landrecht zielt auf „Schriften“: es formuliert ein „Schrifteigenthum“, das an einer „niedergeschriebenen Abhandlung“, an „Handschrift“ und an „Inhalt“ bestehen könne. Andere „Werke“ als „Schriften“ erwähnen weder die Verordnung noch das Landrecht. Es kommt hinzu, daß beide Schutznormen die Dauer des Schutzes grundsätzlich auf die Lebenszeit des Autors beschränkten, allerdings auch abweichende Fristen zuließen: Die Verordnung bot unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, durch Privileg eine Schutzfrist bis höchstens ein Jahr nach dem Tod zu gewähren. Das Landrecht erlaubte es generell, durch Privileg noch längere Fristen festzulegen. Eine dritte Begrenzung des Schutzes galt für Werke „ungenannter oder ausländischer Autoren“: die Verordnung von 1807 versagte ihnen den Schutz, es sei denn, sie hätten ein badisches Privileg erhalten. Im übrigen sollten Werke auswärtiger Verleger oder im Ausland privilegierte Werke in Baden nur geschützt sein, wenn Gegenseitigkeit gewährleistet war. Angesichts solcher Eingrenzungen und Erweiterungsmöglichkeiten herrschte in der Karlsruher Regierung nicht nur zeitweise Unsicherheit darüber, ob und welche Regeln der Verordnung durch das Landrecht außer Kraft gesetzt worden waren; man erkannte auch sehr bald, daß Abhilfe unvermeidlich war. Zwei Auswege boten sich an: zum einen die Novellierung der gesetzlichen Bestimmungen, zum anderen die Ergänzung des gesetzlichen Schutzes durch die Erteilung fallbezogener Privilegien, eine Lösung, die ja in beiden Regelwerken angesprochen wurde. Eine Reform der badischen Gesetzeslage wurde mehrfach angedacht2, aber immer wieder aufgeschoben, nicht zuletzt deshalb, weil sich das Großherzogtum an allen Versuchen beteiligte, die den Schutz der Urheber auf der Ebene des Deutschen Bundes fortentwickeln sollten. Diese Bemühungen führten bekanntlich im Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 zu einem gewissen Fortschritt; ein einheitliches deutsches Urheberrecht konnte jedoch erst in der Gründungsphase des Deutschen Reiches geschaffen werden.3 In den Jahrzehnten vor 1837 entwickelte Baden eine beeindruckende Privilegienpraxis, deren Einzelheiten noch zu erforschen sind.4 An dieser 2  Vgl. etwa: Wadle, Elmar. Ein Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck. In: Wackerbarth, Ulrich; Vormbaum, Thomas; Marutschke, Hans-Peter (Hg.): Festschrift für Ulrich Eisenhardt zum 70. Geburtstag. München 2007, S.  171–182. Auch in diesem Band S.  355  ff. 3  Dazu darf hingewiesen werden auf die einschlägigen Beiträge in: Wadle, Elmar: Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bände I und II. Weinheim 1996 / München 2003. 4  Wadle, Elmar: Privilegien für Autoren oder für Verleger? In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Bd.  124 (2007), S.  144–166, hier S.  156 ff.; auch in diesem Band S.  73  ff.



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Stelle können nur jene „Gnadenbriefe“ etwas näher vorgestellt werden, die Goethe und seine Erben beziehungsweise deren Verleger begünstigt haben. II. Das offizielle Gesuch, das Goethe im Januar 1825 bei der Deutschen Bundesversammlung einlegte, löste eine vielbeachtete Diskussion aus; sie beschränkte sich keineswegs auf das Frankfurter Gremium, sondern beschäftigte auch die Regierungen der einzelnen „Bundesstaaten“, also der Mitglieder des Deutschen Bundes. Diese Ebene ist bislang nur zum Teil genauer anhand archivalischer Quellen beschrieben worden.5 Für Baden ist dies – soweit ersichtlich – noch nicht geschehen und soll deshalb hier nachgeholt werden.6 Der badische Gesandte in der Bundesversammlung, Freiherr von Blittersdorff, berichtete nach der Sitzung vom 17. März, in der die Eingabe Goethes zur Sprache kam, umgehend nach Karlsruhe über die deutlichen Differenzen zwischen den Vertretern Österreichs und Preußens.7 Zunächst habe der Präsidialgesandte von Münch – so Blittersdorff – „einige empfehlende Worte hierüber“ gesagt und beantragt, das Gesuch Goethes an die „ReclamationsCommission zum Vortrag zu verweisen“. Nagler, der Gesandte Preußen 5  Vgl. insbesondere: Prys, Joseph: Das bayerische Nachdruckprivileg für Goethe. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 5 (1932), S.  140–162. Ders.: Das königlich sächsische Nachdruckprivileg für Goethe. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 53 (1932), S. 112–126. Ders.: Das württembergische Nachdruckprivileg für Goethe. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 39 (1933, S.  136–160). Fröbe, Heinz: Die Privilegierung der Ausgabe „letzter Hand“ Goethes sämtlicher Werke. Ein rechtsgeschichtlicher Beitrag zur Goetheforschung und zur Entwicklung des literarischen Urheberrechts. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 2 (1960), S.  187–229. Weitere Hinweise bei: Wadle, Elmar: Der langsame Abschied vom Privileg: Das Beispiel des Urheberrechts. In: Dölemeyer, Barbara/Mohnhaupt, Heinz (Hg.): Das Privileg im europäischen Vergleich (Ius commune Sonderhefte. Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 93), Frankfurt a. M. 1996, S. 377–399. Ders.: Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik. In: Neue Juristische Wochenschrift 1999 S.  2535–2555. ders.: Privilegienpraxis in Preußen Privilegien zum Schutz gegen Nachdruck 1815–1837. In: Dölemeyer, Barbara/Mohnhaupt, Heinz (Hg.): Das Privileg im europäischen Vergleich Bd.  II (Ius commune Sonderhefte. Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 125). Frankfurt a. M. 1999, S.  335–362. Diese Aufsätze sind auch enthalten in: Wadle, Geistiges Eigentum II (wie oben Anm.  3). 6  Die nachfolgende Darstellung stützt sich vor allem auf die gedruckten Protokolle der Deutschen Bundesversammlung (künftig: Prot BV) und die Akten des Badischen Generallandesarchivs Karlsruhe (künftig: GLA). 7  Bericht v. 18. März 1825; GLA 233 / 3100. – Dazu und zum Folgenden vgl. man noch: Wadle, Goethes Gesuch (wie Anm.  5) S.  123 ff.

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hingegen habe die „Ansicht“ vertreten, „daß es bey einer so klaren und einfachen Sache eines Commissions-Berichtes gar nicht bedürfe, sondern daß man das Gebetene durch die Gesandtschaften bei den Regierungen unmittelbar und ohne Zeitverlust erwirken könne“. Lapidar heißt es dann in von Blittersdorffs Bericht: „Die Majorität trat jedoch der Ansicht des Praesidiums bey“. Durch die Einschaltung der „Commission“ wurde die Entscheidung über Goethes Antrag allerdings nur wenig verzögert. Wenige Tage später teilte Karlsruhe die Antwort des Monarchen mit:8 der Großherzog lasse erwidern, er werde dem Gesuch Goethes „gerne entsprechen“; deshalb werde der Gesandte „ermächtigt, jedem desfallsigen Beschluß der B.Versammlung beyzutreten, auch seiner Seits in Gemäßheit seiner frühern Instruktionen und besonders in dem vorliegenden Falle sich nachdrücklich für einen günstigen Beschluß zu verwenden.“

Am 24.  März debattierte die Bundesversammlung 9 über die Vorlage der Kommission. Nach diesem Votum, das der Gesandte Bayerns, von Pfeffel, vortrug, sollte beschlossen werden, das Gesuch Goethes den Regierungen vorzulegen und dadurch die gewünschte Erledigung in geeignetem Wege zu bewirken“. Noch während der Aussprache über diesen Vorschlag konnte der badische Gesandte bekanntgeben: „Seine Königliche Hoheit der Großherzog wollen dem Gesuche des Herrn von Göthe, um Sicherstellung gegen den Nachdruck der neu erschienenen Ausgabe seiner Werke gern entsprechen.“

Die schnelle Reaktion der badischen Regierung und die weit gefaßte Vollmacht, die sie dem Gesandten eingeräumte, führten dazu, daß Baden neben Hannover, Braunschweig, Nassau und dem Großherzogtum Hessen sofort die Verleihung eines Privilegs zusichern konnte. Erst im September reagierte Goethe offiziell auf den Beschluß der Bundesversammlung. Er stellte entsprechende Anträge bei den einzelnen Regierungen. An Baden erging gegen Ende des Monats folgendes Gesuch: 10 „Allerdurchlauchtigster Großherzog, gnädigster Fürst und Herr! Ew. Königliche Hoheit haben die von allerunterthänigst Unterzeichnetem bey der hohen Bundesversammlung eingereichte submisseste Bitte um ein Privilegium für die Ausgabe seiner Werke letzter Hand schon eines gnädigsten Blickes gewürdigt, 8  Beschluß

v. 22.  März; GLA 233 / 3100. BV 1825 §  35 (S.  59), §  38 (S.  63 ff.). 10  Wiedergegeben nach der Abschrift in GLA 236 / 168. – Das Original wird in der Sammlung „Autographen“ aufbewahrt. 9  Prot



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und ich erkühne mich daher das Nähere zu Unterstützung jenes Gesuchs umständlicher vorzulegen. Die Absicht ist, meine schriftstellerischen Arbeiten, mit denen ich mich lebenslänglich beschäftigt, und deren großer Theil schon gedruckt ist, gesammelt herauszugeben und hierauf meine letzten Lebensjahre zu verwenden. Nun würden zuerst die poetischen, rhetorischen, historischen, kritischen Arbeiten etwa vierzig Bände füllen; Hierauf aber wäre dasjenige, was ich in Bezug auf bildende Kunst unternommen, nicht weniger was ich in der Naturwissenschaft versucht, in einer nicht füglich zu bestimmenden Zahl von Bänden nachzubringen. Da nun aber zu einem solchen Unternehmen schon mehrjährige Aufmerksamkeit und Bemühung erforderlich war, auch zunächst noch seyn wird, um zuletzt eine solche Rechenschaft abzulegen, so würde es um so wünschenswerther seyn, daß der Verfasser von den unausgesetzten Bemühungen seines Lebens billigmäßigen Vortheil ziehe, welcher durch den in Deutschland noch nicht zu hindernden Nachdruck gewöhnlich verkümmert wird. Deshalb erkühne mich nun Ew. Königliche Hoheit hiedurch bescheiden anzugehen, mich in allen, in Allerhöchst Ihro Landen gegen den Nachdruck schon bestehenden Gesetzen und Anordnungen einzuschließen, besonders aber für gedachte vollständige kritische Ausgabe meiner Werke ein Privilegium zu ertheilen, so daß ich gegen den Nachdruck und dessen Verkauf in Allerhöchst Ihro Staaten völlig gesichert sey, unter Androhung der Konfiskation und sonstiger Strafen, welche theils den Landesgesetzen nach schon bestehenden oder künftig für nöthig erachtet werden möchten. Und zwar wage ich, mir ein solches Privilegium für mich, meine Erben und Erbnehmer in der Maße zu erbitten, daß sowohl ich, wenn ich den Verlag selbst oder in Gemeinschaft besorge, als auch wenn ich einen Verleger die Befugnis übertrage, dieser des gesetzlichen Schutzes genießen möge. Sollte es hierbey nicht genehm seyn, diese Ausgabe der letzten Hand, die für künftig keine Abänderung erleiden, auch um einen annehmlichen Preis verkäuflich seyn soll, auf unbestimmte Zeit zu privilegiren, so erlaube mir doch die allerun­ thänigste Bitte, den anzusetzenden Termin auf Fünfzig Jahre zu erstrecken, damit meine Familie sich auch unter die vielen mitzählen dürfe, welche in Allerhöchst Ihro Landen eines dauerhaften beschützten Glückes genießen. Und so werde ich denn auch nicht ermangeln, das mir so vortheilhaft als ehrenvoll gegönnte Privilegium auf eine geziemende Weise dem Publicum vor Augen zu bringen. Eine solche gnädigste Vergünstigung würde ich mit dem reinsten devotesten Dank erkennen und für die höchste Belohnung achten, die mir für meine unausgesetzten vieljährigen Bemühungen nur immer hätte zu Theil werden können. Weimar, den 20.  September 1825 In tiefster Ehrfurcht Ew. Königlichen Hoheit AllerunterthänigsterDiener Joh. Wolfgang von Göthe“

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Bereits am 27.  September 1825 legte das badische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten dem Ministerium des Innern einen Beschluß11 vor, in dem zunächst noch einmal darauf hingewiesen wird, „daß seine Königliche Hoheit mit Rücksicht auf die bereits bey der Bundes-Versammlung in Allerhöchst Ihrem Namen angegebenen Erklärung gnädigst geruht haben, die Bitte des gedachten Staats-Ministers in der Art zu bewilligen, daß demselben für seine sämmtlichen Werke ein Privilegium gegen den Nachdruck auf Fünfzig Jahre von der Zeit an, wo die neue vollständige Ausgabe erscheint, und zwar mit allen denjenigen günstigen Bestimmungen, welche in den LandesGesetzen zum Schutz eines solchen Privikegiums enthalten, für sich, seine Erben, oder rechtmäßigen Verleger Taxfrey ertheilt werde“.

Im übrigen wird die Vorstellung Goethes zur Kenntnis gebracht und das Innenministerium ersucht, „das gedachte Privilegium mit Rücksicht auf die Gesinnungen Seiner Königlichen Hoheit, welche dadurch einen Beweis Ihrer Anerkennung des Großen geben wollen, was der StaatsMinister von Göthe in Litteratur und Kunst gewirkt hat, in Stylo maj. ausfertigen zu lassen und mit der Allerhöchsten Unterschrift versehen hierher mitzutheilen, damit wir die Bundestags-Gesandtschaft zur geeigneten Erklärung bey der Bundes-Versammlung anweisen, und die Urkunde weiters übergeben lassen können“.

Bereits am 3.  Oktober erließ das Ministerium des Innern einen entsprechenden Beschluß; er legte nicht nur den Wortlaut des Privilegs fest, sondern sorgte auch für die Ausfertigung, die Unterschrift und die Versendung. Das ausgefertigte Privileg sollte umgehend an Goethe geschickt werden und zwar mit folgendem Begleitschreiben: „Euer Excellenz S.  Königliche Hoheit der Großherzog, mein Allergnädigster Herr, haben auf die von Euer Excellenz an Höchstdieselbe eingereichte Vorstellung vom 20.  September, worin Sie um die Bewilligung eines Privilegiums gegen den Nachdruck in den Großherzoglich badischen Landen für Ihre sämtliche Werke bitten, gnädigst zu befehlen geruht, daß Hochderselben ein solches auf fünfzig Jahre von der Zeit an, wo die neue vollständige Ausgabe erscheint, und zwar mit allen denjenigen Bestimmungen, welche in den Landesgesetzen zum Schutz eines solchen Privilegiums enthalten sind, taxfrei für Sie, Ihre Erben oder rechtmäßigen Verleger ausgefertigt werde. Indem ich mich daher beeile Ew.Exc. in den Anlage die desfallßige von S.Königl. Hoheit höchsteigenhändig unterzeichnete Urkunde zu übersenden, ergreife ich diese Gelegenheit Ew.Exc der vollkommensten Hochachtung und Verehrung zu versichern, mit welcher ich zu verharren die Ehre habe.“ 11  Dieses

und die folgenden Zitate beruhen auf GLA 233 / 3100 und 236 / 168.



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Überdies verfügte das Ministerium die übliche Bekanntmachung; in den Regierungsblättern wurde folgender Text abgedruckt:12: „S e i n e K ö n i g l i c h e H o h e i t d e r G r o ß h e r z o g haben Sich gnädigst bewogen gefunden, dem Großherzogl. Weimar’schen Staats-Minister von G ö t h e für seine sämmtlichen Werke ein ausschließendes Privilegium sowohl im Ganzen als für einzelne Theile, woraus diese Sammlung besteht, zu Versicherung gegen den Nachdruck in sämtlichen Großherzoglich Badischen Landen auf F ü n f z i g J a h r e von der Zeit an, wo die neue vollständige Ausgabe erscheint, für sich, seine Erben oder rechtmäßigen Verleger, zu ertheilen, und zwar unter Bestimmung einer Strafe von E i n h u n d e r t R e i c h s t h a l e r und Confiscation aller Exemplare des Nachdrucks zum Vortheil des Verlegers, und Erstattung des Ladenpreises der Verlags-Ausgabe an denselben für die bereits angegebene Anzahl Exemplare; – welches hierdurch zur allgemeinen Kenntnis und Nachachtung gebracht wird. Carlsruhe den 3ten October 1825. M i n i s t e r i u m d e s I n n e r n. I n A b w e s e n h e i t d e s M i n i s t e r s. Der Ministerial-Director L. Winter

Vdt. B a r r a c k.“

Das Privileg hat folgenden Wortlaut:13 Ludwig von Gottes Gnaden G r o ß h e r z o g z u B a d e n, H e r z o g z u Z ä h r i n g e n , L a n d g r a f z u N e l l e n b u r g, G r a f z u S a l e m, P e t e r s h a u s e n u n d H a n a u etc. Wir haben Uns auf das unterthänigste Gesuch des Großherzoglich Weimar’schen Staats-Ministers von Göthe gnädigst bewogen gefunden, demselben für seine sämmtliche Werke ein ausschließliches Privilegium sowohl im Ganzen als für einzelne Theile, woraus diese Sammlung besteht, zu Versicherung gegen den Nachdruck in Unseren sämmtlichen Großherzoglichen Landen auf Fünfzig Jahre von der Zeit an, wo die neue vollständige Ausgabe erscheint, für sich, seine Erben oder rechtmäßige Verleger, und zwar taxfrey zu ertheilen. Damit nun gedachter Großherzoglich Weimar’scher Staats-Minister von Göthe bey diesem ihm von Uns ertheilten Privilegio geschützt werden möge, verbieten Wir allen und jeden Unterthanen, besonders aber allen Buchdruckern und Buchhändlern allen Ernstes, besagte Werke sowohl im Ganzen als in einzelnen mit besondern Titeln versehenen Abtheilungen derselben, innerhalb des bemerkten Zeitraums von Fünfzig Jahren nachzudrucken, oder einen auswärtigen Nachdruck derselben, 12  Großherzoglich

Badisches Staats- und Regierungsblatt 1825 Nr.  24 S.  169. Text wird nach dem im Nachlaß Goethes erhaltenen Original bzw. einer Abschrift wiedergegeben; Goethe- und Schiller-Archiv Weimar Bestand 30 / 331 Bl.  10 und 30 / 332 Bl.  18. Vorformuliert ist das Privileg im Beschluß des Innenministers vom 3.  Oktober; eine Abschrift befindet sich auch in GLA 233 / 3100. 13  Der

348 Badischer Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes in den diesseitigen Landen zu verkaufen, widrigenfalls derjenige, der dagegen handeln würde, nicht nur mit einer Strafe von Einhundert Reichsthalern belegt, sondern auch die Confiscation aller Exemplare des unbefugten Nachdrucks zum Vortheil des Verlegers, und Erstattung des Ladenpreises der Verlags Ausgabe an denselben für die bereits abgebene Anzahl Exemplare erkannt werden soll. Dessen zur Urkunde haben wir gegenwärtiges Privilegium eigenhändig unterzeichnet, und mit dem Staats-Siegel versehen lassen. Signatum. Karlsruhe den 3ten October 1825 Ludwig (Siegel) In Abwesenheit des Ministers des Innern der Ministerial-Direktor L. Winter

Auf Befehl Ihrer Königlichen Hoheit Barrack.“

Goethe hat den Empfang des Privilegs mit einem Dankesschreiben an „das badische Ministerium“ bestätigt:14 „Hochwohlgeborene Insonders Hochzuverehrende Herren. Wenn es sich ziemen wollte, im Geschäftsgange zugleich die Gefühle, die uns erfüllen, treu und lebhaft auszusprechen, so würde der gegenwärtige Fall mich, insofern ich es wagte, gar wohl entschuldigen; ich beschränke mich jedoch in die herkömmlichen Grenzen und versichere nur mit dem wenigsten, daß die allerhöchste Gnade, die mir und den Meinigen so bedeutende zeitliche Vortheile sichert, verknüpft mit rücksichtsvoller Theilnahme und Aufmerksamkeit auf mein vieljähriges redliches Beginnen, mich in hohen Grade glücklich macht. Fügen Hochdieselben zu der bereits mir erwiesenen Gunst auch noch die, einem höchstverehrten Fürsten meine unbegrenzte Dankbarkeit auf geziemende Weise gefälligst auszusprechen. Der ich, solches Wohlwollens lebens länglich eingedenk, die Ehre habe mich verehrend zu unterzeichnen. Weimar, den 14. Nov. 1825“

14  Das Schreiben ist abgedruckt in: Goethes Werke. Weimarer Ausgabe. Nachträge und Register zur IV. Abteilung: Briefe. Hg. von Paul Raabe 1. Bd. S. 526 (Nr. 40 120a).



Badischer Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes

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III. Anfang März 1835 wurde in Frankfurt bekannt, daß im April die „Bibliothek der deutschen Klassiker, eine vollständige Gesammt Ausgabe ihrer Werke, erläutert durch die zu ihrem Verständnisse nothwendigen Commentare, ihrer Lebensbeschreibungen und die über sie erschienenen Critiken, herausgegeben von einer Gesellschaft Gelehrter, Paris 1835“

erscheinen sollte. Dieses Projekt wurde scharf getadelt: der sachsen-weimarische Gesandte, Graf von Beust, überreichte eine auf den 3.  März datierte Note15. In ihr erklärte er im Namen seiner Regierung: „Dieses Unternehmen, was den ganzen deutschen Buchhandel auf eine unabsehbare Weise bedrohen dürfte, bedroht auch namentlich die Erben des verewigten Großherzoglich Sächsischen wirklichen Geheimen Raths und Staats-Minister von Göthe, dem bekanntlich im Jahre 1825 von sämtlichen allerhöchsten, Höchsten und Hohen Regierungen des durchlauchtigsten deutschen Bundes Privilegien gegen den Nachdruck seiner Werke zu Theil wurden und auf Antrag des Executors des Testaments des Herrn von Göthe ist von des Großherzogs zu Sachsen, seines allergnädigsten Herrn, Königliche Hoheit, dem Unterzeichneten p. p. der Befehl zugegangen, den verehrlichen Bundestags-Gesandtschaften auf jenen Pariser Nachdruck mit dem Ersuchen aufmerksam zu machen, bei ihren allerhöchsten pp. Regierungen die Gewährung eines kräftigen Schutzes geneigtest zu bewirken.“

Der badische Gesandte, von Blittersdorff, berichtete nach Karlsruhe und erbat „baldgefälligst“ eine Rückäußerung.16 Das „Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten“ meinte zunächst,17 das 1825 Goethe gewährte Privileg sei „seinem Wortlaut nach bloß gegen einen innerhalb des Großherzogthums veranstalteten Nachdruck, nicht gegen den Verkauf eines Nachdrucks gerichtet, der in irgend einem dritten Land unternommen würde; man beabsichtigte jedoch wohl ohne Zweifel, auch letzteren zu verbieten und insofern könne es zweckmäßig scheinen, dieß mit ausdrücklicher oder stillschweigender Rücksicht auf den oben vorliegenden Fall, durch eine nachträgliche Bekanntmachung förmlich zu erklären.“

Das Innenministerium18 griff den Vorschlag des Außenministerium auf, da es das Privileg, das den Schutz auch auf den Verkauf von Nachdrucken erstreckte, die außerhalb Badens hergestellt worden waren, genauer gelesen haben dürfte, formulierte den Text eines Erlasses, der die Rechtslage klarstellte und im Regierungsblatt abgedruckt wurde:19 15  Nach

einer Abschrift dieser Note in GLA 236 / 5746. v. 5.  März 1835; GLA 236 / 5746. 17  Beschluß v. 6.  März; ebenda. 18  Beschluß v. 18.  März 1835, ebenda; auch in GLA 233 / 3100 Bl. 59. 19  Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungsblatt Nr.  XVII (v. 7.  April 1835) S.  90. Die in der Textvorlage der Verfügung enthaltene falsche Angabe „Nr.  XXV“ ist in der publizierten Fassung verbessert. 16  Bericht

350 Badischer Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes „Nachträglich zu der Bekanntmachung vom 3ten Oktober 1825, Regierungsblatt Nr. XXIV, das Privilegium gegen den Nachdruck der sämmtlichen Werke des nun verstorbenen großherzoglich Weimar’schen Staatsminister von Göthe betreffend, wird hiermit zur allgemeinen Kenntniß gebracht, daß auf gleiche Weise auf welche der Nachdruck dieser Werke verboten ist, dieses Verbot auch auf den Verkauf auswärtiger Nachdrucke, bei Vermeidung der in obiger Bekanntmachung festgesetzten Strafe, seine Anwendung findet. Carlsruhe, den 18.  März 1835. Ministerium des Innern Winter

Vds. Stemmler“

Damit war die Angelegenheit, soweit es um den Schutz in Baden ging, erledigt. Auf der Ebene des Deutschen Bundes begannen erst im April die offiziellen Verhandlungen über das Pariser Projekt; wenig später kam ein ähnlich lautendes Vorhaben der Amsterdamer Buchhändler Gebrüder Diedrichs hinzu.20 Diese Debatte überschnitt sich nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich mit der langwierigen Diskussion21 über die Umsetzung zweier Aufträge, welche die Wiener Konferenz des Jahres 1834 beschlossen hatte: das Versprechen eines allgemeinen Verbots des Nachdrucks (Artikel  26) und die Erörterung einer allgemeinen „Organisation des deutschen Buchhandels“ (Artikel  37). Das von Sachsen-Weimar kritisierte Projekt „Bibliothek der deutschen Classiker“ wurde vom österreichischen Präsidialgesandten von Münch am 2. April 1835 offiziell zur Diskussion gestellt, mithin zu einer Zeit, als die Verhandlungen der Bundesversammlung über Buchhändlerorganisation schon begonnen hatten. Von Münch wollte das französisch-niederländische Projekt offenbar nutzen, um das österreichische Ideal einer Kombination von Nachdruckschutz und Zensur mit Hilfe einer Buchhändlerorganisation wieder zu beleben. Dieser Versuch blieb letztlich ohne Erfolg; die Frage 20  Prot

BV 1835 §§  141, 171, 227, 256, 295, 403. BV 1835 §§  140, 178, 224, 260, 293, 317, 345, 448. Näheres zu den anstehenden Problemen bei: Wadle, Elmar: Der Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 gegen den Nachdruck. Das Ergebnis einer Kontroverse aus preußischer Sicht. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd.  106 (1989). S.  189–237; auch in: ders., Geistiges Eigentum I (wie Anm.  3) S.  224–265. Ders. Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten Organisation des deutschen Buchhandels. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern. In: Kern, Bernd-Rüdiger; Wadle, Elmar; Schroeder, Klaus-Peter; Katzenmeier, Christian (Hg.): Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag. Berlin / Heidelberg / New York 2005, S. 431–457; auch in diesem Band S.  245  ff. 21  Prot



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nach einem allgemeinen Verbot des Verkaufs ausländischer Nachdrucke in den Staaten des Deutschen Bundes wurde der Kommission überwiesen, die nur über die Nachdruckfragen zu beraten hatte. In Karlsruhe beförderten diese Vorgänge die interne Diskussion, die sich nicht nur mit den in Frankfurt anstehenden Problemen befaßte, sondern auch mit der Rechtslage im eigenen Land und deren Fortentwicklung. Konkrete Überlegungen zur Reform der badischen Gesetze zum Urheberschutz wurden freilich erst nach dem richtungsweisenden Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 erwogen. IV. Dieser Beschluß22 bot den Mitgliedern des Deutschen Bundes eine neue rechtliche Grundlage für die Ausbildung des Schutzes gegen den Nachdruck. Im Hinblick auf die Schutzfristen hatte man allerdings eine Regel etabliert, die zu Beschlüssen führte, die einem herkömmlichen Privileg sehr nahe kamen: Die in Art. 2 grundsätzlich festgelegte Mindestfrist von zehn Jahren konnte durch einen besonderen Bundesschluß erweitert werden; Art.  3 sah nämlich vor: „Zu Gunsten von Urhebern, Herausgebern oder Verlegern von großen, mit bedeutenden Vorauslagen verbundenen Werken der Wissenschaft und Kunst (Art.  1) wird das ausgesprochene Minimum des Schutzes der Gesammtheit gegen den Nachdruck (Art.  2) auch bis zu einem längern, höchstens zwanzigjährigen, Zeitraum ausgedehnt, und hinsichtlich derjenigen Regierungen, deren Landesgesetzgebung diese verlängerte Schutzfrist nicht ohnehin erreicht, dießfalls eine Vereinbarung am Bundestage getroffen werden, wenn die betreffende Regierung drei Jahre nach dem öffentlichen Erscheinen des Werkes hierzu einen Antrag stellt.“

In den Jahren 1839 bis 1841 wurde diese Möglichkeit auch dazu genutzt, zwei neuen Ausgaben der Werke Goethes einen längeren Schutz gegen den Nachdruck zu verschaffen. Bei diesen Anträgen hatte Baden keine Probleme, eine Fristverlängerung im Einzelfall zu akzeptieren. Zunächst ging um den von Sachsen-Weimar veranlaßten Präsidialantrag vom 7. Februar 1839, „der in der J.G.Cotta’schen Verlagshandlung zu Stuttgart in zwei Bänden oder vier Abtheilungen erschienenen, neuen und vervollständigten Ausgabe von Göthe’s prosaischen und poetischen Werken von Bundeswegen“

den Nachdruckschutz auf zwanzig Jahre zu gewähren. Das Karlsruher Außenministerium beantragte am 30.  März beim Staatsministerium, dem Gesuch zustimmen zu dürfen: 22  „Separatprotokoll der 31. Sitzung der Deutschen Bundesversammlung. Geschehen, Frankfurt den 9.  November 1837“. In: Prot BV 1837 S.  846–846h, hier bes. S.  846g–846h.

352 Badischer Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes „Da der Genehmigung dieser Proposition … an und für sich keine Anstände im Wege stehen, da zudem hierlands im Jahre 1825 (Regierungsblatt No.  25) hinsichtlich sämmtlicher Götheschen Werke, von denen damals eine neue Ausgabe veranstaltet wurde, ein Privilegium gegen den Nachdruck auf 50 Jahre ertheilt worden ist, so tragen wird ehrerbietigst darauf an, daß Eire Königliche Hoheit uns gnädigst ermächtigen wollen, den Großherzoglichen Bundestags-Gesandten zur Zustimmung anzuweisen.“

Nachdem am 11.  April das Staatsministerium zugestimmt hatte, konnte der Gesandte in der Sitzung der Bundesversammlung vom 26.  April das Einverständnis Badens erklären.23 Der gewünschte Bundesbeschluß kam allerdings erst im April des kommenden Jahres zustande.24 Kurz danach erbat das Außenministerium die Einwilligung des Großherzogs zu einer entsprechenden Publikation im Regierungsblatt, da dies „zur Wirksamkeit dieses Beschlusses im Großherzogtum nothwendig“ sei; die Veröffentlichung lautete:25 „Bekanntmachung. Den Schutz einer neuen Ausgabe von Göthe’s Werken gegen den Nachdruck betreffend. Die deutsche Bundesversammlung hat in ihrer diesjährigen 6ten Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: Die souveränen Fürsten und freien Städte vereinbaren sich, daß der, in der J.G.Cotta’schen Verlagsbuchhandlung zu Stuttgart in den Jahren 1836 und 1837 in zwei Bänden oder vier Abtheilungen erschienenen, neuen und vervollständigten Ausgabe von Göthe’s prosaischen und poetischen Werken von Bundeswegen der Schutz gegen den Nachdruck auf zwanzig Jahre, vom heutigen Tage (4.  April 1840) an, in sämmtlichen zum deutschen Bunde gehörenden Staaten gewährt werde. Gemäß höchster Ermächtigung aus Großherzoglichem Staatsministerium vom 22. d. M. Nro. 831 wird dieser Beschluß zur allgemeinen Wissenschaft und Nachachtung andurch verkündet. Carlsruhe, den 26. Mai 1840. Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten. Frhr. von Blittersdorff Vdt. von Roggenbach“

23  Zu den Vorgängen vergleiche man einerseits Prot BV 1839 §§  27 und 70, andererseits GLA 233 / 27594 Bl. 53–57. 24  Prot BV 1840 §  83 S.  126. 25  Großherzoglich Badisches Staats- und Regierungsblatt 1840 Nr.  XIII S.  105.



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Als im November des gleichen Jahres wegen des erfolgreichen Absatzes der Cotta’schen Ausgabe ein weiterer Antrag für „eine neue Ausgabe in 40 Bänden klein Octav“ eingebracht wurde, stimmte Baden sofort zu; die neue Ausgabe sollte denselben Schutz erhalten. Der Badische Gesandte Dusch berichtete am selben Tag nach Karlsruhe, angesichts der früheren Entscheidungen zugunsten Goethes und Schillers habe er geglaubt, sich „ohne Bedenken, da man Werth darauf zu legen schien, der oesterreichischen und preußischen Erklärung anschließen zu dürfen, im Falle ich nicht vor der Unterzeichnung des Protokolls besondere Weisung von meiner Regierung erhalten sollte“.

Das Außenministerium akzeptierte diese Entscheidung und legte den Bericht zu den Akten. Auf eine besondere Publikation im Regierungsblatt wurde diesmal verzichtet26 Die beiden schnellen Entscheidungen der Karlsruher Regierung bestätigen nicht nur das seit Jahren bestehende Wohlwollen zugunsten Goethes, sondern auch die Bereitschaft Badens, den Schutz gegen den Nachdruck auf Bundesebene weiter auszubauen.

26  Der Antrag wurde am 19. November 1840 gestellt; Baden stimmte in derselben Sitzung zu, Prot BV 1840 §  306; im übrigen vgl. man GLA 233 / 27594, sowie Prot BV 1840 §  316 und 1841 §§  24, 47.

Ein Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck In den Jahren nach der Gründung des Deutschen Bundes hat die Regierung des Großherzogtums Baden mehrfach überlegt, ob und wie der schon vorhandene Schutz gegen den Nachdruck verbessert werden sollte. Die meisten dieser Pläne sind wieder aufgegeben worden; dennoch verdienen die kaum bekannten Vorgänge die Aufmerksamkeit eines jeden, der sich – wie der Jubilar – für die Geschichte des Urheberrechts interessiert. In den Akten der großherzoglichen Ministerien1 finden sich zwei Entwürfe, die auf eine Novellierung der Vorschriften des Landrechts-Kapitels „Vom Schrift-Eigenthum“ abzielen. Der erste Vorschlag wurde Anfang März 1827 innerhalb des Justizministeriums vorgelegt und danach diskutiert, aber nicht weitergeleitet. Der zweite, sehr viel kürzere Entwurf, der ebenfalls im Justizministerium formuliert worden war, wurde zwar noch anderen Ministerien zugestellt, im Februar 1829 dann aber doch „ad acta“ gelegt. Ihrem Inhalt nach unterscheiden sich beide Vorschläge erheblich. Der erste will das gesamte bisher in Baden geltende Recht zum Nachdruckschutz durch neue Regeln ersetzen. Der zweite Text greift nur einen Teil der älteren Pläne auf: Er bezieht sich auf einen einzigen der einschlägigen Landrechtssätze, an dessen Stelle das neue Regelwerk treten sollte. Angesichts dieser Differenzen scheint es angebracht, in der folgenden Darstellung vor allem den ersten Text nach Inhalt (I.), Vorgeschichte (II.) und Wirkung (III.) vorzustellen. Der zweite Entwurf ist letztlich ein Teil der Wirkungsgeschichte und kann im dritten Abschnitt mitbedacht werden. I. Am 1.  März 1826 präsentierte der zuständige Referent Isaak Jolly2 einen schriftlichen „Vortrag das Verboth des Nachdrucks betreffend“. Beigefügt 1  Dieser Bericht stützt sich auf die im Badischen Generallandesarchiv Karlsruhe (= GLA) verwahrten Akten, insbesondere auf GLA 48 Nr.  1805; 49 Nr.  360; 233 Nr.  27594, 27602, 27608; 234 Nr.  7309; 236 Nr.  5745. 2  Isaak Jolly (1785–1852), seit 1819 Mitglied der Gesetzgebungskommission, seit 1822 Ministerialrat am Justizressort, ab 1835 dessen Präsident (Justizminister). Näheres bei: Biographisches Wörterbuch zur Deutschen Geschichte II, München 1974,

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waren der Entwurf eines Gesetzes, dessen Motive dem Vortrag zu entnehmen sind3. Der Text des vorgeschlagenen Gesetzes lautet: „Wir Ludwig etc. etc. haben die Überzeugung gewonnen, daß die in den Sätzen 577da bis 577dh des Landrechts enthaltenen Bestimmungen dem Endzweck einer angemessenen Sicherung des Eigenthums an Geisteswerken in mehrfacher Hinsicht nicht entsprechen und verordnen daher, unter Aufhebung derselben, provisorisch (oder: mit Einwilligung Unserer getreuen Stände) wie folgt: Art.  1 Das Eigenthum an schriftlichen Aufsätzen, musicalischen Compositionen und Werken der zeichnenden Kunst steht zunächst den Urhebern derselben zu, es sey denn, daß sie blos aus fremdem Auftrag gefertigt wären, in welchem Falle sie Eigenthum des Bestellers sind. Ihre Vervielfältigung, auf welche Art sie geschehen mag, ist, unter den in gegenwärtigem Gesetz ausgedrückten Beschränkungen, stets an die Einwilligung des Eigenthümers gebunden. Art.  2 Das Eigenthum desselben geht sammt dem Recht der Vervielfältigung auf Erben über; ein und das andere kann aber auch auf sonstige Weise übertragen werden. Mit der Übertragung des Eigenthums ist im Zweifel zugleich das Recht der Vervielfältigung und zwar in unbeschränktem Maaße eingeräumt. Art.  3 Derjenige, dem der Eigenthümer nur das Recht der Vervielfältigung als Verlagsrecht übertragen hat, darf sich zu diesem Behuf keine Aenderung des Werkes selbst erlauben; einer weiteren Beschränkung unterliegt er desfalls nicht schon an sich. Bei schriftlichen Aufsetzen ist jedoch dem Verleger, wenn der Verlags Contract nicht Abweichendes bestimmt, blos eine Auflage gestattet, die er aber dann so stark machen kann als er will. Art.  4 Wer Exemplare eines mittelst Abdrucks vervielfältigten Werks erwirbt, hat damit in keinem Fall das Recht zur weiteren, gleichen oder ähnlichen, Vervielfältigung desselben erworben. Es kann ihm nur kraft besonderer Einwilligung des Eigenthümers, so wie des bisherigen Verlegers gebühren, vorausgesetzt daß das Verlagsrecht des letzterten hierdurch beeinträchtigt wird. Fällt diese Voraussetzung hinweg, so genügt es an die Einwilligung des Eigenthümers; umgekehrt ist aber auch Sp. 1341  f.; auch Vollständige Sammlung der Großherzoglichen Badischen Regierungsblätter von deren Entstehung 1803 bis Ende 1833, Bd.  II (1826–1833), Carlsruhe und Baden 1834. 3  Vortrag und Entwurf sind enthalten in GLA 234 Nr.  7309.



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die Einwilligung des bisherigen Verlegers für hinreichend zu achten, wenn ihn sein eigenes Verlagsrecht zur weiteren Vervielfältigung ermächtigt und er sich auf dessen Übertragung beschränkt. Art.  5 In Beziehung auf ursprünglich schriftliche Aufsätze ist die weitere Vervielfältigung ohne Einwilligung des Eigenthümers oder Verlegers erlaubt, so fern sie einem anderen Werk von mindestens viermal solchem Umfang als Text zum Grund gelegt und hiermit unzertrennlich verbunden sind. Nicht weniger dürfen außerhalb Deutschland erschienene Schriften willkührlich in jede Sprache und umgekehrt alle in Deutschland erschienene Schriften willkührlich in fremde lebende Sprachen übersetzt und so vervielfältiget werden. Sammlungen zerstreuter Aufsätze und Auszüge, die entweder eine ganze Schrift umfassen, oder doch für sich wieder ein Ganzes bilden, stehen hingegen unter dem regelmäßigen Verboth. Art.  6 Die im Art.  5 enthaltenen Bestimmungen gelten zugleich für musicalische Compositionen, insoweit eine ähnliche Benutzung derselben, welche sich nach dem Urtheil von Kunstverständigen nicht als selbständige Production betrachten läßt, statt finden sollte. Art.  7 Bey Werken der zeichnenden Kunst, durch welche in der Natur gegebene, oder andere einem Jeden zugängliche Gegenstände dargestellt werden, ist derjenige, den man der widerrechtlichen Vervielfältigung beschuldigt, mit der Behauptung zu hören, daß er seine Darstellung nicht von der früheren, sondern von jenen Gegenständen selbst entnommen habe. Über die Richtigkeit dieser Behauptung sollen ebenfalls die geeigneten Kunstverständigen entscheiden. Art.  8 Verfasser, deren Rechtsnachfolger und Verleger haben nur in dem Fall die Befugniß gegen die weitere Vervielfältigung eines Werkes ihre Rechte geltend zu machen, wenn auf dem von ihnen besagten Abdruck ihre Nahmen angegeben sind. Ist nur einer derselben genannt, so übt dieser seine und der Übrigen Rechte allein. Art.  9 Das ausschließende Recht der Vervielfältigung bereits erschienener Werke mit dem Ablauf des zehnten Jahres nach dem Tod des Eigenthümers, mit dessen Bewilligung sie vervielfältiget sind. Jeder Besitzer solcher Werke kann alsdann deren weitere Vervielfältigung veranstalten, insofern dem nicht besondere Gnadenbriefe entgegenstehen. Sind mehrere Personen Eigenthümer ein und desselben Werks, so läuft jene Frist erst von dem Zeitpunct des Todes der Leztverstorbenen.

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Art.  10 Jede widerrechtliche Vervielfältigung im Sinne der vorhergehenden Artikel, so wie der Verkauf der hierdurch erzeugten Exemplare, wird mit der Confiscation dieser lezteren und mit einer Buße von 50 bis 500 Gulden bestraft. Die Vervielfältigung verpflichtet nebstdem zu einer dem Eigenthümer oder Verleger des Werks, je nachdem der eine oder andere dadurch unmittelbar beeinträchtiget wird, zu leistenden Entschädigung, deren Umfang nach dem Werth von 500 Exemplaren zum Preiß des Originals zu bemessen ist. Gegen den Verkäufer sowohl, als gegen denjenigen, der die Vervielfältigung unternimmt oder unternehmen läßt, ist im Untersuchungswege zu verfahren; die Untersuchung findet jedoch nur auf Antrag der Betheiligten statt. Art.  11 Das gegenwärtige Gesetz bezieht sich nicht auf solche Vervielfältigungen, die, wenn auch gegen Inhalt, doch vor dessen Verkündung, erlaubterweise von inländischen Verlegern ganz oder zum Theil vollendet gewesen sind. Sie dürfen im letzteren Falle bis zum Schluß des Werkes vollendet und die hierdurch erzeugten, so wie die von früher vollendeten noch vorräthigen Exemplare dürfen nach wie vor abgesezt werden. Der Verkauf ähnlicher Erzeugnisse auswärtiger Verleger ist auf sechs Monathe, von Verkündung dieses Gesetzes angerechnet, ohne Unterschied beschränkt. Art.  12 Ausländer können den durch gegenwärtiges Gesetz den Eigenthümern und Verlegern von Gesetzeswerken gewährten Schutz blos dann für sich in Anspruch nehmen, wenn sie entweder hinsichtlich solcher Werke Rechtsnachfolger eines Inländers sind, oder wenn sie darzuthun vermögen, daß in ihrem Heimatstaate entsprechende Vorschriften auch zu Gunsten der Ausländer bestehen. Gegeben, Carlsruhe etc. etc.“

Schon die einleitenden Sätze dieses Entwurfs weisen auf den zentralen Gedanken hin: das Kapitel „Vom Schrift-Eigenthume“ des Badischen Landrechts sollte aufgehoben und durch ein neues Regelwerk ersetzt werden, weil – wie der Referent meint – die geltenden „Bestimmungen dem Endzweck einer ­angemeßenen Sicherung des Eigenthums an Geistes-Werken in mehrfacher Hinsicht nicht entsprechen“. In seinem „Vortrag“ bekennt der Autor, dass er eine „umfassende Revision des gesammten Stoffs“ anstrebe; unter Hinweis auf die Gesetzgebungen in Frankreich und in anderen deutschen Staaten sowie auf die Diskussion im Deutschen Bund und nach einigen grundsätz­ lichen Überlegungen zu den Prinzipien des Landrechts hebt Jolly hervor, dass das bisherige badische Recht vor allem hinsichtlich der geschützten Gegenstände und der Dauer des Schutzes unzureichend sei. Diese notwendigen ­Reformen erforderten ein neues Gesetz, das auch Gelegenheit biete, einige andere weniger wichtige Punkte zu reformieren. Ein paar Landrechtssätze wollte der Referent inhaltlich in das neue Regelwerk übernehmen.



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II. Das Reformprojekt hat eine längere Vorgeschichte. Zunächst ist festzuhalten, dass das Großherzogtum Baden zu jenen deutschen Staaten zählte, die bereits vor der Gründung des Deutschen Bundes über einen Nachdruckschutz in Gesetzesform verfügten4. Das 1809 verkündete und 1810 in Kraft getretene Landrecht enthält einen eigenen Abschnitt, dessen § 577da bis 577dh dem „Schrift-Eigenthum“ einen stark auf das Persönlichkeitsrecht des Autors bezogenen Schutz gewährten. Das landrechtliche Regelwerk hat freilich auch auffällige Lücken: Zum einen war der Schutz auf Schriftwerke (§ 577da: „Niedergeschriebene Abhandlung“; § 577db und 577dd: „Handschrift“) begrenzt; andere, also „nicht-schriftstellerische“ Werke, wie etwa Kompositionen und Werke der bildenden Künste blieben unerwähnt. Zum anderen war über längere Zeit unklar geblieben, ob und inwiefern die Normen der älteren Verordnung vom 8. September 18065 durch das Landrecht verdrängt worden waren; erst in der Praxis ließ sich klären, dass dessen Regeln zur Einbeziehung der Werke ausländischer Autoren bzw. der im Ausland erschienenen Drucke weitergelten sollten. Die dadurch entstandenen Schutzlücken konnten – was schon die Verordnung von 1806, aber auch das Landrecht in § 577dh vorsahen – nur durch „besondere Privilegien“ bzw. „Gnadenbriefe“ geschlossen werden6. Als Mitte der 20er Jahre die Privilegienanträge stärker zunahmen, wuchsen die Bedenken, ob man die Defizite weiterhin mit Hilfe von „Gnadenbriefen“, also durch Begünstigungen im Einzelfall, beheben sollte. Die Entscheidung über zwei aktuelle Privilegiengesuche badischer Autoren verband das zuständige „Ministerium des Innern“ mit einer ausführli4  Zum Badischen Landrecht und dessen Bedeutung in der Urheberrechtsgeschichte vgl. man allgemein: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland bis 1845, Baden-Baden 1995, S. 191 ff. Weitere Hinweise im folgenden Beitrag in diesem Band. Der Text der einschlägigen Kapitel des badischen Landrechts ist abgedruckt bei: Hermann Th. Schletter, Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten nebst geschichtlicher Einleitung, Leipzig 1846, S.  62  f.; auch Ch. F. M. Eisenlohr (Hg.), Sammlung der Gesetze und internationalen Verträge zum Schutze des literarisch-artistischen Eigenthums in Deutschland, Frankreich und England, Heidelberg 1856, S.  11–12. 5  Die Verordnung vom 8.  September 1806 bei: Schletter, Handbuch (Fn.  4) S.  60  ff.; Eisenlohr, Sammlung (Fn.  4), S.  9–11. 6  Weitere Hinweise bei Elmar Wadle, Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt. 124 (2007), S. 144–166; auch in diesem Band S.  73  ff.

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cheren Stellungnahme über die Reformbedürftigkeit des geltenden Rechts. Es unterbreitete dem Justizminister folgende Überlegungen7: Die Beschränkung dieses landrechtlichen Nachdruckschutzes auf die Lebenszeit der Autoren habe in letzter Zeit dazu geführt, dass von inländischen Verfassern immer mehr Privilegien nachgesucht würden, um die Schutzfrist, nicht zuletzt zugunsten der Erben, zu verlängern. Es sei „unangemessen, seine Königliche Hoheit mit häufigen Berichten über derartige Privilegien für oft unbedeutende Geistesproducte zu behelligen, die Regierungsblätter mit einer Reihe von Gnadenbriefen zu füllen und sie zulezt zu einer eigenen Art der Bücher-Anzeige benuzen zu lassen. Eine Unterscheidung zwischen ausgezeichneten Werken und minder bedeutenden zu treffen, scheint aber aus verschiedenen Gründen nicht thunlich. Nach unserer Ansicht möchte die landrechtliche Bestimmung Art.  577 einer Verbesserung empfänglich seyn, welche für die Zukunft die Gesuche und die Verleihung von Gnadenbriefen auf ganz seltene Fälle von selbst beschränken würde. Uns scheint es nemlich, daß, wenn man einmal durch die positive Gesetzgebung die Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck schützen, dem Autor den Genuß der Früchte seines Fleißes oder seiner Naturgaben sichern wollte, dies auf eine Weise geschehen müßte, welche die Erreichung dieses Zwecks nicht dem bloßen Zufall anheim gäbe. Daß nun aber jener Schutz auf die ungewisse Dauer des Lebens der Verfasser beschränkt, und dadurch der Verlag eigentlich zum Glückvertrag gemacht wurde, rührt nur von dem Gesichtspunkt her, unter welchem der Verfasser des Landrechts die fraglichen Verhältnisse und zwar nach unserer Meynung ganz unpassend gebracht hat.“

Darüber hinaus regte das Innenministerium an, auch über die Einbeziehung von Kupferstichen und lithographischen Arbeiten in den Nachdruckschutz nachzudenken: „Wir glauben nun zwar nicht, daß zur Darstellung von Dingen, die in der Natur gegeben sind, Eigenthumsrechte oder Privilegien wie solche schon z. B. für ein Panorama von Carlsruhe nachgesucht wurden, ertheilt werden können. Allein litographische Arbeiten dürften gegen den Überdruck und jede Darstellung durch die Litographie und den Kupferstich gegen die getreue Nachbildung in gleichem Format, und in kleinerem mittels Verkleinerungs-Instrumente zu sichern seyn. Indessen möchten über den lezten Gegenstand wegen der Wahl bestimmter technischer Ausdrücke noch Kunstverständige zu hören seyn.“

Schließlich hielt es das Ministerium noch für zweckmäßig, „endlich ausdrücklich auszusprechen, daß fremde Verleger nur dann des Schutzes gegen den Nachdruck in diesseitigen Landen genießen sollen, wenn der fremde Staat den gleichen Schutz dem Schrifteigenthum diesseitiger Verleger gewährt.“ 7  Innenministerium an Justizministerium vom 1. Dezember 1826; GLA 234, 7309.



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Das Justizministerium griff in seiner Antwort8 diese Anregung auf: „Auch wir halten uns von der Nothwendigkeit einer Abänderung des Landrechtssatzes 577dh überzeugt und sind nicht minder damit einverstanden, daß selbige mittelst Aufhebung der hierdurch festgesetzten Restriction des Nachdrucks-Verbots erfolgen müße, wünschen jedoch vor allen Dingen noch genauer zu erfahren, in wie fern, nach dortseitiger Andeutung, das Verbot zugleich auf Erzeugnisse der Lithographie und der Kupferstecherkunst auszudehnen sey. Die Frage, welche den geeigneten Kunstverständigen in dieser Beziehung vorzulegen wäre, dürfte unseres Erachtens etwa dahin lauten: Welche Arten der Vervielfältigung von Kupferstichen und lithographischen Werken sezten künstlerische Bildung, und welche andere blos mechanische Fertigkeit voraus?“

Zu dieser Frage wünschte man ein Gutachten. Das Innenministerium beriet mit einigen Fachleuten – diese freilich sahen sich außerstande, die Frage im Allgemeinen zu beantworten und empfahlen die Unterscheidung zwischen bloßer „Copie und eigener Arbeit“ den Kunstverständigen zu überlassen. Daraufhin arbeitete Jolly den bereits vorgestellten Entwurf aus. III. Die Vorschläge des Referenten wurden schon im eigenen Haus sehr unterschiedlich kommentiert9. Die übrigen „Kollegialmitglieder“ äußerten sich im Laufe der nächsten Monate. Nur einer von ihnen10 erklärte sich mit dem gesamten Entwurf einverstanden; die übrigen brachten zum Teil grundlegende Einwände vor. So wies Christoph Jakob Eisenlohr11 gleich zu Beginn darauf hin, dass es richtig sei, den Schutz nicht auf das „sog. Schrifteigenthum“ zu beschränken; er solle vielmehr „auch auf andere Kunstwerke ausgedehnt werden. Deshalb möchten die Hauptbestimmungen, welche für alle Geistes-Ergzeugnisse gelten sollten, in möglichst allgemeinen Ausdrücken voraus zu schicken seyn, hierauf würde die besonderen Bestimmungen für einzelne Arten derselben folgen und zuletzt könnten die transitorischen Bestimmungen folgen.“ 8  Beschluss

vom 22. Dezember 1826; ebenda. Voten sind ebenfalls überliefert in: GLA 234, 7309. 10  Der Name konnte bisher nicht ermittelt werden. 11  Zu Eisenlohr, seit 1822 im „Obersten Justizdepartement“ (später Justizministerium), vgl. man: Vollständige Sammlung II (Fn.  2) S.  719. 9  Die

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Auch der Kreis der geschützten Gegenstände sollte nach Eisenlohrs Meinung erweitert werden. „Werke der bildenden Kunst“ sollten nicht ausgeschlossen werden. Überdies wollte der Gutachter auch „das Eigenthumsrecht an mechanischen Erfindungen unter den Schutz der Gesetze gestellt“ sehen, wenigstens die „Erfindungen ganz neuer Werkstoffe, ganz neuer Maschinen und Werkzeuge“ sollten einbezogen werden. Es folgen dann noch umfangreiche Erörterungen über Sinn und Zweck des Rechtsschutzes von Geisteswerken. Aus diesen „Prämissen“ leitete Eisenlohr zwölf „Allgemein Grundsätze ab“, die folgendermaßen lauten: 1. Der Eigenthümer eines Kunstwerks oder Geistesprodukts hat das ausschließliche Recht, dasselbe zur Mittheilung oder Veräußerung an andere zu vervielfältigen. 2. Das Eigenthumsrecht an Kunstwerken oder Geistesprodukten wird durch die Formen und Maße bedingt, worin sie als äußerer Gegenstand eines Sachenrechts erscheinen. 3. Der Urheber eines Kunstwerks oder Geistesprodukts ist als Eigenthümer zu betrachten, wenn er dasselbe nicht aus Auftrag für einen anderen gefertigt hat; denn in diesem Falle gebührt das Werk dem Besteller. 4. Jede Vervielfältigung des Originals ohne Ermächtigung des Eigenthümers ist widerrechtlich, insofern jene zur Mittheilung oder Veräußerung an andere geschieht. 5. Mit dem Exemplar eines vervielfältigten Werkes verschiebt man nur das Eigenthum und den Gebrauch des Exemplars für sich selbst und keineswegs das Recht zu weiterer gleicher oder ähnlicher Vervielfältigung für andere. 6. Mit dem Eigentum an einem Geistesprodukt geht auch das Recht der Vervielfältigung auf Erben und andere Rechtsnachfolger über. Dasselbe kann aber auch mit Vorbehalt des Eigenthums einem anderen unter bestimmten exklusiven Bedingungen oder unbeschränkt überlassen werden. 7. Das Verlagsrecht ist das persönliche Recht, ein fremdes Kunstwerk oder Geistesprodukt in unverändertem Stand und Wesen für den (literarischen) Verkehr durch Vervielfältigung des Originals zu benutzen. 8. Ein unbestimmtes Verlagsrecht ist weder auf die Zahl der Exemplare noch auf die der Auflagen an sich beschränkt. Der Verleger ist nur an die Bedingungen des Vertrages gebunden, durch welchen ihm das Verlagsrecht überlassen wird. 9. Das Verlagsrecht erlöscht

a) durch den Tod des Verlegers, wenn nichts anderes bedungen wurde,



b) durch den Ablauf der Zeit, auf welche es verliehen war,



c) durch Veranstaltung der Auflagen für welche der Verleger ermächtigt wurde,



d) durch zehnjährigen Nichtgebrauch des Verlagsrechts.



Es kann aufhören durch Mißbrauch des Verlegers, indem er das Werk verdirbt oder zu weiterer Vervielfältigung benützt als ihm gestattet war.



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10. Das Recht des Eigenthümers (Urhebers) zur Vervielfältigung seines Werks erlöscht mit 30 Jahren nach der ersten Erscheinung oder letzten Auflage desselben. 11. Diese allgemeinen Bestimmungen gelten von allen literarischen Werken, sowie von denjenigen Kunsterzeugnissen, welche durch sichtbare Ton- Sprach- oder Bildzeichen dargestellt werden, und mit dem Namen ihres Urhebers oder Eigenthümers erscheinen.“

Ein anderer Gutachter – es handelt sich um den Carl Ziegler12 – schickte seinen relativ knappen Kommentaren zu den einzelnen Artikel drei zum Teil in Frageform gefasste „Vorbemerkungen“ voraus. Zunächst verwies er auf die Arbeiten einer „vor wenigen Jahren in Frankreich ernannten Commision“. Sodann fragte er, ob das „Verlagsrecht“, das in einer Vorschrift (Art. 3) angesprochen sei, im Gesetz „nicht in seinen Eigenthümlichkeiten … vollends festgestellt werden“ sollte. Schließlich gab er zu erwägen, ob man nicht eine „Beschwerlichkeit umgehen“ könne, wenn man über „Werke der Tonkunst, zeichnenden und bildenden Kunst in den einzelnen §§ nichts anderes sagte, sondern in einer eigenen alle Bestimmungen der früheren §§ auf sie ausdehnte und die Handthabung der Anwendbarkeit auf das Ermessen von Kunstverständigen aussezte?“. Ein weiteres Mitglied – es handelt sich um den „Präsidenten“ des „Kollegiums, den Freiherrn Karl von Zyllnhardt“13 – lehnte schon zu Beginn seines Votums den Entwurf ab: „Der vorliegende Gegenstand scheint mir in keinem Falle zu einem provisorischen Gesetze geeignet. Es wäre noch die Frage, ob es überhaupt nöthig ist, ihn – vorzüglich wenn der neue Gesetzentwurf weitergehen soll, als das großherzogl. Ministerium des Innern zuerst beabsichtigte – von der allgemeinen Revision des Landrechts zu trennen; einige andere Gegenstände möchten wol denselben Anspruch haben.“

Überdies machte sich der Gutachter Eisenlohrs Grundsätze zu Eigen und unterstützte Zieglers dritte „Vorbemerkung“. Angesichts der großen Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Justizministeriums hatte der Entwurf Jollys kaum noch eine Chance. Am 10. August 182714 beschlossen die Repräsentanten des Hauses, dem Innenministerium mitzuteilen, „daß man die Sache nicht für so dringend erachte, um entweder die Erlassung eines provisorii zu erwürken, oder aber die Vorlage eines förmlichen Gesetzentwurfes bey 12  Z., seit 1824 Mitglied der Gesetzkommission, ab 1826 Ministerialrat im Justizministerium; Vollständige Sammlung II (Fn.  2) S.  775. 13  Zu v. Z. (1779–1828) Näheres in: Deutsches Biographisches Archiv I 1421, 329–338. 14  Der Beschluss ist zitiert nach GLA 234 Nr.  7309.

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dem nächsten Landtag in Antrag zu bringen; vielmehr der Meinung sey, daß ihre Erledigung der Gesetzgebungs-Commission füglich überlassen werden könne.“

Diese „Ablage“ führte allerdings nicht dazu, dass das Thema „erledigt“ war, denn Preußen hatte sich mittlerweile entschlossen, die Verhandlungen um einen gemeinsamen Bundesbeschluss dadurch wiederzubeleben, dass es in Verhandlungen mit denjenigen Bundesstaaten eintrat, in denen der Schutz gegen Nachdruck schon bestand; in ihm sollten Vereinbarungen über die Gleichstellung der jeweiligen Untertanen beschlossen werden. Am 16. August 1827, mithin nur wenige Tage nach dem obigen Beschluss des badischen Ministeriums, erließ der preußische König eine entsprechende Kabinettsorder15. Was schon in den zuvor angelaufenen Verhandlungen zwischen Berlin und Karlsruhe im Raume stand, wurde nun zum Gegenstand neuer Beratungen in den badischen Ministerien16. Sie führten das badische Innenministerium abermals dazu, die Initiative zu ergreifen. In seinem Schreiben vom 20. August 182717 an das „Ministerium des großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten“, das über den preußischen Antrag unterrichtet hatte, geht das Innenministerium nicht nur auf die Offerte Berlins ein; es greift zugleich das Projekt einer Novellierung des landrechtlichen Kapitels zum „Schrift-Eigenthum“ auf: „Da das großherzogl. Justizministerium die Ansicht, daß die diesseitige Gesetzgebung zum Vortheil der Schriftsteller und Verleger einer Verbesserung bedarf, mit uns theilt und wohl dasselbe auch bereits einen Gesetzesentwurf hierüber in Berathung genommen hat; so könnte der königl. preußischen Regierung zugleich von dieser Absicht Kenntnis und etwa auch die diesseitige Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben werden, zur wirksamen Erreichung des Zwecks, sich über gleichförmige Bestimmungen zu verstehen, ohne jedoch durch Verhandlungen hierüber, die sich immerhin etwas verzögern können, eine gleich baldige Vereinbarung in der aber vorgeschlagenen Weise aufzuhalten.“

An die Adresse des Justizministeriums wurde der Wunsch geäußert, man solle, wenn schon der umfassende Gesetzentwurf aufgeschoben werde, wenigstens die Dauer des „Schrift-Eigenthums“ durch eine provisorische Verordnung im Sinne des Entwurfs (Art.  9) zu verlängern. Das Ministerium fügt hinzu: „Die Abänderung des Artik 577dh, wodurch die verlängerte Dauer des Schrifteigenthums zu bestimmen wäre, würden wir lediglich dortseitigem Ermessen anheimstellen. Jedoch erlauben wir uns, in Beziehung auf die mitgeteilten Bemerkungen über diesen Gegenstand und insbesondere auf die Fassung des Artikel 9 des Projects, darauf aufmerksam zu machen, daß durch den Verlagsvertrag gar 15  Abgedruckt in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1827, S.  123. 16  Zum Folgenden vgl. man etwa die Hinweise in GLA 48 Nr.  1805. 17  GLA 234 Nr.  7309.



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häufig, nicht allein das Eigenthum der Handschrift, nebst dem Rechte einer erstmaligen Vervielfältigung, sondern in der That das volle sogenannte Schrifteigenthum nach Artikel 577dc auf den Verleger übertragen wird, so daß ihm die Wiederholung des Abdrucks freysteht. Wenn nun die fraglichen zehn Jahre vom Todestage des Eigenthümers gerechnet werden, so bleibt dieser Anfangstermin für das Publicum, das den Verlagsvertrag nicht kennt, notwendig unbestimmt. Nach der dem Schrift-eigenthum zugrunde liegenden Idee halten überhaupt dafür, daß die Lebensdauer eines Rechtsnachfolgers auf keine Weise bey der Bestimmung der Dauer eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts in Betrachtung kommen kann. Vielleicht könnte, wenn man sich vorderHand auf die dringenden Maasregel beschränken wollte, den Artikel 577dh durch folgenden ersetzt werden: Das Schrift-Eigenthum gedruckter Schriften erlöscht mit Ablauf des 10ten Jahres nach dem Tode des Verfassers und ist der Verfasser auf dem Abdruck nicht genannt, oder die Schrift nach seinem Tode erst gedruckt worden, nach Ablauf voller zehn Jahre vom lezten Tage des Jahres an gerechnet, in welchem der Druck des Werkes vollendet wurde.“

Nun war das Justizministerium wieder am Zuge, das mittlerweile ebenfalls vom Außenministerium unterrichtet worden war; es antwortete am 16. Oktober 182718. Hinsichtlich des Abkommens mit Preußen sah es keine Probleme, da die Verordnung von 1806 insoweit durch Landrechts-Satz 577dg aufgehoben worden sei und der Fall der Retorsion wegen des preußischen Landrechts nicht eintreten könne. Zur vorgeschlagenen zeitlichen Erweiterung des badischen Nachdruckverbots heißt es: „Was sodann aber die Erweiterung des Nachdruckverbots hinsichtlich des Zeitraums betrifft, so können wir nicht für richtig erachten, selbige jetzt noch, wo eine baldige Einberufung der Landstände zu gewertigen ist, als Provisorium in Antrag zu bringen. Eine neue gesetzliche Bestimmung dieses Punkts läßt sich jedoch vielleicht gänzlich umgehen, weil das Landrecht dem Regenten die Befugnis, erweiternde Gnadenbriefe zu ertheilen, ausdrücklich reservirt, und diese Befugnis auch wohl in Form einer generellen Declaration, wenigstens zugunsten der inländischen Schriftsteller und Verleger, die dann zugleich den preußischen zustatten kommt, geübt werden kann. Wir überlassen daher dortseitigem Ermessen, etwa hierauf, und zwar gerade aus Veranlassung der häufigen Bitten um Gnadenbriefe, einen Antrag an seine königliche Hoheit zustellen, und erbitten uns nur gefällige Nachricht von dessen Erfolg.“

Nachdem die Gegenseitigkeitserklärungen zwischen Preußen und Baden bereits ausgetauscht waren19, kam das Außenministerium, das den preußischen Gesandten über die interne Diskussion zur Reform des Nachdruckschutzes unterrichtet sah, auf die Angelegenheit zurück20. Das Justizministerium solle den badischen Ständen „noch während der Dauer des gegen18  Ebenda.

19  Großherzoglich-Badisches 20  Staatsministerium

Regierungsblatt 1828 S.  8. an Justizministerium vom 18. April 1828; GLA 234 Nr. 7309.

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Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck

wärtigen Landtags … einen geeigneten Gesetzes-Entwurf“ vorlegen, der „wenigstens einstweilen“ den Landrechtssatz 577dh entweder gänzlich aufhebe oder doch so modifiziere, dass er der Sicherheit der Verleger mehr entspreche. Das Justizministerium bestätigte21, die Reformbedürftigkeit der Regeln über das „Schrift-Eigenthum“, hob aber zugleich hervor, dass es bei einem umfassenden Gesetzentwurf zu „Schwierigkeiten“ gekommen sei, weshalb man für ratsam gehalten habe „diesen Gegenstand von der Revision unser übrigen Gesetze nicht zu trennen“. Um dem Wunsch, wenigstens § 577dh des Landrechts zu novellieren nachzukommen, legte das Ministerium einen Gesetzesvorschlag mit Motiven vor. Der Entwurf, der an die Ständen gelangen sollte, hat folgenden Wortlaut: „Wir Ludwig etc. etc. verordnen hierdurch mit Zustimmung Unserer getreuen Stände: § 1 Der Satz

577dh

des Landrechts ist aufgehoben. § 2

Das Schrift-Eigenthum gedruckter Schriften erlischt mit Ablauf des fünfzehnten Jahres nach dem Tode des Verfassers; ist aber der Verfasser auf der Urkunde nicht genannt, oder die Schrift nach seinem Tod erst gedruckt worden, nach Ablauf aller fünfzehn Jahre von letzterem Tag des Jahres an gerechnet, in welchem der Druck des Werks vollendet wurde. Nach Verfluß dieses Zeitraums kann jeder Besitzer der Schrift einen Nachdruck veranstalten, insoweit nicht besondere Gnadenbriefe im Weg stehen. Hieran geschieht unser Wille. Gegeben etc. etc.“

Für den Fall, dass man die Vorlage nicht vor die Kammer bringen könne, so biete sich wohl nur noch ein Ausweg an: Dem Entwurf könne „in der Eigenschaft eines provisorischen Gesetzes die höchste Sanction“ erteilt werden. Das Ministerium fügte hinzu: „Denn obwohl wir uns … an das grhzl. Ministerium des Innern erklärt haben, daß sich mit Umgehung eines förmlichen Gesetzes, derselbe Zweck vielleicht auch im Weg einer generellen höchsten Declaration erreichen lasse, so scheint doch bei näherer Erwägung theils der Umstand, daß dem Begriffe eines Privilegiums oder Gnadenbriefs das Criterium der Allgemeinheit schwerlich entspricht, theils daß dadurch der Satz 577dh selbst aufgehoben würde, der Ausführbarkeit dieses Vorschlags entgegenzustehen.“ 21  Beschluss

vom 2.  Mai 1828; GLA 233 Nr.  27608.



Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck

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Auf diese Anregung ging das Staats- und Außenministerium nicht mehr ein. In seinen Akten findet sich auf der Mitteilung aus dem Justizressort vom 2. Mai 1828 folgender Vermerk22: „Vi conclusi est. 5.  Februar 1929 ad acta, da dieser Sache von Preußen am Bundestage anhängig gemacht worden ist, und daher eine allgemeine Erledigung erhalten wird.“

Preußen hatte im Spätjahr 182823. am Bundestag eine neue Initiative ergriffen, der Baden später „sofort definitiv“ zustimmte; sie sollte schließlich zum Bundesbeschluss von 1832 führen. Für die badische Regierung hatte sich die interne Diskussion um die Reform des Landrechtskapitels „vom Schrift-Eigenthum“ vorerst erübrigt. Baden unterstützte die preußische Politik im Bundestag, dem zentralen Organ des Deutschen Bundes, auch in den folgenden Jahren, als man im Sinne des Art.  18 der Bundesakte daranging, die bloße Gegenseitigkeitsregel von 1832 um Grundsätze zur inhaltlichen Ausgestaltung des Schutzes zu ergänzen24

22  Ebenda.

23  Die offizielle Abstimmung erfolgt am 20. August 1829; Protokolle der Bundesversammlung vom Jahr 1829 § 148 S.  628  ff. 24  Näheres dazu bei Gieseke, Vom Privileg (Fn.  1) S.  230  ff. Im Übrigen vgl. man die einschlägigen Beiträge des Verf. dieses Beitrages in: Geistiges Eigentum I / II, Weinheim / München 1996 / 2003.

Der badische Entwurf eines „Gesetzes über den Schutz des Eigenthums an Werken der Literatur und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung“ von 1840 / 41 Ein zweiter Ansatz zur Reform des Urheberrechts im Großherzogtum Wer sich für das Urheberrecht interessiert, kommt gelegentlich nicht umhin, sich mit Problemen des Kulturgüterschutzes zu befassen.1 Man kann diesen Satz auch umkehren: wer sich – wie Wilfried Fiedler – mit dem Schutz von Kulturgütern beschäftigt,2 begegnet hier und da auch urheberrechtlichen Problemen. Deshalb darf man hoffen, daß dem Jubilar ein kleiner „Ausflug“ in die Geschichte des Urheberrechts gefallen wird, zumal es sich um eine bislang unbekannte Episode der Rechtsgeschichte in Baden handelt, mithin jene Region betrifft, die dem Jubilar seit Studienzeiten besonders vertraut ist. I. Die Tatsache, daß das Großherzogtum Baden schon bald nach seiner Gründung Regeln zum Schutz gegen den Nachdruck erlassen hat, ist bekannt und vielfach beschrieben worden.3 Die jahrelange Diskussion, die im 1  Adolf Dietz, Der Einbruch der kulturellen Vielfalt ins Urheberrecht, in: Tiziana J. Chiusi / Thomas Gergen / Heike Jung (Hrsg.), Das Recht und seine historischen Grundlagen. Festschrift für Elmar Wadle zum 70.  Geburtstag (Schriften zur Rechtsgeschichte H. 139), Berlin 2008, S.  91–110. 2  Hier muß ein Hinweis genügen auf: Wilfried Fiedler, Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Rußland über die Rückführung der während und nach dem 2. Weltkrieg verlagerter Kulturgüter, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart N. F. 56 (2008) S. 217–227; ders., Historische und rechtshistorische Argumente in den Verhandlungen über die Restitution von Kulturgütern zwischen Deutschland und Rußland, in: Chiusi / Gergen / Jung, Das Recht und seine historischen Grundlagen (Anm. 1), S. 229–238 ( mit zahlreichen weiterführenden Angaben). 3  Zur älteren Forschung: Ludwig Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht. Die Entwicklung des Urheberrechts in Deutschland, Baden-Baden 1995, S.  190–194; Elmar Wadle, Rezeption durch Anpassung: Der Code Civil und das Badische Landrecht. Erinnerung an eine Erfolgsgeschichte, in: Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 2004 S.  947–960; zuletzt: Martin Löhnig, „Vom Schrift-Eigenthum“. Das

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Der badische Entwurf eines „Gesetzes über den Schutz des Eigenthums“

Deutschen Bund um den Schutz von Urhebern geführt worden ist, hat in mehreren Mitgliedsstaaten zu neuen Schutzgesetzen geführt, nicht aber in Baden. Das Großherzogtum behielt die urheberrechtlichen Regeln bei, die in der Verordnung vom 8.  September 1806 erstmals angesprochen und kurz darauf im Badischen Landrecht von 1809 / 1810 entfaltet worden waren.4 Im Übrigen begnügte sich Karlsruhe im wesentlichen mit der Übernahme der Bundesbeschlüsse. In späteren Ausgaben des Badischen Landrechts kann man die Folgen dieser Entscheidung erkennen; so etwa in der amtlichen Ausgabe, die 1854 in Karlsruhe erschienen ist.5 In dieser für die Praxis gedachten Edition ist das ganze Kapitel „Vom Schrifteigenthum“ (Landrecht Satz 577 da bis 577 dh) noch enthalten; ebenso wie in früheren Drucken6 zeigt auch hier der veränderte Drucksatz an, daß dieses Kapitel Gegenstände behandelt, die nicht in den französischen Code civil eingegangen sind. Noch wichtiger ist in unserem Zusammenhang die Tatsache, daß eine Fußnote zahlreiche Hinweise auf ergänzende Bestimmungen enthält; sie verweisen nämlich auf die Verordnung von 1806, auf die Bundesbeschlüsse von 1832, 1835, 1837, 1841 und 1845, sowie auf eine badische Vollzugsordnung von 1854 und den Staatsvertrag mit Frankreich aus dem Jahre 1854. Alle diese Dokumente, die im Anhang abgedruckt sind, hat man als zusätzlich geltendes Recht, als ergänzende Normen verstanden, nach denen die Sätze des Landrechts zu modifizieren und zu ergänzen waren. erste deutsche Urheberrecht in Art.  577 da–577 dh des Badischen Landrechts, in: UFITA 2007 III S.  783–793; Louis Pahlow, „Fällt der Kopf ins Grab, so fällt seine Schrift ins Freye“. Das Badische Landrecht und der Schutz des geistigen Eigentums, in: Christian Hattenhauer / Klaus-Peter Schroeder (Hrsg.), 200 Jahre Badisches Landrecht von 1809 / 1810 (Rechtshistorische Reihe Bd. 415) Frankfurt / Main 2011, S. 155–180. 4  Die einschlägigen Texte sind zusammengestellt bei: Hermann Theodor Schletter (Hrsg.), Handbuch der deutschen Preß – Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten nebst geschichtlicher Einleitung. Leipzig 1846, S.  60 ff.; sowie bei: Ch. F.M. Eisenlohr (Hrsg.), Sammlung der Gesetze und der internationalen Verträge zum Schutze des literarisch-artistischen Eigenthum in Deutschland, Frankreich und England. Heidelberg 1856, S.  9 ff. 5  Landrecht für das Großherzogthum Baden nebst Handelsgesetzen. Amtliche Ausgabe, Karlsruhe 1854, S.  143–144. – Entsprechendes gilt schon für die amtliche Ausgabe von 1846, deren Untertitel lautet: „Mit den beiden Einführungsedikten und der Bezugnahme auf alle das Landrecht abändernde oder erläuternde Gesetze  …“. 6  Die Kennzeichnung durch veränderten Druck ist bereits in den beiden Ausgaben des Jahres 1809 zu finden. Die Edition der C. F. Müller’schen Hofbuchdruckerei weist die Zusätze durch kleineren Druck aus; die konkurrierende Firma Macklot verwendet in ihrer Ausgabe einen kleineren Zeilenabstand. Entsprechendes gilt für die Ausgabe „Das Badische Landrecht nebst Handelsgesetzen. Karlsruhe 1836“, S. 142–143.

Der badische Entwurf eines „Gesetzes über den Schutz des Eigenthums“

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Es gab allerdings auch in Baden Projekte zur ausdrücklichen Reform des landrechtlichen Urheberschutzes. Über einen ersten Gesetzentwurf aus dem Jahre 1828 konnte vor kurzem berichtet werden.7 Ein zweiter Vorschlag wurde in den Jahren 1840 / 41 entwickelt; er soll in diesem Beitrag vorgestellt werden. Zunächst ist auf die Debatten auf Bundesebene einzugehen, die in den badischen Ministerien eine neue Diskussion über ein eigenes Landesgesetz angeregt haben (II). Im Anschluß daran ist der konkrete Anlaß für die Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs zu erörtern (III). Sodann soll der Text des Entwurfes, sein wesentlicher Inhalt und sein Vorbild vorgestellt werden (IV). Ein letzter Abschnitt gilt dem weiteren Schicksal des Entwurfs und insbesondere der Frage, warum Baden den Entwurf nicht im Wege der eigenen Gesetzgebung zum geltenden Recht erhoben hat (V). II. Die zweite Diskussion um die Reform des landrechtlichen Schutzes gegen den Nachdruck hat andere Ursachen als jene, die in den späten zwanziger Jahren stattfand. Damals ging es vor allem darum, auf die immer lästiger werdende Privilegierungspraxis zu reagieren; durch eine Erweiterung des gesetzlichen Rechtsschutzes sollte der weiterhin zulässige Rückgriff auf Privilegien eingedämmt werden.8 Runde fünf Jahre später führten die Verhandlungen im Deutschen Bund dazu, erneut über eine Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck nachzudenken. Als die Bundesversammlung entschieden hatte, die an sie weitergeleiteten Aufträge der Wiener Geheimen Konferenz von 1834 getrennt zu diskutieren,9 befaßte sich die für die Nachdruckfrage etablierte Kommission des Bundes7  Elmar Wadle, Ein Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck, in: Ulrich Wackenbarth / Thomas Vormbaum / Hans-Peter Marutschke (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Eisenhardt zum 70.  Geburtstag, München 2007, S.  171–182; auch in diesem Band S.  355  ff. 8  Näheres zur badischen Privilegienpraxis bei: Elmar Wadle, Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 124. Bd.  (2007) S.  144–166, bes. S.  156 ff.; ders., Der badische Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes, in: Harald Derschka / Rainer Hausmann / Martin Löhnig (Hrsg.), Festschrift für Hans-Wolfgang Strätz zum 70.  Geburtstag, Regenstauf 2009, S.  551–563. Beide Aufsätze auch in diesem Band S.  73  ff. u. S.  341  ff. 9  Dazu: Elmar Wadle, Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten Organisation des deutschen Buchhandels. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern, in: Bernd-Rüdiger Kern / Elmar Wadle / Klaus-Peter Schoe­ der / Christian Katzenmeier (Hrsg.), Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte.

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tages wieder eingehender mit den seit Jahren ungelösten Problemen eines bundeseinheitlichen Schutzes. Freiherr von Blittersdorff, der badische Gesandte am Bundestag,10 war Vorsitzender dieser Kommission und berichtete ausführlich über die immer noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten. Der Sache nach ging es um die Umsetzung des Artikels 36 des Wiener Protokolls; dieser besagt:11 „Die Regierenden vereinbaren sich dahin, daß der Nachdruck im Umfange des ganzen Bundesgebietes zu verbieten und das schriftstellerische Eigenthum nach gleichförmigen Grundsätzen festzustellen und zu schützen sei“.

Die Beschlußvorlage12 übernahm den Wortlaut des Art. 36 als Satz 1 und ergänzte ihn in folgender Weise: „2)  Die höchsten und hohen Regierungen werden aufgefordert, der Bundesversammlung binnen zwei Monaten anzuzeigen, was sie zur Ausführung des durch vorstehenden Beschluß angesprochenen Verbots des Nachdrucks bereits verfügt haben oder noch zu verfügen beabsichtigen.“

In der Sitzung der Bundesversammlung vom 2.  April 1835 wurden die beiden Artikel zum Bundesbeschluß („Maaßregeln zum Schutz des schriftstellerischen Eigenthums betreffend“) erhoben13. Blittersdorff hatte diesen Antrag schon in seinem Bericht vom 3.  April unterstützt;14 er argumentierte, ein solcher Beschluß sei Festschrift für Adolf Laufs zum 70.  Geburtstag. Berlin / Heidelberg / New York 2005, S.  431–457, bes. S.  438 ff., auch in diesem Band S.  245  ff. 10  Von Blittersdorff war badischer Bundestagsgesandter von 1820 bis 1835 und von 1843 bis 1848; von Ende 1835 bis Oktober 1843 amtierte v.B. als badischer Außenminister. Zur Person und ihrer Politik eingehend: Wolfgang von Hippel, Friedrich Karl von Blittersdorff. 1792–1861. Ein Beitrag zur badischen Landtags- und Bundespolitik im Vormärz (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B Forschungen Bd.  38), Stuttgart 1967; zusätzliche Hinweise bei Annette Jasmin Baldes, Die Entstehung des Strafgesetzbuches für das Großherzogtum Baden von 1845. Mit Blick auf die Badische Verfassungsgeschichte und die an der Strafgesetzgebung beteiligten Personen (Studien zur Rechtswissenschaft Bd.  28), Hamburg 1999, S.  116 ff. 11  Die sechzig Artikel (Schlußprotokoll der Wiener Ministerkonferenzen vom 12.  Juni 1834) Art.  36; Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd.  1. Stuttgart 3. Aufl. 1978, S.  143. 12  Protokolle der deutschen Bundesversammlung (künftig: Prot.BV) 1835 (§ 140). S.  270. 13  Ebenda. 14  Die folgenden Angaben und Zitate zum internen Meinungsaustausch zwischen den Karlsruher Ministerien und Behörden beruhen auf folgenden Akten des Landesarchivs Baden-Württemberg / Generallandesarchivs Karlsruhe (künftig: GLA):     Abteilung 49 (Haus- und Staatsarchiv – IV. Gesandtschaften) Nr.  367     Abteilung 233 (Staatsministerium ) Nr.  3157, 3158 und 27608

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„…  der einzig richtige und praktische  …, insofern er in dem Sinne zu nehmen sey, daß alle Regierungen, ohne Rücksicht auf die von dem Bunde in Berathung zu nehmende Gleichförmigkeit der Grundsätze zum Behuf des Schutzes des schriftstellerischen Eigenthums, auf dem Wege der Partikulargesetzgebung Verbote gegen den Nachdruck zu erlassen hätten. Seit dem Beschlusse vom 6ten 7br 1832 §  361 fänden Verletzungen des schriftstellerischen Eigenthums von größerem Belange nur noch in den Bundesstaaten statt, wo das Privilegiensystem bestehe, und mithin der Nachdruck als Regel gelte: die Hauptsache sey daher, daß in allen Bundesstaaten Gesetze gegen den Nachdruck erlassen und das Privilegiensystem allerwärts aufgehoben werde. Sey dies einmal bewirkt, sey insofern Gleichförmigkeit unter allen Bundesstaaten hergestellt, so werde das Prinzip der Reziprozität, wie es durch den Beschluß vom 6ten 7br 1832 ausgesprochen sey, in den meisten Fällen seine Anwendung finden könne, und das schriftstellerische Eigenthum werde des billigen und gerechten Schutzes nicht entbehren.“

Der am 2. April gefaßte Beschluß der Bundesversammlung löste nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Karlsruhe eine vielschichtige Debatte aus. Noch im April, mithin kurz nach der Verabschiedung, griff die badische Regierung die Frage nach den getroffenen „Verfügungen“ auf. Das „Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten“ forderte am 10. April das „Ministerium des Innern“ auf, „sich hierüber äußern zu wollen, ob es eine Erweiterung der landesrechtlichen Bestimmungen gegen den Nachdruck dortseits auf Fortdauer für zweckmäßig erachtet werde und ob sich dieselbe schon in nahe Aussicht stellen lasse.“

Noch bevor die Antwort eintraf, beauftragte man (21. Mai) den badischen Gesandten im Bundestag, „…  sich im Namen der Großherzoglichen Regierung auf die Landrechtssätze … zu beziehen … und noch beizufügen, daß man das Schrifteigenthum auch noch für eine Reihe von Jahren nach dem Tode des Schriftstellers zu sichern gedenke und deshalb der künftigen Ständeversammlung im Großherzogthum einen Gesetzentwurf vorlegen werde, wenn und insofern die übrigen Bundesregierungen ähnliche Maßregeln ergreifen dürften.“

Am 25. Juni gab von Blittersdorff in Frankfurt eine entsprechende Erklärung ab.15 Kurz vor diesem Termin, nämlich am 22. Mai, hatte sich auch das Innenministerium geäußert: „Bei dem gegenwärtigen Landtag kann jedenfalls keine Änderung der bestehenden Gesetzgebung über den Büchernachdruck herbeigeführt werden; wir werden aber darauf antragen, dem Landtage von 1837 einen Gesetzentwurf, wodurch das Recht     Abteilung     Abteilung

234 (Justizministerium) Nr.  7309 236 (Innenministerium) Nr.  5745 und 5746. 15  Prot. BV 1835 (§  224) S.  479.

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des Schriftstellers noch auf 20. Jahre nach dessen Tod gesichert würde, vorzulegen, wenn die übrigen Bundesstaaten nach dem Bundesbeschlusse vom 2. vor. M. zu ähnlichen Maaßregeln für den Schrifteigenthums sich herbeilassen.“

Daraufhin ermächtigte das Außenministerium (9. Juni) den Bundestagsgesandten bezüglich des zweiten Teils des Beschlusses „… zu der vorläufigen Erklärung …, daß die Großh. Regierung das im Landrecht Satz 577 da bis 577 dh bereits enthaltene Verbot künftig noch, über die Lebensdauer des Schrifteigenthümers hinaus, erweitern dürfte, wenn andere Bundes-Regierungen sich zu einer ähnlichen Bestimmung herbeilassen sollten.“

In seiner Vorlage an Großherzog und Staatsministerium (9.  Juni) fügte das Außenministerium hinzu: „Inzwischen scheint uns räthlich zu seyn, daß man den ersten Teil des obgedachten Beschlusses schon jetzt publicirt und wir tragen daher ehrerbietigst darauf an, Euer Königl. Hoheit mögten uns dazu gnädigst zu legitimiren geruhen“.

Nach „höchster Entschließung“ vom 12.  Juni wurde der Bundesbeschluß „mit dem Bemerken“ versehen, „daß die von den einzelnen Bundes-Regierungen zur Ausführung des Verbots getroffenen Verfügungen, nach den hierüber der Bundes-Versammlung zu machenden Anzeigen, seiner Zeit ebenfalls öffentlich verkündet werden sollen“, und am 15.  Juni zur Veröffentlichung im „Großherzoglich Badischen Staats- und Regierungsblatt“ freigegeben.16 Im Spätjahr 1835 kam es zu einer neuen Diskussion, nachdem Württemberg im Bundestag um eine Erläuterung des im Bundesbeschluß vom 2.  April enthaltenen allgemeinen Nachdrucksverbots gebeten hatte.17 Während das badische Justizministerium am 8. Dezember ein „positives Verbot“ bejahte und die aufzustellenden „gleichförmigen Grundsätze“ der „künftigen Beratung und Vereinbarung“ vorbehalten wollte, befürwortete das Innenministerium (4.  Dezember) ein förmliches Bundesgesetz; allerdings war es auch mit der Aufstellung gleichförmiger Grundsätze, wie sie die Bundeskommission vorgeschlagen hatte, grundsätzlich einverstanden. Das Außenministerium gab am 17.  Dezember diese Wünsche an die Frankfurter Kommission weiter. Inzwischen hatte das badische Innenministerium allerdings seine Stellungnahme modifiziert; es wollte nun (14.  Dezember) im Bundesbeschluß vom 2. April nicht „ein eigentliches Bundesgesetz“ erblicken, sondern nur 16  Nr.  XXVIII.

S.  177. BV 1835 (§  448) S.  945 ff.; Näheres dazu bei: Thomas Gergen, Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19.  Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund (Schriften zur Rechtsgeschichte H.  137), Berlin 2007, S.  66 f. 17  Prot.

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„eine Vereinbarung, wodurch sich die Regierungen zum Verbote des Nachdruckes im Wege der Bundesgesetzgebung gegenseitig verpflichten, … und in dieser Beziehung haben die Regierungen, da mit der bloßen Verkündung nichts gethan ist, nach dem membrum Nr. 2 desselben binnen 2 Monaten anzuzeigen was sie zur Ausführung des verabredeten Nachdruckverbots gethan haben, oder noch thun werden.“

Die hier angesprochene Grundsatzfrage wurde in diesem Zusammenhang zwar nicht weiter diskutiert. Der Vorgang läßt jedoch erkennen, daß man in Baden den Rückgriff auf ein eigenes Gesetz nicht grundsätzlich ausgeschlossen hat. In dieselbe Richtung weist eine Stellungnahme des Justizministeriums im Frühjahr 1837. Als Preußen in der Debatte um die gemeinsam erstrebten „Grundsätze“ verlangte, die zunächst vorgesehene Schutzfrist von insgesamt 10 Jahren auf 15 Jahre nach dem Tod des Autors zu verlängern, verwies man in Baden auf den eigenen Gesetzentwurf von 1828. Das Justizministerium gab (10.  März) folgende Stellungnahme ab: „Im Jahre 1828 haben wir einen abschriftlich beigeschlossenen Gesetzesvorschlag entworfen, der hinsichtlich der Zeitdauer, für welche der Nachdruck hierlands verbothen werden sollte, mit dem, was die Königl. Preußische Regierung nunmehr allgemein zu erzielen strebt, vollkommen übereinstimmt und dessen Inhalt sich uns noch immer als legislativ zweckmäßig zu empfehlen scheint. Wir nehmen daher überall keinen Anstand, uns mit der … dortigen Ansicht einverstanden zu erklären und würden uns schon früher dafür ausgesprochen haben, wenn uns nicht die Befürchtung, daß die Zustimmung sämmtlicher Bundesstaaten auf eine so lange Zeitdauer nicht zu erreichen seyn dürfte, dem Commissionsantrag beizutreten vermocht hätte.“

Die grundsätzliche Bereitschaft Badens, unter bestimmten Bedingungen ein neues Landesgesetz zu erlassen, lebte wieder auf, als man in Karlsruhe daran ging, den im Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 („Die Aufstellung gleichförmiger Grundsätze gegen den Nachdruck betreffend“)18 enthaltenen Regeln in Baden Geltung zu verschaffen. Bevor man in der badischen Regierung über ein neues Gesetz nachdenken konnte, mußte zunächst die Frage beantwortet werden, ob und wie bereits der Bundesbeschluß selbst die Rechtslage in Baden verändert haben könnte. Das Außenministerium bewertete am 27. November 1837 die rechtliche Situation in einer ausführlichen Vorlage. Darin heißt es: Der Bundesbeschluß „mußte sich …, um nicht an den divergirenden Ansichten und Interessen zu scheitern, auf die Grundzüge und Festsetzung eines Minimum für die Schutzfrist be18  Prot. BV 1837 S.  846  g–846  h; Schletter, Handbuch (Anm.  4) S.  4 f. – Dazu: Elmar Wadle, Der Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 gegen den Nachdruck, in: ders., Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Weinheim / München 1996, S.  222–267.

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schränken, das Detail aber und die beliebige Ausdehnung der Eigenthums-Rechte der Schriftsteller auf einen längeren Zeitraum, den Particular-Gesetzgebungen überlassen. Von diesem Gesichtspuncte aus wird man den gedachten Bundesbeschluß, obwohl er manche Lücke enthält, dennoch, insofern er die Sicherstellung gegen den Nachdruck im gesammten Bundes-Gebiete verbürgt, als eine wünschenwerthe Erscheinung betrachten. Es frägt sich nunmehr, in welcher Weise die Gr. Regierung die darin enthaltenen Normen hierlands zum Vollzug bringen will: Nach dem Eingang des Beschlusses und den Anfangsworten des Art.  6 muß es als in dem Belieben der einzelnen Bundesstaaten stehend angesehen werden, ob sie jene Normen sofort durch Verkündigung innerhalb ihrer Territorien für verbindlich erklären wollen, oder ob sie es vorziehen, dieselben nur einer erschöpfenden Particular-Gesetzgebung zu Grund zu legen, und erst nach Verschmelzung mit derselben zu vollziehen. Nach unserer Ansicht dürfen dießerorts der alsbaldigen Verkündigung des Beschlußes vom 9ten Novembr., vorbehaltlich dessen späterer Ergänzung aus dem Wege der Gesetzgebung, der Vorzug gegeben werden; einmal, weil hiedurch, nach §  2 der Verfassungsurkunde, gegenüber den Ständen eine festere Basis für die an sie seiner Zeit zu machende Vorlage gewonnen würde, weil dessen Inhalt eines Theils mit der bestehenden Gesetzgebung im Einklange steht, andern Theils dieselbe auf entsprechende Weise ergänzen würde.“

Das Verhältnis des neuen Bundesrechts zum älteren badischen Landesrecht wird folgendermaßen beschrieben: „Unser Gesetzbuch sanctionirt das Schrift-Eigenthum und steht insofern mit dem Art.  1 des Beschlusses im Einklange; letzterer dehnt dasselbe zudem – wie billig – auf Werke der Kunst aus. Das Landrecht läßt jenes Eigenthum mit dem Tod des Verfassers erlöschen, nach Art.  2 geht es auf dessen Erben über und soll mindestens während zehn Jahren geschützt werden. Diese scheinbar widersprechenden Vorschriften könnten jedoch sehr wohl neben einander bestehen: die Worte „mindestens während eines Zeitraums von zehn Jahren“ schließen nemlich eine deßfallsige erweiternde Bestimmung nicht aus, sind daher eben so wenig geeignet, einer solchen schon bestehenden Bestimmung zu derogiren, in Zukunft würde daher das Schrift-Eigenthum landrechtlich stetshin während der Lebensdauer des Autors geschüzt bleiben: nebstem aber dasselbe, insoweit das Decennium nicht abgelaufen ist, für die noch übrige Frist, nach dem Bundes-Gesetze, auf die Erben übergehen. Hinsichtlich der Werke der Kunst dagegen würde einzig der Bundesbeschluß entscheiden. Der Art.  3 enthält eine mit unserer Particular-Gesetzgebung nicht collidirende Bestimmung. Die Art.  4 und 5 stehen mit unserer Gesetzgebung und allgemeinen Rechtsgrundsätzen in Übereinstimmung. Der Art.  6 enthält keine Gesetzes-Vorschrift, sondern nur eine Auflage an die Bundes-Regierungen.“

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Auf die Frage, ob es genügen würde, zunächst den dispositiven Artikeln 1 bis 5 des Bundesbeschlusses formal durch Verkündung im Gesetzblatt zur Geltung zu verhelfen, oder ob es notwendig sei, sie im Rahmen eines besonderen Landesgesetzes als geltendes Recht zu etablieren, gaben die beiden übrigen Ministerien unterschiedliche Antworten. Das Justizministerium teilte mit (22.  Dezember), daß es zwar der ersten Variante zustimme, man aber nicht gehindert sei, später diese Grundsätze in ein umfassenderes Landesgesetz aufzunehmen. Das Innenministerium hingegen bezweifelte (29.  Dezember), daß es – jedenfalls in Beziehung auf die Artikel 1 bis 5 – genüge, den Bundesbeschluß im Gesetzblatt zu verkünden. Zur Begründung verwies man darauf, daß auf Grund des Art.  15 der Wiener Schlußakte19 und des Art.  2 der badischen Verfassung20 Bedenken gegen die Rechtsverbindlichkeit erhoben werden könnten; man sei nicht sicher, „daß unser Richterstand sich durch den fraglichen Bundesbeschluß gebunden erachte; bei einer Mißachtung desselben aber ein Zustand der Rechtsverwirrung entstünde, den man in dem vorliegenden Fall um so leichter vermeiden kann, als der Bundesbeschluß selbst den einzelnen Regierungen die Verschmelzung seiner Grundzüge mit der Particulargesetzgebung überläßt“.

Im übrigen sei es „räthlich“, dem Beispiel Bayerns und Württembergs zu folgen, die ebenfalls über eine „constitutionelle“ Verfassung verfügten. Schließlich sei zu bedenken, daß „bei unseren Ständen durchaus ein Entgegenstreben in der vorliegenden Sache nicht, vielmehr eine dem Geiste des preußischen Gesetzes über den Nachdruck sich annähernde Ansicht zu gewärtigen ist“.

Der Dissens zwischen den beiden Ministerien veranlaßte das Außenministerium zu einer außergewöhnlich langen Stellungnahme. In der an „Seine(r) Königliche(n) Hoheit zum Großherzoglichen Staatsministerium“ adressierten 19  Dieser Artikel lautet: „In Fällen, wo die Bundes-Glieder nicht in ihrer vertragsmäßigen Einheit, sondern als einzelne, selbstständige Staaten erscheinen, folglich jura singulorum obwalten, oder wo einzelnen Bundegliedern eine besondere, nicht in den gemeinsamen Verpflichtungen Aller begriffene Leistung oder Verwilligung für den Bund zugemuthet werden sollte, kann ohne freie Zustimmung sämmtlicher Betheiligten kein dieselben verbindender Beschluß gefaßt werden.“ Vgl. Huber, Dokumente (Anm.  11) S.  93. 20  §  2 der badischen Verfassung vom 22.8.1818 bestimmt: „Alle organischen Beschlüsse der Bundes-Versammlung, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse Deutschlands oder die Verhältnisse deutscher Staatsbürger im Allgemeinen betreffen, machen einen Theil des badischen Staatsrechts aus, und werden für alle Classen von Landesangehörigen verbindlich, nachdem sie von dem Staatsoberhaupt verkündet worden sind.“ Vgl. Huber, Dokumente (Anm.  11) S.  172.

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Vorlage vom 15. Januar 1838 heißt es, man könne der Meinung des Innenministeriums nicht zustimmen, wonach sich aus den genannten Bestimmungen Zweifel gegen die Rechtsverbindlichkeit des Bundesbeschlusses ergeben könnten; solche Zweifel entbehrten jeglichen rechtlichen Fundaments. Die ausführliche Begründung dazu lautet folgendermaßen: „Der Artikel 18 d der Bundes-Acte bestimmt nemlich, daß sich die Bundesversammlung mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen werde. Durch das Grundgesetz des Bundes war also diese Sicherstellung, in der Voraussicht, daß hier nur gemeinsame Maßregeln, zum Zwecke führen dürften, ausdrücklich der Bundesversammlung zugewiesen, und es war, wie ihr Recht, so ihre Pflicht, dieselbe zum Gegenstand ihrer Berathungen zu machen und wo möglich ein allseitiges Einverständnis zu erzielen. Es kann daher sowohl als nach dem Art. 9 und 10 der Wiener Schlußakte durchaus keinem Bedenken unterliegen, daß die Bundes -Versammlung den fraglichen Beschluß innerhalb der Grenzen ihrer Competenz gefaßt hat und er darum schon durch dessen Publication im Großherzogtum amtliche Gültigkeit erlangte. Gegen diese klaren Bestimmungen … kann einmal Art. 15 der Wiener Schlußakte nicht angerufen werden, weil es sich hier augenscheinlich nicht um ein jura singulorum, nicht um einen Fall handelt, wo die Bundesglieder als einzelne, unabhängige Staaten erscheinen, oder wo einzelnen eine besondere Leistung zugemuthet wird, sondern gerade um eine gemeinsame Verpflichtung, welche im Interesse des Ganzen alle Bundesglieder als solche gleichmäßig und zwar auf dem Grund des BundesVertrags übernehmen; und dem steht auch unsere Verfassungs-Urkunde nicht entgegen, da hier zwar nicht eine organische Einrichtung im Sinne des Art. 13 der Wiener Schlußakte, wohl aber ein organischer, die Verhältnisse der deutschen Staatsbürger im Allgemeinen betreffender Bundesbeschluß im Sinne der Verfassungs-Urkunde in Frage stehen dürfte. Zudem erfolgt die Gesetzmäßigkeit des fraglichen Beschlusses aus den Grundgesetzen des Bundes und insofern schon aus dem § 1 unserer Verfassung, welcher das Großherzogtum für einen Bestandtheil des deutschen Bundes erklärt und schon hier durch jene Grundgesetze für verbindlich erklärt.“

Im übrigen verwies das Ministerium auf die Reaktionen anderer Bundesstaaten, die, wie Österreich und Preußen, den Bundesbeschluß sofort zur Publikation gebracht hätten. Zum Abschluß gibt das Ministerium zu bedenken: „Für die Befolgung eines gleichen Verfahrens scheint uns endlich der Umstand zu sprechen, daß Bundes- wie Landes- Gesetz auf verschiedenem Fundament ruht, dieses dem jeweils im Innern beliebten Modificationen unterworfen ist, jenes dagegen auf der gemeinsamen Übereinkunft sämmtlicher Bundesglieder ruht, beide daher wohl auch passender in der Form getrennt gehalten werden.“

Das Außenministerium konnte seine Interpretation durchsetzen: Am 26. Januar 1838 wurde der Bundesbeschluß im badischen Gesetzblatt21 abgedruckt und zwar mit folgender zusätzlicher Formel: 21  Badisches

Staats- und Regierungsblatt 36 (1838) S.  67 f.

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„In Folge höchster Entschließung aus Großherzoglichem Staats-Ministerium vom 25. d. M. Nr.  156. wird dieser Bundesbeschluß hiermit zur allgemeinen Nachachtung öffentlich verkündet.“

Damit stand fest, daß das Bundesrecht ohne eigenes Landesgesetz zur Geltung gebracht werden sollte; gleichwohl war dadurch ein eigenes badisches Landesgesetz, das die Grenzen des Schutzes weiter ziehen würde, nicht ausgeschlossen. Nur wenige Monate vergingen, bis die Gelegenheit, ein solches Gesetz zu formulieren, aufgegriffen wurde. III. Noch im Laufe des Jahres 1838 erbat der Münchener Buchhändler Franz bei der badischen Regierung die Erteilung eines Nachdruckprivilegs für vier Stahlstiche. Daraufhin wandte sich das Ministerium des Innern an das Justizministerium, um zu klären, wie sich der Bundesbeschluß vom 9.  November 1837 auf die Rechtslage ausgewirkt hatte; in der Vorlage vom 20.  September 1838 heißt es: „Wenn die Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 9.  November v. J. durch dessen Verkündigung im Regierungsblatte unmittelbar gesetzliche Wirksamkeit für das Großherzogthum erhalten sollten und erlangt haben, so bedarf der Buchhändler Franz für seine Stahlstiche kein besonderes Schutzprivilegium. Dagegen würde ihm allerdings wenigstens für einige Zeit ein solches Privilegium von Werth sein können, wenn man jene Bestimmungen nur als leitenden Grundsatz betrachten wollte, nach welchem die einzelnen Bundesstaaten besondere Landesgesetze unter angemessener Entwicklung der verabredeten Grundlage zu erlassen sich verpflichtet haben; denn in diesem Falle wäre, um den Bundesbeschluß zur Ausführung zu bringen, noch ein solches specielles Gesetz zu veranlassen. Für die erste Annahme spricht die Verkündung zur Nachachtung; für die zweite, die aus der Fassung des Bundesbeschlusses hervorgehende ursprüngliche Absicht der Bundesversammlung und der Umstand, daß jene Grundsätze in der That, noch einer nähern Entwicklung zu bedürfen scheinen. Wir glauben, das in der Verkündungsformel liegende Gebot der Nachachtung als für uns entscheidend betrachten zu müssen. Wir wünschen die dortseitige Ansicht hierüber und auch davon unterrichtet zu werden, ob Großherzogliches Justizministerium die Vorlage eines besonderen Gesetzes beabsichtigt respve den Auftrag dazu erhalten hat.“

Das Justizministerium wies in seiner Antwort (8. Oktober) darauf hin, daß der Bundesbeschluß durch die Verkündung im Regierungsblatt Gesetzeskraft erlangt habe und nach Art. 1 dieses Beschlusses die Nachbildung der Stahlstiche „auch hierlands als verboten betrachtet werden muß“. Das Ministerium fügte hinzu, daß ein Verstoß gegen das Verbot in Baden zur Zeit nur eine Entschädigungsklage begründen könne, nicht aber eine Strafe; insoweit könne ein Privileg hilfreich sein. Das Schreiben schließt mit dem Bemerken,

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„daß es unsere Absicht ist, ein Gesetz über den Nachdruck unter Zugrundlegung des gedachten Bundesbeschlusses zur Vorlage auf den nächsten Landtag vorzubereiten.“

Die Vorlage des hier in Aussicht gestellten Entwurfs erfolgte erst nach Monaten. Unter Bezugnahme auf seinen Beschluß vom 8.  Oktober 1838 übersandte das Justizministerium am 12.  Juni 1840 den Entwurf an das Innenministerium mit der Bitte, der „dortige Respicient“ möge sich mit dem „diesseitigen, Geh. Referendär Picot, über die allgemeinen Grundsätze, auf denen der Entwurf beruht, … verständigen, um vor der collegialischen Berathung derselben wo möglich eine Vereinbarung der beiderseitigen Rescipienten zu er­ zielen.“

Die beiliegende Fassung des Entwurfs ist von Picot22 unterzeichnet. Sie besteht aus 37 Paragraphen, umfaßt fünf Teile und ist am linken Rand mit Gliederungshinweisen versehen. Dadurch wird der Aufbau des Gesetzes deutlich markiert. Diese Hinweise lauten: „1. 2. 3. 4. 5.

Schriften Geographische etc. etc. Zeichnungen Kunstwerke und bildliche Darstellungen Öffentliche Aufführung dramatischer und musikalischer Werke Allgemeine Bestimmungen“.

Der erste Teil ist der umfangreichste und umfaßt 19 Paragraphen, der zweite und der vierte Teil jeweils drei Paragraphen; der dritte Teil enthält acht und der fünfte Abschnitt vier Paragraphen. Allein der erste Teil („Schriften“) ist durch eine weitere Reihe von Randhinweisen aufgeteilt, die freilich nicht konsequent durchgehalten werden. Es handelt sich um folgende Angaben: „a) Ausschließendes Vervielfältigungsrecht der Schriftsteller b) Abtretung desselben c) Verbot des Nachdrucks d) Was nicht als Nachdruck anzusehen e) ? (nicht angezeigt) f) Untersuchungsverfahren“.

Auch im vierten Teil ist ein weiterer Hinweis zu finden, nämlich: „Strafen und Untersuchungsverfahren“; diese Angabe läßt sich nicht ohne weite22  Zu Philipp Picot (1792–1848) nähere Angaben bei: Baldes, Entstehung (Anm.  10), S.  232. Zu seiner Tätigkeit als badischer „Diener“ (1813–1842): GLA 76 Nr.  5892 und 5893.

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res in die sonstige Gliederung einfügen. Allerdings gehören die so hervorgehobenen Paragraphen ihrem Inhalt nach zu diesem vierten Teil, da sie einige Vorschriften des dritten Teils auch auf die Gegenstände des vierten Teils für anwendbar erklären. Die weiteren Schritte sind schnell beschrieben. Der vom Ministerium des Innern am 27. Juni 1840 ernannte Referent, der „Geheime Referendär“ Eichroth23 sollte den Entwurf „durchgehen“ und sich „nach dem Abschlusse des Landtags“ mit dem Referenten Picot „über die allgemeinen Grundsätze, auf denen der Entwurf beruht, verständigen“. Für das Justizministerium wurde hinzugefügt, man habe dem „diesseitigen Rescipienten wegen vieler anderer Geschäfte nicht zumuten können, sich alsbald und noch vor dem Abschluß des Landtags mit fraglichem Gesetzentwurf zu beschäftigen“. Im Oktober stellte das Innenministerium fest, daß Eichroth mit anderen Geschäften „überhäuft“ war und gab den Auftrag an den Ministerialrat Brunner24 weiter. In dieser Arbeitsphase wurde die von Picot vorgelegte Fassung des Gesetzes mit Anmerkungen und Korrekturwünschen versehen. Am Ende lag eine neue Fassung des Gesetzestextes vor; sie wurde dem Innenminister von Brunner am 23.  April 1841 als Ergebnis einer „kommissarischen Unterredung“ mit Picot präsentiert. Wenig früher, nämlich am 9.  März 1841, hatte das Justizministerium die neue Fassung dem Außenministerium mitgeteilt. Unterzeichnet war diese Verfügung von Justizminister Jolly25 und dessen Berichterstatter Picot. Diese zweite Fassung des Gesetzentwurfs unterscheidet sich in einigen Elementen von der ersten Fassung Picots. Es fehlen zunächst die begleitenden Überschriften; einige Paragraphen sind verändert, andere sind hinzugefügt oder wenigstens in einer anderen Reihenfolge wiedergegeben. Sieht man von den wenigen zusätzlichen Paragraphen ab, so muß man festhalten, daß es sich letztlich um eher unwesentliche Veränderungen handelt. IV. Der Gesetzestext, der dem Schreiben vom 23. April 1841 beigelegt war, hat folgenden Wortlaut: 23  Zu Ludwig Friedrich Eichroth (1798–1844), badischer „Diener“ von 1818 bis 1845: GLA Abt. 76 Nr.  1922 und 1923. 24  Zu Carl Brunner (1803–1857), badischer „Diener“ seit 1826: GLA Abt. 76 Nr.  1152 und 1153. 25  Zu Isaak Jolly (1785–1852) Näheres bei: Baldes, Entstehung (Anm.  10), S.  21 f.; auch: Wadle, Projekt (Anm.  7), S.  171.

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„Leopold p.p. Um dem Eigenthum an den Werken der Literatur und Kunst den erforderlichen Schutz gegen Nachdruck und Nachbildung zu sichern, haben Wir mit Zustimmung Unserer getreuen Stände beschlossen und verordnen wie folgt: §.1. Der Verfasser einer herausgegebenen Schrift genießt zeitlebens das ausschließende Recht, dieselbe durch Wiederabdruck, Lithographie oder auf ähnlichem mechanischem Wege vervielfältigen zu lassen. §.2. Nach dem Tode des Verfassers besteht das ausschließende Recht der Vervielfältigung noch dreißig Jahre lang zum Vortheil der Erben und Erbfolger desselben. §.3. Bei Werken, die erst nach dem Tode des Verfasser herausgegeben werden, fängt die dreißigjährige Frist (§.2.) mit dem Erscheinen des Werks zu laufen an. §.4. Herausgeber von Werken, auf welchen der Verfasser nicht oder nicht mit seinem wahren Namen genannt ist, genießen das ausschließende Recht der Vervielfältigung dreißig Jahre lang, vom Erscheinen der ersten Auflage an gerechnet. Geben sich jedoch vor Ablauf der dreißigjährigen Frist der wahre Verfasser oder seine Erben auf dem Titelblatt oder unter der Zueignung der Vorrede zu erkennen, so treten sie in die in den §§. 1. und 2. bestimmten Rechte ein. §.5. Akademien, Universitäten, öffentliche Unterrichtsanstalten, gelehrte Gesellschaften und andere Vereine bewahren das ausschließende Recht zur neuen Herausgabe ihrer Werke dreißig Jahre lang, vom Erscheinen an; ebenso die Staats-Regierung hinsichtlich der auf ihre Anordnung erschienenen Werke, mit Ausnahme bekannt gemachter Gesetze, Verordnungen und sonstiger offizieller Acte. §.6. Die Zeit des Erscheinens (§§  3. 4. u. 5.) wird a) bei Werken, die aus mehreren eine einzige Aufgabe zusammenhängend behandelnden Bänden bestehen, in sofern zwischen der Herausgabe einzelner dieser Bände nicht mehr als drei Jahre verfloßen sind, von der Herausgabe des letzten Bandes; b) bei Werken hingegen, welche fortlaufende Sammlungen von Aufsätzen und Abhandlungen bilden, von der Herausgabe eines jeden Bandes an gerechnet. §.7. Das ausschließende Vervielfältigungsrecht, welches Urheber und dessen Erbfolgern zusteht, kann von denselben ganz oder theilweise auf andere übertragen werden. §.8. Ist nicht ausdrücklich eine andere Übereinkunft getroffen, so beschränkt sich das Verlagsrecht auf eine einzige Auflage.

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§.9. Jede Vervielfältigung eines herausgegebenen Werks, wenn sie die in den §§  1. bis 8. gewährten Rechte verletzt, wird als Nachdruck bestraft. §.10. Der Abdruck von Manuskripten, nachgeschriebenen Predigten und Vorlesungen, wenn er ohne Genehmigung des Urhebers, seiner Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger geschieht, wird dem Nachdruck gleich geachtet. Ebenso wird es dem Nachdruck gleich geachtet, wenn in einem Verlagsvertrag bestimmt ist, wie viele Exemplare des betreffenden Werkes gedruckt werden sollen und gleichwohl mehr Exemplare als die bedungene Zahl derselben abgezogen sind. §.11. Als Nachdruck ist nicht anzusehen: a) das wörtliche Anführen einzelner Stellen eines bereits gedruckten Werks; b) die Aufnahme einzelner Aufsätze und Gedichte in kritische und literaturhistorische Werke und in Sammlungen zum Schulgebrauch; desgleichen c) in Journale und periodische Schriften aus anderen Journalen und periodischen Schriften, insofern deren Quelle angegeben wird und der Aufsatz oder das Gedicht nicht einen halben Druckbogen der ersten Veröffentlichung überschreitet; d) die Herausgabe von Uebersetzungen bereits gedruckter Werke. §.12. Wer sich des Nachdrucks oder unerlaubten Abdrucks schuldig macht (§§ 9. und 10.), ist den Beeinträchtigungen vollständig zu entschädigen verpflichtet, und hat außer der Consfiscation der noch vorräthigen Exemplare eine Geldbuße von fünfzig bis tausend Gulden verwirkt. §.13. Vermag der Beeinträchtigte einen höheren Schaden nachzuweisen, so ist der Betrag der Entschädigung auf eine dem Verkaufswerth von fünfzig bis tausend Exemplare der rechtmäßigen Ausgabe gleichkommende Summe festzusetzen. Bei widerrechtlich vervielfältigten Manuskripten oder Nachschriften (§.10.) ist der Preis, welcher im Falle der Herausgabe für das einzelne Exemplar billigerweise hätte angesetzt werden können, der Entschädigungsberechnung zu Grund zu legen. §.14. Die confiscirten Exemplare der unrechtmäßigen Ausgabe sollen vernichtet oder dem Beeinträchtigten auf sein Verlangen überlassen werden. Im letzten Fall muß sich jedoch der Beeinträchtigte die von dem Verurtheilten auf diese Exemplare verwendeten Auslagen auf die Entschädigung anrechnen lassen. §.15. Wer widerrechtlich vervielfältigte Werke wissentlich zum Verkaufe hält, ist dem Beeinträchtigten, mit dem unbefugten Vervielfältiger solidarisch zur Entschädigung verpflichtet, und hat, außer der Consfication, eine nach Vorschrift des §  12 zu bestimmende Geldbuße verwirkt.

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Ob die Vervielfältigung im deutschen Bundesgebiet oder außerhalb desselben zu Stande kommen, soll keinen Unterschied machen. §.16. Das Vergehen des Nachdrucks, §§ 9. und 10., besteht unabhängig von der Frage, ob von dem Nachgedruckten bereits in den Handel gekommen und abgesetzt ist oder nicht. §.17. Die Untersuchung wegen Nachdrucks ist nur auf den Antrag der Verletzten einzuleiten. Will der Verleger der Schrift den Antrag nicht machen, so kann dieses vom Verfasser oder dessen Erben geschehen, insofern dieselben noch ein von dem Verleger unabhängiges Interesse haben. §.18. Ist die Untersuchung bereits eingeleitet, so kann die Zurücknahme des Antrags zwar in Beziehung auf die Entschädigung statt finden, nicht aber in Beziehung auf die Confiscation und Geldbuße. §.19. Scheint es zweifelhaft, ob eine Druckschrift als Nachdruck oder unerlaubter Abdruck zu betrachten, und wird der Betrag der Entschädigung bestritten, so hat der Richter Sachverständige zu Rathe zu ziehen. §.20. Was in den §§.1. bis 8. und 12. bis 17. über das ausschließende Recht zur Vervielfältigung von Schriften verordnet ist, findet auch Anwendung auf geographische, topographische, hydrographische, naturwissenschaftliche, architektonische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen, welche nach ihrem Hauptzwecke nicht als Kunstwerke (§.23.) zu betrachten sind. §.21. Dieselben Vorschriften gelten hinsichtlich der ausschließenden Befugniß zur Vervielfältigung musikalischer Compositionen. §.22. Einem verbotenen Nachdruck ist gleich zu achten, wenn Jemand von musikalischen Compositionen, Auszüge, Arrangements für einzelne Instrumente oder sonstige Bearbeitungen, die nicht als eigenthümliche Compositionen betrachtet werden können, ohne Genehmigung des Verfassers herausgibt. §.23. Zeichnungen oder Gemälde dürfen während eines Zeitraums von zehn Jahren, von ihrer Vollendung an, ohne Genehmigung des Urhebers des Originalkunstwerks, seiner Erben oder seiner sonstigen Rechtsnachfolger, durch Nachstich, Holzschnitt, Lithographie, Farbendruck, Uebertragung u.s.w. nicht vervielfältigt werden. §.24. In derselben Weise ist die Vervielfältigung von Sculpturen aller Art durch Abgüsse, Abformungen u.s.w. verboten.

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§.25. Hinsichtlich dieser Verbote (§§.23. und 24.) macht es keinen Unterschied, ob die Nachbildung in einer anderen Größe, als das nachgebildete Werk, oder auch mit anderen Abweichungen von demselben vorgenommen worden ist; es seien denn diese Veränderungen so überwiegend, daß die Arbeit nicht als eine bloße Nachbildung, sondern als ein eigenthümliches Kunstwerk betrachtet werden könne. §.26. Als eine verbotene Nachbildung ist es nicht zu betrachten, wenn ein Kunstwerk, das durch die Malerei oder eine der zeichnenden Künste hervorgebracht worden ist, mittelst der plastischen Kunst, oder umgekehrt, dargestellt wird. §.27. Die Benutzung von Kunstwerken als Muster zu den Erzeugnissen der Manufakturen, Fabriken und Handwerke ist erlaubt. §.28. Begeben sich der Urheber, seine Erben oder sonstige Rechtsnachfolger des Eigen­ thums des Kunstwerks, ohne sich das ausschließliche Vervielfältigungsrecht (§§. 23. und 24.) ausdrücklich vorzubehalten, so geht das leztere auf den Erwerber über. §.29. Die Vorschriften der §§.12. bis 19. sollen auch in Beziehung auf Kunstwerke und bildliche Darstellungen aller Art in Anwendung kommen; die in §.12. vorgeschriebene Confiscation ist auch auf die zur Nachbildung gemachten Vorrichtungen, als Platten, Formen, Steine u.s.w. auszudehnen. §.30. Der Richter hat, wenn Zweifel entsteht, ob eine Abbildung unter die Fälle des §.20. oder unter die des §.23. gehören, ob im Falle des §.22. ein Musikstück als eigen­ thümliche Composition oder als Nachdruck, in den Fällen der §§.23. bis 28. eine Nachbildung als unerlaubt zu betrachten, oder wie hoch der Betrag der dem Verletzten zustehenden Entschädigung zu bestimmen sei u.s.w., in gleicher Weise wie in §.19. verordnet ist, Gutachten von Sachverständigen einzuholen. §.31. Die öffentliche Aufführung eines dramatischen oder musikalischen Werks im Ganzen oder mit unwesentlichen Abkürzungen darf nur mit Erlaubnis des Verfassers, seiner Erben oder sonstigen Rechtsnachfolger stattfinden, solange das Werk nicht durch Druck veröffentlicht worden ist. Das ausschließende Recht diese Erlaubnis zu ertheilen, steht dem Verfasser lebenslänglich und seinen Erben oder Rechtsnachfolgern noch zehn Jahr nach seinem Tode zu. §.32. Hat der Verfasser jedoch irgend einer Bühne gestattet, das Werk ohne Nennung seines Namens aufzuführen, so findet auch gegen andere Bühnen kein ausschließ­ liches Recht statt. §.33. Wer dem ausschließenden Rechte des Verfassers oder seiner Rechtsnachfolger zuwider, ein noch nicht durch den Druck veröffentlichtes dramatisches oder musikali-

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sches Werk öffentlich aufführt, hat eine Geldbuße von zehn bis hundert Gulden verwirkt. Findet die unbefugte Aufführung eines dramatischen Werkes auf einer stehenden Bühne statt, so ist der ganze Betrag der Einnahme von jeder Aufführung, ohne Abzug der auf dieselbe verwendeten Kosten und ohne Unterschied, ob das Stück allein, oder verbunden mit einem anderen, den Gegenstand der Aufführung gemacht hat, zu Strafe zu entrichten. Von den vorstehenden Geldbußen fallen zwei Drittheile dem Verfasser oder seinen Erben und ein Drittheil der Armenkasse des Orts zu. §.34. Die Rechte, welche den Gegenstand dieses Gesetzes ausmachen, können nie im Wege der Erbschaft (L.R.S.  33. und 768) an den Fiskus fallen. §.35. Ist durch Heirathsvertrag keine andere Bestimmung getroffen, so wird der Ertrag, welchen das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des einen oder des anderen Ehegatten abgeworfen hat und, im Fall die Ehe durch den Tod desselben aufgelöst ist, das Recht selbst als Gemeinschaftsgut behandelt. §.36. Das ausschließende Vervielfältigungsrecht ist, solange der Urheber eines literarischen oder artistischen Erzeugnisses lebt und sich im Besitze desselben befindet, dem gerichtlichen Zugriff nicht unterworfen. §.37. Die Verordnung vom 8.  September 1806, Regierungsblatt Nr.  20 Seite 63. und die Landrechts-Sätze 577 d.a. bis d. h. sind aufgehoben. §.38. Den in fremden Staaten erschienenen Erzeugnissen der Literatur und Kunst soll der Schutz des gegenwärtigen Gesetzes in demselben Maaße gewährt werden, als die Gesetze jener Staaten gleichen Schutz den in Baden erschienenen Werken gewähren. §.39. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tag der Verkündung auch in Ansehung aller bereits herausgegebenen Werke der Wissenschaft und Kunst in Wirksamkeit. Den Inhabern früher ertheilter Privilegien ist jedoch freigestellt, entweder von diesen Privilegien Gebrauch zu machen, oder den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes anzurufen. Das Ministerium der Justiz ist mit dem Vollzuge beauftragt. Gegeben Carlsruhe“

Die Frage nach dem Vorbild des neuen Entwurfs wird bereits durch das Schreiben des Justizministeriums vom 9.  März 1841 eindeutig beantwortet. Hier heißt es: „Überzeugt, wie wünschenswerth es sei, daß auch in dem, was Gesetzgebungen der einzelnen Staaten zur Ausführung des Bundesbeschlusses verordnen, möglichste Übereinstimmung herrsche, glaubten wir und bei Bearbeitung des Entwurfs

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dem Königlich Preußischen Gesetz über den Nachdruck vom 11. Juni 1837 um so mehr anschließen zu müssen, je mehr wir dasselbe in vieler Beziehung als ein sehr gelungenes betrachten.“

Vergleicht man die beiden Texte – den badischen Entwurf einerseits und das preußische Gesetz26 andererseits – so ergeben sich eine ganze Reihe von Abweichungen; gleichwohl ist unverkennbar, daß sich der badische Entwurf weitgehend an das Vorbild anlehnt, indem er einige Passagen und sogar ganze Paragraphen übernimmt. Zunächst ist festzuhalten, daß der Umfang der beiden Texte nahezu identisch ist. Das preußische Gesetz umfaßt 38 Paragraphen, die erste vorgelegte Fassung des badischen Entwurfs, also jene von Picot, weist 37, die Endfassung des Entwurfs 39 Paragraphen auf. Auch die Gliederung folgt dem preußischen Gesetz. Dieser Rückgriff auf das Vorbild ist besonders leicht zu erkennen in der ersten Fassung, die Picot alleine formuliert hat: sie übernimmt im wesentlichen die Überschriften der Berliner Vorlage. Das preußische Gesetz enthält zwar einen Gliederungspunkt mehr, nämlich den Abschnitt 3 mit dem Titel „Musikalische Compositionen“. Der Unterschied ist indes nicht groß, wenn man berücksichtigt, daß der badische Entwurf (§§  20–22) den Nachdruck von Musikwerken zum Abschnitt „Zeichnungen“ rechnete, da es ja letztlich um die Vervielfältigung von Notenblättern ging. Die Tatsache, daß die endgültige Fassung die Überschriften nicht übernommen hat, hat die Gliederung selbst nicht verändert. Schaut man genauer auf den Inhalt der beiden Texte, so ergibt sich, daß die allermeisten Paragraphen mehr oder weniger dem preußischen Vorbild folgen. Eine erste Gruppe übernimmt den Text wortwörtlich; dies gilt etwa für die §§  14, 15, 17, 21, 22, 24 bis 27 und 30 bis 33. Besonders auffällig ist §  27 des badischen Entwurfs: Er stimmt wörtlich mit dem später hart umkämpften §  25 des preußischen Gesetzes27 überein: „Die Benutzung von Kunstwerken als Muster zu den Erzeugnissen der Manufakturen, Fabriken und Handwerke ist erlaubt.“

Eine zweite Gruppe folgt dem preußischen Reglement nur teilweise beziehungsweise mit Modifikationen. Dies gilt für die §§  5, 7, 11 bis 13, 19, 20, 23, 28, 29, 38 und 39. Die dritte Gruppe ist die kleinste: ihr kann man jene Paragraphen zuordnen, die im preußischen Gesetz nicht vorkommen können, weil es sich 26  Schletter,

Handbuch (Anm.  4) S.  18 ff. Elmar Wadle, Der Streit um die „Kunstindustrie“, in: ders., Geistiges Eigentum I, Weinheim / München 1996, S.  542–561, hier: bes. S.  545 ff. 27  Dazu:

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um spezifisch badische Probleme handelt. Besonders markant sind jene Bestimmungen, die sich auf das badische Erb- oder Ehegüterrecht (§§  34, 35)28 oder auf den „gerichtlichen Zugriff“ (§  36) auf das Urheberrecht beziehen. V. Zum weiteren Schicksal des badischen Entwurfs enthalten die durchgesehenen Akten nur wenige Hinweise. Schon während der Schlußredaktion mag der Entwurf eingesetzt worden sein, um die badische Bereitschaft zu dokumentieren, den Nachdruckschutz auf Bundesebene im Sinne der preußischen (und badischen) Forderungen fortzuentwickeln. Der Bundesbeschluß „Den Schutz musikalischer und dramatischer Werke gegen unbefugte Aufführung und Darstellung betreffend“ wurde am 22. April 1841 gefaßt,29 mithin kurz nach der Fertigstellung des neuen Gesetzentwurfes. Die badische Regierung hat diesen Beschluß danach (3.  Juni) verkündet30. Bei diesen Aktivitäten könnte auch der damals schon vorhandene Entwurf wie eine Art Zielmarke gewirkt haben. Deutlicher ist die Verwendung des badischen Gesetzentwurfs im Zusammenhang mit dem Bundesbeschluß vom 19. Juni 1845 („Allgemeine Grundsätze in Betreff des Schutzes von Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck und unbefugte Nachbildung…betr.“)31, der im wesentlichen die Verlängerung der Schutzfristen vorsah. Der interne Gedankenaustausch zwischen den Karlsruher Ministerien wurde durch den Bundestagsgesandten ausgelöst. In seinem Bericht vom 30.  Juni 1842 bewertete er die neuerliche Initiative Preußens sehr positiv: „Die Bemerkungen der königl. Preußischen Regierung scheinen mir aller Beachtung werth.“

Das Innenministerium regte am 1. August das Justizministerium an, sich nochmals über „die bei der Berathung eines Gesetz-Entwurfs über den Nachdruck dortigen Wahrnehmungen und Bedenken hinsichtlich des Bundesbeschlusses vom 9. Nov. 1837“ zu äußern. Das Justizministerium bekräftigte in seiner Antwort (12. August) an den Außenminister, man solle den 28  Dazu: Fritz Sturm, Le Code civil du Grand-Duché de Bade, in: Festschrift Wadle (Anm.  1) S.  1147–1161, hier: S.  1155 f.; ders., 200 Jahre Badisches Landrecht, Karlsruhe 2011, bes. S.  20  ff. 29  Prot. BV 1841 (§  131) S.  234 ff.; Schletter, Handbuch (Anm.  4) S.  6. 30  Badisches Staats- und Regierungsblatt 1841 S.  162. 31  Prot. BV 1845 (§228) S.  538 f.; Schletter, Handbuch (Anm.  4) S.  7 f.

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preußischen Vorstellungen „im Allgemeinen“ beitreten; zugleich schlug es vor, die Bestimmungen des preußischen Gesetzes zu unterstützen. Gleichzeitig bemerkte man gegenüber dem Innenministerium, „daß die Berathung des diesseitigen Gesetzentwurfs über den Nachdruck wegen der bei der Bundesversammlung anhängigen Verhandlungen über den gleichen Gegenstand bisher ausgesetzt worden“ sei. Das Außenministerium reichte den badischen Gesetzentwurf im Dezember 1842 an den Vertreter im Bundestag weiter; er sollte an das zuständige Gremium weitergeleitet werden. Baden unterstützte auf diese Weise die Verhandlungen in der Bundesversammlung. Mit dem Ergebnis war man in Karlsruhe offenbar zufrieden. Wie der Bundesbeschluß von 1841 wurde auch der neue Beschluß von 1845 in Baden durch Verkündung im Staats- und Regierungsblatt in Kraft gesetzt.32 Danach hat man in Karlsruhe offenbar auf den eigenen Gesetzentwurf nicht mehr zurückgegriffen. Infolgedessen blieben die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung von 1806 und des Badischen Landrechts in Kraft; eine formelle Aufhebung, wie sie § 37 des Entwurfs vorsah, war überflüssig geworden. Angesichts dieser Entwicklung erscheint es sinnvoll zu fragen, ob und welche Bedeutung dem vorgestellten badischen Gesetzentwurf von 1840 / 41 zugeschrieben werden kann. Zunächst ist festzuhalten, daß der Schutz gegen den Nachdruck im Gesetzentwurf viel weiter reicht als die Bestimmungen des noch immer geltenden Badischen Landrechts von 1809 / 10. Die einschlägigen Sätze der zu Recht vielgerühmten Kodifikation hatten enge Grenzen, da sie sich lediglich auf „Schriften“ beziehen. Diese Einschränkung konnte zwar mit Hilfe der noch älteren Verordnung von 1806 und der in beiden Texten angesprochenen Möglichkeit der Vergabe von Privilegien durchbrochen werden. Allerdings erfaßte diese Aushilfe nur den jeweiligen Einzelfall. Ein allgemeines Gesetz, das jedem Werk nach generell geltenden Bedingungen Schutz gewährte, fehlte. Wer einen Schutz außerhalb des Bereichs der „Schriften“ anstrebte, blieb auf ein Privileg angewiesen. Hier setzte schon der eingangs erwähnte Gesetzentwurf von 1828 an. Im zweiten Reformversuch von 1840 / 41, sollte der gesetzliche Schutz gegen den Nachdruck auf jedes bedrohte Werk, das den Schutz verdiente, generell eingeführt werden. Man wollte ein Regelwerk, das den Bundesbeschlüssen der 30er Jahre entsprach; insbesondere sollten die Erweiterungen, die im 32  Badisches

Staats- und Regierungsblatt 1845 S.  202.

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Der badische Entwurf eines „Gesetzes über den Schutz des Eigenthums“

Bundesbeschluß vom November 1837 enthalten waren, ins badische Recht in der Form eines allgemeinen Gesetzes eingebaut werden. Dieses Ziel verfolgte schon die Picot’sche Fassung des Gesetzentwurfs. Allerdings enthielt das neue Projekt auch Regeln, die noch gar nicht durch die Bundesversammlung verabschiedet waren. Der Beschluß zum Schutz musikalischer Kompositionen und dramatischer Werke gegen unbefugte Aufführung und Darstellung kam erst im April 1841 zustande und der Beschluß über die Mindestdauer der Schutzfrist, nämlich dreißig Jahre nach dem Tod des Autors, erging erst im Juni 1845. Baden hatte, wie der Gesetzentwurf zeigt, diese Ziele schon 1840 / 41 avisiert; später hat man sie aufgegeben. Noch ein zweiter Aspekt soll hervorgehoben werden. Der badische Gesetzentwurf war ohne Zweifel ein Mittel zur Unterstützung des Berliner Bestrebens, den Schutz gegen den Nachdruck im ganzen Bundesgebiet nach preußischem Vorbild zu erweitern und zu vereinheitlichen. Angesichts solcher Zusammenhänge stellt sich schließlich die Frage, warum Baden dem eigenen Entwurf die Geltung in der Form eines Landesgesetzes versagt hat. Einen ersten Anhaltpunkt bietet die Tatsache, daß das Bundesrecht die badischen Landesgesetze überlagert und ergänzt hat. Soweit in den Bundesbeschlüssen zentrale Grundsätze des zweiten badischen Entwurfs zum Nachdruckschutz erfaßt und diese durch die Verkündung zum Bestandteil des in Baden geltenden Bundesrechts geworden waren, brauchte man die Zusammenfassung aller einschlägigen Rechtsnormen in einem eigenen Landesgesetz gar nicht mehr: Überkommenes badisches Recht wurde durch Bundesrecht verbessert und ergänzt, so daß ein eigenes neues Gesetz nicht notwendig war. Nur für eine gewisse Zeitspanne – nämlich bis zur Publikation der Bundesbeschlüsse von 1841 und 1845 im badischen Gesetzblatt – wäre ein eigenes Gesetz erforderlich gewesen. Danach waren das Recht zur Aufführung und Darstellung von Kompositionen und dramatischen Werken sowie die dreißigjährige Frist nach dem Tod überall in Deutschland garantiert, auch in Baden. Für längere Schutzfristen oder andere Ausnahmen von den Regeln der Jahre 1806 und 1809 / 10 konnte man weiterhin auf Privilegien zurückgreifen. Durch die Verkündung der Bundesbeschlüsse im Gesetzblatt waren jedenfalls die beiden wichtigsten in die Zukunft reichenden Reformideen des badischen Gesetzentwurfs hinreichend abgesichert. Man kann nun darüber nachdenken, warum Baden auf jene Rechtsnormen verzichtet hat, die dem preußischen Gesetz entnommen waren, die aber

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391

nicht in die Bundesbeschlüsse eingegangen sind. Man denke zum Beispiel an den oben zitierten §  27, wonach ein Kunstwerk als Modell für industrielle Produkte verwendet werden durfte. Eine klare Antwort auf diese Frage ist noch nicht möglich. Bislang konnte noch kein Dokument entdeckt werden, das eine genaue Antwort ermöglicht hätte. Gleichwohl kann man einige Vermutungen anstellen. Zum einen ist festzuhalten, daß die badische Regierung trotz aller Reformbereitschaft nicht aus dem Kreis der übrigen Bundesstaaten heraustreten wollte, die das preußische Vorbild nicht vollständig übernehmen konnten oder wollten.33 Zum anderen erscheint es nicht abwegig, noch an einen ganz anderen Grund zu denken: Jedes Landesgesetz mußte von den Landständen mitbeschlossen werden. Die Risiken auf dem Weg der Landesgesetzgebung waren wesentlich höher als der bloße Rückgriff auf die Beschlüsse der Bundesversammlung, deren Umsetzung durch den Rückgriff auf Art.  18  d der deutschen Bundesakte begründet werden konnte. Gegen diesen Weg der Reform konnte der eigene Landtag keine Hindernisse aufbauen. Dieser Aspekt ist zwar nicht durch entsprechende Dokumente zu belegen. Die Haltung der maßgeblichen badischen Politiker weist freilich in diese Richtung. Insbesondere von Blittersdorff, der in diesen Monaten das innenpolitische Geschehen in Baden stark geprägt hat, dürfte die Mitwirkung des von liberalen Abgeordneten beherrschten Landtages nicht geschätzt haben.34 Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß er den Weg der Landesgesetzgebung möglichst zu vermeiden suchte. Im Ergebnis wird man festhalten können, daß der zweite Entwurf zur Reform des Landrechts für die Bereitschaft Badens steht, den Schutz gegen Nachdruck auf Bundesebene im Sinne der preußischen Forderungen zu erweitern. Karlsruhe bestand freilich darauf, daß möglichst alle Staaten im Deutschen Bund mit diesem Ziel einverstanden waren. Auf ein eigenes Gesetz, das weiter vorpreschte als die Gesetzgebung vieler anderer Bundesstaaten, hat das Großherzogtum verzichtet.

33  Einen Überblick über den Stand der Forschung bietet: Thomas Gergen, Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19.  Jahrhundert, in: Zeitschrift der SavignyStiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, 125. Band (2008), S. 181– 198, hier: S.  182 f. 34  Dazu: Hippel, Blittersdorff (Anm.  10), bes. S.  98 ff. und 112 ff.

Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen 1709

– England Statute of Anne 205

1773

Dezember 18 – Kursachsen Mandat zum Schutz gegen Nachdruck 79, 172, 323

1778

– USA Virginia Bill of Rights 138

1789

– Frankreich Declaration des droits de l’hommes et des citoyens 138

1790 / 92 – Heiliges Römisches Reich Grundsätze zum Nachdruck (Entwürfe) 323 1793

Juli 19 – Frankreich Loi relative aux droits de propriété des auteurs  … 205 ff.

1794

Februar 5 – Preußen Allgemeines Landrecht 79 f., 88 f., 187, 198 ff., 206 f., 323

1806

September 8 – Baden Verordnung Bücher-Nachdruck betr. 80, 84, 205, 341, 369 ff.

1809 / 10 – Baden Landrecht 79 f., 84, 205, 323, 341 ff., 355 ff., 359 ff., 369 ff. 1810

Februar 5 – Frankreich Decret imperial contenant règlement sur l’Imprimerie et la Librairie 205, 207

1810

Februar 22 – Frankreich 182 ff., 186 f.

1811

Juni 1 – Österreich Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch §§ 1164–1171 79, 205

394

Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

1813

Mai 16 – Bayern Strafgesetzbuch Art. 397 80, 83, 205

1814

Mai 4. / 5. – Nassau Edikt, die Pressfreiheit betreffend 59 f., 79, 139

1814

Oktober 1 – Holstein-Oldenburg Strafgesetzbuch 205

1815

Februar 25 – Württemberg Reskript über die Erteilung von Privilegien gegen den Nachdruck 80 ff., 109, 205

1815

Juni 8 – Deutscher Bund Bundesakte, insbesondere Art. 18d 61 f., 78, 91, 137 ff., 141 ff., 163 ff., 165, 203, 207, 245, 323, 367, 376 f., 391

1816

August 17 – Preußen „Verordnung“ zum Nachdruck in der Rheinprovinz 183 ff.

1816

– Sachsen – Weimar – Eisenach 158

1817

Januar 30 – Württemberg Zensurregel 61

1817

– Niederlande Gesetz gegen den Nachdruck 327, 333

1818

Mai – Bayern Verfassungsurkunde Titel IV § 11 61, 139

1818

August 22 – Baden Verfassungsurkunde 61, 139, 375 ff.

1819

Februar – Deutscher Bund Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck 215, 298 f., 305

1819

September – Württemberg Verfassungsurkunde § 28 61, 139

1819

September – Deutscher Bund Provisorisches Pressegesetz 63



Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

395

1819

Oktober 18 – Preußen Zensuredikt 285

1820

– Deutscher Bund Plan zur Gründung eines Kontrollvereins, Vorschlag Österreichs 248

1820

Mai 15 – Deutscher Bund Wiener Schlussakte 139, 163, 166, 178, 305

1820

Mai bis Juli – Deutscher Bund Beschlüsse der Bundesversammlung 164 ff.

1820

Dezember 17 – Großherzogtum Hessen Verfassungsurkunde Art. 35 61, 139

1824

– Deutscher Bund Verlängerung des Bundespressegesetzes von 1819 63

1825

Mai 6 – Dänemark Privileg für Goethe 324 f.

1825

– Stiftung des Leipziger Börsenvereins 249

1826

Januar 25 – Niederlande Privileg für Goethe im Großherzogtum Luxemburg 325 ff.

1828

– Baden Gesetzentwurf gegen den Nachdruck 375, 389

1829

– Preußen Berliner Buchhändler beantragen, ihren Verein mit Korporationsrechten auszustatten 248

1829 / 30 – Leipzig Abkommen der Musikhandlungen gegen den Nachdruck 249 1831

Mai 7 – Sachsen Gründung eines Vereins der Kunsthändler in Leipzig 248

1832

September 6 – Deutscher Bund Beschluss der Bundesversammlung 80, 245, 321, 339, 367, 370, 373

396

Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

1834

März 26 – Wiener Konferenz Frankfurter Entwurf zu einem Regulativ für den literarischen Rechts­ zustand 246 f., 269 ff.

1834

Juni 12 – Wiener Ministerialkonferenzen Schlussprotokoll („Sechzig Artikel“) 63 f., 109, 155, 180, 245 ff., 253 ff., 350, 371 ff.

1835

– Hannover Entwurf eines Gesetzes über den Buchhandel 259

1835

Januar 16 – Deutscher Bund Vorschläge zur Feststellung des literarischen Rechtszustandes in den Staaten des Deutschen Bundes 11 ff., 80, 370 ff.

1835

April 2 – Deutscher Bund Beschluss betreffend Maßregeln zum Schutz des schriftstellerischen Eigentums betreffend 372

1836

April 29 – Deutscher Bund Kritik des Frankfurter Senats an den in der Bundesversammlung vorgelegten Entwürfen 258 f.

1837

Juni 11 – Preußen Gesetz zum Schutze des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen den Nachdruck und Nachbildung 18 f., 21, 64, 77 f., 89, 189 ff., 246, 175 ff., 278, 280, 284 f., 289 ff., 386 ff.

1837

November 9 – Deutscher Bund Beschluss gegen den Nachdruck 64, 77 ff., 80, 82, 91 , 109, 155 189 f.,200, 211, 269, 320, 340, 342, 351, 370 ff.

1837

– Deutscher Bund Entwurf zu einem Regulativ für den literarischen Rechtszustand 269 ff.

1838

Oktober 18 – Württemberg Gesetz betr. Abgeänderte provisorische Bestimmungen gegen den Büchernachdruck 82

1840 / 41 – Baden Entwurf eines Gesetzes über den Schutz des Eigentums an Werken der Literatur und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung 369 ff., 379 ff.



Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

397

1840

April 15 – Bayern Gesetz, den Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Veröffentlichung, Nachbildung und Nachdruck betreffend 83, 92

1840

Mai 5 – Österreich / Sardinien Vertrag zur Sicherstellung der Eigentumsrechte hinsichtlich der in Ihren beiderseitigen Staaten erscheinenden literarischen und artistischen Werke 340

1841

April 22 – Deutscher Bund Beschluss, den Schutz musikalischer und dramatischer Werke gegen unbefugte Aufführung und Darstellung betreffend 370, 380, 388 ff.

1845

Juni 19 – Deutscher Bund Allgemeine Grundsätze in Betreff des Schutzes von Werken der Wissenschaft und Künste gegen Nachdruck und unbefugte Nachbildung … betr. 370, 388 ff.

1845

August 24 – Württemberg Gesetz in Betreff des Schutzes schriftstellerischer und künstlerischer Erzeugnisse gegen unbefugte Vervielfältigung 82

1846

Oktober 19 – Österreich Gesetz zum Schutze literarischen und artistischen Eigentums gegen unbefugte Veröffentlichung, Nachdruck und Nachbildung 64

1848

Dezember 27 – Deutsche Nationalversammlung Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes 138 ff.

1849

März 28 – Deutsche Nationalversammlung Verfassung des Deutschen Reiches, bes. Art IX § 164 65, 145

1854

Juli 6 – Deutscher Bund Beschluss über Bestimmungen zur Verhinderung des Missbrauchs der Presse 66, 70

1854

– Baden Beschluss zur Umsetzung des Bundesbeschlusses v. 6. Juli 370

1854

– Baden / Frankreich Staatsvertrag 370

1865

Juni 28 – Bayern Gesetz zum Schutze der Urheberrechte an literarischen Erzeugnisse und Werken der Kunst 69, 83

398

Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

1870

Juni 11 / April 16 – Norddeutscher Bund / Deutsches Reich Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken 70 f.

1874

Mai 7 – Deutsches Reich Reichspressegesetz 71

1874

November 30 – Deutsches Reich Gesetz über den Markenschutz 43

1876

Januar 9 – Deutsches Reich Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste 2, 67, 77

1876

Januar 10 – Deutsches Reich Gesetz betreffend den Schutz der Photographie gegen unbefugte Nach­bildung

1886

September 9 Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst 19

1894

Mai 12 – Deutsches Reich Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen 43

1896 / 1900 – Deutsches Reich Bürgerliches Gesetzbuch 43 1901

Juni 19 – Deutsches Reich Verlagsgesetz 24

1907

Januar 9 – Deutsches Reich Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst und Photographie 20, 275

1909

Juni 7 – Deutsches Reich Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 43

1919

August 11 – Deutsches Reich Verfassung („Weimarer Verfassung“) 71

1963

– Straßburg Übereinkommen über das Patentrecht 43



Gesetze – Gesetzentwürfe – Abkommen

1965

September 9 – Bundesrepublik Deutschland Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) 14 ff., 20 f., 23 ff., 47

1973

– München Übereinkommen über das Patentrecht 43

1975

Gemeinschaftspatentübereinkommen 43

1996

– Europäische Gemeinschaft Datenbankrichtlinie 76

399

Register Armbruster  328 f. Augsburg  55, 118 ff. Bappert, W.  74 f., 115 Baxa, J.  167 Beckenhub, J.  100, 102 Beethoven  317 Beier, F.-K.  41 Bencard, J. K.  118 ff. Bencard, J. M. 119 ff. Berg, von  62, 156, 158 f., 163, 167 Berlin  11 f. Bernstorff, von  300, 302 Beseler  40 Beust, von  310, 325, 333, 349 Bibra, s. Kilian und Lorenz Blittersdorf, von  255, 262 ff., 306, 343 ff., 352 Bluntschli  40 Brenn, von  263 f. Brockhaus, H. E.  167, 173 ff. Brönner  246 Brunner  381 ff Bruno, Bischof von Würzburg  100

Eckermann  299 Eichhorn, J. A. F.  279, 283 f., 287 Eichroth, L. F.  381 ff. Eichstädt, Bischof von  101 Eisenhardt, U.  140 Eisenlohr, Ch. J.  361 ff. Eisermann  100, 102 Engelhart, H.  98 ff., 106 f. Ensslin  265 Fichte  39 Fiedler, W.  336 Frankfurt a. M.  173 Franz  379 Friedrich-Wilhelm III.  313, 317 f. Froriep  288

Chodowiecki, D. N.  11 f., 123 Cochem, s. Martin Cotta  321 ff., 328 ff., 352 f. Cousin, V. 334

Gagern, von  337 f. Gareis  40 Gentz, F. von  167, 329 Giercke  40 Gieseke, L.  31, 41, 77 Goedeke, K.  124 f. Goethe, J. W. (von)  30, 63, 73, 134, 188 ff., 191 ff., 211, 197 ff., 321 ff., 341 ff. Goldfriedrich  178 Goltz, von der  210 Grün, Chr.  46 Gutenberg, J.  34, 97

Diederichs, Gebrüder  350 Dölemeyer, B.  41 f., 75 Dold, St.  100, 102 Drais, von  160 Dürer, A.  31 f. Duncker  265 Dusch  353

Halle / S.  29 Hardenberg, von  148, 156 f., 183 ff., 314, 316 Hegel, G. W. F.  39 Heidelberg  100 Heilmann  336 Henning-Bodewig, F. 44

402 Herder 191 ff. Heymann, E.  46 Heyse  288 Himburg, C. F.  11, 123 Hinschius, F.  278 ff., 282, 288 Hitzig, J. E.  280 ff., 288 Huber, E. R. 139 ff. Hubmann, H.  41 Humboldt, W. von  133 f., 147, 149, 157 Jean Paul (Friedrich Richter) s. Paul Jolly, I.  355 ff., 381 Jügel  246 Kamptz, von  286, 290 Kant  39 Karlsbad  59, 62, 153 Kawohl  102 Kere, von der, s. Martin Kerr, A.  123 Kilian von Bibra  104 Klippel, D.  42 Köln 182 ff. Kohler, J.  40 Krakau  29 Kühne  66 Kur, A.  44 Kurze, P. 40 Lammel, S.  42 Leipzig  134, 170 – s. a. Verein Lorenz von Bibra, Bischof  101 Ludwig, Großherzog von ­Baden  344 ff., 366 Machlup, F.  43 Manklot  206 Manteuffel, von  255 ff. Martens, G. F. von  148 Martin von Cochem  118 ff. Martin von der Kere  104

Register Maschenbauer  55 Metternich  62, 167, 178 ff., 246 f., 300 ff., 329, 331 Meyer, O.  98 ff. Mieg, von  250 f. Minkwitz, von  251 f. Mittemaier  40 Mohnhaupt, H.  75 Moy  55 Mühler, von  277, 279, 282 ff., 286, 291 f. Müller, A.  167 ff., 176, 250, 265 Müller, F. von  316, 336 Münch-Bellinghausen, von  246, 255 ff., 329, 343, 350 Murten  29 Nagler, von  210., 299 ff., 319, 329 ff., 343 Napoleon I. 182 Nürnberg  173 Ogris, W.  321 Ohly  104 Parthey 265, 288 Paul, Jean 192 Perthes, F.  168, 175 ff. Pfeffel, von  211, 311 f., 344 Picot, Ph.  380 f. Pohlmann, H.  42,  74 f.,  115 f. Pütter, J. St.  39, 206 Quast, M. 124 Raumer, K. G. von  203 ff., 207 ff. Rausch  120 f. Rehbinder, M.  29,  41 Reimer  265 Reinhard, von  332 ff. Reyser, G.  98 ff. Riemer  299 Rochow, von  279, 284, 292

Rothe, J. A.  124 ff. Rudolf, s. Scherenberg Runde  40

Register Trautmannsdorff  248 Treitschke, von  167 Trogen  29 Trott, von  312

Savigny, F. C. von  40, 292 Savoyen (Soffey), Graf von  100 Schellwitz, H.  281 f. Scherenberg, Rudolf von, ­Bischof  99 ff. Scheuner, U.  139 ff. Schiller, F. (von)  182 ff., 192, 316, 336 ff. Schneider, F.  56 Schönfeld  124 Schott, C.  29 Schott, Gebrüder  31 Schuckmann, von  264 f., 318 Sinapi, F. J.  119 Spitz  182 ff., 206, 316, 332 Stein, von  151 Straßburg  100, 335 Strauß, R.  33, 123

Walters, B. L.  336 Weidmann’sche Buchhandlung  282 Werther, von  277 Wiegand  335 Wieland  192, 200 Winter, L. 347 ff. Wittmann  100 Wolff, Gebrüder  120 Wolzogen, von  337, 339 Würzburg  97 ff. Wunder  282

Tétot frères, Paris  335 Thieme, H.  29, 40

Ziegler, C.  363 Zyllnhardt, von  363

Ulmer, E.  44 Ulrich, V.  120 Villa Vigoni  29 Vogel, M.  41

403

Drucknachweise   1. Urheberrecht zwischen Gestern und Morgen – Anmerkungen eines Rechtshistorikers. In: Universitätsreden 69, Saarbrücken 2007, S. 10–30.   2. Urheberrecht im Horizont historischer Disziplinen. In: Marcel Senn / Claudio Soliva (Hg.), Rechtsgeschichte & Interdisziplinarität. Festschrift für Clausdieter Schott zum 65. Geburtstag, Bern / Berlin / Frankfurt a. M. / Wien u. a. 2001, S. 303–314.   3. Zur Bedeutung der Rechtsgeschichte für das Urheberrecht und den Gewerb­ lichen Rechtsschutz. In: Jörn Eckert (Hg.), Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte. Hans Hattenhauer zum 8 September 2001, Heidelberg 2003, S. 549–555.   4. Kontrolle und Schutz – Presserecht des 19. Jahrhunderts im Spannungsfeld von öffentlichem Recht und Privatrecht. In: Clemens Zimmermann (Hg.), Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20. Jahrhundert (Schriften der Siebenpfeiffer-Stiftung, Band 8), Ostfildern 2006, S. 61–77.   5. Privilegien für Autoren oder für Verleger? Eine Grundfrage des Geistigen Eigentums in historischer Perspektive. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 124. Bd., 2007, S. 144–166.   6. Würzburger Privilegien für Drucke des Georg Reyser (ca. 1440–1504). In: Inge Kroppenberg  / Martin Löhnig / Dieter Schwab (Hg.), Recht – Religion – Verfassung. Festschrift für Hans-Jürgen Becker zum 70. Geburtstag am 3. November 2009, Bielefeld 2009, S. 265–276.   7. Privilegia Impressoria vor dem Reichshofrat. Eine Skizze. In: Leopold Auer /  Werner Ogris / Eva Ortlieb (Hg.), Höchstgerichte in Europa. Bausteine frühneuzeitlicher Rechtsordnungen, Köln 2007, S. 203–213.   8. Das Lustspiel „So rächen sich Schriftsteller an betrügerischen Buchhändlern“. Probleme um Honorar und Nachdruck im Blick eines unbekannten Autors des späten 18. Jahrhunderts. In: Stefan Chr. Saar / Andreas Roth / Christian Hattenhauer (Hg.), Recht als Erbe und Aufgabe. Heinz Holzhauer zum 21. April 2005, Berlin 2005, S. 142–150.   9. Grundrechte in der Deutschen Bundesakte? Notizen zu „Preßfreiheit“ und „Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck“ (Artikel XVIII d). In: Jürgen Bröhmer / Roland Bieber / Christian Callies / Christine Langenfeld / Stefan Weber / Joachim Wolf (Hg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte. Festschrift für Georg Ress zum 70.Geburtstag am 21. Januar 2005, Köln 2005, S. 1333–1351, und in: E. Wadle, Verfassung und Recht. Wegmarken ihrer Geschichte, Wien 2008, S. 165–187. 10. Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buchhandels und der Schutz gegen Nachdruck. In: Peter Thorau / Sabine Penth / Rüdiger Fuchs

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Drucknachweise (Hg.), Regionen Europas – Europa der Regionen. Festschrift für Kurt-Ulrich Jäschke zum 65. Geburtstag, Köln / Weimar / Wien 2003, S. 231–245.

11. Gesetzlichkeit im vorkonstitutionellen Preußen. Zwei Fallbeispiele aus der Praxis nach 1815. In: Klaus Grupp / Ulrich Hufeld (Hg.), Recht – Kultur – Finanzen. Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, Heidelberg 2005, S. 653–672. 12. Der Schutz gegen den Nachdruck aus der Sicht eines Preußischen Beamten. Ein unbekanntes Votum aus dem Jahre 1825. In: Louis Pahlow / Jens Eisfeld (Hg.), Grundlagen und Grundfragen des Geistigen Eigentums, Tübingen 2008, S. 81–91. 13. Preußens Initiative zum Schutz gegen Nachdruck (1826–1829): Zweiseitige Abkommen als Aushilfe. In: Hans-Georg Hermann / Thomas Gutmann / Joachim Rückert / Mathias Schmoeckel / Harald Siems (Hg.): Von den Leges Barbarorum bis zum ius barbarum des Nationalsozialismus, Festschrift für Hermann Nehlsen zum 70. Geburtstag, Köln / Weimar / Wien 2008, S. 307–331. 14. Schutz gegen Nachdruck als Aufgabe einer bundesweiten „Organisation des deutschen Buchhandels“. Metternichs zweiter Plan einer „Bundeszunft“ und sein Scheitern. In: Bernd-Rüdiger Kern / Elmar Wadle / Klaus-Peter Schroeder / Chris­ tian Katzenmeier (Hg.), Humaniora. Medizin – Recht – Geschichte. Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, Berlin / Heidelberg / New York 2005, S. 431– 457. 15. Frühe Bemühungen um den Rechtsschutz privater Briefe. Eine Berliner Diskussion zur Reichweite des preußischen Gesetzes vom 11. Juni 1837. In: Peter Kindler / Jens Koch / Peter Ulmer / Martin Winter (Hg.), Festschrift für Uwe Hüffer zum 70. Geburtstag, München 2009, S. 1033–1049. 16. Die preußische Politik und Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes. (Stark erweiterte Fassung des in der NJW 1999, S. 2545–2551 veröffentlichten Beitrags) In: Archiv für Geschichte des Buchwesens Bd. 56 (2002), S. 147–161. 17. Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes. In: Zeitschrift der Savignv-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 122 (2005) S. 301–316. 18. Der badische Privilegienschutz gegen den Nachdruck der Werke Goethes. In: Harald Derschka / Rainer Hausmann / Martin Löhnig (Hg.), Festschrift für HansWolfgang Strätz zum 70. Geburtstag, Regenstauf 2009, S. 551–563. 19. Ein Projekt zur Reform des badischen Rechtsschutzes gegen den Nachdruck. In: Ulrich Wackerbarth / Thomas Vormbaum / Hans-Peter Marutschke (Hg.), Festschrift für Ulrich Eisenhardt zum 70. Geburtstag, München 2007, S. 171–182. 20. Der badische Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Eigentums an den Werken der Literatur und Kunst gegen Nachdruck und Nachbildung. Ein zweiter Ansatz zur Reform des Urheberrechts im Großherzogtum (1840 / 41). In: Michaela Wittinger / Rudolf Wendt / Georg Ress (Hg.), Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterrecht, Festschrift für Wilfried Fiedler zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 978– 990.