Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen: Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Auswirkungen des § 238 Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung journalistischer Recherchen [1 ed.] 9783428531172, 9783428131174

Franziska Kraus befasst sich mit der Bedeutung des § 238 Abs. 1 StGB für den zivilrechtlichen Rechtsschutz gegen Nachste

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Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen: Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Auswirkungen des § 238 Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung journalistischer Recherchen [1 ed.]
 9783428531172, 9783428131174

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 393

Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Auswirkungen des § 238 Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung journalistischer Recherchen

Von Franziska Kraus

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

FRANZISKA KRAUS

Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 393

Zivilrechtlicher Schutz gegen Nachstellen Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Auswirkungen des § 238 Abs. 1 StGB unter besonderer Berücksichtigung journalistischer Recherchen

Von Franziska Kraus

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Konstanz hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Process Media Consult GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13117-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Konstanz im November 2008 als Dissertation angenommen; die mündliche Prüfung fand am 30. April 2009 statt. Die Promotion wurde von der Hanns Seidel Stiftung e. V. gefördert. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Martin Löhnig, danke ich sehr für seine freundliche Förderung und Unterstützung. Herrn Prof. Dr. Jörg Eisele schulde ich Dank für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die freundliche Aufnahme an seinem Lehrstuhl. Andreas Brommer und Lukas Lehmann danke ich für ihre Mithilfe bei der Korrektur des Manuskripts; Barbara Wienströer-Kraus für ihre stetige fachliche Diskussionsbereitschaft. Bei meiner Familie und meinen Freunden bedanke ich mich herzlich für ihre konstante Unterstützung. Ellwangen, im Juni 2009

Franziska Kraus

Inhaltsbersicht Kapitel 1 Einführung

21

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Thema der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Untersuchungsbedarf in Bezug auf die Rechtsnatur des § 1 GewSchG . . . . . . . . . 22 II. Vergleichende Untersuchung der Tatbestände § 238 Abs. 1 StGB und § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, b GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Betroffenheit der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB / weiterer strafrechtlicher Schutzgesetze durch Stalking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Werden Journalisten nun Stalker? Investigative Presserecherchen als Nachstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Kapitel 2 Anspruchsgrundlagen

26

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Ansprüche aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB . . . . 38 Kapitel 3 Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

45

A. Einleitung und Kritik am Rückgriff auf § 292 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Umriss der nun folgenden Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

8

Inhaltsbersicht

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Nachstellen durch Suchen der räumlichen Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Versuch der Kontaktaufnahme durch Kommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Warensendungen und Dienstleistungen durch Angabe personenbezogener Daten des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. Bedrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 V. Erweiterung der Auswirkung des Stalkings auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 VI. Ausführung der Nachstellungs-Handlungen durch Dritte auf Veranlassung des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 VII. Auffangtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 D. Ergebnis in Bezug auf den Vergleich der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Kapitel 4 Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

125

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Investigativer Journalismus: Versuch einer Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 C. Kollision der Pressefreiheit mit einem Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Tatbestandsverwirklichung durch die hartnäckige journalistische Recherche . . . . 127 II. Entgegenstehen der öffentlichen Aufgabe der Presse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Scheitert die Tatbestandsverwirklichung durch Journalisten schon an der „Unbefugtheit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Behandlung der journalistischen Recherche nach dem Gewaltschutzgesetz . . . . . 154 V. Behandlung der journalistischen Recherche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Inhaltsbersicht

9

Kapitel 5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

166

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung

21

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Thema der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Untersuchungsbedarf in Bezug auf die Rechtsnatur des § 1 GewSchG . . . . . . . . . 22 II. Vergleichende Untersuchung der Tatbestände § 238 Abs. 1 StGB und § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, b GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Betroffenheit der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB / weiterer strafrechtlicher Schutzgesetze durch Stalking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Werden Journalisten nun Stalker? Investigative Presserecherchen als Nachstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Kapitel 2 Anspruchsgrundlagen

26

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Ansprüche aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Einführung zur actio quasi-negatoria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Rechtsnatur des § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) § 1 Abs. 1 GewSchG als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage . . . . . . . . 27 aa) Auslegung anhand des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (1) Verzicht auf § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 (2) Teilweise gesetzliche Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

12

Inhaltsverzeichnis (3) Verzicht auf § 1004 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 cc) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 c) § 1 GewSchG sogar lex specialis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Rechtsfolgen aus § 1 Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 – 5 GewSchG . . . . . . . . . . . . . 37 II. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 III. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB . . . . 38 1. § 238 StGB als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Materielle Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 aa) Grundsätzliches zum Gesetz nach Art. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 bb) § 238 StGB als Norm im Sinn von Art. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Ge- bzw. Verbotsnormcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Grundsätzliches zum Ge- bzw. Verbotscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) § 238 StGB in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (1) Ge- bzw. Verbotscharakter bei § 238 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (2) Bestimmtheit bei § 238 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Individualschützender Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 aa) Grundsätzliche Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) § 238 StGB in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 d) Vereinbarkeit des Schutzgesetzcharakters mit den Wertungen der Bezugsnorm und des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Grundsätzliche Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) § 238 StGB in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Generelle Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) § 238 StGB in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 f) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 aa) Generelle Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) § 238 StGB in concreto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 3 Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

45

A. Einleitung und Kritik am Rückgriff auf § 292 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Umriss der nun folgenden Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 I. Nachstellen durch Suchen der räumlichen Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) „Räumliche Nähe aufsuchen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Zum Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . 50 c) Zum Tatbestandsmerkmal „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 d) Zum Merkmal „unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a, Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG „eindringen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG „nachstellen“ . . . . . . . . . . . . . 61 c) „Belästigung gegen den ausdrücklichen Willen“, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 d) Vorsätzliches Handeln des Täters, § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG . . . . . . . . . . . 61 e) Keine Rechtfertigung, insbesondere „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ (§ 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG) bei § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG . . 62 f) Besonderheit des § 1 Abs. 3 GewSchG: Möglichkeit zum Erlass von Schutzanordnungen auch bei vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Gesundheitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Umriss des Prüfungsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Allgemeines zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Begründung durch die Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Weitere Fallgruppe der Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Schutz gegen Belästigungen und Aufdrängen . . . 66 dd) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Suchen der räumlichen Nähe des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

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Inhaltsverzeichnis 4. Sonstige betroffene Schutzgesetze im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . 69 a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 123 StGB (Hausfriedensbruch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) . . . 69 aa) Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Drohung mit einem empfindlichen Übel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 239 StGB (Freiheitsberaubung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 Var. 1 StGB (Körperliche Misshandlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 e) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 Var. 2 StGB (Gesundheitsschädigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 f) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 g) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) . 74 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Versuch der Kontaktaufnahme durch Kommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) „Telekommunikationsmittel oder sonstige Kommunikationsmittel“ . . . . . . . 75 b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) „Verfolgen unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ . . . . . . . . . 78 b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Gesundheitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Sonstige Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 123 Abs. 1 StGB (Hausfriedensbruch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) . . . 82

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c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 d) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 e) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) . 84 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Warensendungen und Dienstleistungen durch Angabe personenbezogener Daten des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) „Unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgeben“ . . . . . . . . 86 b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b Var. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) „Nachstellen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Erfasst als Schutzgut des § 12 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 b) Beeinträchtigung des „Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“ . . . . . 92 5. Weitere Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 263 StGB (Betrug) bei unbefugtem Bestellen von Waren im Namen des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Betrug zu Lasten des Opfers der Nachstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Betrug zu Lasten des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 StGB (Gesundheitsschädigung) bzw. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) . 97 c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) . . . 98 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

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Inhaltsverzeichnis IV. Bedrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) „Bedrohung mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) „Mit der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich bedrohen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4. Weitere Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 240, 241 StGB (Nötigung, Bedrohung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) . 103 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Erweiterung der Auswirkung des Stalkings auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 240, 241 StGB . . . . . . . . . 106 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 VI. Ausführung der Nachstellungs-Handlungen durch Dritte auf Veranlassung des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Regelungsinhalte der § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB . . 107 bb) Regelung der mittelbaren Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Notwendige Klarstellung, da § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB als eigenhändiges Delikt ausgestaltet wird? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

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b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB und mittelbare Täterschaft . . . . . . . . . . . 112 c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) „Nachstellen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Weitere Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 VII. Auffangtatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) „Eine vergleichbare Handlung vornehmen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Problem: Bestimmtheit des Auffangtatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) „Nachstellen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Weitere Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 D. Ergebnis in Bezug auf den Vergleich der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Kapitel 4 Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Investigativer Journalismus: Versuch einer Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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C. Kollision der Pressefreiheit mit einem Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Tatbestandsverwirklichung durch die hartnäckige journalistische Recherche . . . . 127 1. Beispielsachverhalte um Pressevertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Prüfung der Beispielsachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Entgegenstehen der öffentlichen Aufgabe der Presse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Scheitert die Tatbestandsverwirklichung durch Journalisten schon an der „Unbefugtheit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Heranziehung des § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund für presserechtlich korrektes Handeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Grundsätzliche Voraussetzungen für eine Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Anwendbarkeit des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen außerhalb der Beleidigungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 d) Vergleichbarkeit mit der Diskussion um die Anwendung des § 193 StGB bei § 201a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG) als Rechtfertigungsgrund . . . . . 136 a) Anforderungen an Rechtfertigungsgründe im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Beispiele in Literatur und Praxis für die Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 c) Ableitung aus der Funktion der Grundrechte möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Heranziehung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG zur Auslegung des Tatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) „Beharrlich“ als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) „Unbefugt“ als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 5. Andere Beurteilung nach Berücksichtigung der Caroline-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR)? . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Bundesverfassungsgericht versus Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Umfassender Schutzauftrag des EGMR an die Mitgliedsstaaten? . . . . . . . . . 151

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c) Bindungswirkung in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Behandlung der journalistischen Recherche nach dem Gewaltschutzgesetz . . . . . 154 1. Verwirklichung des Tatbestands durch Recherche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Überprüfung von Beispiel Nummer eins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Überprüfung von Beispiel Nummer zwei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Überprüfung von Beispiel Nummer drei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Rechtfertigung über § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Fallgruppe: Aufhalten an einem bestimmten Ort aus Berufsgründen . . . . . . 156 b) Sinn und Zweck der Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Wahrnehmung der Pressefreiheit bzw. neue Fallgruppe: Journalistische Recherchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Prüfung der drei Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG als Rechtfertigungsgrund bei § 238 StGB? . . . . . . 162 V. Behandlung der journalistischen Recherche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Eröffnung des Tatbestandes durch journalistische Recherchen . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Kapitel 5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Kapitel 1

Einführung A. Einleitung Stalking. Ein neuer Begriff in aller Munde. Laut Lexikon hat man unter Stalking das vorsätzliche, böswillige Verfolgen oder Belästigen einer anderen Person, das deren Sicherheit bedroht, zu verstehen.1 In den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt ist das Phänomen des Nachstellens in den letzten Jahren zunächst durch das Betroffensein einiger Prominenter, wie Steffi Graf oder Madonna und schließlich aufgrund der medienwirksamen Einführung des § 238 StGB (Nachstellung) zum 31.3.2007.2 Der neuen Norm soll die Aufgabe zukommen, die Lücken zu schließen, die in Fällen gesehen werden, in denen ein Stalker nicht gewalttätig wurde oder sonstige Straftatbestände verwirklichte,3 meist als mildes Stalking oder Belästigung bezeichnet.4 Doch völlig ungeregelt war dieser Bereich nicht mehr: Mit dem Gewaltschutzgesetz schuf der Gesetzgeber zum 1.1.20025 eine zivilrechtliche Handhabe gegen Nachstellungen mit einer Strafandrohung bei Missachtung der richterlichen Anordnungen, § 4 GewSchG. Während sich die meisten juristischen Publikationen § 238 StGB aus strafrechtlicher Sicht widmen, will sich diese Arbeit mit der Strafnorm aus dem Blickwinkel des Zivilrechtlers befassen. Sollte es sich bei § 238 StGB nämlich um ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB handeln, so würden durch seine Einführung nicht nur die strafrechtlichen Behelfe gegen Stalking geschaffen oder spezifiziert, auch aus zivilrechtlicher Sicht ergäbe sich eine neue Anspruchsgrundlage gegen Stalker auf Unterlassen: §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB. Angesichts dessen stellt sich die Frage, inwieweit sich § 238 Abs. 1 StGB und § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG unterscheiden oder ergänzen und ob die Strafnorm es vermag, die Lücken zu schließen, die einige Stimmen im deutschen bisher zivilrechtlich geprägten Anti-Stalking-Recht gesehen haben.6

1 2 3 4 5 6

Brockhaus, S. 140 f. Gesetz vom 22. 3. 2007, BGBl. I, S. 354. Winterer, FPR 2006, 199; Fünfsinn, S. 177. Löbmann, MSchrKrim 2002, 25 (32). Gesetz vom 11. 12. 2001, BGBl. I S. 3513. Weber-Hassemer, ZRP 2006, 69.

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Kap. 1: Einführung

B. Thema der Untersuchung I. Untersuchungsbedarf in Bezug auf die Rechtsnatur des § 1 GewSchG Die bislang bedeutsamste zivilrechtliche Norm gegen Stalker ist § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG. Sie ist nach der Angabe des Gesetzgebers aber lediglich als Verfahrensnorm ausgestaltet und bedarf daher der materiellen Grundlage des §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog.7 Auch der Großteil der Publikationen, die sich bisher mit dem Gewaltschutzgesetz befasst haben,8 sieht in § 1 GewSchG keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Diese Festsetzung ist einer kritischen Betrachtung und genaueren Untersuchung würdig, vor allem, da Wortlaut und Systematik der unbegründet gebliebenen Vorgabe des Gesetzgebers9 auf eine andere Qualifizierung hindeuten.

II. Vergleichende Untersuchung der Tatbestände § 238 Abs. 1 StGB und § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, b GewSchG Eine zivilrechtliche Betrachtung des § 238 StGB erscheint notwendig, wenn man sich ein umfassendes Bild der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe gegen Stalking machen möchte. Stellt § 238 StGB ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB dar, so ergibt sich eine neue Anspruchsgrundlage gegen Nachstellungen im deutschen Recht, auf die bisher nur eine einzelne Publikation kurz eingegangen ist;10 insoweit besteht Forschungsbedarf. Ferner stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Inhalt der Regelung des § 238 Abs. 1 StGB und seiner Reichweite. Dabei sind die einzelnen Tatbestände des § 238 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit jeweils einzeln zu betrachten. Ziffern eins und zwei pönalisieren an sich sozial adäquate Verhaltensweisen, wie das Suchen der räumlichen Nähe zu einer Person (Nr. 1) und die Kontaktaufnahme unter Zuhilfenahme von Telekommunikationsmitteln (Nr. 2). Ziffer drei regelt die Warenbestellung unter Angabe des Opfernamens, wobei zu untersuchen ist, ob auch Geschenke des Stalkers, die er nur an das Opfer ausliefern lässt, unter dieses Tatbestandsmerkmal subsumiert werden können. Es stellt sich somit die Frage, ob die neue Anti-Stalking-Norm das Nachstellen in seinen gängigen Facetten tatsächlich tatbestandlich umfänglich erfasst. Weiter wird auf die Frage einzugehen sein, inwieweit die Einbeziehung von Dritten auf Opfer- und Täterseite eine Neue7

BT-Drs. 14/5429, S. 41. Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, § 1 GewSchG, Rdn. 3; JurisPK-BGBLeis, § 1 GewSchG Rdn. 6; Palandt-BGB-Brudermüller, § 1 GewSchG Rdn. 4; NomosBRErl-Schumacher, § 1 GewSchG, S. 1. 9 BT-Drs. 14/5429, S. 41. 10 Löhnig, FamRZ 2007, 518. 8

B. Thema der Untersuchung

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rung darstellt und Lücken schließt oder ob der Gesetzgeber mit § 238 StGB nicht gar aus der üblichen Systematik des Strafgesetzbuches ausbricht. Auch § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB und der Auffangtatbestand der Nr. 5 bedürfen einer eingehenden Betrachtung. Die neue Anspruchsgrundlage §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB anlog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB sollte aber nicht isoliert betrachtet werden. Um ein umfassendes Bild von den Rechtsbehelfen gegen Stalking zu erlangen, müssen auch die Tatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, b GewSchG und ihre Reichweite untersucht und mit der des § 238 Abs. 1 StGB verglichen werden. Die bisherigen Publikationen zum Gewaltschutzgesetz11 behandeln das Nachstellen denn auch eher stiefmütterlich, sodass eine eingehendere Betrachtung des Tatbestandes geboten erscheint, um zu untersuchen, inwieweit § 238 Abs. 1 StGB im zivilrechtlichen Schutz gegen Stalking mit tatsächlichen Neuerungen aufwartet.

III. Betroffenheit der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB / weiterer strafrechtlicher Schutzgesetze durch Stalking Bei der Untersuchung der möglichen Anspruchsgrundlagen darf auch § 823 Abs. 1 BGB nicht außer Acht gelassen werden. Da es bei Stalking-Opfern häufig zu Beeinträchtigungen der körperlichen Befindlichkeit kommt, könnten Ansprüche aus drohenden Gesundheitsverletzungen gegeben sein. Weiter ist zu fragen, ob auch durch Nachstellen, das Opfer „nur“ belästigt, Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB betroffen sein können. Um das aufgezeigt Bild der Anti-Stalking-Regelungen im deutschen Recht abzurunden dürfen auch andere strafrechtliche Schutzgesetze, wie beispielsweise §§ 240, 241 StGB oder § 223 StGB und § 123 StGB, nicht übergangen werden.

IV. Werden Journalisten nun Stalker? Investigative Presserecherchen als Nachstellungen Da der Gesetzgeber der Forderung, in § 238 StGB eine Ausnahme für Journalisten zu regeln,12 nicht nachgekommen ist, könnte die Gefahr bestehen, nachforschende Pressearbeit mit vorbeugenden Unterlassungsbegehren schon im Recherchestadium mittels § 238 Abs. 1 StGB zu unterbinden. Wenn Journalisten bei branchenüblichen Recherchen § 238 StGB erfüllen und entsprechende strafrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen ihre Arbeit bedrohen, so steht die Freiheit der Presse unter Beschuss. 11 Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, GewSchG; JurisPK-BGB-Leis, GewSchG; Palandt-BGB-Brudermüller, GewSchG; NomosBR-Erl-Schumacher, GewSchG. 12 Beck Aktuell: DJV fordert Ausnahme für Journalisten im „Stalking“-Strafgesetz, becklink 140963 (zuletzt abgerufen am 6. 10. 2008).

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Kap. 1: Einführung

Es ist daher dringend geboten zu untersuchen, ob Journalisten befürchten müssen, künftig durch hartnäckiges Recherchieren § 238 StGB zu erfüllen beziehungsweise welche Möglichkeiten bestehen, die Pressefreiheit bei der Prüfung der Verwirklichung des § 238 StGB durch Journalisten zu berücksichtigen. Weiter bleibt der Frage nachzugehen, ob Journalisten auch Unterlassungsansprüche aus dem Gewaltschutzgesetz drohen. Zwar hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG einen speziellen Rechtfertigungsgrund für Nachstellungen geschaffen, die bisher anerkannten und erörterten Fallgruppen13 sehen journalistische Arbeit als Rechtfertigung hingegen noch nicht an, weshalb auch in diesem Punkt Untersuchungsbedarf besteht.

C. Gang der Untersuchung Zunächst werden in Kapitel 1 die möglichen Anspruchsgrundlagen für StalkingOpfer mit dem Ziel der Unterlassung, aufgezeigt. Hierbei wird insbesondere geprüft werden, ob § 238 StGB ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB darstellt und somit zu den Ansprüchen aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, b GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog und §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog hinzutritt. Ferner wird die Rechtsnatur des § 1 GewSchG, der laut Gesetzgeber als reine Verfahrensnorm ausgestaltet wurde,14 einer kritischen Prüfung unterzogen. In Kapitel 2 wird zunächst die Reichweite des Tatbestands des § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Suchen der räumlichen Nähe des Opfers) erörtert, wobei auch ausführlich auf die für § 238 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB geltenden Merkmale „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“, „beharrlich“ und „unbefugt“ eingegangen werden wird. Darauf folgend wird geprüft, ob das nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbare Stalking auch die Tatbestände der § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, b GewSchG eröffnet. Dem Vergleich dieser Tatbestände folgt eine Prüfung, ob Stalking auch von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsgüter betreffen kann, sodass sich auch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog Ansprüche gegen Stalker auf Unterlassen ergeben können. Abschließend wird geprüft, ob das Nachstellen durch Suchen der räumlichen Nähe des Opfers auch andere strafrechtliche Schutzgesetze erfüllt. Diese gekreuzte, vergleichende Prüfung wird nachfolgend auch für die Ziffern zwei bis fünf des § 238 Abs. 1 StGB durchgeführt, sodass immer im Anschluss an die Prüfung und Erörterung des Tatbestandes der strafrechtlichen Nachstellungsnorm ein vergleichender Blick auf den zivilrechtlichen Kanon der Tatbestände der möglichen Anspruchsgrundlagen erfolgt, um Lücken, Neuerungen und Entsprechungen aufzuzeigen. Kapitel 2 schließt mit einer Betrachtung, ob § 238 Abs. 1 StGB für den zivilrechtlichen Schutz vor Nachstellungen notwendig war oder von eher geringerer Bedeutung ist. 13

Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, GewSchG; JurisPK-BGB-Leis, GewSchG; Palandt-BGB-Brudermüller, GewSchG; NomosBR-Erl-Schumacher, GewSchG. 14 BT-Drs. 14/5429, S. 41.

C. Gang der Untersuchung

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In Kapitel 3 wendet sich die Arbeit dem Sonderproblem „Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten“ zu. Anhand von drei fiktiven Beispielsfällen wird untersucht, ob die Gefahr besteht, dass Journalisten den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB durch branchenübliches Rechercheverhalten verwirklichen. Durch Nachforschungen könnten besonders die Varianten § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Suchen der räumlichen Nähe) und § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB (versuchte Kontaktaufnahme durch Einsatz von Telekommunikationsmitteln) erfüllt werden. Es wird der Frage nachgegangen, ob einer eventuellen Pönalisierung der nachforschenden Pressearbeit nicht die verfassungsrechtlich garantierte, öffentliche Aufgabe der Presse15 entgegensteht und wie die Kollision mit dem Verfassungsgut Pressefreiheit angemessen aufgelöst werden kann. Hierbei wird geprüft, ob eine besondere Rechtfertigungsmöglichkeit für Journalisten entwickelt werden kann oder ob schon auf Tatbestandsebene bei journalistischem Nachstellen die Tatbestandsmerkmale des § 238 Abs. 1 StGB in besonderem Lichte des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG ausgelegt werden müssen. Anschließend wird, erneut angelehnt an die drei Beispielsfälle, untersucht, ob investigativ recherchierende Journalisten auch die Tatbestände § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b GewSchG und § 823 Abs. 1 BGB verwirklichen können. Dabei wird auch auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG, eingegangen und geprüft, ob die Reihe der anerkannten Fallgruppen um die der „journalistischen Recherchen“ ergänzt werden muss.

15

BVerfGE 20, 162 (174).

Kapitel 2

Anspruchsgrundlagen Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stehen Opfern von Nachstellungen verschiedene zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen zur Verfügung, mittels derer sie gegen den Stalker vorgehen können, um ein Unterlassen zukünftigen Stalkings zu verlangen.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer Im Folgenden werden sowohl die Ansprüche aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, b GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog als auch der allgemeine quasi-negatorische Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog mit seinen Voraussetzungen umrissen. Ferner wird die Rechtsnatur des § 1 GewSchG untersucht. Im Anschluss wird geprüft, ob § 238 StGB ein deliktisches Schutzgesetz darstellt und folglich ein weiterer Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB gegen Stalker zur Verfügung steht.

I. Ansprüche aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog Nach der Angabe des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien zum Gewaltschutzgesetz stellt § 1 GewSchG keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, sondern ist lediglich als Verfahrensregel ausgestaltet, die materiell-rechtliche Unterlassungsansprüche durchsetzen soll.1 Da das von Stalking betroffene Rechtsgut das dem Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB zugeordnete, allgemeine Persönlichkeitsrecht ist,2 lautet die vollständige Anspruchsgrundlage gegen Stalker nach der Vorstellung des Gesetzgebers: § 1 Abs. 2 Nr. 2 GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB. 1. Einführung zur actio quasi-negatoria Bekanntermaßen hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der negatorischen Rechtsbehelfe aus § 1004 BGB auf den Kreis der deliktisch geschützten 1 2

BT-Drs. 14/5429, S. 17. BT-Drs. 14/5429, S. 18.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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Rechtsgüter, insbesondere der von § 823 Abs. 1 BGB erfassten, ausgedehnt.3 Diese Entwicklung, die auf der Analogiefähigkeit des § 1004 BGB beruht und von der schon die Verfasser des BGB ausgingen,4 kann heute als Gewohnheitsrecht betrachtet werden: Die Existenz des quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog kann damit als unumstritten gelten, weshalb sich weitere Ausführungen an dieser Stelle erübrigen. Voraussetzung für einen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch sind neben dem Erfordernis, dass der Anspruchsteller der Inhaber des betroffenen Rechtsguts ist, die Beeinträchtigung (Störung) dieses Rechtsgutes durch den Anspruchsgegner sowie eine Wiederholungsgefahr für die Störung. Letztere wird nicht nur dann als gegeben anzunehmen sein, wenn eine erste „Rechtsgutsstörung“ schon stattgefunden hat und eine erneute Störung ernstlich zu erwarten ist. Auch wenn noch keine Störung stattgefunden hat, sondern eine ernstliche Gefahr einer ersten Rechtsgutsverletzung besteht, wird der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht.5 Schließlich kann der Rechtsuchende nicht gezwungen werden, sehenden Auges eine erste Störung abzuwarten, um weitere Störungen abwehren zu können. Freilich sind greifbare Anhaltspunkte für diese Gefahr darzulegen und, falls bestritten, zu beweisen, beziehungsweise im Verfahren der einstweiligen Verfügung glaubhaft zu machen. In der in dieser Arbeit zu untersuchenden Stalking-Problematik wird meist nur der erste Fall von Bedeutung sein: Üblicherweise wird man erst durch erfolgte Nachstellungshandlungen bemerken, dass ein Opfer gestalkt wird. Hat ein Stalker seinem Opfer bereits nachgestellt und ergeben sich keine zwingenden Umstände dafür, dass er in Zukunft damit aufhören wird, liegt Wiederholungsgefahr im eigentlichen Sinne vor. Fälle, in denen eine ernstliche Erstgefahr vorliegt, werden seltener sein. Doch wenn der Stalker dem Opfer glaubhaft mit Nachstellungen droht oder diese Dritten gegenüber ankündigt, wird eine taugliche Erstbegehungsgefahr tatbestandlich relevant. 2. Rechtsnatur des § 1 GewSchG a) § 1 Abs. 1 GewSchG als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage Dass § 1 Abs. 1 GewSchG nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine Verfahrensregelung darstellen und ein Rückgriff auf den Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog erforderlich sein soll, erstaunt, wenn man Wortlaut, Syste3

Seit RGZ 60, 6, 7 ständige Rechtsprechung; statt vieler: Staudinger-BGB-Hager, Vorbem. § 823 Rdn. 63 mit weiteren Nachweisen; Staudinger-BGB-Gursky, § 1004 Rdn. 16 mit weiteren Nachweisen. 4 Mugdan, BR III, S. 218. 5 Staudinger-BGB-Gursky, § 1004 Rdn. 214; MünchKomm-BGB-Medicus, § 1004 Rdn. 95; Soergel-BGB-Mühl, § 1004 Rdn. 168; Palandt-BGB-Bassenge, § 1004, Rdn. 32; Jauernig-BGB-Jauernig, § 1004 Rdn. 11; RGZ 101, 335 (338 f.); BGHZ 160, 232 (236); BayObLG NJW-RR 1987, 1040 (1041); OLG Zweibrücken NJW 1992, 1242; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 1031.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

matik und Regelungszweck einer eingehenden Betrachtung unterzieht. Im Folgenden wird anhand der klassischen Auslegungsmethoden, wie sie auf Savigny6 zurückgehen, untersucht werden, ob mit § 1 Abs. 1 GewSchG nicht doch eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage geschaffen wurde und sich der Anspruch gegen Stalker und Gewalttäter schon allein aus dem Gewaltschutzgesetz ergibt. aa) Auslegung anhand des Wortlauts § 1 GewSchG normiert zum einen den Tatbestand, den eine Person dann verwirklicht, wenn sie eine andere Person vorsätzlich in den aufgeführten Rechtsgütern widerrechtlich verletzt (Abs. 1), eine anderen Person widerrechtlich mit der Verletzung ihrer Rechtsgüter bedroht (Abs. 2 Nr. 1), widerrechtlich in das befriedete Besitztum einer anderen Person eindringt (Abs. 2 Nr. 2 lit. a) oder sie in unzumutbarer Weise belästigt (Abs. 2 Nr. 2 lit. b). Zum anderen findet sich in § 1 GewSchG die Rechtsfolge: Das Gericht kann die Maßnahmen treffen, die es für erforderlich hält, um weitere Störungen zu unterbinden; dabei steht ihm ein Ermessenspielraum zu. Insbesondere nennt § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG die Möglichkeit von Unterlassungsanordnungen. Eine allgemeingültige Definition der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage hat sich bisher nicht durchgesetzt. Hält man sich aber § 194 Abs. 1 BGB vor Augen, nach dessen Legaldefinition unter einem Anspruch das Recht zu verstehen ist, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu fordern, dürfte man keine Probleme haben, in § 1 GewSchG einen materiell-rechtlichen Anspruch zu sehen.7 Adressat der Norm soll nach dem Willen des Gesetzgebers allein das zuständige Gericht sein.8 Zwar mag sich die Formulierung des § 1 GewSchG in ihrer konkreten Gestalt von den üblichen Formulierungen, etwa aus dem Deliktsrecht, unterscheiden, die sinngemäß lauten: „Wer einen anderen in jenen Rechten verletzt, ist zum Schadensersatz verpflichtet“. Die Terminologie, den Anspruchsteller als „Opfer“ und den Anspruchsgegner als „Täter“ zu bezeichnen, stellt jedoch kein Indiz für die Ablehnung des Anspruchscharakters dar. Auch § 2 GewSchG, der dem Willen des Gesetzgebers zufolge eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist,9 benutzt diese Begriffe. Legt man das Verständnis zugrunde, wonach sich in Anspruchsgrundlagen die Rechtsfolgen finden, die den Einzelnen im praktischen Fall interessieren,10 so hält § 1 GewSchG dieser Prüfung stand: Der Täter kann erkennen, welche Sanktionen er bei welchen Handlungen zu erwarten hat. Insbesondere die Aufzählung der Verhaltensweisen in § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG, die Teil einer Unterlassungsanordnung

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Savigny, S. 212 ff. So wohl auch: Motzer, FS Schwab, S. 375 (381). 8 BT-Drs. 14/5429, S. 41. 9 Das ergibt sich sowohl aus § 2 Abs. 3 GewSchG als auch aus BT-Drs. 14/5429, S. 19. 10 Rüthers, Rdn. 130. 7

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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des Gerichts sein können, setzten den Täter ins Bild. § 1 Abs. 1 GewSchG weist somit alle notwendigen Merkmale einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage auf. Auch der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gewaltschutzgesetz angeführt, er gehe davon aus, dass, entgegen der Annahme des Bundestages, in § 1 GewSchG auch materiell-rechtliche Ansprüche geregelt würden. Weiter forderte er den Bundestag auf, „um Unklarheiten bei der Handhabung der Norm zu vermeiden“, § 1 GewSchG umzuformulieren.11 Dieser Aufforderung kam der Bundestag mit dem Hinweis, „die Fassung dürfte keine Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung hervorrufen,“12 aber nicht nach. Der Umstand jedoch, dass jede Fachpublikation Anlass sieht, die ausdrückliche verfahrensrechtliche Klassifizierung durch den Gesetzgeber zu zitieren,13 macht deutlich, dass sich dies nach dem Wortlaut der Norm nicht aufdrängt. Vielmehr legt dieser dem unbefangenen Leser nahe, dass die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen eines Anspruchs benannt werden. bb) Systematische Auslegung Nun folgend wird der Rückgriff auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB einer systematischen Prüfung unterzogen. Es ist zu prüfen, warum ein Rückgriff auf diese Normen notwendig und sachdienlich sein soll. (1) Verzicht auf § 823 Abs. 1 BGB Zunächst ist zu untersuchen, warum auf § 823 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden sollte. Dies ist aus dogmatischer Sicht überflüssig, ist doch der Rechtsgüterschutz nach dem Gewaltschutzgesetz im Vergleich zu § 823 Abs. 1 BGB eingeschränkt: Von der Generalklausel des Deliktsrechts werden die Rechtsgüter Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und sonstige Rechte geschützt. Der Rechtsgüterschutz nach § 1 GewSchG ist demgegenüber beschränkt: Der Schutz gegen Eigentumsverletzungen oder Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht anderer Art als durch Bedrohungen oder unzumutbare Belästigungen wird nicht erfasst. Folgt man der Ansicht des Gesetzgebers, der eigentliche Anspruch des Opfers leite sich aus § 823 Abs. 1 BGB ab, so würde die spezieller und beschränkter formulierte Norm auf die Generalklausel verweisen, die sie wiederum selbst teils wiedergibt. Wenn aber § 1 GewSchG die geschützten Rechtsgüter ebenso festlegt wie die Verletzungshandlung, drängt sich die Frage auf, welche Anspruchsvoraussetzungen man § 823 Abs. 1 BGB noch entnehmen soll. Bezüglich der Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs kann man auf § 1004 Abs. 1 BGB zurückgreifen. Auch beim ur11

BT-Drs. 14/5429, S. 38; BR-Drs. 11/1/01, S. 2. BT-Drs. 14/5429, S. 41. 13 Beispielhaft seien angeführt: Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, § 1 GewSchG Rdn. 3; JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 6; Palandt-BGB-Brudermüller, § 1 GewSchG Rdn. 4; NomosBR-Erl-Schumacher, § 1 GewSchG, S. 1. 12

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

sprünglichen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog entnimmt man § 823 Abs. 1 BGB nur die betroffenen Rechtsgüter; vorliegend ist allein dafür der enger formulierte § 1 GewSchG maßgeblich. Ferner unterscheidet sich der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB von dem des § 1 GewSchG noch in einem wesentlichen Punkt: Während von § 823 Abs. 1 BGB auch fahrlässiges Handeln erfasst wird, beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 1 GewSchG auf Vorsatztaten. Ein Rückgriff auf § 823 Abs. 1 BGB verwirrt angesichts der vielen Unterschiede und ist unnötig. Die geschützten Rechtsgüter ergeben sich aus § 1 GewSchG und für die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs könnte allein auf § 1004 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. (2) Teilweise gesetzliche Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Überdies ist festzustellen, dass die gesetzliche Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die der Gesetzgeber seit Jahrzehnten immer wieder abgelehnt hat, bei § 1 GewSchG, zumindest teilweise, erfolgt ist. Wenn auch eine Verortung des Gesetzesvorhabens im BGB und die Schaffung eines § 823a BGB abgelehnt wurden, geht auch der Gesetzgeber selbst davon aus, dass in § 1 GewSchG zwei wichtige Teilbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geregelt werden.14 Dass dieser umstrittene Meilenstein in einer Verfahrensregelung verortet wird, widerspricht der Bedeutung des Regelungsgehaltes. Es muss darauf hingewiesen werden, dass diese Regelung nicht als abschließend betrachtet wird; vielmehr soll der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 BGB, wenn andere Bereiche betroffen werden als bei der tatbestandlich erfassten Drohung und der unzumutbaren Belästigung, weiter bestehen.15 Dabei soll den nach Gewaltschutzgesetz möglichen Schutzanordnungen sogar Vorbildcharakter für Schutzanordnungen bei sonstigen Persönlichkeitsverletzungen zukommen.16 Aufgrund dieser vom Gesetzgeber selbst zugestandenen Tragweite der Bedeutung des § 1 GewSchG, dessen Voraussetzungen analog auf den Regelungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB übertragen werden sollen, ist es überzeugender in § 1 Abs. 1 GewSchG eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagenregelung zu sehen. (3) Verzicht auf § 1004 Abs. 1 BGB Fernerhin stellt sich die Frage, ob für eine erfolgreiche Anspruchskonstruktion aus § 1 GewSchG überhaupt auf § 1004 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden muss. Ebenso wie § 1004 Abs. 1 BGB beschreibt § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG eine Situation, in der eine Rechtsgutsbeeinträchtigung stattgefunden hat und weitere dro14 15 16

BR-Drs. 11/1, S. 60. BR-Drs. 11/1, S. 36. BR-Drs. 11/1, S. 36.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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hen.17 Doch während sich die Rechtsfolgen des § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung und Unterlassung beschränken, geht der Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG darüber hinaus, wenn er die Regelungsinhalte der Anordnungen ins Ermessen des Gerichts stellt: Bei der Beurteilung, was erforderlich ist, um weitere Verletzungen abzuwenden, räumt der Gesetzgeber den Gerichten einen weiten Beurteilungsspielraum ein und zeigt mit dem Katalog der möglichen Unterlassungsanordnungen in § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG lediglich nicht abschließende Regelbeispiele auf. Damit stehen den entscheidenden Gerichten mehr Möglichkeiten zu als beim Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB; es kommen also nicht nur Schutzanordnungen in Betracht, die dem Täter ein Unterlassen aufgeben. Auch Schwab, der am Gesetzgebungsverfahren des Gewaltschutzgesetzes als Sachverständiger beteiligt war, stuft die Bezugnahme auf § 1004 Abs. 1 BGB als problematisch ein:18 Folgte man der Einstufung des § 1 GewSchG als Verfahrensregelung und zöge für den materiellen Anspruch §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog heran, so müsse nicht nur im Einzelfall geprüft werden, ob die Voraussetzungen dieses Tatbestandes auch gegeben seien, sondern auch, ob die Rechtsfolgen, die das Gewaltschutzgesetz anordne, von der materiellen Rechtsgrundlage getragen würden.19 Für die aufgelisteten Unterlassungsanordnungen wäre § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB heranzuziehen. Doch mit dem Regelungsinhalt, das Gericht könne die erforderlichen Maßnahmen anordnen, geht der Gesetzgeber über die beiden durch § 1004 BGB möglichen Rechtsfolgen „Beseitigung“ und „Unterlassen“ hinaus. Andere Maßnahmen, die das Gericht nach seinem eigenen Ermessen treffen soll, werden nicht von der angeführten materiellen Anspruchsgrundlage gedeckt. Der überzeugenden Argumentation Schwabs ist insoweit zuzustimmen: Hielte man sich folglich an die Vorgabe, § 1 GewSchG bedürfe des materiellen Anspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, liefe ein großer Teil des vom Gesetzgeber zugestandenen Ermessens des Gerichts leer. Hierbei ist an ein vorsorgliches Verbot auch für solche Verhaltensweisen des Antragsgegners zu denken, die dieser bisher weder verwirklicht noch angedroht hat, bei denen es aber nach Einschätzung des Gerichts nahe liegt, dass der Täter in sie ausweichen wird. Da zudem die Stalkingkläger, und -antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz, regelmäßig dem Stalker jede Kontaktmöglichkeit abschneiden wollen und daher möglichst umfassende Anträge stellen, wird das Gericht kaum in die Lage kommen, entgegen § 308 Abs. 1 ZPO (ne ultra petita), mehr zusprechen zu wollen als beantragt ist. Insoweit scheint sich die Voraussage des Gesetzgebers, die Fassung des 17 § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG: „… hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen.“ Vergleiche hierzu: § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB: „Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“ 18 Schwab, Stellungnahme Regierungsentwurf BT-Drs. 14/5429, S. 3 f. 19 Schwab, Stellungnahme Regierungsentwurf BT-Drs. 14/5429, S. 3 f.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

§ 1 GewSchG „dürfte keine Schwierigkeiten in der praktischen Handhabung hervorrufen“, zu bewahrheiten. Weiterhin ist in Betracht zu ziehen, dass ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG ein Gericht nicht nur Unterlassungen anordnen könnte, um dem Opfer den erforderlichen und zweckmäßigen Schutz vor dem Täter zu gewähren. Vielmehr könnte es in einem Extremfall, in dem Opfer und Täter in Hausgemeinschaft (nicht in häuslicher Gemeinschaft) oder in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, das Gericht für erforderlich erachten, dem nachstellenden oder drohenden Nachbarn aufzugeben, seine Wohnung zu kündigen und auszuziehen. Eine solche Maßnahme kann als erforderlich angesehen werden, da die Unterlassungsanordnungen in § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 5 GewSchG teils nicht getroffen werden können: Der Täter könnte sich beispielsweise als Mieter darauf berufen, das Haus und die räumliche Nähe aufsuchen zu müssen. Ein Gericht könnte es in einem drastischen Fall für angemessen halten, das Opfer nicht auf das Ausweichverhalten zu verweisen und selbst auszuziehen, sondern es mittels einer entsprechenden Anordnung, nach der der Täter auszuziehen hat, vor weiteren Verletzungshandlungen zu schützen. Eine solche Maßnahme könnte im Einzelfall nicht nur als geboten und angemessen angesehen werden, sie wäre auch vom Regelungsgehalt des § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG gedeckt, sowie aus Opferschutzgesichtspunkten erforderlich. Daneben weist § 1 Abs. 1 GewSchG noch weitere Modifikationen gegenüber § 1004 Abs. 1 BGB auf. So sind neben der Befristung der Anordnung auch die inzwischen durch die Rechtsprechung erarbeiteten, unterschiedlich hohen Anforderungen an die Widerlegung der Wiederholungsgefahr anzuführen, für die besonders das Näheverhältnis zum Täter oder die Art der Verletzungshandlung Indikatoren sein sollen.20 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass § 1 GewSchG es den Gerichten ermöglicht, auch andere als die in § 1004 BGB geregelten Rechtsfolgen zu treffen. Die Norm geht damit über den Regelungsgehalt von § 1004 BGB hinaus und muss somit aus systematischen Gründen als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage qualifiziert werden. Entsprechend verhält sich auch die Rechtsprechungspraxis und überprüft die beantragten Schutzanordnungen allein an § 1 GewSchG. So lassen sich auch die Ausführungen von Reinken interpretieren, der darauf verweist, dass, anders als bei § 1004 BGB, eine Wiederholungsgefahr nicht drohen müsse oder eine weitere Beeinträchtigung zu besorgen sei.21 Im Verhältnis zu § 1004 BGB weist § 1 GewSchG sehr viele Abweichungen auf, sodass ein Rückgriff systemwidrig ist.

20 21

Vgl. JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 24.1. BeckOK-BGB-Reinken, § 1 GewSchG Rdn. 19.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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cc) Historische Auslegung Die historische Auslegung versucht den Gebotsgehalt und den Normzweck gesetzlicher Vorschriften aus dem Kontext ihrer Entstehungsgeschichte zu ermitteln.22 Dabei sind grundsätzlich der historisch-gesellschaftliche Kontext, der geistes- und dogmengeschichtliche Kontext und der Regelungswille des Gesetzgebers fruchtbar zu machen, wobei auch die rechtspolitischen Absichten und Umstände als Indikatoren herangezogen werden können.23 Da es sich beim Gewaltschutzgesetz, das zum 1. 1. 2002 in Kraft getreten ist, um ein neueres Regelungswerk handelt, kann davon ausgegangen werden, dass sich das Begriffsverständnis und auch die gesellschaftliche Lage, was Gewaltschutz und dessen Verständnis betrifft, bis heute nicht verändert haben. Insofern können der historisch-gesellschaftliche und der geistes- und dogmengeschichtliche Kontext vorliegend vernachlässigt werden. Den Äußerungen in der Gesetzesbegründung zufolge war es Wille des Gesetzgebers nur eine Verfahrensregelung zu schaffen und keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage.24 Diese Aussage stellt auch das stärkste Argument gegen eine Qualifizierung des § 1 Abs. 1 GewSchG als Anspruchsgrundlage dar. Dennoch drängt sich die Frage auf, warum der Gesetzgeber eine Norm schafft, die alle dogmatischen Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage aufweist und die überdies ihrer Regelungstragweite nur dann in dogmatisch korrekter Weise nachkommen kann, wenn sie als Anspruchsgrundlage qualifiziert wird, dennoch als Verfahrensregelung etikettiert. Dass er auch weiterhin mit Nachdruck an dieser Klassifizierung festhält, obwohl er vom Bundesrat und von dem Sachverständigen Schwab auf die entgegenstehenden Merkmale hingewiesen wird,25 überrascht. Darüber, dass der Gesetzgeber mit der Reaktion der Rechtsprechung, § 1 GewSchG als Anspruchsgrundlage zu behandeln, gerechnet hat und den vermeintlich einfacheren Regelungsweg über eine Verfahrensnorm aus politischen Gründen gehen wollte, kann nur spekuliert werden. Der plakativ geäußerten Ansicht, § 1 GewSchG stelle nur eine Verfahrensnorm dar, stehen andere Äußerungen gegenüber, nach denen der Gesetzgeber mit der fraglichen Norm den Gewaltschutz „regeln“26 wolle, weil die Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB in den fraglichen Fällen nicht gewährt würden.27 Genau diese soll nun aber die maßgebliche Anspruchsgrundlage darstellen.

22 23 24 25

Rüthers, Rdn. 780 ff. Rüthers, Rdn. 780 ff. BT-Drs. 14/5429, S. 41. BR-Drs. 11/1/01, S. 2; Schwab, Stellungnahme Regierungsentwurf BT-Drs. 14/5429,

S. 3 f. 26 27

BR-Drs. 11/1, S. 27. BR-Drs. 11/1, S. 27.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

Es steht zu vermuten, dass sich der Gesetzgeber auch deshalb gegen die Schaffung einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage entschieden hat, weil diese sich in nicht hinnehmbarer Weise zeitlich verzögert hätte, da er in einem solchen Fall mit einer erneuten Debatte um die umfassende Regelung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechnete.28 Mit der vorgenommenen Etikettierung als Verfahrensnorm umging es der Gesetzgeber, die Büchse der Pandora, in der sich die Definition des allgemeinen Persönlichkeitsrechts befindet, zu öffnen und dennoch einen Teilbereich im Gewaltschutzgesetz zu regeln. dd) Teleologische Auslegung Auch das erklärte Ziel des Gesetzgebers, Opfern von Gewalt und Nachstellungen einen einheitlichen, umfassenden und ohne problematische dogmatische Hilfskonstruktionen auskommenden Anspruch gegen die Täter an die Hand zu geben, spricht dafür, § 1 Abs. 1 GewSchG als materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage zu qualifizieren. So spricht der Gesetzgeber davon, dass die Vorschrift, „die schon bislang von den Gerichten zur Durchsetzung des aus §§ 823, 1004 BGB analog hergeleiteten Unterlassungsanspruchs ausgeübten Befugnisse auf eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zu stellen“ ist.29 Demzufolge geht er wohl davon aus, es den Gerichten mittels § 1 GewSchG zu ermöglichen, umfassende Schutzanordnungen zu erlassen. Geht es um die Erreichung des Gesetzgebungszwecks, der im umfassenden Opferschutz zu sehen ist, so ist § 1 Abs. 1 GewSchG als Anspruchsgrundlage auch deshalb zu qualifizieren, da er nur so seine volle Regelungskraft entfalten kann und umfassende Schutzanordnungen getroffen werden können.30 b) Zwischenergebnis Es kann festgehalten werden, dass mit § 1 GewSchG eine Norm geschaffen wurde, die alle erforderlichen Merkmale einer Anspruchsgrundlage aufweist. Weiter konnte mittels einer umfassenden Auslegung ermittelt werden, dass sowohl der Wortlaut als auch der Zweck des Gesetzes und vor allem die Einordnung in die zivilrechtliche Dogmatik diese These untermauern. Weiterhin bleibt anzumerken, dass mit § 1 Abs. 2 GewSchG das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Teilbereichen geregelt wurde. In der Intention, eine umfassende Debatte um die Legaldefinition des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu vermeiden, mag man den Grund des Gesetzgebers sehen, § 1 GewSchG dennoch als Verfahrensnorm zu betiteln.

28 29 30

BR-Drs. 11/1, S. 31. BR-Drs. 11/1, S. 60. Siehe insoweit Äußerungen auf S. 30 f.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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c) § 1 GewSchG sogar lex specialis? In § 1 GewSchG könnte aber nicht nur eine selbstständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage gesehen werden; es stellt sich die Frage, ob das Gewaltschutzgesetz in seinem Anwendungsbereich nicht den allgemeinen Ansprüchen aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog vorgeht, lex specialis derogat legi generali. So geht Reinken in seiner Kommentierung des Gewaltschutzgesetzes – leider ohne weitere Begründung – davon aus, dass bei vorsätzlichen widerrechtlichen Verletzungshandlungen das Gewaltschutzgesetz als lex specialis die bisherige analoge Anwendung von §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB verdränge.31 Diese Aussage stellt zwar keinen ausdrücklichen Beleg der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung dar, nach der § 1 GewSchG eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage ist. Offensichtlich teilt Reinken aber nicht nur diese Meinung, er geht noch darüber hinaus und will in § 1 GewSchG eine abschließende Regelung sehen. Denknotwendigerweise muss § 1 GewSchG, um lex specialis zu sein, eine Anspruchsgrundlage sein. Im Folgenden wird untersucht, ob der Anspruch aus § 1 GewSchG eine lex specialis-Regelung darstellt. Zunächst ist zu prüfen, ob Normenkonkurrenz im Verhältnis „engerer zu weiterer Begriff“ vorliegt oder ob die beiden Tatbestände zueinander wie „zwei sich überschneidende Kreise“ stehen.32 In letzterem Fall handelt es sich um keinen Anwendungsfall des lex specialis derogat legi generali-Grundsatzes;33 vielmehr muss ein solches Konkurrenzverhältnis mittels teleologischer Erwägungen gelöst werden.34 Die Tatbestände des § 1 GewSchG teilen mit dem des § 823 Abs. 1 BGB vorliegend aber keine gemeinsame Schnittmenge; sonst müsste § 1 GewSchG auch in Fällen einschlägig sein, die nicht von § 823 BGB erfasst werden. Vielmehr geht der Tatbestand des § 1 GewSchG in dem des § 823 Abs. 1 BGB auf.35 Der Tatbestand des Gewaltschutzgesetzes regelt einen Teilbereich dessen, was auch in die deliktische Generalklausel fällt: die Verletzung der Schutzgüter Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit (Abs. 1) und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der persönlichen Freiheit (Abs. 2). Ferner ist er spezieller, was die Verletzungshandlung angeht; es werden nur vorsätzliche Handlungen erfasst. Die beiden Tatbestände stehen folglich miteinander in Normenkonkurrenz. Fraglich ist, ob sie nebeneinander anwendbar sind (kumulative Normenkonkurrenz) oder § 1 GewSchG die Anwendung von §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog ausschließt (Spezialität).

31 32 33 34 35

BeckOK-BGB-Reinken, § 1 GewSchG Rdn. 4. Zippelius, § 7d). Zippelius, § 7d). Zippelius, § 7d); sowie BGHZ 34, 32 (34); BGHZ 78, 216 (218). Es wird auf die obigen Ausführungen auf S. 27 ff. verwiesen.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

„Eine speziellere Regelung enthält alle Merkmale des allgemeineren Begriffs und noch wenigstens ein anderes Begriffsmerkmal mehr.“36 Dieser „Verallgemeinerung“ steht Larenz kritisch gegenüber: Seiner Meinung nach ist in Fällen, in denen die Rechtsfolgen konkurrierender Normen miteinander verträglich sind, danach zu differenzieren, ob die Rechtsfolgen der spezielleren Norm für deren Anwendungsbereich die der allgemeineren Norm nach der Regelungsabsicht des Gesetzes nur ergänzen, sie modifizieren oder aber an ihre Stelle treten sollen.37 Das Ergebnis soll mittels teleologischer und systematischer Auslegung gewonnen werden. Wenn sich die Rechtsfolgen hingegen ausschließen, führe das Verhältnis der Spezialität zur Verdrängung der allgemeineren Norm. Gleichermaßen wie § 224 StGB als lex specialis zu § 223 StGB die Körperverletzungshandlung durch die vorgegebenen Tatmittel konkretisiert und eine andere Rechtsfolge in Form einer höheren Strafdrohung vorsieht,38 verhält es sich im Verhältnis § 1 GewSchG zu §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog: Die Verletzungshandlung wird durch das Vorsatzerfordernis konkretisiert und die Rechtsfolgen der Gewaltschutznorm gehen, da sie sich nicht nur auf Unterlassungen und Beseitigungen beschränken, über die des §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB hinaus.39 Weiter sieht nur § 1 GewSchG die Möglichkeit von Befristungen der Schutzanordnungen ausdrücklich vor. Zwar können die Rechtsfolgen aus den beiden untersuchten Ansprüchen auf ein Unterlassen gerichtet sein; insoweit gleichen sie sich. Sie unterscheiden sich aber in ihren Voraussetzungen: So kann eine Anordnung beispielsweise nur befristet sein oder eben nicht. Wären beide Ansprüche parallel nebeneinander durchsetzbar, so ergäben sich unter Umständen unterschiedliche Regelungsanordnungen der Gerichte. Diese sollten durch das Gewaltschutzgesetz aber ja gerade vereinheitlicht werden und sich zukünftig alle nach den Maßgaben des Gewaltschutzgesetzes richten. Bei vorsätzlichen Verletzungshandlungen geht der Anspruch aus § 1 GewSchG folglich dem allgemeineren Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog vor. Nur so könnten den Wertungen des Gesetzgebers, wonach die Anordnung zu befristen ist und nach der nur vorsätzliches Handeln die möglichen Rechtsfolgen auslösen soll, Rechnung getragen werden. Zwar ist es korrekt und zweckdienlich, in Fällen von vorsätzlicher Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen für Ansprüche gegen den Täter aus § 1 GewSchG vorzugehen. Dennoch kann bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit dieser Norm eine abschließende Regelung getroffen hat, betitelt er die Norm ja sogar nur als Verfahrensvorschrift. Auch wenn man, wie vorangehend ausgeführt, davon ausgeht, dass mit § 1 GewSchG eine Anspruchsgrundlage geschaffen wurde, so ginge die Annahme einer lex specialis-Regelung nicht nur in erheblicher Weise über den Willen des Gesetzgebers hinaus; auch wäre es dem umfassenden Opferschutz nicht dienlich eine 36 37 38 39

Zippelius, § 7c). Larenz, Methodenlehre, S. 251. Beispiel entnommen aus: Zippelius, § 7c). Vergleiche insoweit Ausführungen auf S. 30 ff.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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spezielle und damit restriktive Regelung anzunehmen: So stellt § 1 GewSchG eine Erweiterung auf Rechtsfolgenseite dar und will nicht den Tatbestand abschließend oder einschränkend kodifizieren. Somit bleibt für den quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch beispielsweise wegen Eigentumsverletzung Anwendungsraum. In den vom Tatbestand des § 1 GewSchG erfassten Fällen der Gewalt, der Drohung und der Nachstellungen stellt die Norm eine für das Opfer, auch wegen der erleichterten Beweisregelungen und der weitergehenden Rechtsfolgen, günstigere Anspruchsgrundlage dar, die in den meisten Fällen dem allgemeinen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch vorzuziehen ist. 3. Rechtsfolgen aus § 1 Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 – 5 GewSchG Bei der Auswahl der Schutzmaßnahme ist das Gericht daran gebunden, dass ein entsprechender Antrag vorliegen muss. Grundsätzlich steht ihm aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein weiter Beurteilungsspielraum zu; schließlich greift das Gericht mit einer Schutzanordnung in Rechte des Täters ein, sodass das mildeste geeignete Mittel gefunden werden muss.40 In § 1 Abs. 1 Satz 3 GewSchG werden fünf verschiedene mögliche Anordnungsregelungen aufgezählt, die aber keinen abschließenden Katalog darstellen.41 Nach den Regelbeispielen kann eine Anordnung beinhalten, dass der Täter die Wohnung des Opfers nicht mehr betreten darf (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewSchG). Weiter gibt es die Möglichkeit dem Täter zu verbieten, sich in einem bestimmten Umkreis um die Wohnung des Opfers aufzuhalten (§ 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GewSchG), die so genannte „Bannmeile“. Wegen des Ermessenspielraumes des Gerichts sind auch Bannmeilen um die Arbeitsstätte des Opfers möglich. Weiterhin gibt § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GewSchG die Möglichkeit Aufenthaltsverbote auszusprechen. Diese können für Orte ausgesprochen werden, an denen sich das Opfer üblicherweise aufhält; um das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren können sich diese Verbote auch nur auf bestimmte Tage oder Uhrzeiten beschränken.42 Nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GewSchG kann ein Kontaktverbot ausgesprochen werden und nach Ziffer fünf ist es möglich, dem Täter zu untersagen, Zusammentreffen mit dem Opfer zu initiieren. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 GewSchG sollen die Anordnungen befristet werden. Das Gesetz sieht die Möglichkeit vor, die Fristen zu verlängern; insoweit wird im Einzelfall zu entscheiden sein.

40 41 42

Löhnig, Zivilrechtlicher Gewaltschutz, Rdn. 99. Vergleiche obige Ausführungen. Löhnig, Zivilrechtlicher Gewaltschutz, Rdn. 102.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

II. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog Wie bereits vorangehend erläutert, kann der quasi-negatorische Unterlassungsanspruch als anerkannt angesehen werden. Bezüglich der näheren Ausführungen und der Anspruchsvoraussetzungen wird nach oben verwiesen.43 Da Opfer von Stalking durch selbiges in den von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgütern, wie ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, verletzt werden können, kommt ein Unterlassungsanspruch gegen den Stalker auch ohne Verweis über § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog in Betracht. Da es infolge des Stalkings beim Opfer auch zu krankhaften Gesundheitsschädigungen kommen kann,44 könnte auch wegen einer Betroffenheit dieses Rechtsguts aus der Anspruchsgrundlage gegen den Stalker vorgegangen werden.

III. Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB Der erweiterte Anwendungsbereich der quasi-negatorischen Anspruchsgrundlagen erstreckt sich anerkanntermaßen auch auf die von § 823 Abs. 2 BGB abgesicherten Interessensphären.45 Als Anspruchsvoraussetzungen ergäben sich wiederum die bereits besprochenen Anforderungen: die Eigenschaften der Anspruchsteller und des -gegners, die drohende Rechtsgutsverletzung sowie der Wiederholungsgefahr.46 Mit Schaffung der strafrechtlichen Handhabe gegen Stalker mit § 238 StGB könnte sich für das Opfer ein vorbeugender Anspruch auf Unterlassen gegen den Stalker aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 StGB ergeben. 1. § 238 StGB als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB Um diese weitere Anspruchsgrundlage vorgeben zu können, müsste es sich bei der neuen Strafnorm,47 § 238 StGB, um ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB handeln. Dies ist im Folgenden zu untersuchen. Zwar scheint es unstreitig zu sein, dass § 823 Abs. 2 BGB eine „Einbruchstelle sämtlicher Normen in das Deliktsrecht“48 darstellt, jedoch finden sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur verschiedene Anforderungsprofile, die an eine mögliche 43

Siehe Ausführungen auf S. 26 f. Siehe hierzu S. 63 f. 45 Exemplarisch seien aufgeführt: Staudinger-BGB-Gursky, § 1004 Rdn. 16; StaudingerBGB-Hager, Vorbem. § 823 ff. Rdn. 63; MünchKomm-BGB-Medicus, § 1004 Rdn. 6; BGHZ 99, 133 (136). 46 Siehe hierzu S. 26 f. 47 Inkraftgetreten zum 31.3.2007. 48 Bistritzki, Rdn. 7. 44

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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Schutznorm anzulegen sind. Beschäftigt man sich näher mit den verschiedenen Voraussetzungen, welche unterschiedliche Stimmen in der Literatur fordern,49 so fällt auf, dass sich die Anforderungen nur in wenigen Punkten unterscheiden und letztlich alle inhaltsähnlich beziehungsweise gleich sind. Somit wird es kaum Fälle geben, in denen eine Meinung den Schutzgesetzcharakter annimmt, während ihn eine andere verneint. Die nun folgende Untersuchung orientiert sich an den übereinstimmenden Voraussetzungen von Canaris,50 Hager,51 Spickhoff52 und Wagner53. a) Materielle Rechtsnorm aa) Grundsätzliches zum Gesetz nach Art. 2 EGBGB In Bezug auf die inhaltliche Voraussetzung der „Verletzung eines Gesetzes“ wird auf die Legaldefinition in Art. 2 EGBGB und somit auf den materiellen Gesetzesbegriff zurückgegriffen.54 Danach ist Gesetz jede Rechtsnorm im Sinne der Rechtsquellenlehre, die eine abstrakt-generelle Anordnung in Bezug auf menschliches Verhalten zum Gegenstand hat.55 Auch die überwiegenden Meinungen ziehen zur Definition des Gesetzesbegriffs Art. 2 EGBGB heran.56 Zu fordern ist folglich ein Gesetz im Sinn des Art. 2 EGBGB, das außerdem unter Beachtung der Kompetenz des Normgebers zur Rechtsetzung erlassen sein muss. bb) § 238 StGB als Norm im Sinn von Art. 2 EGBGB Bei dem Straftatbestand der Nachstellung, § 238 StGB, welcher vom zuständigen Bundesgesetzgeber mit Wirkung zum 31. 3. 2007 erlassen wurde,57 handelt es sich ganz zweifelsohne um eine materielle Rechtsnorm im Sinne obiger Definition.

49 Statt vieler: Staudinger-BGB-Hager; § 823 G 19 ff.; Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 194 – 200; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2; § 77 S. 433. 50 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2. 51 Staudinger-BGB. 52 Soergel-BGB. 53 MünchKomm-BGB. 54 Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 186. 55 Meyer-Cording, S. 21 ff. 56 Nur beispielhaft seien hier angeführt: RGZ 135, 242 (245); RG JW 1916, 38; BGH NJW 1977, 1147 (1148); Soergel-BGB-Spickhoff; § 823 Rdn. 186; Staudinger-BGB-Hager, § 823 G9; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 77 II 1a, S. 433; JurisPK-BGBJ. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 161; Canaris, FS Larenz, S. 27, 45; Bistritzki, Rdn. 11; Schmiedel, S. 34 ff.; Palandt-BGB-Sprau, § 823 Rdn. 56; Prütting/Wegen/Weinreich-BGBSchaub, § 823 Rdn. 216. 57 Durch Gesetz vom 22.3.2007 (BGBl I S. 354).

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

b) Ge- bzw. Verbotsnormcharakter aa) Grundsätzliches zum Ge- bzw. Verbotscharakter Voraussetzung ist zunächst, dass die fragliche Norm ein bestimmtes Ge- oder Verbot enthält.58 Es wird mit dem Tatbestandsmerkmal des „Verstoß[es]“ in § 823 Abs. 2 BGB begründet; ein solcher soll nur gegen eine Rechtsnorm möglich sein, die seinem Adressaten ein Ge- beziehungsweise Verbot auferlege.59 Mithilfe dieses Kriteriums können Rechtsnormen ausgeschlossen werden, die nur Rechtsfolgeanordnungen normieren oder Legaldefinitionen enthalten.60 Zu fordern ist ein bestimmter Verhaltensbefehl, wobei sich die Befehlsqualität auch durch einen Rückschluss aus einer Sanktionsnorm ergeben kann.61 Die Diskussion, ob dem Kriterium der Bestimmtheit der Charakter einer eigenständigen Anforderung zukommt, soll an dieser Stelle nur kurz angerissen werden: So wurde die „Wildtauben-Entscheidung“62 des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 1974 als Bestätigung der Meinung angesehen, ein Schutzgesetz müsse explizit auf seine Bestimmtheit hin geprüft werden. Dagegen wendet sich vor allem Spickhoff, der davon ausgeht, dass ein solches Kriterium, vermutlich unreflektiert, aus der Vorgängervorschrift, § 26 I 6 PreußALR übernommen wurde, einer Norm, die man heute dem Polizeirecht zuordnen würde.63 Die Ausführungen des BGH zur Bestimmtheit lassen sich denn durch den Aufhänger der Entscheidung begründen: Dem Urteil lag ein – im Ergebnis – zu unbestimmter Verwaltungsakt zugrunde. Da sich die meisten Autoren in den Publikationen zu § 823 Abs. 2 BGB darauf beschränken zu fordern, das mögliche Schutzgesetz möge ein „bestimmtes Verhalten“64, einen „bestimmten Verhaltensbefehl“65 oder ein „bestimmtes Gebot oder Verbot“66 enthalten, wird vorliegend mit Spickhoff davon ausgegangen, dass es für eine eventuelle Schutznorm ausreicht, wenn aus ihr eine konkrete deliktische Verhaltenspflicht durch Auslegung der Norm gewonnen werden kann.67 Sinn und Zweck kann letztlich nur sein, dem Normadressaten klar vor Augen zu führen, bei welchem Verhalten er deliktische Konsequenzen zu befürchten hat. Das

58

Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 9; JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer; § 823 Rdn. 163; Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 110 f., Honsell, JA 1983, 101 (103). 59 Schmiedel, S. 33 f. 60 Zum Ganzen näher: Schmiedel, S. 42 ff., sowie Bistritzki, Rdn. 20 ff. 61 JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer; § 823 Rdn. 163; so wohl auch: Dörner, JuS 1987, 522 (525). 62 BGHZ 62, 265. 63 Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 119. 64 Bistritzki, Rdn. 20. 65 JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 163. 66 Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 9. 67 Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, S. 122.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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heißt, an ein mögliches Schutzgesetz ist der Anspruch zu stellen, das sanktionierte Verhalten möglichst deutlich und explizit zu beschreiben. bb) § 238 StGB in concreto (1) Ge- bzw. Verbotscharakter bei § 238 StGB Um taugliches Schutzgesetz zu sein, müsste § 238 StGB ein Ge- oder Verbot anordnen. Vorliegend stellt die Norm die unbefugte Nachstellung, welche in den Varianten des Absatzes eins näher ausgeführt wird, unter Strafe. Es handelt sich um ein impliziertes Verbot der Nachstellung und somit um eine ein Verbot enthaltende Norm. (2) Bestimmtheit bei § 238 StGB Gerade weil während des Gesetzgebungsverfahrens und auch nach Inkrafttreten des § 238 StGB immer wieder vertreten wurde, die Strafnorm sei wegen ihrer unbestimmten Rechtsbegriffe und ihrer Ziffer fünf („eine ähnliche Handlung vornimmt“) nicht verfassungsgemäß, drängt sich die Frage nach ihrer Bestimmtheit auf.68 Zwar schließt, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zufolge, die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe die Bestimmtheit einer Norm nicht aus,69 dennoch ergeben sich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Auf die Frage, ob die zu diskutierende Norm den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG standzuhalten vermag, wird auf den S. 118 ff. näher eingegangen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass, solange das BVerfG nicht ein anderes entscheidet, der Normadressat aus § 238 StGB ersehen kann, was er darf und welche Handlungen ihm verboten sind. c) Individualschützender Charakter aa) Grundsätzliche Ausführungen Als Bezugspunkt für dieses in Einklang70 geforderte Kriterium des individualschützenden Charakters wird der Terminus „den Schutz eines anderen bezwecken“ in § 823 Abs. 2 BGB herangezogen. Das Merkmal ist weit zu verstehen, sodass erst, wenn überwiegend der Schutz der Allgemeinheit durch die untersuchte Norm 68 Stellungnahme Kühl, S. 9; Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes e. V., S. 7; jeweils im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses vom 18. 10. 2006 abgegeben; Gazeas, KJ 2006, 247 (257); Vander, KritV 2006, 81 (89); Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239); Valerius, JuS 2007, 319 (322); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (486). 69 BVerfGE 8, 274 (326); BVerfGE 41, 314 (319 f.); BVerfGE 90, 1 (16); für Strafgesetze: vgl. BVerfGE 4, 353 (358). 70 Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 195; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/ 2, § 77 II 1a S. 433; Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 19 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Rechtsprechung; BGHZ 66, 388 (390); Palandt-BGB-Sprau, § 823 Rdn. 57; Prütting/ Wegen/Weinreich-BGB-Schaub, § 823 Rdn. 218 f.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

abgesichert werden soll, § 823 Abs. 2 BGB bereits wegen des fehlenden Individualschutzes nicht einschlägig ist71, was namentlich bei lediglich reflexartigem Schutz72 der Fall ist. Dies kommt eher selten vor, weshalb diesem Kriterium daher nur wenig praktische Relevanz einräumt wird.73 Die fragliche Schutznorm muss demzufolge zumindest neben der Allgemeinheit auch dem Individualschutz dienen.74 bb) § 238 StGB in concreto Um § 238 StGB generellen Individualschutzcharakter zukommen zu lassen, müsste die Norm den Schutz einzelner oder einzelner Mitglieder einer genannten Gruppe ausschließlich oder vorrangig bezwecken.75 Normzweck ist der bessere Schutz von Stalking-Opfern vor Nachstellungshandlungen.76 Das von § 238 StGB geschützte Rechtsgut ist, entsprechend der Titelüberschrift des 18. Abschnitts des StGB, die persönliche Freiheit des betroffenen Individuums. Der Normtext konkretisiert diese als Freiheit der Lebensgestaltung.77 Eine Meinung sieht eher die „Freiheit vor Furcht“ in § 238 StGB geschützt,78 Auch wird vertreten, geschütztes Rechtsgut sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht.79 Andere Meinungen sehen die Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit,80 beziehungsweise die Handlungsund Entschlussfreiheit,81 geschützt. Der Norm kommt folglich nach allen dargestellten Meinungen Individualschutzcharakter zu.

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Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 19 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Rechtsprechung. 72 BGHZ 89, 383 (400 f.) mit weiteren Nachweisen; BGHZ 100, 11 (18). 73 Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, § 77 II 2b, S. 434; Canaris, FS Larenz, S. 27 und 46. 74 Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 195; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/ 2, § 77 II 1a, S. 433; Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 19 mit weiteren Nachweisen, insbesondere Rechtsprechung; BGHZ 66, 388, 390; Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Schaub, § 823 Rdn. 218 f.; Palandt-BGB-Sprau, § 823 Rdn. 57. 75 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rdn. 213. 76 BT-Drs. 16/3641, S. 2. 77 BeckOK-StGB -Valerius, § 238 Rdn. 1; Wessels/Hettinger, Rdn. 369a. 78 Kinzig, ZRP 2006, 255 (257). 79 Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (482). 80 Eisele, BT I, Rdn. 488. 81 Rengier, BT II, § 26a; Rdn. 2.

A. Mögliche Anspruchsgrundlagen für Stalking-Opfer

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d) Vereinbarkeit des Schutzgesetzcharakters mit den Wertungen der Bezugsnorm und des Deliktsrechts aa) Grundsätzliche Ausführungen Als Sinn und Zweck dieses Kriteriums, das in verschiedenen Ausformulierungen82 angeführt wird, wird die Vermeidung einer nicht mehr zu überblickenden Anwendungsfülle des § 823 Abs. 2 BGB angegeben sowie die Einhaltung der Wertungen des Deliktsrechts und des Rechtsgebietes, dem das Schutzgesetz entstammt, durch den fraglichen Ersatzanspruch.83 Dafür wird von der Rechtsprechung als relevant angesehen, ob der Geschädigte anderweitig abgesichert ist,84 der Anspruch also subsidiär ist. Da diese Subsidiaritätsthese des BGH für das Kriminalstrafrecht wiederum nicht gelten soll,85 wird vorliegend auf ihre Diskussion verzichtet. Schließlich ist Gegenstand dieser Untersuchung die Strafnorm § 238 StGB. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Theorie von Spickhoff entgegengehalten wird, es komme nicht darauf an, ob eine Haftung im Lichte des Deliktsrechts der §§ 823 ff. tragbar sei, sondern ob ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit der Schutznorm Widersprüche und Unstimmigkeiten zu anderen, vom Gesetzgeber schon explizit ausformulierten oder gerade im negativen Sinne bewusst nicht normierten, versagten Schadensersatzansprüchen heraufbeschwören würde.86 bb) § 238 StGB in concreto Nach dem oben Gesagten dürfte ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 238 StGB weder dem Delikts- noch dem Strafrechtssystem widersprechen. Vorliegend ergeben sich diesbezüglich keine Bedenken. Schließlich wird der Strafnorm, die nicht Vermögensdelikt ist, eine Art „Leitbildfunktion“ für die Konstruktion des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB zuteil.87

82 Teils auch als „Tragbarkeit der Haftung und haftpflichtrechtliches Gesamtsystem“ (Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 199) oder „Art des verwirklichten Risikos“ (StaudingerBGB-Hager, § 823 G 27) bezeichnet. 83 Knöpfle, NJW 1967, 697 (699 f.). 84 BGHZ 125, 366 (370 f.). 85 BGHZ 116, 7 (14). 86 Soergel-BGB-Spickhoff, § 823 Rdn. 200. 87 Canaris, FS Larenz, S. 27, 50; JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 166.

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Kap. 2: Anspruchsgrundlagen

e) Persönlicher Schutzbereich aa) Generelle Ausführungen Ein eventueller Anspruchsteller müsste als Geschädigter auch in den persönlichen Schutzbereich fallen, denn der Deliktsschutz beschränkt sich auf den Personenkreis, dessen Schutz durch das Gesetz bezweckt werden soll.88 Dieser ist mittels Auslegung des fraglichen Schutzgesetzes zu bestimmen. bb) § 238 StGB in concreto Zweck des § 238 StGB ist die Pönalisierung der nachstellenden Belästigung von Mitmenschen, Sondereigenschaften sind nicht notwendig. Folglich dürften sich bei einem Anspruchsteller keinerlei Probleme bei der Bejahung dieses Schutzgesetzmerkmals ergeben. f) Sachlicher Schutzbereich aa) Generelle Ausführungen Um einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB geltend machen zu können, ist nach einhelliger Auffassung89 zu fordern, dass das verletzte Rechtsgut oder Interesse auch in den Schutzbereich der fraglichen Norm miteinbezogen ist. bb) § 238 StGB in concreto Im Fall des § 238 StGB müsste daher das Rechtsgut betroffen sein, zu dessen Schutz die Norm erlassen wurde. Vorliegend ist das der Schutz vor Nachstellungshandlungen. Umfasst ist somit die spezifische Verletzung der Rechtsgüter Freiheit durch Nachstellungshandlungen. 2. Ergebnis Es ist klar geworden, dass § 238 StGB eine taugliche Schutznorm im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB darstellt. Es ergibt sich durch die Anwendung des Schutzgesetzes im Rahmen des quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 238 StGB eine neue Anspruchsgrundlage gegen Stalker.

88 BGHZ 29, 100 (102); 62, 186 (188); 84, 312 (314); Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 24; Palandt-BGB-Sprau, § 823 Rdn. 57. 89 BGHZ 12, 213 (217); 19, 114 (126); 27, 137 (140); 28, 359 (365); 39, 366 (368); 63, 176 (179); 114, 161 (163); Bistritzki, Rdn. 100; JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 170, Honsell, JA 1983, 101 (103); Staudinger-BGB-Hager, § 823 G 26 mit weiteren Nachweisen.

Kapitel 3

Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand Um herauszufinden, ob und wenn ja, wie die neue Anti-Stalking-Norm des § 238 StGB es als Schutzgesetz vermag, den zivilrechtlichen Schutz gegen Nachstellungen zu verändern, ist zunächst ein vergleichender Blick auf die unterschiedlichen Tatbestände zu werfen. Bei der Untersuchung, inwieweit § 238 StGB in seinem zivilrechtlichen Anwendungsbereich in der Lage ist, Lücken im Schutz gegen Nachstellungen zu schließen, wird der Fokus der Prüfung auf Absatz 1 gelegt. Dieser regelt das so genannte „weiche Stalking“, also Fälle, in denen es auf Opferseite nicht zu so gravierenden Fällen wie der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsverletzung (dies ist Regelungsgegenstand des Absatz 2), beziehungsweise sogar zum Tode (Regelungsgegenstand des Absatz 3) kommt. Letztere Fälle sind schon lange Delikte des Kernstrafrechts und werden auch von zivilrechtlichen Regelungen erfasst. Weiter stellen sie nicht den problematischen Teil des Stalkings dar, bei dem die Abgrenzung zu gerade noch sozialadäquaten Verhalten regelmäßig Schwierigkeiten bereitet und sich die Frage nach der Notwendigkeit einer (strafrechtlichen) Regelung aufdrängt.

A. Einleitung und Kritik am Rückgriff auf § 292 StGB Um den Rahmen der nun folgenden Untersuchung vorzugeben, ist zunächst zu umreißen, was vorliegend unter Stalking verstanden wird. Auf eine allgemeine Definition des Begriffs des Stalkings konnte man sich bisher noch nicht einigen. Viele Autoren greifen auf die Definition von Mullen zurück: Stalking is a constellation of behaviours in which one individual inflicts on another repeated unwanted intrusions and communications1

und beschreiben Stalking als obsessive Verfolgung und Belästigung;2 andere ordnen Stalking als Verhaltensmuster ein, bei dem jemand eine andere Person durch Verfol-

1

Path/Mullen, The impact of stalkers on their victims, British Journal of Psychiatry 1997,

2

Hoffmann/Wondrak, Praxis der Rechtspsychologie 2005, 173.

12.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

gen, Ausspionieren, Belästigen und Bedrohen in Angst und Bedrängnis versetzt, unter Umständen auch körperlich attackiert und in seltenen Fällen sogar tötet.3 Im deutschen Sprachgebrauch wird das englischsprachige „Stalking“ inzwischen überwiegend mit „Nachstellen“ übersetzt. Daran orientiert sich auch die Normenüberschrift des § 238 StGB. Bisher scheint sich die Rechtswissenschaft einig zu sein, dass dieser Terminus am besten mit einer Parallele zu § 292 StGB zu fassen ist. Dieser sanktioniert die Jagdwilderei und versteht unter Nachstellen alle Handlungen, die die Aneignung des Wildes, etwa durch Fangen oder Erlegen, ermöglichen sollen.4 Dies ist im Wesentlichen das Heranpirschen an die Beute, das Fallenstellen und das Hetzen des Wildes. Eine Übertragung dieser Begrifflichkeit auf das StalkingPhänomen scheint den meisten Autoren, die bisher zum Thema Stalking publiziert haben, unproblematisch.5 Ebenso verweist der Gesetzgeber auf die § 292 Abs. 1 Nr. 1 und § 329 Abs. 3 Nr. 6 StGB, aber auch auf den Gebrauch des Begriffs des Nachstellens im Gewaltschutzgesetz.6 Der Verweis auf die Normen des Strafgesetzbuchs zur Jagdwilderei scheint nur dann zu passen, wenn man so weit gehen möchte, die Jagd auf Wild mit der Jagd auf Menschen zu vergleichen. Beschäftigt man sich aber eingehender mit der Problematik, so drängen sich, besonders in Bezug auf die Zielsetzungen des Wilderers und des Stalkers, Zweifel an dieser Orientierung auf. So beabsichtigt der illegal Jagende beim Nachstellen des Wildes diesem unbemerkt örtlich so nah wie möglich zu kommen, um es im Anschluss zu erlegen. Das Anschleichen soll also nur das Erlegen des Wildes erleichtern und ermöglichen. Ein Stalker wird wohl überwiegend aus Motiven wie fehlgeleiteter Liebe, Rachsucht oder Hass handeln. Auch das finale Ziel des Stalkers unterscheidet sich in der Regel von dem des Wilderers: Entweder sieht der Stalker in seinem Tun ein romantisches Werben um den (künftigen oder ehemaligen) Partner, den es zu gewinnen gilt. Oder aber er bezweckt die seelische Beeinträchtigung des Opfers infolge seines Psychoterrors, er will sich rächen und sein Opfer quälen und es leiden sehen. Damit unterscheidet sich die Zielrichtung von der des Wilderers, dem es um die Zueignung des Wildes geht. Demgemäß scheint eine Orientierung an der Norm des § 292 StGB nur teilweise gelungen.7 Nur in den seltensten Fällen beabsichtigt der Stalker den Tod seines Opfers. Diese Fälle des „harten Stalkings“ sollen bei der vorliegenden Untersuchung weitgehend außer Acht bleiben. Untersuchungsgegenstand wird das „weiche Stalking“ sein, wie es in § 238 Abs. 1 StGB geregelt wurde.

3

Dreßing/Gass, Der Nervenarzt 2002, 1112. Schönke/Schröder-StGB-Heine, § 292 Rdn. 5. 5 BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 4; Valerius, JuS 2007, 319; Mitsch, NJW 2007, 1237 (1238); Mitsch, Jura 2007, 401; Kinzig/Zander, JA 2007, 481. 6 BT-Drs. 16/575, S. 7. 7 Im Ergebnis wohl ebenfalls ablehnend: Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1031). 4

A. Einleitung und Kritik am Rückgriff auf § 292 StGB

47

Ein weiterer Unterschied zwischen § 238 Abs. 1 StGB und § 292 StGB liegt darin, dass letztere Norm als echtes Unternehmensdelikt ausgestaltet ist.8 Bestraft wird also das Nachstellen, unabhängig vom Jagderfolg. Bei der Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB hat sich der Gesetzgeber – entgegen der Empfehlungen von Seiten der Sachverständigen und Mitgliedern des Rechtsauschusses – letztlich für den Charakter eines Erfolgsdeliktes entschieden. Der zu fordernde Taterfolg ist die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers; die Nachstellungshandlung allein genügt zur Tatbestandserfüllung nicht. Damit ist eine überwiegende Orientierung an der Jagdwilderei noch unpassender. Näher liegt vielmehr eine Parallele zur Nötigung in § 240 StGB. Der nötigende Täter geht ähnlich vor: Auch ihm stehen verschiedene Mittel zur Verfügung: Führen diese auf Opferseite zu einem Taterfolg, dazu zählt jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, zu dem das Opfer durch den Täter gezwungen wurde, und wird ferner das Vorgehen als verwerflich gewertet, ist der Tatbestand erfüllt. Eine detaillierte Besprechung der einzelnen Nachstellungshandlungen und ihre eventuelle Vergleichbarkeit mit bisherigen Regelungen erfolgt im weiteren Verlaufe der Arbeit. Es soll an dieser Stelle nur aufgezeigt werden, dass die von der herrschenden Meinung vorgenommene Übertragung der Begrifflichkeiten aus § 292 StGB auf das Problem des Stalkings nicht so gut passt, wie es zunächst scheint. Einer Ausrichtung am Begriff des Nachstellens in § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG hingegen steht nichts entgegen. Auch diese Regelung beschäftigt sich mit dem Stalking von Menschen. Auf diese Regelung wird ausführlich eingegangen werden. Um sich die Situation des Stalking-Opfers zu verdeutlichen, kann der Vergleich mit dem gehetzten Wild hingegen wieder weiterhelfen. Die Motivationen der Stalker können divergieren und infolgedessen auch die Lage der Opfer. Nach Mullen, Path und Purcell9 lassen sich verschiedene Täter klassifizieren. Zum einen gibt es den zurückgewiesenen Täter, oft ein Ex-Partner des Opfers, der aus dem Gefühl der Demütigung heraus handelt. Weiter gibt es den beziehungssuchenden Stalker, der dem Opfer aufgrund einer Fehlwahrnehmung seiner vermeintlichen Beziehungsbereitschaft nachstellt. Am meisten drängt sich der Vergleich zum gehetzten Wild beim Typus des rachsüchtigen, erotomanen und sadistischem Stalkers auf. Er möchte sich am Opfer rächen; teils, weil er glaubt, selbst Opfer seines Opfers geworden zu sein oder aber er möchte das Leben des Opfers kontrollieren und beherrschen. In diesen Fällen stellen die Stalking-Handlungen keine wirklichen Kontaktversuche dar, sondern dienen dazu, das Opfer von der Präsenz des Täters zu informieren. Auch mögen manche Täter dieses Jagen mit fast schon sportlichem Ehrgeiz verfolgen und Befriedigung aus dem Hetzen ebenso ziehen wie aus der Erkenntnis, dass sich das Opfer in die Ecke gedrängt fühlt. Insoweit lässt sich wiederum eine Parallele zum Jagdsporttreibenden ziehen. Eine ausführliche Einschätzung der Täterpsyche muss in dieser Arbeit aber unterbleiben. Dies auch deshalb, weil die Motivation des Täters 8 9

Schönke/Schröder-StGB-Heine, § 292 Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen. Mullen/Path/Purcell, Stalkers and their victims, S. 66 ff.

48

Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

für die Erfüllung des Tatbestandes von § 238 Abs. 1 StGB unerheblich ist. Die kurze Benennung unterschiedlicher Typen soll die Vielschichtigkeit des Stalkings verdeutlichen. Zur Frage, ob auch recherchierende Journalisten, die sich vom Stalkingtätertypus denn doch erheblich unterscheiden, auch nach § 238 Abs. 1 StGB tatbestandlich erfasst werden, siehe Ausführungen in Kapitel 4. Der Gesetzgeber des § 238 StGB versteht unter Stalking eine Verhaltensweise, die dadurch gekennzeichnet ist, dass einer anderen Person fortwährend nachgestellt oder aufgelauert wird, auf andere Weise mit hoher Intensität Kontakt zu ihr gesucht wird beziehungsweise in ihren individuellen Lebensbereich eingegriffen wird.10 Ferner umschreibt er den Begriff des Nachstellens mit Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, durch unmittelbare oder mittelbare Annährungen an das Opfer in dessen persönlichen Lebensbereich einzugreifen und dadurch seine Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu beeinträchtigen.11 An diesen Begrifflichkeiten wird sich im Folgenden zu orientieren sein.

B. Umriss der nun folgenden Prüfung Der Tatbestand des § 238 StGB ist indessen so ausgestaltetet, dass im ersten Absatz eine Aufzählung von Verhaltensweisen katalogisiert ist, welche der Tathandlung „nachstellen“ Kontur geben und die der Stalker „beharrlich“12 verwirklichen muss. Das heißt, bei dem Vorliegen einer der aufgezählten Verhaltensweisen ist vom Vorliegen einer Nachstellung auszugehen, weshalb in diesen Fällen der Nachstellungsdefinition keine eigenständige Bedeutung zu Teil wird.13 Etwas anderes könnte hingegen für den Auffangtatbestand der Nr. 5 gelten.14 Nachfolgend werden die in § 238 Abs. 1 StGB aufgezählten Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber als Nachstellungen ansieht, genauer untersucht werden. Auf die für die Ziffern eins bis fünf des § 238 Abs. 1 StGB Geltung beanspruchenden Tatbestandsmerkmale „unbefugt“, „beharrlich“ und „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“ wird ebenfalls eingegangen, um von vornherein zusammenhängend darzustellen, welches Stalker-Verhalten vom Regelungsbereich der Norm erfasst wird. Dabei wird auch überprüft werden, ob der Gesetzgeber mit der jeweiligen Regelung Neuland betreten hat oder ob das Zivilrecht selbst oder durch Heranziehung anderer strafrechtlicher Schutzgesetze schon vor Einführung des § 238 StGB zufriedenstellende Instrumentarien gegen diese Handlung vorzuweisen hatten. 10 11 12 13 14

BT-Drs. 16/3641, S. 1. BT-Drs. 16/575, S. 7. Dazu mehr auf S. 50 f. BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 3. Hierzu mehr auf S. 117 f.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

49

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände I. Nachstellen durch Suchen der räumlichen Nähe 1. § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB Zunächst ist zur Verdeutlichung die zu untersuchende Norm zu nennen. So lautet § 238 Abs. 1 StGB folgendermaßen: Wer einem Menschen unbefugt nachstellt, indem er beharrlich 1. seine räumliche Nähe aufsucht, 2. unter Verwendung von Telekommunikationsmitteln der sonstigen Mitteln der Kommunikation oder über Dritte Kontakt zu ihm herzustellen versucht, 3. unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgibt oder Dritte veranlasst, mit diesem Kontakt aufzunehmen, 4. ihn mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst oder einer ihm nahe stehenden Person bedroht oder 5. eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

a) „Räumliche Nähe aufsuchen“ § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht, wer einem anderen Menschen nachstellt, indem er dessen räumliche Nähe aufsucht. Hinzukommen muss, dass der Täter beharrlich vorgeht, unbefugt handelt und durch sein Tun die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt. Diese drei Merkmale müssen bei jedem der in den Ziffern eins bis fünf sanktionierten Verhaltensweisen zusätzlich verwirklicht werden. Auf sie wird in den Folgeabschnitten b) bis d) eingegangen. Zu definieren ist zunächst, was unter dem Aufsuchen der räumlichen Nähe des Opfers verstanden wird. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass nur physische Annäherungen des Täters an das Opfer erfasst werden sollen. Genannt wird insbesondere das Auflauern an Orten, an denen sich das Opfer üblicherweise aufhält oder auch das Verfolgen des Opfers.15 Doch auch das scheinbar schlichte Vor-dem-Haus-Stehen verwirklicht den Tatbestand ebenso wie die sonstige häufige Präsenz in der Nähe der Wohnung oder Arbeitsstelle des Opfers.16 Obgleich ist zu beachten, dass zu den Handlungen ein finales Element hinzutreten muss, das heißt, die Annäherungen müssen

15 16

07.

BT-Drs. 16/575, S. 7. BT-Drs. 16/575, S. 7; AG Augsburg, Urteil vom 17. 12. 2007 – Az. 2 Ds 407 Js 239019/

50

Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

gezielt erfolgen; bloße zufällige Verhaltensweisen, wie etwa das Warten auf und das Fahren mit demselben Bus, reichen nicht aus.17 Problematisch könnten Fälle sein, in denen der Täter nicht Umwege in Kauf nimmt, um das Opfer zu treffen, sondern nur seinen Tagesplan an den des Opfers anlehnt. Nur angedacht werden soll eine Konstellation, in der dem Täter zwei verschiedene Wege oder Buslinien zu seinem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und er denjenigen wählt, den das Opfer nimmt. Oder aber er hat den gleichen Weg, muss aber nicht unbedingt zum selben Zeitpunkt mit der Arbeit beginnen, tritt den Gang zur Arbeit aber immer zeitgleich mit dem Opfer an. Insoweit wird es noch schwieriger sein, auszuschließen, dass der Täter nicht zufällig oder aus schlichter Gewohnheit beispielsweise auch genau um acht Uhr das Haus zur Arbeit verlässt. Dies sind letztlich Beweisprobleme, die sich immer stellen können und auf die vorliegend nicht weiter eingegangen werden soll. Betrachtet man allein den Regelungsgehalt von § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB, so muss man sich bei der Beurteilung das geforderte finale Moment vor Augen führen: Soll jegliche Präsenz im Nahbereich des Opfers, die vom Täter zielgerichtet hergestellt wird, erfasst werden, so muss auch die gerade geschilderte Verhaltensweise den Tatbestand verwirklichen. Ausscheiden sollen lediglich Begegnungen zwischen Personen, die sich rein zufällig ergeben oder aus notwendigen Umständen, wie der gleichen Verkehrsanbindung oder dem gleichen Arbeitsplatz oder Wohnort resultieren und die vom Täter nicht provoziert werden, sondern unumgänglich sind. b) Zum Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB Um zu einer Strafbarkeit aus § 238 Abs. 1 StGB zu gelangen, muss der Täter auch beharrlich handeln. Da dieses Tatbestandsmerkmal bereits in den Strafnormen der §§ 56d Abs. 3 Satz 4, 56 f Abs. 1 Nr. 2, 3; 70b Abs. 1 Nr. 2, 3 StGB und § 184d StGB18 verwendet wird, kann zur Auslegung auch auf die Interpretation des Begriffs in diesen Normen zurückgegriffen werden. Weiter liegt es nahe, beharrlich, wie in § 184d StGB, als besonderes persönliches Merkmal nach § 28 StGB anzusehen.19 Danach ist unter einer „beharrlichen Handlung“ ein wiederholtes oder dauerhaftes Verhalten zu verstehen, in dem eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot zum Ausdruck kommt und die die Gefahr weiterer Begehung indiziert.20 Gemünzt auf § 238 StGB bedeutet dies, dass der Täter die in Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Nachstellungshandlungen vorgenommen haben muss und weitere drohen. Dabei muss es sich nicht immer um die Wiederholung der gleichen Handlungsweise handeln. 17

BT-Drs. 16/575, S. 7. Durch Gesetzesänderung, beschlossen vom Bundestag am 18. 6. 2008 wird der bisherige § 184d StGB dann § 184e StGB, vgl. BT-Drs. 16/9646, S. 10. 19 So auch: Eisele, BT I, Rdn. 499; Mitsch, Jura 2007, 401 (405). 20 Valerius, JuS 2007, 319, 322 mit Verweis auf Kühl/Lackner-StGB, § 184d Rdn. 5. 18

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

51

Dem Gesetzgeber schwebte ursprünglich vor, dass ein Stalker sein Opfer „nachhaltig“ und „fortgesetzt“ belästigen müsse, um sich strafbar zu machen.21 Das Merkmal „fortgesetzt“ sollte erfüllt sein, wenn der Täter fünf Handlungen verwirkliche.22 Eine fixe Anzahl von erforderlichen Stalking-Handlungen findet sich in der Gesetzesbegründung des tatsächlich in Kraft getretenen § 238 StGB nicht mehr. Der Gesetzgeber fordert aber weiterhin eine Wiederholung der Nachstellungen, auch wenn diese allein nicht ausreiche, vielmehr sei eine in der Tatbegehung zum Ausdruck kommende, besondere Hartnäckigkeit und eine gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem gesetzlichen Verbot zu fordern, die zugleich die Gefahr weiterer Begehung indiziert.23 Erstaunlich ist, dass das LG Lübeck in einem Fall schon bei nur zwei Drohanrufen von einer beharrlichen Nachstellung durch den Täter ausging.24 Begründet wurde dies damit, dass sich die Hartnäckigkeit nicht an einer festen Anzahl einzelner Handlungen festmachen lasse. Dass die beiden Handlungen in einem doch größeren Zeitrahmen von fünf bis sechs Monaten stattfanden, verstärkt den Zweifel daran, ob man tatsächlich von einem beharrlichen Vorgehen des Täters ausgehen kann.25 Auch wenn eine feste Anzahl von Handlungen vom Gesetzgeber verworfen wurde, ist dennoch zu fordern, dass das Verhalten des Täters durch eine gewisse Hartnäckigkeit geprägt sein muss26 und eine gewisse Häufigkeit und Kontinuität27 aufweisen muss. Bei nur zwei Handlungen von Kontinuität auszugehen, entspricht wohl nicht den Maßgaben des § 238 Abs. 1 StGB. Insoweit muss die Entscheidung des LG Lübeck als verfehlt angesehen werden. Unter der zu missbilligenden Einstellung des Täters hat man eine Art gesteigerter Gleichgültigkeit des Täters gegenüber dem entgegenstehenden Willen des Opfers zu verstehen, die zum Ausdruck kommen muss. Dies ist nur mittels einer Gesamtwürdigung des Täterverhaltens möglich, nach der das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, wenn eine fortschreitende Belästigung des Opfers stattgefunden hat und auch weiter zu erwarten ist. In der bisherigen Diskussion zu § 238 StGB wurde die Benutzung des in mehreren Tatbeständen des Strafgesetzbuchs schon verwendeten und als problematisch eingestuften Begriffs der Beharrlichkeit kritisiert.28 Auch wenn die Maßgabe, dass wiederholte Nachstellungs-Handlungen Beharrlichkeit indizieren sollen, praktikabel wäre, stellt sich immer noch die Frage, wie diese zu missbilligende Tätergesinnung aussehen muss und wie sie festgestellt werden soll. Wenn seine Gesinnung nicht ausdrücklich vom Täter erklärt wird, muss eine Indizwirkung von Verhal21 22 23 24 25 26 27 28

§ 238 StGB-E „Schwere Belästigung“ BR-Drs. 551/1/04. BR-Drs. 551/1/04, S. 8. BT-Drs. 16/575, S. 7. LG Lübeck, 2b. Strafkammer Beschluss vom 14. 2. 2008 – Az 2b Qs 18/08. So auch Jahn, JuS 2008, 553. Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 3. Eisele, BT I, Rdn. 499. Mitsch, NJW 2007, 1237 (1240); Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1031 f.).

52

Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

tensmustern, die der Täter an den Tag legt, entwickelt werden; allein um schon Problemen der Bestimmtheit im Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG entgegenzuwirken. Möglicherweise wäre dies mit der Festlegung einer relevanten Fixanzahl von zu fordernden Stalking-Handlungen zu erreichen. Dann wäre das subjektive Element der gleichgültigen Gesinnung des Täters aber komplett objektiviert und würde leer laufen. Insoweit ist die Rechtsprechung aufgefordert, einheitliche und dem Gesetzgebungszweck entsprechende Kriterien festzulegen. Dass neue Tatbestände durch die Rechtsprechungspraxis konkretisiert werden, ist nicht unüblich; so zum Beispiel geschehen bei: § 185 StGB und § 240 StGB. Die ursprünglich diskutierte Grenze von fünf Handlungen vermag für sich allein noch keine Richtlinie aufzuzeigen, wann von beharrlichem Handeln auszugehen ist, vor allem deshalb weil § 238 StGB dann doch in anderer Formulierung in Kraft getreten ist. Was die notwendige Anzahl von Nachstellungshandlungen angeht, erscheint die Vorgabe von fünf nötigen Handlungen hingegen als tragfähige Orientierung. Letztlich wird die Rechtsprechung wohl nicht umhinkommen, eine Mindestanzahl von nötigen Nachstellungen zu entwickeln, um so das Merkmal der Beharrlichkeit zu konkretisieren. Eine Fixgrenze sollte hierbei aber nicht festgelegt werden, schließlich muss auch die Intensität der Nachstellungshandlungen Berücksichtigung finden. Festzuhalten aber bleibt, dass es dem Täter bewusst sein muss, gegen den Willen des Opfers zu handeln. Schließlich kann er einem entgegenstehenden Willen des Opfers gegenüber nur gleichgültig sein, wenn er ihn kennt.29 Des Weiteren ist zu fragen, in welchem zeitlichen Rahmen die Handlungen erfolgen müssen, um tatbestandlich relevant zu sein. Man mag zweifeln, ob das Merkmal „beharrlich“ erfüllt ist, wenn der Täter innerhalb von eineinhalb Jahren etwa vier oder fünf Stalking-Handlungen verwirklicht; doch darf das Zeitfenster auch nicht zu knapp angesetzt werden. Das Kriterium der Beharrlichkeit wird letztlich vor allem dazu dienen, sozialadäquates Verhalten wie etwa die üblichen und nicht ausufernden Bemühungen zur Anbahnung einer Beziehung auszusondern. Ebenso werden weniger hartnäckige Täter den Anwendungsbereich des § 238 Abs. 1 StGB gar nicht eröffnen. Schließlich ist zu fordern, dass sich die einzelnen Handlungen in einem überschaubaren Zeitrahmen abspielen müssen, um strafrechtliche Beachtung zu finden. c) Zum Tatbestandsmerkmal „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Bei allem bisher zu § 238 StGB Gesagten muss beachtet werden, dass eine Tatbestandsverwirklichung von der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers abhängt. Entgegen der ursprünglichen Entwürfe ist die Nachstellung nach § 238 StGB als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Das heißt, um tatbestandlich zu sein, 29

Siehe hierzu Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ auf S. 58 f.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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muss sich das Stalking-Verhalten des Täters in einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers niederschlagen. Dabei ist an das Opfer kein rein subjektiver Maßstab anzulegen; Orientierungspunkt soll das objektiv vernünftige Opfer sein.30 Die objektiv nicht mehr nachvollziehbare, unangemessene Reaktion des Opfers hat als nicht vorhersehbarer Erfolg außer Betracht zu bleiben. Dieses Tatbestandserfordernis wird sehr viele Fälle von so genanntem „weichen Stalking“ aus dem Anwendungsbereich des § 238 StGB wieder herausfallen lassen. Denn eine schwerwiegende Lebensbeeinträchtigung erfordert weit mehr als eine bloße Belästigung auf Seiten des Opfers. Dem Gesetzgeber nach ist eine ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende Beeinträchtigung, die über die durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigung erheblich und objektivierbar hinausgeht, zu fordern.31 Zunächst stellt sich die Frage, welche Stalking-Handlungen regelmäßig hinzunehmen und daher zumutbar sein sollen. Ein Opfer, das beispielsweise mit nächtlichen Störanrufen belästigt wird und eine schwerwiegende Lebensbeeinträchtigung oder gar Gesundheitsschädigung dadurch abwendet, dass es das Telefon zur Nachtzeit ausschaltet, hat gegen den Stalker keinerlei Handhabe aus § 238 StGB. Schließlich hat das Opfer die schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung selbst abgewendet. Genau so würde sich ein vernünftiges Opfer, das gerade als objektiver Maßstab herangezogen werden soll,32 aber verhalten. Die Strafbarkeit sollte aber nicht davon abhängen, dass sich das Opfer ohne Not, zum Beispiel wenn nicht Rufbereitschaft besteht, der Störung willig unterwirft und das Telefon angeschaltet lässt. Beispiele für schwerwiegende Lebensbeeinträchtigungen sollen der Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Wohnung sein sowie der Umstand, dass das Opfer die Wohnung überhaupt nicht mehr oder nur noch in Begleitung verlässt.33 Dabei fällt auf, dass dies sehr gravierende Schritte des Opfers darstellen. Ein Ändern der E-Mail-Adresse, die Einrichtung eines Anrufbeantworters oder einer Fangschaltung zu Zwecken der Beweissicherung stellt nach dem Willen des Gesetzgebers hingegen noch keine schwerwiegende Lebensgestaltungsbeeinträchtigung dar.34 Das heißt, dass eine Strafbarkeit des Stalkers, außer in den angeführten Extremfällen, regelmäßig an der Eigenvorsorge und dem Eigenschutz des Opfers scheitern wird. Andererseits wird ein gewisses ausweichendes Opferverhalten zu fordern sein, um es als vernünftig anzusehen und seine Verhaltensweisen nicht als zu übertrieben oder gar hysterisch einzustufen. Damit stellt das Kriterium des Taterfolges eine sehr hohe Strafbarkeitshürde dar,35 an der die Mehrzahl der auftretenden Stalking-Fälle scheitern wird. Denn die Hürden 30 31 32 33 34 35

Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484). BT-Drs. 16/575, S. 14. Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484). BT-Drs. 16/575, S. 8. BT-Drs. 16/575, S. 8; BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 16.2. Insoweit wohl auch: Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1034).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

für den Taterfolg sind hoch: Schließlich müssen die Veränderungen der Verhaltensweisen einer objektiven Beurteilung standhalten und danach vernünftig und nicht übertrieben erscheinen. Doch ab wann darf ein Opfer sich fürchten und die Wohnung nicht mehr alleine verlassen? Ab wann ist es angemessen die Arbeitsstätte zu wechseln? Die geforderten Stalking-Handlungen allein gesehen vermögen den Taterfolg nicht zu indizieren, ebenso wenig das gleichgültige Vorgehen des Täters. Vielmehr muss ein Plus hinzutreten. Hier allerdings hilft der Gesetzeswortlaut nicht mehr weiter; Auslegungsprobleme sind vorherbestimmt. Mit den Beispielen des Wohnungs- oder Arbeitsplatzwechsels infolge des Stalkings und dem Verkriechen des Opfers zu Hause hat der Gesetzgeber eine Richtung vorgegeben, die eine enorme Opferbeeinträchtigung erfordert. Damit engt die Norm ihren auf den ersten Blick sehr weit scheinenden Anwendungsrahmen wieder auffällig ein. Dies gilt auch deshalb, weil für § 238 Abs. 1 StGB keine generelle Versuchsstrafbarkeit geregelt wurde.36 Die Hürde für eine Verwirklichung der Norm durch einen Stalker wird durch dieses Kriterium hoch angelegt. Diese Einschätzung wird noch durch den Umstand untermauert, dass die Strafbarkeit von der Reaktion des Opfers abhängt und nicht gänzlich von der Handlung des Täters. Dass das Einschlägigsein des tatbestandlichen Erfolges somit auch vom Opferverhalten abhängig ist, vermag den Rechtsanwender zunächst zu überraschen und lässt einen an die sogenannte Viktimo-Dogmatik denken. Diese geht im Grunde auf den Gedanken zurück, dass eine Verhängung von Strafe für den Täter dann fehl am Platz sei, wenn das Opfer keinen Schutz verdiene und keines Schutzes bedürfe.37 Insbesondere ein Mitverschulden des Opfers wirkt sich nach dieser Ansicht als Korrektiv des Tatbestandes und zu Lasten des Opfers aus.38 So liegt die Konstellation hier aber nicht. Auch wenn man auf das vernünftige Opfer abstellen möchte, das in objektivierbarer Weise schwerwiegend beeinträchtigt sein muss, unterstellt man dem Opfer ja kein kausales Mitverschulden an den Nachstellungen oder dessen Folgen. Dass eine Strafbarkeit des Täters mit der Konstitution des Opfers zusammenhängt ist dem Strafrecht nicht fremd: So vermag etwa ein Messerstich beim Durchschnittsopfer nur zu Verletzungen führen, bei einem Bluter aber lebensbeendend sein, eine Täuschungshandlung des Täters bei dem einen Opfer einen Irrtum hervorrufen, bei einem misstrauischen Opfer hingegen nicht. Doch vorliegend geht es nicht um die physische oder psychische Konstitution des Opfers. Vielmehr wird mit dem Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ festgelegt, dass nicht jede Beeinträchtigung der Lebensgestaltung tatbestandlich erfasst wird. Ähn-

36 Zur Pönalisierung des Versuchs der Kontaktaufnahme in § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB siehe Ausführungen auf S. 75 ff. 37 Schünemann, NStZ 1986, 439. 38 Vgl. Kritik von Hillenkamp, Der Einfluß des Opferverhaltens auf die dogmatische Beurteilung der Tat, S. 9 ff.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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lich wird auch bei § 240 StGB ein gewisses Maß an besonnener Selbstbehauptung gefordert.39 Stalking-Opfer werden regelmäßig in ihrer Lebensführung mittelbar von Nachstellungen beeinträchtigt. Sie fühlen sich verfolgt und unwohl. Aus diesem Grund versuchen sie dem Stalking und dem Stalker zu entgehen, etwa indem sie nicht mehr allein spazieren gehen, unbekannte Anrufe nicht entgegennehmen oder einen Anrufbeantworter zwischenschalten; sie zeigen Ausweichverhalten und Eigenvorsorge. Und gerade durch diese Eigenvorsorge- und Schutzmaßnahmen wird die Lebensgestaltung des Opfers erst unmittelbar beeinflusst. Wenn durch diese Eigenvorsorgemaßnahmen dann die Lebensgestaltung des Opfers derartig gravierend beeinträchtigt wird, dass sie als unzumutbar und damit schwerwiegend angesehen werden kann, ist das Stalking dem Gesetzgeber zufolge strafwürdig. Aufgrund des ultimaratio-Prinzips des Strafrechts und der häufigen Nähe des Stalkings zu gerade noch sozialadäquaten Verhalten muss eine besonders intensive Opferbeeinträchtigung bei einem Stalking-Erfolgsdelikt auch gefordert werden. Die Ausgestaltung als Erfolgsdelikt setzt folglich die Beeinträchtigung des Opfers voraus, die es nur selbst besorgen kann, indem es Ausweich- und Schutzverhalten an den Tag legt. Natürlich sieht sich das Opfer hierzu vom Täter durch das Stalking gezwungen. Den unmittelbaren Eingriff in die Lebensgestaltung in Form der Änderung derselben nimmt aber das Opfer selbst vor. Das ist in der Natur des Stalkings angelegt, denn der Täter kann durch Stalkinghandlungen wie Anrufen oder Paketeschicken nicht unmittelbar auf das Schutzgut der persönlichen Freiheit des Opfers zugreifen. Indem sich der Gesetzgeber also entschieden hat, § 238 Abs. 1 StGB nicht als Tätigkeitsdelikt auszugestalten, muss um bei Stalking zu einem Taterfolg zu kommen, das Opfer selbst tätig werden. Hierin ist eine Neuerung in der Deliktskonstruktion zu sehen, die bei einem Stalking-Erfolgsdelikt aber nicht anders zu besorgen ist. Problematisch ist, ob auch Fälle, in denen es auf Opferseite allein zu Gesundheitsschädigungen kommt, von § 238 Abs. 1 StGB erfasst werden. Beispielsweise, wenn ein Opfer auf das beharrliche Nachstellen des Täters mit krankhaften Schlafstörungen oder Magengeschwüren reagiert, aber nicht wegzieht oder sich verschanzt. Der Anspruch das Stalking mit § 238 StGB umfassend zu regeln würde dafür sprechen, auch hierin einen tatbestandlichen Erfolg zu sehen. So gehen Neubacher und Seher davon aus, dass auch allein psychophysische Reaktionen wie Nervosität, Furcht oder Panikattacken auf Opferseite einen hinreichenden Taterfolg darstellen können.40 Zur Begründung führen sie an, dass Taterfolg der durch die Nachstellung ausgelöste schwerwiegende Druck auf die bisherige Lebensgestaltung des Opfers sei, der sich einerseits in Ausweichverhalten äußern kann, andererseits aber auch in psychischen Belastungen des Opfers.41 Wenn auch das Ergebnis dieser Auslegung zu begrüßen ist, verbleibt 39

MünchKomm-StGB-Gropp/Sinn, § 240, Rdn. 80 f.; Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 240, Rdn. 9; Kühl/Lackner-StGB, § 240 Rdn. 13. 40 Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1034). 41 Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1034).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

anzumerken, dass § 238 StGB als Freiheitsdelikt einzuordnen ist. Geschützt wird die persönliche Freiheit im Sinn der Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit.42 Wie bereits ausgeführt, ist der Taterfolg erst dann gegeben, wenn sich das Opfer, nach einer Phase der zumutbaren besonnenen Selbstbehauptung, gezwungen sieht, gegen den Stalker Abwehr- und Ausweichmaßnahmen zu unternehmen. Bei rein psychophysischen Reaktionen des Opfers kann dieser Taterfolg der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers nicht angenommen werden. Insoweit ist § 238 StGB als Freiheitsdelikt formuliert, wenn der Normwortlaut an die Lebensgestaltung anknüpft. Aufgrund dieser Auslegung werden Fälle, in denen das Opfer mit psychischen Störungen auf das Stalking reagiert, tatbestandlich von § 238 StGB nicht erfasst. Dies mag befremden, jedoch darf der Wortlaut des § 238 StGB zu Lasten des Täters nicht über Gebühr strapaziert werden. Erst wenn durch die Gesundheitsschädigung die Lebensgestaltung des Opfers betroffen wird, das Opfer etwa infolge von stalkingbedingten Schlafstörungen nicht mehr dem gewohnten Beruf nachgehen kann, ist § 238 Abs. 1 StGB einschlägig. Dies mag angesichts der Intension des Gesetzgebers das Stalking mit § 238 StGB umfassend zu regeln, befremden und ist zu kritisieren. Denn allzu häufig sind Opfer von Nachstellungen durch Stalking schon an ihrer Gesundheit geschädigt, etwa durch Schlafstörungen oder Magengeschwüre, und insoweit schwerwiegend in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt, bevor sie dramatische Umgestaltungen ihrer äußeren Lebensumstände, etwa durch Umzug oder Arbeitsplatzwechsel unternehmen. Durch die Berücksichtigung von Gesundheitsschädigungen als tatbestandlichen Erfolg von § 238 Abs. 1 StGB würde dieser auch nicht zu sehr subjektiviert. Denn mittels des objektiven Kriteriums einer Körperverletzung ließe sich, ebenso wie bei § 223 StGB, eine klare Abgrenzung zu tatbestandlich irrelevanten Befindlichkeitsstörungen ziehen. Durch die Beschränkung auf die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung werden Fälle, in denen der Stalker beharrlich und unbefugt seinem Opfer nachstellt, es aber dadurch unmittelbar in seinem Schutzgut der körperlichen Unversehrtheit schädigt, aber nicht zu mittelbaren Maßnahmen der Lebensumgestaltung veranlasst, nicht von § 238 Abs. 1 StGB erfasst. Insoweit kann von einer relevanten Regelungslücke ausgegangen werden. Problematisch erweist sich die restriktive Ausformulierung des § 238 StGB auch in Fällen, in denen ein Opfer gerne seine Lebensgestaltung ändern würde, aber nicht kann. So setzen ein Arbeitsplatzwechsel oder das Umziehen in eine andere Wohnung eine gewisse Flexibilität und finanzielle Leistungsfähigkeit voraus, über die nicht jedes Opfer von Nachstellungen verfügt. Entwickeln nun solche NachstellungsOpfer Schlaf- oder Befindlichkeitsstörungen nur deshalb, weil sie nicht die maßgeblichen Ausweichmaßnahmen unternehmen können, werden sie tatbestandlich nicht von § 238 StGB erfasst, der, weil entsprechend formuliert, eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung fordert. Insoweit wird ein Stalking, bei dem ein Opfer norma42

Siehe hierzu: S. 42 f.

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lerweise in objektiv nachvollziehbarer Weise ausweichen würde, das konkret betroffene Opfer aufgrund äußerer Umstände aber nicht in der Lage ist, diesen Selbstschutz zu erledigen und stattdessen krank wird, nicht von § 238 StGB sanktioniert. Würde man, wie oben vorgeschlagen, auch Gesundheitsschädigungen als tatbestandlichen Erfolg bei § 238 Abs. 1 StGB berücksichtigen, entstünde in Bezug auf diesen Gesichtspunkt keine Schutzlücken des § 238 StGB. Das Kriterium des vernünftigen Opfers, das ohne objektiv nachvollziehbaren Grund anfängt, sein Leben gravierend umzugestalten, dient dazu hysterische Reaktionen des Opfers, aber auch Missbrauch mit einem Strafrechtstatbestand tatbestandlich unbeachtet zu lassen. Ein weiteres Problem wird im Kausalitätsnachweis gesehen.43 Als Beispiel wird von Eisele eine Fallkonstellation angeführt, in der ein Opfer nicht nur deshalb seinen Arbeitsplatz aufgibt, weil es in der Betriebskantine immer wieder vom Stalker angesprochen wird, sondern auch, weil es von Kollegen aus dem unmittelbaren Arbeitsumfeld gemobbt wurde.44 Da in einem solchen Fall eine weitere Ursache für die Umgestaltung des Lebens verantwortlich sein kann, wird der Nachweis der Kausalität in diesen Fällen regelmäßig Schwierigkeiten verursachen. Wann die Lebensführung in tatbestandlich relevanter Weise schwerwiegend beeinträchtigt sein soll, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Sicher wird das Leben eines Stalking-Opfers auch dann schwerwiegend beeinträchtigt sein, wenn es beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel gar nicht mehr nutzt und auch kurze Distanzen nur noch mit dem Auto zurücklegt, um die Konfrontation mit dem Stalker, der im öffentlichen Verkehrsraum und in öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig die räumliche Nähe des Opfers sucht, zu vermeiden. Ferner kann eine Änderung des Arbeitsrhythmus eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers darstellen. So zum Beispiel, wenn ein Opfer, das im Schichtdienst arbeitet, seine Schichten verlegt um dem, wiederum räumlich auftretenden Stalker, aus dem Weg zu gehen. Man denke nur an eine Krankenschwester, die nur noch in der Nachtschicht arbeitet, um dem Täter, der „normale“ Arbeitszeiten hat, die Möglichkeit zu nehmen, es in dessen Freizeit der Abend- und Nachtstunden zu verfolgen oder aufzusuchen. Weiter stellt sich die Frage, ob der Verzicht auf ein Mobiltelefon eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers darstellt. Hierzu könnte sich ein Opfer gezwungen sehen, dem hartnäckig im Sinn des § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB nachgestellt wird.45 Mag man die schwerwiegende Beeinträchtigung beim Verzicht auf ein privates Handy noch verneinen, so kann der gänzliche Verzicht auf ein Telefon, sprich, das Abschaffen des Mobilfunk- und Festnetzanschlusses, schon wieder anders beurteilt werden, denn heutzutage gehört eine gewisse Erreichbarkeit für das soziale Umfeld einer Person zum ganz alltäglichen Komfort und Usus. 43 44 45

BT-Drs. 16/575, S. 9; Eisele, BT I, Rdn. 503. Eisele, BT I, Rdn. 503. Hierzu ausführlich auf S. 75 ff.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Bei der Beurteilung, ob die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt ist, wird auch die Art und Weise, wie der Täter seinem Opfer nachstellt eine Rolle spielen. Dies liegt in der Natur der Sache und der Vielschichtigkeit von Stalking. So wird man einem Opfer, dem durch den persönlich anwesenden Stalker nachgestellt wird, in einem früheren Stadium zugestehen können, sich vernünftig zu verhalten, wenn es sich verkriecht und zurückzieht, als beispielsweise einem Opfer, das immer wieder vom Stalker E-Mails mit harmlosen Liebesgrüßen erhält. Es wird abzuwarten sein, welche weiteren Beispiele für eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung von der Rechtsprechung gefunden werden. Die Latte, die der Gesetzgeber vorgibt, liegt jedenfalls sehr hoch. Es kann aber wohl davon ausgegangen werden, dass dann, wenn der Täter das objektiv vernünftige Opfer zwingt, sein Leben an das des Täters anzugleichen, beziehungsweise abzukoppeln, um seinen beharrlichen Belästigungen zu entgehen, es sich insbesondere gezwungen sieht, eine beachtliche Veränderung seines Lebens- und Arbeitsrhythmus vorzunehmen, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers nahe liegt. d) Zum Merkmal „unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB Daneben muss der Täter auch unbefugt handeln. Bei der Verwendung des Merkmals „unbefugt“ in Strafgesetzen kann dies entweder als Tatbestandsmerkmal angesehen werden oder als Hinweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe verstanden werden. Obwohl sich der Gesetzgeber eindeutig dahin gehend geäußert hat, dass „unbefugt“ in § 238 StGB ein Tatbestandsmerkmal ist und nicht nur als Hinweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe verstanden werden soll46 und sich die Mehrheit der Literaturmeinungen dieser Meinung anschließt,47 wird diese Einstufung kritisiert: So führt Mitsch48 aus, dass beim § 238 StGB in Bezug auf das Merkmal „unbefugt“ zwischen den verschiedenen Nummern unterschieden werden müsse. Da § 238 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB Fälle beschreiben, die eindeutig strafwürdig seien, sofern sie nicht gerechtfertigt würden, wäre „unbefugt“ an dieser Stelle eigentlich unnötig und wohl eher als Hinweis auf die Rechtfertigungsgründe zu verstehen. Da das Verhalten der Nummern eins und zwei aber unter Umständen auch sozialadäquat sein könne, müsse für diese Varianten zur Tatbestandsverwirklichung ein zusätzliches unrechtsbegründendes Moment hinzukommen, wie etwa das Handeln gegen den Willen des Opfers, womit der Täter dann erst unbefugt handle. Somit komme dem „unbefugt“ in § 238 StGB eine Doppelnatur zu: Bei § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB sei es Tatbestandsmerkmal, bei den Nummern drei und vier hingegen bloßer Hinweis auf Rechtfertigungsgründe. Diese Einschätzung erscheint zutreffend. Allerdings ist sie eher theoretischer Natur, denn letztlich ist man sich einig, dass sozialadäquates 46

BT-Drs. 16/575, S. 7. Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 6; Mosbacher, NStZ 2007, 665 (667); Valerius, JuS 2007, 319 (322); BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 13; Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (483); Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1031); Eisele, BT I, Rdn. 500. 48 Mitsch, NJW 2007, 1237 (1240). 47

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Verhalten, das unter Umständen ansonsten den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB erfüllen würde, nicht unbefugt ist und somit kein strafwürdiges Verhalten darstellt.49 Das Merkmal „unbefugt“ dient also dazu, sozialadäquates Verhalten aus dem Anwendungsbereich des § 238 StGB „auszufiltern.“ Dies gilt auch deshalb, da sich der Tätervorsatz, wenn man mit der herrschenden Meinung „unbefugt“ als Tatbestandsmerkmal einstuft, auf diese mangelnde Befugnis erstrecken muss. Das heißt, der Täter muss zumindest billigend in Kauf nehmen, ohne Befugnis zu handeln. Insoweit kann ein Täter auch Irrtümern erliegen, die, was sich aber einer Pauschalbetrachtung entzieht, den Tatbestandsvorsatz entfallen lassen und eine Strafbarkeit aus § 238 StGB ausschließen können.50 In jedem Fall ist ein Vorgehen des Täters gegen den Willen des Stalking-Opfers zu fordern. Da eines der signifikanten Merkmale von Stalking darin besteht, dass es sich bei den Handlungen meist um Verhalten handelt, das sich bei § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB üblicherweise noch im Rahmen der Sozialadäquanz hält und nur im konkreten Fall zu Unrecht wird,51 ist hier zu fordern, dass der entgegenstehende Opferwille dem Täter gegenüber ausdrücklich oder zumindest eindeutig konkludent geäußert werden muss. Dies ergibt sich schon aus dem ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts. 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a, Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG Mit der neuen Strafnorm § 238 StGB liegt nicht das erste Tätigwerden des Gesetzgebers gegen Stalking vor. Schon zum 1. 1. 2002 wurde mit dem Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Überlassung der Ehewohnung bei Trennung (Gewaltschutzgesetz) ausdrücklich eine zivilrechtliche Handhabe gegen Stalker geschaffen. Nachfolgend wird die bereits bestehende Regelung beschrieben, um zu beleuchten, ob der Regelungsbereich identisch mit § 238 Abs. 1 StGB ist oder differiert. § 1 GewSchG lautet wie folgt: (1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt, 1. die Wohnung der verletzten Person zu betreten, 2. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten, 3. zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,

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Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 6. Da keine fahrlässige Begehungsweise sanktioniert ist. Siehe hierzu Ausführungen auf S. 58 ff.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand 4. Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen, 5. Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen, soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist. (2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn 1. eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat oder 2. eine Person widerrechtlich und vorsätzlich a) in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder b) eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt. Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient. (3) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 oder des Absatzes 2 kann das Gericht die Maßnahmen nach Absatz 1 auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

a) § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG „eindringen“ Fälle, in denen der Täter in die Wohnung des Opfers oder dessen befriedetes Besitztum eindringt, werden von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG erfasst. Bezüglich des Begriffs des Eindringens kann auf die gängige Definition des Hausfriedensbruchs in § 123 Abs. 1 StGB zurückgegriffen werden.52 Danach beschränkt sich ein Eindringen auf ein körperliches Gelangen in geschützte Räume gegen den Willen des Berechtigten.53 Damit § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG einschlägig ist, müsste sich der Stalker also körperlich in das befriedete Besitztum begeben haben. Zum geschützten befriedeten Besitztum gehören beispielsweise auch Hofräume oder Gärten,54 sodass ein Stalker auch schon tatbestandlich handelt, wenn er sich dort aufhält und nicht nur, wenn er in die tatsächliche Wohnung seines Opfers eindringt. Das Stehen vor dem Haus, auf der Straße oder dem Bürgersteig wird vom Regelungsgehalt nicht erfasst. Passt der Stalker sein Opfer im Flur oder im Hauseingang ab, wird § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG einschlägig sein.

52 53 54

JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 15. Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Sternberg/Lieben, § 123 Rdn. 11 f. Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Sternberg/Lieben, § 123 Rdn. 6.

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b) § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG „nachstellen“ Beim permanenten Suchen der räumlichen Nähe durch den Stalker könnte aber Nr. 2 lit. b des § 1 Abs. 2 Satz 1 GewSchG einschlägig sein, wenn diese Verhaltensweise von der Definition des Nachstellens dieses Gesetzes erfasst wird. Wiederholtes Nachstellen ist nach dem Gesetzeswortlaut eine unzumutbare Belästigung; beim Vorliegen einer solchen kann, unter anderem, eine Unterlassensverfügung erwirkt werden. Welche Verhaltensmuster unter den Nachstellungsbegriff zu subsumieren sind, ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut. Bei der Schaffung der Norm verstand der Gesetzgeber darunter aber insbesondere die wiederholte Überwachung und Beobachtung einer Person sowie die ständige demonstrative Anwesenheit des Täters in der Nähe des Opfers.55 Ebenso erfasst sind die körperliche Verfolgung und Annäherung sowie Kontaktversuche. Die ständige Präsenz in Opfernähe fällt somit eindeutig in den Regelungsbereich des Gewaltschutzgesetzes. Genau der Fall, dass ein Stalker gezielt die räumliche Nähe seines Opfers aufsucht, schwebte dem Gesetzgeber bei Schaffung der entsprechenden Norm des Gewaltschutzgesetzes vor. Somit ist festzustellen, dass das Nachstellen durch Suchen der räumlichen Nähe des Opfers schon umfassend von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b beziehungsweise Nr. 2 lit. a GewSchG erfasst wird und § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Vergleich keine Neuerungen aufzuweisen vermag. c) „Belästigung gegen den ausdrücklichen Willen“, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG Zu beachten ist bei der Untersuchung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG, dass für die Annahme einer tatbestandlichen unzumutbaren Belästigung immer ein Verhalten zu fordern ist, das sich gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers richtet. Erforderlich ist folglich der ausdrückliche Ausschluss eines Einverständnisses. Dabei könnte die Anforderung der ausdrücklichen Erklärung des entgegenstehenden Willens des Opfers eine Einschränkung gegenüber den Voraussetzungen des § 238 Abs. 1 StGB darstellen. Dort aber wird ausdrücklich ein beharrliches und unbefugtes Verhalten gefordert und somit auch ein dem Opferwillen entgegenstehendes Verhalten über den sich der Täter bewusst und ich gleichgültiger Weise gegenüber dem Opferwillen hinwegsetzt. d) Vorsätzliches Handeln des Täters, § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG Im Gegensatz zu den üblichen Unterlassungsansprüchen aus § 1004 BGB ist eine Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nur bei vorsätzlichem Handeln des

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BT-Drs. 14/5429, S. 29.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Täters möglich.56 Das heißt, die Rechtsgutsverletzung des Opfers muss vom Täter zumindest billigend in Kauf genommen worden sein.57 Da § 238 StGB aber auch keine fahrlässige Begehungsweise sanktioniert, ist hierin keine eingeschränkte Anwendungsmöglichkeit des Gewaltschutzgesetzes gegenüber § 238 StGB zu sehen. e) Keine Rechtfertigung, insbesondere „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ (§ 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG) bei § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG Wie auch sonst im Deliktsrecht muss die Handlung widerrechtlich gewesen sein. Bezüglich der Rechtfertigungsgründe ergeben sich keine Unterschiede zu den allgemeinen Regeln der §§ 823 ff. BGB, weshalb hier auf eine Erörterung verzichtet werden kann. Im Fall der unzumutbaren Belästigung steht mit § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Verfügung. Danach scheidet die Widerrechtlichkeit aus, wenn der Täter die Belästigung in Wahrnehmung berechtigter Interessen begangen hat. Einschlägig wird dieser Rechtfertigungsgrund besonders sein, wenn die Kontaktaufnahme des Täters mit dem Opfer notwendig ist, damit der Täter mit gemeinsamen Kindern sein Umgangrecht ausüben kann.58 Auf die Anwendungsfälle des Rechtfertigungsgrundes wird in Kapitel 4 näher eingegangen werden. f) Besonderheit des § 1 Abs. 3 GewSchG: Möglichkeit zum Erlass von Schutzanordnungen auch bei vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit des Täters § 1 Abs. 3 GewSchG regelt eine Besonderheit in Bezug auf die Schuldfähigkeit des Täters. Diese ersetzt aber nicht das grundsätzliche Erfordernis der zivilrechtlichen Prozessfähigkeit. Sollte der Stalker aber infolge der Einnahme berauschender Mittel wie Alkohol, Medikamente oder Drogen bei der Nachstellungshandlung nur vorübergehend unzurechnungsfähig und somit auch vorsatzlos sein, können Schutzanordnungen gegen ihn trotzdem erlassen werden. Normalerweise gilt im Deliktsrecht in Fällen der vorübergehenden geistigen Störung des Täters § 827 Satz 2 BGB, nach dem ein solcher Täter in gleicher Weise verantwortlich ist, wie wenn ihm Fahrlässigkeit zur Last gelegt würde. Da der Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG aber auf vorsätzliches Handeln beschränkt ist, könnte gegen vorübergehend unzurechnungsfähige Täter nicht nach dem Gewaltschutzgesetz vorgegangen werden. Bei § 1 Abs. 3 GewSchG kann somit als „Rückausnahme“ der Vorsatzbeschränkung verstanden werden. Voraussetzung ist aber, dass sich der Täter vorsätzlich in diesen Zustand versetzt hat. Es soll dem Täter

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Siehe oben. JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 19. JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 21

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somit die Ausrede genommen werden, die Taten seien allein Resultat des Alkoholoder Drogenkonsums. Hierzu muss angemerkt werden, dass bei einem Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB hingegen die üblichen Voraussetzungen für einen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch gelten: So unterliegen nach überwiegender Meinung59 auch deliktsunfähige Personen, die durch ihr Verhalten die Rechtsgüter anderer beeinträchtigen, der Haftung aus § 1004 BGB. Doch selbst wenn man vom Störer Schuldfähigkeit im strafrechtlichen Sinne fordert,60 könnte man mit Hilfe der, zwar umstrittenen, aber noch Geltung beanspruchenden Figur der vorsätzlichen actio libera in causa61 zu einer Verantwortlichkeit des Stalkers kommen. 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB Wie schon in Kapitel 2 dieser Arbeit ausgeführt, kommt für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch auch die Anspruchsgrundlage der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen einer unerlaubten Handlung in Betracht, wenn das Nachstellen in seiner konkreten Gestalt widerrechtlich in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut eingreift. a) Gesundheitsverletzung Da es bei Opfern von massivem Stalking häufig zu psychischen Ausfallerscheinungen und somatisch krankhaften Zuständen kommen kann, ist zu prüfen, ob Stalking eine Gesundheitsverletzung darstellen könnte. Bezüglich des Verständnisses, was unter einer Gesundheitsverletzung zu verstehen ist, greift das Zivilrecht auf die strafrechtliche anerkannte Definition zurück. Eine Körperverletzung, die eine auf den Körper einwirkende Misshandlung fordert, scheidet bei Fällen, in denen es nicht zu einem körperlichen Übergriff durch den Stalker kommt aus. Unter einer Gesundheitsverletzung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines, möglicherweise nur vorübergehenden, Zustandes zu verstehen,62 der vom Normalzustand der körperlichen Funktion des Opfers nachteilig abweicht.63 Auch wird hier davon ausgegangen,

59 RGZ 109, 272, 276; Staudiger-BGB-Gursky, § 1004 Rdn. 131; MünchKomm-BGBMedicus, § 1004 Rdn. 58. 60 OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 211. 61 Kühl, AT, § 11, Rdn. 6 ff.; Roxin, AT I, § 20, Rdn. 60 ff.; durch BGHSt 43, 235 wurde die actio libera in causa zwar für § 315c StGB abgelehnt, eine allgemeine Ablehnung der actio libera in causa kann hierin jedoch nicht gesehen werden, siehe auch BGH NStZ 2000, 584. 62 RG DR 1939, 365; RG DR 1942, 333. 63 LK-StGB-Lilie, § 223 Rdn. 12; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-StGB-Paeffgen, § 223 Rdn. 14; Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 223 Rdn. 5; Kühl/Lackner-StGB, § 223 Rdn. 5; Fischer-StGB, § 223 Rdn. 6 und andere; jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

dass psychische Störungen Gesundheitsschädigungen sein können, wenn sie medizinisch fassbar sind und über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen.64 Infolge des Stalkings kommt es erfahrungsgemäß bei vielen Betroffenen zu Herzklopfen, Stress, Durchfall oder Schweißausbrüchen. Rechtlich relevanter Krankheitswert wird diesen Symptomen in der Regel nicht zukommen.65 Seelische Beeinträchtigungen müssen, um als Gesundheitsschädigung eingeordnet werden zu können, erhebliche körperliche Auswirkungen haben. Bloße Beeinträchtigungen der Psyche reichen nicht aus.66 Wird die Psyche des Opfers durch die Nachstellungen aber derart in Mitleidenschaft gezogen, dass sich gravierende Befindlichkeitsstörungen wie Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Angstzustände, die sich auf die Körperfunktionen auswirken oder sich gar Selbstmordgedanken bei ihm zeigen, liegt ein pathologischer Zustand und somit eine relevante Gesundheitsschädigung vor. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass krankhafte psychische Auswirkungen auf Opferseite in das von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsgut Gesundheit eingreifen und entsprechende Ansprüche auslösen können. b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Wenn das Nachstellen durch das permanente Aufsuchen der räumlichen Nähe des Opfers dieses in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten würde, käme auch ein Unterlassensanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog in Betracht. aa) Umriss des Prüfungsrahmens Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt das Ergebnis einer richterlichen Rechtsfortbildung dar. Viele Stimmen in der Rechtswissenschaft haben sich mit der dogmatischen Herleitung dieses Rechts beschäftigt.67 Ein Eingehen darauf kann in dieser Arbeit unterbleiben, da die Existenz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der heutigen Rechtswissenschaft unumstritten ist; ebenso wie seine Anerkennung als sonstiges Recht im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung wird daher nur die Prüfung sein, inwiefern die diskutierten Stalking-Handlungen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Opfers eingreifen und sie daher über §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog abwehrbar sind. 64 Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Schaub, § 823 Rdn. 26 mit Hinweis auf BGHZ 107, 359 (364). 65 MünchKomm-StGB-Joecks, § 223 Rdn. 21 (hier zur Misshandlungsvariante, die relevante Erheblichkeitsschwelle, die die Ausführungen betreffen ist aber bei beiden Varianten des § 223 Abs. 1 StGB gleich hoch einzuordnen). 66 RGSt 46, 113 (121); BGH NStZ 1997, 123. 67 Siehe auch: Gottwald, Das Persönlichkeitsrecht; MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn. 2 ff.; exemplarisch: Schwerdtner, Das Persönlichkeitsrecht in der deutschen Zivilrechtsordnung; Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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bb) Allgemeines zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Begründung durch die Jurisprudenz Zum ersten Mal wurde, wohl angeregt durch die Diskussion in der Literatur,68 1954 das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht vom BGH69 anerkannt.70 Diese Rechtsprechung erfuhr auch vom BVerfG Bestätigung,71 sodass seine Geltung nun als unbestritten angesehen werden kann. Für die Frage, ob Stalking-Handlungen den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen, muss dieser zunächst umrissen werden. Da eine allgemeingültige Definition des Rechtes bisher noch nicht aufgestellt wurde, werden, insbesondere mit Fallgruppen, Bestimmungsversuche unternommen, die sich in ihrer Bezeichnung häufig unterscheiden, inhaltlich meist aber weitgehend übereinstimmen. Für einen kurzen Überblick der gängigen Fallgruppendarstellungen sind an dieser Stelle stellvertretend zu nennen: das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, die Privat-, Geheimund Intimsphäre, der Schutz gegen Unwahrheit, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, der Schutz vor kommerzieller Ausnutzung der Persönlichkeit und die persönliche Ehre.72 Diese übliche Fallgruppeneinordnung darf aber nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterliegt vielmehr einer gewissen Dynamik. Häufig hat der BGH das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf neuartige Fallkonstellationen zur Anwendung gebracht.73 Explizit stellt der BGH in einer Entscheidung zu heimlichen Bildaufnahmen Folgendes fest: „Sind durch die Fortschritte der Technik die Möglichkeiten erleichtert worden, heimliche Bildnisaufnahmen herzustellen, sie zu vervielfältigen und einer breiten Öffentlichkeit vorzuführen, so muss besonderer Anlass bestehen, auf eine Wahrung der vom Recht gesetzten Schranken zu achten und einem Missbrauch des leichter verletzbar gewordenen Persönlichkeitsrechts vorzubeugen. Das Recht darf sich in diesem Punkt der technischen Entwicklung nicht beugen.“74

Es kann somit festgehalten werden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch auf neue gesellschaftliche oder technische Verhältnisse angewendet werden kann, wenn sich die betroffenen Bereiche ähneln. Wenn nun Stalking gegenüber den Verhaltensweisen, für die bisher schon eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angenommen wird, große Ähnlichkeiten aufweist und sich unter das subsumie68

Besonders hervorzuheben ist: Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht. Das Reichsgericht lehnte die Existenz eines Persönlichkeitsrechtes noch ab: RGZ 56, 271 (275); 58, 24 (28 f.); 69, 401(403); 79, 397 (398); 102, 134 (140); 107, 277 (281); 113, 413 (414 f.); 123, 312 (320). 70 BGHZ 13, 334 (338). 71 BVerfGE 34, 269 (270 ff. und 280). 72 Fallgruppen vorliegend übernommen aus: Wanckel S. 91 ff.; all diese Konstellationen finden sich aber auch aufgezählt in Staudinger-BGB-Weick, Vorbem. zu § 1 Rdn. 25 ff. 73 So auch: Wanckel, S. 91, S. 94. 74 BVerfG NJW 1966, 2353 (2354). 69

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

ren lässt, was als Verletzungshandlung angenommen wird, kann eine Betroffenheit angenommen werden. Es bietet sich daher an, die bisher aufgeführten Fallgruppen75 um die des Schutzes gegen Belästigungen und Aufdrängen zu erweitern.76 cc) Weitere Fallgruppe der Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Schutz gegen Belästigungen und Aufdrängen Um Berechtigung beanspruchen zu dürfen, muss zunächst festgestellt werden, dass der Schutz vor Belästigungen und Nachstellungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in dem bisher anerkannten Schutzumfang betrifft und keine Erweiterung desselben darstellen. Vereinzelt finden sich in der Rechtsprechung der vergangen Jahre Urteile, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch stalkingtypische Handlungen betroffen sahen und Unterlassungs- oder Entschädigungsansprüche gewährten.77 Auch in der Kommentarliteratur zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht finden sich bei zwei Autoren Fallgruppen unter die Nachstellungen subsumiert werden.78 Dies bedeutet, dass, auch wenn der Schutz gegen Nachstellungen über das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Rechtswissenschaft nicht ins Auge springt, er dennoch existiert und in der Rechtsrealität auch gewährt wird. Dass dies mit Fug und Recht angenommen wird und auch vom Verständnis des BGH vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht abweicht, soll im Folgenden bewiesen werden. Zunächst sind hierfür die Ausführungen des BGH zum sogenannten HerrenreiterFall interessant: „Die Art. 1 und 2 des Grundgesetzes schützen, und zwar mit bindender Wirkung auch für die Rechtsprechung, das, was man die menschliche Personhaftigkeit nennt; ja sie erkennen in ihr einen der übergesetzlichen Grundwerte der Rechtsordnung an. Sie schützen damit unmittelbar jenen inneren Persönlichkeitsbereich, der grundsätzlich nur der freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung des Einzelnen untersteht und dessen Verletzung rechtlich dadurch gekennzeichnet ist, daß sie in erster Linie sogenannte immaterielle Schäden, Schäden, die sich in einer Persönlichkeitsminderung ausdrücken, erzeugt. Diesen Bereich zu achten und nicht unbefugt in ihn einzudringen, ist ein rechtliches Gebot, das sich aus dem Grundgesetz selbst ergibt. Ebenso folgt aus dem Grundgesetz die Notwendigkeit, bei Verletzung

75 Durch Stalking können unter Umständen auch Privat- , Geheim- oder Intimsphäre betroffen werden. Doch vorliegend werden sich die Ausführungen auf die Möglichkeit einer speziellen Fallgruppe für Belästigungen und Nachstellungen konzentrieren. 76 Jeweils eine ähnliche neue Fallgruppe findet sich in JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 33: Schutz vor Belästigung, sowie in MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn.96 f: „Aufdrängen von Informationen und Kontakten“. 77 BGH NJW 1985, 809; LG Oldenburg NJW 1996, 62; AG Frankfurt a.M. NJWE-VHR 1996, 24. 78 MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn. 96 f.; JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 33.

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dieses Bereiches Schutz gegen die der Verletzung wesenseigentümlichen Schäden zu gewähren.“79,80

Ebenso aufschlussreich die Entscheidung betreffend Caterina Valente aus dem Jahr 1959: „Der Bundesgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dessen Begriff von generalklauselartiger Weite und Unbestimmtheit ist, nicht unbegrenzt ist. Die Art 1 und 2 GG schützen denjenigen inneren Persönlichkeitsbereich des einzelnen, der grundsätzlich allein seiner freien und eigenverantwortlichen Selbstbestimmung untersteht; kraft des Persönlichkeitsrechts kann der einzelne von anderen verlangen, daß sie nicht unbefugt in diesen persönlichen Bereich eindringen. Die Grenzen des Persönlichkeitsrechts verlaufen da, wo jener unantastbare persönliche Bereich des einzelnen, der sich in die Gemeinschaft einfügen und auf die Rechte und Interessen anderer Rücksicht nehmen muß, endet. Sie ergeben sich vor allem daraus, daß nicht die Rechte anderer verletzt werden dürfen und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen werden darf. Bei widerstreitenden Interessen kann es erforderlich sein, die Belange des einen gegen die des anderen abzuwägen.“81,82

Danach wird vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit geschützt. Mehr noch, die zuletzt zitierte Entscheidung macht klar, dass es einen bestimmten Bereich einer jeden Person gibt, die ihrer eigenen, freien und selbstverantwortlichen Selbstbestimmung unterliegt und von dem diese Person andere ausschließen darf. Zu dieser Selbstbestimmung zählt auch die freie Entscheidung eines jeden Einzelnen, mit wem er Kontakt unterhalten möchte und wessen Nähe er lieber vermeidet. Das heißt, in den Fällen, in denen das Stalking-Opfer seinem Stalker zu verstehen gegeben hat, dass es keinen Kontakt wünscht und sich dieser nicht daran hält, dringt der Täter unbefugt in das Recht des Opfers auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ein. Grundsätzlich erfolgt bei der Prüfung, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stattgefunden hat, um dem Recht seine generalklauselartige Weite zu nehmen, eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Opfers und des Täters. Bei den bisher aufgeführten Fallgruppen wird regelmäßig eine Verletzung angenommen und somit ein Überwiegen der Opferinteressen festgestellt. Gleiches hat für die hier entwickelte Fallgruppe des Schutzes gegen Nachstellungen zu gelten. Nun mag man kritisieren, dass für eine rechtswidrige Eingriffshandlung in der dargestellten Situation das Erfordernis eines ausdrücklich geäußerten Willens des Opfers ein Hindernis für den effektiven Rechtsschutz darstellen mag. Dem ist bezüglich des in dieser Arbeit aufgestellten Vergleichs des Schutzes durch die bisherigen Mittel des Zivilrechts gegen Stalking mit den Möglichkeiten über den neuen § 238 StGB entge79 80 81 82

BGHZ 26, 349, 354. Kursive Hervorhebungen durch die Verfasserin. BGHZ 30, 7 (11 f.). Kursive Hervorhebungen durch die Verfasserin.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

genzuhalten, dass sich die Regelungen in diesem Punkt gerade nicht unterscheiden. Für die Annahme der Einschlägigkeit des Tatbestandes der Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB ist ein unbefugtes Handeln des Täters gefordert, welches regelmäßig anzunehmen ist, wenn der ansonsten tatbestandlich handelnde Stalker bewusst gegen den Willen des Opfers handelt. Es kann angenommen werden, dass über das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auch ohne den ausdrücklich geäußerten entgegenstehenden Opferwillen, Ansprüche gegen den Stalker möglich sind. Dies wird dann der Fall sein, wenn allein die Handlungen des Täters die Persönlichkeit des Opfers beeinträchtigen. Dann besteht die Verletzungshandlung nicht darin, dass sich der Täter dem Willen des Opfers, nicht mit ihm Kontakt zu unterhalten, verletzt, sondern sein Verhalten an sich stellt schon die Verletzungshandlung dar, weil es auch ohne geäußerten Willen des Opfers eindeutig das Opfer in seinem Recht auf Selbstbestimmung verletzt. Angenommen werden kann dies, wenn der Täter das Opfer durch unerwünschte aufdringliche Telefonate, beleidigende oder anzügliche Nachrichten oder ständiges Auflauern belästigt.83 In den typischen Fallkonstellationen des Stalkings wird somit regelmäßig auch eine Beeinträchtigung des Opfers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorliegen.84 dd) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Suchen der räumlichen Nähe des Opfers Das zielgerichtete Aufsuchen der räumlichen Nähe einer Person stellt eine typische Stalking-Handlung dar. Vorausgesetzt, es liegen die Kriterien vor, die oben für das Vorliegen von Stalking in Abgrenzung zu sozialadäquaten Verhalten beschrieben sind, ist regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegeben. Dann besteht der Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch auch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog. Ergänzende Ansprüche aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wollte der Gesetzgeber mit Schaffung des § 1 GewSchG nicht verdrängen.85 Insoweit kann der Anspruch aus dem Gewaltschutzgesetz nicht als lex specialis angesehen werden,86 vielmehr sollte er die Rechtsprechung in diesem Bereich sichern und vereinheitlichen.87 Aufgrund der detaillierten Ausgestaltung scheint der Anspruch aus dem Gewaltschutzgesetz für die Praxis einfacher zu handhaben sein.

83 MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn. 101. 84 Ebenso: JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 33; Keiser, NJW 2007, 3387 (3389). 85 Siehe insoweit Ausführungen auf S. 35 f. 86 Vergleiche Ausführungen in Kapitel 2. 87 Vgl. BR-Drs. 11/1, S. 31.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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4. Sonstige betroffene Schutzgesetze im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB Der Schaffung des § 238 StGB ging eine Debatte voraus, ob das Phänomen des Stalkings im deutschen Strafrecht ungeregelt und eine Anti-Stalking-Norm daher von Nöten sei. Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob Stalking bereits ausreichend von den schon existierenden Strafnormen erfasst werde und Handlungen, die nicht die bisherigen Straftatbestände erfüllten, eben als nicht strafwürdig anzusehen seien.88 Dass Stalking-Verhaltensweisen, die die Tatbestände der §§ 212, 211 StGB oder §§ 177 ff. StGB erfüllen, zum Teil als „hartes Stalking“ bezeichnet, schon bisher von selbigen Normen erfasst wurden, ist offensichtlich und bedarf daher keiner weiteren Diskussion. Fraglich ist, ob das von § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB geregelte Auflauern oder Verfolgen auch schon von anderen Tatbeständen erfasst wird. Eine ausführliche strafrechtliche Diskussion dieser Frage muss in dieser Arbeit unterbleiben.89 Da Strafnormen in der Regel deliktische Schutzgesetze sind, können sie im Fall ihrer Einschlägigkeit im Rahmen des quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB herangezogen werden. a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 123 StGB (Hausfriedensbruch) Bei der Prüfung drängt sich zunächst § 123 Abs. 1 StGB auf. Dieser ist aber nur dann einschlägig, wenn der Stalker zum Aufsuchen der räumlichen Nähe seines Opfers in die Wohnung, die Geschäftsräume oder das befriedete Besitztum des Opfers eindringt.90 Insoweit geht § 123 Abs. 1 StGB in seinem Regelungsbereich nicht weiter als „eindringen“ im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. a GewSchG. b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) Infrage käme wegen des wiederholenden Aufsuchens der räumlichen Nähe auch eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 240 StGB. Dann müsste der Stalker das Opfer mit seinem Verhalten, das als Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu qualifizieren sein müsste, zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt haben; wobei die Zweck-Mittel-Relation als verwerflich im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB eingestuft werden müsste. Geschütztes Rechtsgut der Nötigungsnorm ist die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung.91

88

Kinzig, ZRP 2006, 255 (257 f.). Diesbezüglich wird auf entsprechende strafrechtliche Publikationen wie v. Pechstaedt, Stalking, Utsch verwiesen. 90 Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Sternberg-Lieben, § 123 Rdn. 3 ff. 91 MünchKomm-StGB-Gropp/Sinn, § 240 Rdn. 2; SK-StGB-Wolters/Horn, § 240 Rdn. 2. 89

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Mögliche Nötigungsmittel sind Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel. Zunächst soll auf die Variante der Verwirklichung des § 240 Abs. 1 StGB durch Gewaltanwendung eingegangen werden. aa) Gewalt Über den Gewaltbegriff des Nötigungstatbestandes ist im Zuge der SitzblockadenEntscheidungen des BVerfG viel gestritten und geschrieben worden. Gewalt ist im Sinne des § 240 StGB allgemein als gegenwärtige Zufügung eines empfindlichen Übels zu definieren.92 Grundsätzlich ist zwischen vis absoluta und vis compulsiva zu unterscheiden.93 Dabei ist allerdings strittig, ob auch psychische oder durch Einwirkung auf Sachen vermittelte Zwangswirkungen ausreichen können oder ob, beziehungsweise inwieweit, die durch das Übel ausgelöste Zwangswirkung eine besondere Kraftentfaltung des Täters voraussetzt und/oder unmittelbar auf den Körper des Opfers eingewirkt haben muss.94 Der Streit hierüber ist jedenfalls insoweit obsolet, als das BVerfG entschieden hat, dass die Zufügung psychischen Zwangs allein noch keine Gewalt darstellt.95 Auch der BGH fordert zumindest einen geringen körperlichen Kraftaufwand des Täters und beim Opfer eine Zwangswirkung, die den Bereich des Psychischen verlässt und sich als physisch wirkender Zwang darstellt.96 Damit scheidet nach herrschender Meinung97 Gewalt als Nötigungsmittel im zugrunde gelegten Stalking-Fall aus. bb) Drohung mit einem empfindlichen Übel Es verbleibt weiter die Verwirklichung der Drohungs-Variante zu prüfen. Dann müsste der ständigen Präsenz des Täters in der Nähe des Opfers der Charakter einer Drohung zukommen. Nach gängiger Definition ist unter einer Drohung das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels zu verstehen, auf das der Täter Einfluss zu haben vorgibt und das verwirklicht werden soll, wenn der Gezwungene sich nicht dem Willen des Täters beugt und sich dementsprechend verhält.98

92

SK-StGB-Horn/Wolters, § 240 Rdn. 9 mit weiteren Nachweisen u. a. BVerfGE 73, 237

(243). 93

Schönke/Schröder-StGB-Eisele/Eser, Vorbem. zu §§ 234 bis 241a Rdn. 13 f. Schönke/Schröder-StGB-Eisele/Eser, Vorbem. zu §§ 234 bis 241a Rdn. 6. 95 BVerfGE 92, 1. 96 MünchKomm-StGB-Gropp/Sinn, § 240 Rdn. 45. 97 Insoweit bringt für die vorgestellte Konstellation auch die Vierte Sitzblockadeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 2002, 1031), in der von nötigender Gewalt ausgegangen wird, wenn über die durch körperliche Anwesenheit verursachte psychische Einwirkungen hinaus eine physische Barriere errichtet wird, keine Neuerungen. 98 MünchKomm-StGB-Gropp/Sinn, § 240 Rdn. 67; Schönke/Schröder-StGB-Eisele/Eser, Vorbem §§ 234 bis 241a Rdn. 30 ff. 94

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In Betracht wird meist eher eine konkludente denn eine ausdrückliche Drohung kommen, insbesondere wenn es zwischen Opfer und Stalker zu keinem Wortwechsel kommt. Fraglich ist aber, ob diese unangenehme Situation für das Opfer nach objektiven Kriterien auch als empfindliches Übel eingestuft werden kann. Denn ein tatbestandliches Übel wird als über eine bloße Unannehmlichkeit hinausgehende Einbuße an Werten oder Zufügung von Nachteilen verstanden. Dies kann wiederum dann als empfindlich angesehen werden, wenn der drohende Verlust oder der zu befürchtende Nachteil geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen.99 Vorliegend muss bezweifelt werden, dass einem Stalking-Opfer das Zusammentreffen mit dem Stalker eine solche Qualität aufweist und dem Opfer Nachteile zufügt. Das Zusammentreffen mit dem Täter stellt für das Opfer zweifelsfrei eine unangenehme Situation dar, sie ist aber nach der vorliegend vertretenen Ansicht nicht geeignet, dem Opfer Nachteile zuzufügen oder ihm Werte zu nehmen. Mithin fehlt es an einem konkreten, künftigen Übel, das angedroht wird. In dem nachstellenden Aufsuchen der räumlichen Nähe einer Person pauschal eine konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel zu sehen, würde den Anwendungsbereich des § 240 Abs. 1 StGB über Gebühr ausweiten. Weiter drängen sich daneben Zweifel in Bezug auf die Frage auf, ob die üblichen Ausweichmanöver des Stalking-Opfers hinreichende Nötigungserfolge darstellen. Das Opfer entschließt sich zwar, beispielsweise nicht mehr allein das Haus zu verlassen, nicht mehr mit dem Bus zu fahren oder verbringt die Freizeit nicht mehr außerhalb der Wohnung. Darin ist jeweils ein Unterlassen zu erkennen, das über das bloße Empfinden einer unangenehmen Lage hinausgeht. Fraglich ist aber, ob diese Verhaltensweisen überhaupt die sind, die der Täter bezwecken wollte. Ist es nicht vielmehr so, dass der Täter die Nähe des Opfers sucht, um diesem auch zu begegnen? Mittels seines Verhaltens will er eine Konfrontation mit dem Opfer herbeiführen. Er will nicht, dass das Opfer seine üblichen Verhaltensmuster durchbricht und ausweicht. Auch wenn ein Täter von Machtgelüsten über das Leben des Opfers angetrieben wird, das Opfer mit dem Stalking also nicht für eine Beziehung mit ihm gewinnen möchte, sondern sich vielmehr in dem Gefühl sonnen will, dass er das Leben des Opfers in der Hand hält, dass er bestimmt, wie es sich verhalten soll, kurzum, dass er Macht über das Opfer hat, gilt das Gleiche: Dieses Gefühl erreicht er erst, wenn er die Angst und Panik beim Opfer wahrnimmt. Auch in diesen Konstellationen kommt es häufig nicht darauf an, das Opfer zu Ausweichverhalten zu motivieren, vielmehr geht es auch hier darum, das Opfer mit seiner omnipräsenten Anwesenheit zu konfrontieren. Zwar kann Eventualvorsatz hinsichtlich des abgenötigten Verhaltens ausreichen, vorliegend ist das Ziel des Täters aber ein ganz anderes. Das Ausweichverhalten ist nicht vom Tätervorsatz erfasst, er beabsichtigt die Konfrontation. Es kann somit festgehalten werden, dass in den Stalking-Fällen des Aufsuchens der räumlichen Nähe des Opfers das Ausweichverhalten und die Angst des Opfers oftmals keine hinreichenden Nötigungserfolge darstellen, da der Täter ein konträres 99

Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 240 Rdn. 9.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Verhalten, nämlich das Zusammentreffen mit ihm, bezweckt. Ebenfalls kann nicht im Nachstellen per se ein hinreichendes Nötigungsmittel gesehen werden. Eine Strafbarkeit des Stalkers wegen einer vollendeten oder versuchten Nötigung kommt in der Regel somit nicht in Betracht und folglich, bis auf in Einzelfällen, auch keine Unterlassungsansprüche aus obiger Anspruchsgrundlage. c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 239 StGB (Freiheitsberaubung) Durch das wiederholte Aufsuchen der räumlichen Nähe seines Opfers wird der Stalker regelmäßig nicht aus § 239 StGB strafbar sein. Dazu wäre zwar neben dem Einsperren auch eine Freiheitsberaubung auf andere Weise tatbestandlich. Hierfür müsste das Opfer aber durch vollständige Aufhebung seiner Fortbewegungsfreiheit daran gehindert werden seinen Aufenthaltsort zu verlassen.100 Selbst in einem Fall, in dem der Stalker vor dem Wohnhaus des Opfers steht, hindert er das Opfer durch sein Verhalten in der Regel nicht an der Ausübung einer zumutbaren Fortbewegungsfreiheit. § 239 StGB wird in diesen Fällen stets ausscheiden. d) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 Var. 1 StGB (Körperliche Misshandlung) Da sich nach oder während einer Stalking-Phase auf Opferseite Auswirkungen wie Panikattacken, permanente Angst und Unwohlsein, Übelkeit, Depressionen, Schlafstörungen oder sogar somatische Störungen101 zeigen können, liegt die Frage auf der Hand, ob sich ein Stalker nicht auch nach den Körperverletzungsdelikten strafbar machen kann. Beim Tatbestand der Körperverletzung wird zwischen der körperlichen Misshandlung nach Variante eins und der Gesundheitsschädigung nach Variante zwei unterschieden. Vorliegend konzentriert sich die Untersuchung auf Stalking-Fälle, in denen es nicht zu körperlichen Übergriffen kommt. Da die Misshandlungs-Variante des § 223 Abs. 1 StGB aber eine üble und unangemessene Behandlung des Körpers fordert, scheidet ihre Verwirklichung durch den Täter, der sein Opfer lediglich verfolgt, aus.

100

BGH NJW 1993, 1807. Vorliegend können die Auswirkungen auf Opferseite nur beispielhaft wiedergegeben werden. Eine ausführliche Erörterung kann bei Wondrak/Hoffmann, Praxis der Rechtspsychologie 2005, 222 ff. gefunden werden. 101

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e) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 Var. 2 StGB (Gesundheitsschädigung) Ein Stalker, der immer wieder die räumliche Nähe seines Opfers sucht, könnte aber eine Gesundheitsschädigung nach § 223 Abs. 1 Var. 2 StGB verwirklichen. Unter einer Gesundheitsschädigung wird einhellig jedes Hervorrufen oder Steigern eines, möglicherweise nur vorübergehenden, Zustandes verstanden,102 der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweicht.103 Wie bereits bei der Untersuchung einer Gesundheitsschädigung des Opfers im Rahmen der Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB mit Hinweis auf die strafrechtliche Judikatur festgestellt wurde, reichen bloße Beeinträchtigungen der Psyche des Opfers wie Angst und Panik nicht aus.104 Kommt es bei ihm aber zu psychischen Beeinträchtigungen, denen Krankheitswert nicht abgesprochen werden kann und die über starke Gemütsbewegungen hinausgehen, verwirklicht der Täter § 223 Abs. 1 Var. 2 StGB. Als Beispiele sind gravierende Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Depressionen zu nennen. Weil Eventualvorsatz ausreicht, wird eine Verwirklichung nur selten am Tätervorsatz scheitern. f) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) In den oben aufgezeigten Fällen, in denen es beim Täter am Körperverletzungsvorsatz fehlt, kommt immer noch eine Strafbarkeit aus § 229 StGB wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht. Bezüglich des Taterfolges in Form einer Gesundheitsverletzung oder einer körperlichen Misshandlung kann auf das obig zur vorsätzlichen Körperverletzung Gesagte verwiesen werden. Um eine Einschlägigkeit des Schutzgesetzes105 zu bejahen, müsste dem Täter ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen sein. Dies kann wohl nur in Fällen in Betracht gezogen werden, in denen der Täter mit eigentlich sozialadäquaten Motiven handelt, also etwa beim Liebeswerben. Handelt der Täter hingegen aus der Motivation heraus, das Opfer auch psychisch „fertig zu machen“, liegt unter Umständen Vorsatz vor. Wenn wiederholte Präsenz des Täters in der Nähe des Opfers bei diesem zu den bereits skizzierten somatischen Folgen führt und ihm dieser Taterfolg mittels der üb102

RG DR 1939, 365; RG DR 1942, 333. LK-StGB-Lilie, § 223 Rdn. 12; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen-StGB-Paeffgen § 223 Rdn. 14; Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 223 Rdn. 5; Kühl/Lackner-StGB, § 223 Rdn. 5; Fischer-StGB, § 223 Rdn. 6 u. a. mit Rechtsprechungsnachweisen. 104 RGSt 46, 113 (121); BGH NStZ 1997, 123; BGH NJW 1996, 1069 (1070); BGH NJW 1983, 462. 105 Bamberger/Roth-BGB-Spindler, § 823 Rdn. 175; MünchKomm-BGB-Wagner, § 823 Rdn. 359 jeweils mit weiteren Nachweisen. 103

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

lichen Maßstäbe im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte zugerechnet werden kann, ist an eine Strafbarkeit aus § 229 StGB zu denken. De facto wird der Nachweis schwer zu führen sein. g) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) Rein tatbestandlich ist in dem bloßen Verfolgen des Opfers oder im Stehen vor seinem Haus oder seiner Arbeitsstelle beziehungsweise ähnlichen Fällen des Suchens der räumlichen Nähe kein objektiver Sinngehalt zu erkennen, der die Missachtung oder Geringschätzung kundtut.106 Damit scheidet § 185 StGB aus. 5. Ergebnis Das Aufsuchen der räumlichen Nähe des Opfers allein wird nur selten für eine Verwirklichung des § 238 Abs. 1 StGB durch den Stalker genügen, da eine kausale schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung nur in Extremfällen anzunehmen sein wird. Schließlich wird das Opfer ohne Kontaktversuche seitens des Täters erst nach einer gewissen Zeit die Nachstellung überhaupt bemerken. Gerade hier werden sich Grauzonen zwischen sozialadäquatem Verhalten und Stalking auftun. Die untersuchten zivilrechtlichen Regelungen sind für einschlägige Fälle des § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB regelmäßig ebenfalls erfüllt. In ihrem Anwendungsbereich gehen sie der strafrechtlichen Regelung nicht nur in der Intensität, sondern auch in ihrem zeitlichen Anwendungsrahmen vor. Für den zivilrechtlichen Stalking-Schutz im Bereich des Aufsuchens der räumlichen Nähe ist das Schutzgesetz des § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB daher irrelevant.

II. Versuch der Kontaktaufnahme durch Kommunikationsmittel Unter Stalking ist weit mehr als nur die Variante des Auflauerns und körperlichen Verfolgens seitens des Täters zu verstehen. Häufig werden Nachstellungshandlungen durch Verwendung von Mitteln der Telekommunikation oder durch Briefzusendungen begangen. So ist neben dem „klassischen“ Telefonterror besonders an das sogenannte Cyberstalking zu denken. Dabei nutzt der Täter die Mittel des Internets wie EMails oder Nachrichtendienste verschiedener Online-Portale zur Kontaktaufnahme. Aber auch die Möglichkeit, sich mittels „Trojanern“ oder anderen Computerviren verdeckt Zugang zum Computer des Opfers zu verschaffen und diesem dann plötzlich auftauchende, unkontrollierbare Nachrichten in sich automatisch öffnenden Dateien zukommen zu lassen, ist als Tathergang möglich. Ebenso sind bei der Nutzung des 106

Ebenso: Utsch, S. 87; Pechstaedt, Stalking, S. 120.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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Telefons SMS und MMS, mittels derer sich ebenso belästigende Kontaktaufnahmen gestalten lassen, zu beachten. 1. § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB a) „Telekommunikationsmittel oder sonstige Kommunikationsmittel“ In § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird die versuchte unerwünschte Kontaktaufnahme durch Mittel der Kommunikation geregelt. Eine Definition des Telekommunikationsmittelbegriffs erfolgt im Tatbestand jedoch nicht. Wohl wegen des Argumentes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung wird wegen einer mangelnden Definition der Telekommunikationsmittel auf die Legaldefinitionen aus § 3 Nr. 22 und 23 TKG zurückgegriffen.107 Der Begriff des Telekommunikationsmittels wird dort zwar nicht definiert, jedoch ist unter Telekommunikation der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen zu verstehen. Telekommunikationsanlagen wiederum sind technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können. Auf selbiges Gesetz weist der Gesetzgeber nicht explizit hin. Wegen eines Generalverweises bezüglich des Begriffs des „Nachstellens“ in das Gewaltschutzgesetz, das wiederum auch von der Nachstellung mittels Fernkommunikationseinsatz ausgeht, könnte eine Orientierung an dem Fernkommunikationsmittelbegriff nahe liegen. Gemäß § 312b Abs. 2 BGB sind solche Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk-, Teleund Mediendienste. Eine genaue Definition des Telekommunikationsmittels kann aber unterbleiben. Mittels obiger Definitionen aus anderen Gesetzen kann man sich doch recht gut ein Bild davon machen, was dem Gesetzgeber bei Regelung dieser Art des Nachstellens vor Augen schwebte. Außerdem findet sich in den Materialien zur Gesetzgebung eine nicht abschließende Aufzählung von nach dieser Nummer erfassten StalkingHandlungen. Darunter zählen unerwünschte Anrufe, E-Mails und SMS.108 Aber auch herkömmliche Briefe oder sonstiges Hinterlassen von Nachrichten werden hinzugezählt.109 Hierfür wird als Beispiel das Hinterlassen von Nachrichten an der Windschutzscheibe des Opfers genannt.110

107 108 109 110

Mosbacher, NStZ 2007, 665 (667 f.); Krüger, S. 117 f. BT-Drs. 16/575, S. 7; BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 6. BT-Drs. 16/575, S. 7; BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 6. BT-Drs. 16/575, S. 7.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Der Anwendungsbereich der Nummer zwei wird noch erweitert auf die mittelbare Kontaktaufnahme durch Dritte, wenn diese wiederum vom Täter hierzu veranlasst wurden, § 238 Abs. 1 Nr. 2 letzte Variante StGB. Insoweit es sich dabei um den Einsatz unwissender Dritter handelt, die quasi für den Täter mit dem Stalking-Opfer in Kontakt treten, er sie also für die eigentliche Handlung des Nachstellens benutzt, wird im Anschluss unter einem separaten Punkt einzugehen sein.111 Insgesamt wird in § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB ein typisches Stalker-Verhalten sanktioniert: Kontaktaufnahme durch Mittel der Telekommunikation, aber auch die Benutzung von Telekommunikationsmitteln, die gar nicht den Informationsaustausch anstrebt, sondern das Opfer terrorisiert, bekannt als Telefonterror, wird erfasst. Besonders auffällig an § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist, dass hier schon die versuchte Kontaktaufnahme eine vollendete Nachstellung darstellt. Insgesamt ist der Absatz eins des § 238 StGB als Vergehen nicht im Versuch unter Strafe gestellt. Der Versuch der Nachstellungen über Kommunikationsmittel schien dem Gesetzgeber aber strafwürdig zu sein. Bedeutsam wird die Versuchsstrafbarkeit vor allem in der Variante, wenn der Täter vergeblich versucht hat, Dritte zur Kommunikation mit dem Opfer einzusetzen, sowie bei Telefonterror durch sogenannte Abbruchanrufe. Die Verfolgung eines Opfers mittels GPS oder Handy-Ortung hingegen wird von § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht sanktioniert. Dabei ist die Überwachung einer Person durch Ortung ihres Mobiltelefons durchaus nicht so unüblich, wie es zunächst scheint, was die Vielzahl von Betreibern entsprechender Ortungsdienste, wie „ehebruch24“112, „handylocator“113 oder auch „locate24“114, um nur einige wenige zu nennen, beweist. Zwar ist eine Einwilligungs-SMS vom überwachten Mobiltelefon notwendig um die Ortung zu ermöglichen. In Fällen von Nachstellen zwischen Partner, Ex-Partnern, aber auch Kollegen oder Bekannten ist die, dann zwar widerrechtliche, aber meist unbemerkte, Überwachung aber möglich, wenn der Stalker in einem unbeobachteten Moment die Bestätigungs-SMS vom Handy des Opfers abschickt. Ist dies einmal geschehen, kann das Mobiltelefon bei den meisten Ortungsdiensten unbegrenzt häufig geortet werden, ohne dass weitere Nachweise über die Lokalisierungen auf dem betroffenen Handy eingehen. Weiter ist daran zu denken, dass ein Stalker auch ein Zweit-Handy rechtmäßig zur Ortung anmelden könnte und es danach dem Opfer „unterschieben“ könnte, beispielsweise durch Manipulation an dessen Auto. Gleiches gelingt einem Täter, der ein GPS-Gerät zur Hundeortung115 zweckentfremdet. Obwohl der Stalker in diesen Fällen Mittel der Telekommunikation116 wenn auch zweckentfremdet nutzt, wird diese Verhaltensweise nicht von § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst, da keine Kontaktaufnahme mit dem Opfer versucht wird. Schließ111 112 113 114 115 116

Vergleiche hierzu S. 106 f. http://www.ehebruch24.de. http://www.handylocator.de. http://www.locate24.de. Wie etwa den „BuddyCS8“des Betreibers „corscience“. Vergleiche zum Telekommunikationsbegriff Ausführungen auf S. 75.

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lich soll die Ortung des Mobiltelefons im Idealfall vom Opfer nicht bemerkt werden, um dem Täter entweder scheinbar zufällig über den Weg zu laufen oder ihm schlicht die Befriedigung zu geben, immer zu wissen, wo sich das Opfer gerade aufhält. Anders als beim Telefonterror durch Klingelnlassen und Auflegen, der eigentlich auch keine Kontaktaufnahme bezweckt, aber nach dem Willen des Gesetzgebers wohl trotzdem von Ziffer zwei erfasst wird, bemerkt das Opfer die Ortungen nicht; hingegen hört und bei neueren Telefonen sieht es aber die unbeantworteten Anrufe, was für eine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, die erfordert, dass das Opfer das Stalking wahrnimmt, Voraussetzung ist. Allein durch die Lokalisierung wird zwar das Opfer in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, das Schutzgut persönliche Freiheit kann hierdurch jedoch nicht betroffen werden. Erst wenn der Stalker die Ortung des Opfers nutzt, um es einfacher persönlich zu verfolgen und das Opfer dies dann wahrnimmt, kann von nach § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB tatbestandlichem Nachstellen ausgegangen werden. Das Lokalisieren des Opfers ist insoweit straflose Vorbereitungshandlung. Insoweit besteht eine Regelungslücke.117 Relevant wird die nur in Fällen, in denen der Stalker nicht, oder nicht in beharrlicher Weise, auf die tatbestandlichen Verhaltensweisen des § 238 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB zurückgreift. Nur angedacht soll eine Konstellation werden, in der der Stalker seine Befriedigung schon daraus zieht, seinem Opfer nur hin und wieder mitzuteilen,118 er wisse immer wo es sich aufhalte und wo er es zu finden habe. Es könne ihn nicht abschütteln; er sei immer bei ihm. Auch dann mag ein Opfer seine Lebensgestaltung umstellen und mit einer Veränderung des Lebensrhythmus reagieren um dem Stalker zu entgehen und insoweit in tatbestandlich relevanter Weise beeinträchtigt sein. Zweifelhaft ist, ob diese Variante des Stalkings von Ziffer fünf erfasst wird; schließlich müsste man der Ansicht sein, der Gesetzgeber habe den Kommunikationsmitteleinsatz in Ziffer zwei abschließend geregelt, sodass sich ein Rückgriff auf den Auffangtatbestand verbietet. b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB Bezüglich des Tatbestandsmerkmals „beharrlich“ wird auf die Ausführungen auf S. 50 ff. verwiesen. Insoweit ergeben sich keine Änderungen.

117

Inzwischen scheint der Gesetzgeber, unabhängig vom Stalking-Straftatbestand, auf die Problematik von heimlichen Handyortungen durch private Dienstleister aufmerksam geworden zu sein, vgl. BT-Drs. 16/9608. 118 Und insoweit nicht beharrlich im Sinn von § 238 Abs. 1 Nr. 2StGB mit dem Opfer Kontakt aufnimmt.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Auch das Erfordernis der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers wurde schon ausführlich diskutiert. Insoweit gilt das auf S. 52 ff. Gesagte. d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB „Unbefugt“ kann als Hinweis auf die Rechtfertigungsebene verstanden werden. Siehe ausführliche Behandlung auf S. 58 f. 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG a) „Verfolgen unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln“ Eine unzumutbare und somit abwehrbare Belästigung im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG liegt auch bei der Verfolgung unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln vor. In den Gesetzesmaterialien werden hierfür beispielhaft Telefax, Internet oder Mobiltelefone genannt.119 Weiterhin soll Telefonterror eine unzumutbare Belästigung darstellen. Auf eine eigenständige Legaldefinition dieser Fernkommunikationsmittel verzichtet das Gewaltschutzgesetz und auch die meisten Kommentierungen des Gesetzes zählen, wenn überhaupt darauf eingegangen wird, nur die gängigen Mittel E-Mail, Telefon und SMS auf.120 Da das Gewaltschutzgesetz zu seiner Durchsetzung nach bisher herrschender Ansicht aber auf die materiellen Ansprüche des Bürgerlichen Gesetzbuches zurückgreift und insoweit nur als Verfahrensnorm wirken soll, erscheint ein Rückgriff auf die dortige Legaldefinition des Begriffs des Fernkommunikationsmittels, dessen Geltungsbereich sich nicht nur auf das BGB beschränkt, gut vertretbar,121 zumal beide Normen zum 1. 1. 2002 in Kraft getreten sind. Gemäß § 312b Abs. 2 BGB sind unter Fernkommunikationsmitteln solche Kommunikationsmittel zu verstehen, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere genannt werden Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. Diese Aufzählung darf nicht als abschließend betrachtet werden, sodass man davon ausgehen kann, dass alle technischen Hilfsmittel zum Austausch von Erklärungen, die die Abwesenheit der Kommunikationspartner voneinander überwinden, vom Fernkommunikationsmittelbegriff erfasst werden. 119 120

BT-Drs. 14/5429, S. 29. JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 16; NomosBR-Erl-Schuhmacher, § 1 GewSchG,

S. 2. 121

Ebenso: JurisPK-BGB-Junker, § 312b Rdn. 40.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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Somit fallen Nachstellungen, die mittels SMS, MMS, Internet-Chats oder E-Mail begangen werden, ebenso in den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG wie solche mittels Fax, Briefen, hinterlassenen Nachrichten oder Telefon. Auch der Telefonterror, bei dem es, wenn das Opfer das Gespräch nicht entgegen nimmt, beim Kommunikationsversuch bleibt, wird vom Regelungsbereich des Gewaltschutzgesetzes erfasst. Tatbestandlich ist nämlich die Verfolgung unter Verwendung der Fernkommunikationsmittel. Zum einen ist das Telefon, sei es nun ein Festnetz- oder Mobilfunkanschluss, ein Fernkommunikationsmittel. Zum anderen setzt die Verfolgung keine erfolgreiche Kontaktaufnahme oder einen Informationsaustausch voraus. Verfolgen kann in diesem Zusammenhang nicht in der Bedeutung von „hinterherlaufen“ verstanden werden, vielmehr kann „jemanden verfolgen“ auch bedeuten, jemanden hartnäckig und unablässig zu bedrängen oder in seinen Freiheiten zu beschränken, beziehungsweise jemanden seiner Existenzgrundlage zu berauben.122 Und genau dies geschieht beim Telefonterror: Die betroffene Person wird mit den Anrufen geplagt, gequält; ihr wird übel zugesetzt. Auch der Telefonterror kann somit dem Verfolgen unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zugeordnet werden. Des Weiteren kann man die Auffassung vertreten, dass Telefonterror auch unter den Nachstellungsbegriff der Var. 1 des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG fallen könnte. Dafür könnte die Einordnung desselbigen in den Dokumenten des Gesetzgebers sprechen: Darin nennt er Telefonterror und Kontaktversuche, bevor er auf die Fernkommunikationsmittel eingeht, sodass sich der Eindruck ergibt, der Telefonterror werde dem Nachstellen nach Variante eins zugeordnet.123 Hieraus sollte man aber keine strenge Dogmatik ableiten. Wie oben ausgeführt, wird man den Telefonterror eher der zweiten Variante und somit der Verfolgung durch Fernkommunikationsmittel zuordnen. Die Erwähnung in Zusammenhang mit der ersten Variante „Nachstellen“ widerspricht dem nicht, da nicht ersichtlich ist, warum die beiden Varianten einander ausschließen sollten; schließlich soll der Schutz des Stalking-Opfers besonders umfassend sein. Jedenfalls fällt der Telefonterror eindeutig in den Regelungsbereich des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG. Weiter dürfte auch das Publizieren belästigender Inhalte im Internet zum Zwecke der Kenntnisnahme durch Dritte und des Opfers vom Regelungsbereich des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG erfasst sein.124 Das Internet wird vom Gesetzge122

Duden, Das Bedeutungswörterbuch, S. 976 f. BT-Drs. 14/5429, S. 29: Dazu gehören eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die sich als erhebliche Belästigungen beim Opfer auswirken. Hier sind zu nennen: die wiederholte Überwachung und Beobachtung einer Person, die ständige demonstrative Anwesenheit des Täters in der Nähe der Person, die „körperliche“ Verfolgung, Annäherung, Kontaktversuche sowie Telefonterror. Erfasst werden aber auch Belästigungen durch Hinterlassen von Mitteilungen unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln wie Telefax, Internet oder Mobiltelefonen. 124 Ebenso: Hilgendorf/Hong, K&R 2003, 168 (171); ablehnend: Löhnig, Zivilrechtlicher Gewaltschutz, Rdn. 92. 123

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

ber selbst als Fernkommunikationsmittel angesehen.125 Entscheidend ist, dass die Mitteilung im World Wide Web sich an jegliche interessierte Person richtet, qui vis ex populo; hierzu gehört auch der Gestalkte, der früher oder später von dritten Personen oder dem Täter selbst auf die Internetpublikation aufmerksam gemacht wird. Weiter könnten sich aber Zweifel daran ergeben, ob man das Publizieren belästigender Inhalte im Internet auch als Verfolgen ansehen kann. Mit dem schon ausgeführten Verständnis des Begriffs des Verfolgens, wonach darunter das Bedrängen, Quälen und Plagen einer Person zu verstehen ist, lösen sich selbige hingegen auf. Einem Opfer wird genauso durch Veröffentlichung und Zugänglichmachung belästigender Inhalte zugesetzt wie durch SMS oder Briefe mit dem gleichen Inhalt. Die oben skizzierte und von § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfasste Möglichkeit, sein Opfer über Mobiltelefone oder GPS-Geräte zu lokalisieren, fällt hingegen in den Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes. Die Verfolgung unter Fernkommunikationsmitteleinsatz setzt hier keine, zumindest versuchte, Kontaktaufnahme voraus. Tatbestandlich erfasst ist das Verfolgen; genau dies geschieht mittels der Handyortung. Neben Variante zwei erfüllt das skizzierte Verhalten auch § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG: „nachstellen.“ Dass der Gesetzgeber die zu missbilligenden Nutzungen der Fernkommunikationsmittel in der zweiten Variante der zu prüfenden Gewaltschutznorm aufgeführten Verhaltensweise erschöpft sehen wollte, ist nicht ersichtlich. Gerade der Telefonterror wird, ausgehend vom Textverständnis der obig zitierten Passage der Materialien zur Gesetzesbegründung, der ersten Variante zugeordnet, obwohl das Telefon ein Mittel zur Fernkommunikation darstellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber beide Normvarianten weit verstanden sehen möchte und durch die kurzen Ausführungen keine dogmatisch relevante Einordnung der Verhaltensweisen oder Stalkingmittel festlegen wollte. Aus diesem Grund wird auch das Publizieren von beleidigenden oder obszönen Inhalten in Presseerzeugnissen, etwa durch Schaltung von falschen Kontaktanzeigen oder Werbeanzeigen zum angeblichen Anbieten erotischer Dienstleistungen oder Ähnliches, als tatbestandlich relevantes, unzumutbares Belästigen im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG anzusehen sein. b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG Bezüglich der weiteren Erfordernisse des Gewaltschutzgesetzes wird auf die Ausführungen auf den Seiten 61 f. verwiesen.

125

BT-Drs. 14/5429, S. 29.

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3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB a) Gesundheitsverletzung Tritt neben die reine Belästigung durch eine nachstellende Verwendung von Telekommunikationsmitteln eine Schädigung der Gesundheit des Opfers, kommt als Abwehranspruchsgrundlage §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen einer Gesundheitsverletzung in Betracht. Auf eine ausführliche Diskussion dieses Anspruchs auf Unterlassung der Belästigungen, durch die die Gesundheitsschädigung hervorgerufen oder gesteigert wurde, kann an dieser Stelle verzichtet und nach oben verwiesen werden. b) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Daneben könnte das unerwünschte Schicken von E-Mails, SMS oder sonstigen Textnachrichten, ebenso wie fernmündliche Belästigungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Opfers darstellen. Wie bereits ausgeführt, wird vorliegend vertreten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch den Schutz des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährt und somit zur Abwehr beeinträchtigender Belästigungen herangezogen werden kann. Als typische StalkingHandlung ist die Belästigung unter Verwendung von Mitteln der Telekommunikation vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst. Diesbezüglich sind sich die Stimmen in der Rechtswissenschaft, die ebenso den Schutz vor Aufdrängen von Kontakten dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuordnen, einig: Telefonische Belästigungen mit sexueller Zielrichtung oder gar telefonischer Terror stellen wegen der von vornherein nicht auf Kommunikation angelegten, heimtückischen Entfremdung der telefonischen Erreichbarkeit ein unerlaubtes, Unterlassungs-, Beseitigungs- und Entschädigungsansprüche auslösendes Verhalten dar, auch wenn die Schwelle zur Verletzung der physischen oder psychischen Integrität nicht überschritten wurde oder eine Beleidigung nicht angenommen werden kann.126 Somit kann festgehalten werden, dass der Anwendungsbereich des Unterlassensanspruchs aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weiten Raum einnimmt. Ohne eine Schädigung an der Gesundheit vorauszusetzen, wird der Anspruch zu gewähren sein, wenn das Opfer durch den Telekommunikationsmitteleinsatz belästigt wird. Das wird beim Telefonterror regelmäßig der Fall sein, bei SMS, E-Mails und anderen Textnachrichten sobald der Rahmen der sozialüblichen Verhaltensweise überschritten wird oder aber sich das Opfer dahingehend äußert, dass es keinen Kontakt mit dem Täter unterhalten oder aufbauen wolle. 126 MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn. 100; ebenso JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 33 mit Verweis auf LG Oldenburg NJW 1996, 62; AG Frankfurt NJWE-VHR 1996, 24.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

4. Sonstige Schutzgesetze Wiederum ist zu prüfen, ob diese Verhaltensweise bereits von bestehenden Strafnormen sanktioniert wird. Fälle, in denen Opfer einmalig am Telefon zum sexuellen Verkehr oder Körperverletzungen an sich selbst motiviert werden, werden an dieser Stelle nicht weiter erörtert,127 da sie sich im Gegensatz zum Stalking in der einmaligen Belästigung erschöpfen und nicht dem typischen Muster der mehrmaligen Belästigung des Nachstellens folgen. a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 123 Abs. 1 StGB (Hausfriedensbruch) Im Falle von Nachstellungen mittels Telefonterrors muss eine Strafbarkeit wegen Störung des Hausfriedens aus § 123 StGB ausscheiden, da für einen Hausfriedensbruch ein körperliches Eindringen des Täters in dessen Besitztum zu fordern ist.128 Gleiches gilt daher auch für ein Einwerfen von belästigenden Briefen in den Briefschlitz oder das Zusenden von E-Mails, SMS oder MMS, da es nicht ausreicht, wenn die Nachricht in das befriedete Besitztum gelangt; der Täter müsste eindringen. b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) Im Fall von immer wiederkehrendem Telefonterror könnte eine Verwirklichung des § 240 StGB in Betracht kommen. Hierbei ist aber die Gewaltanwendung zweifelhaft: Die für die Anrufe notwendige, aber nur sehr geringe körperliche Kraftentfaltung wird man nicht als ausreichend im Sinn des Nötigungstatbestandes ansehen können.129 Mithin liegt in Fällen des Telefonterrors keine Gewaltanwendung vor, ebenso kann allein durch die Telefonate keine Drohung mit einem empfindlichen Übel angenommen werden. Werden solche telefonisch oder durch sonstige Kommunikationsmittel ausgesprochen, ist eine Strafbarkeit nach § 240 StGB natürlich möglich. Das durch das Klingeln des Telefonapparats motivierte Begeben des Opfers zum Telefon, mit der Intension, das vermeintliche Gespräch anzunehmen, stellt, entgegen anderslautenden Meinungen,130 auch keinen hinreichenden Nötigungserfolg dar. Fragwürdig ist, ob beim Angerufenen durch das Klingeln des Telefons tatsächlich eine tatbestandlich relevante psychische Zwangslage geschaffen wird. Denn schließ127 Angeführt seien an dieser Stelle die kaum fassbaren Fallbeispiele in Hunsicker/Brörmann, Kriminalistik 1997, 175 ff. bei denen sich u. a. eine Frau am Telefon mit einem vermeintlichen Arzt auf einer Kliniktoilette zum sexuellen Verkehr verabredete um so ihrem vermeintlich verletzten und geschlechtskrankem Mann ein Gegenmittel zu verschaffen. 128 Schönke/Schröder-StGB-Lenkner/Sternberg-Lieben, StGB, § 123 Rdn. 12. 129 Ebenso: Herzog, GA 1975, 257 (260). 130 Vgl. Herzog, GA 1975, 257 (260).

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lich vermag der Angerufene selbst zu entscheiden, ob er den Anruf entgegennimmt oder es klingeln lässt. Wenn der Angerufene aber die Wahl hat, wird weder seine Willensentschließungsfreiheit noch seine Willensbetätigungsfreiheit nennenswert beeinflusst. Genau diese sollen aber durch den Nötigungsstraftatbestand geschützt werden. Eventuelle Belästigungen durch die Telefonanrufe, wie unangenehm sie auch sein mögen, werden nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst. c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) Wenn die Störung durch Telefonanrufe Auswirkungen auf die physische und psychische Verfassung des Angerufenen haben kann, denen Krankheitscharakter zukommt,131 ist an eine Strafbarkeit wegen der Körperverletzungsdelikte zu denken. Reine Befindlichkeitsstörungen wie das Gefühl infolge der Kontaktversuche unausgeglichen, müde oder „gerädert“ zu sein, reichen für eine Körperverletzung nicht aus.132 Es wurde bereits ausführlich auf die Probleme um das Kriterium des Körperlichkeitsbezuges hingewiesen. Folgt man der Meinung, dass für die Annahme eines Körperlichkeitsbezuges der Missbrauchsvariante keine konkreten Kriterien zu erkennen sind, könnte im Telefonterror bereits eine körperliche Misshandlung gesehen werden.133 Ganz vereinzelt hat die Rechtsprechung bei nächtlichem Telefonterror schon wegen § 223 Abs. 1 Var. 1 StGB verurteilt.134 Verursachen die Telefonanrufe nicht nur unerhebliche psycho-vegetative Störungen, so wird gleichzeitig fast immer eine Gesundheitsschädigung im Sinn der Variante zwei des § 223 Abs. 1 StGB vorliegen. Dies wird besonders anzunehmen sein, wenn nicht nur „Abbruchanrufe“ getätigt werden, sondern telefonisch Bedrohungen oder erfundene Schreckensnachrichten mitgeteilt werden. Auch die Verschlechterung einer schon bestehenden Krankheit, die durch den mit dem Telefonterror verbundenen Stress herbeigeführt wird, wird als geeignete Körperverletzung im Sinn der Norm angesehen und eine Bestrafung des Täters aus § 223 Abs. 1 StGB bejaht.135 Zu beachten ist jeweils ein entsprechender Tätervorsatz, wobei dolus eventualis ausreicht. An dieser Stelle sei der Telefonterror mittels Anrufversuchen nur exemplarisch herangezogen. Textnachrichten wie SMS, E-Mails, Nachrichten innerhalb von Kontaktportalen oder Chats (sog. Cyberstalking) oder postalische Briefe können ebenso Körperverletzungen in Form von krankhaften psycho-vegetativen Störungen auf Opferseite hervorrufen.

131 132 133 134 135

Vergleiche entsprechende Ausführungen oben S. 63 f. OLG Düsseldorf NJW 2002, 2118. Vergleiche entsprechende Ausführungen bei Utsch, S. 33. LG Hamburg MDR 1954, 630. BayObLG JZ 1974, 393 (Verschlechterung einer Schilddrüsenerkrankung).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

d) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) Bei mangelndem Körperverletzungsvorsatz aber eingetretener Gesundheitsschädigung oder Misshandlung wird eine Strafbarkeit des Stalkers wegen fahrlässiger Körperverletzung anzunehmen sein. e) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) Äußert der Stalker in seinen E-Mails, Telefonanrufen oder sonstigen Arten der Kommunikation mit dem Opfer Beschimpfungen oder Herabsetzungen, kommt auch eine Einschlägigkeit der Beleidigungsdelikte nach §§ 185 ff. StGB in Betracht. In Beschimpfungen ist regelmäßig eine tatbestandliche Missachtung oder Nichtachtung zu sehen, die auch kundgegeben wird. Sendet der Täter dem Opfer Mitteilungen mit porno-grafischem Inhalt zu, kommt auch eine Verwirklichung des § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB (Verbreitung pornografischer Schriften) in Betracht. Auch bei der Kundgabe der herabsetzenden Äußerungen gegenüber Dritten mittels der genannten Kommunikationsmittel ist an eine Strafbarkeit nach § 185 StGB zu denken; bei der Verbreitung unwahrer Tatsachen gegenüber Dritten auch nach § 187 StGB (Verleumdung). Problematisch wäre es, wenn man auch in bloßen Störanrufen per se eine Beleidigung verwirklicht sehen würde. Nach gängiger Auffassung ist eine Beleidigung der rechtswidrige Angriff auf einen anderen durch Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung.136 Unter Kundgabe ist die Äußerung der Miss- beziehungsweise Nichtachtung gegenüber einem anderen zu verstehen.137 Diese kann sowohl mündlich, schriftlich, bildlich, symbolisch, als auch durch schlüssiges Verhalten oder Tätlichkeiten erfolgen.138 Weiter setzt die Kundgabe voraus, dass ein anderer Kenntnis von der Äußerung erlangt und sie in ihrem ehrenrührigen Sinne versteht.139 Hat also ein ehrverletzendes Verhalten einen für sich schlüssigen Symbolcharakter, der objektiv verstanden wird, kann dies eine Beleidigung nach § 185 StGB darstellen. Zwar mag das Opfer nach einigen Störanrufen verstehen, dass es dem Anrufer nicht um Kommunikationsversuche geht; jedoch kann es nicht von vornherein davon ausgehen, dass jeder Anruf, der bei ihm eingeht, dem Stalker zuzuordnen ist. Denn schließlich handelt es sich bei Anrufen um ansonsten zu billigendes sozialadäquates Verhalten. Und genau aus diesem Grund kann man bei Störanrufen, 136

BGHSt 1, 289; BGHSt 11, 67; BGHSt 16, 63. Kühl/Lackner-StGB, § 185 Rdn. 7. 138 MünchKomm-StGB-Regge, § 185 Rdn. 8 mit weiteren Nachweisen. 139 BGHSt 9, 17 (19); BeckOK-StGB-Valerius, § 185 Rdn. 19; LK-StGB-Hilgendorf, § 185 Rdn. 26; MünchKomm-StGB-Regge, § 185 Rdn. 28; SK-StGB-Rudolphi § 185 Rdn. 17; NK-StGB-Zaczyk, § 185 Rdn. 13; Rengier, BT II, § 28, Rdn. 22. 137

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bei denen es nicht zum erfolgreichen Kontakt mit dem Opfer kommt, nicht pauschal von einer Strafbarkeit des Anrufers nach § 185 StGB ausgehen. Denn schließlich kann man bei Belästigungen nur dann von tatbestandlichen Beleidigungen ausgehen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Ansicht von der Einschätzung der Minderwertigkeit des Opfers ausdrücken.140 Zwar ist es respektlos, eine andere Person zu jeder Tages- und Nachtzeit mit Telefonklingeln zu belästigen, es würde aber den Rahmen des § 185 StGB sprengen, wenn man automatisch von einer entsprechenden Strafbarkeit ausginge. Nicht ausgeschlossen werden soll, wie oben ausgeführt, hingegen das Beschimpfen oder sexuelle Belästigen des Opfers am Telefon oder auf den sonstigen Kommunikationswegen. Darin kann, je nach Inhalt, eine strafrechtlich relevante Beleidigung gesehen werden. 5. Ergebnis Auch in seinem Regelungsgehalt um den nachstellenden Telekommunikationsmitteleinsatz vermag § 238 Abs. 1 StGB nicht mit Neuerungen in Bezug auf die Reichweite seines Tatbestandes zu überzeugen. Sämtliche unter den Tatbestand zu subsumierenden Verhaltensweisen werden schon ausreichend vom Zivilrecht erfasst. Zum Teil erfüllt die Nachstellung unter Kommunikationsmitteleinsatz auch andere strafrechtliche Schutzgesetze. Auch die vermeintliche Neuerung des Erfassens des Versuchs des Nachstellens in dieser Variante lässt einen nicht zu einem anderen Ergebnis kommen: Praktisch gedacht, wird eine solche Nachstellung meist nur beim Telefonterror auf dem Festnetz oder Handy im Versuch stecken bleiben und trotzdem vom Opfer bemerkt werden.141 Auch dies stellt schon einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, beziehungsweise ist als unzumutbare Belästigung nach dem Gewaltschutzgesetz anzusehen. Dem Stalking-Opfer stehen somit ausreichende zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen den Kommunikationsmittel nutzenden Stalker zu, ohne dass auf § 238 StGB zurückgegriffen werden müsste.

140

Schönke/Schröder-StGB-Lenckner, § 185 Rdn. 2. Dies kann wohl als notwendige Voraussetzung angesehen werden, um in der Lebensgestaltung kausal durch die Handlung beeinträchtigt zu werden. 141

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

III. Warensendungen und Dienstleistungen durch Angabe personenbezogener Daten des Opfers 1. § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB a) „Unter missbräuchlicher Verwendung von dessen personenbezogenen Daten Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für ihn aufgeben“ § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB widmet sich einer Nachstellungsvariante, bei der sich der Stalker nicht selbst dem Opfer nähert, sondern sich dafür der Hilfe unwissender Dritter bedient. Sanktioniert wird in § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein Verhalten, bei dem der Täter unter missbräuchlicher Verwendung der personenbezogenen Daten des Opfers Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen aufgibt oder Dritte veranlasst mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen.142 Variante eins stellt eine Reaktion auf das nicht unübliche Stalker-Verhalten dar, unter dem Namen des Opfers und ohne Kenntnis desselbigen, Zeitschriften zu abonnieren, Dienstleister wie Handwerker zu beauftragen, die beim Opfer dann ganz unvermittelt vor der Türe stehen oder diesem Warensendungen jeglicher Art zukommen zu lassen.143 Auch beliebt ist, dem Stalking-Opfer mehrmals täglich einen Pizza-Service vorbeizuschicken.144 Der Begriff der missbräuchlichen Verwendung der Daten kann bei § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB derart verstanden werden, dass eine missbräuchliche Verwendung vorliegt, wenn der Wille des Opfers entgegensteht. Personenbezogene Daten müssen in diesem Zusammenhang mehr sein als Daten im Sinn des § 202a Abs. 2 StGB, nach dem die relevanten Daten verkörpert sein müssen.145 Eine Orientierung an dem Begriff der personenbezogenen Daten aus dem Bundesdatenschutzgesetz scheint zweckmäßiger. Gemäß § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Hierzu gehört neben dem Namen auch die Telefonnummer und Adresse des Opfers. Mit der letzten Variante des Tatbestandes will der Gesetzgeber Fälle erfassen, in denen unter dem Namen des Opfers und unter Angabe seiner Kontaktdaten Dritte veranlasst werden, mit dem Opfer in Kontakt zu treten; beispielsweise durch falsche Kontaktanzeigen, die der Täter schaltet und auf die sich dann Interessenten beim Opfer melden.146 Hierzu nennen die Gesetzesmaterialien auch die Variante einer Anzeige, die die Telefonnummer des Opfers angibt und ein Angebot zu sexuellen Dienst142

BT-Drs. 16/575, S. 7 Auf die Variante des Nachstellens unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten Dritte zu veranlassen, mit dem Opfer in Kontakt zu treten (§ 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB) wird gesondert auf S. 106 ff. eingegangen. 144 Vgl. Sachverhalt der Entscheidung des AG Rendsburg vom 22.11.2005 – 8 Ds 577 Js 17307/05. 145 Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1032). 146 BT-Drs. 16/575, S. 7. 143

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leistungen enthält,147 ein Sachverhalt wie er dem BGH schon in den 80er Jahren vorlag.148 Bezüglich einer ausführlichen Besprechung dieser Tatvariante wird auf die S. 106 ff. verwiesen. Es wurde im Rahmen der Diskussion des neuen Tatbestandes des § 238 StGB gerügt, dass von Ziffer drei nicht das Schalten von falschen Anzeigen erfasst werde, die nicht dazu dienen sollen, dass Dritte mit dem Opfer in Kontakt treten; wie falsche Traueranzeigen oder Hochzeitsankündigungen.149 Dieser von Mosbacher geübten Kritik ist entgegenzuhalten, dass gerade Hochzeits- oder Traueranzeigen dazu veranlassen, mit dem Stalking-Opfer oder seinen vermeintlichen Hinterbliebenen in Kontakt zu treten, um entweder Glückwünsche oder Beileidsbekundigungen zu übermitteln. Und genau dies beabsichtigt der Stalker: Zum Ärgernis des Opfers, dass die falsche Anzeige erscheint, tritt die Auseinandersetzung mit dem Bekanntenkreis hinzu, dem man erklären muss, wie es überhaupt zu einer solchen Annonce kommen konnte. Somit ist § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB doch erfüllt. Zur Annahme, dieses Verhalten könnte allenfalls in den Anwendungsbereich des Auffangtatbestandes der Nummer fünf fallen,150 ist noch zu ergänzen, dass die geschilderte Handlung, wenn der Täter unter dem Namen des Opfers agiert, was bei Hochzeitsankündigungen auch der Fall sein kann, auch den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB erfüllen kann. Schließlich ist die Inauftraggabe von Werk- und Dienstleitungen von Ziffer drei erfasst. Nicht erfasst wird von diesem Tatbestand die Vorgehensweise, in der der Täter unter seinem eigenen Namen agiert und dem Opfer beispielsweise Blumen oder andere Geschenke zukommen lässt. Selbst wenn er die Blumen nicht selbst vor die Türe legt, sondern einen Blumenvermittlungsservice mit der Lieferung beauftragt, der bei Ausführung des Auftrags mit dem Opfer in Kontakt tritt, wird der Tatbestand nicht erfüllt. Insoweit muss Variante zwei so gelesen werden, dass sich ein Täter nur dann nach ihr strafbar macht, wenn er unter missbräuchlicher Verwendung von personenbezogenen Daten des Opfers Dritte veranlasst, mit diesem in Kontakt zu treten. Schickt man einer Person Blumen oder andere Geschenke, verwendet man ihren Namen und ihre Adresse, wenn man sie nur zur Empfängerangabe nutzt, nicht missbräuchlich. Problematisch ist dies vor allem deshalb, weil auch keine andere Nummer des § 238 Abs. 1 StGB, außer dem sehr infrage stehenden Auffangtatbestand der Nummer fünf, diesen Fall erfasst.151 Insoweit ist auch nicht § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB einschlägig, da der Täter den Blumenvermittlungsservice nicht einsetzt, um mit deren Hilfe Kontakt zum Opfer herzustellen. Vielmehr möchte er das Opfer über die Geste des Geschenkes für sich gewinnen. Ein Blumenstrauß als solcher ist auch kein Kommunikationsmittel im Sinn von § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB. Liegt 147 148 149 150 151

BT-Drs. 16/575, S. 7 f. BGH, Beschluss vom 3. 11 .1983 – 1 StR 515/83. Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). Hierzu mehr auf S. 117 ff.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

dem Strauß hingegen eine Grußkarte bei, verwendet der Stalker das Kommunikationsmittel des Briefes und verwirklicht somit die Tatbestandsvariante. Dass das verbreitete Nachstellungsverhalten der grußlosen Warenzusendung, das sich ja nicht immer auf das Schenken von Blumen beschränkt, man denke etwa an Lieferungen von Sexshops oder Ähnliches, vom neuen Anti-Stalking-Paragraphen nur in seiner verfassungsrechtlich sehr infrage stehenden Variante erfasst wird, kann als Regelungsfehler des Gesetzgebers angesehen werden. Auch könnte ein Stalker auf die Idee kommen dem Opfer Strom und Wasser abzubestellen, folglich den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB „umkehren“.152 Zweifelhaft ist, ob dies vom Tatbestand erfasst wird, da der Wortlaut der Nummer drei nur von Bestellungen von unerwünschten Waren ausgeht, nicht von der Abbestellung erwünschter. Die Abbestellung erwünschter Waren und Dienstleistungen ist deshalb auch strafwürdig, weil die genauso unverhofft ausbleiben, wie die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen eintreffen. Auch das Maß der Unannehmlichkeiten für das Opfer, das auch hier zunächst noch an einen Zufall oder Fehler des Dienstleisters oder Warenlieferanten denken mag und sich dann für die weitere Erbringung der vom Täter abbestellten Leistungen einsetzen muss, ist vergleichbar. Insoweit hätte auch eine weitere Formulierung gefunden werden können, zum Beispiel „unter missbräuchlicher Verwendung von dessen persönlichen Daten Rechtsgeschäfte für es tätigt oder sonstige Willenserklärungen abgibt“. b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB An dieser Stelle sei auf die Besprechung auf S. 50 f. verwiesen. c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Auch das Erfordernis der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers wurde auf S. 52 ff. schon ausführlich behandelt. d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB Siehe ausführliche Behandlung auf S. 58 f. 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b Var. 1 GewSchG a) „Nachstellen“ Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG ist die Nachstellung durch unzumutbare Belästigungen tatbestandlich. So könnte denn auch das Bestellen von 152

Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1033).

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Waren oder Beauftragen von Dienstleistern unter dem Namen des Opfers eine solche darstellen. Da in der Kommentarliteratur zum Gewaltschutzgesetz Entscheidungen und Tatbestandsvarianten für Nachstellungen durch Warensendungen nicht zu finden sind, stellt sich die Frage, ob derartige Verhaltensweisen von der Rechtsprechung bisher nicht als tatbestandlich eingestuft worden sind oder ob es lediglich an publizierten Entscheidungen, insbesondere erstinstanzlicher mangelt. Hierüber kann man sich nur in Spekulationen ergehen. Nach der hier vertretenen Auffassung sind aber auch Warensendungen an das Opfer unter Verwendung seines Namens als Nachstellen im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG einzustufen. Sie stehen den bisher anerkannten Belästigungskonstellationen in nichts nach: Genauso wie bei Telefonanrufen oder SMS wird das Opfer durch die Warenlieferungen gestört. Treten diese nun häufiger auf, wird dem Opfer in der Regel klar werden, dass es sich nicht mehr um Irrtümer handeln kann, sondern dass irgendjemand ihm ständig neue Waren oder Dienstleistungen zukommen lässt. Die Intention des Täters unterscheidet sich bei dieser Vorgehensweise also nicht von derjenigen, wenn er persönlich handelt. Auch die Wirkungen auf Opferseite werden die gleichen sein. Die Auseinandersetzung wird sich meist noch unangenehmer gestalten, da das Opfer den jeweiligen Warenboten oder Dienstleistenden ahnungslos gegenübersteht oder aber die Annahme verweigert und es so mit unbeteiligten Dritten zu lästigen Konfrontationen kommen kann. Daher ist nicht ersichtlich, warum ein solcher Fall nicht auch als Belästigung behandelt werden sollte, die nicht mehr zumutbar ist. Schon jetzt werden unerwünschte Dauerwerbungen für Sexangebote im Internet in der Kommentarliteratur in den Anwendungsbereich der Norm gehörend angesehen.153 Zwar wird es sich bei den Lieferungen nicht unbedingt immer um Waren oder Dienstleistungen mit obszönem oder anrüchigem Charakter handeln, doch schließt dieser Aspekt die Gleichbehandlung nicht aus. Bei der Internet-Werbung bleibt es bei der Anpreisung der Dienste. Bei der Belieferung des Opfers hingegen steht der Bote vor der Tür, die Ware liegt im Briefkasten; schlicht: Die Situation kann nicht mittels eines Klicks mit der Maus beendet werden. Meist bleibt die angesprochene Auseinandersetzung mit dem liefernden Unternehmen und dem Lieferanten nicht aus. Und genau darin ist ein größerer Grad der Belästigung zu erblicken. Folgerichtig muss auch diese Art des Stalkings als nicht zumutbare Belästigung eingestuft werden. Und auch das angegriffene Rechtsgut ist das Gleiche: in beiden Konstellationen wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht,154 das auch das Recht zur Selbstbestimmung der persönlichen Lebenssphäre umfasst, und insbesondere in Fällen hartnäckiger Nachstellungen als betroffen angesehen wird,155 beeinträchtigt. Somit kann auch die unerwünschte Warenlieferung, die der Täter unter Verwendung der Daten seines Opfers veranlasst hat, als unzumutbare Belästigung und somit 153 154 155

JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 17. Palandt-BGB-Brudermüller, § 1 GewSchG Rdn. 4. JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 33.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

als Nachstellen im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG eingestuft werden. Spätestens mit Inkrafttreten des § 238 StGB tritt eine neue Definition der Verhaltensmuster, die als Stalking anzusehen sind, ins Blickfeld. Beachtet man die Einheitlichkeit der Rechtsordnung, drängt sich eine einheitliche Auslegung des in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG und § 238 Abs. 1 StGB verwendeten Terminus „Nachstellen“ auf. Das bedeutet, dass nach § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB tatbestandliche Verhalten ist auch als tatbestandliches Nachstellen im Sinn des Gewaltschutzgesetzes anzusehen. Nach dem Wortlaut des § 238 Abs. 1 StGB stellen die in den Nummern eins bis vier aufgezählten Verhaltensweisen Nachstellungen dar, und zwar auch, wenn das Opfer durch sie nicht in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Dieses Kriterium muss nur erfüllt sein, um zu einer Strafbarkeit zu gelangen. Zudem gebietet das ultima-ratio-Prinzip des Strafrechtes, dass der strafrechtliche Tatbestand nicht weiter gefasst ist, als der zivilrechtliche. Das heißt, die Handlungen der Ziffern eins bis vier sind als Nachstellen einzustufen; sie sind somit tatbestandliches Nachstellen im Sinn von § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG, auch ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der Opferlebensgestaltung. Somit wird das Zukommenlassen von Waren unter missbräuchlicher Verwendung der personenbezogenen Opferdaten spätestens seit Inkrafttreten des § 238 StGB als tatbestandliches Handeln im Sinn des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG anzusehen sein. Anzumerken verbleibt, dass auch die Warenzusendung an das Opfer unter Namen des Täters, also das Erbringen von Geschenken, das nicht von § 238 Abs. 1 StGB erfasst wird, nach der hier vertreten Ansicht tatbestandliches Nachstellen nach dem Gewaltschutzgesetz darstellen kann. So wird das aufdringliche Nachstellen eines Verehrers genauso als tatbestandlich angesehen wie das Zusenden von Dessous.156 Freilich darf ein noch üblicher Blumenstrauß an die Angebetete nicht gleich als Stalking klassifiziert werden. Belästigt der Stalker sein Opfer aber permanent mit unliebsamen Geschenken, ist kein Unterschied zu den sonstigen anerkannten unzumutbaren Belästigungen zu erkennen, b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG Selbstverständlich muss auch hier der Täter die weiteren Voraussetzungen für Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz wie das Handeln mit Vorsatz und gegen den ausdrücklichen Willen des Opfers erfüllen. Insoweit wird auf die ausführliche Behandlung auf S. 61 ff. verwiesen.

156

JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 17.

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3. Erfasst als Schutzgut des § 12 BGB Da der Täter bei dieser Form des Stalkings dem Unternehmer gegenüber den Opfernamen als Auftragebernamen verwendet, könnte das von § 12 BGB geschützte Namensrecht des Opfers verletzt werden. Aus dessen Verletzung können dem Geschädigten Beseitigungsansprüche aus § 12 Satz 1 BGB zustehen sowie bei Wiederholungsgefahr Unterlassensansprüche aus § 12 Satz 2 BGB. § 12 BGB manifestiert den Namensschutz im Zivilrecht. Die Bestellung unter dem Namen des Opfers beim Warenlieferanten stellt eine Namensanmaßung dar.157 Da der Täter in der Regel einen anderen Namen trägt als sein Opfer und von diesem keine Vertretungsmacht herleiten darf, wird er dessen Namen regelmäßig unbefugt gebrauchen. Der Namensschutz nach § 12 BGB hat zum Ziel, den Namen in seiner Funktion als Identitätsbezeichnung zu sichern. Gibt nun der Täter unter Verwendung des Namens seines Opfers beispielsweise Warenbestellungen auf, so erweckt er dadurch den Eindruck, dass nicht ihm, sondern dem Opfer die Bestellungshandlung zuzuordnen ist. Weiter müsste Verwechslungsgefahr bestehen. Durch die Bestellung der Waren unter Benutzung des Opfernamens erweckt er beim Unternehmer natürlich den Eindruck, dass das Opfer die Bestellungshandlung vorgenommen hat. Fraglich ist aber, ob hierin eine tatbestandliche Verwechslungsgefahr zu sehen ist. Tätigt nun aber der Stalker unter Anmaßung des Opfernamens Rechtsgeschäfte, so sorgt er für doch für Zuordnungsverwirrung: Der Warenlieferant wird glauben, dass der berechtigte Träger des Namens die Bestellungen aufgegeben hat und nicht ein Unbefugter. Insoweit ist von einer tatbestandlichen Namensverletzung, die die Interessen des Opfers verletzt, auszugehen. 4. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB Da das Eigentum oder der Besitz des Empfängers unerwünschter Waren oder Dienstleistungen nicht betroffen wird, verbleibt als möglicherweise betroffenes Schutzgut von § 823 Abs. 1 BGB noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Außerdem ist zu prüfen, wie das Ordern von Waren unter Nutzung des Namens des StalkingOpfers das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Zum einen kommt eine Betroffenheit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht, zum anderen ist an eine Einordnung des Verhaltens als Belästigung und den entsprechenden Schutz aus der Fallgruppe Schutz gegen Belästigungen zu denken. a) Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, § 823 Abs. 1 BGB Um den Unterlassensanspruch auch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bejahen zu können, müsste 157

BeckOK-BGB-Bamberger, § 12 Rdn. 70.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch nach zivilrechtlicher Auffassung vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfasst sein. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist seit dem sogenannten Volkszählungsurteil158 des BVerfG als Grundrecht anerkannt. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Selbiges auch im Zivilrecht gleich verstanden wird. Nach überwiegender Ansicht wird der Schutz der informationellen Selbstbestimmung auch im Zivilrecht durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt.159 Fraglich ist, ob der Name und die Anschrift des Opfers davon erfasst sind und der Stalker in dieses Recht unbefugt eingreift, wenn er Waren unter Verwendung des Namens und der Anschrift des Opfers bestellt und an dieses ausliefern lässt. Um diese Frage beantworten zu können, erfolgt zunächst ein Blick auf die Grundidee des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Zivilrecht: Prinzipiell soll der Einzelne selbst darüber entscheiden können, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Daten in die Öffentlichkeit bringen möchte.160 Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird ein Betroffener davor bewahrt, dass er durch die Offenlegung von persönlichen Lebenssachverhalten der Öffentlichkeit gegenüber preisgegeben wird.161Um nun zu einer Schutzbereichseröffnung zu gelangen, müsste man Namen und Anschrift des Opfers zu selbigen persönlichen Lebenssachverhalten rechnen können. Führt man sich obige Formulierung vor Augen, so scheint man unter den Begriff des „persönlichen Lebenssachverhalts“ vor allen Dingen individuelle und der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugängliche Informationen fassen zu können. Häufig stehen der Öffentlichkeit Adresse, Name und Telefonnummer mittels eines Blicks in das örtliche Telefonbuch zur Verfügung. Es handelt sich also um Daten, die im Regelfall im öffentlichen Verkehr benutzt und der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden, wie beispielsweise durch Adressund Telefonverzeichnisse oder den Anschlägen der Namen an der Haustür. Berücksichtigt man dies, so muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Verwendung eines falschen Namens nicht vom Regelungsbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts erfasst wird, da in einem solchen Fall zwar Daten missbraucht werden, es sich aber nicht um sensible Daten handelt, die der Kenntnis der Öffentlichkeit normalerweise entzogen sind. Ein Eingriff in das Namensrecht stellt somit nicht notwendigerweise gleichzeitig eine Betroffenheit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

b) Beeinträchtigung des „Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“ Zwar ist das Namensrecht ein besonderes Persönlichkeitsrecht, sodass ein Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht mehr notwendig ist; jedoch kön158 159 160 161

BVerfGE 65, 1. Vergleiche Fallgruppen bei: JurisPK-BGB-J. Lange/Schmidbauer, § 823 Rdn. 32. BVerfGE 65, 1, (41 ff.); BVerfGE 72, 155 (170). Staudinger-BGB-Hager, § 823 Rdn. C 174.

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nen durch das Bestellen von Waren unter dem Namen des Opfers neben dem Namensrecht auch andere Teile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen sein. Ein Opfer kann durch die sich wiederholenden unbestellten Warenlieferungen genauso in seiner Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigt werden wie durch wiederholte Telefonanrufe. Auch kann es keinen Unterschied machen, ob der Stalker selbst Päckchen vor der Haustür des Opfers niederlegt oder zur Zustellung professionelle Dienste in Anspruch nimmt. Letzteres bereitet dem Opfer meist mehr Unannehmlichkeiten. Vorliegend wird unter Bezugnahme auf die Argumentation unter Gliederungspunkt 2.a) davon auszugehen sein, dass auch das Zukommenlassen unbestellter Sendungen, sowohl in der Form des Zustellens von Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung der persönlichen Daten des Opfers als auch dergestalt, dass dem Opfer Päckchen von einem Unbekannten geschickt werden, eine Verhaltensweise darstellt, die in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Warenempfängers unbefugt eingreift.162 Auch diese Variante des Stalkings wird somit über den allgemeinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB erfasst. 5. Weitere Schutzgesetze Schließlich bleibt zu untersuchen, ob das nach § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB sanktionierte Verhalten auch den Regelungsbereich anderer Schutzgesetze tangiert. a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 263 StGB (Betrug) bei unbefugtem Bestellen von Waren im Namen des Opfers aa) Betrug zu Lasten des Opfers der Nachstellungen Indem ein Täter unter Verwendung des Namens seines Opfers Warenbestellungen in Auftrag gibt, könnte er § 263 Abs. 1 StGB verwirklichen. Zunächst ist an einen Betrug zu Lasten des belieferten Opfers zu denken. Der Stalker täuscht durch Bestellen unter missbräuchlicher Verwendung des Opfernamens über die Identität des Warenbestellers. Ein entsprechender Irrtum wird beim Unternehmer kausal hervorgerufen. Dadurch wird der Unternehmer zur Warenlieferung veranlasst; hierin ist eine Vermögensverfügung zu sehen. Darunter ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen zu sehen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.163 Durch die Weggabe der Waren schmälert sich das Vermögen des Unternehmers. Dass diese Minderung eventuell durch ein Äquivalent kompensiert wird, ist 162

Ebenso: MünchKomm-BGB-Rixecker, Anhang zu § 12, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rdn. 96. 163 BGHSt 14, 170.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

nach herrschender Meinung für die Frage der Vermögensverfügung unerheblich.164 Relevant wird dieser Gesichtspunkt, wenn es darum geht festzustellen, ob auch ein Vermögensschaden eingetreten ist. Da vorliegend ein Betrug zu Lasten des Opfers der Nachstellungen geprüft wird, müsste ihm ein Schaden entstanden sein. Aufgrund der Regelung des § 241a BGB, nach dem gegen einen Verbraucher, der unbestellte Leistungen erhält, durch diese keine Ansprüche entstehen sollen, könnte man dies auf den ersten Blick ablehnen. Dabei ist zu beachten, dass Leistungen als unbestellt gelten, wenn sie dem Empfänger ohne eine von ihm veranlasste Aufforderung zugehen.165 Mangels eines Vermögensschadens beim Empfänger der Warenbestellungen käme ein Betrug zu seinen Lasten nicht in Betracht. Befasst man sich aber eingehender mit der fraglichen Norm, könnte man zu der Meinung gelangen, dass sich das belieferte Opfer wegen § 241a Abs. 2 BGB aber doch Regeressansprüchen des Unternehmers ausgesetzt sieht.166 Gemäß der Norm sind gesetzliche Ansprüche nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Da die Gründe für eine irrige Zustellung als irrelevant angesehen werden, ist jeder Irrläufer von der Regelung erfasst und folglich Ansprüche gegen das Nachstellungs-Opfer nicht ausgeschlossen.167 Zweck des § 241a BGB ist es den Empfänger unbestellter Leistungen davor zu schützen, dass er gegen seinen Willen durch eine „falsche“ Reaktion auf die unbestellte Leistung Schuldner von Forderungen des Leistungserbringers wird.168 Diesem Sinn würde eine Inanspruchnahme des Opfers komplett entgegenlaufen. Doch § 241a BGB soll auch den Wettbewerb schützen, indem er die Absatzpraxis der unbestellten Warenlieferung für den Unternehmer unattraktiv macht.169 § 241a Abs. 2 BGB greift insoweit schützend für den Unternehmer ein, der nicht die Leistung aus dem Blauen heraus liefern möchte, sondern einer vermeintlichen Beauftragung entsprechen will. Auch wenn es für das Stalking-Opfer ungerecht scheint, eventuellen Ansprüchen des Warenlieferanten ausgesetzt zu sein, so handelt der Unternehmer im Glauben eine Verbindlichkeit zu erfüllen. Insoweit ist die Ausnahme des § 241a Abs. 2 BGB einschlägig. Ein Opfer von Nachstellung durch Warenlieferungen unter unbefugter Verwendung seines Namens kann sich den Ansprüchen des Unternehmers trotz § 241a Abs. 1 BGB ausgesetzt sehen, wenn es erkannt hat, dass die Waren auf eine irrtümliche Bestellung zurückzuführen sind, oder dies bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Fraglich ist, 164

BGHSt 31, 178. Palandt-BGB-Heinrichs, § 241a Rdn. 3. 166 Krüger, S. 124 f. 167 Krüger, S. 125 f. mit Hinweis auf MünchKomm-BGB-Kramer, § 241a Rdn. 16. 168 Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Schmidt-Kessel, § 241a Rdn. 1. 169 AnwK-Krabs, § 241a Rdn. 5; Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Schmidt-Kessel, § 241a Rdn. 1. 165

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ob dies das Opfer regelmäßig erkennen kann. Schließlich hat es selbst keine Waren bestellt und die Betrachtung der Lieferung als unbestellt liegt nahe. Der Lieferung wird aber regelmäßig eine Auftragsbestätigung beziehungsweise ein Lieferschein beiliegen, aus der sich der vermeintliche Irrtum um die Bestellung aus Opfersicht ergeben wird. Ein Schaden wird beim Opfer schon deshalb nicht entstehen, da ihm durch den gleichen Vorgang ein vermögenswerter Vorteil, die angelieferte Sache, zugeflossen ist. An dieser wird der Empfänger im Regelfall kein Eigentum erwerben können; die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versandunternehmen sehen regelmäßig einen Eigentumsvorbehalt vor. Daher ist ein betrugsrelevanter Schaden beim Opfer abzulehnen; es hat lediglich das zurückzugeben, um was es bereichert wurde. Die Ansprüche beschränken sich nicht nur auf die gesetzlichen Herausgabeansprüche, § 985 BGB und § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB. Abhängig vom jeweilig einschlägigen Haftungsgrad können sich auch Sekundäransprüche wegen Untergang oder Beschädigung der Waren ergeben. Allein diese Möglichkeit kann als Belastung für das Vermögen des Opfers nicht angesehen werden. Denn der Gesetzgeber hat in § 241a BGB eine verbindliche Regelung getroffen, wie der Empfänger unbestellter Leistungen mit diesen billigerweise zu verfahren hat. An dieser gesetzlichen Regelung muss sich auch ein Stalking-Opfer messen lassen. Darüber hinaus fehlt es bei der vorgestellten Konstellation an der Identität zwischen Getäuschtem und Geschädigtem. Das notwendige Dreiecksverhältnis ist somit vorliegend nicht gegeben. Mangels dessen scheidet eine Verwirklichung des Betrugs zu Lasten des Nachstellungsopfers durch den Stalker aus. bb) Betrug zu Lasten des Unternehmers Es verbleibt näher auf einen Betrug zu Lasten des angewiesenen Warenlieferanten einzugehen. Durch die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter missbräuchlicher Verwendung des Namens des Opfers täuscht der Täter den Unternehmer über die Identität des Bestellers. Er spiegelt somit die falsche Tatsache vor, das Opfer habe die Waren geordert. Durch diese Handlung wird beim Lieferanten oder dessen zuständigen Vertreter ein entsprechender Irrtum erregt und er dadurch zur Auslieferung der Waren veranlasst. Hierin ist eine Vermögensverfügung zu sehen, kausal hervorgerufen durch den erregten Irrtum. Ferner müsste der Lieferant einen Vermögensschaden erleiden. In Höhe des Lieferumfangs entsteht dem Lieferanten ein solcher. Zwar ergibt sich wegen § 241a Abs. 2 BGB eventuell die Chance, dass der Unternehmer doch Ansprüche gegen den irrtümlich Belieferten hat. Für die im Rahmen des Schadens zu prüfende Komponente einer eventuellen Kompensation sind gesetzliche Ausgleichsansprüche, die dem Betroffenen gerade wegen der Täuschung erwachsen, wie Rückgewähransprüche oder Schadensersatzansprüche aus Delikt oder ungerechtfertigter Be-

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

reicherung, nicht zu berücksichtigen;170 ebenso wenig die Anfechtbarkeit eines Geschäfts. Die Chance ihrer Realisierung kann ebenfalls offen bleiben. Es handelt sich bei den einem Unternehmer aus § 241a Abs. 2 BGB gegen das belieferte Opfer zustehenden Ansprüchen um gesetzliche Rückgewähransprüche, sie sind somit für die strafrechtliche Betrachtung irrelevant. Ansprüche gegen den tatsächlichen Veranlasser der Bestellung (den Stalker) bleiben bei dieser Betrachtung ebenfalls außer Acht, da eine Bejahung eines Vermögensschadens im Strafrecht sonst immer durch eventuelle zivilrechtliche Ersatzansprüche gegen den Täter ausgeschlossen sein würde. Der Täter müsste auch vorsätzlich handeln. Grundsätzlich ist bei der hier geschilderten Verhaltensweise von Handeln zumindest mit dolus eventualis auszugehen. Näher zu prüfen ist, ob auch das Tatbestandsmerkmal des Handelns mit Bereicherungsabsicht in der vorgestellten Fallkonstellation bejaht werden kann. Mit Bereicherungsabsicht handelt, wer die Absicht hat, sich selbst oder einem Dritten einen rechtwidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.171 Dies könnte zunächst zweifelhaft sein.172 Dem Stalker, der seinem Opfer unbestellte Waren zukommen lässt, wird es vor allem um die Belästigung und Irritation seines Opfers ankommen, wenn diesem überraschend Waren übersandt werden. Sein Handeln wird meist weniger finanziell motiviert sein. Jedoch bleibt Folgendes zu beachten: Zum einen muss die Bereicherungsabsicht nicht die einzige Tätermotivation darstellen; das heißt, auch notwendige Zwischenziele werden von der Motivation des Täters erfasst.173 Zum anderen kann beim Täter durchaus ein Vermögensvorteil festgestellt werden: Der Vermögensvorteil ist das Gegenstück zum Vermögensschaden des Geschädigten, daher stellt jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage, jede Erhöhung des Vermögenswertes des Täters, einen relevanten Vermögensvorteil dar.174 Der Vermögensvorteil des Täters liegt in der Erlangung seines Stalking-Ziels, ohne selbst für die Waren aufkommen zu müssen, wie er es müsste, wenn er sie unter seinem Namen erwerben würde und dann an das Opfer übersenden würde. Da er dies gerade nicht tut, sondern unter falschem Namen bestellt, handelt er in der Absicht, sich so geartet zu bereichern, dass er nicht als zivilrechtlich zum Kaufpreis verpflichteter Besteller auftritt. Dies kann freilich nur angenommen werden, wenn der Stalker mit dolus directus 1. Grades in Bezug auf diesen Vermögensvorteil gehandelt hat, ihm es also gerade darauf ankam, die nötigen Aufwendungen für ein direktes Zukommenlassen der Waren oder Dienstleistungen einzusparen. Das kann nicht generell unterstellt werden. Ein Fall, in dem ein Täter unter anderem Blumen- und Tortenbestellungen unter fremden 170

Dallinger, MDR 1970, 12 (13); Kühl/Lackner-StGB, § 263 Rdn. 36a. Schönke/Schröder-StGB-Cramer, § 263 Rdn. 166. 172 Ablehnend: Schröder, JZ 1972, 26. 173 Vgl. BayObLG JZ 1972, 25; AG Rendsburg vom 22.11.2005 – 8 Ds 577 Js 17307/05, BeckRS 2007 11554; LG Kiel vom 3.3.2006 – V Ns 18/06, BeckRS 2007 07921, bestätigt durch BVerfG Beschluss vom 27.9.2006 – 2 BvR 1603/06, BeckRS 2006 26177. 174 Schönke/Schröder-StGB-Cramer, § 263 Rdn. 167. 171

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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Namen aufgab und diese an den Genannten oder Dritte liefern ließ, lag dem Bayrischen Oberlandesgericht bereits im Jahre 1972 vor.175 Das Gericht bejahte den Betrugstatbestand. Möchte man ebenfalls regelmäßig ein betrügerisches Verhalten annehmen, kann man in der Leistung des Lieferanten den Gegenstand der Bereicherungsabsicht sehen: Da dieser Leistung (Warenherstellung und Auslieferung) gewöhnlich die Gegenleistung (Bezahlung) gegenüberstehe, vorliegend der Täter aber ja gerade nicht bezahle, liege hierin ein relevanter Vermögensvorteil, welcher als Zwischenziel vom Täter beabsichtigt wird.176 Auch wird vertreten allein in der Anlieferung der Waren ans Opfer einen wirtschaftlichen Wert zu sehen, um den sich der Stalker bereichert, da er sich nicht als „Quasi-Absender“ der Waren zu erkennen gibt.177 Nach überwiegender Ansicht stellt das geschilderte Warenbestellen unter falschem Namen einen Betrug dar.178 Ferner ist die genannte Bereicherung des Täters stoffgleich mit dem Schaden des Lieferanten. Es kann demzufolge festgestellt werden, dass sich ein Täter, der seinem StalkingOpfer Waren oder Dienstleistungen zukommen lässt, die er missbräuchlich unter Verwendung des fremden Namens des Opfers veranlasst hat, regelmäßig den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt. Hierdurch ergeben sich für das Stalking-Opfer aber keine Ansprüche, schließlich wird das Schutzgesetz § 263 StGB nicht zu seinen Lasten erfüllt. Gerade dieses müsste als Anspruchsteller im konkreten Fall aber in den Schutzbereich der Norm fallen.179 Die wesentliche Neuerung bei § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB ist schließlich darin zu sehen, dass durch diese Variante die Warenbestellung nicht nur eine Straftat zu Lasten des Warenlieferanten ist, sondern nun auch gegenüber dem Empfänger der Waren. Hierdurch tritt eine deutliche Verbesserung der Rechtsstellung des Stalking-Opfers ein. b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 223 StGB (Gesundheitsschädigung) bzw. § 229 StGB (Fahrlässige Körperverletzung) Auch eine Einschlägigkeit des Schutzgesetzes § 223 Abs. 1 Var. 1 StGB ist im Falle von Warenlieferungen unter Verwendung der personenbezogenen Daten 175

BayObLG JZ 1972, 25. Herzberg, JuS 1972, 185 (189). 177 So wohl auch: Berberich, LL 2007, 492 (495). 178 Beispielhaft sind anzuführen: Herzberg, JuS 1972, 185 (189); Rengier, BT I, § 13, Rdn. 104; Krey/Heinrich, BT 1, Rdn. 497; Berberich, LL 2007, 492; AG Rendsburg vom 22.11.2005 – 8 Ds 577 Js 17307/05, BeckRS 2007 11554; LG Kiel vom 3.3.2006 – V Ns 18/06, BeckRS 2007 07921, bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 27.9.2006 – 2 BvR 1603/06, BeckRS 2006 26177; vgl. auch Kriminalistik 2007, 318; ablehnend hingegen: Schröder, JZ 1972, 26. 179 BGHZ 22, 293 (296 ff.). 176

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

nicht unwahrscheinlich. Voraussetzung ist wiederum das kausale Hervorrufen eines pathologischen Zustandes.180 In der jüngeren Rechtsprechung tauchte ein Fall auf, in dem eine Strafbarkeit nach § 229 StGB bejaht und vom BVerfG auch nicht beanstandet wurde, bei dem der Täter unter dem Namen seines Opfers Warenbestellungen tätigte oder Handwerkdienste beauftragte.181 So gab er im Namen seines Opfers bei 35 Firmen Bestellungen auf, worunter sich neben Lieferungen von Pizzadiensten, Apotheken und Getränkemärkten auch die eines Kiesunternehmens befand, das, dem vermeintlichen Auftrag entsprechend, auf dem Grundstück des Opfers eine Lastwagenladung Kies ablud. Infolge des durch diese Belästigungen ausgelösten Stresses wurde beim Opfer Unruhezustände, Schlafstörungen und Nervosität in krankhaftem Ausmaße diagnostiziert und der Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Somit kommen auch Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 223 ff. StGB Betracht. c) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 240 StGB (Nötigung) Tatbestandlich wird eine Nötigung in den überwiegenden Fällen der Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter dem Namen des Opfers durch den Stalker ausscheiden. Zwar veranlasst der Täter die Lieferungen zum Opfer, ein Nötigungserfolg könnte allenfalls in der „erzwungenen“ Warenannahme liegen. Im geschilderten Verhalten ist aber weder Gewalt noch die Drohung mit einem empfindlichen Übel zu erkennen. 6. Ergebnis Es ist klar geworden, dass das Bestellen von Dienstleistungen oder Waren unter Namen des Stalking-Opfers und dessen Belieferung vom Zivilrecht auch ohne § 238 StGB als Nachstellungshandlung aufgefasst wird. Auch greift ein solches Verhalten in das Namensrecht (§ 12 BGB) und das von § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht ein. In Bezug auf die Einschlägigkeit von Schutzgesetzen kann festgehalten werden, dass ein entsprechend vorgehender Täter § 263 StGB zu Lasten des Unternehmers, nicht aber zu Lasten des Stalking-Opfers verwirklicht. In massiven Stalking-Fällen ist auch an die §§ 223 ff. StGB zu denken. An dieser Stelle sei nochmals auf die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 238 Abs. 1 StGB hingewiesen, wie beispielsweise das Erfordernis der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, die den Anwendungsbereich, auch im Vergleich zu anderen Tatbeständen des Strafgesetzbuches, erheblich einschränken. 180

Vergleiche S. 63 f. AG Rendsburg vom 22.11.2005 – 8 Ds 577 Js 17307/05, BeckRS 2007 11554; LG Kiel vom 3.3.2006 – V Ns 18/06, BeckRS 2007 07921 bestätigt durch BVerfG, Beschluss vom 27.9.2006 – 2 BvR 1603/06, BeckRS 2006 26177; vgl. auch Kriminalistik 2007, 318. 181

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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Es konnte fernerhin festgestellt werden, dass § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht einschlägig ist, wenn ein Stalker seinem Opfer Geschenke macht; ihm also Waren auf Täterrechnung und -namen zukommen lässt. Diese Fälle können nur unter die „vergleichbare Handlung“ in Ziffer fünf subsumiert werden. Als problematisch könnte sich neben den Zweifeln an der Bestimmtheit dieses Normteils182 der Gedanke erweisen, der Gesetzgeber habe den Fall der Warenzusendung in Ziffer drei abschließend geregelt und sehe daher in dem Verhalten, das nicht in das Namensrecht des Opfers eingreife und dieses dadurch in die Position des vermeintlichen Bestellers dränge, keine strafwürdige Handlung. Diese Überlegung ist nicht einfach von der Hand zu weisen, sodass eine zumindest als unklar einzustufende Regelung dieses typischen Stalking-Verhaltens zu bemängeln ist.

IV. Bedrohung 1. § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB a) „Bedrohung mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit“ Vom Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfasst ist zum einen die Bedrohung des Opfers mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit seiner selbst und zum anderen die Bedrohung der entsprechenden Rechtsgüter einer dem Opfer nahestehenden Person. Für die Definition der Bedrohung kann auf die gängige Definition aus § 240 StGB zurückgegriffen werden.183 Danach ist unter einer Drohung das Inaussichtstellen eines künftigen Übels zu verstehen, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt.184 Bei der Auslegung des Freiheitsbegriffs orientiert sich die Literatur zurzeit einheitlich an § 239 StGB. Dies bedeutet mithin, dass sich das Rechtsgut in der körperlichen Fortbewegungsfreiheit erschöpft und nicht bereits die Handlungs- und Willensfreiheit mit einschließt.185 Ein Eingehen auf die Definitionen der Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit kann an dieser Stelle unterbleiben. Sämtliche Begriffe wurden bereits wiederholt erklärt. Kommentiert werden soll indessen noch der Vorwurf, es sei unverständlich, warum die schwerste Form nachstellenden Verhaltens, der körperliche Angriff auf das Opfer, aus dem Regelungsbereich des § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB ausscheide.186 Dieser Vorwurf überzeugt indes nicht. Denn Schutzgut des § 238 Abs. 1 StGB ist 182

Siehe insoweit Ausführungen auf S. 118 ff. Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (483). 184 BGHSt 16, 386 (387). 185 BeckOK-StGB-Valerius, § 238 Rdn. 8; Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 4; Valerius, JuS 2007, 319 (321 f.). 186 Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1033). 183

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

die Unversehrtheit der Lebensgestaltungsfreiheit beziehungsweise die persönliche Freiheit und eben nicht die körperliche Unversehrtheit. Schließlich stellt § 238 Abs. 1 StGB kein spezifiziertes Körperverletzungsdelikt dar, sondern möchte für sich in Anspruch nehmen, das Phänomen „Stalking“ und seine Auswirkungen auf die persönliche Freiheit und Lebensumstände des Opfers zu regeln. Insoweit ist dem Gesetzgeber kein Vorwurf zu machen. Ebenso erfasst zum Beispiel § 241 StGB auch nur die Bedrohung, sanktioniert aber nicht die Verletzung der Rechtsgüter durch die Begehung des angedrohten Verbrechens. b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB Das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ wurde bereits auf S. 50 f. ausführlich behandelt. c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Auch auf das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung wurde schon eingegangen, vgl. S. 52 f. d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB Nach § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist eine Bedrohung mit der Verletzung von Leben, Körper oder Freiheit als Nachstellung strafbar, wenn sie unbefugt sowie beharrlich erfolgt und das Opfer in seiner Lebensgestaltung schwer beeinträchtigt. Dass eine Aussage schon gar keine Drohung darstellt, wenn die entsprechende Äußerung oder konkludente Handlung mit Einverständnis des Opfers erfolgt, liegt offensichtlich zutage. Insoweit wird dem Merkmal der Unbefugtheit bei diesem Tatbestandsabschnitt keine eigenständige Bedeutung zukommen. Schließlich dient es dazu ein Verhalten, das man unter anderen Umständen noch als sozialadäquat ansehen könnte, in den Bereich der Strafbarkeit zu rücken; dies ist im Fall der Bedrohung offensichtlich überflüssig. 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG a) „Mit der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich bedrohen“ Neben der Möglichkeit, wegen unzumutbaren Belästigungen gegen den Täter eine Schutzanordnung zu erwirken, ermöglicht § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG eine solche auch für Fälle der Bedrohung mit einer Rechtsverletzung. Gemäß § 1 Abs. 1 GewSchG kann eine Anordnung gegen einen Täter erwirkt werden, der das Opfer vorsätzlich in einem der Rechtsgüter Körper, Gesundheit oder Freiheit verletzt hat. Vorliegend kann diese Möglichkeit des Gewaltschutzgesetzes aber außer Acht bleiben, da § 238 Abs. 1 StGB sich auf die Bedrohung der Rechtsgüter Leben, kör-

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perliche Unversehrtheit, Gesundheit und Freiheit beschränkt und im Fall der schon geschehenen Beeinträchtigung nicht einschlägig ist. Im Falle einer widerrechtlichen Drohung mit der Verletzung der in § 1 Abs. 1 GewSchG genannten Rechtsgütern, kann eine Schutzanordnung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG erreicht werden. Nach ganz einhelliger Auffassung entspricht die Drohung im Sinn des Gewaltschutzgesetzes der Nötigung beziehungsweise Bedrohung nach §§ 240, 241 StGB.187 Danach ist die Drohung die Ankündigung eines empfindlichen Übels beziehungsweise bei § 241 StGB eines Verbrechens, auf das der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt.188 Im Fall des Gewaltschutzgesetzes beschränken sich die betroffenen Rechtsgüter auf den Körper, die Gesundheit und die Freiheit. Bezüglich der Definition des Körpers und der Gesundheit wird auf die allgemeingültigen Definitionen verwiesen.189 Der Schutz der Freiheit beschränkt sich bei § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 1 Abs. 1 GewSchG auf den der körperlichen Bewegungsfreiheit und orientiert sich am Freiheitsbegriff des § 239 StGB, wonach geschütztes Rechtsgut die persönliche Fortbewegungsfreiheit ist, mithin die Freiheit zur Ortsveränderung.190 Nicht geschützt wird die allgemeine Handlungsfreiheit, doch unterscheidet sich dies nicht von § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Da für die Definition der geschützten Rechtsgüter immer auf allgemeingültige Definitionen zurückgegriffen wird, denen jeweils auch im Strafrecht Geltung zukommt und sich auch § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB an diesen Rechtsgutsdefinitionen orientiert, gehen beide Normen vom Schutz derselben Rechtsgüter aus. Insoweit unterscheiden sich die Anspruchsgrundlagen nicht. Auffällig ist jedoch, dass § 1 Abs. 1 GewSchG das höchste Rechtsgut, das Leben, nicht als schützenswertes Gut aufführt. Eine Kommentierung geht aber davon aus, dass auch das Leben zu den vom Gewaltschutzgesetz geschützten Rechtsgütern zählt.191 A majore ad minus kann auch davon ausgegangen werden, dass, wenn der Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes eröffnet sein soll, wenn mit einer Körper-, Gesundheits- oder Freiheitsverletzung gedroht wird, er erst Recht eröffnet sein muss, wenn mit einer Verletzung des Lebens gedroht wird. Außerdem wohnt jeder Bedrohung der Verletzung des Rechtsguts Leben auch denknotwendigerweise eine Bedrohung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit inne.

187

JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewschG Rdn. 12; Palandt-BGB-Brudermüller, § 1 GewschG Rdn. 9; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 156. 188 BeckOK-StGB-Valerius, § 240 Rdn. 34; BeckOK-StGB-Valerius, § 241 Rdn. 3. 189 Eine Verletzung des Körpers liegt danach bei jedem unbefugten Eingriff in die körperliche Unversehrtheit vor, der die körperlichen, geistigen oder seelischen Lebensvorgänge stört. Eine Verletzung der Gesundheit ist beim Hervorrufen oder Steigern eines Zustandes anzunehmen, der von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweicht, wobei diesem Krankheitswert zukommen muss, vgl. JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 9. 190 Kühl/Lackner-StGB § 239 Rdn. 1; LK-StGB-Träger/Schluckebier, § 239 Rdn. 1; BeckOK-StGB-Valerius, § 239 Rdn. 1; BGHSt 14, 314 (316); BGHSt 32, 183 (188). 191 JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 12.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Wenn sich, wie dargestellt, die geschützten Rechtsgüter decken und auch der Drohungsbegriff sich nicht unterscheidet, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendungsfälle von § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG divergieren. Im Fall der Strafnorm tritt neben den bisher skizzierten Tatbestandsmerkmalen auch noch die der Beharrlichkeit und der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, sodass davon auszugehen ist, dass der Rahmen des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG weiter sein wird und somit mehr Fälle erfassen wird als die Strafnorm. b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG Hierzu siehe ausführliche Erörterung auf S. 61 ff. 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB Bei einer Bedrohung mit der Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Gesundheit oder Freiheit ist der Anwendungsbereich des Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB noch nicht eröffnet. Anders sieht es hingegen bei einem vorbeugenden Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB wegen einer unmittelbar drohenden Verletzung der soeben genannten Rechtgüter aus.192 Droht nun ein Stalker seinem Opfer mit der Verletzung dessen Lebens, dessen Körpers, dessen Gesundheit oder Freiheit in dem Maße, dass er sich nach § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu verantworten hat und nur dies ist vorliegender Gegenstand der Untersuchung, liegt eine hinreichende Erstbegehungsgefahr vor, die einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch auszulösen vermag.193 Schließlich ist mit der Kundgabe der Bedrohung ein hinreichender Umstand für die Annahme gegeben, dass der Betreffende den Entschluss zur Verletzung bereits gefasst hat und es nur noch von ihm abhänge, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung komme oder nicht.194 Gleiches gilt für eine Bedrohung dieser Rechtsgüter bei einer dem Opfer nahestehenden Person. 4. Weitere Schutzgesetze a) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 240, 241 StGB (Nötigung, Bedrohung) Fraglich ist, welcher Anwendungsbereich § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB – auch in strafrechtlicher Hinsicht – zukommen soll, da zunächst einmal kein Unterschied zur Nötigung in § 240 StGB und zur Bedrohung in § 241 StGB zu erkennen ist.195 Auch in 192 193 194 195

Allgemein zum vorbeugenden Unterlassungsanspruch siehe Kapitel 2. Statt Vieler: Staudinger-BGB-Gursky, § 1004 Rdn. 217, mit weiteren Nachweisen. BGHZ 117, 264 (272). So auch: Mitsch, NJW 2007, 1237, (1239 f.).

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Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Drohen“ wird die bekannte Definition aus § 240 StGB herangezogen, wonach eine Drohung das Inaussichtstellen eines künftigen Übels ist, auf das der Täter vorgibt, Einfluss zu haben.196 Bei § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB muss sich die Drohung freilich auf die aufgelisteten Rechtsgüter beschränken, welche aber auch von den §§ 240, 241 StGB abgedeckt werden. Ein Unterschied könnte aber in der Erstreckung auf die dem Opfer nahe stehenden Personen bestehen. Bei § 241 StGB ist diese Ausdehnung zwar ebenfalls zu finden, jedoch beschränkt sich die Bedrohung auf Verbrechen,197 während die in § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB angesprochenen Rechtsgüter, wenn sie verletzt werden, auch nur als Vergehen nach § 12 Abs. 2 StGB behandelt werden können. Bei § 240 StGB ist Personenerstreckung nicht bereits dem Wortlaut zu entnehmen. Dennoch kann sich das angedrohte Übel auch gegen einen Dritten richten,198 wenn dessen Verwirklichung gleichzeitig ein Übel für den Bedrohten darstellt.199 So muss aber wohl auch die Passage in § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB verstanden werden. Auch hier wird die dem Opfer nahe stehenden Personen drohende Gefahr als Drucksituation für das Nachstellungsopfer selbst empfunden.200 Wenn sich nun aber sowohl die Rechtsgüter als auch die betroffene Personenkreise von §§ 240, 241 StGB und § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB so ähnlich sind beziehungsweise sich der Schutz durch letztere Norm eingeschränkter gestaltet, so wird der Anwendungsbereich von § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB eher gering sein.201 Dies zieht wiederum Zweifel an der Notwendigkeit dieser Tatbestandsvariante nach sich. Auch betreffen die Tatbestände die gleichen Schutzgüter. Es handelt sich um Vorschriften des 18. Abschnitts des Strafgesetzbuchs und somit um Straftaten gegen die persönliche Freiheit. In jedem Fall kann ein nach § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB tatbestandliches Verhalten Unterlassungsansprüche nach oben genannter Anspruchsgrundlage auslösen. b) §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 185 StGB (Beleidigung) In Betracht käme des Weiteren eine Strafbarkeit nach § 185 StGB, wenn mit der Drohung auch eine Beleidigung ausgesprochen wird. Dies ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

196 197 198 199 200 201

BGHSt 16, 386 (387). § 12 Abs. 1 StGB. Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 240 Rdn. 11. RGSt 17, 82 (83). Fischer-StGB, § 35 Rdn. 7. So wohl auch Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

5. Ergebnis Da sich die Freiheitsbegriffe nicht unterscheiden, ergeben sich keine wirklichen Neuerungen. Im Vergleich zu §§ 240, 241 StGB bleibt der Schutz des § 238 Abs. 1 StGB zurück. Damit drängt sich wieder die Frage nach seiner Notwendigkeit auf. Auch in Bezug auf die rein zivilrechtlichen Ansprüche lässt sich kein weitergehender Regelungsbereich feststellen.

V. Erweiterung der Auswirkung des Stalkings auf Dritte Wie bereits mehrfach kurz angesprochen, beziehen einige Varianten des § 238 Abs. 1 StGB in besonderem Maße den Dritten mit ein. Dabei ist zwischen der Konstellation zu unterscheiden, ob Dritte zur Vornahme von Nachstellungshandlungen eingespannt werden (§ 238 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB)202 oder ob sie dem erweiterten Opferkreis zuzurechnen sind (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB). 1. § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB Diese Unterscheidung erscheint aber nur auf den ersten Blick gerechtfertigt. Wie oben bereits ausgeführt, wird auch bei § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht der Dritte direkt bedroht, vielmehr ist Adressat der Drohung das eigentliche Stalking-Opfer. Dieses wird durch die Ankündigung der eventuellen Gewalt gegenüber einer nahestehenden Person in eine psychische Zwangslage, durch die seine Lebensgestaltung beeinträchtigt wird, gebracht. Genau diese stellt den Taterfolg dar, nicht die tatsächliche Gewaltanwendung gegenüber dem Dritten. 2. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG Da sich, wie bereits ausgeführt, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG bei der Definition der Drohung an §§ 240, 241 StGB orientiert, könnte das oben Gesagte auch für den Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes gelten und auch die Androhung einer Rechtsgutsverletzung einer dem Stalking-Opfer nahestehenden Person in den Regelungsbereich des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG fallen. Diese Einschätzung, die sich an den pauschalen Kommentierungen des Gewaltschutzgesetzes orientiert, wonach bezüglich § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG auf die §§ 240, 241 StGB verwiesen wird, überzeugt jedoch nicht mehr, wenn man sich den Wortlaut der verschiedenen Normen vor Augen führt. So lautet § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG:

202

Dazu mehr auf S. 106 ff.

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Abs. 1 gilt entsprechend, wenn eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat.203

Danach bezieht sich die Drohungssituation auf ein Zweipersonenverhältnis: Der Täter droht dem Opfer damit, es in den benannten Rechtsgütern zu verletzen. Bei §§ 240, 241 StGB hingegen erfasst der Tatbestand neben der Tathandlung „drohen“ noch die „nahestehende Person“ beziehungsweise das „empfindliche Übel“. § 240 Abs. 1 StGB (Nötigung) lautet: Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.204

§ 241 Abs. 1 StGB (Bedrohung) lautet: Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.205

Um bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG auch zu einer Einbeziehung der nahestehenden Person zu kommen, müsste der Wortlaut über Gebühr ausgedehnt werden; aus dem Zweipersonenverhältnis würde ein Mehrpersonenverhältnis. Bei den angesprochenen Strafnormen leitet man die Einbeziehung der dritten Person hingegen entweder aus ihrer ausdrücklichen Erwähnung im Tatbestand, wie bei § 241 StGB, oder aber aus dem Tatbestandsmerkmal „empfindliches Übel“ in § 240 Abs. 1 StGB ab; dieses kann auch angenommen werden, wenn für den Drohungsadressaten in der Verletzung der Rechtsgüter einer ihm nahestehenden Person für ihn selbst empfindliches Übel darstellt.206 Bei § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG fehlen hingegen diese weiteren Tatbestandsmerkmale. Die Verweise auf §§ 240, 241 StGB müssen daher so verstanden werden, dass nur auf das Merkmal „drohen“ und seine Auslegung verwiesen werden soll. 3. § 823 Abs. 1 BGB Zweifel ergeben sich auch beim quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch wegen drohender Verletzung eines der von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter. Wie oben bereits festgestellt, vermag es die Bedrohung des Stalking-Opfers in seinen Rechtsgütern Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog auszulösen.207 Fraglich ist, ob diese Ansprüche auch begründet sind, wenn 203

Hervorhebungen durch die Verfasserin. Hervorhebungen durch die Verfasserin. 205 Hervorhebungen durch die Verfasserin. 206 Kühl/Lackner-StGB, § 240 Rdn. 15; Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 240 Rdn. 11; MünchKomm-StGB-Gropp/Sinn, § 240 Rdn. 82; BeckOK-StGB-Valerius, § 240 Rdn. 40. 207 Vergleiche Ausführungen S. 102. 204

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

dem Gestalkten gedroht wird, eine ihm nahestehende Person zu verletzen. Im Deliktsrecht ist grundsätzlich der Geschädigte ersatzberechtigt; Ausnahmen stellen die §§ 844, 845 BGB dar. Auch beim quasi-negatorischen Unterlassungsanspruch ist daher davon auszugehen, dass der Anspruch nur dem durch die drohende Rechtsgutsverletzung Betroffenen zusteht. 4. §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 240, 241 StGB Oben konnte bereits festgestellt werden, dass sich im Rahmen der §§ 240, 241 StGB das angedrohte Übel gegen einen Dritten richten kann. Insoweit stellt § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB in strafrechtlicher Hinsicht keine Neuerung dar. Bezüglich näherer Ausführungen kann auf die S. 102 ff. hingewiesen werden. Wenn nun aber alle Konstellationen dieser Nummer schon von anderen Strafnormen erfasst werden, stellt sich die Frage nach ihrer strafrechtlichen Notwendigkeit. 5. Ergebnis Verglichen mit den anderen zivilrechtlichen Ansprüchen stellt § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Bezug auf die Möglichkeiten für das Opfer gegen den Stalker vorzugehen, der mit der Verletzung von Rechtsgütern Opferangehöriger droht, eine Neuerung dar. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch über §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. §§ 240, 241 StGB ein solcher Schutz erreicht werden könnte.

VI. Ausführung der Nachstellungs-Handlungen durch Dritte auf Veranlassung des Täters Von dem gerade diskutierten Fall, dass die Bedrohung Dritter einen Eingriff in die persönliche Freiheit des Nachstellungs-Opfers darstellt, zu unterscheiden ist die nun folgende Problematik um die Ausführung der Stalking-Handlungen durch Dritte. Dabei bedient sich der Stalker der Hilfe unbeteiligter Dritter, die in Unkenntnis der näheren Umstände dann mit dem Opfer in Kontakt treten. 1. § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB a) § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB In § 238 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB wird die Tatausführung durch Dritte besonders geregelt:

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aa) Regelungsinhalte der § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB Gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB macht sich ein Täter auch strafbar, wenn er den Kontakt zum Stalking-Opfer über Dritte herzustellen versucht. Wegen des für die Tatbestandsverwirklichung notwendigen Erfolges der Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers, die erst ab einer Wahrnehmungsmöglichkeit der Verhaltensweise durch das Opfer gegeben sein kann, ist für § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB eine Handlung eines Dritten erforderlich, die als unmittelbares Ansetzen zur Kontaktherstellung einzustufen ist.208 Der Gesetzgeber hatte Fälle vor Augen, in denen der Täter beispielsweise über gemeinsame Kinder oder andere Angehörige oder Kollegen den Kontakt zum Opfer sucht,209 etwa indem er besagte Dritte veranlasst, dem Opfer Nachrichten auszurichten. Statt also seine Nachrichten über Telefon oder in Schriftform zukommen zu lassen, setzt er anstelle eines technischen Gerätes (Telefon, Computer) oder verkörperten Gegenstandes (Brief) einen Menschen ein. § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB regelt die Veranlassung Dritter mit dem Opfer in Kontakt zu treten, ohne dass von diesem der Täter als „Urheber“ erkannt wird. In den Materialien des Gesetzesentwurfes findet sich für diese Variante das Beispiel, nach dem der Täter durch Zeitungsinserate die persönlichen (Kontakt-)Daten des Opfers preisgibt und Dritte zur Kontaktaufnahme ersucht werden, wie etwa bei Kontaktanzeigen oder Inseraten für sexuelle Dienstleistungen.210 Der Stalker täuscht die Dritten über das Vorliegen eines Kontaktangebots. Der Dritte entschließt sich dem vermeintlichen Angebot nachzukommen und tritt mit dem Opfer in Verbindung. Dieses ist natürlich völlig im Unklaren, warum es nun von – meist vielen verschiedenen – Dritten angesprochen, angerufen oder angeschrieben wird. Größtenteils werden die Anrufer auf das Angebot eingehen wollen; in Fällen eines falschen Inserats für sexuelle Dienste wird das Opfer dann besonders stark belästigt. Dabei erschöpft sich der Tatbeitrag des Stalkers in der „Vermittlung“ zwischen seinem Opfer und den Dritten. Motiviert wurden Letztere freilich erst durch die entsprechende Aufforderung des Täters, sprich durch die falsche Anzeige. bb) Regelung der mittelbaren Täterschaft Dass der Gesetzgeber für die Regelung der anvisierten Probleme die gewählte Regelungslösung getroffen hat, ist nicht nur rechtspolitisch, sondern auch rechtsdogma-

208 Vorherige Verhaltensweisen des Hintermanns, der den Dritten auf den Weg zum Opfer bringen, mögen zwar schon den Versuchsbeginn des Hintermanns darstellen. Sie können aber, wenn sie dem Opfer verborgen bleiben, nie in die Lebensgestaltung des Opfers eingreifen, was aber von § 238 Abs. 1 StGB als Taterfolg gefordert wird. Ebenso: Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239). 209 BT-Drs. 16/575, S. 7. 210 BT-Drs. 16/575, S. 7 f.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

tisch zu kritisieren.211 In beiden Varianten werden Fallkonstellationen geregelt, in denen der Täter andere veranlasst, mit dem Opfer in Verbindung zu treten. Es werden Dritte für die eigentliche Stalking-Handlung eingespannt, der Täter bleibt im Hintergrund, für das Opfer meist nicht erkennbar. Dieses Phänomen ist im Strafrecht allgemein als mittelbare Täterschaft bekannt und in § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB geregelt: die Tatbegehung durch einen anderen. Dabei veranlasst der Täter einen anderen als Tatmittler beziehungsweise als Werkzeug, für sich zu handeln.212 Das Gesamtgeschehen muss als Werk des Hintermannes verstanden werden und dieser daher den Tatmittler infolge eines Defektes wie Irrtum, Zwang, Schuldunfähigkeit „in der Hand“ haben.213 Ein klassischer Fall der mittelbaren Täterschaft liegt vor, wenn ein gutgläubiges Werkzeug eingesetzt wird, ein Tatmittler also vorsatzlos handelt und die Deliktszusammenhänge einer vom Hintermann geplanten Tat nicht durchschaut.214 Genau diese Konstellation wird von § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB erfasst: Der Stalker versucht Dritte zu veranlassen, die jeweilige Stalking-Handlung (Kontaktaufnahme) vorzunehmen, wobei diese nicht wissen, dass sie hierfür eingesetzt werden sollen und vorsatzlos handeln. Einziger Unterschied ist, dass in Nummer zwei der selbst handelnde Täter nur erfasst wird, wenn er Telekommunikationsmittel einsetzt, während unklar ist, ob der veranlasste Dritte persönlich mit dem Opfer in Kontakt treten muss oder die Variante auch einschlägig ist, wenn der Dritte Telekommunikationsmittel zur Kontaktaufnahme mit dem Opfer einsetzt. Gleiches muss für § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB gelten. Die genauere Ausgestaltung der Veranlassung Dritter, mit dem Opfer in Kontakt zu treten, bleibt offen. Bei der vorgestellten Konstellation um die falsche Annonce werden die Dritten mit dem Opfer meist telefonisch oder auf dem schriftlichen Weg in Kontakt treten. Veröffentlicht der Nachstellungs-Täter aber beispielsweise die Wohnanschrift seines Opfers, sind ein Erscheinen der Dritten beim Opfer und die persönliche Kontaktaufnahme ebenfalls möglich. Insoweit muss der Begriff des „Kontaktaufnehmens“ wohl weit ausgelegt werden. Wenn sich der Regelungsgehalt von § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB aber in der Tatbegehung durch mittelbare Täterschaft erschöpft, stellt sich die Frage nach dem Regelungsbedarf. Es ist dogmatisch zweifelhaft, die mittelbare Tatbegehung im Delikt selbst zu regeln; hierfür wird auf § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB aus dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches zurückgegriffen. Eine Ausnahme hiervon findet sich lediglich bei Delikten, bei denen dem Hintermann eine im Tatbestand vorausgesetzte Täterqualität fehlt (Sonderdelikte), und bei eigenhändigen Delikten.215 Bei diesen ergibt sich 211 Ähnlich kann wohl die Kritik von Kinzig und Zander verstanden werden, die die Erfassung des Kontaktversuchs über Dritte in § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB „bedenklich“ finden, vgl. Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (483). 212 Kühl/Lackner-StGB, § 25 Rdn. 2. 213 Kühl/Lackner-StGB, § 25 Rdn. 2 mit weiteren Nachweisen. 214 Schönke/Schröder-StGB-Cramer/Heine, § 25 Rdn. 15. 215 Kühl/Lackner-StGB, § 25 Rdn. 3.

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aus den Besonderheiten des geschützten Rechtsguts beziehungsweise der Art und Weise, wie dieses verletzt wird, dass die Tat nur durch eine unmittelbar eigenhändige Vornahme der Ausführungshandlung begangen werden kann; Dritte hier also, weil insoweit eine Mittäterschaft oder mittelbare Täterschaft ausscheidet, nur Teilnehmer sein können.216 Als Beispiele werden die Aussagedelikte der §§ 153 ff. StGB sowie § 173 StGB (Beischlaf unter Verwandten) genannt.217 Bei § 238 Abs. 1 StGB ist nicht ersichtlich, das nur die eigene körperliche Vornahme der strafbaren Handlung den strafbaren Unwert des Delikts218 realisieren soll. Vielmehr legt der Gesetzgeber in § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB gerade fest, dass Stalking auch über die Einschaltung von Dritten geschehen kann. Ein Grund für die gesonderte Ausgestaltung der mittelbaren Täterschaft in den Ziffern zwei und drei könnte ferner darin zu sehen sein, dass der Täter bei § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB auch ihm unbekannte Dritte, auf die er nie in einer persönlichen Situation eingewirkt hat, zur Tatbegehung benutzt. Letzteres ist aber auch gar nicht notwendig. Wie genau der Täter vorgeht oder wie er den Einfluss auf den Tatmittler gewinnt, wird vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben; ein persönlicher Kontakt nicht vorausgesetzt. Das Gesamtgeschehen muss sich nur als Werk des Hintermanns darstellen und dieser den Tatmittler in der Hand haben. Im untersuchten Fall ist der Stalker überlegener Hintermann, da er die falsche Anzeige initiiert hat. Dass er nicht genau weiß, welche Personen auf die Anzeige reagieren werden und wie viele Kontaktversuche jede von ihnen unternehmen wird, schließt die mittelbare Täterschaft des Hintermanns nicht aus. Es reicht aus, dass der mittelbare Täter „die Fäden in der Hand hält“.219 Legt er in seiner falschen Annonce beispielsweise auch die Uhrzeit für die Kontaktaufnahme zum Stalking-Opfer fest, so bestimmt er sogar den Tatzeitpunkt; durch das Platzieren der Anzeige in entsprechenden Publikationen kann er auch die Klientel der als Werkzeug infrage kommenden Personen bestimmen. Auch dass im Regelfall mehr als ein Tatmittler vom Stalker eingeplant wird und nicht jeder einzeln den Tatbestand des § 238 StGB erfüllen wird, insbesondere genügend Kontaktversuche unternimmt, durchbricht nicht die Konstruktion der mittelbaren Täterschaft. Denn nicht der Tatmittler muss den fraglichen Tatbestand erfüllen, sondern der mittelbare Täter.220 Sind ihm genügend Kontaktversuche, auch verschiedener Tatmittler, zuzurechnen, erfüllt er den § 238 Abs. 1 StGB.

216 217 218 219 220

Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rdn. 132. Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Eisele, Vorbem §§ 13 ff. Rdn. 132. Schönke/Schröder-StGB-Eser, Cramer/Heine, Vorbem. §§ 25 ff. Rdn. 86. BeckOK-StGB-Kundlich, § 25 Rdn. 20. Kühl/Lackner-StGB, § 25 Rdn. 3.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

cc) Notwendige Klarstellung, da § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB als eigenhändiges Delikt ausgestaltet wird? An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, dass Mitsch davon ausgeht, dass § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Aufsuchen der räumlichen Nähe) als eigenhändiges Delikt angesehen werden könnte.221 Würde man dieser Einschätzung folgen, könnte man die These aufstellen, dass der Gesetzgeber auch davon ausgegangen ist, mit § 238 Abs. 1 StGB insgesamt, zumindest aber mit Ziffer eins, ein eigenhändiges Delikt zu schaffen und mit § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB deshalb eine explizite Ausnahme aufzuzeigen. Hierzu finden sich aber keine Hinweise in den Dokumenten des Gesetzgebers, die in Zusammenhang mit der Schaffung der Nachstellungsnorm erschienen sind. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers, dass eine Norm eine unmittelbare Ausführung durch den Täter voraussetze, wäre aber Voraussetzung.222 Dies ist nur folgerichtig, schließlich handelt es sich bei einem solchen Delikt um eine Ausnahme vom üblichen Usus im Strafgesetzbuch. Außerdem ist zu beachten, dass zur Handhabung des § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB auf §§ 240, 241 StGB zurückgegriffen wird und diese auch in mittelbarer Täterschaft erfüllt werden können. Hätte hier der Gesetzgeber eine Ausnahme beabsichtigt, hätte er dies explizit angeben müssen. Ein erneuter Hinweis im Tatbestand, dass bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB mittelbare Täterschaft möglich ist, wäre als Klarstellung unter Umständen verständlich, wenn nur § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB als eigenhändiges Delikt ausgestaltet wäre. Als Argument wird von Mitsch angeführt, das Gesetz verlange ausdrücklich, dass „er“, der Täter persönlich, die räumliche Nähe des Opfers aufsuche.223 Weiter sei genau dies sinnvoll, da es häufig die Anwesenheit einer bestimmten Person sei (Ex-Partner oder abgewiesener Verehrer), die das Opfer in Furcht und Unruhe versetze.224 Dem ist zuallererst entgegenzuhalten, dass von § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur das Nachstellen durch eine dem Opfer bekannte Person erfasst wird. Der Gesetzgeber erwähnt den dem Opfer bekannten Personenkreis in seinen Materialien nur bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB, wenn er anführt, dass ein Täter vor allem versuchen könne, über Kollegen, Kinder oder sonstige Familienmitglieder in Kontakt mit dem Opfer zu treten.225 Bei seiner Begründung des § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Gesetzesbegründung findet sich nichts dergleichen. Die Tatsache, dass sich das Opfer zumeist schneller von ihm bekannten Personen einschüchtern lassen wird, insbesondere wenn dem Nachstellen einer Vorgeschichte vorangeht, ist wohl nicht zu bestreiten. Wie eine nach den Nummern eins bis fünf tatbestandliche Handlung auf das Opfer wirkt, ist aber nicht bei der Prüfung dieser Varianten relevant. Fragen der Intensität der nach

221 222 223 224 225

Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239); ders., Jura 2007, 401 (404). Kühl/Lackner, § 25 Rdn. 3. Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239). Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239). BT-Drs. 16/575, S. 7.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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den Aufzählungen tatbestandlichen Nummern sind bei der Prüfung der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung zu stellen und zu beantworten. Daneben spricht der Wortlaut der Norm, der von Mitsch zur Begründung herangezogen wird, nicht für die Annahme eines eigenhändigen Delikts bei § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB. So wird der erste Absatz mit den Worten „wer einem Menschen unbefugt nachstellt“ eingeleitet, anschließend werden enumerativ die Varianten aufgelistet. Folglich gilt das Subjekt „er“ für alle Handlungsvarianten. Auch für Ziffer fünf, unter die die diskutierte Meinung die mittelbare Begehungsweise des Aufsuchens der räumlichen Nähe des Opfers fassen möchte.226 Wenn „er“ als Hinweis auf ein eigenhändiges Delikt angesehen werden soll, muss es sowohl für die erste, als auch die letzte Aufzählungsnummer gelten. Genau dies möchte Mitsch aber gerade nicht aussagen. Abschließend sei angeführt, dass die diskutierte Ansicht zu einer Strafbarkeitslücke führen könnte: Beispielsweise, wenn ein Stalker einen unbeteiligten Dritten überredet (oder sogar dafür bezahlt), dem Opfer „auf den Fersen zu bleiben“. Als Motivation könnte er angeben, das Opfer fürchte um seine Sicherheit, deshalb habe er ihm versprochen, auf es aufzupassen. Nun sei er aber gelegentlich verhindert, deshalb brauche er einen „Ersatzmann“. Folgt der Dritte dem Opfer dann tatsächlich auf den Fuß und bemerkt dieses die ständige Anwesenheit und ändert infolgedessen seine Lebensgestaltung, bleibt der Dritte mangels Stalking-Vorsatzes und wegen fehlenden beharrlichen Nachstellens – er glaubt ja, sich gerade nicht über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegzusetzen – straflos. Wäre § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB als eigenhändiges Delikt ausgestaltet, wäre aber auch der Hintermann nicht strafbar, obwohl er das Geschehen in der Hand hat und dem Opfer auf seine Initiative hin nachgestellt wird, mangels Tat auch keine mittelbare Täterschaft. Kommt es zu keiner Kontaktaufnahme des Dritten mit dem Opfer, scheidet auch § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus. Desgleichen verbleibt für die Anwendung des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum: Der Gesetzgeber hat das Aufsuchen der räumlichen Nähe in Ziffer eins geregelt. Die Meinung Mitschs ist daher abzulehnen. Mit der Klarstellung einer Ausnahme lässt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB die mittelbare Täterschaft im Tatbestand zu erwähnen, nicht begründen. dd) Zwischenergebnis Daher kann eine Regelung, die in dogmatischer Sicht ohne Not aus dem Rahmen des Strafgesetzbuches fällt und zudem keine Neuerung enthält, nicht nur als überflüssig, sondern als verfehlt bezeichnet werden. Selbst wenn die Nachstellung ein Delikt darstellt, bei der es besonders häufig zum Einspannen Dritter für die Tathandlungen kommt, so stellt dies für sich genommen noch keinen Grund zur gesonderten Rege226

Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

lung der mittelbaren Täterschaft dar. Schließlich wurde Ähnliches auch nicht bei anderen Delikten wie den §§ 211 ff. StGB unternommen. Es kam dem Gesetzgeber wohl vor allem darauf an, dem Normadressaten und den Rechtsanwender vor Augen zu führen, dass spezielle Vorgehensweisen eines Stalkers dadurch gekennzeichnet sind, dass er unbeteiligte Dritte für seine Zwecke einsetzt. Nur so lässt sich die an sich überflüssige Erwähnung der Möglichkeit der Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft erklären. In Betracht zu ziehen ist auch, dass der Gesetzgeber eine Regelungsbedürftigkeit unter dem Gesichtspunkt gesehen hat, Strafbarkeitslücken nach Möglichkeit zu vermeiden und einer zögerlichen Anwendung der Rechtskonstruktion der mittelbaren Täterschaft durch die Rechtsprechung, insbesondere erstinstanzlich, entgegenzuwirken. b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB und mittelbare Täterschaft Das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ wurde bereits auf S. 50 f. ausführlich behandelt. Gerade für die unter missbräuchlicher Verwendung der Opferdaten initiierte Veranlassung Dritter mit dem Opfer in Kontakt zu treten, § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB, stellt sich aber besonders die Frage, wann ein Täter beharrlich vorgeht. Als Beispiel sei, wie in ähnlicher Weise vom Gesetzgeber selbst angedacht,227 eine Konstellation angeführt, in der ein Stalker eine Anzeige aufgibt, in der er „interessierte Herren auffordert, bei der willigen Hausfrau H zwischen 16 und 18 Uhr vorstellig zu werden, um gemeinsam sexuellen Freuden zu frönen“; es folgt die genaue Angabe der Adresse der H. Infolge der Anzeige bekommt das Stalking-Opfer tatsächlich mehrfach Besuch von willigen Herren. Um Frau H zu schützen und die Herren erfolgreich abzuwimmeln, muss ein Freund zeitweise zu ihr ziehen; auch verlässt sie das Haus nur noch in dessen Begleitung. Der Täter verwirklicht sicherlich § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 StGB und das Opfer H ist in seiner Lebensgestaltung auch gewiss als schwerwiegend beeinträchtigt anzusehen. Fraglich ist aber, ob der Täter auch beharrlich gehandelt hat. Mag man die gesteigerte Gleichgültigkeit des Täters gegenüber Frau Hs entgegenstehendem Willen noch gut annehmen können, so ist doch das Kriterium der Häufigkeit und Kontinuität228 vorliegend problematisch: Sind die zahlenmäßig notwendigen Nachstellungen schon erreicht, wenn etwa vier oder fünf Herren bei Frau H klingeln? Oder erst wenn der Stalker entweder kontinuierlich mehrere Anzeigen aufgibt oder noch weitere andere Nachstellungshandlungen verübt? Einerseits erscheint es unbillig, für ein strafbares Verhalten des Stalkers noch weitere Handlungen zu fordern. Schließlich wurde das Opfer schon durch diese eine Anzeige schwerwiegend in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt. Andererseits würde es vielleicht zu weit gehen, schon bei einer einzigen Handlung durch den Täter selbst von der Beharrlichkeit seines Tuns auszugehen, 227 228

BT-Drs. 16/575, S. 7 f. Siehe S. 50 f.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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das dafür nämlich als wiederholt und kontinuierlich angesehen werden müsste. War es Wille des Gesetzgebers, Fälle eines einzigen wenn auch geschmacklosen Schabernacks als Stalking einzustufen? Die Suche nach einer abschließenden Beurteilung dieser Lage bleibt auch nach Durchsicht der bisher erschienenen Literatur zu § 238 StGB und der Gesetzesmaterialien erfolglos. Obwohl der Gesetzgeber den Fall der „falschen Kontaktanzeige“ regelt, äußert er sich nicht, welche Handlungen für die Annahme einer kontinuierlichen und hartnäckigen Belästigung maßgeblich sein sollen; die des Stalkers, der die Anzeige schaltet, oder die der interessierten Herren. Hält man sich an die Einschätzung, der Gesetzgeber habe in §§ 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB eine mittelbare Täterschaft normiert, sei es nun aus Gründen der Notwendigkeit oder Gründen der Klarstellung, so müsste man, den Regeln der Zurechnung in § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB folgend, dem Stalker jede der Handlungen seiner Werkzeuge zurechnen. Das aber würde bedeuten, dass sich der Stalker strafbar macht, wenn sich beispielsweise sechs Interessierte auf eine falsche Annonce hin beim Opfer melden,229 bei zweien hingegen nicht.230 Es würde somit vom Zufall abhängen, ob sich der Anzeigenschaltende Stalker strafbar macht, oder nicht. Hier muss aber beachtet werden, dass „beharrlich“, wie bei § 184d StGB,231 als besonderes persönliches Merkmal im Sinn von § 28 Abs. 1 StGB zu qualifizieren ist.232 Das bedeutet, dass der Täter, sprich der Stalker beharrlich handeln muss. Dann stellt sich bei der mittelbaren Täterschaft folgendes Problem: Den entgegenstehenden Opferwillen kennt nur der Hintermann, nur er kann deshalb gegenüber diesem gleichgültig sein. Die wiederholten Kontaktaufnahmen hingegen nehmen die unterschiedlichen ahnungslosen Werkzeuge vor. Auch wenn man die Handlungen der Werkzeuge dem mittelbaren Täter zurechnet, so handelt er selbst gerade nicht kontinuierlich, hartnäckig und wiederholt. Vielmehr wird nur ein einziger Willensentschluss von ihm vorgenommen, wenn er die falsche Anzeige schaltet. Sinn und Zweck des § 238 Abs. 1 StGB soll aber sein, hartnäckig und immer wieder handelnde Täter zu bestrafen. Im Normalfall ist davon auszugehen, dass ein Stalker für jede weitere Nachstellungshandlung einen erneuten Vorsatz fasst, es liegen somit mehrere Willensentschlüsse vor, in der gerade die Gleichgültigkeit gegenüber dem Opferwillen und Hartnäckigkeit des Stalkers zu sehen ist. Geht man somit davon aus, dass „beharrlich“ ein besonderes persönliches Merkmal im Sinn des § 28 StGB ist und somit der Täter selbst entsprechend handeln und motiviert sein muss, erfüllt die einmalige Schaltung einer falschen Kontaktanzeige nicht den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB, ganz egal, wie viele „Kunden“ sich in deren Folge beim Stalking-Opfer melden. 229 Wenn auch eine fixe Grenze von fünf relevanten Stalking-Handlungen verworfen wurde, so wird in sechs Nachstellungen doch ein hartnäckiges und kontinuierliches Vorgehen zu sehen sein. 230 Siehe hierzu Ausführungen zu LG Lübeck, 2b. Strafkammer, Beschluss vom 14.2.2008 – Az. 2b Qs 18/08 auf S. 50 ff. 231 Schönke/Schröder-StGB-Lenckner/Perron, § 184d Rdn. 7. 232 Eisele, BT I, Rdn. 499; Mitsch, Jura 2007, 401 (404).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Auch auf das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung wurde schon eingegangen, vgl. S. 52 ff. d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB Ausführungen zu „unbefugt“ finden sich auf S. 58 f. 2. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG a) „Nachstellen“ Zu untersuchen verbleibt, ob durch die Normierung der mittelbaren Täterschaft in § 238 StGB im Zivilrecht neue Möglichkeiten zur Abwehr von Nachstellungen geschaffen wurden. Es ist somit zu fragen, ob ein Verhalten, wie es nach § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, Nr. 3 Var. 2 StGB sanktioniert wird, zivilrechtliche Unterlassungsansprüche des Opfers gegen den Stalker auszulösen vermag. Vorliegend wäre dies die versuchte Kontaktherstellung zwischen Opfer und Täter unter Einschaltung von Dritten beziehungsweise die Veranlassung Dritter, auf Betreiben des Stalkers mit dem Opfer in Kontakt zu treten. Falsche Anzeigen oder Pressepublikationen können in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG fallen.233 Ebenso fällt die Kontaktaufnahme mit dem Opfer durch den Täter selbst in den Regelungsbereich. Zu prüfen bleibt, wie die Einschaltung Dritter beurteilt werden soll. Da § 1 GewSchG nach bisher herrschender Meinung als Verfahrensregel ausgestaltet ist, ist für Fragen der Kausalität auf die allgemeinen Regelungen im Deliktsrecht zurückzugreifen. Aber auch wenn man § 1 GewSchG als eigenständige Anspruchsgrundlage qualifiziert, ist sie dem Deliktsrecht zuzuordnen, sodass auch dann Kausalität und Zurechenbarkeit nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen sind. Voraussetzungen sind eine Handlung, die in einem Tun oder Unterlassen liegen kann, eine Rechtsgutsverletzung beziehungsweise im Fall des Unterlassungsanspruchs die unmittelbare Gefährdung eines geschützten Rechtsgutes, sowie die Kausalität des Einen für das Andere. Im Rahmen der Prüfung der Kausalität sind nach herrschender Meinung die Äquivalenz- und Adäquanztheorie zu berücksichtigen und auch der Schutzzweck der Norm darf nicht außer Acht gelassen werden. Gemäß der all- und altbekannten Formel „conditio sine qua non“ ist alles das kausal, was nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten 233

Siehe S. 88 ff.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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Gestalt entfiele. Gemünzt auf die hier zu prüfende Problematik wäre zu fragen, ob die Belästigung des Opfers entfiele, wenn man das Handeln des Täters hinweg dächte. Danach ist äquivalente Kausalität zu bejahen, da die Dritten nicht mit dem Opfer in Kontakt getreten wären und es somit nicht zu einer Beeinträchtigung der oben genannten Rechtsgüter kommen könnte, wenn der Stalker die Dritten nicht zu ihrem Verhalten veranlasst hätte. Mithilfe der Adäquanztheorie sollen ganz unwahrscheinliche Kausalverläufe ausgeschlossen werden. Dabei müssen die Tatsachen, aus denen sich das maßgebliche Wahrscheinlichkeitsurteil ergeben soll, dem objektiven Beobachter ex ante erkennbar oder dem Täter selbst tatsächlich bekannt gewesen sein.234 Adäquat ist eine so ermittelte Ursache, wenn sie die Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht hat.235 Im Fall des Missbrauchs ahnungsloser Dritter für die Rechtsgutsverletzung durch den Stalker liegt der Kausalverlauf gerade nicht außerhalb dessen, was sich der Täter vorgestellt hat. Auch soweit der Vorsatz des Täters reicht, sind die Folgen jedenfalls für ihn vorhersehbar und gewollt.236 Für die gewollten Folgen bedarf es für den Täter keines Schutzes vor der Zurechnung.237 Fraglich ist weiter, ob ein solches Verhalten noch unter den Schutzbereich der Norm zu zählen ist. Letztlich geht es dabei um Wertungsfragen. Dass § 823 Abs. 1 BGB vor Verletzungen und Schäden der Rechtsgüter Gesundheit und Persönlichkeit schützen will, wurde bereits erläutert. Hierbei kann es keinen Unterschied machen, wie der Täter diese erreicht hat; ob er nun selbst die störenden Anrufe tätigt oder andere damit beauftragt; der Erfolg ist der gleiche. Dass das Verhalten Dritter kausal einer anderen Person zugerechnet werden kann, ist in der Fallgruppe um die „psychisch verursachte Kausalität“ schon anerkannt. Es soll für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB keinen Unterschied machen, ob der Kausalzusammenhang durch Naturgesetze oder Entschlüsse des Geschädigten oder Dritter vermittelt werde.238 Vorliegend muss sich der Dritte noch zu einem oder mehreren Anrufen beim Opfer entschließen. Genauso wie bei den Fällen um die psychisch vermittelte Kausalität darf bei der Betrachtung aber nicht ausgeblendet werden, dass der Stalker mit seiner direkten Beeinflussung des Dritten der Urheber des Geschehens ist. Mitnichten wäre davon auszugehen, dass der Kausalverlauf durch das Hinzutreten eines Dritten verändert wird. Vielmehr läuft im Fall eines getätigten Anrufs alles nach dem Plan des Täters ab. Ihm sind die Anrufe zuzurechnen und er hat die Kausalkette in Gang gebracht, die mit einer Rechtsgutsverletzung des Opfers enden kann. Auch die Regelungen für einen Unterlassungsanspruch stehen dieser Annahme nicht entgegen: Als verantwortlicher Störer und somit als Anspruchsgegner ist näm234 235 236 237 238

Staudiger-BGB-Schiemann, § 249 Rdn. 13; Traeger, S. 159 ff. Staudiger-BGB-Schiemann, § 249 Rdn. 13. Staudiger-BGB-Schiemann, § 249 Rdn. 24. Staudiger-BGB-Schiemann, § 249 Rdn. 24. Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Medicus, § 249 Rdn. 48.

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

lich auch der mittelbare Störer anzusehen.239 Als mittelbarer Störer wird derjenige angesehen, der die Beeinträchtigung durch die Handlung eines Dritten adäquat verursacht hat.240 Vorliegend hat der Stalker die Dritten veranlasst mit dem Opfer in Kontakt zu treten; er hat die Dritthandlung veranlasst.241 Somit kann festgehalten werden, dass sich für einen Unterlassensanspruch keine Unterschiede ergeben, ob der Täter die Stalking-Handlungen persönlich durchführt oder ob er für die Begehung nicht-dolose Dritte einspannt. Ein solches Verhalten ist regelmäßig auch vom Tätervorsatz erfasst. b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG Die ausführliche Diskussion der weiteren Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 1 GewSchG siehe S. 61 ff.

3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB Wie gerade geschildert, macht es nach den Regeln im Deliktsrecht keinen Unterschied, ob der Stalker die Nachstellungen selbst oder durch andere begeht. Gleiches gilt somit für den Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog. Insoweit wird auf die Ausführungen oben verwiesen.242

4. Weitere Schutzgesetze Wie bei den anderen Begehungsvarianten stellt sich bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB die Frage, ob die sanktionierten Verhaltensweisen nicht schon von anderen Strafnormen erfasst werden. Eine ausführliche Diskussion der infrage kommenden Straftatbestände kann an dieser Stelle ausbleiben. Wie § 238 StGB selbst können nämlich auch diese Tatbestände in mittelbarer Täterschaft erfüllt werden. Auch bei den infrage stehenden Strafnormen handelt es sich nicht um höchstpersönliche Delikte, sodass sie nicht der Begehungsweise durch mittelbare Täterschaft verschlossen bleiben. 5. Ergebnis Wie bereits oben angeführt,243 geht der Sinn der expliziten Nennung der Möglichkeit der mittelbaren Täterschaft bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB nicht über eine Hinweisfunktion hinaus. Eine Neuerung stellt die mittelbare Täter239 240 241 242 243

Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Englert, § 1004 Rdn. 4. BGH NJW 2000, 2901. Palandt-BGB-Bassenge, § 1004 Rdn. 17. Siehe S. 114 f. Siehe S. 111 f.

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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schaft auch bei den anderen Straftatbeständen nicht dar. In zivilrechtlicher Hinsicht gab es insoweit weder bei strafrechtlichen Schutzgesetzen noch bei § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG oder § 823 Abs. 1 BGB Regelungslücken.

VII. Auffangtatbestand 1. § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB a) „Eine vergleichbare Handlung vornehmen“ Bisher wurde vereinzelt auf den Auffangtatbestand in § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB Bezug genommen. Sein Regelungsgehalt und auch die Frage, ob § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB in strafrechtlicher Hinsicht bestimmt genug sind, soll nun behandelt werden. aa) Regelungsbereich Gemäß § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB soll auch derjenige strafbar sein, der einer anderen Person nachstellt indem er beharrlich eine andere vergleichbare Handlung vornimmt und dadurch ihre Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt. „Vergleichbare Handlung“ nimmt selbstverständlich Bezug auf die in den Nummern eins bis vier aufgeführten Verhaltensweisen. In den Regelungsbereich fallen somit Fallkonstellationen, die nicht von den bisherigen Varianten erfasst werden, diesen bezüglich Intensität und Opferbelästigung aber in nichts nachstehen und gleichsam als strafwürdig eingestuft werden müssen. Ferner wird angeführt, der Auffangtatbestand ermögliche es künftigen technischen Entwicklungen im Bereich der Nachstellungshandlungen Rechnung zu tragen und sie mit der dann schon bestehenden Norm zu sanktionieren.244 Beispiele von Sachverhalten, die unter § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB fallen sollen, sucht man indes in sämtlichen Materialien des Gesetzgebers vergebens. Die Teile der Rechtswissenschaft, die sich mit § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB beschäftigt haben, geben folgende Beispiele an: Sachbeschädigungen an opfereigenen Sachen,245 unrichtige Anzeigen in Zeitungen wie Hochzeits- oder Todesanzeigen, Verunglimpfungen des Opfers in seinem Freundes- oder Kollegenkreises oder Überwachung selbiger Kreise.246 Angedacht werden auch sexuelle Belästigungen oder tätliche Angriffe.247 Daneben werden Rufmordkampagnen gegenüber Gewerbetreibenden in Betracht gezogen, etwa durch falsche Anzeigen bei Gewerbeaufsicht oder Veterinärämtern. Zudem werden falsche Strafanzeigen oder Benachrichtigun244 245 246 247

BT-Drs. 16/3641, S. 14. Eisele, BT I, Rdn. 498 (Bsp. 2); Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). Mosbacher, NStZ 2007, 665 (668). Valerius, JuS 2007, 319 (322).

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

gen an das Jugendamt, wonach das Opfer seine Kinder vernachlässige, als mögliche Anwendungsfälle von Nummer fünf genannt.248 Weiter solle auch das Beobachten des Opfers mit einem Fernglas249 oder Teleskop,250 bei dem die räumliche Nähe ja gerade nicht aufgesucht wird, wegen Vergleichbarkeit in den Anwendungsbereich der Ziffer fünf fallen. Ferner könne ein Stalker auf die Idee kommen dem Opfer Strom und Wasser abzubestellen, also den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB umkehren.251 Richtig ist, dass die aufgeführten Beispiele nicht unter die Ziffern eins bis vier des § 238 Abs. 1 StGB subsumiert werden können. Ohne einen Auffangtatbestand wären sie nicht nach § 238 Abs. 1 StGB strafbar. bb) Problem: Bestimmtheit des Auffangtatbestandes Die Tatbestandsvariante der Ziffer fünf ist vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand konzipiert worden um Strafbarkeitslücken im Bereich des Stalkings zu vermeiden.252 Schon während der Zeit des Gesetzgebungsverfahrens, aber auch nach Verkündung des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB, ging ein Aufschrei durch die mit der Thematik befassten Teile der Rechtswissenschaft, die den Auffangtatbestand für zu unbestimmt und somit für verfassungswidrig oder zumindest als äußerst problematisch erachten.253 Es bleibt abzuwarten, ob und wann § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB wegen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG vom BVerfG „kassiert“ werden wird. Möglich wäre, worauf Kühl254 nach Normerlass255 hinweist, auch eine verfassungsgemäße innertatbestandliche Analogie, wie sie bei §§ 315, 315b StGB gehandhabt wird, die Rechtsprechung also mittels seiner Rechtsprechung die zu unbestimmte Vorschrift in vorhersehbare Bahnen lenkt. Da die Nummern eins bis vier aber so unterschiedliche Verhaltensweisen sanktionieren, fehlt es insoweit an „handfesten“ Vorgaben für eine innertatbestandliche Analogie. Eine vergleichbare Handlung müsse zudem eine andere Handlung darstellen und nicht nur Handlungen, die knapp neben oder kurz vor den Verhaltensweisen in

248

Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1033). Eisele, BT I, Rdn. 498 (Bsp. 1). 250 Wagner, FPR 2006, 208 (211). 251 Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1033). 252 BT-Drs. 16/3641, S. 14. 253 Stellungnahme Kühl, S. 9; Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes e. V., S. 7; jeweils im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses vom 18.10.2006 abgegeben; Gazeas, KJ 2006, 247 (257); Vander, KritV 2006, 81 (89); Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239); Valerius, JuS 2007, 319 (322); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (486); Sering, NJWSpezial 2007, 375. 254 Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 5. 255 Vergleiche aber noch Kühl Stellungnahme S. 8 f. im Rahmen der öffentlichen Anhörung. 249

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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den Nummern eins bis vier liegen und somit andere Angriffsformen auf den individuellen Lebensbereich darstellen.256 Mithin besteht bei einer Mehrzahl der publizierenden Rechtswissenschaftlern Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm.257 Eine entsprechend angedeutete negative Entscheidung des BVerfG steht wohl zu erwarten: Die unbestimmten Rechtsbegriffe „beharrlich“ und „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ sorgen schon bei den Ziffern eins bis vier des § 238 Abs. 1 StGB für Normunklarheit. Mit Ziffer fünf verweist der Gesetzgeber nun auf vier Varianten des Stalkings, die selbst erst durch die Judikatur geformt werden müssen. Besonders in Bezug auf die Auslegung des Begriffs der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“ ist die Rechtsprechung gefordert. Des Weiteren werden in den vier Varianten völlig unterschiedliche Verhaltensweisen sanktioniert; Nummer vier betrifft Drohungen, Nummer drei die missbräuchliche Verwendung von Daten. Zwei völlig unterschiedliche Handlungen, die nur in einem Punkt übereinstimmen: Sie sind unangenehm für das Opfer. Die Nummern eins und zwei stellen ein Verhalten unter Strafe, das unter anderen Umständen sozialadäquat ist und erst durch seine Unbefugtheit zu Unrecht wird. „Ähnliche Handlung“ in Ziffer fünf kann derart verstanden werden, dass eine vergleichbare Begehungsweise zu fordern ist,258 wie etwa bei § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB.259 Dann stellt sich die Frage, welches Verhalten denn nun einer Drohung genauso ähnlich sein soll wie dem unbefugten Anrufen. Was ist vergleichbar der missbräuchlichen Verwendung der Opferdaten und dem Telefonterror? Andererseits kann die „ähnliche Handlung“ auch so verstanden, werden, dass lediglich ein vergleichbar schwerwiegendes Verhalten für den Tatbestand des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu fordern ist.260 Zwar kann man nach dieser Ansicht man wohl am ehesten dem Willen des Gesetzgebers folgend mit einer Strafnorm auch schon jetzt unbekannte Begehungsweisen von Stalking tatbestandlich erfassen.261 Danach sollen von Ziffer fünf Handlungen erfasst werden, „die den in § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten ihrer Bedeutung nach entsprechen, also sowohl quantitativ als auch qualitativ eine vergleichbare Schwere aufweisen und in ihrem Handlungsund Erfolgsunrecht diesem gleichkommen“.262 In seiner Intensität vergleichbar, und damit in ihrer Qualität vergleichbar, werden die Varianten des § 238 Abs. 1 StGB 256

Kühl/Lackner-StGB, § 238 Rdn. 5. Stellungnahme Kühl, S. 9; Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes e. V., S. 7; jeweils im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses vom 18.10.2006 abgegeben; Gazeas, KJ 2006, 247 (257); Vander, KritV 2006, 81 (89); Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239); Valerius, JuS 2007, 319 (322); Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (486); Sering, NJWSpezial 2007. 375; wohl auch: Eiden, ZIS 2008, 123 (128); a. A. Mosbacher, NStZ 2007 665, (668 und 671) und Eisele, BT I, Rdn. 497 f . 258 Valerius, JuS 2007, 319 (322). 259 Eisele, BT I, Rdn. 489. 260 Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484); Eisele, BT I, Rdn. 489. 261 BT-Drs. 16/3641, S. 14. 262 BT-Drs. 16/3641, S. 14. 257

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Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

aber erst durch das Erfüllen des notwendigen Taterfolges, der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers.263 In ihrer Quantität vergleichbar werden die Handlungen des Täters hauptsächlich dadurch, dass sie als „beharrlich“ angesehen werden können. Wenn nun aber die Verweise zur Orientierung an Qualität und Quantität auf zwei andere Tatbestandsmerkmale verweisen, wird dadurch doch nicht die „ähnliche Handlung“ konkretisiert. Daher ist anzumerken: Dadurch, dass die Nummern eins bis vier so unterschiedlich sind, und die tatbestandlichen Handlungen auf so unterschiedliche Weise in das Opferleben eingreifen, ist der pauschale Hinweis auf eine ähnliche Handlungsweise inhaltsarm. Es soll der Rechtsprechung an dieser Stelle nicht die Fähigkeit abgesprochen werden, die Vorschrift der Nummer fünf vernünftig und dem Willen des Gesetzgebers entsprechend anzuwenden. Es soll aber darauf hingewiesen werden, dass eine Strafnorm, die vom Gesetzgeber erlassen wird, von Anfang an von der Bevölkerung erschließbar sein muss und nicht erst nach einiger Zeit der formenden Rechtsprechung. Der Gesetzgeber muss Normen schaffen, die, gerade im Strafrecht, vom Erlasszeitpunkt an ersichtlich sind und nicht erst nach einer Periode der korrigierenden Rechtsprechung. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Ziffer fünf kann an dieser Stelle nicht ausführlicher behandelt werden. Hierzu sollen sich Strafrechtswissenschaftler berufen fühlen. Mit Spannung ist zu erwarten, wie sich die Instanzgerichte und schließlich das BVerfG äußern werden. Bis zu dieser Entscheidung muss die Norm als geltendes Recht aber herangezogen werden. Deshalb wird sie in dieser Arbeit als Schutznorm im zivilrechtlichen Stalking-Schutz herangezogen und geprüft. b) „Beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB Wie bereits angedeutet, müsste auch eine ähnliche Handlung in beharrlicher Weise ausgeführt werden, um strafbar zu sein. Bezüglich der Erörterung der Beharrlichkeit wird auf S. 50 f. verwiesen. c) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ in § 238 Abs. 1 StGB Bezüglich der Ausführungen zur schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers wird auf S. 52 ff. verwiesen. d) „Unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB Die Handlung müsste auch unbefugt sein. Siehe Ausführungen auf S. 58 f.

263

So wohl auch: Kinzig/Zander, JA 2007, 481 (484).

C. Prüfung und Vergleich der Tatbestände

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2. § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG a) „Nachstellen“ Da im Auffangtatbestand des § 238 StGB denknotwendigerweise keine bestimmten Verhaltensweisen aufgeführt werden, muss eine Subsumtion unter den Begriff der unzumutbaren Belästigung in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG unterbleiben. Wie sich im Laufe dieser Arbeit gezeigt hat, stehen dem Rechtsanwender mit dem „Nachstellen“ und der „Verfolgung unter Verwendung von Mitteln der Fernkommunikation“ weit gefasste Begriffe zur Verfügung. Insofern kann angezweifelt werden, dass es Verhaltensweisen geben wird, die unter § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu subsumieren sind, aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG ausscheiden sollen. Mithin liegen die Schranken aufgrund des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes bei § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB enger als beim Gewaltschutzgesetz. Des Weiteren werden wiederum die Kriterien der Beharrlichkeit und der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers die Hürde für ein straffälliges Verhalten höher setzen. Somit kann davon ausgegangen werden, dass alles, was eine strafbare Nachstellung nach § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB darstellt, auch als Nachstellen im Sinn des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG aufgefasst werden kann. Letztere Norm kann in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise einen weiten Anwendungsbereich haben als die Strafnorm. b) Weitere Voraussetzungen nach § 1 GewSchG Bezüglich der weiteren Voraussetzungen wird auf S. 61 ff. verwiesen. 3. Erfasst als Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB Das Problem, dass unbenannte Verhaltensweisen schlecht unter andere Tatbestände subsumiert werden können, stellt sich ebenso bei § 823 Abs. 1 BGB. Eine strafrechtliche Sachbeschädigung stellt einen Eingriff in das von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Eigentumsrecht dar. Falsche Anzeigen, Verdächtigungen und Beleidigungen können außerdem in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen. Insoweit scheinen keine Fälle ersichtlich, die nach § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar sind, aber nicht auch Rechtgüter tangieren, die nach § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind. 4. Weitere Schutzgesetze Für die Fälle, in denen ein Täter auf andere Weise dem Opfer nachstellt, können an dieser Stelle nur die Beispiele auf eine andere strafrechtliche Erfassung hin überprüft werden, die als mögliche Anwendungsbereiche für § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB schon angesprochen wurden.

122

Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

Rufmordkampagnen durch falsche Anzeigen bei Behörden fallen in den Strafbarkeitsbereich des § 164 StGB (falsche Verdächtigung). Sachbeschädigungen sind durch § 303 StGB sanktioniert. Sexuelle Nötigungen und Nötigungen anderer Art werden von § 177 StGB und § 240 StGB erfasst; ebenso ist an § 241 StGB zu denken. Verunglimpfungen können den Strafbarkeitsbereich der Beleidigungen eröffnen. Letztlich kann hier keine detaillierte Erörterung erfolgen, siehe S. 117 f. Doch höchst wahrscheinlich wird alles, was nach § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB tatsächlich strafbar ist und somit als strafwürdig eingestuft wird, nach der im Laufe dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnis von den schon früher bestehenden Normen des (Kern-)Strafrechts sanktioniert werden. Damit bietet sich wiederum die Möglichkeit, wegen (drohender) Schutzgesetzverletzungen mit den quasi-negatorischen Ansprüchen aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog zivilrechtlich gegen den Stalker vorzugehen. 5. Ergebnis Aufgrund der zahlreichen verfassungsrechtlichen Bedenken ist die Schaffung des Auffangtatbestandes als problematische Leistung des Gesetzgebers zu kritisieren. Da auch in strafrechtlicher Hinsicht die meisten bisher den Anwendungsbereich des Auffangtatbestandes eröffnenden Verhaltensweisen andere Straftatbestände erfüllen wie Sachbeschädigung, falsche Verdächtigung, Beleidigung oder Nötigung, hätte auf eine so problembeladene Regelung getrost verzichtet werden können.264 Auch eine „Vorratsrechtsetzung“ für Fälle in denen künftige technische Entwicklungen das Stalking neu gestalten, scheint zweifelhaft. In zivilrechtlicher Hinsicht kann alles, was unter die ähnliche Handlung in § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB subsumiert werden kann, auch als „nachstellen“ im Sinn des Gewaltschutzgesetzes qualifiziert werden. Insoweit stellt § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB keine notwendige Ergänzung des zivilrechtlichen Schutzes gegen Nachstellungen dar.

D. Ergebnis in Bezug auf den Vergleich der Tatbestände Als Ergebnis des vorgenommenen Vergleichs kann festgestellt werden, dass § 238 Abs. 1 StGB für den zivilrechtlichen Stalking-Schutz mit keinerlei Neuerungen zu überzeugen vermag. Sämtliche Verhaltensweisen werden nicht nur vom Regelungsbereich des Gewaltschutzgesetzes erfasst, sondern greifen auch in von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsgüter ein. Besonders die Fallgruppe des „Schutzes gegen Belästigungen und Aufdrängen“ wird regelmäßig ebenfalls betroffen sein. Doch auch was die Verwirklichung anderer strafrechtlicher Schutzgesetze angeht, die vorliegend nur am Rande von Interesse sind, schließt § 238 Abs. 1 StGB kaum Lücken. Einschlägig wird die neue Norm vielmehr in Fällen sein, die schon jetzt mü264

So wohl auch: Mitsch, NJW 2007, 1237 (1239).

D. Ergebnis in Bezug auf den Vergleich der Tatbestände

123

helos vom Kernstrafrecht erfasst werden, eine Stimme in der Literatur spricht sogar von bloßem „symbolischen Strafrecht“.265 Die Randfälle, die bisher nicht strafbar waren, werden wohl auch von § 238 StGB nicht sanktioniert werden. Insoweit schränken die Tatbestandsmerkmale „beharrlich“ und das Erfordernis der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“ den vermeintlich weiten Tatbestand erheblich ein. Somit ist es vielmehr das Zivilrecht, das in den Fällen Abhilfe verspricht, für die das Strafrecht bisher keine Normen bereithielt und die, nach der hier vertretenen Auffassung, auch weiter dem Regelungsbereich des Strafrechts entzogen sein werden. Der Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Stalking-Schutzes kann als umfassender betrachtet werden. Er greift in einer Phase ein, in der das Stalking noch nicht die Intensität erreicht hat, die für eine Strafbarkeit notwendig ist. Dies ist auch folgerichtig, schließlich stellt das Strafrecht eine Handhabe des Staates dar bei der das ultimaratio-Prinzip beachtet werden muss. Viele Stalking-Handlungen spielen sich in einem Rahmen ab, der zum Teil noch nicht einmal als strafwürdig erachtet werden kann; eben dann, wenn das Opfer nicht schwerwiegend beeinträchtigt, sondern „nur“ belästigt wird. Dann stellt sich aber die Frage, ob im Zuge einer Steigerung der Effizienz des Stalking-Schutzes nicht die zivilrechtlichen Mittel reformiert und ausgebaut werden sollten, sollte man denn Reformbedarf sehen.266 In dieser Untersuchung konnten aber keine unerträglichen Lücken im zivilrechtlichen Stalking-Schutz in Bezug auf die Regelungsbereiche des Tatbestandes des § 1 Abs. 1, Abs. 2 GewSchG festgestellt werden. Allenfalls käme eine Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes um den Eigentumsschutz in Betracht. Da das Eigentum aber als Rechtsgut von § 823 Abs. 1 BGB umfassend geschützt wird, gibt nach der hier vertretenen Auffassung in Bezug auf die Reichweite des Tatbestandes keinen Regelungsbedarf. Durch § 238 StGB kann ein Opfer im Zivilverfahren hingegen auch profitieren. Das Legalitätsprinzip verpflichtet Polizei und Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen, die dem Opfer dann im Zivilprozess die Beweisführung erleichtern können. So kann es beispielsweise an Ermittlungsergebnisse aus dem Umfeld des Täters erlangen, die es ansonsten nicht so leicht beschaffen könnte. Die Informationen können für das Stalking-Opfer auch im Fall einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens, etwa mangels tatbestandlich relevanter schwerwiegender Beeinträchtigung des Opfers, im Zivilprozess von Vorteil sein. Dies kann sich aber auch als ein zweischneidiges Schwert herausstellen: So mögen die tatbestandlich relevanten Fakten für ein Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz durch Ermittlungen gesichert sein. Für den Fall der Einstellung des Verfahrens, könnte sich der Stalker durch den Einstellungsbeschluss hingegen wieder in seinem Tun bestärkt fühlen. Die hohe strafrechtliche Hürde und die mit ihr verbundenen zahlreichen zu erwartenden Einstellungen der Ermittlungen

265

Neubacher/Seher, JZ 2007, 1029 (1036). Weber-Hassemer, ZRP 2006, 69; Pechstaedt, Spezifischer Rechtschutz, S. 101 und 125; ders., NJW 2007, 1233; Endrass/Rossegger/Noll/Urbaniok, MschrKrim 2007, 1 (8). 266

124

Kap. 3: Unterschiede der Anspruchsgrundlagen in Bezug auf den Tatbestand

und Verfahren können somit bei manchen Tätergattungen zu einem Ermutigungseffekt führen. Der neuen Anti-Stalking-Norm des § 238 StGB verbleibt vor allem die Funktion darauf hinzuweisen, dass Stalking gesellschaftlich und von Seiten des Staates nicht akzeptiert wird. Sie ist ein Symbol dafür, dass der Gesetzgeber auf gesellschaftliche Missstände reagiert, auch ermöglicht die Schaffung einer Strafnorm es der Polizei, sich in Fällen von Stalking frühzeitiger einzuschalten. Bisher ist dies nur im Rahmen von Projekten über eine konkrete Gefährderansprache und auch nur regional begrenzt Usus.

Kapitel 4

Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten A. Einleitung Zu dem von Nachstellung betroffenen Personenkreis gehören überdurchschnittlich viele Prominente. Fans, die ihren Idolen nah sein wollen oder glauben in besonderen Beziehungen zu ihnen zu stehen, reisen den Prominenten nach oder campieren vor deren Wohnsitz. Werden die Prominenten hingegen nicht von ihren Fans sondern von Journalisten belagert, stellt sich die Frage, ob sich damit ein neuer Anwendungsbereich für das Anti-Stalking-Recht eröffnet. Können Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, unangenehme Journalisten und Paparazzi mittels § 238 StGB verfolgen lassen? Wird dadurch die Pressearbeit eingeschränkt oder sogar verhindert? Gehört es für die Prominente nicht schon zum Alltag, dass vor ihrem Haus Paparazzi lauern und auf Schnappschüsse hoffen? Und was ist mit den engagierten, investigativen Journalisten? Sollen sie nun alle Stalker sein? Während des Gesetzgebungsverfahrens haben die Presseverbände immer wieder angeregt, die journalistische Recherche von der Tatbestandsverwirklichung des § 238 StGB ausdrücklich auszunehmen.1 Auch die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP zeigten sich im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages darüber besorgt, dass ihrer Meinung nach Journalisten bei berufsadäquatem Verhalten in den Anwendungsbereich des § 238 StGB fallen und forderten entsprechende Ausnahmeregelungen für die betroffene Berufsgruppe.2 Dem ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen, sodass sich nun tatsächlich die Frage stellt, ob sich Journalisten durch die hartnäckige Recherche strafbar machen können. Die Bundesjustizministerin sah hier keinen Handlungsbedarf und meinte, die Strafbarkeit des investigativen Journalismus ausschließen zu können: Für sie herrsche eine deutliche Grenze zwischen einer engagierten journalistischen Recherche und dem Stalking, weshalb eine Strafbarkeit von Pressevertretern aus § 238 StGB 1 Beck Aktuell: DJV fordert Ausnahme für Journalisten im „Stalking“-Strafgesetz, becklink 140963; Gemeinsame Stellungnahme von ARD, BDZV, DJV, djv/ver.di, VGZ, VPRT und ZDF, S. 2, abgegeben im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses am 18.10.2006. 2 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT-Drs. 16/3641, S. 16; FDP: BT-Drs. 16/3641, S. 10 und 12.

126

Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

nur zu befürchten sei, wenn diese eine Vorgehensweise an den Tag legen würden, die nicht mehr vom Grundgesetz und der Pressefreiheit gedeckt werde.3 Im Folgenden wird untersucht werden, ob und unter welchen Umständen man auch mittels eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB gegen aufdringliche Pressevertreter vorgehen könnte; ergo ob die engagierte Pressewelt künftig auch Unterlassungsansprüchen in Verbindung mit dem Anti-Stalking-Paragraphen zu befürchten hat.4 Auch wird die journalistische Recherche unter den Nachstellungsbegriff aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG subsumiert sowie untersucht, ob auch der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB durch Pressenachforschungen eröffnet wird. Es gilt zu überprüfen, ob sich die Journalisten auch schon nach dem „alten Recht“ Unterlassungsansprüchen aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG i. V. m. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog beziehungsweise §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog ausgesetzt sehen müssen; beziehungsweise welche Änderungen sich de facto durch die Einführung des § 238 StGB ergeben.

B. Investigativer Journalismus: Versuch einer Definition Der Terminus des investigativen Journalismus wird besonders seit aufsehenerregenden Presseveröffentlichungen, wie etwa um die sogenannte Watergate-Affäre geprägt und verwendet. Für Deutschland sind als Beispiele die Flick-Affäre, die Schwarzgeldaffären der CDU oder auch die Barschel-Pfeiffer-Affäre anzuführen, aber auch eine Vielzahl von Enthüllungen von nur regionalem Interesse; Stichwort: Vetternwirtschaft. Der Begriff des investigativen Journalismus leitet sich ab vom lateinischen „investigare“ oder „investigatio,“ welche mit „untersuchen“, „erkunden“ oder „nachforschen“ beziehungsweise „Erforschung“ übersetzt werden.5 Weithin wird mit investigativem Journalismus eine Art des Journalismus bezeichnet, bei der einem bestimmten Thema oder Ereignis untersuchend nachgegangen wird und die Hintergründe recherchiert, weniger Offensichtliches aufgedeckt und miteinander in Zusammenhang gebracht wird.6 Investigativer Journalismus wird auch mit den Termini „ermittelnder“, „aufdeckender“ und „enthüllender Journalismus“ bezeichnet beziehungsweise mit den Ausdrücken „nachforschender“, „untersuchender“ und „aufklärender Jour3 Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in ihrer Rede am 25. 9. 2006 anlässlich des Zeitungskongresses 2006 in Rostock-Warnemünde, abzurufen über: http://www.bmj.bund.de/ enid/11e7 f01 f0 f4896c0 f524ee2bf2cb24b5,1 f9d87706d635 f6964092d0932353732093 a0979656172092d0932303036093a096d6 f6e7468092d093039093a095 f7472636964092 d0932353732/Ministerin/Reden_129.html (zuletzt angerufen am 15. 7. 2008). 4 Sollte dies bejaht werden, liegt gleichzeitig eine Strafbarkeit der Pressevertreter nach § 238 StGB vor. 5 Der kleine Stowassser, Lateinisch-Deutsches Wörterbuch. 6 Wiktionary, das freie Wörterbuch; abzurufen über: http://de.wiktionary.org.

C. Kollision der Pressefreiheit

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nalismus“ umschrieben.7 In den fraglichen Fällen wird man es mit Pressevertretern zu tun haben, die auf persönlichem oder fernmündlichem Wege immer wieder den Kontakt zu einer Person suchen, meist des öffentlichen Lebens oder der Zeitgeschichte, etwa um eine Interviewmöglichkeit zu bekommen. Weiter könnten auch sogenannte Paparazzi8 als potenzielle Stalking-Täter qualifiziert werden.9 Diesbezüglich drängt sich der Gedanke an die vermeintliche Mitverantwortlichkeit der französischen Bildjournalisten für die angeblich hetzbedingte Todesfahrt der verstorbenen Prinzessin von Wales und ihres Begleiters Dodi Al-Fayed auf.

C. Kollision der Pressefreiheit mit einem Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB? Um zu einem zivilrechtlichen Anspruch zu kommen,10 muss zunächst geprüft werden, ob ein Journalist durch seine investigative Arbeit gegen das Schutzgesetz des § 238 Abs. 1 StGB verstoßen kann.

I. Tatbestandsverwirklichung durch die hartnäckige journalistische Recherche Ein recherchierender Journalist, sei er nun Bild- oder Wortreporter, könnte sich besonders nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 StGB strafbar machen. Eine Verwirklichung der Tatbestände einer Drohung gegen Leib, Leben oder Freiheit nach § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch die hartnäckige journalistische Recherche wird kaum vorkommen. Auch die Informationsbeschaffung durch Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung der personenbezogenen Daten des Opfers (§ 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist eher unwahrscheinlich. In Betracht käme hingegen ein Nachstellen nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn ein Journalist wiederholt die räumliche Nähe einer Person aufsucht. Eine Tatbestandsverwirklichung scheint 7

Janisch, S. 15 f. Zur Wortherkunft, die sich angeblich aus George Gissings Buch „Am Ionischen Meer“ ergibt, der eine seiner Figuren nach dem Hotelier Coriolano Paparazzo nannte, was wiederum Frederico Fellini dazu veranlasste den aufdringlichen Pressefotografen in „Das süße Leben“ ebenfalls so zu benennen. Siehe auch: Duden, Das große Fremdwörterbuch, S. 989; http:// de.wikipedia.org/wiki/Paparazzo (zuletzt abgerufen am 4. 11. 2008) beziehungsweise Axel Hacke im Tagesspiegel, Berlin 5.9.2004. 9 Sollten diese Aufnahmen von Personen unbefugt und unter Verletzung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches angefertigt oder verbreitet werden, kommt auch eine Strafbarkeit aus § 201a StGB in Betracht. Auf eine solche Verwirklichung im Detail einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit erheblich sprengen. 10 Für die weiteren Voraussetzungen des quasi-neagtorischen Anspruchs wird auf die einleitende Erörterung auf S. 38 f. verwiesen. 8

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

auch deshalb naheliegend, wenn man sich die übliche Definition des Paparazzos vor Augen führt, nach der er als sensationsgieriger und aufdringlicher Pressefotograf, der Prominenten nachstellt, verstanden wird.11 § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte vor allem durch das Warten eines (Foto-)Reporters vor der Wohnung oder Arbeitsstelle verwirklicht werden, zumal sich Paparazzi gerne gezielt für das Schießen von guten Fotos an geeigneten Orten „auf die Lauer legen.“ Ein Nachstellen durch Kontaktaufnahme mittels der Kommunikationsmittel des § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB könnte ebenfalls schnell erfüllt sein. 1. Beispielsachverhalte um Pressevertreter Zur näheren Betrachtung laden drei Beispiele ein: Beispiel 1: Nach den öffentlich lancierten Beziehungsproblemen der Moderatorin M und des Stürmerstars S heftet sich der Paparazzo P an ihre Fersen. Er bezieht vor dem Haus des Paars Stellung und versteckt sich in einem Gebüsch vis--vis. Verlässt einer der beiden das Haus, verfolgt er sie zu Fuß oder mit dem Auto. Auch nachdem M den P anfuhr, sie wolle nicht mehr von ihm und anderen Vertretern seiner Zunft behelligt werden, änderte sich nichts. Die Belagerung dauert drei Wochen an. Die Situation ist M unangenehm und so ist sie froh um ihre Bodyguards, die sie erfolgreich abschotten.

Beispiel 2: Der renommierte Journalist J recherchiert in einer Steueraffäre. Dabei sollen viele prominente Wirtschaftsgrößen und Politiker dem deutschen Fiskus Millionen vorenthalten haben. Unter anderem hat J den Politiker O ins Visier genommen, der für seine harten Äußerungen Steuersündern gegenüber bekannt ist und nun selbst in Verdacht geraten ist. Zu Recherchezwecken versucht er immer wieder mit O in Kontakt zu treten. So ruft er in Os Büro und Privatwohnung an und schreibt ihm E-Mails mit der Bitte um Stellungnahmen, obwohl ihm die Sekretärin des O ausrichtete, O wünsche keinen Kontakt zur Presse. Da seine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt sind, klingelt wiederholt an der Haustür des Wohnhauses und taucht an der Arbeitsstätte des O auf. Dieser fühlt sich durch das ständige Telefonklingeln belästigt und beantragt bei seinem Telefonbetreiber eine neue Rufnummer. Weiter vermeidet es O das Haus zu verlassen, um J nicht in die Arme zu laufen.

Beispiel 3: Nach einem aufsehenerregenden Autounfall wendet sich der Reporter R eines BoulevardMagazins immer wieder an die Hinterbliebenen des Unfallverursachers: Er bezieht gegenüber ihrem Haus mit seinem Aufnahmewagen Stellung, klingelt nachhaltig an der Türe und ruft vielfach die Festnetz- und Mobilfunknummern der Familie an – immer mit der nachdrücklichen Bitte, ihr Befinden zu schildern. Von der Aufforderung, doch bitte in Ruhe trauern zu dürfen, zeigt sich R unbeeindruckt. Um den Belästigungen zu entgehen, verlassen sie

11

Duden, Das große Fremdwörterbuch, S. 989.

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nicht mehr das Haus, melden sich bei der Arbeit krank und stellen das Telefon ab. Erst nach mehreren Tagen erlischt das Interesse der Öffentlichkeit und der Reporter zieht ab.

2. Prüfung der Beispielsachverhalte Die Pressevertreter könnten § 238 Abs. 1 StGB verwirklicht haben. Durch die ständige Präsenz vor der Haustür der Moderatorin und ihr Verfolgen könnte sich der Paparazzo in Beispiel 1 nach der Variante § 238 Abs. Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. Wie bereits ausgeführt, stellt das Auflauern vor der Wohnungstür ein Aufsuchen der räumlichen Nähe im Sinn der Tatbestandsverwirklichung dar.12 Gleiches gilt für das Verfolgen zu Fuß oder mit dem Auto. Weiter hat der Paparazzo beharrlich gehandelt: Zum einen liegen mehrere Einzelhandlungen vor, die als ausreichend angesehen werden können. Zum anderen ist ihm der Wunsch der Moderatorin in Ruhe gelassen zu werden gleichgültig.13 Ihre Belästigung nimmt er für aktuelles Fotomaterial in Kauf. Der Paparazzo hätte folglich den Tatbestand erfüllt, wenn die Moderatorin wesentlich in ihrer Lebensgestaltung beeinträchtigt wurde. Da sie ihr Wohnhaus nicht mehr allein verlässt und sich zunehmend mit den Personenschützern verschanzt, liegt eine dem Gesetzgeber vorschwebende typische schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung vor.14 P handelte auch vorsätzlich, zumindest nahm er die Folgen seiner Handlungen billigend in Kauf. Prüft man den Sachverhalt aus Beispiel 2, so könnte sich auch der Journalist J strafbar gemacht haben: § 238 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB. Seine Anrufe in Os Büro und Privathaus stellen zumindest den Versuch einer Kontaktaufnahme unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nach § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB dar. Ein eventuelles Anrufen der Sekretärin, um mit ihrer Hilfe an O heranzukommen, fällt tatbestandlich unter § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB. Das Auftauchen am Wohnhaus und an der Arbeitsstelle kann als Aufsuchen der räumlichen Nähe im Sinn von § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB qualifiziert werden. Wiederum liegen zahlreiche Stalking-Handlungen im Sinn des Nachstellungsparagraphen vor; dass diese verschiedenartig sind, ist irrelevant.15 Da ihm der entgegenstehende Wille des O, gerade nicht mit der Presse in Kontakt zu kommen, bei seinem Vorgehen egal war, handelte J auch beharrlich im Sinn des § 238 Abs. 1 StGB.16 Wenn O auch schwerwiegend in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt wurde, so hat der Journalist durch seine Recherchebemühungen den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB objektiv und subjektiv17 erfüllt. O entzieht sich der Konfrontation mit J, indem er sein Haus nicht mehr verlässt, nicht mehr ins Büro geht und eine neue Telefonnummer beantragt hat. Somit liegt auch hier eine für 12 13 14 15 16 17

Siehe S. 49 f. Vergleiche ausführlich zum Begriff „beharrlich“ S. 50 f. Vgl. BT-Drs. 16/575, S. 8. Siehe S. 50 f. Vergleiche ausführlich zum Begriff „beharrlich“ S. 50 f. Er handelte mit Wissen und Wollen.

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den Gesetzgeber typische schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des O vor. In Beispiel 3 verwirklicht der Reporter § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB, wenn er wiederholt den Hauseingang der Familienwohnung betritt um zu klingeln und die Familie anzurufen versucht. Er handelt auch beharrlich, schließlich setzt er sich mehrere Male über den Willen der Angehörigen, in Ruhe gelassen zu werden, hinweg. Da die Familie nicht mehr die Wohnung verlässt, auch nicht um zur Arbeit zu gehen, kann sie als in ihrer Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt angesehen werden. Die Journalisten werden auch regelmäßig mit dolus eventualis handeln, da sie die Belästigungen und Rückzugsversuche ihrer Recherche-Objekte zumindest billigend in Kauf nehmen. Hält man sich diese Beispielsvarianten vor Augen, scheinen die Bedenken der Pressevertreter, nun kaum noch ihrer Arbeit nachkommen zu können und in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit beschränkt zu werden, berechtigt.

II. Entgegenstehen der öffentlichen Aufgabe der Presse? Die Pressefreiheit18 wird vom Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 garantiert. Sie umfasst alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckwerke und Informationsträger, die nicht unter den Film- und Rundfunkbegriff fallen.19 In der Rechtswissenschaft hat sich der weite und formale Pressebegriff durchgesetzt.20 Dieser definiert sich unabhängig von der Qualität des Druckerzeugnisses. Somit wird auch die unseriöse Presse, die sogenannte Yellow Press, vom Schutzbereich erfasst.21 Grundrechtsträger sind alle im Pressewesen tätigen Personen und Unternehmen.22 Geschützt wird nicht nur die Nachrichtenverbreitung, auch die journalistische Recherche ist dem Schutzbereich des Grundrechts zuzurechnen.23 Damit ist auch der investigative Journalismus, solange er sich im Rahmen des presserechtlich Zulässigen bewegt, vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst. Gleiches hat für den Fotojournalismus (Paparazzitum) zu gelten. Doch nicht nur im Grundgesetz wird der Schutz der Presse normiert. Häufig ist von der Presse als vierter Gewalt im Staat die Rede. Mag man über die Angemessenheit 18

Journalisten können für sich auch die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 GG in Anspruch nehmen, da sie als Grundrechtsträger vom Schutzbereich erfasst werden, wenn sie bei privaten oder öffentlich-rechtlichen Veranstaltern an der Programmgestaltung mitwirken. Im Folgenden wird sich die Untersuchung aber auf die Pressefreiheit beschränken. 19 Sachs-GG-Bethge, Art. 5 Rdn. 68. 20 BVerfGE 66, 116 (134). 21 Sachs-GG-Bethge, Art. 5 Rdn. 69. 22 BVerfGE 77, 346 (354). 23 BVerfGE 95, 28 (34).

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dieses Begriffes geteilter Meinung sein, so lässt sich die öffentliche Aufgabe der Presse nicht leugnen. Dies hat das BVerfG in seiner „Spiegel-Entscheidung“24 ausdrücklich festgehalten. Danach ist eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich.25 „Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürgerurteil und Entscheidung. In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständige Verbindungsund Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertreter im Parlament und Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab dem Volk tat sich vertreten Auffassungen messen können.“26

Die öffentliche Aufgabe der Presse wird auch in den jeweiligen Landespressegesetzen normiert. Stellvertretend sei hier auf § 3 LPG Baden-Württemberg Bezug genommen, wonach die Presse eine öffentliche Aufgabe erfüllt, wenn sie in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt, Kritik übt oder auf andere Weise an der Meinungsbildung mitwirkt. Fasst man dies alles zusammen, kommt der Presse die Aufgabe der Nachrichtenbeschaffung und der Kontrollfunktion zu; ebenfalls stellt sie einen Faktor der öffentlichen Meinung dar.27 Um all diesem gerecht zu werden ist die Presse auf den nachforschenden Journalismus angewiesen. Wenn nun aber der Presse eine so bedeutende Position zuteil wird, die sowohl vom Verfassungsgesetzgeber als von den Landesgesetzgebern und vom BVerfG anerkannt und ausdrücklich geschützt wird, scheint es bedenklich, dass sich der engagiert nachforschende Reporter durch seine Arbeitstätigkeit als Stalker strafbar machen kann. Nachfolgend wird der Frage nachgegangen, ob die journalistische Recherche schon tatbestandlich ausgeschlossen werden muss oder besonders gerechtfertigt werden kann.

24 25 26 27

BVerfGE 20, 162. BVerfGE 20, 162 (174). BVerfGE 20, 162 (174 f.). Janisch, S. 100 f.

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III. Scheitert die Tatbestandsverwirklichung durch Journalisten schon an der „Unbefugtheit“? Die Untersuchung wird sich auf die Rechtfertigung der journalistischen Tätigkeit beschränken, die sich im Rahmen des presserechtlich Zulässigen bewegt. Zunächst wird geprüft, ob die Tatbestandsverwirklichung durch Journalisten schon an der Unbefugtheit ihres Handelns scheitern wird und ob Journalisten eine besondere Möglichkeit der Rechtfertigung zusteht. 1. § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund Früher galt die Rechtsnatur des § 193 StGB als umstritten. Zur Debatte stand, ob die Wahrnehmung berechtigter Interessen bei den Straftaten des 14. Abschnitts des Strafgesetzbuches als Rechtfertigungsgrund oder aber als Entschuldigungsgrund oder persönlicher Strafausschließungsgrund eingeordnet werden könne. Schon vor Jahrzehnten wurde die Wahrnehmung berechtigter Interessen überwiegend als Rechtfertigungsgrund angesehen,28 weshalb diese Klassifizierung weiteren Überlegungen zugrunde gelegt wird. Als Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen wird zur Veranschaulichung an dieser Stelle der Wortlaut des § 193 StGB wiedergegeben: Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

a) Heranziehung des § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund für presserechtlich korrektes Handeln? Geprüft werden soll, ob § 193 StGB als allgemeiner Rechtfertigungsgrund bei presserechtlich korrektem Handeln Geltung beanspruchen kann. Bei § 193 StGB, der Wahrnehmung berechtigter Interessen, handelt es sich um einen speziellen Rechtfertigungsgrund für Beleidigungsdelikte, der dort zu den allgemeinen Rechtfertigungsgründen hinzutritt. Der BGH sieht in ihr eine besondere Ausprägung der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, deren sachlicher Ge-

28

RG 59, 415; RG 65, 335 (427); BVerfGE 12, 125; BGHSt 12, 293; BGHSt 18; 184, BGHZ 3, 281; 31, 313; Kühl/Lackner-StGB, § 193 Rdn. 1; SK-StGB-Rudolphi, § 193 Rdn. 1, Fischer-StGB, § 193 Rdn. 1; Kindhäuser-StGB, § 193 Rdn. 1; Wessels-Hettinger, Rdn. 515; Schmidt, JZ 1970, 8; Kühl, AT, Rdn. 50; Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen, S. 20 ff.

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halt bei der Auslegung des § 193 StGB berücksichtigt werden muss.29 Inzwischen besteht Konsens, dass in § 193 StGB die Abwägung zwischen den Interessen des vermeintlich Beleidigenden und des vermeintlich Beleidigten normiert wurde.30 Da sich der Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes aber auf Delikte aus §§ 185 ff. StGB beschränkt, ist im vorliegenden Fall allenfalls eine analoge Anwendung möglich. Ob dies möglich ist, bedarf einer genaueren Untersuchung. b) Grundsätzliche Voraussetzungen für eine Analogie Bei der Analogie (argumentum a simili) handelt es sich um die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand.31 Die analoge Anwendung einer einfachgesetzlichen Vorschrift ist möglich und von Verfassungswegen nicht grundsätzlich zu beanstanden.32 Systematisch ist zwischen einer Einzel- und einer Rechtsanalogie zu unterscheiden.33 Bei der Einzelanalogie wird eine Rechtsregel auf einen Fall, der unter teleologischen Gesichtspunkten als wesensgleich angesehen wird, aber vom Wortlaut nicht mehr erfasst wird, ausgedehnt.34 Von einer Rechtsanalogie ist auszugehen, wenn aus mehreren Rechtssätzen ein übergeordnetes Prinzip herausgearbeitet wird, das auf ähnlich gelagerte Fälle angewendet wird.35 Vorliegend wäre auszuarbeiten, dass in § 193 StGB das Prinzip festgehalten wird, dass derjenige, der in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt, auch außerhalb der Beleidigungsdelikte gerechtfertigt sein soll. Eine entsprechende Analogie würde somit als Rechtsanalogie zu qualifizieren sein. Maßgebend für eine Analogie im Strafrecht ist Art. 103 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 StGB. Unstreitig ist das Analogieverbot zu Lasten des Täters.36 Im vorliegenden Fall würde dem vermeintlichen Täter, dem Journalisten, durch eine analoge Anwendung der fraglichen Norm aber ein zusätzlicher Rechtfertigungsgrund zur Verfügung gestellt. Bejaht man eine analoge Anwendung, so würde es sich nicht um eine zu Lasten des Täters, sondern eine zu seinen Gunsten handeln. Letztere ist möglich,37 wenn

29

BGHSt 12, 293. BGHSt 18, 184; Geppert, Jura 1985, 25; SK-StGB-Rudolfi, § 193 Rdn. 1. 31 Palandt-BGB-Heinrichs, Einl. Rdn. 48. 32 Vgl. BVerfGE 25, 167 (183). 33 Larenz, Methodenlehre, S. 383 ff.; Palandt-BGB-Heinrichs, Einl. Rdn. 48; Schönke/ Schröder-StGB-Eser, § 1 Rdn. 24. 34 Staudinger-BGB-Coing, Einl. zum BGB Rdn. 157. 35 Palandt-BGB-Heinrichs, Einl. Rdn. 48. 36 BVerfGE 25, 269. 37 Schönke/Schröder-StGB-Eser, § 1 Rdn. 30 ff. 30

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es sich bei dem Anwendungsfall um eine planwidrige Regelungslücke38 handelt. Zu unterscheiden ist zwischen einer bewussten und einer unbewussten Regelungslücke.39 Vorliegend müsste also festgestellt werden können, dass der Gesetzgeber versehentlich die Regelung versäumt hat. c) Anwendbarkeit des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen außerhalb der Beleidigungsdelikte Zu überlegen ist ferner, ob die Wahrnehmung berechtigter Interessen auch außerhalb der Beleidigungsdelikte als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden kann. Diese These wurde schon einmal sehr engagiert diskutiert.40 Angesichts des bei dem Zusammentreffen des Straftatbestandes der Nachstellung mit der Pressefreiheit entstehenden Konflikts lohnt sich dennoch eine erneute Betrachtung. Eine analoge Anwendung des § 193 StGB beziehungsweise der Qualifizierung der Wahrnehmung berechtigter Interessen als allgemeingültiger Rechtfertigungsgrund wäre besonders dann zu befürworten, wenn in der Norm ein allgemeiner Rechtsgedanke enthalten wäre, der auch außerhalb der Delikte des 14. Abschnitts des StGB Geltung beanspruchen kann. In der Vergangenheit hat die Judikatur festgehalten, dass § 193 StGB ein übergeordneter Rechtsgedanken zu entnehmen ist, der in allen Fällen Bedeutung gewinnt, in denen im Widerstreit verschiedener Belange die Verletzung eines Rechtsguts in Kauf genommen werden müsse.41 Auch in anderen Urteilen zu § 193 StGB von Zivilgerichten ist immer von einem übergeordneten Rechtsgedanken die Rede.42 Selbst diese äußern sich aber nicht zu einem erweiterten Anwendungsbereich des § 193 StGB im Strafrecht. Entsprechende strafgerichtliche Entscheidungen sind nicht bekannt. In der Vergangenheit orientierten sich Teile der Strafrechtswissenschaft an der Annahme eines allgemeinen Rechtsgedankens in § 193 StGB. Die Befürworter43 ziehen nicht nur kriminalpolitische Überlegungen heran, sondern sehen in § 193 StGB, ebenso wie in § 240 Abs. 2 StGB, eine Ausformung eines allgemeinen Prinzips, wonach der Strafrechtsschutz von gemeinschaftsbezogenen Rechtsgütern nur relativ ist.44 Aus diesem Grund sei bei solchen Delikten eine Rechtfertigung wegen überwie38 BGHZ 149, 165/74; BGH NJW 2003, 1932; BGH NJW 2005, 2142; BAG NJW 2003, 2473; BFH NJW 2006, 1837. 39 Palandt-BGB-Heinrichs, Einl. Rdn. 48. 40 Z.B. von Rogall, NStZ 1983, 1 (6); Noll, ZStW 1965, 1 (32); Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen, S. 1 ff. 41 BGHZ 3, 270 (281). 42 BGH, Urteil vom 17. 12. 1969 – I ZR 152/67; BGHZ 8, 142; BGHZ 24, 200; BGH, Urteil vom 15. 05. 1959 – VI ZR 98/58. 43 Z.B. Rogall, NStZ 1983, 1, 6. 44 Schönke/Schröder-StGB-Heine, § 298 Rdn. 36; § 300 Rdn. 13.

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gender Interessen möglich. Auch der BGH hat in einem Verfahren wegen § 300 StGB eine rechtfertigende Wertabwägung vorgenommen und diese beim Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ verortet.45 Herangezogen wurde auch die Überlegung, nach der derjenige, der in Ausübung der allgemeinen Freiheitsrechte bedeutende Werte schaffe oder wahre, wenn er dabei weniger bedeutende Werte verletzte, gerechtfertigt sein solle.46 Ebenso sei es bei der Wahrnehmung der berechtigten Interessen am ehesten möglich legitime Täterinteressen zu berücksichtigen.47 Trotzdem spricht sich die Strafrechtslehre klar und deutlich gegen einen erweiterten Anwendungsbereich des § 193 StGB aus.48 So sei § 193 StGB kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund,49 sondern eine spezifische, auf die Ehrdelikte und das Rechtsgut Ehre zugeschnittene Lösung, die auf andere Normen nicht übertragen werden solle.50 d) Vergleichbarkeit mit der Diskussion um die Anwendung des § 193 StGB bei § 201a StGB Die Diskussion um die analoge Heranziehung der Wahrnehmung berechtigter Interessen im Fall von tatbestandlich handelnden Pressevertretern tritt nicht zum ersten Mal bei § 238 StGB auf: Im Rahmen der Schaffung des § 201a StGB, der die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe stellt und in dem, ähnlich wie bei § 238 StGB, die Unbefugtheit des Verhaltens für die Strafbarkeit vorausgesetzt wird, wurde auch über die analoge Anwendung des § 193 StGB für Pressevertreter oder die Schaffung eines entsprechenden speziellen Rechtfertigungsgrundes debattiert.51 Letztlich wurde die analoge Anwendung aber auch hier abgelehnt.52 e) Ergebnis Im Folgenden ist daher von der Nichtanalogiefähigkeit des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen auszugehen. Doch ist eine analoge Anwendung des § 193 StGB auch aus einem anderen Grund für den hier diskutierten Fall nicht möglich: Wie bereits erörtert, setzt eine Analogie 45

BGHSt 1, 367. Noll, ZStW 1965, 1, 32. 47 Eser, Wahrnehmung berechtigter Interessen, S. 43. 48 Nur beispielhaft seien hier aufgeführt: OLG Stuttgart NStZ 1987, 121; SK-StGB-Rudolfi/Rogall, § 193 Rdn. 4; Fischer-StGB, § 193 Rdn. 4; Schönke/Schröder-StGB-Lenckner, § 193 Rdn. 3; Kühl, AT, Rdn. 9 und 51. 49 Schöne/Schröder-StGB-Lenckner, § 193 Rdn. 3. 50 MünchKomm-StGB-Joecks, § 193 Rdn. 6. 51 Gemeinsame Stellungnahme ARD – BDZV – Deutscher Presserat – djn in Ver.dI – DJZ – VDZ – VPRT – ZDF zum Gesetzentwurf des Bundesrates vom 5. 11. 2003 betreffend den Schutz der Intimsphäre vor unbefugten Bildaufnahmen (BT-Drs. 15/1891), S. 7 f.; Eisele, JR 2005, 6 (10). 52 Eisele, JR 2005, 6 (11). 46

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immer eine planwidrige, unbewusste Regelungslücke voraus. Im Falle der Schaffung des § 238 StGB kann von der Planwidrigkeit eines besonderen Rechtfertigungsgrundes für Journalisten nicht die Rede sein: Während des Gesetzgebungsprozesses wurde wiederholt von Vertretern der Medien auf die ihrer Meinung nach notwendige Schaffung eines besonderen Rechtfertigungsgrundes für die journalistische Arbeit hingewiesen.53 Dem kam der Gesetzgeber letztlich nicht nach. Verwiesen sei auch auf die Rede der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im September 2006 anlässlich des Zeitungskongresses in Rostock.54 Wörtlich äußert sich Frau Zypries dazu: „Nach unseren Vorstellungen wird der neue Tatbestand so formuliert sein, dass der Bereich der Pressefreiheit weder bei der Berichterstattung noch bei der Informationsbeschaffung berührt wird“.55 Wie anhand der Beispielsfälle gezeigt werden konnte, kann die engagierte Informationsbeschaffung den Tatbestand indessen doch erfüllen. Die Justizministerin spricht dagegen davon, dass presserechtlich erlaubtes Verhalten nicht vom Tatbestand erfasst werden soll.56 Ob sie damit andeuten will, dass ein anständiger Journalist nicht so weit gehen würde, dass sein Verhalten den Tatbestand eröffnet oder ob sie presserechtlich zulässiges Verhalten auf der Rechtfertigungsebene ausscheiden lassen möchte, lässt sich der Rede nicht entnehmen. Letztlich handelt es sich um eine politische Beschwichtigungsformel, wenn Frau Zypries versichert, ihrer Meinung nach müssten sich die Pressevertreter wegen § 238 StGB keine Sorgen machen; prägnante juristische Aussagen lassen sich ihren Worten nicht entnehmen. Da sie aber im Laufe ihrer Rede die Wichtigkeit des aufdeckenden Journalismus und die der Pressefreiheit an sich betont, ist zu fragen, ob eine solche presserechtlich gemäße Recherche auf Rechtfertigungsebene wegen Ausübung der Pressefreiheit ausscheidet. Dafür könnte auch sprechen, dass die Regierung der Meinung ist, die Strafbarkeit eines Journalisten scheitere schon an dem Merkmal „unbefugt“ in § 238 Abs. 1 StGB.57 2. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG) als Rechtfertigungsgrund Im Folgenden ist eine direkte Heranziehung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG zur Rechtfertigung zu diskutieren. Der Presse kommt die Wahrnehmung ihrer oben um53

Beck Aktuell: DJV fordert Ausnahme für Journalisten im „Stalking“-Strafgesetz, becklink 140963; Gemeinsame Stellungnahme von ARD, BDZV, DJV, djv/ver.di, VGZ, VPRT und ZDF, S. 2, abgegeben im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses am 18.10.2006. 54 Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in ihrer Rede am 25. 9. 2006 anlässlich des Zeitungskongresses 2006 in Rostock-Warnemünde. Siehe S. 126. 55 Zitat aus der Rede der Bundesjustizministerin am 25. 9. 2006, Abrufmöglichkeit siehe S. 126. 56 Zitat aus der Rede der Bundesjustizministerin am 25. 9. 2006, Abrufmöglichkeit siehe S. 126. 57 BT-Drs. 16/575, S. 7.

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rissenen öffentlichen Aufgabe zu, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG. Ein Grundrecht nicht nur zur Normierung der Aufgabe, sondern auch zur Ermöglichung ihrer Wahrnehmung heranzuziehen, scheint nicht fern. Auch existiert kein numerus clausus der Rechtfertigungsgründe.58 Ähnliches wurde schon in der Diskussion um eine spezielle Rechtfertigung der Presse im Anwendungsbereich des § 201a StGB angedacht. Es wurde die Befürchtung geäußert, die neue Strafnorm könne die journalistische Tätigkeit behindern.59 Mithin war sogar von einer juristischen Fessel für den engagierten, investigativen Journalismus die Rede.60 Strafurteile zu § 201a StGB, mittels derer man eine Leitlinie zum Umgang mit der Strafbarkeit der journalistischen Recherche herausarbeiten könnte, um eine Parallele zum voraussichtlichen Umgang mit § 238 StGB zu ziehen, sind, soweit ersichtlich, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ergangen; jedenfalls aber nicht publiziert. Bei der nun folgenden Untersuchung wird geprüft werden, ob es möglich ist, ein Grundrecht per se als Rechtfertigungsgrund heranzuziehen. Für die Untersuchung ist zunächst ein Blick auf das strafrechtliche Rechtfertigungssystem zu werfen, um festzustellen, ob eine direkte Rechtfertigung aus dem Rahmen fallen würde. Danach wird untersucht werden, inwieweit Grundrechte schon in Literatur und Praxis als Rechtfertigungsgründe angesehen werden. a) Anforderungen an Rechtfertigungsgründe im Allgemeinen Der Versuch, allgemeingültige Anforderungen an Rechtfertigungsgründe zu stellen, wurde in der Strafrechtswissenschaft wiederholt unternommen. Dabei ist zwischen der Entwicklung von monistischen und pluralistischen Theorien zu unterscheiden. Zu den monistischen Theorien, die alle Rechtfertigungsgründe einem einzigen Prinzip unterordnen wollen, zählen die „Zwecktheorie“61, das „Mehr-Nutzen-alsSchaden“-Prinzip, das „Prinzip des in der konkreten Situation vorgehenden Gutsanspruchs“ oder des „im konkreten Fall überwiegenden Interesses, Rechtsguts oder Werts“ oder schlicht die „Wertabwägung“62. Bei den pluralistischen Theorien werden die Rechtfertigungsgründe in verschiedenen Gruppen zusammengefasst: etwa nach dem „Prinzip des mangelnden Interesses“, dem des „überwiegendes Interesses“ oder neben dem „Prinzip des mangelnden Unrechts“ das „Prinzip des überwiegenden Rechts“63. Diese Einordnungsbemühungen werden inzwischen als nicht gelungen an58

Roxin, AT I, Rdn. 43 mit weiteren Nachweisen. Jochum, NJW-Editorial 25/2004; Bölke, S. 175. 60 Tillmann/Führ, ZUM 2005, 441 (442). 61 Danach ist ein Eingriff nicht rechtswidrig, der sich als angemessenes Mittel zur Erreichung eines bestimmten Zwecks darstellt, vgl. LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 47 mit weiteren Nachweisen. 62 Vgl. LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 47 mit weiteren Nachweisen. 63 Vgl. LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 47 mit weiteren Nachweisen. 59

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gesehen und daher abgelehnt.64 Eine weitere Erörterung erscheint daher nicht sinnvoll. Die herrschende Lehre verzichtet inzwischen auf eine allgemeine Systematisierung der Rechtfertigungsgründe.65 Dennoch sind einige generelle Anforderungen an Rechtfertigungsgründe zu stellen: So ist neben der denknotwendigen Voraussetzung, dass ein Täter einen Tatbestand verwirklicht hat, nach der überwiegenden Auffassung notwendig, dass bei ihm ein subjektives Rechtfertigungselement nachgewiesen wird.66 Das heißt, der Täter muss subjektiv das Ziel der Verteidigung der Rechtsordnung verfolgen. Dieses Erfordernis kann auch bei einer Rechtfertigung wegen Grundrechtsausübung gewahrt sein. Dann müsste der Täter, hier der Pressevertreter, zur Tatbestandsverwirklichung motiviert sein, um das Grundrecht der Pressefreiheit auszuüben. In den oben dargestellten Fallkonstellationen könnte dies angenommen werden. Des Weiteren wird bei den meisten bekannten Rechtfertigungsgründen eine Wertabwägung zwischen dem beeinträchtigten Rechtsgut und dem geschützten Rechtsgut vorgenommen. Eine solche Abwägungsprüfung wird auch bei der gängigen Grundrechtsprüfung durchgeführt, wenn entschieden wird, ob ein Eingriff in das Grundrecht rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgte. Gleichermaßen könnte man bei einer Prüfung die Belange des Täters und die Ausübung seines Grundrechts in der konkreten Gestalt mit dem auf Opferseite beeinträchtigten Rechtsgut in Verhältnis setzen. b) Beispiele in Literatur und Praxis für die Annahme Möglicherweise ist die Rechtfertigung wegen Grundrechtsausübung schon Rechtsrealität. Für die hier vorliegende Konstellation, in der untersucht wird, ob sich ein Pressevertreter wegen Handelns in Ausübung seiner Pressefreiheit strafbar sein kann, könnte besonders folgende Entscheidung von Interesse sein: Das OLG Düsseldorf hatte im Jahr 2006 zu entscheiden, ob ein Journalist, der aus Recherchezwecken gegen die Flugsicherheitsgesetze verstoßen hatte, durch die Pressefreiheit gerechtfertigt war. Das Gericht entschied sich für eine Strafbarkeit des Medienvertreters; jedoch ist nicht das Ergebnis für die vorliegende Untersuchung interessant, sondern dass das Gericht die Pressefreiheit im Rahmen seiner Rechtfertigungsprüfung ansprach.67 So lehnt es im Ergebnis eine Rechtfertigung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ab, dennoch könnte die Erwähnung dafür sprechen, dass das Gericht grundsätzlich von einer Rechtfertigungsmöglichkeit aus dem Grundrecht ausgeht. Dem kann entgegengehalten werden, dass es doch einen enormen Unterschied macht, ob ein Gericht eine Rechtfertigung aus dem Grundrecht positiv feststellt oder es nur in seinem Urteil ablehnend erwähnt, um sich vielleicht nicht dem Vorwurf

64 65 66 67

LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 48. Nachweise siehe LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 48; Roxin, AT I, Rdn. 38. LK-StGB-Hirsch, Vor § 32 Rdn. 50 mit weiteren Nachweisen. OLG Düsseldorf NJW 2006, 630 (631).

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aussetzen zu müssen, das Grundrecht bei seiner Urteilsfindung nicht hinreichend beachtet zu haben. Allein aus dem Umstand, dass das Oberlandesgericht eine Rechtfertigung aus Art. 5 GG ablehnt, kann noch nicht geschlossen werden, dass es von einer Rechtfertigungsmöglichkeit aus direkter Grundrechtsanwendung ausgeht. Ebenso muss wohl die Äußerung des LG Bremen bewertet werden, wenn es davon ausgeht, „daß zwar die genannten Grundrechte keine Rechtfertigungsgründe für jeden Ungehorsam gegen die Obrigkeit schaffen, sie aber zu einer einschränkenden Auslegung der die öffentliche Sicherheit und Ordnung schützenden Bestimmungen zwingen“.68 Doch auch in der strafrechtlichen Literatur wurde die Möglichkeit der direkten Rechtfertigung aus Grundrechten diskutiert. So wird Art. 8 GG bei Günther in die Reihe der „herkömmlichen Rechtfertigungsgründe“, wie etwa §§ 32, 34 StGB, eingereiht.69 Auch andere Rechtswissenschaftler gestehen einzelnen Grundrechten den Charakter eines allgemeinen Rechtfertigungsgrundes zu. So spricht Würtenberger bei Art. 5 Abs. 3 GG von einem „außerstrafrechtlichen Rechtfertigungsgrund“70 und auch andere sehen in der Kunstfreiheit einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund.71 Eine Rechtfertigung aus Art. 4 GG soll hingegen nach manchen Rechtswissenschaftlern nicht möglich sein,72 wieder andere nehmen sie an.73 Wenn nun aber Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 8 GG und unter Umständen auch Art. 4 GG strafrechtliche Rechtfertigungsgründe darstellen sollen, drängt sich die Überlegung auf, dass diese Klassifizierung auch für andere Grundrechte beziehungsweise sogar für alle gelten sollte. Unterzieht man Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG einem kritischen Vergleich, so fällt auf, dass die Pressefreiheit durch Absatz zwei beschränkt wird, während dieser hingegen nicht für Absatz drei Geltung beansprucht. Die rechtfertigende Wirkung nur der Kunstfreiheit zuzugestehen, weil sie auf den ersten Blick unbeschränkt garantiert scheint, ist indessen falsch. Schließlich wird auch Art. 5 Abs. 3 GG nicht schrankenlos garantiert. Schranken ergeben sich aus kollidierendem Verfassungsrecht.74 Einziger Unterschied bleibt dann aber, dass die Schranken des einen Grundrechts geschrieben sind, während sich die anderen erst aus der Systematik des Grundgesetzes ergeben, mithin ungeschriebene Schranken darstellen. Bei der Betroffenheit der angesprochenen Grundrechte findet eine Abwägung zwischen dem betroffenen Grundrecht und dem anderen Verfassungsgut statt. Auch insoweit ergeben sich kaum Unterschiede. Eine unterschiedliche Beurteilung ihrer Rechtfertigungsfä68 69 70 71 72 73 74

LG Bremen NJW 1968, 1889. Günther, FS Baumann, S. 213 (222). Würtenberger, NJW 1982, 610 (613). Roxin, AT I, Rdn. 51 f; Fischer, S. 69 f. Kühl, AT, Rdn. 114. Kühl, AT, Rdn. 114. Hirsch, Strafrecht und Überzeugungstäter, S. 11 ff. und 20. BeckOK-GG-Schemmer/Kempen, Art. 5 Rdn. 176.

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higkeit scheint daher unangemessen. Wenn nun aber auch die Pressefreiheit einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund darstellt, dann müsste dies doch auch für andere Freiheitsgrundrechte gelten. Für eine einheitliche Einordnung spräche das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung. Dennoch ist eine pauschale Einordnung der Grundrechte in das System der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe bedenklich. Möglicherweise sind Grundrechte für eine allgemeine Klassifizierung als Rechtfertigungsgrund zu unbestimmt. Tendenziell werden denn auch die Schutzbereiche der Grundrechte bei der klassischen Grundrechtsprüfung weit ausgelegt. Dies hätte zur Folge, dass auch der Anwendungsbereich für das Grundrecht als Rechtfertigungsgrund weiter ist. Bei jedem tatbestandlichen Handeln eines Pressevertreters müsste denn der Schutz- beziehungsweise Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG im Zweifel eröffnet sein. Die herkömmlichen Rechtfertigungsgründe grenzen den Anwendungsrahmen mit Anforderungen wie „gegenwärtiger Angriff“ oder „nicht anders abwendbare Gefahr für bestimmte Rechtsgüter“ hingegen schon am Anfang der Prüfung ein. Dies untermauert das Argument, nach dem die Grundrechte für die Einordnung als Rechtfertigungsgründe zu unbestimmt formuliert sind. So heißt es in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG dann auch nur: „Die Pressefreiheit […] wird garantiert.“ Im Vergleich zu den anerkannten Rechtfertigungsgründen ist diese Formulierung sehr offen. Um dennoch einen Rechtfertigungsgrund darzustellen, müssten sie, anders als es Grundrechte normalerweise werden, eng ausgelegt werden. Ferner stellt sich die Frage, warum Normen wie etwa § 193 StGB, die Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen, als notwendig erachtet wurden, wenn eine Rechtfertigung schon durch die direkte Grundrechtsanwendung erfolgen könnte. Schließlich wird in § 193 StGB die direkte Ausformung des Art. 5 GG im Strafrecht gesehen. Wäre Art. 5 GG als Rechtfertigungsgrund direkt anwendbar, käme der angesprochenen Norm nur eine Hinweisfunktion zu. Dass dies Intention des Gesetzgebers war, kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Die Frage, ob eine Rechtfertigung durch einzelne Grundrechte möglich ist, wird aber auch nicht pauschal verneint werden können. Anderslautende Meinungen wurden in den 1960er Jahren in Bezug auf Art. 8 GG geäußert, und auch bei Art. 5 Abs. 3 GG wurde die rechtfertigende Wirkung teils bejaht.75 Später wurden entsprechende Meinungen revidiert und die rechtfertigende Wirkung der Grundrechte abgelehnt.76 Einige Autoren unterschieden bei ihrer Antwort die unterschiedlichen Grundrechte.77 Dennoch ist die Frage zum jetzigen Zeitpunkt in der Rechtswissenschaft noch nicht ausreichend diskutiert worden, um eine abschließende und zufriedenstellende Ant-

75

AG Frankfurt ZRP 1969, 21 f.; OLG Celle NJW 1970, 206 f.; vgl. Tiedemann, JZ 1969, 717 ff. mit weiteren Nachweisen; Ossenbühl, NJW 1976, 2100 (2103). 76 Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 36 f. 77 Siehe S. 138 f.

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wort zu finden;78 eine wirkliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen erfolgte noch nicht. c) Ableitung aus der Funktion der Grundrechte möglich? Die wohl wichtigste Funktion der Grundrechte ist die der Abwehr mit dem Ziel des staatlichen Unterlassens. Neben diese tritt die Leistungs- beziehungsweise Schutzfunktion der Grundrechte. Schon in seinem Lüth-Urteil79 betonte das BVerfG, dass Grundrechte nicht nur die Freiheitssphäre des Einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt sichern, vielmehr werde durch den Grundrechtskatalog auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet, worin eine Stärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck komme.80 Das Gericht spricht weiter von einem Rechtsgehalt der Grundrechte als objektiver Normen.81 Daraus ergeben sich für den Staat positive Handlungspflichten,82 mittels derer er die Leistungs- beziehungsweise Schutzpflichten der Grundrechte gewährleistet. Doch nicht auf Letztere könnte die Rechtfertigung wegen Grundrechtsausübung gestützt werden: Vielmehr wäre es genau die Abwehrfunktion selbiger, aus der eine Rechtfertigung im Strafrecht abgeleitet werden könnte. Denn mit dem Strafgesetz, gegen das der Täter verstößt, kommt der Staat seiner Schutzpflicht gegenüber dem Opfer nach. Der Täter hingegen würde das Grundrecht zur Abwehr der Sanktion aus dem Strafgesetz einsetzt. Dies liefe letztlich immer auf eine Prüfung des Strafgesetzes am höherrangigen Grundrecht des Täters hinaus. Schließlich müsste dieses, da es den Eingriff des Staates darstellt, als verfassungsgemäß angesehen werden. Verstößt also ein Täter gegen ein Strafgesetz, das aber auch materiell verfassungsgemäß ist, dann wäre seinem Argument, dass er gegen diese Norm nur deshalb verstoßen habe, um sein Grundrecht ausüben zu können, hinfällig. Schließlich müsste die Strafnorm, um rechtmäßig zu sein, nicht unangemessen in den Schutzbereich anderer eingreifen. Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur im speziellen Einzelfall kommen, etwa wenn eine Strafbarkeit des Täters unerträglich mit seinen Grundrechten kollidieren würde. Dann aber wäre nicht das Handeln in Ausübung eines Grundrechts der Rechtfertigungsgrund, sondern vielmehr das Kollidieren einer Strafbarkeit mit Grundwerten der Verfassung. So geht denn auch eine Stimme in der Literatur davon aus, dass ein tatbestandsmäßiges Verhalten unter Umständen gerechtfertigt sein kann, wenn eine Wertabwägung nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Be-

78 79 80 81 82

Ebenso beurteilt dies Kühl, AT, Rdn. 112. BVerfGE 7, 198. Merten/Papier, Rdn. 5. BVerfGE 7, 198 (205). Merten/Papier, Rdn. 22.

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rücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems das Übergewicht des vom Täter gewahrten Interesses ergibt.83 So wird es im Einzelfall möglich sein, einen Journalisten, der den Tatbestand des § 238 StGB erfüllt, zu rechtfertigen, wenn seine Bestrafung mit den Grundwerten der Verfassung, sprich der Pressefreiheit, kollidiert und als unerträglich angesehen werden würde und bei einer Wertabwägung den Interessen des Journalisten Vorrang vor denen des Opfers gewährt werden würde. Dies ist im Einzelfall zu entscheiden und entzieht sich daher einer pauschalen Betrachtung. d) Ergebnis Bisher hat sich die Strafrechtswissenschaft – bis auf wenige Ausnahmen – dafür entschieden, in Grundrechten keine direkt anzuwendenden Rechtfertigungsgründe zu sehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Einschätzung angesichts der Schaffung von Normen wie § 238 StGB oder § 201a StGB gerade in Bezug auf die Pressefreiheit ändern wird. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Pressevertreter, der beschuldigt wird § 238 Abs. 1 StGB verwirklicht zu haben, in einem Verfahren momentan erfolgreich nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG rechtfertigen kann. Eine Ausnahme kann sich nur in Einzelfällen ergeben, wenn eine Bestrafung des Journalisten mit den Grundwerten der Verfassung kollidieren würde.84 3. Heranziehung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG zur Auslegung des Tatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB Wie bereits an früherer Stelle erwähnt, sieht die Bundesjustizministerin keinerlei Gefahr, dass die engagierte Pressearbeit durch § 238 StGB beeinträchtigt wird und investigative Journalisten Gefahr laufen, bestraft zu werden.85 Es konnte aber immer noch nicht geklärt werden, wie diese Gefahr umgangen werden kann, da, wie in den Beispielsfällen dargelegt, die engagiert recherchierenden Journalisten durch ihre Arbeit den Tatbestand erfüllen können. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass eine besondere Rechtfertigungsmöglichkeit für die Presse in der Regel auch nicht besteht. Den politischen Beschwichtigungsversuchen der Ministerin ist keine prägnante juristische Aussage zu entnehmen, an welchem Anknüpfungspunkt die Strafbarkeit der Pressevertreter scheitern wird. Jedoch äußert sie Zweifel daran, dass ein recherchierender Journalist schwerwiegend in die Lebensgestaltung des „Re-

83

Kühl/Lackner-StGB, Vor § 32 Rdn. 28. Vgl. Kühl/Lackner-StGB, Vor § 32 Rdn. 28. 85 Zitat aus der Rede der Bundesjustizministerin am 25. 9. 2006, Abrufmöglichkeit siehe S. 126. 84

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cherche-Opfers“ eingreifen wird.86 Daher drängt sich die Frage auf, ob in Fällen, in denen Pressevertreter in Ausübung ihrer Tätigkeit den Tatbestand verwirklichen, bei der Auslegung des § 238 Abs. 1 StGB in besonderem Maße Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beachtet werden muss. Grundsätzlich hat sich der Gesetzgeber entschieden, das in § 238 StGB normierte Verhalten zu sanktionieren. Bei der Auslegung der strafbegründenden Merkmale dürfen die Grundrechte aber nicht außer Acht gelassen werden. Wenn eine Norm mit unbestimmten Rechtsbegriffen ausgestaltet wurde, welche ebenfalls auslegungsbedürftig sind, so müssen selbstverständlich bei diesen die Grundrechte ausreichend berücksichtigt werden. Dies hat ganz besonders für einen Tatbestand zu gelten, der ein Verhalten für strafwürdig erachtet, bei dem sich die Grauzonen zu sozial adäquatem Handeln aufdrängen und der in den Verdacht geraten ist, die Presse bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zu behindern.87 Bei § 238 Abs. 1 StGB eignen sich weniger die genau umschriebenen Verhaltensweisen wie die Kontaktaufnahme oder die Präsenz im Nahbereich für die Heranziehung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG; die unbestimmten Rechtbegriffe hingegen umso besser. a) „Beharrlich“ als Anknüpfungspunkt Dafür, die Strafbarkeit des Pressevertreters an dem Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ scheitern zu lassen, könnte die Ansicht des Gesetzgebers sprechen, ein Journalist handle nicht beharrlich, wenn er einen Betroffenen wiederholt unmittelbar oder mittelbar auffordere, zu einem bestimmten Vorwurf Stellung zu nehmen.88 Diese Auffassung überrascht. Denn das Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit gliedert sich, wie bereits ausgeführt, in eine objektive Komponente der Häufigkeit der Handlung und in eine subjektive Komponente auf. Für Letztere ist von besonderer Bedeutung, ob dem Täter das Handeln gegen den Willen des Opfers bewusst ist und ihm dessen entgegenstehender Wille gleichgültig ist. Wie bereits geprüft wurde, wird diese Indolenz bei einem hartnäckigen Journalisten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Ihm ist bewusst, dass der potentielle Interviewpartner nicht mit ihm sprechen möchte, dennoch versucht er aber ihn zu einer Stellungnahme zu verleiten. Hält man sich bei der Subsumtion aber an den Willen des Gesetzgebers, so soll dieses Verhalten gerade nicht beharrlich sein, obwohl das Kriterium der Häufigkeit der Handlungen ebenso erfüllt ist, wie das des sich über den entgegenstehenden Willen des Betroffenen Hinwegsetzens. Vielleicht kann der Gesetzgeber so verstanden werden, dass er die Intention des Journalisten an dieser Stelle als nicht verwerflich ansehen möchte, schließlich möchte er über den Betroffenen in Presseerzeugnissen berichten. Doch muss man entgegenhalten, dass hier der Journalist, ge86

Zitat aus der Rede der Bundesjustizministerin am 25. 9. 2006, Abrufmöglichkeit siehe S. 126. 87 Siehe S. 130 f. 88 BT-Drs. 16/575, S. 7.

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nauso wie der Stalker, aus egoistischen Motiven handelt: Beide stellen ihre Motive, Nähe zum Opfer aufzubauen oder das Belästigen beim Stalker und der Wille eine „Story“ zu bekommen beim Journalisten, über die Wünsche und Belange des Opfers. Wenn nun aber beide Elemente, die die Beharrlichkeit ausmachen sollen, erfüllt sind, bietet sich kein Anknüpfungspunkt für eine wertungsgemäße Korrektur des Ergebnisses. Die Auffassung des Gesetzgebers, ein Journalist handle nicht beharrlich, lässt sich nur damit erklären, dass es sich dann doch um eine Ausnahmeregel für Pressevertreter handelt, nach der sich ein Journalist in Ausübung seiner Tätigkeit eben nicht in verwerflicher Weise über den entgegenstehenden Willen des Betroffenen hinwegsetze. Ein Entfallen des Tatbestandes mangels Beharrlichkeit des Handelns lässt sich dogmatisch nämlich nicht begründen. Der Gesetzgeber geht an einer anderen Stelle der Gesetzesbegründung davon aus, dass Beharrlichkeit vorliege, wenn der Täter mehrere, nicht notwendigerweise identische Tathandlungen ausführe und zusätzlich eine zu missbilligende innere Haltung oder Einstellung des Täters vorliege.89 Diese innere Haltung sei dann zu missbilligen, wenn der Täter den Willen des Opfers missachte oder aus Gleichgültigkeit gegen dessen Wünsche handle. Genau das tut der hartnäckige Journalist aber. Soll er nun aber doch nicht beharrlich handeln, müsste man das Kriterium des zu missbilligenden Verhaltens ausdrücklich um ein Wertungselement ergänzen. Erst bei diesem könnte man dann die Korrektur des Ergebnisses der Strafbarkeit des Journalisten vornehmen. Der Gesetzgeber möchte dafür an eine Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen anknüpfen.90 Da unter die Nummern 1 und 2 des Absatzes eins des § 238 StGB auch sozialadäquate Verhaltensweisen fallen, müsse hier die grundrechtlich garantierte allgemeine Handlungsfreiheit beachtet werden, sodass beispielsweise auch getrennte Elternteile miteinander in Kontakt treten dürfen. Als weiteres Beispiel für ein Verhalten, das nach dieser Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen ausscheide, nennt der Gesetzgeber die presserechtlich zulässige journalistische Recherche. Auch wenn man im Ergebnis mit der Straflosigkeit des Journalisten einverstanden ist, so vermag dessen dogmatische Konstruktion nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber knüpft das Ausscheiden der Strafbarkeit an eine Gesamtwürdigung der verschiedenen Handlungen an. Eigentlich scheitert das Vorgehen des Journalisten aber nicht daran, dass die Gesamtheit seiner Handlungen als nicht strafwürdig eingestuft werden kann, sondern daran, dass jede Einzelhandlung der journalistischen Recherche nicht strafwürdig ist, weil sie für die garantierte Ausübung der Pressefreiheit notwendig ist. Letztlich hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung eine Ausnahme für Journalisten geschaffen. Da hierbei der Tatbestand der Norm entgegen dem möglichen Wortsinn eingeschränkt wird, um den Anwendungsbereich der Norm nicht über den Zweck der gesetzlichen Regelung hinausgehen zu lassen,91 handelt es 89 90 91

BT-Drs. 16/575, S.7. BT-Drs. 16/575, S.7. BVerfGE 88, 145 (166 ff.).

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sich bei der Ausnahme für Journalisten um eine teleologische Reduktion des Tatbestandes des § 238 Abs. 1 StGB. Dass dieses wichtige Problemfeld nur in der Gesetzesbegründung angesprochen wird, überrascht und wird der Tragweite der öffentlichen Aufgabe der Presse nicht gerecht. Nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung scheitert die Strafbarkeit der journalistischen Recherche – wenn auch dogmatisch nicht überzeugend – am Tatbestandsmerkmal „beharrlich“.

b) „Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ als Anknüpfungspunkt Das Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers scheint deutlich geeigneter für eine Berücksichtigung der Pressefreiheit. Anders als bei der Beharrlichkeit bietet sich hier eindeutig ein dogmatisch begründbarer Raum für Wertungen und Abwägungen. Grundsätzlich ist die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung im Einzelfall zu beurteilen. In der Gesetzesbegründung benennt der Gesetzgeber als Beispiele den Wechsel der Telefonnummer, das gänzliche Vermeiden des Verlassens des Hauses oder nur noch in Begleitung.92 Damit wird man bei Prominenten nicht zu adäquaten Ergebnissen kommen. Denn gerade für bekannte Persönlichkeiten mag es üblich sein, Schutzpersonen und Bedienstete ständig um sich zu haben. Bei einem nicht prominenten Opfer hingegen muss das Verlassen des Hauses nur in Begleitung ganz anders bewertet werden; für jenes stellt es ein Abweichen vom üblichen Verhalten dar. Gleichermaßen mag es für Prominente üblich sein, sich Geheimnummern zuzulegen, um ihre Privatsphäre zu wahren. Für den gemeinen Mann ist eine solche Maßnahme hingegen seltener. Nun mag man anführen, dass ein Prominenter diese Lebensumstände nur pflegt, gerade weil er ständig belästigt wird; dass der Personenschutz und die Geheimnummer gar nicht nötig wären, wenn man ihm nicht nachstellen würde und dass seine Lebensgestaltung gerade deshalb schwerwiegend beeinträchtigt sei. Dem ist entgegen zu halten, dass die erhöhten Sicherheitsanforderungen eines Prominenten nicht nur belästigende Journalisten oder Fans abhalten sollen, vielmehr steht bei Personenschutz häufig auch der Aspekt der Verhütung von Straftaten wie Körperverletzungen oder Entführungen im Vordergrund. Auch ist in Betracht zu ziehen, dass die ständige Anwesenheit einer Entourage dem Ansehen des Prominenten in der Öffentlichkeit zuträglich ist. Deshalb muss darauf verwiesen werden, dass ein in prominenten Kreisen übliches Verhalten nicht als schwerwiegende Beeinträchtigung desselben angesehen werden kann. Besonders wenn das Kriterium der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung dazu dient, nur Fälle zu sanktionieren, in denen das Opfer über Gebühr gequält wird und sich in unzumutbarer Weise dazu gezwungen sieht, seine Lebensweise zu ändern. Fälle, die sich im Rahmen des noch unter sozial adäquaten Aspekten zu Tolerierenden abspielen, sollen aus dem An92

BT-Drs. 16/575, S. 8.

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wendungsbereich der Strafnorm ausscheiden. Diese Überlegungen zeigen, dass der Terminus der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers maßgeblich auch an den üblichen Lebensumständen des jeweiligen Opfers gemessen werden muss. Auch eine weitere Überlegung spricht dafür, gerade beim Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers die Pressefreiheit bei der Auslegung besonders zu beachten. Bei der „Verfolgung“ durch einen Journalisten wird im Regelfall ein besonders wichtiges Element fehlen: die Angst auf Opferseite. Im „normalen“ Stalking-Fall liegt die Motivation des Stalkers meist im Dunkeln. Man kann sich das Verhalten nicht rational erklären, weiß nicht, was der Stalker möchte, ob er seinem Opfer böse oder wohl gesonnen ist et cetera. Und genau hieraus entwickelt sich auf Opferseite ein beklemmendes Angstgefühl. Schließlich kann das Opfer nicht absehen, ob sich der Stalker mit den Anrufen zufriedengeben wird oder ob es nicht auch zu Übergriffen kommen wird. Das Opfer erahnt nur, warum ihm der Täter nachstellt und befürchtet Schlimmes; die Situation ist unheimlich. Zutreffend wurde das durch ein Anti-Stalking-Gesetz zu schützende Rechtsgut als „Freiheit von Furcht“93, sprich dem Freisein von Furcht umschrieben. Diese beklemmende Ungewissheit wird den Prominenten, der von einem Reporter oder Paparazzo in Ausübung seiner Tätigkeit „verfolgt“ wird, in der Regel nicht quälen. Er muss nicht um seine Gesundheit oder sein Leben fürchten. Ihm ist klar, dass der Pressevertreter, der ständig mit ihm in Kontakt tritt oder der vor seiner Haustür Position bezogen hat, eine Stellungnahme oder ein Foto möchte. Daher fehlt ein entscheidendes Element, das die Strafbarkeit von Stalking ausmacht: der Psychoterror. Was beim Vergleich der Situationen verbleibt, ist die belästigende Auswirkung des Handelns des Pressevertreters. Es ist schlicht lästig, ständig fotografiert zu werden, wenn man den öffentlichen Verkehrsraum betritt. Und es ist auch unangenehm, wenn das Telefon ständig wegen Interview-Anfragen klingelt. Doch soll § 238 StGB nicht dazu dienen, lästige Zeitgenossen zu pönalisieren. Vielmehr soll ein kriminelles, sich außerhalb des gesellschaftlich und juristisch zu Billigenden befindliches Jagen und Quälen anderer Menschen sanktioniert werden, das auf Opferseite zu gravierenden Folgen führt. Hält man sich dies vor Augen, so muss die Strafbarkeit eines Journalisten, der zwar hartnäckig seine Informationen beschaffen will, aber ersichtlich nur das beabsichtigt und bei dem es auf Prominentenseite nur zur Abschottung vor der Presse kommt, aus dem Anwendungsbereich des § 238 Abs. 1 StGB ausscheiden. Hierbei ist nicht nur auf die besondere Würdigung der Reaktion des Opfers im Einzelfall hinzuweisen, sondern eben auch auf die Beachtung der Bedeutung der Pressefreiheit. Und ein solcher spezieller Fall ist eben auch der Fall des Nachstellens durch die Presse.

93 Kühl, Stellungnahme, S. 4, abgegeben im Rahmen der Sachverständigenanhörung des Rechtsauschusses am 18.10.2006.

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Um einen engagierten Journalismus, wie ihn das Grundgesetz schützt, gewährleisten zu können, muss der Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB so ausgelegt werden, dass die geforderte Presseaktivität tatbestandlich nicht erfasst ist: Im konkreten Einzelfall wird für die Strafbarkeit von Pressevertretern in Ausübung ihres Berufes bei der Beurteilung, ob das Opfer durch die Tätigkeit schwerwiegend in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigt wurde, ein Plus zu fordern sein. Das heißt, dass die normalen Sicherheitsvorkehrungen einer Berühmtheit wohl nicht für die Annahme einer tatbestandlichen schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung ausreichen werden, auf Seiten des Opfers bei Recherchen der Presse mehr erduldet werden muss als beim „normalen Stalker“. Dies ist nur billig und Recht, schließlich weiß das Opfer, dass der Journalist nur recherchieren und der Paparazzo nur Fotos machen möchte. Sicher können auch diese Verhaltensweisen an sich rechtswidrig und nicht zumutbar sein. Nicht zuletzt sei auf die Pressegesetze und § 201a StGB hingewiesen. Aber das Opfer weiß eben auch, dass sich die Anliegen der Presse hierin erschöpfen und es sonst nichts zu befürchten hat. Bei der Frage, ob das Verhalten des Pressevertreters nun schwerwiegend in die Lebensgestaltung des Opfers eingreift, wird eine wertende Abwägung vorzunehmen sein. Das heißt, es muss beachtet werden, dass das ansonsten rechtmäßige Verhalten des Journalisten nur zur Ausübung seiner grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit unternommen wird. Eine Handlung, die sogar verfassungsrechtlich gefordert wird, kann keine unzumutbare schwerwiegende Beeinträchtigung eines anderen Grundrechtsträgers darstellen. Dann kann aber davon ausgegangen werden, dass presserechtlich zulässiges Tätigwerden eines Journalisten mangels schwerwiegender Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Betroffenen nicht den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB erfüllt. So geht denn auch der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung davon aus, dass im Fall des investigativen Journalisten bei diesem Tatbestandsmerkmal eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Opfers und der Pressefreiheit zu erfolgen hat. Die entsprechenden Ausführungen des Gesetzgebers beziehen sich aber auf das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden und unzumutbaren Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“, das § 241b StGB-Entwurf noch enthielt. Der schließlich in Kraft getretene § 238 StGB enthält dieses Kriterium der Unzumutbarkeit nicht mehr. Die kumulative Verwendung der Termini „schwerwiegend“ und „unzumutbar“ wurde mit der Begründung aufgegeben, es gäbe praktisch keine Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers, die zwar schwerwiegend, aber nicht unzumutbar sei.94 Da der Gesetzgeber auf das Kriterium der Unzumutbarkeit somit nur aus dem Grund des Vermeidens von Wiederholungen verzichtet hat, kann man das zu „unzumutbar“ Gesagte auf die Auslegung der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung übertragen. Der hier erarbeiteten Feststellung, dass das Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers der richtige Anknüp-

94

BT-Drs. 16/3641, S. 30 f.

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fungspunkt für eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mit der Pressefreiheit ist, widerspricht folglich die Meinung des Gesetzgebers nicht. Des Weiteren ist Folgendes anzumerken: Führt man sich noch einmal die Konstellation in Beispiel 3 vor Augen, in der die Hinterbliebenen eines Unfallfahrers von dem Boulevard-Journalisten belästigt werden, so ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Strafbarkeit eines Journalisten an der mangelnden schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung scheitern zu lassen, bietet den Vorteil in die Wertabwägung auch einfließen zu lassen, wie der Betroffene ins Blickfeld von Presse und Öffentlichkeit geraten ist. So hat ein Prominenter, der zur Steigerung seiner Popularität gerne mit der Presse kooperiert und von der Berichterstattung profitiert, in unangenehmen Situationen auch mehr Aufmerksamkeit selbiger zu erdulden als ein Prominenter, der von vornherein die Presse meidet. Da die Presse in der Lebensgestaltung des ersteren Prominenten präsent ist, beeinträchtigt sie die Person auch nicht so schnell in selbiger. Werden nun aber Personen Objekt des öffentlichen Interesses, die unfreiwillig in den Fokus der Berichterstattung gelangt sind, wie in Beispiel 3, so bietet das Kriterium der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung auch hier gute Anknüpfungspunkte für eine Wertung. Bei diesen Betroffenen ist die Lebensgestaltung, in der sowohl der Umgang mit der Presse als auch ihre Abwehr bisher keine Rolle spielte, schneller intensiv beeinträchtigt. Pauschale Einordnungen des Vorgehens von Journalisten verbieten sich hier freilich auch. Knüpft man die Wertung, ob das Verhalten des Reporters noch als berufsadäquat und zu billigen, ja von Verfassungswegen zu fordern ist, an das Merkmal der schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung an, bleibt im Gegensatz zum Anknüpfen an die Beharrlichkeit mehr Raum für eine korrekt verortete Abwägung. c) „Unbefugt“ als Anknüpfungspunkt Die Frage, ob auch das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ und somit die Rechtfertigungsebene ein geeinigter Anknüpfungspunkt für die Straflosigkeit journalistischer Recherchen darstellt, wurde bereits auf S. 132 ff. ausführlich behandelt. Insoweit wird nach oben verwiesen. 4. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Befürchtungen der Presse, durch die neue Anti-Stalking-Norm § 238 StGB bei der journalistischen Recherche eingeschränkt und behindert zu werden, berechtigt sind. Ein hartnäckiger Reporter oder Foto-Journalist kann durch Ausübung seines Berufs den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB erfüllen. Wenn auch keine besondere Rechtfertigungsmöglichkeit für die Presse besteht, so muss bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 238 Abs. 1 StGB die Bedeutung der Pressefreiheit ausreichend gewürdigt werden. Als Anknüpfungspunkt bietet

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sich der unbestimmte Rechtsbegriff des schwerwiegenden Eingriffs in die Lebensgestaltung des Opfers und nach dem Willen des Gesetzgebers auch das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ an. Bezieht man in die Einzelfalluntersuchung die Lage des Opfers, das von Journalisten „verfolgt“ wird, mit ein und vergleicht sie mit der eines „normalen“ Stalking-Opfers, so fallen deutliche Unterschiede auf: Der strafbegründende Faktor des angsterregenden Psychoterrors wird in der Regel bei Handeln durch die Presse nicht vorliegen. Ebenso muss beachtet werden, dass die Presse nur durch die hartnäckige Recherche ihrer verfassungsrechtlich geforderten öffentlichen Aufgabe nachkommen kann. Hören Journalisten wegen einer Strafandrohung auf engagiert nachzuhaken, besteht die Gefahr die Presse auf reine „Hofberichterstattung“ zu reduzieren. Lässt man all diese Faktoren in die Auslegung der Termini der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltungsfreiheit“ und „beharrlich“ einfließen, kommt man zu dem Ergebnis, dass man durch die presserechtsgemäße Recherche den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht erfüllen wird. Im Fall der Prüfung der Strafbarkeit von Journalisten müssen die unbestimmten Rechtsbegriffe restriktiv ausgelegt werden, um nicht die Pressefreiheit empfindlich zu beschneiden. Gegenüber dem „normalen“ Stalking muss ein Plus hinzutreten; der Eingriff in die Lebensgestaltungsfreiheit muss intensiver sein. Für besondere Einzelfälle, in denen man trotz einer die Pressefreiheit berücksichtigender Auslegung des Tatbestandes zu einer Strafbarkeit des Journalisten gelangt, ergäbe sich die Möglichkeit sein Tun zu rechtfertigen, wenn eine Wertabwägung ergäbe, dass eine Strafbarkeit mit den Grundwerten der Verfassung kollidieren würde. Freilich wird es sich dabei um außergewöhnliche Einzelfälle handeln. In der Regel wird man mit einer Heranziehung des Art. 5 Abs. 1 GG bei der Auslegung des Tatbestandes zu grundrechtskonformen Ergebnissen gelangen. Die Sonderbehandlung der Journalisten mag auf den ersten Blick befremden. Doch kann man, solange die Pressefreiheit nicht in den Kreis der Rechtfertigungsgründe aufgenommen wird, zu keinem anderen Ergebnis kommen. Nur so kann eine freie und engagierte, häufig enthüllende Presse weiterhin gewährleistet werden. Es kann nicht sein, dass ein Gesetz, das geschaffen wurde, um den Opferschutz bei Nachstellungen zu fördern, schließlich zur Behinderung der öffentlichen Aufgabe der freien Presse führt. 5. Andere Beurteilung nach Berücksichtigung der Caroline-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR)? Dieses Ergebnis könnte jedoch mit dem Caroline-Urteil95 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Widerspruch stehen. 2004 entschied der EGMR, dass Deutschland durch seine Rechtsprechungspraxis, die der Pressefrei95

EGMR NJW 2004, 2647.

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heit bei Personen der absoluten Zeitgeschichte den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Prominenten einräumte, gegen Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privatund Familienlebens) verstoße. Die Rechtsprechungsreihe um Caroline von Monaco, jetzt Hannover, beschäftigte sich zwar nur mit der Auslegung der §§ 22 ff. KUG und somit mit dem Abdruck von Fotoaufnahmen. Doch ist zu fragen, ob der EGMR der Bundesrepublik Deutschland mit diesem Urteil nicht eine Richtschnur an die Hand gegeben hat, die nicht nur im Rahmen des Abdrucks der bildlichen Rechercheergebnisse Geltung verlangen kann, sondern die auch generell bei der Abwägung zwischen Pressefreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht herangezogen werden muss, wenn Belange Prominenter mit denen der Presse in Widerspruch stehen. a) Bundesverfassungsgericht versus Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Thema der zahlreichen Entscheidungen um Caroline von Monaco/Hannover waren Bildveröffentlichungen, die die Prinzessin in verschiedenen Situationen darstellen, bei denen sie sich im privaten Rahmen, wie dem Reiten oder dem Einkaufen in der Öffentlichkeit, aufhielt. Die Prinzessin wehrte sich gegen die Veröffentlichungen der Bilder in Boulevardmagazinen, unterlag aber schließlich auch beim BVerfG:96 Ihre Einstufung als absolute Person der Zeitgeschichte ermögliche es, Bilder von ihr auch dann abzudrucken, wenn sie sich privat in der Öffentlichkeit bewege, da das Informationsinteresse der Öffentlichkeit schon allein durch ihren Status als Prominente bestehe. Gegen diese Entscheidung wehrte sich die Prinzessin von Hannover mittels der Individualbeschwerde beim EGMR in Straßburg. Dieser gab ihrer Klage statt und entschied, dass die deutschen Gerichte in ihren Entscheidungen die widerstreitenden Interessen der Pressefreiheit, Art. 10 EMRK,97 auf der einen Seite und das Persönlichkeitsrecht der Klägerin, geschützt durch Art. 8 EMRK, auf der anderen Seite nicht in einen gerechten Ausgleich gebracht hätten. Die Interpretation und Auslegung der deutschen Gerichte der §§ 22 ff. KUG, wonach Aufnahmen von Personen der absoluten Zeitgeschichte auf öffentlichen Plätzen grundsätzlich zulässig sind, verstoße gegen des Recht dieser Prominenten auf den Schutz ihrer Privatsphäre.98 Nach der Auffassung des EGMR ergeben sich für die Mitgliedsstaaten der EMRK unter Umständen positive Handlungspflichten, die sogar Schutzmaßnahmen im Verhältnis zwischen Privatpersonen untereinander erfordern können.99

96 97 98 99

BVerfGE 101, 361. Eingebettet in die Freiheit der Meinungsäußerung. EGMR NJW 2004, 2647 (2651) (Rdn. 78 f.). EGMR NJW 2004, 2647 (Leitsatz Nr. 2).

C. Kollision der Pressefreiheit

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b) Umfassender Schutzauftrag des EGMR an die Mitgliedsstaaten? Für den Fall, dass der Schutz des Privatlebens gegen die in Art. 10 EMRK garantierte Pressefreiheit abgewogen werden müsse, stellt der Gerichtshof in seinem Urteil für die Zulässigkeit der Veröffentlichung durch die Presse darauf ab, ob die Fotoaufnahmen zu einer öffentlichen Diskussion über eine Frage allgemeinen Interesses beitragen.100 Bei Personen des öffentlichen Lebens habe die Öffentlichkeit zwar unter besonderen Umständen auch ein Recht auf Informationen über Aspekte ihres Privatlebens. Zu diesen Personen des öffentlichen Lebens sollen insbesondere Politiker gehören; Caroline von Monaco hingegen nicht. Allein ihre Abstammung und ihre gesellschaftliche Position mache sie nicht zu einer solchen Person des öffentlichen Lebens.101 Weiter schlägt bei der Entscheidung des EGMR die Bewertung der Qualität des Presseerzeugnisses durch; so wird nach den Kriterien des EGMR die Verbreitung von Ideen anders behandelt als die zur bloßen Unterhaltung bestimmten Fotoaufnahmen mit Einzelheiten aus dem Privatleben.102 Mithin drängt sich die Interpretation auf, die Boulevardpresse könne sich für Veröffentlichungen nicht wirksam auf Art. 10 EMRK berufen.103 Die erwähnten Ausführungen erfolgen unter dem Oberpunkt „Allgemeine Grundsätze zum Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung“. Das heißt, nimmt man den Gerichtshof wörtlich, so gibt er ein Richtmaß auf, das sich gegen die bisherige Gerichtspraxis in Deutschland wendet, wie in Fällen der Grundrechtskollision zwischen Privaten zwischen Pressefreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht abgewogen werden soll. Diese Ausführungen scheinen nicht nur Geltung im behandelten Fall beanspruchen zu wollen, sondern kritisieren das Schutzniveau des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Prominenter im Umgang mit der Presse in Deutschland ganz allgemein. Insoweit kommt dem Urteil auch Appellwirkung zu, das Schutzniveau und somit auch seine Rechtsprechungspraxis und Auslegungsregeln in künftigen Verfahren zu korrigieren. Auch in Fällen, in denen Journalisten aus Recherchezwecken die Nähe zu Prominenten suchen, sei es um sie zu interviewen, sei es um sie zu fotografieren, kollidieren die Verfassungsgüter allgemeines Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit. Da diese nicht nur im Grundgesetz geschützt werden, sondern auch in Art. 8 und 10 EMRK verankert sind, könnte man überlegen, ob auch die Möglichkeit besteht, dass einem Prominenten die in dieser Untersuchung aufgezeigte besondere Auslegung des Tatbestandes des § 238 StGB in Fällen von Presserecherchen missfällt. Nachdem er oder sie auf dem deutschen Gerichtsweg unterlegen ist, könnte der Betroffene sich dann ebenso wie die Prinzessin von Hannover an den EGMR wegen Verletzung seiner Rechte aus Art. 8 EMRK wenden. 100 101 102 103

EGMR NJW 2004, 2647 (2649) (Rdn. 60). EGMR NJW 2004, 2647 (2650) (Rdn. 72). So auch Starck, JZ 2006, 76 (77). In diesem Sinn auch Engels/Jürgens, NJW 2007, 2517 (2518) mit weiteren Nachweisen.

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

c) Bindungswirkung in Deutschland? Zumindest für die Auslegung der §§ 22 ff. KUG gibt der EGMR der Bundesrepublik auf, die bisherige Rechtsprechungspraxis zu ändern und dem im Caroline-Urteil angezeigten Schutzauftrag gegenüber seinen Prominenten nachzukommen. Um die Frage zu beantworten, ob die Rechtsauffassung des EGMR auch für die aufgeworfene Frage um den Ausgleich des Persönlichkeitsrechts mit der Pressefreiheit im Fall der Auslegung des § 238 StGB relevant sein kann, ist zunächst zu prüfen, inwieweit das Caroline-Urteil Bindungswirkung für die deutsche Rechtsprechung entfaltet. Zweifelsohne bindet die Entscheidung des EGMR die Parteien in der konkreten Rechtssache. Fraglich ist aber, ob die Entscheidung auch darüber hinaus Bedeutung hat. In seiner Görgülü-Entscheidung hat das BVerfG noch einmal bestätigt, dass zur Bindung an Gesetz und Recht auch die Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des EGMR im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung gehören.104 Bindungswirkung, wie die Entscheidungen des BVerfG sie nach § 31 BVerfGG entfalten, gibt es bei EGMR-Entscheidungen hingegen nicht. Das heißt, die deutschen Gerichte sind nicht automatisch nach deutschem Rechtsverständnis an die Vorgabe aus Straßburg gebunden. So stellen die Richter des BVerfG auch deutlich fest, dass die nationalen Organe die Auswirkungen auf die nationale Rechtsordnung berücksichtigen und die Entscheidung in das nationale Rechtssystem einpasse müssten,105 sprich auch in das Wertesystem des deutschen Grundgesetzes. In der problematischen Fragestellung ergingen 2007 wiederum Urteile des BGH, der sich erneut mit der Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fotoaufnahmen des Prinzenpaares von Hannover beschäftigte.106 Mit Spannung wurde erwartet, wie sich der BGH als „Diener zweier Herren“107 im Zwiespalt zwischen dem BVerfG und der Bindungswirkung der Entscheidung aus dem Jahre 1999108 und dem EGMR verhalten würde und inwieweit er seine Rechtsprechung den Vorgaben des EGMR entsprechend gestalten würde. Kurzgefasst kann festgestellt werden, dass der BGH auf die Straßburger Anforderungen eingeht, sich aber gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG auch an die Bindung der 1999 ergangenen BVerfG-Entscheidung hält. So seien Belange der Öffentlichkeit schon bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ zu berücksichtigen. Dieser Begriff sei im Interesse der Pressefreiheit weit auszulegen, maßgeblich wäre aber die Abwägung im Einzelfall. Insgesamt hält sich der BGH aber an das traditionell weite Verständnis der Kommunikationsfreiheit. So bestimme nämlich die Presse selbst, nach publizistischen Krite-

104 105 106 107 108

BVerfGE 111, 307. BVerfGE 111, 307. BGH NJW 2007, 1977 (Caroline); BGH NJW 2007, 1981 (Ernst August). Vgl. Begrifflichkeit in Klass, AfP 2007, 517 (522). BVerfG NJW 2000, 1021.

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rien, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält.109 Auffällig ist, dass der BGH nicht mehr auf das zu §§ 22 ff. KUG entwickelte System der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte zurückgreift, sondern nur noch den Terminus der „Person der Zeitgeschichte“ verwendet. Da auch nach Auffassung des BGH die Prominenz einer Person allein noch nicht für die Bejahung einer zeitgeschichtlichen Relevanz ausreicht, ist davon auszugehen, dass die Figur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ aufgegeben wurde und für eine zulässige Publikation nun immer ein besonderes Ereignis von Nöten ist.110 Darin wird vor allem eine Einschränkung des Boulevardjournalismus gesehen,111 da dort für das zeitgeschichtliche Kriterium der Unterhaltungsfaktor allein wohl nicht ausreichen wird. Diese Einschätzung scheint sich durch die Entscheidungen um die neuen Begleiterinnen von Herbert Grönemeyer112 und Oliver Kahn113 zu bestätigen, bei denen der zeitgenössische Informationswert als zu gering eingestuft wurde, um den Persönlichkeitsschutz zu überwiegen. Der im Februar 2008 ergangene Beschluss des BVerfG114 zu den Verfassungsbeschwerden der Prinzessin von Hannover gegen die Ablehnung eines Veröffentlichungsverbotes und eines Verlages und einer Illustrierten gegen Veröffentlichungsverbote von Aufnahmen der Prinzessin ergänzt diese Einschätzung. Letztlich äußern sich der BGH und das BVerfG aber nur zum Schutzsystem der §§ 22 ff. KUG. Die Ausführungen des EGMR und des BGH sind somit nicht einfach auf sämtliche Situationen, in denen es zwischen Persönlichkeitsrechten von Prominenten und der Pressefreiheit abzuwägen gilt, zu übertragen. Dies gilt insbesondere deshalb, da an Bildberichterstattung seit jeher strengere Anforderungen angelegt werden als an textliche Schilderungen.115 Für die Recherchemöglichkeiten der Journalisten haben die Ausführungen jedenfalls nicht zu gelten. An dieser Stelle soll noch angemerkt werden, dass das mögliche Kriterium des Vorverhaltens der Prominenten bisher weder vom EGMR, noch vom BGH und dem BVerfG ausreichend herangezogen wurde. Dieser Aspekt könnte sowohl bei Entscheidungen, ob gegen §§ 22 ff. KUG verstoßen wurde als auch bei der hier thematisierten Frage, wie viel Recherche ein Prominenter zu erdulden hat, fruchtbar gemacht werden. Denn es ist nicht einzusehen, die Presse nach Belieben des „Promis“ auf Gefälligkeitsjournalismus zu beschränken. Insoweit wird an den oben erarbeiteten Kriterien zum Umgang mit der Pressefreiheit bei § 238 StGB festgehalten. Das EGMR-Urteil um Caroline von Hannover entfaltet insoweit aus deutscher Sicht keine Auswirkungen.

109 110 111 112 113 114 115

Klass, AfP 2007, 517 (521). Klass, AfP 2007, 517 (521). Klass, AfP 2007, 517 (527). BGH NJW 2007, 3440. BGH NJW 2008, 749. BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008 – 1 BvR 1602/07, 1 BvR 1606/07, 1 BvR 1626/07. Feldmann, JurisPR-ITR 8/2008, Anm. 2.

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IV. Behandlung der journalistischen Recherche nach dem Gewaltschutzgesetz Zu prüfen bleibt, ob auch auf dem rein zivilrechtlichen Weg über § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG gegen aufdringliche Journalisten vorgegangen werden könnte. Zur Veranschaulichung werden wiederum die schon auf S. 127 f. angeführten Beispiele herangezogen. 1. Verwirklichung des Tatbestands durch Recherche a) Überprüfung von Beispiel Nummer eins In Beispiel 1116 kommt eine unzumutbare Belästigung durch wiederholtes Nachstellen in Betracht, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG. Danach sind die wiederholte Überwachung und Beobachtung einer Person sowie die ständige demonstrative Anwesenheit des Täters in der Nähe des Opfers tatbestandlich.117 Wenn sich P hingegen im Gebüsch verborgen hält, um nicht entdeckt zu werden, ist er nicht demonstrativ anwesend im Sinn der Norm. Aber er überwacht und beobachtet M und S über einen längeren Zeitraum, mithin verfolgt er sie sogar. Damit erfüllt er den Tatbestand des wiederholten Nachstellens durch Überwachen und Beobachten einer Person. Indem M den P anfuhr, sie wolle nicht mehr von ihm und anderen Vertretern seiner Zunft behelligt werden, liegt auch ein ausdrücklich erklärter entgegenstehender Wille des Nachstellungsopfers im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG vor. Da P agiert um neues Fotomaterial von dem angeblich sich trennenden „PromiPärchen“ zu bekommen, handelt er vorsätzlich und nimmt die Belästigung billigend für seine eigenen Ziele in Kauf. P verwirklicht somit den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG. b) Überprüfung von Beispiel Nummer zwei J könnte in Beispiel 2118 eine unzumutbare Belästigung durch Verfolgen mittels Fernkommunikationsmitteln verwirklicht haben, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG. Festnetz- und Mobiltelefone sind ebenso wie E-Mails Fernkommunikationsmittel im Sinn der Vorschrift.119 Da ein tatbestandliches Verfolgen keine erfolgreiche Kontaktaufnahme mit dem Opfer voraussetzt120 und das Tun des J als hartnäckiges Bedrängen qualifiziert werden kann, schließlich ruft er zahlreiche Male in Os Büro und Privatwohnung an und schreibt ihm E-Mails mit der Bitte um Kontakt, erfüllt J § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG. 116 117 118 119 120

Für den Sachverhalt des Beispiels 1 siehe S. 128. Vgl. Ausführungen auf S. 61 f., sowie BT-Drs. 14/5429, S. 29. Für den Sachverhalt des Beispiels 2 siehe S. 128 f. BT-Drs. 14/5429, S. 29, § 312b Abs. 2 BGB. Vgl. S. 78 ff.

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Wenn J den O nicht zielgerichtet überwacht und verfolgt, sondern nur mal an der Türe klingelt oder im Büro auftaucht, kann hingegen noch nicht von einer wiederholten Überwachung und Beobachtung einer Person im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG ausgegangen werden. Bezüglich des Tatbestandsmerkmals „gegen den ausdrücklich erklärten Willen“ ist anzumerken, dass im vorliegenden Fall nicht O persönlich dem J gegenüber äußert, dass er keinen Kontakt zu J wünsche und er ihn in Ruhe lassen soll, sondern ihm das durch Os Sekretärin ausgerichtet wird. Eine direkte persönliche Äußerung des entgegenstehenden Willens ist auch nicht zu fordern. So kann die Erklärung des entgegenstehenden Willens auch von einem Boten überbracht werden. Dafür, dass die Erklärung persönlich unter Anwesenden erfolgen soll, gibt es keinen Grund. Würde man eine persönliche Erklärung unter Anwesenden fordern, so hätte der allgemeine Stalker zumindest teilweise erreicht was er will; eine Möglichkeit zur direkten Konfrontation. Dies kann aufgrund des Gesetzeszwecks nicht beabsichtigt sein. Somit hat auch J durch seine Recherchebemühungen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG verwirklicht. c) Überprüfung von Beispiel Nummer drei Auch R hat in Beispiel 3121 durch sein Verhalten den Anwendungsbereich des Gewaltschutzgesetzes eröffnet. So hat er durch die vielen Festnetz- und Mobiltelefonanrufe Fernkommunikationsmittel eingesetzt und die Familie mittels dieser hartnäckig bedrängt, mithin verfolgt, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG.122 Weiter hat er vor dem Familienwohnsitz Stellung bezogen, um die Angehörigen beim Verlassen des Hauses aufzunehmen und sie zur Stellungnahme zu drängen. Außerdem klingelt er wiederholt mit der gleichen Begehr an der Haustüre. R verwirklicht durch die wiederholte Überwachung und Beobachtung123 der Angehörigen somit auch die Nachstellungs-Alternative, § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b Var. 1 GewSchG. Durch die Aufforderung, in Ruhe trauern zu dürfen, ist ein entgegenstehender geäußerter Wille vorhanden. d) Zwischenergebnis Wie schon bei der vorangegangenen Prüfung des Rechercheverhaltens von Journalisten anhand von § 238 Abs. 1 StGB kommt man bei der Prüfung von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG zum gleichen Ergebnis: Pressevertreter können durch branchenübliches Verhalten den Tatbestand der Nachstellung erfüllen.

121

Für den Sachverhalt des Beispiels 3 siehe S. 128 f. Vgl. Ausführungen auf S. 78 ff. sowie zur Definition der Fernkommunikationsmittel BT-Drs. 14/5429, S. 29. 123 Vgl. BT-Drs. 14/5429, S. 29. 122

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

2. Rechtfertigung über § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG Im Gegensatz zu § 238 StGB weist § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG einen speziellen Rechtfertigungsgrund für die Var. 2 des „Nachstellens“ auf, der da lautet: Im Falle des Satzes 1 Nr. 2 Buchstabe b liegt eine unzumutbare Belästigung nicht vor, wenn die Handlung der Wahrnehmung berechtigter Interessen dient.

Einig sind sich die Kommentierungen des Gewaltschutzgesetzes, dass eine Kontaktaufnahme dann nicht unbefugt sein kann, wenn sie notwendig ist, um das Umgangsrecht mit gemeinsamen Kindern des „Belästigten“ auszuüben.124 Unter die Wahrnehmung berechtigter Interessen soll ebenfalls die Vornahme von Amtshandlungen wie Vollstreckungshandlungen der Polizei oder des Gerichtsvollziehers, fallen.125 a) Fallgruppe: Aufhalten an einem bestimmten Ort aus Berufsgründen Auch ein weiterer Fall ist als Ausnahme anerkannt: Ein berechtigtes Interesse nimmt auch derjenige wahr, der sich aus beruflichen Gründen an einem bestimmten Ort aufhalten muss.126 In diese Fallgruppe könnten auch die recherchierenden Journalisten eingeordnet werden. Schließlich stehen die Journalisten nicht aus Privatvergnügen vor dem Haus der Prominenten, sondern aus Berufsgründen. Dies vermag nur auf den ersten Blick zu überzeugen. So beschränkt sich die Formulierung eindeutig auf das Aufhalten an einem bestimmten Ort aus beruflichen Gründen. Dann wäre die fernmündliche oder schriftliche Kontaktaufnahme schon wieder nicht befugt. Außerdem stellt sich die Frage, ob sich der Journalist für seine Recherche unbedingt vor dem Haus des Prominenten aufhalten muss oder ob man nicht auch mit anderen Recherchemethoden zu gleichen Ergebnissen kommen würde. Die in der Kommentarliteratur erwähnten Anwendungsfälle für das Wahrnehmen berechtigter Interessen dürfen keinesfalls als abschließend angesehen werden. Zu untersuchen ist zunächst, woran sich der Begriff der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ orientiert. Anschließend kann der Frage nachgegangen werden, ob auch der berufsausübende Journalist durch seine Recherche berechtigte Interessen wahrnimmt.

124 BT-Drs. 14/5429, S. 29; JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 21; Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, § 1 GewSchG Rdn. 11; Palandt-BGB-Brudermüller, § 1 GewSchG Rdn. 8. 125 NomosBR-Erl-Schuhmacher, § 1 GewSchG, S. 2. 126 JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 21; Weinreich/Klein, FAK-FamilienrechtWeinreich, § 1 GewSchG Rdn. 11.

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b) Sinn und Zweck der Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen Richtigerweise wird in der Wahrnehmung berechtigter Interessen ein Rechtfertigungsgrund gesehen.127 Weiter scheint sich der Gesetzgeber durch Verwendung der Bezeichnung „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ an dem bekannten Rechtfertigungsgrund aus § 193 SGB zu orientieren. Hierfür spräche nicht nur die Einheit der Rechtsordnung, auch äußert sich der Gesetzgeber weder in den Materialien zum Gewaltschutzgesetz noch in der Gesetzesbegründung ausführlich zum gewählten Begriff. Das könnte dafür sprechen, dass der Gesetzgeber schlicht keinen Äußerungsbedarf gesehen hat, weil allgemein bekannt ist, was unter der „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ zu verstehen ist. Mögen auch die Anwendungsmöglichkeiten im Strafrecht begrenzt sein,128 so wird die Wahrnehmung der berechtigten Interessen einhellig als Anwendungsfall der Güter- und Interessenabwägung angesehen.129 Und nicht nur im Strafrecht wird der Terminus der Wahrnehmung berechtigter Interessen verwendet: Die zivilrechtliche Rechtsprechung hat aus § 193 StGB und Art. 5 Abs. 1 GG einen übergeordneten Rechtsgedanken entwickelt, der beispielsweise eine Wettbewerbsverletzung rechtfertigen kann.130 Aber auch in § 824 Abs. 2 BGB hat die Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen Niederschlag gefunden.131 Zivilrechtliche Kommentierungen verweisen, wenn es um die Wahrnehmung berechtigter Interessen geht, meist auf § 193 StGB; zudem betreffen die meisten Anwendungsfälle im Zivilrecht thematisch auch Äußerungsdelikte wie Ehr- oder Persönlichkeitsverletzungen132 oder Rufbeeinträchtigungen bei Unternehmen.133 Dennoch zeigt gerade § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG, dass sich der Anwendungsbereich nicht auf diese Ehrverletzungen beschränkt; schließlich soll die Norm beispielsweise das Betreten eines Ortes rechtfertigen, nicht eine Äußerung. Auch für Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Rechtfertigungsgrund anerkannt und wird mit einer Verallgemeinerung des in § 824 Abs. 2 BGB und § 193 StGB enthaltenen Rechtsgedankens begründet.134

127

JurisPK-BGB-Leis, § 1 GewSchG Rdn. 21. Im Strafrecht kommt der Rechtfertigungsgrund nur für Beleidigungsdelikte zur Anwendung, insoweit wird auf S. 132 ff. verwiesen. 129 BGHSt 18, 184; sowie statt vieler: Kühl/Lackner-StGB, § 193 Rdn. 1; SK-StGB-Rudolphi/Rogall, § 193 Rdn. 2; MünchKomm-StGB-Joecks, § 193 Rdn. 2. 130 Hefermehl/Köhler/Bornkamm-UWG-Köhler, § 11 Rdn. 2.12. 131 § 824 Abs. 2 BGB lautet: „ Durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, wird dieser nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat“. 132 Bamberger/Roth-BGB-Bamberger, § 12 Rdn. 190. 133 Prütting/Wegen/Weinreich-BGB-Schaub, § 823 Rdn. 14. 134 BeckOK-BGB-Spindler, § 823 Rdn. 12. 128

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

Der Gesetzgeber hat mit § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG einen Rechtfertigungsgrund für die Nachstellungen nach Satz 1 Nr. 2 lit. b geschaffen, der bei der Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Opfers und der Interessen des Stalkers zur Anwendung kommt. Ist das Interesse des Stalkers mit dem Opfer derart in Kontakt zu treten, dass man sein Verhalten bei mangelnder Rechtfertigung als Nachstellen einstufen müsste, bei der Abwägung mit dem geschützten Rechtsgut des Opfers mindestens gleich gewichtig und scheint dieses Ergebnis auch bei einem Vergleich der infrage stehenden Rechtsgüter angemessen, kann von einer Rechtfertigung ausgegangen werden. c) Wahrnehmung der Pressefreiheit bzw. neue Fallgruppe: Journalistische Recherchen In den gängigen Kommentierungen des Gewaltschutzgesetzes135 finden journalistische Recherchen keine Berücksichtigung. Da die Anwendungsbereiche für den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen aber nicht als abschließend angesehen werden können, ist der Frage nachzugehen, ob die Reihe der anerkannten Fallgruppen nicht um die der „journalistischen Recherchen“ zu ergänzen ist. Wie bereits ausgeführt, gilt es für die Feststellung, ob eine Person gerechtfertigt ist, ihr Interesse mit dem der von dem Tun der betroffenen anderen Person abzuwägen. Für den hier zu untersuchenden Fall der journalistischen Recherche bedeutet dies, die Pressefreiheit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der zum „Rechercheobjekt“ gewordenen Person gegenüberzustellen. Die Abwägung dieser beiden Rechtsgüter ist der Judikatur nicht fremd; beispielsweise sei eine Entscheidung des BGHs aus dem Jahr 1959 angeführt, wonach die Presse berechtigte Interessen wahrnehme, wenn sie über Angelegenheiten berichtet oder Stellung nimmt, an denen ein ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht.136 Dabei ist aber zu beachten, dass die meisten Urteile und somit auch die Kriterien die Abwägung, den Abdruck und die Verbreitung der Rechercheergebnisse betrafen. Vorliegend wird aber untersucht, was eine Person, die in den Fokus des journalistischen Interesses geraten ist, von einem recherchierenden Journalisten erdulden muss, bevor sie gegen ihn wegen Stalkings nach dem Gewaltschutzgesetz vorgehen kann. Betroffen ist also eine Phase des journalistischen Prozesses, der der Veröffentlichung zeitlich vorangeht und nach der erst entschieden werden muss, aber auch kann, ob tatsächlich ein entsprechendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Um ihrer Aufgabe als freie Presse überhaupt durchführen zu können, muss es den Journalisten gestattet sein, von Unterlassungsbegehren unberührt und uneingeschüchtert recherchieren zu können. Zunächst ist festzuhalten, dass die verfassungsrechtlich garantierte Pressefreiheit der Presse auch das Recht garantiert, weitgehend 135

JurisPK-BGB-Leis, GewSchG; Weinreich/Klein, FAK-Familienrecht-Weinreich, GewSchG; Palandt-BGB-Brudermüller, GewSchG; NomosBR-Erl-Schuhmacher, GewSchG. 136 BGHZ 31, 308.

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selbst zu bestimmen, ob Anlass zur Recherche besteht und welche Recherchemaßnahmen zur Klärung eines Sachverhaltes geeignet und erforderlich sind.137 Weiter belegen zahlreiche Urteile, die hinsichtlich von Unterlassungsbegehren nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB gegen journalistische Recherchen ergangen sind138 und auch Meinungen aus dem Schrifttum des Medienrechts,139 dass Unterlassungsansprüche nicht dafür eingesetzt werden dürfen, um Presserecherchen zu verhindern. Andernfalls würde dies eine unerträgliche Belastung und Einschüchterung für die Medien bedeuten.140 So stellte schon 1980 Senfft zutreffend fest: Es ist das Recht und die Pflicht einer jeden Zeitung, es ist ein wesentliches Element der Presse, allem nachzugehen, alle Hinweise zu verfolgen, alle Nachrichten und Sachverhalte daraufhin zu untersuchen, ob sie für eine Veröffentlichung in Frage kommen. Diese Frage und das sich hieran anschließende Problem, ob und wenn ja, in welcher Form eine Veröffentlichung rechtlich zulässig ist, kann aber erst entschieden werden, wenn die Recherche abgeschlossen ist. Löste schon die bloße Tatsache der Recherche und das auch eidesstattliche Bestreiten des Betroffenen die Pflicht zur Abgabe einer durch eine Vertragsstrafe abgesicherten Unterlassungserklärung aus, so würde dies zur Folge haben, dass eine Zeitung nur deshalb, weil sie eine Zeitung ist, und nur deshalb, weil sie das tut, was eine Zeitung vor jeder Veröffentlichung tut oder tun sollte – sorgfältig recherchieren und Informationen aus ihre Publikumsfähigkeit, Publikationsnotwendigkeit und Publikationszulässigkeit untersuchen – automatisch Unterlassungserklärung und Vertragsstrafeversprechen schulden.141

Die genannten Quellen beschäftigen sich zwar nicht mit Ansprüchen wegen Nachstellungen, wohl aber mit drohenden Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Außerdem wird durch die vorgestellte Rechtsprechung klar, dass der journalistischen Recherche enorme Wichtigkeit zukommt, um als Presse frei berichten zu können. Die Wichtigkeit der Recherche und die Notwendigkeit von einschüchternden Unterlassungsdrohungen unbehelligt nachforschen zu können, ist folglich anerkannt und über eine Rechtfertigung wegen Wahrnehmung der Pressefreiheit bei der Prüfung des Tatbestandes einzubringen. Somit ist klar geworden, dass sich Journalisten bei ihren Recherchen auch auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können müssen, wenn die durch die Nachforschungen Betroffenen ihrerseits mittels des Gewaltschutzgesetzes gegen die Pressevertreter vorgehen um unangenehme Recherchen zu behindern. Als Anknüpfungspunkt eignet sich auch hier die Rechtfertigungsebene ganz besonders. Die Fallgruppen, die bisher als Fall von Wahrnehmung berechtigter Interessen aner-

137

OLG Karlsruhe NJW-RR 2006, 1551. LG Essen Urteil vom 12.1.1996 – 2 O 480/05; OLG Hamburg AfP 1992, 279; OLG Hamburg AfP 2000, 188 f.; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2003, 37; OLG Koblenz Urteil vom 25.3.2008 – 4 U 1292/07. 139 Prinz/Peters, Rdn. 329; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, Rdn. 570 f. 140 Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, Rdn. 805. 141 Senfft, NJW 1980, 367 (369). 138

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kannt sind,142 sollten folglich um die der „journalistischen Recherche“ erweitert werden. Im vorliegenden Fall der Prüfung von Stalking durch Journalisten verbleibt noch anzumerken, dass es bei den belästigenden oder unangenehmen Rechercheverhaltensweisen des Journalisten am Element der öffentlichen Bloßstellung, wie es bei Veröffentlichungen der Fall sein kann, fehlt. Der noch recherchierende Reporter wird also in der Regel nicht die Ehre seines Rechercheobjekts verletzen; vielmehr geht es, wie oben schon im Rahmen der Diskussion um § 238 StGB gezeigt, um die Bewertung dessen, wie viel Belästigung zu erdulden ist, ohne dass von rechtswidrigen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht ausgegangen werden muss. Es bleibt weiter zu ergänzen, dass es bei den belästigenden oder unangenehmen Rechercheverhaltensweisen des Journalisten am Element der Bedrohlichkeit mangelt. Es ist dem jeweiligen Betroffenen, sei er nun ein Prominenter oder nicht, völlig klar, dass es dem Reporter nicht darum geht, sein Gegenüber zu quälen oder ihm Schlimmeres antut: Die Motivation, eine „Story“ zu bekommen, ist offensichtlich. Bei der Bewertung der widerstreitenden Interessen ist auch zu berücksichtigen, wie groß das Informationsinteresse an den zu recherchierenden Geschichten ist. Doch wie das BVerfG in anderem Zusammenhang schon feststellte, ist auch Unterhaltung ein nicht zu unterschätzender Faktor des öffentlichen Interesses.143 Auch obliegt es der Presse und somit den im Pressewesen Tätigen zu entscheiden, was für die Öffentlichkeit interessant sein könnte und was nicht. Dies genau ist aber erst zu beurteilen, wenn recherchiert wurde, was etwa an einem Gerücht „dran“ ist und was nicht. Insoweit ist die Presse gerade zur Recherche aufgefordert. Ferner muss bei einem Prominenten dessen Vorverhalten im Umgang mit der Presse in die Interessenabwägung einfließen.144 Letztlich ist diese Abwägung nicht vorwegzunehmen, es gilt im Einzelfall zu entscheiden. Beachtet man aber die anerkannte Aufgabe der Presse im Rechtsstaat und die Notwendigkeit der Presse in ihren Recherchebedingungen nicht behindert zu werden um ihrer Aufgabe überhaupt nachkommen zu können, muss ein Verhalten, das sich innerhalb der Selbstzensur durch den Pressekodex hält und das auch nicht gegen sonstige (presserechtliche) Normen oder sogar Strafnormen verstößt, auch zivilrechtlich zulässig sein und damit über § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG zu rechtfertigen sein.

142

Vgl. S. 156 f. BVerfGE 35, 202 ( 222); BVerfGE 101, 361 (390). 144 Davon, dass dies ein zu beachtender Faktor ist, gehen auch KG Berlin, Urteil vom 4.12.2007 – 9 U 21/07, sowie BVerfG NJW 2006, 3406 und BGH NJW 2005, 594 mit weiteren Nachweisen aus. 143

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d) Prüfung der drei Beispiele Abschließend ist kurz darauf einzugehen, ob die in den Beispielen herangezogenen fiktiven Journalisten in die Fallgruppe der Wahrnehmung berechtigter Interessen wegen journalistischer Recherchen eingeordnet werden können. In Beispiel 1 und 2 stellt sich das Vorgehen von J und P als branchenübliches Verhalten dar. J wird sogar gezwungen sein, um sich nicht dem Vorwurf der einseitigen Berichterstattung auszusetzen, zumindest zu versuchen, auch Os Version der Ereignisse mit einzubeziehen. Auch das Vorgehen des Paparazzo P muss geduldet werden. Allein der Faktor der Lästigkeit kann nicht dazu führen, die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der M als ungerechtfertigt zu bewerten. Eine Rolle spielt bei der Abwägung auch ihr Vorverhalten im Umgang mit der Presse. Dieser Faktor muss beim Abwägungsprozess in Beispiel 3 gerade andersherum berücksichtigt werden, hier sind Hinterbliebene ohne eigenes Zutun in den Blickpunkt des Boulevardjournalismus geraten. Auch kann daran gezweifelt werden, dass das öffentliche Interesse an deren Gefühlen sicher nicht so groß ist, wie etwa in Beispiel 2, wenn es um die Frage geht, ob ein Vertreter des Volkes mit zweierlei Maß misst und sich eventuell strafbar gemacht hat. Aber es obliegt eben der Presse zu entscheiden, was von öffentlichem Interesse ist und was nicht.145 Und so kann eben erst während oder gar erst nach abgeschlossener Recherche festgestellt werde, ob der untersuchte Vorgang für die Öffentlichkeit interessant ist, oder nicht. Auch darf die Pressearbeit nicht vorab verhindert werden. So ist das Handeln des R zwar ethisch und moralisch zu bemängeln, aber auch er wird sich erfolgreich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können, falls die Hinterbliebenen gegen ihn nach dem Gewaltschutzgesetz vorgehen sollten.

3. Zwischenergebnis Im Gegensatz zur strafrechtlichen Anti-Stalking-Norm weist die entsprechende Regelung im Gewaltschutzgesetz einen besonderen Rechtfertigungsgrund auf: die Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG. Es konnte festgestellt werden, dass ein hartnäckiger Pressevertreter durch seine Recherchen in Form von Präsenz in „Opfernähe“ und durch Kontaktaufnahmen dem Objekt seines Interesses tatbestandlich nachstellt. Ein im Rahmen des presserechtlich Zulässigen recherchierender Journalist wird aber in der Regel wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt sein. Insoweit stellt das Gewaltschutzgesetz keine Einschränkung für den investigativen Journalismus dar. Indiz hierfür ist auch, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes 2002 keinerlei Fälle bekannt wurden, in denen gegen Journalisten, die tatsächlich nur im Rahmen ihrer Berufsausübung recherchiert haben, Unterlassungsverfügungen aus gewaltschutzrechtlichen Anspruchsgrundlagen ergingen. 145

BVerfGE 35, 202 (222); BVerfGE 101, 361 (390).

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

4. § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG als Rechtfertigungsgrund bei § 238 StGB? Nachdem mit § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG ein Rechtfertigungsgrund für Nachstellungen besteht, der auch bei Presserecherchen zum Tragen kommen kann, drängt sich die Frage auf, ob dieser auch bei der strafrechtlichen Behandlung von Stalking Berücksichtigung finden muss. Dabei dürfte sich die Rechtfertigungsmöglichkeit nicht nur auf journalistische Recherchemöglichkeiten beschränken. Vielmehr müssten bei einer Anerkennung alle Fallgruppen des § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG beachtet werden. Der Geltungsanspruch lässt sich aus der Maxime der Einheitlichkeit der Rechtsordnung herleiten. So gebietet diese, dass ein Verhalten, das aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften erlaubt ist, nicht als strafrechtlich verboten angesehen werden darf.146 Dies leuchtet ein. So kann ein Nachstellen, das zivilrechtlich durch § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG gestattet ist, etwa weil der Exehemann seine frühere Partnerin nur deshalb immer wieder beharrlich anruft, um Termine zur Wahrnehmung seines Elternrechtes bezüglich des gemeinsamen Kindes auszumachen, nicht strafrechtlich pönalisiert sein. Auch andere zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe finden im Strafrecht Berücksichtigung;147 so sind etwa § 227 BGB, § 228 BGB, § 229 BGB, § 859 Abs. 2 BGB und § 904 BGB die gängigsten. Aber auch § 562b BGB und § 581 Abs. 2 BGB und § 592 BGB sehen spezielle Selbsthilferechte des Vermieters, beziehungsweise des Verpächters vor. Auch die Rechte des Grundstückseigentümers bei Überhang (§ 910 BGB) und das Verfolgungsrecht des Eigentümers eines Bienenschwarms (§ 962 BGB) sind als spezielle Rechtfertigungsgründe im Strafrecht ebenso zu beachten148 wie § 241a BGB.149 Nun könnte man gegen eine Berücksichtigung des § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG anführen, dass durch die jeweiligen anerkannten zivilrechtlichen Vorschriften zur Rechtfertigung mit dem Eigentum ein ganz anderes Rechtsgut betroffen wird. Doch beschränken sich zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe nicht auf das Schutzgut Eigentum. Der Rechtfertigungsgrund des elterlichen Züchtigungsrechts, wurde, besonders im Rahmen der strafrechtlichen Körperverletzungsdelikte, über lange Zeit hinweg berücksichtigt. Zurückzuführen ist dieser Rechtfertigungsgrund auf Art. 6 Abs. 2 GG und somit auch nicht auf die Verteidigung des Rechtsguts Eigentum. Zwar wurde das Züchtigungsrecht der Eltern als Rechtfertigung für Körperverletzungen mit der Einführung des § 1631 Abs. 2 BGB weitestgehend abgeschafft. Dies än146

Siehe auch: LK-StGB-Rönnau, Vor § 32 Rdn. 21 mit weiteren Nachweisen. Gegen eine Anwendung von zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründen im Strafrecht spricht sich aus: Hellmann, Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht. 148 Vgl. auch Heinrich, AT I, Rdn. 498. 149 Kühl/Lackner-StGB, § 303 Rdn. 9. 147

C. Kollision der Pressefreiheit

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dert an seiner früheren Beachtung im System der strafrechtlichen Rechtfertigung aber nichts. Insoweit kann das unterschiedliche Schutzgut der betroffenen Normen die Berücksichtigung des § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG bei § 238 StGB nicht verhindern. Das Argument, dass, aufgrund der Einheit der Rechtsordnung, ein Verhalten, das zivilrechtlich gestattet ist, nicht strafrechtlich verboten sein kann, überzeugt. Insoweit muss § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG auch bei der Prüfung des Tatbestandes des § 238 StGB auf Rechtfertigungsebene beachtet werden. Hierbei könnte man § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG inzident bei einer Prüfung des § 34 StGB berücksichtigen, wenn er nicht als spezieller Rechtfertigungsgrund bei § 238 Abs. 1 StGB angewandt werden könnte. Mit § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG liegt nach der hier vertretenen Ansicht ein spezieller Rechtfertigungsgrund vor, der auf Nachstellungshandlungen zugeschnitten ist150 und der dem Gesetzgeber zum Erlasszeitpunkt des § 238 StGB hinreichend bekannt war und dessen Ausschließung in keiner Weise thematisiert wurde. Es spricht somit vieles dafür, § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG auf § 238 StGB, ohne Rückgriff auf § 34 StGB, anzuwenden. In praktischer Hinsicht bleibt anzumerken, dass Fälle, in denen man in der von § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG geforderten Güter- und Interessenabwägung zu einem Überwiegen der Täterinteressen gelangt, und gleichzeitig auch den Tatbestand des § 238 Abs. 1 StGB in Bezug auf die schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers bejaht, kaum vorkommen werden.

V. Behandlung der journalistischen Recherche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog 1. Eröffnung des Tatbestandes durch journalistische Recherchen Wie bereits in dieser Arbeit an anderer Stelle ausgeführt wurde, betreffen StalkingHandlungen auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, wie es von § 823 Abs. 1 BGB geschützt wird, sodass Stalking-Opfern auch aus §§ 823. Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB Unterlassungsansprüche zustehen können.151 Vorliegend hat der Paparazzo P der M in Beispiel 1 vor ihrem Haus aufgelauert und sie verfolgt um sie zu fotografieren. Dass durch das Aufsuchen der räumlichen Nähe einer Person gegen ihren Willen das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Person verletzt, wurde auf den S. 66 ff. erörtert. Danach gehört die Entscheidung eines jeden, mit welchen Personen er Umgang pflegen möchte und mit wem er keine Kontakte oder Zusammentreffen wünscht, zum Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Insoweit betrifft auch das Handeln des J das allgemeine Persönlichkeitsrecht 150

Eine ausführliche Diskussion dieser Fragestellung würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. 151 Vgl. S. 66 ff.

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Kap. 4: Stalking durch Paparazzi und investigative Journalisten

des O und das Recherchieren des R das der hinterbliebenen Familie. Denn auch die fernmündliche oder schriftliche Belästigung oder Kontaktaufnahme kann den Betroffenen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen, vergleiche Ausführungen auf den S. 81 f. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch von § 823 Abs. 1 BGB geschützt wird, können Betroffene, die von recherchierenden Journalisten in nachstellender Weise belästigt werden, auch mittels des allgemeinen quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs gegen die Pressevertreter vorgehen. Bezüglich der ausführlichen Begründung, weshalb typische Nachstellungshandlungen, wie sie von § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG und § 238 Abs. 1 StGB erfasst werden, was vorangehend für die vorliegenden Fallbeispiele positiv festgestellt werden konnte, auch den Tatbestand § 823 Abs. 1 BGB erfüllen, wird auf Kapitel 3 dieser Arbeit verwiesen. 2. Rechtfertigung wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen Zwar konnte festgestellt werden, dass Journalisten im Allgemeinen und in den Fallbeispielen durch ihre Recherche das allgemeine Persönlichkeitsrecht der im Fokus der Nachforschungen stehenden Person verletzen können, jedoch müsste diese Verletzung auch rechtswidrig gewesen sein. Denn allein die Rechtsgutsverletzung löst noch keine Ansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB aus. Auch im allgemeinen Zivilrecht ist bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen anerkannt.152 Wie bereits gezeigt wurde, können Pressevertreter für sich diesen in Anspruch nehmen, wenn sie in Ausführung ihrer Recherchen Persönlichkeitsrechte verletzen.153 Vorliegend wird auf die ausführliche Behandlung der Entscheidungen und der Quellen des Schrifttums auf S. 158 ff. verwiesen. Weiter widerspräche es Sinn und Zweck des Gewaltschutzgesetzes, wenn ein Nachstellen, das nach § 1 Abs. 2 Satz 3 GewSchG gerechtfertigt ist, dennoch Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB auslösen würde. Die vorgestellten und zitierten Urteile beschäftigten sich denn teils auch mit allgemeinen Unterlassungsansprüchen nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB.154

152

BeckOK-BGB-Spindler, § 823 Rdn. 12. LG Essen Urteil vom 12.1.1996 – 2 O 480/05; OLG Hamburg AfP 1992, 279; OLG Hamburg AfP 2000, 188 (188 f.); OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2003, 37; OLG Koblenz Urteil vom 25.3.2008 – 4 U 1292/07. 154 OLG Hamburg AfP 2000, 188. 153

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3. Zwischenergebnis Folglich können sich Journalisten auch im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch nachstellende Recherchen auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen. In den untersuchten Fallbeispielen können sich die Pressevertreter P, J und R bei Unterlassungsansprüchen aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen rechtfertigen. Bezüglich der Abwägung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Beispielpersonen M, O und der Hinterbliebenen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Die gleiche Abwägung wird auch bei der Prüfung der Wahrnehmung berechtigter Interessen bei § 823 Abs. 1 BGB durchgeführt.

VI. Ergebnis Es ist klar geworden, dass das Gewaltschutzgesetz die zulässige journalistische Recherche im Regelfall nicht behindern wird, da es die Möglichkeit gibt, Journalisten, die in Ausübung ihrer Pressefreiheit tätig werden und dadurch andere in nachstellender Weise belästigen, wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG zu rechtfertigen. Gleiches gilt für Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog. Da der Strafnorm des § 238 Abs. 1 StGB eine solche Rechtfertigungsmöglichkeit fehlt, muss die Bedeutung der Pressefreiheit schon bei der Auslegung des Tatbestandes bei Handeln eines Pressevertreters in Ausübung seines Berufes verstärkt gewürdigt werden, um sie nicht mittels der neuen Anti-Stalking-Norm zu verhindern. Es konnte aufgezeigt werden, dass sich für eine restriktive Auslegung der Norm besonders das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ eignet. Der Gesetzgeber möchte ein journalistisches Handeln auch schon nicht als „beharrlich“ im Sinn des § 238 StGB ansehen. Angesichts der enormen Bedeutung der Pressefreiheit und der Notwendigkeit einer freien Presse ist ein Anknüpfen an beiden Tatbestandsmerkmalen notwendig um § 238 StGB nicht zu einer Fessel für den investigativen Journalismus werden zu lassen. Insoweit wird auch die Judikatur gefragt sein, eine entsprechende restriktive Auslegung des Tatbestandes unter besonderer Berücksichtigung des Art. 5 Abs. 1 GG zügig und vor allem klar zu entwickeln.

Kapitel 5

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 1.

§ 1 GewSchG ist, entgegen der herrschenden Einordnung nicht Verfahrensvorschrift, sondern eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage. Daher ist ein Rückgriff auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog nicht notwendig.

2.

In § 1 Abs. 2 GewSchG wurde ein Teilbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesetzlich geregelt.

3.

§ 1 Abs. 2 Nr. 2 GewSchG ist entgegen der Ansicht von Reinken nicht lex specialis für Unterlassungsansprüche wegen Stalkings. Der allgemeine Anspruch mit dem Ziel des Unterlassens aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog ist neben dem Gewaltschutzgesetz anwendbar.

4.

§ 238 StGB ist ein Schutzgesetz im Sinn des § 823 Abs. 2 BGB.

5.

Damit besteht für Opfer von Nachstellungen gegen den Stalker neben den Unterlassungsansprüchen aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG und §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog ein weiterer Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB.

6.

Die vom Gesetzgeber gezogene Parallele zwischen der Nachstellung nach § 238 Abs. 1 StGB und der Jagdwilderei nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nur begrenzt gelungen.

7.

§ 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB („räumliche Nähe aufsuchen“) erfasst jegliche Präsenz des Täters im Nahbereich des Opfers, die vom Täter zielgerichtet hergestellt wird.

8.

Beharrlich im Sinn des § 238 Abs. 1 StGB handelt ein Stalker, der seinem Opfer nicht nur wiederholt nachstellt, sondern besonders hartnäckig, kontinuierlich und mit gesteigerter Gleichgültigkeit gegenüber dem entgegenstehenden Opferwillen handelt.

9.

Beharrlich im Sinn des § 238 Abs. 1 StGB ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung Probleme bereiten wird. Exemplarisch genannt sei die Entscheidung des LG Lübeck vom 14. 2. 2008, die bei zwei Nachstellungshandlungen innerhalb von einem halben Jahr von Beharrlichkeit beim Täter ausgeht. Sie ist als verfehlt anzusehen.

10. Das Tatbestandsmerkmal der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers“ in § 238 Abs. 1 StGB stellt eine sehr hohe Hürde für die Strafbarkeit von Stalking dar.

Kap. 5: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

167

11. Im Regelfall verhindern eigene, weniger gravierende Abhilfemaßnahmen des Opfers die schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung. So genanntes weiches Stalking wird nur in extremen Fällen von § 238 Abs. 1 StGB erfasst. 12. Über das Merkmal „unbefugt“ wird sozialadäquates Verhalten der Strafbarkeit nach § 238 Abs. 1 StGB entzogen. 13. Mit Mitsch ist davon auszugehen, dass „unbefugt“ bei § 238 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB ein Tatbestandsmerkmal ist. Bei § 238 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB ist „unbefugt“ jedoch als Hinweis auf Rechtfertigungsgründe anzusehen. 14. Das nach § 238 Abs. 1 Nr. 1 StGB tatbestandliche Suchen der räumlichen Nähe des Stalking-Opfers erfüllt auch den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 lit. b GewSchG. 15. Bei Gesundheitsschädigungen infolge von Stalkings kann die Anspruchsgrundlage des §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog wegen Verletzung der Gesundheit herangezogen werden, um das Unterlassen künftigen Nachstellens zu fordern. 16. Der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in § 823 Abs. 1 BGB umfasst auch den Schutz vor Nachstellungen. Es bietet sich die Ergänzung der Fallgruppen um die des „Schutzes gegen Belästigungen und Aufdrängens“ an. Diese Fallgruppe wird regelmäßig betroffen sein, wenn das Nachstellen als tatbestandlich im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b GewSchG oder § 238 Abs. 1 Nr. 1 – 5 StGB zu qualifizieren ist. 17. Unbemerkte, unbefugte Standortdatenabfragen von Mobiltelefonen oder Ortungen per GPS-Technologie werden tatbestandlich mangels intendierten Versuchs der Kontaktaufnahme von § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfasst. 18. In Bezug auf die Verfolgung durch Fern- oder Telekommunikationsmitteleinsatz ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG weiter gefasst als § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB. 19. Sowohl unbefugte Handyortungen als auch das Publizieren belästigender Inhalte im Internet werden von § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Var. 2 GewSchG erfasst. 20. Mit § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird die Variante des Stalkings pönalisiert, in der der Stalker durch Angabe von persönlichen Daten des Opfers Dritte veranlasst, mit diesem in Kontakt zu treten. Bezüglich der Definition des Begriffs der personenbezogenen Daten bietet sich eine Orientierung an § 3 Abs. 1 BDSG an. 21. Entgegen der Ansicht von Mosbacher werden auch falsche Traueranzeigen oder Hochzeitsankündigungen von § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst, da auch durch diese Art von „falschen“ Anzeigen Dritte veranlasst werden, mit dem Stalking-Opfer in Kontakt zu treten. 22. Lässt der Stalker dem Opfer Geschenke über Dritte zukommen, verwirklicht er nicht § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Die Angabe des Opfernamens und dessen Adres-

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Kap. 5: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

se als Sendungsempfänger stellt keine missbräuchliche Verwendung von personenbezogenen Daten dar. Insoweit besteht eine Reglungslücke. 23. Mit Neubacher und Seher ist davon auszugehen, dass das Abbestellen von erwünschten Waren und Dienstleistungen nicht von § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst wird. Der Wortlaut geht von der Bestellung unerwünschter Waren oder Dienstleistungen aus. 24. Eine offenere Formulierung des § 238 Abs. 1 Nr. 3 StGB, wie „unter missbräuchlicher Verwendung von dessen persönlichen Daten Rechtsgeschäfte für es tätigt oder sonstige Willenserklärungen abgibt“ hätte Regelungslücken vermieden. 25. Die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter Angabe der personenbezogenen Daten des Opfers ist auch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG unzumutbares Nachstellen. Auch das unerwünschte Erbringen von Geschenken durch Direktlieferung an das Opfer kann als tatbestandliches Nachstellen qualifiziert werden. 26. Die Bestellung von Waren oder Dienstleistung unter missbräuchlicher Verwendung des Opfernamens ist als Namensverletzung nach § 12 BGB zu qualifizieren. Dem Opfer stehen somit bei Wiederholungsgefahr auch Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche aus § 12 Satz 1 beziehungsweise 2 BGB zu. 27. Die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen unter Angabe der personenbezogenen Daten des Opfers ist als Betrug zu Lasten des angewiesenen Unternehmers anzusehen und erfüllt § 263 Abs. 1 StGB. Hieraus erwächst dem Opfer aus zivilrechtlicher Sicht aber kein Unterlassungsanspruch, da das Schutzgesetz des § 263 Abs. 1 StGB hier nicht zu seinen Lasten verwirklicht ist. 28. Die Freiheitsbegriffe in § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB und §§ 240,241 StGB unterscheiden sich nicht. Im Vergleich zu §§ 240, 241 StGB bleibt der Bedrohungsschutz des § 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB zurück, da die Bedrohung auch beharrlich sein muss und das Opfer in der Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigen muss. 29. A majore ad minus ist davon auszugehen dass auch die Bedrohung des Rechtsguts Leben den Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG eröffnet. Auch die nachstellende Bedrohung wird umfassend von § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG erfasst. 30. Der Bedrohungsschutz nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG beschränkt sich auf ein Zweipersonenverhältnis. Die von der bisherigen Literatur empfohlene Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG, unter Zuhilfenahme eines Rückgriffs auf die §§ 240, 241 StGB, muss sich auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bedrohen“ beschränken, um den Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1 GewSchG nicht über Gebühr auszudehnen.

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31. In § 238 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 und Nr. 3 Var. 2 StGB wurde ein Fall der mittelbaren Täterschaft geregelt. Da § 238 StGB nicht als eigenhändiges Delikt oder Sonderdelikt ausgestaltet wurde, überzeugt die Regelung im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs aus dogmatischer Sicht nicht und ist systemwidrig. 32. Mit der überwiegenden Meinung ist davon auszugehen, dass § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig ist. 33. Investigative Recherchebemühungen von Journalisten sind dann nicht tatbestandlich im Sinn des § 238 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB, wenn bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale in besonderem Maße die Pressefreiheit berücksichtigt wird. Ansonsten würde eine Pönalisierung investigativer Journalisten mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kollidieren. 34. Entgegen der Ansicht des Gesetzgebers bietet das Tatbestandsmerkmal „beharrlich“ in § 238 Abs. 1 StGB keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für den Ausschluss einer Strafbarkeit von journalistischen Recherchen, sondern das der „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers.“ Dieses Merkmal bietet einen dogmatisch begründbaren Raum für Wertungen und Abwägungen. So müssen die üblichen Lebensumstände des jeweiligen Opfers, die bei Prominenten vom normalen Usus abweichen werden, in die Auslegung miteinbezogen werden. 35. Der herrschenden Meinung zustimmend, ist davon auszugehen, dass Grundrechte nicht per se als Rechtfertigungsgründe im Strafrecht angenommen werden können. So kann auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht journalistische Recherchen rechtfertigen. In unerträglichen Fällen, in denen eine Bestrafung eines investigativen Journalisten aber mit dem Grundwert der Verfassung in Form des Grundrechts der Pressefreiheit kollidiert, muss eine Rechtfertigung aber möglich sein. 36. Die anerkannten Fallgruppen der Wahrnehmung berechtigter Interessen in § 1 Abs. 2 Satz 2 GewSchG muss um die der „journalistischen Recherchen“ ergänzt werden.

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Sachverzeichnis Actio quasi negatoria 26, 38 Allgemeiner Rechtfertigungsgrund 132 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 30, 64, 81 Auffangtatbestand 117 Bedrohung 99 f., 102 Beharrlich 50, 112, 143 Beispielsachverhalte 128 Belästigung gegen den ausdrücklichen Willen 61 Beleidigung 84 Bestimmtheit 41, 118 Betrug 93, 95 Caroline 149 Cyberstalking 74, 83 Dritte

104, 106

E-Mail 75, 78, 81 Erbringen von Geschenken

90

Falsche Anzeige 80, 87 Fernkommunikationsmittel

75, 78

Gesundheitsverletzung Handy-Ortung

Investigativer Journalismus, Definition 126 Jagdwilderei 46 Journalistische Recherche

Lex specialis

35

Nachstellen 49, 61, 66, 86, 88, 99, 114, 117, 121 Namensrecht 91 Nötigung 69, 82 Öffentliche Aufgabe der Presse Paparazzi 127 Pressefreiheit 136, 142, 158 Publizieren belästigender Inhalte

131

79

Räumliche Nähe aufsuchen 49, 61, 68 Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 92 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 92 Rechtfertigung der journalistischen Tätigkeit 132 Rechtsfolgen Gewaltschutzgesetz 37 Rechtsnatur des § 1 GewSchG 27

63, 73, 81, 83, 97

76

Kommunikationsmittel

Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage 27 f., 29, 33 f. Mittelbare Täterschaft 107, 114 – Beharrlich 112

78

Schutz gegen Belästigungen und Aufdrängen 66 Schutzgesetz 38 Schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung 52, 145 SMS 75, 78, 81 Stalking, Definition 45

127, 154, 163 Telefonterror 74, 78 f. Telekommunikationsmittel Unbefugt

58, 100

75, 78

178 Verfolgen 49, 61, 66, 69 Vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit 62

Sachverzeichnis Wahrnehmung berechtigter Interessen 134, 156, 164 Warensendungen 86, 89

62,