Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität [1 ed.] 9783428581306, 9783428181308

Die Untersuchung behandelt eine Reihe von Fragen, die nicht zuletzt durch den sog. Dieselskandal ins Zentrum kapitalmark

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Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität [1 ed.]
 9783428581306, 9783428181308

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Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen Abteilung B: Rechtswissenschaft Herausgegeben von Peter O. Mülbert, Uwe H. Schneider und Dirk A. Verse

Band 218

Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität Von

Christoph Breuer

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTOPH BREUER

Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität

Un t e r s u c h u n g e n ü b e r d a s Spar-, Giro- und Kreditwes en Abteilung B: Rechtswissenschaft Schriften des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Herausgegeben von

Prof. Dr. Peter O. Mülbert, Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider, Prof. Dr. Dirk A. Verse

Band 218

Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität Von

Christoph Breuer

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7352 ISBN 978-3-428-18130-8 (Print) ISBN 978-3-428-58130-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Isabel

Geleitwort Die vorliegende Arbeit von Christoph Breuer befasst sich mit einem Fragenkreis, der in den letzten Jahren – insbesondere am Beispiel der Dieselaffäre – hierzulande so intensiv diskutiert worden ist wie wohl kein zweites Thema des Kapitalmarktrechts. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen es sich eine börsennotierte Gesellschaft im Rahmen der Erfüllung ihrer Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 MAR und im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung bei Verstößen gegen diese Pflicht (§ 97 WpHG) zurechnen lassen muss, dass einzelne Organwalter oder Mitarbeiter des Unternehmens veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen kannten oder kennen mussten. Konkret am Beispiel der Dieselaffäre: Muss sich eine Automobilherstellerin das Wissen der Mitarbeiter ihrer Entwicklungsabteilung zurechnen lassen, die von Anfang an von der Manipulation der Abgaswerte Kenntnis hatten? Oder kommt es nur auf die Kenntnis – oder das Kennenmüssen – der für die Erfüllung der Ad-hoc-Mitteilungspflicht zuständigen Stelle an, also des Vorstands oder eines mit der Erfüllung der Pflicht betrauten Adhoc-Komitees? Muss sich die Gesellschaft immerhin dann als wissend behandeln lassen, wenn eine Insiderinformation zwar innerhalb des Unternehmens vorhanden war, aber aufgrund mangelnder organisatorischer Vorkehrungen nicht an die zuständige Stelle gelangt ist? Wenn ja, gilt dies nur innerhalb der börsennotierten Gesellschaft selbst oder konzernweit? Und wie ist der Umstand zu würdigen, dass die Wissensträger sich selbst einer Pflichtverletzung bezichtigen würden, wenn sie die Information an die zuständige Stelle weitergäben? Wer eine Antwort auf diese schwierigen Fragen sucht, darf sich auf eine ebenso gedankenreiche wie innovative und meinungsfreudige Lektüre freuen. Der Verfasser präsentiert mit wohlabgewogener, eigenständiger Argumentation ein schlüssiges Zurechnungssystem, das geeignet erscheint, die weitere Diskussion erheblich zu befruchten und zu beeinflussen. Heidelberg, im September 2020

Prof. Dr. Dirk A. Verse

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Juni 2020 berücksichtigt werden. Herzlich danken möchte ich zunächst meinem verehrten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dirk A. Verse, M. Jur. (Oxford), der die Bearbeitung des Dissertationsthemas nicht nur angeregt, sondern auch bis zum Schluss mit voller Unterstützung begleitet hat. Auf die ebenso lehrreiche wie schöne Doktorandenzeit, die ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl in Mainz sowie zuletzt Heidelberg verbringen durfte, werde ich stets mit besten Gefühlen zurückblicken. Mein Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Alfred Bergmann, Vors. RiBGH a. D., für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und die wertvollen Anregungen für die finale Druckfassung. Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider und Herrn Professor Dr. Peter O. Mülbert bin ich für die schnelle Zustimmung zur Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe verbunden. Für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses danke ich zudem der Stiftung für die Wissenschaft der Sparkassen-Finanzgruppe. Großer Dank gilt schließlich auch meinen (ehemaligen) Mainzer und Heidel­ berger Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrer Sachkunde, Hilfs- und Diskussionsbereitschaft sowie ihrem Humor einen ganz erheblichen Teil dazu beigetragen haben, dass ich die Zeit, in der diese Arbeit entstanden ist, stets in bester Erinnerung halten werde. Mainz, im September 2020

Christoph Breuer

Inhaltsübersicht § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Konkretisierung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . 24 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Der unionsrechtliche Zurechnungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis . . . . . . . . . 39 D. Erkennbarkeit der Qualität als  Insiderinformation  und  objektiver Maßstab des „indi­viduellen“ Wissenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 E. Die Organisationspflicht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 § 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 128 § 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Abgrenzung des Merkmals der Unverzüglichkeit vom Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Das unionsrechtliche Regime ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 D. Doppelmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 § 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A. Ausgangspunkt und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 B. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Entwicklung der eigenen Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

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Inhaltsübersicht

§ 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 B. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Konkretisierung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . 24 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I.

Kenntnis nicht notwendige Bedingung der Pflichtentstehung oder Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

II. Kennenmüssen als Mindestvoraussetzung der Pflichtverletzung . . . . . . . . . 31 III. Kenntnis als hinreichende Bedingung der Pflichtentstehung . . . . . . . . . . . . 34 IV. Fazit: Nebeneinander von Organisationspflichten und der Zurechnung subjektiver Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Der unionsrechtliche Zurechnungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis . . . . . . . . . 39 I.

Keine Begrenzung auf Organwalter und andere Führungskräfte . . . . . . . . . 40

II. Die Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung . . . . . . . . . . . . 44 1. Die Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente . . . . 44 2. Die Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung subjektiver und objektiver Beiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Zurechnung subjektiver Elemente seitens nur „mittelbar“ zuständiger Gehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 4. Keine ausschließlich normbezogenen Zurechnungsgrundsätze . . . . . . . . 54 5. Kein Entgegenstehen des Art. 9 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Übertragung auf Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Mitglieder des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Maßgeblichkeit jedes einzelnen Vorstandsmitglieds bei Gesamt­ geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

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Inhaltsverzeichnis c) Verbleibende Relevanz bei Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Delegationsfähigkeit der Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Verbleibende Relevanz bei horizontaler Delegation . . . . . . . . . . 64 cc) Verbleibende Relevanz bei vertikaler Delegation . . . . . . . . . . . . 67 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Mitglieder eines Ad-hoc-Publizitätsgremiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Sonstige nachgeordnete Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 5. Mitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 6. „Regelinsider“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 7. Ad-hoc-Dienstleister und andere Dritte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 VI. Parallelen im anglo-amerikanischen Rechtsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Das britische und englische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Das U. S.-amerikanische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 D. Erkennbarkeit der Qualität als Insiderinformation und objektiver Maßstab des „individuellen“ Wissenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 E. Die Organisationspflicht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

II. Echte Pflicht, nicht nur Obliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Bedeutung neben allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Organisationspflichten 87 IV. Voraussetzungen ordnungsgemäßer Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 § 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I.

Bedeutung des Unionsrechts für die Pflichtverletzung nach § 97 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

II. Keine Bedeutung des Unionsrechts für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Keine Eindeutigkeit der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Keine Übertragbarkeit von „Courage“, „Manfredi“ und „Muñoz“ . . 96 c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I.

Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Inhaltsverzeichnis

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II. Vom traditionellen Verständnis hin zur Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 III. Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Echte Organisationspflicht oder zurechenbare „Individualpflicht“? . . . . 104 3. Geltungsbereich des Zurechnungskonzepts außerhalb rechtsgeschäft­ licher Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IV. Folgen für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Folgen bei unterstellter Anwendbarkeit der Zurechnungsregeln . . . . . . . 112 2. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Kein Entgegenstehen der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Aber: Bedenken gegen Begründung und Ergebnis der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Keine Legitimation aufgrund der zugunsten der Wissenszurechnung vorgebrachten Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Keine wertungsmäßige Gleichheit von Wissen und Wissenmüssen 119 bb) Gleichstellungsargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Verkehrs- und Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 dd) Angemessene Risikoverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 d) Probleme im Zeitalter von „Big Data“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 e) Keine tauglichen Kompromisse zwischen den Grundsätzen der Wissens­ organisation und herkömmlichen Verschuldensgrundsätzen . . . . . . . 127 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 128 I.

Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

II. Das Erfordernis der Analogiebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Die Voraussetzungen der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 IV. Die Wertung des § 278 BGB und ihre Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 V. Kein Entgegenstehen der §§ 31, 831 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Historie und heutige Bedeutung des § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Die Unterscheidung nach dem Pflichtadressaten als Kriterium für die Anwendbarkeit der §§ 31, 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Stützende Argumente aus der Diskussion um die deliktische Außenhaftung von Organwaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 VI. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VII. Anwendung auf § 97 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

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Inhaltsverzeichnis

§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A. Abgrenzung des Merkmals der Unverzüglichkeit vom Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Das unionsrechtliche Regime ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I.

Meinungsbild zur gesellschaftsübergreifenden Informationspflicht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

II. Relevanz des Meinungsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Art. 17 Abs. 1 MAR als geeignete Herleitungsbasis eines speziellen Auskunftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Unionsweite Harmonisierung und Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizität . 161 4. Sachfremdheit nationaler Regeln des Gesellschafts- und Konzernrechts zur Bestimmung des Pflichtumfangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5. Mit der Anwendung nationaler Vorschriften verbundene Probleme . . . . 164 a) Nachteil und Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Auswirkungen auf den allgemeinen Informationsfluss im Konzern . 166 6. Gleichlauf der Ad-hoc-Publizität und der Regelpublizität . . . . . . . . . . . 168 7. Keine dem Auskunftsrecht entgegenstehenden Vorschriften . . . . . . . . . . 168 a) Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleiter der anderen Gesellschaft 170 c) Art. 17 Abs. 4 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 IV. (Organisations-)Pflichten verbundener Gesellschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . 173 V. Keine rechtsträgerübergreifende Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I.

Veröffentlichungspflicht der Emittenten nach den allgemeinen Regeln . . . . 178

II. Keine Besonderheiten für ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 D. Doppelmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I.

Verschwiegenheitspflichten als Zurechnungsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

II. Kompetenzrechtliche Informationshindernisse als weitere Zurechnungssperre 184 III. Einschränkung bei Doppelmandaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Inhaltsverzeichnis

17

§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A. Ausgangspunkt und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 B. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C. Entwicklung der eigenen Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 I.

Maßgeblichkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRCh und deren Anwendbarkeit auf juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

II. Der Umfang der Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Der EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Der EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Das BVerfG und der BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 III. Übertragung auf die Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer fremden Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person 206 2. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person 206 a) Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 EMRK . . . . . . . . 207 b) Kein vom Regelfall abweichendes Abwägungsergebnis wegen Besonderheiten der Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu öffentlicher Selbstbezichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu „unaufgeforderter“ Selbstbezichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen oder fremden Tat aufgrund der Zurechnung seitens des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Ausgangspunkt und Unterschiede zur Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen vom Emittenten nur abgeleiteter Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Kein abweichendes Abwägungsergebnis auf Grundlage des „Opferrollen“-Gedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4. Bebußung nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG (i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 § 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 B. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I.

„Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

18

Inhaltsverzeichnis II. Der Kreis zurechnungsrelevanter Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 III. Die Organisationspflicht des Art. 17 Abs. 1 MAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV. Die Zurechnung im Rahmen der Verschuldenshaftung nach § 97 WpHG . . 223 V. Ad-hoc-Publizität im Unternehmensverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 VI. Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft / Amtsgericht AktG Aktiengesetz allg. allgemein allg.M. allgemeine Meinung Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage ausf. ausführlich BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BB Betriebs-Berater BCLR Boston College Law Review Bd. Band BeckOGK Beck-Online.Großkommentar Beck’scher Online-Kommentar BeckOK BeckRS Beck Online Rechtsprechung Begr. Begründer / Begründung Bürgerliches Gesetzbuch BGB BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ BKartA Bundeskartellamt BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise ca. circa Columbia Business Law Review CBLR CCZ Corporate Compliance Zeitschrift DAV Deutscher Anwaltverein Der Betrieb DB DCGK Deutscher Corporate Governance Kodex ders. derselbe

20

Abkürzungsverzeichnis

dies. dieselbe / dieselben DStR Deutsches Steuerrecht Einschr. Einschränkung(en) einschr. einschränkend EL Ergänzungslieferung engl. englisch ErwG Erwägungsgrund ESMA European Securities and Markets Authority EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EU-GRCh Charta der Grundrechte der Europäischen Union f. / ff. folgende Fn. Fußnote FS Festschrift GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. gemäß GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung grds. grundsätzlich Großkomm. Großkommentar GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht HdB. Handbuch Herv. d. Verf. Hervorhebung des Verfassers HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber i. d. F. in der Fassung i. d. R. in der Regel i. E. im Ergebnis insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung i. R. d. im Rahmen des / der i. S. d. im Sinn des / der i. V. m. in Verbindung mit jew. jeweils JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht / Kommanditgesellschaft KK Kölner Kommentar KWG Kreditwesengesetz LG Landgericht lit. litera LQR Law Quarterly Review

Abkürzungsverzeichnis

21

MAR Marktmissbrauchsverordnung mglw. möglicherweise Richtlinie über Märkte und Finanzinstrumente MiFID MünchAnwHdb. ArbR Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht Münchener Handbuch Aktiengesellschaft MünchHdb. AG MünchKomm. Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen m. w. N. mit zahlreichen Nachweisen m. z. N. nachfolgend(e / er / es / en) nachf. Nachweis / Nachweise(n) Nachw. neue Fassung n. F. Neue Juristische Wochenschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report NJW-RR Nr. Nummer New York University Journal of Law and Business NYU JLB Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZG OLG Oberlandesgericht Ohio State Law Journal OSLJ RegE Regierungsentwurf RL Richtlinie Rn. Randnummer Satz / Sätze / Seite(n) S. Securities and Exchange Commission SEC Seton Hall Law Review SHLR sogenannt(e / en / er / es) sog. StGB Strafgesetzbuch und andere / unter anderem u. a. UAbs. Unterabsatz Urt. Urteil U. S. United States United States of America USA Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG von / vom v. vgl. vergleiche Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschafts­ VGR recht VO Verordnung Vol. Volume Verbraucher und Recht VuR WM Wertpapier-Mitteilungen WpHG Wertpapierhandelsgesetz WpPG Wertpapierprospektgesetz Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV zum Beispiel z. B. Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZBB Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEuP Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZfPW Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR

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Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZHR Ziff. Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP zit. zitiert zum Teil z. T. zutr. zutreffend

§ 1 Einführung A. Problemaufriss Die sogenannte Ad-hoc-Publizitätspflicht der Emittenten von Finanzinstrumenten ist in Deutschland seit vielen Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen. Gerade in jüngerer Zeit sind die Debatten durch die juristische Aufarbeitung spektakulärer Fälle wie die Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen und diverser Compliance-Skandale – allen voran der VW-Dieselskandal – befeuert worden. Sie haben offenbart, dass zu der Frage, wann Emittenten Insiderinformationen öffentlich bekanntgeben müssen, noch immer ganz Grundsätzliches als ungeklärt gelten muss. Das Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung1 am 03. Juli 2016, mit der die Ad-hoc-Publizitätspflicht mit Art. 17 MAR in die Form unmittelbar geltenden Unionsrechts gegossen wurde, hat die Aufregung um die vielfältigen rechtlichen Probleme schließlich perfekt gemacht. Denn während auch unter Geltung des neuen Regelungsregimes die meisten Streitfragen zur Ad-hocPublizitätspflicht unbeantwortet bleiben, zwingt das Unionsrecht nun teilweise sogar zu deren Neubewertung unter erschwerten Bedingungen. Die Unklarheiten beginnen bereits bei der grundlegenden Frage, ob die Entstehung oder Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR von der Kenntnis der bekanntzugebenden Insiderinformation seitens des Emittenten abhängt und, sofern man das bejaht, welche Unternehmensangehörigen dem Emitten­ten dieses Wissen denn vermitteln. Wenig ausgeleuchtet ist daneben die schon im alten Recht nicht abschließend geklärte, aber angesichts der Wirtschaftsrealität nicht zu unterschätzende Frage, ob der Emittent auch Insiderinformationen aus anderen Konzerngesellschaften bekanntgeben muss. Auch sie erscheint seit der Verortung der Pflicht im Verordnungsrecht in neuem Licht. Die Unwägbarkeiten sind schließlich sogar von gesellschaftspolitischer Dimension. Denn gerade mit Blick auf Wirtschaftsskandale der jüngeren Vergangenheit2, die im Zentrum medialer Aufmerksamkeit standen und zum Teil noch stehen, ist noch offen, ob dem Emittenten und seinen Unternehmensangehörigen überhaupt abverlangt werden kann, sich selbst des gesetzeswidrigen Verhaltens zu bezichtigen.

1 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung), ABl. Nr. L 173, S. 1; im Folgenden mit der auch in Deutschland gängigen Form MAR (für Market Abuse Regulation) abgekürzt. 2 Neben dem VW-Dieselskandal etwa die Siemens-Schmiergeldaffäre, das sog. „Schienenkartell“, die Manipulation von Referenzzinssätzen, der Cum-Ex-/Cum-Cum-Steuerbetrug und jüngst der Wirecard-Bilanzskandal.

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§ 1 Einführung

All diese ungelösten Probleme bestehen nicht nur im Bereich der aufsichtsrechtlichen Pflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR, sondern sind zumindest reflexartig auch für die zivilrechtliche Haftung wegen ihrer Verletzung nach dem deutschen § 97 WpHG relevant. Zu der Frage, ob der Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht das Insiderwissen bestimmter Unternehmensangehöriger voraussetzt, kommt dort aber ein ähnlich gelagertes Problem noch hinzu. Weithin ungeklärt ist nämlich auch, wessen Verschulden dem Emittenten nach den für § 97 WpHG maßgeblichen Grundsätzen zuzurechnen ist. Dabei fällt der Blick auch auf die in der Mitte der 1990er-Jahre in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Konzeption einer „Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung“, deren Anwendung auf die Ad-hoc-Publizität eine Reihe von Fragen aufwirft und zu deren Untersuchung die hiesige Arbeit daher erneuten Anlass bietet.

B. Konkretisierung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Im Vordergrund dieser Untersuchung sollen die im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 MAR und § 97 WpHG relevanten Zurechnungsfragen stehen. Eine Schwerpunktsetzung folgt aus diesem Themenzuschnitt insofern, als bei der Ad-hoc-Publizität – wie zu zeigen sein wird3 – zwei Varianten der Pflichtverletzung auseinanderzuhalten sind. Während die eine Variante an das Fehlverhalten individueller Unternehmensangehöriger anknüpft, geht es bei der anderen um die Missachtung der Anforderungen an die „übergeordnete“ (Wissens-)Organisation des Emittenten, also um Mängel der für die Ad-hoc-Publizität erforderlichen betriebsinternen Informationsstrukturen. Die Unterscheidung bedeutet damit letztlich nichts anderes als die zwischen Individualversagen einerseits und Organisationsversagen andererseits4. Schwierige Zurechnungsfragen stellen sich in erster Linie bei der ersten Variante. Zwar wird auch der Umfang der Organisationspflichten des Emittenten konturiert werden müssen, weil sich erst in der Zusammenschau beider Aspekte ein vollständiges Bild der Ad-hoc-Publizität ergeben kann. Mehr als Mindeststandards ordnungsgemäßer Informationsorganisation lassen sich aber ohnehin kaum ausmachen. Die darüber hinausgehende Frage der zweckmäßigen Wissensorganisation soll hier jedenfalls nicht beleuchtet werden; zu dieser Frage existiert ausführliche Literatur, der die Einzelheiten zur praktischen Umsetzung entnommen 3

§ 2 A. Diese Unterscheidung ist zwar bei Licht betrachtet nicht präzise, weil auch ein Organisationsversagen genau genommen als Individualversagen der für die Organisation zuständigen Unternehmensangehörigen anzusehen ist. Der berechtigte Kern der Unterscheidung liegt aber darin, dass beim Individualversagen die Frage im Vordergrund steht, wessen (Fehl-)Verhalten der juristischen Person zugerechnet werden kann, während die Feststellung eines Organisationsmangels dessen Zurechnung in aller Regel bereits impliziert und es insofern in erster Linie um die Bestimmung des (Organisations-)Pflichtenumfangs geht. Siehe dazu auch noch unten § 2 E. I. 4

C. Gang der Untersuchung

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werden können5. Besondere Probleme der Organisationspflicht ergeben sich indes mit Blick auf Konzernsachverhalte. Diesen muss näher nachgegangen werden, was in dieser Untersuchung an gesonderter Stelle geschehen soll6. Nicht Gegenstand der Untersuchung ist eine Reihe weiterer Problemfelder, die für die Ad-hoc-Publizitätspflicht maßgeblich sind. Dies gilt vor allem für den komplexen Begriff der Insiderinformation nach Art. 7 MAR7. Die hier interessierenden Fragen werden vielmehr unter der Prämisse untersucht, dass eine Information mit entsprechender Qualität vorliegt. Darüber hinaus soll auch das Erfordernis des unmittelbaren Emittentenbezugs der Information8 sowie die Möglichkeit der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR9 hier nur behandelt werden, soweit dies für die Herausarbeitung des relevanten Personenkreises oder des erforder­ lichen Organisationsumfangs von Bedeutung ist. Keine Beachtung wird ferner die Haftung des Emittenten wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen nach § 98 WpHG finden. Vielfach werden die hier gefundenen Ergebnisse aber Rückschlüsse auch auf diese Vorschrift zulassen.

C. Gang der Untersuchung Zur groben Orientierung lässt sich diese Arbeit in drei große Teile gliedern. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der unionsrechtlichen Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 MAR, also mit der Norm, aus der die aufsichtsrechtliche Ad-hoc-Publizitätspflicht folgt (§ 2). Die eingangs angedeuteten Fragen sind dort aus unionsrechtlicher Sicht zu beantworten. Im zweiten Teil geht es um die zivilrechtliche Haftung des Emittenten wegen unterlassener Ad-hoc-Veröffentlichung nach dem deutschen § 97 WpHG (§ 3). Zwar setzt diese Haftung nach § 97 Abs. 1 WpHG einen Verstoß gegen Art. 17 MAR nach den für diesen geltenden Maßstäben voraus, so dass sich in dieser Hinsicht richtigerweise keine neuen Fragen stellen. § 97 WpHG gibt aber Anlass, die relevanten Zurechnungsfragen auch nach deutschem Recht zu be 5

Ausf. dazu etwa Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 274 ff., 345 ff.; Gutzy / Märzheuser, Praxishandbuch Ad-hoc-Publizität, S. 167 ff.; Naumann / Siegel, ZHR 181 (2017), 273, 288 ff.; Racky / Fehn-Claus, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn. 48 ff.; zur konzernweiten Kommunikation ferner Bruns, in: Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 107, 110 ff. 6 § 4. 7 Ausf. zum Begriff der Insiderinformation nach Art. 7 MAR etwa Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 7 MAR Rn. 6 ff.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 7 Rn. 23 ff.; ders., AG 2016, 423, 426 ff.; Apfelbacher, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2017, Bd. 23, S. 57, 60 ff.; Leyens, ZGR 2020, 256, 259 ff. 8 Eingehend Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 30 ff.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 65 ff.; zudem Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 782 ff. 9 Zur Neuregelung der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2001 (Teil I), 2041 (Teil II); monografisch Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 75 ff.

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§ 1 Einführung

urteilen; Einfallstor dafür ist das Verschuldenserfordernis des § 97 Abs. 2 WpHG. Schließlich widmet sich die Untersuchung besonderen Fragen, die die Ad-hocPublizität aufwirft und die sowohl für Art. 17 Abs. 1 MAR als auch § 97 WpHG Bedeutung haben. Sie betreffen zum einen die konzernrechtliche Dimension der Pflicht, also die Frage, wie Insiderinformationen aus mit dem Emittenten verbundenen Gesellschaften zu behandeln sind (§ 4). Daneben stellt sich nicht zuletzt angesichts großer Wirtschaftsskandale10 aus jüngerer Zeit die Frage, inwieweit unter Berücksichtigung des Rechts, sich nicht selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen zu müssen, auch solche Taten Gegenstand einer Ad-hoc-Mitteilung sein müssen (§ 5).

10

Siehe Fn. 2.

§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR Nach Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 MAR11 geben Emittenten Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, der Öffentlichkeit unverzüglich bekannt. Gemeint ist damit, dass Emittenten eine Rechtspflicht trifft, diese Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen12. Wann eine solche Ad-hoc-Mitteilung spätestens erfolgen muss, hängt damit maßgeblich davon ab, wie das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit zu verstehen ist. Dies ist nicht abschließend geklärt. Einigkeit dürfte angesichts der anderen Sprachfassungen des Art. 17 Abs. 1 MAR zwar darüber bestehen, dass der Emittent eine Insiderinformation bekanntgeben muss, sobald ihm die Veröffentlichung möglich ist13. Anerkannt ist insofern auch, dass dem Emittenten ein einzelfallabhängiger Zeitraum zuzugestehen ist, in dem er die Information auf ihre Eigenschaft als Insiderinformation und bejahendenfalls die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR prüfen kann14. Offen ist aber, ob die vorausgesetzte Möglichkeit der Veröffentlichung bedeutet, dass die Pflichtentstehung oder -verletzung von subjektiven Elementen, insbesondere von Fragen des Wissens, Wissensmüssens und der Wissenszurechnung zum Emittenten abhängt, oder sich solche Zurechnungsfragen mit einer objektiven Auslegung des Tatbestands erübrigen15. 11

Im Folgenden kurz: Art. 17 Abs. 1 MAR. Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 382 f. 13 Andere Sprachfassungen des Art. 17 Abs. 1 MAR formulieren: „as soon as possible“, „dès que possible“, „tan pronto como sea posible“, „quanto prima possibile“. Auch eine inzwischen berichtigte deutsche Sprachfassung sprach von „so bald wie möglich“, siehe ABl. 2016 Nr. L 348, S. 84 f. 14 Siehe nur Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 129 f.; Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 62 f.; zu § 15 Abs. 3 WpHG a. F. etwa Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 335. 15 Die Frage, ob subjektive Elemente – so man ihr Vorliegen verlangt – für die Pflichtentstehung oder nur die Pflichtverletzung erforderlich sind, mag zwar von theoretischem Interesse sein. Im Ergebnis handelt es sich aber eher um ein sprachliches Problem. Denn unstreitig dürfte sein, dass der Emittenten zur unverzüglichen Veröffentlichung bereits mit dem Entstehen der Insiderinformation verpflichtet ist. Von Interesse ist daher genau genommen die Frage des Einflusses subjektiver Elemente nicht auf die Pflichtentstehung, sondern auf die Bemessung der Unverzüglichkeitsfrist und damit auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung. Vereinfacht kann aber durchaus nach der pflichtauslösenden Wirkung subjektiver Elemente gefragt werden: Gemeint ist dann aber die Pflicht, die Information innerhalb des aufgrund der Kenntnis oder des Kennenmüssens möglicherweise verkürzten Zeitraums zu veröffentlichen. Sofern im Folgenden von der pflichtauslösenden Wirkung des Wissens und Wissenmüssens die Rede ist, ist das in diesem Sinn gemeint. Siehe zu dem Problem auch noch unten § 2 A. II. 12

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

I. Kenntnis nicht notwendige Bedingung der Pflichtentstehung oder Pflichtverletzung Zunehmend wird vertreten, die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation setze die Kenntnis des Emittenten von dieser Information voraus16. Auf den ersten Blick spricht für dieses Verständnis zwar, dass dem Emittenten rein tatsächlich die Veröffentlichung nur solcher Informationen möglich ist, die er auch kennt. Andererseits hätte der europäische Gesetzgeber ein Kenntniserfordernis aber ohne Weiteres ausdrücklich in den Wortlaut der Vorschrift aufnehmen können, wenn er die Pflicht von ihm hätte abhängig machen wollen. Er hätte eine unverzügliche Veröffentlichung der dem Emittenten bekannten Insiderinformationen oder eine Veröffentlichung „unverzüglich nach Kenntnisnahme“ verlangen können17. Schon die Wortwahl deutet also darauf hin, dass eine derartige Einschränkung nicht beabsichtigt ist. Zwar wird neuerdings ganz ähnlich in die gegenteilige Richtung argumentiert: Hätte der Gesetzgeber kein Kenntniserfordernis gewollt, sondern auch zur Suche nach noch unbekannten Informationen verpflichten wollen, hätte es nahegelegen, ausdrücklich eine Organisationspflicht anzuordnen18. Gegen dieses Vorbringen spricht aber, dass ein organisationspflichtenbezogener Ansatz bei näherem Hinsehen – anders als ein Kenntniserfordernis – sehr wohl Niederschlag im Wortlaut der Vorschrift findet. Denn von der Möglichkeit zur Veröffentlichung kann und muss schon dann gesprochen werden, wenn die bekanntzugebende Information beschafft werden kann19. Die BaFin und die überwiegende Auffassung im Schrifttum folgen einem solchen Verständnis und gehen zutreffend davon aus, dass das Merkmal der Unverzüglichkeit die Existenz von „Wissensorganisationspflichten“ impliziert20. 16

Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 34, 50; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 385 f.; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 30; ders., AG 2019, 273, 276; zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. schon Ehricke, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 265; Ekkenga, NZG 2013, 1081, 1085; Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 10 Rn. 24; ferner Leyendecker-Langner / Kleinhenz, AG 2015, 72, 76 (Kenntnis des zuständigen Organs) sowie die Volkswagen AG in einer Pressemitteilung vom 02.03.2016, abrufbar unter: https://www.volkswagenag.com/de/news/2016/3/ Volkswagen.html (Kenntnis der für die Erfüllung verantwortlichen Personen); für die Haftung nach § 97 WpHG Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848; nur für § 97 WpHG bzw. § 37b WpHG a. F., nicht auch für Art. 17 MAR bzw. § 15 WpHG a. F. Thomale, Der gespaltente Emittent, S. 50 ff.; ders., AG 2019, 189 ff.; ders., NZG 2018, 1007, 1009. 17 So das Verständnis der Vorschrift bei Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 63; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 30; ders., AG 2019, 273, Nietsch, ZIP 2018, 1421, 1426 f.; wie hier argumentierend Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 78. 18 Koch, AG 2019, 273, 276; ähnlich Thomale, AG 2019, 189, 191. 19 Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 16. Angesichts dessen kann ein ungeschriebenes Kenntniserfordernis also keineswegs als Selbstverständlichkeit angesehen werden, was aber auch nach Koch, AG 2019, 273, 276, Bedingung für dessen Annahme sein soll. 20 BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.4 (S.  42) (etwas deutlicher noch zu § 15 WpHG a. F., Emittentenleitfaden [Stand: 28.04.2009], IV.6.3 [S. 70]); Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 105 ff.; ders., NZG 2017, 1285, 1287 f.; Franke / Schulenburg,

A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR

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Für diese Sichtweise sprechen auch teleologische Erwägungen. Müsste der Emittent nicht auch dafür sorgen, dass potenzielle Insiderinformationen an die für die Veröffentlichung verantwortliche Stelle gelangen, könnten allenfalls „Zufallsfunde“ veröffentlicht werden und der Emittent die Pflichtentstehung durch eigene Nachlässigkeit sogar vermeiden21. Dass die verantwortliche Stelle regelmäßig der Vorstand selbst ist, dem ein nicht unerheblicher Teil der relevanten Informationen ohnehin bekannt sein wird, räumt diese Bedenken nicht aus22. Zum einen verbleiben zahlreiche Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug, von denen der Vorstand nicht unbedingt weiß. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass solche Informationen im Regelfall von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sein sollen. Zum anderen hilft das Argument der weitgehenden Vorstandskenntnis von vornherein nicht weiter, wenn der Vorstand die Aufgabe der Ad-hoc-Publizität – was zulässig ist23 – auf ein nachgeordnetes Ad-hoc-Publizitätsgremium delegiert.

in: Umnuß, Corporate Compliance Checklisten4, Kap. 3 Rn. 90; Habersack, DB 2016, 1551, 1154 f.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 86 ff.; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 16; Leyens, ZGR 2020, 256, 273; Niermann / Venter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 23; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 478; Racky / Fehn-Claus, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn. 60; Schäfer, in: MarschBarner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG4, § 15 Rn. 15.20; Steinrück, Aufschub der Ad-hocPublizität, S. 60; Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 17; vgl. auch Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 150; Klöhn, AG 2016, 423, 430; Kumpan, DB 2016, 2039, 2042 f.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 240; zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. außerdem OLG München v. 15.12.2014  – Kap 3/10, NZG 2015, 399, juris Rn. 510; Assmann / Schneider / Assmann, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 252; Gutzy / Märzheuser, Praxishandbuch Ad-hoc-Publizität, S. 112; KK WpHG / Klöhn2, § 15 Rn. 103 ff.; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 71 ff.; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 330; Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 3. Aufl., § 15 Rn. 28; S. H. Schneider, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 3 Rn. 61; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2032; Schwark / Zimmer / Zimmer / Kruse, 4. Aufl. § 15 WpHG Rn. 50; gegen die Annahme einer der Vorschrift immanenten Organisationspflicht, nicht aber für die Voraussetzung der Kenntnis Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89, der eine solche Pflicht mit dem Argument ablehnt, dass sich der Emittent durch Organisation nie entlasten könne, weil ihm die Veröffentlichung immer schon dann möglich sei, wenn irgendein Unternehmensangehöriger die Insiderinformation kennt. Unabhängig davon, ob man sich einem so weitgehenden Verständnis anschließen will (dagegen sogleich § 2 A. II.), folgt daraus aber noch nicht, dass eine auch präventiv wirkende Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Organisation obsolet würde. 21 Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 16; Leyens, ZGR 2020, 256, 273; vgl. auch Veil / Brügge­ meier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 17. Dieser Einwand greift nur dann nicht, wenn man die Möglichkeit der Veröffentlichung schon bei Kenntnis irgendeines Unternehmensangehörigen annimmt, so Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89; dagegen sogleich unter § 2 A. II. sowie unten § 2 C. II. 22 So aber Koch, AG 2019, 273, 285. 23 § 2 C. IV. 2. c) aa).

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Auch die Möglichkeit der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR spricht nicht für ein Kenntniserfordernis24. Zwar trifft es zu, dass eine Befreiungsentscheidung25 die Kenntnis der Insiderinformation seitens der für die Entscheidung zuständigen Stelle voraussetzt. Weil die Unverzüglichkeitsfrist aber nicht abläuft, bevor die Kenntnisnahme tatsächlich und rechtlich möglich ist, kann nicht davon die Rede sein, dass dem Emittenten die Option der Selbstbefreiung abgeschnitten würde, wenn die Kenntnis nicht Voraussetzung der Veröffentlichungspflicht wäre26. Genau wie die Veröffentlichung selbst ist dem Emittenten die Entscheidung über eine Selbstbefreiung möglich, wenn er dafür sorgt, dass die für die Befreiung jeweils verantwortlichen Personen die Information erhalten. Scheitern muss schließlich auch der Versuch, ein Kenntniserfordernis damit zu begründen, dass Zweck der Ad-hoc-Publizität der Abbau eines Informationsgefälles zwischen Emittent und Anleger sei und ein solches Gefälle bei Unkenntnis des Emittenten fehle27. Richtig ist, dass die Ad-hoc-Publizität Informationsasymme­ trien abbauen soll. Dass sich dieser Abbau aber auf Informationen beschränkt, die der Emittent kennt, und sich nicht – wie es die herrschende Meinung annimmt28 – auch auf solche Informationen bezieht, die der Emittent leichter beschaffen kann als andere Kapitalmarktteilnehmer, ist nicht mehr als eine Behauptung. Ob eine Einschränkung des Art. 17 Abs. 1 MAR auf Fälle der Kenntnis aus rechtspolitischer Sicht erwägenswert ist, soll hier nicht entschieden werden29. Im geltenden Recht sprechen die besseren Argumente aber dafür, die Kenntnis des 24

So Koch, AG 2019, 273, 276, 279 f. Nach inzwischen h. M. tritt eine Selbstbefreiung nicht kraft Gesetzes ein, sondern muss beschlossen werden, BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.3.1.1 (S. 36); P. Koch, in: Veil, European Capital Markets Law2, § 19 Rn. 98; Niermann / Venter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 77 ff.; Fuchs / Pfüller2, § 15 WpHG Rn. 421; Retsch, NZG 2016, 1201, 1205; Seibt / Wollenschläger, AG 2014, 593, 600; Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 133 f.; v. d. Linden, DStR 2016, 1036, 1038; ebenso offenbar ESMA, Final Report Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28. September 2015, ESMA/2015/1455, Nr. 7.3.1., Rn. 239. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 S. 1 MAR („kann auf eigene Verantwortung aufschieben“) sowie des Art. 4 Abs. 1 lit. a) DurchführungsVO (EU) 2016/1055 („Datum und Uhrzeit der Entscheidung“); a. A. Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 91; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 182 ff.; Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 173 ff.; zum Meinungsstand vor Inkrafttreten der MAR Groß, FS U. H. Schneider, S. 385, 386 ff. 26 So aber Koch, AG 2019, 273, 279 f. 27 So jedenfalls zu § 97 WpHG Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848. 28 Siehe nur Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 69; Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 55 ff.; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 39 f. Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 46. 29 Mit Blick auf die soeben angestellten teleologischen Erwägungen müsste der Kenntnis dann aber wenigstens der vorsätzliche Organisationspflichtenverstoß gleichgestellt werden. Zur rechtspolitischen Kritik siehe Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 30 ff.; ders., ZGR 2020, 183, 193 f.; ders., AG 2019, 273, 281 ff.; ausf. Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 80 ff.; zu §§ 97, 98 WpHG auch Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f. 25

A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR

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Emittenten von einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation jedenfalls nicht als notwendige Bedingung der Pflichtentstehung anzusehen.

II. Kennenmüssen als Mindestvoraussetzung der Pflichtverletzung Dass der Emittent gegen seine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nicht nur dann verstoßen kann, wenn er die jeweilige Insiderinformation kennt, entsprach auch unter Geltung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F.30 der ganz herrschenden Meinung. In Anlehnung an die Legaldefinition der Unverzüglichkeit in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB wurde die Pflichtverletzung von einem „schuldhaften Zögern“ des Emittenten abhängig gemacht31, was konsequent dahin konkretisiert wurde, dass das Wissen oder Wissenmüssen des Emittenten von der Insiderinformation erforderlich sei32. Schon nach der damals herrschenden Auffassung implizierte der Tatbestand also die Pflicht oder jedenfalls Obliegenheit33 zur Organisation des betriebsinternen Insiderwissens. Mitunter stieß dieses Verständnis aber schon damals und stößt es noch heute auf Widerstand. Gemeint sind nicht die bereits genannten Stimmen, nach denen erst die Kenntnis der Insiderinformation pflichtbegründend wirken soll. Im Gegenteil wird bisweilen vielmehr betont, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. bzw. Art. 17 Abs. 1 MAR weder ein Wissens- noch ein Verschuldenselement enthalte und daher rein objektiv auszulegen sei34. Zum Teil wird dabei auf den unionsrechtlichen 30 Die Vorschrift wurde durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG, abgedruckt im BGBl. I 2016, 1514) zum 02.07.2016 zugunsten von Art. 17 MAR aufgehoben. 31 OLG München v. 15.12.2014 – Kap 3/10, juris Rn. 510; OLG Stuttgart v. 19.12.2008 – 20 U 17/06, juris Rn. 159; Bafin, Emittentenleitfaden (Stand: 28.04.2009), IV.6.3 (S.  70); Assmann / Schneider / Assmann, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 248; Eichner, Insiderrecht und Adhoc-Publizität, S: 129; Schäfer WpHG / Geibel, § 15 Rn. 53; Glaser, Verbesserungsoptionen, S. 36 f.; Gutzy / Märzheuser, Praxishandbuch Ad-hoc-Publizität, S. 112; Pellens / Fülbier, in: Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 23, 28; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 327; KK WpHG / Klöhn2, § 15 Rn. 103; Rössner / Bolkart, ZIP 2002, 1471, 1475; Sajnovits, WM 2016, 765 f.; S. H.  Schneider, BB 2005, 897, 901; Schwark / Zimmer / Zimmer / Kruse, 4. Aufl., § 15 WpHG Rn. 49; tendenziell auch Dirigo, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität, S. 67 f. 32 Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 20; Sajnovits, WM 2016, 765 f.; vgl. auch KK WpHG / Klöhn2, § 15 Rn. 156; mit der Einschränkung, dass erst grob fahrlässige Unkenntnis schade, Habersack, DB 2016, 1551, 1554 f.; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 328; nach Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848, soll ein schuldhaftes Zögern hingegen nur im Fall der Kenntnis denkbar sein. 33 Zu dieser Frage noch § 2 E. II. 34 Mit Verweis auf ein fehlendes kognitives Element LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1461 f.; Braun, in: Möllers / Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 47; Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 3. Aufl., § 15 Rn. 28; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2032; mit Verweis auf ein fehlendes Verschuldenselement Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 72; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 89; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 114 f.; Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG4, § 15 Rn. 15.28; ferner Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 41 ff. (i. V. m. S. 78); ders., NZG 2018, 1007, 1008 f.; tendenziell Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 781 f.; vgl. außerdem Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Hintergrund35 der Vorschrift verwiesen, der einen Rückgriff auf den im deutschen Recht besetzten Begriff der Unverzüglichkeit verbiete36. Was das objektive Verständnis genau bedeuten soll, wird allerdings nicht immer deutlich. Bisweilen heißt es insofern, bereits das objektive Entstehen der Insiderinformation wirke pflichtauslösend37. Sofern damit gemeint sein soll, dass die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung allein von der Existenz einer veröffentlichungspflichtigen Information abhängt38, ist daran zwar nichts auszusetzen39. Die eigentlich relevante Frage, ob auch für den Ablauf der Unverzüglichkeitsfrist, also für die Pflichtverletzung, keine weiteren Elemente neben einem schlichten Zeitablauf hinzutreten müssen, wäre damit aber nicht beantwortet. Dass das wirklich gemeint ist, dass also auch die Pflichtverletzung unabhängig von der Möglichkeit des Emittenten zur Kenntnisnahme der Information zu beurteilen sein soll, muss bezweifelt werden. Jedenfalls inzwischen lässt sich dagegen schon der Wortlaut der Vorschrift anführen, der die Möglichkeit der Veröffentlichung – in den anderen Sprachfassungen sogar ausdrücklich – voraussetzt40. Davon abgesehen sprechen nicht nur allgemeine Grundsätze dagegen, dem Emittenten Unmögliches abzuverlangen41, sondern auch, dass der Kapitalmarkttransparenz damit nicht besser gedient wäre als mit einer „schnellstmöglichen“ Veröffentlichung. 35

Schon § 15 WpHG a. F. beruhte auf der europäischen Vorgabe des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Richtlinie 2003/6/EG v. 28.01.2003, ABl. Nr. L 96, S. 16). 36 Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 305; Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 781 f.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 72; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 88; Möllers, FS Horn, S. 473 ff.; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 114 f.; Assmann / ​ Schneider / Sethe, 6. Aufl., §§ 37b, 37c WpHG Rn. 105; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 42 f., 76 f.; ders., NZG 2018, 1007, 1008 f.; vgl. auch Hellgardt, in: Assmann / Schneider / ​ Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89. 37 LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1461; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 119; Braun, in: Möllers / Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 47; Engelhardt, Wissensverschulden, S. 120; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 102; Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, 3. Aufl., § 15 Rn. 28; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 376; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2032; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 41 ff., 76 ff.; ferner Nietsch, ZIP 2018, 1421, 1427, der aber gleichzeitig die Unverzüglichkeitsfrist erst mit Kenntnisnahme der Information zu laufen beginnen lassen will; vgl. auch Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89: Pflicht entsteht jedenfalls, sobald irgendein Unternehmensangehöriger Kenntnis hat. 38 So jedenfalls Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 119. 39 Siehe dazu schon die Anm. in Fn. 15. 40 Oben § 2 A. mit Fn. 13. 41 So auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 385, der daraus aber ein Kenntniserfordernis der Ad-hoc-Publizitätspflicht ableiten will. Nietsch, ZIP 2018, 1421, 1427, will diese Pflicht zu Unmöglichem ausdrücklich hinnehmen und erst auf Ebene der Sanktionsnormen „filtern“. Dagegen spricht aber, dass auch Verstöße allein gegen Art. 17 MAR bereits aufsichtsrechtliche Folgen haben können (siehe nur § 6 WpHG). Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 44 f., führt das Bedürfnis nach präventiv wirkenden aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen für eine objektive Bestimmung der Pflicht aus § 15 WpHG a. F. bzw. Art. 17 MAR an. Diese Argumentation greift aber dann nicht, wenn man ein objektiv zu bestimmendes Wissenmüssen genügen lässt, den Emittenten also auch für verpflichtet hält, nach Insiderinformationen zu

A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR

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Wenn daneben die Möglichkeit wissender nachgeordneter Unternehmens­ angehöriger zur betriebsinternen Informationsweitergabe gegen das Erfordernis des Wissens oder Wissenmüssens des Emittenten angeführt wird42, stellt dies die Dinge auf den Kopf. Denn von einer Veröffentlichungsmöglichkeit des Emittenten kann ja überhaupt nur gesprochen werden, wenn ihm die Möglichkeit dieser Unternehmensangehörigen – also deren Wissen oder Wissenmüssen – auch zuzurechnen ist. Für die Herleitung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MAR gibt die Überlegung der Weitergabemöglichkeit jedes Wissensträgers also nichts her. Zuzugestehen ist allerdings, dass das unionsrechtliche Merkmal der Unverzüglichkeit in der Tat nicht mithilfe des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgelegt werden kann. Bei Licht besehen unterscheidet sich ein autonom-unionsrechtliches Verständnis von „unverzüglich“ im Sinn einer objektiven Möglichkeit im Ergebnis allerdings auch nicht von der schon früher herrschenden Auffassung43. Denn auch mit der an § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB angelehnten Auslegung war nicht die individuelle Leistungsfähigkeit der für den Emittenten handelnden Personen44, sondern im Sinn des § 276 Abs. 2 BGB ein objektiver Sorgfaltsmaßstab entscheidend45. Ein pflichtbegründendes Wissenmüssen des Emittenten lag daher nach zutreffender Lesart auch der früher herrschenden Ansicht schon dann vor, wenn die Kenntnisnahme objektiv möglich war46. Damit ist zugleich der Einwand beseitigt, mit der Berücksichtigung des Wissenmüssens würden Fragen des Verschuldens mit dem in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. bzw. Art. 17 Abs. 1 MAR allein geregelten objektiven Pflichteninhalt vermengt47. Zwischen Verschulden im Sinn objektiv sorgsuchen. Der Emittent ist dann zu genau den Maßnahmen verpflichtet, die die BaFin auch im Interesse der Gefahrenabwehr durchsetzen kann. Den Auffassungen von Nietsch und Thomale i. E. ausdrücklich zustimmend aber Engelhardt, Wissensverschulden, S. 120 f. 42 In diese Richtung Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89. 43 Vgl. Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 781 f. („ähnliche Freiräume, wie sie § 121 BGB eröffnet“); Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 72. 44 So die Kritik bei Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 89; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c,  b Rn. 115; in diese Richtung auch schon Hausmaninger, in: Koppensteiner, Öster­ reichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht, Teil 4, S. 342 f. mit Fn. 335 (zur früheren Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Schema C Nr. 5 lit a) RL 79/279/EWG [Richtlinie v. 05.03.1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. Nr. L 66, S. 21]). 45 So zutr. Sajnovits, WM 2016, 765 f. mit Fn. 9; vgl. auch v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, S.  232; Schwark / Zimmer / Zimmer / Steinhaeuser5, Art. 17 MAR Rn. 41; zum objektiven Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB siehe nur MünchKomm. BGB / Grundmann 8, § 276 BGB Rn. 55 f. m. w. N. Dass diese Objektivität im Rahmen des § 276 Abs. 2 BGB durch Berücksichtigung besonderer subjektiver Stärken des Normadressaten im Einzelfall durchbrochen werden kann, dürfte im hier interessierenden Kontext keine Rolle spielen. 46 Sajnovits, WM 2016, 765 f. mit Fn. 9. Siehe dazu auch schon die Begründung des RegE zu § 15 Abs. 1 WpHG nach dem AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 f („schnellstmögliche […] Bekanntgabe“). 47 In diese Richtung Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 89; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 114 f.; ferner Thomale, NZG 2018, 1007, 1008 f.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

faltswidrigen Verhaltens einerseits und objektiver Pflichtwidrigkeit andererseits besteht nämlich im Regelfall kein wesentlicher Unterschied48. Ein Wissen­müssen des Emittenten muss mit anderen Worten nicht als Schuldform eingeordnet werden, sondern kann auch Folge der objektiven Pflicht zur Kenntniserlangung sein49. Auch ohne Anlehnung an das deutsche Recht kann ein Wissenmüssen daher mit der Verletzung der in der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst zum Ausdruck kommenden Pflicht zur Informationssuche begründet werden50. Zumindest im Ergebnis ist es daher auch unter Geltung des neuen Rechts keinen Bedenken ausgesetzt, wenn weiterhin auf ein „schuldhaftes Zögern“ abgestellt wird51. Ein besser als pflichtwidrig – nicht schuldhaft – zu bezeichnendes Zögern des Emittenten ist noch immer dann zu bejahen, wenn dieser nicht alle erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um eine möglichst rasche Veröffentlichung zu ermöglichen. Daraus folgt, dass der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 MAR ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen nach wie vor grundsätzlich auch dann veröffentlichen muss, wenn er sie zwar nicht kennt, aber kennen muss52.

III. Kenntnis als hinreichende Bedingung der Pflichtentstehung53 Ist für die Verletzung der Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR erforderlich, dass der Emittent die zu veröffentlichende Insiderinformation bei Einhaltung gebotener organisatorischer Maßnahmen eine Insiderinformation erkennen kann, muss erst recht seine Kenntnis von dieser Information als ein „Mehr“ gegenüber dem 48

Allg. dazu MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 1 ff., der mit guten Gründen für die grundsätzliche Aufgabe der Unterscheidung von Pflichtverletzung und Verschulden zugunsten der einheitlichen Prüfung eines pflichtwidrigen Verhaltens plädiert. Zur noch verbleibenden Bedeutung einer Verschuldensprüfung MünchKomm. BGB/Wagner 7, § 823 Rn. 51 ff. 49 Dagegen spricht auch nicht, dass es in anderen Zusammenhängen regelmäßig keine Pflicht zur Kenntniserlangung gibt und ein Wissenmüssen in diesen Fällen also weder Ausdruck einer Pflichtwidrigkeit noch eines Verschuldens sein kann; dazu Buck, Wissen und juristische Person, S. 33 ff. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht zeigt vielmehr, dass dies nicht generell zutrifft, was dort auch der h. M. entspricht, siehe hier nur Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 106 f: „Konkretisierung des Pflichteninhalts“. 50 Vgl. auch Maier-Reimer / Seulen, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 30 Rn. 82: „jedenfalls ein rein objektiver Maßstab für die Bestimmung „ohne schuldhaftes Zögern“; ähnlich KK WpHG / Klöhn2, § 15 Rn. 100 i. V. m. 103. 51 So Buck-Heeb, NZG 2016, 1125, 1132 i. V. m. 1131; dies., Kapitalmarktrecht10, Rn. 486; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 105, 116; ders., NZG 2017, 1285, 1288.; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 16; Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 478; Racky / Fehn-Claus, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn. 60; Winter, Der nach den §§ 97 und 98 WpHG zu ersetzende Schaden, S. 44. 52 Ausdrücklich etwa Franke / Schulenburg, in: Umnuß, Corporate Compliance Check­ listen4, Kap. 3 Rn. 90; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 16; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 478; Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 283 f.; ferner Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 61 f. 53 Zum Begriff der Pflichtentstehung im hier verwendeten Sinn siehe die Anm. in Fn. 15.

A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR

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Kennenmüssen genügen. Diese schon zur alten Rechtslage herrschende Ansicht54 wird neuerdings aber angezweifelt. So wird angenommen, die Ad-hoc-Publizitätspflicht müsse stets und allein mit der Art. 17 Abs. 1 MAR immanenten Informationssuchpflicht – also mit Organisationspflichten – erklärt werden; die Frage des Wissens und der Wissenszurechnung zum Emittenten stelle sich demgegenüber nicht mehr55. Begründet wird dies damit, dass schon der inzwischen abgelöste Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 MAD56, den § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F. umsetzte, keine Haftung qua Wissenszurechnung vorgesehen und eine solche nach deutschen Regeln lediglich als Verschärfung der unionsrechtlichen Mindestvorgaben zugelassen habe57. Aufgrund der Vollharmonisierung der Ad-hoc-Publizitätspflicht sei eine solche nationale Erweiterung des unionsrechtlich vorgegebenen (Organisations-) Pflichtenumfangs bei Art. 17 Abs. 1 MAR aber nicht mehr zulässig58. Richtig ist daran, dass das deutsche Recht die Veröffentlichungspflicht nicht mittels eigener Regeln einer Wissenszurechnung erweitern kann59. Weshalb Art. 17 Abs. 1 MAR aber auf die Regelung von Organisationspflichten beschränkt sein soll, ist damit nicht erklärt. Dass Art. 17 Abs. 1 MAR mit anderen Worten nicht selbst davon ausgeht, dass der Emittent Insiderinformationen schon allein deshalb veröffentlichen muss, wenn und weil er sie kennt, ist nicht gesagt. Letzteres liegt vielmehr nahe. Denn weil die ordnungsgemäße Wissensorganisation überhaupt nur Mittel zur zeitigen Kenntnisnahme und Prüfung der Insiderinformation ist, kann es auf die Einhaltung einer Organisationspflicht nicht mehr ankommen, wenn die Kenntnis des Emittenten bereits feststeht. Allein die Tatsache, dass zur Ermittlung der Kenntnis des Emittenten nicht die vertrauten deutschen Regeln der Wissenszurechnung angewandt werden können, ist keine ausreichende Begründung für die Irrelevanz des Wissens und der Wissenszurechnung überhaupt. Im Einzelfall kann die Einhaltung einer ordnungsgemäßen Wissensorganisation außerdem schwer zu beurteilen sein, die Möglichkeit des Emittenten zur Ad-hoc-Veröffentlichung aber nicht ernsthaft bezweifelt werden, etwa wenn sämtliche Mitglieder der Geschäftsleitung oder eines eigens eingesetzten Ad-hoc-Publizitätsgremiums die Insiderinformation kennen60. Es besteht also auch ein praktisches Bedürfnis 54

Ausdrücklich jedenfalls diejenigen, die für ein „schuldhaftes Zögern“ ein Wissen oder Wissenmüssen forderten, Nachw. in Fn. 32. 55 Klöhn, NZG 2017, 1285, 1288 f.; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 115. 56 Richtlinie 2003/6/EG v. 28.01.2003, ABl. Nr. L 96, S. 16. 57 Klöhn, NZG 2017, 1285 f.; vgl. auch Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 111; zu der umstrittenen Frage, ob die abgelöste Marktmissbrauchsrichtlinie voll- oder nur mindestharmonisierenden Charakter hatte, nur P.  Koch, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht2, § 19 Rn. 17 m. w. N. 58 Klöhn, NZG 2017, 1285, 1288; vgl. dazu auch Seibt / Wollenschläger, AG 2014, 593, 600; Veil, ZBB 2014, 85, 92. 59 Dazu auch Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89; Koch, AG 2019, 273, 277 f.; vgl. zum vollharmonisierenden Charakter der Marktmissbrauchsverordnung auch ErwG 5 MAR. 60 Näher zur Relevanz dieser Personen § 2 C. IV. 2., 3.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

dafür, den Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 MAR auf das „Unterlassen trotz Kenntnis“ stützen zu können. Gegen dieses Verständnis lässt sich auch nicht anführen, die Kenntnis des Emitten­ten als juristische Person sei selbst stets eine Frage der Wissensorganisation61. Die in anderem Zusammenhang in diese Richtung deutende Rechtsprechung des BGH62 ist nicht nur für Art. 17 Abs. 1 MAR irrelevant63 und findet auch im sonstigen Unionsrecht keine Entsprechung64, sie ist darüber hinaus schon im deutschen Recht zu bezweifeln, da Organisationspflichten und Wissenszurechnung konzeptionell zu unterscheiden sind65. Kennen sämtliche Mitglieder der Geschäftsleitung eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation und schweigen sie dennoch, ist dem Emittenten nicht vorzuwerfen, er habe nicht für eine ordnungsgemäße Wissensorganisation gesorgt66. Treffend erscheint schon intuitiv allein der Vorwurf, er habe nicht veröffentlicht, obwohl er die relevante Information – kraft Zurechnung – kannte. Nimmt man in diesem Fall nun weiter an, die Geschäftsleitung habe für perfekt funktionierende Informationsflüsse im Unternehmen gesorgt, so dass das Insiderwissen überhaupt erst rechtzeitig „nach oben“ gelangen konnte, bleibt spätestens unklar, wo zwischen Kenntniserlangung seitens der Geschäftsleitung und dem Unterlassen der Bekanntmachung noch Raum für eine Organisationspflichtverletzung sein könnte. Mit anderen Worten besteht ein Bedürfnis dafür, eine Verletzung der Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR auch ohne Rückgriff auf eine Organisationspflichtverletzung auf ein Unterlassen trotz einer durch – zugerechnete – Kenntnis vermittelten Veröffentlichungsmöglichkeit begründen zu können. Zutreffend ist damit nach wie vor, dass die Kenntnis einer Insiderinformation durch den Emittenten zwar nicht notwendige, in subjektiver Hinsicht doch aber hinreichende Bedingung der Pflichtverletzung ist67. Ein vollständig auf Wissenselemente verzichtendes Verständnis des Art. 17 Abs. 1 MAR ist demgegenüber abzulehnen.

61

So Klöhn, NZG 2017, 1285, 1288 f.; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 115. Grundlegend BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. Ausführlich dazu § 3 B. 63 Unten § 2 B. 64 Näher § 2 C. 65 Ausf. § 3 B. 66 So wohl die Lösung bei Klöhn, NZG 2017, 1285, 1288 f.; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 115; siehe auch Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 24. 67 Sajnovits, WM 2016, 765, 766 (zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a. F.). 62

A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR

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IV. Fazit: Nebeneinander von Organisationspflichten und der Zurechnung subjektiver Elemente Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ ist im Sinn von „so bald wie möglich“ zu verstehen; der Emittent verletzt seine Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR also dann, wenn und sobald er eine Ad-hoc-Mitteilung unterlässt, deren Veröffentlichung ihm möglich gewesen wäre. Dies setzt voraus, dass er die zu veröffentlichende Insiderinformation kannte oder bei Einhaltung gebotener Sorgfalt hätte kennen müssen. Daraus folgt, dass Art. 17 Abs. 1 MAR sowohl von Fragen der Organisationspflicht als auch von solchen der Zurechnung subjektiver Elemente zum Emittenten abhängt. Zu unterscheiden sind drei Konstellationen: 1. Der Emittent kennt – kraft Zurechnung – eine zu veröffentlichende Insiderinformation. Dies vermittelt ihm die Möglichkeit der Veröffentlichung. Die Frage der (Organisations-)Pflicht zur Kenntniserlangung spielt dann keine Rolle. 2. Der Emittent kennt die Information nicht, hätte sie aber bei Einhaltung gebotener Wissensorganisation kennen müssen. Unterlässt er es deshalb, die Insiderinformation öffentlich bekanntzugeben, verstößt er gegen Art. 17 Abs. 1 MAR in Gestalt einer Organisationspflichtverletzung. 3. Eine dritte Variante folgt daraus, dass sich die Möglichkeit des Emittenten auch aus einem zurechenbaren Wissenmüssen eines individuellen Unternehmensangehörigen ergeben kann. Denn der Emittent muss die Bekanntgabe nicht nur durch Organisation der betriebsinternen Informationen ermöglichen, sondern – weil er als juristische Person überhaupt nur durch natürliche Personen handeln kann – (erst recht) auch die Möglichkeiten nutzen, die sich seinen Unternehmensangehörigen bieten, soweit diese zu dem für die Ad-hoc-Publizität relevanten Personenkreis zählen68. Im Vordergrund der nachfolgenden Untersuchung stehen die erste und die letzte Fallgruppe, also die Zurechnung des Wissens und Wissenmüssens individueller Unternehmensangehöriger zum Emittenten. Nur wenn dem Emittenten nicht schon das Wissen oder Wissenmüssen einer bekanntzugebenden Insiderinformation zugerechnet werden kann, stellt sich die weitere Frage, ob er in organisatorischer Hinsicht alle erforderlichen und zumutbaren Schritte unternommen hat, um für die Veröffentlichung zu sorgen. Zu erinnern ist aber auch daran, dass mit der hier interessierenden Bestimmung des Wissens oder Wissenmüssens des Emittenten die Frage der Unverzüglichkeitsfrist nur fast vollständig beantwortet ist. Wie schon angedeutet ist nämlich unstreitig, dass der Emittent seine Pflicht jedenfalls nicht schon in bzw. unmittelbar nach dem Moment verletzt, in dem er Kenntnis von der Insiderinformation er 68

Zur Bestimmung dieses Personenkreises ausf. unten § 2 C. IV.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

langt hat oder hätte erlangen müssen. Der Ablauf der Unverzüglichkeitsfrist setzt vielmehr zusätzlich voraus, dass die betroffene Information auf ihre Eigenschaft als Insiderinformation geprüft und gegebenenfalls eine Entscheidung über eine Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR getroffen werden konnte69. Dieser Aspekt der Unverzüglichkeit wird nachfolgend ausgeklammert; schwierige Rechtsfragen dürften sich aus ihm aber auch nicht ergeben.

B. Der unionsrechtliche Zurechnungsmaßstab Als juristische Person ist der Emittent nicht selbst handlungs- und wissensfähig70. Er handelt und weiß ausschließlich durch natürliche Personen, sofern ihm deren Verhalten und Wissen zuzurechnen ist. Weil die Verletzung der Ad-hocPublizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR von der durch zugerechnetes Wissen oder Wissenmüssen vermittelten Möglichkeit der Veröffentlichung abhängt, stellt sich die Frage, welcher Rechtsordnung entsprechende Zurechnungsregeln zu entnehmen sind. Mit dem Argument, dass erst das mitgliedstaatliche Zivil- und Gesellschaftsrecht die juristische Person handlungsfähig mache, könnte man zwar die jeweiligen nationalen Zurechnungsgrundsätze für maßgeblich erachten71. Das erklärte Ziel der Markmissbrauchsverordnung, einheitliche Bedingungen für alle betroffenen Emittenten innerhalb der EU zu schaffen72, kann aber nur erreicht werden, wenn das Unionsrecht für alle Fragen gilt, von der die einheitliche Rechtsanwendung abhängt73. Es reicht mit anderen Worten nicht, die Voraussetzung des Wissens oder Wissenmüssens einer Insiderinformation aus einer autonom-unionsrechtlichen Auslegung zu gewinnen, wenn für die Bestimmung der für das Wissen und Wissenmüssen des Emittenten relevanten Personen doch wieder das nationale 69 Dies muss auch im Fall des Wissensmüssens gelten, weil die Unverzüglichkeitsfrist dann nicht kürzer bemessen sein darf. 70 Gemeint ist ein rein rechtstatsächlicher Befund. Der überkommene Streit zwischen den Anhängern der mit Savigny verbundenen Vertretertheorie und den Anhängern der von v. Gierke geprägten Organtheorie spielt hingegen praktisch keine Rolle. Näher dazu Buck, Wissen und juristische Person, S. 209 ff. 71 Für die Anwendbarkeit nationaler Zurechnungsgrundsätze Franke / Schulenburg, in: Umnuß, Corporate Compliance Checklisten4, Kap. 3 Rn. 90; Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / ​ Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 17; zumindest an deutsche Grundsätze anlehnend Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 52 ff.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 389 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S.238 ff., 245; noch zu § 15 WpHG a. F. im Übrigen die wohl einhellige Meinung, siehe dazu nur die Nachw. bei Koch, AG 2019, 273, 274 f. 72 ErwG 5 MAR. 73 Vgl. zur Maßgeblichkeit einer einheitlichen Begriffsauslegung nur die Argumentation bei EuGH v. 14.01.1982 – 64/81, ECLI:EU:C:1982:5, Rn. 8; EuGH v. 06.03.2008 – C-98/07, ECLI:EU:C:2008:144, Rn. 17 ferner Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 10 Rn. 6.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Recht herangezogen würde. Die unionsweite Rechtsvereinheitlichung wäre damit undenkbar, weil die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen an den „Bewusstseinszustand“ ganz unterschiedlicher Personen anknüpfen könnten. Art. 17 Abs. 1 MAR regelt die Zurechnungsfrage daher richtigerweise selbst74. Dies ist auch kompetenzrechtlich unbedenklich. Weil die Klärung der Zurechnungsfrage für die Bestimmung der Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR unverzichtbar ist, ist sie – zumindest unter Berücksichtigung der vom EuGH anerkannten „implied powers“Doktrin75 – von der Ermächtigung im Bereich des Binnenmarkts nach Art. 5 Abs. 2 EUV i. V. m. Art. 4 Abs. 2 lit. a), 26, 114 AEUV gedeckt und muss nicht nach dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV an die Mitgliedsstaaten abgegeben werden. Insofern gilt nichts anderes als im europäischen Kartellrecht, das die Zurechnung des Verhaltens und Verschuldens bestimmter Mitarbeiter zum Unternehmen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig vom nationalen Recht unionsweit einheitlich regelt76.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis Ein geschriebenes allgemeines Zurechnungsrecht existiert auf Unionsebene nicht. Wo das Unionsrecht Zurechnungsfragen berührt, für deren Beantwortung auch die jeweils relevante Vorschrift selbst – hier Art. 17 Abs. 1 MAR – keine ergiebige Hilfestellung gibt77 und die mit Blick auf die einheitliche Rechtsanwendung auch nicht vom mitgliedstaatlichen Recht beantwortet werden können, ist nach Anhaltspunkten für die Bestimmung des zurechnungsrelevanten Personenkreises daher bei anderen Vorschriften des Unionsrechts und in der Rechtsprechung des EuGH zu suchen.

74

Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31; ders., AG 2019, 273, 277 f.; vgl. zudem Klöhn MAR / ​ Klöhn, Art.  17 Rn.  112 ff.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Grütze5, Art. 17 MAR Rn. 79 f.; Leyens, ZGR 2020, 256, 272 f.; im Ausgangspunkt auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 389 f.; ferner Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89; vgl. zur Maßgeblichkeit des Unionsrecht für die Wissenszurechnung im Rahmen verbotenen Insiderhandels durch juristische Personen außerdem Klöhn MAR / Klöhn, Art. 8 Rn. 86, Art. 9 Rn. 7, ders., NZG 2017, 1285, 1289 ff.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Schmidt5, Art. 9 MAR Rn. 18, 22; allg. zur Auslegung der MAR schließlich Klöhn MAR / Klöhn, Einl. Rn. 54 ff. 75 Zu dieser Regelungskompetenz kraft Sachzusammenhangs im EU-Recht nur Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, 41. EL Juli 2010, Art. 1 AEUV Rn. 13 f. 76 Näher sogleich unter § 2 C. I. 77 Die Forderung nach Zurechnungsgrundsätzen, die aus Art. 17 MAR selbst herzuleiten seien, erscheint wenig zielführend; in diese Richtung aber Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31; ders., AG 2019, 273, 278; zu den §§ 97, 98 WpHG Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1846 ff.; allg. Seidel, AG 2019, 492 ff. Näher zu der Forderung normbezogener Zurechnungsgrundsätze noch unten § 2 C. II. 4.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

I. Keine Begrenzung auf Organwalter und andere Führungskräfte Bei der Bestimmung der relevanten Personen ist von dem Befund auszugehen, dass sich dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des EuGH auch außerhalb rechtsgeschäftlicher Beziehungen keine Begrenzung des zurechnungsrelevanten Personenkreises auf Organmitglieder oder andere Führungskräfte entnehmen lässt. Restriktive Ansätze wie sie im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht aus §§ 30 Abs. 1, 130 Abs. 1 OWiG (i. V. m. § 9 OWiG) und im deutschen Deliktsrecht aus dem Zusammenspiel des § 831 BGB und § 31 BGB bzw. der Organtheorie78 bekannt sind, sind dem Unionsrecht grundsätzlich fremd79. So ist aus dem EU-Kartellrecht bekannt, dass der EuGH für die Zurechnung eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV zum Unternehmen ausdrücklich weder ein Handeln noch ein Wissen der Geschäftsleiter fordert, sondern das schuldhafte Verhalten solcher Mitarbeiter genügen lässt, die „berechtigt“ sind, für das Unternehmen zu handeln80. Die zutreffende Interpretation des Begriffs der Berechtigung knüpft auch nicht an die Ranghöhe der Mitarbeiter, sondern an den Zusammenhang der Kartellabsprache mit dem ihnen übertragenen Aufgabenbereich an81. Der EuGH prägt dieses Verständnis auch in anderem Zusammenhang, namentlich dem EU-Zollrecht. Sowohl ein vorschriftswidriges Verbringen von Ware in das EU-Zollgebiet (Art. 202 Abs. 3 erster Gedankenstrich Zollkodex a. F.82) als auch eine „betrügerische Absicht“ oder „offensichtliche Fahrlässigkeit“, die bestimmte zollrechtliche Begünstigungen ausschließt (Art. 212a Zollkodex a. F.83), 78 Nach der von Otto von Gierke geprägten Organtheorie ist das Verhalten und Wissen der Organe einer Körperschaft unmittelbar als Verhalten und Wissen der Körperschaft selbst anzusehen; näher zur Organtheorie noch unten § 2 C. IV. 2. c) bb). Weil es an einer Zurechnungsnorm für Verhalten und Wissen nachgeordneter Mitarbeiter im Deliktsrecht fehle, soll es dort nach ganz h. M. nur auf unter § 31 BGB (analog) fallende Personen ankommen. Tatsächlich beruht der generell angenommene Ausschluss der deliktischen Haftung des Geschäftsherrn für Fehlverhalten nachgeordneter Mitarbeiter allerdings auf einer Überinterpretation des § 831 Abs. 1 BGB; näher dazu im Rahmen der Haftung nach § 97 WpHG unter § 3 C. 79 Zu Einschränkungen für strafrechtliche Sachverhalte siehe aber noch sogleich im Text. 80 Grundlegend EuGH v. 07.06.1983 – C-100 bis 103/80, ECLI:EU:C:1983:158 (Musique Diffusion Française), Rn. 97; weiter EuGH v. 07.02.2013  – C-68/12, ECLI:EU:C:2013:71 (Slovenská sporiteľňa), Rn. 25; aus jüngerer Zeit EuGH v. 16.02.2017  – C-95/15 P, ECLI:​ EU:C:2017:125 (Paraffinwachs), Rn. 34; zu dieser Rechtsprechung auch Papakiriakou, Das Europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen, S. 302 ff. 81 Immenga / Mestmäcker / Biermann 6, Bd. 1, Vorb. Art. 23 f. VO 1/2003 Rn. 125, 128 f.; de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht, Art. 23 Rn. 22; Nowak, in: Loewenheim /  Meessen / R iesenkampff / Kersting / Meyer-Lindemann4, Art. 23 VO 1/2003 Rn. 17; näher Brömmelmeyer, WuW 2017, 174, 176 f.; Papakiriakou, Das Europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen, S. 304 f. 82 Verordnung (EWG) 2913/92 v. 12.10.1992, ABl. Nr. L 302, S. 1, zum 01.05.2016 aufgehoben durch Verordnung (EU) Nr. 952/2013 v. 09.10.2013, ABl. Nr. L 269, S. 1; Art. 202 ZK a. F. entspricht Art. 79 UZK n. F. 83 Jetzt Art. 86 Abs. 6 UZK, der stattdessen von einem „Täuschungsversuch“ spricht.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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ist einer juristischen Person nach der Rechtsprechung des EuGH auch seitens nachgeordneter Angestellter zuzurechnen, solange diese innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs gehandelt haben84. Vorbehaltlich abweichender spezieller Regelungen lassen sich diese Grundsätze, nach denen juristischen Personen das Verhalten und Verschulden auch nachgeordneter Mitarbeiter zugerechnet werden kann, also verallgemeinern. Auf den ersten Blick hält die Marktmissbrauchsverordnung aber in der Tat eine abweichende Regelung bereit. Nach Erwägungsgrund 30 S. 3 soll eine juristische Person nämlich dann nicht für den seitens der bei ihr beschäftigten und in ihrem Namen handelnden natürlichen Personen begangenen Marktmissbrauch haften, wenn sie alle geeigneten Maßnahmen ergriffen hat, um einen solchen Marktmissbrauch zu verhindern. Eine Einschränkung des zurechnungsrelevanten Personenkreises könnte daraus insofern folgen, als es nur auf das (Fehl-)Verhalten der für die Organisation und Aufsicht zuständigen Personen, im Zweifel der Geschäftsleiter, ankommen könnte. Bezogen ist der Erwägungsgrund offenbar auf Art. 9 Abs. 1 MAR, der auf die „Spector Photo Group“-Entscheidung des EuGH zurückgeht85. In dieser Rechtssache entschied der EuGH, dass zulasten desjenigen, der über eine Insiderinforma­ tion verfügt, widerleglich vermutet wird, dass er diese Information beim Abschluss eines Insidergeschäfts im Sinn des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/686 „genutzt“ hat87. Widerlegt werden kann diese nach neuer Rechtslage im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 MAR relevante Vermutung insbesondere mit dem Nachweis, dass das vorhandene Insiderwissen für den Abschluss nicht kausal war88. Für juristische Personen stellt Art. 9 Abs. 1 MAR nun eine besondere Möglichkeit der Vermutungswiderlegung bereit89. Sie gelingt, wenn durch die Einhaltung der dort genannten organisatorischen Maßnahmen wirksam sichergestellt ist, dass die das Geschäft 84 EuGH v. 25.01.2017  – C-679/15 (Ultra-Brag), RdTW 2017, 96 Rn. 26 ff.,  36 ff.; siehe außerdem die Schlussanträge des Generalanwalts Wahl v. 26.10.2016, C-679/15, ECLI:​ EU:C:2016:807, Rn. 30, 41 ff., der sich darüber hinaus explizit der Wissenszurechnung zu juristischen Personen widmet und sie ebenso beurteilt. 85 Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 9 MAR Rn. 1 f.; Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 402; Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankrechtsHandbuch5, § 107 Rn. 78; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 1; Veil, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rn. 47. 86 Entspricht insofern dem jetzt unmittelbar geltenden Art. 8 Abs. 1 MAR. 87 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 (Spector Photo Group NV), Rn. 36. 88 Klöhn, NZG 2017, 1285, 1290; mit weiteren Fallgruppen, in denen die Vermutung widerlegt ist, ders., WM 2017, 2085, 2090 f. 89 Die Aufzählung der in Art. 9 MAR genannten Widerlegungsmöglichkeiten ist nach ganz h. M. nicht abschließend; BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.4.2.5.2.2 (S. 60); Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 401; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 19; ders., WM 2017, 2085, 2089; Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, BankrechtsHandbuch5, § 107 Rn.  78; Schwark / Zimmer / Kumpan / Schmidt5, Art. 9 MAR Rn. 10; Poelzig, NZG 2016, 528, 533; Veil, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rn. 50, jew. m. w. N.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

abschließenden Personen sowie diejenigen, die das Handeln dieser Personen beeinflussen konnten, keine Kenntnis von betriebsintern vorhandenen Insiderinformationen erlangt haben (etwa durch Schaffung von Vertrauensbereichen mit sog. „Chinese walls“90). Die Vorschrift ist bereits deshalb misslungen, weil sie die Frage der Informationsnutzung im Sinn der „Spector“-Entscheidung mit der Vorfrage der betriebsinternen Informationsweitergabe vermengt91. Jedenfalls aber erscheint es zweifelhaft, dass sie, wie es Erwägungsgrund 30 S. 3 nahelegt, nicht nur im Sinn einer Möglichkeit der Vermutungswiderlegung, sondern sogar einer Exkulpationsmöglichkeit verstanden werden sollte. Mit Blick auf das „Spector“-Urteil und den Wortlaut92 der Vorschrift würde es eigentlich naheliegen, der juristischen Person zwar mithilfe von Maßnahmen nach Art. 9 Abs. 1 MAR die Widerlegung der „Spector“Nutzungsvermutung zu ermöglichen, sie aber dann nicht aus der Haftung zu entlassen, wenn das relevante Insiderwissen erwiesenermaßen dennoch zum verbotswidrig und „im Auftrag der juristischen Person“ handelnden Mitarbeiter gelangen konnte und die Nutzung nicht anderweitig widerlegt werden kann93. Art. 9 Abs. 1 MAR passt daher auch nicht recht in den Katalog der „legitimen Handlungen“, weil es ja überhaupt nicht darum geht, den Umgang mit Insiderinformationen für bestimmte grundsätzlich akzeptierte Arten von Geschäften zu ermöglichen94. Vielmehr sollen missbilligte Geschäfte dadurch verhindert werden, dass der betriebsinterne Informationsfluss kontrolliert wird. Die Geschäfte bleiben aber auch dann unzulässig, wenn die organisatorischen Maßnahmen zwar eingehalten wurden, im Einzelfall aber versagt haben. Dass dem Emittenten das verbotene Geschäft dann 90

Ausf. zu den organisatorischen Anforderungen Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 404 ff.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 25 ff. 91 Näher § 2 C. II. 5. 92 Der Wortlaut legt nahe, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 MAR zwar nicht allein vom Besitz der Insiderinformationen, aber offenbar aufgrund anderer Umstände auf deren Nutzung geschlossen werden kann. Das wäre bei Annahme der Regelung einer echten Ausnahme zu Art. 8 Abs. 1 MAR nicht möglich. 93 So i. E. wohl auch Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 402, der bei Vorliegen hinreichender organisatorischer Vorkehrungen lediglich von einer Vermutung für das rechtmäßige Verhalten, nicht aber von einer Ausnahme vom Verbot spricht. Diese Lösung erwägt auch Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 10, verwirft sie aber mit Blick auf ErwG 30 S. 3; wie dieser i. E. auch die h. M., BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.4.2.5.2.1.1 (S. 56); Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 9 MAR Rn. 2, 5 ff.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Schmidt5, Art. 9 MAR  Rn.  14; Meyer, in: Kümpel / Mülbert / Früh / Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht 5, Rn. 12.242; Veil, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rn. 54. Erwägenswert erscheint allenfalls, Art. 9 Abs. 1 lit. a) MAR so auszulegen, dass die ausbleibende Kenntniserlangung der Handelnden und sonst genannten Personen im Sinn des Art. 9 Abs. 1 lit. a) MAR überhaupt nur dann „wirksam sichergestellt“ ist, wenn sie auch in jedem Einzelfall tatsächlich ausbleibt; dagegen Meyer, in: Kümpel / Mülbert / Früh / Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht 5, Rn. 12.244. Auch dann käme man aber zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift keinen Exkulpationstatbestand darstellt. 94 Zum „ungewöhnlichen“ Charakter des Art. 9 Abs. 1 MAR im Gesamtkontext der Vorschrift auch Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 401.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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nicht zugerechnet werden soll, mag die Systematik des Art. 9 Abs. 1 MAR nahelegen, ist aber jedenfalls nicht eindeutig und noch dazu bedenklich. Selbst wenn man aber Art. 9 Abs. 1 MAR mit Blick auf den Katalog der „legitimen Handlungen“ und Erwägungsgrund 30 S. 3 im Ergebnis als echte Ausnahme zu den Tatbeständen der Insidergeschäfte nach Art. 8 Abs. 1 MAR verstehen will95, lässt sich die damit verbundene Möglichkeit der Exkulpation für Mitarbeiterfehlverhalten jedenfalls nicht auf andere Bereiche der Marktmissbrauchsverordnung übertragen. EuG und EuGH haben über die Frage der Exkulpation durch ordnungsgemäße Organisation auch in anderem Zusammenhang schon entschieden. Dort sollte sich eine juristische Person nicht auf die Unkenntnis rechtserheblicher Umstände berufen können, wenn nachgeordnete Mitarbeiter die gebotene Informationsweitergabe an die relevante Stelle versäumt hatten. Ob sich die Mitarbeiter dabei über Anordnungen der juristischen Person hinweggesetzt hatten, sollte gerade keine Rolle spielen. Vielmehr sei bereits im Fehlverhalten der Mitarbeiter der Beweis für das Versagen der Organisation zu erblicken96. Das hinkt zwar in der Begründung, weil vom begangenen Fehlverhalten in der Rückschau unzulässig auf die Mangelhaftigkeit der Organisation bzw. die Vorhersehbarkeit des Fehlverhaltens geschlossen wird (sog. Rückschaufehler oder „hindsight bias“). Im Ergebnis läuft diese Sichtweise aber auf eine (zulässige) Zurechnung des Mitarbeiterfehlverhaltens ohne Entlastungsmöglichkeit hinaus. Nimmt man die erwähnte Rechtsprechung des EuGH im Kartell- und Zollrecht hinzu und bedenkt den Ausnahmecharakters des deutschen Exkulpationsprivilegs aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB97, müsste Erwägungsgrund 30 S. 3, so man ihn überhaupt wörtlich nehmen will, als Ausnahme-„Regelung“ verstanden werden. In der Tat zurückhaltender ist das Unionsrecht hingegen bei der Verantwortlichkeit juristischer Personen für strafbares Verhalten ihrer Mitarbeiter. So müssen die Mitgliedstaaten gemäß den Vorgaben des Unionsrechts nur dann eine Haftung juristischer Personen für bestimmte Straftaten vorsehen, wenn der Täter aufgrund gewisser Befugnisse eine „leitende Stellung“ bzw. „Führungsposition“ innerhalb des Unternehmens hat98. Für den außerstrafrechtlichen Bereich lassen sich daraus 95

Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 9 MAR Rn. 2, 5 ff.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 10 f.; Meyer, in: Kümpel / Mülbert / Früh / Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht5, Rn. 12.242; Veil, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rn. 54. Wie die Abs. 2–5 der Vorschrift einzuordnen sind, soll hier nicht diskutiert werden, dürfte aber nicht zuletzt wegen Art. 9 Abs. 6 MAR auch kaum praktische Relevanz haben. Das ist bei Abs. 1 anders, weil das Verständnis der Regelung dort Rückschlüsse auf die Frage der Zurechnung zu juristischen Personen zulässt. 96 EuG v. 29.05.1991  – T-12/90, ECLI:EU:T:1991:25 (Bayer AG), Rn. 32; bestätigt durch EuGH v. 15.12.1994 – C-195/91 P, ECLI:EU:C:1994:412 (Bayer AG), Rn. 28. 97 Zum abweichenden anglo-amerikanischen Rechtskreis § 2 C. VI. 98 Zum Insiderrecht Art. 8 Abs. 1 CRIM-MAD (Richtlinie 2014/57/EU vom 16.04.2014, ABl. Nr. L 173, S. 179); im Übrigen etwa Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2011/36/EU vom 05.04.2011, ABl. Nr. L 101, S. 1; Art. 6 Abs. 1 Rahmenbeschluss 2004/757/JI vom 25.10.2004, ABl. Nr. L 335, S. 8.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

aber – wie schon das EU-Kartellrecht zeigt – keine ergiebigen Schlüsse ziehen. Auch das englische Common Law und die U. S.-amerikanische Rechtsordnung, die der weiten respondeat-superior-Doktrin folgen, üben bei der Zurechnung strafbaren Verhaltens zu juristischen Personen gleichwohl Zurückhaltung99. Nach alldem gibt es für eine hierarchiemäßige Begrenzung der Zurechnungsmöglichkeiten hinsichtlich des Fehlverhaltens der Mitarbeiter juristischer Personen oder eine Begrenzung nach Grundsätzen eines Organisationsverschuldens im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 MAR keine belastbaren Anhaltspunkte100.

II. Die Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung 1. Die Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente Die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR ist allerdings erst dann verletzt, wenn eine Veröffentlichung möglich war und dennoch unterbleibt101. Wie bei einer Vielzahl anderer Vorschriften aus ganz unterschiedlichen Regelungszusammenhängen102 kommt in der daraus folgenden Voraussetzung des Wissens oder Wissenmüssens zum Ausdruck, dass sich die von der Norm betroffene Person bei Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen ohne weiteres (im Fall des Wissens) oder bei Einhaltung gebotener Sorgfalt (im Fall des Wissenmüssens) dem „Normbefehl“103 entsprechend 99

Näher unten § 2 C. VI. 2. und § 2 C. VI. 3.; zur Begrenzung der für die Verbandshaftung nach § 30 OWiG relevanten Personen auf die dort genannten Leitungspersonen außerdem KK OWiG / Rogall5, § 30 Rn. 11: Schuldzurechnung erfordert „Kompetenz zur kollektiven Sinnbestimmung“ seitens der Zurechnungsperson. Wegen der vorsichtigeren Handhabdung der Zurechnungsfragen durch das Unionsrecht im strafrechtlichen Bereich lässt sich auch Art. 8 CRIM-MAD nicht für das Verständnis des Art. 9 Abs. 1 MAR als Exkulpationsvorschrift anführen, so aber Klöhn MAR / Klöhn, Art. 9 Rn. 10. 100 Die von Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 30 ff.; ders., AG 2019, 273, 279 ff., vorgeschlagene Beschränkung auf das Wissen des Vorstands ist denn auch überwiegend rechtspolitisch motiviert; das gilt auch für die Ausführungen zu §§ 97, 98 WpHG von Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f.; gegen ein Kenntniserfordernis schon oben § 2 A. I. Zu der im Unionskartellrecht aufgeworfenen Frage, ob eine Zurechnung seitens nachgeordneter Mitarbeiter ausscheiden müsse, wenn diese im Widerspruch zu den Anweisungen eines Vorgesetzten gehandelt haben, worin bejahendenfalls eine hierarchiemäßige Beschränkung der Zurechnung zu erblicken sein könnte, Papakiriakou, Das Europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen, S. 307 f. Anders als dort angenommen (S. 308 a. E.), dürfte die Lösung in diesen Fällen aber schon in der dann fehlenden Zurechnungsvoraussetzung der „Berechtigung“ des Mitarbeiters liegen. 101 Oben § 2 A. 102 Eine umfangreiche Aufzählung solcher Vorschriften aus dem deutschen Zivilrecht findet sich etwa bei Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 169; aus dem deutschen Verwaltungsrecht, auf das die Überlegung übertragbar ist, Henning, Wissenszurechnung im Verwaltungsrecht, S. 17 ff. 103 Dieser „Normbefehl“ muss keine durchsetzbare Rechtspflicht sein. Die Vorschrift bringt aber jedenfalls zum Ausdruck, dass sie ein gewisses Verhalten „empfiehlt“ und ein Abweichen davon mit einem Rechtsnachteil belegt (siehe etwa § 407 Abs. 1 BGB: Leiste an den neuen

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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verhalten kann und soll. Diese Vorschriften knüpfen einen Rechtsnachteil also an das Abweichen von der durch Wissen oder Wissenmüssen vermittelten Möglichkeit „normgemäßen“ Verhaltens, kurz: an das Verhalten trotz Wissens bzw. Wissenmüssens104. Als weiteres Beispiel einer solchen Vorschrift unionsrechtlichen Ursprungs sei nur Art. 2 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL105 genannt. Kennt der Käufer die „Vertragswidrigkeit“ der Sache oder hätte er sie bei Einhaltung gebotener Sorgfalt kennen müssen, sollen ihm nach nationalem Recht deshalb keine Rechte zustehen, weil er den Vertrag sehenden Auges oder zumindest trotz Vermeidbarkeit zu den jeweiligen Konditionen geschlossen hat. Dieser Wertung ist auch dann Rechnung zu tragen, wenn der Adressat der jeweiligen Vorschrift arbeitsteilig handelt. Im rechtsgeschäftlichen Bereich gelingt dies den nationalen Rechtsordnungen Europas auf sehr ähnlichen Wegen. Im Ergebnis sind sie sich einig, dass sich der Normadressat grundsätzlich den „Bewusstseinszustand“ seines Stellvertreters oder seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen muss106. Weil es der Vertreter bzw. Erfüllungsgehilfe ist, der die rechtserhebliche Handlung107 mit Wirkung für den Geschäftsherrn vornimmt, kann in erster Linie er den „Normbefehl“ einhalten und die nachteiligen Rechtsfolgen der jeweiligen Wissensnorm abwenden108. Tatsächlich trifft diese Überlegung unabhängig davon zu, ob es sich bei der dem Gehilfen übertragenen Tätigkeit um eine rechtsgeschäftliche oder sonstige Angelegenheit handelt. Damit ist nicht gemeint, dass stets auch außervertragliches Verhalten eines Verrichtungsgehilfen in Ausführung der übertragenen Tätigkeit samt dessen Verschulden zugerechnet werden müsste – und bekanntlich folgen die nationalen Rechtsordnungen insofern auch unterschiedlichen Wegen109. Es geht vielmehr darum, dass es für die Zurechnung der übertragenen Tätigkeit selbst und der sie begleitenden subjektiven Elemente nicht darauf ankommt, ob es sich um eine rechtsgeschäftliche oder sonstige Angelegenheit hanGläubiger, wenn du die Abtretung kennst!). Man kann von Obliegenheiten (im weiteren Sinn) sprechen. 104 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 177; Schilken, Wissenszurechnung, S. 52; ferner Engelhardt, Wissensverschulden, S. 11 f.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 127; mit Beispielen Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 34 f.; vgl. auch Baumann, ZGR 1973, 284, 294; für Übertragung dieser Überlegungen auf das Strafrecht außerdem C. Wittmann, Wissenszurechnung im Strafrecht, S. 73 ff.; für das Verwaltungsrecht Henning, Wissenszurechnung im Verwaltungsrecht, S. 139 ff., 163 f. 105 Richtlinie 1999/44/EG v. 25.05.1999, ABl. Nr. L 171, S. 12. 106 v. Bar / Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference (DCFR), Full Edition, Vol. 1, Book II, S. 145 ff.; zur unionsrechtlichen Regelung der Verschuldenszurechnung von einem Erfüllungsgehilfen zum Reiseveranstalter siehe Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 90/314/EWG v. 13.06.1990, ABl. Nr. L 158, S. 59. 107 Rechtserhebliches Verhalten meint jedes Verhalten, auch Realakte, das Rechtsfolgen auslöst; näher zum Begriff Faßbender, Innerbetrieblichen Wissen, S. 153 ff. 108 Schilken, Wissenszurechnung, S. 60; für die Übertragung dieser Überlegungen auf das Strafrecht C. Wittmann, Wissenszurechnung im Strafrecht, S. 73 ff.; für das Verwaltungsrecht ferner Henning, Wissenszurechnung im Verwaltungsrecht, S. 139 ff. 109 Zum anglo-amerikanischen Rechtskreis § 2 C. VI.; zum deutschen Recht § 3 C. V.

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delt. Die Überlegung lässt sich also auch außerhalb rechtsgeschäftlicher Bereiche dahin verallgemeinern, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut, sich dessen Bewusstseinszustand (zusammen mit der Ausführungshandlung) zurechnen lassen muss, soweit dieser Zustand bei Ausführung der Angelegenheit von rechtlicher Bedeutung ist110. In komplexeren arbeitsteiligen Organisationen wie den hier interessierenden juristischen Personen kommen allerdings viele weiterer Hilfspersonen ins Spiel, die als Zurechnungspersonen für die jeweilige Maßnahme in Betracht kommen. Die denkbare Lösungsansätze sind in diesen Fällen dementsprechend vielfältiger und auf nationaler Ebene finden sich in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Begründungsmuster111. Regelmäßig angeführter Leitgedanke ist aber auch insofern, dass es wie in den einfachen „Vertreterfällen“ auf den Bewusstseinszustand der natürlichen Personen ankommen muss, von denen die Verwendung des relevanten Wissens bzw. die Einhaltung des Normbefehls zugunsten der juristischen Person erwartet wird112. Und in der Tat leuchtet es nicht ein, wieso der für das Zwei-Personen-Verhältnis maßgebliche Gedanke der Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente – also der Gedanke, dass dem Normadressat relevante subjektive Elemente nur zuzurechnen sind, wenn sie auch Eingang in das jeweils rechtserhebliche Verhalten finden können – in Mehrpersonenkonstellationen nicht gelten sollte113. Daraus folgt zugleich, dass das Vorliegen der Tatbe 110 Richardi, AcP 169 (1969),385, 397; Schilken, Wissenszurechnung, S. 225; zur analogen Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB auf den bösgläubigen Besitzdiener BGH v. 09.02.1960 – VIII ZR 51/59, BGHZ 32, 53, 55 ff.; zur Zurechnung der Kenntnis vom Fehlen eines Rechtsgrunds für ein gewährtes Darlehen gem. § 819 Abs. 1 BGB seitens der tatsächlich die Kontogeschäfte führenden Ehefrau hin zum Kontoinhaber BGH v. 25.03.1982 – VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293,296 f. Letztere Entscheidung trifft jedenfalls das Richtige, weil es auch die wissende Ehefrau war, die die ohne Rechtsgrund überwiesene Darlehensvaluta wieder verausgabt hatte (dies stellte das vermeidbare rechtserhebliche Verhalten dar). Der BGH wäre aber möglicherweise zu demselben Ergebnis gelangt, wenn der tatsächlich unwissende Ehemann den Akt der Entreicherung vorgenommen hätte, weil er nicht immer auf die Kenntnis bei Ausführung des rechtserheblichen Verhaltens abstellt, sondern z. T. – zu weitgehend – schon die Kenntniserlangung selbst genügen lässt, dazu noch § 3 B. III. 2. 111 Zum anglo-amerikanischen Rechtskreis § 2 C. VI.; näher zum deutschen Recht einerseits § 2 C. II. 3., anderseits § 3 B. II., III. 112 Aus dem deutschen Schrifttum Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 150 ff.; ders. / Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258; Grigoleit, ZHR 181 (2017), S. 160, 176 ff.; siehe zudem Engelhardt, Wissensverschulden, S: 35 ff.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 127 ff. (i. V. m. S. 250); vgl. bereits Baumann, ZGR 1973, 284, 294; ferner Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, S. 41 ff., 74 f., der daneben aber auch eine vom rechtserheblichen Verhalten unabhängige Wissenszurechnung anerkennt (S. 77 ff.); zum englischen Recht hier nur Meridian Global Funds Management Asia Ltd. v. Securities Commission, [1995], 2 A. C. 500, 511–512 und näher § 2 C. VI. 2.; MünchKomm. GmbHG / Liebscher 3, Anh. § 13 Rn. 218 sieht den Haftungsgrund von Wissensnormen zwar ebenfalls im normwidrigen Verhalten „trotz Kenntnis“, im Kontext der Zurechnung scheint er diese Überlegung aber nicht mehr gelten zu lassen. 113 Vgl. nur Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 250 i. V. m. S. 127 ff.; insofern anders aber Schilken, Wissenszurechnung, S. 135 ff., 214, der  – anders als beim Einsatz mehrerer Vertreter – bei „Personenmehrheiten“ auch das Wissen „inaktiver“ Vertreter berücksichtigen

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standsmerkmale einer Vorschrift mit Wirkung für juristische Personen nicht ohne Weiteres mittels „Zusammenrechnung“ von Verhaltensbeiträgen einerseits und subjektiven Elementen völlig unbeteiligter Personen anderseits begründet werden kann. Anderenfalls würde die hinter der Vorschrift stehende Wertung übergangen, dass den Normadressaten der Nachteil der Vorschrift nur dann treffen soll, wenn die in dieser Hinsicht für ihn handelnden Personen die Normerwartung tatsächlich hätten erfüllen können und sollen. Die mit den subjektiven Merkmalen der Vorschrift vorausgesetzte Möglichkeit normgemäßen Verhaltens der juristischen Personen würde nicht bestehen, sondern mittels Zurechnung nur fingiert werden. Diese Überlegung muss zumindest der Ausgangspunkt auch einer wertungskonsistenten unionsrechtlichen Lösung sein. Zwar wird zum Teil – und nicht zuletzt in der deutschen Diskussion – in bestimmten Fällen auch eine vom rechtserheblichen Verhalten unabhängige Wissenszurechnung zu juristischen Personen verfochten114. Zum einen wird die These einer solchen verhaltensunabhängigen Zurechnung noch genauer zu prüfen sein115; ein erster Kritikpunkt wurde soeben bereits angedeutet. Zum anderen findet die hier eingenommene Sichtweise mit Blick sowohl auf die deutsche als auch andere Rechtsordnungen durchaus auch gewichtige Bestätigung116. Wichtiger noch: In den Fällen, in denen das Unionsrecht und der EuGH selbst zu der Zurechnung zu juristischen Personen Stellung nehmen, rechnen sie subjektive Elemente stets seitens der auch objektiv Handelnden zu117, lassen Anhaltspunkte für eine verhaltensunabhängige Zurechnung subjektiver Elemente also bislang zu Recht nicht erkennen118. 2. Die Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung subjektiver und objektiver Beiträge Das Kriterium der Möglichkeit, bestimmte Informationen zur Verwirklichung des von einer Vorschrift erwarteten Verhaltens zu nutzen, genügt zur Beantwortung der Zurechnungsfrage innerhalb juristischer Personen aber nicht. Denn die Möglichkeit der Informationsverwendung irgendeines Unternehmensangehörigen sagt allein noch nichts darüber, wann das Verstreichenlassen dieser Möglichkeit will, aber nicht hinreichend erklärt, weshalb der juristischen Person auch letztere die für ihn maßgebliche Selbstschutzmöglichkeit vermitteln. Tatsächlich kann die Maßgeblichkeit auch „inaktiver“ Vertreter überzeugend begründet werden; abzustellen ist aber auch insofern auf die Verantwortlichkeit für die jeweilige Maßnahme. Siehe zur Maßgeblichkeit einzelner Vorstandsmitglieder für die Ad-hoc-Publizität bei deren Delegation noch § 2 C. IV. 2. c). 114 Ausf. § 3 B.; zu ähnlichen Ansätzen außerdem § 2 C. II. 5., § 2 C. VI. 3. 115 § 3 B. IV. 3. b), c), d). 116 Zur Bestätigung im deutschen Recht sogleich § 2 C. II. 3.; zum anglo-amerikanischen Rechtskreis § 2 C. VI. 117 Siehe dazu schon die Nachw. zur Rechtsprechung des EuGH im Kartell- und Zollrecht in Fn. 80 und 84. 118 Auch aus Art. 9 Abs. 1 MAR folgt nichts anderes, sogleich § 2 C. III. 5.

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auch zulasten der juristischen Person gehen muss119. Anders gewendet erklärt der Grundsatz der Verhaltensabhängigkeit nur, dass die Zurechnung subjektiver Elemente von dem jeweils rechtserheblichen objektiven Verhalten abhängt und dass – weil auch das objektive Verhalten zugerechnet werden muss – die Zurechnung subjektiver und objektiver Beiträge einheitlichen Regeln folgt. Mit dieser Erkenntnis ist ein wesentlicher Schritt aber schon getan. Denn bei der Zurechnung objektiven Verhaltens besteht zumindest im Ausgangspunkt Klarheit. Maßstab der Zurechnung ist insofern die betriebsinterne Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsverteilung durch die juristische Person. Der Grundsatz der Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsabhängigkeit besagt, dass eine Zurechnung nur dort erfolgen darf, wo sich ein Gehilfe in dem ihm jeweils übertragenen Tätigkeitsbereich „bewegt“. Dahinter stehen mehrere Überlegungen. Zum einen beruht die Zurechnung darauf, dass ein Geschäftsherr, der sich die Arbeitsteilung zunutze macht, neben deren Vorteilen auch deren Nachteile tragen soll120; Vorteile hat der Geschäftsherr aber überhaupt nur dort, wo er den Gehilfen auch konkret einsetzt121. Zum anderen ist eine Zurechnung gerechtfertigt, wenn und weil der Geschäftsherr das Verhalten der Gehilfen durch deren sorgfältige Auswahl, Instruktion und Kontrolle am besten beherrschen kann122. Auch daraus folgt, dass die Zurechnung in den Bahnen verlaufen muss, in denen der Geschäftsherr das damit verbundene Risiko durch Gestaltung der Gehilfenzuständigkeiten 119 Konkret für Art. 17 Abs. 1 MAR in eine andere Richtung aber Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 89, der die Möglichkeit des Emittenten zur Ad-hocMitteilung immer schon dann bejaht, wenn die Information irgendeinem Unternehmensangehörigen bekannt ist. Damit wird die Zurechnungsbeziehung zwischen dem Wissensträger und dem Emittenten aber nur unterstellt. Zwar kann die Information bei entsprechender Unternehmensorganisation weitergeleitet werden, der Emittent ist dafür aber auf das Verhalten des Wissensträgers angewiesen. Dem Emittenten ist die Ad-hoc-Mitteilung also umgekehrt erst dann möglich, wenn ihm dieses Verhalten auch zuzurechnen ist. 120 Zu § 278 BGB Mugdan II, S. 16 = Motive II. S. 30; BGH v 24.11.1995  – V ZR 40/94, NJW 1996, 451; Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten, S. 56 ff., 83 ff.; MünchKomm. BGB / Grundmann8, § 278 BGB Rn. 3; Staudinger / L öwisch (2014), § 278 BGB Rn. 1; B ­ eckOGK / ​ Schaub, § 278 BGB (Stand: 01.09.2019) Rn. 3 f.; Jauernig / Stadler17, § 278 Rn. 1 f.; Wolf, ZIP 1998, 1657, 1659 f.; zurückhaltend Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 143 ff.; kritisch auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 58 f.; siehe zu § 166 BGB nur Engelhardt, Wissensverschulden, S. 34; Schultz, NJW 1990, 477, 480; ferner Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 386 f; Buck, Wissen und juristische Person, S. 131, m. z. N. 121 Siehe nur Buck, Wissen und juristische Person, S. 131; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 147 f. 122 Eingehend zum Zurechnungsgrund der Gefahrbeherrschung Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 347 ff., 413 ff., 439; außerdem Buck, Wissen und juristische Person, S. 127 ff.; Engelhardt, Wissensverschulden S. 34 f.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 633 f.; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, S. 71 f.; Taupitz, FS E. Lorenz, 1994, S. 673, 684; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 388 ff., 489 f.; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 197, 200 f.; ders., NJW 1993, 889, 891; Jung, Wissenszurechnung, S. 70 f.; zur Risikozuweisung als Zurechnungsprinzip der Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff.; ausf. zu der damit verbundenen ökonomischen Analyse der Einstandspflicht Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 199 ff.

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tatsächlich steuern kann123. Diese Zurechnungsgrundsätze gelten grundsätzlich unabhängig von der Einordnung des Falls in einen bestimmten Rechtsbereich: Im rechtsgeschäftlichen Verkehr etwa kann der Vertretene durch Ausgestaltung der Vollmacht im Grundsatz entscheiden, inwieweit ihm das Vertreterwissen und -verhalten zuzurechnen ist124; im deliktischen Bereich setzt die Haftung eines Geschäftsherrn für Delikte seiner Verrichtungsgehilfen und Organwalter stets voraus, dass der Gehilfe in Verrichtung der ihm übertragenen Tätigkeit gehandelt hat125. Im Unionsrecht gilt auch insofern nichts anderes. Verwiesen sei erneut auf das EU-Kartellrecht, nach dem das Unternehmen für eine verbotene Absprache seines Mitarbeiters nur haftet, wenn und weil es den Mitarbeiter mit einer entsprechenden „Berechtigung“ ausgestattet hat126. Im Zollrecht wiederum ist eine Gesellschaft für die unterlassene Anmeldung einer Ware bei deren Verbringen in das Unionszollgebiet nur verantwortlich, wenn und weil der handelnde Mitarbeiter gerade mit dem Verbringen der Ware betraut wurde127. Und auch die Zurechnung eines gemäß Art. 14 lit. a) MAR verbotenen Insidergeschäfts nach Art. 8 MAR zur juristischen Person setzt voraus, dass die natürliche Person „im Auftrag“128 der Gesellschaft gehandelt hat. Letzteres ist zwar nicht streng zivilrechtlich129, doch aber so zu verstehen, dass das Insidergeschäft irgendwie in den Aufgabenbereich des handelnden Mitarbeiters fallen muss130. Die Legitimation der Zurechnung liegt damit auch nach unionsrechtlichen Grundsätzen in der Entscheidung des „Geschäftsherrn“, jemanden für sich in einer bestimmten Angelegenheit handeln zu lassen. 123

Bei der gesetzlichen Vertretung, etwa der des Kindes durch seine Eltern (§ 1629 Abs. 1 BGB), bleibt es mangels Gefahrbeherrschung i. d. R. beim Zurechnungsgrund des angemessenen Interessenausgleichs, also der Überlegung, dass derjenige, zu dessen Gunsten eine Vertretung stattfindet, auch die daraus folgenden Nachteile tragen muss; dazu auch Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 440 f. Für die organschaftliche Vertretung durch die Geschäftsleiter (§ 78 AktG, § 35 GmbHG) gilt diese Einschränkung aber richtigerweise nicht, weil diese Vertretung sehr wohl auf einen Willensentschluss der juristischen Person zurückgeht, die durch die Gesellschafter- und Hauptversammlung und ggf. den Aufsichtsrat auch Kontrolle auf die Geschäftsleitung ausüben kann und muss; insoweit anders aber Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 441. 124 Dazu Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 633 f. 125 In Deutschland §§ 31, 831 Abs. 1 Satz 1 BGB; in Frankreich Art. 1242 al. 5 code civil; in Italien Art. 2049 codice civile; im Rechtskreis des Common Law, das dem Prinzip des respondeat superior folgt, gilt dasselbe; zu Letzterem noch § 2 C. VI. 126 Vgl. die Rechsprechungsnachw. in Fn. 80; vergleichbare Überlegungen gelten außerdem für die Einstandspflicht des Unternehmens für das Verhalten eines von ihm eingeschalteten Dienstleisters; dazu EuGH v. 21.07.2016 – C-542/14, ECLI:EU:C:2016:578 Rn. 28 ff.; Brömmelmeyer, WuW 2017, 174, 178 ff. 127 Rechsprechungsnachw. in Fn. 84. 128 So der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 MAR. ErwG 30 S. 3 spricht demgegenüber vom Handeln „im Namen“, die englische Sprachfassung beide Male vom Handeln „on behalf“ der juristischen Person. 129 Dazu Klöhn MAR / Klöhn, Art. 8 Rn. 93, ders., NZG 2017, 1285, 1291. 130 Vgl. Klöhn MAR / Klöhn, Art. 8 Rn. 93 f.; ders., NZG 2017, 1285, 1291 f. Besser als in der deutschen Sprachfassung kommt dies im englischen Text des ErwG 30 S. 3 zur Geltung, in dem es heißt, dass die Mitarbeiter „within their employment“ gehandelt haben müssen.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Die Konkretisierung der für die Zurechnung erforderlichen Zuständigkeiten hängt nun von der jeweiligen Vorschrift und insbesondere davon ab, ob sie ein Handeln oder ein Unterlassen sanktioniert. Die erste Fallgruppe kann Schwierigkeiten bereiten, weil die Zurechnung einer verbotenen Handlung – und die sie begleitenden subjektiven Umstände – nicht voraussetzen kann, dass diese Handlung selbst zu den Aufgaben des Gehilfen gehört. Es kann also, wie die genannten Beispiele aus dem Unionsrecht, aber auch die §§ 31, 831 BGB zeigen, nur um einen entfernteren Zusammenhang zwischen der Handlung und den übertragenen Zuständigkeiten, also um eine „Berechtigung“ im weiteren Sinn, gehen131. Erheblich leichter fällt die Bestimmung des erforderlichen Aufgabenbereichs hingegen in den hier interessierenden Fällen, in denen die jeweilige Vorschrift wie Art. 17 Abs. 1 MAR und § 97 Abs. 1 WpHG an einen bestimmten Bewusstseinszustand eine Handlungspflicht oder -obliegenheit knüpft, also ein Unterlassen sanktioniert. Ein vorschriftswidriges Unterlassen ist dann grundsätzlich zurechenbar, wenn der Gehilfen gerade für die Erfüllung der Pflicht oder Obliegenheit zuständig ist. 3. Zurechnung subjektiver Elemente seitens nur „mittelbar“ zuständiger Gehilfen Auf den ersten Blick folgt aus den Grundsätzen der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung, dass in objektiver und subjektiver Hinsicht stets nur die Gehilfen zu berücksichtigen sind, die für das ganz konkret von der Vorschrift erwartete Verhalten zuständig sind – bei der Pflicht zur Aufklärung über einen Sachmangel etwa die Vertreter, die dem Käufer beim Vertragsschluss oder den Vertragsverhandlungen gegenübertreten. Tatsächlich lassen aber schon die nationalen Vorschriften des Stellvertretungsrechts, die wie § 166 Abs. 2 BGB unter bestimmten Umständen auch den Bewusstseinszustand des Vertretenen selbst berücksichtigen132, daran zweifeln, ob mit einem solchen Verständnis die maßgeblichen Wertungen der Zurechnung vollständig erfasst wären. Denn nicht nur die nach außen handelnden oder für eine Maßnahme im engeren Sinn zuständigen Personen vermitteln der juristischen Person die Möglichkeit normgemäßen Verhaltens. In Betracht kommen vielmehr weitere natürliche Personen, die die jeweilige Maßnahme – etwa durch vorbereitende oder unterstützende Tätigkeit – entscheidend 131 Zu diesem Zusammenhang bei § 31 BGB statt vieler nur MünchKomm. BGB / L euschner 8, § 31 BGB Rn. 22, bei § 831 BGB nur MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 831 Rn. 25 ff.; ganz Ähnliches gilt außerdem für § 278 BGB, nach dem eine Einstandspflicht des Schuldners nicht schon dann ausgeschlossen ist, wenn der Erfüllungsgehilfe seine Befugnisse eigenmächtig oder gar in strafbarer Weise überschreitet, solange nur der innere Zusammenhang zu dem ihm übertragenen Aufgabenkreis gewahrt bleibt, dazu m. w. N. nur BGH 29.01.1997 – VIII ZR 356/95, NJW 1997, 1233, 1235. 132 Zu vergleichbaren Vorschriften in Europa v. Bar / Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference (DCFR), Full Edition, Vol. 1, Book II, S. 146 ff.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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beeinflussen können und sollen und daher „Handlungsverantwortung“ tragen133. Sollen solche Mitarbeiter die betriebsintern zuständige Stelle überhaupt erst mit den jeweils relevanten Informationen versorgen, steuern sie mit der betriebsinternen Informationsweitergabe die Wissensverwendung und damit die Möglichkeit normgemäßen Verhaltens in demselben Maße wie die unmittelbar zuständigen Personen selbst134. Gehört dieses Nutzbarmachen von Informationen zu den ihnen übertragenen Aufgaben, ist auch die wertungsmäßige Legitimation der Zurechnung des Wissens solcher nur „mittelbar“ zuständigen Gehilfen gegeben135. Vom Ergebnis leuchtet das auch deshalb ein, weil die Wissenszurechnung nicht davon abhängen kann, ob die juristische Person Bereiche, in denen relevante Informationen zur Kenntnis genommen werden, personell von den Bereichen trennt, in denen diese Informationen rechtserheblich werden. Dieses funktionale Gehilfenverständnis lässt sich im Unionsrecht mangels klarer Zurechnungsregeln zwar nur erahnen. Immerhin angedeutet wird es aber in Art. 9 Abs. 1 MAR, nach dem die Haftung juristischer Personen wegen verbotenen Insiderhandels nicht nur dann in Betracht kommt, wenn die handelnden Personen sämtliche Tatbestandsmerkmale selbst verwirklichen, sondern auch das Insiderwissen „mittelbarer Täter“ schaden kann, die das Handeln nur beeinflussen konnten. Bestätigung findet die Lösung aber auch auf nationalrechtlicher Ebene. Neben den im anglo-amerikanischen Rechtsraum vorzufindenden Lösungen136 ist hier besonders das Verständnis einer Wissens- und Verschuldenszurechnung hervorzuheben, das der BGH für Teile des deutschen Zivilrechts geprägt hat. Die Rede ist in erster Linie von der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats im Werkvertragsrecht, bei der es um die Bestimmung der Personen geht, die für die Pflicht eines Werkunternehmers zur Mängeloffenbarung gegenüber dem Besteller als relevante Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB anzusehen sind. Ein arglistiges Verschweigen von Baumängeln wird dem Werkunternehmer zur Begründung eigener Arglist im Sinn des § 638 BGB a. F. bzw. § 634a Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. danach zunächst von den Mitarbeitern aus zugerechnet, die für die Ablieferung des Werks zuständig sind137. Das leuchtet nach bisher Gesagtem unmittelbar ein, weil es diese Mitarbeiter sind, die in dem für die Mängeloffenbarung relevanten Zeitpunkt mit dem Besteller in Kontakt treten und diesen daher informieren können 133 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 177; vgl. außerdem Engelhardt, Wissensverschulden, S. 31 f., 35 ff.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 127 ff.; ders., ZIP 2005, 1305, 1310 f.; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1838; Schilken, Wissenszurechnung, S. 226; zum Argument der Handlungsverantwortung auch Iro, ÖBA 2001, 3, 9 ff., der daneben aber eine handlungsunabhängige Wissenszurechnung befürwortet, wenn ein in die jeweilige Maßnahme nicht involvierter Gehilfe das relevante Wissen im Rahmen seiner Tätigkeit erlangt hat (a. a. O., S. 17 ff.). Letzteres entspricht einer weit verstandenen „Wissensvertretung“, dazu auch noch § 3 B. III. 2. 134 Vgl. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 184 f. 135 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 184 f.; etwas restriktiver wohl Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 166 f. 136 § 2 C. VI. 137 Siehe Nachw. in Fn. 139.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

und sollen. Relevant sollen darüber hinaus aber auch jene Hilfspersonen sein, die zwar nicht mit der Ablieferung befasst sind, deren Aufgabe es aber ist, das Werk auf Mangelfreiheit zu prüfen und etwaige Mängel betriebsintern zu kommunizieren138. Denn sie versetzen den Unternehmer überhaupt erst in die Lage, seine Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller zu erfüllen139. Der VII. Zivilsenat argumentiert also mit der dem Geschäftsherrn durch seine Hilfspersonen vermittelten Möglichkeit normgemäßen Verhaltens und kombiniert im Ergebnis die objektiv unterlassene Aufklärung der abliefernden Mitarbeiter mit der subjektiven Arglist weiterer „mittelbarer“ Erfüllungsgehilfen140. Ganz Ähnliches ist unter dem Schlagwort der Verhandlungs- und Vermittlungsgehilfen außerdem von der Wissenszurechnung bekannt. Gemeint sind die Fälle, in denen das Wissen und Wissenmüssen des Gehilfen wegen seines Einflusses auf das Rechtsgeschäft zugerechnet wird, auch wenn dieses Rechtsgeschäft ohne seine Beteiligung abgeschlossen wird141. In dieselbe Richtung geht schließlich die Rechtsprechung zur Bestimmung der Personen, die einer juristischen Person die für die 138

Dazu gehört nach der Rechtsprechung des BGH nicht jeder in die Errichtung des Werks eingeschaltete Mitarbeiter. Eine Pflicht zur internen Mängelkommunikation wird man aufgrund der arbeitsrechtlichen Treuepflicht zwar auch für jeden dieser Mitarbeiter annehmen müssen. Entscheidend ist für den BGH aber zu Recht der Grund der Verpflichtung: Nicht schon eine zuständigkeitsunabhängige Nebenpflicht, sondern erst die „spezielle Aufgabe“ (BGH v. 20.12.1973 – VII ZR 184/72, NJW 1974, 553, 554) der Mängelaufdeckung und -kommunikation genügt; zu der Überlegung, die Mängelmitteilung aber als Minus zur Hauptpflicht jedes für die Herstellung des Werks verantwortlichen Mitarbeiters anzusehen noch unten § 2 C. IV. 2. c) bb). 139 St. Rspr., BGH v. 20.12.1973 – VII ZR 184/72, NJW 1974, 553, 554; BGH v. 15.01.1976 – VII ZR 96/74, BGHZ 66, 43, 44 f.; BGHZ 62, 63, 68; BGH v. 12.03.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318, 320; BGH v. 12.10.2006 – VII ZR 272/05, BGHZ 169, 255, 258 f. Rn. 14; außerdem BGH v. 30.11.2004 – X ZR 43/03, NJW 2005, 893. 140 Im Lauf der Zeit hat der BGH diesen Grundsatz aber auch im Werkvertragsrecht verwässert, indem er es zur Begründung der Arglist (alternativ) ausreichen lässt, dass ein Mangel bei ordnungsgemäßer Organisation erkannt worden wäre; BGH v. 12.03.1992 – VII ZR 5/91, BGHZ 117, 318, 320 f.; BGH v. 30.11.2004 – X ZR 43/03, NJW 2005, 893; BGH v. 11.10.2007 – VII ZR 99/06, BGHZ 174, 32, 35 f.; zutr. Kritik daran bei Merl, DNotZ 1993, 675, 679 f.; Rutkowsky, NJW 1993, 1748; zutr. wiederum BGH v. 22.07.2010 – VII ZR 77/08, NJW-RR 2010, 1604, 1606, der für die Arglist – allerdings mit zweifelhaftem Verweis auf BGHZ 117, 318 – verlangt, dass der Unternehmer die Kenntniserlangung gerade verhindern wollte; so wohl auch das Verständnis von Lang, FS Odersky, S. 583, 586 f.; zur Kritik an einem auf Organisationspflichten abstellenden Zurechnungsverständnis ausf. § 3 B. IV. 3. b), c). 141 Dazu schon RG v. 03.04.1902 – VI 391/01, RGZ 51, 147, 150 f.; weiter BGH v. 19.11.1981 – VII ZR 238/80, BGHZ 82, 219, 224 (Wissenszurechnung vom vermittelnden Reisebüro zum Reiseveranstalter); BGH v. 13.02.1989  – II ZR 179/88, NJW-RR 1989, 931, 932; BGH v. 13.12.1990 – III ZR 333/89, NJW-RR 1991, 439, 441; BGH v. 08.01.2004 – VII ZR 181/02, NJW 2004, 2156, 2157; LAG Rheinl.-Pf. v. 28.10.2011 – 9 Sa 380/11, juris Rn. 20 ff.; ähnlich die sog. „Auge und Ohr“-Rechtsprechung aus dem Versicherungsvertragsrecht, grundlegend BGH v. 11.11.1987 – IVa ZR 240/86, BGHZ 102, 194, 197. Nichts „Besonderes“ ist hingegen die Fallkonstellation, in der eine Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung mit dem Verhalten eines nur im vorvertraglichen Stadium auftretenden Gehilfen begründet wird. Denn dort wird der Gehilfe ja selbst im Außenverhältnis tätig und soll die vorvertraglichen Pflichten selbst unmittelbar erfüllen; dazu etwa BGH v. 14.05.2004 – V ZR 120/03, NJW-RR 2004,

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Verjährungsfrist nach § 852 BGB a. F. bzw. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. relevante Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers vermitteln. Auch hier versteht der BGH die Zuständigkeit für die Geltendmachung der Ansprüche, von der er die Wissenszurechnung zu Recht abhängig macht, nicht ausschließlich im Sinn einer „Verfahrenszuständigkeit“, sondern bezieht auch diejenigen Personen sein, die nur mit vorbereitenden Tätigkeiten befasst sind142. Die Einbeziehung nur mittelbar zuständiger Gehilfen kann allerdings schwierige Fragen aufwerfen. Dies gilt namentlich für den Fall, in dem eine solche Hilfsperson die ihm aufgetragene Weitergabe der relevanten Information an die unmittelbar zuständige Stelle nur fahrlässig unterlässt oder die Kommunikation sogar unverschuldet fehlgeht. Dann muss nämlich entschieden werden, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, der juristischen Person das positive Wissen des Gehilfen zuzurechnen, oder nicht vielmehr ein Fall der – allenfalls fahrlässigen – Unkenntnis vorliegt. Weil Art. 17 Abs. 1 MAR bereits ein Wissenmüssen genügen lässt143, beschränkt sich die Frage im hier interessierenden Kontext auf die Fälle unverschuldeter Kommunikationsmängel. Diese dürften zwar selten sein. Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine zu veröffentlichende Insiderinformation die zuständige Stelle aufgrund unvermeidbarer Verhinderung des Wissensvermittlers nicht erreicht. Dann stellt sich die Frage, ob der Emittent kraft zugerechneter Kenntnis verpflichtet ist, die Information zu veröffentlichen144, oder ob ihm die Veröffentlichung in diesen Fällen gerade nicht im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR möglich ist. Problematisch sind in dieser Hinsicht bei Licht besehen nur Vorschriften, die ausdrücklich an ein Wissen oder Wissenmüssen anknüpfen. Wie erwähnt folgt zwar auch bei diesen Vorschriften die meist negative Rechtsfolge aus der enttäuschten Erwartung eines möglichen Wissenseinsatzes seitens des Normadressaten oder seines Gehilfen. Trotz unverschuldeten – also nicht vermeidbaren – Versäumnis der Wissensnutzung seitens des Gehilfen könnte man bei diesen Vorschriften zugunsten einer Wissenszurechnung aber anführen, dass sie tatbestandlich eben nur ein Wissen oder Wissenmüssen verlangen, also keinen Raum für eine weitere wertende Differenzierung danach lassen, ob die Information auch tatsächlich nutzbar war145. Vorweggenommen sei hier aber, dass das Problem wenigstens für 1196, 1197; BGH v. 30.03.2007 – V ZR 89/06, BB 2007, 1077; BGH v. 04.07.2017 – II ZR 358/16, NZG 2017, 1033. 142 BGH v. 18.01.1994 – VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151; BGH v. 09.03.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411, 1412 f. 143 § 2 A. II. 144 Bzw. sich die Unverzüglichkeitsfrist für ihn kraft zugerechneter Kenntnis verkürzt; siehe dazu die Anm. in Fn. 15. 145 Vgl. dazu Iro, ÖBA 2001, 3, 19 f., der zum österreichischen Recht mit vergleichbaren Überlegungen Einschränkungen der Beachtlichkeit des Wissens des Geschäftsherrn, das dieser erst noch an den handelnden Gehilfen weiterleiten muss, ablehnt; vgl. zudem Iro, a. a. O., S. 21 f. Denkbar wäre es aber auch, das Wissen des Geschäftsherrn nur zu vermuten und ihm den Gegenbeweis zu ermöglichen, dass der eingesetzten Hilfsperson die Wissensverwendung nicht möglich war bzw. sie fahrlässig unterblieben ist. Letzteres würde genügen, wenn die Vor-

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Art. 17 Abs. 1 MAR im gegenteiligen Sinn zu lösen ist, ein Verstoß gegen die Adhoc-Publizitätspflicht im Fall unverschuldeter Wissensverwendung durch einen insofern relevanten Unternehmensangehörigen also ausscheidet. Denn anders als bei „echten“ Wissens- oder Wissenmüssensnormen ist die Möglichkeit der Informationsnutzung bei Art. 17 Abs. 1 MAR nicht nur wertendes Kriterium, sondern ausdrückliches Tatbestandsmerkmal146. Selbst wenn man dem Emittenten das Insiderwissen in den genannten Problemfällen zurechnen wollen würde, müsste daher die für die Pflichtverletzung entscheidende Möglichkeit der Veröffentlichung verneint werden. 4. Keine ausschließlich normbezogenen Zurechnungsgrundsätze Zunehmend wird darauf bestanden, dass die (Verhaltens-, Verschuldens- und Wissens-)Zurechnung gerade nicht anhand allgemeiner Grundsätze, sondern stets nur normabhängig zu beurteilen sei147. Dem ist nach dem Vorstehenden nur eingeschränkt zuzustimmen. Dass es keine allgemeinen Zurechnungsgrundsätze gibt148, ist nur insoweit richtig, als mit dem weiten Begriff der Zurechnung ganz unterschiedliche Sachverhalte begrifflich zusammengefasst werden, die inhaltlich nur wenig miteinander zu tun haben. Selbstverständlich ist danach, dass Zurechnungsvorschriften, bei denen es nicht um die Zurechnung von Verhalten, Verschulden oder Wissen gehen muss, sondern die auch die Zuordnung von Stimmrechten, Vermögensgegenständen, Gewinnen und verschiedensten Sachverhalten zum Normadressaten betreffen können149, ganz unterschiedliche Regelungsziele verfolgen, die bei der Auslegung der Zurechnungsnorm zu berücksichtigen sind. Hier geht es allerdings „nur“ um die Zurechnung im engeren Sinn150, also die Verhaltens-, Verschuldens- und Wissenszurechnung bei arbeitsteiligem Handeln. Zu dieser äußern sich Pflicht- oder Obliegenheitsnormen (wie Art. 17 Abs. 1 MAR) in aller Regel nur rudimentär, weil die Grundsätze der Zurechnung nach tradierter Gesetzestechnik sehr wohl vorschriftübergreifend „vor die Klammer“ gezogen sind. Soweit diese Vorschriften eine Rechtsfolge an ein Wissen oder Wissenmüssen knüpfen, ist ihnen meist nicht mehr als der allgemeine Gedanke zu entnehmen, dass der Normadressat bestimmte Informationen in sein Verhalten einfließen lassen kann und soll. Auf diesem Gedanken beruht die Verhaltens- und Aufgabenschrift Wissen verlangt; Ersteres wäre erforderlich, wenn bereits ein Wissenmüssen genügt, weil dann auch die fahrlässig unterbliebene Wissensnutzung nicht entlasten würde. 146 Dazu schon oben § 2 A. mit Fn. 13. 147 Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1841 ff.; ferner Seidel, AG 2019, 492 ff.; vgl. zu Art. 17 MAR außerdem Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31; ders., AG 2019, 273, 278. 148 Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845. 149 Siehe dazu die Kategorisierung bei Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1838 ff. 150 Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1839 f.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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abhängigkeit der Zurechnung, die im Grundsatz allgemein anerkannt ist151. Dass die konkrete Bestimmung der relevanten Zurechnungspersonen, also das Ergebnis der Anwendung der allgemeinen Grundsätze, nur im Einzelfall und in Abhängigkeit von der jeweils relevanten Vorschrift erfolgen kann, versteht sich von selbst. Auch die deutsche Rechtsprechung liefert keine tragfähige Stütze für die Annahme einer in erster Linie normbezogenen Zurechnung152. Zwar wird dort angedeutet, dass bei der Wahl der Zurechnungsgrundsätze immerhin nach der Einordnung der relevanten Vorschrift in das Vertrags- oder das Deliktsrecht zu unterscheiden sei153. Richtigerweise beruht das aber nur auf der unberechtigten Abkehr von den sonst weiterhin anerkannten Grundsätzen der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung allein im rechtsgeschäftlichen Bereich154. Die Loslösung von allgemeinen Zurechnungsprinzipien birgt demgegenüber die Gefahr beliebiger Ergebnisse und eher rechtspolitisch motivierter Lösungsvorschläge155. Dass normbezogene Besonderheiten bei der Zurechnung im engeren Sinn keine Berücksichtigung finden sollten, ist damit nicht gesagt. Zumindest im Grundsatz sollte die normspezifische Konkretisierung allgemeiner Zurechnungsregeln aber als klassische Aufgabe des Gesetzgebers verstanden werden, von dem man sich durchaus häufig mehr Problembewusstsein für diese Fragen wünscht. 5. Kein Entgegenstehen des Art. 9 Abs. 1 MAR Bereichsspezifisch wird gerade im neuen Marktmissbrauchsrecht ein Zurechnungsverständnis vertreten, das dem hier beworbenen Modell einer Zurechnung subjektiver Elemente (nur) seitens aller „Einflussnehmer“ bzw. „Handlungsverantwortlichen“ diametral entgegengesetzt ist. Art. 9 Abs. 1 MAR soll danach die Vorstellung zugrunde liegen, dass das gesamte innerhalb der juristischen Person vorhandene Insiderwissen aufgabenunabhängig zusammen- und der juristischen Person zugerechnet werde156. Mit einer solchen Zusammenrechnung könnte die juristische Person für die von ihren Mitarbeitern abgeschlossenen Insidergeschäfte grundsätzlich auch dann haftbar gemacht werden, wenn das relevante Insiderwissen nur bei völlig unbeteiligten Personen vorhanden war157. Von dem Grundsatz der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung würde dies ersicht 151

Siehe dazu nur die Belege zu den Ausführungen unter § 2 C. II. 1.–3. U. a. auf sie stützt sich Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845 f. 153 Näher unten § 3 B. III. 3. 154 Zur Kritik § 3 B. IV. 3. 155 Letztlich rechtspolitisch argumentierend denn auch Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f.; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff. 156 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 8 Rn. 108 ff.; ders., NZG 2017, 1285, 1290 f.; Schwark / Zimmer / Kumpan / Schmidt5, Art. 9 MAR Rn. 22, jew. mit Verweis auf Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 402, dem diese Aussage aber so nicht zu entnehmen ist; wohl auch BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.4.2.5.2.1.1 (S. 56). 157 Klöhn, NZG 2017, 1285, 1291. 152

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

lich abweichen, da ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 MAR dann konstruiert werden könnte, indem der objektive Beitrag des Abschlusses eines Insidergeschäfts einer Person mit dem subjektiven Beitrag in Form des Insiderwissens einer völlig unbeteiligten Person kombiniert werden könnte. Um die These einer Art. 9 Abs. 1 zugrundeliegenden Wissenszusammenrechnung nachvollziehen zu können, ist erneut der Blick auf das „Spector Photo Group“-Urteil des EuGH158 zu werfen159. Genau wie die „Spector-Vermutung“ des EuGH betrifft auch Art. 9 Abs. 1 MAR dem Wortlaut nach nur die „Nutzung“ von Insiderwissen. Da die Frage nach der Wissensnutzung aber erst relevant wird, wenn die Frage nach der Kenntnis der Insiderinformation bereits bejaht wurde, könnte man in der Tat auf die Idee kommen, dass Art. 9 Abs. 1 MAR davon ausgeht, das Insiderwissen aller Mitarbeiter innerhalb der juristischen Person sei zusammen- und der juristischen Person zuzurechnen160. Denn auf die Widerlegung der Nutzungsvermutung mittels organisatorischer Maßnahmen, die sicherstellen, dass weder bei den Handelnden noch bei sonstigen „Einflussnehmern“ Insiderwissen vorhanden war, kommt es ja tatsächlich nur an, wenn der juristischen Person auch das Wissen weiterer, unbeteiligter Mitarbeiter zugerechnet werden kann. Auch wenn man den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 MAR mit dieser Überlegung für die Annahme einer der Vorschrift zugrundeliegenden Wissenszusammenrechnung anführen kann, sprechen teleologische Erwägungen dafür, sie anders zu verstehen. Bei näherem Hinsehen erscheint Art. 9 Abs. 1 MAR vielmehr als missglückte Fortführung der „Spector Photo Group“-Entscheidung, die sich der Frage der Nutzung des Insiderwissens durch juristische Personen widmet, ohne die Vorfrage des Insiderwissens juristischer Personen durchdacht zu haben. Die vom EuGH aufgestellte Vermutung gründet darauf, dass bei demjenigen, der in Kenntnis einer Insiderinformation ein Insidergeschäft abschließt, das Wissen in aller Regel auch in den Entscheidungsprozess eingeflossen ist, also „genutzt“ wurde161. Innerhalb juristischer Personen hat eine solche Vermutung allerdings offensichtlich keine tatsächliche Grundlage, wenn das Insiderwissen weder bei den Handelnden noch bei sonstigen „Einflussnehmern“ vorhanden ist. An das Wissen nur Unbeteiligter kann die „Spector-Vermutung“ daher jedenfalls nicht unmittelbar anknüpfen162. Einer Vermutung zugänglich ist hingegen der Umstand, dass – sofern ein Insidergeschäft abgeschlossen wurde163  – betriebsinternes Insiderwissen zuvor zu den handelnden Personen gelangt ist oder eine Beeinflussung letzterer stattgefunden 158

EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 (Spector Photo Group NV). Zu dieser Rechtsprechung auch schon oben § 2 C. I. 160 So Klöhn MAR / Klöhn, Art. 8 Rn. 108 ff.; ders., NZG 2017, 1285, 1290 f. 161 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 (Spector Photo Group NV), Rn. 36. 162 Anders aber Klöhn, NZG 2017, 1285, 1290. 163 Dieser Umstand ist ausschlaggebend für eine solche Vermutung. Ohne den Anknüpfungspunkt des Insidergeschäfts fehlt die Grundlage für die vermutete Weitergabe der Information. Eine generelle Vermutung dahingehend, dass Wissen eines beliebigen Mitarbeiters zugleich Wissen der juristischen Person ist, hat also keine Grundlage. 159

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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hat. Da die von Art. 9 Abs. 1 MAR genannten organisatorischen Maßnahmen die betriebsinterne Informationsweitergabe gerade verhindern sollen, geht die Vorschrift also offenbar nicht nur von der „Spector“-Nutzungsvermutung, sondern in erster Linie von einer Vermutung für die betriebsinterne Wissensweitergabe aus164. Art. 9 Abs. 1 setzt damit aber einen Schritt vor „Spector“ an und klärt zunächst die im EuGH-Fall unproblematische Frage, ob das Insiderwissen als Grundlage der Nutzungsvermutung überhaupt vorliegt. Wenn dies richtigerweise nur bei Kenntnis der Handelnden und sonstigen „Einflussnehmern“ der Fall ist, liegt es nahe, nur dieses Wissen auch als das Wissen der juristischen Person anzusehen. Mit diesem Verständnis fällt außerdem die Lösung des Falls leicht, in dem betriebsintern vorhandenes Insiderwissen erwiesenermaßen weder zu dem jeweils handelnden Mitarbeiter noch zu sonstigen „Einflussnehmern“ gelangt ist. Nach hiesiger Auffassung haftet die juristische Person dann schon mangels eigener Kenntnis selbst dann nicht, wenn sie die Anforderungen des Art. 9 Abs. 1 lit. a) MAR nicht eingehalten hat. Dies ist deshalb richtig, weil das Wissen dann nicht kausal für das Geschäft werden konnte. Nicht so unmittelbar leuchtet die Begründung desselben Ergebnisses aber bei der erwähnten Annahme einer Wissenszusammenrechnung ein. Sie müsste lauten, dass die juristische Person, obwohl sie Kenntnis von der relevanten Information hatte, diese deshalb nicht genutzt hat, weil es schon an dem Wissen derjenigen natürlichen Personen fehlte, die allein dieses Wissen überhaupt hätten nutzen können. Diese Vermengung von Fragen des Wissens und dessen Nutzung vermeidet das hiesige Verständnis, indem es von einem Gleichlauf von Kenntnis und Nutzung seitens der relevanten natürlichen Personen einerseits und Kenntnis und Nutzung seitens der juristischen Person andererseits ausgeht. Auch gegen den Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 MAR verstößt diese Auslegung freilich nicht, weil sich mit der Widerlegung der Wissensvermutung ja in der Tat auch die in der Vorschrift leider allein angesprochene Nutzungsvermutung erledigt. Selbst wenn man mit der oben genannten Auffassung dennoch von einer Wissenszurechnung sämtlicher Unternehmensangehöriger ausgehen will, wird man daraus aber jedenfalls keine Regel für das Marktmissbrauchsrecht insgesamt ableiten können. Denn der besondere Regelungszusammenhang des Art. 9 Abs. 1 MAR mit der vom EuGH aufgestellten Vermutung für die Nutzung vorhandenen Insiderwissens lässt eine Verallgemeinerung der Vorschrift nicht zu.

III. Zwischenfazit Zur Begründung der Haftung juristischer Personen kann dieser nach unionsrechtlichen Grundsätzen das (Fehl-)Verhalten nur der natürlichen Personen zugerechnet werden, die sich im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben „bewegen“. Auf Organmitglieder oder sonstige Führungskräfte ist der zurechnungsrelevante 164

Vgl. Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 402.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Personenkreis dabei auch außerhalb rechtsgeschäftlicher Bereiche nicht beschränkt. Knüpft eine Vorschrift eine Handlungspflicht an subjektive Elemente, können diese von allen Personen aus zugerechnet werden, die kraft der ihr übertragenen Zuständigkeit auf ein „vorschriftsgemäßes“ Verhalten hinwirken können und sollen. Der Kreis dieser zurechnungsrelevanten Verwantwortlichen kann damit über den Kreis der Personen hinausgehen, die für das von der jeweiligen Vorschrift ganz konkret in Bezug genommene Verhalten zuständig sind.

IV. Übertragung auf Art. 17 Abs. 1 MAR 1. Ausgangspunkt Der Befund, die Zurechnung subjektiver Elemente verlange eine kraft Aufgabenübertragung begründete Einflussmöglichkeit des Wissensträgers165 auf das von der Vorschrift geforderte Verhalten, bedarf der weiteren Konkretisierung mit Blick auf die jeweils relevante Vorschrift. Dabei interessiert hier mit Art. 17 Abs. 1 MAR eine Norm, die das Wissen oder Wissenmüssen einer Insiderinformation zur Voraussetzung einer Handlungspflicht bzw. deren Verletzung macht. Sind dabei wie erwähnt nur die Personen relevant, die kraft ihrer Zuständigkeit auf die Erfüllung der gesetzlichen Handlungspflicht hinwirken sollen, heißt das für Art. 17 Abs. 1 MAR, dass auf die Personen abzustellen ist, die im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgabe für eine Entscheidung über die Veröffentlichung der Insiderinformationen sorgen müssen. Sie müssen in Übereinstimmung mit den Ausführungen zum weiten Gehilfenbegriff166 nicht diejenigen sein, deren Aufgabe die Veröffentlichung selbst ist. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass sie eine Entscheidung über die Bekanntgabe der betroffenen Insiderinformation ermöglichen, mit anderen Worten Einfluss auf das „Ob“ der Mitteilung nehmen sollen167. Tun sie dies nicht und erfolgt eine Veröffentlichung daher nicht rechtzeitig168, ist zur Begründung des Normverstoßes eine „Zusammenrechnung“ der Tatbestandsmerkmale (nur) insofern gestattet, als ihr Wissen oder Wissenmüssen mit dem objektiven Unterlassen der Veröffentlichung kombiniert werden kann. Eine Zurechnung des Wissens oder Wissenmüssens seitens der mit der Ad-hoc-Publizität überhaupt nicht befassten 165 Mit dem Begriff des „Wissensträgers“ ist im Folgenden verkürzend auch die Person gemeint, die eine Information hätte kennen müssen und bei gebotener Sorgfalt daher ebenfalls auf ein vorschriftsmäßiges Verhalten hätte hinwirken können. 166 § 2 C. II. 3. 167 Die betriebsinterne Informationsweitergabe für Zwecke der Ad-hoc-Publizität verstößt nicht gegen Art. 10 Abs. 1 MAR; dazu hier nur Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 10 MAR Rn. 17 ff.; Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 106 f.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 10 Rn. 35 ff.; Mader, Informationsfluss, S. 158 f. Näher dazu im Rahmen des rechtsträgerübergreifenden Informationsflusses im Unternehmensverbund, § 4 B. III. 7. a). 168 D. h. nicht in der Zeitspanne, die unter Berücksichtigung der für die Weitergabe und Prüfung der Information erforderlichen Zeit als angemessen anzusehen ist.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Mitarbeiter gibt es hingegen nicht169. Solange nur solche Mitarbeiter eine Insiderinformation kennen (müssen), ist die „Unverzüglichkeitsfrist“ bei ordnungsgemäßer Organisation170 des Emittenten nicht überschritten. Welche Personen innerhalb des Emittenten genau für die Entstehung und Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR relevant sind, soll im Folgenden konkretisiert werden. Der Versuch der Konkretisierung soll dabei anhand der Rechtsform der deutschen Aktiengesellschaft erfolgen. Wesentliche Probleme sind mit dieser Einschränkung nicht abgeschnitten. Die Existenz eines Aufsichtsrats in der dualistischen Leitungsverfassung der deutschen Aktien­gesellschaft bedeutet vielmehr einen weiteren zu behandelnden Aspekt. Im Übrigen dürften die Überlegungen auf Gesellschaftsformen anderer europäischer Rechtsordnungen im Wesentlichen übertragbar sein. 2. Mitglieder des Vorstands a) Allgemeines Die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR fällt in den Bereich der Geschäftsführung und ist damit nach § 77 Abs. 1 AktG dem Vorstand zugewiesen171. Aus den Grundsätzen zur Bestimmung des für die Zurechnung maßgeblichen Personenkreises folgt unmittelbar, dass die Mitglieder des Vorstands zu den Personen gehören, die für die Frage der Veröffentlichungsmöglichkeit des Emittenten relevant sind. Denn kennt „der Vorstand“ eine Insiderinformation, ist es ihm zum einen möglich, über deren Veröffentlichung zu entscheiden (Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung). Dem Emittenten ist diese Möglichkeit und deren Verstreichenlassen zum anderen auch zuzurechnen, weil er die Aufgabe der Ad-hoc-Publizität in die Hände der Geschäftsleitung gelegt hat (Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung)172. 169

Tendenziell weiter Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 242 f., 251 f., der jeden zur Informationsweitergabe verpflichteten Mitarbeiter als relevant ansieht, selbst wenn die Pflicht nur vertragliche Nebenpflicht ist; näher unten § 2 C. IV. 2. c) bb); vgl. auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 409 f. 170 Näher zu den organisatorischen Anforderungen unter § 2 E. IV. 171 Siehe nur Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 38. 172 An die Stelle einer aktiven Aufgabenzuweisung durch natürliche Personen tritt insofern die Zuständigkeitsordnung der Organisationsverfassung der AG. Dies ändert nichts an der Kompetenzzuweisung durch den Emittenten, da letzterem die Entscheidungen der Gründer bzw. Anteilseigner und des Aufsichtsrats innerhalb deren Zuständigkeit zuzurechnen sind; siehe dazu auch schon die Anm. in Fn. 123. Für die Wissenszurechnung ebenfalls auf die Zuständigkeit des Vorstands für die Ad-hoc-Publizität abstellend Buck-Heeb, AG 2015, 801 ff.; Koch, ZIP 2015, 1757 ff., 1762; ferner Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 390 f.; Verse, AG, 2015, 413, 416 f.; i. R. d. Verschuldenszurechnung Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 44; LeyendeckerLangner / Kleinhenz, AG 2015, 72, 74; Schwark / Zimmer / Zimmer / Grotheer, 4. Aufl., §§ 37b, c WpHG Rn. 54.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Auch mit Blick auf den Vorstand sind damit aber mitnichten alle Fragen beantwortet. Fraglich ist zum einen, ob das Insiderwissen zur Begründung der Ad-hocPublizitätspflicht bei sämtlichen Vorstandsmitgliedern vorhanden sein muss oder ob eine beschlussfähige Mehrheit oder gar ein einzelnes Mitglied ausreicht. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn die Ad-hoc-Publizitätspflicht horizontal im Rahmen einer Ressortverteilung oder vertikal an nachgeordnete Mitarbeiter delegiert wurde und ein nicht (mehr) primär zuständiges Vorstandsmitglied Kenntnis von einer Insiderinformation erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Um diese Fragen soll es im Folgenden gehen. Den Auswirkungen der Vertraulichkeit des Insiderwissens eines Organmitglieds, das dieses bei der Wahrnehmung eines Mandats in einer anderen Gesellschaft erlangt, widmet sich die Untersuchung an späterer Stelle gesondert173. b) Maßgeblichkeit jedes einzelnen Vorstandsmitglieds bei Gesamtgeschäftsführung Auf den ersten Blick könnte man die Maßgeblichkeit der Kenntnis oder des Kennenmüssens bereits jedes einzelnen Vorstandsmitglieds auch bei Zuständigkeit des Gesamtorgans aus der Legalitätspflicht der Mitglieder folgern, durch die Weitergabe von Insiderinformationen an das Gesamtgremium auf ein gesetzeskonformes Verhalten des Emittenten hinzuwirken174. Diese Begründung würde allerdings zu kurz greifen. Denn tatsächlich ist die Legalitätspflicht nur Folge der Pflichtentstehung, nicht aber deren Begründung. Ob die Pflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR bereits mit der Kenntnis oder dem Kennenmüssen einzelner Vorstandsmitglieder entsteht bzw. die Unverzüglichkeitsfrist damit verkürzt wird, gilt es gerade zu klären. Verbleibt die Aufgabe der Ad-hoc-Publizität nach der Geschäftsverteilung beim Gesamtvorstand175, müssen grundsätzlich alle Mitglieder zusammen über eine Veröffentlichung beschließen. Daraus könnte man vielmehr schließen wollen, dass ein Wissen oder Wissenmüssen des Emittenten erst vorliegt, wenn sämtliche Organmitglieder176 oder zumindest die an einer beschlussfähigen Sitzung teilnehmenden177 Kenntnis haben oder haben müssen, da dem Emittenten erst dann 173

§ 4 F. Zur Existenz der Legalitätspflicht im Recht anderer Mitgliedstaaten Möslein, Leitungsmacht, S. 139 f. 175 Zur Möglichkeit der Delegation sogleich, § 2 C. IV. 2. c) aa). 176 So zu §§ 15, 37b WpHG a. F. (nur) im Grundsatz Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 30 f.; zu § 97 WpHG ders., NZG 2018, 1007, 1011; vgl. zu § 97 WpHG ferner Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848; vgl. zum Fall der durch sämtliche Gesellschafter einer GmbH vermittelten Kenntnis von den zur Kündigung des Geschäftsführers berechtigenden Tatsachen gem. § 626 Abs. 2 BGB zudem BGH v. 17.03.1980 – II ZR 178/79, NJW 1980, 2411; außerdem BAG v. 05.05.1977 – 2 AZR 297/76, NJW 1978, 723. 177 So für den Aufsichtsrat eines VVaG – ebenfalls i. R. d. § 626 Abs. 2 BGB (s. vorige. Fn.) – im Grundsatz BGH v. 19.05.1980 – II ZR 169/79, NJW 1981, 166. 174

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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die Entscheidung über einer Bekanntgabe tatsächlich möglich sei. Nach den oben herausgearbeiteten Zurechnungsgrundsätzen kommt es zwar in der Tat auf die durch Wissen oder Wissenmüssen vermittelte Möglichkeit der Veröffentlichung an178. Diese Möglichkeit vermittelt dem Emittenten aber nicht nur der formell zuständige Gesamtvorstand; sie vermitteln alle seine Mitglieder, weil sie die relevante Information dem Gremium mitteilen können. Es geht hier zwar nicht um den oben beschriebenen Fall der Informationsweitergabe durch nur „mittelbar“ zuständige Mitarbeiter179. Im Fall einer unmittelbar zuständigen Gehilfenmehrheit und damit auch bei Zuständigkeit des Gesamtvorstands kann aber nichts anderes gelten: Beschließen muss der Vorstand als Organ, herbeiführen kann bzw. könnte den Beschluss hingegen schon jedes einzelne Mitglied, das die Insiderinformation kennt oder kennen muss. Tragen muss der Emittent das mit einer Wissenszurechnung verbundene Haftungsrisiko deshalb, weil er schon das einzelne Vorstandsmitglied mit der Mitwirkung an der Beschlussfassung betraut hat180. Zwar genügt es, um eine Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen zu können, nicht bereits, dass das einzelne Vorstandsmitglied sein Wissen während der Beschlussfassung mitteilt, sondern es muss eine solche durch Unterrichtung des Vorstands oder dessen Vorsitzenden zunächst einmal herbeiführen. Auch das wird man allerdings als von der dem Vorstandsmitglied übertragenen Mitwirkungspflicht umfasst ansehen müssen. Darauf, ob das Vorstandsmitglied eine beschlussfähige Sitzung einberufen kann, kommt es dann nicht an, da es seine Kollegen auch außerhalb der Sitzung unterrichten kann und muss. Auch bei Gesamtzuständigkeit des Vorstands für die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht wirkt damit das Wissen oder Wissenmüssen jedes einzelnen Mitglieds – vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MAR – pflichtauslösend bzw. fristverkürzend181. Nur weil das einzelne Organmitglied für die Pflichtentstehung relevant ist, ist die Weitergabe von Insiderinformationen an das Gesamtorgan auch von der Legalitätspflicht umfasst.

178

§ 2 A. § 2 C. II. 3. 180 Vgl. dazu Baumann, ZGR 1973, 284, 296: „Er ist ja an der Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts beteiligt und hat es in der Hand, seine Kollegen aufzuklären und auf eine Gegensteuerung hinzuwirken.“; Buck, Wissen und juristische Person, S. 381: „Das Wissen eines kollektiv handelnden Organmitglieds reicht schon deshalb aus, weil es ohnehin selbst an dem betreffenden Rechtsgeschäft teilnimmt“; Schilken, Wissenszurechung, S. 103: „Eine Berufung auf die gutgläubige Unwissenheit des anderen Vertreters kann hier schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil der Geschäftsherr sämtliche Gesamtvertreter arbeitsteilig für sich tätig werden läßt und insoweit auch die Überprüfung der Verlässlichkeit bestimmter einen Vorteilsschutz hervorrufender Tatsachen ihnen überläßt“; siehe dazu auch Engelhardt, Wissensverschulden, S. 39 ff. 181 So i. E. auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 395 f. Zu demselben Ergebnis käme man auch auf Grundlage des deutschen Stellvertretungsrechts, nach welchem dem Vertretenen nach ganz herrschender Meinung das Wissen bereits eines Gesamtvertreters zuzurechnen ist; dazu die Nachw. in Fn. 180 und ausf. Buck, Wissen und juristische Person, S. 377 ff. 179

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

c) Verbleibende Relevanz bei Delegation aa) Delegationsfähigkeit der Ad-hoc-Publizität Fraglich ist weiter, ob die Zurechnungsrelevanz aller Vorstandsmitglieder berührt wird, wenn die Aufgabe der Ad-hoc-Publizität auf einzelne Organmitglieder oder nachgeordnete Mitarbeiter delegiert wird. Die Antwort auf die damit verbundene Vorfrage, ob die Ad-hoc-Publizitätspflicht überhaupt delegierbar ist, folgt richtigerweise nicht aus dem Unionsrecht, sondern aus dem Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten. Dies steht nicht im Widerspruch zur These der Maßgeblichkeit des Unionsrechts für den Begriff der Unverzüglichkeit in Art. 17 Abs. 1 MAR182. Denn das Unionsrecht muss zwar die Kriterien der Zurechnung festlegen, schreibt die betriebsinterne Aufgabenorganisation aber nicht über ein für die praktische Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizität erforderliches Maß hinausgehend vor183. Aus Art. 17 Abs. 1 MAR mag daher folgen, dass die Mitglieder eines unterhalb der Geschäftsleitung angesiedelten Ad-hoc-Publizitätsgremiums relevant für die Pflichtentstehung sind184. Ob ein solches Gremium mit echter Entscheidungsbefugnis aber überhaupt eingerichtet werden kann, ist dem nationalen Gesellschaftsrecht überlassen. Jedenfalls in Deutschland entspricht die Annahme horizontaler und vertikaler Delegierbarkeit der Veröffentlichungsentscheidung nicht nur der ganz überwiegenden Ansicht185, sondern jedenfalls zum Teil auch der gelebten 182

Zu ihr § 2 B. Zu den organisatorischen Anforderungen § 2 E. IV. 184 Dazu noch § 2 C. IV. 3. 185 Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 10 Rn. 75, 122; Groß, FS U. H. Schneider, S. 385, 390 ff.; Ihrig, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, Bd. 18, S. 113, 130 f.; Niermann / Venter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 93; Pattberg / Bredol, NZG 2013, 87, 88; Schäfer, in: MarschBarner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG4, § 15 Rn. 15.30; U. H.  Schneider / Gilfrich, BB 2007, 53, 55; implizit Assmann / Schneider / Assmann, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 298; Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 44; Monheim, Ad-hoc-Publizität, S. 309 f.; Thomale, NZG 2018, 1007, 1011 a. E.; wohl auch Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848; zumindest für die Entscheidung über eine Selbstbefreiung Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2009, 175, 179; Ihrig / Kranz, BB 2013, 451, 456; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 159, 191; Mennicke, NZG 2009, 1059, 1062; Mülbert, FS Stilz, S. 411, 417 ff.; S. H. Schneider, BB 2005, 897, 898; mit Vorbehalt bei besonderer Bedeutung des Falls Kocher / S . Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609 f.; Widder, BB 2009, 967, 972; mit der Einschr., dass mindestens ein Vorstandmitglied an der Befreiungsentscheidung mitwirken muss BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.3.1.1 (S. 36); dem folgend Bedkowski, BB 2009, 1482, 1485; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 425; Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 135; a. A. (Ad-hoc-Publizität als Leitungsaufgabe) aber BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.2.1.6 (S. 33); Braun, in: Möllers / Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rn. 49; Maier-Reimer / Webering, WM 2002, 1857, 1860; Möllers / L eisch, WM 2001, 1648, 1652; KK  WpHG / dies.2, §§ 37c, b Rn. 171; Rössner / Bolkart, ZIP 2002, 1471, 1476 a. E.; Speier, Insiderhandel und Adhoc-Publizität S. 377 f.; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2032; tendenziell auch Krämer / Heinrich, ZIP 2009, 1737, 1741. 183

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Praxis186. Gemeint ist nicht nur die Übertragung der Vorbereitung oder Ausführung einer vom Vorstand zu treffenden oder getroffenen Entscheidung, die selbst bei Einordnung der Ad-hoc-Publizität in den Bereich der unveräußerlichen Leitungsaufgaben nach § 76 AktG unschädlich wäre187. Angenommen wird vielmehr auch die Übertragbarkeit der Entscheidungsbefugnis selbst188. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Für sie streitet neben dem Bedürfnis, den Bereich unveräußerlicher Leitungsaufgaben im Interesse der Handlungsfähigkeit großer Unternehmen nicht zu weit zu fassen, auch der Umstand, dass jedenfalls die übliche typologische Umschreibung der Leitung mit den betriebswirtschaftlich geprägten Begriffen der „Planung“, „Ausrichtung“, „Koordination“ und „Kontrolle“189 nicht recht auf die Ad-hoc-Publizität passt, da es bei ihr „nur“ um die Erfüllung einer konkreten Rechtspflicht geht190. Zwar kann eine Entscheidung sowohl für als auch gegen eine Ad-hoc-Veröffentlichung weitreichende – insbesondere haftungsrechtliche – Folgen für den Emittenten zeitigen, so dass die Adhoc-Publizität auch aufgrund ihrer besonderen wirtschaftlichen Tragweite zu dem Bereich unveräußerlicher Leitungsaufgaben zu zählen sein könnte191. Zum einen aber dürfte dieser Aspekt zumindest weniger Gewicht haben, soweit es nicht um unternehmerische Ermessensentscheidungen, sondern die Erfüllung von Rechtspflichten geht192. Zum anderen ist es auch bei Annahme der Delegierbarkeit der Ad-hoc-Publizitätspflicht zumindest denkbar, die Entscheidung von Fällen mit außergewöhnlich hohen Risiken ausnahmsweise doch dem Bereich der Leitungsverantwortung zuzurechnen193. Die besseren Gründe sprechen damit dafür, die 186 Im Rahmen einer Praxisstudie von Hengeler Mueller und der Deutschen Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität (DGAP) aus dem Jahr 2013 (abrufbar unter: https://www.dirk.org/dirk_ webseite/static/uploads/130604_Studie%20Ad%20hoc%20Publizität%202013.pdf) gaben ca. 26 % der 80 befragten deutschen börsennotierten Gesellschaften an, außerhalb des Vorstands über ein Gremium mit der Kompetenz zur Entscheidung über Ad-hoc-Veröffentlichung bzw. Selbstbefreiungen zu verfügen (ca. 81 % mit der Kompetenz zur Vorbereitung dieser Entscheidungen); siehe dazu auch die Einschätzung des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2009, 175, 179. 187 Vgl. nur Spindler / Stilz / Fleischer4, § 76 AktG Rn. 20; Großkomm. AktG / Kort5, § 76 Rn. 49; MünchKomm AktG / Spindler5, § 76 Rn. 18, jew. m. w. N. 188 Siehe die Nachw. in Fn. 185 f. Zu Zweckmäßigkeitserwägungen, die aber für eine nur eingeschränkte Befugnisdelegation sprechen, Niermann / Venter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 93 ff. 189 Henze, BB 2000, 209, 210; Hüffer / Koch14, § 76 AktG Rn. 9; Großkomm. AktG / Kort5, § 76 Rn. 36; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 76 Rn. 5; Schmidt-Husson, in: Hauschka / Moosmayer / Lösler, Corporate Compliance3, § 6 Rn. 22; MünchKomm. AktG / Spindler5, § 76 Rn. 15. 190 Kocher / S . Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609; vgl. auch Mülbert, FS Stilz, S. 411, 418. 191 Krämer / Heinrich, ZIP 2009, 1737, 1741; Möllers / L eisch, WM 2001, 1648, 1652. Dass die außergewöhnliche Tragweite einer Maßnahme für deren Zugehörigkeit zum Bereich der Leitungsaufgaben spricht, ist allg.M., statt vieler Spindler / Stilz / Fleischer4, § 76 AktG Rn. 18; Henze, BB 2000, 209, 210; Großkomm. AktG / Kort5, § 76 Rn. 36, 38; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 76 Rn. 5. 192 I. E. ähnlich Mülbert, FS Stilz, S. 411, 418. 193 Kocher / S . Schneider, ZIP 2013, 1607, 1609 f.; Widder, BB 2009, 967, 972.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Delegation der Ad-hoc-Publizität jedenfalls grundsätzlich zuzulassen. Nur am Rande erwähnt sei, dass auch die ESMA eine Beschränkung der Delegierbarkeit zumindest der Selbstbefreiungsentscheidung nach Art. 17 Abs. 4 MAR nicht für angebracht hält194. bb) Verbleibende Relevanz bei horizontaler Delegation Die Möglichkeit, Insiderinformationen an das nach der Ressortverteilung für die Ad-hoc-Publizität primär zuständige Vorstandsmitglied weiterzuleiten, hat auch jedes nicht mehr hauptverantwortliche Organmitglied. Auch wird man dieses schon aufgrund seiner Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit als zu einer Unterrichtung seines Kollegen verpflichtet ansehen müssen195. Auf den ersten Blick spricht schon das für die verbleibende Relevanz des Wissens und Wissenmüssens jedes einzelnen Vorstandsmitglieds bei horizontaler Delegation196. Tatsächlich aber reicht nach den herausgearbeiteten Grundsätzen eine bestehende Informationspflicht allein nicht für die Begründung der Zurechenbarkeit. Die Pflicht, erkennbar relevante Informationen an die jeweils davon betroffene Stelle zu leiten, kann jeden Unternehmensangehörigen schon aufgrund seiner organschaftlichen oder arbeitsvertraglichen Treuepflicht treffen197. Um die Wissenszurechnung legitimieren zu können, muss die Pflicht aber gerade aus einer zugewiesenen Zuständigkeit folgen und nicht bloß Ausdruck einer aufgabenunabhängigen Rücksichtnahmepflicht sein198. Zu Recht berücksichtigt der BGH bei der Wissens- und Verschuldenszurechnung im Werkvertragsrecht nur solche Informationspflichten, die sich aus der übertragenen Verantwortlichkeit für die Ablieferung des Werks ergeben199. Denn nur insoweit greifen die die Zurechnung legitimierenden Erwägungen, also die Korrelation von Chancen und Risiken sowie die Steuerbarkeit des Verhaltens und Wissens kraft Aufgabenübertragung200. 194

ESMA, Final Report Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28. September 2015, ESMA/2015/1455, Nr. 7.3.1., Rn. 239; strenger allerdings BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.3.1.1 (S. 36) (Mitwirkungspflicht mindestens eines Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds). 195 Allg. zu dieser Pflicht Buck, Wissen und juristische Person, S. 384 f.; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 93 Rn. 167; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 93 Rn. 82. 196 In diese Richtung Buck, Wissen und juristische Person, S. 384 f.; Sajnovits, FinancialBenchmarks, S. 242 f., 251 f. 197 Für Insiderinformationen dürfte das auch unabhängig von Fragen der Ad-hoc-Publizität gelten, weil der Emittent generell ein erhebliches Interesse an der Reaktionsmöglichkeit auf ihn betreffende kursrelevante Informationen hat. 198 Grds. weiter aber Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 239, 242 f., 251 f.; zur Begründung fahrlässiger Unkenntnis wohl auch Engelhardt, Wissensverschulden, S. 65 f.; hinsichtlich der Zurechnung von Organmitgliederwissen außerdem Buck, Wissen und juristische Person, S. 384 f. 199 So zu § 278 BGB im Werkvertragsrecht, dazu oben § 2 C. II. 3. mit Fn. 138. 200 Näher zu diesen Zurechnungsgründen schon oben § 2 C. II. 2.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Man mag darüber diskutieren wollen, ob die Rechtsprechung des BGH dahin zu er­weitern ist, dass dem Werkunternehmer im Rahmen des § 278 BGB auch das Wissen desjenigen schadet, der den Mangel bei der Errichtung des Werks verursacht hat201. Die Begründung müsste aber lauten, dass die Mängelmitteilung als Minus zu den dem Gehilfen übertragenen Hauptpflichten zu werten ist. Auf die Ad-hoc-Publizität lässt sich diese Überlegung jedenfalls nicht dergestalt übertragen, dass schon die Zuweisung sensibler Aufgabenbereiche, in denen – wie auf Vorstandsebene  – mit der Entstehung von Insiderinformationen zu rechnen ist, mit einer Zuständigkeit auch für die Ad-hoc-Publizität einherginge. Denn während der Handwerker gerade mit dem Ziel eingesetzt wird, das Werk mangelfrei abliefern zu können, werden Mitarbeiter des Emittenten nicht deshalb in sensiblen Geschäftsbereichen beschäftigt, damit dort entstehende Insiderinformationen ad hoc veröffentlicht werden können202. Wenn und weil diese Personen nicht mit der Gewährleistung der Ad-hoc-Publizität betraut wurden und auch nicht betraut werden mussten203, darf es nicht zulasten des Emittenten gehen, wenn sie Insiderinformationen zurückhalten. Verallgemeinern lässt sich dies dahin, dass Neben- und Treuepflichten zur Informationsweitergabe allein eine Zurechnung nicht begründet können. Intuitiv mag man nun die Organstellung des Geschäftsleiters anführen und sagen wollen, dass es jedenfalls bei Organmitgliedern nicht auf den Grund der Informationspflicht ankommen könne, da deren Verletzung in jedem Fall der juristischen Person zuzurechnen sei. Zum einen ist aber daran zu erinnern, dass verlässliche Anhaltspunkte für eine Organtheorie im Unionsrecht nicht auszumachen sind204. Zum anderen wurde in der deutschen Diskussion um die Zurechnung seitens der Organmitglieder herausgearbeitet, dass selbst die von Otto v. Gierke geprägte traditionelle Organtheorie keine so unbedingte Wissenszurechnung vorsieht, wie dies oft angenommen wurde205. Schon v. Gierke sah auch für die Zurechnung206 subjektiver Elemente vielmehr nur das Organ „im Bereiche seiner körperschaftlichen Funktion“207 als maßgeblich an und verstand das „Wollen und Handeln nur insoweit als körperschaftliches Wollen und Handeln im Rechtssinne, als es jener 201

So Alternativkommentar BGB / Derleder, § 638 Rn. 1; Hoffmann, JR 1969, 372, 373 f.; in anderem Zusammenhang in dieselbe Richtung Harke, VuR 2017, 83, 87 f., der einem Fahrzeughersteller das Fehlverhalten von Mitarbeitern bei der Entwicklung und dem Einbau sog. Abschalteinrichtungen nach § 278 BGB zurechnen will, um die Haftung des Herstellers wegen Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung gem. § 27 Abs. 1 EG-FGV zu begründen. Vgl. zu diesen Überlegungen noch unten § 3 B. III. 3. mit Fn. 441. 202 Gegen deren Zurechnungsrelevanz näher unter § 2 C. IV. 6. 203 Zu den Organisationspflichten noch § 2 E. IV. 204 Oben § 2 C. I. 205 Baumann, ZGR 1973, 284, 289; Buck, Wissen und juristische Person, S. 238 f., 300. 206 Dass v. Gierke selbst nicht von einer Zurechnung spricht, weil er das Organhandeln und -wissen als eigenes, nicht aber als zuzurechnendes fremdes Handeln der Körperschaft ansieht, spielt i. E. keine Rolle. 207 v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, S. 518 f.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

verfassungsmäßigen Regelung entspricht“208. Die konsequente, aber nach wie vor streitige Schlussfolgerung aus diesem Befund lautet, dass der Unterschied zwischen einer (Wissens-)Zurechnung auf Organebene einerseits und auf nachgeordneter Ebene andererseits nicht in erster Linie ein qualitativer, sondern ein quantitativer ist, weil auch Organwalter die juristische Person nur innerhalb ihrer – gewiss umfangreichen – Zuständigkeiten verkörpern209. Zumindest insofern passt zu diesem Verständnis die inzwischen auch in Deutschland bestehende Tendenz, zur Begründung der Wissenszurechnung jedenfalls im vertraglichen Bereich nicht mehr auf die Stellung des Wissensträgers in der Unternehmenshierarchie abzustellen210. Zu bedenken ist zudem, dass mit einer unbedingten Zurechnung seitens der Organwalter auch eine unbedingte Einstandspflicht der juristischen Person für auf Organebene begangene Delikte korrelieren müsste, die § 31 BGB aber bekanntlich gerade nicht vorsieht. § 31 BGB knüpft vielmehr an eine Handlung des Organmitglieds in „Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen“ an, was die Rechtsprechung schon lange so umschreibt, dass das Organmitglied in dem „ihm zugewiesenen Wirkungskreis“ gehandelt haben muss211. Warum die Wissenszurechnung strenger 208

v.  Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 613 f.; siehe auch ders., Genossenschaftstheorie, S. 627 f. mit Fn. 1, 698 ff.; ders., Deutsches Privatrecht I, S. 530 f.; ders., Das Wesen der menschlichen Verbände, S. 28 f. 209 Vgl. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 188. Konsequent ist daher auch die analoge Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB auf die Wissenszurechnung seitens Organmitglieder, OLG Düsseldorf v. 16.6.2016 – I-6 U 20/15, NZG 2017, 152, 157; Roth / Altmeppen / Altmeppen9, § 35 GmbHG Rn. 111; Baumann, ZGR 1973, 284, 290 ff.; Bork, ZGR 1994, 237, 252; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 188; Grunewald, FS Beusch, S. 301, 302; Lenz, in: Michalski / Heidinger / Leible / J.  Schmidt3, § 35 GmbHG Rn. 109; Baumbach / Hueck / Beursken22, § 35 GmbHG Rn.  63 ff.;  Baumbach / Hueck / Z öllner / Noack, 21. Aufl., § 35 GmbHG Rn. 147 f.; vgl. auch Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 26; ders., JZ 1996, 734; a. A. aber Buck, Wissen und juristische Person, S. 268 ff.; Engelhardt, Wissensverschulden, S.  102 f.; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 78 AktG Rn. 53; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 227 ff., 237; Großkomm. AktG / Habersack / Foerster5, § 78 Rn. 38; Hartung, NZG 1999, 524, 526 f.; Jung, Wissenszurechnung, S. 170 ff.; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 24; Schilken, Wissenszurechnung, S. 129 ff.; MünchKomm. AktG / Spindler5, § 78 Rn. 94. Soweit letztere Autoren auf § 31 BGB (analog) abstellen wollen, weil Organe den Aktionsradius der juristischen Person anders als ein Vertreter den des Vertretenen nicht erweitern, sondern sie im Rechtsverkehr ersetzen, ist dem entgegenzuhalten, dass juristische Personen stets – also auch beim Handeln eines Vertreters im direkten Anwendungsbereich des § 166 BGB – nur ersetzt werden können. Das teilweise anzutreffende Argument, § 166 BGB regele nur die Zurechnung fremden Wissens und passe daher nicht auf Organwissen, stützt sich wiederum auf eine überflüssige Organtheorie. Zu Recht kritisch zu den behauptenden Unterschieden zwischen Organ- und Vertretertheorie jüngst J. W. Flume, ZGR 2018, 928, 935 ff. 210 Siehe hier nur BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30; näher unten § 3 B. II., III. 211 BGH v. 05.12.1958 – VI ZR 114/57, WM 1959, 80, 81; BGH v. 08.07.1986 – VI ZR 47/85, BGHZ 98, 148, 151 f.; aus neuerer Zeit etwa BGH v. 02.12.2014 – VI ZR 501/13, juris Rn. 16; ferner BGH v. 20.02.1997  – VI ZR 256/77, NJW 1980, 115 („der dem Organ übertragene Funktionsbereich); siehe außerdem schon RG v. 14.03.1939 – III 128/37, RGZ 162, 129, 169; v. Gierke, Deutsches Privatrecht I, S. 518 f., der dabei auch für das Wissen nur auf das zuständige Organ abstellt; siehe zu Letzterem auch die Nachw. in Fn. 208.   

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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ausfallen, anstelle einer zugewiesenen Zuständigkeit also eine aufgabenunabhängige Treuepflicht ausreichen sollte, leuchtet nicht ein. Das Vorstehende bedeutet aber nur, dass die Zurechnung seitens nicht primär verantwortlicher Vorstandsmitglieder nicht mit der Treuepflicht zur Informationsweitergabe begründet werden darf, nicht auch, dass ihr Wissen oder Wissenmüssen für die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR irrelevant wäre. Angeknüpft werden kann und muss insofern an die ursprünglich – also gedanklich vor der Ressorteinteilung – sehr wohl bestehende Zuständigkeit jedes Vorstandsmitglieds für die Adhoc-Publizität. Aufbauen lässt sich dabei auf den Grundsätzen der verbleibenden (Rest-)Verantwortung der Geschäftsleiter bei horizontaler Aufgabendelegation. Die Pflicht, relevante Informationen innerhalb der Geschäftsleitung zu kommunizieren, folgt nämlich nicht nur aus einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht, sondern ist insbesondere Ausdruck der Residualpflicht jedes Organmitglieds aufgrund der ihm grundsätzlich zugewiesenen Zuständigkeit für alle Geschäftsführungsangelegenheiten212. Zwar geht es im hier interessierenden Kontext nicht um die sonst im Vordergrund stehende Restverantwortung für die Erfüllung einer Pflicht oder die Vermeidung von Rechtsverstößen durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Organmitglied213, sondern um die Vorfrage der Entstehung der Pflicht bei Kenntnis oder Kennenmüssen des unzuständigen Mitglieds – genauer: des Einflusses dessen Kenntnis oder Kennenmüssen auf die Dauer der Unverzüglichkeitsfrist214. Die Überlegungen zur Gesamtverantwortung sind auf den hiesigen Fall aber übertragbar. Denn verbleibt den Vorstandsmitgliedern stets eine (Rest-)Verantwortung für die Ad-hoc-Publizität, gehört dazu auch die Aufgabe, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, eine Ad-hoc-Entscheidung durch Information des primär zuständigen Kollegen herbeizuführen. Mit dieser Restverantwortung für die Ad-hoc-Publizität verbleibt mit anderen Worten auch eine zurechnungsrelevante „Restzuständigkeit“. cc) Verbleibende Relevanz bei vertikaler Delegation Auch bei vertikaler Aufgabendelegation auf nachgeordnete Mitarbeiter verbleibt eine Residualverantwortung der Geschäftsleiter215. In der deutschen Diskussion werden insofern überwiegend die Grundsätze zur Übertragung deliktischer Sorg-

212

Vgl. nur Spindler / Stilz / Fleischer4, § 77 AktG Rn. 49; Großkomm. AktG / Kort5, § 77 Rn. 35; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 77 Rn. 25. 213 Näher hierzu Spindler / Stilz / Fleischer4, § 77 AktG Rn. 52 ff.; Großkomm. AktG / Kort5, § 77 Rn. 37 f.; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 93 Rn. 92; MünchKomm. AktG / Spindler5, § 77 Rn. 58 f. 214 Siehe zu dieser Konkretisierung die Anm. in Fn. 15. 215 Siehe zum deutschen Recht die Nachw. in folgender Fn.; zum Common Law nur die Grundsatzurteile Re Barings plc (No. 5), [1999] 1 BCLC 433 (per Jonathan Parker J.); [2000] 1 BCLC 523 (C. A.).

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

faltspflichten herangezogen, so dass der Vorstand insbesondere zur sorgfältigen Gehilfenauswahl, -instruktion, -überwachung und zum Einschreiten im Ernstfall verpflichtet ist216. Erneut geht es im hiesigen Fall zwar nicht im eigentlichen Sinn um die Verantwortung für die Pflichterfüllung durch nachgeordnete Mitarbeiter, sondern die Frage der Pflichtentstehung bzw. der Bemessung der Unverzüglichkeitsfrist bei Kenntnis oder Kennenmüssen des delegierenden Geschäftsleiters. Zum Umfang der Restverantwortung kann aber nichts grundsätzlich anderes gelten als bei horizontaler Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsleitung. Auch hier wirkt ein Wissen oder Wissenmüssen des delegierenden Organmitglieds also weiterhin pflichtauslösend bzw. fristverkürzend. Stützen lässt sich dieses Ergebnis zudem mit dem Rechtsgedanken nationaler Zurechnungsvorschriften zur Stellvertretung, nach denen neben oder anstelle des Wissens des Vertreters auch das Wissen des Vertretenen relevant sein kein217. Der Vertretene hat den Einfluss auf das Rechtsgeschäft zwar maßgeblich in die Hände des Vertreters gelegt. Ihm verbleibt aber ein durch eigenes Wissen und Wissenmüssen vermittelter Einfluss auf das Geschäft, an dem er sich grundsätzlich festhalten lassen muss218. Die gefundene Lösung drängt sich überdies auch vom Ergebnis auf. Würden die Mitglieder des Vorstands bei vertikaler Delegation der Ad-hoc-Publizität aus dem Kreis zurechnungsrelevanter Personen ausscheiden, bliebe die unterlassene Mitteilung all jener – mitunter besonders wichtigen – Informationen folgenlos, die auf der Geschäftsleitungsebene entstehen und dem Zugriff der nachgeordneten zuständigen Stelle entzogen sind. d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Kenntnis oder das Kennen­ müssen einer Insiderinformation seitens jedes einzelnen Vorstandsmitglieds  – vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MAR  – pflichtbegründend bzw. fristverkürzend wirkt. Dies gilt unabhängig davon, ob die

216

Verse, ZHR 175 (2011), 401, 404: „[…] Verlängerung der Legalitätspflicht, die sich auf den Grundgedanken der Delegation zurückführen lässt“; Holle, Legalitätskontrolle, S. 59 f.; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 100; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 93 Rn. 162 f.; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 93 Rn. 92; a. A. Bunting, ZIP 2012, 1542, 1543, der eine Residualpflicht nur bei speziellen Vorstandspflichten annehmen will, die nicht auch die Gesellschaft adressieren; allg. zur verbleibenden Verantwortung bei Delegation deliktischer Sorgfaltspflichten im deutschen Recht MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 468 ff. m. z. N. 217 Im deutschen Recht § 166 Abs. 2 BGB; zu diesen Vorschriften im Übrigen v. Bar / Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference (DCFR), Full Edition, Vol. 1, Book II, S. 146 ff. 218 Es geht hier nur um den Rechtsgedanken, nach dem das Wissen des Delegierenden weiterhin relevant sein kann. Dass die Stellvertretungssituation im Übrigen nur bedingt auf das Verhältnis zwischen Vorstandsmitglied und nachgeordneten Mitarbeitern passt, steht auf einem anderen Blatt.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Ad-hoc-Publizität nach der Geschäftsverteilung Aufgabe der gesamten Geschäftsleitung ist oder auf einzelne ihrer Mitglieder oder nachgeordnete Mitarbeiter delegiert wurde. 3. Mitglieder eines Ad-hoc-Publizitätsgremiums Inwieweit die Zuständigkeit für Fragen die Ad-hoc-Publizität auf ein Ad-hocPublizitätsgremium delegiert werden darf, richtet sich wie gesagt nach nationalem Recht219. Zu Recht wird in Deutschland überwiegend eine Delegierbarkeit auch echter Entscheidungsbefugnisse angenommen220. Bei Delegation der Ad-hocPublizitätspflicht auf einen Ad-hoc-Publizitätsausschuss bleibt das Wissen und Wissenmüssen einzelner Geschäftsführungsmitglieder nach dem eben Gesagten selbst dann relevant, wenn der Ausschuss mit echten Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist221. Zugleich – und darum geht es an dieser Stelle – sind nun sämtliche Mitglieder des Ausschusses in den zurechnungsrelevanten Personenkreis einzubeziehen. Dies gilt zum einen, soweit der Ausschuss selbst an der Entscheidung über eine Veröffentlichung mitwirken soll. Dann gelten für ihn dieselben Grundsätze wie für die Geschäftsführungsmitglieder, die die Aufgabe nicht delegiert haben. Es gilt aber auch dann, wenn das Ad-hoc-Publizitätsgremium nur vorbereitend tätig wird. Denn dies bedeutet nur, dass die erhaltenen und gegebenenfalls zu prüfenden Insiderinformationen vom Ad-hoc-Gremium an den Vorstand zur Entscheidung weiterzureichen sind. Dass der Ausschuss dann nur einen weiteren Zwischenschritt auf dem Weg zur Veröffentlichung darstellt und nicht selbst das rechterhebliche Verhalten verwirklichen soll, ist aus denselben Gründen unschädlich, aus denen die Relevanz bereits jedes einzelnen Geschäftsführungsmitglieds folgt, das sein Wissen ja auch erst noch mitteilen muss. Entscheidend ist allein der nach der Organisation des Emittenten verliehene maßgebliche Einfluss auf die Veröffentlichung und die Aufgabe, von diesem Einfluss zur Herbeiführung einer Veröffentlichungsentscheidung Gebrauch zu machen222. Maßgeblich ist der Einfluss auch in diesem Fall, weil das Gremium als Anlaufstelle für Insiderinformationen dient und erst deren Weitergabe an die Entscheidungsträger den Emittenten in die Lage versetzt, die Information zu veröffentlichen223. Das Wissen und Wissenmüssen einzelner Mitglieder des Ad-hoc-Publizitätsausschusses ist dem Emittenten daher zuzurechnen.

219

Oben § 2 C. IV. 2. c) aa). Nachw. in Fn. 185. 221 Soeben § 2 C. IV. 2. c) cc). 222 Allg. dazu oben § 2 C. II. 2., 3. 223 Vgl. dazu erneut die Rechtsprechung des BGH zur Reichweite des § 278 BGB im Werkvertragsrecht, nach der es ebenfalls darauf ankommt, welche Hilfspersonen den Unternehmer in die Lage versetzen, den Besteller über Werkmängel aufzuklären, oben § 2 C. II. 3. 220

70

§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

4. Sonstige nachgeordnete Mitarbeiter Der Emittent muss keinen Ad-hoc-Publizitätsausschuss einrichten, um Mitarbei­ ter unterhalb der Organebene mit ad-hoc-spezifischen Aufgaben zu befassen. Neben oder anstelle eines solches Ausschusses können vielmehr auch bestehende Rechts- oder Compliance-Abteilungen, einzelne Compliance-Beauftrage oder sonstige geeignete Mitarbeiter damit betraut werden, Insiderinformationen entgegenzunehmen, sie zu prüfen und über ihre weitere Behandlung zu entscheiden224. Konkrete Anforderungen daran, wie die Wissensorganisation auszugestalten ist, gibt es nicht225. Gleich ob die eingesetzten Mitarbeiter nur vorbereitend für die jeweils zuständige Stelle tätig werden – z. B. als Annahme- oder Prüfstelle – oder bereits mit Entscheidungsbefugnissen für eine Veröffentlichung oder Selbst­befreiung ausgestattet sind, ist ihr Wissen und Wissenmüssen dem Emittenten mit den oben angestellten Erwägungen grundsätzlich zuzurechnen. Entscheidend ist aber, dass der Emittent diese Mitarbeiter tatsächlich entweder als maßgebliche Entscheidungsträger oder als Informationsmittler einsetzt. Daran kann es fehlen, wenn Mitarbeiter zwar ad-hoc-publizitätsspezifische Aufgaben erledigen, ihre Tätigkeit aber nicht über eine Veröffentlichung entscheidet. Denkbar ist das vor allem bei bloßen Ausführungstätigkeiten oder rein redaktioneller Arbeit wie dem Formulieren von Mitteilungen. Auf diese Differenzierung zwischen den zurechnungsrelevanten Personen und denen, die trotz ad-hoc-publizitätsbezogener Tätigkeit keinen Einfluss auf das „Ob“ einer Veröffentlichung nehmen, wird es aber kaum einmal ankommen. Denn in aller Regel wird bei Kenntnis seitens der letzteren Personen zugleich die Kenntnis eines relevanten Entscheidungsträgers vorliegen, die dem Emittenten zuzurechnen ist. Hervorzuheben ist außerdem, dass eine zurechnungsbegründende Aufgabenübertragung nicht schon aus einer generellen Weisung des Emittenten – etwa in Gestalt eines entsprechenden Verhaltenskodex – folgt, auffällige Informationen an die zuständige Stelle weiterzureichen. Denn eine solche Weisung formt nicht den Zuständigkeitsbereich der Mitarbeiter, weil sie den arbeitsvertraglich vorgegebenen Tätigkeitsbereich weder erweitern will noch erweitern kann; vielmehr konkretisiert oder wiederholt sie nur schon bestehende (Neben-)Pflichten226. Ohne Zuständigkeit für die Entscheidung, Entscheidungsvorbereitung oder Annahme von Informationen bleibt es dabei, dass der Mitarbeiter allenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht zur Informationsweitergabe angehalten ist, in der sich keine hinreichende Wissenssteuerung des Emittenten manifestiert227. Dass dem 224

Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 14; zur Aufgabe der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 191. 225 Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 145; näher zu den organisatorischen (Mindest-)Anforderungen unten § 2 E. IV. 226 Vgl. Mengel / Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387; Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 147; Schuster / Darsow, NZA 2005, 273. 227 Oben § 2 C. II. 3. und § 2 C. IV. 2. c) bb).

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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Emittenten trotz der Bedeutung seiner Aufgabenverteilung nicht dazu zu raten ist, ad-hoc-publizitätsspezifische Aufgaben gar nicht zu vergeben, folgt aus der noch näher zu erörternden Organisationspflicht, die die Fragen der Zurechnung komplementiert228. 5. Mitglieder des Aufsichtsrats Eine Zurechnungsrelevanz des Aufsichtsrats bzw. seiner Mitglieder kann offensichtlich nicht mit einer unmittelbaren Zuständigkeit für die Veröffentlichung von Insiderinformationen begründet werden. Hinsichtlich solcher Insiderinformationen, die im originären Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats entstehen (wie insbesondere Informationen zu der Besetzung des Vorstands oder zu Untersuchungen des Vorstandshandelns), wird eine Zuständigkeit des Aufsichtsrats zwar immerhin für eine Selbstbefreiungsentscheidung nach Art. 17 Abs. 4 MAR befürwortet229. Auch an diese Zuständigkeit kann eine Zurechnung in den entsprechenden Fällen aber nicht ohne Weiteres angeknüpft werden230. Denn die Annahme der Zuständigkeit für eine Selbstbefreiungsentscheidung setzt umgekehrt vielmehr voraus, dass die Pflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR schon dann entsteht, wenn allein „der Aufsichtsrat“ Kenntnis von der Insiderinformation hat oder haben müsste231. Die wohl herrschende Auffassung, die eine Befreiungszuständigkeit des Aufsichtsrats annimmt, geht davon jedenfalls für Information aus dem Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrats offenbar aus. Dem ist zuzustimmen. Darüber hinaus ist das Wissen innerhalb des Aufsichtsrats im Rahmen der Ad-hoc-Publizität aber sogar unabhängig von dessen originären Zuständigkeitsbereichen zuzurechnen. Zwar widerspricht dies auf den ersten Blick den bisher für maßgeblich befundenen Zurechnungsgrundsätzen; die

228

§ 2 E. BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.3.1.1 (S. 36); Klöhn MAR / ​ Klöhn, Art. 17 Rn. 193; Lutter / Krieger / Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats7, Rn. 307; Mülbert, FS Stilz, S. 411, 422; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 427; Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG4, § 15 Rn. 15.31; Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 135; tendenziell auch Drinhausen / Marsch-Barner, AG 2014, 337, 348; Ihrig, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, Bd. 18, S. 113, 131; Ihrig / Kranz, BB 2013, 451, 456; nur für den Fall eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses gegenüber dem Vorstand Kocher / Schneider, ZIP 2013, 1607, 1611; dagegen mit dem zutr. Hinweis auf drohende Rechtsunsicherheiten Mülbert, FS Stilz, S. 411, 422. 230 Gleichsinnig Buck-Heeb, AG 2015, 801. 231 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 405; Koch, ZIP 2015, 1757, 1758; Werner, WM 2016, 1474; vgl. auch Leyendecker-Langner / Kleinhenz, AG 2015, 72, 76.; auch nach Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 196 f., verletzt der Emittent seine Ad-hoc-Publizitätspflicht, wenn es der Aufsichtsrat pflichtwidrig unterlässt, den Vorstand unverzüglich über eine Insiderinformation zu informieren, über deren Aufschub der Aufsichtsrat entschieden hat, und die Befreiungsvoraussetzungen entfallen sind. 229

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

fehlende Zuständigkeit müsste vielmehr gegen eine Zurechnung sprechen232. Die Konsequenz wäre, dass der Aufsichtsrat auch keine Selbstbefreiungsentscheidung treffen, sondern nur prüfen müsste, ob er eine Insiderinformation im Gesellschaftsinteresse gegenüber dem Vorstand ausnahmsweise zurückhalten darf bzw. muss233. Auch wäre diese Lösung im Ergebnis weniger weitreichend als es auf den ersten Blick scheint, da etwa in den Fällen einer noch nicht abgeschlossenen Personalentscheidung nach § 84 AktG oder einer Untersuchung des Vorstandshandelns bis zur tatsächlichen Information des Vorstands ohnehin regelmäßig die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR vorliegen dürften. Denkbar ist in diesen Fällen im Gegenteil aber auch, dass die Geheimhaltung der Information nicht sichergestellt werden kann oder ihre Zurückhaltung irreführende Signale an den Kapitalmarkt senden würde234. Es wäre daher misslich und mit dem Ziel der Marktmissbrauchsverordnung schwer vereinbar235, Insiderinformationen, die teils überhaupt nur im Bereich des Aufsichtsrats entstehen, von vornherein der Ad-hocPublizität zu entziehen, solange sie – und sei es pflichtwidrig – vom Aufsichtsrat zurückgehalten werden. Herleiten lässt sich die Relevanz des Wissens und Wissenmüssens des Aufsichtsrats aus dessen Überwachungsfunktion nach § 111 Abs. 1 AktG. Es mag zwar keine unmittelbare Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Veröffentlichung einer Adhoc-Mitteilung geben. Dass es deshalb aber auch nicht zu den zurechnungsrelevanten Aufgaben des Aufsichtsrats gehört, Entscheidungen über eine Veröffentlichung herbeizuführen – sondern er allenfalls aufgrund der Treuepflicht zur Information des Vorstands verpflichtet ist  –, ist damit nicht gesagt. Angesichts der Über­ 232 Vgl. Leyendecker-Langner / Kleinhenz, AG 2015, 72, 73 ff., 76, die zwar von einer Wissenszurechnung ausgehen, einen Verstoß des Emittenten gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht aber aufgrund der fehlenden Aufsichtsratszuständigkeit mangels „Verschulden“ ablehnen wollen. Gegen eine Wissenszurechnung aus dem Aufsichtsrat außerhalb dessen Zuständigkeitsbereichs unter Geltung der – hier aber nicht maßgeblichen – deutschen „Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung“ auch Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 57; Buck-Heeb, AG 2015, 801 ff., Koch, ZIP 2015, 1757 ff., 1762; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 328 f.; wohl auch Werner, WM 2016, 1474, 1476 f.; vgl. dazu außerdem Verse, AG 2015, 413, 417; ferner Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 333, der eine Wissenszurechnung vom Aufsichtsrat an den Vorstand diskutiert und mit Zuständigkeitserwägungen ablehnt; a. A. Schwintowski, ZIP 2015, 617, 623; allg. zur Relevanz der Zuständigkeit des Organs für die Wissenszurechnung Baumann, ZGR 1973, 284, 289; Buck, Wissen und juristische Person, S. 238 f., 300. 233 Eine Weitergabe an den Vorstand ist nicht schon wegen Art. 10 Abs. 1 MAR unzulässig; statt vieler hier nur Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 106 f.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 10 Rn. 105; näher dazu mit Blick auf den rechtsträgerübergreifenden Informationsaustausch im Konzern unten § 4 B. III. 7. a). Auch die Verschwiegenheitspflicht des § 116 S. 2 AktG hindert nicht an der Weiterleitung zum Vorstand der „eigenen“ Gesellschaft, dazu nur Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 328 f. m. z. N. Zum Problem der Verschwiegenheitspflicht bei Doppel- und Mehrfachmandaten zudem unten § 4 D. 234 Art. 17 Abs. 4 lit. b), c) MAR. 235 Für die Relevanz des Aufsichtsratswissen aufgrund des „effet utile“ Ihrig, ZHR, 381, 406 f.

C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis 

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wachungsfunktion des Aufsichtsrats wäre es vielmehr merkwürdig, würde man es nicht auch zu Zuständigkeiten des Aufsichtsrats zählen, eigene Kenntnisse zum Zweck der Ad-hoc-Publizität nutzbar zu machen, sondern es ihm im Fall eigener Kenntnis zuzugestehen, auf die anderweitige Kenntnisnahme durch den Vorstand zu warten und diesen erst dann zu einer Entscheidung über eine Veröffentlichung anzuhalten. Auch würde diese Sichtweise kaum dem modernen Bild des Aufsichtsrats entsprechen, der gerade nicht nur passiv beobachten, sondern aktiv mit dem Vorstand zusammenarbeiten und diesen beraten soll236, und den das Aufsichtsrecht jüngst zunehmend in die Pflicht nimmt237. Die Information des Vorstands und damit die Herbeiführung einer Entscheidung über eine Ad-hoc-Veröffentlichung gehört danach zu dem dem Aufsichtsrat verfassungsmäßig übertragenen Aufgabenbereich, an dem sich der Emittent festhalten lassen muss. Im Übrigen gilt das zum Vorstand Gesagte. Daraus folgt insbesondere, dass – obgleich dem Aufsichtsrat die Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG als Kollegialorgan obliegt – auch das Wissen und Wissenmüssen einzelner Aufsichtsratsmitglieder zuzurechnen ist. 6. „Regelinsider“? Oben wurde bereits erläutert, dass es für die Zurechnung von Insiderwissen zum Emittenten nicht genügt, dass dieses Wissen bei einer Person vorhanden ist, die aufgrund ihres Aufgabenbereichs regelmäßig mit Insiderinformationen in Berührung kommt238. Verschweigt etwa der Leiter einer Forschungsabteilung den Durchbruch bei einer patentrelevanten Technologie, um mit dieser Information Insiderhandel zu treiben, ist dem – ordnungsgemäß überwachenden und organisierten – Emittenten also kein Vorwurf zu machen239. Denn dieser muss sich an dem Fehlverhalten seiner Mitarbeiter nur insoweit festhalten lassen, als er die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten auch zu ihren Aufgaben gemacht hat. Reine Neben- und Treuepflichten genügen nicht. Wie das soeben genannte Beispiel zeigt, ginge es außerdem an der Realität vorbei, nähme man an, der Emittent müsse jeden „Regel-“ oder „Funktionsinsider“ zugleich zum Garanten der Ad-hoc-Publizität machen. Hielte man das gleichwohl für richtig, könnte zur Plausibilisierung einer solchen Abgrenzung des zurechnungsrelevanten Personenkreises jedenfalls 236

Ausf. zur Beratungsfunktion des Aufsichtsrats Lutter / Krieger / Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats7, Rn. 103 ff. 237 Zu speziellen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Aufsichtsrat Lutter / Krieger / ​ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats7, § 21 Rn. 1450 ff. 238 § 2 C. IV. 2. c) bb). 239 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 474 f., schlägt im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung nach § 37b WpHG a. F. hingegen vor, den Kreis der Führungspersonen, für deren Verhalten der Emittent analog § 31 BGB haftet, in Anlehnung an § 15a Abs. 2 WpHG a. F. (siehe jetzt Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b) MAR) zu konkretisieren und damit eine Einstandspflicht letztlich für „leitende Regelinsider“ zu begründen. Siehe zu § 97 WpHG neuerdings aber auch Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 Rn. 27, 87 ff. Näher zur Haftung nach § 97 WpHG unten § 3.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

auch nicht auf die Pflicht des Emittenten zur Aufstellung einer Insiderliste nach Art. 18 MAR verwiesen werden. Der Zweck der Vorschrift ist nämlich nicht die Förderung von Ad-hoc-Veröffentlichungen, sie soll vielmehr die Überwachung von Insidergeschäften durch die Aufsichtsbehörden erleichtern240. Eine Aussage dazu, welche Unternehmensangehörigen Verantwortung für die Ad-hoc-Publizität tragen, ist ihr daher nicht zu entnehmen. Nur so erklärt sich auch, dass in die Liste auch Personen aufzunehmen sind, die Zugang zu bereits bekannten Insiderinformationen haben und denen eine gesteigerte Verantwortung für die Veröffentlichung dieser Informationen nicht ernstlich zugeschrieben werden kann. Ob Regelinsider daneben überhaupt noch in Insiderlisten zu führen sind, ist überdies nicht abschließend geklärt241. Das Vorstehende bedeutet aber nicht, dass der Emittenten den Bezug des Mitarbeiters zu potenziell publizitätspflichten Tatsachen ignorieren darf. Vielmehr ist er angehalten, gerade Regelinsider für diese Fragen zu sensibilisieren und zur betriebsinternen Informationsweitergabe zu verpflichten242. Damit ist aber wieder nur die von der Zurechnung zu unterscheidende Frage der Organisationspflicht des Emittenten angesprochen. 7. Ad-hoc-Dienstleister und andere Dritte? Das hier vertretene Zurechnungsverständnis unterscheidet nicht danach, ob eine natürliche Person Mitarbeiter der juristischen Person – also Verrichtungsgehilfe im Sinn des § 831 BGB – oder unternehmensfremder Dritter ist. Als für die Adhoc-Publizität relevante Wissensträger kommen daher grundsätzlich auch unternehmensfremde Personen in Betracht. Die Kenntnis und das Kennenmüssen von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ist trotz möglichen anlassbezogenen Zugangs zu Insiderinformationen und trotz möglicher (neben-)vertraglicher Verpflichtung zur Mitteilung an den Emittenten allerdings nicht maßgeblich, weil diese Personen nach dem soeben 240

Siehe dazu nur Schwark / Zimmer / Kumpan / Grübler5, Art. 18 MAR Rn. 5; zu § 15b WpHG a. F. außerdem schon RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 36. 241 Daraus, dass Art. 18 MAR die Aufnahme nur solcher Personen verlangt, die „Zugang zu Insiderinformationen haben“, wird zum Teil gefolgert, dass die Figur des alten Regelinsiders (dazu Art. 5 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG, § 15b Abs. 1 WpHG a. F.), der ja nur typischerweise Zugang hat, ausgedient habe, Klöhn MAR / Semrau, Art. 18 Rn. 35; Simons, CCZ 2016, 221, 222 f.; offenbar auch die Securities and Markets Stakeholder Group der ESMA, ESMA/2014/SMSG/047 v. 10.10.2014, Nr. 34. Zwingend ist dieses Verständnis aber nicht, weil „Zugang zu Insiderinformationen“ auch so verstanden werden könnte, dass es nur auf die Zugehörigkeit zu dem sensiblen Geschäftsbereich ankommt, in dem Insiderinformationen potenziell entstehen können; so zur alten Rechtslage Fuchs / Pfüller 2, § 15b WpHG Rn. 47; für die Beibehaltung dieses Verständnisses denn auch Schwark / Zimmer / Kumpan / Grübler5, Art. 18 MAR Rn. 50; Sethe / Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 18 MAR Rn. 43. 242 Näher § 2 E. IV.

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Gesagten von dem Emittenten nicht mit der Gewährleistung der Ad-hoc-Publizität beauftragt werden. Anders ist dies auf den ersten Blick bei Mitarbeitern sogenannter Ad-hoc-Dienstleister, die für den Emittenten die Informationsübermittlung an geeignete Medienunternehmen übernehmen. Tatsächlich sind aber auch sie für die Entstehung und Verletzung der Pflicht schon deshalb praktisch irrelevant, weil sie nur die Entscheidung des Emittenten zu einem Zeitpunkt ausführen, in dem eine Zurechnung, etwa seitens des Vorstands, bereits stattgefunden hat. Der theoretisch denkbare Fall, dass ein Mitarbeiter des Ad-hoc-Dienstleisters Insiderwissen hat, das keine innerhalb des Emittenten maßgebliche Person besitzt, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn die Herbeiführung einer Veröffentlichungsentscheidung hinsichtlich ansonsten noch unbekannter Insiderinformationen ist wiederum nicht zugewiesene Aufgabe des Ad-hoc-Dienstleisters. Virulent wird die Frage nach der Zurechnungsrelevanz dieser Personen also in erster Linie, wenn sie aufgrund eigener Fehler die Bekanntgabe einer inhaltlich falschen Mitteilung veranlassen243.

V. Ergebnis Das Wissen oder Wissenmüssen einer Insiderinformation seitens jedes Mitglieds des Vorstands wirkt vorbehaltlich der weiteren Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 MAR pflichtbegründend bzw. fristverkürzend. Gleiches folgt aus der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats für dessen Mitglieder. Auch das Wissen und Wissenmüssen von Mitgliedern eines Ad-hoc-Publizitätsausschusses und anderer Mitarbeiter, die für Veröffentlichungsentscheidung, Entscheidungsvorbereitung oder auch nur Entgegennahme von Insiderinformationen betriebsintern zuständig sind, ist dem Emittenten zuzurechnen. Personen, die als „Regelinsider“ lediglich vorhersehbar mit Insiderinformationen in Berührung kommen, sind mangels Zuständigkeit für die Ad-hoc-Publizität hingegen nicht ohne Weiteres relevant. Auf das Wissen und Wissenmüssen der Mitarbeiter von Ad-hoc-Dienstleistungsunternehmen kommt es überhaupt nur in dem (theoretischen) Fall an, in dem das Wissen nicht schon bei relevanten Personen des Emittenten vorhanden ist. Hinsichtlich solcher Informationen fehlt es aber auch diesen Mitarbeitern an der Funktion, für die Ad-hoc-Publizität des Emittenten zu sorgen.

243 Die Haftung für falsche Mitteilungen ist in dieser Untersuchung ausgeklammert. Versteht man Art. 17 Abs. 1 MAR so, dass er auch zur Weitergabe an die Verbreitungsmedien oder sogar zum Akt der öffentlichen Bekanntgabe selbst verpflichtet, wäre eine Verantwortlichkeit des Emittenten für Fehler der Ad-hoc-Dienstleister und je nach Verständnis sogar der Verbreitungsmedien selbst konsequent; vgl. dazu Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 56, der eine Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB seitens Informationsdienstleister grds. für möglich hält. Angesichts des Art. 2 Abs. 1 lit. b) der DurchführungsVO (EU) 2016/1055 wäre aber zumindest zu erwägen, dass mit der Übermittlung der (korrekten) Information an geeignete Dienstleister oder Medien die Veröffentlichungspflicht bereits erfüllt sein soll.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

VI. Parallelen im anglo-amerikanischen Rechtsraum 1. Vorbemerkung Mangels klarer unionsrechtlicher Vorgaben konnte die Bestimmung des für Art. 17 MAR relevanten Personenkreises nur anhand der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „unverzüglich“244, Lösungsansätzen zu Zurechnungsfragen im Unionsrecht sowie allgemeinen teleologischen Erwägungen erfolgen. Unterstützung hat das Ergebnis auch durch das deutsche Zurechnungsrecht erfahren, wenngleich dieses in bestimmten Zusammenhängen von den erkannten Zurechnungsgrundsätzen wieder abweicht245. Bestätigung findet die hiesige Lösung darüber hinaus aber auch beim Vergleich mit dem englischen und dem U. S.-amerikanischen Recht. 2. Das britische und englische Recht Im britischen Recht ist zunächst der Blick auf das Statute Law geboten, da der Financial Services and Markets Act 2000 (FSMA) seit dessen Reform im Jahr 2010246 in § 90A in Verbindung mit § 5 (2), 8 (5) Schedule 10A sogar ausdrücklich regelt, welche subjektiven Elemente bei welchen natürlichen Personen vorliegen müssen, damit ein Emittent für das Unterlassen gebotener Sekundärmarktinformation – also auch der nach Art. 17 Abs. 1 MAR247 – zivilrechtlich haftet. Einstehen muss der Emittent nach § 5 (2) des Anhangs insofern nur für das Verhalten einer „person discharging managerial responsibilities“, wofür der konkretisierende § 8 (5) im Grundsatz die Stellung als Organwalter („director“) verlangt. Mit den für Art. 17 Abs. 1 MAR herausgearbeiteten Grundsätzen, nach denen die Unternehmenshierarchie gerade keine wesentliche Rolle spielt, hat das offensichtlich wenig zu tun. Gegen die hiesige Lösung sprechen die Regelungen des FSMA aber nicht. Angesichts der im Unionsrecht generell großzügig gehandhabten Zurechnung wäre die Übertragung eines derart restriktiven Zurechnungsverständnisses auf Art. 17 Abs. 1 MAR nicht nur schon vom Ergebnis zweifelhaft. Auf Fälle außerhalb der zivilrechtlichen Haftung lassen sich die Regelungen des FSMA darüber hinaus 244 Dazu, dass daraus aber keine normspezifischen Zurechnungsregeln im engeren Sinn herzuleiten sind, oben § 2 C. II. 4. 245 Dazu unten § 3 B. II, III. 246 Ausf. dazu Verse, RabelsZ 76 (2012), 893. 247 Die genannten Vorschriften regeln – anders als § 97 WpHG – nicht ausdrücklich den Verstoß gegen Art. 17 MAR, § 90A FSMA stellt vielmehr einen allgemeinen Tatbestand für fehlerhafte Sekundärmarktinformation dar. Das Unterlassen einer Mitteilung nach Art. 17 Abs. 1 MAR kann die Voraussetzungen des Haftungstatbestands aber erfüllen; Edwards / T homas, in: Savitt, Securities Litigation Review5, S. 68, 69, 76 mit Fn. 33; ferner Verse, RabelsZ 76 (2012), 893, 903; a. A. offenbar Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 97, der aber auch § 5 Schedule 10A FSMA unerwähnt lässt.

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auch deshalb nicht übertragen, weil es sich bei ihnen um ein ganz spezielles Haftungsregime handelt248, das die potenziell ruinöse zivilrechtliche Kapitalmarktinformationshaftung auf gravierende Fälle zu begrenzen sucht249. Dies zeigt sich auch an der weiteren erheblichen Einschränkung des § 5 (2), der voraussetzt, dass der Organwalter wusste, dass das Unterlassen der Veröffentlichung von erfahrenen Marktteilnehmern250 als unredlich („dishonest“) angesehen würde. Soweit es demgegenüber um die Voraussetzungen der aufsichtsrechtlichen Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR geht, die derartige Einschränkungen nicht erkennen lässt, kann der richtige Vergleichsmaßstab nur in allgemeinen Zurechnungsregelungen gefunden werden. Und in der Tat lassen sich in den allgemeinen Grundsätzen des englischen Common Law denn auch deutliche Parallelen zu der zu Art. 17 Abs. 1 MAR entwickelten Lösung ausmachen. Die Zurechnung zu juristischen Personen ist dort außerhalb des im rechtsgeschäftlichen Bereich maßgeblichen „agency law“ zunächst von der sogenannten „respondeat superior“-Doktrin geprägt. Nach dieser Doktrin haftet ein Geschäftsherr – anders als nach dem deutschen § 831 Abs. 1 BGB – auch ohne eigenes Verschulden für Delikte seiner Verrichtungsgehilfen251, die diese im Rahmen ihrer Tätigkeit begehen252. In diesen Grundsätzen, die nur eine sekundäre Einstandspflicht (vicarious liability) für fremdes Fehlverhalten begründen, erschöpft sich die Zurechnungsdogmatik des englischen Common Law aber nicht. Vielmehr wird die akzessorische Mithaftung von der Frage der Haftung für eigenes Verhalten der juristischen Person (direct liability) unterschieden. Diese wird unter anderem dann relevant, wenn sich ein Gebot oder Verbot allein an die juristische Person selbst richtet, diese also – wie im Fall der Ad-hoc-Publizität – selbst gehandelt oder unterlassen haben muss253. Für die Begründung einer solchen „Eigenhaftung“ wird nicht auf „respondeat superior“ zurückgegriffen. Maßgeblich ist dort vielmehr die sogenannte „directing mind and will“-Theorie254, die zumindest in ihren Anfängen an eine weit verstandene Organtheorie erinnert, nach der die Handlungen und Kenntnisse der „directors“ unmittelbar als Handlungen und Kenntnisse der Gesellschaft gelten255. 248 Ferran, Corporate Attribution and the Directing Mind and Will, 127 LQR, 239, 240: „example of a tailor-made corporate civil liability regime“. 249 Vgl. Verse, RabelsZ 76 (2012), 893, 906 f. 250 Siehe insofern § 6 (a) Schedule 10A FSMA. 251 Hierzu zählen auch die Geschäftsleiter, Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 214. 252 Monografisch zu der Entwicklung und den Hintergründen dieser Haftung Wicke, Respondeat Superior; siehe außerdem Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 214 ff. 253 Ferran, Corporate Attribution and the Directing Mind and Will, 127 LQR, 239, 241; Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 217. 254 Grundlegend Lennard’s Carrying Co. Ltd. v. Asiatic Petroleum Co. Ltd., [1915] A. C. 705, 713 f.; alternativ auch „identification doctrine“ oder „alter ego principle“ genannt, Ferran, Corporate Attribution and the Directing Mind and Will, 127 LQR, 239, 241. 255 Deutlich H. L. Bolton (Engineering) Co. Ltd. v. T. J. Grahams & Sons Ltd., [1957] 1 Q. B. 159, 172; Tesco Supermarkets Ltd. v. Nattrass, [1972] A. C. 153, 170 f.; siehe dazu Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 219 f.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Im Lauf der Zeit wurde die „directing mind and will“-Doktrin allerdings als zu unflexibel empfunden. Man ging dazu über, die Zurechnung nicht mehr von der Funktion der natürlichen Person in der Unternehmensleitung im Allgemeinen abhängig zu machen, sondern stellte stattdessen zunehmend auf die Zuständigkeit für die konkret in Rede stehende rechtserhebliche Maßnahme ab256. Dies ermöglichte auch außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs eine „Eigenhaftung“ der Gesellschaft aufgrund des Verhaltens und Wissens nachgeordneter Mitarbeiter257. Für die Wissenszurechnung bedeutet diese aufgabenbezogene Zurechnung, dass das Wissen bei der natürlichen Person zu suchen ist, von der die Einhaltung des jeweiligen Normbefehls aufgrund ihres Aufgabenbereichs gerade erwartet werden konnte258. Auch wenn auf die komplexe Entwicklung der Zurechnung zu juristischen Personen nach englischem Recht hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann259, ist damit festzustellen, dass das moderne englische Verständnis wesentliche Gemeinsamkeiten mit der in dieser Untersuchung zu Art. 17 Abs. 1 MAR vertretenen Auffassung hat. Zum einen hat die Stellung einer Person in der Unternehmenshierarchie für die Bestimmung des Bewusstseinszustands der Gesellschaft für sich genommen keine entscheidende Bedeutung. Zum anderen erfolgt die Zurechnung stets verhaltens- und aufgabenabhängig; es ist also auf die für die jeweils relevante Maßnahme zuständigen Personen abzustellen. 3. Das U. S.-amerikanische Recht Auch im U. S.-amerikanischen Common Law haftet ein Geschäftsherr, gleich ob natürliche oder juristische Person, ohne eigenes Verschulden für die Delikte seiner Mitarbeiter nach dem Prinzip des respondeat superior (vicarious liability)260. 256

El Ajou v. Dollar Land Holdings Plc, [1994] All E. R. 685; Meridian Global Funds Management Asia Ltd. v. Securities Commission, [1995], 2 A. C. 500; vgl. auch Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 220 f. Aufgegeben ist der „directing mind and will test“ allerdings nicht. Bedeutung hat er nach wie vor insbesondere bei Straftaten mit „mens rea“-Erfordernis; dazu Ferran, Corporate Attribution and the Directing Mind and Will, 127 LQR, 239, 245 ff.; ­Davies / Wor­ thington, in: Gower, Principles of Modern Company Law10, Rn. 7–38 ff. 257 Z. B. für den Verstoß gegen die Meldepflicht wegen eines erreichten Beteiligungsumfangs an einer Zielgesellschaft, wenn die für den Anteilserwerb zuständigen Mitarbeiter den Erwerb verschwiegen haben, Meridian Global Funds Management Asia Ltd. v. Securities Commission, [1995], 2 A. C. 500. 258 Deutlich Meridian Global Funds Management Asia Ltd. v. Securities Commission, [1995], 2 A. C. 500, 511 f. Für das pflichtbegründende Wissen bzw. Wissenmüssen vom Überschreiten der relevanten Schwellenwerte (Fn. 257) stellte das Gericht auf den Mitarbeiter ab, der berechtigt gewesen war, die Anteile, die zum Überschreiten der Schwelle geführt hatten, im Namen der Gesellschaft zu erwerben. Von diesem Mitarbeiter war die Meldung in erster Linie zu erwarten. 259 Dazu ausf. Ferran, Corporate Attribution and the Directing Mind and Will, 127 LQR, 239, 241; außerdem Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 214 ff. 260 Anders als im englischen Recht folgt dies im U. S.-amerikanischen Recht aus den Regeln des agency law, §§ 2.04, 7.07 Restatement (Third) of Agency. Im Ergebnis gilt nach § 7.08 dasselbe für „agents“, die nicht Arbeitnehmer sind; vgl. dazu Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 228 f.

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Nach der Rechtsprechung der Bundesgerichte gilt dies – anders als im englischen Recht – sogar für Straftaten261. Überdies spielt es im U. S.-amerikanischen Recht für die Wahl der richtigen Zurechnungsgrundsätze offenbar keine Rolle, ob nur der Geschäftsherr oder auch der Gehilfe selbst Normadressat ist. Der Geschäftsherr haftet unterschiedslos für das Verhalten seiner Mitarbeiter, so dass die Differenzierung in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht thematisiert wird262. Als Fälle echter Direkthaftung der Gesellschaft diskutiert werden aber Situationen, in denen für eine Mithaftung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der vicarious liability nicht an das Verhalten und Wissen einer einzigen natürlichen Person bzw. mehrerer gemeinsam handelnden Personen angeknüpft werden kann, weil die erforderlichen Verhaltens- und Wissensbeiträge auf unterschiedliche Personen im Unternehmen verteilt sind. Ausgangspunkt der Lösung ist dann die sogenannte „collective knowledge“-Doktrin, nach der das bei sämtlichen Mitarbeitern vorhandene Wissen zusammen- und der Gesellschaft zugerechnet wird, solange es einen hinreichenden Zusammenhang zu den übertragenen Tätigkeiten aufweist263. Entschiede man die Zurechnungsfrage bei Art. 17 Abs. 1 MAR anhand dieser Grundsätze, würde eine Veröffentlichungspflicht durch das Insiderwissen eines jeden Mitarbeiters des Emittenten ausgelöst, das in den übertragenen Aufgabenbereich fällt. Dies würde wohl sogar dann gelten, wenn erst auf mehrere Mitarbeiter verteilte „Wissensfragmente“ zu einer Insiderinformation zusammengesetzt werden könnten. Ein solches Verständnis würde an die oben abgelehnte Ansicht zu Art. 9 Abs. 1 MAR erinnern, mit der eine Haftungsbegründung qua Wissenszusammenrechnung möglich sein soll264. Auf den ersten Blick erscheint das U. S.amerikanische Verständnis damit als Gegenentwurf zu der hier für Art. 17 Abs. 1 MAR entwickelten Lösung. Tatsächlich aber ist die Haftung der Gesellschaft qua Wissenszurechnung im U. S.-amerikanischen Recht mit dem bisher Gesagten nur unvollständig beschrieben. Zurückhaltender sind die Gerichte nämlich bei der Frage, ob bei der Ge­ sellschaft von dem „collective knowledge“ auch auf gegebenenfalls erforderliche voluntative Elemente wie Vorsatz geschlossen werden kann265. Diskutiert wird 261 Grundlegend New York Central & Hudson River Railroad Co. v. United States, 212 U. S. 481, 493 ff. (1909); außerdem Old Monastery Co. V. United States, 147 F.2d 905, 908 (4th Cir. 1945); aus jüngerer Zeit United States v. Ionia Management S. A., 555 F.3d 303, 309 f. (2d Cir. 2009); zur Entwicklung Nanda, Corporate Criminal Liability in the United States: Is a New Approach Warranted?, 58 AJCL, 605 (2010); Beale, ZStW 2014, 27, dort auch zum State Law, das eine Zurechnung im Strafrecht teilweise nur seitens einer bestimmten Führungsebene zulässt (a. a. O., S. 35 f.). 262 Siehe etwa den Fall Staub v. Proctor Hospital, 562 U. S. 411 (2011), in dem es um ein Verbot ging, das sich nur an „employer“ richtet. 263 Grundlegend United States v. Bank of New England, N. A., 821 F.2d 844 (1st Cir. 1987); außerdem Adams v. National Bank of Detroit, 444 Mich. 329, 365 f. (1993); Gutter v. El ­DuPont De Nemours, 124 F. Supp. 2d 1291, 1309 (S. D. Fla. 2000); siehe dazu Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 234 f. 264 Oben § 2 C. II. 5. 265 Näher Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 237 ff.

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dieses Problem insbesondere bei der hier besonders interessierenden Kapitalmarkt­ informationshaftung nach § 10(b)  des Securities Exchange Act 1934 266 in Verbindung mit der auf dessen Grundlage erlassenen SEC Rule 10b-5267. Nach der gefestigten Rechtsprechung der U. S.-Gerichte ist diesen Vorschriften ein zivilrechtlicher Haftungstatbestand zu entnehmen, der als spezieller Betrugstatbestand Täuschungsabsicht (scienter) voraussetzt268. Zu der Frage, wie sich die Zurechnungsgrundsätze des agency law und die „collective knowledge“-Doktrin zu diesem Tatbestandsmerkmal verhalten269, ist die Rechtsprechung der Bundesgerichte allerdings uneinheitlich und höchst unübersichtlich270. Das eine Lager bilden die Gerichte, die einen reinen respondeat-superior-Ansatz verfolgen, der die Erfüllung des „scienter“-Erfordernisses seitens der natürlichen Person – gleich welcher Hierarchiestufe – verlangt, die auch objektiv verbotswidrig gehandelt hat271. Nach der vom Berufungsgericht des sechsten Bezirks (Court of Appeals for the Sixth Circuit) zunächst vertretenen Gegenposition genügen hingegen Kenntnisse auch eines an der öffentlichen Aussage nicht beteiligten CEO, um ein „collective scienter“ zu begründen272. Zwar stand der Wissensträger als CEO an der Spitze der Unternehmenshierarchie. Ausschlaggebend war seine Position für die Zurechnung nach der Formulierung des Gerichts aber nicht273. Zum

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Kodifiziert in 15 U. S. C. § 78j. 17 C. F. R. § 240.10b-5: „It shall be unlawful for any person […], (a) To employ any device, scheme, or artifice to defraud, (b) To make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made […] not misleading, or (c) To engage in any act, practice, or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person, in connection with the purchase or sale of any security.“ Näher zu den Voraussetzungen Kulms, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1139 ff. 268 Grundlegend Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U. S. 185, 196 ff. (1976); siehe auch Kulms, in: Hopt / Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1139 f.; zur Entwicklung der zivilrechtlichen Kapitalmarktinformationshaftung Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 239 ff. 269 Die Zurechnungsregeln des Common Law sind auf § 10(b)  Securities Exchange Act anwendbar, siehe AT & T v. Winback & Conserve Program, Inc., 42 F.3d 1421, 1429 ff. (3rd Cir.1994); Makor Issues & Rights, Ltd. v. Tellabs Inc., 513 F.3d 702, 708 (7th Cir. 2008). 270 Der U. S. Supreme Court hat zu der hier interessierenden Zurechnungsfrage noch keine Stellung bezogen. In Janus Capital Group, Inc. v. First Derivative Traders, 564 U. S. 135 (2011), ging es nur um die Konkretisierung der erforderlichen Tathandlung. Das Gericht verneinte eine Haftung solcher (natürlichen und juristischen) Personen, die nur mittelbar an der öffentlichen Aussage beteiligt sind, aber keine „ultimate auhtority“ über deren Veröffentlichung haben. 271 Southland Sec. Corp. V. INSpire Ins. Solutions, 365 F.3d 353, 366 (5th Cir. 20014); Apple Computer Securities Litigation, 127 Fed. Appx. 296 (9th Cir. 2005); Tyson Foods, 155 Fed. Appx. 53, 57 (3d Cir. 2005); Phillips v. Scientific-Atlanta, 374 F.3d 1015, 1018 (11th Cir. 2004). 272 City of Monroe Employment Retirement Systems v. Bridgestone Corp., 399 F.3d 651, 687 f. (6th Cir. 2005). 273 City of Monroe, 399 F.3d 651, 688: „knowledge of a corporate officer or agent acting within the scope of [his] authority is attributable to the corporation.“ (Herv. d. Verf.). 267

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Teil genügten ihm sogar Indizien, die auf das Vorliegen von „scienter“ schließen ließen – insbesondere, dass die öffentliche Aussage im Widerspruch zu betriebsintern vorhandenen Informationen stand –, ohne dass überhaupt ein Wissens­träger benannt werden musste274. Das Urteil des Sixth Circuit Court wird daher als die stärkste Ausprägung eines „collective scienter“ verstanden, nach der sich das Wissen der Gesellschaft auch zur Begründung der Vorsatzhaftung aus dem Wissen sämtlicher Mitarbeiter zusammensetzt275. Zwischen dem respondeat-­superior-​ Ansatz und der strengen Form des „collective scienter“ sind schließlich weniger konkrete Aussagen einzuordnen, nach denen (zumindest auch) bestimmte Führungskräfte relevant sein sollen. Im Fall besonders wichtiger oder evident falscher Aussagen soll deren „scienter“ und daran anknüpfend das „scienter“ der Gesellschaft außerdem vermutet werden können276, ohne dass die Wissensträger vom Kläger benannt werden müssten277. Angesichts der als misslich empfundenen Extrempositionen und der Unklarheit der Zwischenpositionen folgt der Sixth Circuit Court, der zuvor noch die ausgeprägte Form eines „collective scienter“ vertrat, neuerdings aber eine im Grundsatz überzeugenden vermittelnden Lösung278. Überraschenderweise stützt er sich dabei weitestgehend auf einen Vorschlag aus der Literatur279, dessen Ausgangspunkt der

274

City of Monroe, 399 F.3d 651, 684 f. Bondi, Dangerous Liaisons: Collective Scienter in SEC Enforcement Actions, 6 NYU JLB, 1, 10 f. 276 Diese Zwischenlösung kombiniert Zurechnungsfragen mit prozessrechtlichen Besonderheiten des „scienter“-Erfordernisses. Im Zivilprozess wegen Wertpapierbetrugs sind die sonst sehr geringen Hürden für die Schlüssigkeit des Klägervortrags nach § 21D(b)(2) des Securities Exchange Act 1934 [15 U. S. C. § 78u-4(b)(2)(A)] deutlich erhöht. Es reichen keine allgemein gehaltenen Aussagen („general pleading“) und bloße Plausibilität, sondern es wird vom Kläger erwartet „to state with particularity facts giving rise to a strong inference that the defendant acted with the required state of mind“ (Herv. d. Verf.). Nach der genannten Zwischenposition soll die Darlegung besonders wichtiger oder evident falscher Aussagen den Anforderungen des sec. 21D(b)(2) genügen, da in diesen Fällen vom „scienter“ der als relevant angesehenen Führungspersonen ausgegangen werden könne. Näher zu den erhöhten Anforderungen an das Klägervorbringen Jones, Where to Point the Finger: Omnicare’s Attempt to Rectify the Collective Scienter Debate, 57 BCLR, 695, 700 ff.; zum sonst großzügigen Plausibilitätsstandard des Bundeszivilprozessrechts Spencer, Plausibility Pleading, 49 BCLR, 431. 277 Anschaulich das vielzitierte Beispiel bei Makor Issues & Rightd, Ltd. v. Tellabs Inc., 513 F.3d 702, 710 (7th Cir. 2008): „Suppose General Motors announced that it had sold one million SUVs in 2006, and the actual number was zero. There would be a strong inference of corporate scienter, since so dramatic an announcement would have been approved by corporate officials sufficiently knowledgeable about the company to know that the announcement was false“; außerdem Berson v. Applied Signal Technology, Inc., 527 F.3d 982, 987 f. (9th Cir. 2008) Teamster Local 445 Freight Division Pension Fund v. Dynex Capital Inc., 531 F.3c 190, 195 f. (2nd Cir. 2008); Glazer Capital Management, LP v. Magistri, 549 F.3d 736, 744 (9th Cir. 2008); zustimmend McCabe, Out on a Limb: Support for a Limited Version of Collective Scienter, 89 St. John’s Law Review, 939, 962 ff. 278 Omnicare Securities Litigation, 769 F.3d, 455, 475 f. (6th Cir. 2014). 279 Abril / Olazábal, The Locus of Corporate Scienter, 2006 CBLR, 81, 135 ff. 275

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zuvor von ihm noch abgelehnte enge respondeat-superior-Ansatz ist. Das erforderliche „scienter“ der Gesellschaft soll danach zunächst anhand des Bewusstseins­ zustands des Mitarbeiters begründet werden, der auch die falsche oder irreführende Aussage gemacht hat280. Der Kreis der relevanten Personen soll dann aber um die Mitarbeiter zu erweitern sein, die Einfluss auf den Inhalt der Aussage genommen haben oder hätten nehmen können, indem sie die Veröffentlichung „genehmigt, angefordert oder angeordnet haben, Informationen für sie bereitgestellt oder sie überprüft haben“281. Maßgeblich soll schließlich auch der Bewusstseinszustand jedes leitenden Angestellten, einschließlich der „directors“, sein, der die Aussage gebilligt282 oder sie bedingt vorsätzlich („recklessly“)283 ignoriert oder toleriert284 hat285. Der Ansatz des Sixth Circuit Court wird als flexible Lösung empfunden, die die betroffenen Interessen besser zum Ausgleich bringt als zuvor vertretene 280

769 F.3d, 455, 476: „a. The individual agent who uttered or issued the misrepresentation;“ 769 F.3d, 455, 476: „b. Any individual agent who authorized, requested, commanded, furnished information for, prepared (including suggesting or contributing language for inclusion therein or omission therefrom), reviewed, or approved the statement in which the misrepresentation was made before its utterance or issuance;“ 282 Ein wesentlicher Unterschied zum Fall der „authorization“ nach lit. b. (Fn. 281) dürfte nicht bestehen. 283 Für das vom U. S. Supreme Court in Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U. S. 185, 196 ff. (1976) aufgestellte „scienter“-Erfordernis genügt nach Ansicht der Berufungsgerichte auch „recklessness“, an die aber wiederum unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Wenigstens verlangt wird zwar nur eine Art „gröbster Fahrlässigkeit“, siehe Hollinger v. Titan Capital Corp., 914 F.2d 1564, 1569 (1990) m. w. N. („extreme departure from standards of ordinary care“). Teilweise wird „recklessness“ aber auch als Vorsatzform verstanden (Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U. S. 185, 215: „In certain areas of the law, recklessness is considered to be a form of intentional conduct“). Da das „scienter“-Erfordernis nach Ernst & Ernst v. Hochfelder Vorsatz verlangt (425 U. S. 185: „intent to deceive, manipulate, or defraud“ [Herv. d. Verf.]; 425 U. S. 185, 206: „where the defendant has not acted in good faith“) und der U. S. Supreme Court der Geeignetheit der „scienter“-Begründung mittels „recklessness“ zweifelnd gegenübersteht (425 U. S. 185, 215: „We need not address here the question whether, in some circumstances, reckless behavior is sufficient for civil liability under § 10(b) and Rule 10b-5.“ [Herv. d. Verf.]), ist „recklessness“ in diesem Zusammenhang richtigerweise eher im Sinn bedingten Vorsatzes denn gröbster Fahrlässigkeit zu verstehen; so auch Silicon Graphics Securities Litigation, 183 F.3d 970 (9th Cir. 1999): „intentional or knowing misconduct“, „deliberate recklessness“; Vucinich v. Paine, Webber, Jackson & Curtis Inc., 739 F.2d 1434, 1435 (9th Cir. 1984): „lesser form of intent“; Sundstrand Corp. v. Sun Chemical Corp., 553 F.2d 1033 (7th Cir. 1977): „functional equivalent of intent“, „something more egregious than even „white heart / empty head“ good faith.“; Voit v. Wonderware Corp., 977 F. Supp. 2d 363, 374 (E. D. Pa. 1997): „knowing or conscious behavior“; vgl. auch Hoffman v. Estabrook & Co., 587 F.2d 509, 516 (1st Cir.1978): „carelessness approaching indifference“. 284 Im Unterschied zur „authorization“ nach lit. b. (Fn. 281) ist für diese Variante kein aktives Handeln der Wissensträger erforderlich, um ein relevantes „scienter“ begründen zu können. Es genügt bereits das unterlassene Einschreiten bei Kenntnis der Äußerung bzw. die unterlassene Korrektur bei Kenntniserlangung im Anschluss an die Veröffentlichung; näher Abril / Olazábal, The Locus of Corporate Scienter, 2006 CBLR, 81, 146 ff. 285 769 F.3d, 455, 476: „c. Any high managerial agent or member of the board of directors who ratified, recklessly disregarded, or tolerated the misrepresentation after its utterance or issuance…“ 281

D. Erkennbarkeit der Information und objektiver Maßstab des Wissenmüssens

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Positionen286. Indem sie darauf abstellt, wer auf die Korrektur der falschen oder irreführenden Aussage, also auf die Einhaltung des „Normbefehls“, hätte hinwirken müssen, entspricht sie im Wesentlichen dem hier zu Art. 17 Abs. 1 MAR vorgeschlagenen Weg. Unterschiede zur hiesigen Position bei der Bestimmung der relevanten Personen ergeben sich nur aus dem betroffenen Normbefehl selbst. Während die Zurechnungslösung des Sixth Circuit Court auf Fälle verbotenen aktiven Handelns nach SEC Rule 10b-5 zugeschnitten ist, geht es in dieser Untersuchung um die Haftung wegen Unterlassens einer gebotenen Mitteilung. Dort kommt es daher auf die Personen an, die den Inhalt der Mitteilung im negativen Sinn beeinflusst haben oder auf positive Weise hätten beeinflussen müssen, hier auf diejenigen, die auf die Erfüllung der Veröffentlichungspflicht hinwirken sollen. Zwar wurden sämtliche von den Berufungsgerichten vertretenen Lösungen wie erwähnt nur für die Verschuldenshaftung entwickelt und ist die Rechtsprechung mit einer reinen „Wissenshaftung“ auf Grundlage der „collective knowledge“-These weitaus schneller bei der Hand. Richtigweise beansprucht die Lösung des Sixth Circuit Court aber auch unabhängig von der Existenz voluntativer Tatbestandsmerkmale Geltung, weil auch „reine“ Wissensnormen ihre Rechtsfolge an die erwartbare Wissensverwendung knüpfen. Festzuhalten bleibt aber jedenfalls, dass dem U. S.-amerikanisch der hier vertretene Ansatz nicht unbekannt ist.

D. Erkennbarkeit der Qualität als Insiderinformation und objektiver Maßstab des „individuellen“ Wissenmüssens D. Erkennbarkeit der Information und objektiver Maßstab des Wissenmüssens

Dass das Wissen oder Wissenmüssen des relevanten Personenkreises zwar notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für den Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 MAR ist, wurde bereits erwähnt. Oben hatte diese Aussage im Blick, dass dem Emittenten auch bei Kenntnis oder Kennenmüssen eine weitere Frist zuzugestehen ist, die die notwendige Zeit für das Weiterleiten sowie Prüfen der Information und der Möglichkeit einer Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR berücksichtigt287. Die Aussage beansprucht aber auch in einer weiteren Hinsicht Geltung. Die Möglichkeit einer Veröffentlichung setzt nämlich auch voraus, dass die Qualität 286

Jones, Where to Point the Finger: Omnicare’s Attempt to Rectify the Collective Scienter Debate, 57 BCLR, 695, 721 f.; West, The Sixth Circuit’s Omnicare Securities Litigation Holding: New Standard. New Result?, 76 OSLJ Furthermore, 155, 159 f.; grundsätzlich auch Thomas, The Advantage of the Current Middle Ground Approach to Corporate Scienter and the Need for  a Better Standard, (abrufbar unter: http://scholarship.shu.edu/student_ scholarship/718); siehe weiter den ganz ähnlichen Vorschlag eines „creator standard“ bei Jeffries, The Implications of Janus on the Liability of Issuers in Jurisdictions Rejecting Collective Scienter, 43 SHLR, 491, 542 ff. 287 Oben § 2 A., § 2 A. IV.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

der Information als Insidertatsache überhaupt erkennbar ist288. Ist sie nicht erkennbar, ist dem Emittenten also mangels Möglichkeit der Veröffentlichung kein Vorwurf zu machen289. Das bedeutet nicht, dass den Emittenten mangelnde individuelle Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter entlasten würde. Wegen des objektiven Maßstabs, der an die Möglichkeit anzulegen ist, kommt es vielmehr darauf an, was ein durchschnittlicher und angemessen geschulter Mitarbeiter in entsprechender Position hätte erkennen müssen290. In Anbetracht des Bezugs der Tätigkeit relevanter Mitarbeiter zur Ad-hoc-Publizität wird es an dieser Voraussetzung bei Kenntnis der die Insiderinformation begründenden Umstände selten fehlen, zumal diese Mitarbeiter schon bei einem begründeten Verdacht zur Informationsweitergabe anzuhalten sind291. Denkbar ist aber auch, dass etwa die Einschätzung mangelnder Kursrelevanz einer Information ex ante nicht zu beanstanden ist, sich aber ex post als falsch erweist292. Weil Art. 17 Abs. 1 MAR auf die tatsächliche Möglichkeit der Veröffentlichung abstellt, ist dann eine Verletzung der Pflicht mangels „Verzögerung“ und nicht erst die zivilrechtliche Haftung mangels Verschuldens abzulehnen293. Nach den genannten Kriterien ist außerdem zu entscheiden, ob ein relevanter Unternehmensangehöriger eine Information hätte kennen müssen. Auch hier kommt es darauf an, welche Kenntnisse bei einem durchschnittlichen und ordentlich geschulten Mitarbeiter im Einzelfall erwartet werden konnten.

288

Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 113; vgl. auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 392; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 189. 289 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 113; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 392. Darauf, ob dann schon die Wissenszurechnung ausscheiden muss (so i. E. Ihrig a. a. O.) oder dem Emittenten die Bekanntgabe trotz Kenntnis nicht möglich ist, kommt es i. E. nicht an; vgl. dazu auch schon die Ausführungen unter § 2 C. II. 3. 290 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 392 f. Hier wird erneut das Zusammenspiel zwischen Zurechnung und Organisationspflicht deutlich. Wurde der Mitarbeiter für Insiderthemen angemessen sensibilisiert und geschult, kann es dennoch sein, dass er bei seiner Aufgabenerfüllung versagt und z. B. die Bedeutung einer Information falsch einschätzt. Eine Exkulpation kann dem Emittenten dann nur gelingen, wenn es sich bei dem Mitarbeiter nicht um eine zurechnungsrelevante Person handelt. Die Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht kann andererseits aber gerade auch auf der mangelhaften Instruktion dieses Mitarbeiters beruhen, ohne dass diesem ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann. Dann liegt eine Verletzung der Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR in Gestalt der Verletzung einer der Vorschrift immanenten Organisationspflicht vor. Näher dazu sogleich im Text. 291 Zu dieser Instruktionspflicht noch sogleich unter § 2 E. IV. 292 Dazu Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 113. 293 So i. E. auch Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 113.

E. Die Organisationspflicht des Emittenten

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E. Die Organisationspflicht des Emittenten I. Vorbemerkung Aus der Bedeutung der Zuständigkeitsfrage für die Zurechnung folgt nicht, dass dem Emittenten zu raten ist, nachgeordnete Mitarbeiterebenen überhaupt nicht mit der Ad-hoc-Publizität zu befassen. Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet den Emittenten vielmehr, die Ad-hoc-Publizität durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen294. Ein pflichtauslösendes Wissenmüssen kann mit anderen Worten nicht nur seitens relevanter Unternehmensangehöriger zugerechnet werden, sondern auch dann zu bejahen sein, wenn diese Personen die Kenntnis im Fall ordnungsgemäßer Organisation erlangt hätten295. Selbstverständlich muss dem Emittenten auch eine Organisationspflichtverletzung zugerechnet werden können. Probleme ergeben sich insofern aber nicht, weil die Feststellung eines Organisationsmangels eine zurechenbare Verletzung der – gewissermaßen „erfolgsbezogenen“ – Organisationspflicht impliziert. Inwieweit der Emittent den Informationsfluss über seine eigenen Grenzen hinaus auch innerhalb des Konzerns organisieren kann und muss, soll im Zusammenhang der später gesondert zu behandelnden konzernrechtlichen Fragen untersucht werden296.

II. Echte Pflicht, nicht nur Obliegenheit Allerdings wird teilweise schon bestritten, dass Art. 17 Abs. 1 MAR überhaupt eine Pflicht zur Organisation des betriebsinternen Informationsflusses normiert297. Dafür lässt sich auf den ersten Blick anführen, dass die Vorschrift in der Tat nicht schon durch mangelhafte Organisation allein verletzt werden kann, sondern immer noch ein Ausbleiben der gebotenen Ad-hoc-Meldung hinzukommen muss298. Man könnte die Wissensorganisation daher auch als bloße Obliegenheit des Emit 294 Siehe hier nur BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.4 (S. 42); Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 105 ff.; außerdem oben § 2 A. I. m. z. N. in Fn. 20. 295 Das Zusammenspiel von individueller Zurechnung und Organisationspflichtverletzung bzw. -verschulden kennt das Unionsrecht auch in anderem Zusammenhang. So muss ein Nachweis vorwerfbaren Individualverhaltens nach der Praxis der EU-Organe nicht geführt werden, wenn der Verstoß jedenfalls bei Einhaltung ordnungsgemäßer Organisation vermieden worden wäre; siehe dazu Papakiriakou, Das Europäische Unternehmensstrafrecht in Kartellsachen, S. 312 ff. m. w. N. 296 § 4. 297 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 89; zu § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG a. F. Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 144; zweifelnd auch Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 19; vgl. zur Meldepflicht des § 21 Abs. 1 S. 2 WpHG a. F. außerdem KK WpHG / Hirte2, § 21 Rn. 175.; siehe auch noch die Nachw. in Fn. 290 f. 298 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 78 f.; zur Meldepflicht des § 21 Abs. 1 S. 2 WpHG a. F. KK WpHG / Hirte2, § 21 Rn. 175; ferner Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 19.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

tenten verstehen299. Sofern man nicht sowohl die Existenz einer Pflicht als auch einer Obliegenheit schon wegen Annahme eines Kenntniserfordernisses ablehnt300, hat der Streit um die Rechtsnatur der Organisationspflicht aber mehr theoretische denn praktische Bedeutung. Auf den ersten Blick ist er zwar für die Frage relevant, ob die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde die Einhaltung organisatorischer Anforderungen erzwingen kann. Zumindest für die BaFin wird man das aber in jedem Fall bejahen können. Denn auch wenn der Emittent noch nicht allein aufgrund von Art. 17 Abs. 1 MAR zu ordnungsgemäßer Organisation – sondern nur zu rechtzeitiger Veröffentlichung – verpflichtet wäre, könnte ihn die BaFin wohl auf Grundlage ihrer präventiv wirkenden sonderpolizeirechtlichen Befugnisse, deren Gebrauch nicht die Verletzung einer Rechtspflicht voraussetzt, zur Umsetzung erforderlicher Maßnahmen anhalten (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 WpHG)301. Die besseren Gründe streiten letztlich für die Annahme einer echten Organisationspflicht. Für sie spricht insbesondere, dass der Emittent die Veröffentlichungspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR zuverlässig nur erfüllen kann, wenn er auch den betriebsinternen Informationsfluss organisiert, so dass er Letzteres nicht nur im eigenen Interesse, sondern gerade auch im öffentlichen Normbefolgungsinteresse tun soll. Für die Organisationspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR gilt damit nichts anderes als für die allgemeinen deliktsrechtlichen Verkehrs- und Organisationspflichten aus § 823 BGB, deren Verletzung auch nur relevant wird, soweit es tatsächlich zu einer Rechtsgutsverletzung kommt302, die aber dennoch als echte Pflichten verstanden werden303. Man mag solche Pflichten als mittelbare Pflichten und die Organisationspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR als „mittelbare Informationspflicht“ bezeichnen wollen304; nur eine (aufsichtsrechtliche) Obliegenheit anzunehmen, würde ihrer Bedeutung aber nicht gerecht. Auch außerhalb bereichsspezifischer Regelungen, die konkrete Informationsorganisationspflichten insbesondere für Kreditinstitute305, Wertpapierdienstleistungsunternehmen306 und 299

Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 78 f.; ferner Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 89; Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 144; erwägend Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 19. 300 So Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 33; ders., AG 2019, 273, 276 f.; zu § 97 WpHG Thomale, NZG 2018, 1007, 1011; dagegen schon oben § 2 A. I. 301 Vgl. dazu Döhmel, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, § 6 WpHG Rn. 40, 70. 302 Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 83. 303 Ausf. zu diesen Pflichten MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 380 ff. 304 Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 19; vgl. ferner Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 72: „dienende Funktion“ der allg. Organisationspflichten aus § 823 BGB. 305 Art. 74 Abs. 1 der RL 2013/36/EU v. 26.06.2013 (CRD IV), ABl. Nr. L 176, S. 338 (zurückgehend auf Art. 22 Nr. 1 der RL 2006/48/EG v. 14.06.2006 (neu gef. Bankenrichtlinie), ABl. Nr. L 177, S. 1): „wirksame Verfahren zur […] Meldung der […] Risiken“; in Deutschland umgesetzt durch § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 3 lit. b) KWG: „Prozess zur […] Kommunikation der Risiken“; zu sog. Whistleblower-Systemen außerdem Art. 71 der RL 2013/36/EU bzw. § 25a Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KWG. 306 § 80 WpHG, der auf § 25a KWG (Fn. 305) verweist.

E. Die Organisationspflicht des Emittenten

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Versicherungsunternehmen307 ausdrücklich normieren, gibt es mit Art. 17 Abs. 1 MAR daher eine echte Pflicht zur Wissensorganisation.

III. Bedeutung neben allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Organisationspflichten Insiderinformationen, die den Emittenten betreffen, sind für diesen unabhängig von der Ad-hoc-Publizitätspflicht sowohl für das laufende operative Geschäft als auch die Unternehmensplanung von großer Relevanz. Schon aus eigenem Antrieb wird der Emittent daher zu ganz unterschiedlichen Zwecken für Berichtswege sorgen, auf denen in dem durch Art. 10 MAR gesteckten Rahmen308 auch solche Informationen kommuniziert werden, ohne dass dabei ihre rechtliche Einordnung als Insiderinformation im Vordergrund stünde. Damit drängt sich die Frage auf, ob der Emittent schon aus allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen sogar verpflichtet ist, für eine Wissensorganisation zu sorgen, und inwieweit damit gleichzeitig den Anforderungen des Art. 17 Abs. 1 MAR genügt wird. Unstreitig ist hierzulande allerdings nur, dass die ordnungsgemäße Leitung der Gesellschaft von den Geschäftsleitern die Errichtung einer Compliance-Organisation verlangt, die auf die frühzeitige Erkennung und Bekämpfung von Rechtsund Regelverstößen ausgerichtet ist309. Der erforderliche Umfang der ComplianceOrganisation hängt maßgeblich von der Größe des jeweiligen Unternehmens und dessen Tätigkeitsfeld ab310; zumindest für die hier interessierenden Gesellschaften gehört zu ihr aber jedenfalls auch, dass relevante rechtliche Risiken und Rechtsverstöße betriebsintern kommuniziert werden311. Weil der Tatbestand der Insider 307

Art. 44 Abs. 1 der RL 2009/138/EG v. 25.11.2009 (Solvency II), ABl. Nr. L 335, S. 1; in Deutschland umgesetzt in § 23 Abs. 1 S. 3 VAG (§ 64a Abs. 1 Nr. 3 lit. c VAG a. F.): „wirksames unternehmensinternes Kommunikationssystem“. 308 Allg. zur Zulässigkeit der betriebsinternen Offenlegung von Insiderinformationen hier nur Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 10 MAR Rn. 17 ff.; Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 106 f.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 10 Rn. 35 ff.; Mader, Informationsfluss, S. 158 f. Näher dazu im Rahmen des rechtsträgerübergreifenden Informationsflusses im Unternehmensverbund, § 4 B. III. 7. a). 309 Dazu LG München I v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345; Bicker, AG 2012, 542; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 91 AktG Rn. 47 ff.; Klahold / L ochen, in: Hauschka / Moosmayer / Lösler, Corporate Compliance3, § 37 Rn. 4; Hüffer / Koch14, § 76 AktG Rn. 11 ff.; Kort, NZG 2008, 81; Reichert / Ott, NZG 2014, 241; Seibt / Cziupka, AG 2015, 93, 94; Simon / Merkelbach, AG 2014, 318; MünchKomm. AktG / Spindler5, § 91 Rn. 52 ff., jew. m. z. N. 310 Vgl. RegE KonTraG zu § 91 Abs. 2 AktG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; außerdem Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 68; Seibt / Cziupka, AG 2015, 93, 94, 95. Zu den speziell regulierten Sektoren schon soeben § 2 E. II. mit Fn. 305 ff. 311 Vgl. Bicker, AG 2012, 542, 546 f.; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 91 AktG Rn. 57; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 274; S. H. Schneider / U. H. Schneider, ZIP 2007, 2061, 2064; ferner Goette ZHR 175 (2011), 388, 395; bezogen auf die konzernweite Compliance zudem Fleischer, CCZ 2008, 1, 6; S. H. Schneider / U. H.  Schneider, ZIP 2007, 2061, 2065; vgl. ferner Ziff. 4.1.3. S. 3 DCGK, der die Einrichtung sog. Whistleblower-Systeme empfiehlt.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

information aber über solche Tatsachen hinausgeht, erfasst der im Rahmen der Compliance-Organisation zwingend erforderliche Informationsfluss nur einen Bruchteil aller denkbaren Insiderinformationen. Selbst aber wenn man von den Geschäftsleitern darüber hinaus verlangen will, anlassunabhängig für die betriebsinterne Kommunikation sämtlicher wesentlicher Tatsachen, also auch sonstiger Insiderinformationen, zu sorgen312, lässt sich damit jedenfalls nicht ohne Weiteres eine entsprechend weitgehende Organisationspflicht des Emittenten mit Außenwirkung begründen313. Abgesehen davon ist zu bedenken, dass Informationsstrukturen zum Zweck der Ad-hoc-Publizität besonderen Anforderungen genügen müssen, welche die Berichtswege, die das Unternehmen schon im eigenen Interesse oder aufgrund anderer Verpflichtungen bereithält, meist nicht erfüllen werden. Dies gilt in erster Linie mit Blick auf die erforderliche Geschwindigkeit, mit der Entscheidungen über Ad-hoc-Mitteilungen oder Selbstbefreiungen nach Art. 17 Abs. 4 MAR zu treffen sind314. Darüber müssen Informationswege, die (auch) der Ad-hoc-Publizität dienen, selbstverständlich gerade die Personen oder Gremien involvieren, die auch über die Veröffentlichung oder eine Selbstbefreiung entscheiden können. Die Herleitung von speziellen Organisationspflichten auf Grundlage des Art. 17 Abs. 1 MAR hat daher nicht nur dogmatische315, sondern auch praktische Relevanz. Dass Synergieeffekte aufgrund anderweitig bestehender Informationsstrukturen ungenutzt bleiben müssten, folgt daraus aber nicht316. Entscheidend ist nur, dass die Anforderungen an eine ad-hoc-publizitätsspezifische Kommunikation eingehalten werden. Wie in der Diskussion um die Compliance-Organisationspflichten stellt sich dabei auch hier die weitere Frage nach einem Ermessensspielraum bei der konkreten Ausgestaltung der Wissensorganisation. Organisationspflichten mit „Außenwirkung“ machen einmal mehr klar, dass zwischen dem allein rechtlich vorgegeben Rahmen und den verschiedenen Möglichkeiten, diesen Rahmen zu füllen, zu unterscheiden ist. Während die Einhaltung der Mindestvorgaben offensichtlich nicht im Ermessen der verpflichteten Gesellschaft stehen kann, ist sie bei der Wahl aus mehreren zulässigen Maßnahmen frei. Dies gilt spiegelbildlich für das

312

Das könnte man aus der Pflicht aus § 93 AktG, stets auf angemessener Informationsgrundlage zu handeln, mit dem Argument herleiten, dass bei Insiderinformationen anlassunabhängig damit gerechnet werden muss, dass diese für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen relevant sind oder Handlungsbedarf auslösen. 313 Zur Herleitung allgemeiner Compliance-Pflichten mit Außenwirkung Buntig, ZIP 2012, 1542, 1545 ff.; Koch, WM 2009, 1013, 1015 ff. 314 Vgl. Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 352 f. 315 Die Einhaltung der unionsrechtlichen Organisationspflichten aus Art. 17 Abs. 1 MAR könnte schließlich ohnehin nicht mit der Erfüllung nationaler gesellschafts- oder zivilrechtlicher Organisationspflichten begründet werden; die jeweiligen Anforderungen könnten nur deckungsgleich sein oder sich überschneiden. 316 Vgl. dazu Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 345 ff.

E. Die Organisationspflicht des Emittenten

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Innenverhältnis: Die business judgment rule kommt der Geschäftsleitung also nur zugute, soweit die konkrete Ausgestaltung der Organisation innerhalb der rechtlich bindenden Grenzen in Rede steht317. Weil es hier nur um die Rechtmäßigkeit und nicht die Zweckmäßigkeit318 der Wissensorganisation des Emittenten geht, sind im Folgenden die aus Art. 17 Abs. 1 MAR allein folgenden  – gerichtlich voll überprüfbaren – Mindestvorgaben an die Wissensorganisation des Emittenten zu skizzieren.

IV. Voraussetzungen ordnungsgemäßer Organisation Auch wenn das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit zur schnellstmöglichen Veröffentlichung verpflichtet, bedeutet das nicht, dass der Emittent unverhältnismäßigen Aufwand zur Informationsbeschaffung betreiben müsste. Die Organisationspflicht steht vielmehr unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Nicht erforderlich ist, dass der Emittent die oben genannten Möglichkeiten der Aufgabenzuweisung ausschöpft und möglichst viele Personen in den Prozess der Bekanntgabe einbindet; im Gegenteil dürfte das vielmehr mit Art. 10 Abs. 1 MAR in Konflikt geraten. Wesentliche Voraussetzungen ordnungsgemäßer Organisation ist nur, dass die unternehmensinterne Kommunikation von Insiderinformationen tatsächlich ungehemmt stattfinden kann, was in erster Linie die Errichtung darauf zugeschnittener Informationskanäle erfordert319. Unabdingbar ist dafür auch die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle und deren betriebsinterne Kommunikation, damit jeder Mitarbeiter weiß, an wen er sich im Ernstfall wenden kann320.

317

Vgl. zu den vergleichbaren Fällen der rechtlich gebundenen, aber unter rechtlicher Unsicherheit getroffenen Entscheidungen Verse, ZGR 2017, 174, 192 f. Zu dem nach dem Gesagten z. T. irreführenden Streit um die Anwendbarkeit der business judgment rule im Rahmen von Compliance-Organisationen Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 85 f.; Fett, CCZ 2014, 143, 144; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 91 AktG Rn. 56; Hüffer / Koch14, § 76 AktG Rn. 14; Kort, NZG 2008, 81, 83; Großkomm. AktG / ders.5, § 91 Rn. 122 f.; Nietsch, ZGR 2015, 631, 641 ff. (jew. für die Anwendbarkeit); Habersack, Karlsruher Forum 2009, 5, 17 f.; Holle, Legalitätskontrolle, S. 74 ff.; Altmeppen, ZIP 2016, 97, 98; von Busekist / Hein CCZ 2012, 41, 43 (jew. gegen die Anwendbarkeit); ausf. zum Meinungsstand außerdem Holle, Legalitätskontrolle, S. 67 ff. 318 Siehe dazu Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 274 ff.; Naumann / Siegel, ZHR 181 (2017), 273, 288 ff.; Gutzy / Märzheuser, Praxishandbuch Ad-hoc-Publizität, S. 167 ff.; Racky / Fehn-Claus, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn. 48 ff.; ferner Bürkle, Klahold / L ochen und Spiekermann, in: Hauschka / Moosmayer / Lösler, Corporate Compliance3, §§ 36–38; zur konzernweiten Kommunikation auch Bruns, in: Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 107, 110 ff. 319 Dazu Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 127; Sajnovits, WM 2016, 765, 769; Seibt / Cziupka, AG 2015, 93, 96; deutlich außerdem noch BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 28.04.2009), IV.6.3 (S. 70). 320 Vgl. Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 127; Racky / Fehn-Claus, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn. 54; ferner Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 275.

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§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR

Entscheidungsbefugnisse im Hinblick auf den Umgang mit Insiderinformationen können an diese Stelle delegiert werden, der Emittent muss dies aber nicht tun. Es genügt, wenn er die Bedingungen dafür schafft, dass potenzielle Insiderinformationen zur Prüfung, Entscheidung oder auch weiteren Sachverhaltsaufklärung321 „nach oben“ gelangen können. Als Teil der nach Art. 17 Abs. 1 MAR erforder­ lichen Informationsorganisation wird man außerdem interne Hinweisgebersysteme zur Meldung von betriebsinternen Rechtsverstößen verlangen müssen, zu deren Errichtung Kreditinstitute und Wertpapierdienstleistungsunternehmen bereits ausdrücklich verpflichtet sind322, über die große Unternehmen – in Deutschland entsprechend der Empfehlung der Ziff. 4.1.3. S. 3 DCGK – aber auch im Übrigen ohnehin meist verfügen. Ad-hoc-publizitätsspezifische Aufgaben  – z. B. eines Compliance-Beauftragten oder eines Ad-hoc-Publizitätsausschusses – sollten in unternehmensinternen Richtlinien oder Geschäftsordnungen festgehalten werden323. Für die Pflichteinhaltung entscheidend ist aber nur, dass sie klar verteilt, im Unternehmen kommuniziert und tatsächlich gelebt werden. Die Organisationspflicht des Emittenten umfasst nicht nur die Errichtung von Informationskanälen und die Zuweisung ad-hoc-publizitätsspezifischer Aufgaben an dafür geeignetes Personal. Darüber hinaus sind Mitarbeiter sensibler Bereiche, in denen Insiderinformationen entstehen können324, auf den korrekten Umgang mit Insiderinformationen durch Schulungsmaßnahmen vorzubereiten325. Sie sind zur Weitergabe potenzieller Insiderinformationen an die zuständige Stelle anzuhalten326 und müssen für die in ihrem Bereich relevanten Informationen sensibi-

321

Zur Aufklärungspflicht Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 122 ff.; zu § 15 WpHG a. F. außerdem Voß, in: Just / Voß / R itz / Becker, § 15 Rn.  101. 322 Oben § 2 E. II. mit Fn. 305 ff.; Art. 32 MAR betrifft hingegen Systeme der Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden. 323 Zur Geschäftsordnung eines Ad-hoc-Publizitätsgremiums Niermann / Venter, in: Szesny / ​ Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 92 ff., 105 ff.; siehe außerdem Schulz  / ​ Kuhnke, BB 2012, 143, 145. 324 Im Zusammenhang mit der Insiderliste nach Art. 18 MAR nennt die ESMA neben den Organwaltern und weiteren führenden Mitarbeitern sowie deren Assistenten beispielhaft die Mitarbeiter der internen Revision und des Finanz- und Rechnungswesens, ESMA, Consultation Paper – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, v. 15.07.2014, ESMA/2014/809, S. 66 Rn. 298; siehe außerdem zum „Regelinsider“ des § 15b WpHG a. F. Fuchs / Pfüller 2, § 15b WpHG Rn. 64; Schwark / Zimmer / Zimmer, 4. Aufl., § 15b WpHG Rn. 26. 325 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 127; Sajnovits, WM 2016, 765, 769; vgl. auch Seibt  / ​ ­Cziupka, AG 2015, 93, 97; siehe außerdem Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 391, der aber alle nachgeordneten Mitarbeiter einbezieht; zur Schulung des Aufsichtsrats KK WpHG / Möllers / ​ Leisch 2, §§ 37c, b Rn. 185. 326 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 127; Sajnovits, WM 2016, 765, 769; ferner Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 391; vgl. auch Niermann / Venter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 3. Kap., Rn. 100; Seibt / Cziupka, AG 2015, 93, 97; außerdem Schulz / Kuhnke, BB 2012, 143, 145, mit der zutreffenden Forderung nach einer weiten Formulierung der Pflicht, um eine mangelnde Weitergabe aufgrund falscher Einschätzung „unterhalb“ der zur Prüfung berufenen Stelle zu vermeiden; dazu auch Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 277.

E. Die Organisationspflicht des Emittenten

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lisiert werden327. Ein Hinweis auf die Pflichten in betriebsinternen Richtlinien328, auf die im Arbeitsvertrag Bezug genommen werden kann, erscheint zweckmäßig, sollte dann aber nicht mehr als Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Organisation angesehen werden329. Die Instruktionspflicht gilt freilich auch hinsichtlich solcher Mitarbeiter, die erst aufgrund eines Abteilungswechsels oder projektbezogen voraussichtlich mit Insider­informationen in Berührung kommen werden. Sämtliche Mitarbeiter, also auch solche außerhalb sensibler Geschäftsbereiche, zu schulen, wird man hingegen nicht zur Voraussetzung ordnungsgemäßer Organisation machen dürfen. Zwar können auch solche Mitarbeiter ohne großen Aufwand in Unternehmensrichtlinien angesprochen werden. Ob der Emittent seiner Organisationspflicht genügt, sollte von solchen ohnehin nur sehr allgemein formulierbaren Vorgaben aber nicht abhängig gemacht werden. Wichtig ist ein Aktivwerden wie gesagt vielmehr dort, wo mit der Entstehung von Insiderinformationen zu rechnen ist. Ob darüber hinaus weitere Maßnahmen erforderlich sind, hängt vom Funktionieren der Organisation ab, die fortlaufend zu überwachen ist. Treten trotz der oben genannten Vorkehrungen erkennbar Missstände im Informationsfluss auf – etwa, weil sich nachträglich herausstellt, dass Informationen nicht oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurden –, sind diese mit Umstrukturierungen, weiteren Schulungen oder disziplinarischen Maßnahmen zu bekämpfen330. Auf einem anderen Blatt steht, dass der Emittent bei der Ausgestaltung der ad-hoc-publizitätsspezifischen Wissensorganisation auch unabhängig von sektorspezifischen Vorgaben331 weitere Aspekte berücksichtigen sollte, die nicht unmittelbar mit der Ad-hoc-Publizität zusammenhängen. Das gilt insbesondere für die organisatorischen Maßnahmen nach Art. 9 Abs. 1 MAR zur Verhinderung von Insidergeschäften durch Mitarbeiter, für die der Emittent haften kann332. Für die Entstehung und Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR haben diese Aspekte allerdings keine Bedeutung.

327

Eine Sensibilisierung kann nur hinsichtlich solcher Informationen stattfinden, die auch voraussichtlich entstehen werden. Dass Art. 17 Abs. 1 MAR grundsätzlich auch unternehmensexterne Insiderinformationen betreffen kann, von denen Mitarbeiter nur zufällig erfahren, bedeutet damit, dass vom Emittenten insofern allenfalls eine weite Formulierung der Weiterleitungspflicht verlangt werden kann; vgl. Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 128. 328 Ausf. zu solchen Richtlinien Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 279 ff.; siehe etwa den Verhaltenskodex der BMW Group von 2020, S. 19: „Alle Mitarbeiter der BMW Group sind verpflichtet, dieses Gremium [scil.: das Ad-hoc-Gremium der BMW AG] über ihre Führungskräfte zu informieren, falls Anzeichen dafür bestehen, dass ein Sachverhalt den Kurs von BMW Wertpapieren erheblich beeinflussen könnte.“ 329 Vgl. Seibt / Cziupka, AG 2015, 93, 97. 330 Vgl. KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 186. 331 Oben § 2 E. II. mit Fn. 305 ff. 332 Zu Art. 9 Abs. 1 MAR schon oben § 2 C. I., § 2 C. III. 5.

§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht I. Bedeutung des Unionsrechts für die Pflichtverletzung nach § 97 Abs. 1 WpHG Die zivilrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 97 f. WpHG sind – anders als verwaltungsrechtliche Sanktionen wegen Verstoßes gegen Art. 17 MAR333 – unionsrechtlich nicht explizit vorgegeben334. Auf den ersten Blick gelten für die Haftung wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung nach § 97 WpHG daher nicht die zu Art. 17 MAR entwickelten Grundsätze, sondern allein ein deutscher Maßstab. Unzutreffend ist dies aber jedenfalls für die auch im Rahmen der Schadensersatzhaftung relevante Frage der Pflichtentstehung und -verletzung. Insofern gelten für § 97 WpHG vielmehr dieselben Kriterien wie für Art. 17 Abs. 1 MAR, was schon aus dem Wortlaut des § 97 Abs. 1 WpHG folgt, der auf die Pflicht nach Art. 17 MAR verweist335. Wann die Ad-hoc-Publizitätspflicht verletzt ist, richtet sich also sowohl bei Art. 17 Abs. 1 MAR als auch für Zwecke der zivilrechtlichen Haftung nach einheitlichen unionsrechtlichen Grundsätzen336.

II. Keine Bedeutung des Unionsrechts für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 1. Fragestellung Nicht abschließend geklärt ist demgegenüber, ob das Unionsrecht auch Einfluss auf die Verschuldensanforderungen des § 97 Abs. 2 WpHG hat. Hintergrund dieser Frage ist die Rechtsprechung des EuGH zur Erforderlichkeit eines nationalen 333

Art. 30 Abs. 1 lit. a) MAR. Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 16. 335 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 84; Schwark / Zimmer / ​ Zimmer / Steinhaeuser5, Art. 17 MAR Rn. 41; tendenziell a. A. Thomale, NZG 2018, 1007, 1009. 336 Vgl. dazu auch die Rechtslage bei Geldbußen wegen Verstößen gegen die Art. 101, 102 AEUV, die von der EU-Kommission nach Art. 23 der VO 1/2003 und vom BKartA nach § 81 GWB verhängt werden können. Unabhängig davon, welche Rechtsgrundlage angewendet wird, sind auch hier einheitliche unionsrechtliche Maßstäbe an die Auslegung der Art. 101, 102 AEUV anzulegen; Immenga / Mestmäcker / Dannecker / Biermann 6, Bd. 2, § 81 GWB Rn. 23. 334

A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht

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private enforcement337 unionsrechtlicher Verhaltensnormen. Schon früh hat der Gerichtshof aus ganz unterschiedlichen primär- und sekundärrechtlichen Rechtsgrundlagen individuelle Rechte – unter weit weniger strengen Voraussetzungen als die der deutschen Schutznormlehre oder § 823 Abs. 2 BGB338 – hergeleitet und von den Mitgliedstaaten gefordert, dass der Betroffene diese Rechte vor nationalen Gerichten durchsetzen kann339. Geprägt hat der EuGH diese Rechtsprechung insbesondere in den Rechtssachen Courage, Manfredi und Muñoz zum Kartell- und Wettbewerbsrecht340. In den beiden zuerst genannten Urteilen entschied der EuGH, dass nach nationalem Recht jedermann Ersatz des Schadens verlangen können muss, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann (Art. 101 Abs. 1 AEUV), oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist341. In der Sache Muñoz urteilte er, dass es jedem Marktteilnehmer möglich sein muss, gegenüber einem Konkurrenten die Einhaltung unionsrechtlicher Bestimmungen über Qualitätsnormen von Obst und Gemüse zivilrechtlich durchzusetzen342. Nur wenn den Betroffenen nach nationalem Recht Schadensersatz- bzw. Unterlassungsansprüche gegen die verbotswidrig Handelnden zustünden, sei die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleistet. Unter dem Stichwort der „funktionalen Subjektivierung“ unionsrechtlicher Verhaltensnormen343 wird seitdem intensiv über die Reichweite der EuGH-Rechtsprechung und deren Übertragbarkeit auf andere Rechtsgebiete gestritten344. 337

Gemeint ist damit die Möglichkeit einzelner betroffener Personen, ihre unionsrechtlich vermittelten Rechte vor nationalen Gerichten durchzusetzen, sei es vor Zivilgerichten oder auf verwaltungsrechtlichem Weg durch Geltendmachung eines Anspruchs auf Einschreiten der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde. 338 Dazu Ebers, Unionsprivatrecht, S. 150 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, S. 198 ff.; Masing, Mobilisierung, S. 35 ff. i. V. m. S. 107 ff.; Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 281 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 413 ff.; ferner Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 19; ders., Regulierung und Privatrecht, S. 193 ff.; vgl. weiter Jarass, Charta der Grundrechte der EU3, Art. 47 Rn. 8 m. w. N.; siehe aus jüngster Zeit auch EuGH v. 12.12.2019, ECLI:EU:C:2019:1069, Rn. 31 (Otis u. a. / Oberösterreich u. a.), wo der Gerichtshof entschied, dass der Art. 101 AEUV immanente Schadensersatzanspruch (näher sogleich im Text) unabhängig davon sei, ob der erlittene Schaden einen spezifischen Zusammenhang mit dem von Art. 101 AEUV verfolgten Schutzzweck aufweist. 339 EuGH v. 07.07.1981, ECLI:EU:C:1981:163, Rn. 39 ff. (Rewe Nord); EuGH v. 30.5.1991, ­ECLI:EU:C:1991:224 (Kommssion / Deutschland) Rn. 16; EuGH v. 17.10.1991, ECLI:EU:C:1991:​ 391 (Kommission / Deutschland) Rn. 14; EuGH v. 20.09.2001, ECLI:EU:C:2001:465 (Courage) Rn. 17 ff.; EuGH v. 17.09.2002, ECLI:EU:C:2002:497 (Muñoz) Rn. 27 ff.; EuGH v. 13.07.2006, ECLI:EU:C:2006:461 (Manfredi) Rn. 56 ff., 89 ff. 340 Nachw. in voriger Fn. 341 EuGH v. 20.09.2001, ECLI:EU:C:2001:465 (Courage)  Rn. 26; ECLI:EU:C:2006:461 (Manfredi) Rn. 60, 90. 342 EuGH v. 17.09.2002, ECLI:EU:C:2002:497 (Muñoz) Rn. 29 ff. 343 Dazu monografisch Franck, Marktordnung durch Haftung, S. 193 ff.; Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 255 ff.; ferner Masing, Mobilisierung. 344 So insb. zum Marktmanipulationsverbot nach Art. 15 MAR; die Übertragung befürwortend Poelzig, ZGR 2015, 801 ff.; dies., NZG 2016, 492, 501; Seibt / Wollenschläger, AG 2014,

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

Nach neuerdings vertretener Auffassung soll die Rechtsprechung auch auf die Ad-hoc-Publizität übertragbar sein, was bedeute, dass die Haftungstatbestände der §§ 97, 98 WpHG unionsrechtlich geboten und am Effektivitätsgebot zu messen seien345. Aus dem Effektivitätsgebot soll weiter folgen, dass die Verschuldensanforderungen der §§ 97 Abs. 2, 98 Abs. 2 WpHG praktisch bedeutungslos seien, weil sie keinen Niederschlag im Unionsrecht finden und die Durchsetzung der individuellen Anlegerrechte damit unzulässig beschränken würden. Vielmehr müsse jeder Verstoß gegen Art. 17 MAR stets haftungsbegründend wirken346. 2. Stellungnahme Diesen sehr weitgehenden Schlussfolgerungen ist aus mehreren Gründen entgegenzutreten. Zum einen ist schon die Positionierung des EuGH zur Verleihung subjektiver Rechte zu vage, um aus ihr derart weitreichende Folgen für die Haftung wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizität abzuleiten, die Umwälzungen nicht nur für das deutsche Recht, sondern für sämtliche – noch restriktivere347 – europäische Rechtsordnungen bedeuten würden (näher sogleich unter a)). Unabhängig davon lässt sich die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs aber ohnehin nicht ohne Weiteres auf die hier interessierenden Fälle übertragen, weil es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der jeweiligen Konstellationen mangelt (näher unter b)). a) Keine Eindeutigkeit der EuGH-Rechtsprechung Was zunächst die Aussagekraft der Rechtsprechung des EuGH zur Verleihung subjektiver Rechte betrifft, ist auf neuere Urteile des Gerichtshofs zu verweisen, die eine andere Sprache sprechen als die Entscheidungen in den Sachen Courage, Manfredi und Muñoz348. 593, 607; zur alten Marktmissbrauchs-RL auch Hellgardt, AG 2012, 154, 157 f., 165; ablehnend Mülbert, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 15 MAR Rn. 48; Sajnovits, Financial-Bench­ markts, S. 298 ff.; Klöhn MAR / Schmolke, Art. 15 MAR, Rn. 77 ff.; ders., NZG 2016, 721; BeckOGK / Spindler, § 823 BGB (Stand: 01.05.2020) Rn. 376; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 509; vgl. auch Klöhn, in: Kalss / F leischer / Vogt, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2013, S. 229, 236 ff.; generell gegen Übertragbarkeit auf die MAR zudem Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 65 ff.; offenlassend Veil, ZGR 2016, 305, 323 f. 345 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 19 ff.; dagegen Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 47 (i. V. m. S. 78); ders., AG 2019, 189, 190; ders., NZG 2018, 1007, 1009 mit Fn. 22; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 510. 346 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 27. 347 Zum britischen Recht oben § 2 C. VI. 2.; in Schweden etwa scheint es eine zivilrechtliche Haftung des Emittenten wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität überhaupt nicht zu geben, dazu Ackebo / Johard, in: Savitt, Securities Litigation Review5, S. 242, 246 mit Fn. 19; zum Vergleich der mitgliedstaatlichen Kapitalmarktrechtsordnungen weiter Thomale, Der gespaltene ­Emittent, S.  102  ff. 348 Siehe zum Ganzen Wagner, JZ 2018, 130.

A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht

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In der Rechtssache Genil 48 SL sah der EuGH die Mitgliedstaaten gerade nicht in der Pflicht, neben der von der – inzwischen abgelösten – MiFID I349 ausdrücklich aufgegebenen verwaltungsrechtlichen Sanktionierung auch vertragliche Ansprüche gegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorzusehen, die ihre Erkundigungspflichten gegenüber potentiellen Kunden verletzen350. In Ermangelung einer Regelung der Union seien die Mitgliedstaaten bei der Bestimmung vertraglicher Rechtsfolgen vielmehr frei351. Dass der EuGH diese Freiheit der Mitgliedstaaten davon abhängen machen will, dass wenigstens die Aufsichtsbehörde im verwaltungsrechtlichen Verfahren auch im Interesse des Geschädigten tätig wird, ist nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass eine Verhaltensnorm auch dem Schutz des Einzelnen dient, soll also offenbar nicht immer schon zur Begründung subjektiver Rechte führen352. In eine ganz ähnliche Richtung geht die Positionierung des EuGH außerdem bei der Frage, ob den durch unionsrechtwidriges Verhalten geschädigten Personen Schadensersatzansprüche gegen nationale Aufsichtsstellen und -behörden zustehen müssen, wenn letztere ihre – ebenfalls unionsrechtlich vorgegebenen – Überwachungspflichten verletzt und damit die Schädigung erst ermöglicht haben353. Obwohl etwa die Aufsichtspflichten über die Einhaltung der Qualitätsstandards von Medizinprodukten nach dem EuGH ausdrücklich auch zum Schutz der Gesundheit des Einzelnen bestehen, sollen nicht allein daraus schon Rechte der Geschädigten gegenüber der Aufsichtsstelle erwachsen354. Nun könnte man diese Fälle nicht als Einwand gelten lassen wollen, weil sie nur die Haftung der Aufsichtsstelle, nicht aber die des primär Verantwortlichen betreffen355. Zumindest müsste dann aber näher begründet werden, weshalb den unionsrechtlichen Pflichten primär verantwortlicher Personen mit anderen Mitteln zur vollen Wirksamkeit verholfen werden muss als den in demselben Rechtsakt normierten Pflichten anderer Stellen.

349 Richtlinie 2004/39/EG v. 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. Nr. L 145, S. 1. 350 EuGH v. 30.05.2013, ECLI:EU:C:2013:344 (Genil 48 SL), Rn. 56 f. 351 EuGH v. 30.05.2013, ECLI:EU:C:2013:344 (Genil 48 SL), Rn. 57. 352 Dazu Wagner, JZ 2018, 130, 131 ff.; anders Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S. 193 ff. 353 EuGH v. 12.10.2004, ECLI:EU:C:2004:606 (Peter Paul), Rn. 25 ff.; EuGH v. 17.03.2016, ECLI:EU:C:2016:187 (Ruijssenaars), Rn. 27 ff.; EuGH v. 16.02.2017, ECLI:EU:C:2017:128 (Schmitt / T ÜV Rheinland), Rn.  49 ff. 354 EuGH v. 16.02.2017, ECLI:EU:C:2017:128 (Schmitt / T ÜV Rheinland), Rn. 50 ff. 355 So Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 19 mit Fn. 6.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

b) Keine Übertragbarkeit von „Courage“, „Manfredi“ und „Muñoz“ Entscheidend ist aber letztlich, dass, selbst wenn man über die Inkonsistenzen der EuGH-Rechtsprechung hinwegsieht und den in den Sachen Courage, Manfredi und Muñoz eingeschlagenen Weg für den richtigen hält, hinsichtlich der Übertragbarkeit auf die Ad-hoc-Publizität erhebliche Bedenken verbleiben. Die überzeugenden Argumente wurden in der Paralleldiskussion356 um die Übertragung der Rechtsprechung auf das Marktmanipulationsverbot des Art. 15 MAR bereits vorgetragen. Die Gegner einer Übertragung weisen dort zutreffend darauf hin, dass dem Unionsrecht jedenfalls hinsichtlich sekundärrechtlicher Verhaltensnormen eine implizite Forderung nach einem „private enforcement“ nicht ohne weiteres entnommen werden kann, wenn ein ausdifferenziertes Sanktionensystem  – wie im Fall des Marktmissbrauchsrechts357  – schon auf Unionsebene existiert358. Denn die Befürchtung eines Defizits des Unionsrechtsvollzugs, auf welche die Forderung des EuGH im Wesentlichen zurückgeht, muss dann schon mit Rücksicht auf die Kompetenzen des EU-Gesetzgebers zurückstehen359. Dass es sich bei dem Schweigen des EU-Gesetzgebers zu zivilrechtlichen Sanktionen im Marktmissbrauchsrecht um ein „beredtes Schweigen“ handelt, bestätigt zudem der Blick auf andere EU-Verordnungen, die zivilrechtliche Rechtsfolgen ausdrücklich normieren360.

356

Siehe die Nachw. in Fn. 344. Verwaltungsrechtliche Sanktionen nach Art. 30 f.; strafrechtliche Sanktionen nach der CRIM-MAD (Richtlinie 2014/57/EU v. 16.04.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation [Marktmissbrauchsrichtlinie], ABl. Nr. L 173, S. 179). 358 Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 66 f.; Klöhn MAR / Schmolke, Art. 15 Rn. 89 ff.; ders., NZG 2016, 721, 722 ff.; zust. Mülbert, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 15 MAR Rn. 48; ferner Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 833 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 302 f.; für die §§ 97, 98 WpHG ebenso Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 78 i. V. m. S. 47 ff.; ders., NZG 2018, 1007, 1009 mit Fn. 22; Schwark / Zimmer / Zimmer / Steinhaeuser5, Art. 17 MAR Rn. 126. 359 Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 66 f.; Mülbert, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 15 MAR Rn. 48; Klöhn MAR / Schmolke, Art. 15 Rn. 90; ders., NZG 2016, 721, 722 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 302 f.; Thomale, AG 2019, 189, 190; gleichsinnig zum Sanktions­ regime der MiFID I Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 275 f.; ausf. Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 811 ff., 832 f. Die Argumentation setzt voraus, dass die EU kompetenzrechtlich überhaupt zur Regelung eines private enforcement befugt wäre, was im vorliegenden Zusammenhang wegen Art. 114 Abs. 1 AEUV aber zu bejahen ist, Poelzig, ZGR 2015, 801, 812 f.; ferner Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 812 f.; näher zu den Implikationen der Gesetzgebungszuständigkeit für die Folgerungen aus dem Effektivitätsgrundsatz Harnos, ZEuP 2015, 546, 550 ff. 360 Art. 35a Ratingagentur-VO (Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 v. 16.09.2009, ABl. Nr. L 302, S. 1), Art. 11 PRIIP-VO (Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 v. 26.11.2014, ABl. Nr. L 352, S. 1), Art. 11 Prospekt-VO (Verordnung (EU) 2017/1129 v. 14.06.2017, ABl. Nr. L  168, S. 12); Art. 82 DSGVO (Verordnung (EU) 2016/679 v. 27.04.2016, ABl. Nr. L 119, S. 1); dazu Klöhn MAR / Schmolke, Art. 15 MAR Rn. 83; Schmolke, NZG 2016, 721, 723; Wagner, JZ 2018, 130, 131; vgl. auch Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 275. 357

A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht

97

Der Wille des Unionsgesetzgebers hinsichtlich der Wahl der Rechtsfolgen ist auch nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil aus dem auch ihn bindenden primärrechtlichen361 Effektivitätsgebot folge, dass die Mitgliedstaaten die Wirkkraft des Unionsrechts stets durch flankierenden Durchsetzungsmechanismen unterstützen oder gar maximieren müssten362. Diese Argumentation würde die Dinge insofern auf den Kopf stellen, als auf sekundärrechtlicher Ebene erst der Gesetzgeber den Rahmen dessen steckt, was die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Äquivalenzund Effektivitätsgebots durchsetzen müssen. Eine Konkretisierung der aus dem Effektivitätsgebot folgenden Pflichten der Mitgliedstaaten durch den EuGH kommt daher allenfalls in Betracht, wenn es – wie in den Rechtssachen Courage und Manfredi – um die Durchsetzung von Primärrecht geht oder sich der EU-Gesetzgeber – wie in der Rechtssache Muñoz – im Sinn der traditionellen Aufgabenteilung zwischen EU und Mitgliedstaaten bewusst darauf beschränkt, von letzteren bloß „geeignete Maßnahmen“363 zur Durchsetzung des Unionsrechts zu verlangen364. Anzumerken ist außerdem, dass auch die im Kartell- und Wettbewerbsrecht hinter der Forderung nach einem „private enforcement“ stehende Überlegung, das Unionsrecht sei schon zur Aufdeckung von Verstößen regelmäßig auf die Mobilisierung der einzelnen Betroffenen angewiesen365, nicht ohne weiteres auf die Adhoc-Publizität übertragbar ist. Der Gesetzgeber der Marktmissbrauchsverordnung hat sich denn auch entschieden, Private auf anderem Weg – insbesondere durch den Gebrauch von Whistleblower-Systemen (Art. 32 MAR) – an der Durchsetzung des Marktmissbrauchsrechts zu beteiligen366. Ob der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 30 MAR ordnungsgemäßg umgesetzt hat, indem er die Bußgeldhaftung des § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG von einem wenigstens leichtfertigen Verstoß abhängig gemacht hat, soll hier nicht beurteilt werden367. Jedenfalls aber könnte der Verschuldensmaßstab des § 97 Abs. 2 WpHG angesichts der Grenzen unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung auch nicht ohne weiteres mit einem Verweis auf ein Umsetzungsdefizit bei den Verwaltungssanktionen für unbeachtlich erklärt werden, obgleich ein solches Defizit wegen des auch im Unionsrecht anerkannten straf- und ordnungswidrigkeitenrecht 361

Der Effektivitätsgrundsatz wird üblicherweise aus Art. 4 Abs. 3 EUV hergeleitet. Für Art. 15 MAR in diese Richtung aber Poelzig, ZGR 2015, 801, 816. 363 Art. 50 der Verordnung (EG) Nr. 2200/96 v. 28.10.1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse, ABl. Nr. L 297, S. 1. 364 Zutr. Schmolke, NZG 2016, 721, 726; Klöhn MAR / ders., Art. 15 Rn. 89 f.; ferner Mörsdorf, RabelsZ 83 (2019), 797, 814 ff. 365 Dazu insb. EuGH v. 17.09.2002, ECLI:EU:C:2002:497 (Muñoz) Rn. 31; ferner EuGH v. 13.07.2006; EuGH v. 20.09.2001, ECLI:EU:C:2001:465 (Courage) Rn. 27; ECLI:EU:C:2006:​ 461 (Manfredi) Rn. 91; siehe dazu auch Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 136 ff.; Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 63 f. 366 Mülbert, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 15 MAR Rn. 48; Sajnovits, FinancialBenchmarks, S. 303; Klöhn MAR / Schmolke, Art. 15 Rn. 94; Schmolke, NZG 2016, 721, 727; ausf. zur Beteiligung Privater bei der Durchsetzung der MAR Poelzig, NZG 2016, 492, 493 ff. 367 Für die Zulässigkeit auch insofern Poelzig, NZG 2016, 492, 497. 362

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

lichen Analogieverbots auch im Ordnungswidrigkeitenrecht nicht mittels Rechtsfortbildung zu beheben wäre368. c) Fazit Das Verschulden des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG ist allein nach deutschen Grundsätzen zu beurteilen. Weil es um das Verschulden einer juristischen Person geht, stellen sich auch hier Zurechnungsfragen. Auf den ersten Blick kann deren Beantwortung nach deutschen Grundsätzen den für eine Haftung nach § 97 WpHG relevanten Personenkreis gegenüber dem nach Art. 17 MAR maßgeb­lichen nur einschränken. Denn schließlich wird die Verschuldensfrage erst relevant, wenn der „Filter“ der Pflichtverletzung unter Beachtung der dafür maßgeblichen Grundsätze schon durchlaufen wurde. Tatsächlich bedeutet das aber nicht, dass auf Ebene des Verschuldens nur noch der schon für die Pflichtverletzung relevante Personenkreis oder eine Teilmenge davon in Betracht kommt. Durchaus denkbar ist es vielmehr, dass deutsche Grundsätze – nachdem eine Pflichtverletzung festgestellt werden konnte – auf einen davon ganz unabhängigen Personenkreis abstellen. Um die Bestimmung der für das Verschulden maßgeblichen Grundsätze soll es im Weiteren gehen.

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung I. Ausgangspunkt Das deutsche bürgerliche Recht hält mit den §§ 31, 278 und 831 BGB Vorschriften über die (Nicht-)Zurechnung von Verhalten und Verschulden bereit, die als Anknüpfungspunkt für die Lösung der Zurechnungsfrage bei § 97 Abs. 2 WpHG in Betracht kommen. Eine gemeinsame Grundlage mit der für Art. 17 Abs. 1 MAR 368

Zu Letzterem nur EuGH v. 12.12.1996 – C-74/95, ECLI:EU:C:1996:491, Rn. 24 f. m. w. N.; vgl. außerdem Poelzig, ZGR 2015, 801, 835 f., die trotz Annahme eines unionsrechtlich vorgegebenen private enforcement von der Unionsrechtskonformität des Verschuldensmaßstabs der §§ 37b,  c WpHG a. F. ausgeht; so i. E. auch noch Hellgardt, AG 2012, 154, 166; ferner Beneke / T helen, BKR 2017, 12, 19 f.; für die grds. Vereinbarkeit nationaler Verschuldensanforderungen mit dem unionsrechtlichen Gebot wirksamer Sanktionen außerdem Ebers, Unionsprivatrecht, S. 610 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, S. 435 ff.; letzterer zumindest im Einzelfall auch bei Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit, Franck, a. a. O., S. 443 ff.; dazu, dass sich die Rechtsprechung des EuGH zum Erfordernis verschuldensunabhängiger Haftung im Antidiskriminierungsrecht und der Staatshaftung (EuGH v. 08.11.1990, ­ECLI:EU:C:1990:383 [Dekker], Rn. 19 ff.; EuGH v. 22.04.1997, ECLI:EU:C:1997:208 [Draehm­ paehl], Rn. 16 ff.; EuGH v. 30.09.2010, ECLI:EU:C:2010:567 [Strabag AG], Rn. 30 ff.) nicht ohne weiteres auf andere Fälle übertragen lässt, zudem Ebers, Unionsprivatrecht, S. 611 ff.

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

99

auf Pflichtebene befürworteten Auffassung hätte eine Lösung gemäß diesen Vorschriften in der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung369. Denn erforderlich wäre zum einen die Stellung als Organwalter370 bzw. sonstiger „Reprä­ sentant“ (§ 31 BGB [analog]) oder  – die Anwendbarkeit des § 278 BGB unterstellt371 – die Einschaltung als „Erfüllungsgehilfe“ in die Ad-hoc-Publizität. Zum anderen gäbe es mit der Anwendung dieser Vorschriften auch keine Zusammenrechnung von objektiven und subjektiven Tatbeiträgen mehrerer Unternehmensangehöriger über den schon oben diskutierten Umfang hinaus; zugerechnet würde vielmehr das Verhalten und Verschulden als Einheit372. Um die deutsche Diskussion zur Haftung juristischer Personen rankt sich aber regelmäßig ein anderes Zurechnungskonstrukt, das weiter geht als hergebrachte Zurechnungsregeln. Die Rede ist von der sogenannten Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung, die als das noch immer maßgebliche Ergebnis der in den letzten Jahren wieder aufgelebten Diskussion aus der Mitte der 1990er-Jahre um die Wissenszurechnung zu juristischen Personen anzusehen ist. Ihre Bedeutung für zivilrechtliche Haftungstatbestände erlangt sie daraus, dass der BGH vor allem im Kaufrecht von der einem Verkäufer zugerechneten Kenntnis eines Sachmangels auf dessen arglistiges Verschweigen gegenüber dem Käufer, also vom Wissen auf den Vorsatz schließt373. Damit liegt die Frage nahe, ob auch Emittenten nach diesen Grundsätzen Insiderwissen zuzurechnen und eine Haftung wegen vorsätzlichen Unterlassens nach § 97 Abs. 1 WpHG anzunehmen ist, wenn die Ad-hoc-Veröffentlichung des auf diese Weise zugerechneten Insiderwissens unterbleibt. Da die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung – wie im Folgenden zu zeigen ist – eine sehr weitgehende Zurechnung ermöglicht, soll das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG zunächst aus ihrem Blickwinkel untersucht werden. Be 369

Dazu im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 MAR oben § 2 C. II. Zum Zuständigkeitsaspekt bei der Zurechnung seitens Organwalter oben § 2 C. IV. 2. c) bb), cc) und § 2 C. IV. 5. 371 Ausf. dazu unten § 3 C. 372 Zu dem „Vollständigkeitsprinzip“ der Zurechnungsvorschriften hier nur Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 167 f.; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1840; Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.48; ausf. zur Verhaltensakzessorietät des rechtlichen Wissens und der Wissenszurechnung außerdem Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 32 ff.; vgl. zudem schon oben § 2 C. II. 1. 373 BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 330 ff.; BGH v. 24.01.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 ff.; BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35 ff.; BGH v. 10.12.2010 – V ZR 203/09, juris Rn. 15 ff.; vgl. außerdem BGH v. 17.05.1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2160: „Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des BerGer., die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Arglist i. S. des § 463 S. 2 BGB könnten beim Handeln von Personenmehrheiten auf Verkäuferseite auseinanderfallen […]“; vgl. weiter BGH v. 31.01.1996 – VIII ZR 297/94, NJW 1996, 1205 f.; BGH v. 22.11.1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270; BGH v. 01.10.1999 – V ZR 218/98, NJW 1999, 3777 f.; zur abweichenden Rechtsprechung im Werkvertragsrecht, in dem der BGH nicht vom zugerechneten Wissen auf Arglist schließt, sondern – zutreffend – die Arglist als „Einheit“ zurechnet schon oben § 2 C. II. 3.; ähnlich wie dort neuerdings zum Vorsatz bei § 826 BGB BGH v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NZG 2016, 1346, näher dazu § 3 B. III. 3. 370

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

grifflich wird dabei wie bisher von der Zurechnung zu juristischen Personen die Rede sein, auch wenn die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung auch auf andere arbeitsteilige Organisationsformen anwendbar sein soll374. Das Problem des nicht abschließend geklärten Anwendungsbereichs soll im Folgenden also ausgeklammert werden, da es für die hiesige Untersuchung keine Bedeutung hat und lediglich zu einer sprachlichen Verkomplizierung führen würde.

II. Vom traditionellen Verständnis hin zur Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung Traditionell war die Wissenszurechnung zu juristischen Personen in Deutschland von dem Verständnis geprägt, dass die Zurechnung von der dem jeweiligen Wissensträger übertragenen Funktion im Unternehmen abhänge. Die juristische Person musste sich grob skizziert das Wissen nur der natürlichen Personen zurechnen lassen, die sie zu organschaftlichen375 oder rechtsgeschäftlichen Vertretern (§ 166 Abs. 1 BGB) bestellt hatte oder die sie im Rechtsverkehr wenigstens in „vertreterähnlicher“ Position einsetzte376. Das deutsche Recht hielt sich im Bereich der Wissenszurechnung mit anderen Worten im Wesentlichen an die Grundsätze der Aufgaben- und Verhaltensabhängigkeit377. Eine grundlegende, sich schon zuvor abzeichnende378 Wendung brachte ein Urteil des V. Zivilsenats des BGH vom 02.02.1996379. Zwar konnte der BGH dort nur allgemeine Erwägungen anstellen, weil das Berufungsgericht keine Fest­ stellungen zu den tatsächlichen Wissensträgern getroffen hatte. Er nahm den Fall 374

BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 12; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 27.; ferner nur Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 152; Raiser, FS G. Bezzenberger, S. 561, 574 f.; Scheuch, LM H. 6/1996 § 166 BGB, Nr. 35 Bl. 4; kritisch Dauner-Lieb, FS Kraft, S. 43, 53. 375 Maßgeblich war insofern die von Otto von Gierke geprägte Organtheorie, die zum Teil bis heute zur Begründung des (Eigen-)Verhaltens und Wissens der juristischen Person herangezogen wird; v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 603 ff.; ders., Deutsches Privatrecht I, S. 518 ff.; ausf. zur Organtheorie Buck, Wissen und juristische Person, S. 216 ff. 376 Zur analogen Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB siehe etwa BGH v. 09.02.1960 – VIII ZR 51/59, BGHZ 32, 53, 55 ff.; BGH v. 25.03.1982  – VII ZR 60/81, BGHZ 83, 293,296 f.; zu der davon nicht immer unterschiedenen Figur des sog. „Wissensvertreters“ etwa BGH v. 24.01.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. m. w. N. sowie unten § 3 B. III. 2.; allg. zu dem hinter § 166 BGB stehenden Rechtsgedanken Richardi, AcP 169 (1969), 385, 395 ff. 377 Dazu, dass der Grundsatz der aufgaben- bzw. zuständigkeitsabhängigen Zurechnung richtigerweise auch angesichts der Organtheorie Geltung beanspruchte, Baumann, ZGR 1973, 284, 289; Buck, Wissen und juristische Person, S. 238 f., 300; dazu auch schon oben § 2 C. IV. 2. c) bb). 378 BGH v. 01.06.1989 – III ZR 261/87, NJW 1989, 2879, 2881; BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331 f.; BGH v. 24.01.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 107 f.; BGH v. 14.07.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224, 229. 379 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30.

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

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aber zum Anlass für einen ausführlichen Hinweis zu der entscheidenden Frage, wann einer GmbH & Co KG als Verkäuferin die Kenntnis von Altlasten auf einem verkauften Grundstück zuzurechnen sei, um die Arglisthaftung nach § 463 S. 2 BGB a. F. zu begründen. Die Wissenszurechnung kraft Organstellung gab der V. Zivilsenat380 dabei im Anschluss an Vorarbeiten der Literatur und im Besonderen an die Ausführungen von Taupitz381 ausdrücklich auf. Die Zurechnung von Wissen gründe gerade nicht in der Organfunktion oder einer vergleichbaren Position des Wissensvermittlers, sondern im Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran geknüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation382. Auch Kenntnisse eines an einem konkreten Rechtsgeschäft nicht beteiligten Wissensträgers unterhalb der Organwalterebene seien grundsätzlich zurechenbar. Denn eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation müsse zum Schutz dieses Rechtsverkehrs so organisiert sein, dass Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben werden; umgekehrt müsse sichergestellt sein, dass nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt werde383. Würden Informationen trotz erkennbarer Relevanz vom Wissenden nicht weitergegeben oder vom Handelnden nicht abgerufen, sei die Organisation daher dennoch als wissend zu behandeln384. Die trotz zuzurechnender Kenntnis unterbleibende Aufklärung wertet der BGH schließlich als arglistiges, also wenigstens vorsätzliches, Verschweigen385. Neben dem Verkehrsschutzargument steht bei der Begründung der Wissenszurechnung nach dem BGH außerdem die sogenannte Gleichstellungsthese im Vordergrund386. Diese war von demselben Senat bereits im Urteil vom 08.12.1989387 im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines über das relevante Wissen verfü-

380 Auch danach noch auf eine weite Organtheorie abstellend aber BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140; OLG Zweibrücken v. 25.05.1998 – 7 U 138/97, OLGR RLP 1998, 478, 479; Lenz, in: Michalski / Heidinger / Leible / J. Schmidt3, GmbHG, § 35 Rn. 112. 381 Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 25 ff.; außerdem Bohrer, DNotZ 1991, 124, 129 ff.; Grunewald, FS Beusch 1993, S. 301, 304 ff., 310 ff.; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4. 382 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37. 383 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37. 384 Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 28 f. Taupitz unterscheidet dabei zwar die Fälle der gebotenen Wissensweitergabe von der gebotenen Wissensabfrage insofern, als er nur erstere als Fälle der Zurechnung fremden Wissens und zweitere vielmehr als Fälle der Verantwortung für eigenes Wissen und Verhalten ansieht. Da er die Frage des eigenen Wissens und Wissenmüssens aus der Perspektive des Handelnden beurteilt, geht es aber letztlich auch dabei um die Zurechnung, und zwar zur juristischen Person, für die gehandelt wird. 385 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35. 386 Daneben kommt außerdem der Gedanke der angemessenen Risikoverteilung und der des berechtigten Vertrauens in die betriebsinterne Informationsorganisation zum Ausdruck, BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35; näher dazu unten § 3 B. IV. 3. c) cc), dd). 387 BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 332.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

genden Organwalters – und noch „infiziert“ von der Organtheorie388 – formuliert worden. Nachdem Medicus herausgearbeitet hatte, dass das Gleichstellungsargument nicht nur für die Zurechnung seitens der Organebene herangezogen werden könne, und die These damit für das neue „funktionsunabhängige“ Verständnis vorbereitet hatte389, griff es der BGH im Urteil vom 02.02.1996 wieder auf. Das Argument besagt, dass der Vertragspartner einer arbeitsteiligen Organisation nicht schlechter, aber auch nicht besser stehen soll als jener, der einer natürlichen Person gegenübertritt. Damit der Vertragspartner einer solchen Organisation nicht das Risiko eines Informationsdefizits aufgrund organisatorischer Aufspaltung von Funktionen oder dem Wechsel der Funktionsinhaber tragen muss, werde der Organisation das „typischerweise aktenmäßig festgehaltene Wissen“ zugerechnet390. Die Gleichstellung mit der natürlichen Person bedinge dabei zugleich die Grenzen der Zurechnung, die die Organisation nicht weit über jede menschliche Fähigkeit hinaus belasten dürfe. Das einmal festgehaltene Wissen sei daher nur dann zuzurechnen, wenn in der konkreten Situation für den Handelnden auch Anlass bestand, die Informationen abzufragen und die Abfrage zumutbar war391. Der BGH schweigt zum Verhältnis der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung zu der – für juristische Personen ebenfalls in Betracht kommenden – „herkömmlichen“ Wissenszurechnung nach bzw. analog § 166 BGB392. Den gesetzlichen Katalog der Zurechnungsmöglichkeiten kann der neue Weg aber selbstverständlich nicht ersetzen; er soll ihn nur erweitern393. Soweit nicht ohnehin ein echter „Vertreterfall“ vorliegt, soll eine Wissenszurechnung also auch unabhängig von der Funktion des Wissensträgers erfolgen können, wenn die betroffene Information trotz ihrer erkennbaren Relevanz für die jeweils handelnden Personen nicht an diese weitergegeben oder nicht von dieser abgefragt wurde. Umgekehrt kommt es auf die berechtigte Erwartung in den betriebsinternen Informationsfluss aber dann nicht an, wenn das relevante Wissen beim „Vertreter“ tatsächlich vorhanden ist. Die Wissenszurechnung zu juristischen Personen im rechtsgeschäftlichen Bereich394 gründet damit nunmehr auf zwei Säulen: der herkömmlichen Zurechnung kraft Auf 388

BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331: „Das Wissen schon eines in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds ist als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristischen Person zuzurechnen.“ und „Die Wissenszurechnung kommt selbst dann in Betracht, wenn der Organvertreter von dem zu beurteilenden Rechtsgeschäft nichts gewußt hat“; vgl. auch Buck, Wissen und juristische Person, S. 228 f. 389 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 11 ff. 390 BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 332. 391 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 38 f.; Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 12. 392 Vgl. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 194 mit Fn. 76. 393 So auch BGH v. 14.01.2016  – I ZR 65/14, NJW 2016, 3445, 3450; außerdem Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 24 ff.; nicht eindeutig der V. Zivilsenat selbst, BGH v. 14.05.2004 – V ZR 120/03, NJW-RR 2004, 1196, 1197 f.: „Der Gesichtspunkt der arbeitsteiligen Organisation als Zurechnungsgrund […] ergänzt oder ersetzt den Ansatzpunkt der Aufgabenzuweisung für den von ihm erfassten Bereich (juristische Personen und Organisationen).“ (Herv. d. Verf.). 394 Zur Wissenszurechnung außerhalb dieses Bereichs unten § 3 B. III. 3.

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

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gabenzuweisung einerseits und der nur vom Schutz des Rechtsverkehrs abhängigen Zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung andererseits. Die dogmatische Herleitung des Wissensorganisationsansatzes macht zwar erhebliche Schwierigkeiten, da geschriebene Zurechnungsregeln, also insbesondere §§ 31, 166, 278 BGB, wie erwähnt stets nur aufgaben- und verhaltensabhängig zurechnen395. Im rechtsgeschäftlichen Bereich wird die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung aber überwiegend als (gesetzesübersteigende) Rechtsfortbildung akzeptiert396.

III. Konkretisierung 1. Vorbemerkung Das Konzept der Zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung hat sich in der Rechtsprechung für Konstellationen des rechtsgeschäftlichen Kontakts durchgesetzt397. Auch in der Literatur ist es überwiegend auf Zustimmung gestoßen398. 395

Vgl. dazu schon § 2 C. II.; außerdem Faßbender / Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 167 f., 176 ff.; Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.48, 8.93 ff.; vgl. zudem Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 147 f.; Raiser, FS G. Bezzenberger, S. 561, 561; eingehend Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S.46 ff., 150 ff.; ausf. zur Untauglichkeit sämtlicher positiv-rechtlicher Anknüpfungspunkte für die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung zudem Engelhardt, Wissensverschulden, S. 45 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 232 ff. 396 Ausdrücklich Buck-Heeb, AG 2015, 801, 803; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 153; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 237 f.; ders., WM 2016, 765, 767; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 315; vgl. auch Baum, Wissenszurechnung, S. 249 ff.; implizit außerdem die das Zurechnungsmodell befürwortenden Stimmen, Nachw. in Fn. 398; zur (fehlenden) rechtlichen Grundlage zu Recht kritisch etwa Faßbender / Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258; vgl. außerdem schon Waltermann, NJW 1993, 889, 892 f. 397 Aus der Zeit nach dem Grundsatzurteil (Fn. 379) BGH v. 15.04.1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202, 205 f.; BGH v. 12.11.1998  – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54, 62; BGH v. 12.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360; BGH v. 13.01.2004 – XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868, 1869; BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140; BGH v. 12.10.2010 – V ZR 203/09, juris; OLG Zweibrücken v. 25.05.1998 – 7 U 138/97, OLGR RLP 1998, 478, 480. Zum außerrechtsgeschäftlichen Bereich noch § 3 B. III. 3. 398 Die Grundsätze der Rechtsprechung werden dort meist schlicht angewandt. Ausdrücklich zustimmend aber etwa Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 87 f.; Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 503 ff.; Maier, Aufklärungspflichten und Wissenszurechnung, S. 131 ff.; Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 152 ff.; Schulenburg, Bankenhaftung, S. 31 ff.; Schwab, JuS 2017, 481, 483; MünchKomm. GmbHG / Stephan / Tieves3, § 35 Rn.  217 f.; Baumbach / Hueck / Beurskens22, § 35 Rn.  67; Baumbach / Hueck / Z öllner / Noack, 21. Aufl., § 35 Rn. 150; ferner Habersack, DB 2016, 1551, 1552; Großkomm. AktG / Habersack / Foerster5, § 78 Rn. 39 f.; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 390 f.; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 24, 27; ders., ZIP 2015, 1757, 1761; BeckOK BGB / Schäfer53, § 166 Rn. 23; Scheuch, LM H. 6/1996 § 166 BGB, Nr. 35 Bl. 4; Scholz GmbHG / U. H. Schneider / S . H.  Schneider12, § 35 Rn. 125 f.; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, S. 77 ff.; für Konzernsachverhalte Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, 358 f.; i. E. auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 63 ff.; ähnlich außerdem Baum, Die Wissenszurechnung, S. 225 ff.; MünchKomm. BGB / ​ Schubert8, § 166 Rn. 49.

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Bis heute sind allerdings erheblich Unwägbarkeiten verblieben. Eine dieser Unsicherheiten betrifft die Natur der Organisationspflicht, an deren Verletzung die Wissenszurechnung geknüpft wird. Offen ist insofern, ob sie tatsächlich als eine an deliktische Verkehrssicherungspflichten angelehnte und an die juristische Person adressierte echte Organisationspflicht zu verstehen ist oder ob schon die Verletzung individueller Informationspflichten (Weiterleitungs-, Abfrage- oder Dokumentationspflicht) die Wissenszurechnung begründen soll399. Darüber hinaus ist der Geltungsbereich des Zurechnungsmodells, insbesondere im außervertraglichen Bereich, nicht abschließend geklärt400. 2. Echte Organisationspflicht oder zurechenbare „Individualpflicht“? Unterstellt man zunächst die Anwendbarkeit des Konzepts der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung auf § 97 Abs. 2 WpHG, scheinen sich die Grundsätze auf den ersten Blick nahtlos in die nach Art. 17 Abs. 1 MAR erforderliche Wissensorganisation einzufügen. Die Vorgaben für eine ordnungsgemäße Organisation zur Vermeidung der Wissenszurechnung könnten sich nach dem richten, was schon zu Art. 17 Abs. 1 MAR gilt401. Verletzt der Emittent seine Organisationspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR und hätte die Insiderinformation eine zur Entscheidung befugte Stelle im Fall ordnungsgemäßer Organisation erreicht, wäre der Emittent als wissend zu behandeln, womit zugleich auf ein vorsätzliches Unterlassen geschlossen werden könnte402. Die Frage, ob diese Lösung mit dem Haftungsmaßstab des § 97 Abs. 2 WpHG vereinbar wäre, sei vorerst zurückgestellt403. Verbunden wäre sie jedenfalls mit einer Exkulpationsmöglichkeit für den Emittenten. Denn zu einer Wissenszurechnung zum Zweck der Verschuldensbegründung404 käme es nur, wenn die ausbleibende Weitergabe oder Abfrage der Insiderinformation kausal auf eine Organisationspflichtverletzung zurückzuführen wäre405. Solange der Emittent hingegen ordnungsgemäß organisiert ist, ginge die im Einzelfall fehlerhafte Kommunikation, also der „Ausreißer“, nicht zu seinen Lasten406. Verschweigt etwa ein für die 399

Sogleich § 3 B. III. 2. Dazu § 3 B. III. 3. 401 Zu § 15 Abs. 1 WpHG a. F.  Sajnovits, WM 2016, 765, 769: „[…] die Zurechnung erst mitbegründende Wirkung [der Wissensnorm] durch Schaffung von Organisationspflichten“; ders., Financial-Benchmarks, S. 239 f. 402 Vgl. die hypothetische Betrachtung bei Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 32; ders., AG 2019, 273, 284. 403 Näher § 3 B. IV. 3. b), c). 404 Es kann nur noch um die Frage des Verschuldens gehen, weil sich die Pflichtentstehung und -verletzung nach Unionsrecht richtet, oben § 2 B. 405 Vgl. Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.107. 406 So ausdrücklich Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 55; Assmann / Schneider / Sethe, 6. Aufl., §§ 37b, 37c WpHG Rn. 102; außerhalb der Ad-hoc-Publizität 400

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Informationsentgegennahme zuständiger Compliance-Beauftragter unterhalb der Organebene eine Insiderinformation, weil er damit verbotenen Handel treiben will, so würde der Emittent nach der hier vertretenen Lösung zwar gegen Art. 17 Abs. 1 MAR verstoßen407; solange es keine Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit des Mitarbeiters gab, würde eine Haftung nach § 97 WpHG aber ausscheiden408. Die Worte des BGH, die Organisationspflicht gründe, ähnlich wie eine Verkehrspflicht, auf der Beherrschung eines selbsteröffneten Verkehrsbereichs409, legen ein solches Verständnis zwar auf den ersten Blick nahe. Zweifellos entnehmen lässt es sich aber weder seinen Ausführungen noch denen von Taupitz410. Denn beide füllen den Begriff der Organisationspflicht mit Weiterleitungs-, Dokumenta­ tions- und Abfragepflichten, von deren Verletzung die Zurechnung abhängen soll, die aber überhaupt nur von den einzelnen Wissensträgern oder jeweils zuständigen Mitarbeitern eingehalten werden können411. Nimmt man dies ernst, hängt die Wissenszurechnung nicht nur von der Ordnungsgemäßheit einer übergeordneten Organisation (insbesondere in Gestalt sorgfältiger Personalauswahl, -instruktion und -überwachung sowie der Zuweisung erforderlicher Zuständigkeiten und der Einrichtung betriebsinterner Informationskanäle), sondern jedenfalls auch davon ab, ob die einzelnen Mitarbeiter – im Beispiel der Compliance-Beauftrage – ihren individuellen „Informationspflichten“ tatsächlich nachkommen412. Noch so weit-

Schulenburg, Bankenhaftung, S. 37; tendenziell auch BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140; zudem BGH v. 31.1.1996 – VIII ZR 297/94, NJW 1996, 1205 f., wo eine GmbH & Co. KG aufgrund organisatorischer Vorkehrungen zwar nicht der Wissenszurechnung, aber dem Arglistvorwurf entgehen konnte. Siehe außerdem all diejenigen, die die Wissenszurechnung an ein echtes Organisationsversagen knüpfen, also ebenfalls nicht allein das Ausbleiben gebotener Weiterleitung, Abfrage oder Dokumentation im Einzelfall genügen lassen dürften, vgl. nur Buck-Heeb, AG 2015, 801, 804 ff.; dies., in: Hauschka / Moosmayer / Lösler, Corporate Compliance3, § 2 Rn. 52; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 24 ff.; ders., ZIP 2015, 1757, 1760; Leyendecker-Langner / Kleinhenz, AG 2015, 72, 74 f.; Rickert / Heinrichs, GWR 2017, 112, 113; Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.107; Weller, ZGR 2016, 384, 402; außerdem LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1470 Rn. 227 i. V. m. dem Sachbericht Rn. 143 a. E.; tendenziell auch Verse, AG 2015, 413, 417. 407 Oben § 2 C. IV. 4. 408 Andere Varianten mangelhafter Organisation neben der erkennbaren, aber nicht erkannten Unzuverlässigkeit des Mitarbeiters dürften im Fall vorsätzlichen Fehlverhaltens regelmäßig nicht kausal für die ausbleibende Kommunikation sein. 409 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37. 410 Zutr. Iro, ÖBA 2001, 3, 15; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 242 f.; ders., WM 765, 769; zweifelnd auch Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.107. 411 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 37; Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 28 f. 412 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 243; ders., WM 765, 769; dazu auch Guski, ZHR 184 (2020), 363, 373; siehe außerdem Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.63: „[…] wenn die Wissensträger ihre Kommunikation nicht ordnungsgemäß organisiert haben.“ (Herv. d. Verf.); vgl. ferner Schwintowski, ZIP 2015, 617, 623, der die Wissenszurechnung aus dem Aufsichtsrat gerade nicht an der insofern begrenzten Organisationsmacht des Vorstands scheitern lässt.

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reichende Maßnahmen können die Zurechnung nach einem solchen Verständnis also nicht verhindern, wenn die gebotene interne Kommunikation ausnahmsweise doch ausbleibt. Ordnungsgemäß im Sinn der Rechtsprechung ist damit bei Licht betrachtet nur die Organisation, die nicht nur die Voraussetzungen für einen reibungslosen betriebsinternen Informationsfluss schafft, sondern bei der die Kommunikation auch tatsächlich stattfindet. Taupitz betont zwar selbst, dass die Grenze der Zurechnung erreicht sei, wenn der Informationsfluss nicht mehr beherrschbar ist413. Damit meint er aber nur, dass der Informationsfluss technisch und rechtlich möglich sein muss, nicht auch, dass die juristische Person nicht für „Ausreißer“  – also menschliches Individualversagen – verantwortlich sein soll414. Nur diese Lesart der Zurechnungskonzeption erklärt zudem, weshalb es in der Rechtsprechung regelmäßig nur darum geht, ob der gebotene Informationsfluss stattgefunden hat, nicht auch darum, welche Maßnahme für dessen Gewährleistung unternommen wurden oder ob vorhandene Informationsstrukturen grundsätzlich nicht zu beanstanden waren und lediglich im Einzelfall nicht ordnungsgemäß genutzt wurden415. Zugleich erklärt sie, wieso auch im Rahmen der Arglisthaftung der Grad der Vorwerfbarkeit einer „Organisationspflichtverletzung“ nicht thematisiert wird: Es geht nicht um den Vorwurf eines Organisationsverschuldens, sondern um die Zuweisung des Risikos der im Einzelfall enttäuschten Verkehrserwartung zur juristischen Person416. Für diese Interpretation des Zurechnungsmodells spricht nicht zuletzt auch, dass der BGH eine hierarchiemäßige Begrenzung der für die Zurechnung relevanten Wissensträger ja gerade abschaffen wollte. Würde die ordnungsgemäße Wissensorganisation aber im Sinn eines echten Organisationspflichtenansatzes verstanden und damit im Wesentlichen die Pflicht zur Einrichtung geeigneter Informationswege und Zuweisung von Zuständigkeiten sowie zur sorgfältigen Personalauswahl, -instruktion

413

Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 27. Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 27. 415 BGH v. 15.04.1997 XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202, 208; BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54, 61 ff.; tendenziell auch BGH v. 10.12.2010 – V ZR 203/09, wo das Gericht zwar von fehlenden organisatorischen Maßnahmen spricht, die Zurechnung aber wohl schon mit der ausbleibenden Informationsweitergabe selbst begründet; aus der Zeit vor dem Grundsatzurteil (Fn. 379) außerdem BGH v. 01.06.1989 – III ZR 261/87, NJW 1989, 2879, 2881; BGH v. 14.07.1993 – IV ZR 153/92, BGHZ 123, 224, 229 f., wo u. a. die Zurechnung vorhandenen Aktenwissens zulasten eines Versicherers schon mit der Abfragemöglichkeit des einzelnen Mitarbeiters begründet wird; auf ein „echtes“ Organisationsversagen abstellend hingegen BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138, 140; weiter BGH v. 31.01.1996 – VIII ZR 297/94, NJW 1996, 1205 f., wo eine GmbH & Co. KG aufgrund organisatorischer Vorkehrungen zwar nicht der Wissenszurechnung, aber dem Arglistvorwurf entgehen konnte. 416 In diese Richtung auch Canaris, Karlsruher Forum 1994, 31, 34 (aus der Diskussion zu den Referaten von Medicus und Taupitz). Auch dass die Wissenszurechnung eine wenigstens fahrlässig begangene Organisationspflichtverletzung voraussetzt, lässt sich der Rechtsprechung daher richtigerweise nicht entnehmen. 414

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und -überwachung umfassen, wäre die Zurechnung letztlich doch wieder auf Mitarbeiter mit entsprechender Verantwortung begrenzt. Das Modell der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung lässt sich danach besser als eine Erweiterung der sogenannten „Wissensvertretung“ erklären417. Im Ausgangspunkt ist die Wissensvertretung zwar in die Kategorie der zuständigkeitsabhängigen Zurechnung einzuordnen, weil Wissensvertreter nur diejenige Person sein soll, die nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten418. Bei der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung kommt es demgegenüber zumindest nicht in erster Linie auf die Funktion des Wissensträgers an. Schon die Figur der Wissensvertretung bedient sich allerdings eines Kunstgriffs, indem sie bereits die Informationsaufnahme und -weitergabe als zurechnungsbegründende Aufgabe genügen lässt und damit überhaupt nicht mehr entscheidend auf die konkreten Zuständigkeiten der Hilfsperson abstellt419. Eine weit verstandene Wissensvertretung ermöglicht damit eine Wissenszurechnung „auf Vorrat“ für spätere Zwecke420, die nach den Rechtsgedanken der §§ 31, 166, 278 BGB nicht möglich ist, weil nach diesen Vorschriften subjektive Elemente nur als Teil des jeweils rechtserheblichen Verhaltens – zu dem die Wissensaufnahme selbst nicht gehört421 – zugerechnet werden422. Von der Konzeption der Wissensvertretung sind die Grundsätze der Wissens-

417

Vgl. Maier, Auskunftspflichten und Wissenszurechnung, S. 133 f. St. Rspr., BGH v. 24.01.1992 – V ZR 262/90, BGHZ 117, 104, 106 f. m. w. N. 419 Nach dem hier vertretenen Zurechnungsverständnis genügen Informationspflichten des Gehilfen nur, wenn sie aus dessen Verantwortung für die jeweils in Rede stehende Maßnahme folgen; dazu oben § 2 C. II. 3. Dazu, dass auch der Wissensvertreter diese Voraussetzung erfüllen kann, aber eben nicht muss, Faßbender / Neuhaus, WM 2002, 1235, 1255. 420 Deutlich BGH v. 01.03.1984 – IX ZR 34/83, NJW 1984, 1953, 1954; für die Zurechnung ebenfalls ausdrücklich allein auf die Wissensaufnahme abstellend Schultz, NJW 1990, 477, 479 ff.; für eine Wissenszusammenrechnung aller Wissensvertreter eines Unternehmens außerdem Staub HGB / Canaris, 4. Aufl., Bd. 5, 1. Teil Rn. 106, 800a; schon früh zum Wissensvertreter RG v. 08.03.1921 – VII 330/20, RGZ 101, 402, 403, das aber das Richtige trifft, weil das Verhalten, mit dem die negativen Rechtsfolgen für das Unternehmen vermieden worden wären, zu den Aufgaben gehörte, die dem „Wissensvertreter“ übertragen wurden. 421 Für die Zurechnung von Organwalterwissen dazu ausdrücklich Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 245. 422 Baum, Wissenszurechnung, S. 122 ff., 136 f.; Buck, Wissen und juristische Person, S. 354 ff.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 109 ff.; ders. / Neuhaus, WM 2002, 1235, 1255; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 208 ff.; ders., NJW 1993, 889, 892 f.; ferner DaunerLieb, FS Kraft, S. 43, 50 f.; Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 38 ff. Zu unterscheiden ist diese Konstellation deshalb aber von dem ebenfalls häufig als Wissensvertretung bezeichneten Fall der analogen Anwendung des § 166 Abs. 1 BGB, in denen die Vorschrift lediglich in sachlicher (nicht nur Willenserklärungen, sondern auch geschäftsähnliche Handlungen und Realakte) und persönlicher (nicht nur rechtsgeschäftliche Stellvertreter, sondern auch sonstige Repräsentanten) Hinsicht erweitert wird. 418

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zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung damit nicht mehr weit entfernt. Sie verdrängen die Bedeutung der Aufgabe der Hilfsperson nur noch weiter und fragen allein nach der Erwartung in den betriebsinternen Informationsfluss, die zwar an die konkrete Aufgabenverteilung anknüpfen kann, nach dem Modell des BGH aber offenbar nicht muss423. 3. Geltungsbereich des Zurechnungskonzepts außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte Wie erwähnt behauptet sich das Konzept der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung jedenfalls für Konstellationen, die durch den rechts­ geschäftlichen Kontakt der Parteien geprägt sind. Ähnlich wie in den Fällen fehlender Mangelaufklärung gegenüber einem Käufer hat der BGH für eine Vielzahl anderer Konstellationen entschieden. Zu nennen ist etwa: die Zurechnung der Kenntnis von Umständen, über die ein Bankkunde bei der Anlageberatung hätte aufgeklärt werden müssen424; die Zurechnung bankintern vorhandenen, dem konkret handelnden Angestellten aber nicht präsenten, Wissens, das bei Einreichung disparischer Schecks425 auf deren Abhandenkommen deutete426; die Zurechnung der Kenntnis von einem durch einen Konkursantrag bedingten Verfügungsverbot hin zu einer GbR in dem Fall, in dem zwar nicht der an den Gemeinschuldner leistende, aber ein weiterer Gesellschafter der GbR das Verbot kannte427; die Zurechnung bankintern vorhandenen Wissens über eine Verfügungsbeschränkung bei Bar­abhebungen und Überweisungsaufträgen eines Insolvenzschuldners428. Im Deliktsrecht und in Fällen, in denen nicht der rechtsgeschäftliche Kontakt der Parteien im Vordergrund steht, hat der BGH die Anwendbarkeit der Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung hingegen zum Teil explizit verneint. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach § 852 Abs. 1 BGB a. F.429 nicht bereits dann zugunsten eines Schädigers zu laufen begann, wenn ein Mit 423 So auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 38: „Das Gebot der Speicherung aufgenommenen Wissens ist dagegen unabhängig von dieser Aufgabe [des Vertragsabschlusses] und schon dann einschlägig, wenn derjenige, der die Kenntnis erlangt hat, deren Bedeutung erkennt oder erkennen kann.“ 424 BGH v. 13.01.2004 – XI ZR 355/02, WM 2004, 422. 425 Also solcher Schecks, bei denen Scheckeinreicher und Scheckbegünstigter nicht identisch sind. 426 BGH v. 15.04.1997 – XI ZR 105/96, BGHZ 135, 202. 427 BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, BGHZ 140, 54. 428 BGH v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, ZIP 2006, 138. 429 Entspricht dem heutigen § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger aber die grob fahrlässige Unkenntnis für den Fristlauf genügen lässt und zudem auch rechtsgeschäftliche Ansprüche erfasst.

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arbeiter innerhalb der geschädigten juristischen Person (des öffentlichen Rechts430) von dem Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangte und diese Kenntnis betriebsintern hätte weiterleiten sollen. Relevante Wissensträger im Sinn des § 852 Abs. 1 BGB a. F. sollen vielmehr nur die Personen sein, die tatsächlich für die Verfolgung der Schadensersatzansprüche zugunsten der geschädigten Organisation zuständig sind431. Soweit der BGH darauf eingeht, weshalb nur eine streng zuständigkeitsabhängige Wissenszurechnung in Betracht kommen soll, lautet die Begründung, dass ein Schädiger gerade kein schützenswertes Vertrauen in die betriebsinterne Wissensorganisation seines Gegenübers habe432. Mangels Anwendbarkeit der Grundsätze der Zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung soll daher die traditionelle aufgabenabhängige Wissenszurechnung aufleben, die an die übertragene Aufgabe anknüpft, bei der das Wissen relevant wird (hier die Geltendmachung der Ansprüche) und die in einer Analogie zu § 166 Abs. 1 BGB zu verorten ist433. Bei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, der Nachfolgenorm des § 852 Abs. 1 BGB a. F., die auch für vertragliche Ansprüche gilt und schon grob fahrlässige Unkenntnis für den Fristbeginn genügen lässt, soll grundsätzlich nichts anderes gelten. Es soll dort also nur auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der für die Anspruchsverfolgung zuständigen Mitarbeiter ankommen434. 430 In der Regel ging es um Fälle, in denen die juristische Person öffentlich-rechtliche Leistungen an einen Geschädigten erbringen musste und auf Grundlage eines gesetzlichen Anspruchsübergangs bei dem Schädiger Regress nehmen wollte. 431 BGH v. 20.11.1973 – VI ZR 72/72, NJW 1974, 319; BGH v. 19.03.1985 – VI ZR 190/83, NJW 1985, 2583; BGH v. 22.04.1986  – VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315, 2316; BGH v. 11.02.1992 – VI ZR 133/91, NJW 1992, 1755, 1756; BGH v. 18.01.1994 – VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151; so insb. auch noch nach dem Grundsatzurteil zur Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung (Fn. 379), BGH v. 25.06.1996 – VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129, 138 f.; BGH v. 09.03.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411, 1412; BGH v. 28.11.2006 – VI ZR 196/05, NJW 2007, 834, 835. 432 BGH v. 22.04.1986 – VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315, 2316; BGH v. 18.01.2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953, 954; BGH v. 27.03.2001 – VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535, 2536 f.; siehe auch BGH v. 25.06.1996 – VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129, 139; a. A. Römmer-Collmann, Wissenszurechnung innerhalb juristischer Personen, S. 113 f., der auch in diesen Fällen eine schützenswerte Erwartung annimmt; ferner Grunewald, FS Beusch 1993, S. 301, 317, die i. R. d. § 852 BGB a. F. zwar vom fehlenden Vertrauensschutz ausgeht, eine Wissenszurechnung im Fall mangelhafter Organisation aber dennoch für sachgerecht hält, da die juristische Person sonst unangemessene Vorteile aus ihren Fehlern ziehen könne; dem zust. Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 13.; i. E. auch Adler, Wissen und Wissenszurechnung, S. 182 ff. 433 Vgl. BGH v. 18.01.1994 – VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151; BGH v. 28.02.2012 − VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789, 1790; BGH v. 25.06.1996 – VI ZR 117/95, BGHZ 133, 129, 138 f.; BGH v. 09.03.2000 – III ZR 198/99, NJW 2000, 1411, 1412; BGH v. 20.10.2011 − III ZR 252/10, NJW 2012, 447, 448 f.; BGH v. 28.02.2012 − VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789, 1790. 434 BGH v. 20.10.2011 − III ZR 252/10, NJW 2012, 447, 448 f.; BGH v. 28.02.2012 − VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789, 1790; BGH v. 17.04.2012 – VI ZR 108/11, BGHZ 193, 67, 71 f. Rn. 10 f. Ein Unterschied zur alten Rechtslage besteht aber darin, dass nun auch grob fahrlässige Organisationsmängel, auf denen die Unkenntnis der zuständigen Abteilung beruht, den Fristlauf herbeiführen können. Dieser Schlussfolgerung erteilt der BGH in den zitierten Urteilen zwar ausdrücklich eine Absage. Dabei offenbart sich allerdings wieder nur das schon oben

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Einer ähnlichen Linie folgt der II. Zivilsenat des BGH bei der Wissenszurechnung im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB. Die Vorschrift regelt den Beginn der zweiwöchigen Ausschlussfrist für die Kündigung eines Dienstverhältnisses aus wichtigem Grund und macht den Fristlauf von der Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen abhängig. Handelt es sich bei dem Kündigungsberechtigten um eine juristische Person, soll es grundsätzlich nur auf die Kenntnis des für die Kündigung zuständigen und zur Beschlussfassung zusammengetretenen Organs435 ankommen436. Zwar soll die Frist auch ohne Kenntnis des Organs zu laufen beginnen, wenn den einberufungsberechtigten Personen eine „unangemessene Verzögerung“ der Einberufung des zuständigen Gremiums vorgeworfen werden kann437. Dies ist auf den ersten Blick wiederum nicht fern von den Grundsätzen der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtver­letzung, da die Zurechnung auch hier letztlich erfolgen soll, wenn die Weitergabe der kündigungsrelevanten Information an das zuständige Gremium erwartet werden durfte438. Im Vordergrund steht aber doch der Zuständigkeitsgedanke, weil neben der Kenntnis des zuständigen Organs nur die Kenntnis der mit der Befugnis für die Einberufung betrauten Personen zählen soll. Dem dürfte die richtige Überlegung zugrunde liegen, dass schon die Übertragung der Einberufungskompetenz eine Wissenszurechnung rechtfertigt, weil auch damit eine Verantwortung für das Zustandekommen der Beratung im Gremium einhergeht. Das erinnert an den oben erwähnten – und schon für Art. 17 Abs. 1 MAR fruchtbar gemachten –

(§ 3 B. III. 2.) angesprochene Problem der Natur der Organisationspflicht: Es ist richtig, wenn der BGH nicht schon die Nachlässigkeit anderer Mitarbeiter, die nicht für die Anspruchs­ verfolgung zuständig sind, genügen lässt. In einer solchen Nachlässigkeit ist aber auch noch kein Organisationsmangel der juristischen Person zu erkennen. Beruht die Unkenntnis der für die Anspruchsverfolgung zuständigen Mitarbeiter aber darauf, dass schon die organisatorischen Gegebenheiten für einen funktionierenden Informationsfluss fehlen, kann das sehr wohl die grob fahrlässige Unkenntnis der juristischen Person begründen. I. E. wie hier Staudinger / Peters / Jacoby (2014), § 199 BGB Rn. 59; außerdem MünchKomm. BGB / Grothe8, § 199 Rn. 39, wo allerdings offenbleibt, ob nur grobe Organisationsmängel schaden sollen. 435 Z. B. die Gesellschafterversammlung einer GmbH (Annex zu § 46 Nr. 5 GmbHG), der Aufsichtsrat einer AG (§ 84 Abs. 1 Satz 5 AktG), die Generalversammlung einer Genossenschaft (§ 24 Abs. 2 S. 1 GenG) oder auch der Verwaltungsrat einer Sparkasse nach LandesSparkassengesetzen. 436 BGH v. 15.06.1998  – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.; BGH v. 10.01.2000  – II ZR 251/98, NJW 2000, 1864, 1866; BGH v. 10.09.2001 – II ZR 14/00, NZG 2002, 46, 48; jüngst BGH v. 02.07.2019 – II ZR 155/18, NZG 2019, 1023, 1025; aus der Zeit vor der Etablierung der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung schon BGH v. 18.06.1984  – II ZR 221/83, ZIP 1984, 947; BGH v. 09.11.1992 – II ZR 234/91, NJW 1993, 463, 464 f. 437 BGH v. 15.06.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.; BGH v. 10.01.2000 – II ZR 251/ 98, NJW 2000, 1864, 1866; ferner BGH v. 02.07.2019 – II ZR 155/18, NZG 2019, 1023, 1025; aus der Zeit vor der Etablierung Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung schon BGH v. 18.06.1984 – II ZR 221/83, ZIP 1984, 947; vgl. auch BGH v. 09.11.1992 – II ZR 234/91, NJW 1993, 463, 464 f. 438 Für die unveränderte Anwendung der organisationspflichtenbasierten Wissenszurechnung auf diese Fälle denn auch Grunewald, FS Beusch, S. 301, 315 f.

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weiten Begriff des (Erfüllungs-)Gehilfen, der auch „mittelbar“ zuständige Mitarbeiter umfasst439. Mit anderer Begründung verneint der BGH neuerdings schließlich eine auf die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung gestützte Haftung aus § 826 BGB440. In dem entschiedenen Fall ging es unter anderem um die Frage, ob der beklagten Initiatorin eines Immobilienfonds zur Begründung der sittenwidrigen Schädigung von Anlegern Kenntnisse eines Mitarbeiters von einem Altlastenverdacht zugerechnet werden können, der in dem vom Vorstand der Beklagten in Verkehr gebrachten Fondsprospekt keine Erwähnung fand. Der BGH verneinte dies. Das mit der Sittenwidrigkeit zum Ausdruck kommende moralische Unwerturteil und der personale Charakter der Haftungsnorm könnten nicht mittels Zusammenrechnung objektiver und subjektiver Tatbeiträge verschiedener Unternehmensangehöriger begründet werden; erforderlich sei vielmehr die Verwirk­lichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinn des § 31 BGB441. Es wäre danach also notwendig gewesen, dass der den Prospekt herausgebende Vorstand selbst Kenntnis von dem Altlastenverdacht hatte. Hinter dieser Ansicht steht nichts anderes als die Wertung einer verhaltensabhängigen Zurechnung, nach der subjektive Tatbestandsmerkmale bei den Personen vorliegen müssen, die auch die objektiven Tatbeiträge verwirklichen oder wenigstens steuern, weil nur dann der der Vorschrift immanente „Vorwurf“ gerechtfertigt ist442. Die Einschränkung auf unter § 31 BGB (analog) fallende Reprä 439

Oben § 2 C. II. 3. BGH v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NZG 2016, 1346; aus der darauffolgenden instanzgerichtlichen Rechtsprechung LG Köln 12.10.2018 – 2 O 102/18, ZIP 2018, 2373, 2375; LG Offenburg v 12.05.2017 – 6 O 119/16, juris Rn. 49. 441 BGH v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NZG 2016, 1346, 1348 f. Inwieweit der BGH diesem Prinzip folgt, wenn es um die Zurechnung subjektiver Beiträge von Unternehmensangehörigen geht, die nach seiner Rechtsprechung unter § 31 BGB (analog) fallen, ist weniger eindeutig; siehe insofern BGH v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, wonach zur Begründung der vorsätzlichen sittenwidrigen Täuschung gem. § 826 BGB in Form des Inverkehrbringens von mit Abschalteinrichtungen versehenen Kfz. auch auf das Verhalten und die subjektive Einstellung des unter § 31 BGB analog fallenden Leiters der Motorenentwicklungsabteilung abgestellt werden kann. Begründet werden kann dieses Ergebnis damit, dass auch der Leiter der Entwicklungsabteilung Handlungsverantwortung für das ordnungsgemäße Inverkehrbringen der Fahrzeuge – als die auch nach dem BGH maßgebliche Täuschungshandlung – trägt und die maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatbeiträge daher nicht mosaikartig zusammengerechnet werden müssen. 442 Die Rechtsprechung des BGH zu § 826 BGB mag daher eine (begrüßenswerte) Kurs­ korrektur andeuten. Weil der BGH aber im Übrigen an der Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht festhält, erscheint die Auffassung des Berufungsgerichts, das die Anwendbarkeit der Grundsätze auch im Rahmen des § 826 BGB angenommen hatte, nur konsequent, KG Berlin v. 27.08.2015 – 2 U 57/09, WM 2015, 2365, 2369 f.; für Anwendbarkeit auch Rhiem, DAR 2016, 12, 15; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 826 Rn. 38; siehe aber auch ders., JZ 2017, 522, 525, wo aus gutem Grund das Erfordernis einer vorsätzlichen Organisationspflichtverletzung erwogen wird. Zur fehlenden Überzeugungskraft der Differenzierung des BGH zwischen arglistigem und sittenwidrigem Verhalten außerdem Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 165 f.; dazu auch noch § 3 B. IV. 3. a). 440

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sentanten folgt wiederum aus der allgemeinen Ansicht, dass deliktisches Verhalten (nicht Wissen) juristischen Personen nur seitens ihrer herausgehobenen „Repräsentanten“ zuzurechnen ist443.

IV. Folgen für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 1. Folgen bei unterstellter Anwendbarkeit der Zurechnungsregeln Zöge man die Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung zur Begründung des Verschuldens nach § 97 Abs. 2 WpHG heran, hätte dies für Emittenten dramatische Folgen. Eine Vorsatzhaftung qua Wissenszurechnung käme zum einen bei jeder Verletzung der Organisationspflicht gemäß Art. 17 Abs. 1 MAR, unabhängig von dem jeweiligen Grad der Vorwerfbarkeit, in Betracht444. Denn nach dem BGH genügt es für die Wissenszurechnung und mit ihr für den Vorwurf vorsätzlichen Unterlassens, dass die relevante Information die zuständige Stelle im Fall ordnungsgemäßer Organisation erreicht hätte. Zum anderen müssten die Haftung bei konsequenter Anwendung der Grundsätze sogar bei ordnungsgemäßer Organisation immer schon dann angenommen werden, wenn sich einzelne Mitarbeiter entgegen der Erwartung verhalten, sie werden veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen weiterreichen oder abfragen445. Der BGH spricht zwar von einer Organisationspflichtverletzung; bei Licht besehen lässt er es aber schon ausreichen, dass von einzelnen Mitarbeitern erwartet werden konnte, dass sie die Relevanz der Information erkennen würden. Berechtigt wäre eine solche Erwartung zumindest gegenüber sogenannten „Regelinsidern“446, weil die Information zwischen diesen Mitarbeitern, die vorher­ sehbar mit Insiderinformationen in Kontakt kommen, und der für die Ad-hocPublizität zuständigen Stelle gewährleistet werden muss, wenn der Abbau von Informationsasymmetrien des Kapitalmarkts nicht dem Zufall überlassen werden soll447. Man könnte aber noch weiter gehen und eine zurechnungsbegründende Verkehrserwartung schon aus jeder Neben- oder Treuepflicht zur Informationsweitergabe oder -abfrage ableiten448. Damit wäre potenziell jeder Mitarbeiter des 443

Dazu, dass das aber nicht uneingeschränkt richtig ist, unten § 3 C. IV., V. Dazu auch Koch, AG 2019, 273, 284. 445 Vgl. Sajnovits, WM 2016, 765; ferner Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.107, 8.63; anders diejenigen, die einem „echten“ Organisationspflichtenansatz folgen, dazu schon oben § 3 B. III. 2.  mit Fn. 406. 446 Zu ihnen schon § 2 C. IV. 6. 447 Oben § 2 E. IV. 448 Vgl. Sajnovits, WM 2016, 765 769; ferner Spindler, ZHR 181 (2017), 321, 326. Inwieweit schon solche Pflichten für eine Zurechnung des nicht weitergereichten Wissens ausreichen sollen, ist soweit ersichtlich ungeklärt. Taupitz scheint aber jedenfalls nicht jede Neben- oder Treuepflicht zur Informationsweiterleitung genügen zu lassen, Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 25 f. („zur Informationsaufnahme und -weiterleitung bestimmte Person“), 27 f. 444

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Emittenten für die Wissenszurechnung und damit das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG relevant, weil eine Wissensweitergabe bei erkennbarer Bedeutung der Information zumindest aufgrund arbeitsvertraglicher oder organschaftlicher Treuepflicht regelmäßig geboten sein dürfte449. Würde die daran geknüpfte Erwartung enttäuscht, würde der Emittent ungeachtet der jeweiligen Vorwerfbarkeit schon allein deshalb nach § 97 WpHG haften. Ein „Haftungsfilter“ würde nach hier vertretener Auffassung immerhin aus der Maßgeblichkeit des Unionsrechts für die Frage der Pflichtentstehung und -verletzung folgen. Denn auf eine Verschuldensbegründung qua Wissenszurechnung käme es nur an, wenn der Emittent gegen Art. 17 Abs. 1 MAR verstoßen, wenn also eine insofern relevante Person die Möglichkeit der Herbeiführung einer Veröffentlichung unterlassen oder der Emittent die Anforderungen der aus Art. 17 Abs. 1 MAR folgenden Wissensorganisation nicht eingehalten hätte. 2. Meinungsbild Zu der Frage, ob die Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung für das Verschulden des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG Bedeutung haben, ist noch kein eindeutiges Meinungsbild entstanden. Zwar ist, soweit ersichtlich, kein klares Bekenntnis zu den soeben geschilderten Folgen einer konsequenten Übertragung zu finden. Berücksichtigt man auch die Stimmen, die sich unter Geltung der alten Rechtslage mit der Problematik befasst haben, ist aber festzustellen, dass die Grundsätze – wenn auch mit Zurückhaltung – regelmäßig für relevant gehalten werden450. Die Zurückhaltung äußert sich darin, dass die Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung als („Bezie­hung zwischen der Kenntnis und dem […] übertragenen Aufgabenbereich“); weiter hingegen Grunewald, FS Beusch, S. 301, 313 f., nach der allein das berechtigte Vertrauen in die Wissensweiterleitung entscheidet; so auch die Deutung von Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 38. 449 Auch bei nachgeordneten Mitarbeitern dürfte das im Grundsatz aus § 241 Abs. 2 BGB folgen, zumal es sich um besonders wichtige Informationen handelt; zur Reichweise der Pflicht bei einem damit verbundenen Selbstbezichtigungszwang noch unten § 5 C. III. 3. Dazu, dass das Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR einer Informationsweitergabe zum Zweck der Ad-hoc-Publizität nicht entgegensteht, außerdem § 4 B. III. 7. a). 450 Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 22: „In diesem Zusammenhang (scil. dem des Verschuldens nach § 37b Abs. 2 WpHG a. F.) spielt die Frage der Wissenszurechnung eine Rolle“; Schwark / Zimmer / Zimmer / Steinhaeuser5, Art. 17 MAR Rn. 67; mal mehr mal weniger deutlich zudem LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1470 Rn. 226 ff.; Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn.  56; Koch, ZIP 2015, 1757 ff., 1762; Lenenbach, Kapitalmarktrecht2, Rn. 11.609; Leyendecker-Langner / Kleinhenz, AG 2015, 71, 73 f.; KK  WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c,  b Rn. 178; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 523 i. V. m. Rn. 407; Schwintowski, ZIP 2015, 617; Assmann / Schneider / Sethe, 6. Aufl., §§ 37b, 37c WpHG Rn. 102; Wilken / Hagemann, BB 2016, 67, 70; Werner, WM 2016, 1474 ff.; Schwark / Zimmer / Zimmer / Grotheer4, §§ 37b, c WpHG Rn. 54; vgl. auch Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 329.

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Ansatz für die Verschuldensbegründung zwar genannt, zugleich aber das Erforder­ nis wenigstens grober Fahrlässigkeit nach § 97 Abs. 2 WpHG oder die Regeln der Verschuldenszurechnung nach den §§ 31, 278 BGB betont werden451. Welche Rolle die Wissenszurechnung im Rahmen des Verschuldens genau haben soll, bleibt damit meist offen. In jüngerer Zeit werden allerdings die Stimmen lauter, die die Grundsätze der Wissenszurechnung ausdrücklich nicht für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG fruchtbar machen wollen452. Zum Teil wird dabei der Unterschied zwischen der Tatbestands- und der Verschuldensebene betont und vorgeschlagen, die Grundsätze der Wissenszurechnung  – in Abkehr von der Rechtsprechung des BGH – allein für die Frage des Wissens und damit der Pflichtentstehung und -verletzung, nicht aber für das Verschulden heranzuziehen453. Von anderen wird die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung für die Ad-hocPubli­zität sogar insgesamt für irrelevant gehalten454. Zur Begründung wird entweder auf die Maßgeblichkeit des Unionsrechts455, das Erfordernis einer restriktiven normbezogenen Auslegung456 oder die Rechtsprechung des BGH verwiesen, nach der die Grundsätze außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs nicht anwendbar seien457. Auf wessen Verschulden es stattdessen ankommen soll, wird innerhalb all 451 LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1470 Rn. 231 ff.; BuckHeeb, CCZ 2009, 18, 22; Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn.  56; Lenenbach, Kapitalmarktrecht2, Rn. 11.608 f.; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 523 i. V. m. Rn.  407; Assmann / Schneider / Sethe, 6. Auf., §§ 37b, 37c WpHG Rn. 101 f.; Schwark / Zimmer / Z immer / Steinhaeuser5, Art.  17 MAR  Rn.  66; Schwark / Zimmer / Z immer / Grotheer, 4. Aufl., §§ 37b, c WpHG Rn. 53 f.; siehe ferner KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 178, die für die Fälle, in denen nach der Rechtsprechung Wissen zugerechnet wird, offenlassen, ob damit Vorsatz des Emittenten begründet werden kann, aber offenbar von wenigstens grober Fahrlässigkeit ausgehen. 452 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 89, 109; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 393 f.; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff.; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 273 f.; ders., WM 2016, 765, 773; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 58 f. (i. V. m. S. 78); ders., NZG 2018, 1007, 1011. 453 Sajnovits, WM 2016, 765 ff., 773; ders., Financial-Benchmarks, S. 273 f.; i. E. auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 389 f.; 393 f., der auf Pflichtebene aber wegen des dort maßgeb­lichen Unionsrechts nur vorsichtig auf die deutschen Grundsätze der Wissenszurechnung zurückgreifen will; ebenfalls die Unterscheidung von Pflicht- und Verschuldensebene betonend Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 51; Buck-Heeb, AG 2015, 801, 805 f.; ferner Verse, AG 2015, 413, 418 Fn. 39. 454 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 89, 109; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff.; Thomale, NZG 2018, 1007, 1008 f., 1011; jedenfalls i. R. d. § 97 WpHG Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f. 455 Hellgardt, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 89, 109; Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff. 456 Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff.; zu § 97 WpHG Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848 f. 457 Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 59 (i. V. m. S. 78); ders., NZG 2018, 1007, 1011; vgl. auch Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 31 ff.; allg. gegen Übertragung auf deliktsrechtliche Fälle außerdem Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 318; Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.77; tendenziell auch BGH v. 28.92.2012 − VI ZR 9/11, NJW 2012, 1789, 1790; vgl. ferner Baum, Wissens-

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dieser Ansichten unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird allein das Verschulden des Vorstands458 bzw. unter Anwendung des § 31 BGB (analog) das des Vorstands und sonstiger mit der Ad-hoc-Publizität befasster „Repräsentanten“459 für relevant gehalten. Von anderer Seite, die § 97 WpHG als Tatbestand der Vertrauenshaftung versteht, wird unter Heranziehung des § 278 BGB auch das Verschulden nachgeordneter Mitarbeiter für ausreichend gehalten, soweit diese zur Informations­ weitergabe oder -abfrage verpflichtet sind460. 3. Stellungnahme a) Kein Entgegenstehen der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte Anders als zum Teil angenommen461 spricht jedenfalls nicht schon die BGHRechtsprechung zur Wissenszurechnung außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte (namentlich im deliktischen Bereich) zwingend gegen die Übertragung der Grundsätze der Wissensorganisation auf § 97 WpHG462. Dies gilt unabhängig von der umstrittenen dogmatischen Einordnung der Vorschrift als Tatbestand der Vertrauens- oder Deliktshaftung463. Wollte man aus der Rechtsprechung ableiten, dass die Anwendbarkeit der Zurechnungsgrundsätze von der rechtlichen Einordnung des jeweiligen Falls abhängig zu machen sei, wäre zum einen schon nicht klar, wo genau die Trennlinie zu ziehen wäre. Die einfache Unterscheidung zwischen Vorschriften des Vertragsrechts bzw. vertragsähnlichen Rechts einerseits und sonstigen Rechts anderseits scheint jedenfalls nicht immer richtige Antworten liefern. Das zeigen die Fälle des § 626 Abs. 2 BGB, in denen die Zurechnungsgrundsätze trotz vertragsrechtlicher zurechnung, S. 222 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 636, 645; BeckOK BGB / ders.53, § 199 Rn. 43 f., der die Grundsätze auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar auch im Rahmen deliktischer Ansprüche anwenden will, dies aber nur, wenn sie durch rechtsgeschäftlichen Kontakt der Parteien entstanden sind; ausdrücklich für die Geltung der Grundsätze auch im Deliktsrecht hingegen Harke, VuR 2017, 83, 88 f. 458 Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 33; Thomale, NZG 2018, 1007, 1011 f.; tendenziell auch Maier-Reimer / Webering, WM 2002, 1857, 1859. 459 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 393 f.; siehe auch Winter, Der nach den §§ 97 und 98 WpHG zu ersetzende Schaden, S. 54 f.; außerdem schon Monheim, Ad-hoc-Publizität, S. 309 f.; vgl. ferner Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 44; i. E. wohl außerdem Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1848, der für die pflichtbegründende Wissenszurechnung i. R. d. § 97 Abs. 1 WpHG nämlich auf „das Wissen des (Gesamt-)Vorstandes bzw. des für die Ad-hoc-Publizität zuständigen Gremiums“ abstellt. 460 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 273 f.; vgl. auch ders., WM 2016, 765, 773. 461 Siehe die Nachw. in Fn. 457. 462 Vgl. auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 87 ff.; Seidel, AG 2019, 492, 498 f., die die Rechtsprechung i. E. für auf das Deliktsrecht übertragbar halten. 463 Zur dogmatischen Einordnung mit Nachw. zum Streitstand noch § 3 C. II.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

Natur der Vorschrift zumindest nicht unmittelbar gelten sollen. Das kann auch nicht mit der Überlegung erklärt werden, dass nicht die rechtliche Einordnung der jeweiligen Vorschrift über die Anwendbarkeit der Grundsätze entscheide, sondern der Kontext, in dem sich die für die Vorschrift relevanten Umstände zugetragen haben. Danach wären etwa auch deliktische Ansprüche nach den Grundsätzen der Wissensorganisation zu behandeln, wenn sie im Rahmen eines geschäftlichen Kontakts entstehen würden464. Das allein erklärt aber weder die Handhabung des § 626 Abs. 2 BGB noch, dass der BGH die Grundsätze auch bei Ansprüchen aus § 826 BGB nicht für anwendbar hält, obwohl es in dem von ihm entschiedenen Fall um die vertragsähnliche465 Prospekthaftung ging. Der nähere Blick auf die Entscheidungen zur Nichtanwendung der Grundsätze der Wissensorganisation zeigt, dass es für den BGH weniger auf die Einordnung der Norm oder ihres konkreten Zusammenhangs in den vertraglichen oder außervertraglichen Bereich ankommt als auf den Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift. Solange die insoweit angestellten Erwägungen nicht auf die Ad-hoc-Publizität übertragbar sind, spricht die Rechtsprechung in diesen Bereichen daher auch nicht gegen die Anwendbarkeit der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung auf § 97 Abs. 2 WpHG. Was die Rechtsprechung zu den §§ 852 Abs. 1 BGB a. F., 199 Abs. 1 BGB betrifft, so wird die zuständigkeitsabhängige Wissenszurechnung dort, wenn überhaupt, mit dem Argument begründet, dass der Schädiger anders als etwa ein Käufer kein schutzwürdiges Interesse an der funktionierenden betriebsinternen Kommunikation seines Gegenübers habe466. Dieses Argument lässt sich offensichtlich nicht auf die Ad-hoc-Publizität übertragen. Denn hier existiert sehr wohl ein berechtigtes Vertrauen in die ordnungsgemäße Wissensorganisation des Emittenten, das sich aufgrund der Organisationspflicht des Art. 17 Abs. 1 MAR schon aus dem Gesetz ergibt467. Hinzu kommt, dass eine Wissenszurechnung bei § 97 WpHG anders als in den Fällen des § 852 Abs. 1 BGB a. F., 199 Abs. 1 BGB n. F. gerade nicht zugunsten eines Schädigers, sondern zugunsten der geschädigten (ehemaligen) Anleger ginge. Auch die Begründung der Fälle des § 826 BGB lässt sich, unabhängig von der dogmatischen Verortung des § 97 WpHG, nicht gegen die Übertragung der Grundsätze der Wissensorganisation auf die Haftung wegen unterlassener Adhoc-Mitteilung in Stellung bringen468. Zwar spricht der BGH die Frage an, ob die Anwendbarkeit der Grundsätze schon an der deliktischen Natur des § 826 BGB 464

In diese Richtung BeckOK BGB / Spindler54, § 199 Rn. 43 f. Nachw. zur dogmatischen Einordnung der Prospekthaftung in Fn. 536. 466 Nachw. in Fn. 432. 467 KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 177; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 230; vgl. ferner Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 389 ff. Dazu, dass Art. 17 Abs. 1 MAR eine echte Organisationspflicht normiert, schon § 2 E. II. 468 So ausdrücklich auch KG Berlin v. 27.08.2015 – 2 U 57/09, WM 2015, 2365, 2370; LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1470 Rn. 226 f. 465

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

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scheitern müsse469. Er lässt sie dann allerdings ausdrücklich offen und begründet die bei der Haftung nach § 826 BGB erforderliche verhaltens- und zuständigkeitsabhängige Zurechnung allein mit dem besonderen Charakter der Haftung wegen sittenwidriger Schädigung470. Weshalb es für die Zurechnung darauf ankommen soll, ob es um eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung im Sinn des § 826 BGB oder eine sonstige vorsätzliche Schädigung geht, erklärt er damit zwar nicht überzeugend471. Solange er aber an der Wissenszurechnung zur Begründung der Arglist im Vertragsrecht festhält, gibt es keinen erkennbaren Grund, die Relevanz des Zurechnungskonzepts für die Begründung anderweitigen  – auch deliktischen  – Schädigungsvorsatzes außerhalb von § 826 BGB zu verneinen472. Weniger leicht fällt es, die Rechtsprechung zu § 626 Abs. 2 BGB von der zur Wissens­zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung abzugrenzen. Zwar könnte man eine Parallele zu den Fällen des §§ 852 Abs. 1 BGB a. F., 199 Abs. 1 BGB ziehen: Die kündbare Person mag ein Interesse an rascher Klarheit über die Zukunft des Dienstverhältnisses und damit letztlich an der funktionierenden Wissensorganisation des Dienstgebers haben473. Wie auch das Interesse eines Schädigers hinsichtlich der Durchsetzbarkeit der gegen ihn bestehenden Ansprüche im Rahmen der §§ 852 Abs. 1 BGB a. F., 199 Abs. 1 BGB n. F., hat dieses Interesse aber nicht zwingend dasselbe Gewicht wie das eines Käufers an der Wissensorganisation des Verkäufers. Denn wie bei § 852 Abs. 1 BGB a. F. spielt auch bei der außerordentlichen Kündigung in aller Regel ein pflichtwidriges Vorverhalten des Kündigungsempfängers eine Rolle. Hinzu kommt, dass der verzögerte Informationsfluss innerhalb der juristischen Person in diesen Fällen „nur“ dazu führt, dass eine der Sache nach berechtigte Kündigung länger ausgesprochen werden kann. Zur rechtssicheren Abgrenzung taugen diese Kriterien allerdings gewiss nicht und die Urteile lassen wohl vielmehr eine gewisse Inkonsistenz der Senate erkennen. Entscheidend ist aber ohnehin nur, dass die Rechtsprechung zu § 626 Abs. 2 BGB jedenfalls keine Argumente dafür liefert, dass die (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze der Wissensorganisation von der formalen Zuordnung des Falls zu einem bestimmten rechtlichen Bereich abhängen müsse. Damit bleibt es dabei, dass die Fälle unterlassener Ad-hoc-Mitteilung als Fälle des Unterlassens gebotener „Aufklärung“ unabhängig von ihrer dogmatischen Einordnung eine größere

469

BGH v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NZG 2016, 1346, 1348. BGH v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, NZG 2016, 1346, 1348. Dazu schon oben § 3 B. III. 3. 471 Zutr. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 165 f.; a. A. Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 20 f., der insofern auf die Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlicher und deliktischer Zurechnung verweist; dem BGH i. E. beipflichtend auch Seidel, AG, 2019, 492, 500 f. 472 So auch die Vorinstanz des BGH, KG Berlin v. 27.08.2015 – 2 U 57/09, WM 2015, 2365, 2370, die daher nur konsequent von der Anwendbarkeit der Grundsätze auf § 826 BGB ausgegangen ist; vgl. auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 94; anders freilich die abw. Ansichten in Fn. 457. 473 So für Arbeitnehmer BAG v. 5.5.1977 – 2 AZR 297/76, NJW 1978, 723, 724; siehe außerdem Koch, ZIP 2015, 1757, 1766. 470

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

Nähe zu den Fällen haben, in denen der BGH die Grundsätze der Wissensorganisationspflicht anwendet, als zu denen, in denen er sie ablehnt. b) Aber: Bedenken gegen Begründung und Ergebnis der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung Zwar kann die Anwendung der organisationspflichtenbasierten Wissenszurechnung auf § 97 Abs. 2 WpHG nach dem Vorstehenden richtigerweise auch von denjenigen, die die Vorschrift im Deliktsrecht verorten474, nicht schon mit Verweis auf deren Rechtsnatur abgelehnt werden. Dass auch die übrige Literatur einer konsequenten Übertragung zurückhaltend gegenübersteht, hat aber gute Gründe. Schon früh wurde moniert, die Zurechnungsfigur ebne die Grenzen zwischen Wissen und Wissenmüssen bzw. Vorsatz und Fahrlässigkeit ein, indem sie eine Wissenszurechnung schon bei nur fahrlässigen Informationspflichtverletzungen stattfinden lasse475. Die Richtigkeit dieses Einwands offenbart sich in zwei Konstellationen. Der Vorwurf trifft offensichtlich zu, wenn die Wissenszurechnung auf eine nur erwartete, aber tatsächlich ausgebliebene Informationsabfrage der zuständig handelnden Person gestützt wird476. Auch nach § 166 Abs. 1 BGB wäre dann allenfalls ein Wissenmüssen und nach § 278 BGB nur fahrlässige Unkenntnis zuzurechnen. Darüber hinaus ist der Vorwurf richtig, wenn die Zurechnung Folge echter Organisationsfehler, also etwa der mangelnden Instruktion der Mitarbeiter oder Errichtung erforderlicher Informationskanäle, sein soll. Denn auch dann hätte der zuständig Handelnde nur wissen sollen. Wertungsmäßig entspricht auch das nur einem zurechenbaren Wissenmüssen bzw. fahrlässiger Unkenntnis, allein der damit zum Ausdruck kommende Vorwurf richtet sich dann an die­jenigen, die die Kenntnis des Handelnden kraft ihrer Organisationsaufgabe hätten ermöglichen müssen. Die Wissenszurechnung findet aber auch in einer dritten Konstellation statt, und zwar dann, wenn erwartet werden durfte, dass eine Informationsweitergabe seitens des Wissensträgers erfolgen würde. Das Problem des Zurechnungs­ konzepts lässt sich in diesen Fällen weniger gut mit der Einebnung von Wissen 474

Nachw. in Fn. 533. Flume, JZ 1990, 550, 551, ders., AcP 197 (1997), 441, 442 ff.; Dauner-Lieb, FS Kraft, S. 43, 48 f., 53 ff.; ferner Altmeppen, BB 1999, 749, 750 ff.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 78 f., 236; ders., ZIP 2005, 1305, 1309; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 195 f.; Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 50 f.; Jaques, BB 2002, 417, 421; Jung, Wissenszurechnung, S. 51; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845; Meyer, WM 2012, 2040, 2044; Staudinger / Schilken (2014), § 166 BGB Rn. 6; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 636 ff.; Weißhaupt, WM 2013, 782, 788; der Befund von Seidel, AG 2019, 492, 496, dass die pflichtbasierte Wissenszurechnung im rechtsgeschäftlichen Bereich von niemanden bezweifelt werde, ist daher unzutreffend. 476 Das sieht insb. Medicus als die für die Wissenszurechnung maßgebliche Situation an, siehe dazu § 3 IV. 3. c) aa), bb). 475

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

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und Wissen­müssen beschreiben, weil die Zurechnung dann ja an den tatsächlich Wissenden anknüpft. Das Problem des Zurechnungskonzepts liegt in diesen Fällen darin, dass eine Zurechnung ohne Rücksicht auf den konkreten Aufgabenbereich des Wissensträger stattfindet. Während also in den ersten beiden Konstellationen (unterbliebene Abfrage seitens der zuständigen Stelle oder mangelhafte Wissensorganisation) aus einem Wissenmüssen der relevanten – weil zuständigen – Gehilfen ein Wissen konstruiert wird, wird in der zuletzt genannten Variante auf das Wissen eines nach herkömmlichen Regeln falschen – weil nicht zwingend zuständigen – Gehilfen abgestellt. Die begründungsbedürftigen Besonderheiten der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung liegen also nicht nur in der Gleichsetzung von Wissen und Wissenmüssen, sondern gleichermaßen in der Abkehr von den Grundsätzen der Verhaltens- und Zuständigkeitsabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente. Über das zuerst genannte Problem – die Einebnung von Wissen und Wissenmüssen – könnte man zwar im Ergebnis hinwegsehen, wenn eine Vorschrift die Fälle des Wissens und des Wissenmüssens bzw. des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit gleichbehandelt. Zum einen aber lässt der hier in Rede stehende § 97 WpHG gerade nicht schon einfache Fahrlässigkeit genügen477. Erhebliche Auswirkungen hat zum anderen die erwähnte dritte Konstellation der Wissenszurechnung seitens unbeteiligter Wissensträger. Denn mit ihr wird nicht bloß Wissen und Wissenmüssen bzw. Vorsatz und Fahrlässigkeit miteinander vermengt, sondern eine Zurechnung ermöglicht, die nach dem Grundsatz der Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung überhaupt nicht stattfinden dürfte. Um die Rechtsfigur der Zurechnung kraft Organisationspflichtverletzung auf tragfähige Beine zu stellen, müssten also überzeugende Gründe also sowohl für Gleichbehandlung von Wissen und Wissenmüssen bzw. Vorsatz und Fahrlässigkeit als auch für die Annahme einer Zurechnungsbeziehung zwischen auch unbeteiligten Unternehmensangehörigen und der juristischen Person gefunden werden. Die von den Anhängern der Zurechnungsfigur insofern vorgebrachten Argumente sollen im Folgenden näher untersucht werden. c) Keine Legitimation aufgrund der zugunsten der Wissenszurechnung vorgebrachten Argumente aa) Keine wertungsmäßige Gleichheit von Wissen und Wissenmüssen Nach Medicus soll die Gefahr der Einebnung von Wissen und Wissenmüssen kein Wertungsproblem darstellen, das gegen das Wissenszurechnungsmodell spreche. Die Lösung sieht er in der Erkenntnis, dass zwischen Wissen und Wissenmüssen

477

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Unionsrecht, oben § 3 A. II.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied bestehe478. Auch bei einer natürlichen Einzelperson könne nur aus den Umständen, dass sie etwas hätte wissen müssen, darauf geschlossen werden, dass sie tatsächlich wusste479. Rechtlich relevantes Wissen einer Person sei daher auch das bei ihr nur erwartete Wissen480. Aus denselben Gründen soll auch die Zurechnung des Wissens zur juristischen Person, dessen betriebsinterne Abfrage durch den jeweils Handelnden berechtigterweise erwartet werden durfte, angemessen sein481. Würde dies überzeugen, wäre auch der hier im Vordergrund stehende Einwand gegen die vorschnelle Herleitung des Vorsatzes zumindest relativiert. Denn würde die Wissenszurechnung nur dazu dienen, das berechtigterweise anzunehmende Wissen des Handelnden mit einer materiell-rechtlichen Grundlage abzusichern, wäre es grundsätzlich auch nicht ausgeschlossen, von dem tatsächlich angenommenen Wissen auf den Vorsatz zu schließen. Der Schluss auf den Vorsatz hätte mit dem Wissen des Handelnden dann nämlich eine tatsächliche und nicht nur eine fiktive Grundlage. Die Argumentation von Medicus überzeugt aber aus mehreren Gründen nicht. Zum einen erscheint es zweifelhaft, schon allein die berechtigte Erwartung in das Wissen für die Annahme positiver Kenntnis genügen zu lassen. Zwar kann im Einzelfall durchaus auch bloß verfügbares oder typischerweise aktenmäßig festgehaltenes Wissen die Rechtsfolgen tatsächlicher Kenntnis der Verantwortlichen auslösen. Erforderlich ist insofern aber die Feststellung, dass der Unwissende geradezu die Augen vor einer sich aufdrängenden Kenntnis verschlossen haben muss482. Ohne Not vermengt Medicus außerdem die materiell-rechtliche Ebene mit der beweisrechtlichen. Es gibt keinen Grund, die nicht zu leugnenden Probleme des Beweises subjektiver Elemente in das materielle Recht zu verlagern und die dort eindeutig vorgesehene Differenzierung zwischen Wissen und Wissenmüssen zu übergehen. Jedenfalls in dieser Hinsicht muss sich das Verfahrensrecht nach dem

478

Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 13. Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 6, 13. 480 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 6. 481 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 12; zust. Nobbe, in: Bankrechtstag 2002, S. 121, 154 f. 482 So zur Wissenszurechnung im Rahmen des 852 BGB a. F. auch BGH v. 18.01.2000 – VI ZR 375/98, NJW 2000, 953 m. w. N.; vgl. ferner BGH v. 25.02.1960 – II ZR 125/58, BGHZ 32, 76, 92; BGH vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, BGHZ 133, 246, 250 f.; ähnliche Überlegungen stehen hinter der Rechtsprechung des BGH zum arglistigen Verschweigen von Sachmängeln bei Angaben „ins Blaue hinein“, st. Rspr., siehe nur BGH v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64, 69 f. Rn. 13 m. w. N.; siehe auch BGH v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07, ZIP 2009, 1264, 1265, wo erstaunlicherweise sogar unter Berufung auf die Rechtsprechung zur organisationspflichtenbasierten Zurechnung eine vorsätzliche Organisationspflichtverletzung verlangt wird. Ein gewisser Mittelweg scheint Bohrer, DNotZ 1991, 124, 130, vorzuschweben, wenn er verfügbares Wissen „unter sehr viel engeren Voraussetzungen tatsächlicher Kenntnis“ gleichstellen will als das Kennenmüssen, das „an einem weitgefaßten Risikomaßstab orientiert“ sei. 479

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materiellen Recht richten483, weil dem von der Zurechnung Betroffenen sonst die Möglichkeit des Gegenbeweises, also des Beweises der Unkenntnis, abgeschnitten und die Zurechnung damit über das selbst gesetzte Ziel hinausschießen würde484. Abzulehnen ist darüber hinaus der von anderer Seite unternommene Versuch, die Zurechnung von Wissen als Rechtsfolge von (nur fahrlässigen) Organisationspflichtverletzungen damit zu rechtfertigen, dass das Wissen im Fall sorgfältigen Verhaltens ja tatsächlich vorhanden gewesen wäre485. Zum einen ist dem Gesetz eine solche offenbar an die Idee der schadensrechtlichen Naturalrestitution angelehnte Wissenszurechnung nicht zu entnehmen486. Zum anderen würde auch damit das erwähnte Wertungsproblem der Vermengung von Wissen und Wissenmüssen bzw. Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht aufgelöst. Was ihren Kenntnisstand betrifft, würde die juristische Person dann zwar so behandelt werden, wie sie stünde, wäre die Informationspflicht nicht verletzt worden. Dass sich die juristische Person bei tatsächlicher Kenntnis der verantwortlichen Personen aber auch so verhalten hätte, wie sie es getan hat – und nur dann wäre die nachteilige Rechtsfolge der jeweiligen Vorschrift angemessen –, kann nicht einfach unterstellt werden487. bb) Gleichstellungsargument Medicus hat außerdem das Gleichstellungsargument konkretisiert und zum tragenden Grund der Wissenszurechnung zu juristischen Personen erklärt488. Seit dem Grundsatzurteil des BGH vom 02.02.1996489 ist es fester Bestandteil der ständigen Rechtsprechung und wird bisweilen sogar als deren maßgebliche Grundlage bezeichnet490. Zu Recht ist in der Literatur allerdings bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass juristische Personen und einzelne natürliche Personen nicht vergleichbar sind491. Eine natürliche Einzelperson, die die Leistung einer großen arbeits 483

Zum Verhältnis von materiellem Recht und Prozessrecht sowie zum Umfang der sog. „dienenden Funktion“ des letzteren Zöllner, AcP 190 (1990), 471. 484 Dazu auch Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 145 ff. 485 So Baum, Wissenszurechnung, S. 290 ff. 486 In diese Richtung aber Baum, Wissenszurechnung, S. 291 f. 487 Vgl. Goldschmidt, Wissenszurechnung, S. 94. 488 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 11 ff. 489 BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30. 490 Altmeppen, BB 1999, 749, 750.; vgl. ferner Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 41: „hervorragende Rolle“ des Gleichstellungsarguments. 491 Baum, Wissenszurechnung, S. 186 ff.; Dauner-Lieb, FS Kraft, S. 43, 57; Engelhardt, Wissensverschulden, S.71 ff.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 128; Guski, ZHR 184 (2020), 363, 368 f.; Koller, JZ 1998, 75, 77 ff.; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845; Sajnovits, WM 2017, 765, 768; ders., Financial-Benchmarks, S. 226; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 315 ff.; ders., Unternehmensorganisationspflichten, S. 643; ferner Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 43 ff.; Seidel, AG 2019, 492, 494 f.

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teiligen Organisation erbringt, gibt es nicht492. Eine Gleichstellung liefe daher auf die Gleichstellung mit einer Fiktion hinaus, aus der gewinnbringende Schlüsse nicht gezogen werden können493. Gleich wie man es wendet: In der Fiktion hätte es der Rechtsverkehr entweder mit einer in ihren Fähigkeiten begrenzten natürlichen Person zu tun, die selbst die relevante Wissensmenge nicht in einem Kopf speichern könnte. Dann hätte der zu schützende Dritte nichts gewonnen, sondern würde im Gegenteil nur die Vorteile der Arbeitsteilung verlieren, da die Einzelperson ja außerdem nicht dieselben Leistungen anbieten könnte wie das Großunternehmen494. Oder aber es wird – auch wenn dies kaum das Ansinnen der Gleichstellungsüberlegung sein kann – eine übernatürliche Einzelperson fingiert, die alles in einer Hand vereinigen kann und alle relevanten Informationen hat. Anders als die juristische Person, die man mithilfe der Gleichstellung einer Wissenszusammenrechnung unterwerfen will, könnte diese Einzelperson das Wissen dann aber auch tatsächlich einsetzen und damit etwaige Nachteile der Wissensnorm vermeiden495. In dieser Variante bedeutet die „Gleichstellung“ also eine Benachteiligung der juristischen Person496. Dass der Gleichstellungsversuch scheitern muss, gilt für Normen, die, wie die Vorschrift der Ad-hoc-Publizität, von vornherein nur juristische Personen adressieren, umso mehr497. Hervorhebung verdient außerdem ein weit weniger diskutierter Aspekt der Gleichstellungsthese. Jedenfalls in der Interpretation von Medicus begründet das Gleichstellungsargument die Wissenszurechnung nämlich überhaupt nicht, sondern setzt sie voraus. Kernaussage des Arguments ist allein die Gleichbehandlung von Wissen und bloß erwartetem Wissen, sowohl bei natürlichen als auch bei juristi­schen Personen498. Zugerechnet wird in beiden Fällen neben dem tatsäch 492

Vgl. Baum, Wissenszurechnung, S. 186 f.; Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 128; Koller, JZ 1998, 75, 77. 493 Vgl. Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 128; ferner Engelhardt, Wissensverschulden, S. 72; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 316. 494 Koller, JZ 1998, 75, 77. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 317; ferner Bachmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2007, Bd. 13, S. 65, 87. Im außervertraglichen Bereich mag es zwar regelmäßig keine Vorteile aus der Arbeitsteilung geben. Für den (ehemaligen) Wertpapierinhaber ließe sich aber immerhin der Vorteil anführen, beim Emittenten investieren zu können, da diese Möglichkeit erst im Zuge zunehmender Arbeitsteilung und der damit verbundenen Öffnung gegenüber dem Kapitalmarkt entstanden ist. 495 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 190; vgl. ferner Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845 f. 496 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 190; vgl. weiter Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 120 f.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S. 33. Wenn es bei Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 25 (ders., FS E. Lorenz, 1994, S. 673, 680) mit Blick auf Zurechnungssperren aufgrund von Verschwiegenheitspflichten heißt „Es zählt das nicht als Wissen, was man nicht anwenden darf“, dann gilt hier erst recht: Es zählt das nicht als Wissen, das man nicht anwenden kann. 497 So auch Koch, AG 2019, 273, 278; Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1847; vgl. auch Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 53; anders Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 57 f.; ders., NZG 2018, 1007, 1011, der die Gleichstellungsthese aber auch weniger als Versuch der Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen versteht, sondern darin nur das Argument der Korrelation von Chancen und Risiken sieht. 498 Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 7 ff.

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lichen auch das nur erwartete Wissen499. Damit hat das Gleichstellungsargument aber keine neue Antwort auf die Wissenszurechnung zu juristischen Personen. Es stellt letztlich nur eine Art unwiderlegliche Vermutung für das Wissen im Fall gebotener Abfrage auf, die aber für natürliche Personen ebenso gelten soll wie für juristische. In der Diskussion um die Wissenszurechnung zu juristischen Personen scheint der Gleichstellungsthese ein über diese Aussage hinausgehender Gehalt beigemessen zu werden. Denn für natürliche Personen wird die von Medicus vorgeschlagene Erweiterung des rechtlichen Wissens auf ausgelagerte Informationen – soweit ersichtlich – nicht ernsthaft diskutiert. Jedenfalls aber trägt die These in der Lesart von Medicus die Rechtsprechung des BGH nicht vollständig. Denn während sich Medicus zumindest bei der Bestimmung der relevanten Personen auf den Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB stützen könnte500, weil er das erwartete Wissen zurechnet, wenn der zuständig Handelnde Anlass hatte, die Informationen abzufragen, gehen Taupitz und ihm folgend der BGH weiter und rechnen auch dann zu, wenn der nicht zuständige Mitarbeiter das Wissen hätte weiterreichen müssen501. cc) Verkehrs- und Vertrauensschutz Im Vordergrund der Rechtsprechung des BGH steht außerdem der Schutz des Rechtsverkehrs. Ein Abstellen auf den Verkehrsschutz allein ist zur Begründung der Wissenszurechnung allerdings schon deshalb ungeeignet, weil damit zum einen die Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs nur behauptet wird und zum anderen nicht erklärt wird, weshalb ihr mit einer Wissenszurechnung Rechnung zu tragen ist502. Die argumentative Basis des Verkehrsschutzgedankens scheint denn in Wahrheit auch am ehesten im Bereich des Vertrauensprinzips zu liegen503. 499

Insofern auch Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 28 ff., der im Fall gebotener Abfrage der Informationen von eigener – also nicht erst zugerechneter – Kenntnis des Mitarbeiters ausgeht und diese dann der juristischen Person über § 166 Abs. 1 BGB zurechnet. Damit wird aber umgangen, dass § 166 Abs. 1 BGB in diesen Fällen nur die Zurechnung eines Wissenmüssens vorsieht. 500 Medicus selbst hält § 166 Abs. 1 BGB nicht für anwendbar, Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 13. 501 Auf Organebene geht aber auch Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 14 f. davon aus, dass die gebotene Informationsweitergabe ausreichen soll, um die Wissenszurechnung zu begründen. Worin die Zurechnungslegitimation seitens des unzuständigen Wissensträgers besteht, bleibt aber offen, insbesondere nachdem Medicus selbst die Organtheorie ablehnt. 502 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 224 f. 503 Vgl. Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 229 f. Zu der damit ebenfalls zusammenhängenden Wertung einer angemessenen Risikoverteilung sogleich unter § 3 B. IV. 3. c) dd). Das Verkehrsschutzargument geht aber eher im Vertrauensgedanken als dem Gedanken der Risiko­ verteilung auf: Während ersterer mit der Schutzwürdigkeit des Rechtsverkehrs bzw. des Einzelnen argumentiert, geht es bei letzterem um die Legitimation der Belastung der juristischen Person; näher sogleich, § 3 B. IV. 3. c) dd). Für die Wissenszurechnung in erster Linie auf den Vertrauensgedanken abstellend Grunewald, FS Besuch, S. 301, 304 ff., 310 ff.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

Der Rechtsverkehr und mit ihm der betroffene Einzelne soll geschützt werden, soweit er berechtigterweise in den betriebsinternen Informationsfluss der juristischen Person – und damit das Wissen des Handelnden – vertrauen durfte. Für die Begründung einer aufgaben- und verhaltensunabhängigen Zurechnung oder die Gleichstellung von Wissen und Wissenmüssen gibt allerdings auch der Vertrauens­ gedanke nichts her: Gegen die These der Wissenszurechnung kraft Vertrauensschutzes spricht zunächst folgende Überlegung. Vorschriften, die ihre Rechtsfolge auf den Fall positiven Wissens beschränken, bringen damit zum Ausdruck, dass es eine schützenswerte Erwartung in das Wissen nicht geben soll504. Anderenfalls würden sie es ausreichen lassen, dass der Normadressat das relevante Wissen hätte haben müssen. Wenn aber schon der Vorwurf des Wissenmüssens bedeutet, dass die erwartbare Sorgfalt nicht eingehalten wurde, kann mit dem Vertrauensgedanken nicht ohne weiteres die Rechtsfolge der Zurechnung von (positivem) Wissen begründet werden. Vertrauensschutzerwägungen erklären für sich genommen außerdem nicht, weshalb das Fehlverhalten potenziell jedes nachgeordneten Mitarbeiters auch zulasten der juristischen Person gehen muss. Die Zurechnung kann nicht allein mit der Schutzbedürftigkeit und berechtigten Erwartungen der außenstehenden Person oder des Rechtsverkehrs legitimiert werden, sondern muss zumindest auch auf das Verhalten des mit der Zurechnung Belasteten – richtigerweise auf dessen Entschluss, jemand anderen für sich in einer bestimmten Angelegenheit handeln zu lassen505 – zurückgehen506. Bedenklich erscheint es schließlich, den Vertrauensgedanken nur dann heranzuziehen, wenn eine Wissenszurechnung nicht schon aufgrund des Wissens der zuständig Handelnden möglich ist. Der geschützte Dritte erhält damit „das Beste aus zwei Welten“: Durfte er in das Wissen der Handelnden vertrauen, hilft ihm die Wissenszurechnung, wenn das Wissen nicht vorhanden war. Durfte er die Kennt-

504

Vgl. Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 170; Koller, JZ 1998, 75, 79, zur Voraussetzung der Kenntnis bei § 852 Abs. 1 BGB a. F. und § 892 Abs. 1 BGB: „Vielmehr haben der Schädiger den Geschädigten, der wahre Eigentümer den Erwerber in all ihrer Vergeßlichkeit, Unaufmerksamkeit, Unfähigkeit und Faulheit so hinzunehmen, wie sie sind.“ 505 Dass die berechtigte Erwartung in den betriebsinternen Informationsfluss für die Zurechnung genügt, lässt sich auch nicht aus § 166 Abs. 2 BGB mit der Überlegung herleiten, dass es „nur ein unbedeutender Schritt von der Maßgeblichkeit der erfolgten Steuerung [scil. durch Weisung i. S. d. § 166 Abs. 2 BGB] zur Maßgeblichkeit der möglichen und von der Rechtsordnung erwarteten Steuerung durch Information“ sei; so Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 26. Denn nach § 166 Abs. 2 BGB ist die Steuerung durch den Vertretenen nur deshalb relevant, weil auch dieser Verantwortung für das rechtserhebliche Verhalten trägt; das Kriterium der bloßen Erwartung fragt aber nicht – jedenfalls nicht primär – nach der dem Wissensträger übertragenen Verantwortung für dieses Verhalten. Zu Recht kritisch zu der Argumentation von Taupitz auch Iro, ÖBA 2001, 3, 14. 506 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 468; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 230 f.

B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung 

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nisse hingegen nicht erwarten, soll ihm das nicht zum Nachteil gereichen, solange die Handelnden das Wissen (zufällig) tatsächlich hatten. dd) Angemessene Risikoverteilung Während Erwägungen des Vertrauensschutzes mit der – für die Begründung der Zurechnung allein nicht ausreichenden – Schutzwürdigkeit des Dritten bzw. des Rechtsverkehrs argumentieren, geht es bei der Risikoverteilung um die Begründung der Belastung der juristischen Person507. Die Wissenszurechnung soll danach gerechtfertigt sein, weil die juristische Person das Risiko der Wissensaufspaltung selbst geschaffen habe und es am ehesten kontrollieren könne508. Eine Wissenszurechnung in der vom BGH vertretenen Variante kann aber auch damit nicht überzeugend begründet werden. Zwar mag in der Tat allein die juristische Person – genauer: die insofern für sie handelnden natürlichen Personen – den internen Informationsfluss durch organisatorische Maßnahmen in gewissem Maß steuern können. Das Argument der Beherrschbarkeit greift damit aber von vornherein allenfalls für ein Verständnis der Wissenszurechnung im Sinn einer echten Organisationspflichtenlösung. Für das Verständnis, das bereits an individuelle Informationspflichtverletzungen der Mitarbeiter anknüpft509, gibt das Argument nichts her, weil vereinzelte „Ausreißer“ gerade nicht zuverlässig verhindert werden können. Davon abgesehen hat die juristische Person aber auch nicht das Risiko geschaffen, dass sich das im Einzelfall rechtserhebliche Wissen auf die gesamte Gesellschaft verteilt, sondern nur, dass es sich auf die Unternehmensangehörigen verteilt, die für die jeweils relevante Maßnahme arbeitsteilig zusammenwirken sollen. Mit einer aufgabenunabhängigen Zurechnung würde dieses Risiko also überkompensiert. Entscheidend ist schließlich, dass auch nach dem Risikogedanken unklar bleibt, weshalb die Wissenszurechnung die richtige Rechtsfolge der (Organisations-) Pflichtverletzung sein soll, obwohl die Risikozuweisung zur juristischen Person auch in einem Wissenmüssen oder einer (verschuldensabhängigen) Haftung für die daraus resultierenden Folgen zum Ausdruck kommt510. Die Annahme von Wissen 507 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 470 f., 479 ff.; zum Risikogedanken bei der Wissenszurechnung BGH v. 08.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 332; BGH v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 35; die Wissenszurechnung vor allem mit den Aspekt der Risikoverteilung begründend Baum, Wissenszurechnung, S. 225 ff.; siehe auch Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 229 ff.; ders., WM 2016, 765, 768. 508 Sajnovits, WM 2016, 765, 768; ders., Financial-Benchmarks, S. 230 f.; vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 482. 509 Zu den unterschiedlichen Deutungen des Zurechnungskonzepts schon oben § 3 B. III. 2. 510 Vgl. Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 49 ff.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 318; ferner Liebscher, ZIP 2019, 1837, 1845; Seidel, AG 2019, 492, 494.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

bzw. Vorsatz kann eine Organisationspflichtverletzung nach allgemeinen Grundsätzen vielmehr nur rechtfertigen, wenn die Verantwortlichen sich oder die Handelnden durch mangelhafte Organisation zumindest bedingt vorsätzlich unwissend gehalten haben511. Auch dass das damit erreichte Schutzniveau nicht ausreichend sein könnte, lässt sich dem Aspekt der angemessenen Risikoverteilung nicht entnehmen. Denn es liefert keine Argumente zu der Frage, auf welche Weise und in welchem Umfang der Risikozuweisung Rechnung zu tragen ist. Dann aber liegt es nahe, sich an das geschriebene Recht zu halten, das in den §§ 166, 278 BGB ja selbst eine Risikoverteilung vornimmt, indem es denjenigen, der den Nutzen der Arbeitsteilung trägt, auch mit deren Nachteilen belastet512. Mit guten Gründen werden die Nachteile dort aber in einer durch die Zuständigkeitsverteilung begrenzten Zurechnung gesehen, weil der „Geschäftsherr“ auch nur in diesen Grenzen Vorteile aus der Arbeitsteilung ziehen kann513. d) Probleme im Zeitalter von „Big Data“ Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass sich die Auswirkungen der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung aufgrund neuer Entwicklung auf dem Gebiet der Datenerhebung und Datenverarbeitung inzwischen potenzieren. Weil technische Möglichkeiten der Informationsspeicherung und -abfrage durch den Einsatz autonomer (Software-)Systeme kaum noch Grenzen kennen, tendieren auch die für die Wissenszurechnung relevanten Grenzen der Zumutbarkeit bei der Speicherung und Abfrage „asymptotisch gegen null“514. Mit dem organisationspflichtenbezogenen Zurechnungsansatz wäre daher in größeren Unternehmen perspektivisch kaum noch Raum für ein bloßes Wissenmüssen; das Unternehmen wüsste zumindest im Rahmen der zulässigen Datenverarbeitung vielmehr alles515. Das soll nicht heißen, dass die genannten technischen Phänomene nicht nach 511 Siehe nur BGH v. 12.05.2009 – XI ZR 586/07, ZIP 2009, 1264, 1265, wo erstaunlicherweise sogar unter Berufung auf die Rechtsprechung zur organisationspflichtenbasierten Wissenszurechnung eine vorsätzliche Organisationspflichtverletzung verlangt wird; ausf. Engelhardt, Wissensverschulden, S. 87 ff.; Goldschmidt, Die Wissenszurechnung, S: 136 ff.; ferner Gasteyer / Goldschmidt, AG 2016, 116, 118; Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 175 f.; Koller, JZ 1998, 75, 80; MünchKomm. BGB / L euschner 8, § 31 BGB Rn. 26 a. E.; Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.89 f.; zudem Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 124; siehe dazu außerdem schon § 3 B. IV. 3. c) aa). 512 Zu § 278 BGB siehe Mugdan II, S. 16 = Motive II. S. 30; BGH v 24.11.1995  – V ZR 40/94, NJW 1996, 451; Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten, S. 83 ff.; MünchKomm. BGB / Grundmann 8, § 278 BGB Rn. 3; Staudinger / L öwisch (2014), § 278 BGB Rn. 1; Jauernig / Stadler17, § 278 Rn. 1 f.; Wolf, ZIP 1998, 1657, 1659 f.; zu § 166 BGB Schultz, NJW 1990, 477, 480; außerdem Buck, Wissen und juristische Person, S. 131 m. z. N. 513 Vgl. Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 120 ff., 151; ders. / Neuhaus, WM 2002, 1253, 1258; Buck, Wissen und juristische Person, S. 131. 514 Spindler / Seidel, NJW 2018, 2153. 515 Näher zu den Implikationen der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung mit Blick auf „Big Data“ Spindler / Seidel, NJW 2018, 2153; Noack, ZHR 183 (2019), 105, 133 f.

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darauf zugeschnittenen rechtlichen Lösungen verlangen. Zu bedenken ist aber, dass aus den wachsenden Datenmengen auch ohne eine auf Organisationspflichtverletzungen beruhenden Zurechnung eine steigende Verantwortung der Unternehmen folgt: Zum einen sinken mit den verbesserten technischen Möglichkeiten der Informationsorganisation nämlich selbstverständlich auch die Anforderungen an ein Wissenmüssen. Zum anderen finden die jeweils relevanten Informationen im Zuge besagter Entwicklungen ohnehin zunehmend automatisch in bestimmte Entscheidungen oder ein bestimmtes Verhalten Eingang. Soweit die Informationen damit tatsächlich verwendet werden, spricht auch nichts gegen die Annahme positiver Kenntnis des Unternehmens, und zwar unabhängig davon, ob das Wissen auch bei natürlichen Personen vorhanden ist. Außerhalb dieser Fälle aber wachsen mit der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung im Zeitalter von „Big Data“ die Gefahren einer bloßen Wissensfiktion. e) Keine tauglichen Kompromisse zwischen den Grundsätzen der Wissensorganisation und herkömmlichen Verschuldensgrundsätzen Schon unabhängig von Fragen des Verschuldens überzeugt die Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung weder im Ergebnis noch in der Begründung. Bedeutung für das Verschulden des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG könnte sie daher allenfalls noch erlangen, wenn sie mithilfe von Kompromissen, die einigen der oben genannten Stimmen vorzuschweben scheinen516, auf tragfähige Beine gestellt werden könnte. Die dabei aufgeworfenen Fragen verdeutlichen aber, dass solche Kompromisse tatsächlich kaum vorstellbar sind: Sollen die Verschuldenszurechnung nach den § 31 oder § 278 BGB517 einerseits und die Wissenszurechnung andererseits nebeneinanderstehende Alternativen bei der Begründung des Verschuldens sein? Oder soll für die Begründung des pflichtwidrigen Unterlassens auf die §§ 31, 278 BGB zurückgegriffen werden, für die Begründung des Wissens – sowohl in Form des pflichtbegründenden Elements auf Tatbestandsebene als auch in Form des kognitiven Teils des Verschuldens – hingegen (alternativ) auf die Grundsätze des BGH? Was gilt für das voluntative Element? Kann mit dem BGH schon vom zugerechneten Wissen auf den Vorsatz geschlossen werden, weil mit der Zurechnung auch des voluntativen Teils über §§ 31, 278 BGB von der Wissenszurechnung im Ergebnis nichts mehr übrig bliebe? Soll der die Wissenszurechnung begründende Organisationspflichtenverstoß dann wegen des Haftungsmaßstabs des § 97 Abs. 2 WpHG ein wenigstens grob fahrlässi-

516

Nachw. in Fn. 451. Ob auch § 278 BGB in den vorliegenden Fällen anwendbar ist, hängt nach herkömmlichem Verständnis von der umstrittenen Rechtsnatur der Haftungsnormen der §§ 97, 98 WpHG ab; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 393 f.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 274, ders., WM 2016, 765, 773. Näher unten, § 3 C. 517

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

ger sein518? Falls ja, könnte nicht auch dieses Ergebnis allein über §§ 31, 278 BGB und ohne eine gesonderte Wissenszurechnung erreicht werden? Falls nein, könnte dann wiederum nicht auf die §§ 31, 278 BGB in der Gleichung verzichtet werden? Und: Welche Rolle soll Individualversagen im, aber auch neben dem Konzept der Wissensorganisationspflichten spielen519? Wie man es auch wendet: Die Begründung des Verschuldens kommt entweder genauso gut ohne die §§ 31, 278 BGB oder aber – näherliegend – ohne die reine Wissenszurechnung aus. f) Fazit Der Organisationspflichtenansatz taugt nicht für die Wissens- und erst recht nicht für die Verschuldenszurechnung. Im Grundsatz richtig liegen damit diejenigen, die die Frage des Verschuldens des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG mit hergebrachten Verschuldensgrundsätzen beantworten. Die insofern vorgeschlagenen Lösungen werden im Folgenden aber in zweierlei Hinsicht zu überprüfen sein. Zum einen wird zu klären sein, ob eine Verschuldenszurechnung bei Einordnung des § 97 WpHG in das (Sonder-)Deliktsrecht tatsächlich nur seitens Organwalter und anderer unter § 31 BGB analog fallender „Repräsentanten“ erfolgen kann. Nimmt man demgegenüber die Anwendbarkeit des § 278 BGB an, erscheint es zum anderen fraglich, ob damit schon jeder zur Informationsweitergabe oder -abfrage verpflichtete nachgeordnete Mitarbeiter in den zurechnungsrelevanten Personenkreis aufzunehmen ist.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB I. Ausgangspunkt Mit dem Normenpaar der §§ 166, 278 BGB unterscheidet das deutsche Zivilrecht zwischen der reinen Wissenszurechnung (§ 166 BGB) und der Verschuldenszurechnung (§ 278 BGB). Im Kern geht es bei beiden Vorschriften aber gleichermaßen darum, dem „Geschäftsherrn“ die erforderlichen subjektiven Elemente eines 518 Zu Recht für die Erforderlichkeit wenigstens grob fahrlässiger Organisationspflichtverletzungen Verse, AG 2015, 413, 418 Fn. 39, aber ohne zu entscheiden, ob das Verschulden dann auf Grundlage der Grundsätze der Wissenszurechnung oder mit herkömmlichen Grundsätzen des (Organisations-)Verschuldens begründet werden soll; ausdrücklich eine Wissenszurechnung kraft grob fahrlässiger Organisationspflichtverletzung erwägend, aber letztlich ablehnend Hüffer / Koch14, § 78 AktG Rn. 32; offenlassend Buck-Heeb, AG 2015, 801, 805. 519 Zur Rolle des Individualversagens im Konzept der Wissensorganisationspflichten schon oben § 3 III. 2.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

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Tatbestands von den Personen aus zuzurechnen, die er mit dem Verhalten betraut hat, das von der jeweiligen Norm in Bezug genommenen wird520. Die Vorschriften stellen die Weichen also weniger bei der Frage nach dem zurechnungsrelevanten Personenkreis als mehr bei der nach dem richtigen Zurechnungsgegenstand: Das hier interessierende Verschulden ist ein „Mehr“ gegenüber dem bloßen Wissen oder Wissenmüssen521 und nach dem Gesetz nicht nach § 166 BGB, sondern allenfalls gemäß § 278 BGB zuzurechnen. Der außerdem für die Verhaltens-, Wissensund Verschuldenszurechnung zu juristischen Personen regelmäßig herangezogene § 31 BGB begrenzt den Kreis zurechnungsrelevanter Personen unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenshierarchie. Der Blick ist im Folgenden daher zunächst auf den in dieser Hinsicht weiteren § 278 BGB gerichtet522.

II. Das Erfordernis der Analogiebildung Der direkte Anwendungsbereich des § 278 BGB beschränkt sich nach allgemeiner Ansicht auf bereits bestehende Schuldverhältnisse523. Diese Beschränkung lässt sich zum einen der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt „Inhalt der Schuldverhältnisse“ innerhalb des zweiten Buchs des BGB sowie der Bezugnahme des § 278 Satz 2 BGB auf § 276 BGB, der in Abs. 1 ein bestehendes Schuldverhältnis voraussetzt, entnehmen. Zum anderen sprechen die Worte „Schuldner“ und „Verbindlichkeit“ für diese Auffassung524. Ganz zweifelsfrei ist die Bedeutung dieser Begriffe zwar nicht. Bedenkt man, dass über § 241 Abs. 2 BGB letztlich auch deliktische Pflichten zu „Verbindlichkeiten“ des Schuldners werden, könnte bei extensiver Auslegung vielmehr auch der Adressat einer deliktischen Sorgfaltspflicht als „Schuldner“ und seine Verpflichtung als „Verbindlichkeit“ im weiteren

520 Siehe etwa Wächter, M&A Litigation3, Rn. 8.48: Handlungszurechnung und Wissenszurechnung laufen nach dem „Vertretermodell“ der §§ 166, 278 BGB parallel; vgl. außerdem v. Bar / Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law – Draft Common Frame of Reference (DCFR), Full Edition, Vol. 1, Book II, S. 184, die eine einheitliche Regel für die Wissens- und Verschuldenszurechnung („state of mind“) vorschlagen; anders aber Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 74 f. (i. V. m. S. 55 ff.), der das „Vertretermodell“ nur für § 166 BGB anerkennt und aus § 278 BGB eine von einer Ermächtigung des Wissensträgers losgelöste Wissenszurechnung herleitet. 521 Auch in einem Wissenmüssen kann allerdings (ausnahmsweise) ein echter Verschuldensvorwurf zum Ausdruck kommen, und zwar dann, wenn es – wie bei der Ad-hoc-Publizität – eine Pflicht zur Kenntniserlangung gibt. Auch in diesen Fällen ist § 278 BGB die „sachnähere“ Vorschrift. 522 Zu einer Lösung über § 31 BGB siehe noch § 3 C. VII. 523 BGH v. 08.03.1951 – III ZR 65/50, BGHZ 1, 248, 249; BGH v. 09.02.1955 – IV ZR 188/54, BGHZ 16, 259, 262; BGH v. 07.03.1972 – VI ZR 158/70, BGHZ 58, 207, 212; MünchKomm. BGB / Grundmann 8, § 278 Rn. 15; BeckOGK / Schaub, § 278 BGB (Stand: 01.03.2020) Rn. 5; Jauernig / Stadler17, § 278 Rn. 1. 524 Vgl. BGH v. 09.02.1955 – IV ZR 188/54, BGHZ 16, 259, 262; BeckOGK / Schaub, § 278 BGB (Stand: 01.03.2020) Rn. 5.

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Sinn bezeichnet werden525. Die Fälle wären also noch „irgendwie“ mit dem Wortsinn vereinbar526. Neben das zumindest näherliegende erste Begriffsverständnis und das systematische Argument tritt allerdings auch der Wille des historischen Gesetzgebers, der offensichtlich von der Anwendbarkeit nur innerhalb bestehender Schuldverhältnisse ausgegangen ist527. Die besseren Gründe sprechen daher dafür, den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 278 BGB auf bestehende Schuldverhältnisse zu beschränken. Ob eine direkte Anwendung des § 278 BGB auf § 97 Abs. 2 WpHG erfolgen kann, hängt damit von der umstrittenen Rechtsnatur der §§ 97, 98 WpHG ab528. Wer die Vorschriften als Tatbestände einer gesetzlichen Vertrauenshaftung versteht529, wird die Anwendbarkeit des § 278 BGB annehmen müssen. Zwar äußern sich die Vertreter dieser Ansicht nur vereinzelt zu der Anwendbarkeit des § 278 BGB530. Da sie jedoch eine bestehende – und nicht erst zu begründende531 – rechtliche Sonderverbindung zwischen Emittent und Anleger bejahen, ist nach ihnen eine Verschuldenszurechnung auch seitens einfacher Erfüllungsgehilfen nur konsequent532. Verneint man mit der wohl überwiegend angenommenen deliktsrechtlichen Einordnung der Haftungstatbestände eine Sonderverbindung533, scheidet 525 Auch in der Judikatur der Reichsgerichte wurden spezialgesetzliche Verpflichtungen zur Sicherung bestimmter Gefahrenquellen bisweilen als „Verbindlichkeiten“ bezeichnet, siehe etwa RG v. 12.12.1882 – IVa 195/82, RGZ 8, 236. 526 So die Abgrenzung zur Erforderlichkeit einer Analogie bei Canaris, Feststellung von Lücken2, S. 22 f. 527 Mugdan II, S. 16 = Motive II, S. 29; vgl. weiter Mugdan II, S. 1094 = Prot. II, S. 2783. 528 Der Befund, die dogmatische Einordnung sei nur von geringer praktischer oder gar ohne Bedeutung, ist daher, zumindest wenn man mit der ganz h. M. § 278 BGB nicht analog auf das Deliktsrecht anwenden will, mit Vorsicht zu genießen; so aber etwa Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 5; Maier-Reimer / Seulen, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 30 Rn. 62. 529 Dogan, Ad-hoc-Publizitätshaftung, S. 56; Mülbert / Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 37 f.; Mülbert / Steup, WM 2005, 1633, 1637 f.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 274; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 391 f., 396 f.; ders., BKR 2005, 91, 92; Schwark / Zimmer / Zimmer / Steinhaeuser5, §§ 97, 98 WpHG Rn. 12 ff.; Schwark / Zimmer / Zimmer / Grotheer, 4. Aufl., §§ 37b, c WpHG Rn. 9. 530 Ausdrücklich soweit ersichtlich nur Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 274; Schwark / ​ Zimmer / Zimmer / Steinhaeuser5, §§ 97, 98 WpHG Rn. 11; ohne Stellungnahme zur dogmatischen Einordung für eine Anwendbarkeit des § 278 BGB außerdem Gutzy / Märzheuser, Praxishandbuch Ad-hoc-Publizität, S. 128. 531 Gegen eine Anwendbarkeit des § 278 zur Begründung eines Vertrauenstatbestands Canaris, Vertrauenshaftung, S. 457. 532 Darauf verweisen auch Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn.  56; Sajnovits, WM 2016, 765, 773; vgl. auch Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 394; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 16.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht2, Rn. 11.590. 533 LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 169 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); Baums, ZHR 167 (2003), 139, 165 f.; Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 15; Engelhardt, Wissensverschulden, S. 67, 121; Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 5; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 33 ff.; ders., in: Assmann / Schneider / ​ ­Mülbert7, §§ 97, 98 WpHG Rn. 51; Köndgen, FS Druey, S. 791, 804 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht2, Rn. 11.590; KK  WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c,  b Rn. 14 f.; Poelzig, Norm-

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

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§ 278 BGB nach üblicher Sichtweise hingegen aus. Die Argumente für die Einordnung der Haftung in das eine oder andere System sind bereits vielfach ausgetauscht worden. Entscheidend ist nach hier vertretener Ansicht, dass jedenfalls im Fall des § 97 WpHG schwerlich davon die Rede sein kann, dass der Emittent gegenüber einem breiten (potenziellen) Anlegerkreis einen Vertrauenstatbestand setzt534, und sei es nur konkludent535. Anders als im Fall der Veröffentlichung eines fehlerhaften Prospekts536 verhält sich der Emittent hier – und darin liegt gerade der Vorwurf – völlig passiv537. Es reicht mit anderen Worten nicht, dass ein Anleger darauf vertrauen darf, der Emittent werde sich rechtstreu verhalten538; vielmehr müsste letzterer gegenüber dem betroffenen Anleger durch sein Verhalten auch zusätzlich den Anschein erwecken, er werde seine Publizitätspflicht erfüllen. Sprechen damit die besseren Gründe für die Einordnung des § 97 WpHG in das Deliktsrecht und folglich gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des § 278 BGB auf § 97 WpHG, bleibt für die Verschuldenszurechnung nach herkömmlichem Verständnis nur § 31 BGB, der den zurechnungsrelevanten Personenkreis auf Vorstandsmitglieder und andere herausgehobene „Repräsentanten“ begrenzt539. Tatsächlich aber ist der Kreis relevanten Personen damit möglicherweise zu eng gezogen. Zunächst stellt sich nämlich die Frage, ob unter Berücksichtigung der Grenzen der Rechtsfortbildung nicht zumindest der Rechtsgedanke des § 278 BGB für § 97 WpHG fruchtbar gemacht werden kann. Auf den ersten Blick steht einer analogen Anwendung des § 278 BGB außerhalb bestehender Schuldverhältnisse insbesondurchsetzung durch Privatrecht, S. 223 f.; dies., Kapitalmarktrecht, Rn. 513; Assmann / Schneider / Sethe, 6. Aufl., §§ 37b, 37c WpHG Rn. 23; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 35 f.; Winter, Der nach den §§ 97 und 98 WpHG zu ersetzende Schaden, S. 48; vgl. auch Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 232; ferner Rieckers, BB 2002, 1213, 1220; tendenziell auch Dirigo, Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität, S. 31; Monheim, Ad-hocPublizität, S: 281. 534 Vgl. Bruchwitz, in: Just / Voß / R itz / Becker, §§ 37b, 37c WpHG Rn.  15; Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 5; KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 14; Poelzig, Kapitalmarktrecht, Rn. 513; Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 35 f.; ferner Köndgen, FS Druey, S. 791, 804 f. 535 Zum Erfordernis eines bestimmten Verhaltens zur Begründung eines Vertrauenstat­ bestandes Canaris, Vertrauenshaftung, S. 492 ff. 536 Die allgemeine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung wird als Tatbestand einer Vertrauenshaftung angesehen, siehe nur BGH v. 06.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 341. Und auch die speziellen Prospekthaftungstatbestände werden überwiegend in die Vertrauenshaftung eingeordnet, Canaris, FS Larenz, 1983, S. 27, 91 ff.; Ellenberger, Prospekthaftung, S. 9 f.; Groß, Kapitalmarktrecht7, § 9 WpPG Rn. 9; Schwark / Zimmer / Schwark, 4. Aufl., § 45 BörsG Rn. 7. 537 Ob der Fall einer falschen Ad-hoc-Mitteilung nach § 98 WpHG daher anders zu beurteilen ist, muss hier nicht entschieden werden. Auch dieser Fall ist aber jedenfalls noch weiter von einer vertragsähnlichen Situation entfernt als die auf Kapitaleinsammlung abzielende Prospektveröffentlichung, vgl. KK WpHG / Möllers / L eisch2, §§ 37c, b Rn. 14. 538 Vgl. Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S. 224. 539 Siehe zu dieser st. Rspr. hier nur BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21; näher unten § 3 C. V. 1.

132

§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

dere § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegen, der die Haftung eines Geschäftsherrn für deliktisches Verhalten seiner Verrichtungsgehilfen von einem eigenen (Auswahl-) Verschulden abhängig macht. Im Folgenden sind die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 278 BGB auf § 97 WpHG näher zu untersuchen. Nur wenn die Anwendbarkeit zu bejahen ist, ist dem Befund zuzustimmen, dass der Streit um die Rechtsnatur der Haftungstatbestände ohne große praktische Relevanz ist540.

III. Die Voraussetzungen der Analogie Eine Analogie setzt die Feststellung einer planwidrigen Gesetzeslücke voraus541. Da es bei Analogien um die Lückenausfüllung durch Anwendung der Rechtsfolge existierender Vorschriften (hier § 278 BGB) geht, müssen die explizit geregelte Situation und die in die Lücke fallende Situation außerdem vergleichbar bzw. ähnlich sein542. Eine echte, also planwidrige, Lücke liegt hier aber nicht schon deshalb vor, weil der Anwendungsbereich von § 278 BGB auf bestehende Schuldverhältnisse beschränkt ist und es eine vergleichbare Zurechnungsregel für den außerrechtsgeschäftlichen Bereich nicht gibt543. Vielmehr kann die Nichtregelung dieses Falls auch bedeuten, dass eine bestimmte Rechtsfolge gerade nicht eintreten soll544. Übernimmt ein Gehilfe die Sicherung einer Gefahrenquelle des Geschäftsherrn zum Schutz der Allgemeinheit, könnte das Gesetz mit dem Fehlen einer § 278 BGB entsprechenden Regelung also sagen wollen, dass der Geschäftsherr nicht für das Verschulden des Gehilfen, sondern nach allgemeinen Grundsätzen, und ohne dass es dafür einer gesonderten Vorschrift bedürfte, nur für eigenes Verschulden einzustehen hat. Läge der eben genannte Fall aber hinsichtlich der für die Wertung aus § 278 BGB maßgeblichen Umstände gleich, so wäre vorbehaltlich entgegenstehender anderer Vorschriften und Wertungen von einer planwidrigen Lücke auszugehen, die aufgrund des Gleichheitssatzes durch eine analoge Anwendung der Rechtsfolgen des § 278 BGB zu schließen wäre545. Zu untersuchen ist daher, welche Wertungen dem § 278 BGB zugrunde liegen, ob sie außerhalb bestehender Schuldverhältnisse anwendbar sind und ob einer Übertragung die Wertung des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB oder § 31 BGB entgegensteht.

540

So Fuchs / Fuchs2, §§ 37b, 37c WpHG Rn. 5; Maier-Reimer / Seulen, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 30 Rn. 62. 541 Siehe nur Larenz / Canaris, Methodenlehre3, S. 187 ff., 202. 542 Larenz / Canaris, Methodenlehre3, S. 202. 543 Insbesondere ist § 831 BGB keine Zurechnungsnorm, sondern eine Anspruchsnorm, die eigenes Verschulden des Geschäftsherrn voraussetzt; ganz h. M., siehe nur BeckOK BGB / Förster53, § 831 Rn. 1; Jauernig / Teichmann17, § 831 Rn. 1. 544 Ausf. zur (Un-)Zulässigkeit des „argumentum  e contrario“ Canaris, Feststellung von Lücken2, S. 44 ff. 545 Canaris, Feststellung von Lücken2, S. 73.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

133

IV. Die Wertung des § 278 BGB und ihre Übertragbarkeit Die hinter § 278 BGB stehende Wertung wird regelmäßig so beschrieben, dass derjenige, der sich bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze macht, auch das damit verbundene (Personal-)Risiko zu tragen habe546, nicht zuletzt, weil er dieses Risiko besser als sein Gegenüber steuern könne547. Damit zusammen hängt außerdem die Überlegung, dass sich ein Schuldner durch den Einsatz von Erfüllungsgehilfen nicht seiner Pflichten ent­ ledigen können darf548. Spätestens wenn sich der Geschäftsherr mehrerer Gehilfen bedient, bedürfen diese Begründungsmuster insofern der Konkretisierung, als dann entschieden werden muss, auf welche Gehilfen aus der Menge aller in Betracht kommenden Hilfspersonen im konkreten Einzelfall abzustellen ist. Auch hierauf antwortet § 278 BGB, indem er das Verhalten und Verschulden eines Gehilfen nur in dem Zusammenhang zurechnet, in dem dieser auch eingesetzt wird. Der Geschäftsherr soll die Nachteile der Zurechnung also nur dort tragen, wo er auch tatsächlich von der Tätigkeit des Erfüllungsgehilfen profitiert549. Die genannten Wertungen sind auf alle Fälle übertragbar, in denen sich der Schuldner zur Erfüllung einer ihn treffenden Pflicht eines Gehilfen bedient. Eine Beschränkung ihrer Gültigkeit auf Pflichten aus bestehenden Schuldverhältnissen lässt sich ihr jedenfalls aus Wertungsgesichtspunkten nicht entnehmen. Bedient sich eine (juristische) Person zur Erfüllung einer ihrer deliktischen Verkehrspflichten eines Dritten – etwa eines Hausmeisters zur Erfüllung der Streupflicht –, ließe sich eine Zurechnung also grundsätzlich mit denselben Überlegungen begründen. Der primär Verpflichtete müsste danach auch ohne schon zuvor bestehende Son-

546

Mugdan II, S. 16 = Motive II. S. 30; BGH v. 24.11.1995 – V ZR 40/94, BB 1996, 396, 397; Engelhardt, Wissensverschulden, S. 49; Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten, S. 83 ff.; MünchKomm. BGB / Grundmann 8, § 278 BGB Rn. 3; Staudinger / L öwisch (2014), § 278 BGB Rn. 1; Jauernig / Stadler17, § 278 Rn. 1 f.; Wolf, ZIP 1998, 1657, 1659 f.; zurückhaltend Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 143 ff.; kritisch auch Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 58 f. 547 Vgl. MünchKomm. BGB / Grundmann8, § 278 BGB Rn. 4; BeckOGK / Schaub, § 278 BGB (Stand: 01.03.2020) Rn. 4; allg. zum Zurechnungsgrund der Gefahrbeherrschung Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309, 347 ff., 413 ff., 439; ferner Buck, Wissen und juristische Person, S. 127 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 633 f.; Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, S. 71 f.; Taupitz, FS E. Lorenz, 1994, S. 673, 684; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 388 ff., 489 f.; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 197, 200 f.; ders., NJW 1993, 889, 891; zur Risikozuweisung als Zurechnungsprinzip der Vertrauenshaftung Canaris, Vertrauenshaftung, S. 479 ff.; ausf. zu der damit verbundenen ökonomischen Analyse der Einstandspflicht Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 199 ff. 548 Harke, Wissen und Wissensnormen, S. 59 f. 549 Dazu schon oben § 2 C. II. 2.; vgl. außerdem Baum, Wissenszurechnung, S. 136 f.; zu derselben Wertung bei § 166 BGB Faßbender, Innerbetriebliches Wissen, S. 120 ff., 151; ferner Buck, Wissen und juristische Person, S. 131; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 641 f.

134

§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

derverbindung zu einem Geschädigten für die Fehler der Hilfsperson einstehen550. Dagegen spricht auch nicht, dass die strenge Einstandspflicht des Schuldners nach § 278 BGB allein Ausdruck eines persönlichen Erfolgsversprechens oder einer Garantieübernahme gegenüber dem Gläubiger sei, die es nur im vertraglichen Kontext gebe551. Denn § 278 BGB findet nach allgemeiner Auffassung auch im Rahmen bestehender gesetzlicher Schuldverhältnisse Anwendung552, bei denen diese Erwägung offensichtlich ebenfalls nicht greift553. Jedenfalls § 278 BGB selbst ist eine Wertung, nach der eine Zurechnung nur innerhalb bestehender Sonderverbindungen in Betracht kommt, also nicht zu entnehmen.

V. Kein Entgegenstehen der §§ 31, 831 Abs. 1 Satz 2 BGB 1. Historie und heutige Bedeutung des § 831 BGB Die Übertragbarkeit der Wertungen des § 278 BGB auf außerhalb seines direkten Anwendungsbereichs liegende Fälle genügt für eine Analogie allein aber nicht. Voraussetzung ist vielmehr auch, dass andere gesetzliche Wertungen der Annahme einer planwidrigen Lücke nicht entgegenstehen. Zu denken ist insofern an die §§ 31 und 831 BGB. § 831 BGB könnte wegen der aus seinem Abs. 1 Satz 2 folgenden Entlastungsmöglichkeit gegen eine planwidrige Lücke sprechen, weil daraus folgen könnte, dass jedenfalls das Verschulden von Verrichtungsgehilfen nicht zur Begründung der deliktischen Haftung zugerechnet werden kann554. Darüber hinaus könnte § 31 BGB möglicherweise die Aussage zu entnehmen sein, dass juristische Personen außervertraglich allein für das Verhalten von „verfassungsmäßig berufenen Vertretern“ haften sollen. Bei der Beantwortung der Frage, ob diese Vorschriften tatsächlich der Anwendbarkeit des § 278 BGB außerhalb bestehender Sonderrechtsverhältnisse – generell oder wenigstens beim Einsatz von Verrichtungsgehilfen  – entgegenstehen, hilft zunächst ein kurzer Blick auf die Historie und die heutige Bedeutung des 550

So auch ein überzeugender Teil der Literatur, allerdings gegen die herrschende Meinung; näher sogleich, § 3 C. V. 2. 551 In diese Richtung noch Motive II, S. 30 = Mugdan II, S. 16; ausf. dazu Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 138 ff.; ferner BeckOGK / Schaub, § 278 BGB (Stand: 01.03.2020) Rn. 3. 552 Siehe nur MünchKomm. BGB / Grundmann 8, § 278 BGB Rn. 15 ff. m. w. N. 553 Fundel, Haftung für Gehilfenhaftung, S. 62 ff.; ferner Baums, FS Lukes, S. 623, 637. 554 Genau genommen folgt aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB nur, dass die Haftung der juristischen Person als Geschäftsherr auf deren eigenes Verschulden zurückgehen muss, nicht auch, dass dieses Verschulden nur seitens ganz bestimmter Personen zugerechnet werden kann. Die Exkulpationswirkung der Vorschrift folgt insofern also eher daraus, dass der Geschäftsherr nur für ganz bestimmte Fehler (mangelhafte Auswahl, Beschaffung oder Leitung) haftet. Seitens welcher natürlichen Personen diese Fehler einer juristischen Person zugerechnet werden können, ergibt sich aus § 831 BGB allein nicht.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

135

§ 831 BGB. Aufgrund verschiedener Entwicklungen hat die Entlastungsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB nämlich bereits erheblich an praktischer Bedeutung eingebüßt. Im internationalen Vergleich ist das „Haftungsprivileg“ des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB eine  – wenn auch traditionsreiche555  – Besonderheit. Im Common-LawRechtskreis folgt die Einstandspflicht auch für deliktisches Verhalten von Verrichtungsgehilfen (vicarious liability) aus der respondeat-superior-Doktrin556, in anderen Jurisdiktionen wie der Frankreichs oder Italiens ist eine entsprechende Haftung im jeweiligen bürgerlichen Recht kodifiziert557. Forderungen, auch im deutschen Recht eine deliktische Einstandspflicht für fremdes Verschulden nach französischem Vorbild einzuführen, konnten sich während der Kommissionsverhandlungen zum BGB aber nicht durchsetzen558. Denn „dem deutschen Rechts­ bewußtsein, auf das es allein ankomme, liege der Rechtssatz, welchen der code civil aufgestellt habe, ganz fern“559. Auch sei nicht abzusehen, welche wirtschaftliche Folgen eine unbedingte deliktische Einstandspflicht insbesondere für kleinere Betriebe hätte560. Die selbstbewusste Berufung auf das „deutsche Rechtsbewußtsein“ sollte sich allerdings schon bald als voreilig erweisen. Früh ging die Rechtsprechung nämlich dazu über, die Tragweite der inzwischen überwiegend als gesetzgeberisches Versäumnis empfundenen561 Entscheidung zu relativieren562. Stein des Anstoßes war das, was später unter dem Schlagwort des dezentralisierten Entlastungs­ beweises bekannt wurde. Da der Geschäftsherr, der einen größeren Betrieb führt, nicht sämtliche Mitarbeiter selbst auswählen kann, sondern teilweise schon diese Auswahl delegieren muss, kann er sich nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB für ein auf tieferer Ebene begangenes Delikt entschuldigen, wenn er ein Auswahlverschulden schon hinsichtlich der tatsächlich von ihm besetzten Führungsposten widerlegen kann563. Gelingt ihm dies, kommt als Haftungsschuldner allenfalls der im 555

Dazu Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 215 ff. Dazu schon oben § 2 C. VI. 557 In Frankreich Art. 1242 al. 5 code civil; in Italien Art. 2049 codice civile; ähnlich wie in Deutschland das schweizerische Recht (Art. 55 OR), nicht aber das österreichische Recht (§ 1315 ABGB). 558 Mugdan II, S. 1093 f. = Prot. II, S. 2782 ff. 559 Mugdan II, S. 1094 = Prot. II, S. 2784. 560 Mugdan II, S. 1094 = Prot. II, S. 2785. 561 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 194; ausf. und mit Betonung ökonomischer Gesichtspunkte Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 249 ff., 271 f.; siehe außerdem schon die während der Verhandlungen abgelehnten Anträge, Mugdan II, S. 1093 = Prot. II, S. 2781 f.; ausf. zu Reformüberlegungen Staudinger / Bernau (2018), § 831 Rn. 187 ff.; ferner Fundel, Haftung für Gehilfenfehlverhalten, S. 197 ff.; Wicke, Respondeat Superior, S. 30 ff.; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 831 BGB Rn. 3 ff. 562 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 194 ff. 563 RG v. 14.12.1911  – VI 75/11, RGZ 78, 107, 108; bestätigt durch BGH v. 25.10.1951  – III ZR 95/50, BGHZ 4, 1, 2. 556

136

§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

Ernstfall nicht hinreichend finanzstarke Verrichtungsgehilfe in Betracht. Dieser misslichen Rechtslage widmete sich das Reichsgericht schon unmittelbar nach Inkrafttreten des BGB und erlegte dem Geschäftsherrn die heute allgemein anerkannten Unternehmensorganisationspflichten zur Verhinderung von Schädigungen durch nachgeordnete Mitarbeiter auf, bei deren Verletzung ihm eine eigene Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB droht564. Damit die Haftung für Organisationspflichtverletzungen nicht leerläuft, darf die Zuständigkeit für die Organisation wiederum nicht auf Verrichtungsgehilfen übertragen werden, für deren Verhalten sich der Geschäftsherr nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entschuldigen könnte565. Geschieht dies innerhalb juristischer Personen dennoch, ist die Haftung dadurch abgesichert, dass schon allein in der Delegation auf Verrichtungsgehilfen – also selbst bei deren grundsätzlicher Geeignetheit für die Pflichterfüllung – ein (körperschaftlicher) Organisationsmangel zu erblicken sein soll, aufgrund dessen sich die juristische Person im Ergebnis so behandeln lassen muss, als habe sie dem Gehilfen eine Organstellung eingeräumt566. Parallel zu dieser Haftung wegen Übertragung der Organisationsaufgabe auf Verrichtungsgehilfen, anders gewendet wegen fehlender Berufung des eingesetzten Gehilfen zum Vertreter im Sinn der §§ 30, 31 BGB, entwickelte sich außerdem ein alternatives Begründungsmuster zur Haftungsabsicherung, ohne dass erkennbar ist, welches Haftungsinstitut im Einzelfall Geltung beansprucht567. Die Rede ist von der Entwicklung der Organhaftung hin zu der schon mehrfach angedeuteten „Repräsentantenhaftung“, nach der die juristische Person für das Fehlverhalten jedes Unternehmensangehörigen nach § 31 BGB (analog) haftet, dem „durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung

564

RG v. 20.11.1902 – VI 268/02, RGZ 53, 53, 57: „Als Betriebsunternehmerin liegt der Beklagten die Pflicht ob, die Zufahrtsstraße zu beleuchten; ihre Haftung wegen Vernachlässigung dieser Pflicht bestimmt sich daher nicht ausschließlich nach den Vorschriften über die Haftung des Geschäftsherrn für das Tun und Lassen des zur Verrichtung Bestellten, sondern auch nach der Vorschrift in § 823 B. G. B.“ Der BGH ging später sogar so weit, den dezentralisierten Entlastungsbeweis an sich in Frage zu stellen, BGH v. 17.10.1967 – VI ZR 70/66, NJW 1968, 247, 248; eine abschließende Stellungnahme steht aus. Ausf. zu den Organisationspflichten i. R. d. § 823 Abs. 1 BGB Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 292 ff. 565 RG v. 27.11.1916 – VI 275/16, RGZ 89, 136, 138: „Kein Gemeinwesen tut in der in Rede stehenden Richtung genug durch Bestellung geeigneter Beamter, für die es sich nach § 831 BGB. entlasten kann; es hat außerdem in der bezeichneten Weise tätig zu werden, und diese Obliegenheit wahrzunehmen, ist Sache der verfassungsmäßigen Vertreter, für deren Betätigung die juristische Person schlechthin haftet.“ 566 RG v. 27.11.1916 – VI 275/16, RGZ 89, 136, 137 f.; RG v. 14.03.1939 – III 128/37, RGZ 162, 129, 166; BGH v. 10.05.1957 – I ZR 234/55, BGHZ 24, 200, 212 f.; BGH v. 08.07.1980 – VI ZR 158/78, NJW 1980, 2810, 2811; BGH v. 30.01.1996 – VI ZR 408/94, NJW-RR 1996, 867, 868; näher zur Entwicklung der Rechtsprechung Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 314 ff.; Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. 567 MünchKomm. BGB / L euschner 8, § 31 BGB Rn. 33.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

137

zugewiesen sind“568. Neben dieser Repräsentantenhaftung dürfte die erstgenannte Haftung für körperschaftliche Organisationsmängel, deren Begründung ohnehin dogmatische Schwierigkeiten bereitet569, zwar keinen Raum haben, weil der insoweit handelnde Mitarbeiter immer „Repräsentant“ sein wird570. Wichtig ist hier aber vor allem das von der Rechtsprechung erreichte Ergebnis: Geht die deliktische Schädigung Dritter auf schuldhaft verursachte Organisationsmängel im Unternehmen zurück, kann die juristische Person einer Haftung nicht mehr entgehen, unabhängig davon wer diese Mängel verursacht und verschuldet hat. Die teilweise Verdrängung des § 831 BGB durch das Organisationsverschulden nach § 823 Abs. 1 BGB wurde außerdem von einer Reihe weiterer Entwicklungen flankiert. Neben die Verdoppelung deliktischer Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten im Sinn des § 241 Abs. 2 BGB, auf die § 278 BGB Anwendung findet, die Erstreckung dieser Pflichten auf vertragsähnliche Verhältnisse, die Einbeziehung schutzwürdiger Dritter in den Vertrag571 sowie den innerbetrieblichen Schadensausgleich zugunsten des Arbeitnehmers und zulasten des Arbeitgebers572 reiht sich in gewisser Weise auch die oben besprochene Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung in diesen länger werdenden „Maßnahmenkatalog“ ein573. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber in bestimmten Bereichen des Sonderdeliktsrechts dazu übergegangen, den Inhaber des Unternehmens für Rechtsverletzungen seiner Mitarbeiter – ähnlich wie nach § 278 BGB – ohne Entlastungsmöglichkeit haften zu lassen574.

568 St. Rpsr., BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19, 21; BGH v. 05.03.1998 – III ZR 183/9, WM 1998, 819, 821; BGH v. 10.02.2005 – III ZR 258/04, ZIP 2005, 815, 817; BGH v. 24.07.2013 – IV ZR 110/12, RdTW 2013, 398, 400. Ihren Ursprung hat diese Repräsentantenhaftung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, das die Anwendung der §§ 30, 31 BGB bereits von dem Erfordernis der satzungsmäßigen Bestellung löste, RG v. 08.10.1917 – VI 131/17, RGZ 91, 1, 3; RG v. 03.02.1919 – VI 347/18, RGZ 94, 318, 320; RG v. 17.01.1940 – II 82/39, RGZ 163, 21, 29 f. 569 Insb. mit Blick auf die Kausalität der Auswahl (geeigneter) Gehilfen für den eingetretenen Schaden; ausf. Kritik bei Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 320 ff.; zudem Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 453. 570 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 339 f.; weiter BeckOGK / Spindler, § 831 BGB (Stand: 01.05.2020) Rn. 9; i. E. wohl auch BGH v. 30.01.1996 – VI ZR 408/94, NJWRR 1996, 867, 868, wo zur Voraussetzung der körperschaftlichen Organisationspflicht – also der Pflicht zur Berufung zum Vertreter nach den §§ 30, 31 BGB – gemacht wird, dass „der Gehilfe das Unternehmen in seinem Aufgabenbereich repräsentiert“; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 BGB Rn. 103, sieht hingegen auch angesichts dieses Urteils Raum für beide Haftungsinstitute. 571 Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 163 f.; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 831 BGB Rn. 2. 572 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 196. 573 So auch Wagner, ZHR 181 (2017), 203, 270 f. 574 Etwa § 8 Abs. 2 UWG, § 99 UrhG, § 14 Abs. 7 MarkenG (auf den innerhalb des Gesetzes wiederum mehrfach verwiesen wird).

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

2. Die Unterscheidung nach dem Pflichtadressaten als Kriterium für die Anwendbarkeit der §§ 31, 831 BGB Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn im Deliktsrecht als wesentliches Hindernis auf dem Weg zu sachgerechten Ergebnissen angesehen wird, die de lege lata nur mit zum Teil eher behelfsmäßigen Lösungen erreichbar zu sein scheinen. Nicht zuletzt die Diskussion um die Unternehmenshaftung qua Wissenszurechnung gibt aber Anlass, die Reichweite des Exkulpationsprivilegs des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB erneut zu hinterfragen. Denn während sich die Wissenszurechnung inzwischen weitgehend von der Organtheorie emanzipieren konnte575, scheint die deliktische Haftung nach wie vor von der Vorstellung geprägt zu sein, Verhalten und Verschulden könne juristischen Personen im außerrechtsgeschäftlichen nur über § 31 BGB (analog) und damit allein seitens Vorstandsmitglieder und anderer Führungskräfte zugerechnet werden. Nur das erklärt, weshalb es überhaupt als Problem empfunden wird, wenn die Gehilfenauswahl im Sinn des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB oder die Erfüllung allgemeiner Unternehmensorganisationpflichten auf nachgeordnete Mitarbeiter delegiert wird bzw. werden könnte, anstatt auch deren Pflichtverletzung kraft Zurechnung als Pflichtverletzung der juristischen Person anzusehen. Die Annahme, die §§ 31 und 831 BGB würden ein Dogma normieren, nachdem die Zurechnung von Fehlverhalten seitens nachgeordneter Mitarbeiter im Deliktsrecht generell ausgeschlossen und allenfalls auf Grundlage von Reformen erreichbar sei, geht aber zu weit. Was die Erfüllung von Pflichten angeht, die – wie die Ad-hoc-Publizitätspflicht – allein den „Geschäftsherrn“ adressieren, soll im Folgenden vielmehr gezeigt werden, dass die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 Satz  2 BGB nicht umfahren werden muss. Der bei Licht besehen naheliegende Weg ist vielmehr, diese Fälle weder von § 831 BGB noch von § 31 BGB erfasst zu sehen und sich zumindest in diesen Bereichen mühsame Korrekturen zu ersparen. Richtungsweisend ist insofern die insbesondere im englischen Recht anzutreffende Unterscheidung zwischen der sekundären Mithaftung der juristischen Person für „fremde“ Delikte einerseits und der Zurechnung von Verhalten und Verschulden zur Begründung eines eigenen deliktischen Verhaltens andererseits576. Gemeint ist damit nicht die metaphysische Argumentation einer Organtheorie, nach der nur Organhandeln eigenes Handeln der juristischen Person sei und sonstiges Handeln als fremdes Handeln allenfalls zugerechnet werden könne. Gemeint ist die Unterscheidung der Fälle, in denen die juristische Person akzessorisch für solche Delikte einzustehen hat, für die auch die handelnden natürlichen Personen zur Verantwortung gezogen werden können, weil sie selbst Adressaten der verletzten Pflicht sind, von den Fällen, in denen von vornherein nur die juristische Person 575 576

§ 3 B. II. Oben § 2 C. VI. 2.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

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als Haftungsadressatin in Betracht kommt, weil im Ausgangspunkt nur sie für die Pflichterfüllung verantwortlich ist. Dem Gesetzgeber, der in erster Linie natürliche Personen vor Augen hatte, ging es bei der Schaffung des § 831 BGB nämlich nur um die ersteren Fälle. Er wollte dem Geschäftsherrn das Risiko abnehmen, für die „Jedermanndelikte“ seiner sorgfältig ausgewählten Verrichtungsgehilfen einstehen zu müssen, die diese in Verrichtung ihrer Tätigkeit begehen könnten577. Dass man ihn bewusst auch dann verschonen wollte, wenn er die Erfüllung eigener deliktischer (Verkehrs-)­Pflichten in die Hände nachgeordneter Mitarbeiter legt, muss bezweifelt werden. Das Schutzbedürfnis des Geschäftsherrn, dem man mit § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung tragen wollte, ist in diesen Fällen nämlich überhaupt nicht vorhanden. Und es leuchtet auch nicht ein, weshalb der Geschäftsherr den Umfang eigener Pflichten durch Einschaltung nachgeordneter Mitarbeiter oder unternehmensfremder Dritter reduzieren oder auch nur abändern können sollte578. Weil der Einsatz von Gehilfen in diesem Bereich aber selbstverständlich möglich sein muss, spricht vielmehr alles dafür, dass sich der Geschäftsherr an dem Verhalten und Verschulden der eingesetzten Gehilfen festhalten lassen muss579. Dass eine Zurechnungsnorm insofern fehlt, geht wohl darauf zurück, dass man die Fälle deliktischer Sonderpflichten580 nicht bedacht hat. Auf den ersten Blick scheint die ganz herrschende Meinung von diesen Überlegungen gar nicht weit entfernt zu sein. Denn auch sie betont, dass Verkehrspflichten beim Einsatz von Dritten nicht auf diese übertragen, sondern durch deren Einsatz nur erfüllt würden581. Im Ergebnis erlaubt sie es dem Verkehrspflichtigen dann aber trotzdem, den Umfang seiner Pflicht auf diesem Weg einseitig zu reduzieren: Schaltet er einen Dritten ein, soll dieser im Außenverhältnis in die Pflicht einrücken, während dem Primärpflichtigen nur Auswahl- und Über­ wachungspflichten verbleiben sollen582. Erklärbar ist das nur so, dass man sich nicht imstande sieht, dem Verkehrspflichtigen das Verhalten und Verschulden seiner 577 Zu den damals – mit Blick auf die deliktische Einstandspflicht des Geschäftsherrn nach französischem Recht – diskutierten Fällen Dreyer, in: Verhandlungen des 17. Deutschen Juristentages 1884, Bd. 1, S. 46, 81 ff.; Mayer, ebenda, S. 125, 133. 578 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 270; ferner Baums, FS Lukes, S. 623, 636 ff.; Vollmer, JZ 1977, 371, 372 ff.; anders i. E. aber die ganz h. M., näher sogleich im Text. 579 Baums, FS Lukes, S. 623, 636 ff.; i. E. auch v. Bar, Verkehrspflichten, S. 270 f.; mit Einschr. Vollmer, JZ 1977, 371 ff. 580 Gemeint sind alle Pflichten, die nur bestimmte Adressaten treffen, weil sie eine bestimmte persönliche Eigenschaft oder – wie Verkehrspflichten – die Eröffnung einer Gefahrenquelle voraussetzen. 581 Larenz / Canaris, Schuldrecht II/213, S. 419 ff.; Kleindiek, Deliktsrecht und juristische Person, S. 300, Baum, Wissenszurechnung, S. 303. 582 BGH v. 14.10.1969 – VI ZR 55/68; NJW 1970, 95, 96; BGH v. 26.11.1974 – VI ZR 164/73, NJW 1975, 533, 534; BGH v. 17.01.1989 – VI ZR 186/88, NJW-RR 1989, 394, 395; BGH v. 26.9.2006 – VI ZR 166/05, NJW 2006, 3628, 3629; aus der Literatur BeckOK BGB / Förster53, § 823 Rn. 356; BeckOGK / Spindler, § 823 BGB (Stand: 01.05.2020) Rn. 430; Palandt / Sprau79, § 823 BGB Rn. 50; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 467.

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Gehilfen zuzurechnen. Überzeugend ist die stattdessen angebotene Lösung aber nicht. Der Blick auf juristische Personen verstärkt die Zweifel. Denn die Lösung der herrschenden Ansicht müsste zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, dass die Erfüllung deliktischer Pflichten durch den Einsatz nachgeordneter Verrichtungsgehilfen anstelle von Repräsentanten im Sinn des § 31 BGB (analog) ohne überzeugenden Grund mit einem Haftungsprivileg verbunden wäre583. Dem hat die Rechtsprechung zwar schon früh entgegengesteuert. Dass sie sich insoweit aber mit der Konstruktion einer körperschaftlichen Organisationspflicht und der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 31 BGB helfen muss, verdeutlicht nur das tiefersitzende Problem. Allein die analoge Anwendung des § 278 BGB auf deliktische Sonderpflichten führt zu überzeugenden Ergebnissen584. Von Teilen der Literatur wurde das für Verkehrspflichten schon vor Längerem herausgearbeitet585; es konnte sich aber nicht durchsetzen586. Das dagegen angeführte Argument, Verkehrspflichten dürften nicht anders behandelt werden als sonstige deliktische Sorgfaltspflichten, eine dann erforderliche generelle Übernahme des § 278 BGB in das Deliktsrecht komme aber wegen des mit der Entlastung des Übernehmers verbundene Wegfalls präventiv wirkender Anreize zu sorgfältigen Verhalten nicht in Betracht587, überzeugt nicht. Die Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Pflichten liegen mit dem oben Gesagten auf der Hand. Ist der Gehilfe überhaupt nicht Adressat der deliktischen Pflicht, kann auch nicht von einer problematischen Ent­lastung gesprochen werden. Wie auch für Erfüllungsgehilfen ergibt sich der Anreiz zu sorgfältigem Handeln für ihn dann aus dem Innenverhältnis zum Primärpflichtigen, dem er bei schuldhafter Verletzung seiner (vertraglichen) Pflichten – gege­ benenfalls innerhalb der Grenzen des innerbetrieblichen Schadens­ausgleichs588 – zum Ausgleich verpflichtet ist. 583 Vgl. insoweit die Begr. des RegE zu § 30 OWiG vom 26.08.1983, wo mit ganz ähnlichen Überlegungen sogar im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht eine von Hierarchiefragen unabhängige Anknüpfung erwogen wird, BT-Drucks. 10/318, S. 39. 584 Eine teleologische Reduktion des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB erscheint daneben nicht erforderlich. Zum einen könnte der Wortlaut der Vorschrift ohnehin nur beim Einsatz von Verrichtungsgehilfen entgegenstehen. Die Norm fordert zudem die widerrechtliche Zufügung eines Schadens, von der man wohl nur sprechen kann, wenn der Gehilfe auch als Normadressat selbst im Außenverhältnis verpflichtet ist, den Schaden abzuwenden. Dies ist hier gerade nicht der Fall, wenn man die Verkehrspflicht richtigerweise nicht auf die Hilfsperson übergehen lässt; vgl. dazu auch v. Bar, Verkehrspflichten, S. 270. 585 Baums, FS Lukes, S. 623, 636 ff.; i. E. auch v. Bar, Verkehrspflichten, S. 270 f.; mit Einschr. Vollmer, JZ 1977, 371 ff. 586 Ausdrücklich gegen die analoge Anwendung des § 278 BGB etwa BGH v. 13.3.2007 – VI ZR 178/05, NJW-RR 2007, 1027, 1028; Larenz / Canaris, Schuldrecht II/213, S. 419 f.; ­Medicus, ZGR 1998, 570, 574; BeckOGK / Spindler, § 823 BGB (Stand: 01.05.2020) Rn. 430; MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 472. 587 MünchKomm. BGB / Wagner 7, § 823 Rn. 472. 588 Die auch mit diesen Grundsätzen verbundene Abschwächung präventiv wirkender Anreize zu sorgfältigem Handeln sprechen nicht gegen eine Anwendung des § 278 auf Verkehrs-

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Auf die Frage, die sich im Einzelfall stellen kann, ob der Gehilfe tatsächlich nur eine Verkehrspflicht des Geschäftsherrn oder nicht doch – z. B. wegen Schaffung einer eigenen Gefahrenquelle – auch eine ihn selbst treffende Pflicht verletzt, muss hier nicht eingegangen werden589. Entscheidend ist nämlich, dass die Überlegungen zu den Verkehrspflichten auf alle (deliktischen) Sonderpflichten zu übertragen sind, die allein den Geschäftsherrn adressieren. In deren Rahmen existieren Abgrenzungsprobleme regelmäßig schon deshalb nicht, weil sie – wie die Ad-hocPublizitätspflicht – eine bestimmte persönliche Eigenschaft des Adressaten voraussetzen, die der Gehilfe nicht erfüllt. Als weiterer Grund für eine Zurechnung spricht in diesen Fällen, dass der Eintritt des Gehilfen in die deliktische Außenhaftung, wie er von der herrschenden Ansicht im Bereich der Verkehrspflichten angenommen wird, hier nicht ernsthaft in Betracht kommt. Lehnt man dann auch eine Zurechnung ab, geht der Geschädigte regelmäßig leer aus: Der handelnde Gehilfe haftet nicht, da er im Außenverhältnis nicht verpflichtet ist, der Geschäftsherr ist entlastet, soweit ihm ein Organisationsverschulden nicht vorgeworfen werden kann. Das mag man für das richtige Ergebnis halten. Tatsächlich aber behandelt damit auch die herrschende Meinung nicht alle deliktischen Sorgfaltspflichten gleich, weil sie im Bereich der Verkehrspflichten, in die der Übernehmer im Außenverhältnis einrücken soll, ja anders entscheiden will. Während für die Unterscheidung der akzessorischen Einstandspflicht für „Jedermannpflichten“ von der Haftung bei „fremdhändiger“ Erfüllung eigener Sonderpflichten gewichtige Gründe sprechen, sind solche Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Verkehrspflichten und anderen Sonderpflichten hingegen nicht ersichtlich. Mit den bisherigen Ausführungen steht zugleich fest, dass auch § 31 BGB einer analogen Anwendung von § 278 auf die Fälle der Delegation eigener deliktischer Pflichten der juristischen Person nicht entgegensteht. Denn § 31 BGB ist danach Gegenstück zu § 831 BGB und regelt allein die sekundäre Einstandspflicht der juristischen Person für (fremde) Delikte ihrer Vorstandsmitglieder590. Die akzessorische Mithaftung für fremde Delikte, die § 831 BGB für Verrichtungsgehilfen verneint, bejaht § 31 BGB auf Organwalterebene. Soweit hingegen die Erfüllung einer an die juristische Person selbst adressierte Pflicht betroffen ist, haftet die juristische Person für Fehlverhalten sowohl ihrer Vorstandsmitglieder als auch

pflichten, da dem Arbeitnehmer die Haftungsprivilegierung nach dem innerbetrieblichen Schadensausgleich ja auch zugutekommt, wenn er mit der h. M. in die Außenhaftung eintritt. 589 Zu Abgrenzungskriterien Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 457 ff. Nicht maßgeblich ist aber jedenfalls die Unterscheidung danach, ob die Verkehrspflicht innerhalb oder unabhängig von vertraglichen Beziehungen besteht; so zur Frage der Außenhaftung von Organwaltern Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 454 f.; Ransiek, ZGR 1992, 203, 227 ff. Denn auch eine gegenüber der Allgemeinheit bestehende Verkehrspflicht kann allein den Geschäftsherrn treffen, etwa, wenn sie aus einer ihm zurechenbaren Gefahrenquelle folgt; so zur Frage der Außenhaftung von Organwaltern auch die h. M., dazu sogleich, § 3 C. V. 3. mit Nachw. in Fn. 598. 590 Näher dazu noch sogleich unter § 3 C. IV. 3.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

ihrer nachgeordneten Mitarbeiter unterschiedslos gemäß § 278 BGB (analog)591. Für Fragen der „echten“ Zurechnung bedarf es auf Organebene also keiner anderen Maßstäbe als auf nachgeordneter Ebene592 und – wie es für die Wissenszurechnung inzwischen jedenfalls im Grundsatz überwiegend anerkannt ist – erst recht keiner Organtheorie593. Verbleibende Unterschiede sind nicht qualitativer594, sondern wegen der umfassenden Zuständigkeiten der Geschäftsleiter nur quantitativer Natur. 3. Stützende Argumente aus der Diskussion um die deliktische Außenhaftung von Organwaltern Argumente für die entsprechende Anwendbarkeit des § 278 BGB auf die „fremdhändige“ Erfüllung deliktischer Pflichten lassen sich außerdem aus der kontroversen Diskussion um die deliktische Außenhaftung von Organwaltern ableiten. Die vor allem seit dem umstrittenen „Baustoff“-Urteil des BGH595 geführte und noch anhaltende596 Diskussion kann hier nicht im Detail dargestellt werden. Wichtig ist aber das bisher erreichte Ergebnis: Insbesondere im Anschluss an Kleindiek597 wird § 31 BGB von der herrschenden Ansicht inzwischen eine Doppelfunktion zugesprochen. Neben der Funktion einer kumulativen Mithaftung der juristischen Person für Eigendelikte der Organwalter soll aus der Vorschrift jedenfalls dann eine ausschließliche Haftung der juristischen Person folgen, wenn

591 Organmitglieder fallen dann unter die Variante des „gesetzlichen Vertreters“ im Sinn des § 278 BGB. Die Frage, ob auch § 278 S. 2 BGB, also die Nichtanwendbarkeit des § 276 Abs. 3 BGB, zugunsten von Organmitgliedern gilt, spielt nur im vertraglichen Kontext eine Rolle. Jedenfalls in Fällen, in denen die für die Vertragsverhandlung und die Vertragserfüllung dasselbe Organmitglied oder dieselben Organmitglieder zuständig sind, lässt sich gegen die Anwendbarkeit des § 278 S. 2 BGB anführen, dass anderenfalls der Zweck des § 276 Abs. 3 BGB – Willkürschutz und Schadensprävention – gefährdet wäre. Vgl. dazu auch Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 47; Soergel / Hadding13, § 31 BGB Rn. 4, die aber § 278 BGB zu Unrecht nicht auf Organe juristischer Personen anwenden wollen; für eine Gleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen hinsichtlich des § 278 S. 2 BGB hingegen Flume, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 2. Teil, S. 397 f. 592 Im Rahmen bestehender Sonderverbindungen zu Recht für eine Zurechnung nach § 278 BGB auch auf Organebene Flume, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 2. Teil, S. 395 ff.; Medicus, ZGR 1998, 570, 574; ders. / Petersen, Allg. Teil des BGB11, Rn. 1135; Staudinger / ​ Weick (2005), § 31 BGB Rn. 3; siehe zudem schon Motive II, S. 102 = Mugdan II, S. 408 f.; RG v. 23.11.1928 – II 166/28, RGZ 122, 351, 355, 359. 593 Auf Grundlage der Organtheorie argumentierend aber MünchKomm. BGB / Arnold, 7. Aufl., § 31 BGB Rn. 31; BeckOGK / Offenloch, § 31 BGB (Stand: 15.05.2020) Rn. 3; Wester­ hoff, Deliktische Außenhaftung, S. 163 f.; siehe auch Jauernig / Mansel17, § 31 BGB Rn. 1; Sandberger, Außenhaftung, S. 143. 594 A. A. ausdrücklich Spindler / Stilz / Fleischer4, § 78 AktG Rn. 60. 595 BGH v. 05.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297. 596 Jüngst belebt durch Schirmer, Körperschaftsdelikt; siehe außerdem Altmeppen, ZIP 2016, 97, 98 ff. 597 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person.

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

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Organmitglieder eine Verkehrspflicht der juristischen Person verletzen598. Die zutreffende Begründung dieses Ergebnisses lautet auch dort, dass im letzteren Fall nur die juristische Person Pflichtadressatin ist599. Auf Organebene kommt die herrschende Auffassung damit zu demselben Ergebnis wie die hiesige Lösung. Während die Alleinhaftung der juristischen Person hier mit einer Analogie zu § 278 BGB begründet wird, soll sie dort aus der weiteren Funktion des § 31 BGB als Transfernorm folgen. § 31 BGB erfülle insofern aber dieselbe Aufgabe wie § 278 BGB600. So wie allein der Schuldner für die Verletzung einer Vertragspflicht durch einen Erfüllungsgehilfen im Außenverhältnis haftet, habe in diesen Fällen auch nur die juristische Person für zugerechnetes Verhalten und Verschulden einzustehen601. Eine Beschränkung der Außenhaftung des Organmitglieds im Fall der Verletzung von es selbst treffenden deliktischen Pflichten kommt aber auch nach diesem Verständnis nicht in Betracht602. Der Schwerpunkt der Diskussion hat sich inzwischen auf die Frage verlagert, unter welchen Voraussetzungen eine eigene deliktische Pflicht des Organwalters auch bei Primärverantwortlichkeit des Verbands ausnahmsweise in Betracht kommt603. Die herrschende Ansicht zur Organaußenhaftung, die nach hier vertretener Auffassung nur im Ergebnis, nicht auch in dessen Herleitung zutrifft, zeigt ein weiteres Mal, weshalb es einer entsprechenden Anwendung des § 278 BGB auf Fälle der 598

Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 191 ff., 204 f., 231 ff., 240 ff.; ausdrücklich zust. etwa MünchKomm. BGB / L euschner 8, § 31 BGB Rn. 21; Medicus, ZGR 1998, 570, 577 f.; siehe ferner Spindler / Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 316 f.; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 93 Rn. 664; Hüffer / Koch14, § 93 AktG Rn. 66; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 93 Rn. 224; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 844 ff.; MünchKomm. AktG / ​ ders.5, § 93 Rn. 357; i. E. auch Frystatzki, Doppelmandatschaft, S. 63 ff.; vgl. schon zuvor außerdem H. Mertens / G. Mertens, JZ 1990, 488, 489 f.; Sandberger, Außenhaftung, S. 160 ff.; für eine ausschließliche Haftung der Gesellschaft nur im Fall von Verkehrspflichtverletzung innerhalb vertraglicher Beziehungen Grunewald, ZHR 157 (1993), 451, 454 f.; Ransiek, ZGR 1992, 203, 227 ff.; a. A. Altmeppen, ZIP 2016, 97, 100 f., ders., ZIP 1995, 881, 887 ff., der auch im Fall von Verkehrspflichten die Haftung des Organwalters für die Haftung des Verbands voraussetzt; gegen eine ausschließliche Haftung des Geschäftsherrn bzw. der juristischen Person bei Verkehrspflichtverletzungen durch Arbeitnehmer und Organe ferner Brüggemeier, AcP 191 (1991), 33, 54 ff.; Schlechtriem, FS Heiermann, S. 281, 286, 289. 599 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 204 f.; vgl. weiter die Nachw. in vor. Fn. 600 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 356. 601 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 356. 602 So aber der neuere Vorschlag von Schirmer, Körperschaftsdelikt, S. 229 ff. Näher dazu sogleich im Text. 603 Die sich insofern herausbildenden Kriterien sind aber noch unscharf, was Grund für die anhaltende Diskussion ist. Zu Abgrenzungskriterien Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S.  457 ff.; ferner Spindler / Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 317; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 866 ff.; zu der verwandten Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Vorschrift trotz Primärverantwortlichkeit des Verbands zugleich als ein an den Organwalter adressiertes Schutzgesetz anzusehen ist, dessen Verletzung eine Außenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB begründen kann, außerdem Verse, ZHR 170 (2006), 398, 405 ff.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

fremdhändigen Erfüllung deliktischer Pflichten bedarf. Die wichtigen Erkenntnisse aus der Diskussion um § 31 BGB blieben mit der herkömmlichen Ansicht zur Delegation von Verkehrspflichten anderenfalls ohne sachlichen Grund auf die Organebene beschränkt. Damit verbunden wäre zudem eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung nachgeordneter Mitarbeiter. Während die Übernahme der Verkehrspflicht dort nach ganz herrschender Ansicht eine eigene deliktische Außenhaftung des Mitarbeiters begründen würde604, müssten Organmitglieder kraft Transfers des § 31 BGB allenfalls die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft fürchten. Noch bevor sich die These der Doppelnatur des § 31 BGB durchgesetzt hatte, wurde daher auch vorgeschlagen, die Fälle umgekehrt zu lösen, die Außenhaftung einfacher Arbeitnehmer wie nach der hiesigen Ansicht abzulehnen, sie bei Personen mit herausgehobener Stellung kraft eigenverantwortlicher Gefahrübernahme hingegen anzunehmen605. Zwar kann an Letzterem mit Kleindiek und der heute herrschenden Ansicht nicht festgehalten werden, weil die Alleinhaftung juristischer Personen auch bei Pflichtenübernahme auf Organebene gerechtfertigt ist. Richtig bleibt von dem genannten Vorschlag aber der Ausschluss der Außenhaftung auch einfacher Arbeitnehmer, weil sich nur so eine Benachteiligung gegenüber Organwaltern vermeiden lässt. Tatsächlich befürwortet deshalb auch Kleindiek eine Alleinhaftung der juristischen Person bei Tätigwerden nachgeordneter Mitarbeiter606. Damit offenbart sich aber das Problem einer Lösung über § 31 BGB: Der erforderliche Haftungstransfer dieser Vorschrift kann für nachgeordnete Ebene nicht fruchtbar gemacht werden. Eine dogmatische Grundlage kann Kleindiek daher insofern auch nicht benennen. Die Lösung lautet § 278 BGB analog, sowohl für Organwalter als auch für nachgeordnete Mitarbeiter oder Dritte. Für § 31 BGB bedeutet die entsprechende Anwendung des § 278 BGB auf die Erfüllung deliktischer Pflichten des Geschäftsherrn, dass die Vorschrift mit dem traditionellen Verständnis607 auf die Funktion des Schuldbeitritts zu beschränken ist608. Das mag angesichts der fortgeschrittenen Diskussion zur Organhaftung zunächst wie ein Rückschritt anmuten. Von einem Rückschritt kann aber nicht die Rede sein, weil die daneben ja unbestreitbar notwendige deliktische Alleinhaftung juristischer Personen nicht geleugnet, sondern mit der Analogie zu § 278 BGB nur anders begründet wird. An § 31 BGB hat sich die These des Haftungstransfers offenbar überhaupt nur deshalb entwickelt, weil die Anfänge eben dieser Entwicklung aus einer Zeit stammen, in der man juristische Personen noch überwiegend mit ihren Organen identifizierte. Die Norm erscheint dann aber als falscher Ansatzpunkt für zeitgemäße Lösungen. Erkennt man demgegenüber an, dass der in § 278 BGB unstreitig zum Ausdruck kommende Transfergedanke auch im delik 604

Siehe schon die Nachw. in Fn. 582. Einen Ausgleich schaffen insofern nur die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. 605 v. Bar, FS Kitagawa, S. 279, 292 ff. 606 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 446 ff. 607 Dazu Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, S. 206 ff. 608 Zumindest insofern auch Altmeppen, ZIP 2016, 97, 100 f.; ders., ZIP 1995, 881, 887 ff.

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tischen Bereich Bedeutung hat, ist dieser Gedanke in Zeiten, in denen die Organtheorie als überwunden gelten sollte, auch auf Organebene fruchtbar zu machen609. Einer Transferfunktion des § 31 BGB bedarf es dann nicht mehr. Nur auf diese Wiese gelingt der gewünschte Gleichlauf von Organwaltern und nachgeordneten Mitarbeitern, soweit es um die Haftungsüberleitung zur juristischen Person geht. Wenn neuerdings vorgeschlagen wird, die Außenhaftung der Organwalter im Bereich des § 31 BGB im Grundsatz sogar vollständig abzulehnen, der Vorschrift mit anderen Worten allein Transferfunktion zuzuschreiben610, kann dem nach dem eben Gesagten erst recht nicht gefolgt werden. Ein Ausgleich der nach dem herrschenden Verständnis der §§ 31 und 278 BGB bestehenden Ungleichbehandlung von Organmitgliedern und untergeordneten Mitarbeitern würde damit unerreichbar. Gelingen könnte er nur, wenn auch die durch nachgeordnete Mitarbeiter verursachten Eigendelikte auf die juristische Person übergeleitet werden könnten. Ist eine solche umfassende Überleitung aber schon auf Organebene dogmatisch kaum mit den §§ 823 ff. BGB zu vereinbaren611, fehlt es de lege lata spätestens auf nachgeordneter Ebene, also ohne Anknüpfung an § 31 BGB, an der Möglichkeit eines solchen Haftungstransfers. Der genannte Vorschlag versteht sich auch selbst offenbar eher als Vorschlag einer lex ferenda, wenn er die selbst „vorprogrammierten Verwerfungen“ nur mithilfe eine „Neuordnung des privaten Haftungsrechts“ für lösbar hält612. Dass eine solche Neuordnung nicht wünschenswert ist und der Vorschlag aus rechtspolitischer Sicht nicht überzeugt, soll hier gar nicht gesagt werden. Wenn man aber nach vertretbaren Lösungen auf dem Boden des geltenden Rechts sucht, liegt zunächst der hier beworbene Weg einer Analogie zu § 278 BGB nahe. Hält man die Haftung von Organwaltern hingegen generell – also auch im Innenverhältnis zur Gesellschaft – für zu streng, ist eine Haftungsbeschränkung in Anlehnung an die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleich das passende Korrektiv613.

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Die Befürchtung von Medicus, ZGR 1998, 570, 577, mit der Anwendung des § 278 BGB auf die Erfüllung von Verkehrspflichten der juristischen Person werde diese gegenüber natürlichen Personen benachteiligt, ist nach der hiesigen Lösung unberechtigt, weil die Haftungsüberleitung analog § 278 BGB danach ja nicht nur zulasten von juristischen, sondern auch natürlichen Personen geht. 610 Schirmer, Körperschaftsdelikt, S. 229 ff. 611 Es fehlt eine dem Art. 34 GG entsprechende Überleitungsnorm; § 31 BGB müsste also als lex specialis zu den §§ 823 ff. BGB angesehen werden. 612 Schirmer, Körperschaftsdelikt, S. 239 ff. 613 Dafür mit guten Gründen Bachmann, ZIP 2017, 841; Wilhelmi, NZG 2017, 681; ferner Hoffmann, NJW 2012, 1393, 1396 f.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

VI. Zwischenfazit Der Rechtsgedanke des § 278 BGB beansprucht nicht nur für bestehende Sonderverbindungen Geltung. Die Vorschrift ist vielmehr immer dann (analog) anzuwenden, wenn eine natürliche oder juristische Person eigene Pflichten, und seien es Pflichten des Deliktsrechts, durch Unternehmensangehörige oder Dritte erfüllen lässt. Ob die juristische Person durch Organmitglieder oder nachgeordnete Mitarbeiter handelt, spielt insofern keine Rolle; die Zurechnung richtet sich in beiden Fällen nach § 278 BGB (analog). Überschneidungen oder gar Friktionen mit den §§ 31, 831 BGB sind dabei nicht zu befürchten, weil diese Vorschriften auf den Fall beschränkt sind, dass der Organwalter oder Verrichtungsgehilfe eine Pflicht verletzt, die ihn selbst im Außenverhältnis trifft. Nicht in Betracht kommt eine Haftungsüberleitung nach § 278 BGB (analog) aber dann, wenn der Handelnde eigene Pflichten, also insbesondere sogenannte „Jedermannpflichten“, verletzt.

VII. Anwendung auf § 97 Abs. 2 WpHG Für die Bestimmung des Personenkreises, der für das Verschulden des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG relevant ist, kann nach den bisherigen Ergebnissen § 278 BGB analog herangezogen werden. Entscheidend ist also, wer als „Erfüllungsgehilfe“ des Emittenten bei der Pflicht aus § 97 Abs. 1 WpHG bzw. Art. 17 Abs. 1 MAR anzusehen ist. Bei der oben behandelten Frage nach der Pflichtentstehung bzw. -verletzung wurde herausgearbeitet, dass sich eine schematische Betrachtung verbietet, die allein an das Wissen oder Wissenmüssen des für das konkret geforderte Verhalten, hier also die Veröffentlichungshandlung, zuständigen Gehilfen anknüpft, weil auch andere Personen in relevanter Weise in die Pflichterfüllung eingeschaltet sein können614. Bestätigung erfuhr das Ergebnis dort unter anderem durch die Rechtsprechung des BGH zur Reichweite des § 278 BGB im Werkvertragsrecht, nach der es für ein arglistiges Verschweigen des Unternehmers gegenüber dem Besteller nicht nur auf die Kenntnisse der mit der Ablieferung des Werks befassten Mitarbeiter, sondern auf alle Personen ankommt, die nach der betriebsinternen Aufgabenverteilung die Erfüllung der Offenbarungspflicht – und sei es durch Information der mit der Ablieferung befassen Mitarbeiter – ermöglichen sollen615. Die größte Hürde für die Bestimmung der für das Verschulden des Emittenten nach § 97 Abs. 2 WpHG relevanten Personen ist mit der Herleitung der maßgeblichen dogmatischen Grundlage, die Analogie616 zu § 278 BGB, daher bereits ge 614

§ 2 C. II. 3. § 2 C. II. 3.  mit Fn. 139. 616 Einer doppelten Analogie zu § 278 BGB bedarf es nicht. Der Wortlaut der Vorschrift verlangt nicht die eigenhändige und unmittelbare Erfüllung der Verbindlichkeit durch den 615

C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB 

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nommen. Denn wie bei Art. 17 Abs. 1 MAR ist damit auch bei § 97 Abs. 2 WpHG auf die Personen abzustellen, die nach der Organisation des Emittenten eine Entscheidung über die Veröffentlichung von Insiderinformationen herbeiführen sollen. Dies sind mit den obigen Ausführungen diejenigen, in deren Hände der Emittent die Verantwortung für das „Ob“ einer Veröffentlichung gelegt hat, neben den Organwaltern also die Mitarbeiter, die für die Veröffentlichungsentscheidung selbst, deren Vorbereitung oder auch nur für die Entgegennahme und Weiterleitung von Informationen zuständig sind617. Nicht schon ausreichend ist hingegen, dass den Unternehmensangehörigen irgendeine (Neben-)Pflicht zur Informationsweitergabe trifft. Entscheidend ist, dass es sich um eine Pflicht handelt, die aus der Übertragung der ad-hoc-spezifischen Aufgabe folgt618. § 278 BGB ist im Rahmen des § 97 Abs. 2 WpHG in analoger Anwendung außerdem für die Frage eines Organisationsverschuldens heranzuziehen. Wer beim Emittenten für die Erfüllung der Organisationspflichten des Art. 17 Abs. 1 MAR zu sorgen hat und diese schuldhaft verletzt, vermittelt dem Emittenten also ebenfalls ein relevantes Verschulden. Besondere Schwierigkeiten macht die Verschuldenszurechnung bei dieser Variante der Pflichtverletzung aber nicht, weil von der Schwere des Organisationsmangels regelmäßig auf einen dem entsprechenden Grad des Verschuldens der jeweils verantwortlichen Personen, im Zweifel der Geschäftsleiter, geschlossen werden kann619. In dem hier zugrundeliegenden weiten Verständnis des § 278 BGB – und für den „parallel laufenden“ § 166 BGB gilt nichts anderes620 –, der in persönlicher Hinsicht jeden Gehilfen einschließt, der „Handlungsverantwortung“621 für die jeweilige Maßnahme tragen soll, und in sachlicher Hinsicht alle Fälle umfasst, in denen die Erfüllung eigener Pflichten in fremde Hände gelegt wird, liegt der Schlüssel zu sachgerechten Lösungen in arbeitsteiligen Organisationen. Je mehr Leistungen eine juristische Person erbringt, je mehr Pflichten sie erfüllen muss und je komplexer einzelne Leistungen und Pflichten werden, desto mehr zurechnungsrelevante Gehilfen muss sie einsetzen. Auf diese Weise – und nicht mit einer ausufernden aufgabenunabhängigen Zusammenrechnung objektiver und subjektiver Beiträge – wird der Korrelation von Vor- und Nachteilen angemessen Rechnung getragen, weil das (Zurechnungs-)Risiko so proportional zum Umfang der Arbeitsteilung steigt. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich die Ergebnisse, die für § 97 Abs. 2 WpHG mit der analogen Anwendung des § 278 BGB gefunden wurden, Gehilfen, sondern nur, dass sich der Schuldner der Gehilfen zur Erfüllung bedient. Innerhalb bestehender Sonderverbindungen kommt der BGH daher auch für „mittelbare“ Erfüllungsgehilfen zu Recht ohne Analogie aus; siehe dazu die Nachw. in Fn. 139. 617 Ausf. dazu oben § 2 C. IV. 618 § 2 C. III. 3. mit Fn. 138, außerdem § 2 C. IV. 2. c) bb) und § 2 C. IV. 4., 5. 619 Vgl dazu schon oben § 2 E. I. 620 Vgl. schon oben § 2 C. II. 3. sowie § 3 C. I. mit Fn. 520. 621 Grigoleit, ZHR 181 (2017), 160, 177.

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§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG 

auch mit einer weitherzigen Handhabung des § 31 BGB erreichen ließen, wie sie der ständigen Rechtsprechung entspricht622. Das ist indes nicht der Fall. Zwar dürfte ein großer Teil der hier für zurechnungsrelevant befundenen Personen nach der Rechtsprechung zu dem Kreis der Personen gezählt werden können, denen „durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind“623. Zum einen aber kann für die Verhaltens- und Wissenszurechnung nach der hier vertretenen Lösung bereits die Aufgabe genügen, Insiderinformationen entgegenzunehmen und weiterzuleiten624; diese Aufgabe wird man nicht mehr ohne Weiteres unter die genannte Definition zu § 31 BGB fassen können. Zum anderen haben die obenstehenden Ausführungen gezeigt, dass es im Rahmen von deliktischen Sonderpflichten für eine Zurechnung nicht darauf ankommt, ob die jeweilige Hilfsperson eine herausgehobene Stellung hat oder eine solche durch die Übertragung der Aufgabe einnimmt, und es daher auch kein Bedürfnis dafür gibt, eine überantwortete Tätigkeit zu einer „wesensmäßigen Funktion“ hochzustilisieren. Und schließlich wäre es zweifelhaft, ob mit der üblichen weiten Handhabung des § 31 BGB tatsächlich – wie hier – zu fordern wäre, dass die Zurechnungsperson ad-hoc-publizitätsspezifischen Aufgaben verletzt, oder ob nach dem der Vorschrift zugeschriebenen Repräsentationsgedanken nicht der Verstoß gegen jede (Neben-) Pflicht zur Informationsweitergabe ausreichen müsste, solange nur irgendwelche bedeutenden Tätigkeiten für die juristische Person ausgeübt werden625.

622

Oben § 3 C. V. 1. mit Nachw. in Fn. 568. Nachw. in Fn. 568. Vgl. dazu Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 130 f., der einen Verstoß gegen § 15 WpHG a. F. über § 31 BGB seitens der Unternehmensangehörigen zurechnen will, die für die Ad-hoc-Publizität verantwortlich sind; ferner Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 474 f., der für die Zurechnung nach § 31 BGB eine wesentliche Aufgabe im kapitalmarktrechtlichen Sinn verlangt und insofern auf Personen abstellt, „deren Tätigkeit eine Verbindung zur Kapitalmarktkommunikation des Emittenten innewohnt oder die mit Insiderinformationen in Berührung kommen“. 624 § 2 C. IV. 625 Zu diesen Zweifeln schon oben § 3 B. III. 3. mit Fn. 441. 623

§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund A. Abgrenzung des Merkmals der Unverzüglichkeit vom Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten Auch Insiderinformationen aus dem Tätigkeitsbereich von mit dem Emittenten verbundenen Gesellschaften626 können sich erheblich auf den Kurs der von dem Emittenten begebenen Finanzinstrumente auswirken627. Nicht nur, aber insbeson­ dere, wenn der Emittent als reine Holdinggesellschaft fungiert oder auch nur Teile des operativen Geschäfts auf nachgeordnete Gesellschaften, die nicht selbst adhoc-​publizitätspflichtig sind, auslagert, wird die Frage nach dem Recht des Kapitalmarkts, auch von solchen Insiderinformationen zu erfahren, virulent628. Das Problemfeld der Konzerndimension der Ad-hoc-Publizität ist ­hochkomplex. Das gilt vor allem aufgrund der vielen Fragen, die das Zusammenspiel des Unionsrechts mit dem nationalen Recht an dieser Stelle aufwirft. Ein Grund dafür ist aber auch, dass die dazu geführten Diskussionen auf zwei unterschiedlichen Schauplätzen ausgetragen werden: Diskutiert werden konzernrechtliche Einschränkungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht einerseits zum Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten, andererseits zum Merkmal der Unverzüglichkeit. Zunächst soll hier daher der richtige Standort für die weitere Untersuchung bestimmt werden. Zu § 15 Abs. 1 WpHG a. F. wurde meist vertreten, dass den Emittenten Insiderinformationen aus anderen Konzerngesellschaften erst dann unmittelbar beträfen, wenn er auf diese Gesellschaften Einfluss im bilanzrechtlichen (vgl. §§ 271 Abs. 2, 290, 310, 311 HGB) oder aktienrechtlichen (§§ 17 f. AktG) Sinn ausübte oder ausüben konnte, wobei über Einzelheiten und das Maß des erforderlichen Einflusses Uneinigkeit herrschte629. Seitdem das Gesetz nicht mehr zwingend verlangt,

626 Gemeint sind hier nicht nur Gesellschaften im Sinn des § 15 AktG, sondern alle Gesellschaften, die über Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen miteinander verbunden sind. 627 Ausf. zu Konzernsachverhalten, die für den Emittenten kursrelevant sein können, Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 150 ff. 628 Dass nicht der Konzern selbst Pflichtadressat des Art. 17 Abs. 1 MAR sein kann, folgt schon aus der Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 MAR, nach der es sich bei einem Emittenten um eine (einzelne) juristische Person handelt. 629 Für die Maßgeblichkeit bilanzrechtlicher Regeln, aber mit Unterschieden im Einzelnen, S. H. Schneider, Informationspflichten, S. 139 f.; ders., in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 3 Rn. 24; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S.  199 f.; Schwark / Zimmer / Zimmer / Kruse, 4. Aufl., § 15 WpHG Rn. 45 f.; für die Maßgeblich­

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

dass die Insiderinformation im „Tätigkeitsbereich“ des Emittenten eingetreten ist630, wird dieses einschränkende Verständnis von der herrschenden Auffassung allerdings abgelehnt631. Dafür spricht neben der im Vergleich weiteren Formulierung der unmittelbaren Betroffenheit insbesondere, dass die Möglichkeiten des Emittenten zur Informationsbeschaffung, denen die früheren Auffassungen offenbar Rechnung tragen wollten, bereits mit dem Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ berücksichtigt werden. Der Emittent ist danach nur zur „schnellstmöglichen“ Veröffentlichung verpflichtet, eine Bekanntgabe von Informationen die er nicht beschaffen kann, wird also nicht verlangt. Auf den ersten Blick geht es bei der unmittelbaren Betroffenheit also auch in Konzernsachverhalten nur darum, nichtemittentenspezifische Informationen wie allgemeine Marktdaten, die Orderlage oder behördliche Entscheidungen mit unbestimmtem Adressatenkreis632 aus der

keit einer Beherrschung bzw. Beherrschungsmöglichkeit im Sinn der §§ 17 f. AktG Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 73 ff.; außerhalb von Eingliederung und vertraglicher Konzernierung für Erfordernis tatsächlich ausgeübter konzernrechtlicher Einflussnahme M. Wittmann, Informationsfluss im Konzern, S. 100 f.; siehe zu § 15 WpHG in der bis zum 29.10.2004 geltenden Fassung, der noch nicht von unmittelbarer Betroffenheit sprach, die „insbesondere“ bei Informationen aus dem Tätigkeitsbereich des Emittenten vorlag, sondern zwingend eine Insiderinformation aus dem Tätigkeitsbereich des Emittenten verlangte, außerdem Assmann, in: Lutter / Scheffler / U. H.  Schneider, Hdb. Konzernfinanzierung, § 12 Rn.  12.52; Assmann / Schneider / Kümpel / Assmann, 3. Aufl., § 15 WpHG Rn. 44; Schäfer WpHG / Geibel, § 15 Rn. 45; Peltzer, ZIP 1994, 746, 750; Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 199 ff.; Wölk, AG 1997, 73, 77; ferner Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 252 f., der allerdings den Tätigkeitsbereich des Emittenten auch auf dessen Mutterunternehmen erstreckt und daher insofern abweichende Kriterien aufstellen muss (a. a. O., S. 254 ff.); zu Art. 17 MAR außerdem Baumbach / Hopt / Kumpan HGB39, Art. 17 MAR Rn. 4: Veröffentlichungspflicht der Mutter bei „unternehmerischem Einfluss auf Tochter­ gesellschaften (§§ 290 ff., § 271 II, § 310, § 311 HGB)“. 630 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 631 LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 299 f. (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 105; Monheim, Ad-hocPublizität, S. 191 f.; Schröder, Selbstbefreiung, S. 101 f., 104 f.; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 373 ff.; Spindler / Speier, BB 2005, 2032 f.; i. E. auch Assmann, in: Assmann / ​Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 49; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 297 f.; Staub HGB / Grundmann5, Bd. 11/1, 6. Teil Rn. 506; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 93 ff.; Niermann / Vernter, in: Szesny / Kuthe, Kapitalmarkt Compliance2, 2. Teil, 2. Kap., Rn.  27; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 208; Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 10 Rn. 27; Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 55 ff.; Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 62 f.; Voß, in: Just / Voß / R itz / Becker, § 15 Rn. 87 ff.; vgl. auch LG Stuttgart v. 19.12.2017 – 31 O 33/16 KfH, NZG 2018, 665, 669; LG Stuttgart v.  12.09.2018  – 22 O 101/16, WM 2019, 463, 466; schon unter Geltung des Merkmals des „Tätigkeitsbereichs“ gegen eine Beschränkung nach konzernrechtlichen Maßstäben Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität, S. 142; v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, S. 109; Singhof, ZGR 2001, 146, 164. 632 In Abgrenzung zu Entscheidungen gegenüber einzelnen Emittenten, die Gegenstand einer Insiderinformation sein können.

A. Abgrenzung des Merkmals der Unverzüglichkeit 

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Pflicht auszunehmen633. Ereignisse innerhalb einer Konzerngesellschaft bzw. die für den Emittenten daraus resultierenden Folgen, die für die vom Emittenten begebenen Finanzinstrumente Kursrelevanz haben, wären hingegen grundsätzlich unverzüglich bekanntzugeben634. Tatsächlich aber würde ein derart weites Verständnis der unmittelbaren Betroffenheit und der für sie nach herrschender Ansicht erforderlichen Emittentenspezifität der Insiderinformation in Konzernsachverhalten nicht gerecht. Richtig ist zwar, dass das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit nicht direkt etwas mit den Einflussmöglichkeiten des Emittenten auf die andere Gesellschaft zu tun hat. Das folgt wie erwähnt daraus, dass Art. 17 Abs. 1 MAR den Möglichkeiten der Informationsbeschaffung schon mit dem Unverzüglichkeitserfordernis Rechnung trägt. Zu weit ginge es aber, den Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen aus Gesellschaften zu verpflichten, an denen er nur eine reine Finanzbeteiligung hält, wenngleich die Informationen aus Sicht dieser Gesellschaften „unternehmensspezifisch“ sein und im Einzelfall Kursrelevanz für den Emittenten haben können635. Für diese Einschränkung spricht ist in erster Linie die Tatsache, dass bei einer Aufschubentscheidung des Emittenten nach Art. 17 Abs. 4 MAR den berechtigten Geheimhaltungsinteressen der anderen Gesellschaft hinsichtlich der jeweiligen Insiderinformation nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte, weil nach Art. 17 Abs. 4 lit. a) MAR nur Interessen des Emittenten selbst zu berücksichtigen sind. Diesem Problem kann auch nicht zufriedenstellend damit begegnet werden, dass erst in einem zweiten Schritt, also nach Bejahung der unmittelbaren Betroffenheit, eine Pflicht des Emittenten zur Beschaffung solcher Informationen – und bei fehlender Kenntnis damit eine Verletzung des Unverzüglichkeitserfordernisses – verneint wird636. Denn bei dennoch erlangter Kenntnis des Emittenten käme es auch dann wieder auf die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR an. Zwar wird völlig zu Recht angenommen, dass der Emittent im Rahmen der Selbstbefreiungsentscheidung analog Art. 17 Abs. 4 lit. a) MAR ausnahmsweise auch Geheimhaltungsinteressen verbundener Gesellschaften in die Abwägung einstellen kann und muss637. Anders als bei Gesellschaften, die zum 633 Allg. zu Beispielsfällen nur mittelbarer Betroffenheit BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.2.2.2 (S.  33 f.); Veil / Brüggemeier, in Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 53; näher zum Tatbestandsmerkmal außerdem Klöhn MAR / ​ Klöhn, Art. 17 Rn. 65 ff.; Steinrück, Aufschub der Ad-hoc-Publizität, S. 55 ff. 634 So i. E. auch die in Fn. 631 Genannten; etwas enger aber Veil / Brüggemeier, in: Meyer /  Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 63, die eine wertende Betrachtung vornehmen wollen, um vom Tatbestandsmerkmal der Kurserheblichkeit abzugrenzen. 635 Vgl. zu dieser Überlegung auch Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 132 i. V. m. Rn. 121; vgl. ferner Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 63, die Kleinstbeteiligungen, nicht aber sonstige reine Finanzbeteiligungen ausnehmen wollen; ebenso Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 20. 636 So Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 132 i. V. m. Rn. 121. 637 Näher unten § 4 B. III. 7. c).

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

„Unternehmen“ des Emittenten gehören, kommt das bei Gesellschaften, an denen der Emittent lediglich finanziell beteiligt ist, aber schon deshalb nicht ernsthaft in Betracht, weil der Emittent die fremden Interessen überhaupt nicht sinnvoll bewerten könnte. Auch wenn der Emittent geheimhaltungsbedürftige Informationen aus solchen Gesellschaften nur selten tatsächlich erhalten wird, wäre seine Ad-hocPublizitätspflicht für letztere daher mit unvermeidbaren und nicht gerechtfertigten Risiken verbunden. Schließlich spricht auch aus rechtssystematischer Sicht vieles dafür, die Pflicht des Emittenten hinsichtlich von Informationen aus anderen Gesellschaften nur so weit reichen zu lassen, wie sich mit einer Analogie zu Art. 17 Abs. 4 lit. a) MAR auch eine Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen dieser Gesellschaften begründen lässt. Danach erscheint eine Einschränkung des Merkmals der unmittelbaren Betroffenheit geboten, mit der solche Insiderinformationen herausgefiltert werden, die sich für den Emittenten als „betriebs-“ bzw. „unternehmensfremd“ darstellen. Auf Kategorien des nationalen Rechts ist dabei wegen des Gebots autonom unionsrechtlicher Auslegung nicht abzustellen, was Schwierigkeiten bei der Konturierung bereitet. Zum einen aber macht der EuGH wieder einmal im EU-Kartellrecht vor, dass der Rückgriff auf gesellschafts- und konzernrechtliche Kategorien des nationalen Rechts zur Konkretisierung konzernweit verstandener Pflichten – dort zur Verantwortlichkeit von Unternehmen im Rahmen der Art. 101 f. AEUV und Art. 23 VO 1/2000 – zumindest begrifflich nicht erforderlich ist638. Zum anderen geht es hier ohnehin nur darum, Gesellschaften auszuschließen, denen jede organisationsrechtliche oder finanzpolitische Verbindung zum Emittenten fehlt, die allgemein gesprochen also keiner mit dem Emittenten gemeinsamen Unternehmenspolitik folgen. Man wird mit diesen Kriterien zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie sie mit dem Maßstab einer weit verstandenen639 einheitlichen Konzernleitung nach § 18 AktG erzielt würden, nach der darauf abzustellen wäre, ob die andere Gesellschaft in eine solche Konzernleitung des Emittenten fällt bzw. beide unter einer solchen Leitung einer dritten Gesellschaft zusammengefasst sind. Dass eine gemeinsame Unternehmenspolitik in aller Regel640 auf die rechtliche oder faktische Einflussnahme einer Konzerngesellschaft zurückgeht, versteht sich zwar von selbst. Daraus, dass es für die Bestimmung der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten richtigerweise nicht entscheidend auf dessen Einflussmöglichkeiten auf

638 Etwa EuGH v. 23.04.1991 – C-41/90, ECLI:EU:C:1991:161 (Höfner und Elser), Rn. 21; EuGH v. 28.06.2005 – C-189/02 P, ECLI:EU:C:2005:408 (Dansk Rørindustri), Rn. 112; EuGH v. 10.09.2009 – C-97/08 P, ECLI:EU:C:2009:536 (Akzo Nobel), Rn. 54; aus jüngster Zeit EuGH v. 14.03.2019 – C-724/17, ECLI:EU:C:2019:204 (Vantaan kaupunki / Skanska Industrial Solutions) Rn. 36. 639 Dazu nur MünchKomm. AktG / Bayer5, § 18 Rn. 28 ff.; Emmerich, in: Emmerich / Haber­ sack / Schürnbrand9, § 18 AktG Rn. 11 ff.; Hüffer / Koch14, § 18 AktG Rn. 8 ff.; Spindler / ​Stilz / ​ Schall4, § 18 AktG Rn. 14; K. Schmidt / Lutter / J. Vetter 3, § 18 AktG Rn. 7 ff.; ferner Krieger, in: MünchHdb. AG4, § 69 Rn. 70. 640 Vgl. aber auch die Fälle des Gleichordnungskonzerns (§ 18 Abs. 2 AktG).

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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die verbundene Gesellschaft ankommt, folgt aber insbesondere, dass den Emittenten – insofern mit der heute ganz herrschenden Meinung641 – auch Insiderinformationen aus Mutter- oder Schwestergesellschaften unmittelbar betreffen können642. Die sich an die Bestimmung der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten anschließenden Fragen des rechtsträgerübergreifenden Informationsflusses zum Zweck der Ad-hoc-Publizität sind nach richtiger Ansicht wiederum allein Fragen der Unverzüglichkeit. Wie schon bisher soll im Folgenden – unter Berücksichtigung der Ausführungen zum Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit – unterstellt werden, dass eine Information innerhalb des Unternehmensverbunds vorliegt, die eine für den Emittenten grundsätzlich veröffentlichungspflichtige Insiderinformation darstellt. Im Vordergrund wird also wieder die Frage stehen, wann dem Emittenten die Bekanntgabe einer solchen Information möglich ist und wann ihn deshalb auch die Pflicht zur Bekanntgabe trifft. Ob sich für den Fall der Emittenteneigenschaft beider betroffenen Gesellschaften Besonderheiten ergeben, soll weiter unten gesondert untersucht werden643.

B. Das unionsrechtliche Regime ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte und -pflichten B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

I. Meinungsbild zur gesellschaftsübergreifenden Informationspflicht des Emittenten Akzeptiert man mit dem Vorstehenden, dass der Emittenten von Insiderinformationen aus verbundenen Gesellschaften grundsätzlich unabhängig von seinen gesellschafts- und konzernrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeiten unmittelbar betroffen sein kann, ergeben sich regelmäßig dann keine neuen Fragen, wenn der Emittent tatsächlich Kenntnis von der jeweiligen Insiderinformation erlangt. Die Veröffentlichungspflicht richtet sich in diesem Fall nach den oben erläuterten allgemeinen Regeln644. Schwieriger zu beantworten ist allerdings die Frage nach den Möglichkeiten des Emittenten zur rechtsträgerübergreifenden Informationsbeschaffung. Für die 641

Vgl. die Nachw. in Fn. 631. Vgl. dazu auch die Interpretation der Rechtsprechung des EuGH im Kartellrecht bei Kersting, ZHR 182 (2018), 8 ff., nach der es nur für die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit auf den Kreis der seitens einer Konzerngesellschaft beeinflussten Gesellschaften ankommt, die Haftungszurechnung zu einzelnen Gesellschaften innerhalb dieser Einheit aber unabhängig von deren Einfluss ist, so dass auch die Tochter für den Verstoß ihrer Mutter oder Schwester haften können soll. 643 § 4 C. 644 Zu den Fragen im Zusammenhang mit der Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR aber noch § 4 B. III. 7. c); zur Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht bei Doppelmandaten noch § 4 D. 642

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Veröffentlichungspflicht sind auch diese Möglichkeiten maßgeblich, weil die Unverzüglichkeitsfrist nicht ablaufen kann, bevor der Emittent die Insiderinformation aufgrund seiner Zugriffsmöglichkeiten hätte kennen müssen. In der deutschen Diskussion zeigt sich zu dieser Frage ein höchst unübersichtliches Meinungsbild, das hier nur in seinen Konturen wiedergegeben werden kann645. Manche Stimmen sehen den Emittenten von vornherein nicht als verpflichtet an, sich um Insiderinformationen aus anderen Gesellschaften zu bemühen. Gemeint sind die schon erwähnten Stellungnahmen, die die positive Kenntnis der Insiderinformation seitens des Emittentenvorstands fordern und Organisationspflichten deshalb schon für den eigenen Tätigkeitsbereich des Emittenten ablehnen646. Fragen einer rechtsträgerübergreifenden Informationsbeschaffungspflicht dürften sich für diese Auffassung also nicht ergeben. Von anderer Seite wird zwar nicht generell das Bestehen einer ad-hoc-publizitätsspezifischer Organisationspflicht bestritten. Über den eigenen Tätigkeits­ bereich hinaus reiche diese Pflicht aber nur hinsichtlich solcher Gesellschaften, die der Emittent wie eine eigene Betriebsabteilung führe647. Informationen aus Gesellschaften, an denen eine reine Finanzbeteiligung gehalten werden, seien wie sonstige unternehmensexterne Informationen zu behandeln, deren Kenntnis seitens des Emittenten im Regelfall nicht erwartet werden könne648. Ohnehin bestehende konzernweitere Informationssysteme müsse der Emittent im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aber in jedem Fall nutzen649. Ein weiteres Meinungslager begreift die Frage des rechtsträgerübergreifenden Informationstransfers – auf Grundlage der oben besprochenen Rechtsprechung des

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Unberücksichtigt bleiben muss dabei zum einen, ob sich die jeweilige Stellungnahme zum Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit, der Unverzüglichkeit oder zu beiden Merkmalen äußert oder aber die Frage losgelöst vom Tatbestand der Pflichtnorm beant­wortet; alles kommt vor. Zum anderen kann die Darstellung nicht darauf eingehen, inwiefern eine bestimmte Auffassung dadurch geprägt sein mag, dass sie noch zu § 15 WpHG a. F. vertreten wurde. 646 Koch, AG 2019, 273, 276 f.; Hüffer / ders.14, § 78 AktG Rn. 33; vgl. für § 97 WpHG auch Thomale, Der gespaltene Emittent, S. 50 ff. (i. V. m. S. 78), ders., AG 2019, 189 ff.; ders., NZG 2018, 1007, 1011 f. 647 Die Organisationspflicht des Emittenten soll dann genauso weit gehen wie im eigenen Tätigkeitsbereich, Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 132. Dazu, wie dies gesellschafts- und konzernrechtlich durchgesetzt werden soll, äußert sich die Stellungnahme nicht ausdrücklich. Es ist aber davon auszugehen, dass der Emittent  – seine unmittelbare Betroffenheit unterstellt – dann im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet sein soll, die ihm durch das nationale Konzernrecht vermittelten Möglichkeiten der Informationsbeschaffung (z. B. Weisungsrechte) auszunutzen. 648 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 132 i. V. m. Rn. 121. 649 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 133; in Konzernsachverhalten sogar für die alleinige Maßgeblichkeit allgemeiner Compliance-Pflichten und insofern gegen eine spezielle konzernweite Organisationspflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 306 ff.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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BGH650 – als eine der Wissenszurechnung seitens der abhängigen Gesellschaft zum Emittenten. Innerhalb dieser Strömung bestehen wiederum Meinungsverschiedenheiten, wann eine solche pflichtbegründende Zurechnung anzunehmen sein soll. Zum Teil wird aus der Rechtsprechung des BGH gefolgert, dass eine Wissenszurechnung zum Emittenten selbst im Vertragskonzern nur selten in Betracht komme und der Emittent – wenn er nicht tatsächlich Kenntnis von der Information erlangt – deshalb nur in Ausnahmefällen zur Veröffentlichung von Information aus anderen Gesellschaften verpflichtet sei651. Andere Stimmen nehmen eine zurechnungsbegründende Beschaffungsmöglichkeit des Emittenten hingegen grundsätzlich im Vertragskonzern und gegenüber weisungsgebundenen GmbHs – nicht aber im Anwendungsbereich der § 311 ff. AktG – an652. Wieder andere beantworten die Frage der rechtsträgerübergreifende Wissenszurechnung zum Emittenten im Grundsatz unabhängig von der jeweiligen Konzernierungsform und verlangen mit Verweis auf den BGH653 (nur), dass die betroffene Insiderinformation „routinemäßig“ abzufragen war654. Mit Hinweis auf den unionsrechtlichen Ursprung der Organisationspflicht des Emittenten beurteilt eine weitere Stimme die Wissenszurechnung schließlich ganz unabhängig von gesellschafts- und konzernrechtlichen Kategorien, weil der Emittent in jedem Fall für die Gewährleistung des Informationsflusses zu sorgen habe655. Wo er die Organisationsstrukturen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Einflussgrenzen nicht durchsetzen kann, könne die abhängige Gesellschaft zur Kooperation bei der Umsetzung verpflichtet sein656. Losgelöst von Fragen der Wissenszurechnung wollen wieder andere den Umfang der Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten von dessen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung abhängig machen, ohne aber auch eine rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit zu fordern. Das Erfordernis unverzüglicher Veröffentlichung

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§ 3 B. Allgemein zur Wissenszurechnung im Konzern auf Grundlage der Rechtsprechung des BGH Spindler / Stilz / Fleischer4, § 78 AktG Rn. 56c ff.; Großkomm. AktG / Habersack /  Foerster5, § 78 Rn. 44; MünchKomm. BGB / Schubert8, § 166 Rn. 64 ff.; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357 ff.; MünchKomm. GmbHG / Stephan / Tieves3, § 35 Rn. 225; Verse, AG 2015, 413, 418; ferner Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 512 ff.; zum österreichischen Recht Iro, ÖBA, 112, 121 f. 651 Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 59 f. 652 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 412; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 378; Spindler / Speier, BB 2005, 2031; vgl. auch Wilken / Hagemann, BB 2016, 67, 70 f. Dies dürfte i. E. außerdem der Ansicht von M. Wittmann, Informationsfluss im Konzern, S. 101 f., entsprechen, der den Emittenten – allerdings losgelöst von Fragen der Wissenszurechnung – für verpflichtet hält, Insiderinformationen aus eingegliederten oder vertraglich beherrschten Gesellschaften zu veröffentlichten, die Pflicht im Übrigen aber wohl von der tatsächlichen Kenntnisnahme des Emittenten abhängig macht. 653 BGH v. 13.12.1989 – IVa ZR 177/88, NJW-RR 1990, 285, 286. 654 LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 262 f.; Wilken / Hagemann, BB 2016, 67, 70 f. 655 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 256 f. i. V. m. S. 259 f. 656 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 259 f. i. V. m. S. 256.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

verlange vom Emittenten, auch faktische Möglichkeiten zu nutzen657. Danach soll der Emittent also nicht nur verpflichtet sein, vertraglich beherrschte Gesellschaften und abhängige GmbHs zur Weitergabe relevanter Insiderinformationen anzuweisen, sondern auch, auf eine Weitergabe hinzuwirken, wenn ihm verbindliche Weisungsrechte nicht zustehen658. Eine letzte Meinungsgruppe will dem Emittenten schließlich einen ad-hoc-publizitätsspezifischen Auskunftsanspruch hinsichtlich der für ihn relevanten Insiderinformationen zumindest gegenüber abhängigen Gesellschaften zugestehen659. Konsequenz dessen wäre es, dass der Emittent die Weitergabe von Insiderinformationen aus abhängigen Gesellschaften unabhängig von der jeweiligen Konzernierungsform verlangen könnte und nach Art. 17 Abs. 1 MAR auch verlangen müsste. Sofern die Rechtsgrundlage eines solches Anspruchs diskutiert wird660, wird die – teleologisch erweiterte – Publizitätsvorschrift selbst661 oder eine Analogie zu § 294 Abs. 3 HGB662 vorgeschlagen. Andere sehen die Gesellschaft (nur) 657

Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 238 ff.; Poelzig, FS Hopt, S. 943, 948 f.; i. E. außerdem Mader, Informationsfluss, S. 325 ff.; ders., Der Konzern 2015, 476, 482 ff.; Holle, Legalitätskontrolle, S. 198 ff.; ferner Bosse, Der Konzern 2019, 1, 4 f.; Fabritius, FS U. Huber, S. 705, 710; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 17. 658 Nachw. in vor. Fn. 659 Nachw. in den nachf. Fn.; dies entspricht außerdem der Rechtslage in Italien, siehe Art. 114(2) Testo Unico della Finanza (TUF); unter den in der nachf. Fn. Genannten ausdrücklich auch für einen Auskunftsanspruch der Tochter gegenüber der Mutter bzw. einer Auskunftspflicht der Mutter gegenüber der Tochter Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 236 f.; Schröder, Selbstbefreiung, S. 106; Singhof, ZGR 2001, 146, 169 f.; S. H. Schneider, Informationspflichten, S. 166 f.; siehe ferner Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 825; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 209. 660 Für die Annahme eines Auskunftsanspruchs ohne Nennung einer konkreten Grundlage etwa Schröder, Selbstbefreiung, S. 103, 106; Singhof, ZGR 2001, 146, 164, 169 f.; zudem LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 271, 281 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); für die Informationspflicht der Muttergesellschaft gegenüber einer Tochter mit Emittenteneigenschaft außerdem Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 825; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 209. 661 LG Stuttgart v. 28.02.2017 – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1466 („Informationsanspruch aus § 15 WpHG a. F.“); Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 23 (Informationsanspruch unmittelbar aus Art. 17 MAR); Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 169 f., 236 f.; S. H.  Schneider, Informationspflichten, S. 153, 166 f. („Informationsansprüche als Annexpflicht aus der jeweiligen besonderen Rechtspflicht […] in Verbindung mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht“), der sich auch auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht bezieht (a. a. O., S. 139); ähnlich ders., in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 3 Rn. 31; ders. / U. H. Schneider, AG 2005, 57, 65; offenlassend Fleischer, ZGR 2009, 505, 532. Dazu, dass es sich bei dem Annexgedanken letztlich um eine teleologische Extension der jeweiligen Vorschrift handelt, Mader, Informationsfluss, S. 100 f., 284 f. 662 Die Vorschrift dient der Erfüllung der Pflicht zur Aufstellung von Konzernabschlüssen durch ein Mutterunternehmen i. S. d. HGB und lautet: „Die Tochterunternehmen haben dem Mutterunternehmen ihre Jahresabschlüsse […] unverzüglich einzureichen. Das Mutterunternehmen kann von jedem Tochterunternehmen alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die Aufstellung des Konzernabschlusses […] erfordert.“ Für einen Informationsan-

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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aufgrund der mitgliedschaftlichen Treuepflicht als zur Informationsweiterleitung an den Emittenten verpflichtet an663.

II. Relevanz des Meinungsstreits Die Auswirkungen der unterschiedlichen Ansichten sind erheblich. Auch wenn man aus schon genannten Gründen die Stimmen außer Acht lässt, die eine Organisationspflicht des Emittenten generell ablehnen664 oder die Frage auf Grundlage der Wissenszurechnung nach den Regeln des BGH beantworten665, kommt es noch entscheidend darauf an, ob sich die Informationsmöglichkeiten und -pflichten des Emittenten nach den allgemeinen Regeln des nationalen Gesellschafts- und Konzernrechts richten oder dem Emittenten ein ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsanspruch gegenüber verbunden Gesellschaften zusteht. Relevant ist das nicht nur, weil der Emittent ein Verlangen auf Auskunft über Insiderinformationen ohne Existenz eines besonderen Informationsrechts nur gegenüber weisungsgebundenen  – also vertraglich beherrschten Gesellschaften oder abhängigen GmbHs – verbindlich durchsetzen könnte666 und den Emittenten eine Veröffentlichungspflicht im Übrigen allenfalls in dem eingeschränkten Umfang träfe, in dem man auch eine faktische Einflussmöglichkeit für ausreichend hielte. Es würde sich vielmehr auch die weitere Frage stellen, ob etwaige spruch der ad-hoc-publizitätspflichtigen Mutter gegenüber der Tochter analog § 294 Abs. 3 HGB, nicht aber für den umgekehrten Fall, Rothweiler, Informationsfluss, S. 168 ff.; so außerdem die h. M. zur Regelpublizität nach §§ 114 f. WpHG, siehe die Nachw. in Fn. 718; ferner die wohl h. M. zur Pflicht nach §§ 33 Abs. 1 S. 1, 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG (§§ 21, 22 WpHG a. F.), Stimmrechte zu melden, die dem Meldepflichtigen seitens eines Tochterunternehmens zugerechnet werden; siehe dazu die Nachw. bei Mader, Informationsfluss, S. 312 f. 663 U. H. Schneider / Burgard, FS Ulmer, S. 579, 597 ff.; siehe außerdem Habersack, FS Möschel, S. 1175, 1191 f.; ders., in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 90; vgl. auch S. H. Schneider, Informationspflichten, S. 153, der die Treuepflicht zumindest stützend heranzieht; vgl. außerdem Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 259 f. i. V. m. S. 256, der eine Treuepflicht der abhängigen Gesellschaft annimmt, den Umsetzungsvorgaben des Emittenten zur Errichtung eines rechtsträgerübergreifenden Informationssystems nachzukommen. 664 Dagegen schon oben § 2 A. I. 665 Dagegen wiederum ausf. oben § 3 B. IV. 3. 666 Ein allgemeiner, also auch bei nur faktischer Konzernierung bestehender Informationsanspruch herrschender Unternehmen zum Zweck der Konzernleitung wird nach inzwischen ganz überwiegender und zutreffender Auffassung abgelehnt. Ein solcher Anspruch würde insbesondere die Wertung übergehen, dass die eigenverantwortliche Leitung der Aktiengesellschaft nach § 76 AktG im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG unberührt bleibt, also gerade keine Verpflichtung zur Ausrichtung an den Interessen des herrschenden Unternehmens besteht; dazu ausf. Mader, Informationsfluss, S. 172 ff.; Rothweiler, Informationsfluss, S. 46 ff.; ferner Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 149 ff.; Fabritius, FS U. Huber, S. 705, 709 f.; Mader, Der Konzern 2015, 476, 478 ff.; Spindler / Janssen-Ischebeck, in: Fleischer / Kalss / Vogt, Konvergenzen und Divergenzen, S. 147, 157 ff.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 423; ferner MünchKomm. AktG / Altmeppen5, § 311 Rn. 425 m. z. N.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Maßnahmen auf Ebene einer abhängigen Tochtergesellschaft, die ihren Grund in der ­Ad-hoc-Publizitätspflicht der Muttergesellschaft haben (Informationsweitergabe und -veröffentlichung, Errichtung von Informationsstrukturen, Schulung der Mitarbeiter), am Maßstab zulässiger nachteiliger Einflussnahme im konzernrechtlichen Sinn zu messen wären. Denn an die nachteilige Einflussnahme stellt jedenfalls das deutsche Recht – soweit es sie nicht sogar vollständig untersagt667 – unterschiedliche, von der jeweiligen Konzernierungsform abhängige Anforderungen668. Nach der herrschenden Definition des konzernrechtlichen Nachteils, nach der es darauf ankommt, ob das Vermögen oder die Ertragslage der abhängigen Gesellschaft durch die abhängigkeitsbedingte Einflussnahme gemindert oder konkret gefährdet wird669, läge die Annahme eines Nachteils auf den ersten Blick nahe: Der Tochtergesellschaft entstünden bei der Umsetzung erwähnter Maßnahmen zum einen Kosten, die durch keinen ersichtlichen konkreten Vorteil ausgeglichen würden. Darüber hinaus könnte vor allem die drohende öffentliche Bekanntgabe sensibler Informationen aus der Tochtergesellschaft für diese schädliche Folgen haben, sei es, weil Konkurrenten wettbewerbsrelevante Informationen erhalten würden, sei es, weil das Bekanntwerden negativer Insiderinformationen zu einem Absatzrückgang bei der Tochter führen würde670. Mit der Annahme eines ad-hoc-publizitätsspezifischen Auskunftsanspruch des Emittenten lägen die Dinge anders. Die Frage der Veröffentlichungsmöglichkeit wäre dann wie mit Blick auf die Einzelgesellschaft nach einheitlichen (unionsrechtlichen) Maßstäben zu beurteilen. In diesem Umfang käme es auf die konkrete Konzernorganisation und die damit verbundenen nationalen Grenzen zulässiger Nachteilszufügung nicht an. Abhängige Gesellschaften hätten etwaige Nachteile aus einer Mitwirkungspflicht vielmehr als passive Konzernierungsfolge hinzunehmen, weil sie gesetzliche Folge der Konzernzugehörigkeit, nicht aber Folge der Einflussnahme des Emittenten wären671.

III. Stellungnahme 1. Der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 MAR Zunächst mag man geneigt sein, einen speziellen Informationsanspruch des Emittenten gegenüber verbundenen Gesellschaften schon mit Blick auf den Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 MAR abzulehnen. Denn nach diesem Wortlaut richtet sich 667

So in der mehrgliedrigen GmbH aufgrund der mitgliedschaftsrechtlichen Treuepflicht und mangels Anwendbarkeit des § 311 AktG; dazu statt vieler nur Leuering / Rubner, NJW-Spezial 2018, 527 m. w. N. 668 Näher § 4 B. III. 5. 669 Statt vieler Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 39 f. 670 Vgl. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 144. 671 Allg. dazu nur Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 52.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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der Umfang der Verpflichtung des Emittenten nach dessen – auch rechtlichen – Möglichkeiten672, nicht aber umgekehrt673. Dies erhöht den Aufwand zur Begründung eines Auskunftsanspruchs, weil die Vorschrift auf den ersten Blick nicht selbst regeln will, wie weit die Informationsmöglichkeiten des Emittenten reichen. Mit der Annahme eines speziellen Auskunftsrechts des Emittenten würde dessen pflichtauslösende Veröffentlichungsmöglichkeit aber erst begründet674. Auch lässt sich dem Wortlaut des Art. 17 MAR – anders dem Wortlaut etwa der Pflicht zur Aufstellung des Konzernabschlusses675  – nicht entnehmen, dass es sich bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht überhaupt um eine Pflicht mit echtem Konzernbezug handelt676. Der ohnehin nicht eindeutige Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 MAR darf aber nicht übergewichtet werden. Denn der Unionsgesetzgeber hat das Problem der Konzerndimension der Ad-hoc-Publizität offensichtlich nicht hinreichend bedacht, woraus nicht voreilig geschlossen werden darf, dass diese Fragen dem nationalen Recht zu überlassen sind. Tatsächlich wird sich vielmehr zeigen, dass die Gründe dafür überwiegen, die Frage der Möglichkeiten der konzernweiten Informationsbeschaffung des Emittenten nicht allein dem nationalen Recht zu überantworten, sondern einen speziellen Informationsanspruch des Emittenten gegenüber solchen Gesellschaften anzunehmen, deren Tätigkeit den Emittenten unmittelbar betrifft677 und für dessen Finanzinstrumente kursrelevant sein kann678. 2. Art. 17 Abs. 1 MAR als geeignete Herleitungsbasis eines speziellen Auskunftsrechts Zuerst soll dabei der Frage nach einer möglichen Rechtsgrundlage eines Informationsanspruchs des Emittenten gegenüber verbundenen Gesellschaften nachgegangen werden. Denn diese Frage erscheint seit dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung in neuem Licht. Wenn bereits das unmittelbar anwendbare 672

Eindeutig jedenfalls der Wortlaut der anderen Sprachfassungen des Art. 17 Abs. 1 MAR, die wörtlich übersetzt von „so bald wie möglich“ sprechen. Dazu schon oben § 2 A. mit Fn. 13. 673 Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 313 f.; Poelzig, FS Hopt, S. 943, 948; vgl. auch schon Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 194 f. 674 Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 313 f.; vgl. auch schon Thieme, Die Ad-hocPublizität und ihre Konzerndimension, S. 194 f. 675 § 294 Abs. 1 HGB, Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie (Richtlinie 2013/34/EU v. 26.06.2013, ABl. Nr. L 182, S. 19). 676 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 214. 677 Dies ist eine vereinfachte Formulierung, da nach Art. 17 Abs. 1 MAR nicht die Tätigkeit, sondern die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betreffen und kursrelevant sein muss. Zur unmittelbaren Betroffenheit schon oben § 4 A. 678 Beschränkt man die Informationspflicht auf eben solche Gesellschaften, erübrigt sich auch der teilweise erhobene Einwand, dass ein Auskunftsanspruch gegen sonstige (konzernexterne) Insider problematisch wäre; zu diesem Einwand Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 219 f.; ferner Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 314.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Unionsrecht einen solchen Anspruch anordnen würde, wäre zunächst auch dort und nicht im nationalen Recht (z. B. bei § 294 Abs. 3 HGB) nach einer entsprechenden Rechtsgrundlage zu suchen. Unter denjenigen, die ein spezielles Informationsrecht des Emittenten befürworten, schwebt denn letztlich auch den meisten die – teleologisch erweiterte – Pflichtnorm selbst, hier also Art. 17 Abs. 1 MAR, als Rechtsgrundlage vor679. Auf den ersten Blick erscheint Art. 17 Abs. 1 MAR als Herleitungsbasis für spezielle Auskunftsrechte und -pflichten sehr schmal680. Zu beachten ist aber, dass auch der EuGH in der Vergangenheit in anderem Zusammenhang nicht davor zurückgeschreckt ist, auf vergleichbar dünner Grundlage spezielle Informationsrechte und -pflichten innerhalb von Unternehmensverbindungen zu entwickeln. In mehreren Entscheidungen zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrats681 nahm er an, dass sämtliche Geschäftsleitungen eines Konzerns zur gegenseitigen Auskunft berechtigt und verpflichtet seien, damit den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen die Informationen erteilt werden können, die erforderlich sind, um das Vorliegen der Voraussetzungen für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats zu prüfen682. Dabei hat der EuGH sogar betont, dass die nationalen Rechtsbeziehungen zwischen den Konzerngesellschaften nicht immer gewährleisten, dass sich die auskunftspflichtige Stelle die relevanten Informationen besorgen kann, so dass die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung aus dem Unionsrecht herzuleiten seien683. Wie regelmäßig bei der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften ist für den EuGH auch insofern die „praktische Wirksamkeit“ der jeweiligen Norm das entscheidende Kriterium684. Zwar darf der effet-utile-orientierte Auslegungsansatz nicht überstrapaziert und zur einer Effektivitätssteigerung des Unionsrechts um jeden Preis missbraucht werden. Er gewinnt aber doch umso mehr an Bedeutung, umso eher die Erreichung der mit einer Vorschrift verfolgten Ziele ohne 679

Siehe die Nachw. in Fn. 661. Explizit gegen die Herleitung eines Auskunftsrechts des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR, die Frage im Übrigen aber wohl offenlassend, Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 133. 681 Richtlinie 94/45/EG v. 22.09.1994 (Europäische Betriebsräte-Richtlinie), ABl. Nr. L254, S. 64; inzwischen neu gefasst in Richtlinie 2009/38/EG v. 06.05.2009, ABl. Nr. L 122, S. 28, die mit Art. 4 Abs. 4 auch auf die Rechtsprechung des EuGH (nachf. Fn.) reagiert hat. 682 EuGH v. 29.03.2001 – C-62/99, ECLI:EU:C:2001:188 (bofrost); EuGH v. 13.01.2004 – C-440/00, ECLI:EU:C:2004:16 (Kühne & Nagel); EuGH v. 15.07.2004  – C-349/01, ECLI:​ EU:C:2004:440 (ADS Anker). Die dort herangezogenen Art. 4 Abs. 1, 2 und Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie deuten jedenfalls keine Auskunftsrechte und -pflichten sämtlicher Geschäftsleitungen des Konzerns an. Wenn Mader, Informationsfluss, S. 351, diese Vorschriften heranzieht, um die mangelnde Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf andere konzernbezogene Pflichten zu begründenden, zu denen entsprechende Normen nicht existieren, überzeugt dies daher nicht. Aufgrund der dünnen Herleitungsbasis kritisch gegenüber der Rechtsprechung des EuGH Weber, FS Konzen, 2006, S. 921, 954 f.; ferner Bitsch, Auskunftsansprüche, S. 29 f. 683 EuGH v. 13.01.2004 – C-440/00, ECLI:EU:C:2004:16 (Kühne & Nagel), Rn. 53. 684 Allg. zur Auslegung nach dem „effet utile“-Grundsatz nur Riesenhuber, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 10 Rn. 45; zur fehlenden sprachlichen Abgrenzung durch den EuGH zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung nur Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 12 Rn. 2. 680

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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das unionsrechtsfreundliche Normverständnis gefährdet wäre685. Sofern auch die Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizitätspflicht ein Auskunftsrecht des Emittenten gegenüber abhängigen Gesellschaften verlangen würde, läge es also durchaus auf der Linie des EuGH, ein solches Recht aus Art. 17 Abs. 1 MAR selbst abzuleiten686. 3. Unionsweite Harmonisierung und Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizität Insofern muss zunächst der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der EUGesetzgeber ausdrücklich die unionsweite Harmonisierung des Marktmissbrauchsrechts anstrebt687. Weil Emittenten praktisch ausnahmslos in Konzernstrukturen agieren, würde dieses Ziel hinsichtlich der Ad-hoc-Publizität aber verfehlt, wollte man die Möglichkeit der Informationsbeschaffung des Emittenten von den Einzelheiten des nationalen Gesellschafts- und Konzernrechts abhängig machen688. Schon mit Blick allein auf das deutsche Recht würde sich eine Vielzahl ungeklärter Fragen stellen, deren Beantwortung zudem je nach Konzernierungsform unterschiedlich ausfallen müsste689. Eine Zersplitterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf Unionsebene erschiene damit kaum vermeidbar. Auf den ersten Blick verlangt die Lösung dieses Problems zwar nicht zwingend nach der Anerkennung unionsrechtlicher Auskunftsrechte und -pflichten. Die Adhoc-Publizitätspflicht könnte stattdessen auch unionsweit davon abhängig gemacht werden, dass den Emittenten die Insiderinformationen aus anderen Konzerngesellschaften tatsächlich erreichen690. Die Kapitalmarktinformation wäre damit aber der Beliebigkeit preisgegeben. An die Stelle der Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen würden die Unterschiede der jeweils tatsächlich gelebten Informationspolitik des Konzerns treten691. Zugleich wären Umgehungsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Durch den formalen Rückzug des Emittenten aus dem operativen Geschäft mittels Auslagerung auf nachgeordnete Gesellschaften könnte die Ad-hoc-Publizitätspflicht in dem Umfang, in dem ein Informationsfluss nicht aus anderen Gründen erforderlich ist, vermieden werden. Darauf, dass der Emit 685

Zu diesem Aspekt nur Potacs, EuR 2009, 465, 473 f.; vgl. auch ders., Auslegung im öffentlichen Recht, S. 135 f. 686 Zu den Möglichkeiten des EuGH zur richterlichen Rechtsfortbildung nur Neuner, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 12 Rn. 7 ff. 687 ErwG 5 MAR. 688 Vgl. Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 23. 689 Näher § 4 B. III. 5. 690 So i. E. diejenigen, die die Ad-hoc-Publizitätspflicht generell von der Kenntnis des Emittenten abhängig machen, siehe die Nachw. in Fn. 646; vgl. außerdem M. Wittmann, Informationsfluss im Konzern, S. 102 f., der die Pflicht im faktischen Konzern auf Informationen beschränkt, die, soweit sie nicht im Konzernabschluss der Mutter zu berücksichtigen sind, dem Emittenten tatsächlich bekannt werden; ähnlich für Fälle „nicht ausgeübter Konzernleitung“ Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 256 f. 691 Vgl. Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 23; außerdem schon die Argumente gegen ein Kenntniserfordernis des Emittenten, oben § 2 A. I.

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tent den dafür erforderlichen – aber im Verhältnis zur Tragweite der Ad-hoc-Publizität auch nicht zu überschätzenden – Aufwand scheuen würde, wird man sich kaum verlassen dürfen. Der Hinweis darauf, dass der Ad-hoc-Publizitätspflicht auch ohne Existenz spezieller Auskunftsrechte und -pflichten ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleibe, weil der Emittent zumindest zur Bekanntgabe von Insiderinformationen aus seinem eigenen Tätigkeitsbereich verpflichtet bleibe692, kann vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres überzeugen. Die Gefahr der Wirkungslosigkeit bestünde auch dann, wenn man den Emittenten als zum Einsatz faktischer Einflussmöglichkeiten der Informationsbeschaffung verpflichtet ansehen würde. Eine „Bemühenspflicht“ des Emittenten im Anwendungsbereich des § 311 ff. AktG würde ihr Ziel nämlich – im Einvernehmen beider Gesellschaften – verfehlen, weil weder der Emittent noch die abhängige Gesellschaft ein Interesse an einem Informationsfluss haben, der über den im Konzerninteresse ohnehin stattfindenden Informationsaustausch hinausgeht. Nicht zu übersehen ist außerdem, dass mit der Bestimmung des Pflichten­ umfangs anhand des nationalen Gesellschafts- und Konzernrechts keinerlei Informationsbeschaffungsmöglichkeiten des Emittenten gegenüber Obergesellschaften bestehen würden. Dies mag mit Blick auf die praktische Wirksamkeit der Adhoc-Publizität weniger problematisch sein, als der hier im Vordergrund stehende umgekehrte Fall693. Ob dem Kapitalmarkt die für die Bewertung der Gesellschaft relevanten Insiderinformationen aus der Obergesellschaft vorenthalten bleiben sollen, solange die Gesellschaft nicht aus anderen Gründen Kenntnis von ihnen nimmt, ist aber ebenfalls zumindest zweifelhaft694. Sowohl das Ziel unionsweiter Rechtsvereinheitlichung als auch der Effektivität der Kapitalmarktinformation sprechen deshalb für die Anerkennung eines speziellen Informationsrechts und einer damit einhergehenden speziellen Informationsbeschaffungspflicht des Emittenten gegenüber verbundenen Gesellschaften, die nach dem oben Gesagten in den Kreis der für die unmittelbare Betroffenheit des Emittenten maßgeblichen Gesellschaften fallen695 und deren Tätigkeit für den 692

Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 208 f., der dies gegen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zum Europäischen Betriebsrat anführt. 693 Von den Stimmen, die einen speziellen Auskunftsanspruch des Emittenten verneinen, wird eine Pflicht der Tochter zur Veröffentlichung von Insiderinformationen aus der Muttergesellschaft mangels Möglichkeit der Informationsbeschaffung  – jedenfalls außerhalb der Fälle tatsächlicher Kenntnis der Tochter – denn auch folgerichtig abgelehnt; dazu Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 412; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 260; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2034; für einen ad-hoc-publizitätsspezifischen Auskunftsanspruch der Mutter gegen die Tochter, nicht aber umgekehrt, außerdem Rothweiler, Informationsfluss, S. 174 f. 694 Für einen ad-hoc-publizitätsspezifischen Anspruch der Tochtergesellschaft gegenüber der Mutter bzw. eine Pflicht der Mutter gegenüber der Tochter denn auch Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 236 f.; Schröder, Selbstbefreiung, S. 106; Singhof, ZGR 2001, 146, 169 f.; S. H. Schneider, Informationspflichten, S. 166 f.; siehe ferner Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 825; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 209. 695 § 4 A.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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Emittenten potenzielle Kursrelevanz hat. Dass Insiderinformationen häufig schon auf freiwilliger Basis auch zum Zweck der Ad-hoc-Publizität konzernweit kommuniziert werden696, ändert daran freilich nichts, zumal der Informationsfluss auch dann den besonderen Ansprüchen des Art. 17 Abs. 1 MAR – insbesondere an die Unverzüglichkeit – gerecht werden muss697. 4. Sachfremdheit nationaler Regeln des Gesellschafts- und Konzernrechts zur Bestimmung des Pflichtumfangs Im Zusammenhang mit den geäußerten Zweifeln an der Wirksamkeit einer Adhoc-Publizitätspflicht, die nicht durch spezielle Auskunftsrechte und -pflichten unterstützt wird, steht ferner die Überlegung, dass ein Abstellen auf das nationale Gesellschafts- und Konzernrecht zur Bestimmung des Umfangs der Pflicht bei näherer Betrachtung sachfremd wäre. Die Kapitalmarktinformation würde damit von Regeln abhängig gemacht, die sich dem privaten Interessenausgleich innerhalb von Unternehmensverbindungen widmen, die aber nicht für die Bestimmung eines berechtigten öffentlichen Informationsinteresses geeignet sind. Es geht bei der Ad-hoc-Publizität nicht darum, in welchem Umfang und zu welchem Preis der Emittent eigene Interessen oder solche des Konzerns gegenüber abhängigen Gesellschaften durchsetzen können soll. Weder das Bestehen von gesellschafts- oder konzernrechtlichen Weisungsrechten des Emittenten gegenüber abhängigen GmbHs oder vertraglich beherrschten Gesellschaften (§ 37 Abs. 1 GmbHG, § 308 AktG) noch die verbleibende Selbstständigkeit abhängiger Aktiengesellschaften im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG eignen sich als Gradmesser für die Bestimmung eines berechtigten öffentlichen Interesses an Kapitalmarkttransparenz. Dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe von Insiderinformationen aus Aktiengesellschaften im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG geringer ist als an der Bekanntgabe von Insiderinformationen aus weisungsgebundenen Gesellschaften, ist ebenso zu bezweifeln wie, dass erstere allein wegen ihrer verbleibenden unternehmerischen Selbstständigkeit insofern mehr Schutz verdienen. Die Ungeeignetheit gesellschafts- und konzernrechtlicher Regeln wird auch bei der Forderung deutlich, der Emittent müsse gegenüber abhängigen Aktiengesellschaften im Bereich der §§ 311 ff. AktG mangels Weisungsrechts auf die Weitergabe von potenziell veröffentlichungspflichtigen Insiderinformationen hinwirken698. Denn wie erwähnt ist eine solche „Bemühenspflicht“ sinnlos, wenn und weil weder der Emittent noch der Konzern ein Interesse an dem Informationsfluss haben. Der Umfang der Befriedigung des öffentlichen Interesses an Kapitalmarktinformation kann daher nicht den Regeln des Interessenausgleichs innerhalb des

696

Vgl. dazu Bruns, in: Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 107, 110 ff. Vgl. dazu schon § 2 E. III. 698 Vgl. dazu die Nachw. in Fn. 657. 697

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Konzerns überlassen werden, sondern muss eigenständig bestimmt werden. Auch das spricht für einen ad-hoc-publizitätsspezifischen Auskunftsanspruch. 5. Mit der Anwendung nationaler Vorschriften verbundene Probleme a) Nachteil und Nachteilsausgleich Mit dem Verweis auf das nationale Recht wären außerdem kaum befriedigende Ergebnisse zu erzielen. Nähme man im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG – angesichts der Maßgeblichkeit der Veröffentlichungsmöglichkeit des Emittenten konsequent – an, dass dieser auch zur Geltendmachung faktischen Einflusses auf den gesellschaftsübergreifenden Informationsfluss zum Zweck der Ad-hoc-Publizität verpflichtet ist, wäre insbesondere der schon angedeuteten Frage nachzugehen, ob dabei die Grenzen nachteiliger Einflussnahme im konzernrechtlichen Sinn zu beachten wären. Keine große Sprengkraft hätte diese Frage zwar mit Blick auf Kosten, die der abhängigen Gesellschaft durch die eigene Informationsaufbereitung und -weitergabe entstehen könnten. Die Kosten wären bezifferbar und könnten von dem Emittenten übernommen werden. Würde eine Kostenübernahme von vornherein erfolgen, würde dies richtigerweise bereits die Nachteiligkeit der Maßnahme entfallen lassen699, so dass sie auch in abhängigen GmbHs mit Minderheitsgesellschaften, in denen ein Schädigungsverbot auch bei Ausgleichsfähigkeit der Nachteile besteht700, durchgesetzt werden dürfte. Anders lägen die Dinge aber hinsichtlich denkbarer Nachteile aus der öffentlichen Bekanntgabe der Insiderinformation selbst. Und tatsächlich wird die Veranlassung bzw. Weisung des Emittenten zur Weitergabe von Insiderinformationen zum Zweck der Ad-hoc-Publizität daher von Teilen der Literatur, die einen Informationsanspruch des Emittenten verneinen, als konzernrechtlich nachteilig eingestuft701. Wollte man sich dem anschließen, könnte man fragen, ob eine Pflicht des Emittenten zur rechtsträgerübergreifenden Informationsbeschaffung schon 699 Vgl. Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 64, 66. Die Prüffrage, ob die Geschäftsleitung einer unabhängigen Gesellschaft gleich gehandelt hätte, spielt bei fehlender wirtschaftlicher Nachteiligkeit der Maßnahme richtigerweise keine Rolle, BGH v. 01.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71, 75 f. Rn. 9 f.; für den hiesigen Zusammenhang LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 280 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); dazu auch Mader, Informationsfluss, S. 389. 700 H. M., siehe nur BGH v. 16.09.1985 – II ZR 275/84, NJW 1986, 188, 190; Baumbach / ​ Hueck / Beurskens22, Anh. Rn. 46 m. w. N. 701 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 139 f.; vgl. außerdem Fabritius, FS. U. Huber, S. 705, 712 ff.; ferner U. H.  Schneider / Burgard, FS Ulmer, S. 579, 598 f., die trotz Annahme einer Auskunftspflicht der abhängigen Gesellschaft von der Möglichkeit der Nachteiligkeit der Auskunft ausgehen, diese Nachteiligkeit sodann aber aufgrund der aus den Pflichten des herrschenden Unternehmens folgenden Wertungen für unbeachtlich erklären.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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an diesem Befund scheitern müsste, weil Art. 17 Abs. 1 MAR vom Emittenten nicht verlangen könne, Informationen durch Nachteilszufügung zu „erkaufen“702. Jedenfalls aber wäre man mit der weiteren Frage konfrontiert, ob die im Einzelfall denkbaren Nachteile überhaupt ausgleichsfähig wären. Würde man das wiederum verneinen, käme eine umfassende Weitergabe von Insiderinformationen allenfalls im Vertragskonzern in Betracht, in dem Verluste der abhängigen Gesellschaft pauschal nach § 302 AktG auszugleichen sind703. Ob die Hürde der Ausgleichsfähigkeit im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG genommen werden könnte, erscheint in der Tat zweifelhaft704. Der aus der allgemeinen Diskussion zur Nachteiligkeit des Informationstransfers stammende Vorschlag, das Entstehen nicht quantifizierbarer Nachteile von vornherein dadurch zu verhindern, dass das herrschende Unternehmen den späteren Ausgleich der aus der Verwendung der Information folgenden, ex ante aber noch nicht absehbaren Schäden zusagt705, wäre hier kaum gangbar. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass die Schäden wenigstens nachträglich beziffert werden könnten706. Das würde bei der Veröffentlichung sensibler Insiderinformationen aber erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil sich auch im Nachgang der Veröffentlichung kaum feststellen lassen wird, inwieweit etwa ein Absatzrückgang allein auf das Bekanntwerden einer negativen Insiderinformation zurückgeht707. Konsequent wäre es daher, die Weitergabe zum Zweck der Ad-hoc-Publizität zumindest hinsichtlich solcher Insiderinformationen, deren Bekanntgabe die abhängige Gesellschaft voraussichtlich schädigt, außerhalb vertraglicher Konzernierungen für rechtlich unzulässig zu halten708. Selbst im Vertragskonzern müsste aber noch erklärt werden, weshalb 702 Darin implizit noch keine Zumutbarkeitsgrenze sehend Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 137 ff., 237 ff.; U. H.  Schneider / Burgard, FS Ulmer, S. 579, 598 f. 703 Anders zwar U. H.  Schneider / Burgard, FS Ulmer, S. 579, 598 f., die auch nicht ausgleichsfähige Nachteile hinnehmen wollen. Weil sie aber eine Auskunftspflicht der abhängigen Gesellschaft annehmen, ist das i. E. folgerichtig. Überzeugender wäre es aber, dann schon keinen Nachteil anzunehmen, sondern die Auskunftspflicht als passiven Konzerneffekt einzustufen. 704 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 140 ff.; a. A., aber ohne Erläuterung, Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 198. 705 Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 66; Krieger, in: MünchHdb. AG4, § 70 Rn. 91; Rothweiler, Informationsfluss, S. 84 f.; ferner MünchKomm. AktG / Altmeppen 4, § 311 Rn. 347 f. m. w. N.; ausf. dazu Will, Nachteilsausgleichsvereinbarungen, S. 253 ff. 706 Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 66. 707 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 144. Insbesondere kann auch nicht einfach von dem Kursrückgang beim Emittenten „zurückgerechnet“ werden, weil die Kursbewegung ja in erster Linie das Ereignis selbst bewertet. Zu fragen wäre daher, inwieweit sich das Ereignis möglicherweise schon ohne dessen Bekanntgabe wertmindernd ausgewirkt hat. Anderenfalls würde man den Emittenten zum Ausgleich auch der von ihm nicht zu verantwortenden Folgen des Ereignisses selbst verpflichten. 708 So wohl Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 140 ff.; vgl. dazu auch Mader, Informationsfluss, S. 390.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

der nachteilige Informationstransfer im Sinn des § 308 Abs. 1 Satz  2 AktG im „Konzerninteresse“ liegen soll709. Denn weder der Emittent noch eine sonstige Konzerngesellschaft haben ein Interesse an einem Informationsfluss, der über den aus anderen Gründen ohnehin stattfindenden Informationsaustausch hinausgeht710. b) Auswirkungen auf den allgemeinen Informationsfluss im Konzern Bedenken ergeben sich aus der Anwendung nationaler Regeln außerdem insofern, als die Annahme rechtlicher Nachteiligkeit der Weitergabe von Insiderinformationen auch auf den allgemeinen rechtsträgerübergreifenden Informationsfluss erhebliche Auswirkungen haben müsste. Denn nach zutreffender Ansicht ist bei der Frage der Nachteiligkeit des Informationstransfers von der abhängigen Gesellschaft zum herrschenden Unternehmen grundsätzlich auch die Gefahr zu berücksichtigen, die sich aus der Möglichkeit einer anderen als der eigentlich bezweckten Verwendung der Information zulasten der abhängigen Gesellschaft ergibt711. Für die Ad-hoc-Publizität würde das bedeuten, dass die aus der Veröffentlichung sensibler Insiderinformation folgenden Nachteile richtigerweise auch dann relevant wären, wenn der Emittent die Information nicht mit Blick auf seine Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR, sondern etwa zum Zweck der Konzernleitung oder -kontrolle anfordert. Insbesondere könnte eine nachteilige Veranlassung des Emittenten in diesen Fällen nicht schon mit dem Argument verneint werden, dass der eigentlich verfolgte Zweck unschädlich sei, die Veröffentlichungspflicht der Information aber nicht mehr im Ermessen des Emittenten liege, sondern aus einer gesetzlichen Pflicht folge. Entscheidend ist nämlich nur, dass die Gefahr tatsächlich aus der veranlassten Informationsweitergabe hervorgeht712. Ebenso wenig würde die erforderliche Konkretheit der Gefahr für die Vermögens- oder Ertragslage der abhängigen Gesellschaft von dem eigentlichen Zweck des Informationsflusses abhängen. Entscheidend ist insofern nur, dass der Emittent tatsächlich von der sensiblen Information Kenntnis erlangen und eine Veröffentlichung daher (konkret) drohen würde713. 709 Nach zutr. herrschender Ansicht gilt die Voraussetzung entsprechend auch für andere abhängige Aktiengesellschaften; siehe nur Hüffer / Koch14, § 311 AktG Rn. 43; KK AktG / Koppensteiner 3, § 311 Rn. 102 m. z. N. 710 Zirkulär wäre es insbesondere auf das Interesse des Emittenten an der Erfüllung der Adhoc-Publizitätspflicht zu verweisen, so aber Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 145; ferner S. H. Schneider, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 3 Rn. 27. 711 Eingehend m. z. N. Mader, Informationsfluss, S. 392 ff., 397. Dort auch zur Streitfrage, ob es im Zeitpunkt der Informationsweitergabe bereits Anhaltspunkte für eine schädliche Verwendung geben muss, um die für die Nachteiligkeit erforderliche konkrete Gefährdung bejahen zu können. Diese Frage muss hier nicht beantwortet werden, weil mit der öffentlichen Bekanntgabe der weitergegebenen Insiderinformation stets gerechnet werden müsste. 712 Vgl. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 139 f.; zweifelnd Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 198. 713 Vgl. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 139 f.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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Während diese Überlegungen im Rahmen des allgemeinen Informationsflusses keine allzu große Tragweite haben, weil dort meist schon die Entstehung nicht quantifizierbarer Nachteile mit Verweis auf die Treuepflicht des herrschenden Unternehmens, die Information nur zu unschädlichen Zwecken zu verwenden, verneint werden kann714, besteht diese Möglichkeit im Rahmen der Ad-hoc-Publizität offensichtlich nicht. Wenn und weil der Emittent wegen seiner Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR keine Geheimhaltung der Information zusagen715 und mangels verlässlicher Bezifferbarkeit der daraus möglicherweise folgenden Schäden auch keinen Ausgleich garantieren kann, müsste die Weitergabe sensibler Insiderinformationen, gleich zu welchem Zweck, jedenfalls außerhalb vertraglicher Konzernierungen unterbleiben. Ein Verständnis des Art. 17 Abs. 1 MAR, mit dem der Austausch der für die Konzernleitung und -kontrolle gerade besonders wichtigen Informationen behindert wird, erscheint aber nicht tragbar. Dieses Unbehagen teilt auch eine neuere Stimme, die einen Informationsanspruch des Emittenten ablehnt. Trotz der genannten Gefahren für abhängige Gesellschaften geht sie daher von der rechtlichen Neutralität der Weitergabe von Insiderinformationen an den Emittenten aus716. Getragen scheint dieses Verständnis von der Überlegung, dass der rechtsträgerübergreifende Informationsfluss vom Gesetzgeber gerade erwünscht sei, was darin zum Ausdruck komme, dass er die Ad-hoc-Publizitätspflicht konzernbezogen ausgestaltet habe717. Das Problem dieser Argumentation ist aber, dass sie dem Gesetzgeber eine gewisse Unentschlossenheit unterstellt: Er wolle den Informationsfluss zwar eigentlich den gesellschafts- und konzernrechtlichen Regeln überlassen, deren Konsequenzen aber nicht akzeptieren und den Informationstransfer daher doch gleichzeitig wünschen. Die Argumentation verdeutlicht die Überlegenheit der Annahme eines speziellen Auskunftsrechts und einer damit verbundenen Informationsbeschaffungspflicht des Emittenten. Selbst wenn die rechtliche Nachteiligkeit des Informationsflusses auch ohne Annahme eines solchen Auskunftsrechts mit Verweis auf ein öffentliches Interesse verneint werden könnte, würde das außerdem nichts an einer faktischen Nachteiligkeit ändern. Diese faktische Nachteiligkeit würde eine – über die aus sonstigen 714

Hüffer / Koch14, § 311 AktG Rn. 36b f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401, 421; siehe auch ­Hüffer, FS Schwark, S. 185, 197; außerdem Holle, Legalitätskontrolle, S. 138 ff.; Mader, Informationsfluss, S. 414 ff.; letztere auch zur Problematik in Einpersonen-Gesellschaften, in denen die Treuepflicht nicht gilt. 715 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 139; i. E. anders aber Schröder, Selbstbefreiung, S. 104, der davon ausgeht, der Emittent könne der verbundenen Gesellschaft die Vertraulichkeit zusagen und habe dann ein berechtigtes Aufschubinteresse, weil er mit der Veröffentlichung seine Zusage verletzen würde. 716 Mader, Informationsfluss, S. 391 f., mit Verweis auf Habersack, FS Möschel, S. 1175, 1190 f.; ders., in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 51a, der allerdings – anders als Mader (a. a. O., S. 301 f.) – auch eine Auskunftspflicht der abhängigen Gesellschaft kraft Treuepflicht für möglich hält, mit der sich die rechtliche Neutralität denn auch begründen lässt (Habersack, a. a. O., S. 1191 f. einerseits, a. a. O., § 311 AktG Rn. 90 andererseits); ähnlich wie letzterer auch U. H.  Schneider / Burgard, FS Ulmer, S. 579, 598 f. 717 Mader, Informationsfluss, S. 391 f.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Gründen stattfindende  – Informationsweitergabe jedenfalls zwischen Aktiengesellschaften im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG und dem Emittenten tatsächlich verhindern. Es gilt das oben Gesagte: Gerade weil ein öffentliches Interesse an dem rechtsträgerübergreifenden Informationsfluss und damit an der Bekanntgabe von Insiderinformationen auch aus Tochtergesellschaften bestehen kann, darf dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er wolle den Umfang der Befriedigung dieses Interesses den insofern sachfremden Regeln des privaten Interessenausgleichs im Unternehmensverbund überlassen718. 6. Gleichlauf der Ad-hoc-Publizität und der Regelpublizität Als stützendes Argument für die Anerkennung eines speziellen Informationsrechts des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR lässt sich ferner anführen, dass hinsichtlich der Möglichkeiten der rechtsträgerübergreifenden Informationsbeschaffung nur auf diese Weise ein Gleichlauf der Ad-hoc-Publizität und der bilanz- und kapitalmarkrechtlichen Regelpublizität gelingt719. Man muss die Interessenlage bei der Ad-hoc-Publizität einerseits und der Regelpublizität andererseits zwar nicht für unmittelbar vergleichbar halten720. Jedenfalls aber aus rechtspolitischer Sicht überzeugt der Gleichlauf, zumal der Ad-hoc-Publizität die Funktion einer Ergänzung der Regelpublizität zugeschrieben wird721. 7. Keine dem Auskunftsrecht entgegenstehenden Vorschriften Einem Informationsrecht des Emittenten stehen schließlich auch sonstige Vorschriften nicht entgegen. In den Blick zu nehmen sind dabei insbesondere Verschwiegenheitspflichten auf Ebene der verbundenen Gesellschaften und das insiderrechtliche Offenlegungsverbot nach Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR.

718

Dazu schon oben § 4 B. III. 4. Nach § 117 WpHG sind Tochterunternehmen auch in die kapitalmarktrechtliche Regelpublizität nach den §§ 114 ff. WpHG ausdrücklich einbezogen; siehe dazu auch Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 3 Transparenz-Richtlinie (Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004, ABl. Nr. L 390, S. 38). Insofern wird § 294 Abs. 3 S. 2 HGB analog als Rechtsgrundlage eines Informationsanspruchs des Emittenten herangezogen, MünchKomm. AktG / Altmeppen5, § 311 Rn. 425; Fleischer, ZGR 2009, 505, 532; Rothweiler, Informationsfluss, S. 22 ff., Scheffler, AG 1991, 256, 259 Fn. 25; M. Wittmann, Informationsfluss im Konzern, S. 103 ff.; ferner Bosse, Der Konzern 2019, 1, 4; für eine direkte Anwendung des § 294 Abs. 3 S. 2 HGB ferner Mader, Informationsfluss, S. 329 ff. 720 Kritisch Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; vgl. auch Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 186 ff. 721 Dazu nur Fürhoff, Ad hoc-Publizität, S. 130 f.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 9 m. w. N.; v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, S. 47 f. 719

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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a) Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR In der bisherigen Untersuchung wurde unterstellt, dass die betriebsinterne Weitergabe von Insiderinformationen zum Zweck der Ad-hoc-Publizität nicht mit dem Offenlegungsverbot nach Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 MAR in Konflikt gerät. Ob dies mit dem Ausnahmetatbestand der „normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben“ nach Art. 10 Abs. 1 MAR begründet werden kann, muss nicht entschieden werden. Denn die Zulässigkeit des Informationsflusses zum Zweck der Ad-hoc-Publizität folgt jedenfalls schon aus dem Sinn und Zweck des Art. 17 MAR sowie der Marktmissbrauchsverordnung insgesamt: Weil Art. 17 MAR nicht nur zur Veröffentlichung von Informationen verpflichtet, von denen die zuständige Stelle zufällig oder gar unter Verstoß gegen das Offenlegungsverbot erfährt, setzt die Vorschrift einen Informationsfluss voraus, der – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum insiderrechtlichen Weitergabeverbot722 – von Art. 10 Abs. 1 MAR ausgenommen sein muss723. Die Marktmissbrauchsverordnung bringt damit zum Ausdruck, dass sie die Veröffentlichung von Insiderinformationen, also die vollständige Eliminierung des Insiderwissens, aus naheliegenden Gründen als wichtiger erachtet als die Eindämmung des Insiderkreises durch Geheimhaltung724. Sofern man nicht schon die Öffnungsklausel der „normalen Erfüllung von Aufgaben“ nach Art. 10 Abs. 1 MAR für die Weitergabe zum Zweck der Ad-hoc-Publizität heranziehen will, lautet die dogmatische Begründung, dass Art. 17 Abs. 1 MAR als die speziellere Vorschrift, die auch den vorgelagerten Informationsfluss umfasst, den Tatbestand der unrechtmäßigen Offenlegung insoweit verdrängt. Aus diesem Grund steht das Offenlegungsverbot auch einer Auskunftspflicht verbundener Gesellschaften gegenüber dem Emittenten nicht entgegen725. Soweit der Emittent zur rechtsträgerübergreifenden Suche nach Insiderinformationen verpflichtet ist, muss die auf die öffentliche Bekanntgabe gerichtete Informationsweitergabe vielmehr vom Verbot des Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 MAR ausgenommen sein726. Daraus folgt nicht auch, dass die im Rahmen des Art. 10 MAR stets erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung hier obsolet würde. Die Offenlegung ist 722 Grundlegend EuGH v. 22.11.2005  – C-348/02, ECLI:EU:C:2005:708 (Grøngaard und Bang). 723 Vgl. Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 171 f., 237; Singhof, ZGR 2001, 146, 164; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 124; ferner Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 779; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 18. 724 Vgl. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 124; Klöhn MAR / ​ Klöhn, Art. 10 Rn. 20. 725 Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 171 f., 237; Singhof, ZGR 2001, 146, 164; vgl. ferner Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 18. 726 Siehe Nachw. in vor. Fn.; außerdem LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 271 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); implizit auch Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 312 ff.; für eine Weitergabebefugnis im Fall von konzernrechtlich vermittelten Auskunftsansprüchen des herrschenden Unternehmens ferner Mader, Informationsfluss, S. 158 ff.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

auch hier nur gestattet, wenn sie für das Ziel der Ad-hoc-Publizität erforderlich727 und verhältnismäßig im engeren Sinn ist. Das bedeutet insbesondere, dass die Insiderinformation selbstverständlich nicht jedem beliebigen Unternehmensangehörigen innerhalb des Emittenten mitgeteilt werden darf, sondern nur die Personen zu informieren sind, die in die Ad-hoc-Publizität des Emittenten eingebunden sind. b) Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleiter der anderen Gesellschaft Die Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleiter728 der anderen Gesellschaft, die in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG für die AG ausdrücklich normiert ist und in § 85 GmbHG auch für die GmbH zum Ausdruck kommt, spielt im hiesigen Kontext jedenfalls dann eine Rolle, wenn die Geschäftsleitung in den rechtsträgerübergreifenden Informationsfluss eingeschaltet werden soll und es sich bei der betroffenen Insiderinformation wie oftmals um ein „Geheimnis der Gesellschaft“ handelt, also um eine nicht öffentlich bekannte Tatsache, an deren Geheimhaltung die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse hat729. Einer Auskunftspflicht der verbundenen Gesellschaft kann die Verschwiegenheitspflicht aber nicht entgegengehalten werden. Das folgt zum einen schon aus dem Vorrang der unionsrechtlichen Mitteilungs- vor der nationalrechtlichen Geheimhaltungspflicht. Ähnlich wie sich die Veröffentlichungspflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR gegen nationale Verschwiegenheitspflichten durchsetzt, was sich auch an Art. 17 Abs. 4 MAR ablesen lässt730, muss auch die ad-hocpublizitätsspezifische Informationspflicht der verbundenen Gesellschaft Vorrang genießen. Im Übrigen gilt unabhängig von Fragen des Anwendungsvorrangs außerdem, dass sich gesetzliche Mitteilungspflichten – auch des nationalen Rechts – gegenüber den Verschwiegenheitspflichten der Geschäftsleiter in aller Regel durchsetzen, weil die Erfüllung gesetzlicher Pflichten im Interesse der Gesellschaft liegt und die Informationspflicht anderenfalls regelmäßig leerliefe731. 727

Aus der Formulierung des EuGH (Nachw. in Fn. 722, dort Rn. 34), die Weitergabe müsse für den legitimen Zweck „unerlässlich“ sein, dürfte nichts anderes folgen; dazu Klöhn MAR / Klöhn, Art. 10 Rn. 73 ff.; ferner Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 529. 728 Eine verwandte Pflicht lässt sich den Straftatbeständen des § 17 UWG für alle Beschäftigten entnehmen. Sie dürfte im hiesigen Kontext aber schon aufgrund ihrer besonderen subjektiven Voraussetzungen praktisch keine Rolle spielen. 729 Vgl. dazu nur BGH v. 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329; MünchKomm AktG / Spindler5, § 93 Rn. 134; Wilsing / v. d. Linden, ZHR 178 (2014), 419, 429, jew. m. w. N.; zur Überschneidung der Begriffe „Insiderinformation“ und „Geschäftsgeheimnis“ Lutter / Krieger / ​ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats7, § 6 Rn. 294 f. 730 Dazu Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 72; Klöhn MAR / ​ Klöhn, Art. 17 Rn. 234; MünchKomm AktG / Spindler5, § 93 Rn. 159; vgl. zu § 15 WpHG a. F. auch Mülbert / Sajnovits, WM 2016, 2540, 2541; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 332. 731 Ganz h. M.; zur Ad-hoc-Publizitätspflicht Wilsing / v. d. Linden, ZHR 178 (2014), 419, 430; vgl. im Übrigen nur Spindler / Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 167; Hüffer / Koch14, § 93 AktG Rn. 31; eingehend Mader, Informationsfluss, S. 128 ff.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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c) Art. 17 Abs. 4 MAR Schwierigere Fragen wirft der Befreiungstatbestand des Art. 17 Abs. 4 MAR auf. Probleme für den rechtsträgerübergreifenden Informationsfluss könnten aus ihm insofern folgen, als fraglich ist, wie seine Voraussetzungen bei Informationen aus anderen Gesellschaften erfüllt werden können. Wäre eine Selbstbefreiung hinsichtlich solcher Informationen für den Emittenten nicht möglich, wären Geheimhaltungsinteressen verbundener Gesellschaften, die zur Auskunft gegenüber dem Emittenten verpflichtet sind, schlechter geschützt als die Interessen des Emittenten selbst732. Problematisch erscheinen dabei in erster Linie die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 lit. a) MAR, also das Überwiegen der Geheimhaltungsinteressen des Emittenten gegenüber den Informationsinteressen des Kapitalmarkts, sowie des Art. 17 Abs. 4 lit. c) MAR, also die Gewährleistung der vertraulichen Behandlung der Information durch den Emittenten während der Befreiungszeit. Gegen ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten lässt sich Art. 17 Abs. 4 MAR aber schon deshalb nicht in Stellung bringen, weil die durch die Vorschrift aufgeworfenen Probleme unabhängig von der Annahme solcher Rechte und Pflichten bestehen. Die Frage, wie der Emittent die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 MAR einhalten kann, stellt sich nämlich nicht nur, wenn er die Information auf der Grundlage seines Informationsanspruchs aus Art. 17 Abs. 1 MAR erlangt, sondern ebenso, wenn er sie bei Rückgriff auf das nationale Recht durch Geltendmachung gesellschafts- oder konzernrechtlich Auskunftsrechte oder auf freiwilliger Basis von der anderen Gesellschaft erhalten würde. Art. 17 Abs. 4 MAR, der offensichtlich auf Informationen zugeschnitten ist, die den Emittenten, nicht aber auch andere Konzerngesellschaften unmittelbar betreffen, verdeutlicht nur einmal mehr, dass der Unionsgesetzgeber die Probleme, die die Ad-hoc-Publi­ zitätspflicht im Unternehmensverbund verursachen kann, nicht hinreichend bedacht hat733. Abgesehen davon lassen sich diese Probleme aber auch bewältigen. Schon zur alten Rechtslage wurden sie ausführlich diskutiert734, so dass ihre Lösung hier – auch angesichts der nur mittelbaren Relevanz für die Frage spezieller Auskunftsrechte und -pflichten – nur zu skizzieren ist. Was die Interessenabwägung nach Art. 17 Abs. 4 lit. a) MAR betrifft, so hat der Emittent bei Bestehen eines Interesses der zur Auskunft verpflichteten Gesellschaft an der Geheimhaltung in aller Regel ein eigenes Interesse am Aufschub,

732 Vgl. Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 177, 239 f.; Rothweiler, Informationsfluss, S. 186. 733 Zur Befreiungsvorschrift des § 15 Abs. 1 S. 5 WpHG a. F. schon Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 262. 734 Ausf. dazu Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 348 ff.; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 90 ff.; Rothweiler, Informationsfluss, S. 185 ff.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

das er als eigenes Interesse in die Abwägung einbringen kann735. Existiert ausnahmsweise allein ein Geheimhaltungsinteresse der anderen Gesellschaft, muss eine analoge Anwendung des Art. 17 Abs. 4 MAR möglich sein, um einen Gleichlauf zwischen Reichweite der Veröffentlichungspflicht des Emittenten und den berücksichtigungsfähigen Geheimhaltungsinteressen zu erreichen736. Es dürfte dann genügen dass sich die andere Gesellschaft, wäre sie selbst zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet, erfolgreich nach Art. 17 Abs. 4 MAR befreien könnte737. Problematischer erscheint zwar die Sicherstellung der Geheimhaltung einer Insiderinformation, die auch innerhalb der abhängigen Gesellschaft bekannt ist. Zu bedenken ist aber, dass allein der Umstand, dass eine Person außerhalb des Emittenten im Besitz der Insiderinformation ist, nach wohl einhelliger Meinung noch nicht dazu führt, dass der Emittent die Geheimhaltung nicht mehr gewährleisten kann. Dies muss schon deshalb so sein, weil der Emittent zur Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen auch externe Berater einschalten können muss738. Insofern wird man es gerade angesichts der Tatsache, dass Art. 17 Abs. 4 MAR auf diese Fälle nicht zugeschnitten ist, für ausreichend halten dürfen, dass sich der Emittent im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vergewissert, dass die abhängige Gesellschaft ihrerseits geeignete Maßnahmen zur Geheimhaltung739 ergreift740, und 735

Vgl. Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 350 f.; Holle, Legalitätskontrolle, S. 159; Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 153; dies., ZGR 2017, 765, 824; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 101; Veil / Brüggemeier, in: Meyer / ​ Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 102; siehe auch Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 91 ff. m. z. N. zum Streitstand. 736 Hopt / Kumpan, in: Schimansky / Bunte / Lwowski, Bankrechts-Handbuch5, § 107 Rn. 153; vgl. auch Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 102, zu § 15 WpHG a. F. außerdem Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 99 ff.; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 32 f.; v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, S. 183; Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 262 ff.; i. E. auch Rothweiler, Informationsfluss, S: 187 f.; ferner Schröder, Selbstbefreiung, S. 106 f.; für das Ausreichen eines konzernweiten Aufschubinteresses außerdem Frowein, in: Habersack / Mülbert / Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation2, § 10 Rn. 88; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 381; Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2033; vgl. dazu auch Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 823; für eine Analogie im Fall der Emittenteneigenschaft nur der Tochtergesellschaft Singhof, ZGR 2001, 146, 170; nur unter sehr engen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Geheimhaltungsinteressen der nicht selbst publizitätspflichtigen Gesellschaft Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 177 f., 180 f., 240 f. 737 Vgl. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 33; strenger aber Figiel, Die Weitergabe von Insider­ informationen, S. 180 f. (i. V. m. S. 177 f.), der ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse dann nur im Ausnahmefall annimmt. 738 Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 110; S. H.  Schneider, BB 2005, 897, 900. 739 Zu den für die Geheimhaltung erforderlichen Maßnahmen Assmann, in: Assmann / ​ Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 125 ff.; Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 266 ff. 740 Vgl. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 111, der aber weitergehend verlangt, dass der Emittent mit den verbundenen Gesellschaften Vereinbarungen schließt, die Verschwiegenheitspflichten und die Durchführung der Maßnahmen, die auch beim ­Emittenten selbst erforderlich sind, zum Gegenstand haben.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

173

er erst bei Anhaltspunkten für Vertraulichkeitslücken mit der Veröffentlichung reagiert. Immerhin hat die abhängige Gesellschaft ein eigenes Interesse daran, dass die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 MAR eingehalten werden können.

IV. (Organisations-)Pflichten verbundener Gesellschaften? Oben wurde festgestellt, dass der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 MAR nicht nur zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet ist, sondern er die Veröffentlichung zudem durch die Organisation des betriebsinternen Insiderwissens sicherstellen muss741. Schwieriger zu beantworten ist hingegen die – auch innerhalb der Stimmen, die wie hier einen Auskunftsanspruch des Emittenten bejahen, nicht diskutierte – Frage, welche Anstrengungen die verbundene Gesellschaft unternehmen muss, um ihrer Auskunftspflicht zu genügen. In den schon angesprochenen Fällen zum europäischen Betriebsrat hat der EuGH die Konzerngesellschaften ausdrücklich nicht nur für verpflichtet gehalten hat, ihnen bereits bekannte Informationen weiterzugeben, sondern auch, diese Informationen, soweit möglich, selbst zu beschaffen742. Und auch im hiesigen Kontext ließen sich für ein weites Verständnis, nach dem nicht nur Auskunfts-, sondern auch Informationssuchpflichten der verbundenen Gesellschaft bestehen, bereits genannte Gründe anführen: Würde man die Gesellschaft zur Auskunft nur solcher Insiderinformationen verpflichten, die auf ihrer Geschäftsleiterebene bekannt sind bzw. werden, würde eine Entwertung des Auskunftsrechts des Emittenten und damit der Ad-hoc-Publizität drohen743. In gewissem Umfang würde die Adhoc-­Publizität wieder den Modalitäten der Informationspolitik der jeweiligen Gesellschaft überlassen; dem Emittenten würden jedenfalls theoretisch Umgehungsstrategien ermöglicht744. Anderseits spricht der Umstand, dass sich die Auskunftspflicht der anderen Gesellschaft lediglich von der Pflicht des für die Ad-hocPublizität verantwortlichen Emittenten ableitet und die Annahme weitreichender Such- und Organisationspflichten der anderen Gesellschaft die Herleitungsbasis des Art. 17 Abs. 1 MAR überstrapazieren würde, dafür, die Anforderungen nicht zu überspannen. Einzelheiten der Auskunftspflicht der mit dem Emittenten verbundenen Gesellschaften sollen in dieser Untersuchung ausgeklammert werden. Wichtig ist vor allem, dass das Problem in Ermangelung einer primären Verpflichtung dieser Gesellschaften und mangels Mechanismen zur Durchsetzung der Auskunfts 741

Oben § 2 E. EuGH v. 29.03.2001  – C-62/99, ECLI:EU:C:2001:188 (bofrost), Rn. 39; EuGH v. 13.01.2004 – C-440/00, ECLI:EU:C:2004:16 (Kühne & Nagel), Rn. 59; EuGH v. 15.07.2004 – C-349/01, ECLI:EU:C:2004:440 (ADS Anker), Rn. 54. 743 Vgl. dazu auch die Gründe gegen ein Kenntniserfordernis beim Emittenten, § 2 A. I. 744 Insofern gelten die oben angestellten Überlegungen entsprechend, § 4 B. III. 3. 742

174

§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

pflicht745 aus der Perspektive des Emittenten zu betrachten ist: Es kommt darauf an, welche Anstrengungen von dem Emittenten bei der Durchsetzung seines Anspruchs zu verlangen sind, damit dieser seinen Pflichten aus Art. 17 Abs. 1 MAR genügt. Fest steht mit anderen Worten, dass es in der Verantwortung des Emittenten liegt, relevante Insiderinformationen zu besorgen. Die andere Konzerngesellschaft muss also nicht von sich aus tätig werden und der Emittent darf sich nicht auf deren Initiative verlassen. Vielmehr muss der Emittent von seinem Informationsrecht – etwa in Gestalt von Konzernrichtlinien – Gebrauch machen und relevante verbundene Gesellschaften auf ihre Informationspflicht sowie die damit wohl auch verbundene Pflicht, für die betriebsinterne Kommunikation wenigstens besonders auffälliger Informationen zu sorgen, hinweisen. Hat der Emittent dies getan, darf er sich grundsätzlich auf das ordnungsgemäße Verhalten der Gesellschaft verlassen. Mehr Einsatz ist von ihm nur zu erwarten, wenn es Anhaltspunkte für Missstände gibt. Dann muss er genauer hinsehen und kann angehalten sein, von seinen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die verbundene Gesellschaft zu ordnungsgemäßem Verhalten zu bewegen746. Verstößt der Emittent gegen diese Vorgaben und unterbleibt deshalb die Weitergabe einer veröffentlichungspflichtigen Information, verletzt er seine Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR. Grobe Fahrlässigkeit im Sinn des § 97 Abs. 2 WpHG wird man dem Emittenten angesichts der anhaltenden Diskussion zum Umfang der Ad-hoc-Publizitätspflicht gerade in Konzernsachverhalten aber nur dann vorwerfen können, wenn er bzw. die für ihn handelnden Personen das Problem relevanter Insiderinformationen aus verbundenen Gesellschaften ignoriert bzw. ignorieren. Der Mangel an Rechtdurchsetzungsmöglichkeiten und Sanktionen gegenüber relevanten verbundenen Gesellschaften spricht nicht entscheidend gegen die Annahme ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte und -pflichten. Zu bedenken ist insofern zum einen, dass der erwünschte Informationstransfer ohne diese Rechte und Pflichten regelmäßig konzernrechtlich unzulässig oder wenigstens be-

745

Dazu auch noch unter § 4 B. VI. Dies widerspricht auch nicht der These von der Irrelevanz gesellschafts- und konzernrechtlich vermittelter Informationsbeschaffungsmöglichkeiten. Denn die genannte Einwirkungspflicht des Emittenten tritt hier notgedrungen an die Stelle fehlender gesetzlich normierter Durchsetzungsmöglichkeiten hinsichtlich der Auskunftspflicht der verbundenen Gesellschaft, weil solche Durchsetzungsmöglichkeiten nicht mehr in Art. 17 Abs. 1 MAR hineingelesen werden können. Das ist bei dem Auskunftsrecht und der Auskunftspflicht selbst aber anders, weil diese wie gezeigt aus Art. 17 Abs. 1 MAR abgeleitet werden können und im Interesse effektiver Kapitalmarktinformation abgeleitet werden müssen. Sofern der Emittent keine Einflussmöglichkeiten hat, z. B. gegenüber einer Mutter- oder Schwestergesellschaften (dazu oben § 4 A.), sind entsprechend geringe Anforderungen zu stellen. Für ihn relevante Insider­informationen dürften dort aber ohnehin nicht besonders häufig vorkommen; zu Letzterem etwa Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 103 f.; Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 66; eingehend Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 227 ff. 746

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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denklich wäre747. Zudem darf nicht übersehen werden, dass auch die Frage nach den Verhaltenspflichten verbundener Gesellschaften kein spezielles Pro­blem adhoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte des Emittenten ist. Vielmehr würde sich die Frage in ähnlicher Weise auch stellen, wenn man den Emittenten zur Informationsbeschaffung nur im Rahmen seiner gesellschafts- und konzernrechtlichen Möglichkeiten verpflichten wollte. In diesem Fall läge es ebenfalls nahe, dass der Emittent sich nicht auf ein bloßes Auskunftsverlangen beschränken dürfte, sondern seine Einflussmöglichkeiten auch mit Blick auf den Informationsfluss innerhalb der Tochtergesellschaft nutzen müsste.

V. Keine rechtsträgerübergreifende Zurechnung Aus der Anerkennung eigener ad-hoc-publizitätsspezifischer Informationspflichten bestimmter mit dem Emittenten verbundener Gesellschaften folgt, dass es eine pflicht- oder haftungsbegründende Verhaltens-, Verschuldens- und Wissenszurechnung seitens der bei dieser Gesellschaft tätigen natürlichen Personen hin zum Emittenten nicht gibt748. Denn die Organwalter und nachgeordneten Mitarbeiter der verbundenen Gesellschaft werden zur Erfüllung der Auskunftspflichten der eigenen Gesellschaft, nicht aber der Pflichten des Emittenten tätig. Zwar sind auch die Informationspflichten der anderen Gesellschaft von der Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten abgeleitet. Das genügt für die Zurechnung allerdings nicht, weil der Einsatz der Mitarbeiter der anderen Gesellschaft nicht auf die Aufgabenverlagerung des Emittenten zurückgeht749. Es würde auch ersichtlich zu weit gehen, den Emittenten zum Gehilfeneinsatz in der verbundenen Gesellschaft zu verpflichten und die dafür erforderlichen Weisungsrechte gegenüber der anderen Gesellschaft ebenfalls aus Art. 17 Abs. 1 MAR herzuleiten. Aus demselben Grund scheitert außerdem eine Zurechnung des Wissens, Verhaltens und Verschuldens der anderen Gesellschaft selbst hin zum Emittenten. Denn auch die verbundene Gesellschaft ist nicht eine vom Emittenten bestimmte oder zu bestimmende „Hilfsperson“, sondern – mittelbar – kraft Gesetzes selbst verpflichtet750.

747

Zu dem Problem des im konzernrechtlichen Sinn nachteiligen Informationstransfers oben § 4 B. III. 5. 748 Zum Sonderfall von Doppelmandaten auf Organwalterebene siehe noch § 4 D. 749 Allg. zum Aspekt der Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung oben § 2 C. II. 2. 750 Bei Ablehnung eigener Mitwirkungspflichten der verbundenen Gesellschaften wären diese Schlussfolgerungen daher zumindest weniger selbstverständlich. Denn die in dieser Untersuchung für relevant befundenen Zurechnungsgrundsätze differenzieren ebenso wenig wie die §§ 166, 278 BGB danach, ob die jeweilige Person Organwalter des Normbetroffenen, dessen Verrichtungsgehilfe im Sinn des § 831 BGB, außenstehender Dritter oder eben Angehöriger einer verbundenen Gesellschaft ist (vgl. dazu auch BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360, wo eine rechtsträgerübergreifende Wissenszurechnung zutr. für möglich gehalten wird, „wenn die Wahrnehmung der Aufgaben der juristischen Person […] so organisiert ist, daß ein Teil ihres Aufgabenbereichs auf eine natürliche Person oder eine

176

§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Für eine rechtsträgerübergreifende Zurechnung spricht auch nicht, dass zur Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten in Konzernsachverhalten im Rahmen dieser Untersuchung auf Kriterien zurückgegriffen wurde, die entfernt an die Rechtsprechung des EuGH zum Unternehmensbegriff als „wirtschaftliche Einheit“ im Kartellrecht erinnern mögen751. Denn während im Mittelpunkt der Rechtsprechung des EuGH die Fragen einer rechtsträgerübergreifenden Verhaltens- und Haftungszurechnung stehen, ging es oben lediglich um die Bestimmung der Art der grundsätzlich veröffentlichungspflichtigen Insiderinformationen. Nicht zuletzt weil Art. 17 Abs. 1 MAR nur Emittenten als einzelne juristische Personen – und nicht „Unternehmen“ – verpflichtet752, sollte die Ad-hoc-Publizität jedenfalls nicht zum Anlass genommen werden, die mit der Rechtsprechung des EuGH im Kartellrecht verbundenen Aufweichung des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips753 auf die vorliegenden Fälle zu übertragen754. Keine Relevanz, weder für die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR noch für die deutschen Haftungsnormen der §§ 97 f. WpHG, haben nach der hiesigen Untersuchung schließlich die Überlegungen zu einer – ohnehin sehr restriktiv gehandhabten – rechtsträgerübergreifenden Wissenszurechnung, die auf der Grundlage des organisationspflichtenbezogenen Zurechnungskonzepts des BGH entwickelt wurden755.

selbständige juristische Einheit ausgegliedert ist.“). Sofern man den Emittenten für verpflichtet halten würde, seinen gesellschafts- und konzernrechtlichen Einfluss auch in Gestalt der Vergabe ad-hoc-publizitätsspezifischer Aufgaben an Angehörige der abhängigen Gesellschaft geltend zu machen, läge eine Zurechnung seitens dieser Personen daher nicht fern. Gegen sie könnte zwar angeführt werden, dass die Angehörigen der anderen Gesellschaft formal nur im Rahmen von Beschäftigungs- oder Organverhältnissen zu „ihrer“ Gesellschaft tätig sind. Dass aber diese Gesellschaft, der das Wissen, Verhalten und Verschulden ihrer eigenen Beschäftigten zuzurechnen ist, ihrerseits keine zurechnungsrelevante „Hilfsperson“ ist, würde dann weiteren Begründungsaufwand fordern. 751 Oben § 4 A. 752 Siehe die Definition des Begriffs „Emittent“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 MAR. 753 Siehe hier nur EuGH v. 10.04.2014 – C-231/11 P, ECLI:EU:C:2014:256 (Siemens Österreich / Kommission) Rn. 42 ff.; für das Kartellschadensersatzrecht neuerdings auch EuGH v. 14.03.2019  – C-724/17, ECLI:EU:C:2019:204 (Vantaan kaupunki / Skanska Industrial Solutions) Rn. 47 und dazu Mörsdorf, ZIP 2020, 489; aus der deutschen Diskussion etwa Habersack, AG 2016, 691, 696 f.; MünchKomm AktG / Spindler5, § 91 Rn. 53; Teichmann, ZGR 2017, 485, 494 f.; Thomas, JZ 2011, 485, 492; Weck, NZG 2016, 1374; zur deutschen Umsetzung der europäischen Vorgaben in § 81 Abs. 3a GWB außerdem Begr. RegE 9. GWB-Novelle, BTDrucks. 18/10207, S. 84 ff.; zahlreiche weitere Nachw. zu kritischen Stimmen bei Kersting, ZHR 182 (2018), 8, 10 Fn. 6. 754 Vgl. Poelzig, FS Hopt, S. 943, 951 f. Immerhin aber schreibt Art. 30 Abs. 2 MAR a. E. schon jetzt vor, bei der Bemessung der Geldbuße gegen den Emittenten den jährlichen Konzern­umsatz zugrunde zu legen. Die deutsche Umsetzung findet sich in § 120 Abs. 23 S. 2 WpHG. 755 Gegen dieses Konzept ausf. oben § 3 B. IV.; zur Diskussion einer rechtsträgerübergreifenden Wissenszurechnung auf Grundlage dieses Konzepts die Nachw. in Fn. 650 ff.

B. Ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten

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VI. Fazit Der Umstand, dass sich der Unionsgesetzgeber den Fragen der Ad-hoc-Publizität in Konzernsachverhalten nicht ausdrücklich gewidmet hat, führt zu vielfältigen Problemen, die nur schwer befriedigend zu lösen sind. Die vorstehenden Ausführungen haben aber gezeigt, dass sie am ehesten mit der Annahme unionsrechtlicher Informationsrechte und -pflichten des Emittenten hinsichtlich der für ihn kursrelevanten und ihn unmittelbar betreffenden Informationen sowie spiegelbildlichen Kooperationspflichten verbundener Gesellschaften in den Griff zu kriegen sind. Nur auf diese Weise lässt sich vermeiden, dass der Umfang der Ad-hoc-Publizitätspflicht von konzernorganisatorischen Gestaltungen abhängt, die für die Bestimmung des Pflichtumfangs zum einen sachlich nicht geeignet sind und dem Emittenten zum anderen Umgehungsmöglichkeiten eröffnen würden. Offene Fragen verbleiben dennoch. Insbesondere folgt aus dem Schweigen des Gesetzgebers auch ein Mangel an Regelungen zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten verbundener Gesellschaften. Dass die Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs.1 lit. a) MAR verpflichtet sind oder auch nur berechtigt wären, verwaltungsrechtliche Sanktionen auch gegenüber mitwirkungspflichtigen Gesellschaften vorzusehen, ist zu bezweifeln. Ohnehin aber wird die Frage nicht erst durch die Annahme von Kooperationspflichten verbundener Gesellschaften aufgeworfen. Das Problem würde genauso bestehen, wenn der Emittent auf gesellschafts- und konzernrechtlich vermittelte Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zurückgreifen müsste. Auch dann bestünde die Gefahr, dass das Verlangen des Emittenten zur Formalie verkümmern und der tatsächliche Informationsfluss sowohl im Umfang und als auch hinsichtlich der zeitlichen Anforderungen – im Einvernehmen der Gesellschaften – nicht über den Austausch hinausgehen würde, der im Konzerninteresse oder aufgrund anderer Pflichten ohnehin stattfindet. Ein Grund, vor diesem Problem zu resignieren und den Informationstransfer ins Belieben der Konzerngesellschaften zu stellen, besteht aber nicht. Ob Um- und Durchsetzungsdefizite künftig regulatorische Konkretisierungen auf den Plan rufen werden, bleibt abzuwarten756.

756

So geschehen mit Art. 4 Abs. 4 der RL 2009/38/EG, mit dessen Einführung der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des EuGH zu den Auskunftspflichten und -rechten beim Verfahren zum Europäischen Betriebsrat reagiert hat; zu dieser Rechtsprechung oben § 4 B. III. 2.

178

§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften I. Veröffentlichungspflicht der Emittenten nach den allgemeinen Regeln Weitere Fragen der Ad-hoc-Publizität in Konzernsachverhalten stellen sich, wenn im Verbund nicht nur ein Emittent existiert, sondern eine nach den benannten Kriterien auskunftspflichtige Gesellschaft selbst nach Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet ist. Wie es sich auf die Veröffentlichungspflicht beider Emittenten auswirkt, wenn etwa – wie es in dieser Konstellation nicht selten der Fall sein wird – ein Ereignis innerhalb der Tochtergesellschaft Kursrelevanz sowohl für die von der Tochter als auch für die von der Mutter emittierten Finanzinstrumente hat, ist nicht abschließend geklärt757. Im Ausgangspunkt gilt jedenfalls, dass ein solches Ereignis für die Muttergesellschaft ebenso sämtliche Tatbestandsmerkmale des Art. 17 Abs. 1 MAR erfüllen kann, wie in dem Fall, dass die Tochtergesellschaft nicht selbst Emittent ist. Die gegenteilige Auffassung, nach der es in diesen Fällen auf der Seite der Muttergesellschaft an der unmittelbaren Betroffenheit im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR fehlen soll758, konnte sich zu Recht nicht durchsetzen. Gegen sie spricht vor allem, dass die Mutter nach ihr auch dann nicht zur Veröffentlichung verpflichtet wäre, wenn sie die Insiderinformation aus dem Tätigkeitsbereich der Tochter kennt und letztere die Bekanntgabe pflichtwidrig unterlässt759. Weshalb dem Kapitalmarkt die Information in diesem Fall vorenthalten werden soll, ist nicht ersichtlich. Aus der Maßgabe, dass es für den Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 MAR keine Rolle spielt, ob das bekanntzugebende Ereignis aus einer Tochtergesellschaft mit oder ohne Emittenteneigenschaft stammt, folgt, dass die Voraussetzungen der Pflichtentstehung nach den allgemeinen Regeln für jeden Emittenten gesondert zu prüfen sind. Richtig ist allerdings, dass, wenn die Tochter ihrer Veröffentlichungspflicht ordnungsgemäß nachkommt und sich auch nicht nach Art. 17 Abs. 4 MAR 757

Auch in diesem Fall kann es umgekehrt sein und die Information aus dem Tätigkeitsbereich der Mutter für beide Emittenten Kursrelevanz haben. Die Überlegungen sollen hier aber an dem genannten, relevanteren, Fall entwickelt werden. 758 Habersack, DB 2016, 1551, 1555 ff.; zust. Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 69. 759 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 100 f.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 257 f.; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 385 f.; i. E. auch LG Stuttgart v. 28.02.2017  – 22 AR 1/17 Kap, WM 2017, 1451, 1461; LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, WM 2019, 463, 467 sowie juris Rn. 313 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); Assmann, in: Lutter / Scheffler / U. H.  Schneider, Hdb. Konzernfinanzierung, § 12 Rn.  12.52; Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 104; Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 166 ff.; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 253; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität, S. 142 f.; Hopt / Kumpan, ZGR 2017, 765, 823 f.; v. Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität, S. 108; Kumpan / Misterek, ZBB 2020, 10, 15 f.; Pellens, AG 1991 62, 65; Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 210; Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 254; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 200.

C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften

179

befreit, in aller Regel auch eine Pflichtverletzung der Muttergesellschaft ausscheiden wird. Denn informiert die Tochtergesellschaft den Kapitalmarkt rechtzeitig, wird die Muttergesellschaft die Unverzüglichkeitsfrist allenfalls in seltenen Ausnahmefällen760 bereits überschritten haben761. Mit der Veröffentlichung der Information entfällt deren Eigenschaft als Insidertatsache und damit regelmäßig auch die Pflicht der Muttergesellschaft, den Kapitalmarkt ebenfalls zu informieren762. Wenn demgegenüber vereinzelt angenommen wird, der Kapitalmarkt habe stets ein Interesse daran, gleichzeitig von Mutter- und Tochtergesellschaft informiert zu werden763, sind dafür zwingende Gründe nicht erkennbar. Weil der Beteiligungsumfang der Mutter an der Tochter öffentlich bekannt ist und das Ereignis innerhalb der Tochtergesellschaft durch deren Veröffentlichung öffentlich bekannt wird, ist der Informationsbedarf des Kapitalmarkts damit in den meisten Fällen gedeckt. Nur wenn das Ereignis für den anderen Emittenten zusätzliche Folgen hat, die sich nicht schon aus öffentlich bekannten Informationen ergeben, bleibt dessen Pflicht in diesem Umfang bestehen764. Entsprechendes gilt für Insiderinformationen aus dem Tätigkeitsbereich der Muttergesellschaft, die von dieser rechtzeitig publiziert werden. Soweit die Kursrelevanz für die Finanzinstrumente der Tochter nicht von weiteren, noch unbekannten Tatsachen abhängt, entfällt also für die Tochter die Ad-hoc-Publizitätspflicht765. Ein Bedürfnis, die Veröffentlichung der Mutter mit pflichtbefreiender Wirkung auch der Tochter zuzurechnen, besteht dann nicht766.

760

Denkbar wäre etwa, dass die Muttergesellschaft, die die jeweilige Insiderinformation ebenfalls schon kennt, in einem ähnlich gelagerten Fall schon einmal Rechtsrat eingeholt hat und deshalb noch vor der Tochtergesellschaft wissen muss, dass eine Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR nicht in Betracht kommt. 761 Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 101. 762 LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, juris Rn. 313 (insoweit in WM 2019, 463 nicht abgedruckt); vgl. auch Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 334 f.; für den umgekehrten Fall, in dem das zu publizierende Ereignis in der Muttergesellschaft stattfindet und von dieser bekanntgegeben wird, tendenziell anders aber Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2034 („nur in Ausnahmefällen“). 763 So offenbar Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Figiel, Weitergabe von Insiderinformationen, S. 172 f.; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität, S. 214. 764 Siehe insoweit nur Habersack DB, 2016, 1551, 1557. 765 Siehe aber auch Spindler / Speier, BB 2005, 2031, 2034 („nur in Ausnahmefällen“). 766 Dafür aber Rothweiler, Informationsfluss, S. 178 f.; eine Analogie zu § 24 WpHG a. F. (§ 37 WpHG n. F.) erwägend zudem Singhof, ZGR 2001, 146, 165; für die Möglichkeit einer „konsolidierten“ Mitteilung ferner Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität S. 389 ff.; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 200; dagegen aber LG Stuttgart v. 12.09.2018 – 22 O 101/16, WM 2019, 463, 467; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 332 ff.; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 105; Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 166 f.; Thieme, Die Ad-hoc-Publizität und ihre Konzerndimension, S. 255 ff. Für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate geht die BaFin lediglich davon aus, dass die Erfüllung der Mitteilungspflicht aus Art. 17 Abs. 2 MAR auf eine Konzernmutter delegiert werden kann, solange bei der Veröffentlichung klargestellt wird, für wen die Pflicht erfüllt wird; Emittentenleitfaden (Stand: 25.03.2020), Modul C, I.3.10.4.2 (S. 52).

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

II. Keine Besonderheiten für ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten Besonderheiten ergeben sich richtigerweise auch nicht mit Blick auf die a­ d-hoc-​ publizitätsspezifischen Auskunftsrechte und -pflichten. Kommt die Tochter­ gesellschaft ihrer eigenen Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR nach und macht sie keinen Gebrauch von einer Selbstbefreiung, kommt es zwar für die Muttergesellschaft regelmäßig nicht darauf an, ob ein Informationstransfer von der Tochter zur Mutter noch vor der öffentlichen Bekanntgabe stattgefunden hat, weil die Mutter wie erwähnt nur selten vor der Tochter zur Veröffentlichung verpflichtet ist. Fraglich ist aber, ob die Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft noch vor der beabsichtigten eigenen Veröffentlichung überhaupt informieren darf und muss. Kein zwingendes Hindernis für die Auskunftserteilung gegenüber der Mutter ist die Pflicht der Tochter zur unverzüglichen Veröffentlichung. Weil die Unverzüglichkeitsfrist auch einen Prüf- und Bearbeitungszeitraum für die Tochter umfasst, ist eine Informationsweiterleitung an die Mutter vielmehr häufig noch vor Fristablauf möglich. Problematischer erscheint die Weitergabe an die Mutter­ gesellschaft aber mit Blick auf das insiderrechtliche Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR. Wird der Kapitalmarkt die relevanten Informationen ohnehin „unverzüglich“ erhalten, könnte man geneigt sein, die sonst erforderliche Ausnahme vom Offenlegungsverbot bzw. eine dem Verbot vorgehende Auskunftspflicht der Tochtergesellschaft abzulehnen767. Auch dass der Tochter damit zugleich die Möglichkeit genommen würde, Insiderinformationen zu anderen Zwecken, namentlich der Konzernleitung und -kontrolle, weiterzuleiten, spricht nicht zwingend für die Zulässigkeit des Informationstransfers. Denn ein gewichtiges Schutzbedürfnis der Mutter oder des Konzerns, die Information noch vor einer unverzüglichen Veröffentlichung zu erhalten, ist grundsätzlich nicht erkennbar768. Entscheidend ist aber, dass eine Informationsweitergabe an die Muttergesellschaft jedenfalls dann möglich sein muss, wenn sich die Tochter von ihrer Pflicht nach Art. 17 Abs. 4 MAR befreien will769. Zwar wird man der Muttergesellschaft bei fehlenden eigenen berechtigten Geheimhaltungsinteressen in analoger Anwendung des Art. 17 Abs. 4 MAR häufig eine Berufung auf die Interessen der Tochtergesellschaft erlauben müssen770, so dass eine Informationsweitergabe „von unten nach oben“ dann auf den ersten Blick nicht zwingend erforderlich erscheint. Mit einer solchen Lösung würde aber auf das Erfordernis einer eigenen Selbst-

767

Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 128. Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 128. 769 Die Weitergabe der Tochter an die Mutter erfüllt dann auch nicht die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 8 MAR, nach dem ein Emittent – hier die Tochter – die Information öffentlich bekanntgeben muss, wenn er sie gegenüber einem Dritten offenlegt; vgl. dazu schon Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 128 f. 770 Siehe dazu schon oben § 4 B. III. 7. c). 768

C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften

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befreiungsentscheidung der Muttergesellschaft und darauf verzichtet, dass diese selbst prüft, ob sie sich von der Pflicht befreien kann771. Angesichts dessen könnte man nun verlangen, dass die Tochter die Insiderinformation immer erst dann weiterleiten darf, wenn sie sich für eine Selbstbefreiung entschieden hat. Die besseren Gründe dürften aber dafür sprechen, eine unverzügliche Informationsweitergabe unabhängig von der Entscheidung der Tochtergesellschaft zuzulassen und zu verlangen. Zum einen würde die Tochter, wenn sie die Eigenschaft der Information als Insiderinformation oder das Vorliegen der Selbstbefreiungsvoraussetzungen nach Art. 17 Abs. 4 MAR falsch einschätzt, anderenfalls mit dem zusätzlichen Risiko belastet, mit der Weitergabe an die Mutter auch noch gegen das Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR zu verstoßen772. Gerade in diesen Situationen ist die Weitergabe aus Sicht des Kapitalmarkts aber sogar besonders wichtig. Zum anderen verspricht die Annahme der Weitergabebefugnis und -pflicht eine raschere Information des Kapitalmarkts in den Fällen, in denen die Muttergesellschaft trotz Befreiung der Tochter zu einer Ad-hoc-Meldung verpflichtet bleibt. Nimmt man hinzu, dass eine Lösung, nach der eine Weitergabe erst nach der Entscheidung der Tochter über die Selbstbefreiung zulässig ist, die Rechtsanwendung verkomplizieren, zugleich aber nur der geringen Gefahr einer sehr kurzzeitigen Erweiterung des Insiderkreises begegnen würde773, dürften die Gründe für eine einheitliche Betrachtung – also eine solche, die nicht danach fragt, ob sich die Tochtergesellschaft nach Art. 17 Abs. 4 MAR befreien will – überwiegen774. Trotz der tendenziell strengen Rechtsprechung des EuGH zum insiderrechtlichen Weitergabeverbot775 steht Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR der Weitergabe durch die Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft also auch dann nicht entgegen, wenn erstere beabsichtigt, die Information unverzüglich nach Art. 17 Abs. 1 MAR bekanntzugeben776.

771

Zweifelhaft hingegen Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 177 f., der die Interessenabwägung allein von der Tochter vornehmen lassen will (zu § 15 WpHG a. F.). Zur h. M., nach der der Emittent eine aktive Selbstbefreiungsentscheidung treffen muss, siehe schon die Nachw. in Fn. 25. 772 Zu den Sanktionen siehe Art. 30 Abs. 1 lit.  a)  MAR. Strafrechtliche Sanktionen wird es bei nicht-vorsätzlichen Verstößen zwar regelmäßig nicht geben; nach den Art. 4 Abs. 1, 8 CRIM-MAD (Richtlinie 2014/57/EU vom 16.04.2014, ABl. Nr. L 173, S. 179) sind die Mitgliedstaaten aber immerhin berechtigt, auch dies vorzusehen. 773 Vgl. Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 173. Mit der hier vertretenen Ansicht ginge es schließlich nur um den kurzen Zeitraum bis zu einer Befreiungsentscheidung oder unverzüglichen Veröffentlichung durch die Tochter. Auch die Gefahr, dass sich dieser Zeitraum verlängert, weil die Tochter pflichtwidrig nicht rechtzeitig veröffentlicht, spricht nicht gegen, sondern für die Zulässigkeit und Pflicht der Offenlegung gegenüber der Mutter, weil die Veröffentlichung dann wenigstens durch diese erfolgen kann. 774 A. A. aber Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 128. 775 EuGH v. 22.11.2005  – C-348/02, ECLI:EU:C:2005:708 (Grøngaard und Bang), insb. Rn. 34. 776 I. E. wie hier Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 172 f., 238 ff.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

III. Fazit Für den Fall der Emittenteneigenschaft von Mutter- und Tochtergesellschaft gelten keine Besonderheiten. Jeder Emittent muss die ihn betreffenden kursrelevanten Informationen wie auch sonst unverzüglich veröffentlichen. Ein spezielles Auskunftsrecht steht ihnen dafür auch gegenüber dem jeweils anderen Emittenten zu. Den Umfang der Veröffentlichungspflicht sowie die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR hat jeder Emittent selbst zu prüfen. Dabei kann sich ein Emittent in analoger Anwendung des Art. 17 Abs. 4 MAR grundsätzlich auch auf berechtigte Interessen des anderen berufen. Die rechtzeitige Veröffentlichung eines Emittenten führt in dem Umfang zum Wegfall der Pflicht des anderen Emittenten, in dem der Kapitalmarkt damit auch für diesen alle kursrelevanten Informationen erhält. Ob ein Informationstransfer zwischen Tochter und Mutter rechtzeitig stattgefunden hat, wird daher vor allem dann relevant, wenn erstere die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 MAR aufschiebt oder das bekanntzugebende Ereignis für die Mutter weitere kursrelevante Folgen zeitigt, über die diese den Kapitalmarkt selbst informieren muss.

D. Doppelmandate Zu den in Deutschland meistdiskutierten Aspekten der Wissenszurechnung in Konzernsachverhalten zählt das verbreitete Phänomen personeller Verflechtungen innerhalb der Leitungsgremien des Konzerns777. Für die Ad-hoc-Publizität hat dieser Gesichtspunkt ganz erhebliche Relevanz. Weil dem Emittenten zum Zweck der Ad-hoc-Publizität grundsätzlich das Insiderwissen und Verschulden jedes seiner Organmitglieder zugerechnet wird778, stellt sich die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn der Organwalter von der Information im Rahmen seiner Tätigkeit als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied einer anderen Konzerngesellschaft – und gegebenenfalls unter dem Siegel der Verschwiegenheit – erfahren hat. Als Grundlage der Untersuchung dieser Frage dient im Folgenden wieder der Fall, in dem nur eine der beiden Gesellschaften nach Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet ist.

I. Verschwiegenheitspflichten als Zurechnungsschranke Ausgangspunkt der Überlegungen muss nach dem hier vertretenen Zurechnungsverständnis sein, dass es für die Wissenszurechnung grundsätzlich nicht auf die Quelle der Information ankommt. Entscheidend ist nur, ob der juristischen

777

Siehe zur Diskussion nur Koch, ZIP 2015, 1757, Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, 370; Verse, AG 2015, 413, jew. m. w. N. 778 § 2 C. IV. 2., § 3 C. VII.

D. Doppelmandate

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Person die Verwendung der Information möglich ist779. Mittelbare Relevanz kann die Informationsquelle damit aber haben. Denn ist dem Wissensträger die Offenlegung der Information untersagt, kann dies der maßgeblichen Informationsverwendung entgegenstehen. In Betracht kommen zwei Szenarien. Zum einen kann die Verschwiegenheitspflicht mit der Möglichkeit der Wissensverwendung kollidieren, wenn der Wissensträger die relevante Information erst noch an die jeweils verantwortlichen Personen weitergeben müsste, damit sie in deren Entscheidung einfließen kann. Eine Kollision droht zum anderen dann, wenn der Wissenende selbst Entscheidungsträger ist, die Wissensverwendung im Sinn der Vorschrift aber die Offenlegung der Information und damit einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht verlangen würde. Würde der juristischen Person das Wissen auch in diesen Fällen zugerechnet, würde sich das Gesetz in einen Selbstwiderspruch setzen, weil es gleichzeitig die Geheimhaltung und die Offenlegung der Information verlangen würde780. Ganz in diesem Sinn besteht auch in der deutschen Diskussion, die auf Grundlage des organisationspflichtbezogenen Zurechnungsansatz des BGH geführt wird, weitgehend Einigkeit, dass eine zurechnungsbegründende Organisationspflichtverletzung der juristischen Person ausscheiden muss, wenn die betroffene Information aufgrund der Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 3 (ggf. i. V. m. § 116 Satz 1, 2 AktG781) nicht an die zuständigen Personen weitergegeben werden darf782. Dem wird der Fall des zur Verschwiegenheit verpflichteten Doppelmandatsträgers grundsätzlich gleichgestellt, weil auch dort das Wissen regelmäßig erst noch weitergereicht werden müsste, um nutzbar zu werden783. Zu Recht wird die Aussage von manchen Stimmen aber für die Fälle eingeschränkt, in denen sich die geheime Information tatsächlich im Verhalten der juristischen Person niederschlägt. Denn wenn das jeweilige Wissen Eingang in das Verhalten der juristischen Person gefunden hat, besteht auch kein Bedürfnis für eine Zurechnungsschranke784. Dabei muss es nicht immer um Fälle gehen, in denen sich der Wissensträger über die Geheimhaltungspflicht hinweggesetzt hat. Als Beispiel stelle man sich vor, die Gesellschaft verkaufe eine mangelhafte Sache und nur eines von mehreren am Verkauf beteiligten Vorstandsmitgliedern kenne 779

Ausf. oben § 2 C. II. Vgl. Medicus, Karlsruher Forum 1994, 4, 13. 781 Zum Verhältnis von § 116 S. 1 AktG zu § 116 S. 2 AktG nur MünchKomm AktG / Habersack5, § 116 Rn. 48, 52. 782 BGH v. 26.04.2016  – XI ZR 108/15, 2016, 1031, 1033 f.; Buck-Heeb, WM 2008, 281, 285; Fleischer, NJW 2006, 3239, 3242; Habersack, DB 2016, 1551, 1553 f.; Koch, ZIP 2015, 1757, 1762 ff.; Mülbert / Sajnovits, NJW 2016, 2540, 2541 f.; Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, 372 f.; Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 330 f.; Sajnovits, WM 2016, 765, 771 f.; Verse, AG 2015, 413, 417 ff.; ausf. Buck, Wissen und juristische Person, S. 464 ff. 783 Siehe die Nachw. in voriger Fn. 784 So i. E. auch Faßbender / Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256; Koziol, FS Frotz, S. 351, 360; Schirmer, AG 2015, 666, 668 f.; ferner Thomale, AG 2015, 641, 650; wohl auch Taupitz, Karlsruher Forum 1994, 16, 25. 780

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

die Mangelhaftigkeit, von der es unter dem Siegel der Verschwiegenheit aus einem Aufsichtsratsmandat in der Tochtergesellschaft erfahren habe. Für die Zurechnung des Wissens über den Mangel – mit der Folge etwa des § 444 BGB – wird man es in diesem Fall für ausreichend halten müssen, wenn das Wissen kausal für den Verkauf geworden ist, weil das wissende Vorstandsmitglied ihn überhaupt erst angeregt hat oder seine Stimme den Ausschlag zugunsten des Geschäfts gegeben hat. Mit der Verschwiegenheitspflicht gerät die Wissenszurechnung dadurch nicht in Konflikt, weil die jeweilige Information das Handeln der juristischen Person auch ohne Offenlegung bestimmt hat785.

II. Kompetenzrechtliche Informationshindernisse als weitere Zurechnungssperre Im Kontext der Ad-hoc-Publizität stehen Verschwiegenheitspflichten aus § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG (ggf. i. V. m. § 116 Abs. 1 Satz 1, 2 AktG) der Weitergabe von Insiderinformationen an den Emittenten allerdings grundsätzlich nicht entgegen786. Auf den ersten Blick muss dem Emittenten damit das Insiderwissen seiner Organwalter unabhängig davon zugerechnet werden, ob sie dieses Wissen als Organwalter des Emittenten oder einer verbundenen Gesellschaft erhalten haben787. Diese Schlussfolgerung wäre indes voreilig. Nicht übersehen werden darf nämlich, dass die Frage der Zulässigkeit des Informationstransfers nicht nur davon abhängt, ob die jeweilige Information in materieller Hinsicht von Verschwiegenheitspflichten geschützt wird. Bei Informationen, die wie Insiderinformationen unter eine Geheimhaltungspflicht fallen können und von diesem Schutz nur im 785

Wäre das Wissen des Vorstandsmitglieds im genannten Fall nicht kausal für den Verkauf geworden, wäre eine Wissenszurechnung, die die Verletzung einer Aufklärungspflicht zur Folge hätte, daher zu verneinen. Zwar wäre durchaus auch in diesem Fall zu fragen, ob das wissende Vorstandsmitglied den Käufer informieren müsste. Das wäre aber abzulehnen, weil sich Auskunftsrechte nur dann gegen Geheimhaltungspflichten durchsetzen, wenn sie sich auch auf geschützte Informationen beziehen sollen, was hinsichtlich das Recht des Käufers grds. zu verneinen sein dürfte. Die Existenz einer Verschwiegenheitspflicht des Vorstandsmitglieds im konkreten Fall ist damit bereits das Ergebnis einer Abwägung und steht der Wissenszurechnung entgegen, sofern die Wissensverwendung einen Verstoß gegen diese Pflicht erfordern würde. Vgl. zum Verhältnis von (vertrags-)konzernrechtlichen Informationsrechten des herrschenden Unternehmens zu Verschwiegenheitspflichten in der abhängigen Gesellschaft Mader, Informationsfluss, S. 128 ff. 786 Dazu schon oben § 4 B. III. 7. b). 787 So i. E. Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität, S. 378 f.; Spindler / ders., BB 2005, 2031, 2032, ohne aber auf Verschwiegenheitspflichten einzugehen; anders freilich diejenigen, die eine Weitergabe der Insiderinformation mangels Auskunftsrechts des Emittenten an der Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG (i. V. m. § 116 Abs. 1 S. 1, 2 AktG) scheitern lassen; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 158 ff.; Koch, ZIP 2015, 1757, 1762; Sajnovtis, WM 2016, 765, 771 f.; Verse, AG 2015, 413, 414 ff.; trotz Annahme von Auskunftsrechten und -plichten gegen eine Wissenszurechnung seitens Doppelmandatsträger Veil / Brüggemeier, in: Meyer / Veil / Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rn. 24.

D. Doppelmandate

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Einzelfall bzw. gegenüber bestimmten Personen ausgenommen sind, ist vielmehr auch entscheidend, ob der einzelne Wissensträger kompetenzrechtlich über die Weitergabe entscheiden darf788. Zwar wird in der deutschen Diskussion regelmäßig angenommen, dass auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder  – und damit erst recht einzelne Vorstandsmitglieder – zur Auskunft über geschützte Informationen gegenüber dem herrschenden Unternehmen zum Zweck der Konzernleitung berechtigt seien789. Vermehrt finden sich allerdings gewichtige Gegenstimmen, die auf die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft und das (Geschäftsführungs-) Recht des Gesamtvorstands790 oder ausnahmsweise des Gesamtaufsichtsrats791 verweisen, über die Weitergabe sensibler Information zu entscheiden792. Dieses kompetenzrechtliche Argument ist in der Tat jedenfalls dann überzeugend, wenn die verbundene Gesellschaft zur Weitergabe der grundsätzlich geschützten Information zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, was in Abwesenheit spezieller Auskunftsansprüchen im faktischen Konzern und bei schlichter Abhängigkeit grundsätzlich der Fall ist793. Zumindest dann darf den jeweils zuständigen Personen nicht das Recht zur Entscheidung über die Weitergabe genommen werden. Zweifeln könnte man an der Bedeutung der Informationszuständigkeit demgegenüber, wenn die Gesellschaft ohnehin – gleich aus welchem Grund – verpflichtet ist, die Information an das herrschende Unternehmen weiter 788

Zutr. Mader, Informationsfluss, S. 473 f. Heidel AktG / Breuer / Fraune5, § 116 Rn. 21; Dittmar, AG 2013, 498, 500 ff.; K. Schmidt / ​ Lutter / Drygala3, § 116 AktG Rn. 37; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb. AG4, § 33 Rn. 60; Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 162; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 116 Rn. 42; vgl. auch Lutter  / ​ Krieger / Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats7, Rn. 282; Reuter, ZHR 144 (1980), 493, 498; zum Tochtervorstand außerdem Martens, ZHR 159 (1995), 567, 571 f.; für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder im Vertragskonzern sowie Vorstandsmitglieder im faktischen Konzern Rothweiler, Informationsfluss, S. 100 ff. 790 Eine zwingende Zuständigkeit des Gesamtvorstands wird nur bei Informationen angenommen, die für die Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sind; Spindler / Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 169; Linker / Zinger, NZG 2002, 497, 498; MünchKomm AktG / Spindler5, § 93 Rn. 158; vgl. auch Wilsing / v. d. Linden, ZHR 178 (2014), 419, 431 f. Bei Insiderinformationen wird dies in der Regel der Fall sein. 791 Dazu BGH v. 23.04.2012 – II ZR 163/10, BGHZ 193, 110, 121 Rn. 40; BGH v. 19.02.2013 – II ZR 56/12, BGHZ 196, 195, 206 f. Rn. 30; BGH v. 26.04.2016 – XI ZR 108/15, WM 2016, 1031, 1035; MünchKomm AktG / Habersack5, § 116 Rn. 65; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 116 Rn.  205; Spindler / Stilz / Spindler4, § 116 AktG Rn. 102; Wilsing / v. d. Linden, ZHR 178 (2014), 419, 432 ff. 792 MünchKomm. AktG / Altmeppen5, § 311 Rn. 427; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 324 ff.; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen, S. 156 ff.; Spindler / ​ Stilz / Fleischer4, § 93 AktG Rn. 169; MünchKomm AktG / Habersack5, § 116 Rn. 53, 65; ders., DB 2016, 1551, 1554; Holle, Legalitätskontrolle, S. 145 f.; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 116 Rn. 204 f.; Mader, Informationsfluss, S. 477 ff.; Singhof, ZGR 2001, 146, 160 f.; MünchKomm AktG / Spindler5, § 93 Rn. 158; (nur) für den faktischen Konzern Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen, S. 70 f.; Rothweiler, Informationsfluss, S. 105 ff.; ferner Bank, NZG 2013, 801, 805. 793 Eingehend zur Zulässigkeit des Informationsflusses im Anwendungsbereich der §§ 311 ff. AktG Mader, Informationsfluss, S. 361 ff. m. z. N. 789

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

zuleiten. Man könnte es dann für bloßen Formalismus halten, auf die Einschaltung der zuständigen Personen zu bestehen, weil diese der Weitergabe in jedem Fall zustimmen müssten794. Der BGH ist dieser Überlegung in einem Fall personeller Verflechtung795 in jüngerer Zeit allerdings ausdrücklich nicht gefolgt796. Auch bei Bestehen einer vertraglichen oder gesetzlichen Auskunftspflicht der Gesellschaft sei die Funktion des Vorstands als „Herr der Geschäftsgeheimnisse“ zu wahren und die Wissenszurechnung aufgrund der fehlenden Weitergabeberechtigung des einzelnen Wissensträgers gesperrt797. Dahinter steht das überzeugende Argument, dass eine Informationspflicht der Gesellschaft auf unterschiedlichen Wegen erfüllt werden kann, weil der Gegenstand der Pflicht nicht immer eindeutig umgrenzt ist, und es deshalb in der Entscheidungsgewalt des Vorstands liegen muss, über die Modalitäten der Anspruchserfüllung zu entscheiden798. Ergänzen kann man diese Überlegung damit, dass außerdem stets zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang eine Information tatsächlich von der Weitergabepflicht umfasst ist, und auch diese Prüfung von den jeweils zuständigen Personen vorgenommen werden muss799. Festzuhalten ist damit, dass eine Wissenszurechnung nicht nur an inhaltlichen Schranken des Verschwiegenheitsgebots scheitern kann, sondern auch an kompetenzrechtlichen Hindernissen, und zwar auch dann, wenn eine Pflicht zur Informationsweitergabe besteht800. 794

So OLG München v. 24.02.2015  – 5 U 119/14, juris Rn. 99; i. E. auch MünchKomm. AktG / Altmeppen5, § 311 Rn. 427; Rothweiler, Informationsfluss, S. 100 f.; S. H.  Schneider, Informationspflichten, S. 177. 795 Es ging nicht um ein Doppelmandat innerhalb eines Konzerns, sondern um die Funktion als Aufsichtsratsmitglied in der einen und Prokurist in der anderen Gesellschaft. 796 BGH v. 26.04.2016 – XI ZR 108/15, WM 2016, 1031, 1034 f.; Vorinstanz war das OLG München, das insofern gegenteilig entschieden hatte, Fn. 794. 797 BGH v. 26.04.2016 – XI ZR 108/15, WM 2016, 1031, 1034 f. 798 Vgl. BGH v. 26.04.2016 – XI ZR 108/15, WM 2016, 1031, 1035. 799 Vgl. dazu den Hinweis, dass es auch bei vertraglich beherrschten Gesellschaften deren Geschäftsleitung zustehen muss, ein Informationsverlangen des herrschenden Unternehmens i. R. d. § 308 AktG auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen; Mader, Informationsfluss, S. 485; S. H. Schneider, Informationspflichten, S. 177 f.; ferner Emmerich in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 308 AktG Rn. 19 f., 66. 800 Eine Frage des Einzelfalls ist es, ob der Vorstand der verbundenen Gesellschaft im Voraus in die Informationsweitergabe an den Emittenten durch den Doppelmandatsträger eingewilligt und dadurch die kompetenzrechtliche Zurechnungsschranke aufgehoben hat. Eine solche Einwilligung wird aber nur hinsichtlich im Vorfeld bestimmbarer Insiderinformationen in Betracht kommen, etwa bei Gewinnwarnungen, zu deren Weitergabe an das herrschende Unternehmen ein Vorstandsmitglied ermächtigt wird, oder bei Informationen, die Gegenstand des regelmäßigen Informationsflusses sind. Vgl. zur „Genehmigung“ bestimmter Informationskanäle zwischen dem Doppelmandatar und dem Emittenten durch den Vorstand der verbundenen Gesellschaft Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, S. 327 ff.; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 116 Rn. 205. Nicht zu verwechseln ist dieses Problem aber mit der materiellrechtlichen Reichweite der Verschwiegenheitspflicht, die insofern nicht disponibel ist; dazu auch BGH v. 26.04.2016 – XI ZR 108/15, WM 2016, 1031, 1034 Rn. 34; Mülbert / Sajno­ vits, NJW 2016, 2540, 2542, Wilsing / v. d. Linden, ZHR 178 (2014), 419, 429, jew. m. w. N.; ferner BGH v. 05.06.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 328 ff.

D. Doppelmandate

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III. Einschränkung bei Doppelmandaten Diese Überlegungen sind auf die Ad-hoc-Publizität übertragbar. Auch die Weitergabe von grundsätzlich vertraulichem Insiderwissen ist mit der Prüfung verbunden, ob es sich tatsächlich um eine vom Auskunftsrecht des Emittenten umfasste Information handelt, und bedarf ferner der Entscheidung, welchen Inhalt eine Mitteilung an den Emittenten genau haben soll. Dem Emittenten dürfte das Insiderwissen eines einzelnen Doppelmandatars daher im Grundsatz nur zugerechnet werden, wenn dieser die genannten Fragen selbst beantworten könnte und müsste801. Solange der Doppelmandatsträger nicht ausnahmsweise bereits im Voraus zur Informationsweitergabe wirksam ermächtigt wurde802, ist das aber meist nicht der Fall, weil es sich regelmäßig um Informationen von erheblicher Bedeutung für die Gesellschaft handeln wird, über deren Weitergabe auch das einzelne ressortmäßig zuständige Vorstandsmitglied nicht allein entscheiden darf803. Der Grundsatz, dass auch kompetenzrechtliche Informationshindernisse die Wissenszurechnung sperren, ist im Fall von Doppelmandaten allerdings teilweise einzuschränken. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass der Doppelmandatsträger eine potenzielle Insiderinformation an den Vorstand der verbundenen Gesellschaft weiterleiten kann und gegebenenfalls muss, um eine Entscheidung über die Mitteilung an den Emittenten herbeizuführen. Diese Möglichkeit hat zwar auch jedes andere wissende Organmitglied, das nicht Doppelmandatsträger ist. Aber nur wenn der Wissensträger auch innerhalb des Emittenten eine zurechnungsrelevante Stellung innehat, kann die Vereitelung einer Entscheidung über die Behandlung der Information aus der verbundenen Gesellschaft ausnahmsweise auch zulasten des Emittenten gehen. Gegen eine solche rechtsträgerübergreifende Zurechnung spricht aber zunächst, dass die Verantwortungsbereiche des Doppelmandatars voneinander zu trennen sind und dessen Verhalten in der verbundenen Gesellschaft im Grundsatz nur dieser zugerechnet werden kann. Der BGH hat diese Trennung der Verantwortlich 801 Missverständlich ist es deshalb, wenn eine Befugnis des Doppelmandatars zur „inneren“ Informationsweitergabe „an sich selbst“ – also zur Verwendung der Information in der Eigenschaft als Organwalter der entsendenden Gesellschaft – angenommen wird; so Mader, Informationsfluss, S. 491 ff.; Hüffer / Koch14, § 116 AktG Rn. 12. Richtig, aber auch selbstverständlich, ist nur, dass der Doppelmandatsträger sein Wissen, soweit er es nicht offenlegt, auch in Entscheidungen für die entsendenden Gesellschaft einfließen lassen darf, weil dies überhaupt nicht vermeidbar ist. Bei der allein problematischen Frage, wann der entsendenden Gesellschaft das Wissen des Doppelmandatsträgers zuzurechnen ist, führt die Annahme einer Befugnis zur „inneren“ Weitergabe aber in die Irre, weil sie suggeriert, dass eine Zurechnung stets stattfinden könne. Tatsächlich findet sie nur statt, wenn das Wissen auch ohne Verletzung der Verschwiegenheitspflicht Eingang in das Verhalten dieser Gesellschaft hätte finden können oder – unabhängig von einer Verletzung – tatsächlich Eingang gefunden hat; vgl. zu diesen Fällen schon oben § 4 D. I. 802 Siehe dazu schon die Anm. in Fn. 800. 803 Dazu die Nachw. in Fn. 790.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

keiten in Haftungsfragen verschiedentlich sogar besonders betont804. So sei eine Einstandspflicht der entsendenden Gesellschaft nach § 31 BGB für Schäden, die ein Doppelmandatsträger als Aufsichtsratsmitglied in der aufnehmenden Gesellschaft verursacht, unvereinbar mit der unabhängigen und eigenverantwortlichen Stellung des entsandten Organwalters in der geschädigten Gesellschaft805. Eine Pflichtverletzung begehe der Organwalter selbst dann allein in seiner Eigenschaft als Interessenvertreter der aufnehmenden Gesellschaft, wenn er dabei tatsächlich den Interessen der entsendenden Gesellschaft den Vorzug gebe806. In der Literatur wird das Verständnis des BGH allerdings als zu formalistisch kritisiert. Mit guten Gründen wird eine vermittelnde Lösung vorgeschlagen, nach der den Gefahren personeller Verflechtungen dadurch Rechnung zu tragen ist, dass der entsendenden Gesellschaft die Schädigung der aufnehmenden Gesellschaft durch den Organwalter dann zugerechnet wird, wenn der Organwalter gerade im Interesse der ersteren gehandelt hat807. Und in der Tat ist nicht einzusehen, weshalb es auf die „unabhängige und eigenverantwortliche Rechtsstellung“ des Doppelmandatsträgers in der geschädigten Gesellschaft ankommen soll, wenn er faktisch doch als Organvertreter der entsendenden Gesellschaft auftritt. Aus dem überzeugenden Vorschlag der Literatur lassen sich auch für die Ad-hocPublizität gewinnbringende Schlüsse ziehen. Hält ein Doppelmandatar eine relevante Insiderinformation gerade zurück, um den Emittenten zu schonen, schlägt seine Eigenschaft als Organwalter des Emittenten auf das Mandatsverhältnis zur verbundenen Gesellschaft durch. Es ist dann nur interessengerecht, den Emittenten so zu behandeln, als habe er die Entscheidung über eine Informationsweitergabe selbst vereitelt. Die entscheidende Prüffrage lautet dabei, ob das Schweigen des Doppelmandatsträgers in der verbundenen Gesellschaft kausal auf die Organzu 804

Auf den Zusammenhang zwischen der Wissenszurechnung und dieser Rechtsprechung des BGH hat Schürnbrand, ZHR 181 (2017), 357, 374 f., zutreffend hingewiesen. Zu den Nachw. aus der Rspr. siehe die nachf. Fn. 805 BGH v. 26.03.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 398.; BGH v. 29.01.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 309 ff.; vgl. ferner BGH v. 18.09.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98, 106 f. Rn. 18; BGH v. 02.12.2014 – VI ZR 501/13, juris Rn. 16. 806 BGH v. 29.01.1962, BGHZ 36, 296, 310; BGH v. 26.03.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 398; BGH v. 02.12.2014 – VI ZR 501/13, juris Rn. 16. 807 Frystatzki, Doppelmandatschaft, S. 120 ff.; Heermann, in: Ulmer / Habersack / Löbbe2, § 52 GmbHG Rn. 151; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 116 Rn. 332; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 76 Rn. 76; Noack, FS Hoffmann-Becking, S. 847, 854 ff.; Schürnbrand, Organschaft, S. 330 ff.; ders., ZHR 181 (2017), 357, 375; Spindler / Stilz / Spindler4, § 116 AktG Rn. 208; offenlassend Hüffer / Koch14, § 116 AktG Rn. 14. In eine ganz ähnliche Richtung geht es außerdem, wenn die h. M. zu Recht davon ausgeht, dass ein Doppelmandatsträger trotz unabhängiger Amtsführung in der aufnehmenden Gesellschaft diese „von innen“ zu einer nachteiligen Maßnahme i. S. d. § 311 Abs. 1 AktG veranlassen kann; MünchKomm. AktG / Altmeppen5, § 311 Rn. 106; Habersack, in: Emmerich / Habersack / Schürnbrand9, § 311 AktG Rn. 28; Hüffer / Koch14, § 311 AktG Rn. 21 f.; Krieger, in: MünchHdb. AG4, § 70 Rn. 78; Noack, FS Hoffmann-Becking, S. 847, 852 f.; Schürnbrand, Organschaft, S.  337 ff.; K. Schmidt / Lutter / J. Vetter 3, § 311 AktG Rn. 32. Zu weit geht hingegen die andere Extremposition, nach der eine Zurechnung zur entsendenden Gesellschaft stets stattfinden soll; Ulmer, FS Stimpel, 1985, 705 ff., 715 ff.

D. Doppelmandate

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gehörigkeit beim Emittenten zurückgeht. Besonders häufig dürften diese Fälle allerdings nicht sein. Denn selbst ein bewusstes Geheimhalten der Information gegenüber den anderen Organwaltern der aufnehmenden Gesellschaft wird regelmäßig andere Gründe als die Schonung des Emittenten – z. B. solche des Selbstschutzes – haben und wäre daher auch ohne Organwaltertätigkeit beim Emittenten erfolgt. Wo ein solcher Fall aber vorliegt, ist dem Emittenten neben dem Insiderwissen auch das vorsätzliche Verhalten des Doppelmandatars im Sinn des § 97 Abs. 2 WpHG zuzurechnen808. Die Maßgeblichkeit des Unionsrechts für die Frage der Pflichtentstehung und -verletzung809 ändert an diesem Befund nichts. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Unionsrecht im hiesigen Zusammenhang über die gesellschaftsinterne Kompetenzordnung nach nationalem Recht hinwegsetzen will. Insbesondere zwingen zu einer solchen Annahme nach der hier vertretenen Lösung auch keine Bedenken hinsichtlich der praktischen Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizität, weil personelle Verflechtungen danach nicht begünstigt, sondern tendenziell strenger behandelt werden als die Fälle personenverschiedener Organwalter, bei denen eine Wissenszurechnung richtigerweise ganz ausscheidet810. Ob der EuGH weitergehen und den Doppelmandatsträger stets so behandeln würde, als könne und müsse er die Information zum Zweck der Ad-hoc-Publizität des Emittenten uneingeschränkt nutzen, kann hier freilich nicht gesagt werden. Festzustellen ist aber immerhin, dass der EU-Gesetzgeber in jüngerer Zeit durchaus versucht, kompetenzrechtlichen Besonderheiten der einzelnen nationalen Leitungsverfassungen Rechnung zu tragen811. Abgesehen davon wäre jedenfalls die Haftung des Emittenten nach § 97 WpHG insofern unabhängig von einem weitergehenden Zurechnungsverständnis des EuGH zu beurteilen, weil das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG allein nach deutschen Grundsätze zu beurteilen ist812.

IV. Fazit Insiderwissen, das ein Organwalter des Emittenten in seiner Funktion als Organmitglied einer verbundenen Gesellschaft erlangt hat, ist dem Emittenten regelmäßig nicht zuzurechnen. Das folgt zwar nicht daraus, dass die Information generell nicht an den Emittenten weitergeben werden dürfte. Die Wissenszurechnung scheitert aber in der Regel daran, dass der Doppelmandatsträger nicht allein über die 808

Die Unverzüglichkeitsfrist des Art. 17 Abs. 1 MAR ist dann danach zu bemessen, wie viel Zeit die Weitergabe und Prüfung der Information insgesamt, also innerhalb der verbundenen Gesellschaft sowie beim Emittenten, vernünftigerweise in Anspruch nehmen darf. 809 § 2 B. 810 Zur mangelnden rechtsträgerübergreifenden Wissenszurechnung § 4 B V. 811 Siehe zur Berücksichtigung der Besonderheiten dualer Leitungsverfassungen etwa Art. 3 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 sowie ErwG 56 der RL 2013/36/EU v. 26.06.2013 (CRD IV). 812 § 3 A. II.

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§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund

Weitergabe entscheiden darf, sondern in Ermangelung einer Vorabermächtigung dafür grundsätzlich den Gesamtvorstand der aufnehmenden Gesellschaft einschalten muss. Tut er dies pflichtwidrig nicht, geht die Vereitelung der Entscheidung des Gesamtvorstands nur dann zulasten des Emittenten, wenn die Geheimhaltung durch den Doppelmandatar gerade kausal auf dessen Organzugehörigkeit beim Emittenten zurückzuführen ist.

§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit A. Ausgangspunkt und Konkretisierung Äußerst schwierige und heikle Fragen werfen Fälle auf, in denen Gegenstand der Insiderinformation ein strafbares oder bußgeldbewehrtes Verhalten des Emittenten oder seiner Unternehmensangehörigen ist. Weitgehend ungeklärt ist insofern, ob die Pflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR aufgrund höherrangiger Rechtsprinzipien entfallen muss, wenn sich die für die Veröffentlichung zuständigen Personen oder der Emittent selbst mit der betriebsinternen Informationsweitergabe oder der Ad-hoc-Mitteilung eines strafbaren oder bußgeldbewehrten Verhaltens bezichtigen müssten. Die Frage hat nicht zuletzt deshalb erhebliche Sprengkraft, weil sie Informationen betrifft, an denen der Kapitalmarkt und betroffene Anleger ein gesteigertes Interesse haben. Zu unterscheiden sind dabei verschiedene Konstellationen. Nicht weiter problematisch sind Fälle, in denen der Emittent von einem rechtswidrigen Verhalten, für das er selbst nicht einstehen muss, weiß oder wissen muss, weil es ihm seitens einer nicht an der Tat beteiligten Person zugerechnet werden kann. Soweit es sich dabei überhaupt um eine Insiderinformation handelt, ist der Emittent nach den allgemeinen Regeln nach Art. 17 Abs. 1 MAR zur Bekanntgabe des gesetzeswidrigen Verhaltens verpflichtet. Näher zu untersuchen ist aber, ob der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 MAR auch verpflichtet ist, Taten zu veröffentlichen, für deren Begehung er selbst zur Verantwortung gezogen werden kann. Das kommt im deutschen Recht nach den §§ 9, 30 OWiG und im Fall der Aufsichtspflichtverletzung wegen § 130 OWiG auch bei Taten auf nachgeordneter Ebene in Betracht. Im Unionsrecht ist etwa an die Art. 101, 102 AEUV zu denken, die das Unternehmen auch unabhängig von einem Handeln der Geschäftsleiter verletzen kann813. Daneben muss die Frage beantwortet werden, ob dem Emittenten das Wissen der verbotswidrig Handelnden selbst zugerechnet werden kann. Bedeutung hat das in der Regel auch dann, wenn auch unbeteiligte zurechnungsrelevante Personen von der Tat wissen oder wissen müssen. Denn die Zurechnung seitens des Täters würde den Emittenten meist schon zu einer früheren Veröffentlichung verpflichten. Die Frage stellt sich sowohl in den eben genannten Fällen, in denen der Emittent selbst für das Fehlverhalten haftet, als auch in den Fällen, in denen allein der Täter sanktioniert werden kann. Relevant sind dabei in erster Linie die Organwalter und insbesondere die Vorstandsmitglieder des Emittenten. Zwar kommen grundsätz 813

Dazu mit Nachw. aus der Rechtsprechung des EuGH oben § 2 C. I. mit Fn. 80.

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

lich auch nachgeordnete Mitarbeiter sowohl als Täter als auch als Zurechnungspersonen in Betracht. Die Fälle, in denen nachgeordnete Mitarbeiter, die mit adhoc-publizitätsspezifischen Aufgaben betraut sind814, veröffentlichungspflichtige Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen, werden aber deutlich seltener sein.

B. Meinungsbild In der deutschen Diskussion lassen sich hinsichtlich des Problemkreises im Wesentlichen zwei Strömungen ausmachen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG, nach der die aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Selbstbelastungsfreiheit nur natürlichen Personen zugutekommen soll815, verortet das eine Lager das Problem allein auf Ebene der Unternehmensangehörigen, deren Straftat oder Ordnungswidrigkeit816 mit der Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht würde. Für die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten sollen nach überwiegender Ansicht innerhalb dieser Meinungsgruppe aber keine Besonderheiten gelten. Ist der Emittent nach den jeweils angewandten allgemeinen Regeln zur Veröffentlichung einer Information verpflichtet, soll diese Pflicht also nicht schon dadurch entfallen, dass sie nur im Wege der Offenlegung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit durch den Täter selbst erfüllt werden könnte817. Gelöst werden soll der Konflikt vielmehr im Strafverfahren wegen der offenzulegenden Tat. Insofern wird ein Verbot der Verwertung der Ad-hoc-Mitteilung als Beweis zulasten des Täters für erforderlich und ausreichend gehalten818. Soweit dies näher begründet wird, wird meist auf die Rechtsprechung des BVerfG verwiesen, das in 814

Ausf. zu dieser Zurechnungsvoraussetzung oben § 2 C. IV. BVerfG v. 26.02.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 242; BVerfG v. 13.06.2007 – 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, 168, 203. 816 Zur Anwendbarkeit des Nemo-tenetur-Grundsatzes auf Ordnungswidrigkeiten nach deutschem Verfassungsrecht nur BVerfG v. 22.10.1980 – 2 BvR 1172/79, BVerfGE 55, 144, 150 f. 817 Hart-Hönig, FS Schiller, S. 281, 301 f.; Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2041 mit Fn. 71; Sajnovits, WM 2016, 765, 772; zust. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 322 mit Fn. 49; KK WpHG / Versteegen, 1. Aufl., § 15 Rn. 113; wohl auch Fuchs / Pfüller 2, § 15 WpHG Rn. 289; ferner Seibt / Czuipka, AG 2015, 93, 103, mit der zumindest in dieser Pauschalität nicht überzeugenden Ergänzung, dass die Pflicht aber entfalle, wenn der Verstoß von anderen als den für die Veröffentlichung zuständigen Personen begangen wurde; krit. zu dieser Argumentation auch Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 83 mit Fn. 4. Mit Einschränkungen außerdem Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 403, 410 (keine Zurechnung des Wissens nachgeordneter Mitarbeiter um den eigenen Regelverstoß); Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 120; ders., ZIP 2015, 1145, 1154 i. V. m. 1152 (Keine Zurechnung seitens des pflichtwidrig Handelnden, wenn sich der Emittent in der „Opferrolle“ befindet, also wohl auch bei Straf­ taten, die den Emittenten schädigen); a. A. Bunz, NZG 2016, 1249, 1252 (Wegfall der Ad-hocPublizitätspflicht, wenn sich Organmitglied selbst bezichtigen müsste); ferner die Nachw. in Fn. 825. 818 Hart-Hönig, FS Schiller, S. 281, 301 f.; Sajnovits, WM 2016, 765, 772 f.; zust. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 322 mit Fn. 49; KK WpHG / Versteegen, 1. Aufl., § 15 Rn. 113. 815

B. Meinungsbild

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seinem „Gemeinschuldnerbeschluss“819 für die Auskunftspflicht eines Gemeinschuldners gegenüber dem Konkursgericht entsprechend entschied820. Ergänzend zu dem Schutz des Täters durch ein Verwertungsverbot wird für das Bußgeldverfahren gegen ein Organmitglied wegen Unterlassens der Bekanntgabe zum Teil ferner erwogen, die Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG i. V. m. § 9 OWiG an der Unzumutbarkeit der Mitwirkung des Organwalters an der Adhoc-Mitteilung scheitern zu lassen821. Die zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Mitwirkungspflicht des betroffenen Unternehmensangehörigen soll nach denjenigen, die sich zu ihr äußern, hingegen unberührt bleiben822. Das andere Lager beruft sich angesichts der nunmehr unmittelbar anwendbaren Marktmissbrauchsverordnung auf Art. 6 Abs. 1 EMRK, aus dem der EGMR das Recht der Selbstbelastungsfreiheit herleitet823 und der nach dessen Rechtsprechung auch auf juristische Personen anwendbar ist824. Nach dieser Ansicht soll die Adhoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 MAR entfallen, wenn dieser damit ein eigenes bußgeldbewehrtes Verhalten offenbaren müsste825. Dies folge aus dem (weiten) Verständnis des EGMR von Art. 6 Abs. 1 EMRK826 sowie aus der Abwägung zwischen den betroffenen Interessen des Emittenten einerseits und des Kapitalmarkts anderseits. Bei der Abwägung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Pflicht in Rede steht, das verbotswidrige Verhalten sogar öffentlich mitzuteilen, womit es den Strafverfolgungsbehörden in aller Regel erstmals bekannt wird827. Soweit sich der Emittent danach auf Art. 6 Abs. 1 EMRK 819

BVerfG v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37. Näher zu dieser Rechtsprechung unten § 5 C. II. 3. 821 Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1154, aber wohl mit Einschr. für den Fall, dass sich die Tat gegen den Emittenten richtet, weil dann bereits eine Wissenszurechnung und damit schon ein Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht zu verneinen sei (a. a. O., S. 1152); Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2041 mit Fn. 71; Seibt / Czuipka, AG 2015, 93, 103; ferner Sajnovits, WM 2016, 765, 773. 822 Ausdrücklich jedenfalls Sajnovits, WM 2016, 765, 772; zust. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 322 mit Fn. 49; zudem Seibt / Czuipka, AG 2015, 93, 103; soweit in den Fällen des Selbstbezichtigungszwangs im Übrigen von einer Wissenszurechnung zum Emittenten ausgegangen wird, ist das wohl auch in diesem Sinn gemeint; dazu die weiteren Nachw. in Fn. 817. 823 EGMR v. 25.02.1993  – 10828/84 (Funke / Frankreich) Rn. 44; EGMR v. 03.05.2001  – 31827/96 (J. B. / Schweiz), NJW 2002, 499, 501; EGMR v. 08.04.2004 – 38544/97 (Weh / Österreich), JR 2005, 423, 424 Rn. 39; EGMR v. 04.10.2005 – 6563/03 (Shannon / Vereinigtes Königreich) Rn. 41; EGMR v. 11.07.2006 – 54810/00 (Jalloh / Deutschland), NJW 2006, 3117, 3122; EGMR v. 21.04.2009  – 19235/03 (Marttinen / Finnland)  Rn. 60. Insofern besteht Deckungsgleichheit mit Art. 47 Abs. 2 EU-GRCh; dazu Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 87 m. w. N.; Gehling, ZIP 2018, 2008, 2011. 824 Vgl. EGMR v. 11.06.2009  – 5242/04 (Dubus S. A. / Frankreich) Rn. 37 f.; EGMR v. 27.09.2011 – 43509/08 (Menarini Diagnostics S. R. L. / Italien), Rn. 44. 825 Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 78 ff.; Gehling, ZIP 2018, 2008, 2013 f. 826 Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 80 ff.; Gehling, ZIP 2018, 2008, 2010 ff. 827 Gehling, ZIP 2018, 2008, 2014; in diese Richtung schon Assmann / Schneider / Assmann, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 91. 820

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

berufen können soll828, dürfte eine zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Pflicht der verbotswidrig handelnden Unternehmensangehörigen zur Mitwirkung an der Ad-hoc-Publizität nach dieser Ansicht schon am Fehlen einer „Hauptpflicht“ des Emittenten scheitern829.

C. Entwicklung der eigenen Position I. Maßgeblichkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRCh und deren Anwendbarkeit auf juristische Personen Art. 17 Abs. 1 MAR ist als vollvereinheitlichtes Unionsrecht an Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. dem nach Art. 52 Abs. 3 GRCh deckungsgleichen Art. 47 Abs. 2 GRCh zu messen, während den deutschen Grundrechten insoweit nur eine Reservefunktion zukommt830. Für die Auslegung des Art. 17 Abs. 1 MAR im Licht des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRCh831 sind damit primär die nationalen Fachgerichte – in Deutschland nach neuster Rechtsprechung aber wohl auch das BVerfG832 – in Kooperation mit dem EuGH verantwortlich. Denn der EGMR hat entschieden, hoheitliches Handeln der Vertragsstaaten833 auf Grundlage unionsrechtlicher Verpflichtungen nicht zu beanstanden, solange die EU die betroffenen Rechte sowohl materiell als auch verfahrensmäßig in einer mit dem Schutz durch die EMRK vergleichbaren Weise gewährleistet834. Weil die EU nach Art. 6 Abs. 3 EUV auch die Rechte und Freiheiten der EMRK schützt, ist damit bis auf

828

Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 83, lehnt darüber hinaus eine Mitwirkungspflicht eines strafbar oder ordnungswidrig handelnden Vorstandsmitglieds unabhängig von der Verantwortlichkeit des Emittenten ab, verweist dabei allerdings zum Teil auf Stimmen, denen das so nicht zu entnehmen ist. 829 Unklar insoweit aber Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 85: „Eine – im Hinblick auf die Anforderungen aus § 93 AktG – pflichtwidrige Entscheidung über die Nichtveröffentlichung einer Insiderinformation unter Berufung auf das Recht des Emittenten zur Unterlassung der Veröffentlichung vermag das Recht des Emittenten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht zu infizieren.“ 830 BVerfG v. 06.11.2019 – 1 BvR 276/16, NJW 2020, 314, 317. 831 Im Folgenden wird auf die Nennung des Art. 47 Abs. 2 GRCh verzichtet. 832 BVerfG v. 06.11.2019 – 1 BvR 276/16, NJW 2020, 314, 318 ff. 833 Hoheitliches Handeln meint in erster Linie die Verhängung einer Geldbuße wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung. Die Überprüfung des Art. 17 MAR selbst durch den EGMR scheitert schon daran, dass die EU trotz Verpflichtung dazu (Art. 6 Abs. 2 EUV) nicht Vertragspartei der EMRK ist. 834 EGMR v. 30.06.2005 – 45036/98 (Bosphorus / I rland), NJW 2006, 197, 202 f.; bestätigt und konkretisiert durch EGMR v. 06.12.2012 – 12323/11 (Michaud / Frankreich), NJW 2013, 3423, 3425 f.; EGMR v. 23.05.2016 – 17502/07 (Avotins / Lettland), NJOZ 2018, 1515, 1517 f.; eingehend zu dieser „Solange“-Rechtsprechung des EGMR Haratsch, ZaöRV 66 (2006), 927.

C. Entwicklung der eigenen Position

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Weiteres835 der EuGH letztverantwortlich dafür, bei der Auslegung des Art. 17 Abs. 1 MAR auch die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen836. Wenngleich das Unionsrecht eine zivilrechtliche Haftung nach zutreffender Ansicht nicht vorschreibt, das Unionsrecht insofern also gerade nicht vollvereinheitlicht ist837, gilt der Prüfungsmaßstab des Art. 6 Abs. 1 MAR reflexartig auch für die Haftungsnorm des § 97 WpHG, da diese einen Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 MAR voraussetzt. Wie sich zeigen wird, gewähren deutsche Grundrechte insofern auch keinen weitergehenden Schutz. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 EMRK gilt nicht nur für die natürlichen Personen, die für den Emittenten handeln, sondern erstreckt sich auch auf den Emittenten selbst838. Zwar hat der EGMR bisher nicht ausdrücklich entschieden, dass von der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf juristische Personen auch das Recht umfasst ist, sich nicht selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit839 bezichtigen zu müssen. Wie selbstverständlich erkennt aber der EuGH eine Selbstbelastungsfreiheit auch zugunsten juristischer Personen an, wenngleich er sie bislang840 nicht auf Art. 6 Abs. 1 EMRK, sondern auf das „Erfordernis der Wahrung der Rechte der Verteidigung […] als fundamentalen Grundsatz der Gemeinschaftsrechtsordnung“ stützt841. Unterschiede zum Schutzumfang des Art. 6 Abs. 1 MAR bestünden insofern aber nicht842.

835 Ob sich an dieser Verteilung der Überprüfungsaufgaben mit einem ungewissen Beitritt der EU zur EMRK, zu der sich diese bereits mit dem Lissabon-Vertrag in Art. 6 Abs. 2 EUV verpflichtet hat, etwas ändern würde, ist offen. Der Beitritt scheint mit den Bedenken, die der EuGH in seinem zweiten Gutachten zu dieser Frage geäußert hat, aber ohnehin in weite Ferne gerückt zu sein; EuGH, Gutachten 2/13 v. 18.12.2014, ECLI:EU:C:2014:2454. 836 Zu der Absicht, bei der Auslegung des Unionsrechts der Rechtsprechung des EGMR Rechnung zu tragen, ausdrücklich EuGH v. 15.10.2002 – C-238/99 P u. a., ECLI:EU:C:2002:582 (LVM u. a. / Kommission) Rn. 274 ff.; EuGH v. 29.06.2006 – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 405. 837 Oben § 3 A. II. 838 Siehe Nachw. in Fn. 823 f.; ferner Weiß, JZ 1998, 289, 291. 839 So wie sich die Selbstbelastungsfreiheit nach der Rechtsprechung des BVerfG auch auf Ordnungswidrigkeiten bezieht (Fn. 815), sieht auch der EGMR Ordnungswidrigkeiten vom Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK umfasst, wenn und weil mit ihnen repressive und präventive Zwecke verfolgt werden; siehe nur EGMR v. 21.02.1984 – 8544/79 (Öztürk / Deutschland), NJW 1985, 1273 f.; EGMR v. 04.03.2014 – 18640/10 (Grande Stevens / Italien), NJOZ 2015, 712, 714 f. 840 Die Urteile des EuGH stammen aus der Zeit vor dem Lissabon-Vertrag, mit dem die Rechte der EMRK mit Art. 6 Abs. 3 EUV offiziell zu allg. Grundsätzen des Unionsrechts erhoben wurden. Zumindest das EuG hat aber auch in jüngster Zeit in Fragen der Selbstbelastungsfreiheit nicht auf Art. 6 EMRK abgestellt, EuG v. 09.04.2019 – T-371/17 (Kommission / Qualcomm), NZKart 2019, 267, 272 f. 841 EuGH v. 18.10.1989 – C-374/87, ECLI:EU:C:1989:387 (Orkem / Kommission) Rn. 30 ff.; EuGH v. 29.06.2006  – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 402 ff. 842 EuGH v. 29.06.2006 – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 406.

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

Und tatsächlich sind Gründe für die Ausnahme juristischer Personen aus dem Schutz der Selbstbelastungsfreiheit nicht ersichtlich843. Für etwaige Zweifel dürfte allein die Rechtsprechung des BVerfG verantwortlich sein, nach der die Anwendung des Nemo-tenetur-Grundsatz des deutschen Verfassungsrechts auf juristische Personen an Art. 19 Abs. 3 GG scheitern soll844. Mit guten Gründen wird diese Rechtsprechung aber zunehmend kritisiert845. Zum einen ist die Verankerung der Selbstbelastungsfreiheit auch in der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG alles andere als selbstverständlich846; das BVerfG hat verschiedentlich selbst das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG als entscheidende Grundlage herausgestellt847. Zum anderen ist es nicht mehr haltbar, Geldbußen gegen juristische Personen als ausschließlich nicht-repressive Maßnahmen der Vorteilsabschöpfung zu verstehen848, aus denen eine andere Gefährdungslage hervorgehe als aus Geldbußen gegen natürliche Personen849. Jedenfalls aber für den prozessual fundierten Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs richtigerweise nicht in Betracht. Das gilt umso mehr, als die Strafbarkeit von Unternehmen im europäischen Raum inzwischen der gesetzliche Regelfall ist850. 843

C.  Dannecker, ZStW 2015, 370, 371 f.; Gehling, ZIP 2018, 2008, 2010; Meyer-Ladewig / Harrendorf / König, in: Meyer-Ladewig / Nettesheim / v. Raumer EMRK4, Art. 6 Rn. 137; Weiß, JZ 1998, 289, 291; ders., NJW 1999, 2236, 2237. 844 Nachw. in Fn. 814. 845 Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 196 f.; C.  Dannecker, ZStW 2015, 370, 375 ff.; Hart-Hönig, FS Schiller, S. 281, 297; Kleinheisterkamp, Kreditwesengesetz und Strafverfahren, S. 427 ff.; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, S. 214 ff.; Szesny, BB 2010, 1995, 1999 f.; Weiß, JZ 1998, 289, 294 ff.; Zerbes, ZStW 2017, 1035, 1042 ff.; ferner Nieto Martín / Blumberg, FS Beulke, S. 855, 867. 846 Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 196; C. Dannecker, ZStW 2015, 370, 377 ff.; Kleinheisterkamp, Kreditwesengesetz und Strafverfahren, S. 42431 ff.; Szesny, BB 2010, 1995, 1999 f.; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, S. 187 f.; Zerbes, ZStW 2017, 1035, 1042 ff. 847 Insb. BVerfG v. 14.01.2004 – 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 31; BVerfG v. 27.04.2010 – 2 BvL 13/07, wistra 2010, 341; unter gleichzeitiger Nennung der Menschenwürde bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ferner BVerfG v. 22.10.1980 – 2 BvR 1172/79, BVerfGE 55, 144, 150; BVerfG v. 06.02.2002  – 2 BvR 1249/01, NJW 2002, 1411, 1412; BVerfG v. 25.08.2014 – 2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506. 848 So aber BVerfG v. 26.02.1997  – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 242; BVerfG v. 20.08.2015 – 1 BvR 980/15, ZIP 2015, 1821, 1822. 849 Angesichts des – in § 81 Abs. 4 S. 6, Abs. 5 S. 2 GWB ausdrücklich vorausgesetzten – Ahndungszwecks der Geldbuße auch gegen juristische Personen zu Recht kritisch gegenüber der Rechtsprechung des BVerfG Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 196 f.; ders., ZStW 2014, 132, 163; C. Dannecker, ZStW 2015, 370, 376 f.; Hart-Hönig, FS Schiller, S. 281, 297; zudem Weiß, JZ 1998, 289, 295; siehe auch Kleinheisterkamp, Kreditwesengesetz und Strafverfahren, S. 434 ff.; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, S. 228. 850 Dazu Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, Eine Übersicht zum Unternehmensstrafrecht in einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union 2017, Sachstand WD 7  – 3000 – 070/17, wonach bereits 24 Mitgliedstaaten der EU über ein Unternehmensstrafrecht verfügen. Siehe außerdem den RegE eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft (Stand: 16.06.2020), § 33 (und dazu S. 113 f.), sowie den „Entwurf eines Gesetzes zur

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In den oben erwähnten problematischen Konstellationen kommen die in Art. 6 Abs. 1 EMRK verbürgten Rechte daher als potenzielle Schranken der Ad-hocPublizitätspflicht in Betracht. Ihre Bedeutung ist also zum einen für den Fall zu untersuchen, in dem der Emittent mit einer Ad-hoc-Mitteilung eine eigene Straftat oder Ordnungswidrigkeit851 offenlegen müsste. Eine Einschränkung der Adhoc-Publizitätspflicht aufgrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist andererseits denkbar, wenn die Veröffentlichung allein von denjenigen herbeigeführt werden kann, deren Straftat oder Ordnungswidrigkeit bekanntgegeben würde, ohne dass zugleich auch ein verbotswidriges Verhalten des Emittenten vorliegen muss852. In der ersten Variante könnte die Pflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR auch dann entfallen, wenn ihm das eigene verbotswidrige Verhalten bekannt ist, sofern er sich selbst auf Art. 6 Abs. 1 EMRK berufen könnte. In der zweiten Variante könnte ein etwaiges Schweigerecht der betroffenen natürlichen Personen aus Art. 6 Abs. 1 EMRK als Schranke der Wissenszurechnung zum Emittenten wirken, so wie auch Verschwiegenheitspflichten eine Zurechnung ausschließen können853. Ob die Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten und der für ihn handelnden Personen tatsächlich die Veröffentlichungspflicht entfallen lassen kann, hängt damit von der sachlichen Reichweite des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ab, die im Folgenden näher zu untersuchen ist.

II. Der Umfang der Selbstbelastungsfreiheit 1. Der EuGH Der EuGH hat sich mit der Selbstbelastungsfreiheit bisher in erster Linie im Rahmen der Informationsrechte der Kommission gegenüber Unternehmen bei Ermittlungen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens854 befasst. Dem Grunde nach gesteht er betroffenen Unternehmen zwar auch außerhalb echter strafrechtEinführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sonstigen Verbänden“ des Lands NRW aus 2013, S. 74 f. (abrufbar unter https://www.landtag.nrw.de/portal/ WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMI16-127.pdf), und den „Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes“ aus 2017, S. 10, 25 (abrufbar unter: http://www.jpstrafrecht.jura.unikoeln.de/sites/iss_juniorprof/Projekte/Koelner_Entwurf_eines_Verbandssanktionengesetzes_​ _2017.pdf), die den Nemo-tenetur-Grundsatz zugunsten des Verbands grds. anerkennen. 851 Nach deutschem Recht kommen mangels Unternehmensstrafrechts nur Ordnungswidrigkeiten nach § 30 i. V. m. § 9 OWiG oder nach Spezialgesetzen (z. B. § 81 GWB) in Betracht. 852 Das ist denkbar bei Taten zulasten des Emittenten (z. B. der „Griff in die Unternehmenskasse“) oder Taten, die im Privaten begangen werden, sofern es sich dann noch um Insiderinformationen handelt. 853 Zu Verschwiegenheitspflichten oben § 4 D. I. 854 Art. 17 ff. VO 1/2003 bzw. Art. 11 ff. VO 17/1962 a. F. Seit der 8. GWB-Novelle aus dem Jahr 2013 kennt auch das deutsche Wettbewerbsrecht in § 81a GWB a. F. bzw. § 81b GWB n. F. Auskunftspflichten gegenüber dem Bundeskartellamt, die sich aber nur auf den für die Sanktionshöhe relevanten Umsatz des Unternehmens beziehen.

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licher Verfahren ein Schweigerecht zu, wenngleich er es bislang nicht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK herleitet. So dürfe die Kommission während einer Voruntersuchung „dem Unternehmen nicht die Verpflichtung auferlegen, Antworten zu erteilen, durch die es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen müßte, für die die Kommission den Beweis zu erbringen hat“855. Der damit erweckte Anschein eines weitreichenden Schutzes vor Selbstbelastung täuscht allerdings. Denn die Kommission soll gleichzeitig berechtigt sein, „das Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr erforderlichenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn sie dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten des betreffenden oder eines anderen Unternehmens zu erbringen“856. Anderenfalls werde die praktische Wirksamkeit der gesetzlichen Informationsrechte der Kommission vereitelt857. Auskunftsverlangen, mit denen „bloße Tatsachen“ abgefragt werden, sollen stets zulässig sein858. Wo hingegen die Grenze zur Unzulässigkeit liegen soll, wird nicht deutlich859. Sie scheint dort gesehen zu werden, wo „offene“ Fragen gestellt werden, bei deren Beantwortung ein gewisser Spielraum auszufüllen oder eine eigene Bewertung vorzunehmen ist, und ferner jedenfalls dort, wo mit Suggestivfragen ein verbotswidriges Verhalten unterstellt wird860. Die Bedenken gegen „offene“ Fragen rühren möglicherweise daher, dass der Auskunftsverpflichtete durch sie stärker zum Werkzeug gegen sich selbst gemacht wird, weil er Einfluss auf den Inhalt der gegebenen Antwort nehmen kann und muss. Zur rechtssicheren Abgrenzung taugt diese Überlegung aber offensichtlich nicht, zumal das Schweigerecht dann allzu leicht durch das Stellen einer Vielzahl konkreter („Ja / Nein“-)Fragen zu „bloßen Tatsachen“ umgangen werden könnte861. Letztlich bleiben die Abgren 855

EuGH v. 18.10.1989  – C-374/87, ECLI:EU:C:1989:387 (Orkem / Kommission) Rn. 35; EuGH v. 15.10.2002  – C-238/99 P u. a., ECLI:EU:C:2002:582 (LVM u. a. / Kommission) Rn. 272; EuGH v. 29.06.2006 – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 402; ferner ErwG 23 der VO 1/2003. 856 EuGH v. 18.10.1989  – C-374/87, ECLI:EU:C:1989:387 (Orkem / Kommission) Rn. 34; EuGH v. 15.10.2002  – C-238/99 P u. a., ECLI:EU:C:2002:582 (LVM u. a. / Kommission) Rn. 272; EuGH v. 29.06.2006 – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 403; ferner ErwG 23 VO 1/2003. 857 Siehe die Nachw. in vor. Fn. 858 Siehe neben den zuvor genannten Urteilen EuG v. 08.03.1995  – T-34/93, ECLI:EU:T:​ 1995:46 (Société Generale / Kommission) Rn. 75; aus jüngster Zeit EuG v. 09.04.2019 – T-371/17 (Kommission / Qualcomm), NZKart 2019, 267, 273. 859 Ausf. Kritik dazu bei Weiß, Die Verteidigungsrechte im EG-Kartellverfahren, S. 357 ff. 860 Vgl. EuGH v. 18.10.1989 – C-374/87, ECLI:EU:C:1989:387 (Orkem / Kommission) Rn. 37 ff.; EuGH v. 29.06.2006  – C-301/04 P, ECLI:EU:C:2006:432 (Kommission / SGL Carbon u. a.) Rn. 406 ff.; ferner EuG v. 20.02.2001 – T-112/98, ECLI:EU:T:2001:61 (MannesmannröhrenWerke AG / Kommission) Rn. 71; vgl. dazu auch Dieckmann, in: Wiedemann, Hdb. Kartellrecht4, § 42 Rn. 21. 861 Weiß, Die Verteidigungsrechte im EG-Kartellverfahren, S. 360; ders., JZ 1998, 289, 292, mit dem treffenden Hinweis, dass das Aussageverweigerungsrecht von den Formulierungskünsten der Kommission abzuhängen scheint.

C. Entwicklung der eigenen Position

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zungskriterien damit im Wesentlichen verborgen. Klar ist aber, dass der EuGH den Unternehmen sehr weitreichende Pflichten zu Auskünften mit Bezug zu eigenem verbotswidrigen Verhalten gegenüber der Kommission zumutet. 2. Der EGMR Mehr Ertrag verspricht die Auswertung der Rechtsprechung des EGMR zum Umfang des Schweigerechts. Den Anfang dazu machte die Entscheidung in der Sache „Funke / Deutschland“ aus dem Jahr 1993, in der der Gerichtshof erstmals ein aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgendes Recht, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, anerkannte862. Er entschied dort auch, dass die Selbstbelastungsfreiheit trotz des engen Wortlauts des Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht erst ab dem Zeitpunkt der förmlichen Eröffnung des Strafverfahrens gelte, sondern bereits ein zu erwartendes Verfahren ausreiche863, was später mit dem Erfordernis einer „wesentlichen Betroffenheit“ der zur Auskunft angehaltenen Person konkretisiert wurde864. Abgesehen davon lieferte der EGMR allerdings noch keine Anhaltspunkte für die konkrete Reichweite des Rechts. Die erste für die hiesige Untersuchung zentrale Entscheidung des Gerichtshofs erging schließlich in der Sache „Saunders / Vereinigtes Königreich“ im Jahr 1996. Der EGMR stellte dort fest, dass das Auskunftsverlangen einer Aufsichtsbehörde gegenüber Organwaltern im Rahmen aufsichtsrechtlicher Untersuchungen wegen rechtswidrigen Verhaltens im Unternehmen – im konkreten Fall wegen Verstoßes gegen übernahmerechtliche Bestimmungen – auch dann nicht gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoße, wenn die Informationen Grundlage späterer strafrechtlicher Verfahren werden sollten. Anderenfalls würde die wirksame Aufsicht über komplexe finanzielle und wirtschaftliche Aktivitäten im öffentlichen Interesse unangemessen behindert865. Zu unterscheiden sei die Zulässigkeit der Auskunftsverlangen aber von der Zulässigkeit der Verwertung der erlangten Auskünfte in einem späteren Strafverfahren gegen die Auskunftspflichtigen. Eine solche Verwertung der unter Zwang erhaltenen Informationen stelle sehr wohl einen Verstoß der aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgenden Selbstbelastungsfreiheit dar866. Diese Linie bestätigte der EGMR in der Folgezeit. Zwar werde das Recht, sich nicht einer Straftat bezichtigen zu müssen, nicht absolut geschützt867. Eine nationale Vorschrift, die Personen nach ihrer Festnahme im Anschluss an ein Attentat ver 862

EGMR v. 25.02.1993 – 10828/84 (Funke / Frankreich) Rn. 44. Siehe dazu die Aussagen in EGMR v. 08.04.2004 – 38544/97 (Weh / Österreich), JR 2005, 423, 425 Rn. 52. 864 EGMR v. 21.12.2000 – 34720/97 (Heaney and McGuinness / I rland) Rn. 41 („substantially affected“). 865 EGMR v. 17.12.1996 – 19187/91 (Saunders / Vereinigtes Königreich) Rn. 67. 866 EGMR v. 17.12.1996 – 19187/91 (Saunders / Vereinigtes Königreich) Rn. 74. 867 EGMR v. 21.12.2000 – 34720/97 (Heaney and McGuinness / I rland) Rn. 47. 863

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pflichtet, Auskünfte über ihren Aufenthaltsort und ihre Handlungen während der Tat zu erteilen, und eine Weigerung mit bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe belegt, verstoße aber dann gegen das Schweigerecht aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, wenn die erzwungenen Aussagen nicht einem strafrechtlichen Verwertungsverbot unterlägen, über das die Beschuldigten im Vorfeld belehrt wurden868. Die Anforderungen an die in der zuletzt genannten Entscheidung bereits angelegte Interessenabwägung konkretisierte der Gerichtshof im Lauf der Zeit weiter. Ob die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt wurden, sei von der Natur und dem Ausmaß des angewandten Zwangs, dem Gewicht des öffentlichen Interesses an der Verfolgung der in Rede stehenden Tat, der Existenz verfahrensrechtlicher Schutzmaßnahmen (z. B. nach § 81a StPO869) sowie der konkreten Verwendung der erlangten Beweismittel abhängig870. Im entschiedenen Fall ging es nicht um bloße Auskunftsverlangen, sondern um die staatsanwaltlich angeordnete Verabreichung von Brechmitteln durch einen Arzt, um das Erbrechen von Betäubungsmitteln zu provozieren, die der Verdächtige zuvor in einem Plastikbeutel verschluckt hatte, um sie vor der Polizei zu verbergen. Der EGMR sah darin nicht nur einen Verstoß gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK, sondern auch gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dafür sprachen für ihn im Ergebnis alle relevanten Abwägungskriterien. Er erwähnte aber auch, dass allein schon die Verwertung der erlangten Betäubungsmittel als Beweis im Strafverfahren eine Verletzung der Selbstbelastungsfreiheit bedeutetet hätte871. Die Entscheidung lässt damit – auch angesichts der früheren Urteile – ferner den Schluss zu, dass die Existenz eines Verwertungsverbots hinsichtlich der erlangten Beweismittel einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. EMRK jedenfalls dann regelmäßig ausschließen soll, wenn sich der ausgeübte Zwang, anders als im entschiedenen Fall, auf bloße Auskunftsverlangen beschränkt. In speziell gelagerten Fällen hat der EGMR schließlich ein besonders restriktives Verständnis der Selbstbelastungsfreiheit vertreten. So fehle es schon an der Voraussetzung einer wenigstens erwartbaren „strafrechtlichen Anklage“ im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs zur Auskunft darüber verpflichtet werde, wer das Fahrzeug im Zeitpunkt eines festgestellten Verkehrsverstoßes gefahren sei872. Denn diese Pflicht treffe den Halter nicht als Verdächtigen, er müsse vielmehr nur als Fahrzeughalter über das „bloße Faktum“ des Fahrers 868

EGMR v. 21.12.2000 – 34720/97 (Heaney and McGuinness / I rland) Rn. 51 ff. EGMR v. 11.07.2006 – 54810/00 (Jalloh / Deutschland), NJW 2006, 3117, 3124 f. Rn. 120. Zwar geht der EGMR davon aus, dass sich das Schweigerecht grundsätzlich nicht auf Beweismittel erstreckt, die unabhängig von einem Aktivwerden des Verdächtigen existieren (EGMR v. 17.12.1996 – 19187/91 [Saunders / Vereinigtes Königreich] Rn. 69). Er entschied aber anders, wenn die Beweise unter Verstoß gegen das Folterverbot aus Art. 3 EMRK erlangt wurden (hier: Verabreichung von Brechmitteln zur Erlangung verbotener Betäubungsmittel). 870 EGMR v. 11.07.2006 – 54810/00 (Jalloh / Deutschland), NJW 2006, 3117, 3124 Rn. 117. 871 Vgl. EGMR v. 11.07.2006  – 54810/00 (Jalloh / Deutschland), NJW 2006, 3117, 3125 Rn. 122. 872 EGMR v. 08.04.2004 – 38544/97 (Weh / Österreich), JR 2005, 423, 425 Rn. 52 ff. 869

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informieren873. Zu demselben Ergebnis gelangte der Gerichtshof in einem gleich gelagerten Fall später auch im Rahmen der genannten Interessenabwägung. Der durch die Aussagenpflicht erzeugte Zwang des Fahrzeughalters verliere dadurch an Gewicht, dass mit dem Halten eines Kraftfahrzeug zum einen die Verantwortung für die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtungen übernommen werde und sich das Auskunftsverlangen zum anderen allein auf die „einfache Tatsache“ beziehe, wer der Fahrer gewesen sei874. Unter diesen Umständen sei auch die Verwertung der Aussage im Verfahren wegen des Verkehrsverstoßes gegen den Fahrzeughalter zulässig, zumal die Strafverfolgungsbehörde beweisbelastet bliebe und der Beschuldigte nicht daran gehindert werde, weitere Entlastungsbeweise beizubringen875. 3. Das BVerfG und der BGH Sieht man von den zuletzt genannten Entscheidungen zur Auskunftspflicht eines Fahrzeughalters ab, entspricht die Handhabung des Nemo-tenetur-Grundsatzes durch den EGMR jedenfalls im Grundsatz der Ansicht des BVerfG zum deutschen Verfassungsrecht. Auch das BVerfG gelangt zu einer Abwägungslösung, die es mit dem nur relativen Schutz des Rechts auf freie Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG begründet876. Dabei sei entscheidend, „ob und inwieweit andere auf die Information der Auskunftsperson angewiesen sind, ob insbesondere die Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluß übernommenen Pflichtenkreises ist“877. Das BVerfG ist ebenfalls der Ansicht, dass Auskunftspflichten außerhalb des Strafverfahrens von einem damit möglicherweise einhergehenden Selbstbezichtigungszwang im Regelfall unberührt bleiben sollen, weil deren Zweck nicht darin liege, zu einer Verurteilung beizutragen, sondern darin, berechtigte Interessen Dritter zu befriedigen878. Diese Sichtweise liegt auch auf der Linie der sonstigen deutschen Rechtsprechung und Literatur in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Schon vor dem soeben zitierten „Gemeinschuldnerbeschluss“ des BVerfG hatte der BGH entschieden, dass die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht eines Auftragsnehmers 873

EGMR v. 08.04.2004 – 38544/97 (Weh / Österreich), JR 2005, 423, 425 Rn. 54. EGMR v. 29 June 2007 – 15809/02 u. 25624/02 (O’Halloran und Francis / Vereinigtes Königreich), NJW 2008, 3549, 3552 f. Rn. 57 f. 875 EGMR v. 29 June 2007 – 15809/02 u. 25624/02 (O’Halloran und Francis / Vereinigtes Königreich), NJW 2008, 3549, 3553 Rn. 60. Zur Kritik an dieser Rechtsprechung sogleich, § 5 C. II. 4. 876 BVerfG v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 49. 877 BVerfG v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 42. 878 BVerfG v. 13.01.1981  – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 48. Der Gesetzgeber ist aber selbstverständlich nicht daran gehindert, die jeweilige Informationspflicht für den Fall eines drohenden Selbstbezichtigungszwangs dennoch entfallen zu lassen, siehe etwa § 65 Abs. 3 SGB I. Dies bestätigt nur, dass es letztlich um eine Interessenabwägung geht. 874

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gegenüber dem Auftraggeber nach den §§ 666, 260 BGB nicht daran scheitere, dass eine Straftat offengelegt werden müsste. Im Gegenteil bestehe dann sogar ein gesteigertes Interesse an der Pflichterfüllung879. Der Ansicht der Rechtsprechung und Literatur entspricht es außerdem, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft Auskünfte gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG sowie im Rahmen eines Auskunftsverlangens nach § 131 AktG in der Hauptversammlung nicht schon deshalb verweigern darf, weil damit strafbares Verhalten offenbart werden müsste880. Und in dieselbe Richtung weist es schließlich, wenn der Partei eines Zivilprozesses die Wahl gelassen wird, sich im Rahmen seines Vortrags selbst einer Straftat zu bezichtigen oder die negativen beweisrechtlichen Folgen ihres Schweigens hinzunehmen881. Die Liste wird länger, wenn man verwandte Fälle hinzunimmt, in denen es nicht um Auskunftspflichten, aber um andere außerprozessuale Verhaltenspflichten geht, deren Erfüllung mit der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung einhergeht. So sieht das BVerfG die Strafbarkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB auch dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, wenn der Unfallverursacher mit seinem Verbleiben am Unfallort die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung eingeht882. Vielmehr sei das Feststellungs- und Beweis­ sicherungsinteresse der Geschädigten insoweit höher zu gewichten883. Und nach der ständigen Rechtsprechung des BGH in Strafsachen soll eine Garantenpflicht aus rechtswidrigem Vorverhalten grundsätzlich nicht schon dann zu verneinen sein, wenn mit der Erfüllung der Pflicht die Gefahr der Aufdeckung der eigenen Straftat verbunden ist884. 879

BGH v. 30.04.1964 – VII ZR 156/62, BGHZ 41, 318, 322 f.; BGH v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 268; zu vergleichbaren Fällen der vertraglichen Auskunftspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ferner LAG Hamm v. 03.03.2009 – 14 Sa 1689/08, CCZ 2010, 237. 880 LG Stuttgart v. 19.12.2017 – 31 O 33/16 KfH, juris Rn. 228 f. (insoweit in NZG 2018, 665 nicht abgedruckt); Kort, NZG 2018, 641, 645; Schmidt / Lutter / Krieger / Sailer-Coceani3, § 90 Rn. 54. 881 OLG München v. 17.07.2007 – 19 W 1941/07, NJOZ 2008, 617, 618 f.; gleichsinnig LG Karlsruhe v. 14.11.2008 – 6 O 36/05, juris Rn. 44 ff.; ausf. dazu schon Stürner, Aufklärungspflicht, S. 174 ff. 882 BVerfG v. 29.05.1963 – 2 BvR 161/63, BVerfGE 16, 191, 193 f.; bestätigt durch BVerfG v. 16.03.2001 – 2 BvR 65/01, juris Rn. 5. Trotz grundsätzlicher Zustimmung wird es von Teilen der Literatur aber als bedenklich angesehen, wenn auch aus § 142 StGB folgende aktive Mitwirkungspflichten bestehen bleiben sollen, dazu Kretschmer, in: Kindhäuser / Neumann /  Paeffgen5, § 142 StGB Rn. 19, 72 m. w. N. sowie ausf. Dietrich, § 142 StGB n. F. und das Verbot zwangsweiser Selbstbelastung, S. 103 ff. Zutreffend wird aber auch in dieser Diskussion darauf hingewiesen, dass die Rechte des Verpflichteten im Einzelfall mit Beweisverboten gesichert werden können, dazu nur Reiß, NJW 1980, 1806. 883 BVerfG v. 29.05.1963 – 2 BvR 161/63, BVerfGE 16, 191, 193 f. 884 BGH v. 08.03.2017 – 1 StR 466/16, BGHSt 62, 72, 84 f. Rn. 36 f. (zu §§ 263, 13 Abs. 1 StGB); BGH v. 01.04.1958 – 1 StR 24/58, BGHSt 11, 353, 354 f. (zu § 330c StGB a. F. = § 323c StGB n. F.); BGH v. 29.11.1963 – 4 StR 390/63, NJW 1964, 731, 732 (zu §§ 211, 13 Abs. 1 StGB, insoweit in BGHSt 19, 167 nicht abgedruckt).

C. Entwicklung der eigenen Position

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Besondere Relevanz erfährt der erwähnte „Gemeinschuldnerbeschluss“ des BVerfG neben all diesen Entscheidungen aber wegen einer weiteren zentralen Aussage. Wie der EGMR unterscheidet auch das BVerfG genau zwischen der Auskunftspflicht und der strafprozessualen Verwertbarkeit der mit der Auskunft erlangten Informationen. Der durch die Aussagepflicht begründete Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Gemeinschuldners könne nur durch Ergänzung der Pflicht um ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Auskünfte für das mögliche Strafverfahren gerechtfertigt werden885. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe mit § 97 Abs. 1 S. 3 InsO – überschießend886 – umgesetzt und ist dem Vorbild mit § 42a S. 6 BDSG a. F. bzw. §§ 42 Abs. 4, 43 Abs. 4 BDSG n. F. in jüngerer Zeit auch bei datenschutzrechtlichen Meldepflichten sowie mit § 630c Abs. 2 S. 3 BGB bei der Pflicht zur ärztlichen Auskunft über Behandlungsfehler gefolgt. 4. Fazit und Stellungnahme Die Rechtsprechung der europäischen Gerichte zur sachlichen Reichweite der Selbstbelastungsfreiheit gestaltet sich unübersichtlich. Ein Konsens auch mit dem BVerfG besteht aber insofern, als Auskunftspflichten außerhalb förmlicher straf- und bußgeldrechtlicher Verfahren nicht generell mit dem Schutz vor einem Selbstbelastungszwang in Konflikt geraten sollen. Vielmehr sollen die hinter den jeweiligen Informationspflichten stehenden Interessen mit dem Recht, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, abgewogen werden können. Ferner sind sich EGMR und BVerfG darin einig, dass den Rechten des Betroffenen in der Regel schon mit einem Verbot der beweisrechtlichen Verwertung der erzwungenen Aussagen Rechnung getragen werden kann. Im Vordergrund dieser Untersuchung steht wie erwähnt die Selbstbelastungsfreiheit nach europäischen Grundsätzen887. Der EGMR, der sie aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ableitet, sowie der EuGH verstehen sie als prozessual fundiertes Recht. Gegen die Abwägungslösung des EGMR könnte man daher anführen, dass das Schweigerecht als Verfahrensgarantie etwaige außerprozessuale Aussagepflichten von vornherein nicht tangiere, sondern ohnehin allenfalls die Verwertung der im Vorfeld verpflichtenden Aussage im Straf- oder Bußgeldverfahren verbiete888. Die Lösung könnte mit dieser Überlegung also darin liegen, dass es für die Wahrung 885

BVerfG v. 13.01.1981  – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 50 f.; vgl. auch BVerfG v. 09.05.2004 – 2 BvR 480/04, wistra 2004, 383. 886 Anstelle eines Beweisverwertungsverbot normiert § 97 Abs. 1 S. 3 InsO auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin sogar ein Verwendungsverbot (Fernwirkungsverbot), nach dem die Aussage des Schuldners auch nicht zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen werden darf, Begr. Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 166. Damit geht der Gesetzgeber über die Vorgaben des BVerfG wohl hinaus. Siehe auch MünchKomm. InsO / Stephan 4, § 97 Rn. 18, der dies offenbar für eine Vorgabe des BVerfG hält. Näher dazu noch unten § 5 C. III. 2. b) aa). 887 § 5 C. I. 888 C. Dannecker, ZStW 2015, 370, 397 f.

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

der Rechte des Täters stets ausreiche, aber auch erforderlich sei, die Auskunftspflichten um ein Verwertungsverbot zu ergänzen. Tatsächlich aber haben die Abwägungslösungen des EGMR und des BVerfG einen Vorzug. Sie berücksichtigen, dass im Einzelfall bereits die Auskunftspflicht als solche und nicht erst die Verwertung der erlangten Informationen im Prozess in die Rechte des Betroffenen eingreifen kann889. Genau genommen dürfte daher zu unterscheiden sein: Der Kern des Schweigerechts ist prozessualer Natur; eine Verletzung liegt daher jedenfalls in der Verwertung erzwungener Aussagen im Straf- oder Bußgeldverfahren890. Darüber hinaus kann aber schon die außerprozessuale Auskunftspflicht selbst in materielle Grundrechte eingreifen, die keinen lückenlosen Schutz gewähren, sondern einer Abwägung zugänglich sind. Die Lösung des BVerfG und mit Vorbehalten891 des EGMR überzeugen daher jedenfalls im Ergebnis. Richtig ist allerdings auch, dass die Bedeutung der Abwägung nicht überschätzt werden darf. Auch nach der Rechtsprechung ist ihr Ergebnis vielmehr schon vorgezeichnet: Angemessene Ergebnisse sind in aller Regel tatsächlich dadurch zu erreichen, dass die mit einer Auskunft erlangten Informationen einem Beweisverwertungs- oder Beweisverwendungsverbot892 im späteren Straf- oder Bußgeldverfahren unterliegen. Die Abwägungslösung behält sich aber immerhin vor, im Ausnahmefall einen weitergehenden Schutz vorzusehen893. Widersprochen werden muss der Rechtsprechung des EGMR hingegen in zwei Punkten. Zum einen kann für das Bestehenbleiben einer Auskunftspflicht nicht die Schwere der in Rede stehenden Tat angeführt werden894. Denn das Strafverfolgungsinteresse selbst darf  – anders als berechtigte Interessen Dritter  – nicht gegen die Rechte des Verdächtigen in die Waagschale gelegt werden895. Weder im Ergebnis noch in der Begründung zu folgen ist dem EGMR außerdem in seinen Ausführungen zu der Pflicht eines Fahrzeughalters, Auskunft über die Person des Fahrers zum Zeitpunkt eines festgestellten Verkehrsverstoßes zu geben. Die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK kann nicht mit dem (Schein-)Argument abgelehnt werden, der Verpflichtete werde nur in seiner Eigenschaft als Fahrzeug-

889

Vgl. dazu Stürner, NJW 1981, 1757, 1761. Insoweit auch C. Dannecker, ZStW 2015, 370, 397 f. 891 Dazu sogleich im Text. 892 Siehe zu dieser Unterscheidung noch unten § 5 C. III. 2. b) aa). 893 Zur Erforderlichkeit eines solchen weitergehenden Schutzes Stürner, NJW 1981, 1757, 1761. 894 So EGMR v. 11.07.2006 – 54810/00 (Jalloh / Deutschland), NJW 2006, 3117, 3124 Rn. 117; anders aber noch EGMR v. 17.12.1996 – 19187/91 (Saunders / Vereinigtes Königreich) Rn. 74: Die Grundsätze des Art. 6 EMRK „apply to criminal proceedings in respect of all types of criminal offences without distinction from the most simple to the most complex. The public interest cannot be invoked to justify the use of answers compulsorily obtained in a non-judicial investigation to incriminate the accused during the trial proceedings“; zu Recht kritisch daher auch die Sondervoten der Richter Pavlovschi und Myjer im Fall „O’Halloran und Francis / Vereinigtes Königreich“ (Fn. 874) sowie die drei Sondervoten im Fall „Weh / Österreich“ (Fn. 823), Rn. 4. 895 Vgl. C. Dannecker, ZStW 2015, 991, 994 f.; ferner die krit. Nachw. in vor. Fn. 890

C. Entwicklung der eigenen Position

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halter, nicht aber als Verdächtiger befragt896. Zum einen ist das ein Kunstgriff, mit dem versucht wird, den Halter wie jeden beliebigen Dritten zu behandeln, dem ein konkreter Bezug zur Tat fehle897. Abgesehen davon überzeugt es aber auch nicht, die Rechte der betroffenen Person überhaupt davon abhängig zu machen, in welcher Eigenschaft sie befragt wird898. Denn nicht das Schweigerecht, sondern nur eine Pflicht behördlicher Befragungspersonen zur Belehrung über dieses Recht, darf davon abhängen, ob die Auskunftsperson bereits verdächtig ist899. Offensichtlich fehl geht zudem die Begründung der Verwertbarkeit der erzwungenen Aussage im anschließenden Straf- oder Bußgeldverfahren gegen den Fahrzeughalter. Denn so selbstverständlich der Umstand ist, dass dem Beschuldigten mit der Beweisverwertung der Gebrauch weiterer Verteidigungsrechte nicht verwehrt wird, so irrelevant ist dieser Umstand für die Bestimmung des Umfangs der Selbstbelastungsfreiheit900. Fragwürdig ist schließlich auch das Argument, die Zwangslage des Auskunftspflichtigen werde dadurch abgemildert, dass dieser mit dem Halten des Kraftfahrzeugs bewusst die Verantwortung für die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpflichtung übernommen habe901. Vergleichbare Erwägungen können im Einzelfall zwar für das Bestehenbleiben einer – bewusst übernommenen – Auskunftspflicht trotz eines damit verbundenen Selbstbeschuldigungszwangs sprechen902. Für den Fahrzeughalter dürfte eine solche bewusste Pflichtübernahme aber erstens eine Fiktion bedeuten. Zweitens kann damit jedenfalls nicht auch die Verwertbarkeit der erzwungenen Aussage im Straf- oder Bußgeldverfahren begründet werden.

III. Übertragung auf die Ad-hoc-Publizität Bei der Prüfung, was die herausgearbeiteten Grundsätze der Selbstbelastungsfreiheit für die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 1 MAR bedeuten, sind die oben schon erwähnten Konstellationen zu unterscheiden. 896

So i. E. auch die Sondervoten im Fall „Weh / Österreich“ (Fn. 823), Rn. 1. Deutliche Kritik in diese Richtung bei Gaede, JR 2005, 426, 427. 898 Hintergrund dessen ist zwar, dass Art. 6 Abs. 1 EMRK einen Bezug zu einer „strafrecht­ lichen Anklage“ verlangt. Erkennt man aber wie der EGMR zutreffend eine gewisse Vorwirkung des Schweigerechts an, so darf die für die Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK verlangte „wesentliche Betroffenheit“ der befragten Person nicht von der Vorstellung der Behörden darüber abhängen, wie wahrscheinlich eine Strafverfolgung ist; so i. E. auch die Sondervoten im Fall „Weh / Österreich“ (Fn. 823), Rn. 1; vgl. ferner C. Dannecker, ZStW 2015, 370, 397 f. 899 Jedenfalls im deutschen Recht ist es selbstverständlich, dass der Täter Schweigerechte auch in einer nur informatorischen Befragung hat, siehe nur MünchKomm. StPO / Ellbogen, § 252 Rn. 24 m. w. N. 900 C. Dannecker, ZStW 2015, 991, 998 f. 901 Kritisch dazu auch das Sondervotum des Richters Myjer im Fall „O’Halloran und Francis / Vereinigtes Königreich“ (Fn. 874), Rn. 5. 902 Dazu noch unten § 5 C. III. 3. b). 897

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

1. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer fremden Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person Unproblematisch ist zunächst der Fall, in dem der Emittent Kenntnis einer fremden Straftat oder Ordnungswidrigkeit eines Unternehmensangehörigen hat oder haben muss, weil ihm das Wissen oder Wissenmüssen seitens einer nicht in die Tat involvierten Person zuzurechnen ist. Handelt es sich bei der Information überhaupt um eine Insiderinformation, ist der Emittent nach den allgemeinen Regeln nach Art. 17 Abs. 1 MAR zu deren Veröffentlichung verpflichtet903. Zum einen spielt dann die Selbstbelastungsfreiheit der Zurechnungsperson keine Rolle, weil sie selbst nicht Täter ist. Zum anderen kann sich auch der Emittent selbst nicht auf Art. 6 Abs. 1 EMRK berufen, weil es nicht um eine Tat geht, für die er selbst belangt werden kann904. 2. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person Schwerer zu beurteilen ist die Frage, ob der Emittent eine Tat bekanntgeben muss, für deren Begehung er selbst zur Verantwortung gezogen werden kann905. Voraussetzung einer Veröffentlichungspflicht bzw. deren Verletzung ist insofern wie auch sonst jedenfalls, dass dem Emittenten die Tat bekannt ist oder er sie hätte kennen müssen906. Die Vorfrage der Zurechnung des jeweiligen Wissens oder Wissenmüssens macht wiederum dann keine Probleme, wenn sie seitens einer Person erfolgen kann, die sich selbst nichts hat zu Schulden kommen lassen. Ob daneben auch eine Zurechnung seitens der Täter selbst in Betracht kommt, wird noch zu untersuchen sein907. Fest steht aber, dass der Emittent die Tat kraft Zurechnung zumindest seitens nicht involvierter Unternehmensangehöriger kennen kann.

903

Das dürfte i. E. der allg. Meinung entsprechen; statt vieler nur Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 429 a. E. 904 Das dürfte im Ausgangspunkt selbst dann gelten, wenn dem Emittenten eine Aufsichtspflichtverletzung i. S. d. § 130 OWiG vorzuwerfen ist. Eine andere Frage ist es aber, ob der Emittent dann auch die weitere Information bekanntgeben muss, dass die Tat durch gebotene Aufsichtsmaßnahmen i. S. d. § 130 OWiG verhindert worden wären. Das hängt davon ab, ob er auch eigene Ordnungswidrigkeiten mitteilen muss; dazu sogleich unter § 5 C. III. 2. 905 Zu den denkbaren Fällen § 5 A. 906 Dazu § 2 A. 907 § 5 C. III. 3.

C. Entwicklung der eigenen Position

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a) Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 EMRK Voreilig wäre es, den Emittenten in diesen Fällen mit der Überlegung als zur Veröffentlichung verpflichtet anzusehen, dass schon der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK mangels jeglichen Bezugs zu einer „strafrechtlichen Anklage“ im Sinn der Vorschrift nicht eröffnet sei. Ähnlich hat zwar der EGMR in einem Fall der Auskunftspflicht eines Kfz-Halters argumentiert, weil dieser nicht als Verdächtiger, sondern nur in seiner Eigenschaft als Fahrzeughalter befragt werde908. Hielte man das für überzeugend, läge für Art. 17 Abs. 1 MAR ein Erst-recht-Schluss nahe, weil im Zeitpunkt der Veröffentlichungspflicht in der Regel überhaupt noch keine Verdachtsmomente seitens öffentlicher Stelle bestehen, sondern der Emittent wie auch sonst lediglich seinen kapitalmarktrechtlichen Pflichten nachkommen müsste. Oben wurde die Rechtsprechung des EGMR in dieser Hinsicht aber schon kritisiert. Die Herleitung des Schweigerechts aus Art. 6 Abs. 1 EMRK darf nicht dazu führen, dass die Betroffenheit der Rechte des Auskunftsverpflichteten im Vorfeld des Strafverfahrens davon abhängen, in welcher Eigenschaft er aussagen muss909. Vielmehr können keine Zweifel daran bestehen, dass eine gesetzliche Pflicht des Emittenten, eigene Straftaten und Ordnungswidrigkeit öffentlich bekannt zu machen, den Schutzbereich der Selbstbelastungsfreiheit auch dann betrifft, wenn die Vorschrift nicht unmittelbar auf eine Selbstbezichtigung abzielt910. b) Kein vom Regelfall abweichendes Abwägungsergebnis wegen Besonderheiten der Ad-hoc-Publizität Trotz Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 EMRK käme man aber nur dann zu dem Ergebnis, dass der Emittent bei einer mit der Veröffentlichung verbundenen Selbstbelastung von seiner Pflicht befreit wäre, wenn die Ad-hocPublizität anders zu behandeln wäre als sonstige Fälle außerprozessualer Informationspflichten. Denn im Regelfall gebietet der Schutz des Aussagepflichtigen lediglich ein Beweisverwertungs- bzw. Beweisverwendungsverbot911 hinsichtlich der mitgeteilten Informationen912. 908

Oben § 5 C. II. 2. mit Nachw. in Fn. 872. Oben § 5 C. II. 4. 910 I. E. auch Gehling, ZIP 2018, 2008, 2013; Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 80 f. 911 Dazu sogleich unter § 5 C. III. 2. b) aa). 912 Oben § 5 C. II. 4. Irreführend ist daher der Hinweis von Gehling, ZIP 2018, 2008, 2014, allein die Entscheidungen des EGMR in den Kfz-Halter-Fällen könnten gegen eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch die Pflicht zur Veröffentlichung eigener Taten sprechen. Unerwähnt bleibt dabei nämlich, dass der EGMR in den Urteilen „Saunders / Vereinigtes Königreich“ (Fn. 865) und „Heaney und McGuiness / I rland“ (Fn. 864) nicht bereits die Aussagepflicht, sondern in erster Linie erst die Verwertbarkeit der erlangten Informationen als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen hat (dazu oben § 5 C. II. 2.). Auf die Unterscheidung zwischen Auskunftspflicht und beweisrechtlicher Verwertung geht auch Assmann, in: Assmann / Schneider / Mülbert7, Art. 17 MAR Rn. 76 ff., nicht ein. 909

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

aa) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu öffentlicher Selbstbezichtigung Dass sich die Ad-hoc-Publizität von anderen Auskunftspflichten gegenüber behördlichen Stellen oder sonstigen Dritten unterscheidet, ist nicht zu übersehen. Denn nach Art. 17 Abs. 1 MAR müsste der Emittent seine Tat bzw. die der Tat zugrundeliegenden Umstände sogar der Öffentlichkeit mitteilen. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht stellt daher zweifelsfrei einen schwereren Eingriff in die Rechte des Emittenten aus Art. 6 Abs. 1 EMRK dar als Auskunftspflichten gegenüber einem eingeschränkten Personenkreis. Zu bedenken ist aber, dass die Belange des Kapitalmarkts und betroffener Anleger ebenfalls schwerer wiegen als die Interessen Einzelner. Aufgrund dieses in der Abwägung ebenso zu berücksichtigenden Gegengewichts lässt sich ein Wegfall der Ad-hoc-Publizitätspflicht also nicht schon mit der Intensität des Eingriffs begründen, die der Zwang zur öffentlichen Selbst­bezichtigung erzeugt913. Auch der Umstand, dass Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden in der Regel erst mit der öffentlichen Bekanntgabe auf das verbotene Verhalten aufmerksam würden, beeinflusst die Abwägung nicht entscheidend914. Weil die schutzwürdigen Belange des Kapitalmarkts überhaupt nur mit der öffentlichen Bekanntgabe befriedigt werden können, muss es auch es auch insofern dabei bleiben, dass ein Ausgleich im Sinn praktischer Konkordanz den Schutz der Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten nur in seinem prozessualen Kern – durch ein Beweisverwertungs- oder verwendungsverbot915 – gebietet. Dass der Nemo-tenetur-Grundsatz nicht generell davor schützt, zum Bekanntwerden des gesetzeswidrigen Verhaltens bei Verfolgungsbehörden beizutragen zu müssen, liegt auch auf der Linie der Rechtsprechung von EuGH, EGMR und BVerfG. Eindeutig sind insofern die Entscheidungen des EuGH und des EGMR, nach denen Auskunftspflichten ja sogar unmittelbar gegenüber den zuständigen Behörden bestehen können916. Und auch das BVerfG schloss sich in seinem „Gemeinschuldnerbeschluss“ ganz bewusst nicht der Auffassung eines Sondervotums an, nach dem die Auskunftspflicht des Gemeinschuldners vor dem Konkursgericht von der Geheimhaltungspflicht des Gerichts abhängig zu machen sei, weil jede weitere Verwendung oder Weitergabe der Information mangels Erforderlichkeit unzulässig sein müsse917. Auf die Ad-hoc-Publizität lässt sich die letztere Überlegung aber ohnehin nicht dergestalt übertragen, dass wegen der mit der Veröffentlichung zwangsläufig verbundenen 913

So aber Assmann / Schneider / Assmann, 6. Aufl., § 15 WpHG Rn. 91; vgl auch Gehling, ZIP 2018, 2008, 2014. 914 In diese Richtung aber Gehling, ZIP 2018, 2008, 2014. 915 Zu der Unterscheidung sogleich im Text. 916 Zu den Entscheidungen des EuGH hinsichtlich der Untersuchungsverfahren der Kommission wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens oben § 5 C. II. 1.; zum EGMR s. insb. Urt. v. 17.12.1996 – 19187/91 (Saunders / Vereinigtes Königreich); grds. auch EGMR v. 21.12.2000 – 34720/97 (Heaney and McGuinness / I rland). 917 BVerfG v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 52 ff.

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Information der Verfolgungsbehörden die Pflicht entfallen müsse. Vielmehr ist die öffentliche Bekanntgabe für den Zweck der Ad-hoc-Publizität sehr wohl erforderlich und das mit ihr einhergehende Bekanntwerden der Information bei den zuständigen Behörden damit nicht überschießend im Sinn des Sondervotums. In der Tat erwägenswert ist es allerdings, die Veröffentlichungspflicht des Emittenten nicht nur durch ein Beweisverwertungsverbot, sondern ein weitergehendes Beweisverwendungsverbot zu ergänzen. Das würde bedeuten, dass sich das Verwertungsverbot ähnlich der U. S.-amerikanischen „fruit of the poisonous tree“Doktrin auch auf solche Informationen erstrecken würde, deren Ermittlung erst durch die verpflichtende Ad-hoc-Mitteilung ermöglicht wurde. Diesen Weg ist der deutsche Gesetzgeber unter anderem auch im Rahmen der Auskunftspflichten des Insolvenzschuldners mit § 97 Abs. 1 S. 3 InsO – und über die Vorgaben des BVerfG hinaus – gegangen918. Einzelheiten zur Reichweite dieses Verwendungsverbot sind zwar umstritten. Insbesondere besteht Uneinigkeit darüber, ob das Verwendungsverbot so weit geht, dass die Staatsanwaltschaft auch einen Anfangsverdacht im Sinn des § 152 Abs. 2 StPO nicht auf die in der Insolvenzakte festgehaltenen Auskünfte des Insolvenzschuldners stützen darf919. Wie weit ein Beweisverwendungsverbot im Rahmen der Ad-hoc-Publizität genau reichen muss, kann und muss hier aber auch nicht näher untersucht werden. Entscheidend ist nur, dass Mittel zur Verfügung stehen, mit denen der Emittenten und seine Unternehmensangehörigen über ein bloßes Beweisverwertungsverbot, von dem EGMR und BVerfG allein sprechen, hinaus geschützt werden können und über die nachzudenken ist, bevor dem vollständigen Wegfall der Ad-hoc-Publizitätspflicht das Wort geredet wird. bb) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu „unaufgeforderter“ Selbstbezichtigung Ein weiterer Unterschied zu den bisher genannten Fällen aus der Rechtsprechung liegt aber darin, dass der Emittent nicht mit einem Auskunftsverlangen konfrontiert wird, sondern seine Veröffentlichungspflicht aus eigenem Antrieb erfüllen muss. Im Fall der mit der Veröffentlichung verbundenen Selbstbezichtigung würde 918

Dazu schon oben § 5 C. II. 3. mit Fn. 886. So LG Stuttgart v. 21.07.2000 – 11 Qs 46/00, NZI 2000, 498 f.; Richter, wistra 2000, 1, 5; ders., in: Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht6, § 76 Rn. 24 ff.; wohl auch LG Münster v. 31.08.2017 – 12 Qs-45 Js 916/16–25/17, ZInsO 2017, 2443; siehe außerdem Begr. Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 166; zum insofern gleichlautenden § 630c Abs. 2 S. 3 BGB außerdem Spickhoff, JZ 2015, 15, 17 f.; Spickhoff Medizinrecht / ders.3, § 630c BGB Rn. 24 m. z. N. zum Streitstand; zust. MünchKomm. BGB / Wagner 8, § 630c BGB Rn. 53; vgl. zur Erforderlichkeit eines Anfangsverdachts zur Zweckentfremdung von in einem Verwaltungsverfahren erlangten Informationen zu Zwecken der Strafverfolgung außerdem Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, S. 306 ff.; für die Zulässigkeit der Begründung eines Anfangsverdachts auf Grundlage der Auskunft des Insolvenzschuldner hingegen Diversy, ZInsO 2005, 180, 181 f.; Hefendehl, wistra 2003, 1, 5 f.; MünchKomm. InsO / Stephan 4, § 97 Rn. 22. 919

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

dem Emittenten damit eine Pflicht auferlegt, mit deren Erfüllung regelmäßig nicht ernsthaft gerechnet werden könnte. Auch dieser Umstand spricht aber nicht dafür, dass die Interessenabwägung hier ausnahmsweise zum Wegfall der Pflicht führen muss. Zum einen ist nicht gesagt, dass die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht in diesen Fällen tatsächlich so unrealistisch ist. Denkbar ist es durchaus, dass die Ad-hoc-Mitteilung auf Veranlassung der nicht in die Tat involvierten Organwalter erfolgt920. Abgesehen davon wäre es aber auch falsch, aus dem empirischen Befund der unwahrscheinlichen Pflichterfüllung ein Schweigerecht des Verpflichteten zu folgern. Aufschluss über den Umfang der Rechte und Pflichten des Emittenten kann vielmehr nur die Interessenabwägung geben, die bei näherem Hinsehen auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts für das Bestehenbleiben der Ad-hoc-Publizitätsplicht spricht: Was die Waagseite des Emittenten betrifft, ist dabei festzuhalten, dass der Mangel eines an ihn gerichteten Auskunftsverlangens zwar dazu beitragen mag, dass er seine Pflicht nicht erfüllen wird. Eine größere Zwangswirkung wird für ihn damit aber sicher nicht erzeugt. Mit Blick auf die Interessen des Kapitalmarkts und der Anleger ist demgegenüber festzustellen, dass diese auch dann nicht entscheidend an Gewicht verlieren, wenn man die geringere Wahrscheinlichkeit der Pflichterfüllung durch den Emittenten berücksichtigt. Für betroffenen Anleger ist das offensichtlich. Diese verlieren ihr berechtigtes Interesse, für das Ausbleiben der Kapitalmarktinformation zivilrechtlich entschädigt zu werden, nicht deshalb, weil die Bekanntgabe durch den Emittenten rein tatsächlich nicht zu erwarten war. Für das öffentliche Interesse an Kapitalmarkttransparenz mag das zwar nicht in gleicher Weise gelten, weil ihm im Fall des Unterlassens ja gerade nicht entsprochen wird. Auch diesem Interesse ist mit einer sanktionsbewehrten Veröffentlichungspflicht aber insofern gedient, als die Pflicht immerhin einen Anreiz schafft, nicht zu schweigen. Der Topos der „Pflicht zur unaufgeforderten Selbstbezichtigung“ erinnert allerdings auch an die jüngst wiederbelebte921 Streitfrage, ob Organwalter ihrer Gesellschaft eigenes Fehlverhalten ungefragt offenlegen müssen, um die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen sich selbst zu ermöglichen. Verneint man das, müsste man möglicherweise mit ähnlichen Überlegungen zugunsten des Emittenten argumentieren. Relevant wird dies nämlich nicht erst bei der betriebsinternen Informationspflicht der einzelnen Zurechnungsperson, also nicht erst bei der noch zu untersuchenden Frage, ob eine Zurechnung auch seitens des Täters in Betracht kommt. Denn weil der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 MAR selbst zur 920 Fraglich ist dann aber, ob die Veröffentlichung im Einzelfall noch rechtzeitig erfolgen konnte, was meist davon abhängen wird, ob dem Emittenten schon das Wissen der Täter selbst zugerechnet werden konnte; dazu sogleich § 5 C. III. 3. 921 Durch BGH v. 18.09.2018 – II ZR 152/17, NZG 2018, 1301 und im Anschluss daran Altmeppen, ZIP 2019, 1253, 1255 ff.; Bayer / Scholz, NZG 2019, 201, 206 f.; Fleischer, ZIP 2018, 2341, 2346 ff.

C. Entwicklung der eigenen Position

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„unaufgeforderten“ Veröffentlichung verpflichtet ist, ist die Diskussion vielmehr daneben schon bei der Pflicht des Emittenten in den Blick zu nehmen. Und tatsächlich lehnt die wohl herrschende Ansicht in Deutschland eine Pflicht der Organwalter zur unaufgeforderten Anzeige eigener Pflichtverletzungen ab. Begründet wird dies überwiegend mit dem Argument, dass eine solche fortwährende Offenbarungspflicht ein „Verjährungskarussell“922 entstehen lasse, das die Verjährung wegen des pflichtwidrigen Vorverhaltens im Ergebnis dauerhaft „hemmen“ würde923. Diese Überlegung ist durchaus überzeugend, für ein abweichendes Abwägungsergebnis zugunsten des Emittenten lässt sie sich indes nicht anführen. Zum einen wird die Annahme des Wegfalls der Anzeige- und Anspruchsverfolgungspflicht des betroffenen Organmitglieds neuerdings für überschießend gehalten, weil das richtige Ergebnis vielmehr schon dadurch erreicht werde, dass in analoger der Verjährungsvorschriften für die ursprüngliche Pflichtverletzung einerseits und die Verletzung der darauf bezogenen Offenlegungspflicht andererseits dieselbe Verjährung gelte924. Aber selbst wenn man mit der wohl überwiegenden Ansicht dabei bleiben will, dass es eine derartige Offenbarungspflicht nicht gibt, lässt sich daraus für die Ad-hoc-Publizität mangels Vergleichbarkeit der Fälle nichts ableiten. Keine Zurückhaltung bei der Auferlegung einer Selbstbezichtigungspflicht ist nämlich jedenfalls dann geboten, wenn nicht allgemeine Sorgfalts- oder Treuepflichten in Rede stehen925, sondern es um besondere Informa­ tionspflichten auf Grundlage spezieller Rechtsgrundlagen geht, die die selbstbelastende Auskunft tatbestandlich eindeutig erfassen926. Denn anders als erstere 922

Zum Begriff Altmeppen, ZIP 2019, 1253, 1258. Grunewald, NZG 2013, 841, 845 f.; ferner Fleischer, ZIP 2018, 2341, 2349; Bayer / Scholz, NZG 2019, 201, 207; so wohl auch die Überlegung in BGH v. 29.09.2008 – II ZR 234/07, NZG 2008, 908, 910; vgl. zur Abgrenzung außerdem die abweichende Konstellation in BGH v. 18.09.2018 – II ZR 152/17, NZG 2018, 1301, 1302, in der die Verjährung von Ersatzansprüchen gegen den Aufsichtsrat, der es pflichtwidrig unterlässt, Ansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen, erst mit der Verjährung der Ansprüche gegen den Vorstand zu laufen beginnt. 924 Altmeppen, ZIP 2019, 1253, 1257. 925 Für eine Offenbarungspflicht der Geschäftsleiter auch aufgrund der organschaftlichen Treuepflicht etwa Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 246 ff.; Schmolke, RIW 2008, 365, 371 f.; ferner Hopt, ZGR 2004, 1, 27 f. 926 In eine ähnliche Richtung geht es, wenn bei der Auskunftspflicht des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber unterschieden wird, ob wegen des Bezugs der Information zum übertragenen Aufgabenbereich § 666 BGB anwendbar ist oder sich eine Auskunftspflicht allenfalls aus Generalklauseln (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB) ergeben kann. Eine Pflicht, ungefragt auf die eigene Vertragsverletzung hinzuweisen, scheint der BGH nur im ersteren Fall für möglich zu halten, BGH v. 23.02.1989 – IX ZR 236/86, NJW-RR 1989, 614 f. Für eine Pflicht zur ungefragten Selbstbeschuldigung im Rahmen des § 666 BGB ferner BeckOGK / Riesenhuber, § 666 BGB (Stand: 01.02.2020) Rn. 19; MünchKomm. BGB / Schäfer 8, § 666 BGB Rn. 17, 25. Gegen eine solche Pflicht allein auf Grundlage allgemeiner Rücksichtnahmepflichten außerdem OLG Karlsruhe v. 06.09.1988 – 1 Ss 68/88, NStZ 1989, 287; siehe zudem Taupitz, Offenbarung eigenen Fehlverhaltens, S. 42 ff., der eine aus § 666 BGB hergeleitete Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung eigenen Fehlverhaltens nur insofern annimmt, als die Information zur ordnungsgemäßen Durchführung des jeweiligen Vertrags erforderlich ist; vgl. zur 923

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§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit

sind letztere keiner Interessenabwägung und Konkretisierung im Einzelfall zugänglich. Auch wenn solche speziellen Informationspflichten wie die Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR aus eigenem Antrieb erfüllt werden müssen, stehen sie daher nicht in einer Reihe mit den diskutierten Pflichten zur unaufgeforderten Selbstbezichtigung. Jedenfalls für die Ad-hoc-Publizität kommt entscheidend hinzu, dass für sie auch das verjährungsrechtliche Argument nicht greift. Weder die Veröffentlichungspflicht des Emittenten noch die interne Informationspflicht des Organwalters hat den Schutzzweck, die Verfolgung von Ansprüchen wegen des zu veröffentlichenden Fehlverhaltens zu ermöglichen. Das heißt mit anderen Worten, dass Ansprüche wegen der fortwährenden Pflichtverletzung, die in dem Unterlassen der Ad-hoc-Meldung bzw. dem Unterlassen der Informationsweitergabe durch das Organmitglied liegt, mangels Schutzzweckzusammenhangs keine Schäden wegen des offenzulegenden Fehlverhaltens umfassen, so dass die pflichtwidrig unterlassene Offenlegung diese Ansprüche gegen den Emittenten oder des Emittenten gegen den Organwalter auch nicht „am Leben hält“. 3. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen oder fremden Tat aufgrund der Zurechnung seitens des Täters a) Ausgangspunkt und Unterschiede zur Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten Zu klären bleibt damit die Frage, ob dem Emittenten das Wissen des Täters oder der Täter selbst mit der Folge zuzurechnen ist, dass er auch dann zur Veröffentlichung verpflichtet ist, wenn sonst keine zurechnungsrelevante Person von dem Fehlverhalten weiß oder wissen muss. Bedeutung hat das sowohl für Taten, für deren Begehung der Emittent selbst keine Konsequenzen zu befürchten hat, als auch für Fälle, in denen er neben der verantwortlichen natürlichen Person sanktioniert werden kann927. Dass sich der Emittent, sollte ihm das Wissen um die Tat in den zuletzt genannten Fällen zugerechnet werden können, nicht auf seine eigene Selbstbelastungsfreiheit berufen kann, folgt aus den vorstehenden Ausführungen. Auf den ersten Blick ergibt sich aus diesen Ausführungen auch, dass für die Selbstbelastungsfreiheit der verbotswidrig handelnden natürlichen Person selbst nichts anderes gelten kann. Der Emittent müsste vielmehr für das Unterlassen einer Ad-hoc-Meldung auch dann einstehen, wenn ihm nur die Täter die Möglichkeit (fehlenden) Auskunftspflicht auf Nachfrage außerdem BAG v. 07.09.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 639: „Soweit nicht besondere rechtliche Grundlagen bestehen, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, außergerichtliche Erklärungen zu möglichen Kündigungsgründen abzugeben.“ (Herv. d. Verf.). Zum unterschiedlichen Umfang der Auskunftspflichten innerhalb und außerhalb des unmittelbaren Aufgabenbereichs eines Arbeitnehmers auch Franzen, FS Köhler, S. 133, 137 ff.; näher dazu auch noch unten § 5 C. III. 3. b). 927 Im deutschen Recht ermöglichen das die §§ 9, 30, 130 OWiG.

C. Entwicklung der eigenen Position

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der Veröffentlichung vermitteln, weil deren Pflicht, auf die Veröffentlichung hinzuwirken, von einem möglichen Selbstbelastungszwang unberührt bleiben müsste. Würde auf Betreiben der verbotswidrig Handelnden ausnahmsweise doch eine Ad-hoc-Mitteilung erfolgen, dürften der Inhalt dieser Mitteilung sowie die zu ihr führenden betriebsinternen Aussagen des Täters928 aber nicht im Straf- oder Bußgeldverfahren gegen diese Personen verwendet werden. Bei näherem Hinsehen ist diese Lösung allerdings nicht mehr so eindeutig. Ein erster Unterschied zu der Frage der Selbstbezichtigungsfreiheit des Emittenten besteht nämlich darin, dass sich die betriebsinterne Informationspflicht der Unternehmensangehörigen nur von der Primärpflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 MAR ableitet und selbst nicht aufsichtsrechtlicher, sondern zivilrechtlicher – genauer: gesellschaftsrechtlicher oder arbeitsvertraglicher – Natur ist. Gegen eine Wissenszurechnung seitens des Täters könnte man insofern anführen, dass diesen die Nachteile aus der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht ebenso stark treffen dürften wie den primärpflichtigen Emittenten selbst. Eine weitere Besonderheit ist zudem mit Blick auf Taten festzustellen, für die der Emittent nicht selbst haftet, sondern die sich im Gegenteil – wie etwa die Veruntreuung von Gesellschaftsvermögen – gegen ihn richten. Gegen die Zurechnung des Wissens des Täters könnte in diesen Fällen sprechen, dass den Emittenten das Verhalten, dem er selbst zum Opfer gefallen ist, im Ergebnis zweimal treffen würde, wenn er auch noch für das Unterlassen der Ad-hoc-Mitteilung der Tat einstehen müsste929. Weil die Zurechnung zum Emittenten von dessen Möglichkeit zur Verwendung des jeweiligen Wissens und damit von dem Bestehen einer Informationspflicht der rechtswidrige handelnden Zurechnungsperson abhängt, entscheidet auch hier wieder die Interessenabwägung. Was die Belange des Kapitalmarkts und betroffener Anleger betrifft, so bleibt deren Gewicht von den genannten Umständen offensichtlich unberührt. Näherer Betrachtung bedürfen daher nur die Belange des Informationspflichtigen und – soweit der Emittenten Opfer der Tat ist – auch dessen Interessen. Dazu gelten die folgenden Überlegungen. b) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen vom Emittenten nur abgeleiteter Informationspflicht Im Regelfall sind von der Frage der Zurechnungssperre aufgrund der Selbstbelastungsfreiheit wie erwähnt die Organwalter des Emittenten betroffen930. Was sie angeht, darf schon der Umstand, dass sich ihre Pflicht nur von der des Emittenten 928

Das kann im Einzelfall weitere – hier nicht zu erörternde – Fragen aufwerfen, z. B. danach, ob sich der Täter tatsächlich gerade in Erfüllung seiner Informationspflicht selbst bezichtigt und ob es darauf ankommt, dass er diese Pflicht auch erfüllen will. 929 Zu diesem „Opferrollen“-Gedanken Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1152; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 120, 425. 930 Oben § 5 A.

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ableitet, nicht übergewichtet werden. Denn die Organwalter – und für Aufsichtsratsmitglieder dürfte das aufgrund ihrer Überwachungsfunktion in abgeschwächter Form gelten – tragen sehr wohl die Hauptverantwortung für die Erfüllung der Pflichten des Emittenten, der ja selbst nicht handlungsfähig ist. Damit einher geht außerdem, dass die umfassende Verantwortung der Organmitglieder in besonderem Maße aus einem „durch eigenen Willensentschluß übernommenen Pflichtenkreis“931 folgt. Diesem durch das BVerfG geprägten Abwägungskriterium hat sich jüngst ausdrücklich auch der BGH angeschlossen und ein Aufsichtsratsmitglied auch dann als verpflichtet angesehen, Ansprüche gegen den Vorstand zu verfolgen, wenn es sich damit der eigenen Pflichtverletzung bezichtigen müsste932. Soweit ausnahmsweise nachgeordnete Mitarbeiter von der Frage zur Selbstbelastungspflicht betroffen sind, gilt auch für diese im Ergebnis nichts anderes933. Nach hier vertretener Auffassung sind sie nur zurechnungsrelevant, wenn ihre Informationspflicht arbeitsvertragliche Haupt- und nicht bloße Nebenpflicht ist934. Wie die Pflichten des Organwalters stellen auch solche freiwillig übernommenen vertraglichen Informationspflichten einen geringeren Eingriff in das Recht auf Selbstbelastungsfreiheit dar als unabhängig von einem eigenen Willensentschluss bestehende gesetzliche Pflichten. Ähnlich argumentiert nicht nur der BGH bei seiner Rechtsprechung zu § 666, 260 BGB, wenn er dort auch berücksichtigt, dass die betroffene Person durch ihr eigenes Verhalten in die Konfliktsituation geraten ist935. Vergleichbare Überlegungen dürften vielmehr auch maßgeblich sein, wenn sogar arbeitsvertragliche Nebenpflichten des Arbeitnehmers als ausreichende Grundlage einer Pflicht zur Selbstbeschuldigung jedenfalls auf Nachfrage936 angesehen werden, diese aber davon abhängig gemacht wird, dass sich die jeweilige

931

BVerfG v. 13.01.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 42. BGH v. 18.09.2018 – II ZR 152/17, NZG 2018, 1301, 1304 f.; dazu Fleischer, ZIP 2018, 2341, 2348 f., der dem Aufsichtsratsmitglied den Selbstbezichtigungseinwand demgegenüber nur dann verwehren will, „wenn sich sein Verhalten im Hinblick auf das verfolgte Ziel, die eingesetzten Mittel, die zu Tage tretende Gesinnung oder die eingetretenen Folgen als besonders verwerflich darstellt.“ 933 Ausdrücklich für nachgeordnete Mitarbeiter auch Sajnovits, WM 2016, 765, 772 f.; zust. Spindler, ZHR 181 (2017), 311, 322 mit Fn. 49; vgl. auch Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 252 f. 934 Oben § 2 C. V. 2. d). 935 BGH v. 30.04.1964 – VII ZR 156/62, BGHZ 41, 318, 323 f.; siehe zu dieser Rechtsprechung schon oben § 5 C. II. 3. 936 Inwieweit in diesem Zusammenhang auch eine Pflicht zur unaufgeforderten Selbstbelastung besteht, ist nicht abschließend geklärt. Für den unmittelbaren Arbeitsbereich des Arbeitnehmers wird aber § 666 BGB (analog) angewandt (siehe die Nachw. in nachf. Fn.), für den zum Teil auch eine solche Pflicht zur ungefragten Offenlegung angenommen wird (Fn. 926). In den hier interessierenden Fällen gilt aber ohnehin ein strengerer Maßstab, weil die Informationspflicht sogar übernommene Hauptpflicht des Arbeitnehmers ist. Insofern gelten die Überlegung zu Informationspflichten aufgrund besonderer Rechtsgrundlage entsprechend, vgl. dazu oben § 5 C. III. 2 b) bb). 932

C. Entwicklung der eigenen Position

215

Information auf den unmittelbaren Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers bezieht937. Im hiesigen Kontext kommt hinzu, dass die meisten der betroffenen Mitarbeiter – etwa die Mitglieder eines Ad-hoc-Publizitätsgremiums – Mitarbeiter mit herausgehobener Stellung sind938, die nach den Maßstäben des BGH939 regelmäßig in den Bereich des § 31 BGB analog fallen dürften940. Soweit es um zurechnungsrelevante Mitarbeiter geht, die nicht letztverantwortlich über eine Ad-hoc-Mitteilung entscheiden können, sondern nur im Vorfeld tätig werden, ist außerdem zu bedenken, dass deren Informationspflicht eine geringere Zwangswirkung entfaltet als die Informationspflicht etwa des Vorstands. Während das Vorstandsmitglied im Fall des Unterlassens nach deutschem Recht für entstehende Schäden nach den Maßstäben des § 93 AktG einstehen muss und richtigerweise auch bußgeldrechtlich nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG haften kann941, bleibt es jedenfalls bei den genannten nachgeordneten Mitarbeitern bei der – gegebenenfalls nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen abgemilderten  – vertraglichen Haftung942. Angesichts dessen heißt es bisweilen sogar, mit arbeitsvertraglichen Auskunftspflichten und der Verwertung dabei gewonnener Informationen könne der Nemo-tenetur-Grundsatz von vornherein nicht in Konflikt geraten, weil diese Pflichten nicht auf die Ausübung von Staatsgewalt zurückgingen943. Dem ist zwar mit Zurückhaltung zu begegnen, weil auch vertragliche Pflichten mithilfe staatlicher Gewalt durchgesetzt werden können944. Richtig ist aber, dass vertragliche Pflichten auch in dieser Hinsicht regelmäßig erheblich geringere Zwangswirkung erzeugen als gesetzliche Pflichten

937 Dendorfer-Ditges, in: MünchAnwHdb. ArbR4, § 35 Rn. 115, 120 (kein Weigerungsrecht, wenn ausschließlich der Arbeitsbereich des Arbeitnehmers betroffen ist, §§ 675, 666 BGB analog [Rn.  115]); Göpfert / Merten / Siegrist, NJW 2008, 1703, 1705; Franzen, FS Köhler, S. 133, 137 (Wertung des § 666 BGB); in diese Richtung auch LAG Hamm v. 03.03.2009 – 14 Sa 1689/08, CCZ 2010, 237, 239; für freie Mitarbeiter BGH v. 23.02.1989 – IX ZR 236/86, NJW-RR 1989, 614 f.; vgl. auch Diller, DB 2004, 313, 314, der aber hinsichtlich der Selbst­ bezichtigungspflicht zusätzlich zwischen der arbeitsvertraglichen Treuepflicht und einem allgemeinen vertraglichen Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers unterscheiden will. 938 Vgl. zu diesem Abwägungskriterium auch Dendorfer-Ditges, in: MünchAnwHdb. ArbR4, § 35 Rn. 118; Göpfert / Merten / Siegrist, NJW 2008, 1703, 1706; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 252. 939 Dazu § 3 C. IV. 1. 940 Dazu auch schon § 3 C. VII. 941 Dazu sogleich unter § 5 C. III. 4. 942 Eine eigene bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit des nicht-organschaftlichen Mitarbeiters kommt wegen § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG nur in Betracht, wenn er ausdrücklich mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Aufgabe der Ad-hoc-Publizität beauftragt wurde. Das setzt wenigstens voraus, dass der Mitarbeiter selbst über die (Nicht-)Veröffentlichung entscheiden kann. Zu Einzelheiten des § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OwiG KK OWiG / Rogall5, § 9 Rn. 86 ff.; siehe außerdem Schäfer, in: Marsch-Barner / Schäfer, Hdb. börsennotierte AG4, § 15 Rn. 15.50. 943 LG Hamburg v. 15.10.2010 – 608 Qs 18/10, NJW 2010, 942, 944. 944 Dazu Franzen, FS Köhler, S. 133, 141.

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mit eigenem Sanktions- und Durchsetzungsregime945. Im Übrigen bleibt es aber dabei, dass auch solche Informationspflichten durch Beweisverwertungs- oder Beweisverwendungsverbote zu ergänzen sind, wie sie das deutsche Recht etwa für die Auskunftspflicht des Arztes mit § 630c Abs. 2 S. 3 BGB oder für datenschutzrechtliche Meldepflichten mit den §§ 42 Abs. 4, 43 Abs. 4 BDSG kennt946. Auch wenn es nach dem Vorstehenden nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ist außerdem zu bedenken, dass eine Pflicht der Organwalter und sonstiger ad-hoc-publizitätsrelevanter Mitarbeiter zu selbstbelastender Information diese in der Regel weniger hart trifft als den Emittenten selbst. Denn meist wird die ordnungsgemäße Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht davon abhängen, dass auch die Identität der Täter oder des Täters preisgegeben wird947. c) Kein abweichendes Abwägungsergebnis auf Grundlage des „Opferrollen“-Gedankens Die Wissenszurechnung seitens des Täters ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich der Emittenten in der „Opferrolle“ befindet, weil er mit der Tat geschädigt wurde948. Zwar findet sich ein auf den „Opferrollen“-Gedanken gestützter Zurechnungsausschluss an verschiedenen Stellen nicht nur des deutschen Rechts949. Die Überlegung erschöpft sich allerdings in ihrer Bedeutung für die Zurechnung des gegen die Gesellschaft gerichteten Verhaltens selbst. Eine Ausdehnung auf das nachgelagerte Verhalten des Täters im Rahmen seiner ad-hoc-publizitätsspezifischen Aufgaben ist nicht angezeigt, weil der Emittent dabei nicht ein weiteres Mal in die Opferrolle gerät. Im Gegenteil handelt und unterlässt er dort kraft Zu-

945

Zu den Unterschieden der Durchsetzbarkeit vertraglicher Auskunftspflichten einerseits und den Mitwirkungspflichten eines Insolvenzschuldners nach § 97 InsO andererseits Franzen, FS Köhler, S. 133, 141. 946 Dazu auch die kritische Anmerkung zum Urteil des LG Hamburg (Fn. 943) von v. Galen, NJW 2008, 945; für Beweisverwertungsverbote auch im Bereich vertraglicher Auskunftspflichten in Anlehnung an § 630c Abs. 2 S. 3 BGB ferner Franzen, FS Köhler, S. 133, 141 ff. 947 Vgl. Hart-Hönig, FS Schiller, S. 281, 302; Wackerbarth, Nemo tenetur delicta ad hoc publicare, in: Corporate BLawG 2018, abrufbar unter: http://blog.fernuni-hagen.de/blawg. 948 So aber i. E. Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1152; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 120, 425. 949 Siehe etwa zu dem Fall, dass die Organwalter ihrer Gesellschaft das Bestehen von Regressansprüchen gegen sich selbst aktiv verschleiert haben und die geschädigte Gesellschaft der Verjährungseinrede hinsichtlich der Ansprüche aus § 93 Abs. 2 AktG daher den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten kann, Hölters / Hölters3, § 93 AktG Rn. 340; Großkomm. AktG / Hopt / Roth5, § 93 Rn. 589; MünchKomm. AktG / Spindler5, § 93 Rn. 328; Scholz GmbHG / U. H. Schneider11, § 43 Rn. 282 f.; KK AktG / Mertens / Cahn3, § 93 Rn. 204; vgl. außerdem die Vorschrift des § 30 OWiG, die – wenn nicht eine an den Verband adressierte Pflicht verletzt wurde – für die Haftung des Verbands verlangt, dass er durch die Tat bereichert werden sollte, eine Zurechnung im Übrigen also ausschließt; zur sog. „fraud exception“ des englischen Common Law zudem Wagner, ZHR 181, (2017), 203, 222 ff.

C. Entwicklung der eigenen Position

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rechnung vielmehr selbst, weil es um die Verletzung genau der Pflicht geht, die dem Täter übertragen wurde. 4. Bebußung nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG (i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) Auf einem anderen Blatt als die Frage der aufsichtsrechtlichen Ad-hoc-Publizitätspflicht und der Wissenszurechnung zum Emittenten steht die der Bebußung des Emittenten und seiner Vorstandsmitglieder nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG (i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG)950. Eine Bebußbarkeit von Vorstandsmitgliedern, die sich selbst strafbar gemacht haben, wird teilweise verneint, weil die Mitwirkung an der Ad-hoc-Publizität für sie nicht zumutbar sei951. Für dieses Verständnis könnte man zwar anführen, dass die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung des Emittenten nach § 97 WpHG ausreiche, um den Interessen betroffener Anleger Rechnung zu tragen, und dass eine bußgeldrechtliche Haftung des Vorstandsmitglieds für den Interessenausgleich, der für den Umfang der Selbstbelastungsfreiheit maßgeblich ist, nicht erforderlich sei. Auf die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung des Emittenten selbst ließe sich das übertragen, so dass auch dessen Bebußung ausscheiden müsste. Wenn auch aus dogmatischer Sicht keine zwingenden Gründe gegen ein solches gespaltenes Verständnis sprechen, so bedarf es aber doch näherer Begründung, weshalb die Veröffentlichungspflicht des Emittenten kapitalmarktrechtlich bzw. die Mitwirkungspflicht des Vorstands gesellschaftsrechtlich geboten, bußgeldrechtlich aber nicht zumutbar sein soll. Soweit hingegen gemeint sein sollte, dass das betroffene Vorstandsmitglied überhaupt nicht, also weder ordnungswidrigkeitenrechtlich noch gesellschaftsrechtlich, zur Mitwirkung verpflichtet sei, sondern allein der Emittent für dessen Unterlassen hafte952, sprechen dagegen zwei Gründe. Zum einen hat die Interessenabwägung ergeben, dass dem Informationsverpflichteten – also auch dem Vorstandsmitglied – sehr wohl sanktionsbewehrte Mitwirkungspflichten auferlegt werden können. Zum anderen könnte der Emittent nicht ohne einen gewissen Widerspruch mit Pflichten belastet werden, wenn nicht zugleich 950 Zu der hier ausgeklammerten Frage der bußgeldrechtlichen Verantwortung nachgeordneter Mitarbeiter nur § 5 C. III. 3. c) mit Fn. 942. 951 Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1154; Klöhn MAR / ders., Art. 17 Rn. 120, 425, aber wohl nur für den Fall, dass sich die Tat nicht gegen den Emittenten richtet, weil sonst bereits eine Wissenszurechnung und damit schon ein Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht zu verneinen sei (oben § 5 B., Fn. 817); ferner Mülbert / Sajnovits, WM 2017, 2041 mit Fn. 71; Sajnovits, WM 2016, 765, 773; Seibt / Czuipka, AG 2015, 93, 103. 952 So mglw. Klöhn MAR / Klöhn, Art. 17 Rn. 429, mit dem Argument, dass mit der Selbstbelastungsfreiheit des Organmitglieds allein dessen ordnungswidrigkeitenrechtliche Pflicht, nicht aber die Ad-hoc-Publizitätspflicht, die nur den Emittenten trifft, in Spannung gerate; das könnte man dann schließlich auch zur gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungspflicht des Organwalters sagen. Vgl. aber auch schon oben § 5 B. mit Fn. 822.

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auch seinen Organwaltern deren Erfüllung zugemutet würde. Die Annahme der Unzumutbarkeit im Rahmen der bußgeldrechtlichen Ahndung des Vorstandsmitglieds dürfte im Übrigen auch nicht auf der Linie des BGH in Strafsachen liegen. Dieser hält die Erfüllung einer strafrechtlichen Garantenpflicht in der Regel auch dann nicht für unzumutbar, wenn mit ihr die Gefahr der Verfolgung des strafbaren Vorverhaltens eingegangen wird953. Wie auch dort liegt hier in der Betroffenheit anderer Schutzgüter (der Aktionäre und des Kapitalmarkts) der Unterschied zu den Fällen einer sanktionslosen Selbstbegünstigung.

D. Fazit Das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abzuleitende Recht natürlicher und juristischer Personen, sich nicht selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen zu müssen, lässt die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 MAR unberührt. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten selbst. Auch wenn Gegenstand der ihm bekannten oder pflichtwidrig unbekannten Insiderinformation eine Tat ist, für die er selbst zur Verantwortung gezogen werden kann, bleibt er also zu deren Veröffentlichung verpflichtet. Das Wissen und Wissenmüssen des Emittenten über die Tat entspricht nach den allgemeinen Regeln dem Wissen und Wissen jeder zurechnungsrelevanten Person. Unternehmensangehörige, die selbst verbotswidrig gehandelt haben, sind davon nicht ausgenommen, unabhängig davon, ob wegen des rechtswidrigen Verhaltens nur Sanktionen gegen sie oder auch gegen den Emittenten in Betracht kommen. Belasten sich diese Unternehmensangehörigen oder der Emittent in Erfüllung ihrer Pflichten selbst, darf aber weder die Ad-hoc-Meldung noch die zu ihr führende betriebsinterne Kommunikation als Beweis in einem folgenden straf- oder bußgeldrechtlichen Verfahren gegen die betroffenen natürlichen Personen oder den Emittenten verwendet werden.

953

Dazu schon oben § 5 C. II. 3. mit Nachw. in Fn. 884.

§ 6 Schluss A. Ausblick Die voranschreitende Europäisierung insbesondere aufsichtsrechtlicher Bereiche, für deren Regelung sich der Unionsgesetzgeber zunehmend der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar anwendbaren Verordnung bedient, konfrontiert den Rechtsanwender mit neuen Herausforderungen. Die Untersuchung der Ad-hocPublizität hat das eindrucksvoll gezeigt. Die vielen Fragen, in denen schon auf nationaler Ebene kein Konsens erreicht werden konnte, sind auf die Ebene des Unionsrechts gehoben worden, das mit helfenden Anhaltspunkten für die Problemlösung kargt. Dass die Debatte um die (Wissens-)Zurechnung zu juristischen Personen, sei es im nationalen, sei es im unionalen Kontext in naher Zukunft abebben wird, ist daher kaum zu erwarten. Zu hoffen bleibt aber, dass die rechtssetzenden Organe und zuständigen Aufsichtsbehörden der EU den Spannungen, die das Zusammentreffen von Unionsrecht und nationalem Recht erzeugt, künftig besser Rechnung tragen werden. Wo deren Auflösung keine unionsweit einheitliche Lösung verlangt, hilft schon der teilweise – bislang aber meist erst vom EuGH – gegebene Hinweis auf die Maßgeblichkeit des nationalen Rechts. Je mehr Bereiche das Unionsrecht zu erschließen und zu harmonisieren sucht, desto näher rückt es aber zwangsläufig auch an bislang typisch nationalrechtliche Domänen heran. Das Feld der klassisch (zivilrechts-) dogmatischen Zurechnungsfragen hat es längst betreten und schon vor über 25 Jahren musste sich der EuGH damit auseinandersetzen, „durch wen“ ein Unternehmen eigentlich wettbewerbswidrig handeln kann. Mit der Herausbildung einer echten unionsrechtlichen Zurechnungsdogmatik ist zwar auch künftig nicht zu rechnen. Es trüge aber doch zur Rechtssicherheit bei, würde der vom Gesetzgeber offenbar unterschätzten Frage, auf welche natürlichen Personen für die Ermittlung des „Bewusstseinszustands“ normbetroffener juristischer Personen jeweils abzustellen ist, im Gesetz oder wenigstens in Leitlinien mehr Beachtung geschenkt. Ähnliches gilt für die im Bereich der Ad-hoc-Publizität ebenfalls nicht geregelten Anforderungen an eine Wissensorganisation. Außerhalb speziell regulierter Bereiche sind insofern zwar Fragen betroffen, die durchaus der Beurteilung durch Gerichte überlassen werden können und die sich auf Grundlage allgemeiner Erwägungen vernünftig beantworten lassen. Die Untersuchung hat aber gezeigt, dass auch dieser Bereich ungeahnte Probleme birgt, wenn Organisationsstrukturen wie bei der Ad-hoc-Publizität sinnvollerweise konzernweit ausgestaltet werden müssen. Auf neue Impulse ist darüber hinaus im deutschen Recht zu hoffen. Die Untersuchung der Zurechnungsfragen im Rahmen des § 97 WpHG hat ein weiteres Mal

220

§ 6 Schluss

verdeutlicht, dass sich diese Fragen inzwischen weit außerhalb des Bereichs bewegen, den der Gesetzgeber des BGB vor Augen hatte. Zwar haben Literatur und Rechtsprechung in den 1990er-Jahren eine organisationspflichtenbezogene Zurechnungslösung entwickelt, gerade um die Problematik innerhalb großer arbeitsteiliger Organisationen zu bewältigen. Zu Recht verliert diese Lösung aber vor allem in jüngerer Zeit an Zustimmung. Die anhaltende Diskussion um die Zurechnung zu juristischen Personen und der lauter werdende Ruf nach einer flexiblen Handhabung der Zurechnung in Abhängigkeit von der jeweils relevanten Vorschrift, gibt Anlass zu der Überlegung, ob nicht auch der deutsche Gesetzgeber dazu übergehen sollte, sich mit der Frage nach dem jeweils zurechnungsrelevanten Personenkreis in bestimmten komplexen Sachverhalte näher zu befassen – ohne dass er dabei allgemeine Grundsätze über Bord werfen müsste.

B. Zusammenfassung der Ergebnisse Auch wenn das Unionsrecht und das deutsche Recht zur Beantwortung der vielfältigen Fragen rund um die Ad-hoc-Publizität nur vage Hilfestellungen geben, lassen sich auch derzeit sowohl zu Art. 17 Abs. 1 MAR als auch zu § 97 WpHG angemessene Ergebnisse erzielen. Sie sind wie folgt thesenartig zusammenzufassen.

I. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR 1. Emittenten im Sinn der Marktmissbrauchsverordnung müssen der Öffentlichkeit sie unmittelbar betreffende Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 MAR unverzüglich bekanntgeben. Das bedeutet, dass sie diese Informationen so bald wie möglich veröffentlichen müssen (§ 2 A.). 2. Möglich ist dem Emittenten eine Veröffentlichung frühestens dann, wenn er die Insiderinformation entweder kennt oder kennen muss. Die Kenntnis oder das Kennenmüssen ist also Voraussetzung der Pflichtverletzung (§ 2 A. I.–III.). 3. Art. 17 Abs. 1 MAR hängt damit einerseits von Fragen der Zurechnung von Wissen und Wissenmüssen natürlicher Personen zum Emittenten ab. Der Vorwurf des Wissenmüssens kann darüber hinaus auf der Verletzung einer Pflicht des Emittenten zu ordnungsgemäßer Wissensorganisation beruhen, die aus Art.17 Abs. 1 MAR folgt (§ 2 A. IV.). 4. Die aufgeworfenen Zurechnungsfragen sind anhand unionsrechtlicher Maßstäbe zu beantworten (§ 2 B.). Eine Begrenzung zurechnungsrelevanter Personen auf Organwalter oder Führungspersonen der Gesellschaft kennt das Unionsrecht grundsätzlich nicht (§ 2 C. I.). Wo es Zurechnungsgrundsätze erahnen lässt, hält es sich an die aus dem nationalen Recht bekannten Regeln der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente (§ 2 C. II.).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse

221

5. Die Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung bedeutet, dass dem „Geschäftsherrn“ subjektive Beiträge (Wissen, Wissenmüssen, Verschulden) nur seitens der Hilfspersonen zuzurechnen sind, die auch für das objektive Verhalten, in dessen Rahmen diese subjektiven Elemente rechtserheblich werden, verantwortlich sind (§ 2 C. II. 1.). 6. Die Aufgabenabhängigkeit bedeutet, dass eine Zurechnung des Verhaltens und damit auch der das Verhalten begleitenden subjektiven Umstände nur erfolgen kann, wenn das Verhalten zu dem der Hilfsperson übertragenen Tätigkeitsbereich gehört (§ 2 C. II. 2.). 7. Für die Zurechnung subjektiver Elemente ist nicht erforderlich, dass es die Aufgabe des Gehilfen ist, das nach der jeweiligen Vorschrift ganz konkret relevante Verhalten selbst zu erledigen. Ausreichend und erforderlich ist, dass er kraft der ihm übertragenen Aufgabe Verantwortung dafür trägt, dass dieses Verhalten stattfindet (§ 2 C. II. 3.).

II. Der Kreis zurechnungsrelevanter Personen 8. Nach diesen Grundsätzen sind sämtliche Vorstandsmitglieder für Art. 17 Abs. 1 MAR relevante Zurechnungspersonen. Dies gilt aufgrund der bei jedem einzelnen Vorstandsmitglied stets verbleibenden Residualverantwortung für Geschäftsführungsmaßnahmen auch im Fall horizontaler oder vertikaler Delegation der Zuständigkeit für die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht (§ 2 C. IV. 2.). 9. Hat der Emittent einen Ad-hoc-Publizitätsausschuss eingerichtet, der Entscheidungen über eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 MAR oder eine Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 MAR treffen oder vorbereiten soll, so vermittelt auch jedes Mitglied dieses Ausschusses dem Emittenten das relevante Wissen oder Wissenmüssen (§ 2 C. IV. 3.). 10. Auch andere nachgeordnete Mitarbeiter können zurechnungsrelevante „Gehilfen“ für die Ad-hoc-Publizität sein. Maßgeblich ist auch für sie, dass sie kraft der ihnen vom Emittenten übertragenen Aufgabe Entscheidungen über eine Veröffentlichung oder Selbstbefreiung ermöglichen sollen. Die Aufgabe, als zentrale Anlaufstelle Insiderinformationen entgegenzunehmen und an die für die Entscheidung zuständigen Personen weiterzureichen, genügt. Nicht ausreichend sind nach dem Grundsatz der aufgabenabhängigen Zurechnung hingegen bloße arbeitsvertragliche Neben- oder Treuepflichten zur Weitergabe von Insiderinformationen (§ 2 C. IV. 4.). 11. Obwohl der Aufsichtsrat nicht für die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 MAR zuständig ist, sind auch seine Mitglieder für die Zurechnung des Wissens und Wissenmüssens zum Emittenten relevant. Dies folgt daraus, dass auch der Aufsichtsrat kraft seiner Überwachungsfunktion aus § 111 Abs. 1 AktG Verantwortung

222

§ 6 Schluss

für die Ad-hoc-Publizität trägt. Seine Informationspflicht gegenüber dem Vorstand ist nicht bloß Ausdruck der organschaftlichen Treuepflicht, sondern gehört zu dem ihm verfassungsmäßig übertragenen Aufgabenbereich, an dem sich der Emittent festhalten lassen muss (§ 2 C. IV. 5.). 12. Mitarbeiter sogenannter Ad-hoc-Dienstleister sind in aller Regel schon deshalb nicht für die Wissenszurechnung zum Emittenten relevant, weil sie nur die Entscheidungen des Emittenten zu einem Zeitpunkt ausführen, in dem eine Zurechnung bereits stattgefunden hat. Im theoretisch denkbaren Fall, dass ein Mitarbeiter des Ad-hoc-Dienstleisters Insiderwissen hat, das keine innerhalb des Emittenten maßgebliche Person besitzt, scheitert eine Zurechnung daran, dass die Herbeiführung einer Veröffentlichungsentscheidung hinsichtlich der dem Emittenten noch unbekannten Insiderinformationen nicht die dem Ad-hoc-Dienstleister zugewiesene Aufgabe ist (§ 2 C. IV. 7.). 13. Dem Emittenten ist die Veröffentlichung einer Insiderinformation nur möglich, wenn die Qualität der bekannten Information aus einer Ex-ante-Perspektive für die jeweils mit ihr konfrontierte Zurechnungsperson erkennbar war. Entscheidend ist dabei, was ein durchschnittlicher und angemessen geschulter Mitarbeiter in entsprechender Position hätte erkennen müssen. Dieselben objektiven Maßstäbe gelten, wenn es nicht um die Frage der Erkennbarkeit der Qualität der bekannten Information, sondern um die Frage des Wissensmüssens der Information selbst geht (§ 2 D.).

III. Die Organisationspflicht des Art. 17 Abs. 1 MAR 14. Aus Art. 17 Abs. 1 MAR folgt eine echte Pflicht des Emittenten zur Organisation betriebsinterner Informationen mit potenzieller Relevanz für die Adhoc-Publizität (§ 2 E. II.). Der Emittent muss dafür sorgen, dass potenzielle Insiderinformationen an die für die Entscheidung über eine Veröffentlichung oder Selbstbefreiung verantwortliche Stelle gelangen. Hierfür muss er betriebsinterne Informationskanäle schaffen. Außerdem muss er wenigstens die Mitarbeiter, die erwartbar mit potenziellen Insiderinformationen in Kontakt kommen, im Umgang mit solchen Informationen schulen. Unterbleibt die betriebsinterne Kommunikation einer Insiderinformation aufgrund von Organisationsfehlern, entspricht das einem Wissenmüssen des Emittenten, der im Fall des Unterlassens dann seine Pflicht aus Art. 17 Abs. 1 MAR verletzt (§ 2 E. IV.).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse

223

IV. Die Zurechnung im Rahmen der Verschuldenshaftung nach § 97 WpHG 15. Die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung nach § 97 WpHG setzt einen Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 MAR voraus, der sich auch in diesem Zusammenhang nach den unionsrechtlichen Maßgaben richtet (§ 3 A. I.). 16. Weil das Unionsrecht keine Vorgaben zu einem „private enforcement“ des Art. 17 MAR macht, folgt das für die zivilrechtliche Haftung erforderliche Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG allein deutschen Grundsätzen (§ 3 A. II.). 17. Keine Relevanz für das Verschulden des Emittenten hat das in den 1990erJahren in der deutschen Literatur und Rechtsprechung entwickelte Konzept einer „Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung“. Dieses überzeugt schon im Grundsatz nicht, weil es die Regeln der Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente übergeht und die Grenzen zwischen Wissen und Wissenmüssen einerseits und Vorsatz und Fahrlässigkeit andererseits verwischt. Abzustellen ist stattdessen auf hergebrachte Zurechnungsvorschriften (§ 3 B. IV. 3.). 18. Entgegen der ganz herrschenden Meinung ist der Rechtsgedanke des § 278 BGB nicht auf Fälle bestehender Sonderverbindungen beschränkt, sondern gilt immer dann, wenn der „Geschäftsherr“ zur Erfüllung einer ihn treffenden Sonderpflicht – und sei es eine des Deliktsrechts – Gehilfen einsetzt. § 278 BGB gilt daher unabhängig von der umstrittenen dogmatischen Einordnung des § 97 WpHG auch für die Haftung wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung (§ 3 C.). Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach § 97 Abs. 2 WpHG sind dem Emittenten analog § 278 BGB seitens der Personen zuzurechnen, denen er Verantwortung für die Ad-hocPublizitätspflicht übertragen hat. Der zurechnungsrelevante Personenkreis deckt sich mit dem, der für das Wissen und Wissemüssen im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 MAR maßgeblich ist (§ 3 C. VII).

V. Ad-hoc-Publizität im Unternehmensverbund 19. Der Emittent kann zur unverzüglichen Bekanntgabe auch solcher Insiderinformationen verpflichtet sein, die aus dem Tätigkeitsbereich verbundener Gesellschaften stammen (§ 4 A.). 20. Beim Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten geht es auch in Konzernsachverhalten in erster Linie darum, nicht-emittentenspezifische Informationen wie etwa allgemeine Marktdaten aus der Pflicht auszunehmen. Die unmittelbare Betroffenheit von Informationen aus einer verbundenen Gesellschaft setzt aber zudem voraus, dass beide Gesellschaften einer gemeinsamen Unternehmenspolitik folgen, so dass eine reine Finanzbeteiligung des Emittenten an der anderen Gesellschaft nicht genügt, um eine Pflicht des Emittenten zu begründen.

224

§ 6 Schluss

Ein solches Verständnis der unmittelbaren Betroffenheit kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie sie mit dem Maßstab einer weit verstandenen einheitlichen Konzernleitung nach § 18 AktG erzielt würden (§ 4 A.). 21. Die Bemessung der Unverzüglichkeitsfrist hängt auch in Konzernsachverhalten maßgeblich von dem Wissen und Wissenmüssen des Emittenten hinsichtlich der relevanten Insiderinformationen ab (§ 4 A.). 22. Das Wissenmüssen des Emittenten richtet sich nach dessen Möglichkeiten der rechtsträgerübergreifenden Informationsbeschaffung. Nach dem auch insofern maßgeblichen Unionsrecht steht dem Emittenten gegenüber verbunden Gesellschaften ein aus Art. 17 Abs. 1 MAR abzuleitender Auskunftsanspruch hinsichtlich solcher Insiderinformationen zu, die den Emittenten unmittelbar betreffen und für die Kurse der von ihm emittierten Finanzinstrumente relevant sind (§ 4 B. III.). Der Emittent ist nach Art. 17 Abs. 1 MAR verpflichtet, von seinem Auskunftsanspruch Gebrauch zu machen und die verbundene Gesellschaft auf ihre Informationspflichten hinzuweisen. Solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, darf er sich dann darauf verlassen, dass diese Pflichten ordnungsgemäß erfüllt werden (§ 4 B. IV.). 23. Die Anwendung des nationalen Gesellschafts- und Konzernrechts zur Bestimmung der Möglichkeiten der Informationsbeschaffung ist keine geeignete Alternative zur Annahme eines ad-hoc-publizitätsspezifischen Auskunftsanspruchs des Emittenten. Sie scheitert zum einen an dem Erfordernis der unionsweiten Harmonisierung der Ad-hoc-Publizität (§ 4 B. III. 3.). Zum anderen eignen sich diese Regeln als solche des privaten Interessenausgleichs nicht als Gradmesser für die Bestimmung des Umfangs eines berechtigten öffentlichen Interesses an Kapitalmarktinformation (§ 4 B. III. 4.–5.). 24. Eine rechtsträgerübergreifende Wissenszurechnung zum Emittenten findet grundsätzlich nicht statt (§ 4 B. V.). Auch das Wissen eines Organmitglieds des Emittenten, das dieses in seiner Funktion als Organwalter der verbundenen Gesellschaft erlangt hat, ist dem Emittenten nur in dem Fall zuzurechnen, in dem die pflichtwidrige Geheimhaltung der Information seitens des Doppelmandatars kausal auf dessen Organzugehörigkeit beim Emittenten zurückzuführen ist (§ 4 D.). 25. Für den Fall der Emittenteneigenschaft von sowohl Mutter- als auch Tochtergesellschaft gelten keine Besonderheiten. Jeder Emittent muss die ihn unmittelbar betreffenden kursrelevanten Informationen unverzüglich veröffentlichen. Ein spezielles Auskunftsrecht steht jedem Emittenten dafür auch gegenüber dem anderen verbundenen Emittenten zu. Die rechtzeitige Veröffentlichung eines Emittenten führt aber in dem Umfang zum Wegfall der Pflicht des anderen Emittenten, in dem der Kapitalmarkt damit auch für diesen alle kursrelevanten Informationen erhält (§ 4 C.).

B. Zusammenfassung der Ergebnisse

225

VI. Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit 26. Das aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgende Recht natürlicher und juristischer Personen, sich nicht selbst einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit bezichtigen zu müssen, lässt die Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 MAR unberührt (§ 5 C.). Auch wenn Gegenstand der dem Emittenten bekannten oder pflichtwidrig unbekannten Insiderinformation eine Tat ist, für die er selbst zur Verantwortung gezogen werden kann, bleibt er zu deren Veröffentlichung verpflichtet (§ 5 C. III. 1.–2.). Das Wissen und Wissenmüssen des Emittenten über die Tat entspricht nach den allgemeinen Regeln dem Wissen und Wissenmüssen jeder zurechnungsrelevanten Person. Unternehmensangehörige, die selbst verbotswidrig gehandelt haben, sind davon nicht ausgenommen. Belasten sich diese Unternehmensangehörigen oder der Emittent in Erfüllung ihrer Pflichten selbst, dürfen aber weder die Ad-hoc-Meldung noch die für sie erforderliche betriebsinterne Kommunikation als Beweis in einem folgenden straf- oder bußgeldrechtlichen Verfahren gegen die natürlichen Personen oder den Emittenten wegen der bekanntgewordenen Tat verwendet werden (§ 5 C. III. 3.).

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Stichwortverzeichnis Ad-hoc-Dienstleister  74 f. Ad-hoc-Publizitätsausschuss  62 ff., 69 Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung  47 ff., 58 f., 64 ff., 70 ff., 78, 107 ff., 146 ff. Aufsichtsrat  71 f. Auskunftsanspruch des Emittenten  156, 158 ff., 180 f. Ausländisches Recht  76 ff., 135 Befreiung (Art. 17 Abs. 4 MAR)  27, 30, 71 f., 151 f., 171 ff., 178 f., 180 f. Beweisverwendungsverbot  209, s. a. Beweisverwertungsverbot Beweisverwertungsverbot  192 f., 199 ff., 203 ff., 209, 216 Big data  126 f. Business judgment rule  88 f. Compliance-Organisation  70, 87 ff., s. a. Organisationspflicht

Handlungsverantwortung (als Zurechnungskriterium)  50 ff., 58 f., 81 ff., 110, 146 f. Hinweisgebersystem 90 Informationspflicht  50 ff., 60 ff., 64 ff., 105 f., 146 ff. Informationsrecht des Emittenten  156, 158 ff., 180 f. Insidergeschäfte  41 ff., 49, 51, 55 ff. Insiderliste  73 f. Kartellrecht  40, 43, 47, 49, 93, 96 f. Konzerndimension der Ad-hoc-Publizität  149 ff. Legalitätspflicht  60 f. Legitime Handlungen (Art. 9 MAR)  41 ff., 51, 55 ff., 91 Leitungsaufgabe  62 ff.

Delegation  62 ff. Doppelmandate  182 ff.

Mitarbeiterschulungen  90 f. Mittelbare Zuständigkeit (als Zurechnungskriterium)  50 ff., 58 f., 81 ff., 110, 146 f.

Effet utile  93, 97, 160 ff. Erfüllungsgehilfe  45, 51 f., 64 f., 128 ff., 146 ff. Ermessensspielraum  88 f. EU-Kartellrecht  40, 43, 47, 49, 93, 96 f. Europäischer Betriebsrat  160, 173 Exkulpation  41 ff., 104 ff., 134 ff.

Nachgeordnete Mitarbeiter  70 f. Nachteil u. Nachteilsausgleich  157 f., 164 f. Nebenpflicht (zur Informationsweitergabe)  70, 73, 112 f., 147 f., 214 f., s. a. Treuepflicht Nemo-tenetur-Grundsatz  191 ff. Normbezogene Zurechnung  54 f.

Faktischer Konzern  157 f., 163 ff. Fernwirkung  209, s. a. Beweisverwertungsverbot Funktionale Subjektivierung  92 ff. Funktionsinsider  64 f., 73 f., 90 f., 112

Obliegenheit  85 ff. Offenlegungsverbot (Art. 14 MAR)  169 f., 180 f. Opferrollen-Gedanke  216 f. Organisationspflicht  28, 35 ff., 85 ff., 104 ff., 154, 173 ff. Organtheorie  40 ff., 65 f., 100 ff., 141 f.

Geheimhaltungspflicht  170, 182 ff. Gesamtgeschäftsführung  60 f. Gleichstellungsargument  101 f., 121 ff.

Passiver Konzerneffekt  158

Stichwortverzeichnis

253

Personelle Verflechtungen  182 ff. Praktische Wirksamkeit  93, 97, 160 ff. Private enforcement  92 ff.

Unverzüglich (Art. 17 Abs. 1 MAR)  27 ff., 149 ff. Unwahre Ad-hoc-Mitteilung  75

Rechtsnatur der Haftung  130 f. Rechtsvergleich  76 ff., 135 Regelinsider  64 f., 73 f., 90 f., 112 Regelpublizität 168 Ressortverteilung  64 ff.

Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung  44 ff., 58 f. Verschwiegenheitspflicht  170, 182 ff. Vertragskonzern  154 f., 163 Vorstand  59 ff.

Schranken der Zurechnung  182 ff. Schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 5 S. 5 BGB)  31 ff. Selbstbefreiung (Art. 17 Abs. 4 MAR)  27, 30, 71 f., 151 f., 171 ff., 178 f., 180 f. Selbstbelastungsfreiheit  191 ff. Spector Photo Group (EuGH)  41 ff., 55 ff.

Weiterleitungspflicht  50 ff., 60 ff., 64 ff., 105 f., 146 ff. Whistleblower-System 90 Wissensorganisation  28, 35 ff., 85 ff., 104 ff., 154, 173 ff. Wissensvertretung  107 f. Wissenszurechnung im Konzern  154 f., 175 f., 182 ff., s. a. Konzerndimension Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung  98 ff., 154 f. Wissenszusammenrechnung  46 f., 55 ff. 79, 111

Treuepflicht (zur Informationsweitergabe)  64, 67, 72 f., 112 f., 156 f., 167, s. a. Nebenpflicht Unmittelbare Betroffenheit  149 ff. Unrechtmäßige Offenlegung (Art. 14 MAR)  169 f., 180 f. Unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB)  31 ff.

Zurechnungsschranken  182 ff. Zuständigkeitsabhängigkeit der Zurechnung  47 ff., 58 f., 64 ff., 70 ff., 78, 107 ff., 146 ff.