Handlung und Zurechnung [1 ed.] 9783428553976, 9783428153978

Die Handlung ist Ergebnis, nicht Gegenstand der Zurechnung. Sie kommt durch eine Beobachtung zustande, die einer Person

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Handlung und Zurechnung [1 ed.]
 9783428553976, 9783428153978

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 286

Handlung und Zurechnung Von

Stephan Ast

Duncker & Humblot · Berlin

STEPHAN AST

Handlung und Zurechnung

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 286

Handlung und Zurechnung Von

Stephan Ast

Duncker & Humblot · Berlin

In die Reihe aufgenommen als Habilitationsschrift.

Die Juristische Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Habilitationsschrift angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2019 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-15397-8 (Print) ISBN 978-3-428-55397-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85397-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Dankeswort An erster Stelle danke ich Prof. Dr. Joachim Renzikowski. Er hat diese Arbeit ermöglicht – auch, indem er mir in seiner unkonventionellen und unbestechlich-kritischen Art große wissenschaftliche Freiheit gab und die Geduld aufbrachte, die erforderlich ist, wenn Fragen und Ideen verfolgt werden, deren Produktivität und Folgen nicht von vornherein absehbar sind: „Machen!“ Allerhöchsten Respekt zolle ich den beiden weiteren Gutachtern, Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Urs Kindhäuser und Prof. Dr. Henning Rosenau. Ihnen danke ich für die zügige und fundierte Begutachtung der Arbeit. Während der Konzeptionierung konnte ich noch mit Prof. Dr. Knut Amelung diskutieren, zum Abschluss dann sehr intensiv mit PD Dr. phil. Alexander Aichele. Beider Weitblick und analytische Schärfe haben mich sehr beeindruckt. Den Tod von Prof. Amelung empfinde ich noch immer als ­ schmerzlichsten Verlust. Unschätzbar sind all die anderen Freunde und Kollegen sowie die Familie und meine Frau. Köln, im Januar 2018

Stephan Ast

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der abstrakte Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang und Charakter der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 11 14 14 16 18

B. Handlung und normative Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Definition der Handlung durch die Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Der Begriff der normativen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Baumgarten und Kant . . 22 4. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Kelsen . . . . . . . . . . . . . . 24 II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Die Frage nach der verbotsgegenständlichen Handlung . . . . . . . . . . . . 26 2. Der nichtnormative Charakter der verbotsgegenständlichen Handlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Verbotsgegenständliche und erfolgsdefinierte Handlungsart . . . . . . . . 30 4. Untersuchungsanliegen und -methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Die Konzeption bei v. Liszt und Radbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Der Begriff der Handlung bei Radbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Berücksichtigung des Handlungssinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Irrelevanz der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 d) Vergleich mit der philosophischen kausalen Handlungstheorie . . . 36 2. Die tatbestandliche als verbotsgegenständliche Handlungsart . . . . . . . 38 a) Der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Das Verhältnis von tatbestandlicher Handlungsart und Tatbestand . 40 c) Tatbestandliche und verbotsgegenständliche Handlung – alternative Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen zwischen Normativität und Deskriptivität und die Unterscheidung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 e) Tatbestandliche Handlungsart und Rechtfertigungsmerkmale . . . . . 59 3. Die Handlung als willkürliche Körperbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Die Definition der Handlung als willkürliche Körperbewegung . . 66 b) Die Handlung als vortatbestandliche Prüfungsstufe . . . . . . . . . . . . 67

8 Inhaltsverzeichnis c) Der inhaltlich unbestimmte Begriff des Körperverhaltens ­(Handelns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Die Identifikation der Handlung mit dem Körperverhalten . . . . . . 69 e) Das Problem der Nichtbestimmbarkeit einzelner Handlungen . . . . 71 4. Erfolgsdefinierte Handlungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Begriff des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Erfolgsdefinierte Handlung und Ausführungshandlung . . . . . . . . . . 76 c) Das Verhältnis von erfolgsdefinierter Handlung und Ausführungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) Die Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgeeigneter Handlungen . 80 5. Das Problem der Umgrenzung erfolgsdefinierter Handlungsarten . . . . 82 a) Das Regressverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Die soziale Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 c) Die Adäquanztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 d) Die Lehre von der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Welzels Konzeption – Subjektiver Sinn als Maßstab der Zurechnung . 91 2. Das Problem des Fahrlässigkeitsdelikts – Welzels Lösungsversuche . 94 a) Finalität und Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Erster Ausweg: Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Ver­ ursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Zweiter Ausweg: Finale Steuerung des Körperverhaltens . . . . . . . 96 3. Die These von der Irrelevanz des Erfolgs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Kaufmann und Zielinski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 b) Die Resistenz des Problems: Notwendig objektiv zu verstehende Verbotsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 c) Die Relevanz des Erfolgs für Handlung und Norm . . . . . . . . . . . . 101 4. Vermeidbarkeit statt Finalität – Jakobs Handlungsbegriff . . . . . . . . . . 106 a) Der Begriff der individuell vermeidbaren Verursachung . . . . . . . . 106 b) Vermeidbarkeit und Finalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Die normative Orientierung des Vermeidbarkeitsurteils . . . . . . . . . 108 5. Der intentionale Handlungsbegriff – Kindhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Der finale, der intentionale und der deliktssystematische Grundbegriff der Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Abschied vom Primat der Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 V. Handlung und Straftatsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Zur Möglichkeit, final und objektiv definierte Handlungsarten in einem Handlungsbegriff zu erfassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Kritik des kausalen Handlungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Der soziale und personale Handlungsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Kritik der Funktionalisierung des Handlungsbegriffs für strafrechtsdogmatische Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Die Straftat als Handlungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Inhaltsverzeichnis9 C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Zurechnungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Körperverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Veränderungen oder deren Ausbleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Zurechnungsgegenstand bei der Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Kontingenzvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontingenz des Körperverhaltens und Kontingenzverknüpfung . . . . . 2. Kontingenzverknüpfung, Kausalität und condicio sine qua non . . . . . 3. „Ersatzursachen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Handlungen anderer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Alternative“ und „kumulative Kausalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die intentionale Zurechnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intention und Norm als Zurechnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Intention, Vorsatz, Absicht und Inkaufnehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verbindlichkeit der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Zuschreibung der Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung der Handlung zu „Nichthandlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die normative Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Struktur der normativen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Besonderheit und Implikationen des Urteils über die normative Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Begründung der konkreten aus einer generellen Norm . . . . . . c) Die Begründung des normativen Zurechnungsurteils . . . . . . . . . . . 2. Das vorsätzliche Begehungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die teleologische Folgerichtigkeit der Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Fahrlässigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Intention hinsichtlich von Handlungsfolgen . . . . . . . . . . b) Fehlende Kenntnis von relevanten Situationsumständen  . . . . . . . . c) Kenntnisgebote und kenntnisbezogene Handlungsnormen . . . . . . . d) Zurechnungsregeln und Bestimmungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Begriff der Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127 127 130 130 132 135 136 136 139 143 146 148 154 154 157 164 167 168 169 169 169 171 172 173 175 178 178 180 182 186 190 192

D. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

A. Einleitung I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft 1.  Die Begriffe Handlung und Zurechnung gehören so selbstverständlich zum Grundbestand des Strafrechts, dass eine Beschäftigung mit deren Definition überflüssig erscheint. So kann man sich für den Begriff der Zurechnung auf Pufendorf und Kant berufen sowie für den Begriff der Handlung auf eine maßgeblich von v. Liszt, Beling, Radbruch und Welzel beeinflusste strafrechtswissenschaftliche Tradition. Was nutzt es also, die heute kaum mehr weiter verfolgten Diskussionen zu den Begriffen Handlung und Zurechnung wieder aufzugreifen – zumal es nicht nahe liegt, dass das zu fallpraktisch relevanten Ergebnissen führt? Leicht handelt man sich den Vorwurf eines akademischen Glasperlenspiels ein.1 Fälle werden mithilfe des Handlungsbegriffs in der Tat nicht unmittelbar gelöst, jedoch ist dieser Begriff grundlegend für das Straftatsystem. Seine Definition wirkt sich auf das Verständnis vieler Begriffe dieses Systems aus, denn die Straftat als solche ist eine Handlung bestimmter Art: ein Mord, ein Betrug, eine fahrlässige Tötung. Die Straftatlehre ist eine spezielle Handlungslehre. Sie klassifiziert deren Arten und systematisiert deren allgemeine Voraussetzungen. Der Handlungsbegriff des Strafrechts muss sich dabei an ein allgemeines Handlungskonzept anschließen lassen. Es ist nicht anzunehmen, dass die Strafrechtsdogmatik einen Handlungsbegriff erzeugt, der völlig isoliert sowohl von anderen Rechtsbereichen als auch von der außerrechtlichen Rede ist. Eine allgemeine Handlungstheorie und ein aus ihr zu entwickelnder abstrakter Begriff der Handlung, der nicht nur auf Straftaten zutrifft, muss umgekehrt auch für den spezielleren Begriff der Straftat sowie die Straftatlehre aussagekräftig sein. Er muss der gemeinsame Bezugspunkt der Merkmale einer beliebigen Straftatart sein. Deren Merkmale müssen aus den Merkmalen jenes Begriffes heraus zu entwickeln sein. In der klassischen strafrechtlichen Kontroverse um die kausale und finale Handlungslehre war man sich dessen zumindest insofern bewusst, als jene 1  Vgl. demgegenüber die Bemerkung von Seher (2013) S. 220 f. dass bei den heutigen Autoren „der Kernbegriff der Zurechnung im Nebel liegt,“ obgleich „der Sprechakt des Zurechnens als Schlüsselschritt angewandter Straftatdogmatik gilt.“

12

A. Einleitung

Lehren die Tatbestandsmerkmale – den Taterfolg, die Kausalität und die finale Lehre auch den Vorsatz – als Merkmale des Begriffs der tatbestandlichen Handlung verstanden haben. Im Gegensatz dazu fasst man heute die Merkmale der Straftat – die Tatbestandsmerkmale ebenso wie die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld – zumeist fragmentiert je für sich auf, ohne in deren Interpretation einen Bezug zum Handlungsbegriff herzustellen.2 Demgegenüber kann die Grundlegung jener Merkmale im Begriff der Handlung Wesentliches zu ihrer Deutung beitragen. Das wird am Verständnis der Kausalität, des Vorsatzes und des Unterlassungsdelikts zu zeigen sein. Insofern wird der Handlungsbegriff auch für die Beurteilung von Fällen praktisch relevant. 2. Sofern ein Zusammenhang des Handlungsbegriffs zu den einzelnen Deliktsmerkmalen nicht hergestellt wird, erscheint auch die Handlung selbst zusammenhanglos im Deliktssystem. Sie gilt nur als ein Tatbestandsmerkmal unter anderen. Ihrem Begriff wird lediglich die Funktion zugemessen, die Strafbarkeit wegen eines Körperverhaltens auszuschließen, das nicht willkürlich und deshalb keine Handlung sei.3 Dass der Handlungsbegriff derart marginalisiert wird, verdankt er einer Aporie, in welche die Diskussion der strafrechtlichen Handlungslehren geraten ist. Man akzeptierte den Anspruch, alle Arten der Straftaten bereits ohne Rücksicht auf das Urteil über die Rechts- bzw. Normwidrigkeit und in diesem Sinne vornormativ als Handlungen auszuweisen. Einlösen konnte die kausale und finale Lehre diesen Anspruch für das Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikt aber nicht.4 Deshalb weicht man auf Handlungsdefinitionen aus, die ohne Aussagekraft sind, weil sie bloß diffuse Merkmale enthalten und relevante Fragen nur verschieben. Handlung sei ein „Verhalten“ bzw. ein „Sachverhalt“, welcher in einem Tun oder Unterlassen einer Person besteht,5 oder eine „Persönlichkeitsäußerung.“6 Dass für eine Handlung die Sinn- und Sozialdimension wesentlich ist, wird zwar konstatiert, aber nicht weiter analysiert, weshalb die behaupteten Ergebnisse unzureichend begründet werden.7 Derartigen Handlungsbegriffen kommt keine vergleichbare systematische Bedeutung zu, wie sie dem Handlungsbegriff früher zugemessen wurde und Roxin AT I (2006) § 10 Rn. 67. AT (2017) § 2 Rn. 3, Walter (2006) S. 27 ff., ders. LK-StGB (2007) Vor § 13 Rn. 30 ff. 4  Vgl. die Kritik etwa bei Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 19 f. 5  Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 53 ff., 61. 6  Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 44. 7  Wessels / Beulke / Satzger AT (2017) § 3 Rn. 136 ff. 2  Etwa 3  Kühl



I. Der Stand der Strafrechtswissenschaft13

die sich in allgemein anerkannten Ergebnissen wie der Etablierung des Begriffs der tatbestandlichen Handlung und der Einbeziehung des Vorsatzes in den Begriff dieser Handlung niederschlug. An die Stelle der Handlungslehre tritt insoweit die Lehre von der objektiven Zurechnung, die ihrerseits zu einer Änderung der Tatbestandslehre führte.8 Auf breiter Linie ist ferner eine Abkehr vom finalen hin zu objektivierenden Handlungsbegriffen zu verzeichnen, welche in der Tradition der kausalen Lehre stehen. Weil der Vorsatz nicht mehr im Handlungsbegriff verankert wird, fällt die systematische Grundlage für den finalistischen Verbrechensaufbau weg. Der Erfolgseintritt und darauf bezogene Vorsatz werden nicht mehr auf die Handlung bezogen, sondern vom Strafzweck her gedeutet.9 Systematisch würde dem eine Neuordnung der Strafbarkeitsmerkmale nach Verhaltensnormwidrigkeit und Strafzweckgesichtspunkten entsprechen.10 Die Verhaltensnormwidrigkeit bzw. das Unrecht wird dann allein durch das „unerlaubte Risiko“, den Sorgfaltspflichtverstoß begründet. Die Straftatlehre geht vom Fahrlässigkeitsdelikt aus, zu welchem das Vorsatzdelikt nur als ein Spezialfall erscheint.11 3. Die Handlungslehre wird somit von primär strafzweck- bzw. präven­ tionsbezogenen Theorien entweder verdrängt oder zumindest geprägt – so bei Jakobs. Er sieht die Straftat als solche als Handlung an,12 deutet aber deren Merkmale primär vom Strafzweck der positiven Generalprävention her und meint sogar, dass sich auch über den Begriff der Handlung selbst „ohne Blick auf die Aufgabe des Strafrechts schlechthin nichts sagen lässt“13 – weshalb er mit der „Vermeidbarkeit einer Erfolgsdifferenz“ einen rein strafrechtsbezogenen Handlungsbegriff postuliert.14 Nicht jede Handlung ist jedoch eine Straftat, weshalb Begriff und soziale Funktion der Handlung zunächst unabhängig vom Strafrecht bestimmbar sein müssen. Erst wenn dieser Schritt getan ist, kann man fragen, ob die Strafrechtsdogmatik Gesichtspunkte außer Acht lassen kann, die für die alltägliche Praxis von Handlungszuschreibungen bedeutsam sind, bzw. ob Besonderheiten im Strafrecht gelten oder gelten sollten, welche eine weiter oder weniger weit reichende Zurechnung erfordern. Für eine Wissenschaft ist es jedenfalls unabdingbar, diese Differenzen offen zu legen und zu reflektieren. Schroeder (2003) S. 651. Vgl. Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 44 ff., 50. (1983) S.  102 ff., ders. (1988) S.  516 ff. 10  Frisch (1983) S.  502 ff., Stein (2009) passim, Walter (2006) S.  212 f. 11  Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 49. 12  Jakobs (1992) S. 44. 13  Jakobs AT (1991) S. VII. 14  Jakobs AT (1991) 6 / 27, S. 141. Hierzu unter B.III.4. 8  Ebenso 9  Frisch

14

A. Einleitung

Ferner ist es im Hinblick auf eine teleologische und funktionalistische Deutung des Strafrechts wichtig zu bestimmen, welche Zweckannahme welchen Aspekt der Straftat erklären und – normativ gewendet – legitimieren kann. Die Konstitution von Handlungen, auf die dann in einem Tatstrafrecht erst mit Strafe reagiert werden kann, hat die Funktion zu ermöglichen, Ereignisse oder deren Ausbleiben auf Personen zuzuordnen.15 Diese Funktionsbestimmung sagt noch nichts über die Legitimation jener Zuordnung aus. Hierfür sind rechtfertigende Gründe anzuführen. Man muss dem Täter erklären können, warum ihm ein Ereignis oder Ausbleiben zugerechnet wird und warum er bestraft wird. Der Zweck der Strafe oder des Strafrechts spielt hierfür keine Rolle, weil diese nur erklären, warum er be­ straft wird.

II. Der Begriff der Handlung 1. Der abstrakte Begriff 1. Entsprechend der Funktionsbestimmung ist der Begriff der Handlung durch den Begriff der Zurechnung zu definieren. Diese wird nicht ausschließlich im juristischen oder moralischen Sinne verstanden,16 sondern als die Grundform eines Urteils, durch welches einer Person etwas zugeordnet wird. Die Handlung ist zu definieren als das Ergebnis einer Zurechnung. Zugerechnet wird aus besonderen Gründen einer Person, dass sich eine gegebene Lage verändert oder nicht verändert hat. Das heißt, dass eine Handlung nicht bereits vor der Zurechnung als solche gegeben ist, so dass sie nur noch einer Person zugeordnet werden müsste. Vielmehr wird die Handlung durch die Zurechnung erst konstituiert. Zurechnen kann sich auch der Handelnde selbst. Welche Gründe die Zurechnung rechtfertigen, ist die zentrale Frage der strafrechtlichen Handlungslehre. Der komplexe Begriff der Zurechnung zeigt zum einen, dass in einer Handlung heterogene Elemente verknüpft sind: Zurechnungsgegenstand, Zurechnungsgründe, Person und (Selbst-)Beobachter. Zum anderen verankert er mit den Zurechnungsgründen und dem Zurechnungsakt die Dimensionen des Sinns und der Sozialität sowie die Beobachtungsabhängigkeit im Handlungsbegriff. Das hier zu entwickelnde Handlungskonzept steht deshalb Theorien

15  Luhmann

(1984) S. 160, 228. die juristische Handlungsdefinition in der Tradition Hegels, etwa Berner (1872) § 90, S. 155 f. = (1898) § 62, S. 116 f., Binding (1914) S. 88 ff., 93. Vgl. insoweit Radbruch (1904a) S. 86 ff. m. w. N. und unten B.V.5.2. 16  So



II. Der Begriff der Handlung15

nahe, die den sozialen Sinn und die soziale Funktion der Handlung betonen und dabei oft auch den Begriff der Zurechnung einbeziehen.17 Selbst Handlungen, die nur in der Selbstbeobachtung des Handelnden und nicht in der Beobachtung durch andere konstituiert werden, weisen eine soziale Dimension auf, schon weil die Selbstdeutung das soziale, sprachlich verankerte Schema der Handlung übernimmt: die Zurechnung auf die eigene Person. Rechtlich relevante Handlungen werden aber immer auch durch eine Fremdbeobachtung konstituiert. Zur sozialen Dimension der Handlung gehört auch der Bezug auf Normen und Werte, den Handlungen allgemein aufweisen können und als rechtlich relevante immer aufweisen. Handlungen können Gegenstand einer Bewertung sein oder diese begrifflich implizieren, so die Begriffe einzelner Straftaten. Diese normative Dimension kann im Zurechnungsbegriff integriert werden, weil eine Norm der Zurechnungsgrund innerhalb einer Handlung sein kann. 2. Die strafrechtlichen wie philosophischen Handlungstheorien stellen sich die Handlung demgegenüber zumeist als ein willkürliches Körperverhalten vor, das durch den Willen gesteuert wird und gegebenenfalls bestimmte Folgen in der Welt verursacht. Dieses Modell der Handlung mag der Alltagsvorstellung entsprechen, doch hat es nur begrenzte Erklärungskraft. Es ist zu vereinfachend und zugleich nicht abstrakt genug: Wenn die Handlung eine relationale Struktur zwischen verschiedenen, aufeinander bezogenen Elementen aufweist, ist es unangemessen vereinfachend, ein einzelnes Element – das Körperverhalten – für das Ganze zu nehmen, indem man in der Definition das Ganze und das Element gleichsetzt. Infolgedessen können andere Elemente nicht plausibel integriert werden. Wie über das Körperverhalten hinausgehende Erfolge zur Handlung gehören, bleibt ebenso ungeklärt wie die Relevanz dessen, was der Handelnde über das Körperverhalten hinausgehend will. In der Definition des Begriffs kommen diese Elemente nicht vor, weshalb sie als etwas für die Handlung Unwesentliches erscheinen müssen. Die Definition der Handlung als Körperverhalten ist zugleich nicht abstrakt genug, weil es nicht alle Erscheinungsformen der Handlung deuten 17  Vgl. Larenz (1927) S.  75 ff., Welzel (1931) S. 718 ff. = (1975) S. 19 ff., Roxin (1968) S. 262, Schmidt (1969) S.  340 f., Hruschka (1976) S.  12 f., Kindhäuser (1980a) S. 156 ff., 197 ff., (1984) S. 16 ff., (2011) S. 41 ff., Jakobs (1992) S. 27 ff. Vgl. aus soziologischer Sicht Luhmann (1965) S. 65, (1978) S. 237 f., (1984) S. 228 f. Aus philosophischer Sicht Lenk (1978) S. 292 ff., 323 f. Vgl. auch Hart (1948), hierzu Feinberg (1977), S.  186 ff., Kindhäuser (1980a) S.  163 ff., Koriath (1994) S.  379 ff., Mañalich (2009) S.  186 ff.

16

A. Einleitung

kann – insbesondere die Unterlassung. Nicht genügend abstrahiert wird auch, sofern die Kausalität als ausschlaggebend für die Verknüpfung des Körperverhaltens oder der Unterlassung eines Körperverhaltens mit dem Erfolg angesehen wird. Wie zu zeigen sein wird, ist das eine unzutreffende Verallgemeinerung. Das Modell der Handlung als Körperbewegung ist insgesamt ein Beispiel für den fallacy of misplaced concreteness, den Whitehead für das klassische, mechanistische Modell der Natur feststellte. Dieses reduzierte die Realität der Natur auf die raum-zeitliche Lokalisierung von Körpern und deren kausale Wirksamkeit. Qualitative Eigenschaften fasste sie als bloß akzidentiell auf.18 3. Das Zurechnungskonzept der Handlung kennt die Schwierigkeiten nicht, die aus dem Fehler unzutreffender Konkretheit folgen. Die soziale wird ebenso wie die normative Dimension von Handlungen einbezogen, ohne den Handlungsbegriff auf Straftaten zu verengen. Die Handlung wird nicht mit einem Körperverhalten identifiziert. Stattdessen wird dieses als möglicher Zurechnungsgegenstand sowie funktional als Anknüpfungspunkt der Zurechnung gedeutet. Deshalb kann erklärt werden, dass auch die Unterlassung, die an ein potentielles Körperverhalten anknüpft, eine Handlung sein kann. Die Definition der Handlung durch den Begriff der Zurechnung setzt nicht gegenstands-, sondern funktionsbezogen an, da die Zurechnung ein funktionaler Gesichtspunkt ist. Von dieser Funktion her sind die einzelnen Elemente des Handlungsbegriffs zu deuten. Die Abstraktion vom Körperverhalten ist freilich mit einem Verlust an Anschaulichkeit verbunden. Jedoch abstrahiert jede Theorie – auch das Modell der Handlung als Körperverhalten. Wenn ein Modell nicht mehr in der Lage ist, wichtige Aspekte des Gegenstands zu integrieren, muss man ein alternatives Modell zur Beschreibung entwickeln. 2. Der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung 1.  Neben dem allgemeinen Handlungsbegriff und dem spezielleren Begriff der Straftat ist im Strafrecht ein weiterer Handlungsbegriff von großer Bedeutung. Es ist der allgemeine Begriff derjenigen Handlungsarten, welche Gegenstand der strafrechtlich untermauerten Verbote sind.19 Die klassische Kontroverse zwischen kausaler und finaler Handlungslehre wird nur ver18  Whitehead

(1988) S.  66 ff. Konzeption strafrechtlicher Verhaltensnormen allgemein Renzikowski (2005) S.  115 ff., Mañalich (2009) S.  23 ff. 19  Zur



II. Der Begriff der Handlung17

ständlich, wenn man sie auf die Frage bezieht, wie der Begriff dieser Handlungen zu definieren ist. Im Gegensatz zum Begriff der Straftat hat dieser Begriff nichtnormativen Charakter, insofern als er nicht bereits durch die Verbotswidrigkeit definiert sein kann: Die verbotsgegenständliche Handlung wird erst durch das hinzutretende, auf sie bezogene Verbot als verboten ausgewiesen und kann diese Bedeutung nicht schon implizieren. Somit verfügt die Strafrechtsdogmatik mit den beiden Begriffen der Straftat und der verbotsgegenständlichen Handlung über Handlungsbegriffe, die für sie spezifisch sind. Das begründet die Besonderheit und zugleich die Berechtigung einer eigenständigen strafrechtlichen Handlungslehre. Dabei war der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung in der Diskussion der kausalen und finalen Handlungslehre von vorrangigem Interesse, weil beide Lehren von der Prämisse ausgingen, dass sich Verbote nur auf Handlungen richten können. Diese These liegt dem Begriff und dem Aufbau des Verbrechens als tatbestandlicher, rechtswidriger, schuldhafter und somit verbotener Handlung (bzw. gebotswidriger Unterlassung) zugrunde. 2. Dass die vorliegende Untersuchung von einem anderen Handlungsbegriff ausgeht als jene beiden Handlungslehren, lässt diese keineswegs als obsolet erscheinen. Das jeweilige Modell der Handlung ist nur ein Aspekt einer Handlungstheorie. Die Wahl eines anderen Modells macht die je behandelten Fragen nicht überflüssig. Die Antworten werden vielmehr in eine andere begriffliche Sprache übersetzt. So kann der Gegensatz von kausaler und finaler Lehre auf die Frage bezogen werden, welche Zurechnungsgründe die verbotsgegenständliche Handlung konstituieren können – ob entweder allein die subjektive Sinnsetzung des Handelnden ausschlaggebend ist oder objektivierende, beschreibende Kriterien wie die Verursachung oder Vermeidbarkeit. Das Zurechnungskonzept der Handlung beantwortet die Frage nach der verbotsgegenständlichen Handlung übereinstimmend mit der finalen Lehre. Eine Zurechnung von Ereignissen auf Personen kann nicht plausibel gemacht und legitimiert werden, indem man ein Geschehen als vermeidbar bloß beschreibt, auch wenn diese Beschreibung als soziales Deutungsmuster behauptet wird. Unter dem Blick des Rechts wird aus einem alltäglich-sozialen sofort ein juristisch-konstruktiver Begriff, wofür die kausale Lehre und ihr folgende objektivierende Lehren ein Beispiel geben. Eine zentrale These der Untersuchung ist vielmehr, dass für das Strafrecht als Zurechnungsgründe einer Handlung ausschließlich die subjektive Sinnsetzung durch eine Intention oder die objektive durch eine Norm in Betracht kommen. Diese These wird in der Diskussion der strafrechtlichen Handlungslehren bestätigt werden.

18

A. Einleitung

III. Gang und Charakter der Untersuchung 1.  Nachdem der durch die Zurechnung definierte Handlungsbegriff skizziert wird (B.I.1. f)), nimmt die Untersuchung ihren Ausgangspunkt bei der klassischen Zurechnungslehre (B.I.3.). Diese Lehre hat dem Begriff der Zurechnung bereits eine klare Fassung gegeben. Die zweistufige Struktur der normativen Zurechnung hat sie klar herausgearbeitet: Wenn im Einzelfall untersucht wird, ob ein Handelnder eine Norm missachtet hat, ist zunächst festzustellen, ob eine Handlung von der im Verbot bezeichneten Art gegeben ist, und sodann, ob diese Handlung verbotswidrig war. Um den allgemeinen Begriff dieser verbotsgegenständlichen Handlung ging der Streit der strafrechtlichen Handlungslehren (zu deren Besonderheiten B.II.), paradigmatisch der kausalen (B.III.) und finalen Lehre (B.IV.). Der Gegensatz beider Lehren besteht vor allem hinsichtlich der Frage, ob der Handelnde bestimmt, was seine Handlung ist, oder ob dies auch ein Beobachter ohne Rücksicht auf den Willen des Handelnden bestimmen kann, und gegebenenfalls, nach welchen Kriterien. Für die kausale Lehre war ein Hauptproblem die Begrenzung der Erfolgszurechnung und Begründung plausibler Zurechnungsgründe (B.III.5.), für die finale Lehre die Erklärung des fahrlässigen, erfolgsvoraussetzenden Begehungsdelikts (B.IV.2.–4.). Die jeweiligen Versuche, diese Fragen zu lösen, sind für die Handlungstheorie lehrreich und führen zu einer abschließenden Reflexion darüber, was ein strafrechtsdogmatischer Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung leisten kann und soll (B.V.). Anlässlich der Behandlung der kausalen Handlungslehre werden wichtige allgemeine Fragen diskutiert – insbesondere die Vorstellung von der Handlung als einer Körperbewegung bzw. eines Kausalprozesses (B.III.3.) sowie die Differenzierung von erfolgsdefinierten Handlungen und Ausführungshandlungen (B.III.4.). Ausführlich diskutiert wird der Begriff des Tatbestands (B.III.2.). Dieser bezeichnet, handlungsbezogen aufgefasst, diejenige Handlungsart, die Gegenstand eines strafrechtlichen Verbots ist. 2.  Der zweite Hauptteil entwickelt das Zurechnungskonzept der Handlung. Zunächst werden mögliche Gegenstände der Zurechnung und entsprechende Handlungsarten bestimmt (C.II.). Sodann liegt der Schwerpunkt auf der Frage, warum zugerechnet werden kann. An erster Stelle steht eine Kontingenzannahme, welche einerseits unmittelbar das Körperverhalten betrifft, andererseits die Erfolge (C.III.). Die Bedeutung der Kausalität wird durch das allgemeinere Kriterium der Kontingenzverknüpfung relativiert (C.III.2., 4 und 5.). Darüber hinaus muss die Zurechnung durch eine Sinnsetzung begründet werden (C.I.), welche einerseits mit einer Intention, andererseits mit einer Norm gegeben sein kann (C.IV. und V.). Es wird zugerechnet, was einer In-



III. Gang und Charakter der Untersuchung19

tention entspricht oder einer Norm widerspricht (C.IV.1.). Aus der Parallelität von Norm und Intention werden Anhaltspunkte für deren Verständnis und Definition gewonnen (C.IV.2.). Schließlich wird gefragt, wie die intentionale und normative Zurechnung verknüpft werden. Dabei wird mit der Behandlung des vorsätzlichen Begehungsdelikts der Bogen zurück zur Ausgangsfragestellung nach der verbotsgegenständlichen Handlung geschlagen (C.V.1. f)). In Wiederaufnahme der Unterscheidung von erfolgsdefinierten und ‑verursachenden Handlungen (B.III.4.) wird eine allgemeine teleologische Struktur der normativen Zurechnung aufgezeigt, welche auch die Lehre von der objektiven Zurechnung expliziert hat (C.V.3.). Abschließend wird gezeigt, dass und wie eine normativ begründete Zurechnung ohne vorherige intentionale Zurechnung möglich ist. Das betrifft zum einen das Fahrlässigkeits- und zum anderen das Unterlassungsdelikt (C.V.4. und 5.). 3.  Das Zurechnungskonzept der Handlung, welches die normative Zurechnung umfasst, macht deutlich, dass die strafrechtliche Handlungstheorie eng mit der Normentheorie verknüpft ist. – Norm und Handlung sind gleichsam die Grundbausteine des Straftatsystems. Dieses kann nur durch eine Kombination aus Handlungs- und Normentheorie fundiert werden. Deshalb knüpft die Untersuchung im Hinblick auf die Normentheorie an die vorangehende Monographie an, insbesondere in der Analyse teleologischer Normenbeziehungen.20 4.  Die beiden Hauptabschnitte der Untersuchung können unabhängig voneinander gelesen werden. Der erste zeigt in der Kritik der überlieferten Lehren Vorteile des Zurechnungskonzepts der Handlung. Im zweiten Teil wird dieses Konzept systematisch entwickelt. Die Grenzen von Theorie und Dogmatik sowie zwischen allgemeiner und strafrechtlicher Handlungstheorie spiegeln sich nicht in der Einteilung der Kapitel, sondern bleiben immanent. Mit Blick auf die normative Beurteilung von strafrechtlichen Problemen zeigt die Arbeit einerseits Problemstrukturen und Begründungsprämissen (insbesondere zur Irrtumslehre, B.III.2.e), C.V.2.). Andererseits werden mit Hilfe der Theorie Legitimationsanforderungen klarer formulierbar: Der Kern des Handlungsbegriffs besteht aus hiesiger Sicht in der Legitimationsfrage, wie die Zurechnung begründet wird und, normativ gewendet, begründet werden soll. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Limitierung von Zurechnungsgründen (B.V.), strafrechtliche Fragen der Kausalität (C.III.), der normativen Zurechnung (C.V.3. und 4.) sowie die Vorsatzdogmatik (C.IV.2. und C.V.5.). 20  Ast

(2010).

B. Handlung und normative Zurechnung I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung 1. Definition der Handlung durch die Zurechnung Die Handlung ist das Ergebnis einer Zurechnung. Jedes Zurechnungsurteil verknüpft vier Elemente, die dadurch bestimmt werden, wer – wem – was – warum zurechnet. Es sind der Urteilende, das Subjekt, der Gegenstand und der Grund der Zurechnung. Zurechnungsgegenstand im Rahmen einer Handlung ist eine Veränderung oder deren Ausbleiben. Die Handlung ist somit das Ergebnis eines Urteils, welches eine Veränderung oder deren Ausbleiben aus einem besonderen Grund einer Person zurechnet. Die Unterscheidung von Gegenstand und Grund der Zurechnung ist bereits auf Handlungen anwendbar, die bloß durch ein Körperverhalten definiert werden (z. B. „den Arm heben“). Dieses ist Gegenstand der Zurechnung; ihr Grund ist etwa die Annahme, dass das Handlungssubjekt sich willentlich verhalten habe. Zurechnungsgegenstand kann aber auch ein anderer Erfolg sein, zum Beispiel bei der Handlung „töten“ der Tod eines Menschen. Im Folgenden wird die Auseinandersetzung von kausaler und finaler Handlungslehre im Strafrecht auf die Frage bezogen, ob bereits die Verursachung des Erfolges oder vergleichbare „objektive“ Kriterien die Zurechnung hinreichend begründen oder ob es darüber hinaus erforderlich ist, dass der Handelnde subjektiv den Erfolgseintritt beabsichtigt. 2. Der Begriff der normativen Zurechnung 1.  Der Begriff der Zurechnung, durch welchen die Handlung allgemein zu definieren ist, entstammt der moralphilosophischen Tradition. Er hat in dieser Tradition eine engere Bedeutung, weil er die Zurechnung im Hinblick auf Normen bezeichnet, die normative Zurechnung. Das ist die Feststellung ei­ ner negativen oder positiven Normabweichung.1 Die missbilligende normative Zurechnung ist das Urteil, dass eine Person eine Norm (Gebot oder 1  Zur positiven Normabweichung (Supererogation) Joerden (2010) S.  221 ff. m. w. N.



I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung21

Verbot) missachtet hat. Nur diese Art der normativen Zurechnung ist mit Blick auf die Straftat zu behandeln. 2.  Die Annahme, dass das Zurechnungssubjekt eine Norm missachtet hat, ist der Grund der normativen Zurechnung. Ihr Gegenstand ist derjenige Sachverhalt, welcher der Norm widerspricht. Er ergibt sich aus dem Gegenstand der Norm und kann positiv oder negativ bestimmt sein. Bezeichnet die Norm eine Veränderung, die nicht eintreten soll (z. B. beim Verbot zu töten), wird der Eintritt dieser Veränderung zugerechnet (im Beispiel: dass eine andere Person gestorben ist); bezeichnet sie eine Veränderung, die eintreten soll (z. B. beim Gebot, eine Summe Geldes zu zahlen), wird inhaltlich negativ zugerechnet, dass diese Veränderung nicht eingetreten ist. Wenn Gegenstand eines Verbots oder Gebots eine Handlung ist, wird deren Ergebnis oder das Ausbleiben deren Ergebnisses zugerechnet. Das Handlungsergebnis kann seinerseits positiv oder negativ bestimmt sein. Positiv bestimmt ist es etwa bei der Handlung „töten“. Negativ bestimmt ist es bei den Handlungen „retten“, „abwenden“, „vermeiden“ und „verhindern“, da das Ergebnis hier das Ausbleiben einer Veränderung ist. Missachtet man das Gebot einer solchen Handlung, wird positiv zugerechnet, dass die Veränderung eingetreten ist. 3. Zurechnungssubjekt der normativen Zurechnung ist das Normsubjekt (der Adressat der Norm, der Normunterworfene). Die Zurechnung setzt insoweit eine namhaft gemachte, als identisch angenommene Person voraus, die auch bei „natürlichen Personen“ nicht einfach mit dem Menschen oder dessen Psyche gleichzusetzen ist.2 Das Zurechnungssubjekt kann an der Normsetzung beteiligt gewesen sein und sich dadurch selbst der Norm unterworfen haben (bei Versprechen, Verabredung oder Vertrag). Die Norm kann aber auch ohne Rücksicht auf seine Zustimmung an ihn gestellt sein (generell: Rechtsnormen, singulär: Befehl). Jedenfalls ist mindestens ein Zweipersonenverhältnis vorausgesetzt. 4.  Derjenige, der ein Zurechnungsurteil fällt, ist der Beurteiler. Das kann der Normsetzer, das Zurechnungssubjekt selbst oder ein Dritter sein. Zurechnungsurteile verschiedener Beurteiler können divergieren. Einem Beurteiler kann die Befugnis zukommen, für alle verbindlich über die Zurechnung zu entscheiden, so im Hinblick auf die rechtliche Zurechnung der Richter bzw. das Gericht. Kant unterscheidet insoweit zwischen rechtskräftiger und beurteilender Zurechnung (imputatio iudiciaria s. valida und imputatio diiudica­ toria).3 2  Kelsen 3  Kant

(1911) S.  82 f., 514 ff., Luhmann (1984) S. 229. (1907) S. 227 = (2009) S. 25.

22

B. Handlung und normative Zurechnung

3. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Baumgarten und Kant 1.  Der allgemeinere Begriff der Zurechnung, durch welchen die Handlung zu definieren ist, unterscheidet sich von dem der normativen Zurechnung dadurch, dass er die Frage des Zurechnungsgrundes nicht spezifiziert, während der Zurechnungsgrund der normativen Zurechnung eine Norm ist. Die normative Zurechnung ist demnach ein Spezialfall der Zurechnung im Rahmen einer Handlung. Sie ist in Handlungsbegriffen vorausgesetzt, die ein Verbrechen bezeichnen, zum Beispiel Mord und Diebstahl. Man kann somit bei der Handlungskonstitution eine normative und eine nichtnormativ begründete Zurechnung unterscheiden. 2. In den klassischen Texten ist diese Unterscheidung in derjenigen von imputatio facti und imputatio legis (bzw. auf das Recht bezogen: imputatio iuris) angelegt. So hat Baumgarten definiert: „Zurechnung … wird genannt (1) das Urteil, wodurch beurteilt wird, dass einer der Urheber (auctor) einer bestimmten Tat (factum) sei, (2) die Anwendung (applicatio) des Gesetzes auf die Tat bzw. die Subsumtion der Tat unter ein Gesetz.“4 Kant hat das in seiner Definition verkürzt ausgedrückt: „Zurechnung (im­ putatio) in moralischer Bedeutung ist das Urteil, wodurch jemand als Urheber (causa libera) einer Handlung, die alsdann Tat (factum) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird.“5 Zunächst wird nichtnormativ eine Handlung zugerechnet (imputatio facti) und „alsdann“ (mit der normativen Zurechnung, imputatio iuris) eine Tat, die unter Gesetzen („der Verbindlichkeit“)6 steht – was man übersetzen kann mit: die einem Gebot oder Verbot widerspricht (insbesondere eine „Straftat“).7 Der Begriff der normativen Zurechnung kann somit definiert werden als das Urteil, durch welches festgestellt wird, dass jemand eine Norm missach­ tet hat. 4  Baumgarten

(1760) § 125, S. 81 f., Übersetzung von Aichele (2011a) S. 503 f. Metaphysik der Sitten (1907) S. 227 = (2009) S. 25. Hierzu Aichele (2011b) S.  34 ff., Stübinger (2011) S. 163 ff., Pawlik (2012) S.  288 f., Blöser (2014). 6  Kant (1907) S. 223 = (2009) S. 25. 7  Zum Begriff der Tat Blöser (2014) S. 17 f. Zur Begriffsgeschichte Binding Normen I (1914) S. 83 ff., Fn. 1, Engisch (1944) S. 154 f. Fn. 51, Pawlik (2012) S. 289 f., 297; z. B. genau umgekehrt wie Kant Hegel Grundlinien (1981) § 118: „Unterschied […] von Tat und Handlung, der äußerlichen Begebenheit und dem Vorsatze und Wissen der Umstände sowie der Zersplitterung der Folgen.“ Zur Ablehnung der Unterscheidung einer imputatio facti und iuris seitens der Hegelianer Larenz (1927) S.  60 f., 68 ff., dessen Kategorie der „objektiven Zurechnung“ diese Unterscheidung sozusagen rehabilitiert, vgl. a. a. O. S. 70 f. und unter B.III.5.d). 5  Kant



I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung23

3. Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Tradition hat für die neuere Diskussion Hruschka wieder aufgenommen.8 Er wendet in Anschluss an Daries ein, dass das normative Zurechnungsurteil nicht wie bei Baumgarten mit der applicatio legis gleichgesetzt werden könne, sondern ihr nachfolge. Die applicatio legis entspreche dem heutigen Rechtswidrigkeitsurteil, die imputatio iuris dem Schuldurteil, mit welchem die rechtswidrige Handlung dem Subjekt zugerechnet werde.9 Sieht man es so, fehlt aber eine klare Definition des Begriffs der imputatio iuris, wie sie Baumgarten gegeben hat. Die Gleichsetzung von applicatio legis und imputatio iuris bedeutet demgegenüber, dass nicht das Rechtswidrigkeits‑, sondern erst das Schuldurteil den Normverstoß feststellt.10 Diese Position kann hier nicht ausführlich begründet werden. Jedoch wird ein normentheoretisches Konzept entwickelt, das zeigen kann, dass die Annahme eines Normverstoßes und mithin das Zurechnungsurteil voraussetzt, dass der Normadressat zurechnungsfähig, das heißt in der Lage war, die Norm zu befolgen. Hierfür ist lediglich zwischen der Bestimmungsund Bewertungsperspektive auf die Norm zu differenzieren.11 Das Zurechnungsurteil nimmt die Bewertungsperspektive ein. In dieser ist es nur dann legitimierbar, jemandem mitzuteilen, dass er sich nach der jeweiligen Norm hätte richten sollen, wenn man aufzeigt, dass er es gekonnt hätte.12 Demnach ist das Rechtswidrigkeitsurteil nur ein Teilaspekt der applicatio legis. Über die Berechtigung, zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld zu differenzieren, ist damit nichts gesagt. Ebenso offen bleiben muss, ob der spezifisch strafrechtliche Schuldbegriff durch ergänzende Merkmale zu definieren ist, um alle strafrechtlichen Schuldausschlussgründe adäquat erklären zu können.13 4.  Baumgartens und Kants Definitionen des Begriffs der normativen Zurechnung setzen voraus, dass zunächst als Handlung und darauf folgend normativ zugerechnet wird. Die Anbindung der normativen Zurechnung an 8  Hruschka (1976) S. 34 ff. Hierzu Joerden (2010) S. 136 ff., 261 ff. Zu den Gründen für das zwischenzeitliche Verschwinden des Zurechnungsbegriffs Stübinger (2011) S.  170 ff., Pawlik (2012) S. 289 ff. Zur Opposition von Feuerbach (1799) S. 150 ff. gegen die Zurechnungslehre Hardwig (1957) S. 46 ff., Reinhold (2009) S.  82 ff. 9  Hruschka (1976) S. 35 f.; (1984) S. 672 ff., 692 ff., (1987) S. 136 f., 166, (1991) S. 452. Ebenso Blöser (2014) S. 23 ff. Kritisch Reinhold (2009) S. 72 ff., 80, Pawlik (2012) S.  263 f. 10  So Renzikowski Matt / Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 Rn. 39 f. m. w. N. 11  Vgl. C.V.4.f) und h). 12  Zum Prinzip ultra posse nemo obligatur C.V.4.e). 13  So Roxin (1974) S.  181 ff.

24

B. Handlung und normative Zurechnung

den Begriff der freien Handlung hat beginnend mit Aristoteles Tradition.14 Sie erfasst die Fahrlässigkeitszurechnung aber nur als Ausnahme:15 Die actio non libera in se sed in sua causa wird „außerordentlich“ zugerechnet.16 Wenn auch die außerordentliche Zurechnung ein Fall der normativen Zurechnung ist, kann deren Begriff nicht durch eine Voraussetzung definiert werden, welche nur für die ordentliche Zurechnung zutrifft (eine freie Handlung). Deshalb ist dieser Begriff formal als Annahme eines Normverstoßes zu definieren.17 Dass die „ordentliche“ Zurechnung eine freie Handlung voraussetzt, ergibt sich dann daraus, dass Gegenstand des zurechnungsbegründenden Verbots eine solche Handlung ist. Die Frage, ob nur Handlungen Gegenstand von Verboten sein können, ist von der Definition des Begriffs der normativen Zurechnung deutlicher zu trennen. Nur dann ist es auch möglich, die ordentliche und außerordentliche Zurechnung in einem Gesamtkonzept zu vereinen, so dass die „außerordentliche“ Zurechnung nicht als systematisch nicht integrierbare Ausnahme erscheint. 4. Der Begriff der normativen Zurechnung bei Kelsen Kelsen hat den Begriff der Zurechnung im normativen Sinn in den „Hauptproblemen der Staatsrechtslehre“ ebenfalls rein formal definiert: „Die auf Grund der Norm vorgenommene Verknüpfung zwischen einem Seinstatbestande und einem Subjekte ist die Zurechnung.“18 Er meint damit zunächst die Zurechnung eines normwidrigen Tatbestands an ein Subjekt. Dass dieser 14  Aristoteles Eth. Nic. (1985) III 1–3, 1109b 30 ff., V 10, 1135a 22 ff. [hierzu Loening (1903), zu diesem wiederum Koriath (1994) S.  102 ff., Hardwig (1957) S.  11 ff., Stuckenberg (2007) S.  506 ff.]; Pufendorf (1679) liber I caput I §§ 2, 17 [hierzu Welzel (1958) S.  21 f., 84 ff., Hardwig (1957) S.  35 ff., Hruschka (1984), Rein­ hold (2009) S.  12 ff.]; Thomasius (1705) liber I caput II, §§ 52 ff., S. 26 ff.; Hegel (1981) § 113 ff. Kritisch Luhmann (1965) S.  64 f. 15  Aristoteles Eth. Nic. (1985) III 7, 1113b 24 ff. [hierzu Loening (1903) S. 210 ff., Hardwig (1957) S.  16 ff.], Kant (1907) S. 224. 16  Hruschka (1976) S. 28, 65 ff., (1984) S. 664 ff., 690 ff., (1987) S. 144 ff., (1991) S.  454 ff. 17  Ebenso Hardwig (1957) S. 121: „Zurechnung ist wenigstens im entscheidenden abschließenden Urteil die formale Feststellung, dass es dieser bestimmte Rechtsverpflichtete gewesen ist, der die Rechtspflicht verletzt hat.“ Materielle Zurechnungsvoraussetzung ist bei Hardwig statt der Handlung die Vermeidbarkeit des Geschehens; er trennt dann selbst aber nicht deutlich genug zwischen Begriffsdefinition und materiellen Voraussetzungen, Hardwig (1957) S. 120, 151. Das erschwert die Rezeption, so bei Koriath (1994) S. 130. Kritisch Kahlo (2001) S.  47 ff., 53 ff. 18  Kelsen (1911) S.  72, hierzu Hardwig (1957) S.  107 ff., Pohlmann (1984) S.  86 ff., Koriath (1994) S.  146 ff., Renzikowski (2002), Paulsen (2004), Reinhold (2009) S.  30 ff., 72 f., Stübinger (2011) S.  155 m. w. N.



I. Die Begriffe von Handlung und Zurechnung25

„auf Grund der Norm“ zugerechnet wird, bedeutet, dass der Seinstatbestand als der Norm widersprechend beurteilt wird; das Geschehen wird unter eine Norm subsumiert. Kelsen bemerkt, dass prinzipiell sowohl eine akausale als auch eine ateleologische Zurechnung möglich ist – so beim Unterlassungsbzw. Fahrlässigkeitsdelikt.19 Offenbar muss aber in der missachteten Norm irgendeine Relation zwischen dem Zurechnungssubjekt als Normadressat und dem Zurechnungsgegenstand hergestellt werden und sei es nur durch die Anknüpfung an das Eigentum des Normadressaten.20 Die Bestimmung der Art dieser Relation und sonstiger materieller Zurechnungsvoraussetzungen wird aus dem Strukturbegriff der Zurechnung ausgelagert, weil sie die Legitimation der zurechnungsbegründenden generellen wie singulären Normen betrifft. Die Reine Rechtslehre enthält sich inhaltlicher Vorgaben, entsprechend ihrem Selbstverständnis als einer Strukturtheorie des Rechts. Aus ihrer Sicht beginnt hier das Feld der praktisch-dogmatischen Rechtswissenschaft. Doch es ist auch ein Thema der Rechtstheorie, die Praxis der normativ wie der nicht normativ begründeten Zurechnung zu beschreiben und zu reflektieren. Die hier relevante „Zurechnung eines Unrechtstatbestands“ ist für Kelsen allerdings von untergeordneter Bedeutung.21 Da er den Begriff der Rechtsnorm inhaltlich auf die Sanktionsanordnung festlegt, erkennt er die Verhaltensnormen (Pflichten) nicht als eigenständige Rechtsnormen an.22 Dementsprechend unterscheidet er eine innere, pflichtenbegründete von der äußeren, rechtsnormbegründeten Zurechnung; zum einen, wie dargelegt, die Zurechnung des Unrechtstatbestands an den Täter, zum anderen die Zurechnung der Sanktion als Folge des Unrechtstatbestands.23 Beide Zurechnungsbegriffe sind indessen unverträglich, da im ersten Fall das der Norm Widersprechende (der Unrechtstatbestand), im zweiten das der Norm Entsprechende (die Sanktion), im ersten etwas vom Täter zu Verantwortendes, im zweiten von ihm zu Erleidendes „zugerechnet“ wird. Die äußere Zurechnung der Sanktion setzt dabei die innere Zurechnung eines Un19  Kelsen

(1911) S.  73 ff., 517 f. in einem Beispiel von Kelsen (1911) S. 73, in welchem folgendes Verbot anzunehmen ist: „Anderen darf kein Schaden durch dein Eigentum entstehen.“ Fraglich ist aber, ob darin das Römische Recht richtig gedeutet ist. Vgl. insoweit Jhering (1879) S. 184 f., zum fehlenden Verschuldensmoment im alten Römischen Recht a. a. O. S.  163 ff. 21  Vgl. die relativierende Bemerkung von Kelsen (1923) S.  IX f. 22  Kelsen (1911) S. 189 ff., (1934) S. 25 ff. 23  Kelsen (1911) S. 517 ff., (1934) S. 21 ff. Zur Tradition dieser Ansicht Stübinger (2011) S.  160 ff. Kant (1907) S. 227 = (2009) S. 25 spricht insoweit von einer Zurechnung, die „zugleich die Folgen aus dieser Tat bei sich führt.“ 20  So

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B. Handlung und normative Zurechnung

rechts voraus. Umgekehrt ist die innere nicht notwendig mit einer äußeren Zurechnung verbunden. Es gibt etwa rechtswidrige oder schuldhafte Taten, die nicht bestraft werden. Wesentlich für den Begriff der Zurechnung ist deshalb allein die Verknüpfung von Normsubjekt und Unrechtstatbestand, nicht aber die Sanktionsfolge.24

II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre 1. Die Frage nach der verbotsgegenständlichen Handlung 1. Die formale Definition des Begriffs der normativen Zurechnung als Annahme eines Normverstoßes sieht davon ab, bereits im Begriff der normativen Zurechnung die These zu verankern, dass diese das Gegebensein einer Handlung bzw. eine nichtnormative Zurechnung voraussetze. Hierin liegt ein wichtiger Unterschied zur moralphilosophischen Tradition. Das bedeutet aber nicht, dass die nichtnormative für die normative Zurechnung unwichtig wäre, sondern macht nur deutlich, dass die Frage, was die normative Zurechnung voraussetzt, allein vom Inhalt der Norm abhängt. Dementsprechend setzt die normative Zurechnung die Feststellung einer Handlung voraus, wenn eine Handlung verboten ist, zum Beispiel beim Verbot, einen anderen zu töten. Dann muss zuerst festgestellt werden, dass der Normadressat diese verbotsgegenständliche Handlung verwirklicht hat, also einen anderen getötet hat. Der Tod wird dem Handelnden dann bereits nichtnormativ zugerechnet. In einem zweiten Schritt wird ihm dieser mit dem Urteil über den Normverstoß auch normativ zugerechnet – als Mord oder Totschlag. 2. Die Unterscheidung von nichtnormativer und normativer Zurechnung ist für das Verständnis der Diskussion um den strafrechtlichen Handlungsbegriff von zentraler Bedeutung. Diese Diskussion bezieht sich auf die Frage, wie der allgemeine Begriff der verbotsgegenständlichen Handlungen zu definieren ist. Dadurch unterscheidet sie sich von den allgemeineren philosophischen und soziologischen Handlungstheorien. – Die strafrechtliche Diskussion betrifft somit immer auch das Verständnis der strafrechtlich untermauerten Verhaltensnormen, weshalb die Handlungslehren eng mit normentheoretischen Annahmen verknüpft sind. Sowohl die kausale als auch die finale Handlungslehre gehen dabei von der normentheoretischen Prämisse aus, dass Gegenstand der strafrechtlichen Verhaltensnormen (also das, was diese Normen bezeichnen) nur Handlungen sein können. Diese These entspricht der moralphilosophischen Tradition, 24  Ebenso

Luhmann (1965) S. 63 Fn. 30.



II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre27

welche für die normative Zurechnung eine nichtnormative Zurechnung (im­ putatio facti) und insofern eine Handlung voraussetzt. Das Urteil über die Verbotswidrigkeit setzt demnach immer das nichtnormative Urteil voraus, dass eine Handlung bestimmter Art gegeben ist. Normative Verbrechensmerkmale wie die Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit sind deshalb auf die primär festzustellende Handlung bezogene akzidentielle Attribute, nicht aber Merkmale des Begriffs der Handlung selbst. Weil sie zum Begriff der Handlung hinzutreten, erscheint dieser als der Grundbegriff des Deliktssystems. Das Delikt wird definiert als tatbestandliche, rechtswidrige und schuldhafte Handlung. Für die strafrechtliche Systembildung wurde deshalb entscheidend, welches die Merkmale des vornormativen Handlungsbegriffs sind. Bevor diese Diskussion dargestellt wird, sind zwei zentrale Probleme zu erörtern, die in der Diskussion immer wieder relevant geworden sind, nämlich inwiefern die verbotsgegenständliche Handlung nichtnormativen Charakter hat und welche Bedeutung der tatbestandliche Erfolg für den Begriff dieser Handlung hat. 2. Der nichtnormative Charakter der verbotsgegenständlichen Handlung 1. Die verbotsgegenständliche Handlung hat im folgenden Sinn nichtoder vornormativen Charakter: Ihr Begriff kann nicht durch den Verstoß ge­ gen dasjenige Verbot definiert sein, das diese Handlung verbietet. Die verbotsgegenständliche Handlung des Tötungsverbots ist deshalb etwa das „Töten“, nicht das „Morden“. Der Verbrechensbegriff „Ermorden“ impliziert den Verstoß gegen das Tötungsverbot, der Handlungsbegriff „Töten“ impliziert ihn nicht. Der eine Begriff ist durch den Normverstoß definiert, der andere nicht. In genau diesem Sinn ist der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung deskriptiv, mag auch die Definition bzw. Auslegung dieses Begriffs normativ geprägt sein.25 Diese These ist für das Strafrecht von großer Reichweite. Sie ist, wie ausführlich zu zeigen sein wird, grundlegend für das Verständnis der Systemstufen Tatbestand und Rechtswidrigkeit als einer Unterscheidung von Urteilen, die genau im explizierten Sinn deskriptiv bzw. normativ sind. Diese These behauptet sich, da logisch begründet,26 gegenüber allen Einebnungstendenzen, die das Urteil der Tatbestandlichkeit mit dem über die Rechtswidrigkeit 25  Hierzu

näher unter B.III.2.d) und C.V.1. (1937) S.  291 ff., Hare (1964) S.  17 ff., Weinberger (1977) S.  185 f.: „Postulat der Deskriptivität des Norminhalts“. 26  Jörgensen

28

B. Handlung und normative Zurechnung

gleichbedeutend setzen. Zu einer solchen Entdifferenzierung kann insbesondere die Lehre vom Gesamtunrechtstatbestand gelangen.27 2.  Da die These vom nichtnormativen Charakter der verbotsgegenständlichen Handlung von zentraler Bedeutug ist, soll sie zunächst allgemein begründet werden – und zwar anhand eines speziellen strafrechtlichen Handlungsbegriffs („töten“), aber ohne auf die strafrechtsdogmatischen Implikatio­ nen der These Rücksicht zu nehmen. Es geht darum, wie das Verhältnis folgender beider Urteile zu bestimmen ist: (1) „A hat B getötet (i. S. d. § 212 I StGB).“ (2) „A hat das Verbot missachtet, einen anderen (B) zu töten.“ Gemäß der These, dass die verbotsgegenständliche Handlung nichtnormativen Charakter hat, bedeuten diese beiden Urteile etwas Unterschiedliches: Das erste ist das Urteil, dass jemand die Handlung „töten“ verwirklicht habe, die begrifflich noch keinen Verbotsverstoß voraussetzt. Das zweite ist das Urteil über die normative Zurechnung, also darüber, dass ein Verstoß gegen das Verbot der fraglichen Handlung „töten“ gegeben ist. Das zweite Urteil impliziert das erste, weil Gegenstand des Tötungsverbots eine Tötungshandlung ist. Deren Verwirklichung muss also zuerst festgestellt werden; erst dann kann das Urteil über den Normverstoß gefällt werden. 3.  Nun kann das Verhältnis der beiden Urteile auch genau umgekehrt bestimmt werden, so dass das erste Urteil das zweite impliziert. Dann würde das zweite Urteil lediglich etwas explizieren, das bereits im ersten Urteil ausgesagt ist. Demnach impliziert der Begriff „töten“ (i S. d. § 212 I StGB), dass diese Handlung verboten ist. Im zweiten Urteil wird dieser begriffliche Gehalt des ersten Urteils lediglich analytisch verdeutlicht. Versteht man das Verhältnis beider Urteile in dieser Weise, bleibt die Frage aber virulent, was das vom Handelnden missachtete Verbot nun eigentlich verbietet. Herkömmlich geht man davon aus, dass Gegenstand des Verbots eine Handlung ist. Setzt man hierfür wiederum „töten“ in dem einen Verbotsverstoß implizierenden Sinn, verschiebt sich lediglich das Problem, den Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung zu definieren, um einen Schritt: In 27  Pawlik (2012) S. 205, Renzikowski Matt-Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 Rn. 33, 35. Hierzu näher unter B.III.2.e).



II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre29

dem „Verbot, einen anderen zu töten“ wird dann die verbotsgegenständliche Handlung „töten“ dadurch definiert, dass sie eine verbotene Todesverursachung ist, die nach der finalen Lehre vorsätzlich sein muss. Substituiert man in dem Verbot den Begriff des Tötens durch seine Definition, ergibt sich ein „Verbot der verbotenen vorsätzlichen Todesverursachung.“ In diesem Satz ist zugespitzt folgende Aussage enthalten: „Verboten ist, was verboten ist.“ 4.  Für eine derartige Bezugnahme auf ein Verbot im Verbot gibt es drei Deutungsmöglichkeiten: Möglichkeit 1: Man kann die Bezugnahme zunächst entweder beschreibend oder normativ verstehen. Eine Handlung kann einerseits als verboten beschrieben werden, ohne dass der Sprecher eine normative Einstellung übernimmt. Dabei wird das Verbotensein als verifizierbare Tatsache behandelt. Der Satz, dass das Verbotene verboten ist, ist analytisch notwendig wahr. Die Parallele hierzu im Bereich der Aussagen ist: „Es wird behauptet, was behauptet wird.“ Es handelt sich um eine prädikatenlogische Tautologie. Möglichkeit 2: Versteht man den genannten Satz demgegenüber normativ, kann er dahingehend gedeutet werden, dass die jeweils bezeichneten Verbote unterschiedliche Normsetzer haben; etwa des Sinns: „Ich verbiete dir, was auch er (oder zum Beispiel das Recht) dir verbietet.“ Dann handelt es sich um eine (im Beispiel: meine) Normsetzung, die sich inhaltlich auf eine andere (seine) Normsetzung bezieht und diese übernimmt. Innerhalb ein und desselben Normensystems und somit innerhalb des hier interessierenden Bezugssystems der Rechtsnormen, kann man den genannten Satz aber nicht in dieser Art deuten. Statt „Ich verbiete, was er verbietet“, heißt es dann – Möglichkeit 3: „Ich verbiete, was ich verbiete.“ Das ist bloß eine rhetorische Bekräftigung, eine pathetische Verdopplung des sowieso schon gesetzten Verbots. Eigenständigen Sinn hat diese Wiederholung nicht. 5. Streicht man deshalb eine der beiden Bezugnahmen auf das Verbot weg, bleibt ein „Verbot der vorsätzlichen Todesverursachung“ stehen. Dann hat man wiederum zwei Möglichkeiten: Möglichkeit 1: Man bezeichnet die „vorsätzliche Todesverursachung“ als Handlung. Damit wäre der gesuchte Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung definiert. Man könnte somit einen Begriff des „Tötens“ im normativen, einen Verbotsverstoß implizierenden Sinn von einem Begriff des „Tötens“ im nichtnormativen Sinn unterscheiden. Um den Begriff von verbotsgegenständlichen Handlungen im nichtnormativen Sinn wird die folgende Diskussion gehen. Einen sachlichen Unterschied zur ersten Deutungsalternative, den Begriff „töten“ von vornherein als nichtnormativen Handlungsbegriff zu verstehen, gibt es demnach nicht.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Möglichkeit 2: Alternativ kann man sich verweigern, den Sachverhalt mit der Merkmalskonfiguration „vorsätzliche Todesverursachung“ als Handlung zu bezeichnen. Das muss dadurch begründet werden, dass man einen allgemeinen Handlungsbegriff angibt und darlegt, dass dieser Sachverhalt die Anforderungen dieses Handlungsbegriffs nicht erfüllt. Man kann hierzu etwa Jakobs’ These anführen, dass nur und erst das Verbrechen als solches Handlung sei,28 so dass vor der Feststellung, dass ein Verbrechen gegeben ist, im Hinblick auf den tatbestandlichen Erfolg von einer Handlung nicht die Rede sein könne. Diese These steht jedoch außerhalb der klassischen Diskussion zwischen kausaler und finaler Lehre und wird deshalb erst im Anschluss an deren Darstellung zu diskutieren sein.29 3. Verbotsgegenständliche und erfolgsdefinierte Handlungsart 1.  Eine andere besondere Fragestellung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs ergibt sich gleichfalls daraus, dass er die verbotsgegenständliche Handlung definieren muss. Im Anschluss an die oben erörterte Problemlage wird eine Position vertreten, die als Gegenstand etwa des Tötungsverbots nicht das Töten im Sinne einer „vorsätzlichen Todesverursachung“ sieht. Vielmehr wird der Begriff des Tötens wenigstens im Hinblick auf das Tötungsverbot anders definiert. Das ergibt sich aus der folgenden Überlegung: Wenn das Verbot darauf lautet, einen anderen zu töten, fragt sich, was eigentlich verboten ist. Eine naheliegende, aber doch etwas ungenaue Antwort ist, dass etwa verboten ist, auf einen anderen zu schießen. Daraus könnte man nun folgern, dass „töten“ jedes Verhalten sei, das intendiert oder geeignet ist, den Tod eines anderen zu verursachen, gleichgültig, ob der Tod eintritt oder nicht.30 2. Es ist wichtig zu bemerken, dass die maßgeblichen Protagonisten der strafrechtlichen Handlungslehre diese Deutung nicht geteilt haben, so dass diese Diskussion sich gerade auf den Begriff der verbotsgegenständlichen, nichtnormativen und noch dazu erfolgsdefinierten Handlungsart konzentriert hat. „Erfolgsdefiniert“ bedeutet, dass eine Handlung dieser Art nur dann verwirklicht ist, wenn der Erfolg eintritt, da der Begriff dieser Handlungsart durch den Eintritt eines Erfolgs definiert wird. 28  Jakobs 29  B.V.5. 30  Haas

(1992) S. 44.

(2002) S. 79.



II. Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre31

Dementsprechend wird die folgende Darstellung von jenen ursprünglichen Positionen der Handlungslehren ausgehen. Die abweichenden Konzeptionen, die es sowohl von Seiten der kausalen wie der finalen Lehre gab, werden in Bezug auf diese jeweilige Grundposition zu diskutieren sein. 3. Das hier vertretene Zurechnungskonzept der Handlung muss den abweichenden Konzepten widersprechen. Eine vollendete Handlung erfordert einen Zurechnungsgegenstand. Dementsprechend setzt das „Töten“ den Eintritt des Todes voraus. Die Zurechnung ist immer erst handlungsbegleitend oder retrospektiv möglich – gleichgültig, ob Zurechnungsgegenstand ein Körperverhalten oder ein entfernterer Erfolg ist. Um diese Deutung prima facie plausibel zu machen, bietet sich ein Vergleich zu Geboten an: Wenn geboten wäre, jemanden zu töten, würde es nicht damit getan sein, auf ihn zu schießen, wenn der Erfolg nicht eintritt. Dieses Verständnis der erfolgsdefinierten Handlung ermöglicht vor allem eine genauere Analyse von teleologischen Normbeziehungen. So folgt aus dem Verbot zu töten, teleologisch ein Verbot, auf jemanden zu schießen.31 Beide Verbote sind nicht begriffslogisch gleichbedeutend. Ein Verbot zu töten fordert den Handelnden dazu auf, nicht durch Handlungen mögliche Bedingungen für die Verwirklichung des Zurechnungsgegenstands zu setzen und Zurechnungsgründe zu geben. Hat er das getan, ist dieses Verbot gleichwohl erst missachtet, wenn der Zurechnungsgegenstand verwirklicht wird. 4. Untersuchungsanliegen und -methode Den Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung hat zuerst die kausale Handlungslehre problematisiert, die theoriegeschichtlich von der finalen abgelöst wurde. Heute gelten beide Lehren als obsolet; doch ist die Beschäftigung mit ihnen keineswegs nur theoriegeschichtlich interessant. Kein weiteres Konzept ist in vergleichbarer Weise ausgearbeitet sowie in seinen Konsequenzen reflektiert und diskutiert. Der Gegensatz von kausaler und finaler Lehre ist für die Frage nach dem Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung paradigmatisch: Der kausale Begriff ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass er die Absichten und Kenntnisse des Handelnden nicht als maßgeblich ansieht. Die Zurechnung wird nach objektiv definierten Kriterien begründet. Demgegenüber ist für den finalen Handlungsbegriff Maßstab der Zurechnung das subjektive Verständnis des Handelnden, insbesondere dessen Zwecksetzung. Diesen beiden konträren Positionen können alle anderen Auffassungen als Modifikationen 31  Hierzu

unter B.III.4.d), B.IV.3.c)3., C.V.3.

32

B. Handlung und normative Zurechnung

oder als Versuche einer Synthese zugeordnet werden, je nachdem, wie sie sich zu der genannten Frage verhalten. Die Beschäftigung mit dem Handlungsbegriff im Strafrecht muss von beiden Grundpositionen ausgehen. An ihnen können die Möglichkeiten, Grenzen und Probleme von Theorieannahmen aufgezeigt werden. Erst nachdem der Überblick gewonnen ist, kann beurteilt werden, welche Positionen haltbar und anschlussfähig sind. Einzelne Probleme werden aber bereits zuvor geklärt – so der Begriff der tatbestandlichen Handlung, die Möglichkeit einer vortatbestandlichen Handlungsfeststellung sowie die Relevanz des Erfolgs für den Handlungsbegriff. Erst im Anschluss an die Diskussion beider Handlungslehren wird das Zurechnungskonzept der Handlung entwickelt. Es ist in der Theoriedarstellung nicht bereits vorausgesetzt. Ziel der Arbeit ist es, einen Neuansatz für die strafrechtliche Handlungslehre zu erarbeiten. Die bisher bestehenden Theorieangebote sollen dabei so weit wie möglich ausgeschöpft, differenziert und in geklärter Form in Gebrauch genommen werden.

III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff 1. Die Konzeption bei v. Liszt und Radbruch a) Der Begriff der Handlung bei Radbruch 1. Radbruch definierte, dass für eine Handlung erforderlich sei „Wille, Tat und eine Beziehung zwischen beiden,“ wobei „Tat“ „eine Körperbewegung in kausaler Verbindung mit dem Erfolg“ sei.32 Die Beziehung zwischen Wille und Tat wird als eine Verursachung aufgefasst.33 Die These, dass der Wille seinerseits verursacht sei,34 ist für die Definition des Handlungsbegriffs nicht entscheidend.35 Wichtig ist, dass der Inhalt des Willens zur Bestimmung der Tat nicht relevant wird: Der Handelnde muss weder den Erfolg noch die Körperbewe32  Radbruch (1904a) S. 75. Weitere wichtige Vertreter des kausalen Handlungs­ begriffs: v.  Liszt (1884) S.  104 f., 107 f., Beling (1912) S.  22 f., Mezger (1931) S.  105 f., 109. Vgl. Otter (1973) S.  64 ff. 33  Radbruch (1904a) S. 130. Einflussreich für das Konzept der Handlung als durch den Willen verursachte Körperbewegung Zitelmann (1879) S.  29 ff., 186 ff. Vgl. Rad­ bruch (1904a) S. 113 f., kritisch Larenz (1927) S.  72 ff., Kindhäuser (1980a) S.  97 ff. 34  So Radbruch (1904a) S. 83 f. Hierzu Welzel (1935) S. 22 ff. = (1975) S. 51 ff. 35  Vgl. v.  Liszt (1884) § 28, S. 105 f., § 36 III, S. 137 f. Hierzu Engisch (1965) S.  8 ff.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff33

gung vorhergesehen oder gewollt haben.36 Der Wille wird aber durchaus nicht als „inhaltslos“ gedacht, wie kritisiert wurde.37 Selbstverständlich muss der Handelnde etwas Bestimmtes gewollt haben – nur eben nicht zwingend das Verwirklichte. Die Zurechnung wird nicht auf das Gewollte begrenzt, auch deshalb, weil die fahrlässige Verursachung als Handlung darstellbar sein sollte.38 Mit der Definition des Handlungsbegriffs verfolgte Radbruch vor allem ein strafrechtssystematisches Interesse: Spricht man von der Straftat als einer rechtswidrigen und schuldhaften Handlung, setzt das einen Begriff der Handlung voraus, der bei sämtlichen Deliktsarten – also auch dem Fahrlässigkeitsdelikt – anwendbar ist und den Sinngehalt der Merkmale „rechtswidrig und schuldhaft“ nicht bereits impliziert.39 2.  Nach Radbruch gibt es einen solchen Begriff aber letztlich nicht, weil ein vom Körperverhalten ausgehender Handlungsbegriff die Unterlassung nicht erfassen kann.40 Radbruch postulierte deshalb eine grundlegende Zweiteilung des Straftatsystems in Handlungs- und Unterlassungsdelikte, wofür er kritisiert wurde.41 Jedoch ist zu bedenken, dass Verbote die normwidrige und Gebote die normgemäße Handlung bezeichnen. Daraus folgt, dass nur das Urteil über den Verbotsverstoß eine Handlung voraussetzt und dass sich nur beim Begehungsdelikt die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld auf eine Handlung beziehen müssen. Beim Unterlassungsdelikt hingegen genügt die Feststellung, dass der Handelnde die gebotsgegenständliche Handlung nicht verwirklicht hat; hierauf beziehen sich die Urteile von Rechtswidrigkeit und Schuld.42 Das Verbrechen setzt aus dieser Perspektive die rechtswidrig-schuldhafte Verwirklichung oder Nichtverwirklichung einer Handlung voraus. b) Berücksichtigung des Handlungssinns Definiert man die Handlung als Körperbewegung, stellt man für den abstrakten Handlungsbegriff einen rein physischen Aspekt in den Vordergrund. 36  Radbruch (1904a) S. 110 ff., 127–131. Zur Frage, ob die Körperbewegung gewollt sein muss, mit Blick auf „ungeschickte Bewegungen“ a. a. O. S. 128 f. 37  Hruschka (1976) S. 10, Kindhäuser (1980a) S. 183, Koriath (1994) S. 332 f. 38  Radbruch (1904a) S. 82–85, 101–103, 128–130. 39  Radbruch (1904a) S. 71 f., 115 ff.; unzutreffend deshalb die Deutung von Schild (1995) S. 102. 40  Radbruch (1904a) S.  131 ff., 140 ff. 41  Wolff (1964) S.  10 f., Kindhäuser (1980a) S. 182, Koriath (1994) S. 333, Zabel (2007) S. 199. 42  Vgl. zu den Konsequenzen dieses Unterschieds unter C.V.5.

34

B. Handlung und normative Zurechnung

Es fragt sich deshalb, ob und wie der Sinn einer Handlung im Handlungsbegriff berücksichtigt wird. Sinn kann man sehr abstrakt durch eine relationale Struktur bestimmen: Wenn ein Gegenstand durch seinen Sinn gekennzeichnet ist, verweist er auf anderes. Sinnaspekte einer Handlung können zum einen die sprachliche oder sonstige kommunikative Bedeutung sein, zum anderen aber auch die Absicht des Handelnden, das Handlungsergebnis zu verwirklichen. Sinn liegt auch noch grundlegender darin, dass jede Handlung auf unbestimmte andere Möglichkeiten des Handelns verweist, da sie sonst nicht Handlung wäre.43 Nur den zuletzt genannten, grundlegenden Aspekt berücksichtigt die kausale Lehre. Die Handlung ist nach v. Liszts ursprünglicher Konzeption die „kausalwirkende willkürliche Körperbewegung (Kontraktion der Muskeln). Willkür aber ist bewusste und gewollte (d. h. durch Vorstellungen bestimmte und motivierte) Erregung der motorischen Nerven […], ist also gleichbedeutend mit Innervation.“44 Da die Bestimmung durch Vorstellungen kontingent ist, wird zumindest insoweit ein Sinnaspekt aufgenommen. Darüber hinaus sind Sinnaspekte einer Handlung für die kausale Lehre nicht begriffswesentlich. Wenn die Bedeutung eines Körperverhaltens ganz ausgeblendet wird, ist es konsequent, auch die Erfolge zunächst rein „physiologisch“ und „materiell“ zu deuten, so beim frühen v. Liszt. Die Beleidigung wird mit Blick auf ihren allgemeinen Handlungscharakter als „Erregung von Luftschwingungen und … physiologischen Prozessen in dem Nervensystem des Angegriffenen“ beschrieben.45 Der „ideelle“, „juristische“, „nur begrifflich existierende“ Sinn tritt dann lediglich hinzu.46 Jener Sinn ist nun für die Begriffe speziellerer Handlungsarten wie die Täuschung oder Ehrverletzung ganz offensichtlich wesentlich, schon weil diese, berücksichtigt man allein das körperliche Geschehen, gar nicht identifiziert werden können. Der Bedeutungsaspekt etwa einer sprachlichen Äußerung kann für die kausale Lehre zwar nicht deren Handlungscharakter begründen. Wohl aber kann er differentia specifica einer bestimmten Handlungsart sein. Weil Gegenstand von Verboten nur Handlungen von bestimmter Art sind, kommt es für die kausale Lehre gegebenenfalls allein darauf an, dass der Begriff einer Handlungsart durch einen Bedeutungsgehalt definiert wird. Gleichwohl bleibt für eine allgemeine Handlungstheorie entscheidend, ob nicht erst der Sinn und gegebenenfalls welcher Sinn eine Handlung konstituLuhmann (1984) S. 93. (1884) § 28 I, S. 105. 45  v. Liszt (1884) S.  107 f. 46  v. Liszt a. a. O. 43  Vgl.

44  v. Liszt



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff35

iert. Dass der Sinnaspekt in v. Liszts früher Konzeption ganz vernachlässigt wird, kritisierte bereits Radbruch und blieb bis heute einer der wesentlichen Kritikpunkte an der kausalen Lehre;47 es ist das deutlichste Beispiel für den bereits erwähnten fallacy of misplaced concreteness.48 Auch die kausale Lehre selbst hat deshalb später den Sinnaspekt stärker betont. Für die Körperbewegung ist er, wie gezeigt, bereits im Merkmal der Willkürlichkeit enthalten. Später wurde auch der Erfolg auf die soziale Dimension und somit einen Sinn bezogen.49 c) Irrelevanz der Intention Auch die kausale Lehre kann und muss somit Sinnaspekte als Handlungsbestandteil anerkennen, schon weil die Arten kommunikativer Handlungen wie etwa die Beleidigung durch einen bestimmten Sinn definiert sind. Diese Sinnaspekte ordnet man im Strafrecht dem objektiven Tatbestand zu. Objektiv sind sie insofern, als eine Äußerung sich hier auf konventionale Bedeutung insbesondere der Sprache bezieht. Nicht in den Handlungsbegriff aufgenommen werden indes die subjektiven Absichten des Handelnden. Der subjektiv gemeinte Sinn einer Handlung wird nach der strafrechtlichen kausalen Lehre weder in der Definition des allgemeinen Handlungsbegriffs noch in den Definitionen der Begriffe von Handlungsarten berücksichtigt.50 Er ist gegebenenfalls bloß eine unwesent­ liche, akzidentielle Eigenschaft der verbotsgegenständlichen Handlungen. Diese werden nach dem Sinnverständnis eines Beurteilenden definiert, das dieser als objektiv, also allgemeingültig behaupten muss. Das erklärt sich nicht aus dem Anliegen, auch das Fahrlässigkeitsdelikt als Handlung zu beschreiben. Hierzu würde es genügen, den abstrakten Oberbegriff entsprechend zu definieren. Es folgt vielmehr aus der objektiven Unrechts- und der (psychologischen) Schuldlehre, die mit der kausalen Handlungslehre verbunden ist. Die kausale Lehre konzipiert die Unterscheidung von Unrecht und Schuld als eine von Objektivem und Subjektivem. Unrecht und somit verbotswidrig ist das Verursachen eines rechtswidrigen Zustands.51 Schuld ist die insoweit 47  Radbruch (1930) S.  161 f. S.  161 f. Vgl. Wolff (1964) S. 11, Kindhäuser (1980a) S. 184; Koriath (1994) S. 334, Zabel (2007) S. 199. 48  A.II.1.2. 49  v.  Liszt / Schmidt (1932) § 28, S. 154, 157; zur sozialen Handlungslehre unten B.III.5.b), B.V.3. 50  Beling (1906) S.  140 f.,178 f., Mezger (1952) § 18.II.2.b. S. 40. Vgl. demgegenüber zur philosophischen kausalen Handlungstheorie unten d). 51  Jhering (1879) S.  159 ff., Mezger (1924) S.  239 ff.

36

B. Handlung und normative Zurechnung

fehlerhafte Willensbestimmung (Gesinnung) in der Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (sog. psychologischer Schuldbegriff).52 Da der Vorsatz erst eine Schuldart ist, kann er nicht bereits Merkmal der Handlung sein. Die Fragestellung nach der verbotsgegenständlichen Handlung changiert notwendig zwischen Handlungs- und Normentheorie. Die Antwort der kausalen Lehre ist normentheoretisch, die der finalen handlungstheoretisch motiviert: Bei der ersten folgt die Handlungs- der Unrechts- und Schuldlehre, bei der zweiten umgekehrt die Unrechts- und Schuld- der Handlungslehre. Weil die kausale Lehre somit den subjektiven Sinn der Handlung nicht berücksichtigt, können bei erfolgsdefinierten Handlungen wie „töten“ oder „verletzen“ beliebige Wirkungen einer Körperbewegung im Rahmen der Handlung zugerechnet werden. Es gibt kein Definitionsmerkmal der Handlung, das die Zurechnung begrenzen könnte.53 Den erfolgsvoraussetzenden Delikten liegen bloße Verursachungsverbote zugrunde. Diese werden auch nicht durch normative Kriterien eingeschränkt – etwa durch die Voraussetzung, dass die verursachende Handlung sorgfaltswidrig sein muss – da auch die Fahrlässigkeit erst der Schuldstufe vorbehalten ist. Erst auf dieser wird allerdings nach v. Liszt über eine wirkliche Zurechnung des Erfolgs entschieden.54 d) Vergleich mit der philosophischen kausalen Handlungstheorie In der analytischen Philosophie ist die kausale Handlungstheorie ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass sie den Willensinhalt und somit die Gründe der Handlung als deren Ursache ansieht.55 Auch nach der Seite der Wirkungen geht sie davon aus, dass eine Handlung nicht als solche intendiert und eine verursachte Wirkung nicht vom Willen des Handelnden umfasst sein müsse; prominent Davidson: „Sobald [der Handelnde] eine Sache getan (einen Finger bewegt) hat, liefert uns jede Konsequenz eine Tat; der Handelnde bewirkt, was seine Handlungen bewirken.“56 52  v.  Liszt (1908) § 36 I 1, S. 157  f.; Radbruch (1904b) S. 348; Beling (1906) S.  140 f., 178 ff. 53  Vgl. hierzu die nicht genügende Auskunft bei v.  Liszt (1884) § 30 IV, S. 109: „Es ist Sache des positiven Rechts, wieweit die näheren und entfernteren Wirkungen der Handlung zu dieser selbst gerechnet, wieweit sie als etwas außerhalb derselben gelegenes betrachtet werden sollen.“ 54  v.  Liszt (1884) § 36 IV I, S. 135 (Definition der Schuld durch den Begriff der Zurechnung), ders. (1908) § 36 I 1, II 2, S. 157 ff. 55  Zum Überblick über die Diskussion etwa Kindhäuser (1980a) S. 22 ff., Koriath (1994) S.  355 ff., Keil (2000) S.  13 ff., Stuckenberg (2007) S.  174 ff., Bottek (2014) S.  11 ff., Burkhardt (2015) S.  22 ff. 56  Davidson (1971) S. 87.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff37

Allerdings betreffen die zur Untermauerung dieser These angeführten Beispiele häufig erwartungswidrige oder unsorgfältige Handlungen.57 Für die Frage, ob die fahrlässige Handlung bereits vornormativ als Handlung ausgewiesen werden kann, sind diese Autoren deshalb nicht vorbehaltlos in Anspruch zu nehmen. Sie fragen nicht speziell nach der verbotsgegenständlichen Handlung und unterscheiden nicht explizit zwischen vornormativer und normativer Konstitution einer Handlung. Prägnant kommt das im folgenden Zitat Davidsons zum Ausdruck: „Schildert man eine Handlung als eine, die einen bestimmten Zweck oder ein beabsichtigtes Ergebnis hatte, so beschreibt man sie als Wirkung, schildert man sie als Handlung, die zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat, so beschreibt man sie als Ursache. Entschuldigungen und Rechtfertigungen sind typische Fälle von Absichtszuschreibungen, Beschuldigungen und Verantwortlichmachen sind typische Fälle von Handlungszuschreibungen. Natürlich schließen die beiden Zuschreibungsarten einander nicht aus, denn die Angabe der Absicht, mit der ein Akt vollzogen wurde, ist überdies und notwendig eine Handlungszuschreibung.“58

Das „Verantwortlichmachen“ ist eine „Handlungszuschreibung“ im normativen Sinn, zum Beispiel das Urteil, jemand habe einen anderen fahrlässig getötet. Eine Absicht ist dann nicht zwingend vorausgesetzt, wohl aber die Normwidrigkeit der Todesverursachung. Demgegenüber führt die „Absichtszuschreibung“ – zum Beispiel, jemand habe sein eigenes Leben verteidigt und einen Angriff abgewehrt – immer zu einer entsprechenden „Handlungszuschreibung“, ohne dass es auf eine etwaige Verantwortlichkeit ankäme. Dass etwa die fahrlässige Tötung auch ohne Rücksicht auf das normative Urteil als Handlung ausgewiesen werden könne, wird in der amerikanischen strafrechtswissenschaftlichen Diskussion vertreten, in der sich Positionen gegenüberstehen, die der kausalen und finalen Lehre durchaus entsprechen. Von der kausalen Richtung wird die (tatbestandliche) Handlung als „actus reus“ von der Frage der Intention als eine der „mens rea“ separiert und als intentionsunabhängig angesehen.59

57  Davidson

(1971) S.  88 ff., Ginet (1990) S. 72. Davidson (1971) S. 79. 59  Moore (1993) S. 169 ff. gegen Hall (1960) S.  222 ff. 58  Vgl.

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B. Handlung und normative Zurechnung

2. Die tatbestandliche als verbotsgegenständliche Handlungsart a) Der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart 1.  Der auf Beling zurückgehende Begriff der Tatbestandlichkeit bzw. des Tatbestands60 ist eine bleibende Errungenschaft der kausalen Verbrechenslehre.61 Er ist für die Handlungslehre von großer Bedeutung. Der Tatbestand definiert diejenige Handlungsart, die Gegenstand des generellen strafrechtlichen Verbots ist, das einem Begehungs- bzw. Handlungsdelikt zugrunde liegt (tatbestandliche Handlungsart), bzw. definiert die Unterlassung einer Handlungsart, die Gegenstand eines Gebots ist, das einem Unterlassungsdelikt zugrunde liegt (tatbestandliche Unterlassungsart). Zum Beispiel ist die tatbestandliche Handlungsart „töten“ Gegenstand des generellen Tötungsverbots, das dem Totschlag (§ 212 StGB) zugrunde liegt. Die tatbestandliche Unterlassungsart des korrespondierenden Unterlassungsdelikts (§§ 212, 13) ist die Unterlassung, den Tod eines anderen abzuwenden. Die Handlungsart Abwenden (Verhindern) des Todes ist hier Gegenstand des Gebots; die Unterlassungsart wird aus der Handlungsart abgeleitet. Der allgemeine Begriff der tatbestandlichen Handlung ist durchaus wichtiger als der abstrakte Handlungsbegriff, denn für die Konstruktion des Straftatsystems relevant sind allein diejenigen Handlungsarten, die Gegenstand von strafrechtlichen Verboten sind.62 Alle Besonderheiten der strafrechtlichen Handlungslehre müssen zwingend erst an den allgemeinen Begriff tatbestandlicher Handlungen anknüpfen, insbesondere die These vom nichtnormativen Charakter der verbotsgegenständlichen Handlung und nach der kausalen Lehre die These von der Irrelevanz der Intention des Handelnden, wobei dann lediglich vorausgesetzt ist, dass der abstrakte Begriff der Handlung nicht durch ein entsprechendes normatives bzw. intentionales Element definiert wird. 2. Um zu verstehen, dass der Begriff der tatbestandlichen Handlung für die strafrechtliche Handlungslehre wie für die praktische Fallprüfung sehr vorteilhaft ist, muss man auf die Situation vor der allgemeinen Anerkennung von Belings Tatbestandsbegriff zurückblicken: Liszt und Radbruch definierten die Straftat ursprünglich als rechtswidrige, schuldhafte und strafbare Handlung.63 Rechtswidrig ist eine Handlung, wenn 60  Beling

(1906) S. 21, 24. (1969) § 10 III, S. 53. 62  Vgl.  Radbruch (1930) S. 162 Fn. 2: „[Der Handlungsbegriff ist] nur insoweit straf­rechtserheblich, als er die Verwirklichung des Tatbestands bedeutet.“ 63  v. Liszt (1881) S. 64, Radbruch (1904a) S. 115. 61  Vgl. Welzel



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff39

sie gegen ein Verbot verstößt; schuldhaft, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig ist.64 Diese Merkmale setzen einander begrifflich voraus: Das Verbot bezieht sich auf eine Handlung, schuldhaft kann nur eine verbotswidrige Handlung sein, und strafbar nur eine schuldhafte Handlung. Allein das Merkmal der Strafbarkeit ist ein spezifisch strafrechtliches. Wer einem anderen ein Buch wegnimmt, um es zu lesen und es anschließend wieder zurückzubringen, handelt rechtswidrig und schuldhaft, ist aber nicht wegen Diebstahls strafbar, weil er sich das Buch nicht zueignen wollte. Die Rechts- und Verbotswidrigkeit kann wie in diesem Beispiel primär zivilrechtlich zu bestimmen sein; in anderen Fällen ergibt sich das Verbot erst im Rückschluss aus der Strafdrohung, so bei den Straftaten gegen den Staat. Nun interessieren den Strafrechtler zivil- und öffentlichrechtlich begründete Verbote nur insoweit, als sie strafrechtlich sanktioniert werden. Wenn jemand ohne Erlaubnis ein Haus baut, fehlt es von vornherein an einem strafrechtlich sanktionierten Verbot. Es ist eigentlich überflüssig, eine Strafbarkeit in Betracht zu ziehen, doch wenn man sie prüft, muss man zunächst Rechtswidrigkeit und Schuld bejahen und kann erst auf der anschließenden dritten Systemstufe die Strafbarkeit verneinen. Es liegt deshalb nahe, die Prüfung von Handlung und Rechtswidrigkeit von vornherein auf diejenigen Handlungsarten zu beschränken, die in den einzelnen Strafbestimmungen beschrieben sind, sowie auf diejenigen Verbote, die in jenen vorausgesetzt sind. Diese systematische Alternative wird durch den Begriff des Tatbestands bzw. genauer: der tatbestandlichen Handlung eröffnet. 3. Die tatbestandliche ist die für eine Verbrechensart charakteristische, verbotsgegenständliche Handlung.65 Das heutige StGB verwendet für sie den Begriff „Tat“ (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 5, §§ 32, 34 StGB). Die Prüfung von Rechtswidrigkeit und Schuld bezieht sich nur auf diese Handlungsart. Dementsprechend kann das Verbrechen als schuldhafte rechtswidrige Tat (tatbestandliche Handlung) definiert werden. In dieser Definition ist die Tatbestandlichkeit ein handlungsdefinierendes Merkmal. Rechtswidrigkeit und Schuld sind hingegen nicht Merkmale des Begriffs der tatbestandlichen Handlung. Sie treten zur tatbestandlichen Handlung hinzu und bezeichnen Eigenschaften, die für diese unwesentlich sind. Der Tatbestand beschreibt die tatbestandliche Handlungsart und scheidet dadurch wesentliche von unwesentlichen Eigenschaften einer tatbestandlichen Handlung. Unwesentlich ist etwa für die tatbestandliche Handlungsart 64  v. Liszt 65  Beling

(1881) S. 65. (1906) S. 3.

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B. Handlung und normative Zurechnung

„töten“, welcher Art Täter, Opfer und Mittel sind. Eine tatbestandliche Handlungsart kann demgegenüber definiert sein durch die Spezifizierung des Handlungssubjekts oder -objekts, des Sinns, des Ergebnisses, der Modalität sowie von Zeit und Ort. Eine Straftat kann auch aus mehreren tatbestandlichen Handlungen zusammengesetzt sein. So sind beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) eine Täuschung, eine Irrtumserregung, eine Schädigung und eine zumindest versuchte Bereicherung tatbestandlich; beim Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) sind es eine Wegnahme, eine Drohung oder Gewaltanwendung und Nötigung sowie eine zumindest versuchte Zueignung. 4.  Die „objektiven“ Merkmale der tatbestandlichen Handlungsart(en) sind der Bezugspunkt des Vorsatzes. Das folgt nicht erst aus der finalen Handlungslehre, sondern gilt bereits für die kausale: Weil diese das Verbrechen als schuldhafte tatbestandliche Handlung definiert, das Merkmal der Schuld also auf die tatbestandliche Handlung bezieht und den Vorsatz als Schuldform auffasst, begründet die Definition der tatbestandlichen Handlungsart zugleich, welche Handlungsumstände vom Vorsatz umfasst sein müssen. Dass und in welchem Umfang Vorsatz erforderlich ist, ist systematisch somit sowohl nach der kausalen als auch der finalen Handlungslehre im Begriff der tatbestandlichen Handlung verankert. b) Das Verhältnis von tatbestandlicher Handlungsart und Tatbestand 1. Wenn sich der Begriff der Tatbestandlichkeit ausschließlich auf die verbotene Handlungsart bezieht, ist die so definierte tatbestandliche Handlungsart nicht ein Element dieses Tatbestands unter anderen. Vielmehr beschreibt der „Tatbestand“ mit allen seinen Merkmalen allein die tatbestand­ liche Handlungsart (bzw. gegebenenfalls, etwa beim Betrug, mehrere Handlungsarten). Umgekehrt gilt: Was nicht zum Begriff dieser Handlungsart gehört, ist nicht Merkmal des Tatbestands in diesem Sinn. Allerdings haben die kausale Lehre und mit ihr auch Beling diesem ausschließlich handlungsbezogenen Begriff der Tatbestandlichkeit zu geringe Aufmerksamkeit geschenkt bzw. den Tatbestandsbegriff zumeist gar nicht handlungsbezogen, sondern in einem weiteren Sinn aufgefasst, wohl aus folgendem Grund: Wenn man den allgemeinen Handlungsbegriff bloß als willkürliche Körperbewegung definiert, eventuell in Verbindung mit einem Erfolg, und wenn man hiervon ausgehend den Begriff der tatbestandlichen Handlungsarten nur durch Merkmale definiert, welche ein Merkmal dieses übergeordneten, allgemeinen Handlungsbegriffs spezifizieren, können Merkmale des „Tatbe-



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff41

stands“, die nicht auf den allgemeinen Handlungsbegriff bezogen sind, keine definierenden Merkmale der tatbestandlichen Handlungsart sein. Diese Auffassung des Tatbestands findet sich schon bei Beling selbst.66 Systematisch entwickelt hat sie Erik Wolf in seiner Analyse von „Typen der Tatbestandsmäßigkeit.“ Er hat auf der Grundlage des kausalen Begriffs Handlungselemente und -umstände unterschieden. Handlungs­ elemente seien – entsprechend den Definitionsmerkmalen des kausalen Handlungsbegriffs – nur der Willensentschluss, die Willensbetätigung und der Erfolg in ihren jeweiligen tatbestandlichen Ausprägungen. Handlungsumstände seien demgegenüber etwa Ort und Zeit, aber auch der Sinn der Handlung.67 Gegen Wolfs Konzept hat Engisch eingewendet, dass es zweifelhaft sei, ob jedes Merkmal eines Unterbegriffs – des Begriffs der tatbestandlichen Handlung – aus den Merkmalen eines Oberbegriffs – des allgemeinen Handlungsbegriffs – konkretisierend entwickelt werden müsse.68 Eine Gegenkritik kann gegen die Fassung des Oberbegriffs gewendet werden: Ein Oberbegriff sollte nicht durch bloßes Weglassen von Merkmalen eines Unterbegriffs, sondern durch Abstraktion gewonnen werden, so dass die Merkmale eines Unterbegriffs auf Merkmale des Oberbegriffs bezogen und aus ihnen heraus spezifizierend entwickelt werden können.69 2.  Eine Konzeption wie die Wolfsche führt jedenfalls dazu, dass die Beschreibung der tatbestandlichen Handlungsart nur ein Element des „Tatbestands“ unter anderen ist. Man muss dementsprechend im Einzelfall unterscheiden zwischen dem Vorliegen einer Handlung von tatbestandlicher Art und der „Tatbestandsmäßigkeit“ dieser Handlung in dem Sinn, dass auch die übrigen Umstände erfüllt sind, welche im „Tatbestand“ beschrieben sind. Die „Merkmale“ des Tatbestands teilen sich demnach in Merkmale der Handlungsart (nach Wolf „Handlungselemente“) und in Tatbestandsvoraussetzungen, die unwesentliche Eigenschaften der tatbestandlichen Handlung beschreiben („Handlungsumstände). Am plausibelsten erklärbar wird dies an einer etwas komplizierteren Tat wie dem Schwangerschaftsabbruch nach §§ 218 Abs. 1 i. V. m. 218a Abs. 1 66  So schon Beling (1906) S. 203 f. Ganz ähnlich heute Puppe. Sie definiert wie Beling den allgemeinen Begriff der Handlung durch Tun durch das Merkmal der willkürlichen Körperbewegung, Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 41, 61. Wohl deshalb zählt sie etwa den Handlungserfolg und Eigenschaften des Handlungssubjekts nicht zum Begriff der tatbestandlichen Handlung, Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 4, 33. 67  Wolf (1931) S. 427 mit einer Übersicht nach S. 438, zum Handlungsbegriff auf S. 389. 68  Engisch (1968) S.  170 f. 69  Vgl. Cassirer (1910) S.  27 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

StGB. Unbestreitbar gehört hier zur Beschreibung der tatbestandlichen Handlungsart zumindest das „Abbrechen der Schwangerschaft“ gem. § 218 Abs. 1 StGB. Nun bestimmt der später ins Gesetz aufgenommene § 218a Abs. 1 StGB: „Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn (1.) die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, (2.) der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und (3.) seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.“

Nach einer handlungsbezogenen Auffassung des § 218a Abs. 1 StGB wird hier die Definition der tatbestandlichen Handlungsart ergänzt. Wenn die Voraussetzungen (1.) bis (3.) erfüllt sind, liegt demnach keine tatbestandliche Handlung, das heißt keine Handlung der tatbestandlichen Art vor. Die Handlungsart ist somit zu beschreiben als „Abbrechen der Schwangerschaft, wenn nicht die Bedingungen (1.) bis (3.) gegeben sind.“ 3.  Die Alternative zur handlungsbezogenen Auffassung des § 218a Abs. 1 StGB ist, zwischen der Handlungsart „Abbrechen der Schwangerschaft“ und der genannten negativen Bedingung zu trennen. Dann wäre das Abbrechen der Schwangerschaft auch dann eine tatbestandliche Handlung, wenn die Voraussetzungen (1.) bis (3.) des § 218a Abs. 1 StGB gegeben sind. Diese tatbestandliche Handlung würde aber „nicht den Tatbestand verwirklichen.“ Was heißt das dann? Geht man von der Definition der Straftat als rechtswidrig-schuldhafter (und somit verbotener) tatbestandlicher Handlung aus, können nicht handlungsbezogene Tatbestandsvoraussetzungen nur dem Merkmal der Rechtswidrigkeit zugeordnet werden. Die negative Bedingung, die in § 218a Abs. 1 StGB enthalten ist, wäre demnach eine neben der tatbestandlichen Handlung stehende, selbständige Rechtswidrigkeits­voraussetzung. Die tatbestandliche Handlung muss bejaht, die Verbots- und somit Rechtswidrigkeit dieser Handlung aber verneint werden. Somit wird deutlich, was es heißt, dass eine tatbestandliche Handlung „den Tatbestand nicht erfüllt“: Der Begriff des Tatbestands wird dann verstanden als Inbegriff aller Voraussetzungen des Rechtswidrigkeits­urteils – als Unrechtstatbestand.70 Dieser Tatbestand umfasst nicht allein diejenigen Merkmale, welche die normgegenständliche Handlung ihrer Art nach bestimmen; vielmehr ist die „tatbestandsmäßige“ Handlungsart nur eine von mehre70  Etwa v. Weber (1954) S. 189: „Der Unrechtstatbestand umfasst … alle Merkmale, die die Rechtswidrigkeit der Handlung ausmachen“ (außer der Rechtswidrigkeit selbst).“



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff43

ren Tatbestands- bzw. Rechtswidrigkeits­voraussetzungen. Weil dieser Tatbestandsbegriff somit nicht von der Handlung, sondern von der Norm her definiert wird, stimmt er mit dem der allgemeinen Rechtslehre überein, deren Tatbestandsbegriff die Gesamtheit der Voraussetzungen eines Gebots oder Verbots bezeichnet.71 Er bezieht sich dabei nicht auf die Sanktions- sondern auf die strafrechtliche Verhaltensnorm. 4. Die unterschiedliche Konzeption des Tatbestandsbegriffs hat insofern keine Auswirkungen auf das strafrechtliche Verbot, als die Verneinung der Tatbestandlichkeit weder nach der einen noch nach der anderen Konzeption bedeutet, dass das Verhalten notwendig als rechtmäßig zu beurteilen ist. Das Rechtswidrigkeitsurteil kann immer nur in Bezug auf das generelle Verbot einer bestimmten Handlungsart gefällt werden. Das aus dem Strafrecht ableitbare Verbot beschränkt sich dabei auf die im Strafgesetz benannten Merkmale. Wie ein Verhalten im Übrigen zu beurteilen ist, kann allein aus diesem Strafgesetz nicht beurteilt werden. Insoweit können sich auch aus beiden Tatbestandskonzepten keine Unterschiede ergeben. Man muss im genannten Beispiel jedenfalls von folgendem Verbot ausgehen: „Verboten ist das Abbrechen der Schwangerschaft, wenn nicht die Voraussetzungen (1.) bis (3.) vorliegen.“ Auch wenn die Voraussetzungen (1.) bis (3.) vorliegen und die Tatbestandlichkeit somit zu verneinen ist, kann die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (als einer je nach Konzeption nicht tatbestandlichen oder aber tatbestandlichen Handlung) durch andere Rechtsnormen festgelegt werden.72 Das Strafrecht kann im Übrigen zwar nicht die Rechtswidrigkeit, wohl aber die Rechtmäßigkeit einer bestimmten Handlung mit Geltung für das gesamte Rechtsgebiet festlegen. So müssen im Beispiel des Schwangerschaftsabbruchs § 218a Abs. 2 und 3 StGB (medizinisch-soziale und kriminologische Indikation) als Erlaubnisnormen interpretiert werden, die auch außerhalb des Strafrechts gelten. Sie müssen auch einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen können, welcher unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 StGB vorgenommen wird und somit keine strafrechtliche „Tat“, aber anderweitig Gegenstand eines Verbots ist.73 5.  Zurück zur Frage des Tatbestandsbegriffs. Es ist konstruktiv möglich, den Begriff der Tatbestandlichkeit in der einen oder anderen Weise zu definieren: 71  Zum Verhältnis dieser Tatbestandsbegriffe Beling (1930) S.  28 f., Mezger (1953) S. 2, Engisch (1954) S.  130 ff. 72  Hierauf kam es dem BVerfG an, BVerGE 88, 204, Rn. 209 ff., 221. 73  Es ist nicht nötig, § 218a Abs. 1 StGB mit Eser Sch / Sch-StGB (2014) § 218a Rn. 17 als „Tatbestandsausschluss sui generis“ zu interpretieren, um dieses Ergebnis zu begründen.

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B. Handlung und normative Zurechnung

(1) entweder als Inbegriff aller Voraussetzungen des deliktstypischen Verbots oder zumindest aller außer der fehlenden Rechtfertigung74 (Un­ rechts­tatbestand) oder (2) als Begriff derjenigen Handlungsart, die Gegenstand jenes Verbots ist. Dieser Handlungstatbestand ist ein Bestandteil des Unrechtstatbestands. Die heute herrschende Tatbestandskonzeption ist die erstgenannte.75 Sie erscheint deshalb auf den ersten Blick vorteilhaft, weil sie auf alle Delikts­ arten verallgemeinerbar ist. Die Voraussetzungen eines Verbots- wie Gebotsverstoßes sind gleichermaßen Unrechtsvoraussetzungen. Jedoch kann auch die handlungsbezogene Tatbestandskonzeption auf den Leitgesichtspunkt hin verallgemeinert werden, was genau der Gegenstand des Unrechtsurteils und somit der Normen ist. Beim vorsätzlichen Begehungsdelikt ist dies sowohl nach der kausalen als auch der finalen Lehre die tatbestandliche Handlungsart. Beim Unterlassungsdelikt ist es, wie eingangs dieses Kapitels gezeigt, die tatbestandliche Unterlassungsart. Mit Blick auf das Fahrlässigkeitsdelikt konnte die kausale Lehre noch von einer tatbestandlichen Handlungsart ausgehen, die finale Lehre nicht.76 Infolgedessen muss hier der Gegenstand des Verbots anders, etwa als Verursachung eines Erfolgs bestimmt werden.77 Dem unrechtsbezogenen kann somit ein normgegenstandsbezogener Tatbestandsbegriff gegenübergestellt werden. Dieser kann, muss aber nicht handlungsbezogen sein. Hiervon ausgehend kann das Delikt bestimmt werden als rechtswidrige und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung, wie es Radbruch vorgeschlagen hat.78 Allerdings muss man auf der weniger abstrakten Ebene der einzelnen Deliktstypen wie des Begehungs- und Unterlassungsdelikts oder des Versuchs sogleich angeben, was genau rechtswidrig und schuldhaft, also Gegenstand der Norm ist. Das ist nicht abstrakt die „Tatbestandsverwirklichung“, sondern es sind konkreter die tatbestandlichen Handlungs- oder Unterlassungsarten bzw. deren Versuch.79 6.  Der nicht normgegenstands- sondern unrechtsbezogene Begriff der Tatbestandsverwirklichung ist als Prüfungsstufe für alle Rechtswidrigkeitsvo­ 74  Hierzu

sogleich unter B.III.2.e). nur Roxin AT I (2006) § 10 Rn.1 ff. mit der weiteren Unterscheidung von Tatbestandsfunktionen (ordnende Funktion, Garantiefunktion, irrtumsregelnde Funktion). 76  Hierzu B.IV.2. 77  Hierzu B.IV.5. und ausführlich unter C.V.4. 78  Radbruch (1930) S. 162 Fn. 2. 79  Ebenso wohl Radbruch a. a. O. Vgl. auch Engisch (1944) S. 165. 75  Vgl.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff45

raussetzungen außer der fehlenden Rechtfertigung praktisch nützlich. Der normgegenstandsbezogene Tatbestandsbegriff ist demgegenüber aus zwei Gründen unverzichtbar: 1.)  Die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld beziehen sich nicht auf den Tatbestand im Sinne der Gesamtheit von Unrechtsvoraussetzungen. Gegenstand einer strafrechtlichen Norm ist vielmehr immer eine Handlungsart, eine Unterlassungsart oder deren Versuch. Da die kausale Lehre Vorsatz und Fahrlässigkeit als Schuldarten konzipiert, muss vorsätzlich oder fahrlässig nur die tatbestandliche Handlung oder Unterlassung sein. Vorsatz oder Fahrlässigkeit beziehen sich deshalb nur auf diejenigen Merkmale, welche jene Handlung oder Unterlassung definieren, nicht auf sonstige Unrechts-, das heißt Verbots- oder Gebotsvoraussetzungen. Diesbezügliche Irrtümer führen aus systematischer Sicht nur zu einem Verbotsirrtum. 2.) Alle allgemeinen Definitionsmerkmale des Handlungsbegriffs müssen nur für die tatbestandliche Handlung vorliegen, nicht auch für sonstige Verbots- bzw. Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen. Deshalb muss sich auch nach der finalen Lehre der Vorsatz nur auf die Handlungsmerkmale des Tatbestands beziehen, nicht auf etwaige sonstige Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen. Irrtümer über die sonstigen Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen werden auch für die finale Lehre systematisch nur als Verbotsirrtümer greifbar. 7. Aus den genannten Gründen ist es wichtig anzugeben, welche Merkmale des Unrechtstatbestands Handlungsmerkmale sind. Die tatbestandliche Handlung muss präzise definiert werden. Abgesehen davon, dass der Begriff einer Handlungsart die Voraussetzungen des allgemeinen Handlungsbegriffs erfüllen muss, gibt es prinzipiell keine logische Grenze der Definierbarkeit des Begriffs einer Handlungsart. Deswegen muss es für dessen Definition darauf ankommen, was derjenige bezweckt, der einen bestimmten Handlungsbegriff verwendet – somit der Gesetzgeber und Rechtsanwender. Die Handlungsart muss dabei auch gerade mit Blick auf das Vorsatzerfordernis definiert werden: Der Handelnde muss die Bedeutungsbezüge nachvollziehen, welche dem Begriff einer Handlungsart beigelegt werden, weil er auch nur dann den Sinn des entsprechenden Verbots nachvollziehen kann. Deshalb kann der Vorsatz auch nicht nur auf die Absicht reduziert werden, einen Erfolg herbeizuführen. Denn diese Absicht ist in ihrem Sinngehalt durch Vorbedingungen und Umstände der Situation bedingt, in welcher der Handelnde steht. Es ist etwas anderes, als Arzt entweder in der zweiten oder in der zwanzigsten Schwangerschaftswoche einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu wollen. Die abstraktere Be-

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B. Handlung und normative Zurechnung

schreibung als Absicht eines Schwangerschaftsabbruchs erschöpft den Inhalt der konkreten Sinnsetzung des Handelnden nicht.80 Die Merkmale eines Unrechtstatbestands, der eine oder mehrere tatbestandliche Handlungsarten beschreibt, sind somit weitgehend als Merkmale dieser Handlungsarten aufzufassen. Ob daneben noch spezifisch normative Merkmale stehen, wird mit Blick auf die Rechtfertigungsgründe zu diskutieren sein.81 8. Jede Handlungsart, die ein bestimmtes Strafgesetz benennt, ist tatbestandlich und somit verbotsgegenständlich. Wenn sich ein Delikt auf mehrere tatbestandliche Handlungsarten bezieht, können diese wie bei der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) oder Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) alternativ verwirklicht werden oder müssen wie beim Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) und Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) kumulativ vorliegen. Im letzteren Fall hängen die verschiedenen Handlungsarten zusammen: Der Betrug setzt eine Vermögensschädigung durch Täuschung voraus; der Raub eine Wegnahme mittels Gewaltanwendung oder Drohung. Diesen Zusammenhang könnte man durchaus so verstehen, dass etwa die Handlungsart „Schädigung“ dadurch definiert wird, dass das Mittel der Schädigung eine Täuschung sein muss. Allerdings setzt die beim Betrug verbotene Vermögensschädigung eine Täuschung voraus, die bereits für sich allein verboten ist. Es muss also nicht die Definition der Handlungsart „Schädigung des Vermögens“ auf die Täuschung Bezug nehmen, sondern lediglich das Verbot der Schädigung auf das Verbot der Täuschung: „Verboten ist eine Schädigung durch eine verbotene Täuschung.“ Die Bezugnahme auf die verbotene Täuschung definiert nicht die Handlungsart „Schädigen“, sondern gehört zu den sonstigen Verbotsbedingungen, also den Rechtswidrigkeits­ voraussetzungen der Schädigung. 9. Die Konzeptionen des Tatbestands – einerseits als Inbegriff der Unrechtsvoraussetzungen, andererseits als Beschreibung der verbotsgegenständlichen Handlungsart – lässt sich, wie schon gezeigt, gewissermaßen spiegelbildlich, auf das Unterlassungsdelikt übertragen. Die normgegenständliche ist hier eine gebotsgegenständliche Handlungsart und bezeichnet somit anders als beim Verbot die normgemäße Handlungsart. Erst in einem zweiten Schritt ergibt sich deshalb mit Blick auf den Gebotsverstoß der Unrechtstatbestand ebenso wie der Tatbestand der Unterlassungsart: Es ist die Unterlassung der gebotsgegenständlichen Handlung. Sowohl der Unterlassungstatbestand als auch der Unrechtstatbestand benennen Voraussetzungen für die Annahme eines Gebotsverstoßes. 80  Hierzu

erst im systematischen Teil, C.I., IV. unter B.III.2.e).

81  Sogleich



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff47

In Bezug auf das sogenannte unechte Unterlassungsdelikt (Kommissivdelikt per omissionem) wurde der Dogmatik zum ersten Mal ein ähnlicher Zusammenhang verschiedener Normen bewusst, wie er zwischen dem Verbot der Vermögensschädigung und dem der Täuschung besteht: Die Strafbarkeit wegen der Unterlassung, einen bestimmten Erfolg zu verhindern, setzt voraus, dass der Handelnde Garantenpflichten missachtet hat, also konkrete Gebote verhinderungsgeeigneter Handlungen. Die Unterlassung derartiger Handlungen ist im Tatbestand nicht beschrieben, aber vorausgesetzt. Bereits Beling und v. Liszt erkannten sie als Unrechtsvoraussetzungen.82 Damit war der Weg angedeutet, der später zur Erkenntnis führte, dass auch beim Fahrlässigkeitsdelikt die Pflichtverletzung nicht Verschuldens- sondern Unrechtsvoraussetzung ist. 10. Dass Gegenstand der strafrechtlichen Verbote die tatbestandliche(n) Handlungsart(en) sind, begründet den strafrechtsspezifischen Charakter dieser Verbote bzw. entsprechend der Gebote.83 Sie werden nur vom Strafgesetz her konstruiert. Auch die Konkretisierung dieser Verhaltensnormen auf den Einzelfall hin erfolgt insofern strafrechtsspezifisch, als sie an die Auslegung der Begriffe tatbestandlicher Handlungen des Strafgesetzes gebunden ist. Mit dieser strafrechtsakzessorischen Bestimmung der anzunehmenden Verhaltensnormen ist man zunächst einmal auf sicherem Boden, denn alle diejenigen Handlungsarten, auf deren Verwirklichung von Gesetzes wegen Strafe folgen soll, müssen verboten sein. Das ist das Axiom der strafrechtlichen Normentheorie. Es spricht dabei nicht gegen die Selbständigkeit der strafrechtlichen Verhaltensnormen, dass diese häufig auf Regelungen anderer Rechtsgebiete aufgebaut sind, etwa des Zivilrechts.84 Die strafrechtlichen Verbote von Wegnahme und Zueignung, die dem Diebstahl zugrunde liegen, sind etwa auf das zivilrechtliche Verbot bezogen, gegen den Willen eines anderen auf dessen Sachen einzuwirken (§ 903 BGB) sowie auf das Verbot, den Besitz zu entziehen (§ 858 Abs.1 BGB). Das strafrechtliche Verbot hat lediglich einen engeren Anwendungsbereich als diese beiden zivilrechtlichen Verbote.

82  Beling

(1906) S.  164 f., v. Liszt (1908) § 30.II., S. 133 Fn. 4. spezifisch strafrechtlichen und somit öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Normen Mañalich (2015) S. 311 ff. Zur soziologischen Perspektive Ast (2010) S.  11 ff. 84  Vgl. hierzu Haas (2002) S. 78 ff., 104 f., Renzikowski (2005) S.  122 ff., ders. Matt / Renzikowski-StGB (2013) Einl. Rn. 15 ff. 83  Zum

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B. Handlung und normative Zurechnung

c) Tatbestandliche und verbotsgegenständliche Handlung  – alternative Konzepte 1.  Der normentheoretische Ausgangspunkt der kausalen wie finalen Handlungslehre waren die Verbote tatbestandlicher Handlungsarten bzw. beim Unterlassungsdelikt tatbestandsbezogene Gebote. Es wurde gezeigt, dass der Unrechtstatbestand eines Delikts so weit wie möglich als Umschreibung der tatbestandlichen Handlungs- oder Unterlassungsart(en) aufgefasst werden sollte. Die normentheoretische Konstruktion der strafrechtlichen Verhaltensnormen lehnt sich somit eng an das Strafgesetz an. Diese tatbestandsbezogene Konzeption der strafrechtlichen Verbote ist weder selbstverständlich noch konkurrenzlos. Die Alternativen zu überdenken, ist wichtig, weil jene Konzeption für die Systematisierung der Straftatmerkmale entscheidend ist. Insbesondere normentheoretisch orientierte Autoren bestimmen den Gegenstand des Verbots häufig nicht in enger Bindung an die Straftatbestände. Ein wichtiges Motiv hierfür ist die Überlegung, dass nicht alle handlungsbezogenen Tatbestandsmerkmale zwingend erforderlich sind, um im Einzelfall zu ermitteln, was der Handelnde von Rechts wegen tun oder unterlassen soll. So genügt es etwa, die Körperverletzung zu verbieten (§ 223 Abs. 1 StGB), um a maiore ad minus auch die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs zu erfassen (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Ein Tatbestand ist ferner häufig aus mehreren Handlungsarten zusammengesetzt. Dann genügt es, Verbote derjenigen Handlungsarten anzunehmen, die den Eintritt der tatbestandlichen Erfolge nicht voraussetzen. Im Beispiel der Straßenverkehrsgefährdung, § 315c StGB, ist das Verbot, Leib und Leben von anderen Menschen zu gefährden, neben den Verboten, die Vorfahrt zu missachten, falsch zu überholen etc. nicht zwingend erforderlich, um das Verhalten zu beeinflussen. Beim Diebstahl, § 242 StGB, würde es genügen, ein Verbot der Wegnahme fremder Sachen anzunehmen; das Verbot der Zueignung scheint wiederum nicht erforderlich. Dass der Tatbestand bestimmte Handlungsmodalitäten oder zusätzliche vollendete oder versuchte Handlungen aufnimmt, begründet sich aus seiner Funktion, die Grenze strafwürdigen Unrechts sowie unrechtserhöhende Umstände festzulegen. Demgemäß ist es möglich, die Frage in den Mittelpunkt zu stellen, welche Informationen notwendig sind, um das Verhalten des Normadressaten effektiv zu beeinflussen, und daran ausgerichtet die verbotsgegenständlichen Handlungsarten zu definieren. Ein solches Konzept kann man auch abstrahierend anlegen und die strafrechtlichen Handlungstatbestände unberücksichtigt lassen. So wären sowohl die Sachbeschädigung als auch der Diebstahl von einem anzunehmenden Verbot erfasst, fremdes Eigentum zu verletzen.



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2. Allerdings ist es nicht Aufgabe der Strafrechtsdogmatik, eine vom Strafrecht abgelöste verbotsgegenständliche Handlungsart zu bestimmen und zu entscheiden, welche tatbestandlichen Handlungen hierfür irrelevant sind. Der Gewinn eines solchen Unternehmens wäre gering, weil strafrechtlich interessant nur Verbote sind, an deren Missachtung Strafe anknüpft. Abstraktere und deshalb weiter gehende Verbote zu postulieren, ist schlicht unnötig. Dass die Frage nach einer über das Strafrecht hinaus gehenden Bestimmung des Normgegenstands für das Strafrecht offen bleiben kann, hat bereits Beling als Vorteil seiner Konzeption eines Tatbestands angesehen, welcher der Rechtswidrigkeit vorgelagert ist.85 Die Urteile von Rechtswidrigkeit und Schuld und somit das Urteil über die Verbotswidrigkeit beschränken sich auf die tatbestandliche(n) Handlung(en). Diese Sichtweise hat auch die finale Handlungslehre übernommen. Für Welzel ist der Tatbestand die Materie (der Inhalt, Gegenstand) der strafrechtlichen Verbote, er beschreibt die verbotene Handlungsart.86 Das gilt nicht nur, wie Kaufmann einschränkend hinzugefügt hat, wenn ein Strafgesetz alle Verbotsverstöße unter Strafe stellt.87 Welzel bezieht sich eben nur auf strafrechtliche Verbote, Kaufmann auch auf nicht strafrechtliche. 3. Beling wandte sich mit der Konzeption der tatbestandlichen als verbotsgegenständlicher Handlungsart gegen Binding.88 Dieser unterschied zwischen Delikt und Verbrechen bzw. Normwidrigkeits- und Strafbarkeitsmerkmalen.89 Bindings Spur folgten auch später Konzepte, die zwischen verhaltens- und sanktionsnormbezogenen Merkmalen unterscheiden; hierzu sogleich. Sie eint das Bemühen, den Inhalt der Verhaltensnormen auf diejenigen Informationen zu reduzieren, die für die Verhaltensbeeinflussung unabdingbar sind – und den Geltungsbereich dieser (deliktsbegründenden) Norm dadurch über das Strafrecht hinaus auszuweiten. Diese Konzepte stehen einer objektiven Unrechtskonzeption insoweit nahe, als sie Verhaltensnorm und Verhaltensnormverstoß unabhängig davon bestimmen, was der Handelnde wusste und wollte. Allerdings setzen sie zumeist ein Fahrlässigkeitsurteil voraus. So hat Binding die Verhaltensnorm, welche das „Delikt“ im oben genannten Sinn begründet, ohne Rücksicht auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit formu85  Beling

(1906) S.  117 ff. (1969) S.  49 f. 87  Armin Kaufmann (1954) S. 107. 88  Gegen Bindings These von der Selbständigkeit der „Norm“ gegenüber dem Strafgesetz auch Kelsen (1911) S.  282 ff. 89  Binding Normen I (1890) S. 194 ff., ders. Handbuch (1885) S. 507 ff., Armin Kaufmann (1954) S.  30 ff., 196 ff., 207 ff. 86  Welzel

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B. Handlung und normative Zurechnung

liert, welche er als Arten des Verschuldens dem „Verbrechen“ und somit der Sanktionsnorm zuordnete.90 Dass er gleichwohl nicht eine objektive Unrechtslehre vertrat, erklärt sich daraus, dass das Verschulden – unabhängig von der Art des Verschuldens – Deliktsvoraussetzung ist.91 Es wird der Sache nach durch ein Fahrlässigkeitsurteil begründet: Jede Norm verpflichte implizit zur Aufmerksamkeit.92 Ein Delikt liegt deshalb nur vor, wenn der Handelnde im Einzelfall erkennen sollte, dass er die deliktstatbestandliche Handlung verwirklicht, und wenn er es nicht vermieden hat, sie zu verwirklichen, weil er dieses nicht erkannt hat oder obgleich er es erkannte.93 4. Während Binding im Hinblick auf den Erfolg Verletzungsverbote annahm, gründen seine „Nachfolger“ ihre Konzeptionen auf Gefährdungsverbote, was Binding entschieden abgelehnt hätte.94 Für Frisch ist Gegenstand des Verbots, das den Straftatbeständen zugrunde liegt, das „tatbestandsmäßige Verhalten“. Es besteht bei Erfolgsdelikten gerade nicht aus einer Handlung der vom Strafgesetz bezeichneten, durch den Erfolgseintritt definierten Art (z. B. „töten“), sondern aus einer Handlung von im Strafgesetz nicht beschriebener Art, die durch die Schaffung einer Erfolgsgefahr definiert wird (z. B. „eine Todesgefahr schaffen“, Unterart: „auf jemanden schießen“).95 Das Verbot dieser Handlungsart ist auch dann missachtet, wenn der Erfolg nicht eintritt. Der Erfolgseintritt ist eine bloße Sanktionsvoraussetzung,96 weswegen die „Erfolgszurechnung“ allein nach strafzweckbezogenen Kriterien begründet wird.97 Da die Handlungsart, welche durch die Gefahr definiert wird, bereits aufgrund ihrer objektiv erkennbaren Gefährlichkeit verboten ist, ist auch ein subjektiver Bezug des Handelnden hierauf nicht zwingend erforderlich. Der Vorsatz ist daher ebenfalls nur Sanktionsvoraussetzung.98 90  Binding

Normen I (1890) S. 53 f., Normen II (1914) S. 348 f. diesem Widerspruch Armin Kaufmann (1954) S.  215 ff. 92  Binding Normen II (1914) S. 241 f. 93  Binding Normen II (1914) S. 244: Andernfalls Verneinung der Zurechnungsfähigkeit. 94  Binding Normen II (1914) S. 349, 370 ff., 382 ff., Normen IV (1919) S. 374 ff., 398 ff. 95  Frisch (1983) S. 74 ff., (1988) S. 69 f. Ebenso Freund AT (2009) § 1 Rn. 32 f., 56, § 2 Rn. 8 ff. Seher (2013) S. 215 ff. weist zutreffend darauf hin, dass auch nach Frischs Konzept in der Formulierung der generellen Verbote tatbestandsmäßigen Verhaltens auf die Gefährlichkeit des Verhaltens und somit auf den Erfolg notwendiger Weise Bezug genommen werden muss. 96  Frisch (1983) S.  57 ff., 76 f., Freund AT (2009) § 2 Rn. 52 ff. 97  Frisch (1988) S.  510 ff., 516 ff. 98  Frisch (1983) S. 78 ff., 84 ff., 90, 93, Freund AT (2009) § 7 Rn. 35 ff. Ähnlich sieht es Stein, für den sowohl Erfolg als auch der Vorsatz nur die „Strafbedürftigkeit“ 91  Zu



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff51

5. Der Begriff des Tatbestands ist in derartigen Konzepten überflüssig oder bedeutet anderes. Binding – der Belings Konzept für wertlos erachtete99 – bezieht den Tatbestandsbegriff einerseits auf sämtliche Voraussetzungen des Verbrechens (einschließlich Rechtswidrigkeit und Schuld).100 Er kannte andererseits aber auch einen objektiven Tatbestand, der dem Tatbestandsbegriff Belings im Ansatzpunkt entspricht. Dieser enthält „eine aus menschlicher Tätigkeit entsprungene, der Absicht der Norm widersprechende Änderung in der Außenwelt.“101 Anders als Belings Tatbestand bezieht sich dieser objektive Tatbestand aber allein auf das Delikt (die Normverletzung), nicht das Verbrechen (die strafbare Handlung), und beinhaltet ein Rechtswidrigkeitsurteil.102 Außerdem wird die Verwirklichung des objektiven Tatbestands nicht als „Handlung“ ausgewiesen, da eine Handlung den subjektiven Tatbestand im Sinn eines Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraussetzt.103 Demgegenüber ist der Tatbestand für Frisch eine Kategorie der Sanktionsnorm.104 Deren Tatbestand umfasst indes sämtliche Sanktionsvoraussetzungen. Er teilt sich auf in die Voraussetzung eines Normverstoßes durch ein „tatbestandsmäßiges Verhalten“, auf welches sich die Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld beziehen müssen, und in einen Tatbestandsteil, der sich auf bewertungs- und strafzweckrelevante Fragen bezieht. Dieser beinhaltet bei Frisch die Voraussetzungen des Erfolgseintritts und des Erfolgsvorsatzes. Man kommt mit derartigen Konzepten also auf den vorbelingschen Stand zurück – die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit, Schuldhaftigkeit und Strafbarkeit.105 6.  Derartige Konzepte haben einen unbestreitbar zutreffenden Gedanken: Bei der Auslegung des Strafgesetzes sind als Zweckgesichtspunkte sowohl die Verhaltenssteuerung als auch die strafrechtsspezifische Verhaltensbewertung relevant. So ist es etwa kaum für die Verhaltenssteuerung, wohl aber die Bewertung wichtig, Betrug und Diebstahl genau voneinander abzugrenzen.106 begründen: zum Erfolg Stein (2009) S. 61–85, zum Vorsatz S. 229 ff., 249 ff., 278 ff., 307 ff., zum Unterschied zu Frischs Normentheorie S.  309 f. 99  Binding Normen II (1914) S. 161, 230 f.; ders. Grundriss (1913) S. 86. Hierzu Heinitz (1926) S. 20. 100  Binding Handbuch (1885) S. 504. 101  Binding Handbuch (1885) S. 503, hierzu Armin Kaufmann (1954) S.  18 ff. 102  Vgl. Binding Normen II (1914) S. 230 ff. 103  Binding Normen I (1890) S. 92 ff., Handbuch (1885) S. 503, 565 f. 104  Frisch (1983) S. 60, Freund AT (2009) § 1 Rn. 34. 105  Vgl. auch Stein (2009) S. 344, der zwischen dem Tatschuldurteil und dem Urteil über die Strafbedürftigkeit der Tatschuld differenziert. Vgl. zur vorbelingschen Konzeption B.III.2.a)2. 106  Am Beispiel des Einverständnisses mit der Wegnahme Ast (2013) S.  306 f.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Eine andere Frage ist aber, ob die unterschiedlichen Zweckgesichtspunkte es erforderlich oder auch nur möglich machen, das Straftatsystem streng nach ihnen ausgerichtet zu differenzieren. Es ist keineswegs ausgemacht, dass etwa der Erfolgseintritt nur mit Blick auf Strafzwecke relevant ist, wirkt doch die Vorgabe zu erreichender und vermeidender Erfolge verhaltenssteuernd.107 Der Nachteil einer derartigen Systematik besteht schließlich darin, dass der Frage der Konstitution der verbrecherischen Handlung zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Geht man statt von tatbestandlichen Handlungen wie „töten“ nur von einem tatbestandsmäßigen Verhalten bzw. einer Gefahrschaffung aus, wirkt es etwas disparat, wenn man abschließend dann doch nicht nur eine gefährliche Handlung, sondern eine erfolgsdefinierte Deliktshandlung wie den „Mord“ oder „Totschlag“ zurechnet. Es ist widersprüchlich, dass sich die normative Zurechnung des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ zwar auf ein entsprechendes Verbot, die des Erfolgs aber nicht auf das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlungsart stützen soll. Was bedeutet dann der Begriff der Zurechnung? 7.  Probleme bereitet solchen Konzepten auch zu begründen, dass sich der Vorsatz des Handelnden auf Umstände beziehen muss, die letztlich nur für das Strafbarkeits- oder Strafwürdigkeitsurteil relevant sein sollen. So bezieht Binding den Vorsatz konsequent nicht auf die Straftatmerkmale, da der Vorsatz als Schuldform nur delikts- und somit verhaltensnormbezogen ist.108 Allerdings sieht er die Qualifikationsmerkmale, die bei ihm nicht dem Delikt, sondern dem Verbrechen zugeordnet sind, dann doch nicht nur als objektive, sondern (zugleich) „psychologische Höhen­marken.“109 Dass die Qualifikationsmerkmale die Kenntnis des Täters voraussetzen, erklärt sich demgegenüber zwanglos, wenn man sie als Handlungsmerkmale auffasst.110 Binding muss die Voraussetzung der Kenntnis stattdessen allein mit einem Bewertungs­gesichtspunkt begründen: Es handele sich um Merkmale, „deren Kenntnis nach Auffassung des Gesetzgebers dem Täter die Begehung der konkreten Pflichtwidrigkeit hätte erschweren sollen“ und die deshalb die Intensität des rechtswidrigen Vorsatzes steigern.111 Doch dann müsste ein Qualifikationsmerkmal auch erfüllt sein, wenn es der Täter irrig annimmt. Dieser Konsequenz entgeht Binding nur, indem er sie zu „Merkmalen zweiter Ordnung“ erhebt, die erst durch die Kenntnis zu Schärfungs107  Ausführlich

zu dieser Frage unter B.IV.3. Normen III (1918) S. 184 ff. 109  Binding Normen III (1918) S. 186. 110  Vgl. Armin Kaufmann (1954) S. 210. 111  Binding Normen III (1918) S. 189, vgl. auch S. 186 und Normen II (1914) S.  979 ff. 108  Binding



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff53

gründen werden.112 Dass diese Merkmale tatsächlich gegeben sein müssen und der Handelnde es zugleich wissen muss, zeigt aber doch, dass sie echte Handlungsmerkmale sind. 8.  Vergleichbar ist es in Frischs Konzeption fraglich, welche Rolle Erfolg und Erfolgsvorsatz bei der Konstitution der Straftat spielen. Weil das verbotsgegenständliche „tatbestandmäßige Verhalten“ (zum Beispiel die Handlung „Schaffen einer Lebensgefahr“ durch „Schießen auf einen anderen“) nur durch die Erfolgsgefahr definiert wird, bezieht Frisch auch den Vorsatz allein auf diese Gefahr.113 Doch wenn eine Straftat wie der Totschlag die Verwirklichung einer Handlungsart ist, die durch den Erfolgseintritt definiert ist, genügt es nicht, den Vorsatz bzw. die Intention nur auf die Erfolgsgefahr zu beziehen. Dass man eine Handlung will, welche mit einer Gefahr als der Möglichkeit des Erfolgs verbunden ist, heißt nicht notwendig, dass man die Wirklichkeit des Erfolgs will. Die Intention bzw. der Vorsatz bezieht sich inhaltlich immer auf die Verwirklichung des intendierten Gegenstands und nur deshalb auf dessen Ermöglichung. Deshalb beinhaltet der Erfolgsvorsatz nicht ausschließlich ein kognitives, bloß prognostisches Urteil über eine Gefahr, sondern hat ebenso wie eine Norm unabdingbar einen voluntativen, wirklichkeitsgestaltenden Sinn.114 9.  Die Thesen, dass Handlung, Vorsatz oder Norm nur bis zum gefährlichen Verhalten reichen, nicht aber bis zum Erfolgseintritt, wurden in der strafrechtlichen Dogmengeschichte aus verschiedenen Gründen vertreten.115 Ihnen liegt wohl immer die Vorstellung zugrunde, dass die Handlung oder das „Verhalten“ nur ein bestimmtes Körperverhalten ist.116 So erklärt sich die Fixierung auf das gegenwärtig in der Handlungssituation Gegebene (die Gefahr) oder für den Handelnden unmittelbar zu Verwirklichende (das Körperverhalten). Nur dieses soll Anknüpfungspunkt bzw. Gegenstand von Vorsatz und Norm sein können, nicht ein künftiger anderer Erfolg. Sowohl Vorsatz als auch Norm sind aber unabdingbar zukunftsbezogen. Sie richten sich darauf, einen Erfolg zu verwirklichen oder nicht zu verwirklichen, der noch nicht gegeben ist. Nachdem der Erfolg gegeben ist, wäre es sinnlos, ihn zu verbieten oder zu beabsichtigen. Das gilt unabhängig davon, ob Gegenstand von Norm oder Intention nur ein Körperverhalten oder ein 112  Binding

Normen III (1918) S. 189. (1983) S. 96 ff., 115 ff., 300 ff., 341 ff. (1988) S. 569 ff. Ebenso Stein (2009) S. 307. 114  Hierzu ausführlich unter C.IV. 115  Vgl. bereits B.III.2.b)1. sowie nochmals ausführlich unter B.IV.3. 116  Hierzu auch Seher (2013) S. 212. Dagegen bereits A.II.1.2. sowie nochmals ausführlich unter B.III.3. 113  Frisch

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B. Handlung und normative Zurechnung

davon unabhängig beschreibbarer Erfolg ist. Unterschiede im zeitlichen Abstand zwischen der Setzung von Erfolgsbedingungen und dem Erfolgseintritt oder Unterschiede in der Verwirklichungswahrscheinlichkeit des Erfolgs sind rein quantitativ und graduell. Sie rechtfertigen nicht, unterschiedliche theoretische Konzepte anzusetzen: Die Handlung „den Finger krümmen“, die der Handelnde unmittelbar und mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen kann, ist strukturell genau so aufgebaut wie die Handlung „töten“, die der Handelnde eventuell mit geringerer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird und bei der zwischen der Setzung von Erfolgsbedingungen und dem Erfolgseintritt eine größere Zeitspanne liegen kann. Auch dass beim „Töten“ eine Relation zwischen einem Körperverhalten und dem Erfolg vorausgesetzt ist, während beim „Armheben“ ein einfaches Körperverhalten genügt, begründet keinen strukturellen Unterschied. Es bedeutet nur, dass im zweiten Fall das Körperverhalten der Zurechnungsgegenstand ist, während es im ersten Fall der Tod eines anderen und gerade nicht das Körperverhalten der handelnden Person ist. Dieses wird vom Handlungsbegriff des Tötens ja auch gar nicht beschrieben, sondern im Unbestimmten gelassen. Auf die Handlung „töten“ kann sich deshalb ebenso gut eine Norm beziehen wie auf die Handlung „den Arm heben“. Die Vorstellung, dass Normen nur ein Körperverhalten verbieten oder gebieten können, ist deshalb zurückzuweisen. Somit ist die tatbestandliche Handlungsart eines Erfolgsdelikts durch den Erfolgseintritt definierbar. Das generelle strafrechtliche Verbot richtet sich auch auf diese tatbestandliche Handlungsart und ist somit seinerseits auf die Verwirklichung und nicht nur die Ermöglichung des Erfolgs bezogen. Natürlich kann man erst, nachdem ein bestimmter Erfolg eingetreten ist und somit retrospektiv feststellen, ob der Erfolg einer Intention entspricht, ob eine entsprechende Handlungsart verwirklicht wurde und ob ein Verbot dieser Handlungsart missachtet ist. Das spricht aber nicht gegen die Möglichkeit, prospektiv eine Handlung und somit etwas bloß als möglich Vorgestelltes, erst noch zu Verwirklichendes zu verbieten oder zu gebieten bzw. einen zukünftigen Erfolgseintritt zu beabsichtigen.117 10.  Ergebnis dieses Untersuchungsschritts ist, dass Gegenstand der strafrechtlichen Verbote die tatbestandlichen Handlungen sind. Nicht vorteilhaft sind Konzeptionen, für welche die tatbestandlichen Handlungen nicht der Gegenstand der strafrechtlichen Verbote sind. Ob und inwiefern im Strafrecht neben den Verboten tatbestandlicher Handlungen Verbote anderer, nichttatbestandlicher Handlungen relevant sind – etwa des „tatbestandsmäßigen Verhaltens“ (Frisch) – wird an späterer Stelle zu untersuchen sein.118 117  Ebenso 118  B.III.4.

Mañalich (2009) S.  59 ff.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff55

Um das Thema der tatbestandlichen Handlung abzuschließen, seien die dem allgemeinen Begriff der Handlung unterzuordnenden Begriffe nochmals geklärt: − Gattung der „verbotsgegenständlichen Handlungen“ = Beliebige Handlungsart, deren Verwirklichung von einem Verbot verboten wird. − Art der „tatbestandlichen Handlungen“ = Verbotsgegenständliche Handlungsarten der generellen Verbote, die per Umformulierung direkt aus den Strafgesetzen abgeleitet werden (strafrechtliche Verbote). − Unterart der „tatbestandlichen Handlungsart(en) einer bestimmten Straftatart“ = Verbotsgegenständliche Handlungs­ art(en) des strafrechtlichen Verbots bzw. der Verbote, welche(s) einer Straftatart zugrunde liegen. − Einzelne Handlung von tatbestandlicher Art. Die einzelne Handlung von tatbestandlicher Art ist somit zugleich (in zunehmend allgemeinen bzw. abstrakten und deswegen weniger bestimmten Begriffen): „tatbestandliche Handlung“, „verbotsgegenständliche Handlung“ und „Handlung.“ d) Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen zwischen Normativität und Deskriptivität und die Unterscheidung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit 1. Im Folgenden sind charakteristische, allgemeine Merkmale der tatbestandlichen Handlungsarten und somit des Begriffs der tatbestandlichen Handlung herauszuarbeiten. Es wurde bereits begründet, dass der Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung insofern vornormativen Charakter hat, als er nicht dadurch definiert sein kann, dass der Handelnde dasjenige Verbot missachtet hat, das sich auf diese Handlung richtet. Mit anderen Worten kann der Begriff einer verbotsgegenständlichen Handlungsart nicht den Verstoß gegen dasselbe generelle Verbot implizieren.119 Das gilt auch für den Begriff der tatbestandlichen Handlung bzw. die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten als verbotsgegenständlicher Handlungen des Strafrechts. 2.  Nichts anderes hat Beling gemeint, als er den Tatbestand als „wertfrei“ bezeichnete: Das Urteil, dass eine Handlung von tatbestandlicher Art gegeben ist, hat rein deskriptive und keine normative Bedeutung. Mit diesem Urteil ist noch nicht festgestellt, dass der Handelnde dasjenige Verbot missachtet hat, welches Handlungen jener Art verbietet. Eine tatbestandliche 119  B.II.2.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Handlung kann im Einzelfall immer noch gerechtfertigt und muss schon deshalb nicht notwendig rechtswidrig sein.120 Der Gegensatz zu in diesem Sinne deskriptiven sind normative Handlungsbegriffe oder, präziser gesagt, Begriffe von Handlungsarten, die durch einen Verbotsverstoß, also ein normatives Zurechnungsurteil definiert werden. Dies sind etwa die Deliktsbegriffe des Mordes, Diebstahls und des Betrugs. Wenn man im Einzelfall eine solche Handlung annimmt, stellt man implizit fest, dass der Handelnde ein Verbot missachtet hat. Wenn man demgegenüber behauptet, dass der Handelnde eine tatbestandliche Handlung verwirklicht habe – dass er etwa einen Menschen getötet, eine fremde Sache weggenommen oder einen anderen getäuscht und am Vermögen geschädigt habe – ist ein normatives Zurechnungsurteil noch nicht impliziert. 3.  Die These von der Wertfreiheit des Tatbestands wurde teils überinterpretiert und teils missverstanden. So hat M. E. Mayer den Begriff der „normativen Tatbestandsmerkmale“ eingeführt. Beispielhaft hierfür ist das Merkmal der „Fremdheit“ einer Sache, das auf die zivilrechtliche Eigentumslage und somit denjenigen Normenkomplex Bezug nimmt, welcher das Eigentum regelt. Mayer hat diese Merkmale zwar als Tatbestandsmerkmale bezeichnet, wegen ihres normativen Hintergrunds aber primär als Rechtswidrigkeitsmerkmale aufgefasst, weil Tatbestandsmerkmale bloß deskriptiv seien.121 Dass jemand eine fremde Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB weggenommen hat, ist aber ungeachtet der Bezugnahme auf andere Normen insofern ein deskriptives Urteil, als es kein normatives Zurechnungsurteil impliziert. „Wegnahme“ und „Zueignung einer fremden Sache“ sind die tatbestandlichen Handlungsarten des Diebstahls, weshalb die „Fremdheit“ kein eigenständiges Rechtswidrigkeitsmerkmal ist. 4. Die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten sind zwar im genannten Sinn deskriptiven Charakters. Alle Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten sind aber normativ geprägt in dem Sinn, dass sich ihre Definition an der Frage ausrichtet, welche Handlungsarten bei Strafe verboten sein sollen.122 Die jeweilige Definition bezweckt nicht bloß die Beschreibung einer vorgefundenen Wirklichkeit, sondern bezieht sich auf die Gestaltung der Wirklichkeit. Die Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten werden mit Blick auf das Verbot definiert. 120  Beling

(1906) S. 112, 145 ff., 162 ff., ders. (1930) S.  30 f. E. Mayer (1915) S. 182 ff. Daran anschließend Mezger (1926) S.  215 ff., Grünhut (1930) S. 21 ff. Hierzu wiederum Engisch (1954) S.  135 ff., Roxin (1970a) S.  36 f., Ziemann (2009) S.  125 ff. 122  Wolf (1929) S. 44 f., 54 ff., (1931) S. 434 f. Hierzu Engisch (1954) S.  138 f., Schünemann (1984) S. 30 f. Zum kriminalpolitischen Aspekt Amelung (1984) S.  87 ff. 121  M.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff57

Beling erkannte die normative Prägung der Tatbestandsmerkmale bereits ansatzweise.123 Der „empirische Befund“ bestätigt es: Sofern das Gesetz erfolgsdefinierte Handlungsarten und somit letztlich nur den Erfolg bezeichnet (§§ 212, 223, 239, 242, 303 StGB), sind die Bestimmung von Tatobjekt und Erfolg normativ geprägt. Beispiele sind die Begriffe Mensch,124 Gewahrsam (mit Bezug auf die Verkehrsanschauung) und Vermögensschaden (mit einer normativ wertenden Überformung der wirtschaftlichen Bilanzierung). Auch Begriffe tatbestandlicher Handlungen, die nicht durch den Erfolgseintritt definiert sind, sind normativ geprägt, etwa bei der Nötigung (§ 240 StGB). Die deskriptive Definition der Drohung als Ankündigung eines Nachteils genügt nicht. Vielmehr muss fallgruppenweise bestimmt werden, welche Nachteilsankündigungen verboten bzw., wie § 240 Abs. 2 StGB sagt, verwerflich sind.125 Gleiches gilt für das Merkmal der Täuschung beim Betrug. Die konkludente Täuschung wird fallgruppenweise durch Bezugnahme auf die Verkehrsanschauung und somit normativ bestimmt. Dass jemand täuscht, der rechnungsähnliche Anzeigenofferten verschickt,126 ist eine nur normativ begründbare Auslegung des Begriffs der Täuschung. Die fallgruppenbezogene Konkretisierung derartiger Begriffe führt zu extensiven Definitionen, wie sie die Seiten der Strafrechtskommentare füllen. Sie gibt den Begriffen einen eigentümlichen, von der normalsprachlichen Verwendung abweichenden Inhalt. 5. Dass eine solche Auslegung bzw. Definition des Begriffs einer tatbestandlichen Handlungsart ein generelles normatives Urteil ist, bzw. dass sie die Behauptung einer generellen Norm impliziert, wird deutlich, wenn man sich die logische Konsequenz der Auslegung vor Augen führt: Sie ordnet der tatbestandlichen Handlungsart eine andere, weniger abstrakt beschriebene Handlungsart unter und setzt somit implizit eine konkretisierende generelle Norm. Darstellbar ist das im modus barbara: Obersatz (Gesetzesnorm): Jeder, der rechtswidrig und schuldhaft täuscht und dadurch einen anderen schädigt, soll bestraft werden. Untersatz (Auslegung bzw. exemplifizierende Definition): Jeder, der rechnungsähnliche Anzeigeofferten versendet, täuscht. 123  Am Beispiel der Hehlerei rechtswidrig erbettelter Sachen Beling (1906) S.  215 f. 124  Roxin AT I (2006) § 10 Rn. 11, 59. 125  Welzel (1969) S. 54, 82 sah die Nötigung deshalb als „offenen“ Tatbestand, ablehnend Roxin (1970a) S. 60 f., ders. AT I (2006) § 10 / 43, Jakobs AT (1991) 6 / 62. 126  BGHSt 47, 1, 3.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Schluss (konkretisierende Norm): Jeder, der rechtswidrig und schuldhaft rechnungsähnliche Anzeigeofferten versendet und dadurch einen anderen schädigt, soll bestraft werden.

Die Behauptung einer Auslegung des Begriffs der tatbestandlichen Handlungsart ist somit immer ein generelles normatives Urteil. 6.  Im Kontrast dazu lässt sich gut zeigen, dass das singuläre Urteil, dass im Einzelfall eine Handlung von tatbestandlicher Art gegeben ist, kein normatives Urteil ist. Dieses Subsumtionsurteil hat die Form des modus ponens: 1. Prämisse (Ergebnis der Auslegung): Wenn eine Person rechnungsähnliche Anzeigeofferten versendet (Antezedenz), so täuscht diese Person (Konsequenz). 2. Prämisse: Nun hat X derartige Offerten versendet. Schluss: Also hat X getäuscht.

In diesem Urteil wird nur festgestellt, dass der Einzelfall der Definition der tatbestandlichen Handlungsart bzw. der beispielhaft genannten Fallgruppe entspricht und somit auch die Anwendungsvoraussetzungen des Begriffs der tatbestandlichen Handlungsart erfüllt sind. Es wird eine Handlung im nichtoder vornormativen Sinn bejaht und noch kein Normverstoß festgestellt, da der Begriff der tatbestandlichen Handlungsart nicht durch den Normverstoß definiert wird. Die oben aufgezeigte normative Prägung des Begriffs einer tatbestandlichen Handlungsart ist deshalb ohne weiteres damit vereinbar, dass das Urteil, dass im Einzelfall eine Handlung dieser Art vorliegt, deskriptiven Charakter hat. Der normative Aspekt der Tatbestandsprüfung ist somit die Entscheidung für eine bestimmte Auslegung des Begriffs der tatbestandlichen Handlungsart, nicht das singuläre Urteil über das Gegebensein einer Handlung. Auslegung und Subsumtion sind zu trennen. Die Auslegung greift über den Einzelfall hinaus. Mit ihr wird implizit eine konkretisierende generelle Norm gesetzt. Während die Auslegung ein generelles normatives Urteil ist, ist die Subsumtion ein singuläres deskriptives Urteil. 7. Das singuläre normative Urteil ist dann dasjenige über die normative Zurechnung, also über den Normverstoß. Während zunächst festgestellt wurde, dass im Einzelfall eine Handlung von tatbestandlicher Art gegeben ist, wird im Urteil der normativen Zurechnung festgestellt, dass diese Handlung das Verbot verletzt. Die logische Form dieses Urteils ist wiederum, da es singulär ist, der modus ponens:



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff59 1. Prämisse: Wenn es verboten ist zu täuschen und eine Person getäuscht hat, so hat die Person das Verbot zu täuschen missachtet. 2. Prämisse: Nun ist es verboten zu täuschen, und A hat getäuscht. 3. Schluss: Also hat A das Verbot zu täuschen missachtet.

Die Urteile, dass eine tatbestandliche und somit verbotsgegenständliche Handlung vorliegt und dass diese verboten ist, sind logisch verschieden. Auch wenn das Verbot außer der tatbestandlichen Handlung keinen weiteren Inhalt hätte, wäre das Urteil, dass diese Handlung gegeben ist, nicht gleichbedeutend mit dem Urteil, dass sie verboten ist, da die tatbestandliche als verbotsgegenständliche Handlung nicht dadurch definiert sein kann, dass sie verboten ist. 8. Belings Bemerkungen zur „Wertfreiheit“ des Tatbestands sind oft als missverständlich kritisiert worden.127 Sie können wie folgt präzisiert werden: Man muss unterscheiden zwischen (a) dem Begriff der tatbestandlichen Handlung und (b) dem singulären Urteil, dass eine einzelne tatbestandliche Handlung vorliege. (a) Der Begriff einer tatbestandlichen Handlungsart ist nicht „wertfrei“, weil er im normativen Kontext steht und dementsprechend ausgelegt wird. Mit der Statuierung eines Straftatbestands legt der Gesetzgeber fest, welche Handlungsart bei Strafe verboten ist. Der Begriff dieser Handlungsart ist deshalb normativ geprägt. (b)  Gleichwohl ist das singuläre Urteil über die Tatbestandlichkeit wertfrei in dem Sinn, dass ein negatives Werturteil über die einzelne Handlung mit ihm weder explizit noch implizit verbunden ist. Da der Begriff einer tatbestandlichen Handlung nicht durch das Merkmal der Verbotswidrigkeit definiert wird, sondern lediglich normativ geprägt, also seinem Inhalt nach von einer Norm abgeleitet ist, kann auch das singuläre Urteil, dass eine solche Handlung vorliegt, ein normatives Zurechnungsurteil nicht enthalten. Insofern ist es rein deskriptiv; es stellt Tatsachen fest. e) Tatbestandliche Handlungsart und Rechtfertigungsmerkmale 1. Die verbotsgegenständlichen Handlungsarten des Strafrechts sind die tatbestandlichen Handlungsarten. Es wurde gezeigt, dass die Merkmale eines Unrechtstatbestands weitgehend als Merkmale der jeweiligen Handlungsart 127  Hirsch

(1960) S. 106, Roxin (1970a) S.  36 f.

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B. Handlung und normative Zurechnung

aufzufassen sind. Es bleibt zu klären, ob die tatbestandliche Handlungsart auch dadurch definiert wird, dass die Voraussetzungen der Rechtfertigung nicht vorliegen, oder ob die fehlende Rechtfertigung eine sonstige Rechtswidrigkeitsvoraussetzung ist. Das Urteil über die fehlende Rechtfertigung als solches in den Begriff der tatbestandlichen Handlung einzubeziehen, ist nicht möglich, da der Begriff der tatbestandlichen Handlung kein normatives Zurechnungsurteil implizieren kann. Dass eine Handlung nicht gerechtfertigt ist, bedeutet, dass sie nicht erlaubt und somit verboten ist. Dagegen, das Fehlen der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe in den Begriff der tatbestandlichen Handlung einzubeziehen, spricht prima facie, dass diese Handlung gleichermaßen vom Verbot und der korrespondierenden Erlaubnis bezeichnet wird. Wenn das Gesetz die Notstandserlaubnis (§ 34 StGB) dahingehend formuliert, dass im Notstand die Tat (d. h. die tatbestandliche Handlung, z. B. die Beschädigung einer fremden Sache) nicht rechtswidrig ist, kann der Begriff der Tat nicht implizieren, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nicht vorliegen, denn eine Beschädigung in diesem Sinn wäre niemals erlaubt. Der Begriff der tatbestandlichen Handlung, den das Verbot und die korrespondierende Erlaubnis in Bezug nehmen, ist offensichtlich derselbe. Die Fragestellung der folgenden Überlegungen ist deshalb letztlich weniger, ob das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen die tatbestandliche Handlungsart definiert – was ersichtlich niemand vertritt128 – als, warum das nicht der Fall ist. Denn oben wurde das insoweit gegenläufige Prinzip aufgestellt, dass Tatbestandsmerkmale als Merkmale der tatbestandlichen Handlungsart aufgefasst werden sollten, weil sie Sinnbezüge herstellen, die auch für den Handelnden wesentlich sind. Geht man von diesem Gedanken aus, liegt es eigentlich nahe, das Nichtgegebensein von rechtfertigenden Umständen in die Definition der tatbestandlichen Handlungsart aufzunehmen. Für den Handelnden ist es ein wesentlicher Unterschied, ob er jemanden verletzt, nachdem dieser ihn angegriffen hat oder ob er ihn verletzt, ohne dass derartige Umstände gegeben sind. 2. Eine einfache Antwort auf diese Fragestellung wäre, dass das Fehlen von rechtfertigenden Umständen von den Verboten tatbestandlicher Handlungen gar nicht in Bezug genommen wird. Das ist die Antwort der finalen Handlungslehre. Ihr Gegner war insoweit die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen.129 Gallas (1955) S.  22 f., 27 f. Begriff der negativen Tatbestandsmerkmale geht zurück auf Merkel (1889) S. 82. Dogmengeschichtliche Darstellung bei Hirsch (1960) S. 14–219. 128  Vgl. 129  Der



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff61

Von „negativen Tatbestandsmerkmalen“ kann man nur reden, sofern man den Begriff des Tatbestands als Inbegriff der Unrechtsvoraussetzungen auffasst („Gesamtunrechtstatbestand“).130 Im Tatbestand des Strafgesetzes, also der Sanktionsnorm, ist das Fehlen von Rechtfertigungsgründen kein negatives Merkmal. Die Nichtrechtfertigung ist vielmehr in der allgemeinen Deliktsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit inbegriffen, und diese Voraussetzung ist ihrerseits unabdingbar. Demnach lautet eine Sanktionsnorm etwa: „Wer rechtswidrig und schuldhaft tötet, soll bestraft werden.“ In der Verhaltensnorm erscheint das Fehlen rechtfertigender Umstände demgegenüber als negative Bedingung. Wenn das Gesetz bestimmt, dass eine Tat in Notwehr oder Notstand nicht rechtswidrig ist (§ 32, 34 StGB), kann sie nicht verboten sein. Verboten ist eine tatbestandliche Handlung nur, wenn kein Rechtfertigungsgrund vorliegt. 3.  Im Gegensatz zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen konzipierten die Anhänger der finalen Handlungslehre Verbot und verbotsbezogene Erlaubnis als zwei voneinander unabhängige Normen; der Inhalt der Erlaubnis wird nicht in das Verbot hineingelesen. Die gerechtfertigte Handlung widerspricht demnach zwar dem Verbot, aber weil die Erlaubnis eingreift, ist sie nicht pflicht- und deshalb nicht rechtswidrig.131 Das Verbot der tatbestandlichen Handlung wird somit als ein unbedingtes (ausnahmsloses) konzipiert. Nach dem hier zugrunde gelegten Zurechnungskonzept kann es eine Norm- ohne Pflichtwidrigkeit allerdings nicht geben: Eine Handlung widerspricht nur dann einer generellen Norm, wenn sie einer konkreten Norm („Pflicht“) widerspricht, die aus der generellen Norm abgeleitet ist.132 Ein weiteres Modell, welches die Erlaubnisbedingungen nicht in den Verbotsinhalt aufnimmt, ist das Rechtfertigungskonzept, das Gardner in Anschluss an Raz entwickelt hat: Ist eine Handlung gerechtfertigt, liefere das Verbot, das als unbedingtes gedacht wird, immer noch einen Grund, der gegen sie spricht. Es verliere nur seine Wirkung, gegenläufige Gründe auszuschließen, und wird deshalb von dem Grund, der hinter der Erlaubnis steht, gleichsam übertrumpft.133 Ein Verbot ist (aus der Sicht eines Erwartenden) aber nur dann korrekt in die Sprache der Handlungsgründe übersetzt, wenn es als Grund bezeichnet 130  Puppe

(1993) S. 188. Vgl. schon B.III.2.b). Kaufmann (1954) S.  249 f., Hirsch (1960) S.  276 f., Welzel (1969) S.  50 f., 80 ff., Paeffgen / Zabel NK-StGB (2017) Vor §§ 32 ff. Rn. 8. 132  Siehe C.V.1.b). 133  Gardner (2007) S. 95 ff., 146 ff., hierzu Grosse-Wilde (2011) S.  83 ff., Paeff­ gen / Zabel NK-StGB (2017) Vor 32 ff. Rn. 8a f. 131  Armin

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B. Handlung und normative Zurechnung

wird, der alle anderen Gründe ausschließt bzw. herabstuft. Ein Grund, der Gegengründe zulässt, ist – in die Sprache der Normen zurückübersetzt – kein Verbot, sondern nur eine relativierbare Bewertung, die im Einzelfall zurücktreten kann. 4. Die normentheoretische These der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ist zutreffend: Das Verbot einer Handlungsart und die korrespondierenden Erlaubnisse derselben Handlungsart ergänzen einander: Dass eine Handlung nur erlaubt ist, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen (alternativ Notwehr oder Notstand oder andere Rechtfertigungsgründe), heißt nichts anderes, als dass sie verboten ist, wenn diese Bedingungen nicht vorliegen. Eine bedingte, abschließende „nur-wenn“-Erlaubnis ist mit dem korrespondierenden bedingten „wenn-nicht“-Verbot gleichbedeutend. Diese Erlaubnis ist lediglich ein negativ ausgedrücktes Verbot. Die Negation der norminhaltlichen Bedingung und die Negation des Normoperators sind gleichwertig und können gegeneinander ausgetauscht werden. Ist es nur bei Grün erlaubt (= nicht verboten), über eine Ampel zu fahren, ist es verboten zu fahren, wenn die Ampel nicht grün anzeigt (entsprechend umgekehrt, wenn man Verbot und Erlaubnis auf die rote Ampel bezieht). Die Erlaubnissätze, die den einzelnen Rechtfertigungsgründen wie Notstand und Notwehr zugrunde liegen, sind allerdings nicht im Sinn eines „nur wenn“ abschließend bedingt. Sie sind lediglich durch ein „jedenfalls wenn“ bedingt. Sie verwenden somit die logische Relation der Implikation, während die abschließende Erlaubnis eine Replikation ausdrückt. Verneint man die Voraussetzungen einer solchen nicht abschließenden Erlaubnis, heißt das nicht, dass die Handlung verboten ist. Es kann immer noch eine andere Erlaubnis eingreifen. Wenn man Notwehr verneint, kann noch Notstand gegeben sein. Beachtet man aber sämtliche Erlaubnissätze, die sich auf eine Handlung beziehen, und ist diese Handlung nicht von ihnen gedeckt, lässt sich ein sicherer Rückschluss darauf ziehen, dass die Handlung verboten ist. 5. Das Verbot der tatbestandlichen Handlung ist somit dadurch bedingt, dass die Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nicht vorliegen. Deshalb wäre es prinzipiell möglich, jene negative Kennzeichnung der Handlungssituation zugleich als Merkmal des Begriffs der verbotsgegenständlichen bzw. tatbestandlichen Handlungsart aufzufassen. Die normentheoretische These der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen zwingt aber nicht zu einer bestimmten Konzeption der tatbestandlichen bzw. normgegenständlichen Handlungsart. Es ist zunächst durchaus möglich, dass eine tatbestandliche Handlung durch negative Merkmale charakterisiert ist. Ein Beispiel hierfür ist das strafbewehrte Verbot, ohne Fahrerlaubnis Auto zu fahren (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG). Die negative Verbotsbedingung ist ein Merkmal des Begriffs der



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff63

entsprechenden tatbestandlichen Handlung („ohne Fahrerlaubnis fahren“). Indessen ist das Haben einer Fahrerlaubnis kein Rechtfertigungsgrund für das Autofahren. Vielmehr weist das negative Handlungsmerkmal darauf hin, dass das Gegenteil erwartet wird (dass man eine Fahrerlaubnis hat, falls man fährt). Das Nichthaben einer Fahrerlaubnis gleicht einer in der Handlung des Fahrens implizierten Unterlassung. Ähnliches gilt für Rechtfertigungsgründe nicht: Wenn man eine Straftat begeht, unterlässt man nicht, gerechtfertigt zu handeln. 6. Die Rechtfertigungsmerkmale unterscheiden sich grundlegend von sonstigen negativen Verbotsmerkmalen. Der Unterschied ist teleologischer Art. Er besteht darin, dass die Rechtfertigung dem Verbotszweck widerspricht. Von der Zwecksetzung des Verbots bzw. der ihm zugrunde liegenden Wertung her gesehen, ist die Rechtfertigungsausnahme nicht erklärbar. Das Verbot bezweckt gerade, Handlungen und Erfolge dieser Art zu vermeiden. Relativ zu dieser Zwecksetzung ist die gerechtfertigte Handlung negativ bewertet. Dieser Wertaspekt wird aber von einem anderen verdrängt, der für die gerechtfertigte Handlung spricht: Sie dient einem positiv bewerteten Zweck. Zwar widerspricht sie einer rechtlich anerkannten Wertung; das Recht räumt aber einem anderen Wertgesichtspunkt den Vorrang ein – zum Beispiel dem, eine Rechtsverletzung oder einen Schaden an einem Erhaltungsgut zu verhindern. Demgegenüber erklärt sich im Beispiel des Fahrens ohne Fahrerlaubnis die negative Verbotsbedingung aus der Teleologie des Verbots selbst: Der Grund des Verbots ist unter anderem sicherzustellen, dass nur geeignete Fahrer am Straßenverkehr teilnehmen. Fährt man mit Fahrerlaubnis, gilt man als geeignet. Die Regeln zur Rechtfertigung sind somit zwar Bestandteil des Verbots, aber teleologisch gesehen verbotsfremd. Sie lösen einen Widerspruch im Einzelfall kollidierender Bewertungen auf.134 Hierin, nicht in ihrem vom Verbot aus gesehen negativen Charakter, liegt der Grund, warum das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen nicht als Merkmal der verbotsgegenständlichen bzw. tatbestandlichen Handlungsart zu konzipieren ist. In dieser Frage wird die Differenz zwischen dem unrechts- und handlungsbezogenen Tatbestandsbegriff am deutlichsten greifbar. Weil das strafrechtliche Verbot das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen in Bezug nehmen muss, enthält auch der Unrechtstatbestand die Bezugnahme hierauf. Dass 134  Vgl.

auch Schmidthäuser (1969) S. 440, 450 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

man gleichwohl die Rechtfertigung vom Unrechtstatbestand absondert, ist aus dieser Sicht pragmatisch sinnvoll, aber begrifflich nicht maßgeblich. Aus der Sicht des handlungsbezogenen Tatbestandsbegriffs, nach welchem der Tatbestand die verbotsgegenständliche Handlungsart beschreibt, ist das Fehlen von Rechtfertigungsvoraussetzungen hingegen eine Frage der Rechtswidrigkeit, nicht des Tatbestands. Die Differenzierung der Prüfungsstufen Tatbestand und Rechtswidrigkeit ist aus dieser Sicht systematisch begründet. Der Streit um den zwei- oder dreistufigen Verbrechensaufbau dürfte somit in der unzureichenden Differenzierung beider Tatbestandsbegriffe begründet sein. 7.  Die Voraussetzung, dass rechtfertigende Umstände nicht gegeben sind, gehört somit zwar zum Unrechtstatbestand, aber aufgrund der Teleologie des Verbots nicht zum „Handlungstatbestand.“ Da Beling die Rechtfertigungsgründe der Rechtswidrigkeitsstufe zuweist, geht er von einem Verständnis des Tatbestandsbegriffs als Handlungstatbestand aus. Im Tatbestand wird der Verbrechenstypus festgelegt.135 Das geschieht dadurch, dass der tatbestandliche Handlungstypus, d. h. die tatbestandliche Handlungsart beschrieben wird. Beling hat sich auch gegen die Konzeption der Rechtfertigungsgründe als negativer „Tatbestandsmerkmale“ ausgesprochen, was unter der Prämisse einer handlungsbezogenen Konzeption des „Tatbestands“ konsequent ist.136 Aus dieser handlungsbezogenen Sicht der Tatbestandlichkeit ist das singuläre Urteil über die Tatbestandlichkeit einer Handlung deshalb durchaus als „wertfrei“ in dem Sinn zu bezeichnen, dass es ein Unwerturteil weder enthält noch notwendig zur Folge hat. Mit ihm ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Urteil gegeben, dass die tatbestandliche Handlung Unrecht ist. Das wurde in der späteren Kritik an Belings Konzept verkannt. So hat sich Mezger gegen die These von der „Wertfreiheit“ des Tatbestands folgendermaßen geäußert: „Der Akt der gesetzgeberischen Tatbestandsschöpfung […] enthält unmittelbar die Rechtswidrigkeitserklärung, die Unrechtsbegründung als speziell typisiertes Unrecht. Der Gesetzgeber schafft durch die Formulierung des Tatbestandes die spezifische Rechtswidrigkeit: die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung ist mitnichten bloße ratio cognoscendi, sondern echte ratio essendi der (speziellen) Rechtswidrigkeit.137 Sie macht die Handlung zur rechtswidrigen Handlung, freilich nicht für 135  Beling

(1906) S.  21 ff., 110 f. (1906) S. 37 ff., 148 f., 166. 137  Mezger bezieht sich auf die These M. E. Mayers (1915) S. 10, 51 f., 184, der genau umgekehrt den Tatbestand als Erkenntnisgrund (Indiz) der Rechtswidrigkeit ausgewiesen hat. Diese Unterscheidung ist unpassend, da sie sich auf Ursache-Wir136  Beling



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff65 sich allein, sondern nur in Verbindung mit dem Fehlen besonderer Unrechtsausschließungsgründe. […] Der Tatbestand ist das Urteil darüber, dass die ihm unterfallende Handlung bis auf weiteres Unrecht ist.“138

Dass eine Handlung von tatbestandlicher Art bis auf weiteres oder prima facie Unrecht ist, heißt aber, dass sie noch kein Unrecht ist. Die Informationen, die beim Handlungstatbestand in Betracht gezogen werden, genügen nicht, um ein Unrechtsurteil zu begründen. Immerhin kann man feststellen, dass eine Handlung von einer Art vorliegt, die der Gesetzgeber generell missbilligt. Für die einzelne Handlung drückt das aber gerade keine Missbilligung aus. Es ist nur eine generelle, nicht auf die Einzelhandlung bezogene Bewertung, wie sie eben auch im „Akt der gesetzgeberischen Tatbestandsschöpfung“ zum Ausdruck kommt. 8. Wenn man nicht vom Handlungs-, sondern vom Unrechtstatbestand ausgeht, ermöglicht das Tatbestandsurteil hingegen, ohne weitere Tatsachenfeststellungen das Unrechtsurteil zu fällen. Wenn alle tatsächlichen Voraussetzungen des Unrechtsurteils feststehen, kann in einem nächsten Schritt auf die Rechtswidrigkeit geschlossen werden. Gleichwohl sind beide Urteile zu unterscheiden. Das singuläre Urteil über die Tatbestandlichkeit allein ist bloß deskriptiv. Der Schluss auf das Rechtswidrigkeitsurteil ergibt sich erst in Verbindung mit der generellen normativen Prämisse, dass jede Verwirklichung des „Unrechtstatbestands“ rechtswidrig ist.139 Da der Begriff der Tatbestandlichkeit nicht durch den Begriff der Rechtswidrigkeit, sondern nur als Inbegriff der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit definiert wird, impliziert die Tatbestandlichkeit begrifflich nicht die Rechtswidrigkeit. Das Tatbestandsurteil ist deshalb nicht gleichbedeutend mit dem Rechtswidrigkeitsurteil, so dass, auch wenn man den Begriff des Gesamtunrechtstatbestands zugrunde legt, als Voraussetzungen des Verbrechens Tatbestandlichkeit und Rechtswidrigkeit zu nennen sind.

kungs-Relationen bezieht. Man könnte indes die Tatbestandsmäßigkeit im logischen Sinne als notwendige Bedingung der speziellen Rechtswidrigkeit (des Verstoßes gegen das Verbot der tatbestandlichen Handlung) bezeichnen. Dann wäre der Streit zu übersetzen in die Frage, ob sie nur notwendige oder auch schon hinreichende Bedingung ist. 138  Mezger (1926) S. 195, auch S. 190 f. Differenzierter ders. (1953) S. 3. 139  Siehe oben, B.III.2.d).

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B. Handlung und normative Zurechnung

3. Die Handlung als willkürliche Körperbewegung a) Die Definition der Handlung als willkürliche Körperbewegung Für Beling begründet die These von der logischen Gleichordnung der Deliktsmerkmale Tatbestandlichkeit, Rechts­widrigkeit und Schuld die Gleichrangigkeit der entsprechenden Prüfungsstufen. Auf die gleiche Stufe mit diesen Attributen wollte Beling nun auch die Handlung selbst stellen und sie als eigenständigen, gleichgeordneten Prüfungspunkt etablieren. Zuerst sei festzustellen, dass eine Handlung, dann, dass eine tatbestandliche Handlung gegeben ist: „Es ist ja doch unbestreitbar, dass es Handlungen gibt, die einen strafrechtlich relevanten Tatbestand ausmachen – strafrechtlich charakterisierte Handlungen –, und solche, die das nicht tun. Folglich rührt die Feststellung, dass eine ‚Handlung‘ vorliege, noch gar nicht an die Eigenschaften der Handlung. Noch bevor man die Frage aufwirft, ob die Tat ein ‚Diebstahl‘, ein ‚Mord‘ usw. sei, mit anderen Worten bevor man ihre Bedeutung prüft, ist die Frage selbständig zu erledigen, ob über­ haupt eine ‚Handlung‘ vorliege.“140

Eine Abstufung von Gattungs- und Artmerkmalen ist ohne weiteres möglich. Zum Beispiel kann man, wenn man prüft, ob ein Einzelding eine Platane ist, zunächst darlegen, dass es ein Baum ist, weil es eine Pflanze mit Blättern und Stamm ist und anschließend, dass es eine Platane ist, weil die Blätter eine dreizackige, ahornblattähnliche Form haben und sich die Rinde in Platten ablöst. Die vom kausalen Handlungsbegriff ausgehende Prüfung, ob eine Täuschungshandlung vorliegt, kann dementsprechend aufgeteilt werden. Zuerst wäre darzulegen, dass eine willkürliche Körperbewegung gegeben ist, weil der Täter einem anderen etwas gesagt hat. Anschließend wäre darzulegen, dass die Körperbewegung objektiv den Sinn einer Täuschung hat. Die Prüfung einer Schädigungshandlung müsste abstrakt, ohne Rücksicht auf die Handlungsart, aufzeigen, dass überhaupt eine Veränderung vorliegt – etwa weil der Getäuschte dem Täuschenden Geld gegeben hat –, um bei der Prüfung der Handlungsart festzustellen, ob ein Vermögensschaden gegeben ist. Diese Aufspaltung der Prüfung in allgemeine und besondere Handlungsmerkmale ist aber überflüssig, weil man sich auf beiden Prüfungsstationen auf dasselbe Geschehen bezieht. Diese Doppelung kann Beling vermeiden, indem er die Merkmale des kausalen Handlungsbegriffs noch weiter reduziert. Er lässt den Erfolg unberücksichtigt und definiert die Handlung allein durch das Merkmal der will140  Beling

(1906) S. 13.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff67

kürlichen Körperbewegung.141 Ein von der Körperbewegung verschiedener Erfolg könne nicht ein Merkmal des Oberbegriffs der kausalen Handlung sein, da es Delikte und somit Handlungen gebe, die einen solchen Erfolg nicht voraussetzen.142 Die Verursachung des Erfolgs sei gegebenenfalls erst ein Merkmal der besonderen tatbestandlichen Handlungsbegriffe, nicht des abstrakten Oberbegriffs. b) Die Handlung als vortatbestandliche Prüfungsstufe Indem man die Handlung nur als Körperbewegung definiert, kann man somit vermeiden, in einer vortatbestandlichen Prüfung der Handlung Merkmale der tatbestandlichen Handlung vorwegzunehmen. Ungeachtet dessen ist diese Prüfung überflüssig.143 Handlungen gibt es ebenso wie etwa Bäume nur in besonderen Arten. Wie Honig bemerkt hat, kann man „nicht schlechthin, sondern nur etwas unterlassen“ und „nicht schlechthin, sondern nur etwas tun.“ Das dürfe man „beim Gebrauch des Gattungsbegriffs Handlung, der als letzte Abstraktion keine Objektsbeziehung mehr aufweist, [nicht] vergessen.“144 Die für die strafrechtliche Prüfung in erster Linie relevante Handlungsart ist dabei die tatbestandliche Handlungsart. Der Begriff einer tatbestandlichen Handlungsart muss dabei alle Merkmale des abstrakten Handlungsbegriffs aufweisen. Der kausalen Lehre zufolge gehört dazu auch das Merkmal der willkürlichen Körperbewegung. Dieses steht gleichrangig neben seinen übrigen Merkmalen, z. B. dem Eintritt eines Erfolgs. Die Abgrenzungsfunktion, etwa zu Reflexen oder Bewegungen im Schlaf, erfüllt deshalb jeder Handlungsbegriff, da er – als Ober- oder Unterbegriff – Handlungen von Nichthandlungen abgrenzt. Das ist also kein besonderer Vorteil des Begriffs der willkürlichen Körperbewegung. Die vortatbestandliche Prüfung der willkürlichen Körperbewegung legt schließlich eine fehlerhafte Identifikation des Prüfungsgegenstands nahe. Wenn man eine willkürliche Körperbewegung beschreibt, bezeichnet man bereits eine besondere Handlungsart – eine „Körperbewegungshandlung“. Wenn jemand einen anderen erschießt, ist das „Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole“ bereits für sich eine Handlung – jedoch nicht der tatbestandlichen Art „töten“.

141  Beling

(1906) S. 10 ff., 14, 17, 28. (1906) S.  204 ff. 143  Für eine solche Prüfung Walter (2006) S. 25 f.; häufig in den Lehrbüchern, etwa Kühl (2012) § 2 Rn. 3; Wessels / Beulke / Satzger (2017) § 23 Rn. 1201. Zutreffend demgegenüber Welzel (1969) S. 41 f., Otter (1973) S. 171. 144  Honig (1930) S. 197, ebenso Gallas (1955) S. 13 f. 142  Beling

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B. Handlung und normative Zurechnung

Die Vorstellung, dass die strafrechtlich relevante Handlung in erster Linie eine bestimmte Körperbewegung sei, kann auch zu der bereits erörterten These beitragen, dass die Handlung nur ein Tatbestandsmerkmal neben vielen anderen sei – insbesondere dem Erfolg.145 Wenn das Delikt somit als tatbestandliche, rechtswidrige und schuldhafte Handlung definiert wird, bezeichnet die Tatbestandlichkeit die relevante Handlungsart, auf welche die Prädikate Rechtswidrigkeit und Schuld­ haftigkeit erst bezogen werden.146 Da der Begriff der tatbestandlichen Handlung („Tat“) ein Unterbegriff des Begriffs der Handlung ist, steht das Deliktsmerkmal „Handlung“ nicht auf derselben logischen Stufe wie das der Tatbestandlichkeit, sondern ist in jenem impliziert. In einem Mengendiagramm umschließt der Kreis „Handlung“ den der „Tat.“ c) Der inhaltlich unbestimmte Begriff des Körperverhaltens (Handelns) Beling zielte mit dem Begriff des willkürlichen Körperverhaltens darauf, dass man feststellen kann, dass jemand gehandelt hat, ohne Art und Zahl der Handlungen genauer zu benennen: „Abstrahiert man solchergestalt von der Bedeutung des Handelns, so schrumpft die Feststellung, jemand habe ‚gehandelt‘, […] zu der einfachen Feststellung zusammen, dass er irgend eine [willkürliche] Körperbewegung oder Nichtbewegung vorgenommen habe.“147

Für das willkürliche Körperverhalten in diesem Sinn kann man aber nicht den Begriff der Handlung setzen, denn die Behauptungen, jemand habe genau eine, ihrer Art nach bestimmte Handlung vorgenommen und er habe gehandelt, unterscheiden sich voneinander: Der Begriff der Handlung bezeichnet eine abgrenzbare Einheit, der des Handelns hingegen einen kontinuierlichen Vorgang, der nur durch Schlaf, Bewusstlosigkeit oder Ähnliches unterbrochen wird. Die Beobachtung einer einzigen Bewegung oder eines Moments willkürlichen Ruhens genügt bereits um festzustellen, dass ein Handelnder gehandelt hat. Durch das Kriterium der Willkürlichkeit wird bestimmt, welcher Aspekt eines momentanen Körperverhaltens zum Handeln gehört und welcher nicht, z. B. nicht eine durch zwingende Gewalt oder einen Reflex hervorgerufene Bewegung. Das Handeln kann beschrieben werden als ständige Wahrnehmung und Nichtwahrnehmung von Möglichkeiten des Handelns und somit als Entschei145  Vgl.

hierzu bereits B.III.2.b). Radbruch (1930) S. 162, Fn. 2. 147  Beling (1906) S. 14. 146  Ebenso



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff69

den. Das kommt im Merkmal der Willkürlichkeit zum Ausdruck. Der Vollzug eines Handelns bedeutet dabei immer auch ein Unterlassen jedes alternativ möglichen Handelns, da andere Möglichkeiten im Merkmal der Willkürlichkeit begrifflich vorausgesetzt sind. Handeln und Unterlassen sind deshalb, sofern inhaltlich nicht näher spezifiziert, nahezu bedeutungsgleich. Die Beobachtung eines Handelns verweist auf ein bestimmtes Körperverhalten, die eines Unterlassens letztlich auf dasselbe Verhalten. Denn das Unterlassen wird nur negativ bestimmt als Unterlassen jedes anderen möglichen Körperverhaltens als des im Moment der Beobachtung stattfindenden. Die Begriffe des Handelns bzw. Unterlassens sind, was die Art des Handelns angeht, inhaltlich ganz unbestimmt. Wenn festgestellt wird, dass jemand handelt, kann man daraus schließen, dass mindestens eine Handlung gegeben ist; welche und wie viele darüber hinaus, bleibt unbestimmt. Diese eine Handlung ist eine beschreibbare Einheit des Körperverhaltens. Sobald man jenes beschreibt, muss man diese Handlung benennen, z. B.: „A bewegt einen Finger.“ Aus der Feststellung, jemand habe gehandelt, kann somit nur erschlossen werden, dass eine bestimmbare „Körperbewegungshandlung“ vorliegen muss; alle anderen Arten von Handlungen, etwa durch den Eintritt bestimmter Erfolge definierte Arten, können durch die Beobachtung bloß des Handelns nicht identifiziert und beschrieben werden. Für das Strafrecht hat dieser inhaltlich unbestimmte Begriff des Handelns deshalb keine Bedeutung. Weil nach der kausalen Lehre die tatbestandliche Handlung eine willkürliche Körperbewegung voraussetzt, muss diese auf der Tatbestandsstufe geprüft werden. Da man sie aber immer benennen und somit abgrenzen muss, geht man über den inhaltlich unbestimmten Begriff des Handelns sofort hinaus. d) Die Identifikation der Handlung mit dem Körperverhalten 1.  Ein wesentliches Charakteristikum des kausalen Handlungsbegriffs ist die gegenständliche Identifikation der Handlung mit physischen Ereignissen. Definiert man wie v. Liszt die Handlung als willkürliche Körperbewegung in kausaler Beziehung zum Erfolg, stellt man sich die Handlung gegenständlich als ein Ganzes vor, das aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist; der Erfolg ist ebenso wie die Körperbewegung ein Teil der Handlung. Wenn man demgegenüber mit Beling die Handlung als Körperbewegung definiert, identifiziert man sie allein mit dieser. Dass die Körperbewegung einen Erfolg verursacht, erscheint dann wie eine Eigenschaft der Körperbewegung. Die Tötungshandlung ist demnach eine willkürliche Körperbewegung, die den Tod eines anderen verursacht (spezifische Differenz). Alle Begriffe besonderer Handlungsarten haben demnach ein Körperverhalten als

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B. Handlung und normative Zurechnung

Referenzobjekt. Dasselbe „willkürliche Körperverhalten“ ist gegebenenfalls zugleich eine Körperbewegungshandlung (z. B. als eine Handlung der Art „krümmen des Fingers am Abzug einer Pistole“), eine Handlung, die einen Zwischenerfolg voraussetzt („schießen auf einen anderen“), und eine erfolgsdefinierte Handlung („töten“). 2.  Diese Identifikation macht es schwierig zu verstehen, dass Handlungen wie das „Töten“ und „Schießen“ und „Fingerkrümmen“ voneinander verschieden sind, obgleich sie auf derselben Körperbewegung beruhen, so im Beispiel auf einer Bewegung des Fingers. Man müsste demnach eher von einer einzigen Handlung ausgehen, die verschiedene akzidentielle Eigenschaften hat, das heißt solche, die für sie als Handlung begrifflich nicht notwendig sind. So sieht es in der Tat etwa Davidson. Für ihn sind die elementaren Körperbewegungen „die einzigen Handlungen, die es gibt.“148 Alle anderen Begriffe beschreiben sie nur auf andere Weise, bezeichnen aber nicht andersartige und eigenständige Handlungen.149 Vergleichbar wäre demnach der Fall, dass verschiedene Beobachter eine Person charakterisieren und der eine diese Eigenschaft hervorhebt, der andere jene, etwa die Eigenschaft, Musikliebhaber zu sein, oder die Eigenschaft, Wissenschaftler zu sein. Bezugsgegenstand der Urteile ist immer dieselbe Person; die unterschiedlichen Beschreibungen konstituieren nicht verschiedene Personen. So verhält es sich aber mit Handlungen nicht. Keine der Beschreibungen ist gegenüber anderen Beschreibungen privilegiert. Warum sollte allein die Körperbewegung, die nicht sinnvoll zerlegbar ist, die „wirkliche“ Handlung sein? Auch sie ist Handlung nicht von Natur aus, sondern nur unter einer Beschreibung als Körperbewegung dieser oder jener Art. Verschiedene Beschreibungen derselben Person berühren nicht ihre Identität, sondern setzen sie voraus; unterschiedliche Handlungsbeschreibungen konstituieren aber andere Identitäten, sofern die Handlungsbegriffe nicht denselben Bedeutungskern haben, also nicht synonym verwendet werden können. 3.  Eine Handlungsdefinition, welche die Handlung gegenständlich mit einem Körperverhalten identifiziert, kann, wie Radbruch gezeigt hat, die Unterlassung nicht erfassen. Der kurioseste Zug von Belings Handlungsauffassung liegt nun darin, dass er diese Auffassung nicht teilte. Zum einen verstand er unter einer „absoluten Unterlassung“ die vollkommene Körperruhe, die Unterlassung jeder Bewegung. So meinte er zu beweisen, dass diese Unterlassung Körperverhalten und deshalb Handlung sei.150 148  Davidson

(1971) S. 96. (1971) S. 94, 98. Zu Anscombe vgl. B.III.4.c)2. 150  Beling (1906) S.  14 f. 149  Davidson



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff71

Nun ist die absolute, willkürliche Körperruhe zweifellos eine Handlung, aber so wie jede andere Handlung auch ist sie nicht zugleich eine Unterlassung, sondern geht mit dem Unterlassen möglicher anderer Handlungen nur einher. Zum anderen verweist Beling darauf, dass in einer Handlung (etwa: dem Strümpfestricken der Mutter) eine Unterlassung liegen könne (etwa: dem Kind Nahrung zu verabreichen).151 Zutreffend daran ist, dass die Unterlassung voraussetzt, dass der Unterlassende irgendwie handelt. Identifiziert man die Unterlassung aber mit einer der Handlungen bzw. einem Körperverhalten, in welchem die Unterlassung liegt, definiert man die Unterlassung gar nicht bzw. begründet einen Zirkel: Die „Unterlassung einer Handlung“ ist ein Körperverhalten (z. B. das Strümpfestricken), in welchem die „Unterlassung einer Handlung“ (der Ernährung des Kindes) und somit (da die Unterlassung ein Körperverhalten ist, in welchem eine Unterlassung liegt) ein Körperverhalten liegt, in welchem die Unterlassung einer Handlung liegt … Stattdessen ist die Unterlassung als Nichtvornahme einer möglichen Handlung zu definieren. In der Voraussetzung der Handlungsmöglichkeit wird dabei implizit auf ein Körperverhalten Bezug genommen, von welchem ausgehend ein anderes möglich gewesen wäre. e) Das Problem der Nichtbestimmbarkeit einzelner Handlungen Definiert man die Handlung als willkürliches Körperverhalten, kann man bei Beobachtung eines Körperverhaltens nur erschließen, dass eine oder mehrere Körperbewegungshandlungen vorliegen, nicht aber, ob etwa eine Täuschungs- oder Wegnahmehandlung o. ä. gegeben ist, weil man hierzu andere Umstände als nur das Körperverhalten berücksichtigen müsste. Deshalb ermöglicht es diese Begriffsbildung nicht, sozusagen in der Vertikalen verschiedene Handlungen zu unterscheiden, die auf ein und derselben Körperbewegung aufbauen können. Doch auch in der Horizontalen, dem andauernden Handeln, kann anhand der gegebenen Definition als Körperbewegung nicht ausgemacht werden, wie Einheiten konstituiert werden, die als einzelne Handlungen auszuweisen sind. Diese Aufgabe kommt erst den Begriffen einzelner Handlungsarten zu. Hierin liegt ein großes Manko der kausalen Handlungslehre: Die Definition eines Begriffs sollte den Begriffsanwender in die Lage versetzen, die durch den Begriff bezeichneten Gegenstände zu erkennen. Das gilt auch für die Definition eines Gattungsbegriffs, da er lediglich die Frage der Artzugehörigkeit offen lassen kann. So muss eine gute Definition des Begriffs Baum ermöglichen festzustellen, ob es sich bei einem Einzelding um einen Baum 151  Beling

(1906) S. 15.

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B. Handlung und normative Zurechnung

handelt. Hierzu muss man nicht wissen, um welche Art Baum es sich handelt. Auch der allgemeine Begriff der Handlung sollte die Identifikation einzelner Handlungen ermöglichen. Er muss Merkmale enthalten oder auf Kriterien verweisen, die es ermöglichen, eine einzelne Handlung zu bestimmen. Dieser Mangel des kausalen Handlungsbegriffs wird durch die Methode begründet, die Definition durch bloße Reduktion und nicht durch Abstraktion von Begriffsmerkmalen einzelner Handlungsbegriffe zu entwickeln. Während die reduktionistische Begriffsbildung einfach Merkmale weglässt, sucht die abstrahierende die Gemeinsamkeit von Merkmalen verschiedener Artbegriffe (bzw. von Eigenschaften der bezeichneten Gegenstände). Wenn das gelingt, können auch die Merkmale der Artbegriffe auf entsprechende Merkmale des Gattungsbegriffs bezogen bzw. aus ihnen entwickelt werden.152 So beziehen sich die Merkmale des Begriffs der Platane auf die Merkmale des Begriffs Baum, werden aber durch zusätzliche Eigenschaften ergänzt (Form des Stamms, der Blätter etc.). Dass ein tatbestandlicher Handlungsbegriff wie „töten“ durch die Verursachung eines Erfolgs oder der Begriff der „Täuschung“ durch Sinnaspekte definiert wird, hat demgegenüber keine Entsprechung in einem Merkmal eines Handlungsbegriffs, der nur durch die Körperbewegung definiert wird. Die Begriffe der Arten von Handlungen werden vielmehr nach der Art eines Baukastensystems durch bloßes Hinzufügen von Merkmalen gebildet. Die Bemühung um eine Definition eines Begriffs kommt, wenn der Gegenstand komplex ist, nicht umhin, eine Theorie des Gegenstands zu entwickeln. Es würde verwundern, wenn sich ausgerechnet die Handlung mit einer reduktionistischen und extrem einfachen Definition erfassen ließe. Es ist keineswegs überholt, wenn in der Logik von Port-Royal für die Definition gefordert wird: „Eine Definition muss klar sein, das heißt, sie muss uns dazu dienen, eine klarere und deutlichere Idee des definierten Dinges zu erhalten, und sie muss uns soweit als möglich seine Natur erkennen lassen: so dass sie uns dazu verhilft, die hauptsächlichen Eigenschaften des Dinges auf ihren Grund zurückzuführen.“153

4. Erfolgsdefinierte Handlungsarten Bei Delikten, die einen Erfolg voraussetzen, ist dieser sowohl für die kausale als auch die finale Handlungslehre ein Merkmal der tatbestandlichen und somit verbotsgegenständlichen Handlungsart. Die Handlung und daher auch der Verstoß gegen das Verbot dieser Handlung setzen demnach voraus, dass der Handlungserfolg eintritt. 152  Vgl.

Cassirer (1910) S.  27 ff. (2005) S. 159.

153  Arnauld / Nicole



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff73

Beide Handlungslehren nehmen an, dass der Erfolg durch den Handelnden verursacht sein müsse. Für sie ist die Handlung ein Kausalprozess aus Wille, Körperverhalten und Erfolg. Das ist eine naturalistische Sichtweise, die dem hier zu entwickelnden Zurechnungskonzept entgegengesetzt ist. Sie zementiert für das Strafrecht, was man als „Kausaldogma“ bezeichnen kann – nämlich die Annahme, dass Handlungserfolg und somit normativ zurechenbar nur sein könne, was der Handelnde verursacht hat.154 Dieses Dogma hat zu einer Hypertrophie des Kausalitätsbegriffs in der strafrechtswissenschaftlichen und moralphilosophischen Diskussion geführt.155 Dieser Begriff wurde dabei mit der Bedingungstheorie in eigentümlicher Weise sehr weit gefasst, woraus für die Handlungslehren das Problem der Begrenzung der Zurechenbarkeit von Erfolgen entstand; hierzu mehr im anschließenden fünften Kapitel. Zunächst wird der strafrechtliche Begriff des „Erfolges“ präzisiert (a). Derjenigen Handlung, deren Art durch den Eintritt des Erfolgs definiert wird, steht diejenige Handlung gegenüber, die den Erfolg verursacht: die Ausführungs- oder Anknüpfungshandlung der erfolgsdefinierten Handlung (b). Beide Handlungen können dabei auf identische Körperbewegungshandlungen (hierzu bereits im vorangegangenen dritten Kapitel) zurückgeführt werden. Wie sich all diese Handlungen zueinander verhalten, wird unter (c) thematisiert. Die Unterscheidung von erfolgsdefinierter Handlung und Ausführungshandlung führt zu einer entsprechenden Unterscheidung der Verbote jener Handlungen. Wegen der Steuerungsfunktion der Normen müssen Ausführungshandlungen von Verboten prospektiv gesehen verursachungsgeeigneter Handlungen erfasst werden. Die Unterscheidung beider Normarten ist für die Zurechnungslehre von großer Bedeutung; hierzu unter (d). a) Begriff des Erfolgs 1.  Nach der Handlungskonzeption v. Liszts hat jede Handlung einen Erfolg.156 Bereits eine Körperbewegung ist ein Erfolg. Auch das Zurechnungskonzept der Handlung geht davon aus, dass jede Handlungsart durch einen äußeren Erfolg – den Zurechnungsgegenstand – definiert wird.157 Die analyHardwig (1957) S.  90 ff. hiesigen alternativen Konzeption C.III. 156  v. Liszt (1908) § 28 II.1, S. 123 bis v. Liszt / Schmidt (1932) § 28 II, S. 157 (weniger entschieden noch v.  Liszt [1884] § 30 IV, S. 109: Erfolg gegebenenfalls als konstitutives Merkmal eines spezielleren Handlungsbegriffs), M. E. Mayer (1915) S.  110 ff., 117 ff., Mezger (1931) S. 95 f., Fn. 15 (Unter­scheidung von körperlichem Verhalten und „Außenerfolg“). 157  Siehe C.II. 154  Vgl. 155  Zur

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B. Handlung und normative Zurechnung

tische Handlungstheorie spricht insoweit von Handlungsergebnissen:158 Das Handlungsergebnis ist diejenige Veränderung, deren Eintritt vom Begriff einer Handlungsart vorausgesetzt ist. Tritt diese Veränderung im Einzelfall nicht ein, liegt die durch das Ergebnis definierte Handlung nicht vor, sondern eventuell deren Versuch.159 Das Ergebnis einer Handlung ist somit in dem Sinne Bestandteil der Handlung, dass eine Relation zwischen der handelnden Person und der Veränderung hergestellt wird; der Handelnde wird als Urheber des Handlungsergebnisses ausgewiesen. Der Eintritt des Ergebnisses bzw. Erfolges ist dabei nur für die Vollendung dieser Handlung vorausgesetzt. Das schließt nicht aus, das die Verwirklichung von Teilaspekten dieser Handlung in der Alltagssprache mit demselben Handlungswort bezeichnet werden kann. Das bildet die sprachwissenschaftliche Unterscheidung des perfektiven und imperfektiven (vollendeten und unvollendeten) Aspekts eines Verbs ab. Wird ein ergebnis- bzw. erfolgsdefiniertes Verb imperfektiv verwendet, so wird lediglich ausgesagt, dass ein Handelnder irgendwie, in nicht näher bestimmter Weise handelt und dieses Handeln auf das fragliche Ergebnis gerichtet ist. Dabei ist unwichtig, ob das Handeln das Ergebnis hervorbringt oder nicht, z. B.: „A tötet gerade B“ = „A ist gerade dabei, B zu töten.“ Demgegenüber ist im perfektiven Aspekt der Eintritt des Todes vorausgesetzt, da eine Handlung dieser Art durch den Erfolgseintritt definiert wird. 2. Jeder Erfolg im strafrechtlichen Sinn ist ein Handlungsergebnis. Der strafrechtliche Begriff des Erfolgs wird indessen häufig enger gefasst, so dass nicht jedes Handlungsergebnis ein Erfolg im strafrechtlichen Sinn ist. Beling, der den allgemeinen Begriff der Handlung ohne Rücksicht auf den Erfolg definiert, kann auf der Ebene der Begriffe spezieller Handlungsarten ohne Weiteres zwischen erfolgsdefinierten und nicht erfolgsdefinierten Handlungsarten unterscheiden (z. B.: „töten“ vs. „den Finger krümmen“). Eine entsprechende Unterscheidung ist aber auch dann möglich, wenn man mit v. Liszt jede Handlung durch einen Erfolg (i. w. S.) definiert. Um eine Unterscheidung von erfolgsdefinierten und nicht erfolgsdefinierten Handlungsarten zu ermöglichen, ist dann lediglich ein anderer Begriff des Erfolgs (i. e. S.) zu entwickeln. Ein engerer Erfolgsbegriff liegt der strafrechtlichen Unterscheidung von Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten zugrunde.160 Beling sprach insoweit von Ma158  v.

Wright (1979) S.  50 f. Vgl. Kindhäuser (1980a) S.  157 f. Wright (1979) S. 50 f. (1991) S. 86 f. 160  Vgl. nur Jescheck / Weigend AT (1996) § 26 II 1; Eisele, Stree / Bosch Sch / SchStGB (2014) Vor §§ 13 ff., Rn. 130. Vgl. allgemein auch v. Wright (1979) S. 52 f., mit 159  v.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff75

terial- und Formaldelikten.161 Welzel kannte „Aktverbrechen“, welche er mit den eigenhändigen Delikten gleichsetzte.162 Insoweit stellt man sich den Erfolg als ein Ereignis vor, das unabhängig vom Körperverhalten des Handelnden beschrieben und deshalb durch ein Körperverhalten verursacht werden kann, zum Beispiel der Tod oder die Verletzung eines anderen, der Eintritt eines Vermögensschadens oder diejenige Ortsveränderung einer Sache, welche als Gewahrsamsverlust interpretiert wird. Als nicht erfolgsdefinierte „Tätigkeit“ gilt eine kommunikative Handlung wie die Falschaussage. Das ist zweifelhaft, da hier zumindest das Verständnis der unzutreffenden Behauptung durch den Vernehmenden vo­ rausgesetzt ist.163 Ein Tätigkeitsdelikt soll ferner der Inzest sein; dann müsste es aber auch der Hausfriedensbruch sein, da bei beiden kein über das Körperverhalten hinausgehender körperlicher Erfolg vorausgesetzt ist.164 Von beiden Delikten gilt heute aber nur der Beischlaf als eigenhändig.165 Es kann hier dahinstehen, ob es insoweit eine Rolle spielt, dass das Handlungssubjekt einen besonderen, höchstpersönlichen Status hat (als Geschwisterteil, ähnlich bei der Falschaussage als Zeuge), dass eine Verletzung nicht vorausgesetzt ist oder dass etwa der Beischlaf notwendig ein Moment eigenen Erlebens impliziert.166 Jedenfalls sind Anlage und Nutzen einer handlungstheoretischen Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten nicht sehr klar und nutzbringend, während der Begriff der Eigenhändigkeit formal immerhin dadurch definiert werden kann, dass aufgrund des Gesetzes oder aus sonstigen Gründen mittelbare Täterschaft ausgeschlossen ist.167 3.  Für die Zwecke der strafrechtlichen Handlungstheorie gibt es deshalb nur eine sinnvolle Möglichkeit, zwischen erfolgsdefinierten und nicht erfolgsdefinierten Handlungsarten zu unterscheiden und dementsprechend den Begriff eines Erfolgs zu konzipieren, welcher nicht bei jeder Handlung gegedem Vorschlag, die Unterscheidung von „Akt“ und „Tätigkeit“ (z. B. rauchen, laufen oder lesen) durch diejenige von Ereignis und Prozess zu begründen. 161  Beling (1906) S. 203 ff. 162  Welzel (1969) S. 63, 106 f. Vgl. hierzu kritisch im Zusammenhang mit dem Begriff der eigenhändigen Delikte Roxin (2000) S.  405 ff., 433 m. w. N. 163  Vgl. Beling (1906) S. 206. 164  Zutreffend Roxin (2000) S. 407. 165  Sternberg-Lieben Sch / Sch-StGB (2014) § 123 Rn. 35, Roxin (2000) S. 412. Für den Charakter des Hausfriedensbruchs als Tätigkeitsdelikt wohl Beling (1906) S. 205. 166  Vgl. zur Unterscheidung von Handeln und Erleben Luhmann (1978). 167  Zu dieser Deliktsart Loening (1888) S. 273 f. = (1889) S. 149 f., Binding (1915) S.  265 ff., ders. Normen IV (1919) S. 597 f. Dagegen v. Liszt (1908) § 50 II.3. S. 219, v.  Liszt / Schmidt (1931) § 48 II.3.b. S. 334. Vgl. Mezger (1931) S.  418 ff., Roxin (2000) S. 392 ff. Geschichtlich Engelmann (1911) S.  464 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

ben ist: „Erfolg“ ist die für eine Deliktsart teleologisch ausschlaggebende Veränderung, das heißt diejenige Veränderung, welche die strafrechtliche Verhaltensnorm zu verhindern bezweckt. Der Eintritt dieses Erfolges muss für die Verwirklichung einer tatbestandlichen Handlungsart nicht vorausgesetzt sein. So kommt es dem Verbot der Falschaussage auf die Vermeidung von Fehlurteilen an; strafbar ist aber bereits die Falschaussage als solche. Bei den konkreten Gefährdungsdelikten wie der Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c StGB ist der Gefahrerfolg kein Erfolg in diesem Sinn, weil vorrangig eine Verletzung und nur deshalb auch eine konkrete Gefährdung verhindert werden soll. Solcherart Erfolge i. w. S.  kann man als Zwischenerfolge bezeichnen. Es gibt auch Delikte, für die ein Erfolg i. e. S. gar nicht bestimmt werden kann, so der Inzest. b)  Erfolgsdefinierte Handlung und Ausführungshandlung 1. Es gibt demnach erfolgsdefinierte Handlungen; das sind Handlungen einer Art, welche durch die Voraussetzung definiert ist, dass ein näher bestimmter Erfolg im engeren, strafrechtlichen Sinn eintritt. Eine erfolgsdefinierte Handlung muss im Einzelfall mit zumindest einer Handlung anderer Art verbunden sein, die – genauer gesagt: deren Ergebnis – den Erfolg bedingt und durch welche man deshalb die erfolgsdefinierte Handlung verwirklicht.168 Das ist die Ausführungs- oder Anknüpfungshandlung der erfolgsdefinierten Handlung. Diese Ausführungshandlung kann prinzipiell von beliebiger Art sein. Lediglich die erfolgsdefinierte Handlung (z. B. das Töten) kann den Erfolg (z. B. den Tod) nicht verursachen, gerade weil sie den Erfolgseintritt begrifflich voraussetzt.169 Wenn man in der Deliktsprüfung nach dem ursächlichen Zusammenhang von Handlung und Erfolg fragt,170 meint man deshalb nicht die erfolgsdefinierte Handlung, sondern zieht eine eventuelle Ausführungshandlung in Betracht. Im einfachsten Fall ist es etwa eine Körperbewegungshandlung, so im schon erwähnten Beispiel das Krümmen des Fingers am Abzug der auf einen anderen gerichteten Pistole, durch welche Handlung gegebenenfalls eine Tötungshandlung ermöglicht wird. 2.  Die verbreitete Unterscheidung von Handlungs- und Erfolgsunrecht hat dazu beigetragen, dass man sich heute Handlung und Erfolg eher als zwei 168  Der Begriff des Verursachens setzt zwar nicht abstrakt genug an, weshalb hier zunächst von einem Bedingen gesprochen wird. Zum abstrakteren Begriff der Kontingenzbedingung und zur Frage der über Handlungen anderer vermittelten Erfolge erst unter C.III. 169  v. Wright (1979) S.  51 f., Kindhäuser (1980a) S. 87. 170  Vgl. bereits Beling (1904) S. 30.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff77

getrennte Sachverhalte denkt und (nur) die erfolgsverursachende Handlung wahrnimmt.171 Demgegenüber hat Welzel den Erfolgsunwert zutreffend als Teilaspekt des Handlungsunwerts angesehen.172 Fehlerhaft wird jene Trennung, wenn man meint, dass tatbestandlich beim Erfolgsdelikt allein die nicht erfolgsdefinierte, den Erfolg nur bedingende Handlung sei.173 Ganz im Gegenteil ist die einzige tatbestandliche Handlung – also die Handlung von der im Tatbestand bezeichneten Art – beim Totschlag etwa die erfolgsdefinierte „Tötung“, nicht das „Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole.“ 3. Der Tatbestand eines Erfolgs-Begehungsdelikts setzt immer voraus, dass der Handelnde den Erfolg durch eine andere Handlung bedingt als durch die im Tatbestand benannte erfolgsdefinierte Handlung. Wenn das Gesetz diese Handlung nicht benennt, ist sie beliebiger Art. Das Gesetz kann aber auch voraussetzen, dass die Ausführungshandlung von bestimmter Art ist. So setzt der Tatbestand des Betrugs voraus, dass diejenige Handlung, welche die Vermögensschädigungshandlung verwirklicht, eine Täuschungshandlung ist; der Tatbestand der Erpressung, dass jene Handlung eine Nötigung ist, deren Erfolg wiederum durch eine Drohung oder Gewaltanwendung bedingt wird. Der Tatbestand eines Erfolgsdelikts benennt die Ausführungshandlung somit nur, wenn lediglich eine bestimmte Angriffsmodalität strafrechtlich verboten bzw. typisch für eine Deliktsart ist. Werden diese Handlungsarten im Tatbestand benannt, sind es tatbestandliche Handlungsarten. Werden die Ausführungshandlungen im Tatbestand nicht beschrieben und sind somit nur implizit vorausgesetzt, ist diejenige Handlung (beliebiger Art), die im Einzelfall den Erfolg bedingt, keine Handlung tatbestandlicher Art. Entgegen einer heute verbreiteten Terminologie sind deshalb etwa das „Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole“ oder das „Schießen“ keine tatbestandlichen Handlungen des Totschlags, weil die entsprechenden Handlungsarten im Gesetz gerade nicht benannt werden. Auch verbietet sich eine Gleichsetzung: „Schießen“ ist nicht „Töten“. Weder ist jedes „Schießen“ ein „Töten“, noch jedes „Töten“ ein „Schießen“; und selbst wenn jemand im 171  Deutlich etwa bei Jescheck / Weigend AT (1996) § 24 III 1: Die Unterscheidung von Erfolgs- und Handlungsunwert beruhe auf derjenigen von Erfolg und der „Art und Weise der Herbeiführung“ des Erfolgs. Die „Handlung“ kann deshalb nicht bereits den Erfolg voraussetzen. 172  Welzel (1969) § 11 II 2. 173  Etwa Jescheck / Weigend (1996) § 27 II: „Der Erfolg ist nicht Handlungsbestandteil, wohl aber (vielfach) objektives Tatbestandsmerkmal.“ Zu Konzepten, welche die erfolgsdefinierte Handlung nicht als normgegenständlich ansehen, siehe oben B.III.2.b) unten B.IV.3.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Einzelfall tötet, indem er schießt, sind das zwei voneinander zu unterscheidende Handlungen, gerade weil sich ihre Begriffe nicht implizieren.174 c)  Das Verhältnis von erfolgsdefinierter Handlung und Ausführungshandlung 1.  Da die Ausführungshandlung (z. B. „schießen“) nicht identisch mit der erfolgsdefinierten Handlung („töten“) ist, stellt sich die Frage, wie man sich das Verhältnis beider Handlungen im Einzelfall vorstellen kann. Eine Handlung ist zumindest für die kausale Lehre eine Einheit aus Körperbewegung und Erfolg und somit ein Ausschnitt aus einem Geschehen. Dann scheint die These nahezuliegen, dass die Ausführungshandlung einer erfolgsdefinierten Handlung im Einzelfall den Ausschnitt eines bestimmten Körperverhaltens samt eventueller Zwischenerfolge bezeichnet und die erfolgsdefinierte Handlung nur zusätzlich noch den Eintritt des Erfolgs umfasst. Demnach könnte man sich die Handlung „töten“ zusammengesetzt vorstellen aus dem Schießen und dem Todeseintritt.175 Dieses Beispiel betrifft aber eine sehr einfache Konstellation. Die Vollendung erfolgsdefinierter Handlungen kann demgegenüber eine Vielzahl von vorbereitenden Einzelhandlungen voraussetzen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (z. B. bei der Handlung „ein Haus bauen“). Die Handlung wäre dann vergleichbar einem Flickenteppich aus vielen Einzelereignissen. 2.  Die analytische Handlungstheorie beschreibt das Verhältnis von verursachender und erfolgsdefinierter Handlung durch den sogenannten Akkordeon-Effekt:176 Auf der Grundlage einer oder mehrerer „Basishandlungen“ können eine oder mehrere weitere Handlungen aufgebaut werden, indem eine unmittelbare oder weiter entfernte Folge der Basishandlungen als das Ergebnis der jeweiligen weiteren Handlung ausgewiesen wird.177 Zum Beispiel ist das Ergebnis der Handlung „das Fenster öffnen“, dass das Fenster offen ist. Eine Folge dieser Handlung ist, dass frische Luft ins Zimmer strömt. Diese Folge wird zum Handlungsergebnis für die Handlung 174  Gegen die These von der Identität auch Kindhäuser (2011) S. 46 f., dessen Beispiel jedoch die verschiedene Beschreibungen desselben Erfolgs betrifft (Tötung des Wanderers – Tötung des Laios). Die Nichtidentität dieser beiden Handlungen lässt sich nur unter der Prämisse eines intentionalen Handlungsbegriffs begründen (Ödipus fehlte die Intention, Laios zu töten). 175  Dagegen Davidson (1971) S.  93 f. 176  Feinberg (1977) S. 204  f., Davidson (1971) S. 87 ff. Zuvor der Sache nach Anscombe (1986) S. 59 ff., p. 37 ff. mit einem komplexeren Beispiel. 177  Danto (1965) S. 373 ff., Davidson (1971) S. 81 ff., von Wright (1991) S. 70, 165 f., Kindhäuser (1980a) S.  85 ff., ders. (1980b) S.  479 ff. m. w. N.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff79

„das Zimmer lüften.“178 Entsprechend lässt sich für das „Töten“ eine Handlungskette bilden: Krümmen des Fingers am Abzug der Pistole (Basishandlung) – Schießen (Ergebnis: ein Schuss wird ausgelöst) – Töten (Ergebnis: der Tod der getroffenen Person). Das Verhältnis dieser Handlungen wird nun derart bestimmt, dass die Basishandlungen und ergebnisvoraussetzenden Handlungen verschiedene Be­ schreibungen derselben Handlung seien. Hierin stimmen Vertreter der kausalistischen und intentionalistischen Richtung überein. So schreibt Anscombe zu einem Beispiel, in welchem jemand andere tötet, indem er vergiftetes Wasser in den Hausvorrat pumpt: „Seinen Arm mit der um den Pumpenschwengel geschlossenen Hand auf und ab zu bewegen ist, unter diesen Umständen, die Pumpe zu betätigen; und unter diesen Umständen ist es den Hausvorrat aufzufüllen; und unter diesen Umständen ist es das Vergiften der Hausbewohnerschaft. Es gibt also eine Handlung mit vier Beschreibungen, deren jede von umfassenderen Umständen abhängt, und von denen jede auf die nächste als Beschreibung eines Mittels zu einem Zweck bezogen ist.“179

Auch Davidson sieht es so: „Ich knipse den Schalter an, mache das Licht an und beleuchte das Zimmer. Ohne zu wissen alarmiere ich auch einen Einbrecher, der merkt, dass ich zu Hause bin. Hier brauche ich keine vier Dinge getan zu haben, sondern nur eines, von dem vier Beschreibungen gegeben worden sind.“180

Diese Auffassung ist so zu verstehen, dass die Tatsache dieselbe ist, auf welche sich die verschiedenen Beschreibungen beziehen: die aus einer Körperbewegung bestehende Basishandlung. Ferner erscheint diese Basishandlung als die „eigentliche“ Handlung. So definiert Davidson die Handlung denn auch als „absichtliches Tun.“ Das entspricht dem Begriff der willkürlichen Körperbewegung, mit dem Unterschied, dass sich der Willkürakt inhaltlich auf die Körperbewegung beziehen muss.181 3. Die Vorstellung, dass verschiedene Handlungsarten im Einzelfall nur verschiedene Beschreibungen desselben „Tuns“ sind, wurde bereits kritisiert.182 Sie ist eng mit der Vorstellung der Handlung als Körperbewegung 178  von

Wright (1979) S.  51 f. (1986) S. 73, p. 46; kritisch zu Davidson dies. (1979) S.  229 ff. 180  Davidson (1963) S. 21; ausführlicher ders. (1971) S. 94 ff. Ähnlich interpretiert Quante (1993) S. 141 ff. Hegels Handlungskonzeption. 181  Davidson (1963) S. 21 Fn. 2: „[Ich bezeichne] alles, was eine Person absichtlich tut […] als Handlung.“ Ders. (1971) S. 83: „Zum Handeln ist nötig, dass, was der Handelnde tut, sich unter einer Beschreibung als beabsichtigt darstellt.“ Hervorhebung nicht im Original. Die ausschlaggebende Beschreibung betrifft dann die Körperbewegung („den Arm heben“) als Elementarhandlung. 182  B.III.3.d). 179  Anscombe

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B. Handlung und normative Zurechnung

verknüpft und ermöglicht kein angemessenes Verständnis von Handlungsbegriffen, die Erfolge jenseits des Körperverhaltens einbeziehen. Das hier zu entwickelnde Zurechnungskonzept geht demgegenüber davon aus, dass unterschiedliche Handlungen vorliegen, die nicht identisch sind; und dass die Körperbewegung auch nicht derjenige Gegenstand ist, auf den die verschiedenen „Beschreibungen“ verweisen; sondern dass diese sich auf jeweils andere Veränderungen als Tatsachen bzw. Gegenstände beziehen, sei es eine Körperbewegung oder ein anderes Ereignis wie das Erleuchten eines Zimmers oder eine Vergiftung – und dass der Handlungsbegriff somit als Relationsbegriff zu verstehen ist, der das Handlungssubjekt mit einem Ereignis in Beziehung setzt. d)  Die Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgeeigneter Handlungen 1. Erfolgsdefinierte und Ausführungshandlungen zu unterscheiden, ist auch deshalb wichtig, weil die Verbote dieser Handlungen zu unterscheiden und miteinander ins Verhältnis zu setzen sind.183 Das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung verbietet die Ausführungshandlung nicht unmittelbar, gerade weil beide Handlungen begrifflich unterschieden sind: Die erfolgsdefinierte Handlung wird durch den Eintritt des Erfolgs definiert, die Ausführungshandlung dieser Handlung – welcher Art sie auch sei – gerade nicht. Eine unmittelbare, begriffliche Ableitung eines Verbots aus einem anderen ist demgegenüber nur möglich, wenn der Begriff einer spezielleren Handlungsart unter den Begriff einer allgemeiner bestimmten Handlungsart untergeordnet werden kann und letztere verboten ist. Ein Beispiel hierfür wurde bereits gegeben: Aus dem Verbot zu täuschen folgt per definitionem das Verbot, einem anderen rechnungsähnliche Anzeigeofferten zuzusenden.184 Ein Verbot derjenigen Handlung, welche sich retrospektiv als eine den Erfolg bedingende Ausführungshandlung herausstellt, kann somit nicht begrifflich, sondern muss teleologisch aus dem Verbot der erfolgsdefinierten Handlung abgeleitet werden.185 Die prospektiv zu begründende Ableitung muss ferner unabhängig davon sein, ob die zu verbietende Handlung den Erfolg tatsächlich hervorbringt oder nicht, weil sich das erst herausstellt, nachdem diese Handlung vollzogen wurde, also etwa nachdem jemand auf einen anderen geschossen hat, um ihn zu töten. 183  Vgl.

B.II.3. sowie ausführlich unter B.IV.3.c), C.V.3. B.III.2.d). 185  Ausführlich hierzu B.IV.3.c). 184  Siehe



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff81

Weil es nicht möglich ist, das Verbot einer Ausführungshandlung vom Eintritt des Erfolgs abhängig zu machen, muss ein Verbot der im Einzelfall den Erfolg bedingenden Ausführungshandlung ohne Rücksicht darauf begründet werden, ob diese Handlung den Erfolg bedingt. Es genügt offenbar, dass sie hierzu möglicherweise geeignet ist. Das Verbot, auf jemanden zu schießen, kann also mit Blick auf das Tötungsverbot nur dadurch begründet werden, dass das Schießen möglicherweise geeignet ist, den Tod des anderen zu verursachen. Als möglicherweise geeignet sind diese Handlungen zu bezeichnen, weil andernfalls unklar bliebe, ob der Begriff der Eignung prospektiv oder retro­ spektiv zu verstehen wäre. Prospektiv ist nur das Urteil möglich, dass eine Handlung mit höherer oder geringerer Wahrscheinlichkeit den Erfolg bedingen wird. Retrospektiv erfolgsgeeignet sind demgegenüber nur tatsächlich erfolgsbedingende Handlungen. 2.  Die möglicherweise erfolgsgeeigneten sind ihrer Art nach keine tatbestandlichen Handlungen, sofern sie im Tatbestand nicht benannt werden. Dementsprechend sind die Verbote dieser Handlungen nicht spezifisch strafrechtlich, da der strafrechtliche Charakter eines Verbots nur davon abhängen kann, ob ein Strafgesetz diese Handlungsart beschreibt und somit deren Verwirklichung unter Strafe verbietet. Das generelle Verbot, auf einen anderen zu schießen, ist deshalb kein strafrechtliches – anders als das Verbot, einen anderen zu töten. Da die Verbote erfolgsgeeigneter Handlungen nicht begrifflich aus den Verboten erfolgsdefinierter Handlungen folgen, sondern teleologisch auf sie bezogen sind, muss die Behauptung, dass eine möglicherweise erfolgsgeeignete Handlung von Rechts wegen verboten ist, selbständig begründet werden. Das gilt auch für den umgekehrten Fall des Rückschlusses auf Verbote oder Gebote erfolgsdefinierter Handlungen: Wenn das Strafrecht nur eine erfolgsgeeignete Handlung verbietet oder gebietet, kann nicht darauf geschlossen werden, dass zwingend auch eine entsprechende erfolgsdefinierte Handlung verboten oder geboten ist. So gebietet § 323c StGB, Handlungen vorzunehmen, die möglicherweise geeignet sind, einen drohenden Schaden abzuwenden. Daraus allein kann nicht geschlossen werden, dass ein Gebot einer erfolgsdefinierten Handlung gilt – also ein Gebot, den Schaden abzuwenden. Strafrechtlich kann die Geltung eines solchen Gebots vielmehr nur über § 13 StGB begründet werden.

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B. Handlung und normative Zurechnung

5. Das Problem der Umgrenzung erfolgsdefinierter Handlungsarten Den Begriff tatbestandlicher erfolgsdefinierter Handlungsarten bestimmt die kausale Lehre als das Verursachen des Erfolges durch ein willkürliches Körperverhalten. Hieraus entsteht für die kausale Lehre das Problem, Kriterien dafür anzugeben, welche Erfolge zurechenbar sind. Die Kausalität genügt hierfür nicht, denn den Begriff des Verursachens versteht die kausale Lehre sehr weit im Sinne der Bedingungs- bzw. Äquivalenztheorie: Ursächlich sei jedes Körperverhalten, das den Erfolg bedingt, das also nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass dieser entfiele.186 Das Körperverhalten muss dabei nur irgend eine, sei es auch ganz entfernte Bedingung setzen; es muss nicht determinierend wirken.187 Eine Handlung, welche die Handlung eines anderen ermöglicht oder motiviert hat, erscheint deshalb als Ursache für deren Ergebnis: Wenn B die C tötet, weil A sie beauftragt hat, hat auch A den Tod der C verursacht. Auch im Rückgriff auf die Vergangenheit ist diese Kausalitätsauffassung unbegrenzt: Die Vorfahren der B haben ebenso wie diese selbst den Tod der C verursacht.188 Haben sie somit vermittels der Zeugung ihrer Nachkommen eine rechtswidrige Tötungshandlung ausgeführt, die lediglich nicht schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) ist? Praktisch wird man derartige Handlungen zwar nicht in Betracht ziehen, sondern diejenige Verursachung, die als tatbestandliche Handlung angesehen wird, danach auswählen, ob sie möglicherweise normativ zurechenbar ist.189 Die Identifikation einer tatbestandlichen Handlung kann aber nicht von bloß intuitiven Vorwertungen abhängen. Sonst könnte das Urteil über die Tat­ bestandlichkeit dasjenige über die Rechtswidrigkeit nicht überzeugend fundieren. Stattdessen müssen objektivierbare Kriterien angegeben werden, welche die Handlungsidentifikation ermöglichen. Das Verbot, welches das Rechts186  v.  Buri (1870) S. 5, v.  Liszt (1908) § 29 I, S. 125 ff., Mezger (1931) S. 122, RGSt 1, 373, 374 (Hinstellen vergifteten Weins), RGSt 15, 151, 152 f. (Apothekerfall). Zur Entwicklung Mezger (1931) S.  112 ff. 187  Die Vereinbarkeit der Bedingungstheorie mit einer indeterministischen Grundposition wird deutlich bei v. Buri (1882) S. 233, der die Äquivalenztheorie gerade mit Blick auf die Teilnahmelehre entwickelt hat. 188  Kritisch hierzu Kindhäuser (1980a) S. 183, Koriath (1994) S. 333, 461, Haas (2002) S. 305, Eisele Sch / Sch-StGB (2014) Vor §§ 13 ff. Rn. 27, Renzikowski Matt /  Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 / 63. 189  Vgl. die These Feinbergs (1977) S. 215 ff., dass die Auswahl der Ursache immer durch das Interesse eines Beobachters begründet ist.



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff83

widrigkeitsurteil begründet, muss präzisiert werden – entweder hinsichtlich des Begriffs der verbotenen tatbestandlichen Handlungsart oder hinsichtlich sonstiger Verbotsbestandteile. Die kausale Lehre hat versucht, den Begriff der erfolgsdefinierten tatbestandlichen Handlungsart mit entsprechenden Kriterien anzureichern. Diesen Ansatzpunkt verfolgen (a) die Lehre vom Regressverbot, (b) die soziale Handlungslehre, (c) die Adäquanztheorie sowie (d) die Lehre von der objektiven Zurechnung. a) Das Regressverbot Die Begriffe tatbestandlicher erfolgsdefinierter tatbestandlicher Handlungen (Taten) können dahingehend ausgelegt werden, dass sie ein unmittelbares, nicht über einen anderen Handelnden vermitteltes Verursachen des Erfolgs voraussetzen. Zumindest für das Vorsatzdelikt geht das Gesetz heute von einem in diesem Sinne restriktiven Täter- oder besser: Tatbegriff aus.190 Eine Zurechnung nicht unmittelbar verursachter Erfolge findet nur unter den Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft oder Mittäterschaft statt (§ 25 StGB), nicht bei der Anstiftung und Beihilfe (§ 26 f. StGB). Obgleich der Anstifter im Sinne der Äquivalenztheorie den Erfolg verursacht, begeht er nicht die Tat, zu der er anstiftet.191 Zumindest für die Tatbestände der Vorsatzdelikte wäre also für die kausale Lehre das Problem entschärft, die erfolgsdefinierten Handlungen zu begrenzen. Darüber hinausgehend, also auch für das Fahrlässigkeitsdelikt, hat die Regressverbotslehre postuliert, dass man in der Zurechnung grundsätzlich nicht auf Bedingungen zurückgreifen kann, die dem freien Handeln einer Person voraus liegen.192 Diese These kann entweder kausalitäts- bzw. handlungstheoretisch oder normativ begründet werden; letzteres etwa durch das Verantwortungsprinzip.193 Begrifflich begründet wäre sie durch eine Definition der Kausalität, die sich auf determinierte Verläufe beschränkt. Dann können Handlungen eines anderen, da sie begrifflich Wahlfreiheit vorausset190  Hruschka (1998) S. 593, Renzikowski, in: Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 47 Rn. 3, 18, 71. 191  v. Liszt (1908) § 29 IV S. 128 (nur aufgrund der gesetzlichen Vorgabe). 192  Frank (1931) Einl. § 1 III 2 a, S. 14 f., v. Liszt / Schmidt (1932) § 29 V. S. 165 f. Hierzu Renzikowski (1997) S.  157 ff., Hruschka (1998a) S. 581 ff. Die Rechtsprechung folgt dem nicht. Vgl. RGSt 34, 91, 92 (Logenschließerfall). Sie nimmt Strafbarkeit auch in Konstellationen fahrlässiger Anstiftung oder Beihilfe zur Vorsatztat an, etwa RGSt 61, 318 (Vermietung einer feuergefährlichen Wohnung, Bestrafung des Vermieters auch bei vorsätzlicher Brandstiftung eines anderen). 193  Renzikowski (1997) S. 72 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

zen, von vornherein nicht als verursacht aufgefasst werden – unabhängig davon, ob der andere vorsätzlich und voll verantwortlich gehandelt hat.194 Der restriktive Tatbegriff und das Kriterium der unmittelbaren Verursachung sind indes in erster Linie normativ begründet, was an den Ausnahmefällen, also etwa der mittelbaren Täterschaft deutlich wird. Diese setzt voraus, dass der unmittelbar Verursachende für die Verursachung nicht voll verantwortlich ist. Der Begriff einer tatbestandlichen Handlung wie „töten durch einen anderen“ als Unterart des Tötens wird also unter Einbeziehung eines normativen Kriteriums definiert. b) Die soziale Handlungslehre Auch die von Eberhard Schmidt entwickelte soziale Handlungslehre reagiert auf das Problem, erfolgsdefinierte tatbestandliche Handlungen zu umgrenzen. Was als Handlung zuzurechnen ist, sei zu bestimmen nach der „sozialen Sinnhaftigkeit, wie sie die Erfahrung im sozialen Leben uns verstehen lehrt.“195 Ganz ähnlich liest es sich später bei Luhmann: „Was eine Einzelhandlung ist, lässt sich […] nur auf Grund einer sozialen Beschreibung ermitteln. Das heißt nicht, dass Handeln nur in sozialen Situationen möglich wäre; aber in Einzelsituationen hebt sich eine Einzelhandlung aus dem Verhaltensfluss nur heraus, wenn sie sich an eine soziale Beschreibung erinnert. Nur so findet die Handlung ihre Einheit, ihren Anfang und ihr Ende […].“196

Die soziale Handlungslehre bestimmt nicht mehr die Körperbewegung und die Verursachung von Wirkungen als Merkmale des Handlungsbegriffs, weshalb sie schlichte Tätigkeiten ebenso wie Unterlassungen problemlos als Handlungen ausweisen kann.197 Gleichwohl steht sie in der Tradition der kausalen Lehre, weil das „objektive“ Verständnis eines Beobachters darüber bestimmt, was im Einzelfall Handlung ist. Die soziale macht es nicht – wie die finale Lehre – allein vom Handlungssubjekt abhängig, was als Handlung zurechenbar ist, sondern auch von den normativen Erwartungen eines Beobachters. Anders als die finale Lehre kann sie deshalb die fahrlässige Verursachung als Handlung ausweisen. Der sozial relevante Handlungssinn ergibt sich häufig aus einer Norm. So sind auch die Deliktstypen des Strafrechts soziale Handlungsbeschreibungen. Die Strafrechtspflege ist aber dasjenige soziale System, dessen Aufgabe es 194  Renzikowski

(2011) S.  211 f. (1939) S. 75, ders.(1969) S. 340, Jescheck (1961) S. 150 ff. Ähnlich Arth. Kaufmann (1966) S.  114 ff. 196  Luhmann (1984) S. 228. 197  Zu beiden Fragen Schmidt (1969) S. 341 ff., 350 f. 195  Schmidt



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff85

ist, die Delikte gesellschaftlich verbindlich einerseits allgemein zu beschreiben und andererseits im Einzelfall zuzurechnen. Wenn die Dogmatik nun bereits vor jeder normativen Bewertung einen Begriff der Handlung aufstellt, der sich auf soziale, aber dem Strafrecht externe Beschreibungen bezieht, läuft sie Gefahr, normative Wertungen unbedacht zu übernehmen und die eigene Reflexionsaufgabe zu unterlaufen.198 Das wird bei Schmidt gerade in der Beurteilung von Fällen deutlich, in denen ein Delikt im Ergebnis zu verneinen ist: Der kunstgerechte ärztliche Heileingriff und das sorgfaltsgemäße Handeln im Straßenverkehr seien von vornherein keine Körperverletzungs- oder Tötungshandlungen.199 Entscheidend ist demgegenüber nicht die von vornherein fehlende Handlungseigenschaft, sondern allein, dass diese Handlungen nicht verbotswidrig sind und daher nicht Ausführungshandlungen einer fahrlässigen Tötung sein können. Auch zur Einschränkung der Zurechenbarkeit weit entfernt liegender Erfolge ist das Kriterium des sozialen Handlungssinns zu unpräzise. Denn gerade in zweifelhaften Fällen ist die soziale Praxis nicht eindeutig, und das Recht muss nach eigenen Kriterien entscheiden. c) Die Adäquanztheorie 1. Auch die Theorie der adäquaten Verursachung und verwandte Ansätze bemühten sich um eine Eingrenzung der Begriffe erfolgsdefinierter tatbestandlicher Handlungen.200 Eine Verursachung ist demnach nur zurechenbar, wenn sie nicht unwahrscheinlich und deshalb vorherseh- und vermeidbar war. Ähnlich hat bereits Aristoteles danach unterschieden, ob Folgen wider Erwarten oder nicht wider Erwarten eintraten.201 Die kausale Lehre kommt hier nicht ohne Grund der finalen Handlungs- und personalen Unrechtslehre nahe, wie die folgende Stellungnahme v. Bars zeigt:202 „Wir sagen, der abstrakt oder im philosophischen Sinne vorhandene Kausalzusammenhang ist für das Recht nur im beschränkten Sinne brauchbar, und wir suchen für diese Beschränkung objektiv gültige Normen, wobei wir aber den handelnden Menschen, dessen Kausalität in Betracht kommt, nicht wie ein Stück der leblosen 198  Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 30 f. und Küpper (1990) S. 62 werfen ihr deshalb die Vermischung von sozialer und rechtlicher Wertung vor. 199  Schmidt (1939) S. 75 f., (1969) S. 345 ff. 200  v. Kries (1889) S.  531 ff., Merkel (1889) S.  71 f., 99 ff., 106 ff., Liepmann (1900) S.  59 ff., 68 ff., v.  Bar (1907) S.  181 ff., Tarnowski (1927) S.  338 ff., 405 ff. Vgl. Engisch (1931) S.  41 ff., Mezger (1931) S.  117 ff. m. w. N. 201  Aristoteles Eth. Nic. (1985) V 10 1135b, mit wohl unzutreffender Übersetzung von παραλόγως. Zur Deutung Loening (1903) S.  230 f. 202  v. Bar (1907) S.  196 f.

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B. Handlung und normative Zurechnung

oder unvernünftigen Natur, vielmehr, wie es der Wahrheit entspricht, als ein reflektierendes, den Kausalzusammenhang in gewissem Umfang durch Berechnung beherrschendes Wesen behandeln und somit den Kausalzusammenhang auch nach dem Stande der Reflexion, Einsicht und dem Bestreben des Handelnden zu begrenzen uns berechtigt erklären.“

2.  Der angesprochene Stand der Reflexion des Handelnden wird freilich als ein generalisierender Maßstab der Vernunft gesehen. Somit fließt ein normativer Maßstab in die Definition des Begriffs der tatbestandlichen Handlung ein. Die Begriffe der Vorhersehbarkeit oder Berechenbarkeit der Verursachung sind an sich zwar nicht normativ. Ohne Rücksicht auf Normen gibt es aber keine festen Maßstäbe, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich eine Verursachung sein muss, um noch als vorhersehbar zu gelten.203 Außerdem wäre durch nicht normativ bestimmte Kriterien das Urteil über die Rechtswidrigkeit der adäquaten Verursachung methodisch nicht angemessen fundiert. Deshalb ist die Adäquanztheorie nur tragbar, wenn man sie als normativ begründet versteht und wenn das auch auf die Beurteilung des Einzelfalls durchschlägt. Auf die Kriterien, welche die Anhänger der Adäquanztheorie ausgearbeitet haben, trifft das der Sache nach zu: Nach v. Kries ist eine Verursachung adäquat bzw. vorherseh- und vermeidbar, wenn eine Handlung generell geeig­ net ist, den Erfolg zu verursachen.204 Das Urteil hierüber ist zwar zunächst ebenfalls nicht normativ. Im rechtlichen Zusammenhang wird es aber nur deshalb relevant, weil sich das prospektiv geltende Verbot einer retrospektiv gesehen verursachenden Handlung nur legitimieren lässt, wenn eine Handlung dieser Art generell verursachungsgeeignet (gefährlich) ist. Nur dann ist das Verbot über den Einzelfall hinaus generalisierbar. Ferner schlägt sich darin der Gedanke des ultra posse nemo obligatur nieder: Nur wenn aufgrund der Erfahrung, also generalisierbar erkennbar ist, dass die Handlung erfolgsgeeignet ist, kann man verlangen, dass das auch der Handelnde erkennt und die Handlung unterlässt. Der normative Charakter des Adäquanzkriteriums wird vollends deutlich, wenn mit seiner Hilfe erlaubte Risiken ausgeschieden oder zurechenbare Erfolge durch die Erwägung begrenzt werden, vor welchen (adäquaten) Verläufen eine Sorgfaltsnorm schützen kann.205 So hat man auch offen eingestanden, dass es beim Adäquanzkriterium „auf die Kausalität gar nicht ankommt, sondern dass ein ganz anders geartetes, ein 203  Radbruch

(1902) S.  336 ff., Engisch (1931) S. 44 ff. („nicht unwahrscheinlich“). (1889) S. 532. 205  Zum erlaubten Risiko v. Bar (1907) S. 212 ff.; zur Verneinung des Schutzzweck­ zusammenhangs v. Kries (1889) S. 532. 204  v. Kries



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff87

teleologisch fundiertes und normativ-juristisch orientiertes Problem zur Erörterung steht.“206 3. Das Adäquanzkriterium kann somit nur dann überzeugend begründet werden, wenn es sich auf das Urteil darüber stützt, was man vorhersehen und vermeiden soll. De facto wird dann das Verschulden im Sinne von Fahrlässigkeit zur Unrechtsvoraussetzung. Die kausale Unrechtslehre steht deshalb vor einem Problem; so Radbruch: „In einem System darf kein Posten doppelt gebucht werden, dagegen verstößt aber die adäquate Kausallehre, indem sie außer dem Verschulden noch die Verschuldensmöglichkeit besonders fordert.“207 Es lag deshalb nahe zuzugestehen, dass mit dem Adäquanzurteil zumindest ein objektives Fahrlässigkeitsurteil begründet wird,208 und die Fahrlässigkeit somit nicht erst als Schuld-, sondern als Unrechts­voraussetzung anzusehen. Wegweisend waren insoweit die Überlegungen M. L. Müllers, die Engisch aufgenommen hat.209 Demnach bedeutet etwa das Verbot der Tötung „nichts weiter als das Gebot, solche Handlungen zu unterlassen, die im Hinblick auf die Tötung von Menschen gefährlich sind.“210 Das kann man so verstehen, dass bereits eine erfolgsgefährliche Handlung ein „Töten“ ist, unabhängig davon, ob der Erfolg eintritt oder nicht.211 Das wäre aber eine bloße Wortvertauschung, da der begriffliche Unterschied zwischen einer erfolgsdefinierten und einer erfolgsgefährlichen bzw. ‑verursachenden Handlung nicht geleugnet werden kann. In der Sache liefe das da­ rauf hinaus, Verbote erfolgsdefinierter Handlungen für strafrechtlich irrelevant zu erachten. Demgegenüber liegt es näher, Verbote erfolgsdefinierter und erfolgsgefährlicher Handlungen nebeneinander gelten zu lassen und miteinander zu verknüpfen: Demnach ist das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung nur verletzt, wenn im Einzelfall die verursachende Handlung aufgrund ihrer pro­ spektiv zu bestimmenden Gefährlichkeit verboten war. 4.  Es ist möglich, diese Voraussetzung als handlungsdefinierend aufzufassen: Wenn die verursachende Handlung nicht verboten ist, liegt demnach kein Verstoß gegen das Tötungsverbot vor, weil schon gar keine Tötungshandlung gegeben ist. 206  Sauer

(1921) S. 443. Vgl. auch Traeger (1904) S. 42, Honig (1930) S.  178 f. (1902) S. 387, (1904a) S. 106 ff., (1905) S. 266. 208  Vgl. v. Bar (1907) S. 205. 209  M. L. Müller (1912) S. 22 ff., Engisch (1930) S.  335 ff., ders. (1931) S.  52 ff. 210  Engisch (1930) S. 336. Vgl. ders. (1931) S. 53. 211  So später einige Anhänger der finalen Lehre. Siehe unter B.IV.3. 207  Rabruch

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B. Handlung und normative Zurechnung

Diese Voraussetzungen widersprechen nicht dem Postulat, dass die verbotsgegenständliche Handlung in dem Sinne vornormativ zu definieren ist, dass sie einen Verstoß gegen dasselbe Verbot begrifflich nicht voraussetzt;212 denn die Verbote von gefährlichen Handlungen, die in Bezug genommen werden, sind eigenständige Normen, so dass die Definition nicht zirkulär wird. Auch ist es, wie gezeigt, keine Besonderheit, dass der Begriff der tatbestandlichen Handlung normativ geprägt ist. Selbst die Auswirkungen auf die kausale Unrechts- und Schuldlehre sind nur begrenzt. Entscheidend ist insoweit, dass der subjektive Sinnbezug für das Unrechtsurteil irrelevant bleibt. Das Unrecht wird weiterhin objektiv bestimmt, wenn man eine objektiv-generelle und subjektive Fahrlässigkeit unterscheidet und nur erstere dem Tatbestand, letztere hingegen dem Schuldurteil zuordnet. Dementsprechend kann auch der psychologische Schuldbegriff aufrecht erhalten bleiben.213 5. Die Verlagerung der Fahrlässigkeitsprüfung in den Tatbestand muss indes auch für das Vorsatzdelikt nachvollzogen werden. Auch bei diesem kann die äquivalente Kausalität die Handlungs- und Erfolgszurechnung nicht plausibel begründen, zumal sich nach der kausalen Lehre der Tatbestand des Fahrlässigkeits- grundsätzlich nicht von dem des Vorsatzdelikts unterscheidet. Ein systematisches Äquivalent zur Prüfung des Sorgfaltspflichtverstoßes hat insoweit die Lehre von der objektiven Zurechnung etabliert. d) Die Lehre von der objektiven Zurechnung 1.  Der Begriff der objektiven Zurechnung geht für das Strafrecht auf Honig zurück. Dieser ging von der Lehre der adäquaten Verursachung aus, trennte aber die wertenden Kriterien vom Kausalitätsbegriff und verselbständigte sie in der Kategorie der objektiven Zurechnung.214 Zurechnungskriterium war für ihn, dass der verursachte Erfolg bezweckbar sein muss. Das steht in einer Reihe mit den Kriterien der generellen Eignung und Vorhersehbarkeit, welche die Adäquanztheorie entwickelt hatte.215 Während aber die 212  Siehe

B.II.2. (1930) S. 350. 214  Honig (1930) S. 183 ff., 188, im Anschluss an Larenz (1927) S. 51 ff., 58, 68 ff., 77 ff., 90 ff. Hierzu Roxin (1970b) S. 133 ff., Schroeder (2003) S. 653 ff. Nahestehend auch Mezger (1931) S. 121 ff., der ebenfalls im Anschluss an die Adäquanztheorie nach der rechtlichen Relevanz des Kausalverlaufs fragt und dadurch die Erfolgszurechnung begrenzt. 215  Honig (1930) S. 196 f. Ebenso Engisch (1944) S. 160 ff., 164 f., „objektiv-finaler Handlungsbegriff“: „Handlung ist das Bewirken bezweckbarer Folgen durch einen willkürlich vollzogenen Akt.“ 213  Engisch



III. Der kausale, objektive Handlungsbegriff89

objektive Zurechnung von der äquivalenten Kausalität her gesehen häufig als Haftungseinschränkung begriffen wird,216 betonte Honig, dass sie eine tatbestandliche Handlung (im kausalen Sinn) als Objekt strafrechtlicher Wertung erst begründet: „Nach meiner Auffassung enthält die Frage nach der Tatbestandsmäßigkeit nicht eine Haftungsbeschränkung, sondern sie schafft überhaupt erst das Beurteilungsobjekt und damit die Grundlage der Haftung. Sie ist das Fundament, nicht aber das Korrektiv des Handlungsbegriffs. Ist die Willensbetätigung überhaupt nicht tatbestandsgemäß, dann ist überhaupt keine Handlung im strafrechtlich interessierenden Sinne gegeben.“217

Erst durch die objektive Zurechnung wird demnach eine Handlung konstituiert. Die heutige Lehre von der objektiven Zurechnung, die Roxin wesentlich geprägt hat,218 versteht sich allerdings kaum mehr als ein Beitrag zur Handlungslehre; sie steht aber durchaus in der Entwicklungslinie von kausaler Lehre und Adäquanztheorie.219 Ganz im Sinne Honigs und eines kausalen Handlungsbegriffs schreibt Roxin: „Es ist demnach zunächst die Aufgabe der Zurechnung zum objektiven Tatbestand, die Umstände anzugeben, die aus einer Verursachung (als der äußersten Grenze möglicher Zurechnung) eine Tatbestandshandlung, also z. B. aus einer Todesverursachung eine rechtlich relevante Tötungshandlung, machen; ob eine solche Tötungshandlung dann auch zum subjektiven Tatbestand zugerechnet werden kann und damit vorsätzlich ist,“220 …

… berührt den Handlungscharakter demnach nicht mehr. 2.  Die objektive Zurechnung eines Erfolgs setzt der Lehre von der objektiven Zurechnung gemäß voraus, dass der Handelnde ein unerlaubtes Risiko geschaffen und sich gerade dieses Risiko in der Erfolgsverursachung bestätigt (realisiert) hat.221 Das heißt nichts anderes, als dass die verursachende Handlung bereits für sich genommen und aufgrund ihrer prospektiv zu bestimmenden Gefährlichkeit verboten sein muss222 und dass darüber hinaus gerade der gefahr- bzw. verbotsbegründende Umstand die Erfolgsverursachung bedingt haben muss. Diese beiden Zurechnungsvoraussetzungen sind etwa Jescheck / Weigend (1996) S. 278, 284. (1930) S. 195. 218  Roxin (1970b) S.  135 ff. 219  Entgegen Pawlik (2012) S. 296 f., der der Lehre von der objektiven Zurechnung, eine „Entleerung des Handlungsbegriffs“ und Abkehr von der klassischen Zurechnungslehre vorwirft. 220  Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 46. 221  Jesckeck / Weigend (1996) S. 287, Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 46 ff., je m. w. N. Zum Begriff der Gefahrverwirklichung bereits Engisch (1931) S.  66 ff. 222  Versteht man es so, sind weite Teile der Kritik an der Lehre von der objektiven Zurechnung gegenstandslos, insbesondere Frisch (1988) S. 31 ff., Vogel (1993) S. 60 f. 216  Vgl.

217  Honig

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B. Handlung und normative Zurechnung

mit denen der Fahrlässigkeit (Sorgfaltspflichtverstoß und „Kausalität der Fahrlässigkeit“) identisch, so dass Roxin in der Voraussetzung der Sorgfaltswidrigkeit konsequent nur eine Ausprägung des unerlaubten Risikos sieht.223 Die Bezugnahme auf generelle Verbote gefährlicher Handlungen ist dabei nicht zirkulär.224 Dass das „Verbotensein […] nicht Voraussetzung seiner selbst sein“ kann,225 trifft nur zu, sofern dasselbe Verbot in Rede steht. Da aber die tatbestandliche Handlung in dem Sinn vornormativ zu definieren ist, dass sie einen Normverstoß nicht implizieren kann, knüpft das Urteil über die objektive Zurechnung nur daran an, dass eine gefährliche Handlung vorliegt, welche von einem generellen Verbot bezeichnet wird, ohne dass der Verbotsverstoß schon festgestellt werden kann. Insofern ist die Rede vom „unerlaubten Risiko“ ebenso wie von der „Sorgfaltspflichtverletzung“ auf der Tatbestandsebene ungenau. Die Unerlaubtheit des Risiko wird nicht bereits auf der Tatbestands-, sondern erst auf der Rechtswidrigkeitsstufe festgestellt. 3.  Das Problem, welches der kausalen Lehre die Begrenzung erfolgsdefinierter tatbestandlicher Handlungen bereitete, kann somit gelöst werden, indem man sich auf ein prospektiv zu begründendes Verbot der retrospektiv verursachenden Handlung bezieht und die daraus zu entwickelnden Zurechnungsvoraussetzungen so interpretiert, dass sie die erfolgsdefinierte Handlung mit definieren. Eine verbotsgegenständliche erfolgsdefinierte Handlung liegt demnach nur vor, wenn auch die verursachende Handlung ihrer Art nach von einem Verbot als verboten bezeichnet wird.226 Die „objektive Zurechnung“ wird demnach zwar durch normativ geprägte Kriterien begründet, beinhaltet aber selbst noch keine normative Zurechnung; sie ist vornormative Zurechnung im Sinne der kausalen Lehre. 4.  Es bleibt die Frage, ob das Urteil der „objektiven Zurechnung“, das nur über die „objektive“ Beschreibung und Bewertung einer Gefahr begründet wird, genügt, um eine tatbestandliche Handlung zu konstituieren. Ist der Vorsatz des Handelnden hierfür wirklich ohne Bedeutung? Und wenn die Zurechnung sowieso nur durch die Bezugnahme auf Verbote gefährlicher Handlungen begrenzt werden kann, ist sie derart „objektiv“ nicht erst wirklich begründet, wenn ein Verstoß gegen diese Verbote festgestellt wird und nicht bereits dann, wenn deren quasi tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen? Ist die fahrlässige Verursachung wirklich bereits vornormativ als Hand223  Roxin

AT I (2006) § 24 Rn. 5, 10 ff., Schünemann (1999b) S. 217 f. aber Gössel Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 43 / 120, ähnlich Haas (2002) S. 294, vgl. jedoch auch S. 300 f. Dagegen Ast (2012b) S. 616 Fn. 11, Grosse-Wilde (2017) S. 336. 225  Hirsch (1998) S. 136. 226  Zur Deutung als Unrechtsvoraussetzung demgegenüber C.V.3.2. f. 224  So



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff91

lung auszuweisen oder wird der Handlungscharakter des Fahrlässigkeitsdelikts nicht doch erst durch die normative Zurechnung begründet? Diese Fragen werden erörtert, nachdem die finale bzw. intentionale, oder besser: subjektive Handlungslehre dargestellt ist. Für diese konstituiert die Perspektive des Handelnden erst eine Handlung. Auch für sie ist das Problem des Fahrlässigkeitsdelikts aber ein Angelpunkt.

IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff 1. Welzels Konzeption – Subjektiver Sinn als Maßstab der Zurechnung 1.  Während die kausale Handlungslehre die Zurechnung bloß über objektive Kriterien begründet und die Absichten des Handelnden nicht berücksichtigt, ist der Erfolg nach der finalen Lehre im Rahmen einer Handlung nur zurechenbar, wenn der Handelnde ihn bezweckt oder einkalkuliert hat. Die Zwecksteuerung (Finalität) muss den körperlichen Vorgang (die Körperbewegungen und die verursachten Wirkungen) gleichsam überwölben, damit dieser zur Handlung gehört. Deutlich formulierte das Welzel bereits 1931: „Das Geschehen, das vom Entschluss zum Erfolg führt, [ist] eine gesetzliche Sinn­ einheit, die sich durch das Moment der Sinngesetztheit aus dem übrigen kausalen Geschehen heraushebt. Bezeichnen wir diese Sinneinheit als Handlung, so folgt, dass der Handlungszusammenhang zwischen Erfolg und Entschluss kein bloß kausaler, sondern ein teleologischer Sinnsetzungszusammenhang ist. Der kausale Zusammenhang ist nur eine Teilkomponente des Sinnzusammenhangs, bestimmt und gelenkt durch die sinn-intentionale Gesetzlichkeit des Handlungszusammenhangs.“227

Für den finalen Handlungsbegriff ist der Handlungssinn wesentliches Merkmal einer jeden Handlung. Der Sinn folgt dabei aus der Zwecksetzung. Was der Handelnde bezweckt und verwirklicht, welche Mittel er hierfür aufwendet oder welche Nebenfolgen er in Kauf nimmt, ist ihm im Rahmen einer Handlung zurechenbar. Sofern die Zwecksetzung bzw. Intention auf die Verwirklichung der „objektiven Seite“ einer tatbestandlichen Handlung bezieht, ist sie strafrechtlich Vorsatz. Bei vollendeten Delikten ist der Vorsatz „in seinem ganzen Umfange ein finales Element der Handlung.“228 Er ist systematisch somit nicht mehr im Schuld- sondern im Handlungsbegriff verankert. Infolgedessen wird die 227  Welzel (1931) S. 718 = (1975) S. 19. Zuvor bereits in einem Aufsatz 1930, abgedruckt in (1965) S. 197 und (1975) S. 4 f. Anschließend daran (1935) S. 79 = (1975) S. 108. 228  Welzel (1969) S. 64.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Schuld nicht mehr psychologisch aufgefasst, sondern normativ als Vorwerfbarkeit der normwidrigen Handlung aufgrund des „Vorziehens des niederen Werts vor dem höheren.“229 2.  Die Zwecksetzung des Handelnden im Handlungsbegriff zu berücksichtigen, war keineswegs neu.230 So hatte Max Weber die Handlung durch die subjektive Sinnsetzung definiert: „ ‚Handeln‘ soll […] ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.“231 Dieser „radikale Rückgang auf einen subjektbezogenen Handlungsbegriff“ wendet sich deutlich dagegen, die Handlung auf einen beschreibbaren Kausalvorgang zu reduzieren.232 Daran anschließend sah auch Parsons, zeitgleich mit Welzel, in der Zwecksetzung des Handelnden deren definierendes Element: „An ‚act‘ involves logically the following: (1) It implies an agent, an ‚actor.‘ (2) For purposes of definition the act must have an ‚end‘, a future state of affairs toward which the process of action is oriented.“233 Für Welzel war methodologisch der Gedanke entscheidend, dass die Handlung die „gegenständliche Seinsgrundlage möglicher strafrechtlicher Wertungen“ ist.234 Er setzt für die Handlungsdefinition den Wirklichkeitsbezug vor dogmatisch-funktionale Interessen.235 Die Handlung ist zuallererst Gegenstand beschreibender Wissenschaften, die Strafrechtswissenschaft muss sich diesen öffnen. 3. Dogmengeschichtlich bewegte sich die finale Lehre wieder auf den Hegelschen, willensbezogenen Handlungsbegriff zu, der vor der kausalen Lehre in der Strafrechtsdogmatik herrschend war.236 Der finale ist gleichsam eine Synthese aus dem Hegelschen und dem kausalen Handlungsbegriff: Zwar wird der Wille berücksichtigt, aber nicht wie bei Hegel der normative Bezug. Mit Parsons kann man den finalen Begriff als positivistisch bezeichnen, weil er nur die zweckrationalen Elemente, nicht aber den Wertbezug der Handlung berücksichtigt.237 229  Welzel

(1935) S. 79 f. = (1975) S. 109, ders. (1969) S. 138. (1969) S. 37, Hirsch (2003a) S. 228. 231  Weber (1972) S. 1. 232  So Luhmann (1983) S. 19. 233  Parsons (1968) S. 44. Hierzu Amelung (1972) S. 333, 350 ff. 234  Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21. Vgl. auch ders. (1962) S. 336 = (1975) S. 285. Zum Bezug auf die Philosophie Nicolai Hartmanns vgl. Klug (1960) S.  34 ff. 235  Programmatisch bereits Welzel (1965b) S. 194 ff. (urpsr. 1930). Vgl. auch Küp­ per (1990) S. 27 f., Hirsch (2003a) S.  226 ff., 232 f. 236  Vgl. Engisch (1944) S. 149. Zum hegelschen Begriff siehe B.V.5. 237  Parsons (1968) S. 77  ff. Zur diesbezüglichen Kritik an Welzel siehe unten B.V.5. 230  Welzel



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff93

Das erklärt sich aber gerade aus dem strafrechts­systematischen Interesse, einen Handlungsbegriff aufzustellen, welcher die Handlung vor ihrer Bewertung als verbots- und rechtswidrig erfasst. Den normativen Aspekt berücksichtigt erst der Handlungsbegriff des Verbrechens als schuldvoraussetzender Handlung. Die Wert- und Normenorientierung wird als Schuldfrage relevant, während der Begriff der normgegenständlichen, tatbestandlichen Handlung objektiv und deshalb auch subjektiv den Verstoß gegen dasjenige Verbot, welches diese Handlung verbietet, nicht schon voraussetzen kann. Die darin angelegte Trennung von tatbestandsrelevantem Vorsatz und erst schuldrelevantem Unrechtsbewusstsein (Schuldtheorie) hat ihren Grund somit nicht im allgemeinen Begriff der Handlung,238 sondern in dem spezielleren Begriff der tatbestandlichen als normgegenständlicher Handlung. Obgleich der finalistische Begriff mögliche handlungskonstituierende Momente ausblendet, ist er nicht ein dogmatischer Kunstbegriff, wie es der kausale ist, sondern steht dem Alltagsverständnis nahe. Auch umgangssprachlich ist es möglich, davon zu sprechen, dass jemand getötet habe, ohne Rücksicht darauf, ob diese Handlung gerechtfertigt oder schuldhaft ist. Die Begriffsbildung ist offenbar frei, von bestimmten Sinnbezügen zu abstrahieren. 4. Weil der abstrakte kausale Handlungsbegriff keine inhaltlichen Kriterien enthält, welche die Zurechenbarkeit von im Sinne der Äquivalenztheorie verursachten Folgen eines Handelns begrenzen, musste er, wie gezeigt, auf der Ebene der Begriffe tatbestandlicher Handlungen entsprechende Kriterien einführen: die Lehren vom Regressverbot, von der adäquaten Verursachung und der objektiven Zurechnung. Zwar baut auch die finale Handlungslehre auf der Äquivalenztheorie der Kausalität auf.239 Deren Problematik wird aber dadurch entschärft, dass der abstrakte Begriff der finalen Handlung mit der Finalität bzw. dem Vorsatz des Handelnden ein Kriterium enthält, das die Zurechenbarkeit von Handlungsfolgen klar definiert.240 Gleichwohl hat Welzel die Begriffe tatbestandlicher Handlungen um ein weiteres allgemeines Kriterium angereichert: die Sozialadäquanz. Die einzelnen tatbestandlichen Handlungen wie „töten“ und „verletzen“ können demnach auch bei gegebener Finalität nicht auf Handlungen aufgebaut sein, die der „geschichtlich gewordenen Ordnung des Soziallebens“ entsprechen – beispielhaft: Kinder zu zeugen, obgleich sie Mörder werden können, einen anderen in Tötungsabsicht zu einer Flugreise zu veranlassen oder trotz einer Selbstmorddrohung den Ehepartner zu verlassen.241 aber Welzel (1962) S. 336 = (1975) S. 285. (1969) S.  43 ff. 240  Welzel (1969) S. 45. 238  So

239  Welzel

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B. Handlung und normative Zurechnung

Umgekehrt setzt die tatbestandliche, erfolgsdefinierte Handlung also voraus, dass die ursächliche Handlung sozial inadäquat ist. Da das Recht soziale Maßstäbe nicht ungefiltert übernimmt, kommt es vielmehr darauf an, ob die fraglichen Handlungen ihrer Art nach rechtlich inadäquat, also von Rechts wegen verboten sind. Die Kategorie der Sozialadäquanz ist deshalb weitgehend mit der von der Lehre von der objektiven Zurechnung postulierten Voraussetzung identisch, dass der Handelnde ein unerlaubtes Risiko geschaffen, das heißt eine gefährliche Handlung gewählt haben muss, die in einem generellen Verbot als verboten bezeichnet wird.242 2. Das Problem des Fahrlässigkeitsdelikts – Welzels Lösungsversuche a) Finalität und Fahrlässigkeit Weil die finale Lehre die Finalität und den Vorsatz als für eine Handlung maßgeblich ansieht, fällt es ihr schwer, fahrlässig verursachte Erfolge als zurechenbar auszuweisen. Die Intention des Täters ist beim Fahrlässigkeitsdelikt nicht auf den Erfolg gerichtet. Wie ist also zu erklären, dass dieser zugerechnet wird? Von der kausalen übernahm die finale Lehre die systematische und normentheoretische Prämisse, jedes Delikt, also auch das fahrlässige, vornormativ als Handlung zu beschreiben. Der tatbestandlichen Handlung sind demnach die Attribute rechtswidrig und schuldhaft zuzuordnen; Gegenstand der strafrechtlichen Verbote können nur Handlungen sein.243 Während aber die kausale Lehre den Handlungsbegriff dieser Prämisse unterordnete und ihn danach ausrichtete, beanspruchte Welzel, den Begriff am vorgegebenen Gegenstand auszurichten; die dogmatische Systembildung wurde dem Handlungsbegriff unterworfen. Im Gegenzug bereitete dasjenige systematische Problem große Schwierigkeiten, nach welchem sich die kausale Lehre ausgerichtet hatte, nämlich das Fahrlässigkeitsdelikt vornormativ als Handlung zu erweisen. 241  Welzel (1969) S. 55 ff. Zur Rezeption in Literatur und Rechtsprechung Roxin (1983) S.  303 ff. 242  Ebenso Roxin (1983) S. 310 ff., ders. AT I (2006) § 10 Rn. 38 f., Cancio Melia (1995) S. 191, Haas (2002) S. 307, Pawlik (2012) S. 212. Schutzzweckerwägungen ordnet Welzel hingegen der Vorsatzdogmatik zu. Vgl. Welzel (1969) S. 66 (fehlende Einwirkungsmöglichkeit auf das Geschehen, Beispiel: Jemanden ins Gewitter schicken – was demnach wohl als sozial inadäquat zu beurteilen wäre) und S. 73 (Abweichung vom vorhergesehenen Kausalverlauf). 243  Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21, Welzel (1969) S. 37, 49 ff., Armin Kauf­ mann (1954) S.  106 ff.



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff95

Bemerkenswert ist, dass Welzels Versuche, dieses Problem zu lösen, spiegelbildlich zu den Versuchen der kausalen Lehre sind, die kausale Handlung zu begrenzen: Der einen Lehre ging es um die Begrenzung, der anderen um die Ausweitung der Zurechnung auf das Fahrlässigkeitsdelikt. b) Erster Ausweg: Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Verursachung Welzels erster Lösungsversuch ähnelt der Lehre von der adäquaten Kausalität: Das fahrlässige Begehungsdelikt lässt sich vornormativ als Verursachen eines tatbestandlichen Erfolgs beschreiben, das vorhersehbar, eventuell sogar bezweckbar und jedenfalls durch finales Handeln oder Unterlassen vermeidbar war. Welzel deutet diese Lösung bereits 1931 an: „Als eigene Tat oder Handlung einem Subjekt zugehörig und in diesem Sinne objektiv zurechenbar ist jeder tatbestandlich festgelegte Erfolg, der vom Täter sinnhaft gesetzt oder dessen Abwendung vorhersehbar und sinnhaft setzbar war.“244

Demnach wäre zunächst jedes vorhersehbare Verursachen des Erfolgs vornormativ als Handlung zurechenbar. Um es auch normativ zurechnen zu können, muss das Urteil, dass der Handelnde den Erfolg vorhersehen konnte, dahingehend verstärkt werden, dass er ihn vorhersehen und vermeiden sollte. Vorherseh- und vermeidbar ist das Verursachen, wenn die verursachende Handlung prospektiv als geeignet einzuschätzen war, den Erfolg zu verursachen.245 Eine bloß möglich gebliebene Finalität, die zumal nicht auf das Erreichen, sondern Vermeiden des Erfolgs gerichtet ist, hat sich aber gerade nicht verwirklicht.246 Der Begriff der vermeidbaren Verursachung stimmt somit mit dem kausalen, nicht aber dem finalen Handlungsbegriff überein.247 Er würde die finale Lehre somit in eine dualistische Konzeption des Gegenstands der strafrechtlichen Verbote führen. Diese sind entweder auf eine finale Handlung oder auf eine vermeidbare Verursachung des Erfolgs gerichtet. Diese Konsequenz konnte die finale Lehre nach dem oben Gesagten nicht akzeptieren. Deutlich hierzu Niese: „Wenn man sagt, dass das unabdingbare Merkmal menschlichen Handelns die Finalität ist, so kann man von da aus nichtfinales Handeln nicht mehr als Handlung 244  Welzel (1931) S. 720 = (1975) S. 21; ausführlich ders. (1935) S. 80 ff. = 109 ff. Objektive hier im Gegensatz zur Schuldzurechnung, in Anschluss an Larenz (siehe oben B.III.4.d)). Bezugnehmend Welzel (1931) S. 718 f. = (1975) S. 20. 245  Vgl. Niese (1951) S. 43, ebenso später Welzel (1969) S. 129. 246  Vgl. Niese (1951) S. 43, Hirsch (2003b) S. 517 f. 247  So bereits Niese (1951) S.  51 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

bezeichnen; dadurch würde sich der Finalismus selbst aufheben. Vor dieses Problem ist der Finalismus gestellt, nachdem die potentielle Finalität als Handlungsmoment ausfällt. […] Wenn [aber] eine unfinale Erfolgsverursachung begrifflich keine Handlung sein kann, so wird ein Gegner der Finalisten sofort einwerfen: Dann gebt ihr den geltenden Verbrechensbegriff auf; denn darüber besteht ja nun wenigstens Einigkeit, dass das Verbrechen Handlung ist; das Fahrlässigkeitsdelikt ist aber als unfinale Erfolgsverursachung vom Standpunkt der finalen Handlungslehre aus keine Handlung.“248

c) Zweiter Ausweg: Finale Steuerung des Körperverhaltens Während die fahrlässige Verursachung keine finale bzw. intentionale Handlung ist, setzt sie doch eine finale Handlung voraus. So ist die Herausgabe nicht desinfizierter Ziegenhaare, welche den Tod von Fabrikarbeitern verursacht, eine finale bzw. intentionale Handlung.249 Hierin liegt Welzels zweiter Ausweg: Bei der Fahrlässigkeit gehe es um die „Art der Ausführung der finalen Handlung“, um die „Handlungsvollzüge (Steuerungsvorgänge), welche die im Verkehr […] erforderliche Sorgfalt verletzt haben.“250 Niese hatte diese Lösung vorgeschlagen: Gegenstand des Tatbestands eines fahrlässigen Begehungsdelikts sei die Erfolgsverursachung durch eine finale Handlung, welche in ihrer Finalität nicht missbilligt ist.251 Der Erfolg und dessen Verursachung sind nach dieser Lösung nicht mehr Teil der finalen Handlung. Das ist für die finale Handlungslehre die einzig konsequente Lösung. Dem fahrlässigen Begehungsdelikt kann dann im Hinblick auf den Erfolg aber nur ein Verursachungsverbot zugrunde liegen. Das anzuerkennen, bedeutet zwar nicht zwingend ein Zurück zur objektiven Unrechtslehre des Kausalismus, weil die Verursachungsverbote auf die Verbote von verursachungsgeeigneten Handlungen bezogen werden können. Es wäre gleichwohl eine Konzession an die kausale Handlungslehre – nicht in der Frage des Handlungsbegriffs, aber eben darin, dass ein bloßes Verursachen Gegenstand eines Verbots ist. Vor allem aber hätte die finale Lehre den Anspruch aufgeben müssen, einen einheitlichen vornormativen Handlungsbegriff für alle Deliktsarten entwickelt zu haben.

248  Niese

(1951) S.  52 f. 63, 211. 250  Welzel (1969) S. 130. Ebenso Hirsch (2003b) S.  519 f. 251  Niese (1951) S. 53, 58 f. Ebenso Bockelmann (1949) S. 25. 249  RGSt



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff97

3. Die These von der Irrelevanz des Erfolgs a) Kaufmann und Zielinski 1.  Um diese Konsequenz zu vermeiden, konnte die finale Lehre nur noch die These aufstellen, dass dem fahrlässigen Erfolgsdelikt kein Verbot zugrunde liegt, das sich in der Weise auf den Erfolg bezieht, dass es nur bei Eintritt des Erfolgs missachtet ist, also kein „erfolgsvoraussetzendes Verbot“ wie es ein Erfolgsverursachungsverbot wäre.252 Setzt man die Prämisse, dass Verbote sich nur auf Handlungen richten können, ergibt sich dieser Schluss für die finale Lehre zwingend.253 Das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts wird demnach nur durch Verbote von unsorgfältigen Handlungen begründet (wie zum Beispiel das Verbot, nicht desinfizierte, mit Milzbrandbakterien verseuchte Ziegenhaare verarbeiten zu lassen), nicht auch durch das Verbot, den Erfolg zu verursachen. Auf der Ebene des Unrechts unterscheidet sich dann die fahrlässige Verursachung des Erfolgs nicht von einem folgenlos fahrlässigen Handeln.254 Der Erfolgseintritt erscheint als Merkmal der Sanktionsnorm, nicht der Verhaltensnorm. Da er aber kausal und normzweckbezogen mit der Handlung verknüpft sein muss, ist es zweifelhaft, ob er als bloße objektive Bedingung der Strafbarkeit einzustufen wäre.255 Um die These von der Irrelevanz des Erfolgs zu untermauern, betonte Armin Kaufmann die Zufälligkeit des Erfolgseintritts und berief sich auch auf die Thesen M. L. Müllers.256 2.  Den Erfolg bei der Fahrlässigkeit für irrelevant zu halten, hat aber einen Preis: Es wirkt sich auch auf das Verständnis von Handlung und Verbot beim Vorsatzdelikt aus. So gilt die These Müllers unmittelbar für dieses: Das Verbot richtet sich immer nur auf gefährliche Handlungen; der Erfolgseintritt ist der verbotsgegenständlichen Handlung nicht inbegriffen. Zum Beispiel erfasse das Tötungsverbot das Krümmen des Fingers am Abzug der auf einen anderen gerichteten Pistole, unabhängig davon, ob der andere dann stirbt.257 252  Armin Kaufmann (1964) S. 44, 46 f., ders. (1974) S. 409 ff., Zielinski (1973) S.  128 ff.,136 ff., 143 f., 152 ff., 191, Schaffstein (1974) S. 561 f., Dornseifer (1989) S.  433 ff. 253  Deutlich Hirsch (2003b) S. 519. 254  Kritisch daher Renzikowski (1997) S.  214 f. 255  Dafür Armin Kaufmann (1974) S. 411. Dagegen Hirsch (1982) S.  253 ff., ders. (2003) S. 522. 256  Armin Kaufmann (1964) S.  42 f. m. w. N., ders. (1968 ) S. 51. Zu Müller siehe B.III.4.c). 257  M. L. Müller (1912) S. 22.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Die Konsequenz, die Voraussetzung des Erfolgseintritts auch aus dem Begriff der finalen Handlung zu entfernen, haben Armin Kaufmann und sein Schüler Zielinski dann auch gezogen. Die wesentlichen Argumente hierfür sind schon bei Hold von Ferneck angedeutet, der bemerkte, dass „in Wahrheit […] doch immer nur der Versuch verboten“ sei: Der Erfolgseintritt sei bei der Fahrlässigkeit zufällig, und auch beim Vorsatzdelikt werde der Kausalverlauf vom Täter nicht vollständig beherrscht.258 Entsprechend argumentiert auch Zielinski: Der Handelnde könne nur sein eigenes Körperverhalten unmittelbar steuern. Ob dieses tatsächlich verursachungsgeeignet ist und deshalb den Erfolg verursacht, könne er nicht sicher wissen. Das stehe deshalb außerhalb des Finalzusammenhangs.259 Handlung und Verbotsgegenstand ist demnach auch beim Vorsatzdelikt nicht das finale Verursachen des Erfolgs, sondern nur das bewusst verursachungsgeeignete Körperverhalten. Der Erfolgseintritt ist nicht unmittelbar Gegenstand der Norm, sondern nur als Bezugspunkt von Kenntnis und Absicht des Handelnden. Zielinski und Kaufmann gingen noch einen Schritt weiter: Es komme nicht darauf an, ob das Körperverhalten tatsächlich verursachungsgeeignet ist; vielmehr genüge es, dass der Handelnde es dafür halte. Selbst ein unverständiger oder abergläubischer Versuch, jemanden zu töten, sei eine finale Tötungshandlung.260 3. Während sowohl die kausale als auch die finale Handlungslehre zwischen dem Körperverhalten und der erfolgsdefinierten Handlung unterschieden haben, reduziert diese Theorie die normgegenständliche Handlung auf das Körperverhalten. Dieses wird von einem psychischen Akt begleitet, der nicht mehr wie bei der kausalen Lehre inhaltsindifferent als Willkürlichkeit definiert wird, sondern dessen intentionaler Sinngehalt berücksichtigt wird. Er bestimmt die Handlung ihrer Art nach (z. B. als quasi „Tötungshandlung“) ohne Rücksicht darauf, ob die Vorstellung des Handelnden von der Handlungssituation zutrifft oder ob er den Handlungszweck erreicht. Allein das Körperverhalten muss realisiert sein und wird zugerechnet. Ergebnisse und Erfolge werden weder vornormativ noch normativ zugerechnet, selbst wenn sie verwirklicht sind.

258  Hold

von Ferneck (1911) S.  256 f. (1973) S. 137: „Eine Norm kann aber … nur einen finalen Akt als solchen zum Gegenstand haben … Die außerhalb der Finalität des … Handlungsprojektes liegenden ‚Unrechtselemente‘ können nicht Normmaterie der gesuchten Norm des Vollendungsdelikts sein.“ Zum hier verwendeten Begriff des finalen Akts, der allein das (finale) Körperverhalten bezeichnet, vgl. ibid. S. 128 f., 136, 143. Dieses Argument kritisiert aus finalistischer Perspektive Hirsch (1982) S. 240 ff., (2002) S.  7 ff., (2003) S.  520 ff. 260  Zielinski (1973) S. 134, 138 ff., Armin Kaufmann (1974) S. 403. 259  Zielinski



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff99

Ursprünglich hat die finale Handlungslehre Erfolg und Intention im Begriff der Handlung und somit in der Konzeption des Norminhalts zur Deckung gebracht. Handlungsmäßig zurechenbar ist demnach der Erfolg, soweit der Handelnde ihn bezweckt hat. Welzel sprach diesbezüglich von einer Sinneinheit. Dieses ursprüngliche Konzept kehrten Kaufmann und Zielinski zu Lasten des Objektiven um. Außer dem Körperverhalten wird dem Handelnden nichts Objektives zugerechnet. Verboten ist nicht eine objektiv gefährliche Handlung, sondern ein Körperverhalten, von welchem der Handelnde sich vorstellt, dass es gefährlich sei. Diese Konzeption führt zu einer radikalen Subjektivierung der normgegenständlichen Handlung und des Unrechts. Insofern ist sie die genaue Gegenposition zur objektiv-kausalen Unrechtslehre. Doch gibt es gleichsam eine coincidentia oppositorum: Beide Lehren eint, dass sie mit der Auffassung der Handlung als Körperverhalten dem Physisch-Gegenständlichen verhaftet bleiben; von einer Sinneinheit kann keine Rede sein. Ferner ist der methodische Grundsatz gleich: Während Welzel die Dogmatik nach dem Handlungsbegriff ausrichten wollte, schneiden Kaufmann und Zielinski den Handlungsbegriff ebenso wie die kausale Lehre nach den Bedürfnissen der Dogmatik zu. Ein einheitlicher strafrechtsdogmatischer Handlungsbegriff soll dadurch ermöglicht werden, dass der Erfolg aus Handlungsbegriff und Norminhalt ausgeklammert wird. b) Die Resistenz des Problems: Notwendig objektiv zu verstehende Verbotsbestandteile 1.  Auch der Ausweg, zumindest für das Fahrlässigkeitsdelikt die Relevanz des Erfolgs zu leugnen, kann das Problem nicht lösen, das diese Deliktsart der finalen Lehre bereitet. Nicht nur der Erfolg, sondern auch andere verbotsrelevante Umstände können beim Fahrlässigkeitsdelikt außerhalb des Finalzusammenhangs stehen. Eine objektive Auffassung des Verbotsgegenstands ist insbesondere bei der unbewussten Fahrlässigkeit unvermeidbar. Kennt der Handelnde verbotsrelevante, gefahrbegründende Umstände nicht, wird ihm gleichwohl Fahrlässigkeit zur Last gelegt, wenn er diese Umstände hat erkennen können und sollen. Ein Beispiel hierfür ist der Logenschließerfall des Reichsgerichts: Aus einem an der Garderobe abgegebenen Mantel fiel ein Revolver heraus. „Der Logenschließer Kr. hat den Revolver, nachdem er ihn aufgehoben, auf die Brust des Kastellans M. angelegt und in der Meinung, dass er nicht geladen sei, abgedrückt. Der Schuss hat den M. ins Herz getroffen und dessen sofortigen Tod herbeigeführt.“261 Es gilt ein Verbot, mit geladenen Waffen auf 261  RGSt

34, 91, 92.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Menschen zu schießen. Obgleich der Logenschließer nicht wusste, dass die Waffe geladen war, wird ihm das Schießen mit geladener Waffe normativ zugerechnet – weil er hat erkennen können und sollen, dass die Waffe geladen war, indem er etwa zuvor überprüft, ob das der Fall ist. Die Zurechnung setzt wiederum nicht voraus, dass dem Logenschließer bewusst war, dass er die Überprüfung unterlässt. Sie beruht im Fall unbewusster Fahrlässigkeit auf dem Kennensollen, nicht auf tatsächlicher Kenntnis von Normen, Situationsumständen und Handlungsmöglichkeiten. Demgegenüber hat Zielinski die Finalität der fahrlässigen Handlungsweise dadurch erweisen wollen, dass er diejenigen Umstände, die nicht von der Intention umfasst sind, im Verbot nicht oder nur innerhalb einer „ohne-zu“Bedingung berücksichtigt. Er geht im Beispiel von einem Verbot aus, einen Revolver zu betätigen, ohne zuvor zu überprüfen, ob er geladen ist und ihn gegebenenfalls zu entladen. Die Erfüllung dieser „ohne-zu“-Bedingung hindere lediglich die Konkretisierung des generellen Verbots der finalen Handlung zur singulären Unterlassungspflicht.262 Demnach lautet das generelle Verbot im genannten Fall: „Betätige keinen Revolver!“ Erfüllt der Handelnde die „ohne-zu“-Bedingung – prüft und entlädt er also den Revolver – hindert das die Konkretisierung des Verbots zur Unterlassungsplicht. Erfüllt er jene Bedingung bewusst oder unbewusst nicht, gilt eine Unterlassungspflicht. Offenbar muss aber dem Handelnden nicht zwingend bewusst sein, dass er die Vorsorgehandlungen unterlässt. 2.  Strafrechtsdogmatisch bestehen gegen objektiv zu verstehende Verbotsbedingungen keine Bedenken. Sie führen nicht zurück zu einer objektiven Unrechtslehre, weil an die Stelle der Intentionalität das Urteil über das Kennensollen gesetzt wird, für welches man wiederum voraussetzt, dass es dem Handelnden möglich war, die Verbotssituation zu erkennen.263 Wenn für die Fahrlässigkeit somit Verbote anzunehmen sind, welche auf Situationsumstände oder Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten Bezug nehmen, die der Handelnde intentional nicht erfasst hat, liegt es nahe, dass es auch möglich ist, Verbote anzunehmen, den Erfolg zu verursachen, ohne dass diese Verursachung intendiert sein muss. Auch das führt nicht in eine objektive Unrechtskonzeption, weil insoweit an die Stelle der Intention das Urteil tritt, dass der Handelnde den Erfolg vermeiden konnte und sollte. Somit entfällt der wichtigste Einwand, der gegen erfolgsvoraussetzende Verbote vorgebracht wird.264

262  Zielinski

(1973) S.  182 f. unten C.V.4.b). 264  Vgl. etwa Roxin (1962) S. 529. 263  Hierzu



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff101

Für die Anerkennung von objektiv zu verstehenden Verbotsinhalten spricht auch, dass die Bestimmung des Verbotenen nicht nur von der Kenntnis des Handelnden abhängig sein kann. Die Aufforderung, Acht zu geben, die Situation zutreffend zu erfassen und vorausschauend Gefahren zu erkennen, geht nur von Verboten aus, deren Inhalt sich nicht allein nach der Kenntnis des Handelnden bestimmt. Nur wenn der Handelnde weiß, dass seine Kenntnis für die Beurteilung nicht der alleinige Maßstab ist, wird er zur Aufmerksamkeit angehalten. Alles andere wäre als Freibrief und Empfehlung zu verstehen, nur geringe Aufmerksamkeit aufzubringen. c) Die Relevanz des Erfolgs für Handlung und Norm 1.  Hinsichtlich der Frage, ob der Erfolgseintritt im Rahmen von Handlung und Norm zu berücksichtigen sei, sah Kaufmann die Begründungslast bei der Position, die ihn berücksichtigt, weil sie dem Erfolgseintritt bei der Fahrlässigkeit strafbegründende und beim Vorsatzdelikt strafrahmendefinierende Funktion zumisst.265 Angesichts der strafbarkeitsausweitenden Tendenz von Kaufmanns Lehre ist die Annahme einer Art „Beweislast“ zwar zweifelhaft. Gleichwohl seien die mit der Berücksichtigung des Erfolgs zusammenhängenden Fragen ausführlicher erörtert.266 Es stehen sich eine monistische und eine dualistische Konzeption der strafrechtlichen Verbote gegenüber: Die dualistische Konzeption unterscheidet zwischen Verboten von erfolgsdefinierten Handlungen (z. B. „töten“) und Verboten von erfolgsgeeigneten Handlungen (z. B. „schießen“).267 Die monistische Konzeption geht allein von letzteren aus und leugnet die Relevanz von Verboten erfolgsdefinierter Handlungen. 2. Dagegen, Verbote erfolgsdefinierter Handlungen anzunehmen, wurde vorgebracht, dass der Handelnde unmittelbar nur sein Körperverhalten steuern könne. Ob der Erfolg eintrete, sei prospektiv nicht gewiss. Es könne auch nicht von einem künftigen Ereignis abhängen, ob ein Handeln verboten sei oder nicht.268 Das trifft zwar zu, spricht aber nicht gegen Verbote erfolgsdefinierter Handlungen: 265  Armin

Kaufmann (1968) S. 51. auch bereits B.II.3., B.III.2.c). Umfassend hierzu auch Burchard (2008) S. 151 ff. und unter Einbeziehung der „moral-luck“-Debatte Grosse-Wilde (2017) S.  116 ff. 267  Siehe hierzu schon unter B.III.4.d). 268  Zu diesem zentralen und, wie gesehen, auch von Kaufmann angeführten Kon­ troll- und Zufallsargument Grosse-Wilde (2017) S.  128 ff. 266  Siehe

102

B. Handlung und normative Zurechnung

a) Aus dem Umstand, dass der Handelnde nur sein Körperverhalten unmittelbar steuern kann, folgt nicht, dass nur dieses geboten oder verboten werden könnte. Strukturell unterscheidet sich eine Körperbewegungshandlung nicht von einer Handlung mit beliebigem anderen Handlungsergebnis. Auch die Norm, die bloß eine Körperbewegungshandlung gebietet oder verbietet, betrifft prospektiv gesehen ein künftiges Ereignis, dessen Verwirklichung ebenso wie die jedes anderen kontingenten Ereignisses prinzipiell nicht gewiss ist und scheitern kann. Dass die Ausführung einer Körperbewegungshandlung mit geringerer Wahrscheinlichkeit scheitern wird als die Verwirklichung einer durch einen anderen Erfolg definierten Handlung, kann nicht relevant sein. Wenn es so wäre, könnte man aber auch nicht legitimieren, den Versuch jener Handlung zu gebieten oder verbieten. Es behauptet aber wohl niemand ernstlich, dass es nicht verboten werden kann, einen anderen zu töten oder dies zu versuchen, nur weil nicht sicher ist, dass man das auch schaffen wird. Gelingt es jemandem, einen anderen zu töten, beweist sich im Einzelfall, dass die Möglichkeit bestand. Gleiches gilt mit Blick auf Gebote erfolgsdefinierter Handlungen: Wenn ein Kind im Teich zu ertrinken droht, ist den Eltern geboten, es nach Möglichkeit zu retten. Dass das Kind eventuell nicht mehr zu retten war, wird retrospektiv berücksichtigt, indem gegebenenfalls ein Verstoß gegen das Gebot nicht angenommen wird. Wenn das Kind aber mit höchster Wahrscheinlichkeit zu retten war und die Eltern es nicht gerettet haben, ist das Gebot missachtet. b) Ein zweites Argument betrifft ebenfalls die prinzipielle Ungewissheit des Erfolgseintritts: Es könne nicht von einem künftigen Erfolgseintritt abhängen, ob ein Handeln verboten sei oder nicht. Es trifft zwar zu, dass das Verbot einer Handlung nicht durch den Eintritt eines künftigen Ereignisses bedingt sein kann, weil ansonsten prospektiv nicht bestimmbar wäre, ob eine projizierte Handlung, die ihrer Art nach von dem Verbot bezeichnet wird, im Einzelfall verboten oder erlaubt wäre. Ein Verbot des Schießens, das dadurch bedingt ist, dass das Schießen den Tod einer Person zur Folge hat, kann es deshalb nicht geben. Es ist nicht möglich, eine Handlung prospektiv als „verboten oder erlaubt“ zu bestimmen, und erst retrospektiv, falls der Erfolg eintritt, als eindeutig verboten oder, falls er nicht eintritt, als eindeutig erlaubt. Dieses Problem besteht aber bei dem Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung wie der Tötung nicht. Das Verbot der Tötung ist gerade nicht bedingt durch den Eintritt eines künftigen Ereignisses. Vielmehr vollendet sich die Tötung erst, wenn der Tod eines anderen eintritt. Der normative Status der



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff103

Handlung Töten als verboten oder erlaubt bleibt im Einzelfall in keinem Moment unbestimmt. Vielmehr kann eine projizierte und dann gegebenenfalls vollendete Tötung in jedem Moment als verboten bestimmt werden. Ungewiss ist nur, ob diese Handlung verwirklicht wird, bis der Tod eintritt. Es stellt sich aber nicht das logische Problem der Unbestimmbarkeit des normativen Status. Viel Verwirrung stiftet hier die Vorstellung von der Handlung als Körperbewegung. Identifiziert man die Tötungshandlung mit dem Schießen bzw. der hierzu erforderlichen Körperbewegung, fällt es schwer, plausibel zu machen, wie der Todeseintritt in der normgegenständlichen Handlung verankert wird. Er erscheint dann als ein künftiges Ereignis, dessen Eintritt das Verbot nicht zur Bedingung dessen machen kann, dass diejenige Körperbewegung verboten ist, die zugleich das Schießen verwirklicht und mit dem Töten identifiziert wird. Aus einer solchen Prämisse kann aber kein Einwand gegen ein Konzept von Handlungsarten vorgebracht werden, welche durch den Erfolgseintritt definiert werden. Dass das Konzept der Handlung als Körperbewegung nicht überzeugend in der Lage ist, außerhalb der Körperbewegung liegende Erfolge einzubeziehen, sollte eher dazu führen, dass man sich von diesem Konzept verabschiedet. 3. Ein dualistisches Normenkonzept hat gegenüber einem monistischen den Vorteil größerer begrifflicher und analytischer Klarheit. Es macht deutlich, dass die erfolgsdefinierte Handlung und deren Ausführungshandlung zwei unterschiedliche Handlungen sind, die deshalb gegebenenfalls von zwei unterschiedlichen Verboten erfasst sind.269 Im Fall, dass A den B tötet, indem er auf ihn schießt, widerspricht das Schießen als solches nicht dem generellen Verbot, andere zu töten, sondern nur dem generellen Verbot, auf andere zu schießen; erst wenn der Tod eintritt, ist auch das generelle Verbot missachtet, andere zu töten. Das Schießen wird nicht von dem Verbot des Tötens erfasst, weil der Begriff des Schießens nicht im Begriff des Tötens impliziert ist. Das Verbot des Schießens ist vielmehr teleologisch auf das Verbot des Tötens bezogen, da das Schießen eine Handlung ist, die möglicherweise den 269  Vgl. auch B.III.4.d) und C.V.3. Die Anerkennung beider Verbotsarten kann auch als Rekonstruktion des Inhalts eines entsprechenden subjektiven Rechts des Verletzten aufgefasst werden, denn Rechte sind nichts anderes als Normen. Gerade in der subjektiv-rechtlichen Perspektive sehen Burchard (2008) S. 164 ff. und Grosse-Wilde (2017) S. 142 ff. ein entscheidendes Argument für die Berücksichtigung des Erfolgs. Letzterer nimmt sogar ein „subjektives Recht des Opfers einer Straftat auf Folgenberücksichtigung“ an.

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B. Handlung und normative Zurechnung

Tod eines anderen verursacht und die deshalb verboten ist. Das Verbot des Tötens gibt dem Handelnden somit einen Zweck vor, den er nicht verfolgen soll. Das Verbot des Schießens betrifft demgegenüber ein Mittel, das der Handelnde nicht ergreifen soll. Die Ableitung des Verbots zu schießen aus dem Verbot zu töten ist somit ein praktischer Schluss.270 Bezieht man in das Schema dieses Schlusses den Versuch ein, ist folgende teleologische Normableitung darstellbar: (1) Es ist verboten, eine erfolgsdefinierte Handlung (z. B. töten) zu verwirklichen. (2) Eine erfolgsdefinierte Handlung kann man nur verwirklichen, indem man diese Handlung versucht. (3) Also ist es verboten, die erfolgsdefinierte Handlung zu versuchen. (4) Eine erfolgsdefinierte Handlung kann man nur versuchen, indem man Handlungen wählt, die man für möglicherweise verursachungsgeeignet hält. (5) Also sind Handlungen verboten, die man für möglicherweise verursachungsgeeignet hält. Dass die unter (1), (3) und (5) formulierten Verbote mit Blick auf die Bestimmungsfunktion äquivalent sind, spricht jedenfalls nicht dafür, nur einige von ihnen anzuerkennen, andere aber nicht. Auch sind Bedeutungsunterschiede nicht zu leugnen. Deshalb trifft der folgende Einwand Zielinskis nicht zu: „Die Vollendungsnorm begründet keine Pflicht, die nicht auch schon durch die Versuchsnorm begründet wäre. Eine Norm, die zu nichts anderem verpflichten vermag als eine andere Norm, ist keine Norm neben dieser anderen Norm, sondern eben diese andere Norm bzw. ein Teil von dieser, wenn sie obendrein einen engeren Geltungsbereich hat.“271

Dass das Verbot der Vollendung „zu nichts anderem“ verpflichten soll als das Verbot des Versuchs, wird wiederum nur vor dem Hintergrund der Vorstellung verständlich, dass die Handlung eine Körperbewegung ist und dass diese Körperbewegung mit dem abgeschlossenen Versuch schon vollendet ist. Diese Vorstellung ist unangemessen. Eine vollendete Handlung wird immer durch den Erfolgseintritt mit konstituiert. Insofern verpflichtet das Verbot dieser Handlung zu etwas anderem als das Verbot, diese Handlung zu versuchen. Identisch ist nur das Nichtunterscheidbare. 270  von Wright (1977) S. 56 ff. Zum praktischen Syllogismus Anscombe (1986) S.  91 ff., p.  57 ff., von Wright (1977) S.  61 ff., Kindhäuser (1989) S. 54 ff. Zur teleologischen Normableitung auch Philipps (1974) S.  58 ff., Ast (2010) S.  22 ff. 271  Zielinski (1973) S. 141.



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff105

Im Übrigen ist die geschilderte Ableitungsstruktur in der Tat dadurch gekennzeichnet, dass das Verbot zu (5) über das Verbot zu (3) und dieses wiederum über das Verbot zu (1) hinausgeht, so dass es sich nicht bloß um eine logische Ableitung handelt. Weil somit in umgekehrter Richtung eine Ein­ engung gegeben ist, wäre eine entsprechende Ableitung weniger problematisch, hat aber ebenfalls wohl nur praktisch-teleologischen und nicht logischen Charakter. Es wäre teleologisch widersprüchlich, wenn der Versuch einer Handlung zwar verboten, die Handlung selbst aber erlaubt wäre. Eigentlich spricht schon das gegen die These, dass Verbote erfolgsdefinierter Handlungen nicht anzunehmen sind. Wenn man Verbote annimmt, erfolgsdefinierte Handlungen zu versuchen, muss man auch Verbote annehmen, diese Handlungen zu vollenden. Wenn eine monistische Konzeption der strafrechtlichen Normen stattdessen meint, ohne Verbote erfolgsdefinierter Handlungen auszukommen, leugnet sie ferner ausgerechnet jene Normart, die sich unzweifelhaft aus dem Strafgesetz ableiten lässt, welches eine erfolgsdefinierte Handlung wie das Töten unter Strafe stellt. Die Strafbarkeit des Versuchs ist auf die Strafbarkeit der Vollendung nur bezogen; und wenn der Versuch nicht strafbar ist, ist es bloße theoretische Spekulation, ob er von Rechts wegen als verboten gelten muss. 4. Die größere Genauigkeit eines dualistischen Normenkonzepts wird nicht nur mit Blick auf die Bestimmungsfunktion, sondern auch die Bewertungsfunktion von Normen deutlich. Folgt man einem differenzierenden Normenkonzept, ist der Begriff der normativen Zurechnung des Erfolgs klar definierbar: Die Zurechnung wird durch die Annahme eines Verbotsverstoßes begründet; der Zurechnungsgegenstand ist der Erfolg derjenigen Handlung, die Gegenstand des Verbots ist. Es ist somit immer vom Gegenstand des anzunehmenden Verbots abhängig, was im normativen Sinn zugerechnet wird.272 Dementsprechend wird der Erfolg nur zugerechnet, wenn angenommen wird, dass der Handelnde das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung missachtet hat. Das Verbot des Versuchs dieser Handlung oder die Verbote von verursachungsgeeigneten Handlungen können die Erfolgszurechnung demgegenüber nicht begründen. Wenn etwa bloß das Schießen verboten wäre, würde der Handelnde nur dafür verantwortlich gemacht, dass er geschossen hat. Weil vielmehr auch das Töten verboten ist, wird der Handelnde für den Tod des Erschossenen verantwortlich gemacht. Ein monistisches Konzept der strafrechtlichen Normen, das die Relevanz des Erfolgs für die Normen leugnet, kann demgegenüber nicht einen ver272  Siehe

bereits B.I.2.

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B. Handlung und normative Zurechnung

gleichbar einfachen Begriff der Erfolgszurechnung entwerfen. Kaufmann schreibt etwa: „Der Erfolg [ist] dem Täter in dem Sinne zurechenbar, dass er eine mit Bezug auf diesen Erfolg bestimmte Sorgfaltsverletzung in vorwerfbarer Weise begangen hat.“273 Da eine Sogfaltspflichtverletzung auch folgenlos bleiben kann, wird nicht klar, wie die Verletzung der Sorgfaltspflicht der Grund der Erfolgszurechnung wird. Deshalb ist auch im Fahrlässigkeitsbereich als zurechnungsbegründend ein Verbot anzunehmen, den Erfolg durch eigene Handlungen zu verursachen. Nur wenn neben den Sorgfaltspflichten auch dieses Verbot verletzt ist, wird der Erfolg zugerechnet. Solange im Strafrecht Täter für Erfolge verantwortlich gemacht werden, ist ein Konzept erfolgsdefinierter Handlungen und entsprechender Verbote angemessen. Wenn auch die Erfolgsorientierung des Strafrechts mitunter skeptisch beurteilt wird,274 ist doch der eingetretene Schaden eine plausible Schwelle, ab welcher Strafrecht einsetzen kann. Die verbindliche und symbolisch aufgeladene Zuweisung von Verantwortung für Schäden ist eine wichtige Aufgabe des Strafrechtssystems. Auch ist Strafe, die für den Täter immer ein Verlust von Freiheit ist, eine plausible Reaktion auf den Verlust von Freiheit, den der Verletzte durch einen schädlichen Erfolg erlitten hat. 4. Vermeidbarkeit statt Finalität – Jakobs Handlungsbegriff a) Der Begriff der individuell vermeidbaren Verursachung Ebenso wie Kaufmann radikalisierte auch Jakobs in seinen „Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt“ einen der beiden Ansätze, die Welzel entwickelt hatte, um das Fahrlässigkeitsdelikt in die finale Handlungslehre zu integrieren. Jakobs knüpfte daran an, die fahrlässige Verursachung vornormativ als vermeidbar zu beschreiben. Als finale Handlung konnte sie so freilich nicht ausgewiesen werden, weil eine potentiell gebliebene Finalität sich gerade nicht verwirklicht hat.275 Das Verhältnis beider Begriffe kann jedoch umgekehrt bestimmt werden: Zwar ist nicht jede vermeidbare Verursachung eine finale Handlung, aber jede finale Handlung ist eine vermeidbare Verursachung. Gibt man den Anspruch auf, dass der finale Handlungsbegriff als Oberbegriff des Verbrechenssystems fungiert, kann man den Begriff der vermeidbaren Verursachung an diese Stelle setzen. Hierauf baut Jakobs auf; er schreibt: 273  Armin

Kaufmann (1964) S. 53. Degener (1991) S. 357, 397. 275  Siehe B.IV.2.b). 274  Etwa



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff107 „Die individuell vermeidbare Erfolgsverursachung ist der Oberbegriff für vorsätzliches und (individuell) fahrlässiges Handeln. Die Erkenntnis des Verhaltensvollzugs und gegebenenfalls seiner Folgen (bei Vorsatz) oder die individuelle Erkennbarkeit (bei Fahrlässigkeit) gehören als Bedingungen der Vermeidung zur Handlung und damit zum Unrecht.“276

Was vermeidbar ist, bestimmt Jakobs unabhängig von rechtlichen Vorgaben, methodisch übereinstimmend mit der kausalen und finalen Lehre.277 Zu fragen sei, ob der Handelnde vermieden hätte, den Erfolg zu verursachen, wenn er ein darauf gerichtetes dominantes Motiv gehabt hätte.278 Die zum Vorhersehen und Vermeiden erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten (als Bedingungen der Möglichkeit, den Erfolg vorherzusehen und zu vermeiden) werden dabei individuell bestimmt,279 während Welzel den Fahrlässigkeitsmaßstab generalisierte.280 Die Individualisierung ist schlüssige Konsequenz einer primär beschreibenden Konzeption der Fahrlässigkeit, weil mit den individuellen Fähigkeiten ein konkreter, beschreibbarer Sachverhalt gegeben ist, während ein generalisierender, an durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgerichteter Maßstab nur normativ überzeugend begründet werden kann. Soweit diese Konzeption das Notwehrrecht gegen Fahrlässigkeitstaten einschränkt,281 kann dies durch Zuerkennung eines Defensivnotstandsrechts kompensiert werden.282 b) Vermeidbarkeit und Finalität Obgleich der Begriff der Handlung als individuell vermeidbarer Verursachung dem normativen Urteil über das Vorhersehen- und Vermeidensollen einen individuellen Maßstab vorgibt, wird der Handlungssinn somit anders als beim finalen Handlungsbegriff wesentlich über die Perspektive eines Beobachters bestimmt. Er wird nicht als Handlungszweck vom Handelnden selbst gesetzt. Vielmehr unterstellt ein Beobachter kontrafaktisch einen Verlauf, in welchem der Handelnde ein dominantes Vermeidemotiv hat, die Gefahr erkennt und gegensteuert. Selbst bei einer finalen Handlung wird die 276  Jakobs AT (1991) 6 / 27, S. 141. Ähnliche Ansätze, die Vermeidbarkeit als Oberbegriff zu setzen, in Bezug auch auf das Unterlassungsdelikt Herzberg (1972) S. 170 f., (2007) S. 154 f. Hierzu Jakobs (1991) 6 / 32 f. In Bezug auf eine „subjektive Zurechnung“ Pawlik (2012) S.  367 ff., 372 f. m. w. N. 277  Jakobs (1972) S. 35, 39, 45. 278  Jakobs (1972 S.  34 ff., 41 ff. 279  Jakobs (1972) S. 69. 280  Welzel (1969) S. 131 ff. Hierzu Jakobs (1972) S.  70 ff. 281  Hierzu Jakobs (1972) S.  16 f. 282  So Renzikowski (1997) S.  253 ff.

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B. Handlung und normative Zurechnung

reale Finalität nur noch vermittelt herangezogen, als Argument für die Möglichkeit einer alternativen, auf Vermeidung gerichteten Sinnsetzung. Sie wird somit nicht mehr als sinnsetzendes Element berücksichtigt. Dementsprechend ist Jakobs’ Handlungsbegriff ein objektiver. Die Finalität ist in seinem Konzept nicht mehr wesentliches Merkmal der Handlung. Dass für den Vorsatztäter das Verursachen eines Erfolgs vermeidbar war, lässt sich begründen, ohne den Verursachungsvorsatz zu berücksichtigen. Man muss nicht einmal darauf abstellen, dass der Täter die Gefährlichkeit seines Handelns erkannte; denn für das Vermeidbarkeitsurteil kommt es nicht auf die aktuelle, sondern allein auf die potentielle Kenntnis der Gefährlichkeit an. Dass ein Handelnder aktuell Kenntnis hatte, bestätigt lediglich, dass ihm Kenntnis möglich war. Dieses Urteil kann aber, wie sonst bei der Fahrlässigkeit, prinzipiell bereits daraus erschlossen werden, dass die relevanten Situationsumstände wahrnehmbar waren und dass es dem Täter möglich war, sie zu erkennen. Seine tatsächliche Kenntnis ist somit ein starkes, aber nicht unabdingbares Argument für die Vermeidbarkeit. Jakobs’ Behauptung, dass „im Vorsatzbereich […] im Ergebnis kein Unterschied zum finalen Handlungsbegriff“ besteht, trifft deshalb nicht zu.283 Der Vorsatz ist dementsprechend auch nicht Teil der verbotsgegenständlichen Handlung. Gegenstand des Verbots ist allein die vermeidbare Verursachung. Daneben noch für Vorsatz und Fahrlässigkeit weitere eigenständige Verbote anzunehmen, ist unnötig, da die tatsächliche Kenntnis (Vorsatz) bzw. die Erkennbarkeit (Fahrlässigkeit) nur plausibel machen, dass die Verursachung vermeidbar war. Das Konzept führt somit auch sachlich zurück zu eingeschränkten Verursachungsverboten im Sinn der kausalen Lehre. Der Begriff der Handlung als vermeidbarer Verursachung kann nicht begründen, dass der Vorsatz Bestandteil der verbotsgegenständlichen Handlung und Vo­ raussetzung des Unrechts ist. c) Die normative Orientierung des Vermeidbarkeitsurteils Rechnet man einem Handelnden etwas nicht bewusst, aber vermeidbar Verursachtes als Handlungsergebnis zu, verweist das darauf, dass er dafür verantwortlich gemacht wird. Demgegenüber wird aufgrund der Finalität, also einer beliebigen Zwecksetzung, auch zugerechnet, wenn eine normative Bewertung nicht im Raum steht. Geht es im Alltagsdiskurs um Vermeidbarkeit, wird etwas zu Vermeidendes, negativ Bewertetes ins Auge gefasst. Gleichgültige Folgen einer Handlung kommen nicht in Betracht. Beispielhaft: Ich lasse die Gartentür offen, worauf sich eine Katze in den Garten 283  Jakobs

AT (1991) S. 141.



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff109

schleicht. Man wird kaum sagen, dass ich die Katze in den Garten gelassen habe, obgleich ich hätte vermeiden können, dass sie hineingelangt. Das Urteil über die Vermeidbarkeit wird somit zumeist schon mit Blick auf Normen gefällt. So fragt sich bereits, warum ein Handelnder eine unterstellte Vermeide-Intention fassen sollte – doch nur entweder aufgrund eigener Zwecksetzungen oder mit Blick auf Verbote und Gebote, welche zu vermeidende Erfolge vorgeben. Darüber hinaus werden sich die Maßstäbe, nach denen das Vermeidbarkeitsurteil gefällt wird, häufig an den generalisierten Sorgfaltsnormen ausrichten, auch wenn die individuelle Vermeidbarkeit berücksichtigt wird. Die geltenden Sorgfaltsstandards wird der Handelnde nicht immer gleichsam aus sich selbst heraus schöpfen und durch Überlegung ermitteln können. Häufig sind sie sozusagen klüger als er und machen auf denkbare Risiken aufmerksam – gerade in ausdifferenzierten Arbeitsbereichen wie der Medizin. Abgelöst von ihnen muss man auf den Aspekt der Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit nur zurückgreifen, wenn für eine Handlungssituation keine Sorgfaltsnormen institutionalisiert sind. Wenn Sorgfaltsnormen bestehen, erschließt sich das Risiko einer durch sie verbotenen Handlung gerade aus dem generellen Verbot. Nur wenn man das Vermeidbarkeitsurteil in dieser Weise als normativ fundiert versteht, ist Jakobs’ These haltbar, dass „die ‚natürliche‘, vorrechtliche Fahrlässigkeit hinsichtlich des Verhaltens bereits die Fahrlässigkeit überhaupt“ bilde.284 Jakobs trifft sich hier mit der Lehre von der objektiven Zurechnung, welche sich aber ausdrücklich auf die Sorgfaltsregeln, das heißt die Bestimmung eines „unerlaubten Risikos“ stützt. Im Unterschied zur Lehre von der objektiven Zurechnung muss Jakobs aber auch die Verwirklichung eines erlaubten Risikos als Handlung ausweisen, denn in diesen Fällen ist eine Schädigung zwar vorhersehbar und vermeidbar, sie soll aber nicht vorhergesehen und vermieden werden. Dementsprechend kann Jakobs diese Fälle erst durch eine Limitierung der Verhaltensnorm aus dem Bereich der Strafbarkeit ausschließen.285 Die deskriptiv zu bestimmende Vermeidbarkeit determiniert das normative Urteil über das Vorhersehen- und Vermeidensollen somit nicht vollständig. Fragt man nun, warum die Vermeidbarkeit die Zurechenbarkeit begrenzen soll, kann man nicht wie hinsichtlich der Finalität auf eine vorrechtliche Zurechnungspraxis verweisen. Vielmehr stößt man auf einen originär normativen Gedanken: Wenn ein Erfolg zu vermeiden ist, soll man alles tun oder lassen, was möglich ist, um ihn zu vermeiden. Zugleich ist man aber auch nur auf das Mögliche verpflichtet. Das Prinzip des ultra posse nemo obliga­ 284  Jakobs 285  Jakobs

(1972) S. 41. (1972) S.  87 ff.

110

B. Handlung und normative Zurechnung

tur wird somit in den Handlungsbegriff eingebaut: Was man nicht vorhersehen und vermeiden kann, das vorherzusehen und zu vermeiden darf man nicht verpflichtet werden. Hierin liegt zugleich der legitimatorische Anspruch dieses Handlungsbegriffs, der nicht nur, wie der kausale Begriff, eine dogmatische Abstraktion sein will. 5. Der intentionale Handlungsbegriff – Kindhäuser a) Der finale, der intentionale und der deliktssystematische Grundbegriff der Handlung Kindhäuser hat in seiner sprachphilosophisch orientierten Untersuchung zum Handlungsbegriff eine Position entwickelt, die insofern in der Entwicklungslinie der finalen Handlungslehre steht, als der Handlungsintention zen­ trale Bedeutung zukommt. Der deutlichste Unterschied zur finalen Lehre ist, dass der Wille nicht als Kausalfaktor verstanden wird, der die Körperbewegung und die Handlungsergebnisse verursacht.286 Der Wille ist der Handlung nicht als solcher vorgegeben, sondern ist lediglich als Intention logischer Bestandteil einer bestimmten Handlungsbeschreibung. Die Intention ist deshalb inhaltlich relativ zu einer Handlungszuschreibung (bzw. -zurechnung).287 Anknüpfungspunkt der Kausalität ist erst die Basishandlung im Sinne einer willkürlichen Körperbewegung. Im Übrigen stimmt die intentionale mit der finalen Lehre durchaus überein.288 Sie versteht die Intention als Absicht bzw. Zwecksetzung, begrenzt sie aber hierauf.289 Das wissentliche oder eventualvorsätzliche Inkaufnehmen von Nebenfolgen wird nicht als handlungskonstituierend aufgefasst, weil die Erfolgsverursachung dann kein Handlungsgrund ist.290 Methodisch geht Kindhäuser von der Analyse der Umgangssprache aus.291 Gleichwohl übernahm er zunächst (1980) den an den dogmatisch-konstruktiven Handlungsbegriff gestellten Anspruch, Oberbegriff des Verbrechenssystems und Bezugsobjekt der Merkmale Tatbestandlichkeit, Rechtswidrigkeit 286  So

186.

Welzel (1939) S. 102 = (1975) S. 129, kritisch Kindhäuser (1980a) S. 183,

287  Kindhäuser 288  Ebenso,

70.

(1980a) S. 158 f., 216. die intentionale und finale Lehre vergleichend, Küpper (1990) S.  63 ff.,

289  Kindhäuser

(2011) S. 42. (2011) S. 58, vgl. auch (1989) S. 52. 291  Kindhäuser (1980a) S. 16, beispielhaft S. 214. 290  Kindhäuser



IV. Der finale, subjektive Handlungsbegriff111

und Schuld zu sein.292 Er definierte die Handlung als „entscheidbares Tun, durch das der Handelnde in der Lage ist, ein Ereignis herbeizuführen“,293 wodurch er sowohl das Unterlassungs- als auch das Fahrlässigkeitsdelikt als Handlung erfassen wollte.294 Auf die Vermeidbarkeit auszuweichen, widerspricht aber der intentionalistischen Prämisse, weil es – wie schon zu Welzel und Jakobs nachgewiesen – einer objektiv-kausalen Handlungsdefinition entspricht. Auch mit Welzel auf die Fehlsteuerung einer intentionalen Handlung abzustellen,295 kann den fahrlässig verursachten Erfolg nicht als Handlungsergebnis ausweisen.296 Der objektive (quasi kausale) Charakter der vorgeschlagenen Handlungsdefinition wird vollends deutlich, wenn Kindhäuser auf seiner Grundlage konsequent den Vorsatz nur als Schuldform auffasst.297 Der Begriff der vermeidbaren Erfolgsherbeiführung (durch Verursachen oder Nichtverhindern desselben) erweist sich somit einmal mehr als unvereinbar mit einem intentionalen oder finalen Handlungsverständnis. b) Abschied vom Primat der Handlungslehre Konsequent gibt Kindhäuser dann (1989) den Anspruch auf, dass der intentionale Handlungsbegriff auch das Fahrlässigkeitsdelikt erfassen müsse. Eine rein intentional orientierte Handlungslehre kann das Fahrlässigkeitsdelikt weder vornormativ noch normativ – im Sinne einer Straftat – als Handlung ausweisen.298 Gegenstand des Verbots ist demnach nicht zwingend eine Handlung. Dem Handelnden wird stattdessen vorgeworfen, dass er „das von ihm durch sein Verhalten verursachte Geschehen nicht durch normgemäßes Handeln vermieden hat.“299 Dieses Konzept geht somit einerseits von Verboten eines Verhaltens aus, das den Erfolg verursacht, andererseits von Geboten intentionaler Vermeidehandlungen.300 Nur bei Absichtsdelikten wie dem Betrug und Diebstahl ist eine intentionale Handlung vorausgesetzt.301 Der Begriff des Verhal292  Kindhäuser

(1980a) S.  203 ff. (1980a) S. 175, 214 f., 216. 294  Kindhäuser (1980a) S. 173, 210 f. (widersprüchlich deshalb die Kritik an der „potentiellen Finalität“ auf S. 192 f.). Vgl. auch Mañalich (2009) S. 280 f. 295  So wohl Kindhäuser (1980a) S. 173. 296  Ebenso Kindhäuser (2011) S. 58. 297  Kindhäuser (1980a) S. 214. 298  Kindhäuser (2011) S. 57. 299  Kindhäuser (2011) S.  59 f. 300  Vgl. auch Kindhäuser (1989) S. 53. 301  A. a. O. Vgl. auch ders. (1989) S. 83. 293  Kindhäuser

112

B. Handlung und normative Zurechnung

tens bezeichnet eine Körperbewegung oder ‑nichtbewegung, die nicht notwendig willkürlich sein muss.302 Das verursachende Verhalten in diesem Sinn ist Gegenstand der Norm; die Vermeidehandlung hingegen Gegenstand einer Pflicht. Bei der Normwidrigkeit geht es allein um den objektiven Erklärungswert des Verhaltens, bei der Pflichtwidrigkeit um den subjektiven.303 Eine objektiv festzustellende Normwidrigkeit wird dem Handelnden aber nur dann normativ zugerechnet, wenn er eine Pflicht verletzt hat.304 Bei Kindhäuser zeigt sich somit die Möglichkeit einer Synthese zwischen kausaler und intentionaler Handlungslehre. Die kausale Lehre wird zwar als Handlungslehre verworfen, ihre normentheoretische These aber akzeptiert: Bei erfolgsvoraussetzenden Delikten kann eine objektiv zu beschreibende Verursachung Gegenstand des Verbots sein. Die finale Lehre hingegen wird grundsätzlich als Handlungstheorie anerkannt, die normentheoretische These wird aber abgelehnt: Gegenstand eines Verbots muss nicht immer eine Handlung sein. Das ist nach allen Erfahrungen der Theorieentwicklung die einzig mögliche Lösung, um den Erfolg beim Fahrlässigkeitsdelikt norminhaltlich zu berücksichtigen. In der dogmatischen Grundanlage wird somit einerseits die Verknüpfung von Handlungs- und Normentheorie gelockert und der Theorieansatz Welzels und Armin Kaufmanns relativiert: Mit der Anerkennung von Verursachungsverboten kommt man wieder auf eine Position Bindings zurück.305 Andererseits wird die Handlungstheorie von strafrechtssystematischen Fragen entlastet. Das macht den Weg frei, sich unbefangen von diesen der Handlung zu nähern und philosophische und soziologische Konzepte einzubeziehen. Kindhäusers Rezeption der philosophischen Diskussion ist hierfür beispielhaft. Die dogmatisch zentrale Stellung der Handlungslehre wird relativiert zugunsten einer allgemeiner verstandenen Zurechnungslehre, die notwendig normentheoretisch fundiert ist und in die sich jene einordnet.

V. Handlung und Straftatsystem 1. Zur Möglichkeit, final und objektiv definierte Handlungsarten in einem Handlungsbegriff zu erfassen 1. Ein Hauptproblem der strafrechtlichen Handlungslehren war es, das fahrlässige Begehungsdelikt bereits auf der Tatbestandsebene als Handlung 302  Kindhäuser

(1989) S. 52, (2011) S. 41 f. (1989) S. 59, Fn. 26, S. 60. 304  Siehe dagegen unter B.III.2.e)3.; zum hiesigen Konzept unter C.V.4. 305  Binding Normen I (1890) S. 111 ff., 115. 303  Kindhäuser



V. Handlung und Straftatsystem113

zu beschreiben. Die finale Lehre leistet das nicht. Welzel erklärte dieses Delikt zuletzt dualistisch aus einer Kombination von sorgfaltswidriger finaler Handlung und bloßer Verursachung.306 Welzels Schüler bemühten sich, diesen Dualismus zu vermeiden. Kaufmann leugnete die Relevanz des Erfolgs, konnte aber die Erfolgszurechnung nicht mehr erklären.307 Jakobs’ Konzept kehrt demgegenüber zu Verursachungsverboten zurück – nicht nur für das Fahrlässigkeits- sondern auch das Vorsatzdelikt – und lässt somit die finale Handlungslehre hinter sich.308 Demgegenüber knüpft Kindhäuser eher an Welzels dualistische Position an. Sein Konzept kombiniert einen intentionalen Handlungsbegriff mit der Annahme von Verursachungsverboten.309 Will man eine dualistische Konzeption vermeiden und den Anspruch aufrecht erhalten, dass Gegenstand des erfolgsvoraussetzenden Verbots auch beim Fahrlässigkeitsdelikt eine Handlung ist, muss man offenbar zu einer quasi kausalistischen, objektiven Handlungskonzeption zurückkehren: Um die fahrlässige Begehung tatbestandlich als Handlung zu beschreiben, hatte die kausale Lehre im abstrakten Handlungsbegriff den Willensinhalt nicht berücksichtigt.310 Infolgedessen gelang es ihr zwar zunächst nicht, die erfolgsdefinierten tatbestandlichen Handlungsarten methodisch überzeugend zu umgrenzen.311 Es konnte ihr aber gelingen, nachdem die Schuldkonzeption geändert und die Fahrlässigkeit Unrechtsvoraussetzung wurde: Nur eine tatbestandlich fahrlässige Verursachung erscheint dann als tatbestandliche Handlung. Schließlich wurden mit der Lehre von der objektiven Zurechnung die Zurechnungsvoraussetzungen des Fahrlässigkeits- auf das Vorsatzdelikt übertragen. Als tatbestandliche Handlung kann in dieser Tradition somit als vermeidbare bzw. objektiv zurechenbare Erfolgsverursachung verstanden werden.312 2. In diese objektive, quasi kausalistische Handlungskonzeption können Begriffe von Handlungsarten integriert werden, die durch die Finalität bzw. den Vorsatz definiert werden. Die klassische kausale Handlungslehre hatte zwar den Vorsatz auch für die speziellen Begriffe tatbestandlicher Handlungsarten der Vorsatzdelikte nicht 306  B.IV.2. 307  B.IV.3. 308  B.IV.4. 309  B.IV.5.

310  B.III.1.a). 311  B.III.5.

312  B.III.5.d).

114

B. Handlung und normative Zurechnung

als Handlungsmerkmal konzipiert. Grund hierfür war aber, dass sie den Vorsatz als Schuldform auffasste, weshalb er nicht bereits für die tatbestandliche Handlung relevant sein konnte.313 Nach der Änderung der Schuldlehre kann eine Handlungskonzeption in der Tradition der kausalen Lehre den Vorsatz aber ohne weiteres als Merkmal konzipieren, welches die jeweilige tatbestandliche Handlungsart eines Vorsatzdelikts im Sinne einer differentia specifica definiert. Der Vorsatz bzw. die Finalität ist dann aber für den Handlungscharakter der vorsätzlichen Handlung nicht wesentlich, weil er kein Merkmal des abstrakten Begriffs der Handlung ist. Eine solche scheinbare Synthese zwischen kausaler und finaler Lehre ginge somit zu Lasten der letzteren. Deren Kernthese, dass die Finalität ein definierendes Merkmal des abstrakten Handlungsbegriffs ist, wäre preisgegeben. 3. Der gegenwärtige Stand der Lehre zur Handlung kann durchaus als Versuch einer solchen Synthese und somit als ein Zurück zu einem objektiven Handlungsbegriff in der Tradition der kausalen Lehre gedeutet werden. Die Begriffe tatbestandlicher Handlungen werden bei Roxin durch die objektive Zurechnung und bei Jakobs durch die Vermeidbarkeit definiert. Die tatbestandlichen Handlungen der Vorsatzdelikte können widerspruchsfrei zusätzlich durch den Vorsatz definiert werden. Allerdings muss auch ein synthetisierendes Konzept einen abstrakten Begriff der Handlung entwerfen, der für alle denkbaren Handlungen zutrifft. Dieser Begriff darf nicht tatbestandlich unerlaubte Risiken voraussetzen oder ausschließlich zu vermeidende Erfolge in den Blick nehmen; er kann aber auch nicht die Finalität als wesentliches Handlungsmerkmal behaupten. Der klassische kausale Handlungsbegriff, der die Handlung als Verursachungsvorgang auffasst, kann dies leisten. Wie gezeigt, ist er damit vereinbar, dass in Begriffen von Handlungsarten Sinnbezüge berücksichtigt werden.314 Diese können sich durch die Zwecksetzung des Handelnden, die Bedeutung einer sprachlichen Äußerung oder durch den Bezug auf Normen ergeben, wie er in den Urteilen über die objektive Zurechnung oder die Vermeidbarkeit vorausgesetzt ist.315 2. Kritik des kausalen Handlungsbegriffs Der abstrakte kausale Handlungsbegriff ist allerdings zu kriterienarm. Indem die Handlung als Körperbewegung definiert wird, welche gegebenen313  B.III.1.c).

314  B.III.1.b). 315  B.IV.4.



V. Handlung und Straftatsystem115

falls einen Erfolg verursacht, werden außer der Kausalität keine weiteren Kriterien für die Identifikation von Handlungen bzw. Handlungsarten benannt. Das ermöglicht es, prinzipiell beliebig und unbegrenzt Handlungen zuzuschreiben. Der kausale Handlungsbegriff spiegelt deshalb die alltäglichpraktische Bedeutung der Identifikation von Handlungen nicht wider. Das Kriterium der Kausalität zielt nur auf die kausale Erklärung eines Geschehens. Handlungen zu identifizieren, hätte demnach eine rein deskriptive und erklärende Funktion. Die Handlung wäre das Produkt einer theoretischen Betrachtung. Die objektiv beschreibende Kausalbetrachtung der Handlung korrespondiert dem wissenschaftlichen Interesse an Handlungen sowie deren Ursachen und Folgen. Aus welchen Gründen jemand in bestimmter Weise handelt oder welche Rolle Handlungen für ein weiteres Geschehen haben, sind Fragestellungen etwa der Psychologie, Soziologie oder Geschichtswissenschaft. Dass eine Handlung selbst nie nur extern verursacht und dann nicht immer der einzige Kausalfaktor für ein folgendes Geschehen ist; dass ferner zwingende Gesetzlichkeiten nicht auszumachen sind – all das macht das Fragen nach dem Warum und nach den Konsequenzen von Handlungen nicht unmöglich oder sinnlos. Aus der Sicht der Kausalerklärung wird deshalb die Rolle der Absichten und Motive relativiert: Das Hinterfragen der bewussten führt zur Thematisierung unbewusster Motive (Freud); das Hinterfragen von Zwecken und Interessen zur Erforschung der latenten Funktionen und der sozialstrukturellen Bedingtheit von Handlungen (z. B. Marx). Der Erfolg der wissenschaftlichen Methode am Ausgang des 19. Jahrhundert hat die kausale Handlungslehre im Strafrecht sicherlich zumindest mit inspiriert. Die alleinige Anbindung der Handlungsbetrachtung an die autonome Absicht des Handelnden verlor zunächst ihre Plausibilität. Die Zurechnung im Rahmen einer Handlung durch eine kausale Beschreibung und Erklärung zu ersetzen, würde aber die theoretische und die praktische Sichtweise auf Handlungen vermengen. Die Zurechnung ist ein praktisches Urteil, gegebenenfalls mit praktischen Konsequenzen wie etwa Strafe. Sie ordnet Geschehnisse auf Personen zu, auch um Verdienst und Verantwortung adressieren zu können. Der praktische Aspekt der Zurechnung wird dadurch indiziert, dass die dadurch konstituierte Handlung zumindest möglicher Gegenstand einer Norm ist. Die Zurechnung kann dabei Kausalurteile oder -hypothesen voraussetzen; doch werden diese nur relevant, um die Zuordnung zu plausibilisieren und legitimieren. Umgekehrt setzen auch theoretische Handlungserklärungen an Handlungen und somit Zurechnungsurteilen an; sie greifen aber darüber hi­ naus, indem sie nach Ursachen bzw. Bedingungen und weiteren Folgen fragen. Ihr Ziel ist nicht, das Zurechnungsurteil besser zu begründen oder wei-

116

B. Handlung und normative Zurechnung

tere Folgen für zurechenbar zu erklären, sondern die Handlung in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Da die Handlungsidentifikation kein theoretisches Urteil ist, müssen über die Kausalität hinausgehende Gründe gegeben sein, um ein Geschehen im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. 3. Der soziale und personale Handlungsbegriff 1. Die auf den kausalen folgenden nichtfinalistischen Handlungsbegriffe haben demgegenüber die praktische Bedeutung und somit auch die Sinndimension der Handlung in der Begriffsdefinition berücksichtigt. Das gilt insbesondere für den sozialen und den personalen Handlungsbegriff, den Roxin vorgeschlagen hat.316 Nach Roxin ist der Begriff der Handlung als Persönlichkeitsäußerung zu definieren.317 Beide Begriffe lassen sie die Vorstellung der Handlung als einer Körperbewegung hinter sich – ein Relikt des von Welzel kritisierten Naturalismus der kausalen Lehre, den Welzel selbst nicht überwunden hat. Sie bedienen sich aber, um die Sinnkomponente von Handlungen abzubilden, sehr unbestimmter Kriterien. 2. Der soziale Handlungsbegriff nimmt auf soziale Deutungsmuster Bezug, die als objektive behauptetet werden.318 Die Objektivität der Deutung kann sich dabei aus geltenden Normen ergeben (im Hinblick auf die objektive Zurechnung). Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass die objektive Deutung an die subjektive Intention des Handelnden anknüpft. Im Übrigen bleibt jedoch unbestimmt, nach welchen Gesichtspunkten eine Handlung identifiziert werden kann. Diese Lehre kann prinzipiell jedes Ergebnis rechtfertigen, weil sie kein materielles Kriterium benennt. Eine Handlung ist für sie nur nach dem formalen Kriterium bestimmbar, dass eine konventionell verbreitete Handlungsbeschreibung bzw. ein Deutungsschema, -muster oder Ähnliches existieren. Handlung ist somit, was ein Beobachter aufgrund der definierenden Merkmale spezieller Handlungsbegriffe zuschreibt. Allein das kontingente Beobachtungsschema bzw. die Merkmale des Begriffs einer Handlungsart begründen die Annahme einer Handlung. Die soziale Zurechnungspraxis wird aber bloß als gegeben behauptet und bleibt letztlich un­ reflektiert. 3.  Roxins Begriff der Handlung als Persönlichkeitsäußerung kann ebenso wie der soziale Begriff gleichermaßen subjektive und objektiv-deutende Elemente umfassen, weil er seinerseits nicht weiter bestimmte Begriffe verwen316  Zum

sozialen Handlungsbegriff bereits B.III.5.b). AT I (2006) § 8 Rn. 44 ff. 318  Siehe bereits B.III.5.b). 317  Roxin



V. Handlung und Straftatsystem117

det: Finale bzw. intentionale Handlungen können aufgrund der subjektiven Zwecksetzung des Handelnden als Ausdruck von dessen Persönlichkeit verstanden werden. Demgegenüber muss die im Rahmen der objektiven Zurechnung konstituierte tatbestandliche Handlung des Fahrlässigkeitsdelikts – ein ungewolltes und unvorhergesehenes Verursachen – unverkennbar objektiv gedeutet werden.319 In dieser objektiven Deutung wird aber die intentionale Zweck-MittelStruktur von Handlungen durchaus aufgenommen. Die Kriterien der Vermeidbarkeit, Bezweckbarkeit oder der Verwirklichung unerlaubter Risiken sind von einer objektiv verstandenen Teleologie geprägt. Die zurechenbaren Wirkungen werden durch Bezug auf den Zweck der Verbote gefährlicher Handlungen begrenzt. Als Persönlichkeitsäußerung ist die Verursachung dann aber nur aufgrund der Unschärfe dieses Begriffs deutbar. Bei Roxin kann man die Anknüpfung an die Person durchaus als Versuch verstehen, einer beliebigen Deutung zu entgehen, die bloß auf ein soziales Schema rekurriert, ohne weitere materielle Kriterien zu benennen oder auch nur ansatzweise einen Bezug auf die Person des Handelnden herzustellen. Diesen Bezug herzustellen, liegt nahe, weil der Handlungszweck von der handelnden Person gesetzt werden muss; eine Norm muss an sie adressiert sein. Hinter dem Begriff der Persönlichkeitsäußerung stand ursprünglich der Gedanke, dass mit der Handlung „etwas“ auf die „Person“ zugeordnet, das heißt zugerechnet wird.320 Hiervon ausgehend wäre zu fragen, wie die Zurechnung verstanden werden kann und insbesondere, was die Gründe der Zurechnung sein können. Das lässt Roxin aber offen, indem er behauptet, dass der abstrakte Begriff der Handlung ein „konkret-allgemeiner Begriff“ sei, der „an der Wirklichkeit konkretisierend zu entfalten“ und nicht durch Merkmale definierbar sei.321 Als nicht definierbares wäre das Wort Handlung aber kein Begriff, sondern eine Hülse, die beliebig gefüllt werden kann. Wissenschaftlich wäre ein solcher Begriff wertlos, weil rein intuitive Wortverwendungen alles und nichts begründen können oder man auf die Autorität eines Sprechers vertrauen muss, der die richtige Einsicht in das Verfahren der Konkretisierung konkret319  Dass hier die „Persönlichkeitsäußerung […] durch die rechtliche Normierung konstituiert [wird]“ bemerkt zutreffend Dedes (2001) S. 196. 320  Roxin (1968) S. 263 f. 321  Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 75, (1968) S. 263  f. Ähnlich Arthur Kaufmann (1966) S. 87 f. Kritisch zur auf Larenz zurückgehenden Lehre vom „konkreten Begriff“, gerade im Zusammenhang mit dem Handlungsbegriff Engisch (1944) S.  159 f. sowie mit dem Tat(herrschafts)begriff Renzikowski (2014) S. 499 ff. Zu Roxin auch Engisch (1974) S. 359 f. Zum „konkret-allgemeinen“ Begriff interessant Cassirer (1910) S. 26, vgl. C.I.4. Zum Typusbegriff vgl. C.IV.2.6. und C.V.4.e)1.

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B. Handlung und normative Zurechnung

allgemeiner Begriffe hat. Auf eine abstrahierende, merkmalsbezogene Begriffsbildung sollte man deshalb nicht verzichten, und der Begriff der Handlung als Persönlichkeitsäußerung bietet hierfür durchaus Ansatzpunkte. 4.  Der Mangel des sozialen wie des personalen Begriffs liegt allein darin, die Kriterien offen zu lassen, nach welchen Veränderungen im Rahmen einer Handlung zugerechnet werden können. Der Begriff der Handlung muss somit präzisiert werden, indem man diese Kriterien benennt. Zumindest zwei Kriterien sind zweifellos sozial anerkannt und stellen auch einen Bezug zu derjenigen Person her, der zugerechnet wird: Zum einen die Zwecksetzung des Handelnden und zum anderen eine Norm. Der Handlungszweck ebenso wie der Normverstoß im Fall der Straftat konstituieren jeweils eine Handlung bestimmter Art.  Die für die personale wie soziale Lehre problematische Frage ist somit, ob daneben auch bereits die Vermeidbarkeit, Bezweckbarkeit oder die Realisierung eines tatbestandlich unerlaubten Risikos eine Handlung konstituiert. Selbstverständlich ist jede vermeidbare Verursachung sozialerheblich und auf eine Person zurückzuführen – jedoch gerade deshalb, weil eine rechtliche und somit soziale Norm, deren Zweck die Vermeidung des Erfolgs war, an die Person adressiert war. Dieser Norm ist die Bewertung der Tatbestandsverwirklichung als negativ und sozial schädlich zu entnehmen. Doch sind die Handlungsidentifikation und Erfolgszurechnung allein aufgrund dieser Norm nicht erst dann möglich, wenn ein Normverstoß bejaht werden kann? Kon­ stituiert bereits die tatbestandlich-sorgfaltswidrige Erfolgsverursachung eine Handlung oder nicht doch erst die rechtswidrig-schuldhafte, etwa als fahrlässige Tötung? 4. Kritik der Funktionalisierung des Handlungsbegriffs für strafrechtsdogmatische Zwecke 1.  Das Motiv für die These, dass bereits mit dem Urteil über die objektive Zurechnung oder die Vermeidbarkeit eine Handlung festgestellt wird, ist ein spezifisch strafrechtsdogmatisches – das Bestreben, für alle Deliktsarten tatbestandliche Handlungen auszuweisen. Die kausale Lehre ging von der These aus, dass die Straftat eine Handlung sei, welcher die Attribute der Rechtswidrigkeit und Schuld zuzuordnen sind. Nach Maihofer soll die Handlung für den Deliktsaufbau zugleich als Grund-, Verbindungs-, und Grenzelement fungieren.322 Die These von den drei Funktionen des Handlungsbegriffs hat indes zu einem der folgenreichsten Irrtümer der strafrechtsdogmatischen Handlungs322  Maihofer

(1953) S. 6 ff., vgl. auch Roxin AT I (2006) § 8 Rn. 1 ff.



V. Handlung und Straftatsystem119

auffassung beigetragen, welcher freilich schon auf Beling zurückgeht – der Vorstellung, dass die Tatbestandlichkeit nur ein Attribut einer vortatbestandlich festzustellenden Handlung sei.323 Diese Vorstellung wiederum bedingt das Festhalten an der naiven Auffassung, dass die Handlung ihrer Substanz nach eine willkürliche Körperbewegung ist, der die Eigenschaften, die in den Begriffen einzelner, insbesondere tatbestandlicher Handlungsarten herausgehoben werden, nur wie Akzidentien anhängen.324 Die These Maihofers ist also nur haltbar, wenn man sie in dem Sinn versteht, dass der Handlungsbegriff derart zu konstruieren sei, dass die Tatbestandsverwirklichung als Handlung ausweisbar sei. Von dieser Position aus kritisiert man häufig Handlungsbegriffe, welche die genannten Funktionen nicht erfüllen, insbesondere den finalen Handlungsbegriff. Dabei handelt es sich um eine petitio principii unter der methodologischen Prämisse, dass der Begriff der Handlung strafrechtsfunktional zu konzipieren sei bzw. dass jede Tatbestandsverwirklichung als solche eine Handlung zumindest in einem strafrechtlichen Sinn ist. Der Handlungsbegriff kann durchaus als funktionaler Begriff ausgestaltet werden. Das müsste aber zweckmäßig sein, was im Folgenden zu untersuchen ist. Ein bloß strafrechtsfunktionaler Handlungsbegriff begründet eine nur strafrechtsspezifische Zurechenbarkeit von Handlungen, die für die sonstige soziale Praxis nicht von Bedeutung ist. Das strafrechtsdogmatische Interesse daran, die Voraussetzungen verschiedener Deliktsarten in einer einheitlichen Terminologie zu systematisieren, wird dann zum Grund dafür, einer Person Veränderungen im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. Die Dogmatik hermetisiert sich dadurch gegenüber dem Normalverständnis von der Handlung. Dem Nichtstrafrechtler, etwa dem Täter als einem Adressaten des Strafrechts, kann nicht mehr ohne weiteres plausibel gemacht werden, warum ihm zugerechnet wird. Es ist allerdings nicht nötig, den Handlungsbegriff derart zu funktionalisieren und mit dem Ziel flexibel zu fassen, jede Tatbestandsverwirklichung als Handlung darstellen zu können. Die damit erreichbaren Zwecke erfüllt bereits der Begriff der Tatbestandsverwirklichung – hierbei den Begriff des Tatbestands als abstrakte Bezeichnung des Verbotsgegenstands verstanden, nicht als Inbegriff von Unrechtsvoraussetzungen.325 Bereits Radbruch hatte vorgeschlagen, den Begriff der Tatbestandsverwirklichung als Grundelement des Deliktssystems zu verwenden.326 323  B.III.3. 324  Ganz

deutlich wird dies in der Argumentation von Walter (2006) S. 30.

325  B.III.2.b)5. 326  Radbruch

(1930) S. 162.

120

B. Handlung und normative Zurechnung

Dieser Begriff erfüllt genau diejenigen Funktionen, die an den Handlungsbegriff herangetragen wurden: Die Tatbestandsverwirklichung ist Bezugspunkt der Urteile über Rechtswidrigkeit und Schuld und kann somit als „Grund- und Verbindungselement“ der Straftat angesehen werden. Die Straftat ist eine rechtswidrige und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung. Die sogenannte Grenzfunktion – der Ausschluss der Strafbarkeit von nicht willkürlichen Körperbewegungen – ergibt sich daraus, dass eine Tatbestandsverwirklichung beim Begehungsdelikt Handlungen voraussetzt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Tatbestandsverwirklichung als solche eine Handlung ist. Zum Beispiel setzt die fahrlässige Todesverursachung, obgleich sie als solche keine Handlung ist, eine Handlung voraus, die eine Sorgfaltspflicht verletzt. 2.  Wenn man schließlich am Begriff der Handlung als Grundelement des Straftatsystems unter der Prämisse festhalten will, dass nur eine Handlung Gegenstand eines Verbots und somit des Urteils über die Rechtswidrigkeit sein kann, ist es widersprüchlich, den Begriff der Handlung zu funktionalisieren, so dass jede Tatbestandsverwirklichung bloß per definitionem als Handlung erscheint: Wenn jene Prämisse dazu führt, dass der Handlungsbegriff nach dem dogmatischen Bedürfnis zurechtgebogen wird, wird die Prämisse entwertet. Man sollte sie aufgeben und die Konstruktionsbemühungen auf die Normentheorie verlegen. Diese hat zu erklären, wie eine normative Zurechnung ohne vorrangige Zurechnung im Rahmen einer Handlung legitimiert wird – wie man etwa die Zurechnung eines nur fahrlässig verursachten Erfolgs erklärt. Es spricht nichts dagegen, dass sich ein rechtswidrigkeitsbegründendes Verbot darauf bezieht, einen tatbestandlichen Erfolg fahrlässig zu verursachen, ohne dass der Begriff des Verursachens hier als Handlungsbegriff verstanden wird.327 In gewisser Weise überlebt die kausale Lehre – zwar nicht mit ihrem Handlungsbegriff, aber mit der These, dass Verursachungen Gegenstand von Verboten sein können. Diese Verbote sind aber entgegen der kausalen Lehre als auf die fahrlässige Verursachung eingeschränkte zu konzipieren. Der Fehler sowohl der finalen als auch der kausalen Lehre liegt somit normentheoretisch gesehen in einer unzutreffenden Verallgemeinerung, die sich ebenso gut als ein Reduktionismus oder Monismus kennzeichnen lässt: Die kausale Lehre anerkennt der Sache nach nur Verursachungsverbote, weil sie die Handlung bloß als Verursachung definiert. Die finale Lehre hingegen verwirft mit dem kausalen Handlungsbegriff auch gleich die Verursachungsverbote und scheitert deshalb zunächst daran, das Fahrlässigkeitsdelikt zu erklären. Nichts zwingt aber zur Einseitigkeit. Man kann sowohl Verursachungsverbote als auch Verbote erfolgsdefinierter Handlungsarten anerkennen. 327  Hierzu

unter C.V.4.a) / g).



V. Handlung und Straftatsystem121

Motiviert war jener Reduktionismus durch das Bedürfnis nach einem einheitlichen Begriff der tatbestandlichen Handlung für alle Deliktsarten. Hiervon muss sich die Strafrechtsdogmatik verabschieden, um stattdessen ein differenzierteres Bild der Deliktsstrukturen zu zeichnen. 3.  Indem man die Tatbestandsverwirklichung als Grundbegriff des Straftatsystems setzt, wird der Handlungsbegriff gleichsam entlastet und frei gesetzt. Er bleibt zentral, weil die Tatbestandsverwirklichung beim vorsätz­ lichen Begehungsdelikt nichts anderes als eine oder mehrere Handlungen vo­raussetzt. Die charakteristischen Merkmale von Handlungen können jetzt aber unbefangener analysiert werden, ohne auf dogmatisch-konstruktive Anforderungen Rücksicht nehmen zu müssen. Das Verhältnis von Dogmatik und Handlungstheorie kehrt sich um; von der Handlungstheorie können Impulse für die Dogmatik ausgehen. Hierbei handelt es sich auch nicht nur um eine methodische Frage. Die Dogmatik schwebt nicht in einem für sich bestehenden Raum ohne praktische Folgen außerhalb dieses Raums, sondern sie muss die außerhalb ihrer bestehende Realität der Handlungsidentifikation zur Kenntnis nehmen und reflektieren. Vor diesem Hintergrund ist Welzels These zu sehen, dass die Handlung dem Recht ontologisch vorgegeben sei. Lässt man die Ontologie beiseite, bleibt die Prämisse bestehen, dass die Anbindung an eine außerrechtliche Praxis und deren philosophische oder soziologische fundierte Reflexion den dogmatisch-konstruktiven Interessen vorrangig ist. Die Begriffe spezifisch strafrechtlicher Handlungsarten – der tatbestandlichen Handlung ebenso wie der Straftat – müssen sich in einen allgemeineren Handlungsbegriff einbinden und aus ihm heraus entwickeln lassen. Abgesehen von jenen beiden Begriffen kann es keinen weiteren spezifisch strafrechtlichen Handlungsbegriff geben. 4.  Die Diskussion des strafrechtlichen Handlungsbegriffs wurde eingangs dahingehend gedeutet, dass sie sich auf die Frage bezieht, welche Gründe die Zurechnung von Veränderungen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlung rechtfertigen.328 Als Ergebnis ist festzuhalten, dass allein die Finalität bzw. Intentionalität hinsichtlich der zuzurechnenden Veränderung in Betracht kommt. Ein rein formal oder strafrechtsdogmatisch begründetes Beobachtungsschema wie die Realisierung eines tatbestandlich unerlaubten Risikos allein begründen nicht das Vorliegen einer Handlung – womit nichts über die Berechtigung dieser Strafbarkeitsvoraussetzung gesagt ist.329 328  B.II.4.

329  Hierzu

C.V.3. und 4.

122

B. Handlung und normative Zurechnung

Obgleich die soziale Lehre zutreffend betont, dass die Beobachtung und sozial anerkannte Zurechnungskriterien für die Handlungskonstitution wichtig sind und die personale Lehre zutreffend von dem Gedanken ausging, dass mit Handlungen Veränderungen auf eine Person zugeordnet werden, bleiben beide Konzeptionen in Bezug auf die Gründe, warum Handlungen angenommen werden können, zu unpräzise und offen. Die Zurechnung durch einen Beobachter ist nicht beliebig. Sie setzt vielmehr aufgrund ihrer praktischen Funktion eine Intention oder eine Norm voraus, die sich inhaltlich auf die zuzurechnende Veränderung richten. Nur diese beiden Sinnreferenzen stellen einen Bezug her zwischen der zugerechneten Veränderung und der Person, der die Veränderung zugerechnet wird. Dieser Bezug ist dadurch gegeben, dass die Person die Intention gesetzt hat bzw. die Norm an sie adressiert war. Das wird noch näher auszuführen sein.330 Als Zurechnungsgrund kommt für tatbestandliche Handlungen schließlich nicht ein Normverstoß, sondern allein die Finalität bzw. Intentionalität im Hinblick auf die zuzurechnende Veränderung in Betracht. Der Begriff der tatbestandlichen Handlung kann nicht durch den Verstoß gegen dasjenige Verbot definiert werden, dessen Gegenstand diese Handlung ist.331 5. Die Straftat als Handlungsart 1.  Ein allgemeines Handlungskonzept muss nicht nur den Begriff der verbotsgegenständlichen bzw. tatbestandlichen als derjenigen Handlung umfassen, welche ein Delikt voraussetzt. Allein diesen Begriff haben die kausale und die finale Handlungslehre definiert. Vielmehr muss jenes Konzept auch darstellen können, dass die Straftat als solche eine Handlung ist: Straftaten wie Mord, Diebstahl oder Betrug sind Handlungen eigener Art, die durch das Merkmal der Normwidrigkeit mitdefiniert werden und somit eine normative, objektiv-beurteilende Zurechnung implizieren. Mit dem Verletzten ist ein anderer im Spiel, der normativ zurechnet, weil seine Erwartung missachtet wurde. Dritte erwarten mit und rechnen ebenfalls zu – rechtsverbindlich der urteilende Richter. 2.  Der Begriff der Straftat war der Ausgangspunkt der strafrechtsdogmatischen Diskussion des Handlungsbegriffs bei den Hegelianern. Ihnen verdankt dieser Begriff seine bedeutende Stellung in der Strafrechtsdogmatik.332 Sie bezeichneten aber allein die Straftat als Handlung.333 Erst mit der kausalen 330  C.IV.1. 331  B.II.2.

332  Radbruch

(1904a) S. 85 f. den strafrechtlichen Hegelianern Larenz (1927) S.  68 ff., v.  Bubnoff (1966) S.  52 ff., Otter (1973) S.  30 ff. 333  Zu



V. Handlung und Straftatsystem123

Lehre wechselten, wie gezeigt, Bedeutung und Stellung des Handlungsbegriffs im Straftatsystem. Für Hegel wird die Handlung, übereinstimmend mit der finalen Lehre, durch den Willen des Handelnden definiert: Eine wesentliche Bestimmung der Handlung sei „von mir in ihrer Äußerlichkeit gewusst zu werden.“334 Hegel nahm aber auch den Wertbezug und das Wertbewusstsein in den Handlungsbegriff auf: „Das Recht des subjektiven Willens ist, […] dass ihm eine Handlung, als der in die äußerliche Subjektivität tretende Zweck, nach seiner Kenntnis von ihrem Werte […] zugerechnet werde.“335 Handlung mit Blick auf das Strafrecht ist deshalb die vorsätzliche und schuldhafte Straftat.336 Zugleich wird der Wertbezug nicht nur als objektiver vom Beobachter an die Handlung herangetragen, sondern muss vom Handelnden nachvollzogen werden. Das ist allerdings ein normatives Postulat („das Recht des subjektiven Willens“). Diese Forderung setzt den Hegelschen in Opposition zum positivrechtlichen Begriff der Straftat, der auch ein unbewusst fahrlässiges Delikt umfasst.337 Dementsprechend sehen in dieser Tradition stehende Autoren die strafrechtliche Zurechnung in diesen Fällen skeptisch.338 Die Frage der Legitimität der Zurechnung lässt aber unberührt, dass positivrechtlich eine Straftat zugerechnet wird. Eine Handlungstheorie muss das zumindest beschreiben können; eine Legitimitätsforderung ist nicht zwingend schon begrifflich zu verankern. 3.  In neuerer Zeit hat Jakobs behauptet, dass allein die Straftat die für das Strafrecht relevante Handlung sei.339 Demgemäß wären auf der Tatbestands­ ebene keine Handlungen feststellbar. Jedenfalls muss aber ein allgemeiner Handlungsbegriff verfügbar sein, der sich nicht auf Straftaten beschränkt. Der soziale ist ebenso wie der personale Handlungsbegriff zwar abstrakter als der Begriff der Straftat, kann den Normverstoß als Handlungskriterium aber nur integrieren, weil er auf abs334  Hegel

Grundlinien (1981) § 113. Zu Hegels Handlungsbegriff Quante (1993). Grundlinien (1981) § 132. Hieran anschließend in neuer Zeit Wolff (1964) S.  15 ff., Köhler (1997) S.  10 ff., 13 f., Kahlo (2001) S.  235 f. 336  Ebenso Jakobs (1991) 6 / 3, ders. (1992) S. 44. Wenn es bei Hegel Grundlinien (1981) § 119 heißt: „Handlung als äußerliche Tat, noch ohne die Bestimmung ihrer rechtlichen und unrechtlichen Seite“, ist damit nur der Begriff der Tat definiert. Vgl. oben B.I.3.2. Dort auch zu Kant, der die Begriffe Handlung und Tat genau umgekehrt wie Hegel verwendet. 337  Vgl. Binding (1914) S. 402 ff., Larenz (1927) S.  52 f., v. Bubnoff (1966) S.  44 ff. 338  Wolff (1964) S.  24 ff., Köhler (1997) S. 14, 178 ff., Kahlo (2001) S. 27 f., kritisch Pawlik (2012) S.  369 ff. 339  Jakobs (1992) S. 34 ff., 44. Gegen diesbezügliche Kritiker Herzberg (2007) S.  159 f. m. w. N. 335  Hegel

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B. Handlung und normative Zurechnung

trakt-begrifflicher Ebene keine Kriterien benennt, welche die Zurechenbarkeit von Veränderung im Rahmen einer Handlung begründen und begrenzen können. Gegen dieses offene Konzept wurde hier die These gesetzt, dass allein eine Intention oder die Annahme eines Normverstoßes die Zurechnung begründen können. Sie leisten das bei Handlungen durch Tun auch jeweils für sich allein: So begründet eine Zwecksetzung bzw. Intention die Zurechnung bei Handlungen, die rechtlich oder moralisch neutral sind. Dann wird im Rahmen einer Handlung allein aufgrund der Zwecksetzung zugerechnet. Das spricht dafür, dass eine Zurechnung bloß aufgrund der Zwecksetzung auch dann möglich ist, wenn die Handlung darüber hinaus auf Normen und Werte bezogen wird.340 Deshalb kann ein Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung konzipiert werden, der den Bezug auf dasjenige Verbot noch nicht impliziert, nach welchem die Handlung bewertet wird. Die Handlung „Mord“ kann ohne den Wertbezug als „Tötung“ beschrieben werden. Während somit die Finalität bzw. Intention ohne Rücksicht auf die Norm eine Zurechnung ermöglicht, kann umgekehrt allein aufgrund einer Normübertretung zugerechnet werden, auch wenn eine entsprechende Intention nicht gegeben ist: Bei einer fahrlässigen Verursachung oder einem fahrlässigen Tatumstandsirrtum wird eine Handlung besonderer Art zugerechnet, zum Beispiel eine fahrlässige Tötung oder Brandstiftung. Diese Straftaten sind auch dann Handlungen, wenn die jeweilige Tatbestandsverwirklichung als solche keine Handlung ist. Die normative Zurechnung kann nicht nur neben die intentionale treten, sondern diese gleichsam ersetzen. Demnach sind weder der Normverstoß noch die Intention für eine Handlung unabdingbar, eines dieser Merkmale muss aber gegeben sein. Handlungsbegriffe, welche noch hierauf verzichten, sind beliebig oder verkappt normbezogen, wie das Beispiel der Vermeidbarkeit gezeigt hat.341 Wenn sowohl aufgrund einer Intention als auch eines Normverstoßes eine Handlung angenommen werden kann, muss ein allgemeiner Begriff der Handlung von beiden Handlungsmerkmalen abstrahieren. Im Oberbegriff der Handlung muss an deren Stelle ein abstrakteres Merkmal treten. Dieses kann nur auf der Basis eines Zurechnungskonzepts der Handlung benannt werden: Sowohl die Norm als auch die Intention sind Gründe für die Zurechenbarkeit von Veränderungen im Rahmen einer Handlung. Erst ein Zurechnungskonzept kann somit die Einheit des Handlungsbegriffs begründen. 340  Entgegen

341  B.IV.4.c).

Jakobs (2015) S. 263.



V. Handlung und Straftatsystem125

4.  Daraus folgt auch, dass die Kritik unzutreffend ist, die in neuerer Zeit in Anschluss an Jakobs und Pawlik gegen den finalen Handlungsbegriff vorgebracht wurde: Dieser verkürze die Handlung auf deren instrumentellen Aspekt.342 Gegen die Vorstellung, dass eine Handlung nur in all ihren Sinnaspekten und somit auch nur gegebenenfalls in ihrem Charakter als Normverstoß angemessen erfasst sei,343 spricht bereits, dass jede Begriffsbildung abstrahierenden Charakter hat. Bei der Bestimmung des Handlungsbegriffs geht es zunächst nur um die Frage, welche Merkmale gegeben sein müssen, um überhaupt eine Handlung beliebiger Art annehmen zu können. Die These, dass eine Handlung als solche nur in all ihren Sinnbezügen erfassbar sei, verkennt ferner deren Zurechnungsstruktur. Eine Handlung ist nichts der Zurechnung und somit der Bildung von Begriffen besonderer Handlungsarten Vorgegebenes, so dass diese nur die bereits vorhandenen Komponenten nachzuzeichnen hätte. Vielmehr wird sie erst durch die Zurechnung als solche konstituiert. Im Übrigen kann es nur darum gehen, ob es legitim ist, eine Veränderung einer Person im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. Gerade dass diese Person die Veränderung bezweckt hat, ist dabei ein starker und ausreichender Legitimationsgrund. Dass die intentionale Handlung normwidrig war, ist nur ein weiterer, gegebenenfalls neben die Intention tretender Zurechnungsgrund. Die Intentionalität kann dabei in Bezug auf eine Handlungsart voraussetzen, dass der Handelnde die normative Bedeutung von Umständen der Handlungssituation nachvollzieht, so etwa, dass eine Sache im Eigentum eines anderen steht. Das spricht aber nicht dafür, dass, wie Jakobs meint, die Intention eine Kenntnis der Normwidrigkeit der Handlung implizieren muss.344 Mit dem Merkmal der „Fremdheit“ einer Sache verweist das Verbot auf andere rechtliche Regeln, nicht aber auf sich selbst. 5.  Jede Straftat (bzw. Straftatart) ist als solche eine Handlung(sart); ihr ist aber nicht zwingend eine tatbestandliche Handlung(sart) zuzuordnen. Beim vorsätzlichen Begehungsdelikt ist es möglich, beim fahrlässigen nicht. Der allgemeinste strafrechtsspezifische Handlungsbegriff ist somit nicht der abstrakte Begriff der Handlung, weil dieser nicht auf das Strafrecht be342  Jakobs (1992) S. 30 (vgl. zur Entgegensetzung von Sinn und Natur ders. [2012] S.  59 ff.), ders. (2003) S.  955 f., ders. (2015) S.  262 f., 268 ff., Pawlik (2012) S.  265 f. Zustimmend Kawaguchi (2015) S.  115 ff., Stuckenberg (2015) S. 107. Ähnlich Schild (1979) S.68 f., (1995) S. 104 ff., Kahlo (2001) S.  37 f., 51 f., 232 f., Zabel (2007) 204 f., 213, 230 ff. Vgl. bereits Roxin (1962) S.  525 ff. 343  Jakobs (2015) S. 270. 344  Jakobs (2015) S. 269.

126

B. Handlung und normative Zurechnung

grenzt ist. Es ist auch nicht der Begriff der tatbestandlichen Handlung, weil diese nicht bei jeder Straftat gegeben ist. Vielmehr ist es der Begriff der Straftat. Sowohl das Vorsatz- wie das Fahrlässigkeitsdelikt, das Begehungswie das Unterlassungsdelikt sind je als solche Handlungen. Die Idee, für jede Straftatart darüber hinaus eine je spezifische vorausgesetzte Handlungsart zu benennen, hat sich als nicht tragbar erwiesen. Die Funktion eines Grund- und Verbindungselements kann allein der vom Handlungscharakter abstrahierende, normgegenstandsbezogene Begriff der Tatbestandverwirklichung erfüllen.345 Die Unterscheidung von Tatbestandsverwirklichung (StGB: „Tat“) und Straftat präzisiert die Kantische Unterscheidung von Handlung und Tat bzw. diejenige Hegels von Tat und Handlung.346 Insofern kehrt man an den Ausgangspunkt der strafrechtlichen Handlungslehre zurück, was nicht dazu führen muss, die darauf folgende Theorieentwicklung zu negieren. Insbesondere die Konzeptionen des Tatbestands seitens der kausalen Lehre und der tatbestandlichen Handlung des vorsätzlichen Begehungsdelikts seitens der finalen Lehre sind tragfähig und haben sich deshalb durchgesetzt.

345  B.V.4. 346  Siehe

B.I.3.2.

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs 1.  Welzel hatte, als er die Handlung als Sinneinheit auffasste, die Einheit eines physischen Kausalgeschehens und der Finalität im Blick. Die Sinnhaftigkeit der Handlung als Ganzer und des Kausalgeschehens wird durch die Finalität erzeugt.1 Dieser Gedanke ist auch dann haltbar, wenn man den Begriff der Handlung abstrakter auffasst und zunächst sowohl vom Kausalgeschehen als auch der Finalität absieht. Der einheitsstiftende Sinn einer Handlung ist dann als eine wechselbezügliche Verweisungsstruktur begreifbar: Einem Körperverhalten oder einem Handlungsergebnis kommt, unabhängig davon, ob es bereits als solches sinnhaft ist (im Beispiel einer sprachlichen Äußerung), deshalb Sinn zu, weil es für einen Beobachter auf eine Intention oder eine Norm und somit eine Sinnsetzung verweist, die ihrerseits auf das Körperverhalten oder die Veränderung gerichtet ist. Der Sinn kann somit subjektiv oder objektiv bestimmt werden – sowohl vom Handelnden her als auch von der Norm, welche ein Beurteiler als Maßstab verwendet. Allein schon, weil sie auf eine Intention oder eine Norm bezogen werden können, sind ein Körperverhalten, eine Veränderung oder deren Ausbleiben sinnhaft und können als das Ergebnis einer Handlung oder als tatbestandlicher Erfolg ausgewiesen werden. Da die Handlung eine Einheit aus Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs ist, müssen beide Elemente gegeben sein – etwa sowohl ein bestimmter Erfolg als auch eine entsprechende Intention oder ein auf diesen gerichtetes Verbot. Nur in dieser Relationsstruktur ist die Handlung gegeben. Sie ist deshalb nicht als ein einfaches Ereignis zu begreifen, weder als Körperbewegung noch als sonstige Veränderung, auch dann nicht, wenn dieses Ereignis Gegenstand des Sinnbezugs ist. Eine Handlung kann auch deshalb nicht als ein Ereignis begriffen werden, weil die Sinnsetzung sich auch auf einen nicht verwirklichten Sachverhalt beziehen kann, etwa das Nichtstattfinden einer Veränderung. Die Handlung ist ein Ganzes, das nicht auf einen seiner Teile reduzibel ist.

1  Welzel

(1965a) S. 177. Siehe auch B.IV.1.1.

128

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

2.  In der Sinnsetzung durch eine Intention oder eine Norm wird schließlich bereits ein Bezug auf die Person des Handelnden hergestellt. Die Person ist das Subjekt der Intention oder der Adressat der Norm. Person ist, wem zugerechnet wird.2 Der Begriff der Person ist in einer allgemeinen Handlungstheorie nicht nur auf die Person beschränkt, die einem einzelnen Menschen zuzuordnen ist, so dass etwa auch Verbandspersonen Handlungssubjekte sein können.3 Die Handlung hat somit weder den Charakter eines Ereignisses, noch ist sie quasi gegenständlich am Menschen zu verorten. Die Handlung ist somit nicht vorgegeben, sondern ist das Ergebnis eines Zurechnungs- und somit Beobachtungsakts, in welchem die Elemente miteinander in Beziehung gebracht werden. Diese Beziehung ist einerseits bereits dadurch gegeben, dass die Sinnsetzung auf den Gegenstand verweist. Andererseits bezieht ein Beobachter – auch der Handelnde selbst – aufgrund jenes inhaltlichen Verweises den Gegenstand des Sinnbezugs auf die Sinnsetzung zurück. Erst das Ergebnis dieser Beobachtung schließt die Handlung zur Einheit; ohne Beobachtung bzw. Zurechnung gibt es keine Handlung, weshalb sie das vierte Element der Definition des Handlungsbegriffs sein muss. 3. Die relationale Struktur einer Handlung wird im Begriff der Zurechnung abgebildet. Dieser bezeichnet eine Relation zwischen Subjekt, Gegenstand und Grund der Zurechnung, die in einem Zurechnungsakt hergestellt wird: Die Handlung ist das Ergebnis der Zurechnung. Die Zurechnung ist die Operation eines Beobachters, die einen Gegenstand einem Subjekt aus einem besonderen Grund zuordnet. Die Handlung ist somit nicht das, was zugerechnet wird. Vor der Zurechnung ist sie nicht als solche gegeben, so dass sie nur noch auf das Zurechnungssubjekt zugeordnet werden müsste. Vielmehr wird sie durch den Zurechnungsakt erst konstituiert. Dieser stellt die Relationen zwischen den Elementen der Zurechnung her. Von anderen Arten der Zurechnung unterscheidet sich die handlungsbegründende Zurechnung dadurch, dass Gegenstand der Zurechnung das Stattfinden oder Ausbleiben von Veränderungen ist. Demgegenüber kann die Zuordnung von Sachen durch Eigentum oder Besitzrecht als eine Zurechnungsart verstanden werden, welche sich auf Zustände bezieht. Von Kelsens Konzept der „äußeren“ Zurechnung, welche sich auf Rechtsfolgen bzw. Sanktionen bezieht,4 unterscheidet sich die handlungsbegrün2  Kant

(1907) S. 223. zur persona moralis: Aichele (2008) S.  8 ff. 4  Siehe B.I.4. 3  Vgl.



I. Sinnsetzung und Gegenstand des Sinnbezugs129

dende Zurechnung durch ihren retrospektiven Charakter: Der Gegenstand der Zurechnung muss gegeben sein, damit er zugerechnet werden kann. Die Zurechnung von Strafe zielt demgegenüber auf die Zukunft. Schließlich ist die handlungskonstituierende Zurechnung durch die Art der Zurechnungsgründe gekennzeichnet, als welche nur eine Intention und ein Gebot bzw. Verbot in Betracht kommen, da sie sich auf die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Zurechnungsgegenstands beziehen. 4. Der durch die Zurechnung definierte Handlungsbegriff ist vorteilhaft, weil die Begriffe von Grund, Gegenstand und Subjekt der Zurechnung Variablen für diejenigen Begriffe sind, die an ihrer Stelle eingesetzt werden können, um konkretisierend besondere Handlungsarten zu bilden. Er ist deshalb im Gegensatz zu einem körperbewegungs- oder ereignisbezogenen Handlungsbegriff ein Funktions- und nicht ein Substanzbegriff im Sinne Cassirers.5 So wird der Zurechnungsgegenstand nicht von vornherein auf das Körperverhalten reduziert, sondern kann beliebige Veränderungen und schließlich auch das Nichtstattfinden von Körperbewegungen und Veränderungen umfassen. Die Dualität zwischen einem Begriff der Handlung, der ein willkürliches Körperverhalten bezeichnet, und den erfolgsdefinierten Handlungsbegriffen kann somit überwunden werden,6 ebenso diejenige von Handlung und Unterlassung. Ferner wird es möglich, die intentionale und normative Zurechnung von Handlungen in einem Begriff zu vereinen.7 Dass ein solcher Begriff definiert werden kann, ist aus strafrechtlicher Perspektive nahe liegend, denn der Begriff der Straftat ist nichts anderes als ein spezieller, eine normative Zurechnung implizierender Handlungsbegriff, und er umfasst sowohl Begehungsals auch Unterlassungsdelikte. Dieser Vorteil des zurechnungsbasierten Begriffs wird dadurch erreicht, dass er von der praktischen Funktion der Identifikation von Handlungen ausgeht und die Handlungen nicht als Ereignisse auffasst. Die Identifikation einer Handlung ist ein praktisches Urteil, keine Beschreibung eines vorgegebenen Sachverhalts.8 Begriffe für praktisch bedeutsame, soziale Sachverhalte werden zumeist durch ihre Funktion im sozialen Zusammenhang definiert. Demgemäß muss die Definition des Handlungsbegriffs davon ausgehen, dass die Identifikation von Handlungen offenbar dazu dient, an eine Person zu adressieren, dass eine Veränderung stattfand oder ausblieb, und dann reflek5  Cassirer

(1910) S. 24 ff. und B.III.4. 7  B.V.5.3. 8  Siehe B.V.2. 6  B.III.3.

130

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

tieren, wie das gerechtfertigt wird. Gerechtfertigt wird die Zurechnung allgemein durch die Annahme, dass der Zurechnungsgegenstand in Abhängigkeit von der Person kontingent war (hierzu unter III.) und zusätzlich dadurch, dass sich auf diesen Gegenstand die Intention der Person bezog (III.) und / oder ein Gebot oder Verbot, das an sie adressiert war (IV.).

II. Der Zurechnungsgegenstand Der Zurechnungsgegenstand wird durch den Zurechnungsgrund bestimmt. Intentional kann zugerechnet werden, was der Intention entspricht; normativ, was von der Norm abweicht. Intention wie Norm können sich auf eine Veränderung oder deren Ausbleiben richten, und dementsprechend kann der Zurechnungsgegenstand positiv oder negativ bestimmt sein. Zurechenbar sind demnach ein Körperverhalten (hierzu unter 1.) oder sonstige Veränderungen bzw. deren Ausbleiben (2.). Das gilt gleichermaßen für die Handlung durch Tun wie durch Unterlassen (3.). 1. Das Körperverhalten 1.  Die Handlung wird zumeist mit dem Körperverhalten des Handelnden identifiziert. Die kausale Lehre definierte sie als Körperverhalten, das durch den Willen verursacht ist und seinerseits Folgen verursacht. Die Handlung ist demnach gleichsam ein Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen, welches auf der Seite der Ursachen mit einem Willkürakt beginnt und zur Seite der Wirkungen prinzipiell offen ist. Die Wirkungen der Handlung kann man wie Radbruch, aber auch Welzel, als gegenständlichen Teil der Handlung ansehen, so dass diese ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes Ganzes ist; oder man fasst auch die erfolgsdefinierten Handlungsbegriffe bloß als Beschreibungen eines Körperverhaltens auf, wobei die Ursächlichkeit für den Erfolg als die in der Beschreibung hervorgehobene Eigenschaft des Körperverhaltens erscheint.9 Das Zurechnungskonzept der Handlung widerspricht dieser Identifikation von Handlung und Körperverhalten. Die Handlung ist nicht ein Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen oder eine Sequenz von Körperbewegungen; sie kann nicht mit einem bloß physischen Gegenstand bzw. Ereignis identifiziert werden. Jede Handlung hat zwar einen Zurechnungsgegenstand; dieser ist aber nicht die Handlung. Stattdessen ergibt sich die Handlung aus der Relation, welche im Akt der Zurechnung zwischen dem Zurechnungssubjekt, 9  Siehe

oben B.III.3.d).



II. Der Zurechnungsgegenstand131

-gegenstand und -grund hergestellt wird. In der Zuordnung von Zurechnungsgegenständen auf Personen liegt die Funktion der Handlung; darüber hinaus hat sie keine originäre gegenständliche Referenz. 2. Das Körperverhalten ist für die Handlungskonstitution gleichwohl in dreifacher Hinsicht bedeutsam: Es ist ein möglicher Zurechnungsgegenstand; in ihm kommt gegebenenfalls die zurechnungsbegründende Intention zum Ausdruck; und die zuzurechnende Veränderung muss mit einem wirklichen oder möglichen Körperverhalten im Zusammenhang stehen. Zurechnungsgegenstand ist ein Körperverhalten in „Körperbewegungs­ handlungen“ wie etwa dem Heben eines Armes, dem Laufen, Schwimmen etc. Prinzipiell können aus einem kontinuierlichen Verhalten größere oder kleinere Abschnitte nach äußeren und / oder sinnbezogenen Gesichtspunkten herausgelöst und als Handlung beschrieben werden. Demgegenüber wird, sobald ein Körperverhalten dazu dient, einen von ihm unterscheidbaren Erfolg („Außenerfolg“)10 zu erreichen, im Rahmen einer Handlungsbeschreibung dieser Erfolg benannt und zugerechnet; das zurechnungsbegründende Körperverhalten wird begrifflich nicht bestimmt. Selbst bei Handlungen wie dem Sprechen oder Musizieren, welche einen kontinuierlichen Bewegungsverlauf voraussetzen, wird nicht der Bewegungsaspekt zugerechnet, sondern das Ergebnis der Bewegung. Im Strafrecht werden ebenfalls zumeist derartige Erfolge zugerechnet: Mit der erfolgsdefinierten Handlung des Tötens wird der Tod einer anderen Person zugerechnet, nicht ein Körperverhalten des Handelnden. Wenn der Handelnde tötet, indem er auf einen anderen schießt, indem er wiederum den Finger am Abzug einer Pistole krümmt, so ist nur bei der letztgenannten Handlung das Körperverhalten Zurechnungsgegenstand. 3. Nicht irgendein Körperverhalten des Handelnden begründet somit die Identität einer Handlungsart und einer singulären Handlung dieser Art, sondern allein die im Begriff dieser Handlung vorausgesetzten drei Kompo­ nenten der Zurechnung: Subjekt, Grund und Gegenstand. Deshalb sind Handlungen mit unterschiedlichen Zurechnungsgegenständen auch dann nicht identisch, wenn die Zurechnung mit Bezug auf ein und dasselbe Körperverhalten – etwa das Krümmen des Fingers – begründet wird. Die ergebnisvoraussetzenden Handlungen sind nicht auf die Körperbewegungshandlung reduzierbar. Sie sind auch nicht nur alternative Beschreibungen dieser Körperbewegungshandlung. Ebenso wenig wie im Fall des Tötens der Tod eines anderen schon die ganze Handlung ist, ist es im Fall des Fingerkrümmens die entsprechende Bewegung des Fingers. Die Handlung ist das Töten oder das Fingerkrümmen in der Gesamtheit der Merkmale, welche diese 10  Mezger

(1931) S. 95. Vgl. oben B.III.4.a).

132

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Handlungen definieren. Zu diesen gehören nicht nur die zugerechnete Veränderung, sondern auch der Zurechnungsgrund, das Zurechnungssubjekt und der Zurechnungsakt. 4. Die Bedeutung des Körperverhaltens für die Handlung ist somit aus seiner jeweiligen Funktion innerhalb des Gefüges von Zurechnungsgrund und ‑gegenstand im Begriff einer Handlungsart zu bestimmen und somit zu relativieren. Demgegenüber stellen selbst Autoren, die ein Zuechnungskonzept der Handlung vertreten oder diesem nahe stehen, das Körperverhalten zu sehr in den Vordergrund. So schreibt Hruschka: „Wir begreifen einen Vorgang – eine Körperbewegung, einen Laut – als Handlung, wenn und weil wir annehmen, dass ein Subjekt in diesem Vorgang eine Regel anwendet. […] ‚Zurechnung‘ bezeichnet den Akt, meinen Akt, durch den ich einen Vorgang als Handlung begreife: Ich rechne eine Körperbewegung oder einen Laut einem dabei vorausgesetzten, und damit als solches anerkannten Subjekt als Handlung zu.“11

Hier verwendet Hruschka den Begriff der Zurechnung nur, um die Abhängigkeit der Handlungsidentifikation von einer sinnverstehenden Beobachtung kenntlich zu machen. Er bleibt aber dem Modell der Handlung als Körperverhalten verhaftet, so dass der Zurechnungsgegenstand nur das Körperverhalten ist, das dann als Handlung bestimmter Art bezeichnet wird. Dementsprechend kann Hruschka die Unterlassung nicht als möglichen Fall einer Handlung begreifen, obgleich er deren Parallelität im Übrigen betont.12 Auch für Kindhäuser, der die Handlung als Interpretationskonstrukt deutet, bleibt letztlich das Körperverhalten das Referenzobjekt einer Handlung. Er schreibt: „[Die] spezifischen Interpretationen [eines] Verhaltens können jeweils als Handlungen bezeichnet werden. Insofern [können] zwei Handlungen ein und dasselbe Verhalten zum Referenzobjekt [haben].“13 2. Sonstige Veränderungen oder deren Ausbleiben 1.  Jeder Begriff einer Handlungsart bezieht sich auf eine Veränderung als Gegenstand der Zurechnung – positiv auf deren Stattfinden oder negativ auf deren Ausbleiben. Dass eine Handlung nicht zwingend mit Ereignissen zusammenhängt und nicht mit ihnen identifiziert werden kann, zeigt das Beispiel der Unterlassung, eine Veränderung zu verursachen. Hier knüpft die Zurechnung lediglich an ein hypothetisch gebliebenes Körperverhalten und dessen Wirkungen an. 11  Hruschka

(1976) S.  12 f. (1976) S.  60 ff. 13  Kindhäuser (2011) S. 41 ff., 42. Vgl. auch B.III.3.d) und 4.c). 12  Hruschka



II. Der Zurechnungsgegenstand133

Veränderungen sind gegeben, wenn etwas neu beginnt, modifiziert oder beendet wird.14 Zurechenbar ist auch negativ, dass eine Veränderung ausbleibt. Die hierfür typischen Handlungsbegriffe sind das Verhindern, Abwenden und Vermeiden. Da das Verhindern einer Veränderung als ein Bedingen eines insoweit unveränderten Fortbestehens eines Zustands gedeutet werden kann, scheint es so, als ob man auch letzteres als Zurechnungsgegenstand ausweisen könnte. Wenn A den B aus der Lebensgefahr rettet, ist ihm jedoch nur zuzurechnen, dass B nicht gestorben ist, nicht auch, dass B noch weiterlebt. Das Weiterleben des B hat A nur im Aspekt der Abwendung jener Gefahr bedingt. Im Übrigen lebt B von selbst weiter. Es gibt zwar auch eine Zurechnung von Zuständen, jedoch nicht im Rahmen einer Handlung. So kann einem Handelnden ein von ihm geschaffenes, fortbestehendes Werk zugerechnet werden. Im Rahmen einer Handlung wird ihm aber nur dessen Erschaffen zugerechnet. Auch im Übrigen begründet die Zurechnung von Zuständen keine Handlung, sondern legt etwa Eigentum und Besitz fest. Zugerechnet werden kann ferner nicht die Handlung einer anderen Person als solche, da diese kein Veränderungsereignis, sondern eine Relation zwischen Gründen und Ereignissen oder deren Ausbleiben ist. Vielmehr wird gegebenenfalls nur das Ergebnis oder eine Folge jener Handlung zugerechnet.15 Da der Zurechnungsgegenstand die Identität der Handlung bestimmt, konstituiert jede Veränderung an einem selbständigen Handlungsobjekt eine eigene Handlung. Tötet jemand zehn Personen, indem er eine Bombe legt, sind zehn Tötungshandlungen gegeben. Strafrechtlich werden diese gem. § 52 Abs. 1 StGB im Rahmen der Tateinheit zusammengefasst, weil sie an das Ergebnis derselben Ausführungshandlung anknüpfen.16 2. Dieselbe Veränderung kann auf unterschiedliche Weise beschrieben werden. Im Beispiel des mythischen Ödipus, der den Laios tötet, kann diese Handlung, sofern Ödipus eine entsprechende Intention gehabt hätte, als Tötung eines Wanderers, des Königs und des eigenen Vaters beschrieben werden.17 Jeweils wird eine besondere Eigenschaft oder Bedeutung des Handlungsobjekts hervorgehoben. Nun sind die Tötung des eigenen Vaters, eines Königs oder allgemein eines anderen Menschen verschiedene Handlungsarten. Sie können in selbständigen strafrechtlichen Tatbeständen vertypt sein und waren es historisch auch. Im Einzelfall aber kann die Tötung des Königs v. Wright (1979) S.  40 ff. den Zurechnungsvoraussetzungen C.III.4.2. 16  Vgl. B.III.4. 17  Vgl. hierzu Kindhäuser (2011) S.  46 f. 14  Ausführlich 15  Zu

134

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

zugleich eine Tötung des Vaters sein, was man in einer einzigen Handlungsbezeichnung zusammenfassen kann als die „Tötung des Vaters, des Königs Laios.“ Die je unterschiedlichen Beschreibungen als intentionale Handlung der Art „Tötung des Königs“ oder „Tötung des Vaters“ begründen nicht unterschiedliche Handlungen. Es sind – anders als bei den Handlungen, die unterschiedliche Zurechnungsgegenstände haben wie „schießen“ und „töten“ – nicht zwei Handlungen gegeben, sondern nur eine Handlung, die alle relevanten Bedeutungsaspekte mit umfasst. Denn die Identität einer einzelnen Handlung wird allein durch die Relation von Zurechnungsgegenstand, -grund und -subjekt begründet. Da der Zurechnungsgegenstand das singuläre Ereignis „Tod des Laios“ ist und auch der Zurechnungsgrund und das -subjekt identisch sind, ist im Einzelfall die Handlung „Tötung des Königs“ mit der Handlung „Tötung des Vaters“ identisch.18 Das lässt sich begrifflich begründen: Die Handlungsart „Tötung des eigenen Vaters und Königs“ ist eine Unterart sowohl der Handlungsarten „Tötung des eigenen Vaters“ als auch „Tötung des Königs“, und diese beiden wiederum sind Arten der „Tötung eines Menschen.“ Mit der singulären Handlung einer Unterart sind analytisch notwendig auch die übergeordneten Handlungsarten gegeben. Bezeichnet man die Handlung „Tötung des eigenen ­Vaters und Königs“ als „Tötung des Vaters“ oder als „Tötung des Königs“, wählt man lediglich jeweils abstraktere Artbezeichnungen. Die singuläre Handlung von der Art „Tötung des Vaters“ ist im Fall des Ödipus somit identisch mit der singulären Handlung der Art „Tötung des Königs“, weil diese beiden Handlungsarten einen Überschneidungsbereich haben, der eine jeweilige Unterart definiert, deren Element die singuläre Handlung ist. Der Zurechnungsgegenstand wird somit durch seine Eigenschaften und Bedeutungsaspekte mitbestimmt – also nicht nur „Tod des Laios“ als eines Menschen, sondern der Tod des Laios als Fremder, als König oder als Vater.19 Die entsprechende Handlungsart ist nur dann verwirklicht, wenn die Intention des Handelnden diese Bedeutungsbezüge umfasst. So hat Ödipus zwar einen Fremden getötet, nicht im Sinne einer Handlung aber den König und den eigenen Vater. Strafrechtlich wird, wenn der Handelnde eine tatbestandlich relevante Eigenschaft des Tatobjekts nicht kennt, gem. § 16 Abs. 1 StGB die entsprechende tatbestandliche Handlung wegen eines error in per­ sona vel objecto nicht zugerechnet.

18  Vgl. zur fehlenden Identität bei Verschiedenheit der Zurechnungsgegenstände B.III.3.d) und B.III.4.c). 19  Vgl. bereits B.III.2.b)7.



II. Der Zurechnungsgegenstand135

3.  Bei Mitteilungshandlungen ist der Zurechnungsgegenstand eine Änderung des Infomationsstands des Mitteilungsempfängers.20 Wenn jemand einem anderen etwas mitteilt, ist vorausgesetzt, dass der andere es wahrnimmt und versteht. Der Begriff der Mitteilungshandlung korrespondiert dem systemtheoretischen Begriff der Kommunikation, welcher als Einheit von Information, Mitteilung und Verstehen konzipiert ist.21 Für eine Kommunikation ist aber Intentionalität nicht wesentlich.22 Ferner muss eine Handlungstheorie im Unterschied zur Theorie sozialer Systeme von der Zurechnung der Kommunikation auf die Person des Mitteilenden ausgehen, während sie für die Theorie sozialer Systeme verobjektiviert das Grundelement von Sozialsystemen ist.23 Obgleich strafrechtliche Dogmatik zumeist an den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten entwickelt wird, ist nicht zu übersehen, dass sinngeprägte Veränderungen auch im Strafrecht dominieren: Ehrverletzung, Freiheitsbeeinträchtigung, Gewahrsamsbruch und Vermögensschaden sind nur durch die Sinndimension zu erfassen und deshalb in gewissem Maß interpretationsabhängig. Der sehr abstrakte Begriff der Veränderung kann all diese Erfolge erfassen. 3. Der Zurechnungsgegenstand bei der Unterlassung Die Unterlassung setzt voraus, dass die Person eine Handlung nicht vorgenommen hat. Der Gegenstand der Zurechnung ist hier aber nicht die Nichtvornahme dieser Handlung, weil diese Handlung ihrerseits durch einen Zurechnungsakt konstituiert und einen Zurechnungsgrund und -gegenstand aufweisen würde. Bei der Unterlassung wird vielmehr zugerechnet, dass der Zurechnungsgegenstand der hypothetischen Handlung nicht verwirklicht ist – sei es ein Körperverhalten oder ein anderes Handlungsergebnis. Das Ergebnis einer (unterlassenen) Handlung kann, wie oben gezeigt, seinerseits negativ definiert sein, etwa beim Verhindern und Vermeiden. Unterlässt man eine solche Handlung, ist der Zurechnungsgegenstand der Unterlassung positiv zu bestimmen, da aus der doppelten Negation eine Position folgt. Deshalb wird, wenn man eine Veränderung zu verhindern unterlässt, der Eintritt der Veränderung positiv zugerechnet.

Luhmann (1984) S.  203 f. (1984) S.  193 ff. 22  Luhmann (1984) S.  208 f. 23  Luhmann (1984) S. 192. 20  Vgl.

21  Luhmann

136

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung Handlung durch Tun

Handlung durch Unterlassen

Eintritt einer Veränderung

Handlung durch Tun mit positiv bestimmtem Ergebnis

Handlung durch Unterlassen mit positiv bestimmtem Ergebnis

Nichteintritt einer Veränderung

Handlung durch Tun mit negativ bestimmtem Ergebnis

Handlung durch Unterlassen mit negativ bestimmtem Ergebnis

Eine zurechnungsbasierte Konzeption der Handlung kann somit die Unterlassung als Handlung darstellen – anders als Konzeptionen, welche die Handlung an das Körperverhalten und dessen Kausalität für Veränderungen anbinden. Denn auch eine Unterlassung wird wie jede andere Handlung durch Zurechnungsgegenstand, -grund und -subjekt definiert und ist auf den Akt einer Beobachtung und Zurechnung angewiesen.24

III. Die Kontingenzvoraussetzung 1. Kontingenz des Körperverhaltens und Kontingenzverknüpfung 1.  Nur eine Intention und / oder eine Norm können begründen, dass im Rahmen einer Handlung ein Zurechnungsgegenstand zugerechnet wird. Es muss behauptet werden, dass der Handelnde den Zurechnungsgegenstand intendiert hat und / oder dass er eine Norm missachtet hat, welche auf diesen gerichtet war.25 Beide Zurechnungsgründe setzen eine Kontingenzannahme voraus. Intention und Norm können sich prospektiv nur auf etwas Kontingentes richten. Auch retrospektiv muss deshalb der Zurechnungsgegenstand, auf den sie sich richten und dessen Zurechenbarkeit sie begründen, als abhängig vom Handelnden kontingent erscheinen. Wenn der Zurechnungsgegenstand positiv zu beschreiben ist, als Veränderung, muss es somit möglich sein, dass er hätte nicht der Fall sein können; ist er negativ zu beschreiben, als Nichteintritt einer Veränderung, muss es möglich sein, dass das, was nicht ist, hätte der Fall sein können. Die Kontingenzannahme betrifft unmittelbar ein zuzurechnendes Körperverhalten oder dessen Nichtverwirklichung. Sie muss, falls eine andere Veränderung oder deren Nichtverwirklichung zugerechnet werden soll, von einem Körperverhalten ausgehen, weil nur dieses unmittelbar kontingent ist. 24  Zur

Unterlassung als Handlung C.V.5. C.IV. und C.V.

25  Hierzu



III. Die Kontingenzvoraussetzung137

Die Annahme, dass ein Körperverhalten kontingent ist, ist für die intentional wie für die normativ begründete Zurechnung unabdingbar:26 Auf das, was mit Notwendigkeit geschieht, kann sich weder eine Intention noch eine Norm richten. Sie richten sich vielmehr darauf, etwas, das noch nicht der Fall ist und nicht notwendig der Fall sein wird, aber als möglich erscheint, vermittels eines Körperverhaltens zu verwirklichen oder nicht zu verwirklichen. Sowohl eine Intention wie eine Norm setzen voraus, dass ein kontingentes Geschehen durch sie beeinflusst werden kann. 2.  Wird im Rahmen einer Handlung nur ein Körperverhalten zugerechnet, ist die Kontingenzvoraussetzung erfüllt, wenn der Handelnde dieses Körperverhalten hätte unterlassen und sich in irgendeiner Weise anders verhalten können. Ist Zurechnungsgegenstand das Ausbleiben eines Körperverhaltens, muss angenommen werden, dass der Handelnde dieses Körperverhalten hätte verwirklichen können. Ein Körperverhalten ist kontingent, wenn es nicht der Notwendigkeit unterworfen ist. Es ist notwendig, wenn es nach Naturgesetzen verursacht ist, etwa durch äußere natürliche Ereignisse oder einen Reflex. Ein Körperverhalten, das ein anderer Handelnder mit unwiderstehlicher Gewalt erzwingt, ist nur abhängig von dessen Handeln kontingent und deshalb dem Gezwungenen nicht zurechenbar. Ein Körperverhalten ist schon dann kontingent, wenn der Handelnde die Möglichkeit hatte, es bewusst zu steuern. Eingeübte und automatisierte Handlungsabläufe wie beim Autofahren oder Klavierspielen sind kontingent, da der Gesamtzusammenhang des Handelns bewusst und als solcher gewollt ist und der Handelnde jederzeit innehalten kann. Die Möglichkeit, bewusst zu intervenieren, ist bei Spontanreaktionen, Affekthandlungen und Bewegungen eines Betrunkenen zweifelhaft. Bei einem Verhalten in Trance oder unter Hypnose ist sie ausgeschlossen. Ob ein Körperverhalten schließlich im Rahmen einer Handlung zurechenbar ist, entscheidet sich aber erst an der weiteren Frage, ob es auch intendiert oder, wenn nicht intendiert, zumindest fahrlässig war.27 3.  Dass eine andere Veränderung als ein Körperverhalten eingetreten oder ausgeblieben ist, kann nur zugerechnet werden, wenn diese Veränderung ebenfalls kontingent ist, wenn also die Möglichkeit besteht, dass sie nicht der Fall wäre. Deren Kontingenz muss dabei von der Kontingenz des Körperverhaltens abhängig sein; es muss eine Kontingenzverknüpfung zwischen einem Körperverhalten bzw. Anknüpfungshandlung(en), die auf diesem beruhen, und dem Zurechnungsgegenstand bestehen. 26  Vgl. nur Binding Normen II (1914) S. 16  ff., 75 f., Larenz (1927) S.  66 f., Hrusch­ka (1998) S.  582 ff. 27  Zur Intentionalität C.IV.5.

138

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese ist gegeben, wenn die Kontingenz des Körperverhaltens bzw. jener Anknüpfungshandlung eine Bedingung der Kontingenz des Zurechnungsge­ genstands ist, wenn sie also Bedingung einer Möglichkeit ist, dass der Zurechnungsgegenstand nicht eintritt. Dieses Urteil ist kontrafaktisch, da es nicht an das tatsächlich gegebene Körperverhalten anknüpft, sondern an eine mögliche Alternative hierzu. Für Handlungen durch Tun muss die Alternative nicht notwendig bestimmt werden („nicht so, wie geschehen, sondern beliebig anders“), während die Alternative für Handlungen durch Unterlassen positiv bestimmt werden muss („auf diese und jene Weise anders“). Die Voraussetzung der Kontingenzverknüpfung ist bei Handlungen durch Tun und Unterlassen aber identisch. 4. Der Begriff der Kontingenz ist auf die Zukunft bezogen und ist mit dem Begriff der Möglichkeit verknüpft. Kontingent ist etwas, von dem sowohl möglich ist, dass es der Fall sein wird, wie, dass es nicht der Fall sein wird.28 Sowohl Intention als auch Norm setzten inhaltlich eine auf die Zukunft bezogene Kontingenzannahme voraus. Bei der Zurechnung wird der Begriff demgegenüber retrospektiv gebraucht und somit auf etwas bezogen, das tatsächlich der Fall ist oder war und somit notwendig geworden ist, weil es nicht mehr geändert werden kann. Hier kann man besser davon sprechen, dass Kontingenz bedeutet, dass nicht not­ wendig war, dass etwas der Fall ist oder war, und dass es nicht notwendig war, dass es nicht der Fall ist oder war.29 Im Verhältnis der Begriffe von Kontingenz, Möglichkeit und Notwendigkeit ist der Begriff der Notwendigkeit der Ausgangsbegriff, aus welchem durch Negation die Begriffe von Möglichkeit und Kontingenz abgeleitet werden. Er gleicht insoweit dem des Gebots, aus welchem die Begriffe der Erlaubnis und Freistellung bzw. der Unverbundenheit (Freistellung im starken Sinn) abgeleitet werden. Das kann in einem logischen Quadrat dargestellt werden (siehe nächste Seite). Kontingenz ist der kontradiktorische Gegensatz zur Notwendigkeit, aus folgendem Grund: Kontradiktorisch (miteinander nicht vereinbar) sind die im logischen Quadrat dargestellten Aussagen „es ist notwendig, dass“ und „es ist nicht notwendig, dass“ ebenso wie die Aussagen „es ist notwendig, dass nicht“ und „es ist nicht notwendig, dass nicht.“ Daraus folgt, dass auch die Aussage „es ist kontingent, dass“ kontradiktorisch ist zu den beiden Aussagen „es ist notwendig, dass“ und „es ist notwendig, dass nicht“. etwa Luhmann (1983) S. 31 ff. in Bezug auf die modallogische Bedeutung von Kontingenz, welche diesen Begriff auf Aussagen bezieht, Wolters Artikel Kontingenz, in: Mittelstraß (1995) S. 455. 28  Vgl. 29  Vgl.



III. Die Kontingenzvoraussetzung139

notwendig, dass ...

notwendig, dass nicht

(nicht möglich, dass nicht)

(nicht möglich)

nicht notwendig, dass nicht

nicht notwendig, dass ...

(möglich, dass)

(möglich, dass nicht)

kontingent, dass (nicht

notwendig,

dass

...,

und

nicht

notwendig, dass nicht = möglich, dass und möglich, dass nicht)

Der Begriff der Kontingenz ist in Bezug auf Handlungen mit einer metaphysischen Annahme verbunden: Er bezieht sich nicht modallogisch auf die Wahrheit von Aussagen, sondern setzt voraus, dass ein bestimmter Gegenstand an sich kontingent, also nicht notwendig so ist, wie er ist oder war.30 Notwendigkeit gibt es im Bereich von Handlungen nicht, sondern nur in der Natur. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass auch in der Natur Kontingenz gegeben ist. Sie hängt aber gegebenenfalls nicht von Handlungen ab. 2. Kontingenzverknüpfung, Kausalität und condicio sine qua non 1.  Die Kontingenzverknüpfung ist eine Zurechnungsvoraussetzung für alle Arten von Handlungen, deren Zurechnungsgegenstand nicht nur ein Körperverhalten oder dessen Ausbleiben ist. Diese allgemeine Zurechnungsvoraussetzung kann durch den Begriff der Kausalität zwischen Körperverhalten und Zurechnungsgegenstand nicht adäquat definiert werden. Zwar ist immer dann, wenn ein Körperverhalten für eine Veränderung ursächlich ist, auch eine Kontingenzbeziehung gegeben. Die Kontingenz des Körperverhaltens bedingt dann immer die Möglichkeit, dass der Erfolg nicht eingetreten wäre oder dass er auf andere Weise verursacht worden wäre.31 30  Wolters, 31  Zu

Artikel Kontingenz, in: Mittelstraß (1995) S. 455. letzterem C.III.3. und 5.3.

140

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Kausalität fehlt aber einerseits, wenn Zurechnungsgegenstand das Ausbleiben einer Veränderung ist und andererseits, wenn Anknüpfungspunkt der Zurechnung das Ausbleiben eines Körperverhaltens ist. Die Kausalität ist durch die Notwendigkeit einer Ereignisabfolge zu definieren: Ein Körperverhalten ist ursächlich für eine Veränderung, wenn sie auf jenes mit Notwendigkeit folgt. Das Kausalurteil setzt generelle und zwingende Kausalgesetze voraus.32 Eine Kausalität des Unterlassens gibt es daher ebenso wenig wie Kausalität mit Bezug auf das Ausbleiben von Veränderungsereignissen. Die Voraussetzung der Kontingenzverknüpfung tritt an die Stelle, welche in der kausalen oder finalen Handlungslehre die Kausalität einnimmt. Sie steht dabei auf der Seite der Zurechnungsgründe, während jene Lehren die Handlung mit einem Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen identifizieren und deshalb die Kausalität eher dem Zurechnungsgegenstand zuordnen: Radbruch verstand sie als Körperbewegung in kausaler Verbindung mit dem Erfolg, Welzel als final überdeterminierten und deshalb sinnhaften Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen. Das Zurechnungskonzept der Handlung teilt diese gegenständliche Vorstellung von der Handlung nicht. Es abstrahiert sowohl vom Körperverhalten als auch von der Kausalität und kann deshalb einerseits zeigen, dass auch die Unterlassung eine Handlung sein kann und andererseits, dass Kausalität nicht zwingend vorausgesetzt ist, um Veränderungen im Rahmen einer Handlung zuzurechnen. 2. Auch die Bedingungstheorie formuliert die allgemeine Zurechnungs­ voraussetzung nicht adäquat. Sie versteht sich zwar als Kausalitätsdefinition. – Ihr gemäß ist ein Handeln oder Unterlassen ursächlich für eine Veränderung, wenn es deren notwendige Bedingung ist bzw. wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass diese Veränderung entfiele.33 – Als Kausalitätsdefinition ist die Bedingungstheorie aber nicht haltbar.34 Gleichwohl ist sie als allgemeine Zurechnungsvoraussetzung diskutabel. Ein Vorteil der Bedingungstheorie ist, dass sie nicht nur auf die Verknüpfung von Körperverhalten und Erfolg beim Tun, sondern auch beim Unterlassen angewendet werden kann,35 gerade weil sie auf der einen Seite des Bedingungsurteils – dem Körperverhalten – mit dem Hinwegdenken an eine Alternative des Handelns anknüpft.36 Das Unterlassen eines KörperverhalBegründung Nolting (2015) S. 200 ff., 209. B.III.5. 34  Aichele (2011c) S.  262 ff. 35  Engisch (1950) S. 135, Spendel (1973) S. 139, Puppe NK-StGB (2017) Vor §§  13 ff. Rn.  117 f. 36  Ausdrücklich Rödig (1969) S.  123 ff. 32  Zur

33  Siehe



III. Die Kontingenzvoraussetzung141

tens kann demnach nicht ursächlich,37 wohl aber notwendige Bedingung für eine Veränderung sein.38 Die Bedingungstheorie überzieht aber die Anforderungen an die Zurechnung, weil sie eine Existenz- und nicht eine Kontingenzbedingung einfordert. Sie wird deshalb in problematischen Fällen auch nicht durchgehalten. Das wird vor allem an den Fällen der „alternativen Kausalität“ deutlich.39 Es kann aber auch schon an den Fällen des Vereitelns von Verläufen gezeigt werden, die eine Veränderung verhindert hätten; als Beispiel: B will den Tod des C verhindern, doch A zerstört das einzige Rettungsmittel, wo­ rauf C stirbt. A’s Handlung ist nicht ursächlich für den Tod des C, obgleich der Totschlag des A an C ein Begehungsdelikt ist und somit eine Handlung durch Tun mit positiv definiertem Ergebnis voraussetzt.40 Auf die Zerstörung des einzigen Rettungsmittels folgt der Tod des zu Rettenden nicht mit Notwendigkeit, sondern nur unter der kontrafaktischen Annahme, dass der in Not Geratene oder ein anderer jenes Mittel eingesetzt hätte. Die Handlung des A ist auch keine notwendige Bedingung für C’s Tod: Der Bedingungstheorie folgend muss man die Zerstörung des Rettungsmittels wegdenken. Damit ist aber noch nicht viel gewonnen. B hätte, da sein Handeln kontingent ist, das Rettungsmittel nicht benutzen müssen. Man postuliert deshalb, dass das rettungsgeeignete Handeln hinzuzudenken sei.41 Mit dieser Modifikation wird aber die Prämisse preisgegeben, dass die Ursache eine condicio sine qua non des Erfolgs sein müsse, da dieser prinzipiell auch hätte eintreten können, wenn der Handelnde das Rettungsmittel nicht zerstört hätte. Das Vereiteln von Rettungshandlungen anderer verursacht eine Veränderung weder, noch bedingt es sie. Wohl aber ist sein Andershandeln Bedingung einer Möglichkeit, dass die Veränderung nicht eintritt. Hätte A das Rettungsmittel nicht zerstört, hätte die Möglichkeit bestanden, dass B den C rettet.42 Die allgemeine Zurechnungsvoraussetzung ist nicht als Existenz-, sondern als Kontingenzverknüpfung zu formulieren: Nicht die Existenz, sondern die 37  Nolting

(2015) S.  210 f. (2010) S. 99 f. 39  C.III.5. 40  Nolting (2015) S. 212. 41  Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 34. 42  Die Kontingenzverknüpfung genügt in diesen Fällen aber nicht, um die Zurechnung zu begründen, weil die Zurechnung über das Handeln eines anderen vermittelt ist. Deshalb müssen die Voraussetzungen mittelbarer Täterschaft gegeben sein. Hierzu näher unten C.III.4. 38  Ast

142

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Kontingenz des Handelns muss Bedingung wiederum nicht für die Existenz, sondern für die Kontingenz der zuzurechnenden Veränderung sein. Die Wahrnehmung (irgend-)einer anderen Handlungsmöglichkeit hätte also nicht zwingend dazu führen müssen, dass der Erfolg nicht gegeben wäre. Sie hätte nur die entsprechende Möglichkeit eröffnen müssen. Diese Möglichkeit kann im Übrigen auch von Handlungen anderer Personen abhängen wie im Beispiel von denen des rettungswilligen B. 3.  Der Mangel der Bedingungstheorie liegt darin, dass sie die kontingenzbezogene Betrachtung nur auf die Anknüpfungshandlung oder ‑unterlassung, nicht auch auf den Erfolg bezieht. Die Gründe hierfür sind einerseits, dass sich diese Theorie als Definition des Begriffs der Kausalität versteht und andererseits, dass sie das Kausaldogma akzeptiert, nach welchem Handlung und Zurechnung Kausalität zwingend voraussetzen.43 Dieses Dogma wurde durch die naturalistische Auffassung der Handlung seitens der kausalen wie der finalen Lehre, nach welchen die Handlung ein beschreibbarer Ausschnitt aus einem Kausalgeschehen sei, im Handlungsbegriff verankert. All das führte dazu, dass der Begriff der Kausalität zurechtgebogen werden musste, um alle Fälle abzubilden, in welchen praktisch eine Zurechnung gerechtfertigt ist. Eine Definition des Bedingungsverhältnisses, welche, wie zu zeigen sein wird, weitgehend ohne derartige Zusatzannahmen auskommt, hat Puppe ausgearbeitet: Sie definiert den Begriff der Ursache als notwendigen Bestandteil einer hypothetischen hinreichenden Mindestbedingung.44 Weil diese hinreichende Mindestbedingung kontrafaktisch gebildet wird, wird auch eine alternative Art der Verursachung des Erfolgs in den Blick genommen und die Kontingenzbetrachtung somit auf den Erfolg ausgedehnt. Puppe steht auch kurz davor, das Kausaldogma ganz aufzugeben, weil sie klar erkennt, dass ein Begriff der Kausalität, der sämtliche Fälle der Zurechnung umfasst, nicht gebildet werden kann – also einerseits die Zurechnung aufgrund von naturgesetzlich determinierter Kausalität, andererseits die über das Handeln anderer vermittelte Zurechnung.45 Erst ein Handlungskonzept, das sich von der Vorstellung der Handlung als ereignishafter Körperbewegung bzw. als Kausalprozess aus Wille, Körperbewegung und Erfolg verabschiedet, kann aber das Kausaldogma ganz überwinden, weil die Kausalität dann nicht als etwas erscheint, das mit dem Gegenstand der Handlung selbstverständlich gegeben ist. Die Kausalität ist 43  Siehe

bereits B.III.4. (1980) S. 909. Kurze Darstellung ihrer Lehre bei Grosse-Wilde (2017)

44  Puppe

S.  304 ff. 45  Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 131. Näher hierzu unter C.III.4.



III. Die Kontingenzvoraussetzung143

nicht ein Bestandteil des Zurechnungsgegenstands.46 Zugerechnet wird nicht die Erfolgsverursachung, sondern der Erfolg. Sie ist vielmehr mit Bezug auf die Zurechnungsgründe relevant, da sie auf das Erfordernis der Kontingenz bezogen ist: Die Kontingenzvoraussetzung betrifft die Handlung als Ganze, also nicht nur die Intention und das vorausgesetzte Körperverhalten, sondern auch den Zurechnungsgegenstand. 4.  Dass das Urteil über die Kontingenzverknüpfung ein Möglichkeitsurteil voraussetzt, bedeutet nicht, dass zugerechnet werden kann, wenn nur möglich erscheint, aber nicht sicher ist, dass ein Handeln für eine Veränderung ursächlich geworden ist oder nicht. In gleichem Maße wie die Kausalität ist dann die Kontingenzverknüpfung zweifelhaft. Das Urteil über die Kontingenz des Zurechnungsgegenstands bezieht sich auf diesen selbst, während, falls Kausalität unsicher ist, kontingent ist, welche von zwei Aussage wahr ist: Es erscheint dann als möglicherweise wahr, dass der Handelnde die Veränderung verursacht hat, aber ebenso, dass er sie nicht verursacht hat. Entsprechendes gilt im Hinblick auf Handlungen durch Unterlassen für die kontrafaktische Kausalannahme über die Wirkungen eines unterlassenen Körperverhaltens. Die abstrakte Erfassung der allgemeinen Zurechnungsvo­ raussetzung als Kontingenzverknüpfung führt nicht in eine wahrscheinlichkeitsbasierte Zurechnungslehre, wie sie im Strafrecht die Risikoverminderungslehre im Hinblick auf erfolgsvoraussetzende Unterlassungsdelikte vertritt.47 Nach dieser Lehre genügt es, dass in einem rückblickenden Urteil nicht ausgeschlossen ist, dass eine gebotene Handlung für das Ausbleiben des Erfolgs ursächlich geworden wäre. Aber auch hier setzt die Zurechnung voraus, dass, falls die Kontingenzverknüpfung durch eine kontrafaktische Kausalannahme begründet wird, diese als sicher erscheinen muss. Nur dann kann behauptet werden, dass die Kontingenz des Handelns Bedingung der Kontingenz des Erfolgs ist. 3. „Ersatzursachen“ 1.  Für jede kontrafaktische Analyse eines Geschehens werden Fälle möglicher, aber nicht verwirklichter Ursachen problematisch – so auch für die Feststellung einer Kontingenzverknüpfung. Als Grundkonstellation im Folgenden zu diskutierender Beispielsfälle sei angenommen, dass X bewegungsunfähig einer Maschine ausgesetzt ist, und A und B getrennt voneinander darüber entscheiden können, ob sie jeweils per Grosse-Wilde (2017) S.  337 ff. (2011) S.  674 ff. m. w. N.

46  Ebenso 47  Greco

144

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Knopfdruck diese Maschine in Gang setzen. Es sei nun so, dass A und B getrennt voneinander jeweils durch Betätigen eines Schalters verursachen können, dass die Maschine eine tödliche Giftdosis bei X injiziert. Der Mechanismus wird bereits ausgelöst, wenn der erste Befehl ergeht; der zweite Befehl bleibt dann ohne Wirkung. Zuerst drückt A den Schalter, dann B, und C stirbt. Da Kausalität durch die Notwendigkeit der Abfolge realer Ereignisse zu definieren ist, ist die Beurteilung des Falls insoweit einfach: Auf die Handlung des A folgte mit Notwendigkeit die Aktivierung des Automatismus, dann die Giftgabe und der Tod des C. Die Handlung des B hingegen hat den Automatismus nicht ausgelöst – obgleich sie diese Wirkung hätte haben können. Ursächlich ist demnach nur die Handlung des A, nicht des B. Jedoch ist sowohl das Andershandeln von A als auch von B Bedingung dafür, dass X nicht stirbt. Denn der Befehl des B hätte die Maschine ausgelöst, wenn A es nicht zuvor getan hätte. Auch B musste deshalb anders handeln, damit X nicht stirbt. Sowohl die Kontingenz des Handelns von A als auch B bedingt somit, dass der Tod des X kontingent ist. Man könnte zwar behaupten, dass das Handeln des B nicht Kontingenzbedingung für den Todeserfolg sei, weil der Tod später eingetreten wäre, falls erst B und nicht bereits A den entscheidenden Befehl gegeben hätte. Prämisse hierfür wäre, dass der Erfolg durch seine raum-zeitliche Verortung definiert wird und ein späterer Erfolgseintritt oder auch ein Erfolgseintritt zum gleichen Zeitpunkt an einem anderem Ort deshalb nicht das gleiche Ereignis wäre.48 Das löst das Problem aber nicht, weil denkbar ist, dass eine Ersatzursache am selben Ort und zur selben Zeit die gleiche Wirkung gehabt hätte. Um das zu zeigen, kann das Beispiel dahingehend abgewandelt werden, dass der Zeitpunkt feststeht, zu welchem dem gefesselten X eine Giftspritze gegeben wird, falls A oder B bis dahin ihren jeweiligen Schalter bedienen. Wer von beiden zuerst den Schalter bedient, löst das Programm aus; ein späterer Befehl des anderen wird nicht mehr wirksam. Wenn zuerst A und erst danach B den jeweiligen Schalter bedient, löst der Befehl des A den Automatismus aus, nicht der des B. Letzterer hätte aber zum gleichen Ereignis am gleichen Ort und zur gleichen Zeit geführt.49 2. Betrachtet man die Fälle möglicher Ersatzursachen unter dem Blickwinkel der Kontingenzverknüpfung, ist somit problematisch, dass auch die nicht wirksam gewordene Handlung als Kontingenzbedingung des Erfolgs erscheint; betrachtet man sie unter dem Blickwinkel der Bedingungstheorie der Kausalität, ist genau umgekehrt problematisch, dass die tatsächlich ursächliche Handlung nicht als notwendige Existenzbedingung des Erfolgs er48  Vgl.

Toepel (2011) S. 303. Beispiele bei Engisch (1931) S.  15 f.

49  Ähnliche



III. Die Kontingenzvoraussetzung145

scheint: Nach der Bedingungstheorie ist – ebenso wie im Fall der alternativen Kausalität – weder das Handeln von A noch B notwendige Bedingung für den Erfolgseintritt. Aus der „Ergänzungsformel“ zur alternativen Kausalität würde folgen, dass die Handlungen von A und B ursächlich sind; denn es kann zwar jede Handlung für sich, es können aber nicht beide hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele.50 Um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, muss die Bedingungstheorie deshalb eine weitere Modifikation einführen: Verläufe, die sich tatsächlich nicht verwirklicht haben, werden nicht berücksichtigt (außer, wie gesehen, rettende Verläufe).51 Im gegebenen Fall darf man also nicht hinzudenken, dass die Betätigung des Schalters durch B die Maschine auslöst, da das tatsächlich nicht passiert ist. Auch für Puppes These, dass eine Ursache notwendiger Bestandteil einer wahren (aber kontrafaktisch gebildeten) hinreichenden Mindestbedingung ist, ist der Fall der „Ersatzursache“ heikel: Sowohl das Handeln von A als auch von B ist notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung des Todes von X zu exakt demselben Zeitpunkt und Ort. Puppe muss deshalb ein Zusatzkriterium einfügen, das dem der herrschenden Meinung gleicht: „Auch diejenigen Zwischenglieder der Kausalkette, die diese hinreichende Bedingung mit dem Erfolg verbinden, [müssen] gegeben sein […].“52 Es kommt also doch auf das tatsächliche Geschehen an; jede kontrafaktische Betrachtung anhand der Frage nach notwendigen oder hinreichenden Bedingungen hat für die Kausalitätsanalyse sekundären Charakter. 3. Weil das Kriterium der Kontingenzverknüpfung nicht den Begriff der Kausalität definiert, folgt daraus, dass die „Ersatzursache“ nicht ursächlich ist, kein prinzipieller Einwand gegen das Kriterium. Gleichwohl gibt der Fall Anlass, es zu präzisieren. Offenbar ist eine Veränderung nur zurechenbar, wenn die Kontingenz einer Handlung des Zurechnungssubjekts auch die Kontingenz des Geschehensverlaufs bedingt, der ursächlich für die Veränderung wird. Die Einbindung in reale Kausalverläufe gehört gleichsam mit zur Veränderung. Das entspricht durchaus dem Vorschlag von Puppe zur Anpassung der Bedingungstheorie. Dieser läuft darauf hinaus zu fordern, dass die fragliche Handlung notwendige Bedingung für den Erfolg in der konkreten Art seiner Verursachung sein muss. Das kann man freilich nur sagen, wenn man mit der Bedingungstheorie nicht beansprucht, die Kausalität zu definieren, weil die Definition andernfalls zirkulär wäre. 50  Siehe

unten C.III.3.5. BGHSt 49, 1, 3 f. (Psychiatriefall). 52  Puppe AT (2016) § 2 Rn. 8. 51  Etwa

146

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Bei der Handlung durch Tun mit positivem Ergebnis muss der Handelnde somit die Kontingenz des konkreten Geschehensverlaufs bedingen und aufgrund dessen die Kontingenz des Erfolgs. 4. Handlungen anderer Personen 1. Wenn Handlungen durch Kontingenz sowie Kausalität durch Notwendigkeit zu definieren ist, können Handlungen nicht im naturgesetzlichen Sinn verursacht sein. Demgegenüber gilt es als Vorteil der Bedingungstheorie, dass sie einen über das Handeln anderer vermittelten Zusammenhang zwischen einem Handeln und dem Erfolg als kausalen ausweisen könne.53 Die Annahme, dass man Handlungen anderer verursachen könne, begründet aber einen unauflösbaren Widerspruch.54 Wenn eine Handlung verursacht wäre, könnte sie nicht kontingent sein und nicht als Handlung zugerechnet werden. Zwar können Handlungen durch andere Handlungen bedingt sein. Jede Handlung setzt aber eine freie Wahl voraus, trotz gegebener Bedingungen noch anders zu handeln. Würde man Kausalität annehmen, würde sich die Zurechnungslehre selbst aufheben, weil auch eine Handlung, die eine andere Handlung verursacht, ihrerseits durch Handlungen anderer bedingt bzw. „verursacht“ ist. Es gibt auf der Welt keine Handlung, die nicht durch Handlungen anderer bedingt ist, und sei es nur in dem Aspekt, dass der Handelnde seine Existenz seinen Erzeugern verdankt. Niemandem wäre irgendetwas zurechenbar, außer demjenigen, der die erste Ursache gesetzt hat. Wenn jemand die Handlung eines anderen ermöglicht, ist die ermöglichende Handlung allerdings condicio sine qua non der ermöglichten Handlung und somit ihres Ergebnisses. Ohne die ermöglichende Handlung hätte die ermöglichte Handlung nicht stattfinden können. Wird etwa im Hinblick auf einen Rechtsfall keine Klage oder Anklage erhoben, kann ein Urteil nicht ergehen. Wenn die Relation zweier Handlungen aber schwächer ist, kann man von einer condicio sine qua non nicht mehr reden. Liefert ein Handelnder einem anderen nur ein gutes Argument für eine Handlung (zum Beispiel ein Argument innerhalb eines Gerichtsverhandlung), könnte man nur von einer condi­ cio sine qua non reden, wenn man die Handlung des anderen als determiniert, nicht aber, wenn man sie als kontingent auffasst. So lässt sich etwa die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Richter auch ohne das vorgebrachte Argument das gleiche Urteil gefällt hätte. 53  Aus diesem Grund halten etwa Roxin AT I (2006) § 11 Rn. 31 f., ders. (2011) S.  416 f. und Greco (2011) S. 685 f. an der Bedingungstheorie fest. 54  Renzikowski (2011) S.  211 f.



III. Die Kontingenzvoraussetzung147

2.  Diese Entscheidung wäre dann aber eine andere, insofern sie auf anderen Gründen beruhen würde. Das genügt, um eine Kontingenzverknüpfung zwischen jenem Argument und dem Ergebnis der richterlichen Entscheidung zu bejahen. Zwar kann die Kontingenz einer Handlung nicht die Kontingenz der Handlung einer anderen Person bedingen. Die Handlungen anderer sind aber nicht als solche Gegenstand der Zurechnung. Es genügt deshalb, dass der tatsächliche Verlauf, welcher zum zuzurechnenden Erfolg führt, ein anderer wäre.55 Das ist gegeben, wenn die Handlung des Zurechnungssubjekts die Handlung der anderen Person in irgendeiner Weise beeinflusst hat – und sei es nur, dass sie einen Grund neben anderen für diese Handlung geliefert hat. Die Handlung muss eine der vorausgehenden oder gleichzeitigen Umstände schaffen, unter denen die andere Handlung vorgenommen wird. Die Kontingenz der Handlungen des Zurechnungssubjekts muss somit eine andere Konfiguration von Handlungsgründen und somit zumindest denkbar auch eine alternative Entscheidung der anderen Person begründen. Auch wenn sich die andere Person dann im Ergebnis gleich entschieden hätte, wäre das eine Entscheidung auf anderen Grundlagen und somit ein alternativer tatsächlicher Verlauf. 3. Diese Voraussetzung allein aber kann die Zurechnung bei Verläufen, die über das Handeln oder Nichthandeln anderer vermittelt sind, nicht begründen. Eine derartige Beeinflussung von Handlungen anderer ist ubiquitär. Deshalb müssen darüber hinaus besondere Zurechnungsgründe gegeben sein. Derartige Gründe sind nicht allgemeingültig. So geht es im zivilrechtlichen Bereich bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung um die Zurechnung dessen, was ein anderer erklärt hat. Sie kann durch eine Vollmacht begründet werden. Die Zurechnung zu einer juristischen Person wird darüber hinaus durch organschaftliche Zurechnung begründet. Grund der Zurechnung kann somit sein, dass eine Erklärung mit einer Verpflichtung oder Ermächtigung übereinstimmt, welche diejenige natürliche oder juristische Person ausgesprochen hat, der zugerechnet werden soll. Mit Blick auf die normative Zurechnung im Rahmen einer Deliktshandlung wie Totschlag oder Mord genügt demgegenüber ein der Vollmacht vergleichbarer Auftrag nicht. So wird dem Anstifter, der einen Mord in Auftrag gegeben hat, der Tod der ermordeten Person nicht zugerechnet (§ 26 StGB).56 Zugerechnet wird allein bei Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft (§ 25 55  So bereits mit Blick auf hypothetische Ersatzursachen unter C.III.3. Ebenso BGHSt 13, 13 (Referendarfall) zur Frage „psychischer Kausalität.“ 56  Renzikowski Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 50 Rn. 19 ff. m. w. N. Für eine Ausdehnung mittelbarer Täterschaft demgegenüber Haas (2008) S.  80 ff., 85 f.

148

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

StGB). Angesichts dessen, dass ein Täter sich nicht darauf berufen kann, lediglich für einen anderen, insbesondere einen Anstifter zu handeln, ist es konsequent, den Anstifter von der Verantwortlichkeit für den Erfolg freizusprechen. Deshalb kann nur im Fall mittelbarer Täterschaft – also einer über die Anstiftung hinausgehenden Beeinflussung und dadurch begründeten Unfreiheit einer anderen Person – die Verantwortlichkeit des mittelbaren Täters begründet werden.57 5. „Alternative“ und „kumulative Kausalität“ 1. Am Beispiel des Vereitelns einer Rettungsmöglichkeit wurde deutlich, dass die Zurechnung weder die Relation der Kausalität noch der notwendigen Bedingung zwischen einem Körperverhalten bzw. einer Handlung des Zurechnungssubjekts und dem zuzurechnendem Erfolg voraussetzt. Stattdessen sind eine Kontingenzverknüpfung sowie im Hinblick auf die Kontingenz des Handelns anderer besondere Zurechnungsgründe erforderlich. Das kann auch an den Fällen der alternativen Kausalität belegt werden. In Abwandlung der unter C.III.3. geschilderten Grundkonstellation sei angenommen, dass A und B unabhängig voneinander den jeweiligen Knopf bedienen, wodurch die Maschine zwei Giftmengen von jeweils tödlicher Dosis miteinander vermischt und injiziert, worauf X stirbt. Sowohl die Handlung von A als auch B sind ursächlich für den Erfolg, weil dieser mit Notwendigkeit aus der Injektion der Giftmenge folgt und diese wiederum aus den Handlungen von A und B. Beider Handlungen sind aber nicht notwendige Bedingung des Erfolgs. Wenn jede der Handlungen für sich allein ausgereicht hätte, den Erfolg zu verursachen, ist keine der beiden Handlungen dessen notwendige Bedingung. Auf der Basis der Bedingungstheorie versucht man diese Konstellation zu lösen, indem man die Definition ergänzt. Demnach sei von zwei Handlungen jede ursächlich, die zwar je für sich, aber nicht zusammen mit der anderen hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele;58 oder es sei jede Handlung ursächlich, die notwendiger Bestandteil einer hypothetischen hinreichenden Mindestbedingung sei.59 Somit gibt man aber die Voraussetzung auf, dass die einzelne Handlung tatsächlich condicio sine qua non sein müsse.60 Offenbar verlangt man mit einer Existenzbedingung zu viel. hierzu Ast (2017) S. 504 ff., 508 f. (1904) S.  45 ff., Wessels / Beulke / Satzger AT (2017) § 6 Rn. 222. 59  Puppe NK-StGB (2017) Vor § 13 Rn. 102 ff. 60  Zutreffend Puppe NK-StGB (2017) Vor §§  13 ff. Rn.  92 ff. m. w. N., dies. AT (2016) § 2 Rn. 4. 57  Vgl.

58  Traeger



III. Die Kontingenzvoraussetzung149

Die Kontingenzverknüpfung erfordert demgegenüber lediglich, dass die Kon­tingenz des Handelns Bedingung für die Kontingenz des Zurechnungs­ gegenstands sein muss. Nicht das Handeln muss notwendige Bedingung dafür sein, dass die Veränderung eintritt, sondern das Andershandeln notwendige Bedingung einer Möglichkeit, dass die Veränderung ausbleibt. Die Kontingenz des Todes von X hängt nun sowohl von der Kontingenz des Handelns von A als auch B ab. Sowohl die Kontingenz der Anknüpfungshandlungen (bzw. das Andershandeln) von A als auch von B ist notwendige Bedingung der einzigen Möglichkeit, dass X nicht stirbt. 2.  Die „alternative“ ist ein Spezialfall der „kumulativen Kausalität.“ Der Grundfall der kumulativen Kausalität ist in Abwandlung der oben geschilderte Konstellation, dass A und B per Knopfdruck über die Zusammensetzung einer Injektion für X entscheiden und jeder von beiden die Beimischung einer Giftmenge verfügt, die für sich allein nicht, wohl aber mit der anderen zusammen tödlich wirkt. Beide Handlungen sind notwendige Bedingung – condicio sine qua non – des Erfolgs. Ebenso ist jede Handlung eine Kontingenzbedingung. Allerdings gibt es insgesamt drei Möglichkeiten, dass der Erfolg nicht eintritt: (1.) A bedient den Schalter, aber B nicht; (2.) B, aber A nicht; (3.) weder A noch B bedienen den Schalter. Die Kontingenz des Handelns von A ist somit notwendige Bedingung für eine der Möglichkeiten, dass der Erfolg nicht eintritt (für die zweite Variante). Deshalb bedingt es die Kontingenz des Erfolgs. Ob in diesen Fällen etwa für A ein Totschlag bejaht wird, hängt davon ab, was A wusste. Wusste er nicht, dass auch B sich für den Tod des X entscheiden muss und seine eigene Entscheidung allein nicht ausreicht, würde die Rechtsprechung einen vorsatzrelevanten Irrtum über den Kausalverlauf annehmen und nur wegen Versuchs bestrafen.61 Dementsprechend wäre Vollendung zu bejahen, wenn A wüsste, dass sich auch B für den Tod des X entscheiden muss. Die Literatur würde demgegenüber den Schutzzweckzusammenhang zwischen dem Verbot, den Schalter zu betätigen und dem Verbot zu töten bei Nichtwissen des A verneinen und bei gegebenem Wissen bejahen.62 3. Schwieriger ist der Fall zu beurteilten, dass A die Beimischung einer für sich allein nicht ausreichenden und B einer ausreichenden Giftmenge veranlasst und die Gesamtmenge vollständig resorbiert wird. In diesem Fall sind sowohl die Anknüpfungshandlungen von A und B ursächlich für den Tod des X: Der Tod des X folgt unter den gegebenen Bedingungen mit Notwendigkeit aus der Resorption der Giftmenge, diese wiede61  BGHSt

7, 325, 329. in Matt / Renzikowski-StGB (2013) Vor § 13 Rn. 84. Zur dogmatischen Einordnung dieser Lösung C.V.3. 62  Renzikowski,

150

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

rum aus der Injektion des Giftes und jene daraus, dass A und B den Automatismus ausgelöst haben, der zur Injektion führte. Nach der Bedingungstheorie der Kausalität ist A’s Handeln indes nicht ursächlich. Nur die Handlung des B ist notwendige Bedingung des Todes von X, nicht auch die des A. Letztere ist auch nicht ein notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung. Es wurde vorgeschlagen, die ausreichende Menge, die B gegeben hat, hypothetisch derart in zwei jeweils nicht ausreichende Teilmengen aufzuteilen, dass die von A gegebene Menge eine notwendige Bedingung bzw. ein notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung wird.63 Man kann aber eine Handlung – hier die Bedienung des Schalters durch B – nicht gleichsam halbieren. Auch das Kriterium der Kontingenzverknüpfung hat zunächst vergleichbare Schwierigkeiten: Es gibt keine mögliche Geschehensvariante, in welcher der Nichteintritt des Todes von X von der Kontingenz des Handelns von A abhängt. Jedoch ist das Kriterium zu präzisieren, wie schon zu den Fällen der Ersatzursachen gezeigt wurde: Die Art der Verursachung gehört mit zur Charakterisierung des Erfolgs. Wenn A keine Giftgabe verfügt hätte, wäre X an einer geringeren Menge Gift verstorben. Die Kontingenzverknüpfung ist demnach gegeben. Der Fall ist somit ebenso wie der zuerst erörterte Fall der kumulativen Kausalität zu beurteilen. 4.  Der kalifornische Supreme Court hatte einen Fall zu entscheiden, der in diesem Zusammenhang diskutiert wird:64 S hat T eine Wunde zugefügt, die zu Blutverlust führte. T brachte sich sodann selbst eine zweite, gravierendere Wunde bei und starb. „Überholende Kausalität“ durch die Selbstverletzung des T wurde nicht angenommen, da der Blutverlust aus beiden Wunden zum Tod führte. Schon deshalb ist Kausalität der Anknüpfungshandlung des S zu bejahen. Die Bedingungstheorie muss eine „anknüpfende Kausalität“ annehmen, was mit der Kontingenz von T’s Handeln nicht vereinbar ist. Eine Kontingenzverknüpfung ist auch in diesem Fall zu bejahen. Falls jede Wunde bereits für sich allein zum Tod des T geführt hätte, liegt ein Fall alternativer Kausalität vor. Dann ist sowohl das Andershandeln von S als auch T selbst je eine notwendige Bedingung der Möglichkeit, dass T nicht stirbt. Wenn die Verletzung, die S dem T beigebracht hat, nicht zu dessen Tod geführt hätte, ist gleichwohl eine Kontingenzverknüpfung zu bejahen, da ohne zu dieser Lösung Moore (2009) S.  489 f. m. w. N. v. Lewis 57 P 470 (Cal., 1899), Hinweis bei Moore (2009) S. 417 f., der diese Fallgruppe als assymetrically overdetermined concurrent-cause cases bezeichnet. 63  Kritisch 64  People



III. Die Kontingenzvoraussetzung151

die Verletzung der Erfolg auf andere Weise verursacht worden wäre, nämlich nur durch die Wunde, die sich T selbst zugefügt hat. 5.  Die Fälle „kumulativer“ und „alternativer Kausalität“ können auf Unterlassungen übertragen werden:65 Ausgehend von der gegebenen Grundkonstellation ist folgender Fall denkbar: A und B können dadurch die vorprogrammierte Hinrichtung des X verhindern, dass jeder von ihnen einen jeweiligen Schalter bedient. Beide wissen aber nicht, wie der je andere sich entscheidet. Weder A noch B bedienen den Schalter. Eine erste Variante dieses Falls entspricht den Fällen der „alternativen Kausalität“ beim Tun: Die Maschine wird schon dadurch gestoppt, dass A oder B allein den Schalter bedienen. Hier ist im Sinne der Bedingungstheorie das jeweilige Unterlassen notwendige Bedingung des Erfolgseintritts. Auch die Kontingenz des Todes von X ist sowohl von der Kontingenz des Handelns von A als auch von B abhängig. 6.  Für die Bedingungstheorie problematisch ist indessen ein Fall, welcher der „kumulativen Kausalität“ vergleichbar ist: A und B müssen den jeweiligen Schalter bedienen, um X zu retten. Keiner von beiden bedient den Schalter. In diesem Fall wird wiederum deutlich, dass die Voraussetzung der Kontingenzverknüpfung die allgemeine Zurechnungsvoraussetzung besser trifft als die Bedingungstheorie: Keine der beiden Unterlassungen ist notwendige Bedingung des Todes von X. Wohl aber ist die Kontingenz des Handelns von A ebenso wie von B notwendige Bedingung der einzigen Möglichkeit, dass X nicht stirbt. Denn sowohl A als auch B müssen hierfür anders handeln. Eine Kontingenzverknüpfung besteht deshalb sowohl für A als auch für B. Auf der Grundlage der Bedingungstheorie konnte der BGH die „QuasiKausalität“ im vergleichbaren Politbüro-Fall nur mit dem Argument behaupten, dass sich andernfalls „jeder Garant allein durch den Hinweis auf die gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit gleichgeordneter Garanten von jeder strafrechtlichen Haftung freizeichnen“ könne.66 Er deutet die „Quasi-Kausalität“ der Unterlassung deshalb als normative Zurechnungsvoraussetzung und unterstellt zur Prüfung der Quasi-Kausalität „rechtmäßiges Verhalten der parallelen Garanten“.67 Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 120 ff. 48, 77, 94. 67  BGHSt 48, 77, 95. 65  Vgl.

66  BGHSt

152

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Erwägungen treffen auf die Frage nach dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen der Missachtung des Gebots der verhinderungsgeeigneten Handlung und dem Nichtverhindern des Erfolgs zu.68 Für eine allgemeine Zurechnungsvoraussetzung, wie sie mit der Kontingenzverknüpfung postuliert wird, können normative Erwägungen indessen nicht maßgeblich sein. Puppe konstruiert zur Begründung der Kausalität demgegenüber eine hinreichende Mindestbedingung für den Erfolgseintritt. Da bereits das Unterlassen von A notwendiger Bestandteil einer hinreichenden und tatsächlich gegebenen Mindestbedingung des Erfolgs ist, sei Kausalität zu bejahen.69 Auf der Grundlage des hier vertretenen Kausalitätsbegriffs, können Unterlassungen eines Körperverhaltens allerdings nicht ursächlich sein, weil das Nichtstattfinden eines Körperverhaltens kein Ereignis ist und Kausalität zwischen dem tatsächlichen Körperverhalten und dem Erfolg nicht vorliegt. Puppes Kriterium zeigt aber letztlich nichts anderes, als dass es für eine allgemeine Zurechnungsvoraussetzung auf die Frage ankommt, ob die Kontingenz des Handelns notwendige Bedingung für eine der Möglichkeiten ist, dass der Erfolg nicht eintritt. Es muss hier nicht weiter untersucht werden, ob im Ausgangsfall die weiteren Voraussetzungen der Erfolgszurechnung vorliegen. Vergleichbar zu den Fällen der kumulativen Kausalität bei Handlungen durch Tun könnte man das verneinen, wenn A nicht wusste, dass sich auch B für die Rettung entscheiden muss, weil A dann über die gegebene Rettungsmöglichkeit irrt. Wenn er wusste, dass auch B sich für die Rettung entscheiden muss, wäre ein Irrtum zu verneinen. Problematisch ist dann, wie schon gesagt, allein der Pflichtwidrigkeitszusammenhang. 7.  Die Komplexität kann in den Fällen „kumulativer Kausalität“ noch gesteigert werden, so wenn ein Gremium durch Mehrheitsentscheidung darüber befinden muss, ob eine Veränderung verhindert wird. Der Ausgangsfall ist jetzt derart abzuwandeln, dass A, B, C, D und E durch einfache Mehrheit darüber entscheiden können, ob die Maschine, die auf die Tötung des X programmiert ist, gestoppt wird. Dabei sitzt jeder in einem eigenen Raum und bedient ohne Absprache mit den anderen seinen Schalter. Wenn nur ein Mitglied, etwa A, dafür und die vier anderen dagegen stimmen, hängt die Kontingenz einer eingetretenen oder ausgebliebenen Veränderung davon ab, dass zwei, drei oder vier Mitglieder anders, nämlich positiv votierten, sodass eine einfache Mehrheit zustande kommt. Die alternativen 68  Hierzu 69  Puppe

Ast (2012b) S.  648 ff. AT (2016) § 30 Rn. 7 f.



III. Die Kontingenzvoraussetzung153

Möglichkeiten des Geschehens sind noch zahlreicher, da für jedes Abstimmungsergebnis unterschiedliche Kombinationen denkbar sind. Wenn A tatsächlich dafür gestimmt hat, ist möglich, dass auch (B und C), (B und D), (B und E), (C und D), (C und E), (D und E), (B, C und D), (B, C und E), (C, D und E) oder schließlich (B, C, D und E) dafür stimmen. Die Kontingenzbedingung ist hier sowohl kumulativ – mehrere müssen zusammenwirken – als auch alternativ – nicht alle müssen zusammenwirken. Zudem sind unterschiedliche Varianten des Zusammenwirkens möglich. Jede der möglichen Varianten ist insgesamt eine Kontingenzbedingung, weshalb auch das in einer der Varianten relevante Handeln eines Abstimmenden Kontingenzbedingung ist. Für die Kontingenzverknüpfung unter den Bedingungen des Zusammentreffens je kontingenten Handelns genügt es deshalb, dass das Andershandeln der einzelnen Person Kontingenzbedingung des Erfolgs für mindestens eine Geschehensalternative ist, die nicht zum Erfolg führt. 8.  Nichts anderes gilt für die entsprechenden Fälle „alternativer Kausalität“ bei Anknüpfungshandlungen durch Tun. Für die einfache Konstellation, dass nur zwei Personen handeln, ist die Lösung noch einfach, wie schon gezeigt. Wenn die Verhältnisse komplexer sind, stellt sich exakt dasselbe Problem wie beim Unterlassen. So mögen jetzt nicht nur A und B, sondern zusätzlich C, D und E die Möglichkeit haben, je einen Schalter zu bedienen. X wird automatisch getötet, wenn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mindestens drei der fünf Personen den Schalter bedient haben. Bedienen B, C, D und E den Schalter, ist deren jeweiliges Andershandeln Kontingenz­ bedingung für sechs der zehn möglichen Geschehensvarianten, die nicht zum Tod des X geführt hätten. Die herkömmliche Betrachtung über die condicio sine qua non führt auch in diesen Fällen an ihre Grenze. Wenn mehr Stimmen als notwendig für den Erfolg abgegeben werden, ist die einzelne Stimme nicht notwendig. Man könnte wiederum nur eine hypothetische hinreichende Mindestbedingung konstruieren, für welche sie notwendig wäre. Auch hat man versucht, Fälle dieser Art über die Annahme von Mittäterschaft und die gegenseitige Zurechnung der für den Erfolg eintretenden Handlungen zu lösen.70 Mittäterschaft setzt aber voraus, dass die zuzurechnenden Beiträge auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplans erbracht werden. Dieser fehlt, wenn sich die Handelnden nicht zuvor hinsichtlich ihrer Stimmabgabe abgestimmt haben. Es genügt nicht, dass diejenigen, die für den Erfolg votieren, sachlich übereinstimmen. Ein Tatplan ist vielmehr durch die Kommunikation gegenseitiger Handlungserwartungen gekennzeichnet, welche die Zurechnung des Ergebnisses der je erwarteten Handlungen recht70  Knauer

(2001) S. 159 ff. Hierzu Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn 94.

154

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

fertigen.71 Die für den Erfolg stimmenden Gremienmitglieder fassen durch die Abstimmung erst den Tatplan. Das ermöglicht die Zurechnung nur, wenn der Erfolg durch weitere Handlungen verursacht wird.

IV. Die intentionale Zurechnung 1. Intention und Norm als Zurechnungsgründe 1. Intention und Verhaltensnorm gehören nicht zum Gegenstand der Zurechnung; Zurechnungsgegenstand sind weder der Normverstoß, noch die intentionale Handlung als solche. Eine Handlung liegt nicht schon vor der Zurechnung als eine vorgegebene Einheit von psychischen und physischen Komponenten vor, die nur einer Person zugeordnet werden müsste. Sie wird vielmehr durch die Zurechnung als eine solche konstituiert; Intention und / oder Norm sowie die zugerechnete Veränderung werden erst durch die Zurechnung zur Einheit der Handlung zusammengeschlossen. Für das Zurechnungskonzept der Handlung ist somit nicht die Annahme entscheidend, dass der „Wille“ des Handelnden dasjenige Körperverhalten verursacht hat, von welchem die Kontingenzverknüpfung ausgeht. Die Handlung ist nicht als Ausschnitt aus einem Kausalprozess zu verstehen. Stattdessen stellt das Zurechnungskonzept eine Grund-Folge-Beziehung her zwischen der Annahme, dass die kontingente Verwirklichung des Zurechnungsgegenstands einer Intention entspricht oder einer Norm widerspricht und dem Urteil über die Zurechnung. 2. Die Zurechnung wird unter Berufung auf eine Intention oder Norm begründet, weil beide einen besonderen Sinngehalt haben. Sie beziehen sich inhaltlich auf den Zurechnungsgegenstand – „A verbietet, dass …; B beabsichtigt, dass …“ – und sind darauf gerichtet, ihn zu verwirklichen oder nicht zu verwirklichen. Es geht ihnen um Weltgestaltung im Sinn einer Veränderung oder Nichtveränderung der Welt. Sie haben mit einem Wort Searles eine Welt-auf-Wort-Ausrichtung im Unterschied zu einer Wort-auf-Welt-Ausrichtung – und somit nicht beschreibenden, sondern vorschreibenden oder weltgestaltenden Sinn.72 Dieser rechtfertigt die Zurechnung des dann verwirklichten Zurechnungsgegenstands. Die enge Verwandtschaft von Norm und Intention spiegelt sich auch bei den zugeordneten Modalverben „sollen“ und „wollen“ wider. Wenn jemand einem anderen eine Handlung gebietet, will er, dass der andere die Handlung 71  Vgl.

Renzikowski in: Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 49 Rn. 9 ff., 21 ff. (2001) S.  121 ff.

72  Searle



IV. Die intentionale Zurechnung155

vornimmt. Das auf das Handeln eines anderen bezogene und diesem mitgeteilte Wollen ist ein Sollen. Diese Parallelität kann man heranziehen, um Begriff und Sinngehalt der Intention zu erschließen. 3.  Der Gestaltungssinn von Norm und Intention erklärt, warum diese die Zurechenbarkeit von Veränderungen begründen. Intentional wird zugerechnet, weil das Subjekt eine Intention gesetzt, das heißt verbindlich gemacht hat, und es wird zugerechnet, was mit dieser übereinstimmt. Aufgrund einer Norm wird zugerechnet, was mit dieser nicht übereinstimmt, da das Zurechnungssubjekt Adressat dieser Norm war. Zugerechnet wird in beiden Fällen, worin das Zurechnungssubjekt aus der Perspektive des Zurechnenden frei war und was deshalb als das Seine erscheint. Es war frei, die Intention zu setzen oder nicht zu setzen, weshalb das mit ihr Übereinstimmende zugerechnet wird. Demgegenüber war es aus der Sicht des Zurechnenden verbunden, der Norm zu folgen, weshalb sich die Freiheit des Subjekts in der Abweichung von der Norm äußert. Die Befolgung einer Norm erscheint somit nur unter dem Gesichtspunkt der Intention als frei und wird als Handlung zugerechnet, nicht aus Sicht der Norm, während deren Missachtung auch aus deren Sicht als frei erscheint. Dass nur die Normmissachtung, nicht aber deren Befolgung zugerechnet wird, entspricht Kants Auffassung.73 Weil aber Kant das Gesollte zugleich als das aus Vernunft Gewollte ausweist, erscheint ihm die Freiheit andererseits in der Normbefolgung, die Unfreiheit – als Nötigung durch sinnliche Bestimmungsgründe – in der Nichtbefolgung der Norm.74 Diese Annahme von Unfreiheit setzt aber wiederum voraus, dass Freiheit möglich ist. 4.  Intention und Norm stehen als mögliche Zurechnungsgründe gleichberechtigt nebeneinander. Sie können entweder die Zurechnung je eigenständig begründen oder kombiniert werden: (a)  Eine bloß intentionale Zurechnung ist etwa bei normativ freigestellten (indifferenten) Handlungen gegeben. Sie ist aber auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt Zwischenschritt der normativen Zurechnung, da sich das Verbot auf eine intentional zurechenbare Handlung richtet. (b)  Aus diesem Grund ist das vorsätzliche Begehungsdelikt für die Kombination von intentionaler und normativer Zurechnung beispielhaft. Obgleich sich hier das Verbot auf eine intentional zurechenbare Handlung bezieht, ist 73  Siehe bereits unter B.I.1.1. Ferner Kant (1907) S. 227 f., (1934) S. 253 Refl. 7124, S. 304 Refl. 7295. Vgl. Hruschka (1998a) S.  105 ff., Aichele (2008) S.  17 f., Renzikow­ ski (2011) S. 210. Zu überobligatorischen (supererogatorischen) Handlungen Joerden (2010) S.  221 ff. m. w. N. 74  Kant (1907) S. 226 f.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Gegenstrand der normativen Zurechnung nicht diese intentionale Handlung als solche, sondern nur deren Zurechnungsgegenstand. Das Verbot tritt als Zurechnungsgrund gleichsam neben die Intention; der Zurechnungsgegenstand bleibt gleich. Eine Handlungsart, welche durch die Kombination von intentionaler und normativer Zurechnung definiert wird, ist gegenüber der korrespondierenden, bloß intentional begründeten Handlungsart spezieller, da der Begriff einer Handlungsart gleichermaßen durch Grund und Gegenstand der Zurechnung definiert wird. Umgekehrt ist der Begriff jener intentionalen Handlung merkmalsärmer und gegenüber dem Deliktsbegriff ein Oberbegriff: Jeder Mord ist eine Tötungshandlung, nicht aber umgekehrt. Deshalb ist es möglich, bereits das Tatbestandsurteil als Urteil über das Gegebensein einer Handlung zu konzipieren, obgleich das darauf aufbauende Urteil, dass eine schuldhafte Tat vorliege, eine weitere Handlung speziellerer Art feststellt, die sowohl intentional als auch normativ begründet wird. (c) Allein normativ begründet wird die Zurechnung des Erfolges und somit der Handlungscharakter demgegenüber beim Fahrlässigkeitsdelikt, denn die Intention richtet sich hier nicht auf den Erfolg, welcher der Zurechnungsgegenstand ist. Alle Versuche, die Zurechnung des Erfolgs bzw. die Handlungseigenschaft trotz dieser fehlenden Intention nicht- bzw. vornormativ zu begründen, sind gescheitert. So kann man die fahrlässige Verursachung zwar als vermeidbar oder als Verwirklichung des Risikos einer Handlung beschrei­ ben, welche wegen ihrer Gefährlichkeit einem generellen Verbot unterfällt, doch fehlt dann ein Grund, warum das zugerechnet werden sollte. Die Zurechnung des Erfolgs wird nicht durch irgendein deskriptives Kriterium gerechtfertigt, sondern erst durch das normative Urteil, dass der Handelnde den Erfolg hat verhindern sollen oder dass er ihn durch eine gefährliche intentionale Handlung verbotswidrig verursacht hat. Kann dieses Urteil nicht gefällt werden – etwa weil wegen erlaubten Risikos trotz Vermeidbarkeit keine Sorgfaltsnorm postuliert wird oder weil die fahrlässigkeitstatbestandliche Risikoschaffung gerechtfertigt ist – kann man den Erfolg nicht zurechnen. Zurechnungsgrund wäre andernfalls nur das Schema eines Beobachters, das zwar an der Norm orientiert, aber bloß deskriptiv ist. Die Zurechnung entbehrte des Bezugs auf den Handelnden; sie wäre nicht mehr als eine kausale Erklärung von Handlungsfolgen. Der Sinn einer handlungsbegründenden Zurechnung ist demgegenüber, die Adressierbarkeit eines Geschehens an einen Handelnden auszudrücken. Es wird als sein Werk als in seiner Zuständigkeit stehend ausgewiesen.



IV. Die intentionale Zurechnung157

2. Intention, Vorsatz, Absicht und Inkaufnehmen 1. Der Begriff der Intention bezeichnet den Zurechnungsgrund in allen Fällen, in welchen die Zurechnung einer Veränderung unter Berufung auf die Sinnsetzung der handelnden Person begründet wird. Er umfasst den strafrechtlichen Vorsatz, welcher die Intention einer tatbestandlichen Handlung – zum Beispiel „töten“ – bezeichnet. Der Begriff der Intention ist ausgehend vom Begriff der Absicht zu definieren. Intention und Absicht sind jedoch nicht gleichbedeutend, weil die Intention auch das Inkaufnehmen umfasst, also Fälle, in denen die handelnde Person eine zuzurechnende Veränderung nicht beabsichtigt, sondern nur als sichere oder mögliche Folge ihrer Handlungen voraussieht und hinnimmt. Strafrechtlich handelt es sich um die Vorsatzformen der Wissentlichkeit und des dolus eventualis. Der Begriff der Absicht bezeichnet mit Blick auf ein zuzurechnendes Körperverhalten, dass dieses willkürlich bzw. unmittelbar gewollt ist. Bezieht sich die Absicht auf einen anderen Zurechnungsgegenstand, welcher mit einem Körperverhalten kontingenzverknüpft ist, ist dieser bezweckt, so dass das Körperverhalten oder das Unterlassen eines Körperverhaltens als Mittel erscheint, diesen Zweck zu verwirklichen. Derart zu differenzieren liegt einerseits nahe, weil eine über das Körperverhalten hinausgehende Veränderung immer als letzten Endes durch ein Körperverhalten bezweckt aufgefasst werden kann. Andererseits kann ein intentionales bzw. absichtliches Körperverhalten selbst nicht als bezweckt bezeichnet werden und muss auch nicht immer Mittel zu einem Zweck sein.75 Es ist aber gewollt. Der Begriff des Wollens bzw. einer Wollung (Volition) wird hier demnach nicht mit der Intention gleichgesetzt. Zwar kann man auch die bloß in Kauf genommene Folge eines Körperverhaltens als gewollt bezeichnen. Der Begriff der Intention ist aber anders als umgangssprachlich der des Wollens an eine Handlung gebunden: Die Intention ist die im Begriff einer Handlungsart vorausgesetzte Wollung und unterscheidet sich von einem weniger spezifischen Wollen durch den Aspekt der Verbindlichkeit (hierzu unter C.IV.3.). Anscombe hat den Begriff der Intention (Absicht) darüber bestimmt, dass die Frage nach Handlungsgründen durch den Handelnden zugelassen und nicht zurückgewiesen werde. Durch den Grund selbst kann die Absicht nicht definiert werden, weil es auch grundlose Handlungen gibt.76 Die WarumFrage wird der Handelnde aber gerade deshalb zulassen, weil er die hand75  So

Hruschka (1976) S. 10 f., den finalen Handlungsbegriff kritisierend. (1986) S.  40 f.

76  Anscombe

158

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

lungskonstituierende Zurechnung nachvollzieht. Er wird sie nachvollziehen, weil er die Zuschreibung der Intention akzeptiert. Die Zulassung der WarumFrage ist somit eher ein Indiz für die Absicht und angesichts der aufgezeigten Zirkularität keine Definition derselben. Um die Intention über die Aufzählung ihrer Arten hinaus zu definieren, wird vielmehr die Frage zu beantworten sein, warum der Handelnde die intentionsbegründete Zurechnung akzeptiert – und warum er sie etwa auch in den Fällen des Inkaufnehmens akzeptieren muss. 2.  Die Vorsatzformen der Wissentlichkeit und dolus eventualis in den Begriff der Intention einzubeziehen, erscheint problematisch, weil anders als bei der Absicht das Erreichen des zuzurechnenden Erfolgs nicht der Grund bzw. das entscheidende Motiv der Handlung ist. Diese Begriffsfassung rechtfertigt sich aber daraus, dass die Intention nicht den Grund der Handlung, sondern den Grund der Zurechnung bezeichnet. Auch die finale Handlungslehre hat jene beiden Vorsatzformen als Fälle handlungsbegründender Finalität aufgefasst.77 Dies wird allerdings mehr behauptet als begründet, da der Begriff der Finalität von der Absicht bzw. der Zweckorientierung ausgeht. Es stellt sich aber die Frage, warum eine Intention im Fall aller drei Vorsatzformen anzunehmen ist und warum nicht auch darüber hinaus schon dann, wenn der Handelnde erkennt, dass der Erfolg möglicherweise eintritt, ihn aber nicht in Kauf nimmt. Etwa Gallas hat angenommen, dass letzteres für Finalität und Vorsatz genüge. Dementsprechend hat er auch für die bewusste Fahrlässigkeit den Tatbestandsvorsatz bejaht und bloß den „Vorsatzschuldvorwurf“ verneint.78 Die Abgrenzung des Vorsatz- vom Fahrlässigkeitsdelikt verankert er somit nicht im Handlungsbegriff. Er beurteilt sie dann nach Strafwürdigkeits­gesichts­punkten.79 Die entgegengesetzte Position zu dieser Lösung wäre, den Begriff der Intention auf die Absicht zu beschränken.80 Diese Position führt aber letztlich zu ähnlichen Ergebnissen wie Gallas’ Vorschlag. Sie verankert den Vorsatz nicht im Handlungsbegriff, weshalb er nicht mehr zwingend Unrechtsvoraussetzung ist.81 Wenn aber ein eventualvorsätzliches Töten nicht mehr als Tötungshandlung angesehen wird, muss die Erfolgszurechnung im Ausgangspunkt durch Verursachungsverbote begründet werden, deren Reichweite dann 77  Welzel

(1969) S.  34 f., 67 f., Armin Kaufmann (1958) S. 64 f., 81. (1955) S. 42 ff. 79  Gallas a. a. O. Im Anschluss an Bockelmann (1949) S. 24, Fn. 44. 80  Etwa Kindhäuser, s. o. B.IV.5.a), Puppe NK-StGB (2017) Vor §§ 13 ff. Rn. 48 f. 81  Vgl. Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 2. 78  Gallas



IV. Die intentionale Zurechnung159

durch die Erfordernisse der Vermeidbarkeit, der Pflichtwidrigkeit oder der objektiven Zurechnung eingeschränkt werden kann. Auch nach dieser Konzeption wird der Vorsatz frei für eine Deutung nach Strafwürdigkeitsgesichtspunkten. Ohne das Wollen des Handelnden berücksichtigen zu müssen, kann der Vorsatz dann bereits aufgrund der Kenntnis einer Gefahr bejaht werden, die durch sein Handeln begründet wird.82 Die Frage, ob der Vorsatz im Handlungsbegriff zu verankern ist oder nicht, wirkt sich somit entscheidend auf das Verständnis des Vorsatzes aus. Bejahendenfalls wird dieser auf das Problem bezogen, die Zurechnung eines Erfolges zu rechtfertigen. Andernfalls kann er sinnvoll nur noch unter direktem Durchgriff auf den Grund für die erhöhte Strafdrohung gedeutet werden. Es müsste sich somit aus der Logik der Zurechnung zeigen lassen, dass zwar aufgrund von Wissentlichkeit und dolus eventualis ein Erfolg zugerechnet werden kann, den der Handelnde nicht bezweckt hat, darüber hinaus aber nicht. 3.  Hierfür ist eine Parallelisierung des Begriffs der Intention mit dem der Norm aufschlussreich. Sowohl die Intention als auch die Norm kennen zwei Grade der Bestimmtheit: Die Absicht und das Gebot legen sich auf einen Weltzustand fest. Dessen Verfehlen wird als Misserfolg und Enttäuschung definiert und kann zu einem weiteren Versuch führen, ihn noch zu erreichen. Wenn der Handelnde hingegen die Veränderung nicht beabsichtigt – so beim dolus directus zweiten Grades und beim dolus eventualis – ist die Situation eine andere. Der Eintritt der Veränderung wird nur in Kauf genommen, ihr Nichteintritt bedeutet nicht Misserfolg und Enttäuschung und veranlasst keinen erneuten Versuch. Diese Art der Intention hat im normativen Bereich eine Entsprechung in der Erlaubnis (im starken Sinn: „Freistellung“ oder „freistellende Erlaub­ nis“).83 Auch die Garantie, dass eine Art von Handlungen im normativen Sinne frei, also weder geboten noch verboten ist, kann als eine Norm aufgefasst werden, obgleich sie nicht gebietet oder verbietet. Diese Art der Erlaubnis ist ebenso wie das Inkaufnehmen geprägt durch eine Indifferenz bzw. Unbestimmtheit gegenüber dem in Bezug genommenen Objekt. Die Bedeutung dieser Indifferenz kann verdeutlicht werden, wenn man die Begriffe des Gebots und der Absicht jeweils als Grundbegriffe eines logischen Quadrats setzt, das die unterschiedlichen Möglichkeiten darstellt, Negationen zu formulieren:

82  Puppe 83  Vgl.

NK-StGB (2017) § 15 Rn. 69 f., Kindhäuser AT (2017) § 14 Rn. 27 ff. Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 68.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung beabsichtigt, dass

beabsichtigt, dass nicht

(geboten, dass)

(geboten, dass nicht)

nicht beabsichtigt, dass nicht

nicht beabsichtigt, dass

(nicht geboten, dass nicht)

(nicht geboten, dass)

nicht beabsichtigt, dass, und nicht beabsichtigt, dass nicht (freigestellt, dass)

Sowohl Gebot als auch Absicht können in unterschiedlicher Weise negiert werden: Einerseits kann der Gegenstand des Gebots und der Absicht negativ bestimmt werden, andererseits können Gebot und Absicht als solche („kategorial“) negiert werden. Im ersten Fall handelt es sich um das Verbot einer Handlung (als das Gebot, dass diese nicht vorgenommen werde) bzw. um die Absicht, dass eine Veränderung nicht eintritt; im zweiten um die Erlaubnis einer Handlung bzw. das Inkaufnehmen einer Veränderung. Erlaubnis und Inkaufnehmen sind durch eine zweifache Negation gekennzeichnet. Die Erlaubnis (im starken Sinn) bezeichnet, dass eine Handlung weder geboten noch verboten ist. In entsprechender Weise negiert das Inkaufnehmen die Absicht in zweifacher Hinsicht: Der Handelnde beabsichtigt weder, dass eine Veränderung eintritt, noch, dass sie nicht eintritt. Ebenso wie dem Erlaubenden recht ist, dass die erlaubte Handlung vorgenommen werde oder nicht, ist dem Handelnden recht, dass der Erfolg eintritt, aber auch, dass er nicht eintritt.84 4.  Indifferent ist dabei nur die Intention des Handelnden, nicht zwingend auch seine Bewertung. Wie er die in Kauf genommene Veränderung bewertet – positiv, negativ oder indifferent – ist aber für die Intention irrelevant. Wenn die Rechtsprechung den Eventualvorsatz durch das Billigen des Erfolgs definiert, kann das nicht bedeuten, dass der Handelnde den Erfolg positiv bewerten müsse.85 Auch ist nicht zu verlangen, dass er dem Erfolg 84  Vgl. auch die logische Interpretation des dolus eventualis von Joerden (2010) S. 284 f., der ihn aber als Funktion eines bloß kognitiven Urteils auffasst. 85  Klarstellend bereits BGHSt 7, 363, 369 f.



IV. Die intentionale Zurechnung161

wertungsmäßig neutral gegenübersteht. Vielmehr ist das Inkaufnehmen auch mit einer negativen Bewertung des Erfolgs vereinbar. Das zeigt der Referenzfall der BGH-Rechtsprechung, der Lederriemenfall:86 Der Tod des Opfers war den Tätern höchst unerwünscht, also negativ bewertet. Sie wollten das Opfer zunächst nur betäuben, um es zu berauben. Im Vorfeld hatten sie die Möglichkeit verworfen, es mit einem Gurt zu würgen, weil sie nicht wollten, dass es stirbt. Im Kampf mit dem Opfer zog dann einer der Täter einen Gurt um dessen Hals und zog ihn fest, bis es bewusstlos wurde. In dieser Handlung kam nicht mehr die frühere Absicht zum Ausdruck, das Opfer nicht zu töten, sondern mindestens eine Indifferenz dessen Tod gegenüber. Der BGH entschied, dass den Tätern Vorsatz zur Last lag. Sie hätten den Tod des Opfers gebilligt. Im Rechtssinne könne man auch einen Erfolg billigen, der einem unerwünscht ist. Wiederum ist der Vergleich mit der deontischen Logik aufschlussreich: Auch eine erlaubte Handlung bzw. deren Ergebnis kann in Bezug auf einen Wertaspekt als negativ bewertet erscheinen. Wenn jemand einen anderen in Notwehr tötet oder im Notstand verletzt, ist der Tod oder die Verletzung des anderen etwas an sich negativ Bewertetes, Unerwünschtes. Diese negative Bewertung tritt aber hinter dem mit der Handlung bzw. ihrer Erlaubnis verfolgten Interesse zurück – nämlich das Gut zu bewahren, auf das sich der abgewehrte Angriff richtete oder für das eine Notstandsgefahr bestand. Die eine Bewertung wird zwar durch die andere relativiert, aber nicht negiert. Gleiches gilt für das Inkaufnehmen eines Erfolgs: Dessen eventuell negative Bewertung setzt sich gegen die vom Handelnden verfolgten Zwecke nicht durch. Eine solche Bewertungslage kann sogar in Fällen der Absicht gegeben sein, wie das Beispiel von Brutus zeigt, dem der Tod Caesars eigentlich unerwünscht war.87 Die Intention bei zugleich negativer Bewertung des Erfolges wird als ein „Sich-Abfinden“ beschrieben.88 Weitere Kriterien, durch welche der Eventualvorsatz von der bewussten Fahrlässigkeit abgegrenzt wird, verdeutlichen die Parallelität von Absicht und Gebot sowie ihrer Ableitungen. So verhält sich das Inkaufnehmen kontradiktorisch zur Absicht, dass der Erfolg nicht eintrete. Wenn bei einem gefährlichen Handeln der Handelnde die Intention verfolgt, dass der Erfolg nicht eintrete, kann nicht angenommen werden, dass er ihn in Kauf nimmt.89 86  BGHSt

7, 363. AT (2016) § 9 Rn. 2. 88  BGHSt 7, 363, 369, Roxin AT I (2006) § 12 Rn. 29 m. w. N. 89  Armin Kaufmann (1958) S. 73  ff., zustimmend Hillenkamp (1989) S.  351 ff., 369. 87  Puppe

162

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Auch das Kriterium des Vertrauens, dass der Erfolg ausbleibe,90 entstammt einer normativen, auf das Handeln anderer gerichteten Denkweise: Vertrauen richtet sich auf die Einhaltung von normativen Erwartungen, also Geboten und Verboten.91 Übertragen auf den Eventualvorsatz, wird deutlich, dass im Vertrauen die quasi normative Stellungnahme zum Ausdruck kommt, dass der Erfolg nicht sein soll – und nicht nur eine kognitive Erwartung, dass dies tatsächlich nicht der Fall sein werde. Das Vertrauen ist gleichsam eine abgeschwächte Form der Absicht, dass der Erfolg nicht eintrete, in Fällen, in denen sich eine solche Absicht nicht im Handeln manifestiert. Das Vertrauen widerspricht deshalb der für den Eventualvorsatz kennzeichnenden intentionalen Indifferenz. 5.  Im Punkt der Indifferenz gibt es keine Abweichung, sondern nur Übereinstimmung. Was auch geschieht, widerspricht weder dem Inkaufnehmen noch der Erlaubnis. Nun wird aufgrund einer Norm zugerechnet, was ihr widerspricht, aufgrund einer Intention, was ihr entspricht. Einen Widerspruch zu einer Erlaubnis kann es aber nicht geben. Der Handelnde ist frei, die erlaubte Handlung vorzunehmen oder nicht. Eine normative Zurechnung findet deshalb nicht statt. Demgegenüber vermag die Indifferenz der Intention die Zurechnung einer Veränderung zu begründen. Der Eintritt einer nicht bezweckten, aber in Kauf genommenen Veränderung stimmt mit der Intention überein. Die Stellungnahme des Handelnden geht dahin, dass ein bestimmter Erfolg sein darf, und deshalb kann ihm dieser zugerechnet werden. Es lässt sich somit aus der Funktion der handlungsbegründenden Zurechnung erklären, dass die Intention den strafrechtlichen Vorsatz und mit ihm auch die Vorsatzformen von Wissentlichkeit und dolus eventualis umfasst. 6. Nachdem das begriffliche Verhältnis von Absicht und Inkaufnehmen geklärt ist, kann untersucht werden, wie die Begriffe der Intention bzw. des Vorsatzes zu definieren sind. Offenbar muss die Definition dieser Begriffe vom Begriff der Absicht ausgehen, weil die Intentions- und Vorsatzform des Inkaufnehmens durch eine zweifache Negation der Absicht definiert wird: Das Inkaufnehmen eines Erfolges ist dadurch gekennzeichnet, dass man weder beabsichtigt, dass er eintritt, noch, dass er nicht eintritt. Weil der Begriff des Vorsatzes mit dem Inkaufnehmen aber auch die Negation der Absicht enthält, ist er nicht als Absicht definierbar. 90  Vgl.

wiederum BGHSt 7, 363, 370. (1984) S. 179 ff., Amelung (2005) S. 7 ff.

91  Luhmann



IV. Die intentionale Zurechnung163

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff der Norm, sofern man auch die Erlaubnis (im starken Sinne) als Norm auffasst. Dann kann die Norm nicht als Gebot, sondern nur mit Bezug auf den Begriff des Gebots definiert werden, da mit der Erlaubnis auch die Negation eines Gebots umfasst ist. Wenn man eine Handlung erlaubt, also nicht gebietet und nicht verbietet, spricht man kein Gebot aus, obgleich man über die Frage des Gebots oder Verbots dieser Handlung bestimmt. Gebot und Erlaubnis verhalten sich dabei nicht wie a und non-a zueinander, sofern mit non-a etwas kategorial anderes als a gemeint ist, z. B. die Behauptung eines Sachverhalts. Die Erlaubnis ist nicht irgendetwas beliebiges anderes als ein Gebot. Beide bleiben vielmehr im Beobachtungsschema, das auf dem Begriff des Gebots beruht. Wenn jemand etwas erlaubt, verhält er sich hierzu im gleichen Modus, wie wenn er es gebieten / verbieten würde. Darüber hinaus ist vorausgesetzt, dass er es gebieten oder verbieten könnte, also die Möglichkeit und den Einfluss hat, dies zu tun. Gleiches gilt für das Verhältnis von Absicht und Inkaufnehmen. Auch das Inkaufnehmen bleibt in dem Rahmen, der durch den Begriff der Absicht definiert wird. Wenn jemand etwas in Kauf nimmt, verhält er sich im selben Modus, wie wenn er es beabsichtigen würde. Auch muss es prinzipiell möglich sein, dass er denselben Erfolg beabsichtigen könnte. Somit ist es eine wesentliche Bestimmung der Intention, dass sie sprachlich als Aussage in Bezug darauf formuliert werden kann, ob etwas (eine Veränderung) beabsichtigt ist. Die Aussage kann beinhalten, dass beabsichtigt ist, dass eine Veränderung eintritt, dass sie nicht eintritt oder weder-noch. Der zuletzt genannte Fall trifft auf das Inkaufnehmen zu. Parallel hierzu ist die Norm eine Aussage in Bezug darauf, ob etwas geboten ist. Die Arten der Norm und Intention ergeben sich aus den Möglichkeiten der Negation des Begriffs des Gebots bzw. der Absicht. Die Arten der Intention bzw. des Vorsatzes sind somit die Absicht und das Inkaufnehmen. Dessen Unterarten sind wiederum – je nachdem, ob der Gegenstand des Inkaufnehmens als mit Sicherheit oder nur mit Wahrscheinlichkeit eintretend vorgestellt wird – strafrechtlich die Wissentlichkeit und der dolus eventualis. Die Wissentlichkeit als dolus directus zweiten Grades zu bezeichnen und somit der Absicht als dolus directus ersten Grades zur Seite zu stellen, ist systematisch verfehlt.92 Die Absicht ist somit die Grundform des Vorsatzes, nicht das Inkaufnehmen (Wissentlichkeit oder Eventualvorsatz). Den Eventualvorsatz kann man 92  Zurückgehend auf Mezger (1952) § 67 III. Klassisch (zum Fall Thomas) Bin­ ding (1916) Normen II (1916) S. 851 ff.

164

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

nur dann als Grundform ansehen, wenn man den Vorsatz allein durch die Kenntnis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit definiert, dass die Veränderung eintreten wird.93 Dann ist allerdings die Absicht für den Vorsatz überhaupt irrelevant und gegebenenfalls ein bloß akzidentielles Merkmal.94 Der handlungstheoretische Begriff der Intention und der strafrechtliche des Vorsatzes würden auseinander fallen.95 3. Die Verbindlichkeit der Intention 1. Sofern die Intention oder die Norm als Zurechnungsgründe fungieren, müssen sie eine verbindliche Bestimmung, eine Festlegung sein. Wer eine Absicht äußert, legt sich selbst fest, wer eine Norm äußert, bestimmt das Verhalten eines anderen, legt sich aber auch selbst auf die Norm fest. Die Sprechakttheorie bezeichnet diesen Aspekt einer Äußerung als die illokutionäre Bedeutung eines Sprachaktes.96 Die Norm ist ihrem illokutionären Gehalt nach direktiv auf das Handeln anderer und die mit diesem zusammenhängenden Veränderungen gerichtet ist, die Intention dagegen kommissiv auf eigenes Handeln und dessen Konsequenzen und ist gleichsam ein selbstverpflichtender Akt. Obgleich weder Norm noch Intention in Form eines Sprachaktes geäußert werden müssen, hätten sie immer eine illokutionäre Bedeutungskomponente, wenn sie geäußert würden. Diese wird sowohl prospektiv für den Handelnden als auch retrospektiv für die Zurechnung relevant. Gerade die Verbindlichkeit von Norm und Intention rechtfertigt die Zurechnung. – Wodurch wird diese Verbindlichkeit hergestellt? Die Verbindlichkeit einer Norm kann daraus folgen, dass sie dem Adressaten mitgeteilt wird oder dass sie wie im Fall von generellen Rechtsnormen Geltung hat. Der Status der Geltung symbolisiert die Verbindlichkeit, die einer generellen Rechtsnorm durch die Gesetzgebung zukommt und die in juristischen Zurechnungsurteilen im Einzelfall bestätigt wird. Die Intention wird demgegenüber erst dadurch verbindlich, dass der Handelnde sich in bestimmter Weise verhält oder nicht verhält. Ein Körperverhalten ist die de-facto-Entscheidung über die Ausführung eines Plans oder Vorhabens, das erst dadurch zur Intention wird – sei diese unmittelbar nur Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 105. (1999a) S. 370 ff. fasst demgegenüber den Vorsatzbegriff angesichts dessen als Typusbegriff auf, dass die Absicht auch dann Vorsatz begründen kann, wenn die angenommene Erfolgsgefahr gering ist. Zum Typuskonzept B.V.3.3. 95  So bei Kindhäuser (2005) S. 353 ff., siehe auch B.IV.5.a). 96  Searle (2003) S.  40 f., 84 ff. 93  Dementsprechend 94  Schünemann



IV. Die intentionale Zurechnung165

auf das Körperverhalten gerichtet oder darüber hinaus auf einen anderen Zurechnungsgegenstand.97 Vorhaben und Intention unterscheiden sich daher nicht inhaltlich, sondern allein durch den Aspekt der Verbindlichkeit. Die Intention ist eine unwiderrufliche Entscheidung, weil das tatsächliche Körperverhalten unwiderruflich ist. Für einen Beobachter ist das Körperverhalten die Mitteilung einer Intention. Sein Verständnis der Intention manifestiert sich in der Zurechnung. Da erst das Körperverhalten eine Intention festlegt, ist diese mit ihm logisch verknüpft; beide sind gleichermaßen voneinander abhängig: Ein alternatives intentionales Körperverhalten setzt logisch eine andere Intention voraus; und eine andere, verhaltensbezogene Intention wäre notwendig mit einem anderen Körperverhalten verbunden. Eine Intention in diesem Sinn kann das Körperverhalten also nicht verursachen, da sie erst mit diesem gegeben ist. Ob und wie das Körperverhalten durch psychische Operationen verursacht wird, kann also für die Handlungstheorie offen bleiben. Die Zurechnung geht indes, wie oben dargestellt, von der Annahme aus, dass Intention und Körperverhalten kontingent sind. Unmittelbar legt ein Körperverhalten nur die auf dieses selbst gerichtete Intention fest. Eine Intention, die sich auf einen anderen Gegenstand richtet, wird durch das Körperverhalten festgelegt, wenn es das Mittel ist, jenen Gegenstand zu verwirklichen. So kann aus dem Krümmen des Fingers am Abzug einer auf einen anderen gerichteten Pistole auf eine Intention geschlossen werden, die sich auf den Tod des anderen richtet. Ein Körperverhalten steht immer in einem bestimmten Kontext, der es schon für sich ermöglichen kann, die Intentionen des Handelnden zu verstehen.98 Das Körperverhalten verweist in diesem Fall auf eine Intention, und diese über das Körperverhalten hinaus auf einen anderen Gegenstand. Wegen dieser Verweisungsstruktur kommt dem Körperverhalten die Funktion als Sinnträger zu; es hat Bedeutung, ist Ausdruck der Intention. Sie manifestiert sich in ihm, tritt nach außen, teilt sich mit. Der Akt der Zurechnung manifestiert dann ein Verstehen dieser Intention. Er schließt eine Kommunikation in Luhmanns Sinn ab.99 97  Vgl. die Unterscheidung von Wunsch, Willkür und Wille bei Kant (1907) S. 213 = (2009) S. 17: „Sofern [das Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen] mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objektes verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber nicht damit verbunden, so heißt der Aktus desselben ein Wunsch.“ Diese Passage kann man so deuten, dass das mit der Handlung (als einem Tun) gegebene Begehrungsvermögen Willkür heißt und das Begehrungsvermögen ohne Handlung Wunsch. 98  Vgl. Anscombe (1986) S.  13 ff., p.  7 ff. 99  Luhmann (1984) S. 198, 203.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Sicht auf die Handlung hat letztlich auch der Handelnde selbst; er rechnet sich eine Handlung aufgrund eines Körperverhaltens ebenso zu, wie es ein Beobachter tut. Sofern er sich eine Handlung zurechnet, hat er den Blick eines Beobachters, denkt also dessen Perspektive mit. Das gilt auch, wenn er Handlungen in einem reflexiven, hypothetischen Urteil projiziert und sich dabei probehalber selbst zurechnet. 2. Die Frage, wann eine über das Körperverhalten hinausgehende Intention verbindlich wird, beantwortet das Strafrecht eigenständig mit der Festlegung des Versuchsbeginns. Gefordert wird nicht eine aus Sicht des Täters gefährliche Handlung, sondern gem. § 22 StGB eine, mit welcher er nach seiner Vorstellung von der tatbestandlichen Handlung zu ihrer Verwirklichung unmittelbar ansetzt. Das muss nicht zwingend diejenige Handlung sein, welche die Kontingenzverknüpfung begründen kann bzw. soll, sondern es kann eine Handlung genügen, welche dieser Handlung nach der Tätervorstellung unmittelbar vorangeht. Nur aufgrund dieser Regel kann begründet werden, dass in Fällen des vorzeitigen Erfolgseintritts Vorsatz und somit eine erfolgsdefinierte Handlung angenommen werden kann, obgleich der Täter noch keine nach seiner Vorstellung erfolgsgefährliche Handlung vorgenommen hat. Wenn ein Täter das zu tötende Opfer zunächst nur betäuben will, aber bereits dadurch unbeabsichtigt dessen Tod verursacht, kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob der Versuch des Totschlags bereits begonnen hatte.100 3.  Die Verbindlichkeit der Intention schließt nicht aus, dass der Handelnde sich von ihr inhaltlich distanzieren kann. Er kann anführen, dass sie etwa durch eine Täuschung oder Drohung beeinflusst war; dass er nicht frei entschieden habe. Die intentionale Zurechnung wird jedoch nur durch zwingende Gewalt, vis absoluta, ausgeschlossen, weil man dann das Körperverhalten nicht als kontingent ansehen kann. Die Festlegung einer Intention kann nicht zurückgenommen, aber sozusagen neutralisiert werden, wenn der Handelnde anschließend die kontradiktorisch entgegengesetzte Intention setzt, dass der Erfolg nicht eintrete. So kann er vom Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, S. 2 StGB strafbefreiend zurücktreten. Dass der Rücktritt die durch das Körperverhalten festgelegte Intention nicht berührt, wird daran deutlich, dass zugerechnet wird, falls der Erfolg trotz der Rücktrittsbemühungen eintritt.

100  BGH NJW 2002, 1057, BGH NStZ 2002, 475. Umstritten, vgl. Roxin AT I (2006) §  12 Rn.182 ff. m. w. N.



IV. Die intentionale Zurechnung167

4. Die Zuschreibung der Intention 1.  Während die normative Zurechnung auf der Annahme einer Norm beruht, welche der Zurechnende selbst postuliert, beruft er sich bei der inten­ tionalen Zurechnung auf eine Sinnsetzung durch den Handelnden. Die intentionale Zurechnung beinhaltet deshalb eine zusätzliche Tatsachenannahme, sofern die Intention in den sinnbasierten Operationen eines psychischen Systems, also mentalen Zuständen ihre Grundlage hat. Diese sind allerdings ereignishaft-flüchtig und nicht unmittelbar zugänglich, sondern nur aus den Umständen zu erschließen und zu rekonstruieren. Um die Intention mitteilbar und verstehbar zu machen, muss ihr eine sprachliche Fassung gegeben werden, welche sie interpretierend festlegt. Dabei wird sie der Person des Handelnden zugeschrieben. Von der Zurechnung unterscheidet sich die Zuschreibung einer Intention insofern, als es keinen besonderen Zurechnungsgrund gibt: Man kann eigene Intentionen oder Erwartungen nicht wiederum intendieren. Es ist nur eine Selbstbeobachtung möglich, welche die Intention reflektiert und sich aufgrund dessen selbst Handlungen zurechnet oder die Intention ändert oder aufgibt. Intentionen werden vielmehr zugeschrieben, weil sie in einem Handeln erkennbar werden. Nur bei juristischen Personen wird eine formelle Beschlussfassung als das Setzen einer Intention selbständig als Handlung zugerechnet. 2. Da die Zuschreibung einer Intention das Verstehen bzw. die Rekon­ struktion einer Sinnsetzung voraussetzt, hat sie interpretierenden Charakter und kann deshalb mehr oder weniger unsicher sein. Intentionen wird man mithilfe eines Ähnlichkeitsschlusses ermitteln. Weil der Beobachter ebenfalls ein intentional Handelnder ist, kann er beurteilen, ob ein Körperverhalten intentional ist, und kann aus den Mitteilungen des Handelnden oder den Umständen erschließen, welche Intention der handelnden Person zuschreibbar ist.101 Absichten sind dabei leichter zu ermitteln als die indifferente Intention im Sinne eines Inkaufnehmens. 3.  Nicht möglich ist es aber, im Rahmen einer intentionalen Zurechnung sozusagen einen Schluss vom Sollen auf das Sein zu ziehen.102 Wenn der Handelnde eine sehr naheliegende Gefahr verdrängt hat, kann ihm keine entsprechende Intention, keine Stellungnahme hinsichtlich des drohenden Erfolgs zugeschrieben werden – selbst wenn er sich bei anderer Gelegenheit oder generell gegen derartige Erfolge gleichgültig verhalten hat. Das Argument, dass er die Gefahr hätte erkennen müssen, ist kennzeichnend für eine normative Zurechnung, die aber bei fehlender Intention nur eine FahrlässigAnscombe (1986) S.  75 ff., p.  47 ff. Jakobs (2012) S.  56 f., Pawlik (2012) S.  380 ff.

101  Hierzu 102  So

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

keitszurechnung begründen kann. Bejaht man hier eine intentionale bzw. vorsätzliche Handlung, gewinnt der Begriff des Vorsatzes einen ganz anderen Sinn. Er differenziert dann in erster Linie nach kriminalpolitischen oder Strafwürdigkeitsgesichtspunkten. Die Absicht oder das Inkaufnehmen des Erfolgs definieren den Vorsatz nicht mehr, sondern begründen nur noch die Erforderlichkeit einer erhöhten Strafe. Das heißt aber, dass man auf eine subjektiv begründete Zurechnung verzichtet und eine objektive Handlungskonzeption zugrunde legt. Das verkennt die Bedeutung einer intentionalen Zurechnung, welche sich gerade auf einen vom Handelnden bewusst gesetzten Handlungssinn stützt. Der strafrechtliche Begriff des Vorsatzes ist im Begriff der Handlung zu verankern und nicht in einer Konzeption der Kriminalstrafe. Eine Entpsychologisierung des Vorsatzes ist nur insofern berechtigt, als man sich des interpretierend-zuschreibenden Charakters bewusst sein muss. Aus der Normativierung des Schuldbegriffs folgt keineswegs auch eine normative Deutung des Vorsatzbegriffs. 5. Abgrenzung der Handlung zu „Nichthandlungen“ Die Intentionalität grenzt Handlungen von einem Körperverhalten ab, das nicht im Rahmen einer Handlung zugerechnet werden kann. Insofern kommt es darauf an, Mindestvoraussetzungen dafür zu bestimmen, wann ein kontingentes Körperverhalten als intendiert gelten kann. Wenn die Zurechnung aufgrund einer Intention dadurch begründet ist, dass in der Intention eine quasi normative Stellungnahme liegt, dass der Zurechnungsgegenstand verwirklicht werden soll oder darf, muss ein Mindestmaß an selbstreflexivem Bewusstsein beteiligt sein, um eine Intention anzunehmen. Fehlt dieses, ist das Verhalten zwar nicht gleich Ausdruck einer ungebrochenen „Natur“, es ist aber nicht als Entscheidung der Person zurechenbar. Ein Körperverhalten in Trance oder unter Hypnose ist deshalb nicht intendiert, obgleich das psychische System durchaus beteiligt ist. Wenn vorpersonale Impulse ungebrochen zum Ausdruck kommen, bleibt das Verhalten für die Person fremd. Auch spontane Reaktionsbewegungen, die Reflexen nahe kommen, können deshalb wohl nicht als intentionale Handlungen zugerechnet werden. Wenn etwa ein Autofahrer das Lenkrad verreißt und einen Unfall auslöst, weil ihm durch das geöffnete Fenster ein Insekt gegen das Auge fliegt, kann die normative Zurechnung nicht auf das Verbot dieser Abwehrbewegung gestützt werden, da diese nicht intentional gesteuert war.103 Vielmehr kann eventuell ein Gebot angenommen werden, die Bewegung dadurch zu verhin103  OLG

Hamm NJW 1975, 657.



V. Die normative Zurechnung169

dern, dass man bewusst gegensteuert. Erst die Missachtung dieses Gebots würde dann die normative Zurechnung der Abwehrbewegung im Rahmen einer fahrlässigen Handlung durch Unterlassen begründen können.104 Bei weniger unvorhergesehenem, affekt- oder triebgesteuertem Verhalten wird man demgegenüber Intentionalität bejahen können.105

V. Die normative Zurechnung 1. Die Struktur der normativen Zurechnung a) Besonderheit und Implikationen des Urteils über die normative Zurechnung 1. Jedes Zurechnungsurteil setzt die verifizierbare Tatsachenbehauptung voraus, dass als Zurechnungsgegenstand eine Veränderung eingetreten ist oder nicht eingetreten ist. Ferner ist ein bestimmtes Körperverhalten oder dessen Unterlassung vorausgesetzt. Die Urteile über die Zurechnungsgründe haben demgegenüber eine etwas kompliziertere Struktur: Das Kontingenzannahme beinhaltet ein kontrafaktisches Urteil über ein alternatives Verhalten und mögliche weitere Geschehensverläufe; das Urteil über eine Intention hat den Charakter einer Zuschreibung. Das Urteil über die normative Zurechnung schließlich unterscheidet sich durch seinen normativen Charakter von allen anderen singulären Urteilen, die in einem Zurechnungsurteil enthalten sind. Nur mit Vorsicht ist aber davon zu sprechen, dass diese anderen Urteile im Gegensatz zum Urteil über die normative Zurechnung rein deskriptiv seien. Weil die Zurechnung immer ein Urteil eines Beobachters voraussetzt, ist etwa auch die Konstitution einer Handlung durch eine intentionsbegründete Zurechnung nie bloß die Feststellung eines gegebenen Sachverhalts. Da sie sich aber mit der Kontingenz und der Intention auf eine besondere Art von Tatsachenannahmen stützt, könnte man mit Blick auf die normative Zurechnung gleichwohl von einem Gegensatz von Tatsachen- und Normbehauptungen sprechen, was der alten Unter104  Demgegenüber bereits in diesem Fall eine Handlung durch Tun bejahend Ja­ kobs AT (1991) 6 / 38: „Soweit der Automatismus motivatorisch aufhebbar ist und es an der Zeit, die der Motivationsprozess dauert, nicht fehlt, handelt es sich um eine Handlung.“ Ferner Roxin AT I (2006) § 8 / 67. Auch hier bestätigt sich der objektive, der kausalen Lehre nahestehende Charakter der Begriffe von „Vermeidbarkeit“ und „Persönlichkeitsäußerung.“ 105  Vgl. OLG Hamburg JR 1950, 408. Zu Affekttaten BGHSt 11, 20, Krümpel­ mann (1974) S.  336 f.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

scheidung von imputatio facti und iuris entspricht.106 Weniger verfänglich aber ist es, den Unterschied bloß als einen von nichtnormativen und norma­ tiven Urteilen zu kennzeichnen. 2.  Die normative Zurechnung wird durch das Urteil konstituiert, dass die Person eine Norm missachtet habe, etwa: „A hat das Verbot der Handlung X missachtet.“ Dieses Urteil setzt zwei weitere singuläre Urteile voraus, bzw. impliziert sie: (1) das singuläre normative Urteil, dass es A verboten war, die Handlung X zu verwirklichen. (2)  das singuläre nichtnormative Urteil, dass A die Handlung X verwirklicht hat. Im Beispiel: (1)  A war es verboten, den B i. S. d. § 263 I StGB zu täuschen. (2)  A hat den B getäuscht.

Die Perspektive wechselnd ist zu fragen, wie diese beiden Urteile und insbesondere das normative Urteil begründet werden (hierzu folgend b) und wie aus ihnen das Urteil über die normative Zurechnung folgt (hierzu folgend c). Das singuläre nichtnormative Urteil (2) beinhaltet zumeist eine nichtnormative handlungsbegründende Zurechnung. Dann setzt es die Feststellung voraus, dass der Zurechnungsgegenstand gegeben ist, z. B. dass B eine unwahre Information erhalten hat, und dass als Zurechnungsgründe Intention und Kontingenz sowie gegebenenfalls Kontingenzverknüpfung zu bejahen sind. Diese intentionsbegründete Zurechnung ist auch dann nichtnormativ, wenn wie im Beispiel der Täuschung unter den Begriff einer tatbestandlichen Handlungsart subsumiert wird, welcher nicht umgangssprachlich zu verstehen ist, sondern inhaltlich durch eine Rechtsnorm geprägt ist.107 Das singuläre normative Urteil (1) kann aus einer konkreten Norm folgen, die dem Handelnden genau eine Handlung geboten oder verboten hat. Beispiele hierfür sind ein Befehl, eine Aufforderung, die genau eine Handlung vorschreibt („Verlassen Sie jetzt meine Wohnung!“), oder die aus einem Versprechen oder einer Verabredung resultierende Verpflichtung („Ich komme morgen um 14 Uhr zum Treffpunkt.“). Das singuläre normative Urteil kann aber auch aus einer generellen Norm abgeleitet sein, z. B. aus dem generellen Verbot, andere zu täuschen oder dem Gebot, andere zu retten.

106  Siehe 107  Siehe

B.I.2. B.III.2.d).



V. Die normative Zurechnung171

b) Die Begründung der konkreten aus einer generellen Norm Diese Herleitung des singulären normativen Urteils aus einer generellen Norm setzt (a) ein generelles und (b) ein singuläres Urteil voraus: (a) Das generelle Urteil ist die Ableitung einer spezielleren, aber immer noch generellen Norm, welche die Ausgangsnorm begrifflich derart konkretisiert bzw. spezifiziert, dass eine andere, weniger abstrakte Beschreibung des Normgegenstands gegeben wird, etwa einer besonderen Handlungsart, welche der in der Ausgangsnorm benannten Handlungsart untergeordnet wird. Der Untersatz dieses Urteils – die Auslegung eines Begriffs der generellen Norm – beantwortet, sofern es sich um eine Rechtsnorm handelt, eine Rechtsfrage, die umstritten sein kann. Verallgemeinerungsfähige Besonderheiten eines Einzelfalls können dabei zur Modifizierung anerkannter Auslegungen und sogar zu einer Korrektur der Ausgangsnorm führen.108 Der fragliche Begriff und mit ihm die Norm werden dabei mit Blick auf einen einzelnen Sachverhalt hin ausgelegt. Umgekehrt werden die relevanten Sachverhaltsinformationen mit Blick auf die generelle Norm ausgewählt. Diese zwischen genereller Norm und Sachverhalt vermittelnde Leistung hat Engisch als Hin- und Herwandern des Blickes beschrieben.109 Entscheidet sich der Normanwender für eine bestimmte Auslegung, ist der folgende Schluss zwingend. Es steht im modus barbara; singuläre Terme (Namen für Einzeldinge) sind ausgeschlossen: Obersatz: Alle Täuschungen sind verboten. Untersatz: Jedes Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt ist eine Täuschung. Schluss: Jedes Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt ist verboten.

Auch die ältere Lehre hat mit Blick auf die Normanwendung klar zwischen einem generalisierenden Urteil und einem auf den Einzelfall bezogenen Urteil unterschieden. Insbesondere Baumgarten unterscheidet ein allgemeines Urteil über die applicatio von dem über die applicatio legis ad factum (das zugleich die imputatio legis als das singuläre Urteil über die normative 108  Vgl. Aristoteles Eth. Nic. (1985) V 14, 1137a (zur „Epikeia“), Wieland (1989) S. 12 ff. (zur „Applikationsaporie“), Bäcker (2009) S. 421 ff. (zur „defeasibility“), Ast (2012a) S.  38 ff. 109  Engisch (1963) S. 15. Hierzu auch Hruschka (1965) S.  9 ff., Reinhold (2009) S.  98 ff., Ast (2012a) S.  36 f.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Zurechnung ist).110 Die applicatio im Sinne eines allgemeinen Urteils geht der applicatio legis ad factum voraus: „Die Anwendung (applicatio) ist ein Urteil, wodurch das von irgendeinem allgemeinen Begriff Bejahte oder Verneinte dessen niederem, untergeordnetem Begriff, der unter ihm enthalten ist, zu- oder abgesprochen wird.“111 Die applicatio zielt somit zunächst auf einen konkretisierenden Begriff. (b) Ergebnis der Auslegung ist somit eine konkretisierende allgemeine Norm. In einem zweiten Schritt ist diese auf einen Einzelfall zu beziehen, so dass man eine konkrete Norm erhält, die einem bestimmten Handelnden gebietet oder verbietet, die in der konkretisierenden Norm und somit auch die in der generellen Ausgangsnorm genannte Handlung zu verwirklichen. Wie gezeigt, impliziert die konkretere Handlungsart (das Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt) die generellere (Täuschung). Es muss also ein Einzelsachverhalt unter den in der konkretisierenden und somit den in der generellen Norm beschriebenen Sachverhalt subsumiert und die Norm auf einen einzelnen Normadressaten bezogen werden.112 Das ist als Schluss im modus ponens darstellbar. Ausgangspunkt sei hier die als Konditional umformulierte konkretisierende Norm: Obersatz: Wenn jemand Normadressat ist und die Möglichkeit hat, ein gefälschtes Gemälde als echt anzubieten (und somit zu täuschen), ist ihm das verboten. Untersatz: Nun war A Normadressat und hatte die Möglichkeit, ein gefälschtes Gemälde als echt anzubieten (und somit zu täuschen). Schluss: Also war es A verboten, dieses Gemälde als echt anzubieten (und somit zu täuschen).

c) Die Begründung des normativen Zurechnungsurteils Gleichviel, ob man von einer konkreten, konkretisierenden oder generellen Norm ausgeht, setzt das Urteil über die normative Zurechnung in einem letzten Schritt voraus, den Normverstoß festzustellen. Ausgangspunkt hierfür sind die beiden singulären Urteile, welche, wie eingangs gezeigt, in jedem Urteil über die normative Zurechnung impliziert sind: das normative und nichtnormative Urteil. 110  Siehe

B.I.2.

111  Baumgarten 112  Hierzu

(1760) § 125, Übersetzung von Aichele (2011a) S. 503 f. Engisch (1963) S. 22 ff.



V. Die normative Zurechnung173

Sind beide Urteile zu bejahen, kann man aber nicht unmittelbar auf das Urteil über den Normverstoß schließen, da alle drei Urteile singulär sind. Erforderlich ist deshalb eine allgemeine Regel, die angibt, wann ein Normverstoß zu bejahen ist. Mit einer solchen Regel ergibt sich wiederum ein Schluss im modus ponens: (1)  Für alle Normen gilt: Wenn das verwirklicht ist, was eine Norm (z. B.: das Verbot, dass A dem B ein gefälschtes Gemälde als echt anbietet) als nicht gesollt ausweist, und wenn alle übrigen Bedingungen gegebenen sind, welche die Norm benennt,113 ist ein Normverstoß gegeben. (2)  Nun ist das von einer Norm als nicht gesollt Ausgewiesene verwirklicht (A hat B ein gefälschtes Gemälde als echt angeboten), und alle übrigen Bedingungen, welche die Norm benennt, sind gegeben (insbesondere: A ist schuldfähig). (3) Somit ist ein Normverstoß gegeben (A hat das Verbot missachtet, B ein gefälschtes Gemälde als echt anzubieten). Aufgrund des Implikationsverhältnisses zwischen konkretisierend und generalisierend beschriebenen Handlungen und Normen ist mit dem Verstoß gegen die konkrete Norm nach dem dictum de omni et nullo auch die Missachtung aller übergeordneten generelleren Normen festgestellt. Es ist also das generelle Verbot missachtet, gefälschte Gemälde als echt anzubieten und das generelle Verbot der Täuschung. Man befolgt eine generelle Norm somit, indem man die singuläre Norm beachtet, welche aus dieser Norm abgeleitet ist, und man missachtet diese generelle Norm, indem man jene singuläre Norm missachtet. Es ist deshalb nicht möglich, den Verstoß gegen eine aus einer generellen Norm abgeleitete konkretisierende oder singuläre Norm (Pflicht) zu verneinen und zugleich anzunehmen, dass der Normadressat die generelle Norm missachtet habe – wie es strafrechtsdogmatische Konzepte tun, die zwischen Norm und Pflicht unterschieden.114 2. Das vorsätzliche Begehungsdelikt 1.  Sofern sich ein Verbot auf eine Handlung durch Tun richtet, beziehen sich die beiden Zurechnungsgründe Norm und Intention aufeinander: Das Verbot nimmt eine intentionale Handlung in Bezug, und dementsprechend setzt das normative Zurechnungsurteil voraus, dass in einem logisch ersten Schritt intentionsbegründet zugerechnet wird. 113  Hierzu 114  Vgl.

beispielhaft unter C.V.4.f)–h). C.V.4.f)3.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Beide Zurechnungsgründe stehen also nicht einfach nebeneinander, so dass einerseits bloß normativ, andererseits bloß intentionsbegründet zugerechnet und beides nur addiert wird. Die Handlung gewinnt vielmehr gerade durch die Art der Verknüpfung eine charakteristische Bedeutungskomponente. 2. Diese besondere Verknüpfungsart prägt die Struktur der strafrechtlichen Irrtumsdogmatik, die zwischen Vorsatz und Unrechtsbewusstsein unterscheidet. Während sich beim vorsätzlichen Begehungsdelikt das Verbot auf eine intentional zugerechnete Handlung und somit auf die Intention bezieht, ist es, um ein vorsätzliches Begehungsdelikt anzunehmen, nicht erforderlich, dass sich umgekehrt die Intention auf das Verbot bzw. den Verbotsverstoß bezieht. Die intentionale Zurechnung der relevanten Veränderung ist bereits hinreichend begründet, und um die normative Zurechenbarkeit zu begründen, muss das Verbot dem Handelnden nicht bekannt sein. Die Verbotskenntnis ist für die normative Zurechnung zwar relevant, betrifft aber nicht die intentionsbegründete Zurechnung, sondern nur die Eignung der Norm, das Handeln des Normadressaten zu beeinflussen. Diese Eignung setzt die Kenntnis oder Erkennbarkeit der Norm voraus. Schon wenn der Handelnde hat erkennen können und sollen, was von ihm erwartet wird, ist die Norm geeignet, sein Handeln zu beeinflussen; dass er sie tatsächlich erkannt hat, ist nicht erforderlich. Die normative Zurechnung kann bejaht werden. Die Differenzierung von Intention und Verbotskenntnis ist für die strafrechtliche Irrtumsdogmatik von großer Bedeutung, denn hierin liegt der handlungstheoretische Grund für die sogenannte Schuldtheorie, nach welcher das Unrechtsbewusstsein nicht dem Vorsatz, sondern der Schuld zuzuordnen ist, sodass ein Verbotsirrtum nicht den Vorsatz entfallen lässt, sondern erst für das Schuldurteil relevant ist.115 Diese Auffassung hat sich in der Irrtumsregelung der §§ 16, 17 StGB niedergeschlagen. Auch dass das Gesetz den Verbotsirrtum strenger als den vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum behandelt, kann aus einer einfachen Erwägung plausibel gemacht werden. Für denjenigen, der im Tatumstandsirrtum handelt, entfällt mit dem Vorsatz ein Zurechnungsgrund, so dass ihm gegebenenfalls nur noch normativ wegen Fahrlässigkeit zugerechnet werden kann. Er verwirklicht somit eine andere Handlung als der Vorsatztäter. Wenn der Handelnde indes vermeidbar ein Verbot nicht kennt, ist ihm das Handlungsergebnis sowohl intentional als auch normativ zurechenbar. Er verwirklicht dieselbe Handlungsart wie derjenige, der das Verbot kennt. 115  Welzel

(1969) S. 161, 164 ff.



V. Die normative Zurechnung175

3. Die teleologische Folgerichtigkeit der Normsetzung 1.  Jede Handlung hat einen Zurechnungsgegenstand bzw. ein Handlungsergebnis – sei es ein einfaches Körperverhalten oder ein über lange Zeiträume hin angestrebter Erfolg. Außer bei einfachen Körperbewegungshandlungen wie dem Aufstehen oder Gehen gibt es deshalb immer Handlungen, welche das Mittel sind, um das Handlungsergebnis zu erreichen. Diese Handlungen sind die Anknüpfungs- bzw. Ausführungshandlungen der ergebnis- bzw. erfolgsdefinierten Handlung.116 Wenn eine erfolgsdefinierte Handlung verboten ist, muss in einem Normensystem die Frage beantwortet werden, ob auch diese Handlungen verboten sind. Das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung erfasst die gefährlichen und gegebenenfalls den Erfolg kontingenzbedingenden Handlungen nicht, da es andere Handlungen sind, die sowohl durch einen anderen Zurechnungsgegenstand als auch einen anderen Zurechnungsgrund, das heißt eine andere Intention definiert werden. Verbote dieser Handlungen können deshalb nur teleologisch aus dem Verbot der erfolgsdefinierten Handlung abgeleitet werden.117 Die teleologisch begründete Normableitung unterscheidet sich von derjenigen, die auf der Konkretisierung (Interpretation bzw. Auslegung) von Begriffen beruht.118 Wenn eine Norm eine Veränderung benennt, die (nicht) sein soll, kann man ein Verbot oder Gebot einer Handlung bestimmen, die möglicherweise geeignet ist, die Veränderung hervorzurufen oder zu verhindern. Geht man etwa von einem Verbot aus, das Vermögen eines anderen zu schädigen, ergibt sich daraus das Verbot, ihn über wirtschaftlich relevante Informationen zu täuschen. Die Handlungsbegriffe des Schädigens und Täuschens stehen nicht in einem begrifflichen Ableitungsverhältnis. Die Täuschung ist keine Vermögensschädigung, sondern kann sie zur Folge haben. Demgegenüber besteht etwa zwischen dem Anbieten eines gefälschten Gemäldes als echt und der Täuschung ein begriffliches Unterordnungsverhältnis: Jene Handlung ist eine Täuschung. Deshalb ist der normative Zusammenhang der jeweiligen Verbote unterschiedlich – einerseits begriffslogisch, andererseits teleologisch. In einem Normensystem würde zwar kein logischer Widerspruch bestehen, wenn nur die erfolgsdefinierten, nicht aber die den Erfolg bedingenden Handlungen verboten wären. Ein solcher besteht nur, wenn ein und dieselbe Handlung sowohl verboten als auch erlaubt wäre. Es wäre aber teleologisch 116  Vgl.

B.III.4.b). bereits B.III.4.d) und B.IV.3.c)3. 118  Siehe C.V.1.b). 117  Siehe

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

widersprüchlich, weil die mit der Normsetzung verbundenen Zwecke nicht kohärent verfolgt würden. Wenn das Normensystem zweckrationale Legitimation beansprucht, muss deshalb ausgehend von einer verbotenen erfolgsdefinierten Handlung jede Handlung verboten sein, welche eine Kontingenzbedingung des Erfolgs ist und gegebenenfalls wiederum jede Handlung, deren Kontingenz das Handlungsergebnis jener Handlung bedingt usw. bis hinunter zu den erforderlichen Körperbewegungshandlungen. Da die Verbote dieser Handlungen prospektiv zu bestimmen sind, können sie nicht davon abhängig sein, ob die Handlungen den Erfolg bedingen werden, sondern sind bereits auf die prospektiv bzw. möglicherweise erfolgsgeeignete Handlung gerichtet. Aus dem Verbot, jemanden zu töten, wird deshalb das Verbot abgeleitet, auf ihn zu schießen, und daraus das Verbot, den Finger am Abzug der geladenen Pistole zu krümmen. 2. Diese teleologische Ableitung von Verboten gefährlicher Handlungen wird auch für das Verbot relevant, aus welchem jene abgeleitet werden: Der Verstoß gegen dieses Verbot ist durch die Missachtung jener abgeleiteten Verbote bedingt.119 Wenn eine kontingenzbedingende Handlung erlaubt ist, hat der Handelnde das Verbot der erfolgsdefinierten Handlung nicht missachtet. Im Bereich des Vorsatzdelikts ist der Lehrbuchfall hierzu der des Neffen, der seinen Onkel zu einer Flugreise veranlasst in der bloßen Hoffnung, dass das Flugzeug abstürzen werde.120 Relevanter sind etwa Fälle der Nötigung. Die Missachtung des Verbots, einen anderen zu nötigen, hängt davon ab, ob die Drohung oder Gewaltanwendung, welche die Handlung des anderen motiviert, verboten ist. Ähnliches gilt beim Betrug für das Verhältnis zwischen dem Verbot der Schädigung und der Täuschung. Die Lehre von der objektiven Zurechnung hat diesen Gedanken verallgemeinert und setzt beim vorsätzlichen Begehungsdelikt voraus, dass der Handelnde ein „unerlaubtes Risiko“ geschaffen hat,121 was nichts anderes heißt, als dass die kontingenzbedingende Handlung verboten ist. Das Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung lautet demnach beispielhaft: Du sollst nicht töten mittels einer gefährlichen Handlung, die ihrerseits verboten ist. Fraglich ist, ob diese einschränkende Bedingung die verbotsgegenständliche Handlung definiert oder ob sie ein neben der Handlung stehender Verbotsbestandteil ist. 119  Ast

(2010) S.  56 ff.

120  Wessels / Beulke / Satzger 121  Siehe

B.III.5.d).

AT (2017) § 6 Rn. 258.



V. Die normative Zurechnung177

Denkbar ist es, die Voraussetzung der objektiven Zurechenbarkeit, also die Realisierung einer generell unerlaubten Gefahr, als Definition der tatbestandlichen Handlungsart zu verstehen.122 Dagegen spricht aber, dass die Bezugnahme auf das Verbot einer gefährlichen Handlung allein in der Funktionalität der Normsetzung begründet ist. Deshalb ist sie nicht in die Definition der erfolgsdefinierten Handlung aufzunehmen, sondern als sonstiger, neben der Handlung stehender Verbotsinhalt zu konzipieren.123 Auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt werden noch weitere normative Zurechnungsvoraussetzungen relevant. Ein Beispiel hierfür ist die Verneinung des Schutzzweckzusammenhangs in Fällen kumulativer Kausalität.124 Ferner ist etwa die Abgrenzung des Begehungs- vom Unterlassungsdelikt über eine entsprechende Zurechnungsregel zu lösen.125 3.  Neben den Zurechnungsvoraussetzungen der tatbestandlichen Handlun­ g(en) stehen somit weitere Voraussetzungen der normativen Zurechnung. Da der Tatbestandsbegriff in der Definition des vorsätzlichen Begehungsdelikts als rechtswidrig-schuldhafter Tatbestandsverwirklichung allein die tatbestandlichen Handlungsart(en) bezeichnet, sind insbesondere der Schutzzweckzusammenhang und die Regel zur Abgrenzung zum Unterlassungsdelikt Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen der jeweiligen erfolgsdefinierten Handlung. Werden diese Erwägungen auf der Prüfungsstufe des Tatbestands angesiedelt, legt man demgegenüber den Begriff des Unrechtstatbestands zugrunde.126 Das hat vor allem pragmatische Gründe: Man kann durchaus offen lassen, ob die tatbestandliche Handlung gegeben ist, wenn jene Rechtswidrigkeitsvoraussetzungen der tatbestandlichen Handlung nicht gegeben sind.127 Ferner ist das Erfordernis, dass die kontingenzbedingende Handlung generell verboten sein muss („unerlaubtes Risiko“), nicht immer nur eine Rechtswidrigkeitsvoraussetzung der Tatbestandsverwirklichung. Diese unerlaubte Handlung, die ihrerseits vorsätzlich sein muss, ist vielmehr in Tatbeständen wie denen der Nötigung und des Betrugs eine Handlung von tatbestandlicher Art. Daher ist es naheliegend, sie auch dann dem Tatbestand zuzuordnen, falls sie im handlungsbezogenen Sinn nicht tatbestandlich sind.128 B.III.5.d). So etwa Hirsch (1998) S. 133 ff., (2003a) S. 243. bereits B.III.2.b)8. 124  Siehe C.III.5. 125  Vgl. Ast (2010) S.  112 ff. 126  Zu den beiden Tatbestandsbegriffen B.III.2.b) / e). 127  Dagegen Armin Kaufmann (1985) S. 261, 266 f., der aber nur die Fälle der Abweichung vom geplanten Kausalverlauf in Betracht zieht. 128  Zur Frage der Tatbestandlichkeit B.III.2.b)10., B.III.4.d)2. 122  Siehe 123  Siehe

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

4. Das Fahrlässigkeitsdelikt Das fahrlässige Delikt ist Handlung nicht aufgrund einer intentionsbegründeten, sondern allein aufgrund normativer Zurechnung. Eine fahrlässig verwirklichte Veränderung gewinnt nicht daraus Sinn, dass sie intendiert war, sondern daraus, dass sie nicht sein sollte. Es wird nicht aufgrund einer auf den Erfolg gerichteten Intention, sondern allein aufgrund eines auf ihn gerichteten Verbots zugerechnet. Das Verbot, die Veränderung fahrlässig zu verwirklichen, folgt dabei aus dem gleichen Werturteil wie das Verbot der entsprechenden intentionalen Handlung. Wenn ein Normsetzer eine Veränderung in einer näher bestimmten Situation als negativ bewertet, ist es konsequent, nicht nur deren intentio­ nal zurechenbare, sondern auch deren fahrlässige Verwirklichung zu verbieten. Worauf genau sich das Verbot richtet, das die Fahrlässigkeitszurechnung begründet, hängt davon ab, ob entweder nur die zuzurechnende Veränderung oder auch die Umstände nicht intendiert waren, welche die Gefährlichkeit des Handelns begründen. Die jeweils spezifische Begründungsstruktur wird folgend unter (a) und (b) dargestellt. a) Fehlende Intention hinsichtlich von Handlungsfolgen 1. Wenn der Handelnde die zuzurechnende Veränderung nicht intendiert hat, muss gleichwohl angenommen werden, dass er ein Verbot missachtet hat, das sich inhaltlich auf den Erfolg bezieht und das deshalb nur beim Eintritt des Erfolgs missachtet ist (ein „erfolgsbezogenes Verbot“). Denn das Verbot bestimmt den Zurechnungsgegenstand. Bloß den Erfolgseintritt als verboten zu bezeichnen, genügt insoweit nicht. Die nicht adressierte Festlegung „Dieser Erfolg soll (nicht) sein“ wäre lediglich die Kundgabe einer Absicht, welche einer erfolgsbezogenen Normsetzung zugrunde liegt, bzw. die Feststellung des anerkannten Zwecks einer rechtlichen Verhaltensnorm. Deswegen muss in der gesuchten Norm eine Beziehung zwischen dem Zurechnungssubjekt und dem Erfolg hergestellt werden, welche derjenigen vergleichbar ist, die bei einem Verbot einer erfolgsdefinierten Handlung gegeben ist. Die Formulierung eines Verbots, den Erfolg zu verursachen oder zu bedingen, setzt aber wegen der Verwendung von „verursachen“ und „bedingen“ als Handlungsbegriffe eine vorgängige intentionale Zurechnung voraus, die gerade nicht möglich ist. Auch ist an die Stelle des Begriffs der Ursache besser der Begriff der Kontingenzbedingung zu setzen.



V. Die normative Zurechnung179

Das erfolgsbezogene Verbot kann deshalb wie folgt formuliert werden: „Verboten ist, dass die Handlungen des Zurechnungssubjekts (bzw. besser deren Handlungsergebnisse) Kontingenzbedingung des Erfolgs sind,“ bzw. als adressiertes Verbot: „Deine Handlungen dürfen nicht Kontingenzbedingung des Erfolgs sein.“ Umgangssprachlich mag man dann formulieren: „Deine Handlungen dürfen den Erfolg nicht verursachen.“ Bei Missachtung dieses Verbots wird normativ zugerechnet, dass die Handlungen die Kontingenz des Erfolgs bedingt haben, und somit wird der Erfolg bzw. eine erfolgsdefinierte fahrlässige Handlung, etwa eine „fahrlässige Tötung“ zugerechnet. 2. Ein solches erfolgsbezogenes Verbot kann ausgehend von beliebigen intentionalen Handlungsbegriffen gebildet werden, indem die Veränderung, die Zurechnungsgegenstand ist, als dasjenige bezeichnet wird, das durch Handlungen nicht bedingt sein darf.129 Solche erfolgsbezogenen Verbote betreffen nicht nur die besonders hervorgehobenen Erfolge, auf deren Vermeidung es der Norm letzten Endes ankommt, sondern auch mögliche Zwischenerfolge: Einem Autofahrer ist verboten, in einer Kurve auf der Fahrbahn der Gegenrichtung zu fahren. Wenn er so schnell in die Kurve hineinfährt, dass er nicht mehr die Fahrbahn halten kann und auf die Gegenfahrbahn gelangt, ist dies keine intentionale Handlung. Er steuert bzw. fährt nicht auf die Gegenfahrbahn. Das ursprünglich ausgesprochene Verbot missachtet er nicht. Gleichwohl kann ihm als Handlung zugerechnet werden, dass er auf die Gegenfahrbahn gelangt ist, weil er absichtlich zu schnell in die Kurve gefahren ist. Die Zurechnung dieser Veränderung wird allein normativ begründet – auf der Grundlage des Verbots, als Autofahrer durch die eigene Fahrweise zu bedingen, dass das Auto auf die Gegenfahrbahn gelangt. Gleiches gilt gegebenenfalls im Hinblick auf ein anzunehmendes Verbot, mit einem entgegenkommenden Auto zusammenzustoßen und schließlich für das teleologisch ausschlaggebende, erfolgsbezogene Verbot, andere Verkehrsteilnehmer zu verletzten bzw. das Verbot, Autos zu beschädigen. 3.  Das Verbot, welches der Erfolgszurechnung beim Fahrlässigkeitsdelikt zugrunde liegt, bezieht sich auf intentional zurechenbare Handlungen des Zurechnungssubjekts als Kontingenzbedingungen des Erfolgs. In der teleologischen Konsequenz der normativen Zurechnung liegt es, dass diese Handlungen ebenfalls verboten sein müssen und dass andernfalls ein Verstoß gegen das erfolgsbezogene Verbot nicht angenommen werden kann.130 Der Erfolg wird ferner nicht zugerechnet, falls die „Kausalität der Fahrlässigkeit“ bzw. der Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt. Die Referenz129  Ebenso Kindhäuser (1989) S. 94 ff. – mit Beispielen von unwillentlichem Körperverhalten, das durch vorheriges sorgfaltswidriges Handeln bedingt ist. Daran anschließend Vogel (1993) S.  51 ff. 130  Vgl. C.V.3.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

entscheidung ist das Urteil des Reichsgerichts zum Apothekerfall:131 Ein Apotheker hatte einem Jungen Medikamente verabreicht, worauf dieser starb. Die Medikamentengabe war verboten, weil der Apotheker zuvor keinen ärztlichen Rat eingeholt hatte. Im Nachhinein konnte jedoch nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass die ärztliche Überwachung der Medikation den Tod des Jungen verhindert hätte. Das Reichsgericht hat entschieden, dass dieser Nachweis geführt werden muss. Das Erfordernis der sogenannten Kausalität der Fahrlässigkeit dient der zweckrationalen Legitimation der Erfolgszurechnung. Es muss nachgewiesen werden, dass die Handlungsverbote geeignet waren, den Zweck zu erreichen, der mit ihnen verfolgt wird. Andernfalls entfällt zwar nicht nachträglich das Verbot, doch kann auf die Verbotsmissachtung die Erfolgszurechnung nicht gestützt werden. Wenn auch ein alternatives erlaubtes Handeln den Erfolg hätte bedingen können, beruhte die Verursachung nicht auf dem gefahr- und somit verbotsbegründenden Umstand. Gebot und korrespondierendes Verbot waren dann nicht geeignet, den Erfolg zu verhindern.132 b) Fehlende Kenntnis von relevanten Situationsumständen 1.  Das Handlungsverbot, das von einem erfolgsbezogenen Verbot in Bezug genommen wird, kann eine gefährliche intentionale Handlung bezeichnen, so in den Fällen der bewussten Fahrlässigkeit: Dass ein Autofahrer vor einer schwer einsehbaren Kurve riskant überholt, kann ihm intentionsbegründet zugerechnet werden. Die „Sorgfaltspflicht“ ist hier bloß das Verbot dieser gefährlichen Handlung. Zur Begründung des Verbotsverstoßes bedarf es keiner weiteren Zusatzannahmen. Falls die verbotswidrige Handlung zur Folge hat, dass ein anderer verletzt wird, kann dem Autofahrer diese Verletzung, wie gezeigt, normativ zugerechnet werden. Es wäre deshalb unzutreffend, verallgemeinernd anzunehmen, dass für die Fahrlässigkeit immer ein Irrtum kennzeichnend sei.133 Dem Handelnden wird bei bewusster Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen, dass er nicht wusste, dass er einen Unfall verursachen wird, sondern allein, dass er durch eine verbotene intentionale Handlung den Unfall verursacht hat. Es ist ein Verstoß gegen das Verbot gegeben, dass Handlungen, die ihrerseits verboten sind, die Verlet131  RGSt

15, 151. hierzu Ast (2010) S.117 ff. 133  Vgl. Mezger LK-StGB (1957) § 59 III.24.d. S. 543, Jescheck / Weigend AT (1996) § 54.II.1: „Auch die bewusste Fahrlässigkeit beruht auf pflichtwidriger Verkennung zwar nicht des Vorhandenseins, wohl aber des Grades der Gefahr, des Umfangs der Sorgfaltspflicht oder der Begrenztheit der eigenen Fähigkeiten.“ Dagegen schon Engisch (1930) S. 256 ff. 132  Ausführlich



V. Die normative Zurechnung181

zung einer anderen Person kontingenzbedingen. Deshalb kann dem Handelnden der Erfolg zugerechnet werden. 2.  Das Verbot einer gefährlichen Handlung kann aber auch auf Umstände Bezug nehmen, die der Handelnde nicht erfasst hat. An die Stelle der Intention als Zurechnungsgrund kann dann die Missachtung des Gebots treten, diese Umstände zu erkennen. Die Missachtung dieses Gebots begründet den Vorwurf der Unkenntnis und somit die normative Zurechnung im Rahmen einer fahrlässigen Handlung. Beispielhaft für diese Zurechnungslogik ist der oben geschilderte Apothekerfall.134 Man kann zunächst von einem generellen Verbot ausgehen, Patienten Medikamente zu verabreichen, die sie nicht vertragen. Der Apotheker hatte die Unverträglichkeit aber nicht erkannt, weshalb eine entsprechende intentionale Handlung nicht vorliegt. Infolgedessen fragt sich, ob der Apotheker die Unverträglichkeit erkennen sollte. Im Hinblick darauf war geboten, zuvor einen Arzt zu konsultieren und die Anwendung des Medikaments zu überwachen. Das erscheint prospektiv als geeignet, eine eventuelle Unverträglichkeit zu ermitteln. Dieses Nachforschungsgebot hat der Apotheker missachtet. Hätte die Konsultation die Unverträglichkeit aufgedeckt, hätte ihm im Rahmen einer fahrlässigen Handlung zugerechnet werden können, dass der Junge ein unverträgliches Medikament bekommen hat. Weil aber nicht nachweisbar war, dass die Nachforschungen die Unverträglichkeit offenbart hätten, konnte nicht angenommen werden, dass der Apotheker sie erkennen sollte. Deshalb war das Verbot, lebensgefährliche Medikamente zu verabreichen, nicht verletzt. Neben dem Verbot, unverträgliche Medikamente herauszugeben, galt aber noch das weitere Verbot, Medikamente ohne vorherige Konsultation des Arztes zu verabreichen. Dieses Verbot ist teleologisch auf das Gebot bezogen, einen Arzt zu konsultieren. Weil aber diese Handlung und somit deren Gebot nicht mit Sicherheit geeignet waren, Kenntnis zu verschaffen, konnte auch auf die Missachtung des „ohne-zu-Verbots“ die Erfolgszurechnung nicht gestützt werden.135 Auch mit Blick auf das Verbot, Medikamente herauszugeben, ohne zuvor einen Arzt zu konsultieren, kann schließlich fraglich sein, ob der Apotheker die Konsultation bewusst und somit intentional unterlassen hat oder ob er bloß nicht an die mögliche Gefahr und die daraus erwachsende ärztliche Überwachungspflicht gedacht hat. Im zweiten Fall ist ein weiteres Gebot 134  RGSt

135  Siehe

15, 151. Vgl. auch schon zum Logenschließerfall B.IV.3.b)1. schon oben C.V.4.a)3.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

anzunehmen, Hypothesen über möglicherweise vorliegende Umstände zu bilden. Dieses Gebot bezieht sich nicht auf eine Handlung, sondern auf ein Wissen, das erwartet wird, wenn man einen spezialisierten Beruf ausübt. 3.  Situationsumstände, von welchen der Handelnde keine Kenntnis hatte, können indes nicht nur vermittelt über Kenntnisgebote, sondern auch dann zugerechnet werden, wenn dem Handelnden geboten war, dafür zu sorgen, dass diese Umstände jedenfalls nicht vorliegen. Beispielhaft hierfür ist der Ziegenhaarfall:136 Ein Fabrikant hatte mit Milzbranderregern kontaminierte Ziegenhaare verarbeiten lassen, worauf mehrere Arbeiter starben. Geht man hier von einem Verbot aus, verseuchte Ausgangsstoffe weiterverarbeiten zu lassen, kommt mangels Intention zunächst ein Gebot der Gefahrerforschung mittels einer Laboruntersuchung in Betracht. Ein solches Gebot wurde nicht angenommen. Stattdessen war geboten, die Haare vor ihrer Verarbeitung sicherheitshalber desinfizieren zu lassen, was der Fabrikant unterließ. Hätte die Desinfektion nachweislich die Erreger beseitigt, wäre ihm die Kontamination zuzurechnen gewesen. Er hätte dann unabhängig von der Kenntnis und Erkennbarkeit das Verbot missachtet, verseuchte Ziegenhaare auszuhändigen. Auch in diesem Fall konnte nicht nachgewiesen werden, dass die gebotene Präventionshandlung erfolgreich gewesen wäre; also die Desinfektion die Erreger beseitigt hätte. Eine Missachtung des Verbots, verseuchte Ausgangsstoffe verarbeiten zu lassen, war deshalb nicht anzunehmen. Vergleichbar zum Apothekerfall musste man deshalb auf das Verbot zurückgreifen, die Ziegenhaare herauszugeben, ohne sie zu desinfizieren. Dieses Verbot hatte der Fabrikant zwar missachtet, doch hätte die Erfolgszurechnung hierauf nicht gestützt werden dürfen, da auch insoweit der Nachweis geführt werden musste, dass die Desinfektion wirksam gewesen wäre, und dieser Nachweis nicht geführt werden konnte.137 c) Kenntnisgebote und kenntnisbezogene Handlungsnormen 1.  Ein singuläres Gebot, bestimmte Situationsumstände zu erkennen, wird allein in der Beurteilungsperspektive, aber nicht in der Handlungsperspektive relevant. Es begründet die Zurechenbarkeit, falls die Kenntnis dieser Situa­ tionsumstände fehlt. Der Beurteiler, der ungeachtet fehlender Kenntnis einen Normverstoß bejaht, nimmt zumindest implizit ein Kenntnisgebot an und muss begründen, 136  RGSt 137  Zu

63, 211. den Gründen der Fehlentscheidung des Reichsgerichts Ast (2010) S.  120 f.



V. Die normative Zurechnung183

wie der Handelnde die Umstände erkennen konnte und sollte. Er muss etwa aufzeigen, welche Informationen zugänglich waren oder welche Anzeichen auf die Gefahr hindeuteten. Ferner kann er kognitive Voraussetzungen wie Wissen und Aufmerksamkeit erwarten und dabei weitgehend generalisieren. Bei Wissensdefiziten kann man mit einem unspezifisch verstandenen Vorverschulden argumentieren: Allgemeinwissen oder rollenspezifische Kenntnisse werden vorausgesetzt, ohne genau aufzuzeigen, wie sie für den Handelnden erreichbar gewesen wären. Gleiches gilt im Hinblick auf erwartete Fähigkeiten, etwa nur durch Übung erlernte Techniken. In der Handlungsperspektive hat das Kenntnisgebot demgegenüber keine Funktion. Das an den Handelnden gerichtete Gebot zu erkennen, dass der Umstand X gegeben ist, ist wirkungslos. Wenn der Handelnde den Umstand kennt, ist das Gebot bereits erfüllt; falls nicht, erreicht es ihn nicht. Ferner gibt es keinen selbständigen Verstoß gegen ein Kenntnisgebot; es kommt immer auf die Anwendung der Kenntnis an.138 Gebotenes Wissen muss sich in gebotenen Handlungen oder in der Unterlassung verbotener Handlungen niederschlagen. Ähnlich wie in Klausuren immer nur die Wiedergabe und Anwendung von Wissen geprüft werden kann, wird gebotenes Wissen nur in praktischer Anwendung relevant. Ein Kenntnisgebot ist somit keine selbständige Norm. Sie ist vielmehr ein Teil einer Zurechnungsregel derjenigen Norm, auf deren Voraussetzungen es sich bezieht. 2.  Kenntnisgebote sind von sonstigen kenntnisbezogenen Normen zu unterscheiden. Für den Handelnden gilt zum einen ein weitgehend generalisiertes Gebot, allgemein aufmerksam zu sein.139 Andererseits gelten kenntnisbezogene Handlungsnormen für den Fall, dass dem Handelnden ein Umstand entweder bewusst unbekannt ist oder unsicher sein sollte. Ihm ist dann wie im Apothekerfall geboten, den Sachverhalt aufzuklären und in geeigneter Weise nachzuforschen. Das Aufklärungsgebot gibt die Aufklärung eines Umstands als zu erreichenden Quasi-Erfolg vor, wird aber, wie es für erfolgsbezogene Normen typisch ist, begrenzt durch die Möglichkeit, diesen durch die gebotenen Nachforschungen zu erreichen. 138  Zutreffend, wenn auch nicht so genau differenzierend, Binding Normen II (1914) S. 241 f. Dagegen Armin Kaufmann (1954) S. 117 ff., 120. Im Grundsatz wie hier Renzikowski (1997) S. 230 f., 232. 139  Vgl. Binding Normen II (1914) S. 236 ff., 237 f: „Alle Normen verbietenden Inhalts [enthalten] im Interesse ihrer Befolgung ein Gebot der Anspannung der Denkkraft.“ Binding bezieht dies aber vor allem auf die Voraussicht der Erfolgs­ verursachung, während es hier um die Kenntnis von Situations­ bedingungen geht. Beides hängt aber zusammen, insbesondere weil die Verursachungsverbote als Zweckprogramme fungieren und insofern den Handelnden auch auffordern, die Eignung von Handlungen zu erkennen.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Diese Nachforschungsgebote werden, wie auch im Apothekerfall, ergänzt durch ein komplementäres Verbot, die möglicherweise gefährliche Handlung ohne Nachforschungen vorzunehmen. Missachtet der Handelnde dieses Verbot und hätte ihm die Sachverhaltserforschung Kenntnis verschafft, tritt die Missachtung des Verbots aber hinter die des ursprünglichen Verbots zurück (im Beispiel: ein kontraindiziertes Medikament zu verabreichen), weil dieses den schwereren Vorwurf begründet. 3.  Die Handlungsnormen, die teleologisch auf die Kenntnis bezogen sind, können selbständig missachtet werden. Sie gelten unabhängig davon, ob die im generellen Verbot beschriebene Situation vorliegt, sondern setzten nur voraus, dass dies als möglich erscheint und ungewiss ist (bzw. sein soll). So folgen aus einem generellen Verbot, ein unverträgliches Medikament zu verabreichen, auch dann ein Aufklärungsgebot und ein Verbot, die Medikamente ohne Konsultation des Arztes herauszugeben, wenn eine Unverträglichkeit gar nicht vorliegt, aber in der Handlungssituation als möglich erscheinen sollte.140 Die Aufklärungsgebote haben dabei ebenso wie die Gebote von präventiven Vorsorgehandlungen zugleich eine den Handelnden entlastende Funktion: Beachtet er sie, ist seine Handlung trotz eventuell nicht auszuschließender Gefährlichkeit erlaubt; sie schafft ein „erlaubtes Risiko.“141 Hätte der Apotheker einen Arzt konsultiert oder der Fabrikbesitzer die Ziegenhaare desinfizieren lassen, hätte er erlaubt gehandelt. Der Tod des Jungen bzw. der Arbeiter wäre dann von vornherein nicht zurechenbar. Selbst wenn etwa der Fabrikbesitzer in Kauf genommen hätte, dass einige Arbeiter infolge der Verarbeitung der nur unsicher desinfizierten Ziegenhaare sterben, wäre ihm deren Tod zumindest nicht normativ zurechenbar, weil auch das Verbot der intentionalen Tötungshandlung auf das Verbot der kontingenzbedingenden Handlung Bezug nimmt.142 4.  Kenntnisbezogene Handlungsgebote, welche sich auf ein Verbot beziehen, partizipieren an dessen Eigenschaft, verglichen mit selbständigen Geboten die Handlungsfreiheit geringer zu beschränken. Verbote schließen grundsätzlich nur Handlungsalternativen aus und geben nichts vor.143 140  Das spricht nicht dafür, dass allein diese Art von Verboten für die Fahrlässigkeit charakteristisch ist, so Renzikowsi (1997) S. 226 f. Denn zum einen liegt der Grund der Nachforschungspflicht in dem möglicherweise vorliegenden gefahrbegründenden Umstand, sodass ein teleologischer Bezug zum generellen Verbot der fraglichen gefährlichen Handlung besteht; zum anderen ist bei bewusster Fahrlässigkeit eine entsprechende Begründungsstruktur nicht anzutreffen. 141  Vgl. bereits Binding Normen II (1914) S. 247 ff. 142  Siehe C.V.3. 143  Vgl. die Formulierung von Philipps (1974) S. 15: „Verbote schließen aus, schrei­ben aber nicht vor; Gebote schreiben vor, schließen aber nicht aus.“



V. Die normative Zurechnung185

Gebote, welche an Verbote anknüpfen, können deshalb keine unbedingte Vorgabe enthalten. Sie gebieten nur, dass man nachforscht oder Gefahren mindert, bevor oder während man eine gefährliche Handlung ausführt, die aus der Perspektive dieser Normen aber freigestellt sein kann. Konstruktiv handelt es sich also weniger um eine Bedingung des Gebots als um eine zeitliche Erfüllbarkeitsbestimmung: Geboten ist, Kenntnisse einzuholen oder zu aktualisieren, bevor man die gefährliche Bezugshandlung vornimmt oder während man sie verwirklicht. Dieses Gebot ist gegebenenfalls erst in dem Moment missachtet, in welchem der Handelnde die gefährliche Handlung verwirklicht. Man hat der­ artige Verbote aufgrund ihres quasi-bedingten Charakters als Obliegenheiten bezeichnet, zumal ihre Missachtung gleichsam zu dem Verlust des Rechts führen kann, dass nur nach Maßgabe der Kenntnis zugerechnet werde.144 Das betont aber zu sehr die Besonderheit der verbotsbezogenen Normableitung. Wenn primär ein Handlungsgebot an eine Situation anknüpft, ist dem Handelnden gegebenenfalls unbedingt geboten, die Situation zu erkennen – dem Arzt etwa, die dann zu bekämpfende Krankheit zutreffend zu diagnostizieren. Nur in ihrem teleologischen Sinn, nicht in ihrem deontologischen Status, unterscheiden sich derartige Gebote von den Normen, auf welche sie bezogen werden. 5. Das Zurechnungsprinzip, dass bei Unkenntnis der Normsituation die Frage entscheidend wird, ob der Handelnde die Normsituation hätte erkennen sollen, beruht auf dem Prinzip ultra posse nemo obligatur. Über sein Können hinaus würde nicht nur jemand verpflichtet, dem eine gebotene Handlung faktisch nicht möglich ist, sondern auch jemand, der die Gegebenheiten nicht erkennen konnte, auf welche sich die Norm bezieht. Das Prinzip des ultra posse wird durch die Bezugnahme auf Kenntnisgebote aber zugleich eingeschränkt. Wenn der Handelnde jene Gegebenheiten tatsächlich nicht erkannte, konnte er der Norm nicht folgen, weil er sie aufgrund der fehlenden Kenntnis nicht assoziieren konnte. Das Kenntnisgebot beseitigt diesen Einwand: Wenn der Handelnde die Situation gebotsgemäß erkannt hätte, hätte er der Norm folgen können. Hinter dem Prinzip des ultra posse steht ein grundlegendes Rationalitätspostulat für die normative Praxis. Es ergibt sich nicht aus dem Begriff der Norm, sondern ist Voraussetzung der zweckrationalen Legitimation der Normen. Ein grausamer Normgeber könnte ein unmöglich zu erfüllendes Gebot aufstellen, um Anlass für harte Strafen zu haben. In einem zweckrational le144  Kindhäuser (1989) S.  65 ff., Pawlik (2012) S. 310 f. Dagegen in Bezug auf Vorsorgehandlungen Haas (2002) S. 79 f., je m. w. N. Vgl. insbesondere schon Binding Normen IV (1919) S. 505, der von sekundären oder Hilfspflichten spricht.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

gitimierten Normensystem aber muss eine singuläre Norm geeignet sein, das Handeln zu beeinflussen und die Zwecke zu verwirklichen, denen die Norm dienen soll. Eine nicht erkennbare Norm kann das Handeln nicht beeinflussen. „Ought implies can“ folgt nicht aus dem Begriff der Norm, sondern ist ein normatives Postulat für die Normsetzung und Beurteilung.145 Als eine Norm über Normen hat es reflexiven Charakter. Dass das ultra-posse-Prinzip auf das Erfordernis der konkreten Eignung der anzunehmenden Handlungsnormen zurückzuführen ist, erklärt auch die Grenzen dieses Prinzips. Wie gezeigt, ist es dem Handelnden gar nicht möglich, eine Norm zu befolgen, die er aufgrund mangelhafter Situationskenntnis nicht assoziieren konnte. Auf dieses Problem reagiert die Annahme von Kenntnis- und Nachforschungsgeboten. Das Prinzip des ultra posse wird hier eingeschränkt und darauf bezogen, dass die anzunehmenden Normen insge­ samt den Handelnden nicht überfordern. Sie sind dann insgesamt geeignet, den Zweck zu erreichen, der mit ihnen verfolgt wird. d) Zurechnungsregeln und Bestimmungsnorm 1.  Sowohl bei fehlender erfolgsbezogener Intention als auch bei fehlender Kenntnis von Situationsumständen wird die Zurechnung mit der Bezugnahme auf andere Normen begründet, welche sich letzten Endes auf eine gegebene Intention oder auf die erlangbare Kenntnis beziehen: Dem Verbot, einen Erfolg durch eine gefährliche Handlung zu bedingen, wird das Verbot dieser Handlung zugeordnet. Falls der Handelnde im Hinblick auf dieses Handlungsverbot relevante Situationsumstände nicht erkennt, wird die Zurechnung mit der Annahme begründet, dass er sie hat erkennen sollen. Um dieses Gebot zu begründen, werden Nachforschungsgebote angenommen. Einige dieser Zurechnungsvoraussetzungen sind für den Normadressaten nicht handlungsbestimmend; sie sind nicht wichtig um zu erkennen, welche Handlungen geboten oder verboten sind. So sind Kenntnisgebote nur für die Beurteilung relevant. Erst retrospektiv relevant ist auch, ob bei Einhaltung von Handlungsgeboten oder -verboten Kenntnisse erlangt oder Erfolge erreicht oder vermieden worden wären. Das ist nur für den Beurteiler entscheidungsleitend. Die entsprechenden Zurechnungsvoraussetzungen können deshalb als Zurechnungsregeln gekennzeichnet werden. Diese Zurechnungsregeln haben einen retrospektiven und auch einen reflexiven, normbezüglichen Charakter. Sie sind Regeln über Regeln. Letzten Endes beziehen sie sich immer auf die Frage, ob eine Norm und die mit ihr 145  Vgl.

nur Renzikowski (1997) S.  241 m. w. N.



V. Die normative Zurechnung187

teleologisch verknüpften Normen geeignet waren, ihren Zweck, nämlich die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung des Zurechnungsgegenstands, zu erreichen. Solche Zurechnungsregeln sind für den Handelnden immerhin mittelbar relevant. Es ist für ihn nicht unwichtig zu wissen, dass die normative Zurechnung nicht allein von seiner Intention, also seinen Absichten und Kenntnissen abhängt, denn dieses Wissen wird ihn zu größerer Vorsicht und Aufmerksamkeit anhalten. Die erfolgsbezogenen Verbote fungieren somit als Zweckprogramme, nicht nur insofern als sie vorgeben, dass man den Erfolg nicht intendieren solle, sondern auch, dass man beim Handeln bezwecken solle, dass der Erfolg nicht eintritt. 2.  Diese Ambivalenz der Zurechnungsregeln spiegelt sich in der Frage, ob sie Bestandteil der (generellen) Normen sind. Dafür spricht, dass sie Voraussetzungen für die Annahme eines Normverstoßes aufstellen. Wenn man demgegenüber etwa die Zurechnungsregel, dass bei fehlender Kenntnis von Situationsumständen entscheidend ist, ob Kenntnis geboten war, nicht in den Inhalt der Norm aufnimmt, würde sich die Alternative eines rein objektiv oder rein subjektiv begründeten Verständnisses des Norminhalts stellen. So wäre im Apothekerfall nach einem objektiven Verständnis anzunehmen, dass der Apotheker das Verbot missachtet hätte, ein kontraindiziertes Medikament zu verabreichen, gleichgültig, ob die Konsultation des Arztes die Kontraindikation offenbart hätte; oder es wäre nach dem subjektiven Verständnis dem Apotheker jener Umstand nicht zuzurechnen, weil er ihn nicht erkannt hat, gleichgültig was die ärztliche Konsultation ergeben hätte. Demgegenüber ist eine Konzeption vorzugswürdig, die erklären kann, dass der Apotheker jenes Verbot nur missachtet hat, wenn er die Kontraindikation erkennen sollte und dass er andernfalls lediglich das Verbot missachtet hat, das Medikament ohne vorherige Konsultation eines Arztes herauszugeben. Unter der Prämisse, dass eine Norm die Bedingungen ihrer Beachtung und Missachtung mitteilt, sind die Zurechnungsregeln als Normbestandteil anzusehen. Nur dann ist die Ableitung einer singulären Norm und das Urteil über den Normverstoß als Ableitungszusammenhang im modus ponens darstellbar.146 3. Alternativ zur Integration in die Norm könnten die Zurechnungsregeln als Metaregeln aufgefasst werden, zumal sie als regelbezügliche Regeln reflexiven Charakter haben. Verselbständigt haben sie die Form: „Ein Normverstoß kann nur angenommen werden, wenn …“ Darin, dass sie verselbständigt und generalisiert, also auf mehrere Normen gleichermaßen bezogen 146  Siehe

C.V.1.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

werden können, ähneln sie den Rechtfertigungsgründen. Aber auch diese können als Normbestandteil konzipiert und müssen nicht als Metaregeln aufgefasst werden.147 Metaregeln müssen nur diejenigen Konzepte annehmen, die zwischen genereller Norm und individueller Pflicht derart unterscheiden, dass etwa bei fehlender Fahrlässigkeit oder gegebener Rechtfertigung die Normwidrigkeit bejaht, die Pflichtwidrigkeit aber verneint wird.148 Dann muss das Subsum­ tionsmodell der Ableitung konkreter Normen durch ein anderes ersetzt werden. Dem hier angenommenen Modell der Ableitung und Verknüpfung von generellen und konkreten Normen zufolge sind Zurechnungsregeln hingegen nicht als Metaregeln zu konzipieren: Sie behandeln keinen anderen Regelungsgegenstand als die Norm und beziehen sich auf dieselbe „Rechtsfolge“ wie diese. Sie stellen Voraussetzungen für die Annahme eines Normverstoßes auf und bestimmen somit über die normative Zurechnung mit. Eindeutig Metaregeln sind demgegenüber etwa die von H.L.A. Hart als secondary rules bezeichneten Regeln, sofern sie sich inhaltlich oder formal auf die Normerzeugung richten.149 Die Legitimitätsforderung, auf welche die Zurechnungsregeln reagieren, ist zwar eine solche Metanorm, da sie sich darauf richtet, welche Anforderungen generelle wie singuläre Normen stellen dürfen. Die regelungsinterne Umsetzung dieser Forderung hat aber nicht mehr den Charakter einer Metanorm. 4.  Mit den Zurechnungsregeln gibt es Normbestandteile, die nur für den Beurteiler, aber nicht für den Adressaten entscheidungsleitend sind. Für die Bestimmungsfunktion der Norm wird somit nicht ihr gesamter Inhalt relevant, sondern nur für die Beurteilungsfunktion. Eine Norm bezweckt immer, das Handeln des Adressaten zu bestimmen, und ist zugleich Maßstab für dessen Beurteilung; sie ist Bestimmungs- und Bewertungsnorm. Gemäß seiner Funktion kann derjenige Teil der Norm, der für den Handelnden prospektiv entscheidungsleitend ist, als Bestimmungsnorm isoliert werden. Die Aufteilung der Norm gemäß diesen beiden Funktionen macht den reflexiven, selbstbezüglichen Charakter der Zurechnungsregeln handhabbar.150 Dieser zeigt sich darin, dass jede Zurechnungsregel ihrem letzten Sinn nach 147  Siehe

B.III.2.e). Armin Kaufmann (1954) S. 138 ff., 248 ff., Kindhäuser (1989) S.  53 f. 149  Hart (1994) S.  94 ff. 150  Das Argument von Kindhäuser (1989) S.  29 ff., Mañalich (2009) S.  36 f. m. w. N., dass die Norm nicht auf sich selbst Bezug nehmen könne, trifft das hiesige Konzept deshalb nicht. 148  So



V. Die normative Zurechnung189

auf die Frage bezogen werden kann, ob die Norm, deren Teil sie ist, geeignet war, den Normzweck zu verwirklichen – eine Handlung oder einen Erfolg zu erreichen oder zu vermeiden. Hierbei kommt es nur auf den Norminhalt an, der die Bestimmungsnorm ausmacht. Die Eignung der Norm ist etwa zweifelhaft, sofern der Handelnde einen Situationsumstand nicht erkannte, an welchen die Norm anknüpft. Dass die Norm gleichwohl geeignet war, das Handeln dieses Adressaten zu bestimmen, wird durch weitere Normen abgesichert, welche sie in Bezug nimmt – nämlich die Kenntnis- und Nachforschungsgebote. 5.  Die Unterscheidung von Bestimmungs- und Bewertungsnorm hat Mezger eingeführt, um die Unterscheidung von objektivem Unrecht (Verursachung eines rechtswidrigen Zustands) und subjektiver Schuld (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) zu fundieren. Bewertungs- und Bestimmungsnorm sind bei ihm zwei unterschiedliche Normen, von denen die eine „adressenlos“ ist und die andere sich an den Handelnden richtet.151 Im Fall einer weder vorsätzlichen noch fahrlässigen Erfolgsverursachung liegt demnach etwa ein Widerspruch gegen die Bewertungsnorm, nicht aber die Bestimmungsnorm vor. Die so verstandene Bewertungsnorm ist aber keine Norm, sondern nur eine (erkennbare bzw. vorgegebene) Bewertung eines Zustands bzw. einer Erfolgsverursachung als unerwünscht.152 Eine solche mag der Normsetzung vorausgehen, ist aber jedenfalls für den Normunterworfenen wie den Beurteiler nur aus der Norm heraus erkennbar und hat keine eigenständige, handlungsleitende Funktion.153 Deshalb wird die Unterscheidung von Bewertungs- und Bestimmungsnormen heute entweder darauf bezogen, dass ein und dieselbe Norm sowohl eine Bewertungs- als auch eine Bestimmungsfunktion hat154 oder dass die Bewertungsnorm im Hinblick auf die Abstufbarkeit der Bewertung (etwa Größe des Schadens, Schwere des Unrechts) zwar einen Verstoß gegen die Bestimmungsnorm voraussetzt, aber daneben weitere Bewertungskriterien enthält.155 Als eigenständige Norm (Gebot) ist sie dann aber allein an den Beurteiler gerichtet und in den Sanktions- und Strafzumessungsnormen enthalten. Wenn Bestimmungs- und Bewertungsnorm wie hier danach unterschieden werden, welche Informationen für den Handelnden und welche nur für den Beurteiler entscheidungsleitend sind, kehrt sich das Verhältnis beider Norm­ aspekte gegenüber Mezgers Konzept um: Ein prima facie-Widerspruch zur 151  Mezger

(1924) S. 240–245, zustimmend Engisch (1971) S. 34. (1973) S. 312. 153  Zur Frage des Primats von Norm oder Wertung Engisch (1971) S.  34 f. 154  Renzikowski (1994) S. 125 f., (1997) S. 238 f. 155  Wolter (1981) S.  25 ff., Lenckner / Eisele Sch / Sch-StGB (2014) Vorbem. §§ 13 ff. / 48. 152  Zielinski

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Bestimmungsnorm kann durch die Zurechnungsregeln widerlegt werden, so dass ein Normverstoß zu verneinen ist. Die isoliert gedachte „Bestimmungsnorm“ ist indes keine eigenständige Norm, sondern nur ein isolierbarer Teil des Norminhalts. e) Der Begriff der Fahrlässigkeit 1.  Die Zurechnungsregeln müssen in den Norminhalt nicht wörtlich inte­ griert werden; es genügt eine Bezugnahme. Diese wird im Begriff der Fahrlässigkeit ausgedrückt. Demnach ist etwa mit Blick auf den Apothekerfall verboten, „fahrlässig den Tod anderer zu bedingen“ sowie „fahrlässig ein kontraindiziertes Medikament herauszugeben.“ Der Begriff der Fahrlässigkeit bedeutet hier nicht, dass der bezeichnete Gegenstand (also das Bedingen, das Herausgeben) verbotswidrig ist – das wäre nur ein zirkulärer Verweis auf dasselbe Verbot. Vielmehr verweist er jeweils auf andere Normen – zum einen auf Verbote gefährlicher Handlungen, zum anderen auf Kenntnisgebote. Er bezieht sich somit auf eine Normmissachtung, welche die Intentionalität in der bezugnehmenden Norm gleichsam ersetzt bzw. deren Fehlen ausgleicht. So missachtet der bewusst fahrlässig Handelnde zwar bewusst das Verbot einer gefährlichen Handlung und handelt hinsichtlich aller verbotsrelevanten Situationsumstände intentional und gerade nicht fahrlässig. Er intendiert aber den Schaden nicht, so dass ihm dieser gegebenenfalls nur zugerechnet werden kann, weil er das Verbot der gefährlichen Handlung missachtet hat. Auch wenn ein Schaden nicht eintritt, mag man davon sprechen, dass er fahrlässig handele; das gilt aber nur im Hinblick auf einen als möglich angenommenen Schaden, gerade weil die tatsächlich verwirklichte Handlung intentionsbegründet ist. Der unbewusst fahrlässig Handelnde missachtet demgegenüber ein Kenntnisgebot, weshalb bereits seine aktuellen Handlungen ohne Rücksicht auf mögliche Erfolge fahrlässig sind. Eine vereinfachende Definition des Begriffs „fahrlässig“ als „verbotswidrig“ wäre also ungenau. Kennzeichnend für eine fahrlässige Handlung ist vielmehr, dass die Zurechnung des Handlungsergebnisses und somit der Handlungscharakter nicht intentional, sondern nur durch das Urteil über einen Verbotsverstoß begründet werden können, wobei dieser Verbotsverstoß, wie gezeigt, durch den Verstoß gegen weitere Normen begründet wird – insbesondere das Verbot einer gefährlichen Handlung oder ein Kenntnisgebot. Durch diese Besonderheit ist der Begriff der Fahrlässigkeit definiert. Dieser Begriff ist somit nicht unmittelbar durch das Fehlen von Intentionalität bzw. Vorsatz definiert, sondern durch die besondere, normativ begrün-



V. Die normative Zurechnung191

dete Zurechnungslogik, welche auf die fehlende intentionale Zurechenbarkeit reagiert. Dass aus dem Begriff der Fahrlässigkeit bzw. des fahrlässigen Handelns nicht erschlossen werden kann, welches Handeln fahrlässig ist, versteht sich von selbst. Die in diesem Begriff ausgedrückte Relation auf andere Normen, welche durch den Handelnden bzw. einen Beurteiler zu bestimmen sind, führt aber nicht dazu, dass es sich um einen sogenannten „Typusbegriff“ handelt, der nicht genau definiert werden kann.156 2. Weil die normative Zurechnung bei Vorsatz und Fahrlässigkeit somit durch unterschiedliche Normen und eine unterschiedliche Zurechnungslogik begründet wird, ist das Vorsatzdelikt kein Spezialfall des korrespondierenden Fahrlässigkeitsdelikts; es ist nicht ein Fahrlässigkeitsdelikt plus Vorsatz.157 Die unterschiedlichen Normen, auf denen die normative Zurechnung aufgrund von Vorsatz und Fahrlässigkeit beruht, sind einerseits das Verbot zu schädigen (als intentionale Handlung) und andererseits das Verbot, durch Handlungen fahrlässig den Schaden zu bedingen. Gemeinsam ist beiden Verboten allerdings, dass der Verbotsverstoß voraussetzt, dass auch die kontingenzbedingende Handlung wegen ihrer Gefährlichkeit verboten ist.158 Diese Regel wirkt beim Vorsatzdelikt zurechnungsbegrenzend, da die Zurechenbarkeit des Erfolgs durch die Intention begründet wird, während sie bei beim Fahrlässigkeitsdelikt die Zurechnung begründet. Weil der Vorsatztäter aber den Erfolg nicht fahrlässig bedingt, missachtet er nicht das entsprechende Verbot und verwirklicht nicht zugleich das Fahr156  So aber Duttge (2001) S. 423 ff. Zum „Typus“-Konzept beim Handlungsbegriff B.V.3.3. sowie beim Vorsatzbegriff C.IV.2.6. Demgegenüber wurde hier gezeigt, dass all diese Begriffe, wenn auch komplex, so doch im herkömmlichen Sinn definierbar sind. 157  So etwa Puppe NK-StGB (2017) § 15 Rn. 5, Pawlik (2012) S. 344, Fn. 528, 371 ff., je m. w. N. Letzterer sieht den gemeinsamen Pflichtverstoß von Vorsatz und Fahrlässigkeit indes in dem Gesichtspunkt, dass sich der Täter in beiden Fällen nicht hinreichend um Rechtstreue bemühe. Ähnlich Jakobs (1991) 9 / 4 S. 317. Dagegen Kindhäuser (1989) S. 93, Gössel Maurach / Gössel / Zipf (2014) § 42 / 45 ff. 158  Zur Begründung dieser Regel für das Vorsatzdelikt C.V.3. Aus diesem Umstand will Rostalski (2016) S. 83 ff. auf der Grundlage der unter B.III.2.c)4. dargestellten, den Erfolg nicht berücksichtigenden Konzeption begründen, dass das Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt auf der Missachtung desselben Verbots beruht, dem einer vermeidbaren (d. h. vorsätzlichen oder fahrlässigen) Gefahrschaffung (wobei erstere durchaus ein Fall bewusster Fahrlässigkeit mit Blick auf den Erfolg sein kann). Das ähnelt der Jakobsschen Position, die sich allerding auf den Erfolg bezieht, vgl. B.IV.4. Genau jenes „Oder“ zeigt aber an, dass der Vorsatz kein Fall der Fahrlässigkeit ist. Um letztere zu begründen, braucht man normative Zusatzannahmen, insbesondere das Vorverschulden, was Rostalski auch zugesteht, a. a. O. S. 87.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

lässigkeitsdelikt. Insofern bei diesem die Zurechnung eines Erfolges schwächer begründet ist, trifft es zu, mit der herrschenden Meinung ein „normatives Stufenverhältnis“ anzunehmen.159 3. Nach dem Gegenkonzept, das von der Identität des Verbots ausgeht, welches dem fahrlässigen wie vorsätzlichen Erfolgsdelikt zugrunde liegt, tritt bei letzterem mit der Intention lediglich ein Zurechnungsgrund zum Normverstoß hinzu – ähnlich wie nach dem hiesigen Konzept etwa bei der normativ begründeten Handlung Mord gegenüber der vornormativ-intentional begründeten Handlung „Tötung“ mit dem Verbotsverstoß ein Zurechnungsgrund hinzutritt. Beide Zurechnungsgründe stehen aber nicht einfach nebeneinander, sondern beziehen sich aufeinander: Dass der Mord eine Tötungshandlung impliziert, ist dadurch begründet, dass das Verbot sich auf eine inten­ tionsbegründete „Tötung“ bezieht. Wenn die Gegenposition die These vertritt, dass das Vorsatzdelikt ein Fahr­lässigkeitsdelikt impliziere, muss sie konsequent umgekehrt davon ausgehen, dass sich die Intention bzw. der Vorsatz auf den Normverstoß bezieht, weil andernfalls das Vorsatz- und Fahrlässigkeitsurteil beziehungslos nebeneinander stünden und deshalb einander nicht implizieren könnten.160 Auch in diesem Zurück zum dolus malus zeigt sich die enge Verwandtschaft derartiger Konzepte mit der kausalen Handlungslehre. Diese ging zwar nicht davon aus, dass die Schuldform Vorsatz diejenige der Fahrlässigkeit impliziert, nahm aber ebenfalls eine Identität des unrechtsbegründenden generellen Verbots an.161 5. Das Unterlassungsdelikt 1.  Nicht jedes Unterlassen einer Handlung ist selbst eine Handlung, aber es gibt Unterlassungen, die Handlungen sind, bei denen also eine Veränderung bzw. ein Erfolg zugerechnet wird. Die einfache Feststellung, dass eine Person eine Handlung unterlassen habe, bedeutet noch nicht, dass sie eine Handlung durch Unterlassen verwirklicht hat. Es wird lediglich ausgesagt, dass die Person eine Handlung nicht verwirklicht hat, die sie hätte verwirklichen können. Hiermit sind zwar schon zwei, aber noch nicht alle Voraussetzungen einer Handlung erfüllt: Mit dem Ausbleiben der Handlung bzw. ihres Ergebnisses ist ein möglicher Zurechnungsgegenstand gegeben; und mit dem Kriterium der Möglichkeit der 159  Roxin

AT I (2006) § 24 Rn. 77 m. w. N. bei Pawlik (2012) S. 397 ff. Siehe auch B.V.5.4. Deutlich auch bei Rostalski (2016) S. 82 (Vorsatz als Entscheidung gegen das Recht). 161  Siehe oben, B.III.1.c). 160  So



V. Die normative Zurechnung193

Handlung wird die Kontingenzvoraussetzung und -verknüpfung angesprochen. Jedoch fehlt ein Zurechnungsgrund. Erst wenn dieser gegeben ist, kann auch aufgrund eines Unterlassens zugerechnet werden. Dann sind die Definitionsmerkmale des Handlungsbegriffs erfüllt. Es gibt somit Handlungen durch Tun wie durch Unterlassen. Entscheidend ist allein, dass der handelnden Person Veränderungen oder deren Ausbleiben begründet zugerechnet werden. Lediglich wenn man die Handlung mit einem Körperverhalten oder einem Kausalgeschehen identifiziert, muss man eine unüberwindbare Differenz annehmen.162 Für die Unterscheidung von Handlungen durch Tun und Unterlassen bieten sich auch die Gegensatzpaare aktiv-passiv, positiv-negativ oder Begehung (Ausführung / Vornahme) und Unterlassung an. Nicht jede Handlung durch Tun muss aber mit Aktivität verbunden sein. Gegen den Begriff einer negativen Handlung spricht, dass der Zurechnungsgegenstand bei der Unterlassung ebenso gut der Nichteintritt wie der Eintritt einer Veränderung sein kann. Den Begriff der Begehung hingegen verwendet das Strafrecht eher synonym mit einer Tathandlung, welche auch durch Unterlassen verwirklicht werden kann. 2. Zurechnungsgründe für eine Handlung durch Unterlassen können nur eine Norm oder eine Intention sein. So wird das fahrlässige Unterlassungsdelikt allein aufgrund einer Norm als Handlung konstituiert. Ob auch allein eine Intention, die sich auf eine Veränderung oder deren Nichtstattfinden richtet, die Zurechnung dieser Veränderung oder deren Ausbleibens im Rahmen einer Handlung durch Unterlassen begründen kann, ist demgegenüber fraglich. Die normative Zurechnung aufgrund eines Gebotsverstoßes setzt eine vorrangige intentionsbegründete Zurechnung jedenfalls nicht voraus. Wenn eine Handlung geboten ist, missachtet man dieses Gebot, indem man die gebotene Handlung nicht vornimmt. Ob dieses Unterlassen intentional bzw. vorsätzlich ist oder nicht, spielt für die Annahme des Gebotsverstoßes keine Rolle. Dieser Unterschied zum Begehungsdelikt folgt daraus, dass ein Gebot die normgemäße Handlung benennt, während ein Verbot die normwidrige Handlung bezeichnet. Um einen Verbotsverstoß festzustellen, muss man deshalb zunächst ermitteln, ob eine intentionale Handlung von der im Verbot beschriebenen Art vorliegt. Demgegenüber setzt die Annahme eines Gebotsverstoßes nicht voraus, dass die im Gebot bezeichnete intentionale Handlung vorliegt, 162  Einerseits Radbruch (1904a) S. 140, andererseits Armin Kaufmann (1959) S. 66 f., 87 f. Vgl., bezogen auf die Begriffe Verursachen und Unterlassen des Verhinderns, noch Ast (2010) S. 94–112.

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C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

sondern gerade, dass sie nicht vorliegt. Das Unterlassen dieser Handlung muss nicht intentional sein. Daher wird die Intention des Handelnden für das Urteil über eine Gebotsmissachtung nicht in derselben Weise relevant wie für das Urteil über die Verbotsmissachtung. Beim Unterlassungsdelikt missachten Vorsatz- und Fahrlässigkeitstäter im Hinblick auf den Erfolg dasselbe Gebot. Das kann anhand des Öhmdfalls des Reichsgerichts gezeigt werden, der eine fahrlässige Brandstiftung durch Unterlassen betrifft (§ 306d Abs. 1, § 13 StGB).163 Ein Bauer hatte Heu in die Scheune eingebracht, welches sich entzündete. Weil das Einlagern des Heus erlaubt war, kann die Zurechnung des Scheunenbrandes nur durch das Gebot begründet werden, einen wegen der Heueinlagerung drohenden Brand zu verhindern. Die Missachtung dieses Gebots setzt die Missachtung des Gebots einer verhinderungsgeeigneten Handlung voraus. Neben das Gebot, den Brand zu verhindern, tritt deshalb das weitere Gebot, Heu auszulagern, das sich so stark erwärmt hat, dass eine Selbstentzündung wahrscheinlich wird. Eine Verletzung dieses Gebots wird angenommen, wenn der Bauer die geforderte Handlung unterlassen hat – also Heu, das sich sehr erwärmt hat, nicht wieder ausgelagert hat – und wenn er erkannte, dass das Heu sich zu stark erwärmt oder es erkennen sollte. Er sollte es erkennen, da er eine Heustocksonde verwenden sollte, um die Temperatur regelmäßig zu überprüfen. Das ist ein Nachforschungsgebot. Die Unkenntnis des Gebots, die Temperatur zu überprüfen, hätte den Bauer nicht entlastet, sondern wäre ein vorwerfbarer Gebotsirrtum, da er Anlass hatte, sich über die erforderliche Brandvorsorge zu informieren. Hätte er das generelle Gebot zwar gekannt, aber in der Handlungssituation nicht daran gedacht, würde man aufgrund der einfachen Annahme zurechnen, dass er angesichts der Situation daran denken sollte. Das ist ein bloßes Aufmerksamkeitsgebot. Hier endet die Begründungskette der normativen Zurechnung. Deutlich wird somit, dass beim Unterlassungsdelikt sowohl bei Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit dieselben Gebote missachtet werden – im Beispiel einerseits das Gebot, den Brand zu verhindern, andererseits das Gebot, zu stark erwärmtes Heu auszulagern. Auch wenn der Bauer beabsichtigt hätte, den Brand der Scheune nicht zu verhindern, missachtete er jene Gebote. Lediglich bei der Begründung des Gebotsverstoßes wird im Hinblick auf die Situation, an die das Gebot der verhinderungsgeeigneten Handlung anknüpft (sich erwärmendes Heu), die Kenntnis des Handelnden relevant. Sie wird aber erst auf der Ebene von Zurechnungsregeln berücksichtigt, nicht schon im Gebot als Bestimmungsnorm. 163  RGSt

75, 49.



V. Die normative Zurechnung195

Im Gegensatz dazu missachtet der Täter eines fahrlässigen Begehungsdelikts nicht dasselbe Verbot wie der Vorsatztäter. Weil das Verbot die normwidrige Handlung bezeichnet, ist schon nach dem Inhalt der Bestimmungsnorm ein Verstoß gegen ein Handlungsverbot nur anzunehmen, wenn eine intentionale Handlung vorliegt. 3.  Die normative und intentionsbegründete Zurechnung sind beim Unterlassungsdelikt somit nicht in gleicher Weise miteinander verknüpft wie beim Begehungsdelikt. Das heißt aber nicht, dass die intentionsbegründete neben der normativen Zurechnung irrelevant wäre. Das vorsätzliche und fahrlässige Unterlassungsdelikt sind, auch wenn sie sich auf denselben Zurechnungsgegenstand beziehen, unterschiedliche Handlungsarten, da die Identität einer Handlung sowohl durch den Gegenstand als auch den Grund der Zurechnung und somit Intention und / oder Norm bestimmt wird. Während also beim vorsätzlichen Begehungsdelikt die intentionsbegründete und normative Zurechnung dadurch miteinander verknüpft sind, dass sich das Verbot auf eine intentionale Handlung bezieht, ist beim vorsätzlichen Unterlassungsdelikt fraglich, ob und wie sich die normative und intentionsbegründete Zurechnung aufeinander beziehen. Im heute anerkannten Deliktsaufbau wird das vorsätzliche Unterlassungsdelikt nach dem Vorbild des Begehungsdelikts konzipiert, bei welchem zunächst festgestellt wird, dass eine verbotsgegenständliche Handlung durch Tun gegeben ist, worauf das Urteil über die normative Zurechnung folgt. Dementsprechend wird beim Unterlassungsdelikt auf der Tatbestandsebene eine Unterlassung aufgrund einer entsprechenden Intention zugerechnet und darauf folgend deren Normwidrigkeit (Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit) festgestellt. Wegen der Parallelität zum Begehungsdelikt kann diese Konzeption dadurch erklärt werden, dass sie das Gebot der Handlung in ein Verbot der Unterlassung dieser Handlung umwandelt und dabei die Unterlassung als intentionale auffasst, da sie im Verbot an der Stelle einer intentionalen Handlung steht. Unter dieser Prämisse wandelt sich mit der Umformulierung des Gebots einer Handlung in ein Verbot der (intentionalen) Unterlassung dieser Handlung aber die Bedeutung der Norm, weil erst dadurch das Erfordernis der Intentionalität begründet wird. Es handelt sich also nicht bloß um die Umformulierung eines „Gebots, dass die Handlung X vorgenommen wird“ in ein gleichbedeutendes „Verbot, dass die Handlung X nicht vorgenommen wird.“ Das Verbot der Handlung durch Unterlassen stellt vielmehr mit der Intentionalität eine zusätzliche Anforderung. Es kann nur durch eine intentionale Unterlassung missachtet werden, das Gebot hingegen sowohl durch eine vorsätzliche wie fahrlässige Unterlassung.

196

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

4. Prämisse dieses Modells ist, dass die Intention ein hinreichender Zurechnungsgrund für die Annahme einer Handlung durch Unterlassen ist. Jedoch ist zweifelhaft, ob eine bloß intentionsbasierte Zurechnung bei der Unterlassung hinreichend begründet und legitim ist, ob also eine bloß durch die Intention begründete „Handlung durch Unterlassen“ einer intentionalen Handlung durch Tun gleichsteht und ob sie somit eine Handlung ist. Der Begriff der Handlung impliziert, dass dem Handelnden ein Ausschnitt der Welt als von ihm gestaltet zugerechnet wird. Bei der Handlung durch Tun greift der Handelnde in den Weltverlauf ein, weshalb die intendierten Ergebnisse dieses Eingriffs ihm zugeordnet werden können, nicht einem unabhängig von ihm gedachten Weltlauf. Wenn er hingegen unterlässt, geschieht, was aktuell (abgesehen von seinen früheren Handlungen) auch ohne ihn geschehen wäre. Allein dass er weiß, dass er in den Weltlauf eingreifen und Veränderungen hervorrufen oder unterbinden könnte, es aber nicht beabsichtigt, lässt das Geschehen nicht als ihm zugehörig erscheinen. Auch fehlt beim Unterlassen eine in vergleichbarer Weise verbindliche Intention wie beim Tun. Eine Intention ist beim Tun erst mit einem die Intention festlegenden Körperverhalten, also erst mit einer Externalisierung gegeben. Beim Unterlassen ist das Bewusstsein oder Wollen der Unterlassung aber zunächst nur ein mentaler bzw. epistemischer Zustand, dessen Gegebenheit allein dem Unterlassenden zugänglich ist. Es fehlt somit die für die Annahme einer verbindlichen Intention nötige Externalisierung. Die Intention allein begründet deshalb bei der Unterlassung nicht die Zu­ rechnung einer Veränderung oder deren Ausbleibens und somit keine Handlung. Eine bloß intentionale Zurechnung von Veränderungen im Rahmen einer Handlung durch Unterlassen wäre der Zurechnung im Rahmen einer Handlung durch Tun nicht äquivalent. Eine Veränderung, die der Handelnde verhindern könnte, aber absichtlich nicht verhindert, ist ihm allein aufgrund dieser Absicht nicht zuzurechnen. Hinzukommen muss vielmehr, dass dem Handelnden geboten war, diese Veränderung zu verhindern. Während die Intention bei der Handlung durch Tun ein ausreichender Zurechnungsgrund ist, ist sie es bei der Handlung durch Unterlassen nicht. Dieser Unterschied wird an folgendem Beispiel deutlich: Wenn in meinem Zimmer das Fenster offen steht und ein plötzlicher Wind die Blätter auf meinem Schreibtisch verwirbelt, ich das Fenster aber nicht schließe, ist das Entstehen der Unordnung nicht mein Werk.164 Anders ist es, wenn ich in der 164  Vgl. auch Binding Normen II (1914) S. 543, gegen die Annahme von Ursächlichkeit der Unterlassung gewendet; Armin Kaufmann (1959) S. 74 gegen die Annahme von Finalität.



V. Die normative Zurechnung197

Absicht, dass die Blätter verwirbeln, bei starkem Wind das Fenster öffne. Dann mache ich mir den Wind zum Instrument, und die Unordnung ist mir zuzurechnen. Das Beispiel zeigt zugleich, dass im Zusammenhang mit Handlungen der Begriff der Zuständigkeit unpräzise ist. Mein Zimmer, mein Schreibtisch und meine Papiere fallen in meinen Zuständigkeitsbereich, dessen Gestaltung mir im Sinne einer Zustandsverantwortlichkeit zugerechnet werden kann. Dabei geht es aber nicht um eine handlungsbegründende Zurechnung, sondern nur um die Zuordnung einer räumlich-gegenständlichen Sphäre und ihres Zustands, gleich, ob ich sie durch Tun gestaltet oder nur unterlassen habe, sie zu verändern oder Veränderungen zu verhindern. 5.  Dass die Intention die Zurechnung bei der Handlung durch Unterlassen anders als bei der Handlung durch Tun nicht hinreichend begründet, hat zur Folge, dass eine Handlung durch Unterlassen erst durch eine normative Zurechnung konstituiert wird. Erst weil eine Veränderung in Abhängigkeit vom Handeln des Zurechnungssubjekts sein oder nicht sein sollte, wird deren Zurechnung auf den Handelnden plausibel. Eine Handlung durch Unterlassen ist somit nur gegeben, wenn die unterlassene Handlung geboten war. Für den Begriff der handlungsgleichen Unterlassung genügt es somit nicht, dass dem Handelnden die unterlassene Handlung möglich war und dass er die Unterlassung intendiert hat. Zutreffend ist vielmehr jene Auffassung, nach welcher der Begriff der Unterlassung (im Sinne einer Handlung durch Unterlassen) als Nichtvornahme einer erwarteten, das heißt gebotenen Handlung zu definieren ist.165 Neben diesem Begriff der Handlung durch Unterlassen kann ohne Widerspruch ein weniger anspruchsvoller Begriff des Unterlassens stehen, der lediglich aussagt, dass jemand eine Handlung nicht vorgenommen hat, die ihm möglich war. Eine Handlung durch Unterlassen kann somit nur in der eingangs beschriebenen Weise normativ konstituiert werden, indem festgestellt wird, dass der Handelnde ein Gebot nicht befolgt hat, das an ihn gerichtet war. Das heißt aber nicht, dass die Intention für die Unterlassungszurechnung irrelevant wäre. Wenn die Intention neben das Gebot tritt, wird vielmehr eine Handlung anderer Art konstituiert als wenn das nicht der Fall ist. Das vorsätzliche und fahrlässige Unterlassungsdelikt sind je andere Handlungsarten. Es fragt sich dann aber, ob und wie beim vorsätzlichen Unterlassungsdelikt die normative und intentionale Zurechnung verknüpft werden oder ob sie bloß nebeneinander stehen. 165  v.  Liszt (1897) § 29.II. S. 128, Mezger (1931) S.  132 f., Gallas (1955) S.  9 f., Kindhäuser (1980a) S.  177 f.

198

C. Die Handlung als Ergebnis einer Zurechnung

Die Rolle der Intention in der Zurechnungsstruktur könnte derart bestimmt werden, dass die Intention neben die Norm tritt und sich negativ auf denselben Gegenstand richtet wie das Gebot – nämlich auf die Nichtvornahme der Handlung und das Ausbleiben ihres erwünschten Ergebnisses. Diese Kon­ struktion entspricht der herrschenden Auffassung. Auf der Tatbestandsebene wird zunächst die Intentionalität eines Unterlassens festgestellt. Eine Handlung wird damit noch nicht begründet. Auch die oben angedachte Umdeutung des Gebots in ein Verbot der Unterlassung ändert hieran nichts. Erst mit dem Urteil über die normative Zurechnung wird bei der Unterlassung eine Handlung konstituiert. Akzeptiert man dieses Modell, bleibt aber unerklärt, warum die Intention durch das Hinzutreten der normativen Zurechnung als Zurechnungsgrund fungieren kann, wenn sie ohne die normative Zurechnung diese Kraft nicht hat. Das lässt sich nur überzeugend begründen, wenn sich die Intention auch auf den Gebotsverstoß richtet, weil sie dann einen anderen Sinn hat. Während sich beim Begehungsdelikt das Verbot auf die intentional konstituierte Handlung bezieht, verhält es sich bei der intentionalen Handlung durch Unterlassen genau umgekehrt, da mit der Intention das Bewusstsein verbunden sein muss, ein Gebot zu missachten. Nur dann ist das intendierte Nichthandeln einer Handlung durch Tun vergleichbar. Die Handlung durch Tun ist immer schon deshalb Weltgestaltung, weil der Handelnde etwas sich Ereignendes oder Nichtereignendes durch die Wahrnehmung genau einer Handlungsalternative bedingt. Er greift in den Weltlauf ein. Vergleichbaren Gestaltungssinn hat eine Unterlassung in Beziehung nicht zum tatsächlichen, sondern zum gesollten Weltzustand.166 Dass dem Handelnden eine Sinnsetzung zugeschrieben werden kann, welche sich auf eine andere als die rechtlich vorgesehene Weltgestaltung richtet, setzt aber voraus, dass der Handelnde diesen normativ begründeten Sinn erfasst hat. Fehlt ihm das Bewusstsein von der ihm zugewiesenen Zuständigkeit für eine bestimmte Weltgestaltung, nimmt er nicht verbindlich Stellung in einem gegen sie gerichteten Sinn. Ihm ist eine Handlung durch Unterlassen dann zwar normativ, aber nicht intentionsbegründet zurechenbar.167 6.  Wird diese handlungstheoretische Überlegung ins Normative gewendet, ist für den Vorsatz des Unterlassungsdelikts zu fordern, dass der Handelnde zumindest in Kauf nimmt, das Gebot zu missachten. Nur dann entspricht im Sinne des § 13 Abs.1 StGB das Setzten einer Kontingenzbedingung des Erfolgs durch Unterlassen dem durch Tun; nur dann ist das vorsätzliche Unter166  Ähnlich 167  Ebenso

Kahlo (2001) S.  240 ff. Kahlo (2001) S. 268.



V. Die normative Zurechnung199

lassungs- dem Begehungsdelikt äquivalent und ist im gleichen Sinne eine vorsätzliche Handlung. Nach der heute herrschenden Vorsatzkonzeption beim Unterlassungsdelikt genügt demgegenüber für den Vorsatz Tatsachenkenntnis. Diese Auffassung stützt sich auf die Irrtumsregelung der §§ 16 und 17 StGB, nach welcher die Unkenntnis eines generellen Verbots oder Gebots nicht den Vorsatz, sondern erst die Schuld ausschließt.168 Es ist zwar zutreffend, das Erfordernis der Normkenntnis dem Schuldurteil zuzuordnen, insoweit es um die Eignung der Norm geht, das Handeln zu beeinflussen.169 Das schließt aber nicht aus, dass beim Unterlassungsdelikt die Gebotskenntnis auch für die intentionale Zurechnung von Bedeutung ist. Dabei können durchaus unterschiedliche Maßstäbe für den Fall gelten, dass der Handelnde zweifelt, ob eine Handlung geboten ist. Intentional kann auch bei Indifferenz, also dem Inkaufnehmen zugerechnet werden. Gleichwohl ist dann fehlende Unrechtseinsicht im Sinne des § 17 StGB und somit verminderte oder ausgeschlossene Schuld anzunehmen.170 Dass diese Erwägung auch jenseits des § 13 StGB zu gerechteren Ergebnissen führt, zeigen Fälle, in denen sich nicht wie selbstverständlich aufdrängt, dass eine Handlung geboten ist, etwa beim Nichtabführen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a StGB). Hier genügt der Rechtsprechung für die Annahme von Vorsatz bereits die Kenntnis der Möglichkeit, Beiträge abzuführen.171 Jedoch ist das Nichtabführen von Beiträgen keine handlungsgleiche Unterlassung, wenn man nicht weiß, dass oder in welcher Höhe Beiträge geschuldet sind.172 Dass die herrschende Meinung ihre Auffassung zum Unterlassungsvorsatz durch eine Parallele zu den Begehungsdelikten begründet, ist unzureichend. Maßgeblich sind vielmehr die hinter den Irrtumsfragen stehenden Strukturen.

168  Roxin

AT II (2003) § 31 Rn. 189 ff. C.V.2.2. 170  So gegen die herrschende Meinung, welche hier die Kriterien des Eventualvorsatzes anwendet, Leite (2012) S.  696 ff. m. w. N. 171  BGH wistra 2010, 29; BGHSt 57, 175, 181 f. 172  Ast / Klocke (2014) S.  208 m. w. N. 169  Vgl.

D. Schlussbetrachtung 1.  Handlung und Norm sind die Grundbausteine des Deliktssystems. Ohne eine Theorie beider Gegenstände kann eine konsistente Dogmatik nicht gebaut werden. Die Straftat als solche ist eine Handlung. Ihre Elemente – der Erfolg, die Kausalität, die objektive Zurechnung, der Vorsatz, die Schuld – müssen als Merkmale dieser besonderen Handlungsart gedeutet werden. Ferner ist der Gegenstand des strafrechtlichen Verbots eine Handlung. Wie beide Handlungsarten in einem Begriff zusammengefügt werden können, ist ein unbewältigtes Problem der Strafrechtswissenschaft. Auch wenn der Handlungsbegriff häufig marginalisiert oder beziehungslos an den Anfang der Straftatprüfung gesetzt wird, prägen die Ergebnisse der klassischen Diskussion die Dogmatik bis heute. Insbesondere das Konzept der tatbestandlichen Handlung und der finalistische Verbrechensaufbau haben sich gegen alternative Entwürfe als stabil erwiesen. Demgegenüber verwundert es, dass die kausale wie finale Lehre als überholt gelten. Welches Handlungskonzept beide abgelöst hat, ist nicht ersichtlich. Zumeist liegt der Dogmatik heute bewusst oder unbewusst ein modifizierter kausaler Handlungsbegriff zugrunde. 2.  Die grundlegende systematische Bedeutung, welche die Handlungslehre früher hatte, kommt heute der Lehre von der objektiven Zurechnung zu. Sie ist indes eine Unrechts- und nicht Handlungslehre. Schrittweise hat sie sich von der Handlungslehre emanzipiert. Wegweisend war die Ablösung aus dem Begriff der adäquaten Kausalität, welche dem Bereich der tatbestandlichen Handlung zugehörte.1 Man fasste die objektive Zurechnung zunächst zwar noch als handlungsdefinierendes Merkmal auf, das durch die Frage nach der Vermeidbarkeit oder Bezweckbarkeit der Verursachung zu konkretisieren war.2 Die neuere Entwicklung der Lehre hat aber diese auf die tatbestandliche Handlung bezogene Deutung hinter sich gelassen. Sie konzentriert sich auf die „unerlaubte Risikoschaffung“ und somit eine andere als die erfolgsdefinierte tatbestandliche Handlung. Wie das Verbot dieser tatbestandlichen Handlung mit dem Verbot dieser riskanten Handlung verknüpft wird, ist eine normen- und nicht handlungstheoretische Frage.3 1  B.III.5.c).

2  B.III.5.d). 3  B.III.4.d),

C.V.3.



D. Schlussbetrachtung201

Im Gegensatz zur traditionellen strafrechtlichen Handlungslehre hat es die Lehre von der objektiven Zurechnung vermocht, eine Zurechnungsstruktur aufzudecken, die bei allen Erfolgsdelikten gleichermaßen gegeben ist, seien es Vorsatz- oder Fahrlässigkeits- bzw. Begehungs- oder Unterlassungsdelikte. Immer werden Verbote oder Gebote von erfolgsdefinierten Handlungen mit Verboten oder Geboten von erfolgsgeeigneten Handlungen verknüpft. Der unerlaubt gefährlichen Handlung als Zurechnungsvoraussetzung der Begehungsdelikte korrespondiert bei den Unterlassungsdelikten das Unterlassen einer verhinderungsgeeigneten Handlung. Der Handlungslehre war es demgegenüber nicht gelungen, die Handlung als einheitliche Zurechnungsvoraussetzung auf der Tatbestandsebene zu erweisen. Die Lehre von der objektiven Zurechnung definiert aber nicht den Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung eines Erfolgsdelikts. „Objektiv“ – also ohne Rücksicht auf die Absichten des Handelnden – kann die Zurechnung nur normativ begründet werden. Die normative Zurechnung setzt jedoch die Annahme eines Normverstoßes voraus bzw. ist mit ihr gleichbedeutend.4 Deshalb kann nicht bereits auf der Ebene des Tatbestands, also vor dem Urteil über Rechtswidrigkeit und Schuld, eine normative Zurechnung und somit eine Handlung begründet werden. Die tatbestandliche ist diejenige Handlung, welche Gegenstand des Verbots ist;5 sie kann den Verbotsverstoß nicht bereits implizieren.6 Erst mit dem Urteil über Rechtswidrigkeit und Schuld wird eine Handlung konstituiert, für welche der Sinnaspekt des Normverstoßes aber unabdingbar ist. Vor diesem Urteil fehlt, wenn man die Intention unberücksichtigt lässt, jeder Grund, dem Handelnden einen Erfolg zuzurechnen. Es ist weder festgestellt, dass er diesen absichtlich, noch dass er ihn normwidrig bedingt hat. Das Interesse an abstrakter dogmatischer Begrifflichkeit ist kein ausreichender Grund, einen Erfolg „objektiv zuzurechnen.“ Deshalb ist es auch unzutreffend und neben einer normentheoretisch begründeten objektiven Zurechnung überflüssig, einen vornormativen Handlungsbegriff wie den der vermeidbaren Erfolgsverursachung bzw. abstrakter den der Vermeidbarkeit zu postulieren.7 Während die tatbestandliche „objektive Zurechenbarkeit“ immerhin die Verwirklichung des objektiven Tatbestands so präzise wie möglich definiert, leistet das der Begriff der Vermeidbarkeit nicht. Das Vermeidenkönnen ist zwar legitimationshalber Voraussetzung des Vermeidensollens. Das Sollen folgt aber nicht ohne weiteres aus dem Können. Der Begriff der Vermeidbarkeit verdeutlicht nicht, dass ein tatbestandliches vermeidbares Bedingen des Erfolgs dadurch definiert wird, 4  B.I.1.

5  B.III.2.

6  B.II.2.d). 7  B.IV.4.

202

D. Schlussbetrachtung

dass die bedingende Handlung gegen ein Verbot verstößt. Das Vermeidensollen kann nur unter Rückgriff auf Verbote gefährlicher Handlungen oder Gebote verhinderungsgeeigneter Handlungen begründet werden. Die Lehre von der objektiven Zurechnung macht diese Begründungsstruktur explizit. Sie ist deshalb auf die These nicht angewiesen, dass aufgrund der Vermeidbarkeit bereits eine Handlung zugerechnet werden könne. 3. Ohne das oder vor einem Urteil über die normative Zurechnung und in diesem Sinne nicht- oder vornormativ kann eine Handlung nur unter Bezugnahme auf die Intention des Handelnden begründet werden.8 Das ist die bleibende Erkenntnis der finalen Handlungslehre, hinter die es kein Zurück gibt. Man sollte endlich den häufig wiederholten und gar nicht mehr reflektierten Einwand gegen diese Lehre vergessen, dass es ihr Fehler sei, die tatbestandlich-fahrlässige Verursachung nicht als Handlung beschreiben zu können.9 Dieser Einwand führt in seiner Konsequenz zwangsläufig zurück in eine objektive, nur dogmatisch-konstruktiv begründete Handlungsdefinition, die gegenüber dem Handelnden unbegründet, eine Handlungsfiktion ist und deshalb dem Normadressaten gegenüber nicht legitimiert werden kann. Es ist gerade die Lehre von der objektiven Zurechnung, die es ermöglicht, als Unrechtslehre verstanden, jenen alten Einwand zu entkräften. Sie zeigt auf, dass beim Fahrlässigkeitsdelikt eine Erfolgszurechnung auch dann legitim ist, wenn der Erfolg vornormativ nicht im Rahmen einer Handlung zugerechnet werden kann. Es ist nicht problematisch, dass der Erfolg von einem Verbot in Bezug genommen werden muss, das sich nicht auf eine erfolgsdefinierte Handlung richtet. Die Zurechnung wird stattdessen über Verbote gefährlicher Handlungen begründet, welche sich auf ein Verbot beziehen, durch derartige Handlungen die Kontingenz des Erfolgs zu bedingen.10 Allein von einem Erbteil der kausalen Lehre muss man sich verabschieden – dem Dogma, dass der Tatbestand der Erfolgsdelikte in jedem Fall eine erfolgsdefinierte Handlung konstituiere.11 Infolgedessen kann die Definition des Verbrechens als tatbestandliche, rechtswidrige und schuldhafte Handlung in dieser Formulierung nur bestehen bleiben, wenn man jene Attribute als Merkmale des Begriffs der verbrecherischen Handlung versteht.12 Das war für die ursprünglich von Hegel ausgehende Auffassung des Verbrechens als Handlung selbstverständlich. Unter 8  C.IV.1. 9  B.IV.2.

10  C.V.4.a).

11  B.IV.5.b), 12  B.V.5.

B.V.4.



D. Schlussbetrachtung203

dieser Prämisse ist es auch möglich, sowohl das Vorsatz- als auch das Fahrlässigkeitsdelikt und sowohl das Begehungs- als auch das Unterlassungsdelikt als Handlungen auszuweisen, da allen Erscheinungsformen der Straftat das Merkmal der Normwidrigkeit gemeinsam ist. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Hegelsche Auffassung eine Renaissance erfahren hat. In deren Zuge sieht man indes die finale Lehre als überholt an, weil sie die Handlung auf den instrumentellen Aspekt verkürze.13 In der Tat liegt eine Herausforderung darin, aus dem abstrakten Begriff der Handlung heraus zu entwickeln, dass es normative wie nicht-normative Handlungsbegriffe gibt – einerseits Verbrechensbegriffe und andererseits Handlungsbegriffe, die ein normatives Zurechnungsurteil nicht voraussetzen. Eine einseitige Reduktion des allgemeinen Handlungsbegriffs auf eine dieser beiden Handlungsarten wäre aber verfehlt. Jene Kritik am finalen Handlungsbegriff verkennt, dass die strafrechtliche Handlungslehre einen abstrakten Begriff der verbotsgegenständlichen Handlung entwickeln muss. Für diese Handlung sind das Verbot und somit die Rechtswidrigkeit und Schuld etwas Äußerliches, Akzidentielles. Das Verbot tritt zu ihr hinzu, sie wird an ihm gemessen. Die normgegenständliche Handlung kann nicht durch die Normwidrigkeit definiert sein. Dass allein aufgrund einer Intention zugerechnet werden kann, auch wenn normativ zugerechnet werden könnte, ergibt sich aus der Funktion der Identifikation von Handlungen. Mittels einer Handlung wird einer Person eine Veränderung zugerechnet. Diese Zurechnung bedarf besonderer Gründe, die einen sinnhaften Bezug der Veränderung zur Person herstellen. Sowohl eine Intention als auch eine Norm sind auf die Verwirklichung oder Nichtverwirklichung der zuzurechnenden Veränderung gerichtet und rechtfertigen deshalb die Zurechnung der dann eingetretenen Veränderung.14 Die Zurechnung wird durch eine Intention subjektiv und durch eine Rechtsnorm objektiv begründet. Der Versuch, sie durch bloß beschreibende objektive Kriterien wie die Kausalität oder Vermeidbarkeit zu begründen, musste gerade deshalb scheitern, weil er das Erfordernis einer verbindlichen Sinnsetzung außer Acht lässt, die auf die Veränderung gerichtet ist, und weil er somit die praktische Funktion der Handlungsidentifikation verfehlt.15 Demgegenüber ist es möglich, die Zurechnung allein subjektiv zu begründen, auch wenn sie daneben normativ begründet werden könnte, gerade weil die Intention allgemein ein hinreichender Zurechnungsgrund ist. 13  B.V.5.

14  C.IV.1. 15  B.V.2.,

B.V.4.

204

D. Schlussbetrachtung

Somit kann die Einheit von normativen und nicht-normativen Handlungsbegriffen durch den Begriff der Zurechnung hergestellt werden: Die Handlung ist das Ergebnis der Zurechnung einer Veränderung an eine Person aufgrund einer Intention oder / und einer Norm.16 4.  Eine Definition des Begriffs der Handlung ist nur sachhaltig und angemessen, wenn sie an die soziale Funktion der Identifikation von Handlungen anknüpft.17 Handlungen sind entia moralia, faits sociaux, institutional facts, keine einfachen Ereignisse – Körperbewegungen und dadurch verursachte physische Veränderungen, welche dem Beobachter als natürliche Tatsachen vorgegeben sind. Die naive Rede von einem „natürlichen“ Handlungsbegriff im Strafrecht ignoriert die philosophische und soziologische Tradition der Handlungstheorie. Auch die finale Lehre hat aber letztlich an dem „naturalistischen“ Bild der Handlung als einer Körperbewegungseinheit festgehalten. Der Aspekt der Steuerung eines Kausalprozesses ermöglicht zwar, die Einheit des Körperverhaltens nach Sinnaspekten klarer zu bestimmen.18 Letztlich wird aber die Vorstellung von der Handlung als Körperverhalten durch das Element der Steuerung nur ergänzt. Die Auffassung der Handlung als einer Sequenz von psychischen und physischen Ereignissen wird nicht vollständig überwunden. Der Begriff der Handlung als Ergebnis der Zurechnung geht demgegenüber primär vom funktionalen Aspekt aus, dass vermittels der Handlung eine Veränderung einer Person zugerechnet wird. Der gegenständliche Aspekt wird darauf bezogen, also sekundär gesetzt. Er liegt einerseits in der Beziehung auf zurechenbare Veränderungen,19 andererseits in einem zurechnungsbegründenden Körperverhalten.20 Die Rolle des Körperverhaltens wird wiederum funktional gedeutet – zum einen bezogen auf die Begründung der Kontingenz des Zurechnungsgegenstands21 und zum anderen auf die Festlegung einer zurechnungsbegründenden Intention.22 Weil das Sich-Ereignende somit nicht als definierendes Merkmal der Handlung gesetzt wird, kann das Zurechnungskonzept erklären, dass einerseits das Nichtstattfinden einer Veränderung Zurechnungsgegenstand23 und andererseits auch eine Unterlassung Handlung sein kann, obgleich die Zurechnung bei dieser an ein nicht ausgeführtes Körperverhalten anknüpft.24 16  C.I.

17  B.V.2.

18  B.III.3.e). 19  C.II.

20  C.II.1.

21  C.III.1.

22  C.IV.2.d). 23  C.II.2.

24  C.II.3.,

C.III.1., C.V.5.



D. Schlussbetrachtung205

Eine komplexere Theorie eines Gegenstands kann zumeist mehr erklären als einfache Modelle und Vorstellungen. So kann das Zurechnungsmodell die Einheit von normativ und nicht normativ definierten Handlungsbegriffen darstellen ebenso wie diejenige von Handlungen durch Tun und Unterlassen. Aber auch einzelne Voraussetzungen der handlungsbegründenden Zurechnung können mit seiner Hilfe besser gedeutet werden. Die Ablösung vom scheinbar Vorgegebenen, Sich-Ereignenden ermöglicht zu fragen, inwieweit die Kausalität für die Handlungskonstitution bedeutsam ist oder warum und wie Intention und / oder Norm die Zurechnung begründen können. Es genügt hier nicht zu behaupten, dass die Handlung eine vorgegebene Tatsache sei. Vielmehr muss die Deutung der Kausalität und der Intention aus dem Zweck bzw. der Funktionalität der Zurechnung heraus entwickelt und verstanden werden. So ist die Kausalität auf die Zurechnungsvoraussetzung der Kontingenz bezogen: Der Zurechnungsgegenstand muss in Abhängigkeit von der Kontingenz des Körperverhaltens als kontingent erscheinen.25 Die Forderung, dass das Körperverhalten condicio sine qua non der Veränderung sein müsse, geht demgegenüber zu weit. Das belegen schon die anerkannten Ausnahmen von dieser Forderung.26 Vielmehr ist Mindestvoraussetzung der Zurechnung ­lediglich, dass die Kontingenz des Körperverhaltens, d. h. die Möglichkeit eines alternativen Verhaltens, die Kontingenz des Zurechnungsgegenstands bedingt. Diese Voraussetzung trifft gleichermaßen auf Handlungen durch Tun wie Unterlassen zu. Gleichsam die gesamte Handlung in allen ihren „Bestandteilen“ muss als kontingent erscheinen. Der dabei vorausgesetzte Begriff der Freiheit wird im Wesentlichen negativ definiert, insbesondere als Abwesenheit von physisch unwiderstehlichem Zwang.27 Ebenfalls aus der Zurechnungsfunktion von Handlungen erklärt sich, dass allein eine Intention und / oder eine Norm die Zurechnung begründen können. Nur diese sind auf eine Weltgestaltung durch das Handeln des Zurechnungssubjekts gerichtet. Deshalb können sie die Zuordnung desjenigen Weltaspekts, welcher der Intention entspricht bzw. der Norm widerspricht, auf diejenige Person begründen, welche die Intention setzt bzw. an welche die Norm adressiert ist.28 Gerade der quasi-normative Sinn der Intention rechtfertigt die Zurechnung; nicht etwa die Gleichzeitigkeit oder gegenständlichen Einheit von psychischer Aktivität und Körperverhalten. Letzteres ist nur insofern von Bedeutung, als es eine Intention festlegt.

25  C.III.1.

26  C.III.3. / 4. 27  C.III.1.3. 28  C.IV.1.

206

D. Schlussbetrachtung

Diese Begründungslogik hat zur Folge, dass der Begriff der Intention bzw. des Vorsatzes übereinstimmend mit der finalen Lehre von der Absicht her zu verstehen ist, da sie die klare Form weltgestaltender Orientierung ist. Aus der Parallelität von Intention und Norm erhellt darüber hinaus, dass eine gegenüber dem Erfolg indifferente Einstellung wie bei den Vorsatzarten der Wissentlichkeit und des dolus eventualis eine Zurechnung begründen kann. Als Formen der Intention entsprechen sie der Erlaubnis als Form der Norm.29 5. Aus der zwischen intentionsbegründeter und normativer Zurechnung unterscheidenden Begründungslogik folgt, dass eine bloß normative, bloß intentionale und eine kombiniert normativ-intentionale Zurechnung möglich sind. Sie konstituieren jeweils unterschiedliche Handlungsarten. Normative und intentionsbegründete Zurechnung beziehen sich dabei je spezifisch aufeinander: Eine normativ-verbotsbezogene Zurechnung geht von Verboten intentionaler Handlungen aus. Es wird in einem logisch ersten Schritt inten­ tionsbegründet, dann normativ zugerechnet.30 Falls die Intention fehlt, wird die Zurechnung über ergänzende Verbote oder Gebote begründet.31 Demgegenüber begründet bei einer gebotsbezogenen Zurechnung, also bei einer Handlung durch Unterlassen, die Kenntnis der Situation und der Handlungsmöglichkeit noch keine intentionale Zurechnung. Der für die Intention wesentliche Gestaltungssinn setzt die Kenntnis des Gebots voraus.32 Die Intention erweist sich dabei als der stärkere, primäre Zurechnungsgrund, da auch die Norm sich direkt oder indirekt auf intentionale Handlungen oder zumindest auf die Situations- und Möglichkeitskenntnis des Handelnden beziehen muss. Eine nichtintentionale normative Zurechnung ist schwächer begründet. Dementsprechend wird die fahrlässige gegenüber der vorsätzlichen Handlung als geringeres Unrecht bewertet. Sowohl Intention als auch Norm sind schließlich als Sinnsetzungen auf eine sinnverstehende Beobachtung angewiesen. Da die Handlung ein sinnhaft konstituierter Gegenstand ist, kann sie nicht der Beobachtung als solche vorgegeben sein.33 Beobachtung ist auch die Selbstreflexion des Handlungssubjekts, die in der Selbstzurechnung von Handlungen vorausgesetzt ist. Aufgrund dieser Abhängigkeit von einer Beobachtung muss die Handlung durch diese mitdefiniert werden, wie es im Begriff der Zurechnung geschieht. Die alte Zurechnungslehre hatte die soziale Dimension somit begrifflich verankert. Die mit der kausalen Lehre einsetzende „Naturalisierung“ der 29  C.IV.2. 30  C.V.2. 31  C.V.4. 32  C.V.5. 33  C.I.



D. Schlussbetrachtung207

Handlung, ihre Auffassung als ein quasi natürlicher, vorgegebener Gegenstand, machte es dann erforderlich, die zunächst ausgeblendeten Aspekte – Sinn, Sozialität, Intentionalität, Normorientierung – wieder einzuholen, ohne sie aber in den begrifflichen Rahmen und ein theoretisches Modell der Handlung stimmig integrieren zu können. 6.  Die mit dem Zurechnungsbegriff verbundene handlungs- und normentheoretische Begründung der Straftatsystematik hat keineswegs nur analytisch-formalen Charakter. Die theoretische Analyse interessiert sich zwar primär für die modellhafte Beschreibung einer gegebenen Praxis und macht sie dadurch verstehbar. Die Beschreibung von Zurechnungserfordernissen deckt aber zugleich materielle Erwägungen auf, die aus der normativ-strafrechtlichen Perspektive aufgenommen werden können. So ist die Straftatlehre eine Ordnung von Urteilsvoraussetzungen, in deren Ergebnis eine Handlung bestimmter Art konstituiert und ein Handlungsergebnis zugerechnet wird. Die Zurechnung ist ein Urteil, das gegenüber dem Handelnden begründet werden muss. Aus diesem Ansatzpunkt folgt zum einen, dass der äußere Aspekt bzw. der Erfolg für eine Straftat zentral ist und zum anderen, dass die Zurechnungsgründe eine sinnhaft-inhaltliche Verbindung zwischen Person und Veränderung herstellen müssen, wie sie in der weltgestaltenden Orientierung von Intention und Norm gegeben ist. Die allgemeinen Merkmale des Tatbestands – Erfolgseintritt, „Kausalität“, Vorsatz – sind auf die Begründung der Zurechnung bezogen. Entsprechendes gilt für das Fahrlässigkeitsdelikt: Wegen fehlender Intention muss hier die Zurechnung durch die Behauptung begründet werden, dass das rechtliche Handlungsprogramm insgesamt geeignet war, den Erfolg zu verhindern.34 Das macht die Zuordnung des Erfolgs an den Adressaten dieses Handlungsprogramms plausibel. Die Legitimation von Zurechnungsurteilen ist der Leitgesichtspunkt einer handlungs- und normentheoretischen Betrachtung der Straftat; eine Deutung jener Merkmale allein unter Strafzweckgesichtspunkten wäre demgegenüber verfehlt. Diesen Ansatzpunkt müssen allerdings Konzepte verfolgen, die den Erfolgseintritt oder den darauf bezogenen Vorsatz nicht als Voraussetzungen der Handlung verstehen. So kann die Erfolgszurechnung auch beim vorsätzlichen Begehungsdelikt ohne Rücksicht auf einen gegebenen Vorsatz allein objektiv begründet werden.35 Der Erfolgsvorsatz muss dann strafzweckbezogen auf den Aspekt erhöhter Strafbedürftigkeit hin gedeutet werden. Das missachtet aber die Perspektive des Handelnden. Dieser wird ein erfolgsbezogenes Verbot zuerst 34  C.V.4.f).

35  Dagegen,

zum Begriff der Fahrlässigkeit C.V.4.g).

208

D. Schlussbetrachtung

als das Verbot einer entsprechenden erfolgsdefinierten Handlung verstehen und erst sekundär als Verbot, den Erfolg durch Handlungen nichtintentional zu verursachen. Dementsprechend stützt sich auch in der Beurteilung die Zurechnung primär auf die Intention des Handelnden und greift auf die schwächere Zurechnungsbegründung qua Fahrlässigkeit nur hilfsweise zurück. Ferner hat es nicht an entgegengesetzten subjektivierenden Konzepten gefehlt, die dem Erfolgseintritt die Relevanz für die tatbestandliche Handlung und das Unrecht absprachen.36 Dann kann wiederum nur durch ein erhöhtes Strafbedürfnis erklärt werden, dass er vom Strafgesetz berücksichtigt wird. Ausschließlich den Versuch als verboten anzusehen, verkennt aber den nur abgeleiteten Charakter des Versuchsverbots. Es ist auch deshalb widersprüchlich, weil offenbar das Verbot des Versuchs sich darauf richtet, die versuchte Handlung zu unterbinden. Da beim Versuch anders als bei der Handlung kein Erfolg zugerechnet wird, ist es auch unkorrekt, die Handlung mit deren Versuch einfach gleichbedeutend zu setzen. Aus der Sicht von Präventionsbedürfnissen mögen Versuch und Vollendung einer Handlung gleichermaßen strafbedürftig erscheinen. Demgegenüber zielt die Vergeltung auf einen eingetretenen Erfolg. Vielleicht deshalb hat bereits die natur- und vernunftrechtliche Rechtslehre den Gedanken der Zurechnung formulieren können. Dieser ist nicht nur für die Normen-, sondern für die gesamte Handlungstheorie wegweisend.

36  B.II.4.,

B.III.2.e).

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Sachwortregister Absicht siehe Vorsatz Adäquanztheorie  85 ff. Akzessorietät (Verhaltensnormen)  47 Äquivalenztheorie siehe Bedingungs­ theorie Ausführungs- bzw. Anknüpfungshandlung  76 ff., 80 f., 131, 133, 137, 175 Auslegung von Normen  57 f., 171, 175 –– siehe auch Subsumtion Basishandlung siehe Handlung Bedingungs- oder Äquivalenztheorie (Kausalität)  73, 82 f., 93, 140 ff. –– alternative Kausalität  141, 145, 148 f., 151, 153 –– Ersatzursachen  143 ff. –– Gremienproblem  152 f. –– Handlungen anderer, „psychische Kausalität“ 146 f. –– kumulative Kausalität  149 ff., 151 ff. –– Lehre von der hinreichenden Mindestbedingung (Puppe)  142 f., 145, 148, 150, 152, 153 –– Vereiteln rettender Verläufe  141 f., 145 Begriff –– Bildung eines Oberbegriffs  41, 45, 66, 71 f., 124, 129 –– Funktions- vs. Substanzbegriff  129, 131 –– konkret-allgemeiner Begriff, Typus­ begriff  117 f., 164, 191 –– Relationsbegriff  80, 130 ff. –– siehe auch Handlungstheorie, -modell Bestimmung und Bewertung siehe Norm Beteiligung –– Anstiftung  147 f. –– Mittäterschaft  153 f.

–– mittelbare Täterschaft  84, 141, 147 f. –– siehe Zurechnung, über das Handeln anderer vermittelte Betrug (als Beispiel für tatbestandliche Handlungen)  46, 57, 77, 170 ff., 175, 176, 177 Bewertung  161, 189 Delikt siehe Straftat –– eigenhändiges  75 Eignung (Gefährlichkeit)  81, 86, 89, 95, 176 Entscheidungen der Rechtsprechung –– Apothekerfall (RGSt 15, 151)  82, 180, 183, 184, 187 –– Lederriemenfall (BGHSt 7, 363)  160 ff. –– Logenschließerfall (RGSt 34, 91)  83, 99 f. –– Öhmdfall (RGSt 75, 49)  194 –– Politbürofall (BGHSt 48, 77)  151 f. –– Referendarfall (BGHSt 13, 13)  147 –– Ziegenhaarfall (RGSt 63, 211)  182, 184 Erfolg –– als Bestandteil der Handlung bzw. Gegenstand des Verbots  30 f., 50, 52, 53 f., 67, 68, 69 f., 72 ff., 97 ff., 100 f., 101 ff., 130, 131, 208 –– Definition durch Ort und Zeit vs. Art der Verursachung  144, 145, 150 f. –– Begriff  74 ff., 76 –– siehe auch Handlungsart, erfolgs­ definierte; Handlungsergebnis Erfolgsdelikt siehe Handlung, erfolgs­ definierte Erlaubnis siehe Rechtfertigung

Sachwortregister223 Fahrlässigkeit –– Begriff  190 ff. –– bewusste/unbewusste  123, 180, 184, 190 –– Fahrlässigkeitsdelikt  24, 44, 47, 49 f., 87, 90, 94 ff., 106 ff., 111 f., 113, 120, 156, 178–192, 193 ff., 202, 206, 207 –– genereller oder individualisierter Maßstab  88, 107 Fehler –– der unzutreffenden Konkretheit  16, 35 –– der unzutreffenden Verallgemeinerung  16, 120 Freiheit, 136 f., 155, 205 siehe Kontingenz Gefahr als Gegenstand von Norm bzw. Vorsatz  50, 53 f. Handeln  68 ff. Handlung –– Abgrenzungsfunktion  67, 118, 137, 166, 168 f. –– als Ereignis  127, 129, 130, 132, 204 –– Basishandlung  78 f., 131 –– Begriff  11, 55, 121, 196; siehe auch Begriff –– Beschreibungs- und Interpretationsabhängigkeit  70, 79 f., 110, 116, 133 f., 167, 169 f. –– Definition als Körperverhalten  15 f., 33 f., 41, 53 f., 66 ff., 69 ff., 119, 127, 130, 142, 193, 204 ff. siehe auch Körperverhalten –– Definition durch die Zurechnung  14 f., 20, 118, 124 f., 128, 131 f., 154, 203 f. siehe Zurechnung –– durch Unterlassen siehe Unterlassung –– funktionsbezogene Definition, soziale/ praktische Bedeutung  14 ff., 84 f., 115 f., 121, 129 f., 156, 203 f. –– Handlungsmerkmale (bzw. -elemente) und Handlungsumstände  41 ff., 45 f., 60, 134

–– Identität einer Handlung  131 f.,133 f., 175 Handlung/Handlungsart, erfolgs­ definierte  30, 74 ff., 76, 80 f., 87, 98, 175 –– siehe auch Erfolg Handlung/Handlungsart, verbotsgegenständliche  16 f., 26, 31, 38 f., 44 ff., 48 ff., 55, 203 –– als Grundbegriff des Verbrechens­ systems  27, 33, 66 ff., 94, 96, 110 f., 202 –– nichtnormativer Charakter  17, 27 ff., 38, 55 ff., 58 f., 88, 93 –– siehe auch Tatbestand, tatbestandliche Handlungsart Handlungsergebnis (und -folge)  74, 78 f., 130 siehe auch Erfolg Handlungsgrund  61 f., 110, 157 f. Handlungslehre, strafrechtliche –– deren Besonderheit  11, 16 f., 19, 20, 26 f., 30 f., 33, 38, 93, 94, 99, 125 f. –– finale  13, 72 f., 91 ff., 113 f., 119, 120, 121, 125, 140, 142, 158, 202 f., 204 –– Funktionalisierung des Handlungs­ begriffs für die Dogmatik  119 f., 202 –– Handlung als Grund-, Verbindungsund Grenzelement im Straftatsystem  118 ff., 126 –– Hegelianer  92, 122 f., 126, 202 f. –– kausale  13, 32 ff., 66 f., 71 ff., 113 f., 114 ff., 140, 142, 200, 206 f. –– kausale und finale (Gemeinsamkeiten und Gegensatz)  16 f., 20, 26, 31 f., 36, 37, 40, 193 –– Kindhäuser  15, 78 ff., 110 ff., 132, 158 f. –– Jakobs  15., 106 ff., 123 f., 167 f., 201 f. –– personale  12,14 f., 116 ff., 122 –– soziale  12, 35, 84 f., 116, 122 –– und Normentheorie  19, 26, 36, 120 –– Verhältnis zur Handlungstheorie  11, 13, 19, 36 f., 112, 114, 121, 122, 204, 207

224 Sachwortregister Handlungstheorie –– Handlungsmodell  15 f., 17, 78, 80, 127, 130 f., 205 –– philosophische, soziologische  15, 36 f., 78 f., 84, 92, 115 f., 135, 207 Handlungs- und Erfolgsunrecht  76 f. imputatio facti/iuris siehe Zurechnung Intention  35, 110 ff., 157 ff. –– Begriff  157, 162 f. –– Verbindlichkeit der Intention  164 ff., 196 –– Wille und Intention, Ursächlichkeit für das Körperverhalten  32 f., 110, 154, 157, 165 –– Zuschreibung der Intention  167 f. –– siehe Vorsatz, finale Handlungslehre, Zurechnungsgrund Kausaldogma  73, 142 f. Kausalität  73, 83 f., 139 ff., 144, 152, 205 –– siehe auch Bedingungstheorie, Unterlassen Kenntnis, gebotene  100, 181 ff., 185 f., 190, 194 –– gebotene Aufmerksamkeit  50, 183, 194 –– gebotenes Wissen  182, 183 –– Gebot der Vorsorge bei Unkenntnis  182 –– Nachforschungs- bzw. Aufklärungs­ gebot (kenntnisbezogene Normen)  181, 182, 183 ff., 194 Kommunikation  135, 165 Körperbewegung/-verhalten, willkür­ liches –– als Handlung  20, 66 ff., 69 f., 79 f., 84, 99, 102, 103, 131, 136 f., 157, 168 f. –– Bedeutung für die Handlung  16, 71, 131, 136, 137 f., 157, 164 ff., 204 –– Willkürlichkeit  137 –– siehe Handlung, Definition als Körperverhalten

Konkretisierung siehe Auslegung Kontingenz, Kontingenzvoraussetzung  136 ff., 205 –– Begriff der Kontingenz  138 f. –– Kontingenz des Körperverhaltens  136 f., 166 –– Kontingenz- vs. Existenzbedingung  141, 144 f., 148 f. –– Kontingenzverknüpfung  136, 137 f., 139 ff. (insbes. 141 f., 145 f., 147, 149), 205 –– siehe auch Bedingungstheorie Metaregel  187 f. Norm (Verbot, Gebot) –– bedingte Norm  102, 185 –– Begriff  138, 159 f., 163, 164, 185 f. –– bei Binding  49 f. –– bei Kaufmann  97 ff. –– bei Frisch  51, 191 –– bei Kindhäuser  111 f., 158 f. –– Bestimmungs- und Bewertungsnorm bzw. -funktion  23, 104 f., 188 ff. –– Eignung der Norm  174, 180, 181, 185 f., 186 f., 188 f. –– Gegenstand der Norm  95 f., 101 ff., 111 siehe auch Handlung, verbots­ gegenständliche; Handlungslehre, strafrechtliche –– generelle und singuläre Norm  171 ff., 187 f. –– Norm und Pflicht  61, 100, 112, 173, 188 –– ohne-zu-Bedingung eines Verbots (komplementäres Verbot)  100, 181, 182, 184 –– spezifisch (straf-)rechtlicher Charakter  25, 47, 49 –– Verbotsbestandteile ohne Intentions­ bezug  99 ff., 178, 180 ff. –– Verursachungsverbot  36, 50, 96, 108, 111 f., 120, 158 f., 178 ff., 183, 187 –– Zurechnungsregeln als Normbestandteil  187 ff.

Sachwortregister225 –– siehe Handlung, verbotsgegenständ­ liche –– siehe Zurechnungsgrund, Norm­ verstoß Normableitung, teleologische/praktische  19, 31, 46 f., 80 f., 87, 103 ff., 175 ff., 191 f., 201 –– Pflichtwidrigkeitszusammenhang („Kausalität der Fahrlässigkeit“)  152, 179 f. –– Risiko, erlaubtes/unerlaubtes, 13, 89 f., 94, 109, 156, 176, 184 –– Schutzzweckzusammenhang  149, 152, 177 –– siehe Zurechnung, objektive Normentheorie  19, 120 Obliegenheiten  185 Persönlichkeitsäußerung siehe Handlungslehre, personale Pflicht siehe Norm Pflichtwidrigkeitszusammenhang siehe Normableitung, teleologische Rechtfertigung, Erlaubnis  43, 46, 59–65, 159 f., 161, 162 Rechtswidrigkeit  23, 27, 43, 49 f., 88, 90, 189 Regressverbot  83 f. Risiko, erlaubtes/unerlaubtes siehe Normableitung, teleologische Schuld  23 –– als Vorwerfbarkeit  91 f. –– psychologischer Schuldbegriff  35 f., 49 f., 88 Schuldtheorie  93, 174 siehe Vorsatz (Unrechtsbewusstsein) Schutzzweckzusammenhang siehe Normableitung, teleologische Schwangerschaftsabbruch (als Beispiel einer tatbestandlichen Handlungsart)  41 ff., 45 f. Sinn (Handlungssinn)  33 ff., 45, 91, 127, 135, 154 f.

–– objektive vs. subjektive Bestimmung  107 f., 116 ff., 127, 202 –– siehe Zurechnungsgrund Sorgfaltspflicht  96, 106, 109 Sozialadäquanz  93 f. siehe Risiko, unerlaubtes Strafe  106 Straftat –– als Handlungsart  11, 13, 17, 30, 56, 84, 92 f., 122 ff., 126, 156, 200, 202 f. –– Definition  38, 44 –– Unterscheidung Delikt/Verbrechen bei Binding  49 f., 52 Strafzweckorientierung  13 f., 50 ff., 207 f. Subsumtion  22, 58, 172, 175 Supererogation  20, 155 Tätigkeitsdelikt  74 f. Tat –– und Handlung  22, 32, 39, 67 f., 123, 126 –– siehe Tatbestand Tatbestand  27 f., 38 ff., 49, 51, 63 f., 65, 119 –– als Grundbegriff der Deliktsdefinition  44, 106, 119 ff., 126 –– beim Unterlassungsdelikt  38, 44, 46 f. –– Gesamtunrechtstatbestand  27 f., 61, 65 –– Handlungstatbestand (normgegenstandsbezogener Begriff)  42, 44 ff., 49, 64, 119, 156, 177 –– Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen  60 ff., 64 –– rechtstheoretischer Begriff  43, 51 –– tatbestandliche Handlungsart  38 ff., 54, 55, 77, 81, 122, 126, 177 –– normative Prägung  56 f., 59, 88 –– normative Tatbestandmerkmale  56, 125 –– restriktiver Tatbegriff  83 f. –– Tatbestandsmerkmale  12, 40 f., 48, 60, 63

226 Sachwortregister –– Unrechtstatbestand  42 f., 44 f., 63 f., 65, 177 –– Wertfreiheit  55 ff., 59, 64 f. siehe auch Handlung, verbotsgegenständ­ liche, nichtnormativer Charakter ultra-posse-Prinzip  23, 109 f., 185 f. Unrecht siehe Rechtswidrigkeit Unrechtsbewusstsein siehe Vorsatz Unterlassung –– als Handlung (durch Unterlassen)  129, 132, 135 f., 138, 140, 192 ff., 197 –– kausale/finale Lehre  33, 70 f. –– Kausalität/Kontingenzverknüpfung  138, 140 f., 143, 151 ff. –– Unterlassungsdelikt, echtes/unechtes  81, 177, 192–199 –– siehe auch Tatbestand; Vorsatz beim Unterlassungsdelikt Veränderung siehe Zurechnungsgegenstand Verbot siehe Norm –– erfolgsvoraussetzendes siehe Handlungsart, erfolgsdefinierte Verbotsirrtum siehe Vorsatz und Unrechtsbewusstsein Verbrechen siehe Straftat Verhalten  12, 111 f. –– tatbestandsmäßiges (Frisch)  50 ff. Verhaltensnormen siehe Norm Vermeidbarkeit  13, 17, 24, 95 f., 106 ff., 111, 156, 159 siehe auch Adäquanztheorie Versuch (einer Handlung)  74, 98, 104 f., 166, 208 –– Rücktritt vom Versuch  166 Vertrauen  162 Verursachungsverbot siehe Norm Vorhersehbarkeit siehe Vermeidbarkeit Vorsatz  13, 35 f., 40, 45 f., 50, 52, 53, 91 f., 93, 107 f., 113 f., 157–164, 166, 191 f., 206, 207 f. –– Absicht  110, 157–164

–– beim Unterlassungsdelikt  198 f., 206 –– error in persona vel objecto  134 –– Inkaufnehmen („dolus directus  2. Grades“ – Wissentlichkeit – und dolus eventualis)  91, 110, 157–164, 206 –– Kognitivistische Vorsatzauffassung  158 f., 159, 164 –– Normativierung (dolus indirectus)  167 f. –– Vorsatz und Unrechtsbewusstsein, dolus malus  125, 174, 192, 198 f. –– siehe Intention, Zurechnungsgrund Vorsatzdelikt –– Verhältnis zum Fahrlässigkeitsdelikt  13, 97 f., 100 f., 191f. –– Vorsätzliches Begehungsdelikt  155 f., 173 ff., 184 –– siehe auch Unterlassungsdelikt Wille siehe Intention Zurechnender/Beobachter  21, 128, 206 –– Selbstbeobachtung/-zurechnung  15, 166, 167, 206 Zurechnung –– Begriff und Funktion  11, 14, 20, 22, 36, 52, 80, 115, 117 f., 128, 131 f., 156, 203f., 206 ff. –– bei Kelsen  24 f., 128 f. –– imputatio facti/iuris  22 f., 26 f., 169 f., 171 f. –– nicht- bzw. vornormative  22, 26, 90 f., 154 ff., 169 f., 170, 192, 193 –– normative, 15, 20 f., 22 ff., 26, 28, 36, 58 f., 105, 154 ff., 162, 169–199 –– objektive  13, 22, 88 ff., 109, 114, 116, 121, 156, 159, 176 f., 200 ff. –– ordentliche/außerordentliche  24 –– retrospektiver Charakter  31, 54, 74, 129 –– über Handlungen anderer vermittelte  133, 141, 142, 146 ff., 150 f. –– Zurechnung und Zuschreibung  167 f. –– siehe Handlung, Zurechnungsgrund

Sachwortregister227 Zurechnungsgegenstand  21, 31, 98, 128, 129, 130 ff. –– Körperverhalten  130 f. –– Veränderungen/deren Ausbleiben  132 ff., 135 f. –– Zustand  128, 133, 197 Zurechnungsgrund –– Intention allein  155, 193, 196 f., 202 f. siehe Intention –– Kontingenzannahme  136, 143, 192 f.

–– Limitierung der Gründe  17, 118, 129 –– Normverstoß allein  156, 178 ff., 193, 203 siehe Norm; Zurechnung, normative –– Norm(verstoß) und Intention  20 f., 121 f., 124 f., 127, 130, 136 f., 154 ff., 173 f., 192, 193 ff., 197 ff., 203, 205, 206 ff. Zurechnungsregel  183, 186–190, 194 Zurechnungssubjekt  21, 128, 167 Zuschreibung siehe Intention