Warum zitieren frühchristliche Autoren pagane Texte?: Zur Entstehung Und Ausformung Einer Literarischen Tradition 3110430967, 9783110430967

Das Zitieren der äußeren (paganen) Tradition ist für das frühchristliche Schrifttum nicht selbstverständlich. Zitate aus

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Warum zitieren frühchristliche Autoren pagane Texte?: Zur Entstehung Und Ausformung Einer Literarischen Tradition
 3110430967, 9783110430967

Table of contents :
Inhalt
1 Hinführung
1.1 Zum Thema der Abhandlung
1.1.1 Allgemeine Bemerkungen und Grundfragestellung
1.1.2 Umfang des Stoffes und terminologische Bezeichnungen
1.1.3 Vorbemerkung zu eventuellen paganen Vorläufern
1.1.4 Chronologische Einschränkungen
1.2 Zur Problemgeschichte
1.2.1 Pagane Zitate in der christlichen Literatur des 2. Jh.s und in späteren Werken
1.2.2 Pagane Zitate im Neuen Testament
1.2.3 Pagane Zitate in der jüdisch-hellenistischen Literatur
1.2.4 „Theoretische“ Rahmung („Ko-Text“) der Zitate
1.3 Die Aufgaben der vorliegenden Untersuchung
2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur
2.1 Historische Wurzeln der jüdisch-hellenistischen Propaganda: ein geschichtlicher Rückblick
2.2 Klassifikation der Texte
2.3 Jüdisch-hellenistische Texte, die Zitate aus den Schriften paganer Tradition enthalten
2.3.1 Aristobulos (Fragmente des Tora-Kommentars)
2.3.2 Das Problem des Zitierens in anderen jüdisch-hellenistischen Texten des 2.–1. Jh. v.Chr
2.3.2.1 Die „Siebener-Verse“
2.3.2.2 Der Pseudo-Hekatäus-Traktat
2.3.2.3 Ein jüdisch-hellenistischer Traktat in der pseudo-justinischen Schrift „De monarchia“
2.3.2.4 Das Zitieren in den „Siebener-Versen“, dem Pseudo-Hekatäus-Traktat und dem jüdischen Traktat, benutzt in Justins „De monarchia“, im Vergleich zu Aristobulos
2.3.3 Pagane Zitate bei Philo von Alexandrien
2.3.4 Pagane Zitate bei Flavius Josephus
2.3.5 Zusammenfassung
2.4 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen
2.4.1 Der Aristeasbrief
2.4.2 Artapanos
2.4.3 Das Dritte Makkabäerbuch
2.4.4 Das Vierte Makkabäerbuch
2.4.5 Das Zweite Makkabäerbuch
2.4.6 Das Weisheitsbuch Salomos
2.4.7 Fazit
2.5 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf den Werken der außerbiblischen Tradition beruhen (Imitationen)
2.5.1 Der Aristeasbrief (187–300)
2.5.2 Philo der Ältere, Theodotos, Hesekiel der Tragiker
2.5.3 „Sibyllinische Weissagungen“
2.5.4 Pseudo-Phokylides
2.5.5 Die unechten Vers-Fragmente
2.5.6 Fazit
2.6 Zusammenfassung
3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament
3.1 Eine Sammlung relevanter Texte
3.1.1 Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte
3.1.1.1 Die Areopagrede (Apg 17,28)
3.1.1.2 Die Miletrede (Apg 20,35)
3.1.1.3 Die Rede vor Festus und Agrippa (Apg 26,14)
3.1.1.4 Anspielungen auf pagane Texte in der Apostelgeschichte
3.1.2 Zitate und Anspielungen in den Paulusbriefen und in den mit ihnen korrelierenden Texten
3.1.2.1 1 Kor 15,33
3.1.2.2 Tit 1,12 f
3.1.2.3 Jak 1,16 f
3.1.2.4 1 Kor 5,6 (= Gal 5,9)
3.1.2.5 Anspielungen bei Paulus
3.2 Analyse der relevanten Texte
3.2.1 Areopagrede (Apg 17)
3.2.1.1 Der Gesamtzusammenhang der Areopagrede
3.2.1.2 „Griechisches“, „Jüdisches“ und „Christliches“ in der Areopagrede
3.2.1.3 Die Areopagrede und der historische Paulus
3.2.1.4 Die Areopagrede und Zeugnisse der pagan-griechischen Literatur von dem Judentum
3.2.1.5 Die Zitate aus „Pseudo-Epimenides“ in der Areopagrede
3.2.1.6 Ertrag
3.2.2 Lukas und Thukydides (Apg 20,35)
3.2.3 Lukas und Euripides (Apg 26,14)
3.2.3.1 Die „Bakchen“ des Euripides in der Apg und in der jüdisch-hellenistischen Literatur
3.2.3.2 Theomachie und „Unkenntnis Gottes“ in der Apostelgeschichte
3.2.3.3 Eine weitere Referenz in Apg 26,14?
3.2.4 Das Zitieren in paränetischen Zusammenhängen (µ? p?a??s?e)
3.2.4.1 Gal 6,7 – ein weiteres metrisches Zitat bei Paulus?
3.2.4.2 Die Zusammenhänge von µ? p?a??s?e (1 Kor 15,33; Gal 6,7; Jak 1,16 f.; 1 Kor 6,9 f.)
3.2.4.3 ?? p?a??s?e in jüdisch-hellenistischen Schriften und im NT
3.2.4.4 Jak 1,17 – eine weitere Parallele in der jüdisch-hellenistischen Literatur?
3.2.5 Sonstige Zitate und Anspielungen im 1 Kor und im Gal
3.2.6 Zitat in Tit 1,12
3.3 Versuch einer Datensynthese
3.3.1 Paulus und Lukas
3.3.1.1 Was ist allen paganen Zitaten im Neuen Testament gemeinsam?
3.3.1.2 Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in den echten Paulusbriefen?
3.3.1.3 Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte?
3.3.1.4 Was ist von den Besonderheiten in Tit und Jak zu sagen?
3.3.2 Die Beziehung des NT-Zitierens zur jüdisch-hellenistischen Tradition
3.3.2.1 Propaganda und Paränese
3.3.2.2 Das Verhältnis der NT-Zitate zu den jüdisch-hellenistischen Texten
3.3.2.3 Konsenstheorie im Neuen Testament
3.4 Zusammenfassung
4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums bis Clemens von Alexandrien
4.1 Vorbemerkungen
4.2 Spärlicher Gebrauch der paganen Tradition in den Werken der „apostolischen Väter“ und frühen Apokryphen
4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)
4.3.1 Die „Apologie“ des Aristides
4.3.2 Das pagane Zitieren bei Justin und seine theoretische Begründung
4.3.3 Das pagane Zitieren bei Tatian und seine theoretische Begründung
4.3.4 Athenagoras: Tradition und Innovationen
4.3.5 Zitate und Prioritätstheorie bei Theophilos
4.3.6 Zitate im „Protreptikos“ des Clemens von Alexandrien
4.3.7 Zitate und Anspielungen in kleineren apologetischen Traktaten
4.3.7.1 „Die Ermahnung der Griechen“
3.3.7.2 „Über die Monarchie“
4.3.7.3 „Die Verspottung der äußeren Philosophen“ von Hermias
4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2.–3. Jh.s
4.4.1 Zitate bei Irenäus
4.4.2 Zitate bei Hippolyt
4.4.3 Zitate in der antignostischen Polemik und die Traditionen der Paränese und der Apologetik
4.4.4 Bemerkungen zum paganen Zitieren in den gnostischen Schriften (Zeugnisse Hippolyts und der Texte aus Nag Hammadi)
4.4.5 Paganes Schrifttum als „Niveau Null“ in der jüdischen antichristlichen Polemik: Bemerkungun zum Zitieren der paganen Schriften in den beiden ersten Büchern des „Gegen Kelsos“ von Origenes
4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt der christlichen Tradition und der Theorie des „paganen Zitierens“
4.5.1 Gnosis und griechische Philosophie in der apologetischen Literatur und in den „Stromata“
4.5.2 Theoretische Begründung des Zitierens der paganen Texte in den „Stromata“
4.5.3 Praktische Benutzung der Zitate in den „Stromata“
4.5.4 Fazit
4.5.5 Nachtrag: Zitate im „Paidagogos“ von Clemens
4.6 Das Zitieren der paganen Texte in der christlichen Literatur des 3. bis 5. Jh.s (kurze Übersicht)
4.7 Zusammenfassung
5 Allgemeine Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Quellen
Hilfsmittel: Bibliographien, Wörterbücher und Lexika
Sekundärliteratur
Stellenregister

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Vadim Wittkowsky Warum zitieren frühchristliche Autoren pagane Texte?

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft

Herausgegeben von Carl R. Holladay, Matthias Konradt, Hermann Lichtenberger, Judith Lieu, Jens Schröter und Gregory E. Sterling

Band 218

Vadim Wittkowsky

Warum zitieren frühchristliche Autoren pagane Texte? Zur Entstehung und Ausformung einer literarischen Tradition

ISBN 978-3-11-043096-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042913-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042926-8 ISSN 0171-6441 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die von der Philologischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität im Dezember 2005 als Promotionsleistung angenommen wurde. An dieser Stelle möchte ich meine Dankbarkeit gegenüber allen zum Ausdruck bringen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Mein Dank gilt vor allem den vielen Kolleginnen und Kollegen, die am kompliziert gestalteten Promotionsverfahren in Moskau beteiligt waren. Stellvertretend für sie alle sei der Erstgutachter Prof. Dr. Jurij Schitschalin (Moskau) genannt, der viele Jahre davor mich als erster in die Welt der Antike und das Fach Klassische Philologie eingeführt hatte. Dass die Monographie überhaupt geschrieben werden konnte, verdanke ich in erster Linie meinem Aufenthalt am Institut für Christentum und Antike der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (2004). Dessen Leiter Prof. Dr. Cilliers Breytenbach hat mich dann auch als Gastgeber bei meinem ersten längeren Forschungsaufenthalt in Deutschland (2007– 08) unterstützt, der dankenswerterweise durch ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert wurde. Eine wichtige Vervollständigung der Monographie in dieser Phase wurde von Prof. Dr. Martin Hengel angeregt. Dank seinem Rat versuchte ich mich damals mit den koptisch überlieferten gnostischen Texten auseinanderzusetzen, was die Untersuchung um eine neue Dimension bereicherte. Ich danke Prof. Dr. Carl R. Holladay für den Vorschlag, die Studie in der Reihe BZNW zu veröffentlichen, sowie Prof. Dr. John G. Cook für sein sehr wohlwollendes Gutachten. Von Herzen danksagen will ich Prof. Dr. Hermann Lichtenberger für seine sehr engagierte Betreuung während der Vorbereitung des Manuskripts zur Publikation. Ich bedanke mich auch bei den Mitarbeitern des Verlags de Gruyter Stefan Selbmann, Johannes Parche und Katrin Mittmann für ihre kompetente und freundliche Hilfe. Der abschließende Dank gebührt meiner Frau Maria. Ihr, für deren Entbehrungsbereitschaft vor allem in den letzten Jahren kaum Worte zu finden sind, ist das Buch in Liebe gewidmet. Berlin, im März 2015

Vadim Wittkowsky

Inhalt  Hinführung 1 . Zum Thema der Abhandlung 1 .. Allgemeine Bemerkungen und Grundfragestellung 1 .. Umfang des Stoffes und terminologische Bezeichnungen 3 5 .. Vorbemerkung zu eventuellen paganen Vorläufern .. Chronologische Einschränkungen 6 . Zur Problemgeschichte 6 .. Pagane Zitate in der christlichen Literatur des 2. Jh.s und in späteren 7 Werken .. Pagane Zitate im Neuen Testament 9 .. Pagane Zitate in der jüdisch-hellenistischen Literatur 11 13 .. „Theoretische“ Rahmung („Ko-Text“) der Zitate . Die Aufgaben der vorliegenden Untersuchung 13 

Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur 15 . Historische Wurzeln der jüdisch-hellenistischen Propaganda: ein 15 geschichtlicher Rückblick . Klassifikation der Texte 20 . Jüdisch-hellenistische Texte, die Zitate aus den Schriften paganer Tradition enthalten 20 20 .. Aristobulos (Fragmente des Tora-Kommentars) .. Das Problem des Zitierens in anderen jüdisch-hellenistischen Texten des 2.–1. Jh. v. Chr. 25 ... Die „Siebener-Verse“ 26 ... Der Pseudo-Hekatäus-Traktat 26 ... Ein jüdisch-hellenistischer Traktat in der pseudo-justinischen Schrift „De monarchia“ 27 ... Das Zitieren in den „Siebener-Versen“, dem Pseudo-Hekatäus-Traktat und dem jüdischen Traktat, benutzt in Justins „De monarchia“, im Vergleich zu Aristobulos 28 .. Pagane Zitate bei Philo von Alexandrien 29 .. Pagane Zitate bei Flavius Josephus 34 .. Zusammenfassung 37 . Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen 37 .. Der Aristeasbrief 37

VIII

.. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .

Inhalt

Artapanos 39 39 Das Dritte Makkabäerbuch Das Vierte Makkabäerbuch 40 Das Zweite Makkabäerbuch 41 Das Weisheitsbuch Salomos 41 42 Fazit Jüdisch-hellenistische Texte, die auf den Werken der außerbiblischen Tradition beruhen (Imitationen) 43 Der Aristeasbrief (187 – 300) 43 Philo der Ältere, Theodotos, Hesekiel der Tragiker 44 45 „Sibyllinische Weissagungen“ Pseudo-Phokylides 46 Die unechten Vers-Fragmente 47 47 Fazit Zusammenfassung 48

 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament 50 . Eine Sammlung relevanter Texte 50 .. Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte 51 ... Die Areopagrede (Apg 17,28) 51 53 ... Die Miletrede (Apg 20,35) ... Die Rede vor Festus und Agrippa (Apg 26,14) 54 ... Anspielungen auf pagane Texte in der Apostelgeschichte 54 .. Zitate und Anspielungen in den Paulusbriefen und in den mit ihnen 56 korrelierenden Texten ... 1 Kor 15,33 56 ... Tit 1,12 f. 57 ... Jak 1,16 f. 57 ... 1 Kor 5,6 (= Gal 5,9) 58 ... Anspielungen bei Paulus 59 . Analyse der relevanten Texte 60 .. Areopagrede (Apg 17) 60 ... Der Gesamtzusammenhang der Areopagrede 61 ... „Griechisches“, „Jüdisches“ und „Christliches“ in der Areopagrede 63 64 ... Die Areopagrede und der historische Paulus ... Die Areopagrede und Zeugnisse der pagan-griechischen Literatur von dem Judentum 65 ... Die Zitate aus „Pseudo-Epimenides“ in der Areopagrede 68 ... Ertrag 69

Inhalt

IX

.. Lukas und Thukydides (Apg 20,35) 69 70 .. Lukas und Euripides (Apg 26,14) ... Die „Bakchen“ des Euripides in der Apg und in der jüdisch-hellenistischen Literatur 70 ... Theomachie und „Unkenntnis Gottes“ in der Apostelgeschichte 72 74 ... Eine weitere Referenz in Apg 26,14? .. Das Zitieren in paränetischen Zusammenhängen (μὴ πλανᾶσθε) 75 75 ... Gal 6,7 – ein weiteres metrisches Zitat bei Paulus? ... Die Zusammenhänge von μὴ πλανᾶσθε (1 Kor 15,33; Gal 6,7; Jak 1,16 f.; 1 Kor 6,9 f.) 76 76 ... Μὴ πλανᾶσθε in jüdisch-hellenistischen Schriften und im NT ... Jak 1,17 – eine weitere Parallele in der jüdisch-hellenistischen Literatur? 78 79 .. Sonstige Zitate und Anspielungen im 1 Kor und im Gal .. Zitat in Tit 1,12 81 . Versuch einer Datensynthese 82 82 .. Paulus und Lukas ... Was ist allen paganen Zitaten im Neuen Testament gemeinsam? 82 ... Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in 82 den echten Paulusbriefen? ... Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte? 83 83 ... Was ist von den Besonderheiten in Tit und Jak zu sagen? .. Die Beziehung des NT-Zitierens zur jüdisch-hellenistischen Tradition 84 ... Propaganda und Paränese 84 ... Das Verhältnis der NT-Zitate zu den jüdisch-hellenistischen Texten 85 ... Konsenstheorie im Neuen Testament 85 . Zusammenfassung 86 

Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums bis Clemens von Alexandrien 88 . Vorbemerkungen 88 . Spärlicher Gebrauch der paganen Tradition in den Werken der „apostolischen Väter“ und frühen Apokryphen 89 . Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s) 91 .. Die „Apologie“ des Aristides 92

X

Inhalt

..

Das pagane Zitieren bei Justin und seine theoretische 94 Begründung .. Das pagane Zitieren bei Tatian und seine theoretische Begründung 98 .. Athenagoras: Tradition und Innovationen 102 105 .. Zitate und Prioritätstheorie bei Theophilos .. Zitate im „Protreptikos“ des Clemens von Alexandrien 107 .. Zitate und Anspielungen in kleineren apologetischen 109 Traktaten ... „Die Ermahnung der Griechen“ 109 109 ... „Über die Monarchie“ ... „Die Verspottung der äußeren Philosophen“ von Hermias 110 . Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s 111 111 .. Zitate bei Irenäus .. Zitate bei Hippolyt 112 .. Zitate in der antignostischen Polemik und die Traditionen der 113 Paränese und der Apologetik .. Bemerkungen zum paganen Zitieren in den gnostischen Schriften (Zeugnisse Hippolyts und der Texte aus Nag Hammadi) 114 .. Paganes Schrifttum als „Niveau Null“ in der jüdischen antichristlichen Polemik: Bemerkungun zum Zitieren der paganen Schriften in den 119 beiden ersten Büchern des „Gegen Kelsos“ von Origenes . Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt der christlichen 121 Tradition und der Theorie des „paganen Zitierens“ .. Gnosis und griechische Philosophie in der apologetischen Literatur und in den „Stromata“ 121 .. Theoretische Begründung des Zitierens der paganen Texte in den „Stromata“ 123 .. Praktische Benutzung der Zitate in den „Stromata“ 127 .. Fazit 130 .. Nachtrag: Zitate im „Paidagogos“ von Clemens 131 . Das Zitieren der paganen Texte in der christlichen Literatur des 3. bis 5. Jh.s (kurze Übersicht) 134 . Zusammenfassung 137 

Allgemeine Zusammenfassung

138

Inhalt

Literaturverzeichnis 146 146 Quellen Hilfsmittel: Bibliographien, Wörterbücher und Lexika Sekundärliteratur 149 Stellenregister

161

149

XI

1 Hinführung 1.1 Zum Thema der Abhandlung 1.1.1 Allgemeine Bemerkungen und Grundfragestellung Das vorliegende Buch ist eine philologische Untersuchung mit starker kulturhistorischer Dimension. Mit Berücksichtigung dieser Letzteren können die Umstände seiner Entstehung und sein Anliegen besser verstanden werden.¹ Nicht die Zitationstechniken und auch nicht die Frage, in welcher Form Werke der griechischen Klassiker den frühchristlichen Autoren bekannt wurden, werden behandelt. Es geht auch nicht darum, ein Altphilologe würde hier versuchen, die Verwurzelung des Christentums in seinem nichtjüdischen Erbe zu untermauern, sondern eher um das Gegenteil. Einer der besten Kenner des antiken Judentums und des Urchristentums, Martin Hengel, schrieb: „Was an ‚paganen Einflüssen‘ im Urchristentum vermutet wurde, kann durchweg auf jüdische Vermittlung zurückgehen. Nirgendwo läßt sich eine direkte bleibende Beeinflussung durch heidnische Kulte oder nichtjüdisches Denken nachweisen“.² Das Wort „nirgendwo“ im letzten Satz ist, wie Hengel selbst richtig bemerkt, der Punkt, an dem sich die Geister scheiden.³ Die Wichtigkeit der alttestamentlichjüdischen Tradition für das entstehende Christentum ist unstrittig; an der Ausschließlichkeit dieser Bedeutung entstehen leicht Zweifel. Es ist doch eine wohlbekannte Tatsache, dass nicht nur Juden, sondern auch viele Nichtjuden schon in der Mitte des 1. Jh.s n.Chr. zu christlichen Gemeinden zählten: Wie konnte die

 In Russland habe ich eine kulturwissenschaftliche Abhandlung veröffentlicht, die auf den philologischen Ergebnissen meiner Moskauer Dissertation („Das Zitieren der antiken Autoren in der frühchristlichen Literatur“) gründet: Vitkovskiy, V., Christianstvo i ėllinizm: istorija vozniknovenija polemiki (Christentum und Hellenismus: Entstehungsgeschichte einer Polemik; Moskau: RGGU 2005). Der vorliegende Text ist überarbeitete Version der Dissertation selbst, die bisher lediglich im Internet (und auch nur im russischen Original) zugänglich war (s. http:// www.dslib.net/klass-jazyki/citirovanie-antichnyh-avtorov-v-rannehristianskoj-literature-vozniknovenie-i.html).  Hengel, M., Das früheste Christentum als eine jüdische messianische und universalistische Bewegung, in: ders., Judaica, Hellenistica et Christiana. Kleine Schriften II (WUNT 109), Tübingen 1999, 200 – 218, dort 202.  Hengel, M. und Schwemer, A.M., Jesus und das Judentum (Geschichte des frühen Christentums 1), Tübingen 2007, 21: „Daß das Urchristentum auf jüdischem Mutterboden gewachsen ist, bezweifelt heute wohl kein christlicher Theologe mehr. Fraglich wird dieser Konsens jedoch, wenn man nur ein Wörtchen hinzusetzt: daß es ganz aus dem Judentum hervorging“.

2

1 Hinführung

frühe Kirche von den vielfältigen paganen Wirkungen völlig oder fast völlig unberührt bleiben?⁴ Die von Hengel nie akzeptierte Idee eines „christlichen Synkretismus“ lehnt auch der Autor der vorliegenden Studie ab. Um diesen Standpunkt zu vertreten, habe ich einen schwierigen Weg gewählt, damit die Ergebnisse mehr überzeugen können.⁵ Die hier von mir vertretene These lautet: Sogar beim Zitieren der paganen Werke bleiben die christlichen Autoren durch das jüdische Gedankengut weit mehr beeinflusst, als durch den Inhalt der von ihnen zitierten paganen Werke. Dort, wo diese These Zustimmung findet, entsteht leicht der Wunsch, das Argument ins Feld zu führen, pagane Werke würden in den christlichen Schriften nur selten zitiert. Man verweist dabei natürlich auch darauf, dass dies vor allem in neutestamentlichen Schriften der Fall ist, die ja die mit Abstand wichtigsten Texte des ersten christlichen Jahrhunderts (und im Grunde genommen auch des ganzen Christentums) sind.⁶ Dieses Argument ist aber, obschon nicht falsch, viel zu einfach, um mit ihm die Opponenten der oben angeführten These überzeugen zu können. Es gibt ja immerhin im 2. Jh. n.Chr. auch solche christliche Werke, die relativ viele pagane Zitate enthalten, und in den „Stromata“ des Clemens von Alexandrien wimmelt es von ihnen buchstäblich. Es besteht andererseits auch keine Notwendigkeit, alle vorhandenen paganen Zitate von vornherein als Merkmal eines großen Respekts vor der griechischen Kultur zu betrachten. Die vielen Äußerungen der christlichen Autoren über die griechischen „Autoritäten“ belehren uns, dass die Letzteren in diesen Urteilen oft weniger gut abschneiden. Stattdessen wird die wissenschaftlich objektivere Möglichkeit genutzt, die der Forschung offen steht, nämlich die Geschichte der Entstehung dieser interessanten Gewohnheit christlicher Autoren zu verfolgen, Zitate aus paganen Werken in ihren eigenen Schriften anzuführen. Es bleibt noch das Problem, dass es schwierig ist, genau zu beurteilen, welche Disziplin für das uns jetzt interessierende Problem eher zuständig ist. Es ist auf jeden Fall klar, dass das Thema aus verschiedenen Perspektiven auch sehr unterschiedlich gesehen werden kann. Was für die Einen absolut selbstverständlich  Eine Erklärung versuche ich mit meinem 2012 erschienenen Buch Wittkowsky, V., „Den Heiden ist dies Heil Gottes gesandt“: Studien zur literarischen Konstruierung des „Heidenchristentums“ im historischen Kontext des Judenchristentums (Münsteraner judastische Studien 21), Berlin / Münster 2012.  Auch eine umfassende Darstellung der jüdischen Hintergründe und Wirkungen bietet keinen Ersatz für die Auseinandersetzung mit dem nichtjüdischen Stoff, dem man in den urchristlichen Texten und in unmittelbarer Verbindung mit diesen begegnet.  Besonders typisch Renehan, R., „Classical Greek Quotations in the New Testament“, in: D. Neiman / M. Schatkin (Hg.), The Heritage of the Early Church: Essays in Honor of G.V. Florovsky (OCA 195), Roma 1973, 17– 46.

1.1 Zum Thema der Abhandlung

3

ist, mag für andere als absolutes Novum erscheinen. Für die Letzteren wird dann das Interessanteste an der vorliegenden Arbeit das Hauptergebnis sein, für die Ersteren eher vielfältige Details. Die Frage, die in diesem Buch gestellt wird, lautet: Warum haben christliche Schriftsteller der frühen Zeit nicht nur die Heiligen Schriften (zunächst des Alten, dann zunehmend auch des Neuen Testaments) gerne zitiert, sondern auch die Autoren, die unter „die Äußeren“ ⁷ fallen?

1.1.2 Umfang des Stoffes und terminologische Bezeichnungen Anfangs muss zum einen der Umfang des Themas genau bestimmt werden, zum andern sind Erläuterungen zur verwendeten Terminologie vonnöten. Unter den „paganen Schriften“ werden hier diejenigen verstanden, die von den griechischen Schriftstellern und Dichtern der klassischen und hellenistischen Zeit verfasst worden sind. Außer den Texten der jüdischen Tradition sind auch solche ausgeschlossen, die zu anderen, für die griechische Antike mindestens teilweise fremden Traditionen gehören, etwa zur babylonischen oder ägyptischen. Für pagane Literaturtraditionen wurden im russischen Original dieser Studie häufig Termini extern und außerbiblisch ⁸ gebraucht, gelegentlich auch außersynagogal. Diesen standen intern, biblisch und synagogal gegenüber als Bezeichnung für jüdisch u n d christlich im literarischen Sinne. Sowohl die Synagoge als auch die Kirche wurden von den Menschen besucht, die teilweise zur biblischen Kultur von Geburt und Erziehung gehörten, teilweise aber nicht. Alle „Besucher“ waren aber durch ihre Vertrautheit mit der Bibel und der biblischen Tradition und durch zumindest partielle Entfremdung von der paganen (außerbiblischen) Tradition miteinander verbunden. Im vorliegenden Buch werden diese Bezeichnung viel seltener verwendet. Trotzdem möchte der Autor darauf aufmerksam machen, dass die im Original vorgeschlagene Unterscheidung in philologischer Hinsicht viel bedeutsamer ist, als die Frage der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der Einzelgebote der Tora. Auch der Grad der Vertrautheit und der

 οἱ ἔξω, vgl. diesen Ausdruck schon 1Thess 4,12.  Nicht mit „außerkanonisch“ zu verwechseln: die Schriften, die zum jeweiligen Kanon nicht gehören, aber gehören könnten (bzw. zu einem anderen Kanon auch tatsächlich gehören, wie, z. B. das Jubiläenbuch zu einem äthiopischen), sind schon dadurch „biblisch“, dass die Frage nach ihrer Kanonizität überhaupt gestellt werden darf (vgl. auch den üblichen englischen Terminus rewritten Bible, anwendbar auf außerkanonische Schriften). Insgesamt bedeutet das Wort außerbiblisch, dass für den jeweiligen Autor die Bibel ein unbekanntes oder jedenfalls ein nichtautoritatives Corpus ist.

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1 Hinführung

Entfremdung mag von Bedeutung sein, was in Bedarfsfällen ausführlicher diskutiert wird. Es war notwendig, den Umfang der zu behandelnden Texte rein philologisch einzuschränken, d. h. die Fragen zu beantworten, was genauer als Zitat gelten soll, wodurch sich ein Zitat von einer Anspielung unterscheidet, und in welchem Maße auch indirekte Zitate in Betracht gezogen werden sollen. Genauso wie bei der Wahl des Betrachtungshorizonts (s. 1.1.1) war es auch hier höchst wichtig, eine aussichtsreiche Methode zu finden. Keine der vielen Theorien der „Intertextualität“, wie sie in den letzten vierzig Jahren aufgestellt worden sind, konnte a priori als eine solche Methode akzeptiert werden.⁹ Es muss hier deutlich gemacht werden, dass unsere Definition des Zitats durch die Bedürfnisse unserer Arbeit bestimmt ist. Durch das Wort Zitat wird eine Einfügung eines fremden Textes in das eigene Werk des Verfassers bezeichnet, die mit Sicherheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit absichtlich ist und die Herkunft des benutzten Textes von einem anderen Autor deutlich machen will. Ein Zitat kann genau oder ungenau sein; eine Erwähnung oder Nichterwähnung des zitierten Autors bzw. eines Werkes ist nicht entscheidend. Selbstverständlich können nur diejenigen Zitate für alle LeserInnen bemerkbar sein, die als solche speziell gekennzeichnet sind. Als Anspielung wird hingegen eine relativ knappe Aufnahme eines fremden Textes bezeichnet, wenn es nicht bzw. wenig wahrscheinlich ist, dass viele Leser die Herkunft des benutzten Textes bemerken können. Eine Anspielung kann zitatähnlich sein, wo es sich um eine relativ genaue Wiedergabe des Originalwortlauts handelt. Nichtbeabsichtigte Verwendungen fremder Texte können von gewollten Anspielungen selten sauber unterschieden werden, fallen deswegen unter eine Kategorie mit diesen Letzteren. Somit überlappen sich, wie es auch sachgemäß ist, Zitate mit Anspielungen, jedoch nur zum kleinen Teil. Es wird (wesentlich seltener) auch die Bezeichnung Nacherzählung verwendet. Darunter wird eine Einfügung des Inhalts eines größeren fremden Textes in das eigene Werk des Verfassers verstanden, wenn derselbe dabei nicht versucht, diesen Text im obengenannten Sinne zu zitieren.

 Vgl. Rusam, D., Das Alte Testament bei Lukas (BZNW 112), Berlin 2003, 34– 38. Aus dieser Darstellung wird klar, dass bisher keine wirklich überzeugende Theorie des Zitats besteht. Vielmehr gibt es, insbesondere was gerade die Zuordnung von Zitat und Anspielung anbetrifft, mehrere einander widersprechende Entwürfe. Es ist allerdings von Interesse, dass die meisten Forscher heutzutage mehr dazu geneigt sind, Anspielung und Zitat nicht einander entgegenzusetzen, sondern eines von den beiden dem anderen zu unterordnen.Wie sich Anspielung zum Zitat in den uns interessierenden Texte verhält, kann erst nach der Untersuchung des einschlägigen Stoffes genauer beurteilt werden (s. 2.6).

1.1 Zum Thema der Abhandlung

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Auch soll erwähnt werden, dass es in dieser Studie außer um Zitate und Anspielungen auch um nachahmende Überarbeitungen paganer Texte gehen wird. Solche nachgeahmten Texte, die als Imitationen bezeichnet werden, stehen als Untersuchungsobjekte nicht auf einer Ebene mit Zitaten, dürfen aber keineswegs übersehen werden (s. vor allem 2.5).

1.1.3 Vorbemerkung zu eventuellen paganen Vorläufern Die folgende Vorbemerkung bezieht sich auf die Entscheidung des Autors, von der Annahme eines direkten Einflusses der paganen „Klassik“ auf die christlichen Schriftsteller abzusehen. In den christlichen Werken, in denen pagane Zitate am häufigsten vorkommen, nämlich in den apologetischen Traktaten des 2. Jh.s, werden die christliche und die pagane Kultur, vor allem aber die beiden Literaturen, scharf einander gegenüber gestellt. Eine ähnliche Entgegensetzung ist innerhalb der paganen Literatur unvorstellbar. Es ist z. B. undenkbar, dass irgendein vorchristlicher paganer Verfasser auf Plato oder Homer als auf „Schüler des Mose“ verwiesen hätte, dass er jüdische Fälschungen mit biblischen Motiven unter dem Namen einer Sibylle zitieren würde oder einen Homer die Wahrheit der jüdischen Heiligen Schrift bezeugen ließe. Innerhalb der paganen Tradition der Antike ist schon die Hervorhebung der Gruppe der „griechischen Dichter und Philosophen“ unmöglich, die dabei noch einerseits den Propheten der Bibel entgegengesetzt wird, andererseits aber den „unwissenden“, „ungläubigen“ und den Christen (oder Juden) gegenüber feindlich gesinnten „Heiden“. Gerade diese und ähnliche Züge sind jedoch für das Zitieren der christlichen Apologeten und des Clemens von Alexandrien charakteristisch, wobei diese Autoren manchmal auch direkt und in demselben Zusammenhang, in dem sie von Zitaten Gebrauch machen, Schriften ihrer jüdischen Vorgänger wie Aristobulos oder Philo erwähnen bzw. dieselbe zitieren ohne sie bei Namen zu nennen. Das soll im Weiteren ausgeführt werden. Jetzt ging es dem Autor der vorliegenden Untersuchung nur darum, kurz zu erläutern, warum er sich dagegen entschieden hat, zuerst einen direkten Einfluss der paganen griechischen Schriftsteller auf die Zitierpraktiken ihrer christlichen Kollegen anzunehmen.

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1 Hinführung

1.1.4 Chronologische Einschränkungen Nun bleibt noch, auf chronologische Einschränkungen einzugehen, die uns bei der Untersuchung angemessen erschienen. Seine Aufgabe sah der Autor darin, den genetischen Aspekt des „paganen“ Zitierens bei den frühchristlichen Schriftstellern zu behandeln, d. h. das Entstehen und die Ausgangsstufe dieser Tradition. Als Ausgangspunkt werden, wie jetzt schon klar sein dürfte, jüdisch-hellenistische Werke betrachtet, in denen sich Zitate aus paganen Texten finden lassen. Terminus post quem ist somit das 3. Jh. v.Chr., d. h. ungefähr die Zeit, in der die Septuaginta entsteht. Als Ende muss der Abschluss der oben genannten Anfangsstufe gelten. Wo liegt dieser? Er müsste der Höhepunkt sein, der den zu betrachtenden Vorgang in vollem Maße bezeugt, d. h. deutlich macht, was dieses Phänomen in seiner endgültigen Entwicklung geworden ist. Praktisch kann als terminus ante quem die Zeit um 200 n.Chr. bestimmt werden. Zu dieser Zeit hat Clemens von Alexandrien die „Stromata“ verfasst, das Werk, das quantitativ mehr als 50 % aller frühchristlichen Zitate (und Anspielungen) aus den paganen Texten enthält, aber auch qualitativ als der Höhepunkt dieser Erscheinung betrachtet werden darf, weil dort dieser Vorgang am eingehendsten reflektiert wird. Manche Werke, die inhaltlich an die früher entstandene Traditionen anknüpfen, aber vielleicht doch etwas später, d. h. erst in der ersten Hälfte des 3. Jh.s n.Chr., verfasst worden sind, sollten nicht außer acht bleiben.¹⁰

1.2 Zur Problemgeschichte Hier wird nur die moderne Forschungsgeschichte behandelt – dabei hauptsächlich die Arbeiten des 20. Jh.s, – obwohl das Interesse am Problem der Benutzung der paganen Texte fast gleichzeitig mit derselben einsetzt, was wiederum die Entwicklung des Phänomens stark beeinflusste; davon wird die Rede weiter unten sein. Mit unserer Fragestellung betreten wir Neuland. Es mussten deswegen Ergebnisse verschiedener Forschungsrichtungen berücksichtigt werden, die sich allerdings in manchen Fällen überschneiden.

 Hier sind die Traditionen der Apologetik und der antignostischen Polemik eingeschlossen (s. Kap. 4). Es ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass nicht alle Werke, die pagane Zitate enthalten, genau datiert werden können.

1.2 Zur Problemgeschichte

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1.2.1 Pagane Zitate in der christlichen Literatur des 2. Jh.s und in späteren Werken Die unserem Thema am nächsten liegende und gleichzeitig die am meisten erforschte Richtung ist die des Einflusses der griechischen paganen Literatur auf die christliche Apologetik des 2. Jh. und die daran anschließenden Werke des Clemens von Alexandrien. Dazu gehören auch Arbeiten, die späteren Texten und auch der lateinischen Apologetik gewidmet sind. Hier ist vor allem das Buch von J. Geffcken¹¹ zu erwähnen, das Texte der Apologien von Aristides und Athenagoras sowie einen umfangreichen Kommentar derselben enthält. Speziell hat P. Keseling¹² das Zitieren des Athenagoras behandelt. Recht ausführlich wird dieses Problem im Werk eines anderen Apologeten, Theophilos von Antiochien, von dem bedeutenden Forscher der christlichen Apologetik, R. Grant¹³, diskutiert. Selbstverständlich sind auch die zahlreichen Zitate des Clemens von Alexandrien in der Forschung nicht außer acht gelassen worden.¹⁴ Lange Zeit blieben Zitate bei Justin und Tatian unbeachtet sowie die in den pseudo-justinischen Traktaten „Ermahnung an die Griechen“ und „Über die Monarchie“ vorkommenden, was wegen ihrer großen Anzahl erstaunlich ist. Die Forschung blieb überhaupt unsystematisch¹⁵ bis 1958 das Werk von Wilhelm Krause¹⁶ erschien. Der größte Teil des Buches ist speziell den Zitationen gewidmet. Der Verfasser wollte die Frage grundlegend behandeln, was schon daraus hervorgeht, dass er immerhin ein sepAratoses – wenn auch eher kurzes – Kapitel dem „Versuch einer allgemeinen Theorie des Zitats“ widmet (S. 51– 58, Kap. 4). In den Kapiteln 7– 12 behandelt Krause speziell das Zitieren, wobei die römischen christlichen Autoren (Minucius Felix, Tertullian, Arnobius, Laktanz) besondere Beachtung finden. Das Hauptverdienst von Krause besteht darin, dass er die Aufmerksamkeit der Forscher auf das Thema der Beziehung der frühchristlichen Literatur zur paganen

 Geffcken, J., Zwei griechische Apologeten (Sammlung wissenschaftlicher Kommentare zu griechischen und römischen Schriftstellern 5), Leipzig/Berlin 1907.  Keseling, P., Art. „Athenagoras“, in: RAC, Bd. 1 (1950), 881– 888.  U.a. in der Herausgabe des Theophilos-Traktats: Theophilus of Antioch. Ad Autolycum, Ed. R.M. Grant (Oxford Early Christian Texts), Oxford 1970.  Z. B. Mees, M., „Der Geistige Tempel. Einige Überlegungen zu Klemens von Alexandrien“, in: VetChr 1 (1964), 83 – 89.  Hier ist die Arbeit von Pellegrino, M., Gli Apologeti greci del II secolo. Saggio sui rapporti fra il cristianesimo primitivo e la cultura classica, Roma 1947 zu erwähnen, wo die Haltung der christlichen Autoren zur paganen Kultur im allgemeinen behandelt wird, die Zitate jedoch keine spezielle Beachtung finden.  Krause, W., Die Stellung der frühchristlichen Autoren zur heidnischen Literatur, Wien 1958.

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1 Hinführung

gelenkt hat. Für unser Thema ist von besonderer Bedeutung, dass Krause reiches Material gesammelt hat, das zu bestimmen erlaubt, welche der frühchristlichen Werke pagane Zitate enthalten und in welcher Anzahl – zumindest annähernd – diese dort benutzt werden. Ohne diese statistischen Berechnungen wäre es viel schwieriger, uns in den erhaltenen christlichen Werken zurechtzufinden. Es ist darüber hinaus zu bemerken, dass Krause mit vollem Recht auf die Beziehung der NT-Stelle Apg 17,28 zu der ganzen darauffolgenden Tradition des christlichen Zitierens verwiesen hat. Fragliche Seiten des Buches von Krause wurden überzeugend in einer Analyse aufgezeigt, die zehn Jahre später von G. Glockmann unternommen worden ist.¹⁷ Viele Fehler, die von Krause begangen worden waren, und die Widersprüchlichkeit seiner Methode haben Glockmann veranlasst, die Ergebnisse des Werkes von Krause als enttäuschend einzuschätzen.¹⁸ Glockmann hat ferner festgestellt, dass die mit dem Thema verknüpften Einzelfragen noch durchaus ungenügend erforscht sind und dass „der gegenwärtige Zustand der Forschung eine zusammenfassende Darstellung, auch der ersten drei Jahrhunderte [des Christentums – V.W.], noch nicht erlaubt“.¹⁹ In seiner eigenen Arbeit hat sich Glockmann auf die Untersuchung des Einflusses von Homer auf die frühchristliche Literatur bis Justin beschränkt.²⁰ Das Buch von Glockmann²¹ blieb der belgischen Forscherin Nicole Zeegers – Vander Vorst²² unbekannt, die 1972 ihre Dissertation publiziert hat, die dem Zitieren der griechischen Dichter in der christlichen Apologetik des 2. Jh.s gewidmet ist.²³ Trotzdem bleibt dieses Buch bisher die wichtigste Arbeit zu unserem Thema, die dazu wissenschaftlich hoch einzuschätzen ist. Hier werden alle Dichter-Zitate, die in den Traktaten von Justin, Tatian, Athenagoras, Theophilos, in zwei pseudojustinischen apologetischen Werken und im „Protreptikos“ des Clemens erörtert.

 Glockmann, G., Homer in der frühchristlichen Literatur bis Justinus (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 105), Berlin 1968, 5 – 9.  Ebd., 9.  Ebd., 10.  Zum Buch von Glockmann s. auch 1.2.2.  Sowie ein wichtiger Aufsatz über die Zitationen des Athenagoras: Malherbe, A.J., Athenagoras on the Poets and Philosophers, in: P. Granfield / J.A. Jungmann (Hg.), Kyriakon. Festschrift J. Quasten. V. I, Münster 1970, 214– 225.  Zeegers – Vander Vorst, N., Les citations des poètes grecs chez les apologistes chrétiens du IIe siècle (Recueil de travaux d’histoire et de philologie / Université Catholique, Louvain 4,47), Louvain 1972.  Unzugänglich geblieben ist mir leider: Méhat, A., Kephalaia. Recherches sur les matériaux des „Stromates“ de Clément d’Alexandrie et leur utilisation. Thèse compl. (dactyl.), Paris, 1966 (nicht identisch mit dem im selben Jahr erschienenen Buch desselben Verfassers, s. Literaturliste).

1.2 Zur Problemgeschichte

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Zeegers – Vander Vorst ist zu zwei wichtigen Ergebnissen gelangt, auf die auch wir uns stützen konnten, und zwar, erstens, dass lediglich 20 bis 25 % aller von ihr untersuchten Zitate isoliert gebraucht werden, alle anderen aber ganze Reihen oder Serien („séquences“) bilden,²⁴ und, zweitens, dass die meisten Apologeten des 2. Jh.s den Stoff benutzen, den sie einer rekonstruierbaren „Plagiat-Anthologie“²⁵ entnehmen, die von einem oder mehreren unbekannten jüdischen Schriftsteller(n) noch in vorchristlicher Zeit verfasst worden war. Seit der Veröffentlichung des Buches von Zeegers – Vander Vorst sind nun über vierzig Jahre vergangen, doch ist kein wesentlicher Fortschritt in der Untersuchung unseres Themas zu bemerken. Unter den neuesten Ausgaben der christlichen apologetischen Werke zeichnet sich die Arbeit von K. Riedweg aus, der 1994 den pseudo-justinischen Traktat „Die Ermahnung an die Griechen“ publiziert hat²⁶. Riedweg kommentiert sehr ausführlich fast jeden Satz des Traktats, natürlich auch die vielen paganen Zitate. In den Aufstellungen am Schluss des Buches erörtert der Verfasser Unterschiede zwischen Zitat, Paraphrase, Anspielung, Anklang und der „sicher eruierbare[n], aber im Text nicht genannte[n] Vorlage“.²⁷

1.2.2 Pagane Zitate im Neuen Testament Diese Zitate wurden bisher nie systematisch untersucht, deswegen ist es unmöglich, hier eine chronologische Reihenfolge einzuhalten, sonst müssten wir der Untersuchung eines jeden Zitats einen speziellen Abschnitt widmen. In der Forschungsgeschichte hatte man hauptsächlich mit zwei Problemen zu tun: 1) mit der Schwierigkeit der Identifizierung der Zitate in den neutestamentlichenTexten; 2) mit einem gewaltigen Umfang der Sekundärliteratur zu diesen Texten. Alles, was zu dem uns interessierenden Thema geschrieben wurde, lässt sich folgendermaßen gruppieren:

 Zeegers – Vander Vorst, Citations, 44, Anm. 1 und passim. Wenn die „Stromata“ von Clemens von der Forscherin mitberücksichtigt worden wären, würde wohl der Prozentsatz der isolierten Zitate noch geringer sein.  Zeegers – Vander Vorst, Citations, 180 – 228 (ch. VI: „L’Anthologie du plagiat“).  Riedweg, C., Ps.-Justin (Markell von Ankyra?). Ad Graecos de vera religione (bisher „Cohortatio ad Graecos“). Einleitung und Kommentar. Bde 1– 2 (Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 25), Basel 1994. Der Traktat wird vom Herausgeber dem Marcellus von Ankyra zugeschrieben, der später als Häretiker verurteilt worden ist.  Ebd., 621– 627.

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1. 2. 3.

1 Hinführung

Zitate in den Paulusbriefen;²⁸ Zitate in der lukanischen Areopagrede des Paulus (Apg 17);²⁹ Aufsätze zu „neugefundenen“ Zitaten³⁰ und Diskussionen über entsprechende Hypothesen.³¹

Nur in wenigen Arbeiten wurde eine Systematisierung versucht. Im Artikel von 1958 hat H. Greeven³² die Frage aufgeworfen, in welchem Verhältnis das Mahnwort μὴ πλανᾶσθε, das im NT viermal vorkommt, zu den jeweiligen nächstfolgenden Worten steht. Greeven hat gezeigt, dass zwei von diesen Wortgruppen bestimmt metrische Zitate sind (ein Jamben- und ein Hexameter-Vers), und die Frage gestellt, ob vielleicht auch zwei andere Texte Zitate sein könnten. Auf dieses Problem wird an entsprechender Stelle eingegangen (s. Kap. 3). In dem bereits erwähnten Buch von Glockmann ist dem Problem der paganen Zitate in NT ein ganzes Kapitel gewidmet.³³ Hier wird eine Zusammenfassung der früheren Untersuchungen gegeben, doch sind nicht alle Texte erwähnt, wo es im NT um ein Zitat gehen kann, eine selbständige Analyse einzelner NT-Stellen wurde auch nicht durchgeführt.³⁴ 1973 hat R. Renehan Anspruch auf die endgültige Beantwortung der Fragen erhoben, 1) wie viele „echte Zitate“ („actual quotations“) aus der griechischen Literatur das NT enthält; 2) ob es möglich ist, dass manche Zitate dieser Art noch

 Das sind hauptsächlich Texte, die in die Zeit gehören, in der ein kritischer Unterschied zwischen den „echten Briefen von Paulus“ und dem „Paulus der Apostelgeschichte“ so gut wie fehlte. Ein klassisches Beispiel: Marth, A., „Die Zitate des hl. Paulus aus der Profanliteratur“, in: ZKTh, 37 (1913), 498 – 514.  Lake, K., „Your own poets“, in: ders. / F.J. Foakes Jackson / H.J. Cadbury (Hg.), The Beginnings of Christianity. Part I. The Acts of the Apostles, Vol. 5, London 1933, 246 – 251; Pohlenz, M., „Paulus und die Stoa“, in: ZNW 42 (1949), 69 – 104 (bes. Kap. II „Ischodad über Act 17.28“, 101– 104); Edwards, M.J., „Quoting Aratus: Acts 17:28“, in: ZNW 83 (1992), 266 – 269.  Z. B. Nestle, W., „Anklänge an Euripides in der Apostelgeschichte“, in: Philologus 59 (1900), 46 – 57; Schön, P.A., „Eine weitere metrische Stelle bei St. Paulus? (Gal. 5,9 und 1 Cor. 5,6)“, in: Bib 30 (1949), 510 – 513.  Plümacher, E., „Eine Thukydidesreminiszenz in der Apostelgeschichte“, in: ZNW 83 (1992), 270 – 275; Kilgallen, J.J., „Acts 20:35 and Thucydides 2.97.4“, in: JBL 112 (1993), 312– 314 u. a.  Greeven, H., „Jede Gabe ist gut, Jak. 1,17“, in: ThZ 14 (1958), 1– 13.  Glockmann, Homer, 59 – 65 (2. Teil, Kap. III „Klassikerzitate im Neuen Testament und ihre Bedeutung für die Frage nach der Homerkenntnis der urchristlichen Autoren“).  Es ist bemerkenswert, dass der Verfasser, dessen Ziel es war, „Homerspuren“ im Neuen Testament ausfindig zu machen, eine ganz offenkundige Möglickeit übersehen hat (s. 3.2.3.3). Deswegen kann seine entscheidend negative Antwort auf die Frage von der Benutzung der Homertexte im Neuen Testament (S. 65) nicht als endgültig gelten.

1.2 Zur Problemgeschichte

11

nicht erkannt worden sind.³⁵ Die Antworten sind enttäuschend: 1) im NT gebe es drei sichere (sic!) klassische Zitate; 2) es sei kaum möglich, weitere Zitate im NT zu entdecken.³⁶ Jedoch dürfen wir dieses Fazit nicht als endgültig annehmen, schon aus dem Grunde, dass Renehan den oben behandelten Artikel von Greeven nicht zu kennen scheint und die dort enthaltenen ernsten Hypothesen auf keine Weise widerlegt.³⁷ Außerdem bedürfen auch die drei Zitate, die der Verfasser gelten lässt, einer Interpretation, die in seinem Artikel aber fehlt. Dabei ist einzuräumen, dass Renehan zu Recht Zitate von anderen Arten der Entlehnung abgrenzen möchte und über diese anderen Arten wichtige Bemerkungen macht, die viel Interessantes gerade demjenigen Forscher verheißen, der es wagen würde, das Thema zu untersuchen, das Renehan „geschlossen“ haben will.³⁸ Andere umfassende Arbeiten sind uns nicht bekannt.³⁹

1.2.3 Pagane Zitate in der jüdisch-hellenistischen Literatur Das Zitieren der paganen Texte in der jüdisch-hellenistischen Literatur wurde nie speziell behandelt. Nur einzelne Aspekte dieses Themas werden – mehr oder weniger ausführlich – in verschiedenen Büchern und Artikeln berührt. Wie schon oben (s. 1.2.1) erwähnt, kommt Nicole Zeegers – Vander Vorst das Verdienst zu, eine Beziehung der christlichen Dichter-Zitate zur sog. „PlagiatAnthologie“ eindeutig postuliert zu haben. Eine solche Anthologie wird anhand der uns erhaltenen Texte des jüdischen Exegeten des 2. Jh. v.Chr. Aristobulos und der Fragmente des sog. Pseudo-Hekataeus rekonstruiert. Sowohl die Texte von Aristobulos, als auch die Zitate selbst sind in der Abhandlung von Nikolaus Walter untersucht worden,⁴⁰ auf welcher auch Zeegers – Vander Vorst im bedeutendem

 Renehan, „Greek Quotations“, 17– 18.  Ebd., 45.  Der Artikel von Schön („Metrische Stelle“) wird auch nicht erwähnt. In einem „Postscriptum“ (S. 46) gesteht der Verfasser auch, dass ihm die Artikel von Lake („Your own poets“) und Marth („Zitate“) ebenfalls nicht bekannt waren.  S. bes. Renehan, „Greek Quotations“, 21– 28.  Zu erwähnen wäre an dieser Stelle das Buch MacDonald, D.R., Does New Testament Imitate Homer?: Four cases from the Acts of the Apostles, New Haven 2003. Es geht dort aber gerade nicht um das Zitieren, sondern um andere Formen der Intertextualität.  Walter, N., Der Thoraausleger Aristobulos. Untersuchungen zu seinen Fragmenten und zu pseudepigraphischen Resten der jüdisch-hellenistischen Literatur (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 86), Berlin 1964. Sie wurden schon zu Beginn des 19. Jh. untersucht (Valckenaer, L.C., Diatribe de Aristobulo Judaeo, Philosopho Peripatetico Alexandrino, Leiden 1806; Lobeck, A.P., Aglaophamus sive de theologiae mysticae Graecorum causis, Königsberg

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1 Hinführung

Maße aufbaut. Für die vorliegende Untersuchung ist das Buch von Walter ebenfalls von überragender Bedeutung. Die Listen der außerbiblischen Zitate von Philo von Alexandrien werden mancherorts angeführt,⁴¹ doch sind sie – geschweige denn die vielen Anspielungen – nicht systematisch untersucht worden, sogar einzelne Aufsätze sind nicht zahlreich.⁴² Zitiermethoden des Flavius Josephus sind ebenfalls mangelhaft erforscht, obwohl diese einer solchen Untersuchung gewiss wert wären – und dies nicht nur in Bezug auf pagane Zitate.⁴³ Die Einflüsse der paganen Tradition auf andere Texte der jüdisch-hellenistischen Literatur (Weisheit Salomos, Makkabäerbücher usw.) sind selten behandelt worden, die systematischen Versuche, in diesen mögliche pagane Zitate zu entdecken, fehlen vollständig. Ein Sonderfall der Benutzung der griechischen Texte⁴⁴ bilden die pseudosibyllinischen und pseudo-phokylideischen Werke, die vom Stoff der griechischen Dichtung sehr stark abhängig sind, wobei in diesen Werken Ideen vorgebracht werden, die für die jüdische Literatur typisch sind.⁴⁵ Hier ist der Artikel von Yehoshua Amir zu nennen, in dem die Beziehung des 3. Buches der Sibyllinischen Weissagungen zur Homerdichtung behandelt wird;⁴⁶ auch die neueren Ausgaben dieser Texte liefern Stoff für weitere Untersuchungen,⁴⁷ doch fehlt hier ebenfalls eine umfassende Arbeit.

1829). S. auch Elter, A., De gnomologiorum Graecorum historia atque origine, Bonn 1893 – 97, bes. III–VI, XI.  Siegfried, C., Philo von Alexandrien als Ausleger des Alten Testaments nebst Untersuchungen über die Graecitaet Philos, Jena 1875, 137– 139; Theiler, W., Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung, Bd. VII, Berlin 1964, 388 – 392.  Alexandre, M., La culture prophane chez Philon, in: R. Arnaldez / C. Mondésert / J. Pouilloux (Hg.), Colloques Nationaux: Philon d’Alexandrie. Lyon, 11 – 15 Sept. 1966, Paris 1967, 105 – 129, bes. 108 – 111; Amir, Y., „Monotheistische Korrekturen heidnischer Texte“, in: D.A. Koch / H. Lichtenberger (Hg.), Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter. FS für H. Schreckenberg, Göttingen 1993, 9 – 19.  S. übrigens Davila, J.R., „Quotation Fragments (Pseudo-Hecataeus).“ Online Lecture on 1 April 1999: http://www.st-andrews.ac.uk/divinity/rt/otp/abstracts/pseudohecataeus.  S. 1.1.2.  In dieser Hinsicht knüpfen an diese auch die Fragmente von Pseudo-Orpheus, Pseudo-Sophocles, Pseudo-Menander u. a. an, welche von Walter behandelt werden (s. oben).  Amir, Y., „Homer und Bibel als Ausdrucksmittel im 3. Sibyllenbuch“, in: ders., Studien zum Antiken Judentum (Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums 2), Frankfurt am Main 1985, 83 – 100.  Horst, P.W. van der, The Sentences of Pseudo-Phocylides. Introduction, Translation and Commentary (SVTP 4), Leiden 1978; Gauger, J.-D., Sibyllinische Weissagungen, Düsseldorf / Zürich 1998;

1.3 Die Aufgaben der vorliegenden Untersuchung

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1.2.4 „Theoretische“ Rahmung („Ko-Text“) der Zitate Für unser Thema sind nicht nur Zitate selbst von Bedeutung, sondern auch ihre Rahmung in den Texten der zitierenden christlichen (und jüdischen) Schriftsteller. Diese Rahmung verhilft zum besseren Verstehen der „theoretischen Grundlagen“ des Zitierens, d. h. was genau zitiert wurde, zu welchem Zweck bzw. mit welcher Begründung und mit Hilfe welcher Methoden. Relativ gut ist die Geschichte der Idee erforscht, die Griechen hätten ihr philosophisches Gedankengut von der orientalischen und insbesondere der jüdischen Weisheit entlehnt, dennoch wurde die Untersuchung zu selten im Zusammenhang mit dem Problem des Zitierens durchgeführt.⁴⁸ Hier ist die Dissertation von P. Pilhofer speziell zu nennen,⁴⁹ in der die Angaben zur Geschichte der „Prioritätstheorie“ (nach Pilhofer, „Altersbeweis“) in den paganen griechischen und römischen, jüdisch-hellenistischen und frühchristlichen Literaturen gesammelt sind. Diese Abhandlung ist eher eine „angewandte“, was aber auch ihr Vorzug zu sein scheint: Der Verfasser bietet die Daten, die den nachfolgenden Forschern, also auch uns, zu überprüfen ermöglichen, inwieweit der von ihnen behandelte Stoff vollständig ist.⁵⁰

1.3 Die Aufgaben der vorliegenden Untersuchung Die Forschungslücken erweisen sich bei unserem Thema als durchaus beträchtlich. In dieser Arbeit wird es selbstverständlich unmöglich sein, diese völlig zu schließen, ein solcher Anspruch wird auch nicht erhoben. Umso wichtiger ist es nun, die Grenzen der Untersuchung festzulegen und die darin zu lösenden Pro-

Buitenwerf, R., Book III of the Sibylline Oracles and Its Social Setting (SVTP 17), Leiden / Boston 2003.  S.Thraede, K., Art. „Erfinder II (geistesgeschichtlich)“, in: RAC, Bd. 5 (1962), 1191– 1278; Dörrie, H., „Platos Reisen zu fernen Völkern. Zur Geschichte eines Motivs der Plato-Legende und zu seiner Neuanwendung durch Laktanz“, in: W. den Boer et al. (Hg.), Romanitas et Christianitas, Amsterdam / London 1973, 99 – 118; Ridings, D., The Attic Moses. The Depending Theme in Some Early Christian Writers (Acta Universitatis Gothoburgensis / Studia graeca et Latina Gothoburgensia 59), Göteborg 1995. In Verbindung mit dem Zitieren s. auch Zeegers – Vander Vorst, Citations, 180 – 186.  Pilhofer, P., Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (WUNT II/39), Tübingen 1990.  Das Buch von Pilhofer ist uns erst nach einer eigenen Untersuchung der entsprechenden Texte bekannt geworden (s. Anm. 1). Selbstverständlich hatte Pilhofer hier auch Vorläufer, z. B. Solomon Luria und Elias Bickerman (s. Exkurs 1 A).

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1 Hinführung

bleme im Sinne des oben Gesagten (vor allem 1.1.1) aufzuzeigen. Die vor uns liegenden Aufgaben lassen sich wie folgt beschreiben: 1. Das Zitieren von paganen Texten in den jüdisch-hellenistischen Werken soll untersucht werden; es soll bestimmt werden, wie sich diese Tätigkeit zu der anspielungsartigen Benutzung der griechischen paganen Texte sowie zu den jüdischen Imitationen derselben verhält; wir wollen auch die „ko-textuelle“ theoretische Rahmung, die Ziele und Methoden des Zitierens in den jüdischen Werken der hellenistischen Zeit behandeln. 2. Die gesammelten Daten zu den paganen Zitaten und Anspielungen in den Schriften des Neuen Testaments sollen analysiert werden, wobei festgestellt werden soll, auf welche Weise ein solches Verfahren im NT mit der Benutzung der paganen Texte in den jüdisch-hellenistischen Werken verknüpft ist. 3. Es soll die Verbindung des Zitierens bei den christlichen Schriftstellern des 2. Jh.s mit dem Zitieren in der jüdisch-hellenistischen Literatur und im NT untersucht werden unter spezieller Berücksichtigung des „Höhepunkts“ des frühchristlichen Zitierens, der „Stromata“ des Clemens von Alexandrien. Dementsprechend besteht das Buch aus drei Kapiteln: „Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur“, „Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament“ und „Das Zitieren der paganen Werke in der frühchristlichen Literatur bis Clemens von Alexandrien“. Anschließend werden die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst.

2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur 2.1 Historische Wurzeln der jüdisch-hellenistischen Propaganda: ein geschichtlicher Rückblick¹ Es scheint sinnvoll, zunächst einen aussichtsreichen Ausgangspunkt für die Beurteilung des uns vorliegenden Stoffes festzusetzen. Diesem Zweck dient der folgende Rückblick.² Als Alexander der Große innerhalb weniger Jahre das ehemals mächtige Persische Reich vernichtete und die sog. hellenistische Epoche ihren Anfang nahm, fand diese Wende ihren Niederschlag auch in der Geschichte der orientalischen Ethnien, zu welchen das jüdische Volk gehörte. Diese etwa zwei Jahrhunderte zuvor neu organisierte religiös-ethnische Gemeinschaft reagierte auf die veränderte Situation in einer Weise, die für die spätere Geschichte Israels prägend wurde. Zu den beiden charakteristischsten Merkmalen des hellenistischen Judentums gehören die Beherrschung einer nichtsemitischen Fremdsprache, des

 Das Wort „Propaganda“ wird nach wie vor neutral verwendet, obwohl ihm in den letzten Jahrzehnten häufig auch ein negativer Sinn zugeschrieben wird (s. P.W. van der Horst in: Charlesworth, OTP II, 568 – 570: „nonproselyting religious propaganda of ancient Judaism“, 568; „example of inner-Jewish ‘propaganda’“, 570). „Apologetik“ ist als Terminus schon etwas problematischer, denn es geht nur selten um „Apologie“ (= Selbstverteidigung), schon eher um aktive Polemik – s. Walter, „Fragmente jüdisch-hellenistischer Epik: Philon, Theodotos. Pseudepigraphische jüdisch-hellenistische Dichtung“, in: JSHRZ IV,3, 1983, 135– 276, dort 178 – 179; Pilhofer, Presbyteron kreitton, 162– 163. Spezielle Behandlung dieser terminologischen Frage (freilich ohne eindeutiges Ergebnis) s. Barclay, J., „Apologetics in the Jewish Diaspora“, in: J.R. Bartlett (Hg.), Jews in the Hellenistic and Roman Cities, London / New York 2002, 129 – 148. In der vorliegenden Studie wird der Begriff zunächst (in Kap. 2) im allgemeinen Sinne verwendet (= „Tendenzliteratur“ u. ä. bei Hengel, M., „Anonymität, Pseudepigraphie und ‘Literarische Fälschung’ in der jüdisch-hellenistischen Literatur“, in: K. von Fritz (Hg.), Pseudepigrapha I (Entretiens sur l’Antiquité Classique 18), Genève 1972, 229 – 308, dort 253 u.ö.), in Kap. 3 und 4 dagegen differenzierter (eher externe „Propaganda“ vs. eher interne „Paränese“).  In der Interpretation der jüdisch-hellenistischen Propaganda folgen wir vorwiegend dem Buch Luria, S., Antisemitizm v drevnem mire [Antisemitismus in der Alten Welt], Petrograd 1922. Andere Erklärungen, wo die Rolle der innerjüdischen Auseinandersetzungen hervorgehoben wird (z. B. Tcherikover, „Jewish Apologetic Literature Reconsidered“, in: Eos 48 (1956), 168 – 193; Hengel, Anonymität, 307; Niehoff, M., Philo on Jewish Identity and Culture (TSAJ 86), Tübingen 2001, 13, weichen davon jedoch nicht so stark ab, dass die Beurteilung unseres Themas grundsätzlich anders ausfallen müsste (s. noch Anm. 4).

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Griechischen, und die Übersetzung des eigenen Gesetzes (der Tora) in diese Sprache.³ Diese beiden Phänomene markieren jedoch einen unverkennbaren Widerspruch: Die Juden entlehnen eine fremde Sprache und weitgehend auch kulturelle Gewohnheiten, aber sie wollen kein fremdes Gesetz mitentlehnen, sondern sie übersetzen ihr eigenes Gesetz, das auch inhaltlich recht ungewöhnlich war, ins Griechische und schaffen dadurch in Alexandrien, in Jerusalem und überall, wo sie in der großen hellenistischen Welt leben, einen „Staat im Staate“.⁴ Jeder Staat braucht Schutz, und selbstverständlich geht es dabei nicht nur um Militärschutz. Wo den Juden dieses Mittel auch gar nicht zur Verfügung stand, brauchten sie Freunde. Am besten sind diese Freunde nebenan, man sollte sich also am liebsten mit eigenen Nachbarn anfreunden. Wer sich aber diesen Nachbarn nicht ganz angleichen möchte, muss ihnen erklären können, was er ist, was er hoch schätzt, worauf er auf keinen Fall verzichten will. Eine Erklärung dieser Art ist gerade die propagandistische Literatur des hellenistischen Judentums. Diese Propaganda machte sich nicht zur Aufgabe, „Proselyten anzuwerben“, sie erklärte einfach, was Judentum ist und weswegen es nicht schlechter, sondern besser ist, als „Heidentum“. Es war aber eine gewagte Erklärung: Niemand will zugestehen, dass ein anderer besser ist, als er selbst. Deswegen war es gleichzeitig notwendig zu beweisen, das typisch Jüdische sei auch dem Heidentum nicht fremd. Es lag manchen Autoren wohl auch, umgekehrt, daran, ihren jüdischen Lesern zu beweisen, dass nicht alles, was „griechisch“ ist, unbedingt schlecht sein muss;

 Bickerman, E., The Jews in the Greek Age, London 1988, 101– 116 u. a.; Averincev, S., „Grečeskaja ‘literatura’ i bližnevostočnaja ‘slovesnost’’. (Protivostojanie i vstreča dvuch tvorčeskich principov)“ [Griechische ‘Literatur’ und nahöstliche ‘Erzählkunst’. (Gegenüberstehen und Begegnung von zwei Prinzipien des Schöpferischen)]“, in: ders., Ritorika i istoki evropejskoj literaturnoj tradicii [Rhetorik und die Quellen der europäischen Literaturtradition], Moskau 1996, 13 – 75 (1. Hg.: 1971), dort 46 – 49.  S. Luria, Antisemitizm, bes. 117– 120. Über die anderen „Staaten“ (πολιτεύματα) dieser Art in der hellenistischer Welt im Vergleich zu dem jüdischen s. Bickerman, Greek Age, 37– 50; 81– 90. Bickermans Kritik an der Theorie von Luria (Bickermann, Rezension in: Philologische Wochenschrift 46 [1926], 903 – 910; vgl. Reaktion Lurias ebd., 1438 – 1439; s. jetzt zu dieser Polemik Baumgarten, A.I., Elias Bickerman as a Historian of the Jews [TSAJ 131], Tübingen 2010, 218 – 222) bezog sich überwiegend auf Tendenzen zur Simplifizierung und Modernisierung, die im Buch Lurias tatsächlich präsent sind. Einige Bemerkungen Bickermans sind dabei unbegründet (nach Baumgarten, ebd., 220: „Bickerman’s criticism of Luria’s book was brutal“). Auf die strittige Frage, wie groß die Differenz zwischen den Juden und anderen nichtgriechischen Ethnien in betreffender Hinsicht war, – zu ähnlichen literarischen Praktiken s. weiter unten – kann hier nicht eingegangen werden. Jedenfalls lag der grundsätzliche Unterschied – wenn es denn einen gab – nicht im Bereich des Staatsrechts; darin waren sich auch Bickerman und Luria einig.

2.1 Historische Wurzeln der jüdisch-hellenistischen Propaganda

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eine solche Einsicht konnte diesen Juden den Kontakt mit den Nichtjuden ebenfalls erleichtern. Es war keine einfache Aufgabe, dennoch gelang es, diese in einem bestimmten Umfang zu lösen. Freilich war einem normalen paganen Menschen der hellenistischen Zeit, jemand, mit dem man sich „befreunden“ wollte, das Judentum mit seinem einzigen Gott, der keine anderen Götter neben sich duldete, mit seinen Speisebegrenzungen, mit seinem Gebot einmal pro Woche den ganzen Tag lang nicht zu arbeiten, mit seinem Brauch der Beschneidung – dieses Judentum war einem solchen Griechen natürlich fremd. Genauso fremd blieb den Juden die pagane Religiosität. Dennoch vermochten jüdische Propagandisten die Sache so hinzustellen, als ob den anderen, besseren Griechen – Homer und anderen Dichtern, Plato und anderen Philosophen – als ob diesen Hellenen das Judentum gar nicht fremd war. Die 1990 veröffentlichte Untersuchung von Peter Pilhofer⁵ behandelt gründlich die Frage nach der Entstehung der jüdisch-hellenistischen Propaganda. Pilhofer zeigt überzeugend auf, dass deren Grundlagen in Wirklichkeit von den Griechen selbst geschaffen wurden. Die Griechen waren der „orientalischen Wurzeln“ ihrer Weisheit wohl bewusst⁶ und deswegen dazu geneigt, die Verdienste des Orients zu übertreiben, die eigenen aber eher zu unterschätzen.⁷ Die „Barbaren“ waren für die Griechen keine Wilden, vielmehr galten sie als Erfinder aller Künste und Wissenschaften, die die Griechen höchstens „entwickeln“ bzw. „verbessern“ konnten.⁸ Andererseits waren die Juden nicht allein in ähnlicher Lage; andere Völker Vorderasiens mussten sich ebenfalls an die neuen Umstände anpassen.⁹ Die Juden waren nicht die ersten, die propagandistische Texte zu verfassen angefangen haben. Zu diesen gehörten bereits die „Chaldäische (oder Babylonische) Geschichte“ des Berossus und die „Ägyptische Geschichte“ des Manetho (1. Hälfte des 3. Jh. v.Chr.), die wahrscheinlich etwas früher als die Septuaginta entstan-

 Pilhofer, Presbyteron kreitton.  S. West, M.L., Early Greek Philosophy and the Orient, Oxford 1971.  S. darüber Dörrie, H., „Platos Reisen zu fernen Völkern. Zur Geschichte eines Motivs der PlatoLegende und zu seiner Neuanwendung durch Laktanz“, in: W. den Boer et al. (Hg.), Romanitas et Christianitas, Amsterdam / London 1973, 99 – 118; Zelinskij, F., „Umeršaja nauka [Eine tote Wissenschaft]“, in: ders., Soperniki christianstva [Rivalen des Christentums], Moskau 1996, 203 – 283.  Dieser Gedanke wird, z. B. in „Epinomis“ (987de) geäußert, einem Traktat aus dem 4. Jh. v.Chr., der traditionell Plato zugeschrieben wurde.  Pilhofer betrachtet als Beispiel das Buch eines phönizischen Geschichtsschreibers, Philo von Byblos (Presbyteron kreitton, 207– 211). Zu diesem Thema s. auch Hadas, M., Hellenistic Culture. Fusion and Diffusion, New York / London 1959.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

den.¹⁰ Berossus und Manetho waren auch für die Geschichte der jüdischen Propaganda von großer Bedeutung, denn es waren ja sie, die der griechischen Welt mit Hilfe riesengroßer Zahlen aufgezeigt haben, was eigentlich die Geschichte schlechthin ist, nämlich als endlose Folge von Jahren seit der Weltschöpfung. Freilich wirkten die wenigen Jahrtausende der Bibel nicht so stark, wie die Millionen Jahre von Berossus, doch genügten sie schon, dass die Juden einen Dialog mit den Griechen als deren „ältesten Brüder“ zu führen vermochten. Gerade die „Prioritätstheorie“ wurde zur Grundlage der Propaganda – sowohl der orientalischen überhaupt, als auch besonders der jüdischen.¹¹ Diese „Theorie“ hat zwei Hauptfassungen: eine mildere, die „Konsenstheorie“, und eine schroffere, die „Entlehnungstheorie“. Für die propagandistischen Zwecke war wohl die Konsenstheorie besser, doch gelang es nicht immer, Kontakte zu knüpfen, manchmal fühlten sich die Juden durch die Feindseligkeit ihrer Nachbarn beleidigt¹², manchmal konnte ein Propagandist annehmen, Angriff sei die beste Verteidigung und wies die Griechen darauf hin, dass sie nur Schüler der Juden sind, oder sogar einfach: Diebe. Auch in diesem Fall aber machten die Juden, sowie ihre vorderorientalischen Kollegen, von einem Topos Gebrauch, den Pilhofer schon bei Herodot findet.¹³ Es geht dabei um das 2. Buch der herodoteischen „Geschichte“, das von vielen Erfindungen der Ägypter berichtet, die später von den Griechen benutzt wurden. Eine Stelle (2.156.6) ist für unser Thema von besonderem Interesse.¹⁴ Es handelt sich hier um eine ägyptische Sage: „Aus dieser Sage und aus keiner anderen, glaube ich, hat Aischylos, Euphorions Sohn, geschöpft [wörtlich jedoch „geraubt“ – ἥρπασε – V.W.], wenn er, und zwar er allein […] die Artemis zu einer Tochter der Demeter macht“. Pilhofer bemerkt mit Recht: „Das wird – was die Ausdrucksweise angeht – auch in der Theorie vom ‚Diebstahl der Hellenen‘, die sich dann bei den Apologeten findet, nicht mehr überboten“.¹⁵ Der angeführte Text von Herodot ist für uns einzigartig: Er zeigt, auf welche Weise das Zitieren in der propagandistischen Literatur entstehen konnte – Zitieren jener Art, das wir später im größeren Ausmaß in den frühchristlichen Schriften  Averincev, „Grečeskaja ‘literatura’ „, 44– 46.  Der Untertitel des Buches von Pilhofer lautet „Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte“ (der griechische Titel ist eine synonymische Variante zu den Worten eines Evangelium-Gleichnisses, Lk 5,39).  S. Luria, Antisemitizm, meint, aus dieser Feindlichkeit sei der noch heute existierende Antisemitismus entstanden. S. hierzu jetzt auch Schäfer, P., Judenhaß und Judenfurcht: Die Entstehung des Antisemitismus in der Antike, Berlin 2010.  Pilhofer, Presbyteron kreitton, 34– 49.  Ebd., 46.  Ebd.

2.1 Historische Wurzeln der jüdisch-hellenistischen Propaganda

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finden. Stellen wir uns vor, dass Herodot an dieser Stelle auch einen Text von Aischylos genau zitiert und dazu denselben Kommentar geschrieben hätte.Warum könnte ein orientalischer Propagandist nicht dasselbe tun? Man könnte sagen, dass Herodot ja nicht ganz ohne Grund den Beinamen φιλοβάρβαρος bekommen hat!¹⁶ Hier ist er ja bestimmt ein Vorgänger der orientalischen Schriftsteller – der babylonischen, der ägyptischen, der phönizischen, der jüdischen. Fragmente, die bestimmt früher als die ersten jüdischen apologetischen Schriften entstanden, sind uns in einer sehr geringen Anzahl erhalten geblieben. Es ist bekannt, dass Manetho gegen Herodot polemisierte, weil der letztere angeblich die Geschichte Ägyptens fehlerhaft erzählt hatte (Josephus, C.Ap. 1.73). Wir finden zwar in den wenigen vorliegenden Texten keine Zitate aus den griechischen Schriften. Die Angaben von Diodor (Mitte des 1. Jh. v.Chr.) erlauben uns aber mit großer Sicherheit festzustellen, dass zumindest um diese Zeit die entsprechende Methode in der ägyptischen Apologetik schon stark verbreitet war. In mehreren Abschnitten des 1. Buches seiner „Historischen Bibliothek“ (10 – 29, 96 – 98 u. a.m.) berichtet der Geschichtsschreiber von ihm nicht genauer benannten, aber eindeutig apologetischen Schriften der Ägypter, in denen Texte von Homer und anderen griechischen Autoren als Zeugnisse für die Wahrheit der ägyptischen Götterlehre verwendet werden.¹⁷ Es seien als Beispiele zwei typische Abschnitte angeführt. 1.12.1– 2: Jedes von diesen [Einzelteilen des Weltalls – V.W.] also hätten die Ägypter, die erstmals in einer artikulierten Sprache redeten, als eine Gottheit angesehen und ihm einen Namen gegeben, der seinen besonderen Eigenheiten entsprach. So nannte man den Geist, indem man den Begriff in Worte übertrug, Zeus, denn wie einen Vater so hielt man ihn für die Ursache der Lebenskraft in allen belebten Wesen. Mit ihnen stimmte auch der bedeutendste griechische Dichter überein, der von diesem Gott sagt, er sei „der Vater der Menschen und Götter“ (Homer, öfters). 1.12.9 – 10: Wie es [bei den ägyptischen Schriftstellern – V.W.] heißt, durchziehen diese […] Götter die ganze Welt und erscheinen den Sterblichen in Gestalt heiliger Tiere, manchmal auch in Menschen oder andere Lebewesen verwandelt […] Und auch der Dichter, der, nach Ägypten gekommen, von den Priestern derartige Erzählungen kannte, stellt irgendwo in seinem Werke das eben Erwähnte als feste Tatsache hin: „Auch die seligen Götter, Wanderern ähnlich aus fremden Ländern Besuchen in vielerlei Gestalt die Städte, Um den Frevel der Sterblichen und ihre Frömmigkeit zu schauen“ (Homer, Od. 17.485 – 487).¹⁸

 Plutarch, De Herodot. malign. 857a.  Diodor hat offensichtlich verschiedene ägyptische Quellen benutzt, darunter vielleicht auch das Werk von Manetho.  Übers. von G. Wirth.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Die jüdischen Schriftsteller könnten also von ihren ägyptischen Kollegen beeinflusst worden sein, weswegen sie vielleicht auf jene mancherorts verweisen,¹⁹ es mag aber auch um parallele Phänomene gehen. Dieses Thema bedarf aber einer speziellen Untersuchung. Dieser Exkurs wollte einen methodologisch aussichtsreichen Ausgangspunkt für die Beurteilung des uns vorliegenden Stoffes festsetzen. Es folgt eine Analyse dieser jüdischen Texte.

2.2 Klassifikation der Texte Es ist zweckmäßig, die jüdisch-hellenistischen Texte, die für unser Thema von Interesse sind, in drei Gruppen einzuteilen: 1) Texte, die Zitate, eventuell auch Anspielungen, enthalten; 2) Texte, die lediglich Anspielungen enthalten; 3) Texte, die auf den Werken griechischer Autoren aufgebaut sind. Eine gründliche Untersuchung wurde hier nur für die erste Gruppe durchgeführt, zwei weitere stehen zu unserem Thema in einer nur indirekten Beziehung, deswegen wurden entsprechende Texte nicht ausführlich analysiert. Einige Ergebnisse, die man bei einer, wenn auch beiläufiger, Untersuchung dieser Letzteren gewinnen kann, sind jedoch auch für unsere Fragestellung von erheblicher Bedeutung.

2.3 Jüdisch-hellenistische Texte, die Zitate aus den Schriften paganer Tradition enthalten 2.3.1 Aristobulos (Fragmente des Tora-Kommentars) Der im Zweiten Makkabäerbuch (2,10) erwähnte jüdische Gelehrte Aristobulos wirkte höchstwahrscheinlich in der Mitte des 2. Jh. v.Chr.²⁰ Von seinem in griechischer Sprache verfassten Tora-Kommentar sind einige Fragmente (insgesamt ca. 10 Seiten) bei Clemens von Alexandrien – in den „Stromata“²¹ – und bei Euseb von Cäsarea in seiner „Praeparatio Evangelica“ – erhalten.²²

 Aristeasbrief 6; Philo, Mos. 1.23; Josephus, C.Ap. 1.28 u. a.  Zu seiner Lebzeit s. Walter, Thoraausleger, 13 – 26, 35 – 40; Holladay, C.R., Fragments from Hellenistic Jewish Authors, v. III: Aristobulus (SBL, Texts and translations 39), 1995, 74– 75.  Ein Teil des Fragm. 4 ist auch im „Protreptikos“ enthalten.  Die letzte Ausgabe des Textes, deren Nummerierung der Fragmente wir folgen, ist Holladay, Aristobulus. Deutsche Übersetzung von N. Walter, die von uns im Weiteren benutzt wird, s. JSHRZ III,2, 269 – 279.

2.3 Jüdisch-hellenistische Zitate aus den Schriften paganer Tradition

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Für uns sind vor allem Fragm. 3 – 5 von Bedeutung, die bei Euseb praktisch einen zusammenhängenden Text bilden, der nur zweimal durch „nach einigen Worten setzt er fort“ (PraepEv 13.12.3) und „nach anderen Dingen fügt er hinzu“ (PraepEv 13.12.9) unterbrochen wird. Gerade in diesen Fragmenten sind mehrere Zitate aus den Werken der pagan-griechischen Autoren enthalten. Wie groß der Abstand zwischen diesen Fragmenten im Aristobulos-Kommentar war, wissen wir nicht.²³ Jedenfalls waren sie inhaltlich schon im ursprünglichen Text miteinander verbunden, nicht nur in der Interpretation des Euseb. Diese Aristobulos-Fragmente sind für das von uns behandelte Thema dermaßen bedeutungsvoll, dass wir sie hier in Übersetzung anführen (nur weniger wichtige Stellen sind ausgelassen):²⁴ Fragment 3: (1) Es ist offenbar, dass Plato sich an das bei uns geltende Gesetz²⁵ angeschlossen hat (κατηκολούθηκε), und er hat sich offensichtlich um jede Einzelheit in ihm sorgfältig (περιειργασμένος) bemüht. Denn schon vor Demetrios²⁶, schon vor der Einnahme [Ägyptens] durch Alexander, ja vor der durch die Perser, ist von anderen die Erzählung vom Auszug der Hebräer, unserer Landsleute, aus Ägypten und die anschauliche Schilderung aller ihnen widerfahrenen Ereignisse sowie die Inbesitznahme des Landes²⁷ und die ausführliche Darlegung der ganzen Gesetzgebung in Übersetzung zugänglich gemacht worden, so daß deutlich ist, daß der eben genannte Philosoph vieles daraus entlehnt hat – er war nämlich vielseitig gebildet – , wie auch Pythagoras vieles den bei uns [geläufigen Anschauungen] entnommen und in sein eigenes Lehrsystem eingebaut hat. (2) […]²⁸ Fragment 4: (3) Man darf nämlich unter der göttlichen „Stimme“ nicht ein gesprochenes Wort verstehen, sondern die Veranstaltung [göttlicher] Taten, wie denn auch Moses im Gesetz uns die ganze Entstehung der Welt als „Worte“ Gottes dargestellt hat. Denn immerwiederkehrend sagt er bei jedem [Schöpfungswerk]: „Und Gott sprach, und es entstand“. (4) Mir scheint, daß Pythagoras, Sokrates und Plato, die sich um alle [Probleme] sehr gemüht haben (περιειργασμένοι), sich ihm [d. h. Mose] angeschlossen haben, wenn sie sagen, daß sie

 Holladay, Aristobulus, 217, Anm. 89; 223, Anm. 119.Walter („Aristobulos“, 274, Anm. 3b) nimmt an, dass das Fragm. 2 ursprünglich zwischen den Fragm. 3 und 4 gestanden hat. Es ist sogleich zu bemerken, dass Fragm. 2.4– 5 für unser Thema ebenfalls von Bedeutung ist (s. unten).  In Klammern werden (hier und weiter unten) griechische Wörter und Redewendungen angeführt, die für Theorie und Praxis des jüdischen und christlichen Zitierens paganer Texte terminologisch wichtig sind, sowie Ergänzungen, ohne die die Übersetzung unklar oder stilistisch mangelhaft wäre. In den Aristobulos-Fragmenten hielten wir uns an den Text,wie er von Euseb her bekannt ist.  D.h. die Tora.  Es geht um Demetrios von Phaleron und die von ihm angeblich veranstaltete Übersetzung der Tora (LXX), worüber Aristobulos weiter erzählt. S. 2.4.1.  Palästina (Kanaan).  S. Anm. 23.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Gottes Stimme hören, wenn sie die Beschaffenheit des Alls sorgfältig²⁹ betrachten [und zu dem Ergebnis kommen], daß [es] von Gott her geworden ist und [von ihm] ununterbrochen erhalten wird. Ja auch Orpheus äußert sich in Versen aus seinem bei ihm „Über das Heilige Wort“³⁰ genannten [Werk] in diesem Sinne darüber, daß das All von der göttlichen Macht durchwaltet wird, daß es entstanden³¹ ist und daß Gott über allem steht. Er sagt so […]³² (6) Und Aratos spricht über das gleiche [Thema] so: Laßt uns beginnen mit Gott! Den zu nennen sollten die Menschen nie unterlassen; erfüllt sind von Gott ja die Straßen der Städte und auch der Menschen sämtliche Märkte, erfüllt ist das Meer auch und seine Häfen; in allem ist uns Gottes Hilfe vonnöten – sind wir doch seines Geschlechts! Und huldvoll schickt er den Menschen Zeichen guter Bedeutung; er wecket die Völker zur Arbeit, mahnt sie, sich Nahrung zu schaffen: er lehrt, wann der Acker sich eignet, Ochsenpflug drüber zu führen und Hacke; er lehrt, wann die Zeit ist, Pflanzen günstig zu setzen und allerlei Samen zu säen.³³ (7) Ich glaube, daß hier klar und deutlich gezeigt ist, daß in allem die Macht Gottes wirkt. Dabei haben wir, wie es nötig ist, [gleich] die richtige Bedeutung ausgedrückt, indem wir die in den Versen [gebrauchten Benennungen] Δίς und Ζεύς ersetzt haben:³⁴ der ihnen innewohnende Sinn weist ja auf Gott, weshalb wir denn auch so gesagt haben. In einer den angeschnittenen Problemen recht angemessenen Form haben wir also die [Verse] vorgetragen. (8) Denn bei allen Philosophen herrscht Einigkeit darüber, daß man [bei Überlegungen] über Gott heilige [d. h.: dem heiligen Gegenstand angemessenen] Begriffe verwenden muß, worauf ganz besonders unsere [philosophische] Schule³⁵ mit Recht Wert legt. Die Anlage unseres Gesetzes ist nämlich ganz auf Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit und die übrigen der Wahrheit gemäßen Güter ausgerichtet. Fragment 5: (9) Es hängt eng miteinander zusammen, daß Gott die ganze Welt geschaffen hat und daß er uns als Ruhetag – weil das Leben für alle [Menschen so] mühselig ist – den siebenten Tag gegeben hat […]³⁶

 ἀκριβῶς: Es ist möglich, dass dieses Wort mit dem Wort „Beschaffenheit“ zu verbinden ist, in diesem Fall würde die Übersetzung anders lauten: „betrachten, wie sorgfältig die Welt beschaffen ist, und […]“.  Der Sinn ist hier nicht eindeutig.  D.h. „nicht immer da war“.  Weiter folgt ein Fragment monotheistischen Inhalts, bestimmt schon in der jüdischen Tradition entstanden. S. 2.5.5 und 3.2.4.4.  V. 1– 9 aus dem Gedicht des Aratos „Himmelserscheinungen“ (Φαινόμενα). Der Name „Zeus“ ist in den V. 1, 2 und 4 durch „Gott“ ersetzt (s. unten die Erklärung von Aristobulos selbst).  Aristobulos nennt zwei Formen des Namens von Zeus (Δία καὶ Ζῆνα), obwohl bei Aratos in allen drei Fällen Genitiv Διός gebraucht wird (vgl. aber Aristeasbrief 16).  Aristobulos bezeichnet die jüdische Lehre mit dem griechischen Wort αἵρεσις, das „Geistesrichtung“ oder „philosophische Schule“ bedeutete.  Im Weiteren verknüpft Aristobulos den siebten Tag mit dem ersten Tag der Schöpfung, das Licht aber, das von Gott am ersten Tag geschaffen wurde, mit der Weisheit und weist dabei auf die

2.3 Jüdisch-hellenistische Zitate aus den Schriften paganer Tradition

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(13) […] [Über den siebenten Tag] erklären deutlich auch Homer und Hesiod, die aus unseren Büchern [die Anschauung] übernommen haben (μετειληφότες), daß er heilig sei. Hesiod [drückt das] so [aus]: Heilige Tage zunächst sind der erste, der vierte, der siebte; und wiederum sagt er: Ja, der Siebte – er ist das strahlende Licht der Sonne. (14) Homer aber sagt so: Und dann nahte der siebente Tag, ein heiliger Tag war’s;

und wiederum: Dann kam der siebente Tag, und an ihm wurde alles vollendet, und: Aber am siebenten Morgen verließen wir Acherons Fluten, (15) womit er folgendes meint (σημαίνων): [Damit wir] von der seelischen Vergeßlichkeit und Bosheit los(kommen), wird gemäß der der [göttlichen] Wahrheit entsprechenden Siebenergesetzmäßigkeit das Vorgenannte [von uns] preisgegeben, und wir empfangen [statt dessen] Erkenntnis der Wahrheit, wie oben gesagt.³⁷ (16) Linos aber spricht so: Aber am siebenten Morgen war alles gerade vollendet, und wiederum: Trefflicher Art ist der siebente Tag; er ist das Geburtsfest, und: Vordersten Rangs ist der siebente Tag – er steht auch am Ende, und: Alle sieben waren geschaffen am sternreichen Himmel, die nun im Umlauf der Jahre dort oben in Kreisen erscheinen.³⁸

Um den Eindruck vom Aristobulos’ Text zu vervollständigen, führen wir sogleich noch einen Auszug an, in dem die griechischen Autoren wieder (nach dem Fragm. 2, PraepEv 8.10.4) erwähnt werden:

„Peripatetiker“ hin (τίνες τῶν ἐκ τῆς αἱρέσεως ὄντες ἐκ τοῦ Περιπάτου; s. darüber Holladay, Aristobulus, 226 – 227, Anm. 125). Jedoch hat darüber „noch klarer und besser […] einer unserer Vorfahren, Solomon, gesagt“ (vgl. Prov 8,22– 31). Nach der allegorischen Deutung des „siebten Tages“ versucht der Verfasser Bestätigungen für die Heiligkeit des Sabbats in den griechischen Dichtungen zu finden.  Der Text ist hier nicht ganz klar (A.Y. Collins in: Charlesworth, OTP II, 842).  Der ganze Endteil des Fragm. 5 (PraepEv 13.12.13 – 16) ist einer Sammlung pythagoreisch-jüdischer Herkunft entnommen, die unten behandelt wird (s. 1.1.2.1). Nicht alle Verse können eindeutig interpretiert werden. Clemens zitiert an entsprechender Stelle (Strom. 5.107.2– 4) teilweise andere Texte, statt Linos ist Kallimachos genannt u.dergl.; Aristobulos wird von Clemens dabei nicht erwähnt.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Die nun, die richtig zu denken in der Lage sind, bewundern die bei ihm [vorhandene] Weisheit und den göttlichen Geist, dessentwegen ihm auch der Ehrenname ‚Prophet‘ verliehen ist; unter diesen sind die oben genannten und einige weitere Philosophen³⁹ sowie Dichter, die bei ihm wertvolle Anregungen empfangen haben, weshalb sie denn auch bewundert werden.

Wie sind also die angeführten Aristobulos-Texte beschaffen? Es werden folgende Autoren zitiert: Orpheus, Aratos, Hesiod, Homer, Linus. Es ist durchaus möglich, dass vor dem Fragm. 3 ein Zitat aus Plato stand, das seinem Gedanken nach mit einem biblischen Text in Verbindung stand.⁴⁰ Alle elf Texte, die in den erhaltenen Fragmenten zitiert werden, sind in Versen. Nur eines davon ist einem hellenistischen Werk entnommen (Aratos-Dichtung, 4.–3. Jh.v.Chr.), alle anderen müssten, wenn man nach den Namen ihrer Autoren urteilen darf, sehr alt sein: Homer und Hesiod sollen im 10.–9. Jh. v.Chr. gelebt haben, Orpheus und Linus noch wesentlich früher. Dabei ist der Text von Aratos echt, die meisten anderen sind aber Fälschungen.⁴¹ Von den drei bestimmt echten Texten sind zwei verändert. Im Homer-Vers Od. 5.262 (PraepEv 13.12.14) ist das Wort „der vierte“ (τέταρτον) durch „der siebte“ (ἕβδομον)⁴² ersetzt. Im Aratos-Text ist der Name „Zeus“ (gen. Διός) dreimal durch „Gott“ (θεοῦ) ersetzt. Das Verfahren wird auch theoretisch begründet PraepEv 13.12.7): Aristobulos erklärt mit Nachdruck – er wiederholt es zweimal –, dass er nur den richtigen Sinn des Textes wiederhergestellt hat, weil das bei Aratos über Zeus Gesagte mit Recht nur für den Einen Gott gelten darf.⁴³ Aristobulos sucht seinem Adressaten – und das ist, mindestens wird es behauptet, der „heidnische“ hellenistische König Ptolemäus II. Philometor – zu beweisen, dass der Pentateuch, also der „unbekannte Text“, den allen gebildeten Menschen in der hellenistischen Welt schon bekannten gewissermaßen ähnlich ist. Der Zusammenhang des Zitats kann deswegen als propagandistisch bezeichnet werden. Wenn die Absicht von Aristobulos auch wirklich ist, „vor allem die Vereinbarkeit der mosaischen Tora mit dem hellenistisch-philosophischen

 Daraus schließt Walter, dass das Fragm. 2 dem Fragm. 3 folgen musste (s. Anm. 23).  Clemens hat auf eine für ihn charakteristische Weise den Text verändert, um seine Unvollständigkeit weniger bemerkbar zu machen (s. Holladay, Aristobulus, 152).  Bis auf zwei oder vielleicht drei Zitate aus Homer und Hesiod – s. Walter, Thoraausleger, 151– 166. S. auch 2.3.2.  S. Holladay, Aristobulus, 236, Anm. 157.  Das trifft für die V. 5 – 9 zu, nicht aber für die V. 1– 4,wo es nur um den Namen von Zeus die Rede ist, der von den Menschen oft erwähnt wird. Der Gedanke von Aratos ist ungefähr folgendermaßen wiederzugeben: „fangen wir von Zeus an, weil es wird überall von Zeus geredet, und dies, weil…“ – erst das Folgende ist wirklich stoisch-monotheistisch gefärbt.

2.3 Jüdisch-hellenistische Zitate aus den Schriften paganer Tradition

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Gottesbegriff“ aufzuweisen,⁴⁴ so wird es doch in durchaus radikalen Worten geäußert: es wird wiederholt behauptet, dass die Griechen Tora studiert und von dort entlehnt hätten, was später griechische Dichtung und Philosophie geworden sei.⁴⁵ Hauptsächlich sind es richtige – echte oder, häufiger, unechte – Zitate, die Aristobulos beim Benutzen der griechischen Autoren anführt, mindestens zweimal aber (Fragm. 4, PraepEv 13.12.4 und Fragm. 5, PraepEv 13.12.10) wird auf nicht bestimmte (prosaische) Texte angespielt, wobei in beiden Fällen der Name des Autors durch weniger bestimmte Bezeichnungen im Plural ersetzt wird („Pythagoras, Sokrates und Plato“; „einige Peripatetiker“). Die Anspielungen werden also neben dem direkten Zitieren frei gebraucht. Man darf behaupten, dass die von Aristobulos gemeinten mutmaßlichen Stellen aus dem Zusammenhang gerissen sind, denn es ist völlig klar, dass sie mit den Texten der Bibel nichts zu tun hatten. Wenn wir dabei noch den gemeinsamen Zusammenhang der Zitate und der Anspielungen berücksichtigen, können wir daraus schließen, dass sie auf ähnliche Weise gebraucht wurden. Für Aufnahme der außerbiblischen Texte durch Aristobulos sind ganz bestimmte Züge charakteristisch: Er nennt Namen der bekannten griechischen Philosophen und Dichter, darunter auch sagenhafte, führt direkte Zitate an, die dabei meist unecht sind, reißt sie aus dem Zusammenhang; ändert das, was in Wirklichkeit ursprünglich zur paganen Tradition gehörte, und setzt seine Zitate und die benachbarten Anspielungen in den Gesamtzusammenhang ein, wo die Entlehnung der besten Ideen der Hellenen aus der Mose-Tora vorausgesetzt wird.⁴⁶

2.3.2 Das Problem des Zitierens in anderen jüdisch-hellenistischen Texten des 2.–1. Jh. v. Chr. In der ziemlich umfangreichen griechischsprachigen jüdischen Literatur des 2.–1. Jh. v.Chr. kommen pagane Zitate, außer bei Aristobulos, lediglich in den Texten vor, die uns als Bücher nicht erhalten geblieben sind. Die Rekonstruktion dieser Werke ist schwierig, jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass sie real existierten.⁴⁷

 Walter, Thoraausleger, 44, Anm. 3.  S. besonders PraepEv 8.10.4 (Fragm. 2): „weshalb sie [die Dichter] denn auch bewundert werden“!  Darüber hinaus betont Aristobulos, dass ein jüdischer Nachfolger Moses (Salomo in seinen „Sprüchen“) den griechischen Nachfolgern desselben überlegen ist (Fragm. 5, PraepEv 13.12.11).  Ihre Datierung kann aus klaren Gründen nicht völlig genau sein. Es ist nicht auszuschließen, dass die Texte, um welche es in 2.3.2.2 und 2.3.2.3 geht, teilweise im 1. Jh. n.Chr. entstanden sind.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

2.3.2.1 Die „Siebener-Verse“ In der Untersuchung der Zitate im Fragm. 5 von Aristobulos (s. 2.3.1)⁴⁸ stellte N. Walter fest, dass Aristobulos selbst ihr Autor nicht sein konnte.⁴⁹ Nach Walter müsste eine pythagoreische Sammlung der Texte bestanden haben, die verschiedenen Zahlen oder speziell der Zahl „Sieben“ galt.⁵⁰ Diese Sammlung soll später von einem jüdischen Autor benutzt worden sein, der beispielsweise in einem Homer-Fragment die Zahl „vier“, die für die Pythagoreer wichtiger war, durch „sieben“ ersetzt hat.⁵¹ Walter nimmt ferner an, dass in diesem „Florilegium“, schon in seiner pythagoreischer Version, um so mehr aber in der jüdischen Bearbeitung, auch ein Kommentar enthalten war, wo „bestimmte Beziehungen zwischen Zahlen und Kosmos bzw. Physis hergestellt“ wurden.⁵² Möglicherweise hat Aristobulos von hier seinen Einführungssatz zum Fragm. 5 entlehnt (Fragm. 5, PraepEv 13.12.13), dem die Zitate in Versen folgen.⁵³ Die gründliche und gewichtige Analyse von Walter ist in den vergangenen fünfzig Jahren kaum bestritten worden. Jedenfalls können wir, ohne der Hypothese einer pythagoreischen Sammlung beipflichten zu müssen, mit großer Sicherheit von einem jüdisch-hellenistischen Text reden, der schon im 2. Jh. v.Chr. existierte und dessen Grundlage die Zitate aus der griechischen Dichtung bildeten.⁵⁴

2.3.2.2 Der Pseudo-Hekatäus-Traktat Clemens von Alexandrien führt in Strom. 5.113.1– 2 ein unechtes, offensichtlich jüdisches, Fragment von Sophocles an, ein Zitat, das durch den folgenden Satz eingeleitet wird: „So ruft Sophocles – wie der Geschichtsschreiber Hekataios in seinem (Buch) „Über Abrahamos und die Ägypter“ (ἐν τῷ κατ᾿ Ἄβραμον καὶ τοὺς Αἰγυπτίους) sagt – ohne Umschweife auf der Bühne aus.“ Es ist hier nicht der Ort, sich mit der komplizierten Frage über die Autoren der Fragmente des sog. Pseudo–Hekatäus auseinanderzusetzen;⁵⁵ dennoch dürfen

 Walter, Thoraausleger, 150 – 171.  Ebd., 169 – 170.  Vgl. Walter, „Fragmente“, 256.  Walter, Thoraausleger, 166 – 167.  Ebd., 167.  Ebd. Aristobulos sagt hier: „In Siebenerperioden (δι᾿ ἑβδομάδων) bewegt sich ja auch die ganze Welt aller Lebewesen und Pflanzen“.  Zum Gedanken, dass diese Sammlung auch das berühmte Gedicht von Solon über die „Siebener-Zyklen“ enthielt (Diehl F 19), vgl. Walter, Thoraausleger, 168 – 169.  Es sind mehrere Fragmente unter dem Namen von Hekatäus von Abdera (4.–3. Jh. v.Chr.) erhalten geblieben, die zum großen Teil Fälschungen sind. Am zugänglichsten ist die Darstellung bei Mittmann-Richert, U., „Einführung zu den historischen und legendarischen Erzählungen“, in:

2.3 Jüdisch-hellenistische Zitate aus den Schriften paganer Tradition

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wir behaupten, dass in einem jüdischen Text der hellenistischen Zeit mindestens ein direktes Zitat unter dem Namen von Sophocles enthalten war. Der Text wird sehr vage, zwischen dem 3. Jh. v.Chr. und, wahrscheinlicher, dem 1. Jh. n.Chr. datiert.⁵⁶ Es ist nicht klar, ob es in diesem Text noch weitere Zitate gab,⁵⁷ jedoch ist praktisch nicht zu bezweifeln, dass das Pseudo-SophoclesFragment zu einem „Florilegium“ oder „Gnomologium“ gehörte (s. 2.3.2.1).⁵⁸ Über diese Sammlung soll im folgenden Abschnitt die Rede sein.

2.3.2.3 Ein jüdisch-hellenistischer Traktat in der pseudo-justinischen Schrift „De monarchia“ Schon A. Elter⁵⁹ hat darauf verwiesen, dass die Vers-Zitate, die den größten Teil des Traktates „De monarchia“ ausmachen,⁶⁰ deutlich in zwei Gruppen zerfallen: In den Kapiteln 2 bis 4 sind die Zitate unecht, ab Kapitel 5 aber fast restlos echt. N. Walter, der diese Frage sorgfältig behandelt hat,⁶¹ hat überzeugend gezeigt, dass die Kap. 2– 4 „einigermaßen unverändert“⁶² „einen kleinen Traktat“ enthalten, „der zeigen sollte, daß der jüdische Glaube an den Einen Gott, den Schöpfer und Richter der Welt, sich im Grunde auch bei griechischen Dichtern finden läßt“.⁶³ In diesem mutmaßlichen Traktat waren, soweit wir anhand des Textes von Pseudo-Justin urteilen können,⁶⁴ Zitate aus den Werken der berühmtesten Tragiker

JSHRZ VI,1,1, 2000, 202– 209. S. auch spezielle Untersuchung zu diesem Thema: Bar-Kochva, B., Pseudo-Hecataeus, On the Jews: Legitimizing the Jewish Diaspora (Hellenistic culture and society 21), Berkeley 1996.  S. z. B. R. Doran in: Charlesworth, OTP II, 905 – 907.  Walter, „Fragmente“, 253; ausführlicher (auch in Verbindung mit 1.1.2.3) – Walter, Thoraausleger, 195 – 201.  Zu diesem Ausdruck s. Walter, „Fragmente“, 248.  Elter, Gnomologiorum historia, III–VI.  Zu diesem Traktat aus dem 3. Jh. n.Chr. s. auch 3.2.7.2.  Walter, Thoraausleger, 179 – 184; „Fragmente“, 244– 254.  Walter, „Fragmente“, 250.  Ebd., 249. Vgl. Runia, Early Christian Literature: A Survey (Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum 3,3), Assen/Minneapolis, 1993, 184, Anm. 2.  Ein „dramatisches Gnomologium“, der dem Traktat zugrunde liegt und wahrscheinlich von seinem Autoren verfasst wurde, ist auch von Clemens von Alexandrien benutzt worden (Strom. 5.113,119 – 133), die richtige Reihenfolge finden wir aber wohl bei Pseudo-Justin (zur Komposition des Traktates s. Walter, „Fragmente“, 250).

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und Komiker enthalten, resp. Aischylos, Sophocles und Euripides, Philemon und Menander.⁶⁵ Darüber hinaus finden wir hier das uns schon bekannte Pseudo-OrpheusFragment in einer anderen Variante als bei Aristobulos; ihm folgen vier hexametrische Verse, die Pythagoras zugeschrieben werden (De mon. 2.4– 5). Diese zwei Fragmente gehörten offensichtlich nicht zu den „dramatischen Gnomologien“ und konnten von den Autoren des betreffenden jüdischen Werkes nicht zitiert werden; die Frage ist für unser Thema jedoch nicht entscheidend.⁶⁶ Der Traktat wurde am wahrscheinlichsten im 1. Jh. v.Chr. verfasst, vielleicht auch im 1. Jh. n.Chr.⁶⁷

2.3.2.4 Das Zitieren in den „Siebener-Versen“, dem Pseudo-Hekatäus-Traktat und dem jüdischen Traktat, benutzt in Justins „De monarchia“, im Vergleich zu Aristobulos⁶⁸ In allen drei Werken finden wir nur Verszitate. Dabei sind alle Zitate entweder jüdische Fälschungen oder, wenn wir über den mutmaßlichen Vorgänger von Aristobulos reden, jüdische Bearbeitung eines Florilegiums, in dem echte Texte schon ausgewählt, im erforderlichen Sinne korrigiert und durch – vielleicht pythagoreische – Fälschungen ergänzt waren. Der Zusammenhang und der Zweck des Zitierens werden aus dem Vergleich mit den Aristobulos-Fragmenten klar, die in besserem Zustand erhalten sind. Die Verfasser sind gegen das Heidentum nicht weniger polemisch gesinnt, als Aristobulos; im Text, in dem das „dramatische Gnomologium“ benutzt wird, ist die polemische Spannung noch viel höher, was aus dem Inhalt der Zitate selbst zu ersehen ist⁶⁹ – die in Wirklichkeit höchstwahrscheinlich vom selben Autor stammten, der den ganzen Traktat geschrieben hat – der „Aischylos“, der „Sophocles“ und sogar der „Menander“ legen nicht einfach biblische Ideen dar,

 Zwei Fragmente werden von Clemens einem anderen Komiker, Diphilos, zugeschrieben (5.121.1– 3 – in „De monarchia“ Philemon und Euripides; 5.133.3 – in „De monarchia“ Menander). Nach Walter (s. vorherg. Anm.), hat hier eher Clemens recht.  Keine bestimmte Antwort gibt darauf auch Walter (Walter, Thoraausleger, 200). Jedenfalls wird die Pseudo-Orpheus-Version in (Version A) als wesentlich ältere anerkannt, als die von Aristobulos (Version С) – ausführlicher s. Walter, ebd., 202– 261, knapper – Walter, „Fragmente“, 217– 230.  Bestimmt zwischen 2. Jh. v.Chr. und Mitte 1. Jh. n.Chr. (Oegema, G.S., „Poetische Schriften“, in: JSHRZ VI,1,4, 2002, 88).  S. 2.3.1.  Walter ist bei der Beurteilung viel zurückhaltender (Walter, „Fragmente“, 178 – 179; 252– 253), jedoch redet er über die „Absichten“ der Verfasser ohne den Sinn der Zitate selbst mit zu berücksichtigen.

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sondern sie prangern Unwissenheit und Ruchlosigkeit der Heiden und auch ihre lasterhafte Lebensweise an; für dies alles erwarte sie Gericht und Strafe im Jenseits („im Hades“ – Pseudo-Philemon in De mon. 3.2). Zur Methodik des Zitierens wurde in Beziehung zu den „Siebener-Versen“ schon oben das Nötige gesagt (s. 2.3.1), was aber die Zitate aus den dramatischen Werken angeht, so sind es einfach lauter Fälschungen. Dabei fehlen natürlich Hinweise darauf, aus welchen Tragödien oder Komödien diese Zitate entlehnt waren.⁷⁰ Über Anspielungen in diesen Texten können wir kaum etwas sagen, denn uns ist praktisch kein Kommentar zu den Zitaten erhalten. Das Ergebnis ist, dass die jüdischen Autoren des 2. – 1. Jh.s v.Chr. unter den Namen der griechischen Dichter hauptsächlich wiederum jüdische Werke zitierten.⁷¹ Wenn sie aber doch echte Zitate verwendeten, wurden diese nicht nur aus ihrem Zusammenhang gerissen, sondern auch geändert, damit sie der propagandistischen Tendenz der zitierenden Schriftsteller dienen konnten.

2.3.3 Pagane Zitate bei Philo von Alexandrien Die Traktate von Philo wurden in der ersten Hälfte des 1. Jh. n.Chr. verfasst. Obwohl, wie schon gesagt, pagane Zitate bei Philo nie systematisch behandelt wurden,⁷² erlauben die kommentierten Ausgaben des 20. Jh.s⁷³ diese Lücke einigermaßen zu füllen. Insgesamt zitiert Philo ca. 100 Mal pagane Texte.⁷⁴ Alle Zitate sind bei ihm offensichtlich echt.⁷⁵ Ungefähr 80 % aller Zitate sind in Versen, vorwiegend aus

 Walter, ebd., 249.  S. darüber auch 2.5.5.  D.T. Runia (Philo of Alexandria and the Timaeus of Plato [Philosophia antiqua 44], Leiden 1986) behandelt (wenn auch sehr ausführlich) die philonische Benutzung nur dieses Traktats des Plato. S. dort insbes. S. 365 – 371.  Philo. With an English translation by F.H. Colson, 10 vols, London / Cambridge 1962– 71; Philon d’Alexandrie. De aeternitate mundi. Introduction et notes par R. Arnaldez (Les Œuvres de Philon d’Alexandrie 30), Paris 1969; insbes. ist der „Sachweiser zu Philo“ im 7. Band der deutschen Übersetzung von Philo (Theiler, W., Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung, Berlin 1964, 388 – 392) zu berücksichtigen.  Nach C. Siegfried (Philo von Alexandrien als Ausleger des Alten Testaments an sich selbst und nach seinem geschichtlichen Einfluß betrachtet, nebst Untersuchungen über die Graecitaet Philos, Jena 1875), 50 Mal. Die Untersuchung von Runia (Timaeus) bezeugt u. a. die Komplexität einer Abgrenzung der Zitate von anderen Referenzarten, s. z. B. dort 84– 85.  S. Alexandre, La culture prophane.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Homer und Euripides. Etwa 50 % der Zitate sind in sog. „nichtbiblischen“ Traktaten „Quod omnis probus liber sit“ (Prob.) und „De aeternitate mundi“ (Aeter.) enthalten.⁷⁶ Nur in „Quod omnis probus“ finden wir wirklich recht viele Zitate (ca. 20), in „De aeternitate“ – weniger als zehn, in anderen Werken höchstens drei Zitate, in den meisten Werken von Philo fehlen sie überhaupt.⁷⁷ In der Regel gebraucht Philo solche Zitate, um seinen Gedanken zu bekräftigen,⁷⁸ es kann aber auch rein illustrativ⁷⁹ gebraucht werden, auch zur Widerlegung der zitierten Meinung⁸⁰ und als Erzählstoff oder Erzählungsteil.⁸¹ In den meisten Fällen haben die jeweiligen unmittelbaren Zusammenhänge („Ko-Texte“) Philos auf den ersten Blick mit dem, was wir bei Aristobulos und in anderen jüdisch-hellenistischen Texten sehen, nichts oder wenig zu tun.Wenn wir uns jedoch den Zusammenhang der jeweiligen Zitate aufmerksamer anschauen, tritt eine wesentliche Ähnlichkeit zum Vorschein. Es wird öfters darauf verwiesen, ein bestimmter paganer Autor habe etwas von Mose oder „aus dem jüdischen Gesetz“ „entlehnt“.⁸² Häufiger sind solche Verweise von den Zitaten getrennt,⁸³ sie können aber auch das Zitieren unmittelbar begleiten.⁸⁴ Manchmal begnügt sich Philo, ohne von der Entlehnungstheorie Gebrauch zu machen, mit der „sanfteren“ Form, der Konsenstheorie.⁸⁵ Es soll jetzt speziell das Zitieren in „Quod omnis probus“ und „De aeternitate“ diskutiert werden, wo pagane Zitate am häufigsten vorkommen. Die beiden Traktate sehen ganz „griechisch“ aus und sind auf den ersten Blick weit von dem typischen „Philonismus“ entfernt.⁸⁶ Die vielen griechischen Zitate könnten diesen

 Die Übersetzung „De incorruptibilitate mundi“ wäre für das griechische ἀφθαρσία richtiger (s. Aeter. 5 f). Vgl. „incorruptibility“ bei Runia, Timaeus, 394.  Es ist zu erwähnen, dass Prob. einen Teil eines „Paartraktates“ bildete,von dem uns der zweite Teil nicht erhalten ist („Quod omnis improbus servus sit“). Mann darf sicher sein, dass auch in diesem Traktat Philo nicht seltener Zitate gebrauchte (vgl. Prob. 1, wo Philo erklärt, die beiden Traktate seien „Brüder und gewissermaßen Zwillinge“).  Opif. 100; Prob. 155; Aeter. 132 u. a.m.  Deter. 64; Somn. 1.54 u. a.  Leg. 3.7; Poster. 35.  Prob. 99 – 101; 116; 122 u. a.; Aeter. 141.  In QG 4.152 wird Heraklit sogar direkt des Diebstahls bezichtigt (dieser Text liegt allerdings lediglich in armenischer Übersetzung vor). Vgl. Runia, Timaeus, 529.  Z. B. Her. 214; QG 2.6 u. a.  Leg. 1.108; QG 4.152.  Virt. 65.  Colson meint sogar: „The value of the De aeternitate is to a Philonist very little“ (s. Arnaldez, Philon, 70; Arnaldez selbst stimmt Colson allerdings nicht zu, ebd.).

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Eindruck bestätigen. Doch auch in diesen Werken finden wir bei gründlicherer Analyse Züge der jüdischen Propaganda und der bekannten Prioritätstheorie.⁸⁷ In der Einführung zu „De aeternitate“ stellt Philo die möglichen Ansichten über die Weltordnung vor. Philo selbst ist der Anhänger derjenigen, die Plato vertreten hat.⁸⁸ Da erweist sich aber sogleich, dass Plato eigentlich nicht der Urheber dieser Anschauung war: „Manche denken“, „der Vater dieser Meinung“ sei „der Dichter Hesiod“ gewesen (es folgt ein Zitat aus der „Theogonie“, 116 f.).⁸⁹ Ein Versuch, die eigene Meinung auf möglichst alte Zeiten zurückzuführen ist schon für die Prioritätstheorie ganz typisch, der Verfasser begnügt sich aber nicht damit und führt die „platonisch-hesiodische“ Ansicht auf Mose selbst zurück, der „viele Jahre früher“ gelebt habe.⁹⁰ Als Beweis zitiert er dabei das Genesis-Buch, in das er die dort in Wirklichkeit fehlende Idee der „Aphtharsie“ der Welt einliest.⁹¹ In „Quod omnis probus“ finden wir auch ganz konkrete Erklärungen über die Entlehnungen der Hellenen aus der Tora, am wichtigsten ist aber wohl die Tatsache, dass genau in der Mitte des Werkes (Prob. 75 – 91⁹²) eine Beschreibung der Essener steht, die als Vorbild eines tugendhaften und also auch eines freien Lebens dienen sollen.⁹³ Die Essener, die hier offensichtlich das jüdische Volk repräsentieren, verdienen nach Philo eine höhere Einschätzung als andere „Barbaren“, die ihrerseits besser als die Griechen abschneiden (Prob. 73 – 74). Der politische Sinn des Buches, dessen Hauptthema doch Freiheit der Weisen ist – und die Weisen schlechthin sind bei Philo immer die Juden, – soll bestimmt mitberücksichtigt werden.⁹⁴

 Vgl. Runia, Timaeus, 528 – 535 (Abschnitt „Reconstruction of a theoretical foundation“); Pilhofer, Presbyteron kreitton, 179 – 187.  Aeter. 13 – 16.  Aeter. 17.  Aeter. 19.  Vgl. Arnaldez, Philon, 87, Anm. 4.  Der Traktat wird in 160 Paragraphe eingeteilt.  Vgl. Petit, M., Philon d’Alexandrie. Quod omnis probus liber sit. Introduction, texte, traduction et notes par M. Petit (Les Œuvres de Philon d’Alexandrie 28), Paris 1974, 38 – 39 (sie meint, der Essener-Abschnitt sei „pivot réel du traité“). Im Anhang (note complémentaire 3, p. 252) führt die Herausgeberin eine Stelle aus dem Plato-Dialog „Kritias“ an (120e–121a), die wohl als Parallele zu diesem Abschnitt betrachtet werden kann (es geht aber nicht um ein Zitat). Diese Anspielung bestätigt auf indirekte Weise, dass dieser Teil kein nachträglicher Einschub, sondern ein ursprünglicher und wichtiger Teil des Traktates ist.  S. insbes. das Euripides-Zitat (Fragm. 275 Nauck) in Prob. 141, aber auch mehrere Episoden, bei denen die hellenistischen Herrscher als Unterdrücker der Freiheit dargestellt werden (93 – 96: Kalanos gegen Alexander, 115: Dardanierinnen gegen Mazedonier, 125 f: Chaereas gegen Ptolemäus).

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Obwohl, wie schon gesagt, alle von Philo verwendeten Zitate mit großer Wahrscheinlichkeit echt sind, wird manchmal der ursprüngliche Sinn verändert.⁹⁵ In Prob. 19 steht bei Philo „Gott“ statt „Zeus“ im Sophocles-Zitat „Zeus ist mein Herrscher, nicht ein Sterblicher“.⁹⁶ Übrigens übersetzt Ambrosius von Mailand, der vom Philo-Text Gebrauch macht, doch „Jupiter mihi praeest etc.“⁹⁷ Eine ähnliche Unklarheit sehen wir im „Timäus“-Zitat in Aeter. 13, hier ist aber eine Korrektur seitens Philo wahrscheinlicher.⁹⁸ Bei Plato (Tim. 41a) lesen wir: θεοὶ θεῶν ὧν ἐγὼ δημιουργὸς πατήρ τε ἔργων […] „Göttliche Göttersöhne, deren Bildner ich bin und Vater der Werke […]“

Bei Philo steht hingegen: θεὸς θεῶν, ἐγὼ δημιουργὸς πατήρ τε ἔργων […] „Ich, Gott der Götter, bin Schöpfer und Vater der Werke […]“

Philo möchte wohl nicht gern den Einen Gott für das Erschaffen der (unechten) Götter verantwortlich machen.⁹⁹ Dieser Gedanke wird offensichtlich durch einen weiteren Philo-Text unterstützt. In Prov. 2.15¹⁰⁰ schreibt er: „Was […] in Verwandtschaften die Eltern den Kindern gegenüber sind, das ist ein König einem Staat gegenüber, Gott der Welt gegenüber; deshalb wird bei dem angesehensten und gefeiertesten aller Dichter, bei Homer, Zeus der ‚Vater der Götter und Menschen‘¹⁰¹ genannt“. Zeus wird hier direkt mit Gott identifiziert, was uns ermöglicht,

 Es geht hier nicht um die Fälle, wo Philo den Sinn des Gesagten nicht ganz richtig verstanden hat oder wo er den Text zitiert, der bereits vorher (etwa von einer handelnden Person) absichtlich geändert wurde (Prob. 125).  Fragm. 688,3 (= Aristoteles, Eud. Eth., VII,10, 1242 a37).  Eingehender wird die Frage bei Amir, „Monotheistische Korrekturen“, 14– 18 behandelt. Amir schlussfolgert, dass Ambrosius am wahrscheinlichsten den ursprünglichen Text von Sophocles kannte.  S. Colson, Philo, IX, 525 – 526; Runia, Timaeus, 232– 242, dort bes. 234; auch Lucchesi, E., L’usage de Philon dans l’oeuvre exégétique de Saint Ambroise (Arbeiten zur Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums 9), Leiden 1977.  Weniger klar ist es, ob auch das Subjekt „Gott“ (anders als bei Plato) im Singular stand, so jedenfalls in allen Philo-Handschriften, die Korrektur könnte aber auf christliche Tradenten zurückgehen, s. Runia, Timaeus, 234.  So der armenische Text; im griechischen (bei Euseb, PraepEv 8.14.387) ist das Zitat weggelassen.  Hom., Il. 1.544 u. ö.

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diese Stelle mit der Aristobulos-Passage zu vergleichen, wo er seine „Korrekturen“ der Aratos-Verse erläutert (s. 2.3.1). Werke von Philo sind an Anspielungen außerordentlich reich, so dass diese genauer Berechnung trotzen.¹⁰² Die Anspielungen werden in ähnlicher Weise gebraucht, wie die illustrativen Zitate. In manchen Fällen haben die Zitate keine Einleitungsformel¹⁰³ und können bei Veränderung zu Anspielungen werden, besonders wenn es Zitate in Prosa sind. Ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Art von zitatähnlichen Anspielungen finden wir in Jos. 20 vor, wo der biblische Joseph, der von seinen Brüdern in Knechtschaft verkauft werden soll, die Worte des platonischen Sokrates gebraucht „schlimmer ist es Ungerechtigkeit zu begehen, als sie zu erleiden“.¹⁰⁴ Wir fassen zusammen. Das Zitieren weist das hohe Niveau der griechischen Bildung Philos auf.¹⁰⁵ Dasselbe bezeugen seine häufigen Anspielungen und der Verzicht auf die Benutzung unechter Texte.¹⁰⁶ Dennoch hindert es Philo nicht, im Rahmen der uns schon bekannten Tradition der jüdisch-hellenistischen Propaganda zu bleiben mit ihrer Prioritätstheorie und dem Heranziehen der berühmten griechischen Dichter und Denker „auf die eigene Seite“. Es mag Philo nicht so wichtig sein, ob die Griechen ihre Ideen dem jüdischen Gesetzgeber entnommen haben oder an diese selbständig gekommen sind,¹⁰⁷ doch fordert er anzuerkennen, dass die Tora vor anderen Schriften Vorrang hat.¹⁰⁸ Philos Art pagane Texte zu verwenden bedarf ganz gewiss einer speziellen Untersuchung, es ist jedoch klar, dass Philos enge Gebundenheit an die ältere Tradition dabei auf keinen Fall unterschätzt werden darf.¹⁰⁹

 S. z. B. Siegfried, Philo, 139.  Prov. 2.23.  Vgl. Plato, Gorgias, 469с. Über andere Anspielungen s., z. B. Alexandre, La culture prophane, 108 – 109.  Ebd., 109 – 111. Zur „griechischen und jüdischen Bildung“ Philos s. Heinemann, I., Philons griechische und jüdische Bildung, Darmstadt 21962 (ohne spezielle Behandlung der Zitate).  S. Hengel, Anonymität, 251– 252. Es ist zu bemerken, dass Philo bereit ist, einzuräumen, auch Mose habe etwas von den Hellenen gelernt! (Mos. 1.21) – s. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 187– 190.  Vgl. QG 2,6: „Sokrates hat es schön gesagt, sei es von Moses belehrt, sei es von der Sache selbst dazu veranlasst“.  S. z. B. den Abschluss des programmatischen Traktats „De opificio mundi“ (Opif. 172).  Methodologisch besonders wichtig Niehoff, Philo on Jewish Identity (Kap. 5 „Greeks and Greek Culture“).

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

2.3.4 Pagane Zitate bei Flavius Josephus Der wichtigste Text des jüdischen Geschichtsschreibers der 2. Hälfte des 1. Jh.s n.Chr. Flavius Josephus, in dem wir pagane Zitate finden, ist sein propagandistisches Werk in zwei Büchern „Über das hohe Alter der Juden“, das mehr unter dem Namen „Gegen Apion“ bekannt ist.¹¹⁰ In seinem großen historischen Werk „Jüdische Altertümer“ verwendet Josephus solche Zitate relativ selten.¹¹¹ Als wesentliche Ausnahme könnte die ausführliche Nacherzählung des grossen Teiles des sog. „Aristeas-Briefes“ gelten (Ant. 12.11– 118), doch ist es eben eine Nacherzählung (s. über diese Art der Benutzung der griechischen Texte in 2.5). Dennoch ist auch dieses „Zitat“ bezeichnend: es wird ja ein Werk benutzt, das einem griechischen Verfasser lediglich zugeschrieben wird, der wirkliche Autor aber ein alexandrinischer Jude gewesen sein dürfte.¹¹² Schon dieser Umstand legt nahe, dass das Zitieren bei Josephus mit den Methoden seiner Vorgänger große Ähnlichkeiten aufweist. Im 1. Buch von „Contra Apionem“ führt Josephus Zeugnisse verschiedener Autoren über das Alter des jüdischen Volkes an. Nachdem Josephus der Reihe nach ägyptische, phönizische und babylonische Texte behandelt hat (C.Ap. 1.69 – 160) geht er zu den griechischen Zeugnissen über, für diejenigen Leser, die denken, dass „nur die Hellenen glaubwürdig seien“ (C.Ap. 1.161). Als Beweis werden die Angaben von sieben Autoren angeführt, die einen besonderen Teil des Werkes bilden (C.Ap. 1.162– 212). Jedes Zeugnis versieht Josephus mit eigenem Kommentar.¹¹³ In „Contra Apionem“ führt Josephus je ein Zitat aus den Werken der Historiker Hermippos und Herodot, des epischen Dichters Choirilos, des Peripatetikers Klearchos und des Historikers (und Geographen) Agatharchides von Knidos, dazu noch sieben Zitate aus Hekatäus von Abdera.¹¹⁴ Somit ist von den zwölf Zitaten nur eines in Versen,was „Contra Apionem“ von oben behandelten Texten unterscheidet. Andererseits, sehen wir, dass die Zitate vorwiegend einem Werk entnommen sind, dessen Fragmente uns unter dem  Allgemeine Meinung ist, dass dieser zweite Name dem Inhalt des Werkes nicht entspricht (s. z. B. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 193).  Am häufigsten (8 Mal) zitiert er Strabo (Ant. 13.287, 319; 14.35 – 36, 112, 115 – 118; 138; 139; 15.9 – 10).  S. zu dieser Schrift 2.4.1.  Vor und nach dem Zitat, manchmal auch eigene Worte in die Mitte des Zitats einführend.  Teilweise wird der Text ständig nacherzählt, nur teilweise zitiert. Im Zeugnis von Theophrastes (C.Ap. 1.167) ist kein Zitat enthalten. Man kann sagen, dass es sechs Zitate aus Hekatäus sind, wenn wir C.Ap. 1.187 f. und 1.189 für ein Fragment halten. Auf Hekatäus verweist Josephus auch in C.Ap. 2.43, doch ist es wohl kein Zitat, sondern eine Nacherzählung.

2.3 Jüdisch-hellenistische Zitate aus den Schriften paganer Tradition

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Namen von Hekatäus von Abdera erhalten sind. Die meisten Forscher meinen, dass mindestens ein Teil der von Josephus angegebenen Fragmente unecht ist, d. h. in Wirklichkeit von einem jüdischen Verfasser stammt und dem griechischen nur zugeschrieben ist (sog. „Pseudo-Hekatäus“ – s. 2.3.2.2).¹¹⁵ Das Zitat aus dem Werk des Choirilos ist auf die Juden recht willkürlich bezogen, es geht dort offensichtlich um ein anderes Volk.¹¹⁶ Das Klearchos-Zitat schien manchen Forschern ebenfalls verdächtig zu sein.¹¹⁷ Wie schon gesagt ist der Zweck des Zitierens bei Josephus bestimmt ein propagandistischer. Der Rahmen der Zitate entspricht diesem Zweck völlig. Josephus ist nicht bestrebt, die Zitate unbedingt so anzuführen, dass sie völlig die Ansicht ihres ursprünglichen Verfassers und/oder seine Information wiedergeben. Besonders klar wird das im Falle des Klearchos-Zitats. Sowohl der Anfang als auch das Ende der Erzählung vom weisen Juden, dem Aristoteles begegnet sein soll, sind nämlich von Josephus weggelassen, offenbar weil dieser, der eigentlich wichtigste Teil des benutzten Dialogs, seinem propagandistischen Ziel nicht entsprach.¹¹⁸ Lückenhaft scheint auch das Hermippos-Zitat zu sein. Wenn Josephus über Pythagoras redet (C.Ap. 1.162– 165), gebraucht er dieselbe Wendung, die wir schon bei Aristobulos gelesen haben (s. 2.3.1) – „vieles von den Bestimmungen der Juden in seine eigene Philosophie übernommen“ (Fragm. 3, PraepEv 13.12.1 – C.Ap. 1.165),¹¹⁹ er benutzt also die Entlehnungstheorie in scharf ausgeprägter Form.¹²⁰ Anderenorts spricht er auf ähnliche Weise auch über Plato¹²¹ und über griechische Philosophen überhaupt.¹²² Die Prioritätstheorie ist die

 S. R. Doran in: Charlesworth, OTP II, 905 – 907. Nach Bar-Kochva, Pseudo-Hecataeus, sind alle Zitate einer Fälschung entnommen, die um 100 v.Chr. entstanden ist.  S. Josephus. By H.St.J. Thackeray, L.H. Feldman in ten vols, Cambridge (MA) / London 1976 – 81, I, 232– 233.  Wohl zu Unrecht (s. Silberschlag, E., „The Earliest Record of Jews in Asia Minor“, in: JBL 52 [1933], 66 – 77), zumindest aber ist Aristoteles im zitierten Dialog mit großer Wahrscheinlichkeit nur eine literarische Gestalt.  Wir erfahren deswegen nicht von Josephus, warum, d. h. aber als was dieser Jude von Aristoteles bzw. Klearchos überhaupt eingeführt worden ist. Am wahrscheinlichsten ging es um magische Handlungen (vgl. andere Fragmente desselben Traktats von Klearchos „Über den Schlaf“ bei Wehrli, F., Die Schule des Aristoteles, 3. Bd., Basel 1948, 11– 12).  Nach Walter kannte Josephus wahrscheinlich den Traktat von Aristobulos, obwohl er ihn nicht ausdrücklich erwähnt (Walter, Thoraausleger, 56, Anm. 1). Übers. des Zitats F. Siegert.  Z. B. gerade im Werk des Hermippos ist die Einschätzung von Pythagoras und somit auch der Juden, offensichtlich negativ (s. Hermippos der Kallimacheer, hg. von F. Wehrli, Basel – Stuttgart 1974, 15 – 16, 55 – 61), was in der Forschung wenig beachtet wird (s. aber Bickerman, Greek Age, 231).  C.Ap. 2.257 („Plato ahmt unseren Gesetzgeber nach“).

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Grundlage des ganzen Traktates „Contra Apionem“ und auch der Hintergrund des riesengroßen historischen Werkes „Antiquitates Judaicae“.¹²³ Besonders interessant ist Josephus’ Verweisung auf einen Spruch aus den „Sibyllinischen Weissagungen“ in Ant. 1.118. Wir wissen nicht, ob es sich hier um einen Text der jüdischen oder der babylonischen Tradition handelt (meist wird das erstere angenommen). Auf jeden Fall trägt der zitierte Text einen Namen, der zum hellenischen „Kulturkreis“ gehört.¹²⁴ Von den „Sibyllinischen Weissagungen“ wird noch unten die Rede sein (2.5.3). Josephus führt nicht nur Zitate aus den Geschichtswerken an, sondern benutzt gelegentlich auch Anspielungen,¹²⁵ obwohl er Philo im Beherrschen der griechischen Sprache und in Kenntnissen der griechischen Literatur wesentlich nachsteht.¹²⁶ Was Zitate in den „Antiquitates“ angeht, dienen sie ebenfalls den apologetischen Zwecken, wenn auch indirekt: Die griechischen Geschichtsschreiber, die den Juden gegenüber möglicherweise ganz neutral – oder sogar negativ – gesinnt waren, rühmen das jüdische Volk dennoch, wenn sie im Zusammenhang der „Antiquitates“ von Josephus zitiert werden. So staunt Josephus¹²⁷ allerdings,wieso denn Polybios den Tod von Antiochus Epiphanes dem Wunsch einen persischen Tempel zu plündern, zuschreibt und nicht der schon geschehenen Freveltat in Jerusalem. Doch auch hier räumt Josephus ein, dass Polybius sonst ein „guter Mensch“ ist und führt kein Zitat an, sondern begnügt sich mit einer Nacherzählung. Herodot wird gelegentlich nacherzählt, wobei Josephus dessen Fehler gern korrigiert, wobei er auch das prägnante Verb πλανάομαι gebraucht.¹²⁸ Wir fassen zusammen. In Josephus erkennen wir einen weiteren ganz typischen Repräsentanten der propagandistischen Tradition des „paganen Zitierens“. Und wiederum, wie es schon bei Philo der Fall war, hilft uns gerade sein Verhaftetsein in der Tradition, die originelle Seite dieses Schriftstellers besser zu sehen, und zwar seine Benutzung der Prosawerke historischen Inhalts. Bei Ari C.Ap. 2.281: „Alle diejenigen, die bei den Griechen Philosophie trieben, folgten in ihren Taten und Philosophie dem Moses“. Andere Variante (Konsenstheorie): „fast alle [Philosophen – V.W.] dachten über die Natur des Gottes auf solche Weise [wie Mose – V.W.]“.  Vgl. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 193 – 206. S. insbes. C.Ap. 1.6 – 14; 2.279; Ant. 1.5 und weiter unten.  S. Buitenwerf, Sibylline Oracles, 167– 171.  Z. B. ist in C.Ap. 1.7 eine platonische Anspielung sehr wahrscheinlich (Timäus, 22bc), in C.Ap. 2.279 – eine sophokleische (Ajas, 646 f.).  S. Rajak, T., Josephus. The Historian and His Society, London 1983, 46 – 64 (ch. 2).  Ant. 12.358 – 359  Ant. 8.253, 260; 10.19.

2.4 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen

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stobulos und Philo bezeugten die Griechen die religiöse und philosophische Wahrheit, bei Josephus sind außerbiblische Zitate Zeugnisse auch für die historische Wahrheit.¹²⁹

2.3.5 Zusammenfassung Nach dem Durchgang durch die griechischsprachigen Texte des antiken Judentums ist festzustellen, dass Zitate aus der paganen Literatur in den jüdisch-hellenistischen Schriften nicht sehr häufig sind. Man kann trotzdem gut erkennen, wozu sie in den allermeisten Fällen verwendet werden: Sie sind Mittel der Beweisführung in der Apologie des Judentums und im Streit gegen den Paganismus. Wir müssen uns auch darüber klar werden, wie pagane Texte von denjenigen jüdischen Autoren benutzt wurden, die (soweit man urteilen kann) keine paganen Zitate verwenden, wohl aber Anspielungen auf die pagan-griechische Literatur enthalten. Das wird uns Klarheit geben, wie sich das Zitieren der „fremden“ Schriften zur anderartigen Benutzung derselben verhält.

2.4 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen 2.4.1 Der Aristeasbrief Dieses Werk, wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 2. Jh.s v.Chr. geschrieben¹³⁰, ist von besonderer Bedeutung.¹³¹ Hier dürfte es an Anspielungen nicht mangeln, auch wenn ihre Quellen uns meist unbekannt sind: Ein erheblicher Teil des Buches („Antworten der 72 Weisen“ beim Gastmahl vom König Ptolemäus: 187– 300) ist stark an hellenistischen politisch-philosophischen Schriften orientiert und soll im Weiteren¹³² speziell behandelt werden.

 Am Anfang der Ant. (1.25) gibt Josephus seine Absicht bekannt, einen Kommentar zum Pentateuch zu schreiben, und es ist anzunehmen, dass dieses Werk manchen Traktaten Philos ziemlich ähnlich sein könnte.  S. Bickerman, E., Zur Datierung des Pseudo-Aristeas, in: ders., Studies in Jewish and Christian History, part I (AGJU 9,1), Leiden 1976, 109 – 136.  Auch sonst wäre es wichtig, den Einfluss des Aristeasbriefes auf das ur- und frühchristliche Schrifttum genauer zu untersuchen. S. unsere Auseinandersetzung mit dem Verhältnis dieser Schrift zu dem paulinischen Römerbrief: Wittkowsky, Heiden, 6 – 20.  S. 2.5.1.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Es gibt aber im Aristeasbrief noch weitere für uns wichtige Stellen. Der Text ist überhaupt sehr „griechisch“: Sein wirklicher Verfasser ist ein Jude, doch ist der angebliche ein gebildeter (gottesfürchtiger) Hellene, der zum Hof des Königs Ptolemäus II. gehört. Auch sein ebenfalls angeblicher Adressat, ein gewisser Philokrates, ist offensichtlich dem Kreis der „Gebildeten“ (πεπαιδευμένοι) zuzuordnen. Die Handlung spielt am Hof des Königs-„Aufklärers“, der keine Ausgaben scheut, um die Sammlung der alexandrinischen Bibliothek zu erweitern, ein Vorgang, der durch Demetrios von Phaleron selbst gesteuert wird. Beim Gastmahl, bei dem der König die nach Alexandrien eingeladenen jüdischen Gelehrten befragt, sind im Hintergrund griechische Philosophen anwesend, die die Weisheit der Juden würdigen. Einer von ihnen, genannt Menedemos von Eretria, drückt seine Billigung sogar in direkter Rede aus: „In der Tat, König! Denn da die Vorsehung das All regiert und sie [die jüdischen Weisen – V.W.] der richtigen Auffassung sind, daß der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, folgt, daß alle Macht und Schönheit der Rede mit Gott einsetzt“ (201). Man könnte das für ein Zitat halten, wenn nicht offensichtlich wäre, dass der Inhalt dieses „Zitates“ von demselben Autor stammt, der auch den ganzen „Brief“ verfasst hat: Menedemos lebte zur Zeit des Ptolemäus II. nicht mehr, und die ganze Szene ist fiktiv. Es gibt im Buch auch einen Verweis auf Hekatäus (31), dabei ist vielleicht der „echte“ Hekatäus von Abdera gemeint, jedoch geht es offensichtlich um eine Nacherzählung, nicht um ein Zitat.¹³³ In 313 – 316 erzählt Demetrius von Phaleron dem König zwei Anekdoten über den Geschichtsschreiber Theopompos und den Tragiker Theodektes¹³⁴, die mit dem jüdischen Gesetz unangemessen umgingen. Diese beiden wollten etwas davon in ihre Werke aufnehmen, die aber für „unreine“ Menschen (κοινοί) bestimmt waren, und dafür mit Leiden bestraft wurden, von denen die beiden erst nach der Buße befreit werden konnten. Der Text ist also richtig propagandistisch,¹³⁵ es werden Anspielungen¹³⁶ und griechische handelnde Personen benutzt, obwohl der Autor kaum Zitate aus der außerbiblischen Tradition verwendet.¹³⁷

 S. Bar-Kochva, Pseudo-Hecataeus, 139 – 142.  Diese beiden Schriftsteller wurden möglicherweise wegen ihrer „theophoren“ Namen gewählt.  Besonders die Rede des Jerusalemer Hohenpriesters Eleazar (130 – 169), s. Wittkowsky, Heiden, 6 – 20.  Es wird auch angenommen, dass der Beschreibung der Königsgaben in 51– 82 eine griechische Ekphrasis zugrunde liegt. S. dazu Hadas, M., Introduction, in: ders., Aristeas to Philocrates (Letter of Aristeas), Edited and Translated by M. Hadas (Jewish apocryphal literature), New York 1951, 1– 90, dort 58; Meisner, N., „Aristeasbrief“, in: JSHRZ II,1, 1973, 39.

2.4 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen

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2.4.2 Artapanos Im 2. Jh. v.Chr. ist auch ein „Mose-Roman“ entstanden, dessen Fragmente unter dem Namen von Artapanos in PraepEv des Euseb erhalten sind.¹³⁸ Dies ist ein typisch hellenistischer Text, der dabei ausgesprochen jüdisch-propagandistisch ausgerichtet ist: Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein θεῖος ἀνήρ, Mose.¹³⁹ Otto Weinreich, der den Text des Artapanos ausführlich analysiert¹⁴⁰ und dort einige mit der neutestamentlichen Apostelgeschichte gemeinsame Züge eruiert hat,¹⁴¹ ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschreibung der „wunderbaren Öffnung der Türe“ (PraepEv 9.27.23 – 25) mit den „Bakchen“ des Euripides (V. 431– 461) in Verbindung steht. In der Tat spielt Mose im „Roman“ die Rolle des Dionysos, doch eben als von Pentheus nicht erkannter „Bakche“, Jahwe entspricht dem Gott Dionysos selbst.¹⁴² Dieselbe Tradition wird wahrscheinlich in einem weiteren jüdisch-hellenistischen Buch benutzt, von dem im nächsten Abschnitt die Rede sein soll.

2.4.3 Das Dritte Makkabäerbuch Als Adressat des Artapanos mag das „pagane“ Auditorium gelten, das Dritte Makkabäerbuch (1. Jh. v.Chr.) ist aber offensichtlich für jüdische Leser geschrie-

 Ganz am Anfang (2) ist ein Jambenvers zu erkennen (προσμανθάνειν ἀεί τι καὶ προσλαμβάνειν), der vielleicht als ein Zitat gelten könnte. Es geht wohl um eine Komposition aus zwei verschiedenen Sophocles-Versen, die beide dabei zweifelhaft sind (s. Meisner, Aristeasbrief, 45, der Kommentator selbst hält diese Worte für einen „Schulmeistervers“). Gerade dieses Beispiel zeigt, wie schwierig es sein kann, zwischen Zitaten, Anspielungen und Imitationen genau zu unterscheiden (s. 1.1.2). Auf jeden Fall ist zu bedenken, dass der Aristeasbrief selbst eine Art Imitation ist, da der Autor ein gebildeter Grieche sein will, und also solche Affinitäten zu den paganen Texten durchaus aufweisen kann (s. auch 2.5.1).  Euseb, PraepEv 9.18 – 37; Clemens, Strom. 1.23.  S. Walter, N., „Der Mose-Roman des Artapanos und die Frage nach einer Theios-Anēr-Vorstellung im hellenistischen Judentum sowie nach ‘paganen’ Einflussen auf die neutestamentliche Christologie“, in: H. Lichtenberger / G.S. Oegema (Hg.), Jüdische Schriften in ihrem antik-jüdischen und urchristlichen Kontext (JSHRZ, Studien 1), Gütersloh 2002, 284– 303.  Weinreich, O., „Gebet und Wunder. Zwei Abhandlungen zur Religions- und Literaturgeschichte“, in: ders., Religionsgeschichtliche Studien, Darmstadt 21968, 118 – 179.  S. 3.1.1.4 und 3.2.3.1.  Die Möglichkeit dieser Interpretation ist bei Holladay, C.R., ʽTheios Aner’ in Hellenistic Judaism. A Critique of the Use of this Category in New Testament Christology (SBL, Dissertation series 40), Missoula 1977, 205 – 209 unberücksichtigt geblieben; da wird gerade der Unterschied betont (Moses sei Dionysos nicht gleich).

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

ben. Jedoch ist die Gegenüberstellung von Juden und Heiden für die jüdischhellenistische Literatur sehr typisch, wobei die Heiden diesmal als grausame Verfolger geschildert werden¹⁴³. Im Artikel des kanadischen Forschers J. Cousland „Dionysus theomachos?“¹⁴⁴ werden die Bezüge dieses Werkes zu den „Bakchen“ des Euripides einleuchtend gezeigt. In diesem Fall spielt der König Ptolemäus IV. Philopator die DionysosRolle, sein Gegner ist aber Jahwe selber. Es wird also eine „Götterschlacht“ geschildert, die Idee der Gigantomachie wird angespielt (s. Euripides, Bacch. 543 f.), in welcher der heidnische Gott selbstverständlich eine Niederlage erleiden muss. Die Anspielungen sind eher vereinzelt, dennoch ist ihr Sinn – eine erfolglose Theomachie – derselbe, wie auch im „Roman“ des Artapanos.

2.4.4 Das Vierte Makkabäerbuch Dieser Text gehört der Gattung der synagogalen Homilie, die auch sonst mit der hellenistischen Diatribe in enger Verbindung steht.¹⁴⁵ Hier aber ist eine jüdische Homilie selbst gleichzeitig eine philosophische Diatribe, eine Überlegung vom Herrschen der Vernunft (λογισμός) über die Leidenschaften (πάθη);¹⁴⁶ Beispiele werden allerdings der Geschichte der Makkabäischen Kriege entnommen.¹⁴⁷ Platonische Züge sind mit den stoischen untermischt. Ein Herausgeber des Buches hält den Verfasser desselben für einen überzeugten Platoniker, führt jedoch in Anmerkungen 16 Stellen an, die den stoischen Charakter des Textes klar machen.¹⁴⁸ Auch in diesem Fall sind innerhalb eines Werkes das Motiv der Konfrontation von Judentum und Heidentum und ganz klare Anspielungen auf griechische Schriften sichtbar.

 Vgl. das kanonische Esther-Buch (mit späteren griechischen Erweiterungen).  Cousland, J.R.C., „Dionysus theomachos? Echoes of the Bacchae in 3 Maccabees“, in: Bib 82 (2001), 539 – 548.  Thyen, H., Der Stil der jüdisch-hellenistischen Homilie (FRLANT 65), Göttingen 1955, 12– 14 u. a.  Vgl. den Anfang des Buches: „Ein höchst philosophisches Lehrstück (φιλοσοφώτατον λόγον) vorzutragen schicke ich mich an“.  Vgl. 2 Makk 7.  Hadas, M., The Third and Fourth Books of Maccabees. Edition and Translation by M. Hadas, New York 1953, 117.

2.4 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf pagane Prätexte lediglich anspielen

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2.4.5 Das Zweite Makkabäerbuch Diese historische Erzählung aus dem 2. Jh. v.Chr.¹⁴⁹ ist für uns wegen ihres Prologs (Kap. 1– 2) von einiger Bedeutung, in dem manche interessante hellenistische Details zu finden sind.¹⁵⁰ Wir erkennen daraus, dass der Anführer des Aufstandes gegen die Seleukiden, Judas Makkabäus eine Bibliothek in Jerusalem gesammelt hatte (vgl. Ptolemäus Philadelphos – 2.4.1!), und dadurch Nachfolger Nehemias (!) geworden ist. Hier kommt zum ersten Mal auch das Wort Ἰουδαϊσμός vor (2,21), wobei die Juden den „Barbaren“ engegengestellt werden, das letztere Wort aber praktisch mit „Hellenen“ synonym ist. Das mag zwar exotisch klingen, bleibt jedoch durch dieselbe hellenistische Kultur bedingt, weil so ein terminologisches Wortspiel ja nur durch diese ermöglicht wird. Etwas weiter unten (2,25) berichtet der Autor bzw. Epitomator im Sinne der alexandrinischer Grammatiker, dass er sein Werk mit folgender Absicht verfasste: „[wir] haben […] dabei bei den einen, die [nur] lesen wollen, an die Erbauung (ψυχαγωγία) gedacht, bei den anderen, denen es um Einprägung ins Gedächtnis zu tun ist, an die Leichtigkeit (εὐκοπία), bei allen aber, die an unser Buch geraten, an den Nutzen (ὠφέλεια)“.¹⁵¹ Wiederum begleiten griechische Anspielungen eine Beschreibung der jüdisch-griechischen Konfrontation; Zitate fehlen dabei auch hier.

2.4.6 Das Weisheitsbuch Salomos Dieser Text, der sehr unterschiedlich datiert wird,¹⁵² ist für die Geschichte der jüdisch-hellenistischen Literatur und auch für die Vorgeschichte der christlichen Literatur sehr wichtig und ist gewissermaßen ein Bindeglied zwischen den jüdisch-hellenistischen Werken und dem Neuen Testament.¹⁵³

 Es geht (mindestens angeblich) um eine Epitome eines etwas früher enstandenen Werkes eines Jason von Kyrene; in einem Buch ist der Inhalt der fünf Bücher von Jason wiedergegeben (2,23).  Die Herausgeber und Forscher schenken diesen Details als einem Gesamtkomplex selten Beachtung (kein Kommentar dazu in den Ausgaben Charles und Zeitlin). S. jedoch konkrete Beobachtungen in Goldstein, J.A. (Hg.), II Maccabees. Introduction and Commentary by J.A. Goldstein (AncB 41 A), New York 1983, 190 – 193.  Vgl. berühmte Triade des Cicero docere – delectare – permovere (De opt. gen. orat. 1,3).  2. Jh.v.Chr. bis 1. Jh. n.Chr.; s. Reider, J., The Book of Wisdom. Introduction and Commentary by J. Reider (Jewish apocryphal literature), New York 1957, 12– 14.  S. z. B. Norden, E., Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede, Leipzig / Berlin 1913, 128 – 131.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Im Gedankengut des Verfassers wurden viele Übereinstimmungen mit den griechischen philosophischen Texten bemerkt.¹⁵⁴ Führen wir als Beispiel nur einen Vers an (8,7): „Und wenn einer Gerechtigkeit liebt, so sind ihre Mühen Tugenden; denn Besonnenheit und Klugheit lehrt sie auf gründliche Weise, [auch] Gerechtigkeit und Tapferkeit. Nichts ist den Menschen nützlicher im Leben als diese Dinge“. Es wird hier die berühmte „Tugend-Vier“ (Plato, Chrysippos¹⁵⁵) angeführt: σωφροσύνη, φρόνησις, δικαιοσύνη, ἀνδρεία (vgl. auch 4. Makk 1,18!). Dabei enhält dieses philosophische und sublime Werk, in dem die Weisheit Gottes hochgepriesen wird, die typischsten Züge der jüdischen Propaganda¹⁵⁶ und eine Beschreibung der Rache Gottes an den Ägyptern, die das jüdische Volk während des Exodus verfolgten.¹⁵⁷

2.4.7 Fazit Es wäre möglich, noch weitere Beispiele anzuführen, doch ist es bereits jetzt genügend klar, dass pagane Texte bei den jüdischen Schriftstellern des 2. – 1. Jh. v.Chr. bekannt und populär waren. Diese Autoren machten dabei, wie Peter Pilhofer schreibt, „inhaltlich keine Zugeständnisse“¹⁵⁸ an den Paganismus und benutzten in ihren Werken externe („fremde“) Texte in einer offenen und oft scharfen Polemik gegen das Heidentum und seine konkreten Vertreter. Dies zeugt davon, dass für die jüdisch-hellenistische Literatur und ihre (im weitesten Sinne) propagandistische Tradition¹⁵⁹ der Gebrauch von außerbiblischen Anspielungen charakteristisch ist, unabhängig davon, ob dabei im konkreten jüdischen Werk auch noch Zitate vorkommen. Anspielungen werden, wie auch praktisch alle Zitate,¹⁶⁰ nicht für die Widerlegung der von entsprechenden paganen Texten geäußerten Meinungen benutzt. Die griechische Kultur wird zu einer „treuen Ver-

 Reider, Book of Wisdom, 31, s. auch 43 – 46 (Literaturliste); Reese, J.M., Hellenistic Influence on the Book of Wisdom and its Consequences (AnBib 41), Rome 1970.  Reese, Hellenistic Influence, 15 mit Hinweis auf Chrysippos (Stoicorum veterum fragmenta 3.60.15; 3.61.32).  Darunter z. B. Überlegungen zum Thema Götzendienst (Kap. 13 – 15).  Kap. 19.  Pilhofer, Presbyteron kreitton, 162.  Die Adressaten können dabei sowohl „synagogal“, als auch „außersynagogal“ sein.  Ausnahmen sind selten (vgl. Philo – 2.3.3, Anm. 80).

2.5 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf außerbiblischen Werken beruhen

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bündeten“ des Judentums im Kampf gegen die religiösen und politischen Erscheinungen, die von dieser Kultur selbst geschaffen waren.¹⁶¹ Die „nichtzitierenden“ jüdischen Texte sind inhaltlich nicht von den „zitierenden“ sauber abzugrenzen. Vorerst dürfen wir deswegen vermuten, dass das Zitieren eine Methode ist, die in näheren Auseinandersetzungen mit dem Heidentum als einem zu bekämpfenden Phänomen Verwendung findet. Es ist nicht die einzige mögliche Methode, aber aus der Sicht einiger Autoren offensichtlich (mindestens in einigen Fällen) eine genügend effektive. Kommen wir jetzt zu den jüdischen Imitationen der paganen Schriften, die vielleicht als intensiviertes Zitieren derselben und in diesem Sinne als Gegenteil des Nichtzitierens gelten können. Ihre Einbeziehung wird das Bild der Benutzung der paganen Literatur vervollständigen und uns einige Thesen erlauben, die für unsere eigentliche Frage – warum zitieren christliche Autoren die Werke der paganen Tradition? – grundlegend werden können.

2.5 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf den Werken der außerbiblischen Tradition beruhen (Imitationen) 2.5.1 Der Aristeasbrief (187 – 300) Es wurde oben (2.4.1) darauf hingewiesen, dass in einem bestimmten Teil des Aristeasbriefes auf pagane Werke nicht nur vereinzelt angespielt wird. Und zwar werden in der Beschreibung der „sieben Gastmähler“, die der König Ptolemäus zu Ehren der jüdischen Tora-Übersetzer Tag für Tag veranstaltet, offensichtlich griechische Texte hauptsächlich aus hellenistischer Zeit benutzt.Was für Werke es waren, ist kaum genauer feststellbar. In der deutschen kommentierten Ausgabe von N. Meisner werden Verweise auf verschiedene griechische Quellen zu Dutzenden angeführt.¹⁶² Einen großen Einfluss müssten hellenistische philosophische Werke zum Thema περὶ βασιλείας ausgeübt haben, die uns aber nicht erhalten sind.¹⁶³ Im selben Kommentar finden wir auch viele Hinweise auf biblische Stellen.

 Man mag hoffen, dass die Untersuchung der frühchristlichen Werke, in denen ähnliche Anspielungsmethoden vorzufinden sind, für das Verstehen der literarischen Besonderheiten ihrer jüdischen Vorläufer behilflich sein wird. S. unten, insbes. 3.2.4; 4.4.4; 4.5.5.  Meisner, „Aristeasbrief“, 69 – 83.  Ebd., 40.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Günther Zuntz hat einen speziellen Artikel „der Bestimmung der griechischen und jüdischen Elemente in 72 Fragen und Antworten“ gewidmet,¹⁶⁴ und die Fragestellung zeigt schon, dass der betreffende Abschnitt des Aristeasbriefes in beiden Traditionen zugleich verwurzelt ist; dasselbe werden wir dann auch bei anderen Imitationen sehen, die weiter unten behandelt werden. Zuntz fasst folgenderweise zusammen:¹⁶⁵ „Greek in substance yet with some Jewish additions and, throughout, a Jewish veneer; Jewish in conception, outline and purpose yet, here too, with some points of contact with Greek literary tradition and day-to-day custom, this chapter in Aristeas stands out, a symptom of the Greek impact upon Hellenistic Jewry“. Der „Einfluss“ („impact“), von dem bei Zuntz die Rede ist, könnte jedoch genauer als gewollte intensive Benutzung der Werke der anderen Tradition definiert werden. Es ist dabei von ganz besonderer Bedeutung, dass dies in einem literarischen Werk geschieht, das einem Griechen zugeschrieben wird und dabei offensichtlich von einem jüdischen Autor stammt. Das Phänomen der Pseudepigraphie steht mit dem der Imitation auch in anderen jüdischen Texten in direkter Verbindung.

2.5.2 Philo der Ältere, Theodotos, Hesekiel der Tragiker Fragmente dieser drei Dichter sind im Werk des Euseb erhalten geblieben.¹⁶⁶ Sie gestatten uns mindestens einen Einblick in die jüdische Dichtung, die sich in Alexandrien des 2. – 1. Jh. v.Chr. entwickelte. Die griechischen Formen wurden von den jüdischen Autoren nicht ohne Erfolg benutzt, obwohl sie sich natürlich mit Homer bzw. Euripides nicht messen konnten. Sie blieben wohl auf dem durchschnittlichen Niveau ihrer griechischen Zeitgenossen. Stilistisch unterscheiden sich die Texte stark voneinander: Philo der Ältere folgte offensichtlich den Traditionen der hellenistischen Epik (Apollonios von Rhodos, Rian aus Bene),¹⁶⁷ für Theodotos war Homerdichtung ein Vorbild.¹⁶⁸

 Zuntz, G., „Aristeas Studies I: The ‘Seven Banquets’“, in: ders., Opuscula selecta, Manchester 1972, 110 – 125, dort 111.  Ebd., 124– 125. Vgl. Zuntz, G., „Zu Alexanders Gespräch mit den Gymnosophisten“, in: ders., Opuscula selecta, 144– 149: „griechischer Gehalt in orientalischem Rahmen“ (dort 148).  Philo der Ältere: PraepEv 9.20.1– 2; 24.1; 37.1– 3; Theodotos: PraepEv 9.22; Hesekiel: PraepEv 9.28 – 29. Teilweise sind sie auch in den „Stromata“ des Clemens von Alexandrien enthalten.  Walter, „Fragmente“, 141; Holladay, C.R., Fragments from Hellenistic Jewish Authors, Atlanta, v. II: Poets (SBL, Texts and translations 30), 1989, 206.  Holladay, ebd., 72.

2.5 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf außerbiblischen Werken beruhen

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Deswegen sind seine Fragmente relativ leicht lesbar, während Fragmente von Philo fast unverständlich sind; Hesekiel erfuhr einen starken Einfluß von den Klassikern der attischer Tragödie, besonders von Euripides.¹⁶⁹ Inhaltlich sind alle drei Werke dabei ganz typisch jüdisch: Philo der Ältere beschreibt Jerusalem, Theodotos macht zur Grundlage seines Werkes das GenesisBuch (hauptsächlich Gen 29 – 34, soweit es aus erhaltenen Fragmenten zu verstehen ist), Hesekiel erzählt in Versen das Exodus-Buch nach – seine Tragödie heißt auch Ἐξαγωγή, also wörtlich „Herausführung“ (der Juden aus Ägypten).¹⁷⁰ Die Charakteristik von Zuntz, die er dem „Gastmahl der 72 Weisen“ von Pseudo-Aristeas gegeben hat,¹⁷¹ passt – mit unserer Korrektur – auch zum Werk der jüdischen Dichter aus Alexandrien.¹⁷²

2.5.3 „Sibyllinische Weissagungen“ Ein bedeutendes Werk der jüdisch-hellenistischen Literatur sind Bücher 3 bis 5 der sog. „Sibyllinischen Weissagungen“ (Oracula Sibyllina). Obwohl die Sibyllen als Prophetinnen orientalischer Herkunft galten, wurde nie bezweifelt, dass sie in griechischer Sprache prophezeiten, was wohl die wichtigste Voraussetzung dafür war, dass man sie für Texte der hellenischen Tradition halten konnte. Dabei entsprachen ihre Texte den homerischen Dichtungen¹⁷³ (dasselbe Versmaß, dieselbe Sprache, derselbe Stil), wovon orientalische, hauptsächlich jüdische, und vielleicht auch nur diese, Propagandisten gerne profitierten. Der Verfasser des 3. Buches macht von einer Legende Gebrauch, laut der eine Sibylle früher als Homer lebte,¹⁷⁴ indem er „seiner Sibylle“ eine Prophezeiung über […] Homer in den Mund legt (Sib. 3.419 – 432), in der sie erklärt, dass dieser Dichter ihr „Worte und Maß“ entlehnen und „Lüge schreiben“ (ψευδογράφος) wird. Hier sehen wir schon eine typische Benutzung der Prioritäts- und Entlehnungstheorien. Dennoch geht es nicht einfach um eine Erwähnung des Namens von Homer:

 Ebd., 314.  Diesen Namen gebraucht für Exodus auch Philo von Alexandrien (Migr. 14; Her. 14 u. a.).  S. oben, 2.5.1.  S. die Analyse dieser Fragmente in ihrem jüdisch-hellenistischen Zusammenhang bei Holladay, C.R., „Hellenism in the Fragmentary Hellenistic Jewish Authors. Resonance and Resistance“, in: J.L. Kugel (Hg.), Shem in the Tents of Japhet. Essays on the Encounter of Judaism and Hellenism (JSJ.S), Leiden et al. 2002, 65 – 91.  Vgl. Buitenwerf, Sibylline Oracles.  Diodor 4.66.6.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

wie es schon bei Theodotos der Fall war, werden die homerischen Dichtungen auch wirklich nachgeahmt.¹⁷⁵ Die griechischen Texte werden aber auch inhaltlich verwendet; so erzählt der Verfasser die „Heilige Inschrift“ von Euhemeros recht textgetreu nach.¹⁷⁶ Die Grundstimmung ist aber für die jüdisch-hellenistische Literatur ganz typisch (apokalyptische Bilder, Missbilligung der Götzendienst, Lobpreisung des jüdischen Volkes, Polemik gegen Rom usw.). Die „Sibyllinischen Weissagungen“, in der sich Züge der Imitation mit den Anspielungen auf außerbiblische Werke vereinigen, stehen offensichtlich denjenigen jüdisch-hellenistischen Schriften nahe, in denen die „fremden“ Texte auch zitiert werden.

2.5.4 Pseudo-Phokylides Eine Dichtung unter dem Namen Λόγος νουθετικός („Belehrungswort“), die ins 1. Jh. v.Chr. bis ins 1. Jh. n.Chr. datiert wird,¹⁷⁷ wird von ihrem Autoren dem griechischen Dichter des 6. Jh.s v.Chr. Phokylides zugeschrieben;¹⁷⁸ in Wirklichkeit handelt es sich um einen Text, der für die jüdische Didaktik hellenistischer Zeit sehr typisch ist. Didaktik ist überhaupt jener Bereich, wo Griechenland und Orient am nächsten aneinander an einander rücken;¹⁷⁹ deshalb fiel es dem Dichter nicht schwer, die griechische (oder hellenistische) Weisheit mit der jüdischen zu kombinieren. Die meisten Verse des Gedichtes haben sowohl jüdische, als auch

 S. gründliche Analyse der Verse Sib. 3.520 – 575 in Amir, Homer und Bibel; die Schlußfolgerungen sind denen von Zuntz über Pseudo-Aristeas ziemlich ähnlich (s. 2.5.1).  Sib. 3.111– 158; s. Buitenwerf, Sibylline Oracles, 173 – 177; 330 – 331. Text von Euhemeros s. bei Laktanz, Div. Inst. 1.14.1– 8 (Laktanz zitiert die lateinische Übersetzung von Ennius und weist darauf hin, dass die Sibylle „fast dasselbe“ sagt).  P.W. van der Horst in: Charlesworth, OTP II, 567– 568.  Ps.-Phoc. 1 f.  S. Averincev schreibt: „im ganzen jüdischen Schrifttum ist es die Aphoristik der ‘Hakamim’ dasjenige, was den gemeinsamen Einflüßen des Mittelmeerraumes im größten Maße […] offen war. In der ganzen griechischen Literatur ist es die Aphoristik der ‘Weisen’ und der didaktischen Dichter wie Solon, Theognides, Phokylides dasjenige, was […] so stark mit der Tradition Vorderasiens verbunden war“ (Averincev, „Grečeskaja ‘literatura’“, 54). Vgl. Niebuhr, K.-W., Gesetz und Paränese: Katechismusartige Weisungsreihen in der frühjüdischen Literatur (WUNT II/28), Tübingen 1987, 8: in diesem Werk seien „Pentateuchtraditionen, jüdische Weisheit und hellenistische Popularphilosophie“ schwer zu unterscheiden, die „bereits in einer langen Überlieferungsgeschichte gegenseitig beieinflußt haben, bevor sie auf PseuPhok gekommen sind“.

2.5 Jüdisch-hellenistische Texte, die auf außerbiblischen Werken beruhen

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griechische Parallelen.¹⁸⁰ In welchem Maße der Verfasser gerade Phokylides nachgeahmt hat, ist wegen der geringen Zahl der uns erhaltengebliebenen echten Verse nicht ganz genau festzustellen. Dem Pseudo-Phokylides-Gedicht sind auch die schon teilweise oben behandelten Vers-Fragmente verwandt, die den berühmten Griechen zugeschrieben wurden (s. 2.3.2, bes. 2.3.2.3).

2.5.5 Die unechten Vers-Fragmente Der Quellenzustand gestattet uns nicht genau festzustellen, in welchem Maße in den unechten – jüdischen – Fragmenten der Tragiker und Komiker die Imitationsmethode benutzt wurde, in einigen Fällen verfügen wir jedoch über Vergleichsmöglichkeiten, die uns das Urteil erlauben, dass auch dort Imitationen präsent waren.¹⁸¹ Die Gedichte wurden also nicht bloß den griechischen Dichtern zugeschrieben, sondern ahmten auch ihren Stil nach, einzelne Wörter wurden übernommen usw. Was das Pseudo-Orpheus-Gedicht¹⁸² angeht, fällt es schwer etwas von dessen Verbindung mit Orpheus-Texten zu sagen, da Orpheus ja eine sagenhafte Gestalt ist. Übrigens sind uns manche Fragmente der orphischen Texte erhalten, mit denen das jüdische Gedicht ganz bestimmte Überschneidungen hat.¹⁸³

2.5.6 Fazit Wahrscheinlich waren die pseudepigraphischen Imitationen am häufigsten für jüdische Leser bestimmt, denen mit Hilfe solcher Werke die Idee der Prioritätstheorie suggeriert wurden,¹⁸⁴ teilweise konnten sie aber für die „Heiden“ gedacht sein, die für die jüdische Religion Interesse hatten.

 Niebuhr, ebd., Es ist noch zu bemerken, dass eine bedeutende Anzahl von Versen in einem Teil der Handschriften in das 2. Buch der „Sibyllinen“ eingeschoben war, also dort gewissermaßen zitiert wurde. Doch ist das 2. Buch wahrscheinlich in der christlichen Redaktion erhalten (J.J. Collins in: Charlesworth, OTP I, 330).  S. Walter, „Fragmente“, 250 – 251.  Über verschiedene Versionen davon s. ebd., 217– 232.  Ebd., 231. Der erste Vers gehörte bestimmt zu einem Text der außerbiblischen Tradition (ebd., 235, Anm. b). Speziell zum Thema s. Riedweg, C., Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos (Classica Monacensia 7), Tübingen 1993.  Walter, „Fragmente“, 179 – 180.

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2 Das Zitieren der paganen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur

Imitationen waren in der jüdisch-hellenistischen Literatur nicht weniger verbreitet als Anspielungen. Zusammen mit den Texten, die pagane Zitate enthalten, stehen sie den zurückhaltenderen Schriften gegenüber, in denen lediglich Anspielungen auf nichtjüdische Werke vorkommen.Wir sehen, dass die jüdischen Propagandisten es gerne hatten, sich mit den Worten ihrer paganen Opponenten auszudrücken, die sie auf diese Weise zu ihren „Verbündeten“ machten.

2.6 Zusammenfassung Wir haben die mannigfaltige Tradition der Benutzung der außerbiblischen Werke in der jüdisch-hellenistischen Literatur des 2. Jh.s v.Chr. – 1. Jh.s n.Chr. kennengelernt und dürfen nun einige Ergebnisse zusammenfassen. 1. Die Absicht aller betrachteten Texte ist in gewissem Grade propagandistisch. Dies ist auch dort der Fall, wo die Adressaten dieser Propaganda innerhalb der Synagoge zu suchen sind: Auch dort – vielleicht sogar vor allem dort – wurden sowohl unter den Juden, als auch unter den „Heiden“ (sog. θεοσεβεῖς) solche Schriften nachgefragt, wo eine Beziehung zwischen der Bibel und der griechischen (hellenistischen) Kultur präsent war. 2. Schon bloße Anspielungen auf die Texte der außerbiblischen Tradition werden in keinem der betrachteten jüdischen Werke als rein rhetorische „Verschönerungsmittel“ benutzt, sondern sie sind eng mit der Pragmatik dieser jüdischen Schriften verbunden. Das bedeutet freilich nicht, dass einzelne Anspielungen nicht vorwiegend rhetorisch gebraucht werden können; dies gilt auch für einige Zitate, wie wir es vor allem bei Philo von Alexandrien sahen. 3. Dort, wo in jüdischen Texten auch Zitate aus nichtjüdischer Literatur vorkommen, sind diese, wie wir feststellen konnten, fast durchwegs Mittel der Beweisführung in der Apologie des Judentums und im Streit gegen Paganismus. Die benutzen Zitate werden gerne nicht nur formal, sondern auch inhaltlich abgeändert, so dass sie besser den propagandistischen Zwecken dienen können. 4. Die propagandistische Tendenz geht nicht nur aus dem Inhalt der benutzten Zitate klar hervor, sondern auch aus ihren „Ko-Texten“, in denen die jüdische (ursprünglich allgemein-orientalische) Prioritätstheorie, ob nun in der Form der Entlehnungs- oder der Konsenstheorie, proklamiert wird. Diese offene Teilnahme an der Polemik gegen das Heidentum ist sogar die typische Situation für Verwendung der paganen Zitate. 5. Bei den jüdischen Imitationen handelt es sich nicht nur um Nachahmungen pagan-griechischer Werke, sondern meist um pseudepigraphische Texte, die

2.6 Zusammenfassung

6.

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das Ziel verfolgen, möglichst viele Ideen der biblischen Tradition paganen Autoritäten zuzuschreiben. Auch „sekundäre“, pseudo-pagane Zitate finden ab und zu Verwendung, die ebenfalls direkt mit der propagandistischen Pragmatik verknüpft sind, insofern sie die „materielle Basis“ des Zitierens dort erweitern können, wo die echten Werke der paganen Tradition nicht genügend viel dazu geeigneten Stoff bieten.

Alle diese Ergebnisse werden bei der Untersuchung und Einschätzung des einschlägigen frühchristlichen Stoffes von entscheidender Bedeutung sein.

3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament Die Bücher des Neuen Testaments werden in die 2. Hälfte des 1. Jh.s bis in die 1. Hälfte des 2. Jh.s datiert. Da alle Verfasser dieser Bücher mit dem biblischen Schrifttum eng vertraut waren und dieses unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit bzw. Identität aktiv verwendeten, liegt es nahe, die von ihnen geschriebenen Texte der jüdisch-hellenistischen Tradition zuzurechnen.¹ Andererseits stellt das Neue Testament für die christliche Kultur ein ganz besonderes und unvergleichbares Phänomen dar, deswegen nimmt es auch in der modernen Wissenschaft eine besondere Stellung ein.² Außerdem sind die neutestamentlichen Texte auch wirklich die früheste christliche Literatur, was diese besondere Stellung des Neuen Testaments auch objektiv bestätigt. In unserer Untersuchung ist deswegen ein spezielles Kapitel den neutestamentlichen Zitaten aus den Schriften der paganen Tradition gewidmet.

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte Es ist anzunehmen, dass in den Texten des Neuen Testaments einige noch unentdeckte Zitate aus der paganen Tradition und auch Anspielungen auf dieselbe gefunden werden können.³ Die vorliegende Sammlung halten wir deswegen nicht für endgültig. Dennoch widerspiegelt sie den heutigen Forschungsstand recht vollständig. Es werden sowohl Zitate im eigentlichen Sinne berücksichtigt, als auch klare zitatähnliche Anspielungen sowie metrische Texte, die als Zitate betrachtet werden können, weil sie in einem Prosatext deutlich fremd sind und eine

 Ihre Zeitgenossen sind Flavius Josephus, die Verfasser des 4. Esra-Buches, der 2. (syrischen) Baruch-Apokalypse, des Testamentes Abrahams, der 4. und 5. Bücher der „Sibyllinischen Weissagungen“ und, mit verschiedener Wahrscheinlichkeit, auch andere Autoren. Einige von diesen Texten waren wohl ursprünglich in einer semitischen Sprache geschrieben, dasselbe könnte auch für die frühen Stadien des christlichen Schrifttums (Logien Jesu bzw. die ursprüngliche Form des Matthäusevangeliums) gelten. S. Hengel, Das früheste Christentum, 203.  S. Hengel, M., „Die Aufgaben der neutestamentlichen Wissenschaft“, in: NTS 40 (1994), 321– 357.  Vgl. skeptische Ansicht von Renehan, „Greek Quotations“, 42– 45. Wie bereits anfangs (1.1.1) erklärt, ist es nicht unser Anliegen, die Zahl der möglichen Zitate und Anspielungen künstlich zu verringern, um eventuelle Thesen der Opponenten dadurch zu widerlegen. Vielmehr wird unten (2.2) ein Versuch unternommen, möglichst viele solche Texte ausfindig zu machen, um anhand einer größeren Zahl zu besser begründeten Ergebnissen kommen zu können.

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte

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typische Rahmung haben.⁴ Die Texte sind in zwei Gruppen einzuteilen: 1) Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte; 2) Zitate und Anspielungen in den echten Paulusbriefen und den Texten, die mit ihnen zusammenhängen.⁵

3.1.1 Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte In der Forschung ist allgemein anerkannt, dass der Verfasser der Apostelgeschichte derselbe Schriftsteller ist, der auch das Lukasevangelium verfasst hat, deswegen nennen wir ihn im Weiteren „Lukas“. Schon Clemens von Alexandrien wusste, dass es in der Apg (17,28) ein Zitat aus dem „paganen Dichter“ Aratos gibt.⁶ Jedoch wird dieses Zitat von Lukas in den Mund des Paulus gelegt; da sich aber andere „sichere“ Zitate im NT in den Briefen finden, die mindestens traditionell Paulus zugeschrieben werden (1 Kor und Tit – s. unten), war es bis ins 20. Jh. hinein üblich darüber zu reden, dass es immer nur Paulus war, der die „Heiden“ zitiert hatte.⁷ Dennoch hat sich im letzten Jahrhundert die Meinung durchgesetzt, dass es notwendig ist, die Texte des „historischen Paulus“, der Nachfolger des Apostels und des Lukas voneinander zu unterscheiden.⁸ Die Apostelgeschichte, ein sehr origineller und von verschiedenen Gesichtspunkten wichtiger Text,⁹ – ist wirklich beachtenswert, und dabei nicht nur wegen des direkten Zitates in 17,28, wie wir bald sehen werden.

3.1.1.1 Die Areopagrede (Apg 17,28) ἐν αὐτῷ γὰρ ζῶμεν καὶ κινούμεθα καὶ ἐσμέν, ὡς καί τινες τῶν καθ᾿ ὑμᾶς ποιητῶν εἰρήκασιν· τοῦ γὰρ καὶ γένος ἐσμέν. In ihm [oder: durch ihn] leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: „Wir sind seines Geschlechts“.

 S. darüber 3.2.4.  Ausführlicher zu diesem Zusammenhang s. 2.1.2. Die Apostelgeschichte ist zwar später entstanden, als die echten Paulusbriefe, trotzdem schien es sinnvoll, von dem Werk anzufangen, das den ergiebigsten Stoff für unser Thema bietet.  Dass es sich hier um Worte „eurer [paganer – V.W.] Dichter“ handelt, wird im Text der Apg selbst (17,28) erklärt (s. unten).  Davon geht noch Marth (1913) aus (Marth, „Zitate“; s. auch Schön, „Metrische Stelle“, 513).  S. z. B. Reiser, M., Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments, Paderborn 2001, 51.  Die Apostelgeschichte wird zwischen 60 (meist aber 75) und Anfang des 2. Jh.s datiert.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Über die Areopagrede, diesen wichtigsten und gleichzeitig für eine Interpretation schwierigen Text, gibt es eine intensive wissenschaftliche Diskussion.¹⁰ Hier fokussieren wir uns darauf, was über die dort entdeckten bzw. vermuteten paganen Zitate und Anspielungen gesagt wurde. Ein sicheres Zitat ist, wie schon oben gesagt, 17,28b, d. h. die Worte, die dem Verb εἰρήκασιν folgen. Es geht um den Prolog des astronomischen Gedichtes von Aratos Φαινόμενα („Himmelserscheinungen“; s. 2.3.1).¹¹ Diskutiert wurde, ob vielleicht auch 17,28a ein Zitat ist, da in diesem Text ein verstümmelter Hexametervers vermutet wurde. Ein Ende des 19. Jh.s gefundener Kommentar des syrischen Schriftstellers Ischodad von Merv (im heutigen Turkmenistan; 9. Jh. n.Chr.) weist ausdrücklich darauf hin, dies sei ein Zitat aus einer epischen Dichtung, die von dem legendären Minos, König von Kreta geschrieben wurde.¹² Die syrische Nacherzählung des griechischen Textes dieser Dichtung schließt auch den breiteren Zusammenhang ein, in dem wir noch ein weiteres paganes Zitat aus dem Neuen Testament finden (Tit 1,12, vgl. 3.1.2.2). Dies hat dem britischen Forscher J. Rendel Harris¹³ Anlass dazu gegeben, den realen Verfasser von 17,28a mit Epimenides von Kreta zu identifizieren, der in Tit 1,12 fast direkt genannt wird.¹⁴ Nach einer scharfen Kritik von Max Pohlenz¹⁵ wird in den meisten Kommentaren 17,28a nicht mehr als Zitat erwähnt.¹⁶  Z. B. Norden, Agnostos Theos; Gärtner, B., The Areopagus speech and natural revelation (Acta Seminarii Neotestamentici Upsaliensis 21), Uppsala 1955; Horst, P.W. van der, „The Altar of the ‘Unknown God’ in Athens (Acts 17:23) and the Cults of ‘Unknown Gods’ in the Graeco-Roman World“, in: ders., Hellenism – Judaism – Christianity. Essays on Their Interaction (Contributions to Biblical exegesis et theology 8), Kampen 1994, 165 – 202, dort auch eine Bibliographie (201– 202).  Es wurde auch diskutiert, ob Lukas nicht doch einen ähnlichen Text von Kleanthes zitiert (Zeus-Hymne, 4), jedoch verhalten sich die meisten Forscher gegenüber dieser Möglichkeit skeptisch. S. Edwards, „Quoting Aratus“.  Gibson, M.L., The Commentaries of Isho’dad of Merv, Bishop of Hadatha (c. 850 A.D.) in Syriac and English, Edited and Translated by M.L. Gibson with an Introduction by J. Rendel Harris, vol. IV: Acts of the Apostles and Three Catholic Epistles (Horae Semiticae 10), Cambridge 1913. S. Dibelius, M., Aufsätze zur Apostelgeschichte, Berlin 1951, 46 – 49.  S. Harris, J.R., Introduction, in: Gibson, Commentaries of Isho’dad, XIII. S. jetzt ausführlicher Rothschild, C.K., Paul in Athens: The Popular Religious Context of Acts 17 (WUNT 341), Tübingen 2014, 8 – 14 (s. hierzu noch Anm. 16 unten).  „Eigener Prophet“ der Kreter. S. Lake, „Your own poets“. Dort (250) sind auch mögliche Rekonstruktionen der Hexameter-Verse von Epimenides angeführt; s. auch Rothschild, Paul in Athens, 13 – 14.  Pohlenz, „Paulus und die Stoa“.  S. z. B. Barrett, C.K., A Critical and Exegetical Commentary on the Acts of the Apostles (ICC 35,1– 2), Edinburgh, v. 2, 1998, 847; R. Pesch (Die Apostelgeschichte. 2 Bde [EKK 5], Zürich 1986) und W. Eckey (Die Apostelgeschichte. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, Bde. 1– 2, Neukirchen-Vluyn 2000) erwähnen diese Auffassung überhaupt nicht; dennoch wird von man-

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte

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Was die Redewendung „eure Dichter“ angeht, meinen sogar diejenigen, die hier ein Zitat vermuten, dass dies ein „Pluralis poeticus“ ist, obwohl sie in diesem Zusammenhang zwei Zitate annehmen.¹⁷

3.1.1.2 Die Miletrede (Apg 20,35) πάντα ὑπέδειξα ὑμῖν ὅτι οὕτως κοπιῶντας δεῖ ἀντιλαμβάνεσθαι τῶν ἀσθενούντων, μνημονεύειν τε τῶν λόγων τοῦ κυρίου Ἰησοῦ ὅτι αὐτὸς εἶπεν· μακάριον ἐστιν μᾶλλον διδόναι ἢ λαμβάνειν. Ich habe euch ständig gezeigt, dass man bei solchen Bemühungen um Schwache sorgen soll und die Worte des Herrn Jesus gedenken, die er selbst gesagt hat: Es ist seliger zu geben, als zu nehmen.

Diese Stelle ist deshalb wichtig, weil Paulus hier auf eigene Worte Jesu verweist, was sowohl in der Apg, als auch in den Briefen von Paulus selbst sehr selten vorkommt.¹⁸ In der 27. Auflage von Nestle – Aland findet man die Bemerkung, dass es hier um ein Zitat aus Thukydides („Geschichte“ 2.97.3 – 4) handelt; der Wortlaut ist zwar leicht geändert, bleibt jedoch im Großen und Ganzen dem Text der Quelle ziemlich nahe.¹⁹ Eine Begründung für diesen Standpunkt ist von Eckhard Plümacher gegeben worden,²⁰ es gibt jedoch keine allgemein akzeptierte Antwort auf die Frage, ob Lukas – oder der lukanische Paulus – hier wirklich Thukydides zitiert; in den meisten Kommentaren wird jede direkte Anwort vermieden.²¹

chen Autoren die Möglichkeit eines Zitats nicht ausgeschlossen (z. B. Johnson, L.T., The Acts of the Apostles, Collegeville 1992, 316). Den negativen Konsens hat nun auch Clare Rothschild (Paul in Athens, [WUNT 341], Tübingen 2014), aufbauend auf dem Vorschlag des ihr noch vor der Publikation bekannt gewordenen Aufsatzes Wittkowsky, V., „‘Pagane’ Zitate im Neuen Testament“, in: NT 51 (2009), 107– 126 (sonst bisher kaum rezipiert; immerhin erwähnt bei Keener, C.S., Acts: An Exegetical Commentary, vol. I, Grand Rapids 2012, 84), zu Recht in Frage gestellt.  Dibelius, M., Der Brief des Jakobus, Göttingen 61984, 48 – 49.  In den Briefen vgl. noch 1 Kor 9,14; in der Apostelgeschichte s. unten, 3.1.1.3.  NA 271993, 385. In NA 282012 fehlt dieser Hinweis.  Plümacher, „Thukydidesreminiszenz“.  Barrett (Acts of the Apostles, vol. 2, 983) hält das für die nächstliegende Parallele, doch spricht er nicht direkt von einen Zitat und diskutiert den Artikel von Plümacher gar nicht. Derselben Meinung ist Eckey (Apostelgeschichte, 479). Johnson (Acts of the Apostles, 365) führt den Text des Thukydides als eine Parallele an und meint, dass es möglicherweise eine Anspielung ist. Pesch (Apostelgeschichte) erwähnt nicht einmal die Möglichkeit selbst, wie es auch bei 17,28а (s. 3.1.1.1) der Fall war.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

3.1.1.3 Die Rede vor Festus und Agrippa (Apg 26,14) πάντων τε καταπεσόντων ἡμῶν εἰς τὴν γῆν ἤκουσα φωνὴν λέγουσαν πρός με τῇ Ἑβραΐδι διαλέκτῳ· Σαοὺλ Σαούλ, τί με διώκεις; σκληρόν σοι πρὸς κέντρα λακτίζειν. Als wir aber alle zu Boden stürzten, hörte ich eine Stimme auf Hebräisch zu mir reden: „Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, gegen den Stachel auszuschlagen!“

In der Apostelgeschichte wird dreimal von der Umkehr des Paulus berichtet (außer dieser Stelle noch in den Kap. 9 und 22). Die Redensweise σκληρόν σοι πρὸς κέντρα λακτίζειν („Es ist schwierig für dich, gegen den Stachel auszuschlagen“) kommt (außer in wenigen Handschriften²²) nur hier, im Kap. 26, vor. Sie ist deutlich sprichwörtlich, doch hat der „theomachische“ Zusammenhang²³ einige Forscher veranlasst, hier ein direktes Zitat anzunehmen, und zwar aus den „Bakchen“ des Euripides (Bacch. 795):²⁴ πρὸς κέντρα λακτίζοιμι θνητὸς ὢν θεῶι. Ich, ein Sterblicher, würde gegen Gottes Stachel ausschlagen.

Dabei wurde meist nicht beachtet, dass sowohl an dieser Stelle, als auch in Apg 20,35 Paulus die Worte von Jesus Christus wiedergibt.²⁵ Es ist in einem speziellen Artikel von A. Vögeli²⁶ sowie in den meisten Kommentaren von diesem mutmaßlichen Zitat (das auf jeden Fall kein genaues ist) nur als von einer „Parallele“ die Rede.²⁷

3.1.1.4 Anspielungen auf pagane Texte in der Apostelgeschichte Schon W. Nestle²⁸ betrachtete den Vers 26,14 nicht abgesondert, sondern im breiten Zusammenhang der Apostelgeschichte. Später wurde die Frage von einem

 S. Metzger, B., A Textual Commentary on the Greek New Testament, Stuttgart 1994, 430.  Vgl. Apg 5,39 (θεομάχοι) – s. 3.1.1.4.  Nestle, „Anklänge“; s. auch Vögeli, A., „Lukas und Euripides“, in: ThZ 9 (1953), 415 – 438 (und unten – 2.1.1.4).  Plümacher schreibt allerdings darüber („Thukydidesreminiszenz“, 271), doch stellt auch er keine Vermutungen über die Gründe dieser Beziehung an.  Vögeli, „Lukas und Euripides“, 436 – 437.  Pesch, Apostelgeschichte, 277; Johnson, Acts of the Apostles, 435; Eckey, Apostelgeschichte, 547 u. a. Barrett (Acts of the Apostles, vol. 2, 1158) meint jedenfalls, dass der Text des Euripides möglicherweise die wichtigste Parallele ist („probably the most important passage“). In allen Kommentaren werden auch andere griechische Parallelen angeführt (Pindar, Pyth. 2.94– 96; Aischylos, Agam. 1624).  Nestle, „Anklänge“.

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte

55

euripideischen Einfluss auf Lukas von F. Smend,²⁹ O. Weinreich,³⁰ H. Windisch,³¹ A. Vögeli³² und anderen Forschern untersucht.³³ Es geht um folgende Texte, die vermutlich Parallelen in der Tragödie „Bakchen“ haben: Apg 5,17– 41; 12,3 – 19; 16,19 – 40. Die Frage, ob diese Texte Anspielungen oder zufällige Parallelen sind,³⁴ ist für das Verstehen von 26,14 wichtig. Wenn Lukas ständig den Text der „Bakchen“ im Auge behielt, ist nicht auszuschließen, dass 26,14 ein Zitat ist, wenn auch ein ungenaues.³⁵ In Bezug auf Euripides ist in der Apostelgeschichte eine weitere mögliche Anspielung bemerkt worden: 21,39, wo Paulus sich οὐκ ἀσήμου πόλεως πολίτης („Bürger einer nicht unbedeutenden Stadt“) nennt. Es geht um die Worte aus V. 8 von „Ion“: ἔστιν γὰρ οὐκ ἄσημος Ἑλλήνων πόλις („es gibt eine nicht unbedeutende Stadt der Hellenen“, vgl. auch „Herakles der Wütende“, 849).³⁶ In der Forschung sind auch andere mögliche Anspielungen bei Lukas besprochen worden, doch bezogen sich diese Auseinandersetzungen kaum direkt auf die Frage nach den Zitaten.³⁷ Jedenfalls handelt es sich nicht um allgemein anerkannte Tatsachen, und die Parallelen werden Texten entnommen, die bestimmt später als die Apostelgeschichte entstanden.

 S. bei Vögeli, „Lukas und Euripides“, 419 – 420.  Weinreich, „Gebet und Wunder“, 147– 179.  Windisch, H., „Die Christusepiphanie vor Damaskus (Act. 9, 22, 26) und ihre religionsgeschichtlichen Parallelen“, in: ZNW 31 (1932), 1– 23.  Vögeli, „Lukas und Euripides“ (es wird die Geschichte der Untersuchung dieses Problems dargestellt).  S. noch z. B. Dibelius, Aufsätze, 159 – 162 („Literarische Anspielungen in Reden der Apostelgeschichte?“).  Die Gruppe „D“ nach der Klassifikation von Hoek, A. van den, Clement of Alexandria and his Use of Philo in the Stromateis. An Early Christian Reshaping of a Jewish Model, Leiden 1988.  Allerdings gesteht Vögeli, „Lukas und Euripides“ (436) eine „Beziehung des Motivs“ zu, jedoch keine „literarische Beziehung“.  Mögliche Parallelen in anderen Texten s. z. B. Conzelmann, H., Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 21972, 133 und andere Kommentare; Anspielungen auf Euripides werden von C.J. Hemer (The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History [WUNT 49], Tübingen 1989, 127) anerkannt.  S. z. B. die Liste der Anspielungen bei Vögeli, „Lukas und Euripides“ (437– 438); vgl. Renehan, „Greek Quotations“, 23.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

3.1.2 Zitate und Anspielungen in den Paulusbriefen und in den mit ihnen korrelierenden Texten Aus dem unten Dargelegten soll klar werden (s. bes. 3.1.2.2 und 3.1.2.3), warum die Texte, die wahrscheinlich oder ganz bestimmt nicht von Paulus stammten, trotzdem in denselben Abschnitt gehören, in dem die echten Paulusbriefe behandelt werden. Die Texte, die hier zu betrachten sind, werden z.T. früher, z.T. aber etwas später als die Apostelgeschichte datiert (Mitte des 1. Jh. bis Anfang des 2. Jh.). Clemens von Alexandrien (Strom. 1.59) erwähnt zwei von diesen Zitaten und zwar 1 Kor 15,33 und Tit 1,12. Die anderen sind in den letzten Jahrhunderten bzw. Jahrzehnten bemerkt worden, wobei die Frage in jedem Fall umstritten bleibt.

3.1.2.1 1 Kor 15,33 μὴ πλανᾶσθε· φθείρουσιν ἤθη χρηστὰ ὁμιλίαι κακαί. Irrt euch nicht: schlechte Kontakte verderben gute Sitten.

Niemand hat in Frage gestellt, dass Paulus hier einen Jambenvers zitiert, es gab jedoch bereits in der Antike verschiedene Meinungen dazu, woher genau das Zitat kommt. So war es wohl schon für Clemens (s. oben 3.1.2) schwierig, die Quelle zu bestimmen; er weist lediglich darauf hin, dass der Apostel einen „tragischen Jambenvers verwendet“ (ἰαμβείῳ συγκέχρηται τραγικῷ). Origenes (3. Jh., Hom. Luc. 31.3) schreibt den Vers einem „komischen Dichter“ zu, Sokrates der Scholastiker (5. Jh., „Kirchengeschichte“, 3.16) – dem Tragiker Euripides, Hieronymus (5. Jh., Quaest. Amphil. 151) und Photius (10. Jh., ed. Basil. v. III, 148) – dem Komiker Menander. R. Renehan hat überzeugend nachgewiesen,³⁸ dass der Vers einer Tragödie entlehnt ist, deren Verfasser höchstwahrscheinlich Euripides war.³⁹ Der Hinweis von Nestle – Aland, dass das Fragment zur Komödie von Menander namens „Thais“ gehörte,⁴⁰ gründet auf einer aus zweiter Hand bekannten Mitteilung über eine unklare Randbemerkung in einem Manuskript⁴¹ und scheint

 Renehan, ebd., 29 – 34.  Besonders wichtig ist der Verweis auf das 1906 publizierte Fragment mit den Worten φθείρουσιν ηθ (Hibeh Papyri I,7,38) – Renehan, ebd., 29 – 30.  NA 271993, 468; 806. Hier wird allerdings auf die Fragmentenausgabe von Kock hingewiesen, wo dieses Fragm. unter Nummer 218 steht; es ist ebenfalls in der Ausgabe von Nauck enthalten (Fragm. 1024). In NA 282012 s. S. 878.  Μενάνδρου τοῦ κωμικοῦ γνώμη ἐν Θαδίᾳ.

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte

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ungenügend begründet zu sein.⁴² Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Menander den Vers einer Tragödie entnehmen konnte.⁴³ Was die Schreibweise χρηστά statt vom Versmaß her erwarteten χρησθ᾿ angeht, konnte sich, wie die Philologen allgemein meinen, die Schreibvariante von der mündlichen unterscheiden.⁴⁴ Auf diesen Vers spielt an einer Stelle auch Philo an (Deter. 38).

3.1.2.2 Tit 1,12 f. εἶπέν τις ἐξ αὐτῶν ἴδιος αὐτῶν προφήτης· Κρῆτες ἀεὶ ψεῦσται, κακὰ θηρία, γαστέρες ἀργαί. ἡ μαρτυρία αὕτη ἀληθής. Es hat einer von ihnen gesagt, ihr eigener Prophet: „Die Kreter sind immer Lügner, böse Tiere [und] faule Bäuche“. Dieses Zeugnis ist wahr.

In diesem Fall ist das Zitat wieder ganz deutlich und wird mit einer breiteren Formel eingeführt. Nach Ischodad (s. 3.1.1.1) ist der Autor dieses Verses der mythenhafte Minos, nach den meisten Kirchenvätern aber (seit Clemens von Alexandrien, Strom. 1.59) ist es Epimenides von Kreta (Fragm. 1 dieses Verfassers nach H. Diels – W. Kranz), eine Meinung, der auch moderne Forscher folgen.⁴⁵ Der Versanfang ist von Kallimachos entlehnt (Zeus-Hymne, 8),⁴⁶ in vollständiger Form ist aber der Vers bei den nichtchristlichen Autoren nicht zu finden.⁴⁷ Der Titusbrief gehört zu den sog. „Pastoralbriefen“⁴⁸ und wurde, wie die meisten Forscher meinen, von einem der Paulus-Schüler verfasst.⁴⁹

3.1.2.3 Jak 1,16 f. Μὴ πλανᾶσθε, ἀδελφοί μου ἀγαπητοί. πᾶσα δόσις ἀγαθὴ καὶ πᾶν δώρημα τέλειον ἄνωθέν ἐστιν […] Irrt euch nicht, meine lieben Brüder! Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben […]

 Renehan, „Greek Quotations“, 32– 34.  Ebd.  S. z. B. ebd., 29.  S. jetzt vor allem das bereits zitierte Buch Rothschild, Paul in Athens, bes. 8 – 24.  Seinerseits ist der Vers einem hesiodeischen (Theog. 26) ähnlich.  Das bekannte Paradox über die „lügnerischen Kreter“ war im Titusbrief offenbar noch nicht gemeint (s. darüber Marshall, I.H., A Critical and Exegetical Commentary on the Pastoral Epistles [ICC 42], Edinburgh 1999, 203).  Wie auch 1 Tim und 2 Tim.  S. Reiser, Sprache, 77– 83; ausführlicher Marshall, Pastoral Epistles, 57– 92.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Obwohl schon im 18. Jh. bemerkt wurde, dass die Worte πᾶσα δόσις ἀγαθὴ καὶ πᾶν δώρημα τέλειον einen fast völlig korrekten Hexametervers darstellen, wird auf diese Tatsache erst seit Anfang des 20. Jh. regelmäßig hingewiesen, nachdem die Artikel von H. Fischer (1891) und W. Hatch (1909) publiziert worden sind.⁵⁰ Der vierte Versfuß kann mit Hilfe von elidierter Konjunktion τε korrigiert werden (δόσις τ᾿ ἀγαθή).⁵¹ Eine wichtige Untersuchung dieser Stelle hat 1958 H. Greeven⁵² veröffentlicht, der Weiterbearbeiter des Dibelius-Kommentars zum Jakobusbrief war.⁵³ Greeven hat auf den Umstand hingewiesen, dass das Zitat in Jak 1,16 f mit den Worten μὴ πλανᾶσθε („irrt euch nicht!“) eingeführt wird, d. h. genauso wie der „tragische Jambenvers“ bei Paulus (s. 3.1.2.1).⁵⁴ Darüber hinaus gibt es zwei weitere Stellen in den echten Paulusbriefen (1 Kor 6,9 und Gal 6,7), wo diese Redewendung gebraucht wird, wobei in beiden Fällen derselben eine Sentenz folgt, die „nicht in einer Formulierung ad hoc, sondern in […] einem Zitat dargeboten wird“.⁵⁵ Dieser einfache und überzeugende Beweis dafür, dass Jak 1,17 ein Zitat enthält, zeigt jedenfalls, dass zwischen den Texten des Paulus und Jakobus eine Verbindung besteht, welche in anderen Beziehungen von anderen Forschern bereits erkannt worden war.⁵⁶

3.1.2.4 1 Kor 5,6 (= Gal 5,9) (οὐκ οἴδατε ὅτι) μικρὰ ζύμη ὅλον τὸ φύραμα ζυμοῖ; [Wisst ihr nicht, dass] ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?⁵⁷

Es wurde schon 1949 festgestellt, bleibt jedoch bisher ungenügend bekannt, dass diese Worte, zweimal von Paulus gebraucht, einen nicht ganz richtigen Jamben-

 S. z. B. Mussner, F., Der Jakobusbrief, Freiburg 1987, 90, Anm. 4; Fischer, H., „Ein Spruchvers im Jakobusbrief“, in: Philologus 59 (1891), 377– 379; Hatch,W.H.P., „Note on the Hexameter in James 1, 17“, in: JBL 28 (1909), 149 – 151.  Mussner, ebd. (Vorschlag von W. Hatch).  Greeven, „Jede Gabe“, 1 (Anm. 1 über die Einsichten der Forscher des 18. Jh.s).  Dibelius, M., Der Brief des Jakobus (KEK 15), Göttingen 61984.  Greeven, „Jede Gabe“, 4.  Ebd., 5 – 7.  S. Mussner, Jakobusbrief, 12– 23; Burchard, C., Der Jakobusbrief (HNT 15,1), Tübingen 2000, 16.  Die eingeklammerten Wörter sind nur im 1 Kor enthalten.

3.1 Eine Sammlung relevanter Texte

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vers darstellen.⁵⁸ Die Unexaktheit dürfte durch den nachklassischen Charakter des Verses erklärbar zu sein.⁵⁹

3.1.2.5 Anspielungen bei Paulus R. Renehan versucht, bevor er zu eigentlichen Zitaten im NT übergeht, Zitate von „allgemeinen Anspielungen sprichwörtlicher Art“ abzugrenzen.⁶⁰ Solche Anspielungen, betont er dabei, sind keine Zitate und dabei größtenteils nur scheinbar.⁶¹ Dennoch, so weiter Renehan, gibt es im Neuen Testament „passages which, while still not exact quotations from classical Greek literature, have every probability of going back, directly or indirectly, to specific classical writings“⁶². Nach der Betrachtung der entsprechenden Texte der Apg. (s. 3.1.1.3 u. 3.1.1.4), geht Renehan zu den Paulusbriefen über. Es werden Parallelen zu 1 Kor 8,2 und Gal 6,3 aus der „Apologie“ von Plato angeführt:⁶³ Paulus: 1 Kor 8,2 – εἴ τις δοκεῖ ἐγνωκέναι τι, οὔπω ἔγνω καθὼς δεῖ γνῶναι Gal 6,3 – εἰ γὰρ δοκεῖ τις εἶναι τι μηδὲν ὢν, φρεναπατᾷ ἑαυτόν Wenn jemand denkt er wisse etwas, der weiß noch nicht so, wie man wissen soll. Denn wenn jemand denkt, dass er etwas ist, obwohl er nichts ist, betrügt er sich selbst. Plato (Sokrates): 21d – οὗτος μὲν οἴεταί τι εἰδέναι οὐκ εἰδώς, ἐγὼ δέ, ὥσπερ οὖν οὐκ οἶδα, οὐδὲ οἴομαι. 41е ἐὰν δοκῶσί τι εἶναι μηδὲν ὄντες, ὀνειδίζετε αὐτοῖς ὥσπερ ἐγὼ ὑμῖν, ὅτι οὐκ ἐπιμελοῦνται ὧν δεῖ, καὶ οἴονταί τι εἶναι ὄντες οὐδενὸς ἄξιοι. Dieser doch meint zu wissen, da er nicht weiß, ich aber, wie ich eben nicht weiß, so meine ich es auch nicht. Wenn sie sich dünken etwas zu sein, sind aber nichts, so verweist es ihnen wie ich euch, dass sie nicht sorgen, wofür sie sollten, und sich einbilden etwas zu sein, da sie doch nichts wert sind.

Ferner wird noch eine Parallele zu Röm 7,15 – 19 aus euripideischer „Medea“ angeführt (1077– 1080).⁶⁴

 Schön, „Metrische Stelle“. Wird in Kommentaren selten erwähnt (s. jedoch Vouga, F., An die Galater [HNT 10], Tübingen 1998, 124).  Schön, „Metrische Stelle“, 510 – 512.  Renehan, „Greek Quotations“, 18.  Ebd., 18 – 21.  Ebd., 21.  Ebd., 23. Deutsche Übers. der „Apologie“ F. Schleiermacher.  Ebd., 24.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Außer eigentlichen Anspielungen – „Anklänge („echoes“) und Gedankenübereinstimmungen„⁶⁵ – betrachtet Renehan „rein formale Strukturanklänge“.⁶⁶ Wir wollen uns hier mit diesem Aspekt der Frage nicht ausführlich auseinandersetzen, sondern beschränken uns auf den Verweis, dass alle „Anklänge“ dieser Art im Text des 1 Kor enthalten sind.⁶⁷ Wir sehen, dass das NT nicht zu wenig Stoff für unser Thema bietet. Jetzt gehen wir zur Analyse dieses Stoffes über (3.2), dem dann auch eine Synthese folgen soll (3.3).

3.2 Analyse der relevanten Texte In diesem Abschnitt werden die neutestamentlichen Stellen behandelt, die in 3.1 gesammelt wurden, sowie die Schlussfolgerungen, die bei der Untersuchung dieser Texte gezogen wurden. Jeder Text bedarf einer eigenen Interpretation; alle diese Interpretationen sollen zur Klärung des Sinnes der Zitate und der Anspielungen an jeweiligen Stellen des Neuen Testaments führen, wobei insbesondere parallele Benutzung derselben und ähnlicher paganer Texte in der jüdisch-hellenistischen Tradition zu berücksichtigen ist.

3.2.1 Areopagrede (Apg 17) Wie bereits erwähnt,⁶⁸ ist über diesen Text viel geschrieben worden; die Deutungen unterscheiden sich ziemlich stark voneinander, ein Umstand, der uns veranlasst, der Analyse dieser Stelle einen beträchtlichen Platz zu widmen.⁶⁹ Dabei soll diese Analyse abschnittsweise durchgeführt werden, weil die Interpretationsprobleme nicht einheitlich sind. Auf folgende Probleme soll eingegangen werden: 1) Gesamtzusammenhang der Rede, 2) die Ähnlichkeiten zwi Ebd., 26.  Ebd., 26 – 28.  1 Kor 13,1– 3 – Tyrtaios, Fragm. 9.1– 11; 1 Kor 12,4– 11 – Il. 13.729 – 734; Od. 8.167– 177; darüber hinaus 1 Kor 12,12– 21 – Fabel von dem Leib und den Gliedern (vgl. Jaeger, Das frühe Christentum und die griechische Bildung, Berlin 1963, 10) – Tit. Liv. 2.32.8 – 11.  S. 3.1.1.1.  Zur Wichtigkeit dieser Passage vgl. Alexander, L., „The Acts of the Apostles as an Apologetic Text“, in: M. Edwards / M. Goodman / S. Price (Hg.), Apologetics in the Roman Empire, Oxford 1999, 15 – 44, dort 33: „Paul’s defence, as much propaganda as apologia, is a fine example of philosophical rather than judicial argument, showing continuity both with the Hellenistic-Jewish tradition of philosophical debate with paganism and with the later Christian apologists“.

3.2 Analyse der relevanten Texte

61

schen der Rede und den paganen Texten zum Thema jüdische Religion, 3) Komposition der Rede. Dabei soll auch zu den beiden allgemeineren Fragen kurz Stellung genommen werden: 1) „Griechisches“ und „Jüdisches“ in der Rede, 2) die Person des Paulus im lukanischen Doppelwerk. Aus der Untersuchung dieser Probleme wird allmählich die Antwort auf die Frage hervortreten: Wie viele pagane Zitate kommen in der Rede vor und aus welchen Werken stammen diese?

3.2.1.1 Der Gesamtzusammenhang der Areopagrede⁷⁰ Die Areopagrede ist durch die Erzählung über den Aufenthalt des Paulus in Athen gerahmt. Es ist schon längst bemerkt worden – auch wenn dies in Kommentaren nur wenig Beachtung findet, – dass sowohl in dieser Rahmung als auch in der Rede selbst Motive enthalten sind, die den Zeugnissen über Epimenides von Kreta ähnlich sind.⁷¹ Diogenes Laërtios berichtet über Epimenides Folgendes (1.110 f.): Da nun die Athener in jener Zeit von einer Pest heimgesucht wurden und die Pythia ihnen verkündete, sie sollten die Stadt reinigen, sandten sie den Nikias, des Nikeratos Sohn, zu Schiff nach Kreta, um Epimenides zu sich zu rufen. Er kam in der 46. Olympiade, reinigte ihre Stadt und machte der Pest ein Ende, und zwar auf folgende Weise: Eine Anzahl schwarzer und weißer Schafe mit sich führend, ging er nach dem Areshügel [Areopag]; von da ab ließ er ihnen völlig freien Lauf; seinen Begleitern gab er die Anweisung, sie sollten immer da,wo sich eines niederlegte, es dem entsprechenden Gott (προσήκοντι θεῷ) als Opfer darbringen. Danach hat das Unheil sein Ende genommen. Daher kommt es, dass man auch heute noch in den athenischen Gauen namenlose Altäre findet, zur Erinnerung an die damalige Sühnung […] Die Athener aber bewilligten auf Volksbeschluß ein Talent nebst dem Schiff, das ihn [Epimenides] nach Kreta zurückführen sollte. Er indes nahm Geld nicht an, wohl aber brachte er einen Freundschafts- und Bündnisvertrag zwischen Knosiern und Athenern zustande.⁷²

Wenn wir nun diese Mitteilung mit der lukanischen Darstellung in Apg 17 vergleichen, ergeben sich folgende Affinitäten: Paulus 1) kommt nach Athen (17,15); 2) stellt sich auf (in) dem Areopag⁷³ (17,19); 3) redet von einem/dem gebührenden⁷⁴ Kult (17,22– 31); 4) fängt seine Rede von der Erwähnung der Altäre mit der Inschrift

 Es wird hier nicht auf die Frage eingegangen, ob unter Areopagus der Hügel oder das Gericht gemeint ist (s. Barrett, Acts of the Apostles, vol. 2, 831– 832).  S. z. B. Lake, „Your own poets“, 251; jetzt Rothschild, Paul in Athens, bes. 41– 44, 108 – 119.  Übers. von O. Apelt, leicht korrigiert.  S. oben Anm. 70. Jedenfalls ist in beiden Texten von einem Areopag die Rede.  Vgl. προσήκοντι θεῷ bei Diogenes.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

ἀγνώστῳ θεῷ an (17,23); 5) verlässt Athen (17,33 – 18,1)⁷⁵ und 6) verkündet – darüber hinaus – die Auferstehung der Toten – vgl. die Mitteilung von Diogenes über „mehrmaliges Auferstehen“ des Epimenides (1.114, vgl. auch 1.109).⁷⁶ Wenn anerkannt wird, dass in Apg 17 eine Analogie zwischen Paulus und Sokrates besteht,⁷⁷ liegt die Analogie zwischen Paulus und Epimenides doch noch mehr auf der Hand:⁷⁸ der Apostel kommt nach Athen, um diese Stadt mit seiner Predigt von derjenigen „Abscheulichkeit des Heidentums“ zu befreien, bei deren Ansicht „sein Geist in ihm ergrimmte“ (17,16), ähnlich wie einst Epimenides dieselbe Stadt vom „Kylon-Schmutz“ gereinigt hatte. Dürfen wir daraus schließen, dass in 17,28a wirklich Epimenides zitiert wird? In dieser Form müsste die Frage negativ beantwortet werden, denn es gab wohl keine authentischen Epimenides-Texte in der neutestamentlichen Zeit.⁷⁹ Doch behält die Kritik von Max Pohlenz⁸⁰ lediglich gegenüber den Zeugnissen des Ischodad ihre Gültigkeit und teilweise gegenüber denen des Diogenes, dadurch ist aber die Frage nach der Herkunft von 17,28а noch nicht entschieden.⁸¹ Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei den hier benutzten Worten um einen pseudoepimenideischen Text späterer Zeit handelt.

 Paulus bekommt in Athen Anhänger (17,34), Epimenides „stiftet Freundschaft mit den Athenern“.  Die Redewendung ζωῆς ἀναβίωσις wird für die Bezeichnung der Totenauferstehung in 2 Makk 7,9 gebraucht; diese Stelle ist eine der ersten (mit Dan 12), wo in der Bibel von der Auferstehung die Rede ist (im „Ko-Text“, 2 Makk 7,14, ist von ἀνάστασις εἰς ζωήν die Rede). Zum Thema „Auferstehung“ in Verbindung mit Epimenides s. noch Proklos, Comm. zum „Staat“ des Plato (p. 113,19 Kroll).  Vgl., z. B. Barrett, Acts of the Apostles, vol. 2, 824 (Anklage wegen der „Einführung der fremden Götter“ – 17,18).  Trotzdem wird Epimenides sogar in den modernsten Kommentaren zu Apg 17 manchmal überhaupt nicht erwähnt (Eckey, Apostelgeschichte) oder doch nur mit Bezug auf das mutmaßliche Zitat in 17,28а (Barrett, Acts of the Apostles, vol. 2, 847; Bruce, F.F., The Book of the Acts, Grand Rapids 1988, 338 – 339; Witherington [III], B., The Acts of the Apostles. A Socio-Rhetorical Commentary, Grand Rapids 1998, 529 – 530). S. jetzt Rothschild, Paul in Athens, passim; auch Mason, S., „Speech-Making in Ancient Rhetoric, Josephus, and Acts: Messages and Playfulness“, Part II, in: Early Christianity 3 (2012), 147– 171, dort 165, Anm. 38.  S. Diels – Kranz, I, S. 31, Anm. zu 28. Es ist nicht einmal sicher, ob sie überhaupt existierten (vgl. Diogenes 1.111 f. mit Verweis auf gewissen Lobon). Schon bei Diogenes u. a. werden Fälschungen unter dem Namen des Epimenides erwähnt. Selbstverständlich gilt das Gesagte für das Zitat in Tit 1,12 ebenso. S. jetzt Rothschild, Paul in Athens, 37– 49 (ch. 4 „Epimenidea in the First Two Centuries C.E.“).  S. oben, 3.1.1.1.  Pohlenz nimmt an, dass Lukas diesen Gedanken bei Poseidonios gefunden hat (Pohlenz, Paulus und die Stoa, 104).

3.2 Analyse der relevanten Texte

63

Hier ist auf eine wesentliche Ähnlichkeit zwischen dem Zitieren bei Lukas und bei Aristobulos (s. 2.3.1) zu verweisen: im Aristobulos-Prolog (Fragm. 4) stehen die Zitate aus Aratos und Pseudo-Orpheus nebeneinander. Orpheus und Epimenides sind beide durchaus ähnliche mythologische Gestalten, die im Bewusstsein der Griechen großes Gewicht hatten. Wenn aber sogar Orpheus, der einst von 365 Göttern gelehrt haben sollte, als ein Monotheismus-Verkünder angesehen werden konnte – wobei es direkt um den biblischen Monotheismus ging!, – war Epimenides eine geradezu ideale Gestalt, da er doch sogar an die Totenauferstehung glauben sollte (vgl. Pythagoras, der auch von Aristobulos und Josephus erwähnt wird), ein „Prophet“ war (vgl. Diogenes 1.114) und bei den Athenern einen „richtigen Kult“ stiftete.⁸² Wenn er als ein Verkünder dieser Art in den uns erhaltenen jüdisch-hellenistischen Texten nicht auftritt, wird er doch im Neuen Testament jedenfalls einmal bestimmt erwähnt und zitiert,⁸³ woraus zu schließen ist, dass auch Lukas sich in einem „epimenideischen Zusammenhang“ von Apg 17 auf einen dieser Person zugeschriebenen Text berufen konnte. Unten (3.2.1.5) versuchen wir näher zu erörtern, auf welche Weise 17,28a im Gesamtzusammenhang der Athen-Rede funktioniert.

3.2.1.2 „Griechisches“, „Jüdisches“ und „Christliches“ in der Areopagrede Es ist hier nicht möglich, uns ausführlicher mit dem Verhältnis der griechischen und der jüdischen Elemente der Paulus-Rede auseinanderzusetzen.⁸⁴ Wichtig ist, dass Elemente beider Art hier in einer großen und fast gleichen Zahl vorhanden sind und dabei in einer so engen Verschränkung, dass beide fast in jedem Vers zu finden sind. Außerdem ist nicht immer genau zu klären, was in einem konkreten Element überwiegt – das „Griechische“ oder das „Jüdische“.⁸⁵ Die Übergänge sind so fließend und unbemerkbar, dass es unmöglich wäre, diese Synthese Lukas selbst – geschweige denn Paulus – selbst zuzuschreiben. Es ist klar, dass Lukas, ein jüdisch-hellenistischer Autor, diese Synthese schon der jüdischen Literatur entnommen hat, wenn auch die formale Komposition der Rede außerordentlich schön ist und ihm als Stilisten Ehre macht.⁸⁶

 Vgl. auch Apuleius, Apol. 27.2. Dort werden Epimenides und Orpheus nebeneinander als große „Magier“ genannt.  Über Tit 1,12 s. 3.1.2.2 und unten (3.2.6).  Zu den biblischen Anspielungen der Areopagrede s.u.a. Litwak, K.D., „Israel’s Prophets Meet Athens’ Philosophers: Scriptural Echoes in Acts 17.22– 31“, in: Bib 85 (2004), 199 – 216.  S. z. B. Gärtner, Areopagus speech; Barrett, Acts of the Apostles, 842– 844; auch 3.2.1.4.  Zu der Komposition der Rede s. 3.2.1.5.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Das spezifisch christliche Element fehlt dabei völlig bis auf den letzten Vers (17,31), wo die Rede von den Zuhörern unterbrochen wurde.⁸⁷ Gerade hier fing dasjenige an, was den Athenern unverständlich war; der Rest der Rede enthielt Ideen, die nicht nur den Menschen der Bibeltradition bekannt waren, sondern auch denjenigen, die nie eine Synagoge besucht haben: die jüdische Propaganda hatte längst den „Raum der Synagoge“ verlassen.⁸⁸

3.2.1.3 Die Areopagrede und der historische Paulus Wenn es auch klar ist, dass Paulus nicht der reale Verfasser der in der Apg enthaltenen Areopagrede war, darf man nicht davon vergessen, dass alle Zitate (genaue sowie ungenaue), die von den Forschern in der Apg entdeckt worden sind, in den Reden des lukanischen Paulus stehen.⁸⁹ Ist es denn möglich, in den echten Paulusbriefen Texte zu finden, die der Areopagrede ähnlich wären? Diese Frage ist eindeutig zu bejahen: einen Text dieser Art finden wir im 1. Kapitel des Römerbriefes (Röm 1,18 – 32). Freilich werden dort nicht die Heiden angeredet: alle Briefe des Paulus sind an „interne“ Adressaten gerichtet, während es in Apg 17 um eine „externe“ Propaganda geht.⁹⁰ Was Röm betrifft, ist der Brief an die Gemeinde gerichtet, welche zum großen (oder sogar größten) Teil aus Juden bestand.⁹¹ Man findet hier keine Zitate aus der paganen Tradition. Dafür ist der Einfluss der jüdisch-hellenistischen Tradition bemerkbar, besonders des Weisheitsbuches Salomos, das dem Apostel wahrscheinlich bekannt war.⁹² Dass er dabei auf die jüdische Propaganda unmittelbar Rücksicht nahm, wird durch den direkt folgenden Abschnitt des Römerbriefes bestätigt (2,1– 24): Ein imaginärer Jude, an den sich Paulus wendet, hält sich selbst und ist auch wirklich vom Standpunkt des Apostels derjenige, der „den anderen richtet“ (2,1), der „ein Führer für Blinde“, „ein Licht für die in der Finsternis“ (2,19), „ein Erzieher für Unverständige“, „ein Lehrer für Unmündige“

 Zur Unterbrechung der Rede als rhetorisches Mittel s. neuerdings Smith, D.L., The Rhetoric of Interruption (BZNW 193), Berlin/Boston 2012 (zur Areopagrede 231– 232; sein Votum, Apg 17,32 sei „not an interruption“ ist allerdings nicht überzeugend).  S. Dupont, J., „Le discours à l’Aréopage (Ac. 17,22– 31) lieu de rencontre entre christianisme et hellénisme“, in: Bib 60 (1979), 530 – 546, dort 530, und die oben angeführte Stelle von L. Alexander (s. oben Anm. 69).  S. 3.1.1.  Lukas betont dies in 17:17 f. (μὲν οὖν… δέ…).  Cranfield, C.E.B. A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle to the Romans, vol. 1 (ICC 36,1), Edinburgh 61975, 18.  Norden, Agnostos Theos. S. auch Kap. 2 des 1. Henochbuches.

3.2 Analyse der relevanten Texte

65

(2,20) ist, der „einen anderen lehrt“, „predigt“ (2,21) usw. Die Adressaten dieses Juden sind selbstverständlich Heiden.⁹³ Die Kritik der heidnischen Idololatrie und der „Gesetzlosigkeiten“ steht also bei Paulus (Röm 1,18 – 32) in einem unlösbaren Zusammenhang sowohl mit der jüdischen Propaganda, als auch mit der Areopagrede. Es ist gut möglich, dass Lukas hörte, worüber Paulus außerhalb der Synagogen redete. Wenn er das aber auch nicht gehört und Röm nicht gelesen hatte, musste er doch, da er selbst zu derselben Zeit lebte und zu derselben biblischen Tradition gehörte, wissen, was die jüdischen Prediger zu den „Hellenen“ zu sagen pflegten. Dabei ist fast unvorstellbar, dass Lukas, der ja so viele glaubwürdige Angaben über Paulus berichtet, gerade in diesem Fall in seine Erzählung eine Rede eingeführt hätte, die von der historischen Persönlichkeit von Paulus ganz und gar separiert wäre.⁹⁴ Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Ideen der Areopagrede auch in den Reden des historischen Paulus vorhanden. Dasselbe Urteil gilt wohl auch von den Zitaten und Anspielungen in diesen Texten. Wenn Lukas solche gerade in den Zusammenhang der Paulus-Reden einführte, dürften sie als für seine realen Reden charakteristisch gelten, und wiederum bezeugen uns das die authentischen Paulusbriefe (s. 3.2.4 und 3.2.5).

3.2.1.4 Die Areopagrede und Zeugnisse der pagan-griechischen Literatur von dem Judentum Jetzt versuchen wir, uns den Text der Areopagrede von einer anderen Seite zu betrachten. In den Forschungen wurden bereits Parallelen zwischen manchen Passagen dieser Rede und den Zeugnissen von Strabo und Diodor gezogen, die wohl jeweils von Poseidonios und Hekatäus von Abdera stammen.⁹⁵ Wir führen hier diese Texte an, wobei wir die für unser Thema wichtigsten Stellen hervorheben: Diodor, Historische Bibliothek 40.3.3 – 4: Μωσῆς […] ἄγαλμα δὲ θεῶν τὸ σύνολον οὐ κατεσκεύασε διὰ τὸ μὴ νομίζειν ἀνθρωπόμορφον εἶναι τὸν θεόν, ἀλλὰ τὸν περιέχοντα τὴν γῆν οὐρανὸν μόνον εἶναι θεὸν καὶ τῶν ὅλων κύριον.

 Es konnte sogar gezeigt werden, dass die erste bekannte Apologie des Judentums, die EleazarRede des Aristeasbriefes (130 – 169), die Grundlage des ganzen Abschnitts Röm 1,18 – 32 bildet, s. Wittkowsky, Heiden, 6 – 20.  Vgl. Bruce, F.F., Paul: Apostle of the Free Spirit, Exeter 1977, 165.  In diesem Fall geht es um echte Hekatäus-Texte. S. Pohlenz, Paulus und die Stoa, 94; Eckey, Apostelgeschichte, 404; Norden, E., Jahve und Moses in hellenistischer Theologie, in: ders., Kleine Schriften zum klassischen Altertum, Berlin 1966, 276 – 285.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Moses […] verfertigte überhaupt keine Götterbildnisse, weil er meinte, Gott sei dem Menschen nicht ähnlich, sondern allein der Himmel, der die Erde umfaßt, sei Gott und Herrscher von allem.

Strabo, Geographie 16, 761: Μωσῆς γάρ τις τῶν Αἰγυπτίων ἱερέων ἔχων τι μέρος τῆς κάτω καλουμένης χώρας, ἀπῆρεν ἐκεῖσε ἐνθένδε δυσχεράνας τὰ καθεστῶτα, καὶ συνεξῆραν αὐτῷ πολλοὶ τιμῶντες τὸ θεῖον. ἔφη γὰρ ἐκεῖνος καὶ ἐδίδασκεν, ὡς οὐκ ὀρθῶς φρονοῖεν οἱ Αἰγύπτιοι θηρίοις εἰκάζοντες καὶ βοσκήμασι τὸ θεῖον, οὐδ᾿ οἱ Λίβυες· οὐκ εὖ δὲ οὐδ᾿ οἱ Ἕλληνες ἀνθρωπομόρφους τυποῦντες· εἴη γὰρ τοῦτο μόνον θεὸς τὸ περιέχον ἡμᾶς ἅπαντας καὶ γῆν καὶ θάλατταν, ὃ καλοῦμεν οὐρανὸν καὶ κόσμον καὶ τὴν τῶν ὄντων φύσιν. τούτου δὴ τίς ἂν εἰκόνα πλάττειν θαρρήσειε νοῦν ἔχων ὁμοίαν τινὶ τῶν παρ᾿ ἡμῖν; ἀλλ᾿ ἐᾶν δεῖν πᾶσαν ξοανοποιίαν […] Moses, einer der ägyptischen Priester, zog aus Niederägypten, von dem er einen Teil in seiner Gewalt hatte, unzufrieden mit den dort bestehenden Einrichtungen dorthin [nach Judäa – V.W.]; seinem Auszug schlossen sich viele Verehrer der Gottheit an. Seine Lehre war nämlich diese: Weder die Ägyptier noch die Libyer hätten eine richtige Ansicht von der Gottheit, wenn sie dieselbe wilden Tieren oder dem Vieh ähnlich bildeten; aber auch die Hellenen, die ihre Götter in Menschengestalt formten, seien im Unrecht. Denn nur dieses eine Wesen sei Gott, das uns alle, Erde und Meer umfasse und das wir Himmel, Welt und Natur des Seienden nennen. Wie könne nun wohl jemand, der bei Verstand sei, sich erdreisten, sich von diesem Wesen ein Bildnis zu formen, das irgendeinem der Dinge bei uns gleiche? Vielmehr habe jegliche Anfertigung eines Bildnisses zu unterbleiben […]

In der Areopagrede (17,24 f.) lesen wir Folgendes: ὁ θεὸς ὁ ποιήσας τὸν κόσμον καὶ πάντα τὰ ἐν αὐτῷ, οὗτος οὐρανοῦ καὶ γῆς ὑπάρχων κύριος οὐκ ἐν χειροποιήτοις ναοῖς κατοικεῖ οὐδὲ ὑπὸ χειρῶν ἀνθρωπίνων θεραπεύεται προσδεόμενός τινος, αὐτὸς διδοὺς πᾶσι ζωὴν καὶ πνοὴν καὶ τὰ πάντα. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was drin ist, er, der ein Herr ist des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht, er wird auch nicht mit Meschenhänden bedient, alsob er jemandes bedürfte, denn er selber gibt allen Leben, Odem und alles.⁹⁶

Hekatäus (4.–3. Jh. v.Chr.) war wohl auch die Quelle für Poseidonios (2. – 1. Jh. v.Chr.). Eine Quelle von Hekatäus war offenbar jüdisch, ob aber schriftlich oder mündlich, wissen wir nicht.⁹⁷ Auf jeden Fall wurde von den Juden derjenige Topos schon früher benutzt, der in den zuvor zitierten paganen Werken Verwendung findet, jedoch in einem der Bibel eher entsprechenden Sinne: der Himmel ist auch von Gott geschaffen worden, nicht aber Gott gleich.

 Eine Parallele in der Apg selbst: die Rede von Paulus (und Barnabas) in Lystra – 14,15 – 17.  Stern, M. (Hg.), Greek and Latin Authors on Jews and Judaism. Vol. I, Jerusalem 1974, ch. 2 (Hekatäus).

3.2 Analyse der relevanten Texte

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Welche Quelle von Lukas – oder doch Paulus? – gebraucht wurde, entzieht sich unserer Kenntnis; möglicherweise hat er Poseidonios selbst „korrigiert“,⁹⁸ oder vielleicht war es eine Entlehnung aus einer propagandistischen Schrift unter dem Namen von Hekatäus. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Lukas einfach eine lebendige Tradition der jüdisch-hellenistischen Literatur wiedergegeben hat, die auch andere Topoi von Hekatäus aufbewahrt hat.⁹⁹ Dieser Topos ist so wichtig, dass wir ihn tatsächlich auch bei anderen jüdisch-hellenistischen Schriftstellern finden. An der schon oben (s. 3.2.1.1, vgl. 2.3.1) erwähnten Stelle leitet Aristobulos (Fragm. 4) die Verse von Pseudo-Orpheus auf solche Weise ein: οὕτως ἐκτίθεται περὶ τοῦ διακρατεῖσθαι θείᾳ δυνάμει τὰ πάντα καὶ γενητὰ ὑπάρχειν καὶ ἐπὶ πάντων εἶναι τὸν θεόν. [Orpheus] äußert sich […] in diesem Sinne darüber, dass das All von der göttlichen Macht durchwaltet wird, dass es entstanden ist und dass Gott über allem steht.¹⁰⁰

Die Texte der jüdischen Tradition, zu der auch Lukas gehört, reden ganz deutlich davon, dass die ganze Welt vom Gott erschaffen war: man darf den Gott weder mit Himmel (οὐρανός), noch mit Welt (κόσμος), noch mit Natur (φύσις) gleichsetzen.¹⁰¹ Nach griechischer Auffassung sind Erde, Leute und alles, was es auf Erden gibt, von Gott gezeugt und von Ihm „umfasst“ (περιέχω), Himmel und Welt sind jedoch Synonyme von Gott. Bei diesem Unterschied ist jedoch eine Ähnlichkeit in der „Credo“-Komposition bemerkenswert: hier sind gewisse „Triaden“ enthalten, mindestens bei Strabo in der paganen Tradition (ἡμᾶς ἅπαντας καὶ γῆν καὶ θάλατταν; οὐρανὸν καὶ κόσμον καὶ τὴν τῶν ὄντων φύσιν) und bei Aristobulos in der jüdischen (τοῦ διακρατεῖσθαι θείᾳ δυνάμει τὰ πάντα καὶ γενητὰ ὑπάρχειν καὶ ἐπὶ πάντων εἶναι τὸν θεόν).¹⁰² Ähnliche „Triaden“ finden sich auch im Text von Lukas: 17,25b αὐτὸς διδοὺς πᾶσι ζωὴν καὶ πνοὴν καὶ τὰ πάντα. 17,28а ἐν αὐτῷ γὰρ ζῶμεν καὶ κινούμεθα καὶ ἐσμέν.

 Wie Pohlenz die Sache hinstellt (Pohlenz, „Paulus und die Stoa“, 104).  Z. B. Mose ist ein ägyptischer Priester (sowohl bei Artapanos, als auch bei Hekatäus).  Vgl. auch Fragm. 2, wo Anthropomorphismus zurückgewiesen wird. Eine ähnliche Liste der wichtigsten Sätze des Judentums führt auch Philo zum Schluss seines programmatischen Traktates De opificio mundi (Opif. 172) an. (Zu ἐπὶ πάντων εἶναι τὸν θεόν vgl. Röm 9,5.)  Obwohl der letztere Begriff ziemlich abstrakt ist, was eine Gleichsetzung des Gesetzes des Gottes mit dem Gesetz der Natur nicht nur bei Philo, sondern auch z. B. bei Essenern ermöglichte.  Lukas hat aber auch „Diaden“, diese mit Hekatäus gemeinsam (17,24 – vgl. den Text von Diodor). Zu den „Triaden“ s. noch Mason, „Speech-Making“, 165, Anm. 38.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Bei dem letzteren Abschnitt geht es aber um das mutmaßliche Epimenides-Zitat (s. 3.1.1.1 und vgl. 3.2.1.1). Damit kommen wir zu der Frage nach Zitaten in der Areopagrede zurück.

3.2.1.5 Die Zitate aus „Pseudo-Epimenides“ in der Areopagrede Versuchen wir zunächst anhand der Kompositionsanalyse die Frage zu beantworten, auf welche Weise diese beiden „Triaden“ in der Paulus-Rede aufeinander bezogen werden können. Von den Erklärungen der Komposition der Areopagrede wirkt die konzentrische (oder chiastische) am überzeugendsten, d. h. ungefähr А – B – C – (D – ) C’ – B’ – A’.¹⁰³ А. Die Athener sind „irgendwie besonders götterfürchtig“ (δεισιδαιμονέστεροι) – 22. B. In Athen wird ein „unbekannter Gott“ (ἄγνωστος θεός) verehrt – 23. С. Gott, der die Welt erschaffen hat, kann unmöglich in den vom Menschen gemachten Tempeln wohnen – 24. D. Gott bedarf nichts von den Menschen – 25а. E. Gott gibt selbst allen alles – 25b. F. Gott hat für die Menschen die Lebensbedingungen (κατοικεῖν) geschaffen – 26. F’. E’. D’. C’.

Gott hat so gemacht, dass die Menschen Ihn suchen (ζητεῖν) – 27. Das Dasein der Menschen ist von Gott (in Gott) – 28а. Die Menschen sind selbst von Gott gezeugt – 28b. Die Gottheit ist nicht den Stoffen gleich, die für Ihre Abbildungen bei den Menschen dienen – 29. B’. Nun wird die Unwissenheit (ἄγνοια) aufgehoben – 30. A’. Gott gibt den Menschen einen echten Glauben (πίστις) – 31.

Wir sehen also, dass die beiden Triaden (s. 3.2.1.4) genau einander entsprechen. Es wurde angenommen (s. 3.1.1.1), dass die zweite von ihnen (17,28а) ein leicht veränderter Hexametervers ist. Wenn wir nun in der ersten Triade (17,25b) das zweite und das dritte Wort gegeneinander umtauschen, bekommen wir einen sogar noch schöneren, wenn auch ebenfalls nichtklassischen, Hexametervers:

 Zum ersten Mal für diesen Text von Des Places („Actes 17,27“, in: Bib 48 (1967), 1– 6) vorgeschlagen; andere Varianten: Dupont, „Discours“; Auffret, P., „Essai sur la structure littéraire du discours d’Athènes (Ac. XVII 23 – 31)“, in: NT 20 (1978), 185 – 202.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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αὐτὸς πᾶσι διδοὺς ζωὴν καὶ πνοὴν καὶ τὰ πάντα.¹⁰⁴

Das kann kaum als Zufall betrachtet werden.¹⁰⁵ Natürlich kann nicht als eindeutig bewiesen gelten, dass die mutmaßlichen „Pseudo-Epimenides“ Verse von einem jüdischen Dichter geschrieben worden sind, dennoch ist das ziemlich wahrscheinlich (s. Ausführungen in 3.2.1.4). Übrigens ist uns schon ein Fall der Bearbeitung der paganen pythagoreischen Homer- und Hesiod-Fälschungen bekannt, die von einem jüdischen Kommentator stammt(s. 2.3.2.1). Es ist nicht auszuschließen, dass sich zwischen „Pseudo-Epimenides“ und Lukas ein ähnlicher „Vermittler“ befinden konnte. Die entstellte Form der beiden Hexameter-Verse spricht wohl dafür, dass diese Vermittlung in prosaischer Form erfolgte.

3.2.1.6 Ertrag Es kann als bewiesen gelten, dass die Areopagrede mehr Zitate enthält, als es früher angenommen worden war: ein Aratos-Halbvers und zwei, wenn auch nicht ganz korrekt wiedergegebene, Hexameterverse eines unbekannten Verfassers. Mit großer Wahrscheinlichkeit können wir ferner behaupten, dass die beiden Verse, dessen Autor unbekannt ist, dem halblegendären Epimenides zugeschrieben werden konnten, wobei es wohl um eine pseudepigraphe Schrift geht. Weniger zwingend, aber durchaus möglich erscheint dabei die Annahme, dass dieses Pseudo-Epimenides-Werk eine jüdische Fälschung war, wie auch bei Aristobulos in einem einschlägigen „Ko-Text“, d. h. neben derselben Aratos-Stelle, eine jüdische Pseudo-Orpheus-Dichtung zitiert wird.

3.2.2 Lukas und Thukydides (Apg 20,35) E. Plümacher hat im obenerwähnten (s. 3.1.1.2) Artikel¹⁰⁶ den ganzen Zusammenhang untersucht, in welchem Lukas – oder genauer der lukanische Paulus –  Hier sind auch „Verbesserungen“ möglich (wie auch im Fall von 17,28a), z. B. ζωήν, πνοιὴν τά τε πάντα.  Wir können in diesem Zusammenhang noch auf eine Triade im Epimenides(?)-Zitat in Tit 1,12 verweisen. Alle drei Verse befanden sich möglicherweise in ein und demselben Werk. Vgl. die Rekonstruktionen bei Lake 250, in denen Apg 17,28a und Tit 1,12 (entsprechend dem Zeugnis von Ischodad! – s. 3.1.1) fast direkt benachbart sind. S. auch 3.2.6. Auf eine neue Rekonstruktion wollen wir hier verzichten, da die genaue Reihenfolge der Verse unklar bleiben muss, dennoch passt Vers 17,25 (der in den von Lake, „Your own poets“ angeführten Versionen selbstverständlich fehlt) inhaltlich und kompositionell ganz gut zu den beiden anderen Versen.  Plümacher, „Thukydidesreminiszenz“.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

von einem Thukydides-Zitat („Geschichte“ 2.97.3 – 4) in Apg 20,35 Gebrauch macht. Die Ähnlichkeit zeigt sich nicht nur im Gedanken („besser ist zu geben, als zu nehmen“) und in der Wortwahl (Adverb μᾶλλον mit zwei Infinitiven λαμβάνειν und διδόναι in beiden Fällen), sondern auch im engen Zusammenhang („Ko-Text“) selbst: Paulus und seine „Mitarbeiter“, die hier οἱ ὄντες μετ᾿ ἐμοῦ genannt werden, wünschen für sich „weder Gold, noch Silber, noch Kleidung“ (20,34), während über den thrazischen König Seuthes und seine Vassalen gesagt wird, dass sie viel Gold, Silber und schöne Webstoffe ansammeln. Natürlich konnte Lukas als Geschichtsschreiber das Thukydides-Werk als Vorbild benutzen,wofür Plümacher in Apg 17,21 eine Bestätigung findet (ähnlich in Thuc. 3.38.4–7.). Plümacher erklärt die Benutzung des thukydideischen Stils mit dem Wunsch des Lukas, den beiden wichtigen Stellen in der Erzählung über Paulus literarischen Glanz zu verleihen.¹⁰⁷ Wir können daran festhalten, dass es in Apg 20,35 um ein Zitat oder eine zitatähnliche Anspielung geht, und darauf hinweisen, dass dieses Zitat mit der Persönlichkeit des Paulus (vgl. 3.2.1.3) und gleichzeitig mit der Persönlichkeit von Jesus verbunden ist. Deswegen können wir Plümacher insofern beipflichten, als der Text von Lukas „markiert“ ist¹⁰⁸. Was hier aber genauer markiert ist, wird vielleicht nach einer Analyse der anderen Zitate und Anspielungen in den Texten des Lukas und des Paulus selbst klarer werden.

3.2.3 Lukas und Euripides (Apg 26,14) Die Frage nach der Benutzung der Euripides-Werke in der Apostelgeschichte ist eine komplexe, deshalb werden wir diese (genauso wie im Fall mit der Areopagrede – s. 3.2.1) abschnittsweise betrachten.

3.2.3.1 Die „Bakchen“ des Euripides in der Apg und in der jüdisch-hellenistischen Literatur Wenn wir Apg 26,14 mit den Szenen, in denen „Befreiungswunder“ beschrieben werden,¹⁰⁹ vergleichen, bemerken wir, dass diese Stelle, genauso wie diese Szenen, zu den sich wiederholenden Beschreibungen gehört. Solche Wiederholungen können darauf hinweisen, dass die auf diese Weise beschriebenen Episoden für

 Ebd., 274– 275.  Ebd., 275.  S. 3.1.1.4.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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den Verfasser von besonderer Wichtigkeit sind.¹¹⁰ Es ist auch nicht zu bezweifeln, dass die wunderbaren Befreiungen und die Erscheinung des Auferstandenen vor Saulus ein und denselben „Autor“, d. h. Gott, haben. Die Betrachtung der Parallelen in den Befreiungswunderszenen zu den „Bakchen“ und der ganzen Dionysos-Tradition, die bei Weinreich besonders ausführlich ist,¹¹¹ zeigt, dass Lukas „die Bakchen unmittelbar benutzt“ hat.¹¹² Weinreich untersucht jedoch völlig ernsthaft auch die möglichen jüdischhellenistische Beeinflussungen des Lukas und zwar seitens des Artapanos und des Tragikers Hesekiel (s. 2.4.2 und 2.5.2), denen wir noch den Verfasser des 3 Makk zurechnen können (s. 2.4.3). Sie alle haben offensichtlich die euripideische Tradition mitbenutzt, wobei der Topos der Theomachie von größter Bedeutung war (vgl. Apg 5,39). Weinreich kommt zum Schluss, dass Lukas doch die Tragödie von Euripides bekannt war, nicht aber die Texte von Artapanos oder Hesekiel.¹¹³ Obwohl diese Schlussfolgerung in ihrem positiven Teil – was also Euripides angeht – richtig zu sein scheint, ist sie im negativen Teil – was die jüdischen Verfasser betrifft – von Weinreich nicht begründet worden.¹¹⁴ Möglicherweise hat Lukas auch die jüdische Tradition berücksichtigt, was durch zwei Parallelen in den Texten der Apg und der Artapanos-Fragmente nahegelegt wird. Vergleichen wir zunächst die Befreiungswunderszenen der beiden Autoren. Die nächstliegenden Texte sind Fragm. 3 von Artapanos (PraepEv 9.27.23 – 24) und Apg 16,24– 27. Artapanos: τὸν δὲ πυθόμενον εἰς φυλακὴν αὐτὸν καθεῖρξαι· νυκτὸς δὲ ἐπιγενομένης τάς τε θύρας πάσας αὐτομάτως ἀνοιχθῆναι τοῦ δεσμωτηρίου καὶ τῶν φυλάκων οὓς μὲν τελευτῆσαι, τινὰς δὲ ὑπὸ τοῦ ὕπνου παρεθῆναι τά τε ὅπλα κατεαγῆναι. ἐξελθόντα δὲ τὸν Μώϋσον ἐπὶ τὰ βασίλεια ἐλθεῖν· εὑρόντα δὲ ἀνεῳγμένας τὰς θύρας εἰσελθεῖν […] Nach dieser seiner Frage hat er [Pharaoh] ihn [Mose] in den Kerker stecken lassen. Als aber Nacht wurde, öffneten sich alle Türe des Kerkers von selbst, und manche Wächter starben, manche schliefen ein, und ihre Waffen zerbrachen. Der Moses aber kam heraus und ging zum königlichen Palast; als er alle Türe geöffnet fand, kam er hinein […] Lukas: ὃς παραγγελίαν τοιαύτην λαβὼν ἔβαλεν αὐτοὺς εἰς τὴν ἐσωτέραν φυλακὴν […] ἄφνω δὲ σεισμὸς ἐγένετο μέγας ὥστε σαλευθῆναι τὰ θεμέλια τοῦ δεσμωτηρίου, ἠνεῴχθησαν δὲ

 Das kann vielleicht auch mit den Szenen der „wunderbaren Brotspeisung“ in den Evangelien (5000, 4000 – Mk 6,35 – 44; 8,1– 9) verglichen werden, die richtig überraschend gewirkt haben müssten.  Weinreich, „Gebet und Wunder“, 147– 179 (s. 3.1.1.4).  Ebd., 179.  Ebd., 178 – 179.  Allerdings war es für das Thema seines Buches auch nicht nötig.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

παραχρῆμα αἱ θύραι πᾶσαι, καὶ πάντων τὰ δεσμὰ ἀνέθη. ἔξυπνος δὲ γενόμενος ὁ δεσμοφύλαξ καὶ ἰδὼν ἀνεῳγμένας τὰς θύρας τῆς φυλακῆς, σπασάμενος τὴν μάχαιραν ἤμελλεν ἑαυτὸν ἀναιρεῖν, νομίζων ἐκπεφευγέναι τοὺς δεσμίους. Er aber [der Kerkermeister], als er solches Befehl erhalten hat, warf sie [Paulus und Silas] in das innere Gefängnis […] Plötzlich geschah ein großes Erdbeben, so dass die Grundfeste des Gefängnisses sich erschütterten, und alle Türe waren plötzlich aufgetan, und alle wurden ihrer Fessel los. Der Kerkermeister aber, da er wach wurde und alle Türe des Gefängnisses aufgetan sah, zog sein Schwert aus und wollte sich selbst töten, denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.

Und noch eine Parallele, die mit den Befreiungswundern in keiner Beziehung mehr steht: Artapanos, Fragm. 3 (PraepEv 9.27.6) – Apg 14,12. Artapanos: διὰ ταῦτα οὖν τὸν Μώϋσον ὑπὸ τῶν ὄχλων ἀγαπηθῆναι καὶ ὑπὸ τῶν ἱερέων ἰσοθέου τιμῆς καταξιωθέντα προσαγορευθῆναι Ἑρμῆν, διὰ τὴν τῶν ἱερέων γραμμάτων ἑρμηνείαν. Mose war also deswegen vom Volk beliebt, und von den Priestern wurde er der göttlichen Ehre gewürdigt, Hermes genannt zu werden, weil er die heiligen Schriften auslegte. Lukas: ἐκάλουν τε τὸν Βαρναβᾶν Δία, τὸν δὲ Παῦλον Ἑρμῆν, ἐπειδὴ αὐτὸς ἦν ὁ ἡγούμενος τοῦ λόγου. Und sie nannten Barnabas Zeus und Paulus Hermes, weil er [Paulus] das Wort führte.¹¹⁵

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass der Verfasser der Apg in seinem Gebrauch vom euripideischen Theomachie-Topos auf der jüdischen Tradition aufbaute.

3.2.3.2 Theomachie und „Unkenntnis Gottes“ in der Apostelgeschichte In der Bekehrungsszene des Saulus, wie diese gerade in Apg 26,12– 18 dargestellt ist, gibt es eine Besonderheit, die auf eine Beziehung dieser Bekehrung mit der Areopagrede hinweist. Der auferstandene Jesus, vom erstaunten Saulus gefragt, wer er sei, antwortet Folgendes: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Stehe aber auf und trete auf deine Füße, denn ich bin dir dazu erschienen, um dich als Diener und Zeugen für das, was du gesehen hast [oder: dass du mich gesehen hast] und was du noch sehen wirst, zu gebrauchen. Und ich werde dich vom [jüdischen] Volk erretten und auch von den Heiden, zu denen ich dich sende, damit du ihre Augen auftust, um sie vom Finsternis zum Licht zu bekehren und von der Macht des Satans zu

 Vgl. noch Apg. 7,22 und Artapanos, Fragm. 3 (PraepEv 9.27.4). Hier konnte Lukas eine andere Quelle haben (doch wohl auch eine jüdisch-hellenistische), wenn er aber die Moses-Geschichte in der Version von Artapanos kannte, dürfte er diese auch in der Stephanus-Rede benutzt haben.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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Gott, zu empfangen Vergebung der Sünden und das Erbe zusammen mit denen, die durch den Glauben an mich geheiligt werden (Apg 26,15 – 18).

Genauso wie in der Areopagrede geht es hier um (1) Heiden, die (2) blind sind¹¹⁶, nun aber (3) durch den Glauben an den auferstandenen Christus (4) zu Gott bekehren und (5) Vergebung ihrer Sünden bekommen können. Erinnern wir uns daran, dass Paulus, im Gegensatz zur Situation des Kap. 22, vor dem Statthalter Festus steht, der ein Römer (also Heide) ist, und wohl auch vor anderen Römern (vgl. „die mit ihnen saßen“ – 26,30), was die Cäsarea-Rede wiederum der AthenRede ähnlich macht. Saulus, der „Gott nicht kannte“ muss nun blind, danach aber wieder sehend werden und demjenigen dienen, dass auch die „blinden“ Heiden sehend werden und „Erbe zusammen mit denen, die geheiligt werden“ (26,18) empfangen. Hier können wir uns auf die Beziehung der Apg mit der Thukydides-Geschichte zurückkehren (s. 3.2.2) und auch den Zusammenhang des Verses 20,35 näher betrachten. Die Miletrede des Paulus ist an die Ältesten der Gemeinde zu Ephesus gerichtet, die von Paulus selbst gegründet worden war¹¹⁷ und zum größten Teil aus Nichtjuden bestand. Der Apostel erzählt ihnen über sein Dienst zum Wohl dieser Kirche und gleichzeitig ist er betrübt, weil er das Erscheinen falscher Lehrer schon ahnt, die die Christen nach seinem Abgang vom richtigen Weg abbringen werden. Hier handelt es sich, sowie in den beiden anderen Reden, um Glauben und Buße (20,21), um Bezeugung von Evangelium (20,24) und Reich Gottes (20,25). Es klingt auch das Motiv der Theomachie – des Kampfes gegen die wahre Lehre (20,29 – 30) an. Danach werden Abschiedsworte (20,32) gesprochen, denen dann noch der Schlussteil folgt, in dem auch der Vers 20,35 enthalten ist: καὶ τὰ νῦν παρατίθεμαι ὑμᾶς τῷ θεῷ καὶ τῷ λόγῳ τῆς χάριτος αὐτοῦ τῷ δυνάμενῳ οἰκοδομῆσαι καὶ δοῦναι τὴν κληρονομίαν ἐν τοῖς ἡγιασμένοις πᾶσιν. Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, der euch erbauen kann und euch Erbe geben unter allen, die geheiligt werden.

Dieser Vers zeigt gewiß eine Parallele mit Apg 26,18 auf, wie die ganze Milet-Rede mit den Reden zu Athen und Cäsarea verbunden ist. Die Kenntnis Gottes ist der Weg in sein Reich, die Unkenntnis seiner ist der Kampf gegen ihn. Was „Unkenntnis Gottes“ ist, ist am besten aus Röm 1,18 – 32 (s. oben) zu entnehmen: das ist Heidentum, also Götzendienst mit Unzucht und anderen

 Das Verb ψηλαφάω (17,27) bedeutet eigentlich „betasten“, was Blindheit voraussetzt.  Vgl. aber Apg 18,24– 28 (Rolle des Apollos), vgl. u. a. Wittkowsky, Heiden, 64– 67.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Sünden verbunden. In einem solchen Zusammenhang macht also Lukas von Zitaten gerade aus der paganen Tradition Gebrauch. Wie sich dies zum Zitieren bei Paulus selbst verhält, wird unten behandelt (s. 2.2.4 und 2.2.4).

3.2.3.3 Eine weitere Referenz in Apg 26,14? Soviel uns bekannt ist, wurde früher auf den Umstand kaum hingewiesen, dass Jesus-Worte, die in allen drei Varianten der Darstellung der Bekehrung des Saulus vorkommen – τί με διώκεις; – auch mindestens eine Anspielung auf eine paganen Text sein können.¹¹⁸ In der „Ilias“ (22.8 – 10) sagt Apollon zum ihn unter den Trojamauern verfolgenden Achill: τίπτέ με Πηλέος υἱὲ ποσὶν ταχέεσσι διώκεις αὐτὸς θνητὸς ἐὼν θεὸν ἄμβροτον; οὐδὲ νύ πώ με ἔγνως ὡς θεός εἰμι […] Sprich, was verfolgtest du mich, Pelide, mit eilenden Füßen, Du, ein Sterblicher nur, den Unsterblichen? Hast du noch immer Nicht erkannt, dass ein Gott ich bin? […]

Von der Theomachie ist hier in einem ganz direkten Sinne die Rede: Achill will dem Gott einen (tödlichen?!) Schlag versetzen. Das gelingt ihm aber nicht. Die angeführten Verse werden in demselben Sinne von Clemens (Strom. 5.117) verwendet; es scheint durchaus möglich zu sein, dass auch Lukas sie meinte.¹¹⁹ Wir können nun zu den Paulusbriefen übergehen.

 Von der russischen Altphilologin E. Rabinovič bemerkt (Rabinovič, E., Kto ty? [Dejan 9:5] [Wer bist Du? (Apg 9,5)], in: Drevnij mir i my: Klassičeskoe nasledie v Evrope i Rossii, Al’manach [Die Alte Welt und wir: Erbe der Klassischen Zeit in Europa und Russland, Almanach], Sankt-Petersburg 2003, 123 – 132).  G. Glockmann ließ diese Stelle unbeachtet. Es ist zu bemerken, dass dies gegen das Argument von R. Renehan („Greek Quotations“, 44– 45) zeugt, dass Clemens ausdrücklich sonstige pagane Zitate im Neuen Testament erwähnen würde, wenn sie dort zu finden wären. Es ist nun klar, dass diese Ilias-Stelle ihm bekannt war, doch hat die dreimalige Anwendung ähnlicher Worte im ähnlichen Zusammenhang der Apg Clemens nicht veranlasst, auf diesen Umstand zu verweisen. Vielleicht hat Clemens der Umstand in Verlegenheit gebracht, dass der Kyrios selbst „Homer zitiert“. Dasselbe mag wohl auch für Apg 20,35 gelten.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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3.2.4 Das Zitieren in paränetischen Zusammenhängen (μὴ πλανᾶσθε) Paränese (vom griech. παραίνεσις – „Ermahnen“, „Ermunterung“) ist eine Gattung, die in der jüdisch-hellenistischen Literatur sehr verbreitet war¹²⁰. Die Ähnlichkeit der Paulusbriefe mit den jüdisch-hellenistischen Texten wird besonders in dieser Gattung deutlich,¹²¹ zu ihr gehört auch der Jakobusbrief. Es ist nicht auszuschließen, dass die Verwendung der Zitate, die mit Hilfe der Worte μὴ πλανᾶσθε (s. 3.1.2.1 und 3.1.2.3) eingeleitet werden, eben durch diesen Umstand erklärt werden können.¹²² Betrachten wir nun, H. Greeven¹²³ folgend, aufmerksamer diejenigen Texte, die in 1 Kor, Gal und Jak durch diese Redewendung eingeleitet werden.

3.2.4.1 Gal 6,7 – ein weiteres metrisches Zitat bei Paulus? Zunächst lässt die Passage Gal 6,7 aufmerken: Μὴ πλανᾶσθε, θεὸς οὐ μυκτηρίζεται Irrt euch nicht: Gott lässt sich nicht spotten!

H. Greeven hat bemerkt, dass die Worte θεὸς οὐ μυκτηρίζεται „nicht erst ad hoc formuliert sind“, sondern eine „allgemein formulierte Sentenz“ bilden¹²⁴. Doch könnte man vielleicht einen Schritt weiter gehen: Es ist durchaus möglich, dass diese Worte einen Teil eines Jambenverses darstellen: θεὸς I οὐ μυκ I τηρί I ζεται¹²⁵    

In der klassischen Metrik durfte im 4. Versfuss kein Spondeus stehen.¹²⁶ Dennoch waren Abweichungen in der nachklassischen Zeit möglich.¹²⁷ Wenn unsere Vermutung richtig ist, verstärkt dies den Gesichtspunkt von Greeven noch mehr.

 Am gründlichsten Niebuhr, Gesetz und Paränese.  S. Thyen, Stil; Niebuhr, Gesetz und Paränese; Reinmuth, E., Geist und Gesetz. Studien zu Voraussetzungen und Inhalt der paulinischen Paränese (Theologische Arbeiten 44), Berlin 1985.  Zum Verhältnis von 1 Kor 15,33 u. a. zu der jüdisch-hellenistischen Literatur s. 3.2.4.3.  Greeven, „Jede Gabe“.  S. 3.1.2.3.  Das Wort θεός kann als Synizese (einsilbig) gelesen werden.  Snell, B., Griechische Metrik (Studienhefte zur Altertumswissenschaft 1), Göttingen 1955, 20.  Vgl. Schön, „Metrische Stelle“, 501– 502; Snell, Griechische Metrik, 11.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

3.2.4.2 Die Zusammenhänge von μὴ πλανᾶσθε (1 Kor 15,33; Gal 6,7; Jak 1,16 f.; 1 Kor 6,9 f.) Vergleichen wir nun die NT-Zusammenhänge, in denen die Redewendung μὴ πλανᾶσθε benutzt wird, bemerken wir eine wichtige Ähnlichkeit. Das Schema dürfte folgendermaßen aussehen: A. In den Gemeinden, an welche die Briefe gerichtet sind, gibt es bestimmte falsche Meinungen bzw. falsches Benehmen: 1 Kor 15,12– 34: manche glauben nicht an die Totenauferstehung; Gal 5,16 – 6,8: manche „wandeln im Fleisch“ („die Werke des Fleisches“ werden aufgelistet); Jak 1,12– 18: manche wollen eigene Sünden damit rechtfertigen, dass sie angeblich von Gott versucht werden; 1 Kor 6,1– 11: manche führen Prozesse in heidnischen Gerichten. B. Es ist notwendig den Irrtum sein zu lassen (μὴ πλανᾶσθε). Es folgt ein Zitat, wodurch erklärt wird, weswegen es ein Irrtum ist oder warum der betreffende Irrtum gefährlich ist. In 1 Kor 6,9 f wird das Zitat durch eine Liste ersetzt, die der Liste in Gal 5,19 – 21 ähnlich ist.

Darüber hinaus ist in diesen Zusammenhängen Folgendes wichtig. In 1 Kor 15,34 ist das Motiv der „Unkenntnis Gottes“ ganz klar ausgedrückt (wenn jemand glaubt, Gott könne Toten nicht erwecken, irrt er sich natürlich in Gott). In Gal 5,16 f ist vom Kampf des Fleisches gegen den Geist die Rede, in 5,21 wird dabei auf 1 Kor 6,9 verwiesen. In Jak 1,13 wird erklärt, worin der Irrtum derjeniger liegt, die falsche Ansichten von Gott haben. In 1 Kor 6,9 ist eine rhetorische Frage „wisst ihr denn nicht?“ enthalten, wo es um diejenigen geht, die Reich Gottes erben.¹²⁸

Schon jetzt ist die Beziehung der betrachteten Zusammenhänge bei Paulus und im Jakobusbrief mit denjenigen bei Lukas auffällig, die oben analysiert worden sind (3.2.3.2), doch sollen die Ergebnisse weiter unten zusammengefasst werden (s. 3.2.3).

3.2.4.3 Μὴ πλανᾶσθε in jüdisch-hellenistischen Schriften und im NT Das Verb πλανάομαι kommt in den jüdisch-hellenistischen Schriften und auch im NT häufig vor als Bezeichnung (oder sogar terminus technicus) für Heidentum, welches eine Abweichung vom einzigen richtigen Weg des Dienens dem Einen Gott

 E.D.W. Burton (A critical and exegetical commentary to the Galatians [ICC 38], Edinburgh 1921, 339) weist lediglich auf die Ähnlichkeit der Zusammenhänge hin, doch glaubt er, das sei „probably only accidental coincidence“.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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ist.¹²⁹ Sowohl in der jüdisch-hellenistischen Literatur, als auch bei Paulus wird das Wort πλάνη im Sinne der „Perversität“ gebraucht, zwar einer religiösen, aber einer sexuellen gleich. Diese Gedankenverbindung ist wohl auch Grund dafür, dass in sog. „Lasterkatalogen“ die sexuelle Thematik dominiert.¹³⁰ Für uns ist jetzt eine bestimmte Gruppe der jüdisch-hellenistischen Texte von Interesse, in denen mindestens eine direkte Parallele zu 1 Kor 15,33 zu finden ist und auch – weniger direkte – Parallelen zu den anderen NT-Stellen, die in diesem Abschnitt behandelt werden. Es geht um die Fragmente des sog. „dramatischen Gnomologiums“ (s. 2.3.2.3 und 2.5.5). Führen wir hier dasjenige an, das charakteristischste Züge aufweist. Es wurde einem der berühmten griechischen Komiker zugeschrieben,¹³¹ gehört jedoch ganz gewiss zu jüdischen Imitationen. Hier ist der Text in vollständiger Form: Οἴει σὺ τοὺς θανόντας, ὦ Νικόστρατε, τρυφῆς ἁπάσης μεταλαβόντας ἐν βίῳ, καὶ γῆν καλύψειν, ὡς ἀπὸ τοῦ πάντ᾿ εἰς χρόνον πεφευγέναι τὸ θεῖον ὡς λεληθότας; ἔστιν Δίκης ὀφθαλμός, ὃς τὰ πάνθ᾿ ὁρᾷ. εἰ γὰρ δίκαιος κἀσεβὴς ἕξουσιν ἕν, ἅρπαζ᾿ ἀπελθών, κλέπτ᾿ ἀποστέρει κύκα. μηδὲν πλανηθῇς· ἔστι κἀν ᾅδου κρίσις, ἥνπερ ποιήσει θεὸς ὁ πάντων δεσπότης, οὗ τοὔνομα φοβερὸν οὐδ᾿ ἂν ὀνομάσαιμ᾿ ἐγώ. Glaubst du denn, o Nikostratos, dass die Verstorbenen, die hier im Leben Luxus aller Art genossen haben, – nun deckt die Erde sie –, dass sie seither für alle Zeit der Gottheit, wie [vor ihr] versteckt, entkommen wären? Es gibt ein Auge der Gerechtigkeit, das alles sieht! Wenn [schließlich] doch der Fromme und der Frevler das gleiche [Schicksal] haben sollen, dann raube nur – da du [ohnehin] sterben musst –, stiehl und plündere, richte Aufruhr an! Doch täusche dich nicht! Auch im Hades gibt’s noch ein Gericht, das Gott, der Herrscher aller Dinge, halten wird, er, dessen furchtbaren Namen zu nennen ich nicht wage.¹³²

 S. Art. „πλανάω“ in: Bauer, W., Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin/New York 61988.  S. z. B. Thiselton, A.C., The First Epistle to the Corinthians. A Commentary on the Greek Text (NIGTC), Grand Rapids 2000, 440 – 453.  In De Mon. 3 wird das Fragment dem Philemon zugeschrieben, bei Clemens (Strom. 5.121.1– 3) aber dem Diphilos. Wegen Unterschiede in der Numerierung nennen wir es weiterhin „PhilemonDiphilos-Fragment“.  In den Kommentaren zu 1 Kor ist diese Parallele nicht zu finden. Allerdings verweist auf diese Walter („Fragmente“, 266, Anm. l).

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

Die Komposition des Philemon-Diphilos-Fragment und der Passage 1 Kor 15,32b – 34 ist ganz analog, wobei in beiden Fällen in der Mitte die Redewendung μὴ πλανᾶσθε steht.¹³³ Desto auffallender ist es, dass diesen Worten bei Paulus ein Jambenverszitat folgt. Interessante Parallelen zu μὴ πλανᾶσθε im Neuen Testament sind auch in anderen Gnomologium-Fragmenten zu finden. Im Pseudo-Sophocles-Fragment geht es um wahren Gotterdienst und falschen Götzendienst, es wird dabei dasselbe Verb πλανάομαι gebraucht (V. 4: καρδίᾳ πλανώμενοι). Im Menander-Philemon-Fragment ist davon die Rede, dass der den Göttern (oder wohl auch dem Gott?) viel Opfernde, der auf solche Weise die Zuneigung der Gottheit zu gewinnen glaubt, sich irrt (πλανᾶτ᾿ ἐκεῖνος – V. 7), denn Gott sind nicht die Opfer gefällig, sondern gute Taten. Im Pseudo-Aischylos-Fragment finden wir wiederum die Idee der „Unkenntnis Gottes“ (οὐκ οἶσθα αὐτόν – V. 3) und eine Warnung im Stil des μὴ πλανᾶσθε (μὴ δόκει… – V. 1). Im Philemon-Diphilos-Fragment ist außerdem noch der Halbvers θεὸς ὁ πάντων δεσπότης (im V. 9) zu erwähnen, wo θεός ohne Artikel in derselben metrischen Position steht, wie in Gal 6,7 (s. 3.2.4.1). All diese Parallelen veranlassen uns anzunehmen, dass Paulus die Texte, die in die jüdischen Gnomologien eingefügt worden waren, kennen konnte. Wenn es dem so ist, können wir nicht ausschließen, dass die Jambenverse vom Apostel ähnlichen Sammlungen entlehnt worden sind, in welchen, wie wir bereits wissen (s. 2.3.2 u. a.), echte Verse der griechischen Autoren neben den Fälschungen – meist jüdischer Herkunft – stehen konnten.¹³⁴

3.2.4.4 Jak 1,17 – eine weitere Parallele in der jüdisch-hellenistischen Literatur? Betrachten wir noch gesondert eine mögliche Parallele zu einer weiteren NT-Stelle, wo μὴ πλανᾶσθε verwendet ist: Jak 1,17. Das Zitat sieht dort wie folgt aus: πᾶσα δόσις ἀγαθὴ καὶ πᾶν δώρημα τέλειον. Vergleichen wir diesen Vers mit zwei Versen, die von Aristobulos unter dem Namen des sagenhaften Dichters Linos zitiert werden (s. 2.3.1 und 2.3.2.1) und zu den sog. „Siebener-Versen“ gehören:  Die Aoristform im Neuen Testament s. Lk 21,8. Es ist zu bemerken, dass V. 7 nicht nur in 1 Kor 15,32b seine Parallele hat, sondern auch in den „Lasterkatalogen“ – s. oben.  K.-W. Niebuhr (Gesetz und Paränese, 227– 231) hält die Gnomologium-Fragmente für typisch paränetisch.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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ἑβδόμη εἰν ἀγαθοῖσ καὶ ἑβδόμη ἐστὶ γενέθλη. ἑβδόμη ἐν πρώτοισι[ν] καὶ ἑβδόμη ἐστὶ τελείη.

Das oben Dargestellte lässt denken, dass diese Ähnlichkeit nicht auf Zufall beruhen kann. Hier ist noch eine zusätzliche Erwägung möglich. Jak 1,17 enthält astronomische Terminologie, die bisher nicht genügend erklärt worden ist.¹³⁵ Wenn aber die Worte παραλλαγὴ ἢ τροπῆς ἀποσκίασμα weniger klar sind, ist die Redewendung τοῦ πατρὸς τῶν φώτων möglicherweise als „Vater [Schöpfer] der [sieben] Himmelsleuchten“ zu verstehen. Das läßt sowohl an die pythagoreischen Spekulationen denken, als auch speziell an die Idee der „Sieben“.¹³⁶ Also kann eine Bekanntschaft des Verfassers des Jakobusbriefes mit den jüdisch-pythagoreischen Texten nicht ausgeschlossen werden, von denen uns die von Aristobulos und Clemens bewahrten „Siebener-Verse“ bekannt sind.¹³⁷

3.2.5 Sonstige Zitate und Anspielungen im 1 Kor und im Gal 1 Kor und Gal unterscheiden sich wesentlich von Röm insofern, als sie ein weniger informiertes Auditorium voraussetzen, man könnte auch sagen, ein „weniger synagogales“. Diese Leute haben wohl größtenteils früher keine Synagoge besucht und manche Anfangsgründe der Bibel erst in der christlichen Gemeinde erlernt. In den Briefen, die an ein solches Auditorium gerichtet waren, wäre es unmöglich, auf die Weise biblische Zitate aufzureihen, wie es z. B. in Röm 3,10 – 18, 9,25 – 29, 10,18 – 21, 15,9 – 12 der Fall ist. Ebensowenig könnte man so ausführliche Deutungen der Tora-Passagen geben, wie wir das in Röm 4,1– 24 sehen. Jedoch kann und will der Apostel weder die Bibel entbehren noch Zitate, die seine Gedanken bekräftigen sollen. Selbstverständlich muss man in so einer Situation Kompromisse eingehen. So sind die Deutungen der biblischen Passagen in 1 Kor 9,8 – 10, 10,1– 13 und Gal 4,21– 31 typologisch (allegorisch) geprägt und sind, wenn auch nicht mit der kompli-

 S. Bindemann, W., „Weisheit versus Weisheit: Der Jakobusbrief als innenkirchlicher Dialog“, in: ZNW 86 (1995), 189 – 217.  Vgl. noch Philo, Somn. 1.162 (lexikalische Übereinstimmungen).  Im Johannes-Prolog ist auch eine Parallele zur Pseudo-Orpheus-Dichtung zu finden (V. 26 f. der sog.Version C) – Fragm. Orphica, Kern, 247. Joh 1,18: θεὸν οὐδεὶς ἑώρακεν πώποτε· μονογενὴς θεὸς ὁ ὢν εἰς τὸν κόλπον τοῦ πατρὸς ἐκεῖνος ἐξηγήσατο. Pseudo-Orpheus: οὐ γὰρ κέν τις ἴδοι θνητῶν μερόπων κραίνοντα, / εἰ μὴ μονογενής τις ἀπόρρωξ φύλου ἄνωθεν / Χαλδαίων […]

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

zierten Technologie von Philo¹³⁸, so doch wohl mit den einfacheren Interpretationen, welche wir in den Aristobulos-Fragmenten vorfinden, vergleichbar. Es wäre für Paulus bestimmt problematisch, pagane Texte direkt zu benutzen. Doch können ihm auch diese Texte auf einer bestimmten Ebene einen Dienst leisten. Wahrscheinlich verwendet der Apostel Zitate und Anspielungen gerade deswegen in denjenigen Briefen, die sozusagen an der Grenze der biblischen Tradition stehen.¹³⁹ Wenn wir nun das mutmaßliche Zitat betrachten, das von P. Schön entdeckt wurde,¹⁴⁰ betrachten, werden wir sehen, dass dieses gerade in den beiden genannten Briefen (1 Kor 5,6 und Gal 5,9) vorkommt, auch beidemale in solchen Zusammenhängen, die den oben behandelten (3.2.4.2) ähnlich sind: In der Gemeinde, an die der entsprechende Brief gerichtet ist, ist etwas vorhanden, was mit dem richtigen, von Gott selbst gewiesenen Weg unvereinbar ist (im 1 Kor „eine Hurerei, davon auch die Heiden nicht zu sagen wissen“; im Gal Rückkehr zur Beschneidung). Vielleicht ist das Zitat einer Komödie entnommen, vielleicht aber einem jüdischen Gnomologium, denn es geht wohl um das jüdische Sauerteigverbot. Im letzten Fall würde das einer rabbinischen Regel gleichen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Paulus in diesem Sinne eine griechische Sentenz umdeutet,¹⁴¹ doch ist es auch in diesem Fall wahrscheinlicher, dass die Umdeutung noch vor Paulus geschehen war. Was die Anspielungen betrifft, über die R. Renehan schreibt (s. 3.1.2.5), dienen wohl auch jene demselben Zweck, in paränetischen Zusammenhängen schwer verständliche biblische Passagen zu ersetzen. Wir können nicht genauer beurteilen, in welchem Maße Paulus direkt Homer oder Plato kannte (geschweige denn Tyrtaios). Bemerkenswert ist allerdings, dass die Plato-Anspielungen wiederum gerade in 1 Kor und Gal (s. 3.1.2.5) vorkommen. In einem „μὴ πλανᾶσθε-Zusammenhang“, wo Zitate fehlen (1 Kor 6,9 f.), gibt es vielleicht doch eine „Gorgias“-Anspielung. Und zwar wird in 6,7 f das Verb ἀδικέω praktisch wie bei Plato (469bc u. a.) gebraucht: es wird ein Unterschied zwischen ähnlich klingenden, aber grammatisch entgegengesetzten Formen (ἀδικεῖτε und

 Vgl. jedoch Spec. 1.260.  Zitate und Anspielungen fehlen im 2 Kor wohl aus demselben Grunde, aus welchem dort auch die biblischen Texte weniger benutzt werden, also wegen des Themas: der Apostel beschreibt und rechtfertigt hauptsächlich sein Dienen. Bei diesem ungewöhlichen Thema sind eher Vergleiche und Metaphern nützlich, nicht aber Zitate. 2 Kor ist (im Gegensatz zu Röm, 1 Kor und Gal) nicht paränetisch.  Schön, „Metrische Stelle“ (3.1.2.4).  Vgl, Plutarch, Quaest. Rom. 289 f., auch Symposiaca 659b.

3.2 Analyse der relevanten Texte

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ἀδικεῖσθε) angespielt, wobei das Letztere als das „bessere“ (μᾶλλον) anerkannt wird, als das Erstere. Eine jüdisch-hellenistische Vermittlung wäre auch hier nicht auszuschließen.¹⁴²

3.2.6 Zitat in Tit 1,12 Die Frage der Echtheit des Titus-Briefes bleibt unentschieden (s. 3.1.2.2). Am wahrscheinlichsten ist, dass der Brief von einem der Mitarbeiter und Nachfolger des Apostels verfasst wurde.¹⁴³ Im Rahmen dieser Arbeit können wir lediglich den Zusammenhang des Zitats im Tit mit den oben behandelten vergleichen. Paulus belehrt den Bischof von Kreta (der griechischer Herkunft war – Gal 2,3), wie ein guter Bischof sich benehmen soll (es folgt ein Laster- und Tugendkatalog – 1,5 – 9, vgl. 1 Kor 6,9 – 10 u. a.), und erläutert, dass es viele unwürdige Leute gibt (besonders aus den Juden, 1,10), die falsch lehren (1,11; vgl. Gal 5 f.; Apg 20,29 – 30) und „ganze Häuser verwirren […] um schändlichen Gewinns willen“ (vgl. Apg 20,33 – 35). Weiter folgt der Vers 1,12, wo ein „Kreter-Prophet“ (Epimenides – vgl. Apg 17) behauptet, die Kreter seien immer verlogen, gierig und faul, was mit der Beurteilung der falschen Lehrer in vollem Einklang steht (vgl. Apg 20,29 – 33: „Wölfe“, „Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen“, „Silber, Gold, Kleidung“); sie lehren „jüdische Fabeln“ und „Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden“ (1,14), d. h. offensichtlich Beschneidung, Speiseverbote u. ä. (vgl. Gal 6,12 f.); ihr Sinn und ihr Gewissen sind unrein (1,15) und trotz ihrer Verkündigung können sie in Wirklichkeit nicht „Gott erkennen“ (vgl. 1 Kor 15,34; auch Apg 17,23.27.30; 26,18) und sind „zu allem guten Werk untüchtig“ (1,16). Wir sehen, dass hier Bezüge zu der Apg und zu der Paulus-Tradition bestehen¹⁴⁴. Auf welche Weise alle drei Traditionen (der historische Paulus, Paulus bei Lukas, Paulus in den „Deuteropaulinen“)¹⁴⁵ miteinander verbunden sind, versuchen wir im nächsten Abschnitt zu verdeutlichen, der einer Synthese der ermittelten Daten gewidmet ist.

 Vgl. Philo, Jos. 20 (s. 2.3.3).  Zur Sprache der Pastoralbriefe s. Reiser, Sprache, 77– 83, insbes. 82.  Es geht beim hier zitierten Vers wohl um ein nicht-jüdisches Epimenides-Pseudepigraph, welches die Grundlage für ein späteres jüdisches gebildet haben dürfte (s. 3.2.1.5).  Wir wollen aber nicht im voraus entscheiden, wie viele Traditionen es wirklich gab und ob da nicht auch ganz direkte Bezüge zwischen den Texten bestehen, die nur scheinbar zu verschiedenen Traditionen gehören.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

3.3 Versuch einer Datensynthese 3.3.1 Paulus und Lukas Diese beiden Gestalten sind von größter Bedeutung für das Verstehen von vielen Gegebenheiten, die für die neutestamentliche Wissenschaft wichtig sind. Das trifft auch für unser Thema völlig zu.Worin die Methoden von Paulus und Lukas ähnlich ist und worin sie sich voneinander unterscheiden, wollen wir nun zusammenfassen.¹⁴⁶

3.3.1.1 Was ist allen paganen Zitaten im Neuen Testament gemeinsam? Alle diese Zitate werden beim Appell an ein Auditorium außerhalb Palästinas verwendet, wo die meisten Leute zumindesten in ihrer Vergangenheit oder auch in ihrer Gegenwart zur paganen, d. h. außerbiblischen, Tradition in Beziehung stehen, also entweder früher Heiden waren oder auch Heiden bleiben, und sich in der biblischen Tradition (noch) nicht genügend gut auskennen.¹⁴⁷ Der Zusammenhang aller Zitate enthält die Motive eines ernsthaften religiösen Irrtums, der mehrmals als „Unkenntnis Gottes“ bezeichnet wird (Apg 17,23 u. a.; 1 Kor 15,34; Tit 1,16). Die Zitate werden nicht illustrativ-rhetorisch gebraucht, sondern stehen in den inhaltlich wichtigen Zusammenhängen (Polemik gegen „Judaisierende“ – Gal, gegen den Unglauben an die Auferstehung der Toten – 1 Kor), und werden sogar Jesus Christus selbst in den Mund gelegt (Apg 20,35 und 26,14). Selbstverständlich ist die Areopagrede einer der wichtigsten Texte, in dem wir Zitate aus der außerbiblischen Tradition vorfinden.

3.3.1.2 Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in den echten Paulusbriefen? Der Apostel verwendet pagane Zitate und Anspielungen in paränetischen Zusammenhängen, in denen er Christen in den von ihm gegründeten Gemeinden ermahnt, vom richtigen Weg weder in das Heidentum noch in den Judaismus abzuweichen.

 Von den Texten Jak und Tit wird speziell in 3.3.1.4 die Rede sein.  Das gilt auch für den Jakobusbrief, insofern der Zusammenhang dieses Briefes, der eine Polemik gegen Paulus voraussetzt, eben von einem vergleichbaren Auditorium zeugt. S. Hengel, M., „Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik“, in: ders., Paulus und Jakobus. Kleine Schriften III (WUNT 141), Tübingen 2002, 511– 548.

3.3 Versuch einer Datensynthese

83

Zitate und Anspielungen des Paulus sind „volkstümlich“ geprägt: Es handelt sich um sprichwortartige Redensarten in Jamben oder in Prosa, was jedoch ihre Wichtigkeit nicht beeinträchtigt.¹⁴⁸

3.3.1.3 Worin bestehen die Besonderheiten der Zitate und Anspielungen in der Apostelgeschichte? Alle Zitate und teilweise auch die Anspielungen sind bei Lukas mit der Person des Paulus verknüpft, alle Zitate sind in seinen Mund gelegt. Zwei von ihnen (20,35 und 26,14¹⁴⁹) legt der lukanische Paulus seinerseits in den Mund Jesu. Die Zitate bei Lukas sind weit stärker literarisch geprägt, als es in den Paulusbriefen der Fall ist, wie auch sonst die Paulusreden in der Apostelgeschichte weit literarischer sind, als die Briefe, die vom Apostel selbst verfasst worden sind.¹⁵⁰ Für uns ist es leichter, die Quelle eines jeweiligen Zitats bei Lukas als bei Paulus festzustellen. Die Idee der „Unkenntnis Gottes“ ist bei Lukas prägnanter als bei Paulus: Es geht nicht einfach um eine Abweichung vom christlichen Weg, sondern direkt um Heidentum (Areopagrede) oder sogar Theomachie (5,39; 26,14 u. a.).

3.3.1.4 Was ist von den Besonderheiten in Tit und Jak zu sagen? Das Zitat in Tit 1,12 steht seinem Zusammenhang nach sowohl den Paulusbriefen als auch der Apg nah – dass diese Zusammenhänge einander ähnlich sind, ist schon oben gesagt worden (s. 3.3.1.1) –, jedoch ist die Einrahmung des Zitats wiederum mehr literarisch geprägt als bei Paulus (es wird auf einen „Propheten“ verwiesen; dem Zitat folgt der Schluss „dieses Zeugnis ist wahr“, der Hexametervers ist vollständig und regelrecht). Das Verb πλανάομαι fehlt. Das kann als ein stilistisches Argument für die Unechtheit des Briefes gelten.¹⁵¹ Das Zitat im Jak steht vielleicht der jüdischen Tradition am nächsten. Es ist bemerkenswert, dass in Jak 4,5 einen unbekannten Text als „Schrift“ (ἡ γραφή) zitiert; es handelt sich wohl um ein jüdisches Apokryphon. Es ist nicht ausge-

 Und vielleicht sogar diese hervorhebt – vgl. die „Torheit-Hymne“ in 1 Kor 1,18 – 31.  Das ist auf jeden Fall ein Zitat (oder ebenfalls eine zitatähnliche Anspielung), wenn auch aus zwei fremden Texten zusammengebaut. Τί με διώκεις; findet sich auch in Apg 9,4 und in 22,7.  Vgl. Aune, D., The New Testament in Its Literary Environment (Library of early Christianity 8), Philadelphia 1987, 91– 93.  Die Frage, in welcher Weise sich die in der Areopagrede zitierten Verse von PseudoEpimenides (s. 3.2.1.5) und der hier zitierte Vers in ihrem ursprünglichen Zusammenhang zueinander verhielten, muss offen bleiben.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

schlossen, dass in Jak 1,17 jüdisch-pythagoreische Texte benutzt worden sind (s. 3.2.4.4, auch unten 3.3.2.2).

3.3.2 Die Beziehung des NT-Zitierens zur jüdisch-hellenistischen Tradition Die NT-Texte gehören (wie am Anfang des Kapitels schon gesagt wurde) zur jüdisch-hellenistischen Literatur. Doch sind sie in der Spätzeit dieser Literatur entstanden und sind in den vorhergehenden Werken gewissermaßen verwurzelt. Worin tritt diese „Verwurzelung“ zu Tage, wo es um das Zitieren der paganen Texte geht?

3.3.2.1 Propaganda und Paränese Eine propagandistische Benutzung der Zitate und Anspielungen ist, wie wir gesehen haben (s. Kap. I passim), für jüdisch-hellenistische Werke durchaus charakteristisch. Im Neuen Testament finden wir eine solche Verwendung der Zitate vor allem in der Areopagrede (Apg 17), dies ist aber auch eine der Funktionen des Zitats in Apg 26,14: die Worte aus Euripides (und vielleicht Homer) spricht hier der auferstandene Jesus, das Zitat wird aber von Paulus selbst offenbar „protreptisch“ benutzt. Genauso drückt die Euripides-Anspielung (das Theomachie-Motiv) die propagandistische Intention des Verfassers der Apostelgeschichte aus. Andere Zitate und Anspielungen werden in paränetischen Zusammenhängen verwendet, d. h. dort, wo ein bereits christliches („internes“) Auditorium ermahnt wird. In den jüdisch-hellenistischen Werken ist es schwieriger, die jeweiligen konkreten Adressaten zu bestimmen, deswegen können wir dort nicht immer zwichen der „externen“ Propaganda und der Paränese (oder allgemeiner, „internen“ Propaganda) unterscheiden. Jedenfalls dürfen wir das Weisheitsbuch Salomos, das 4. Makkabäerbuch und die Dichtung von Pseudo-Phokylides als paränetisch bezeichnen,¹⁵² in denen Anspielungen und Imitationen verwendet werden.¹⁵³ Hinzu gehören auch manche Texte, die, wie wir gezeigt haben, den Verfassern der neutestamentlichen Schriften bekannt waren und von ihnen benutzt worden wurden; davon wird sogleich die Rede sein.

 S. Niebuhr, Gesetz und Paränese.  Vgl. auch Philo, Jos. 20 (in den Mund des biblischen Joseph wird eine richtige Paränese gelegt, die in 1 Kor 6,7 f. eine Parallele hat – s. 3.2.5).

3.3 Versuch einer Datensynthese

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3.3.2.2 Das Verhältnis der NT-Zitate zu den jüdisch-hellenistischen Texten Obwohl uns die jüdisch-hellenistische Literatur nur lückenhaft bekannt ist und Zitate im Neuen Testament nur selten vorkommen, können wir auf eine beträchtliche Zahl verschiedenartiger Parallelen verweisen. Lukas kannte wahrscheinlich die Texte von Aristobulos (Apg 17,28 – ein Aratos-Zitat, wo von Zeus wie von Gott dem Schöpfer geredet wird; vielleicht auch die Triade in der Komposition des „Glaubensbekenntnisses“)¹⁵⁴ und von Artapanos (das Theomachie-Motiv im Zusammenhang mit den „Befreiungswundern“; dazu noch Mose/Paulus als Hermes).¹⁵⁵ Lukas könnte auch 3 Makk gekannt haben.¹⁵⁶ Paulus kannte wahrscheinlich das Weisheitsbuch Salomos,¹⁵⁷ doch in Bezug auf Zitate ist die Benutzung des dramatischen Gnomologiums höchst bemerkenswert.¹⁵⁸ Im Jak ist wohl ein (jüdisch?‐)pythagoreischer Text benutzt worden. Es bestehen auch Parallelen zwischen den Paulusbriefen und Jak einerseits und einigen Passagen von Philo andererseits.¹⁵⁹ Alle drei Textgruppen, die im Kapitel 2 behandelt wurden, konnten somit für die neutestamentlichen Autoren von Bedeutung sein. Im Neuen Testament lassen sich keine unbestreitbaren Fälle der Benutzung von „Pseudo-Zitaten“ finden, jedoch darf man annehmen, dass diese Methode ab und zu auch dort Verwendung fand.¹⁶⁰

3.3.2.3 Konsenstheorie im Neuen Testament In Apg 17,28 und Tit 1,12 sind direkte Verweise auf griechische Dichter enthalten, deren Sinn darin besteht, dass diese Dichter in ihren Aussagen recht hatten; in der Areopagrede haben sie dabei in einem der wichtigsten religiösen Probleme recht: Mensch und Gott. Es ist wohl kein Zufall, dass in beiden Fällen solche Feststellungen mit der sagenhaften Person des Epimenides in Verbindung stehen. Er konnte den Christen der frühen Zeit als „Jünger“ des Mose oder als Träger einer unabhängigen göttlichen Offenbarung erscheinen, wie es mit der Sibylle, mit Orpheus oder Linos in den jüdisch-hellenistischen, und später auch in den

      

S. 3.2.1.1 und 3.2.1.4. S. 3.2.3.1. S. 3.2.3.1. S. 3.2.1.3. S. 3.2.4.3. S. 3.1.2.1 und 3.2.4.4. S. 3.2.1.5 und 3.2.4.4.

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3 Das Zitieren der paganen Werke im Neuen Testament

christlichen, Werken der Fall war.¹⁶¹ Wir können natürlich nur hypothetisch vermuten, dass auch ein jüdisches Pseudepigraphon unter dem Namen des Epimenides existieren konnte. Eine andere griechische Gestalt, die für unser Thema von Bedeutung sein könnte, ist Dionysos. Wie bereits gesagt (2.4.2; 2.4.3), tritt Dionysos im Zusammenhang mit dem Theomachie-Topos schon in den jüdisch-hellenistischen Büchern des 2. Jh. v.Chr. auf. Selbstverständlich könnten wir von den neutestamentlichen Autoren nicht erwarten, dass sie auf solche Weise heidnische Götter rühmen, wie wir das in der „Gesandschaft an Gaius“ bei dem „großzügigen“ Philo sehen.¹⁶² Umso bezeichnender ist es, dass die Worte von Dionysos, die er in den „Bakchen“ ausspricht, dem auferstandenen Christus in den Mund gelegt werden, und dass die Wunder des Einen Gottes ähnlich den Wundern eines heidnischen Gottes beschrieben werden.

3.4 Zusammenfassung Wir können nun feststellen, dass unsere Untersuchungen des neutestamentlichen Zitierens, die aus dem Sammeln der relevanten Texte anhand der vereinzelten früheren Untersuchungen, ihrer Analyse und einer Synthese der erhaltenen Ergebnisse bestanden, sich als ergiebig genug erwiesen haben. Diese Untersuchungen haben dazu verholfen, wechselseitige Zusammenhänge zwischen den Zitaten (und auch Anspielungen) in verschiedenen NT-Texten und die Beziehung des Zitierens im NT zum Gebrauch der paganen Tradition in der jüdisch-hellenistischen Literatur (worum es im Kapitel 2 ging) aufzuweisen. Die Hauptgestalt, in deren Zusammenhang im Neuen Testament pagane Zitate und Anspielungen auftauchen, ist bestimmt Paulus. In seinen eigenen Briefen (1 Kor und Gal) begegnen wir mehr als einmal Zitaten und Anspielungen im Zusammenhang der Paränese der Christen, die aus dem Heidentum bekehrt worden waren. In der lukanischen Darstellung (Apg) wird die Verkündigung des Apostels bei den Heiden akzentuiert, die (noch) nicht Christen geworden sind. Außerdem sind die lukanischen paganen Zitate stärker literarisch geprägt, als es in den Paulusbriefen der Fall ist. Als ein Zeugnis, das der „paränetischen Tradition“ im Neuen Testament parallel ist, mag Jak 1,17 dienen. In Tit 1,12 – in einem Brief also,

 Epimenides wird mit Sibylle in Hengel, „Anonymität“, 286 – 287 verglichen. S. jetzt vor allem Rothschild, Paul in Athens, 37– 49.Vgl. auch die Erwähnung über Epimenides bei Tatian (41.1) – s. 4.3.3.  Legat. 88 f. Ob Philo hier wirklich so großzügig und nicht eher auch propagandistisch ist, bedarf allerdings einer speziellen Untersuchung.

3.4 Zusammenfassung

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der mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von dem Apostel selbst verfasst wurde – wird Paulus als ein ein paganes Buch Zitierender geschildert, was ein Parallelbild zur lukanischen Areopagrede bietet. Sowohl der paränetische als auch der propagandistische (anders gesagt, der „interne“ und der „externe“) Zusammenhang der Zitate – und der Anspielungen – im Neuen Testament verknüpfen den neutestamentlichen Gebrauch paganen Tradition mit ihrer jüdisch-hellenistischen Verwendung. Eine Beziehung zu dieser Tradition der jüdischen Literatur besteht auch auf der Ebene der Benutzung – parallel zu den echt griechischen Texten – der jüdisch-hellenistischen Werke, die den griechischen Werken in verschiedenem Sinne entsprechen, und auch auf der Ebene der „theoretischen“ Rahmung der Entlehnungen aus der außerbiblischen Tradition (Konsenstheorie – mindestens bei Lukas). Über genannte theoretische Ergebnisse hinaus konnten im Neuen Testament einige Zitate gefunden werden, die früher kaum beachtet wurden: Apg 17,25; Gal 6,7 und vielleicht Apg 9,4 (= 22,7; 26,14).

4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums bis Clemens von Alexandrien 4.1 Vorbemerkungen In mehreren uns erhaltenen Werken der frühchristlichen Literatur sind außerbiblische Zitate (sowie auch Anspielungen) sehr häufig.¹ Die meisten Zitate sind in Versen.² Die grundlegende Arbeit von N. Zeegers – Vander Vorst (s. 1.1.2) gilt also den meisten Texten, die für uns von Bedeutung sind³ und systematisiert weitgehend das Zitieren in der Apologetik des 2. Jh.s, in der wir nicht weniger als 80 % aller außerbiblischen Zitate finden, die in den erhaltenen frühchristlichen Texten überhaupt erhalten sind. Völlig fehlen jedoch Untersuchungen, die die Entwicklungsgeschichte des Zitierens paganer Schriften in der ur- und frühchristlichen Literatur verfolgen. Im Kapitel 3 haben wir mit den neutestamentlichen Texten begonnen und wollen nun die Betrachtung der Zitate – und auch der Anspielungen – in den Werken des 2. Jh.s fortsetzen. Unsere Darstellung ist dabei chronologisch und gleichzeitig thematisch gestaltet, weil die Thematik – oder Gattung – der christlichen Texte direkt damit zusammenhängt, ob in diesen Zitate verwendet werden, oder lediglich Anspielungen, oder keines von beiden. Das 4. Kapitel ist inhaltlich mit den beiden vorhergehenden eng verbunden, weil das Gesamtbild des frühcristlichen außerbiblischen Zitierens nur bei Berücksichtigung der Verwendung dieser Texte in den jüdisch-hellenistischen Werken und im Neuen Testament dargestellt werden kann. Unser Ziel ist aufzuzeigen, dass die Weiterentwicklung dieses Phänomens in der Literatur des frühen Christentums durch diese Vorläufer bestimmt wurde.

 Für allgemeine Übersicht ist die Tabelle aus dem Buch von Krause (Stellung, 128 – 129) brauchbar, doch ist auch die Kritik von Glockmann (Homer, 5 – 11) zu beachten (s. 0.2.1).  Das wird sowohl bei der Textelektüre, als auch aus den statistischen Angaben bei Krause und Zeegers – Vander Vorst klar.  Zeegers – Vander Vorst berücksichtigt formal nicht die „Stromata“ von Clemens, in Wirklichkeit wird aber auch dieses Werk (in seinem Bezug auf den „Protreptikos“) behandelt (s., z. B. Zeegers – Vander Vorst, Citations, 187– 189).

4.2 Spärlicher Gebrauch der paganen Tradition bei den „apostolischen Vätern“

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4.2 Spärlicher Gebrauch der paganen Tradition in den Werken der „apostolischen Väter“ und frühen Apokryphen Zitate aus Texten der paganen Tradition fehlen in den Schriften der „apostolischen Väter“ und auch in den apokryphen Texten des 2. und 3. Jh.s (z. B. im pseudopaulinischen „Dritten“ Korintherbrief, dem Protevangelium des Jakobus). Dieses Fehlen kann wohl folgendermaßen erklärt werden. Das Auditorium dieser Werke war christlich. Diese Christen waren ihrer Herkunft nach keine Juden, aber auch keine „Heiden“, sondern vielmehr „Christen von Christen“, „Erbchristen“. Hier vollzog sich sozusagen ein „Abzug von den Grenzen der biblischen Tradition“ in Richtung ihrer „Mitte“: Hier ist das Alte und ganz besonders das Neue Testament genügend verständlich. Die außerbiblische Tradition ist solchen Lesern bzw. Zuhörern dagegen nicht mehr verwandt und ist wohl in einem christlichen Werk – der Meinung der Verfasser nach – auch fehl am Platz. Deswegen können die Traditionen des jüdisch-hellenistischen und des neutestamentlichen Zitierens hier keine Verwendung finden. Dass der Grund wahrscheinlich gerade darin lag und nicht nur im Fehlen einer ausreichenden griechischen Bildung, zumindest auf dem Niveau eines Paulus, wird durch zwei Passagen in diesen Werken klar, und zwar im Ersten Korintherbrief des Clemens von Rom (in den 90er Jahren des 1. Jh. verfasst), im Zweiten pseudoclementinischen Korintherbrief (um 150), sowie durch ein Fragment einer frühen apokryphen Schrift, die nicht später als im 2. Jh. verfasst wurde. 1 Clem 20 ist eine kosmologische Hymne, die inhaltlich den stoischen Texten dieser Art nahe steht.⁴ Andererseits sind Bezüge zu der alttestamentlichen (Hi 5,9; 9,10 u. a.), der jüdisch-hellenistischen (SapSal 11,6) und der neutestamentlichen (vor allem natürlich Apg 17) Tradition deutlich. Die Anspielungen (z. B. das Wort ἀόργητος, „ohne Zorn“, 19,3) sind hier jedoch sehr schwach, nur der Gesamteindruck ist zum Teil „pagan“ bzw. „stoisch“. Dass aber ein naturphilosophischer Text dieser Art im christlichen Schrifttum überhaupt entstehen konnte, zeugt von einem bestimmten Bildungsniveau. Auch der Zusammenhang setzt (mindestens theoretisch) ein „externes“ Auditorium voraus, das für „naturtheologische“ Argumente am ehesten Verständnis aufbringen kann. In 2 Clem 2 hat G. Glockmann eine Homer-Anspielung bemerkt. Er sieht diese in den Worten ἀμαύρωσιν οὖν περικείμενοι καὶ τοιαύτης ἀχλύος γήμοντες ἐν τῇ

 Fischer, U., Eschatologie und Jenseitserwartung im hellenistischen Diasporajudentum (BZNW 44), Berlin/New York 1978, 51; Breytenbach, C., „Civic Concord and Cosmic Harmony. Sources of Metaphoric Mapping in 1 Clement 20:3“, in: ders. / L.L. Welborn (Hg.), Encounters with Hellenism: Studies in the First Letter of Clement (AGJU 53), Leiden/Boston 2004, 182– 196.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

ὁράσει (1,6).⁵ G. Glockmann zeigt recht überzeugend, dass der Verfasser des Briefes höchstwahrscheinlich Homerdichtung kannte und (mindestens „unterbewusst“) an Il. 5.127 f. und/oder Il. 15.668 f. dachte.⁶ Ein Herausgeber des Briefes verweist nicht auf diese Parallele, doch bemerkt auch er, dass „der Verfasser hier eine Terminologie gebraucht, die für die Bekehrung vom Heidentum charakteristisch ist“, und führt als Parallelen Apg 26,18 sowie Röm 2,19 f., Eph 4,17 f. und andere Texte aus dem Neuen Testament⁷ an. Es scheint dabei genau dieser Punkt von Bedeutung zu sein: Der Autor weist zu Beginn des Briefes darauf hin, dass seine Zuhörer in Vergangenheit – zumindest indirekt, gleichsam in ihren Vorfahren – Heiden gewesen waren. So kommen wir für einen Augenblick wieder an die Grenze der biblischen Tradition, wovon das entscheidend wichtige Wort πλάνη in 1,7 zeugt. Eine Homeranspielung erscheint an dieser Stelle als etwas Natürliches, wenn wir uns daran erinnern, was wir inzwischen von den Zitaten und Anspielungen in den neutestamentlichen Schriften wissen. In den „Stromata“ führt Clemens von Alexandrien (6.43.1) ein interessantes Fragment eines apokryphen Textes an, in dem Paulus folgende Worte in den Mund gelegt werden: λάβετε καὶ τὰς Ἑλληνικὰς βίβλους. ἀπέγνωτε Σίβυλλαν, ὡς δηλοῖ ἕνα θεὸν καὶ τὰ μέλλοντα ἔσεσθαι, καὶ τὸν Ὑστάσπην λαβόντες ἀνέγνωτε, καὶ εὑρήσετε πολλῷ τηλαυγήστερον καὶ σαφέστερον γεγραμμένον τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ, καὶ καθὼς παράταξιν ποιήσουσι τῷ Χριστῷ πολλοὶ βασιλεῖς μισούντες αὐτὸν καὶ τοὺς φορούντας τὸ ὄνομα αὐτοῦ καὶ τοὺς πιστοὺς αὐτοῦ, καὶ τὴν ὑπομονὴν καὶ τὴν παρουσίαν αὐτοῦ. Nehmt auch die hellenischen Bücher, erkennt die Sibylle an, wie sie den einen Gott und das künftig Geschehende enthüllt, nehmt auch den Hystaspes und lest ihn, und ihr werdet umso strahlender und deutlicher den Sohn Gottes geschrieben finden, und wie gleichsam eine Schlachtlinie gegen Christus viele Könige bilden werden, die ihn hassen und jene, welche seinen Namen tragen, und seine Gläubigen und seine Geduld und seine Ankunft.

Dies ist ein weiteres Zeugnis dafür, dass mit der Person des Paulus die Idee der Heidenpredigt verknüpft war und dass man deswegen annehmen konnte, dass der Apostel bei dieser Predigt die griechischen Autoritäten benutzen sollte. Wie im Titusbrief die Person des Epimenides Erwähnung findet, so steht hier eine Sibylle und daneben noch Hystaspes. Beide Propheten sind gewiss „orientalischer Her-

 Glockmann, Homer, 66 – 71.  Eine beabsichtigte Anspielung auf einen paganen Dichter wird von Glockmann geleugnet (Ebd., 70).  Wengst, K., Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet (Schriften des Urchristentums 2), Darmstadt 1984, 239 – 241.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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kunft“, den Griechen jedoch genügend bekannt. Es ist klar, dass diese Anspielung oder Nacherzählung noch der jüdisch-hellenistischen Tradition angehört, zumal der hier gemeinte „sibyllinische Verfasser“ offensichtlich jüdisch ist. Es ist nicht auszuschließen, dass bei einer gründlichen Untersuchung der „apostolischen Väter“ und der frühchristlichen Apokryphen weitere Anspielungen dieser Art gefunden werden können. Doch sind sie bestimmt nicht zahlreich und kommen wohl, wie auch im NT, dort vor, wo das Thema selbst den Verfasser zu Gedanken über das Griechentum (bzw. Heidentum) und dessen Literatur bringt. Was die Frage anbetrifft, ob den christlichen Schriftstellern die Werke der außerbiblischen Tradition bekannt waren, können wir Glockmann darin beipflichten, dass „jedem urchristlichen Autor“ die Kenntnis von Homer „in größerem oder geringerem Umfang […] zuzubilligen“ ist⁸ – wahrscheinlich nicht nur von Homer, darf man hinzufügen. Dennoch wollen wir wiederum betonen, dass wirklich bedeutsam die innertextuellen Bedingungen sind, die es erst ermöglicht haben, dass pagane Zitate und/oder Anspielungen in einem christlichen Werk gebraucht werden konnten.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s) Das christliche apologetische Schrifttum, das uns erhalten geblieben ist, ist ziemlich umfangreich. Die Chronologie der Texte ist nicht immer völlig klar,⁹ doch gestattet die Arbeit der Herausgeber und Forscher des 20. Jh.s, vor allem aber der letzten dreißig Jahre für den erhaltengebliebenen Stoff genügende Einsicht zu gewinnen. Die Zitate kommen in der Apologetik durchaus unregelmäßig vor. Ihre Gesamtzahl übersteigt bei Weitem ein tausend,¹⁰ es gibt aber auch solche Werke, in denen ein bis zwei Zitate mit Mühe zu finden sind.Wenn wir besser verstehen, wie sich das Zitieren in der Apologetik entwickelte, kann es auch viel leichter sein, die ganze frühchristliche Literatur in dieser Hinsicht richtig zu beurteilen. Sowohl aus diesem Grunde als auch wegen eines wirklich großen Stoffumfangs sind die Schiften der Apologeten für unsere Untersuchung von besonderer Bedeutung.

 Glockmann, Homer, 71.  S. die Zusammenfassung von Zeegers – Vander Vorst, in der jeweils verschiedene Meinungen berücksichtigt worden sind: Zeegers – Vander Vorst, Citations, 15 – 18.  S. Krause, Stellung, 128 – 129.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

4.3.1 Die „Apologie“ des Aristides Dieses Werk, zwischen 130 und 145 entstanden, ist eine an einen römischen Kaiser (Hadrian oder Antoninus Pius) gerichtete Rede.¹¹ Die Rede des Aristides setzt ein externes, paganes Auditorium voraus, ihr Verfasser knüpft einen direkten Kontakt zur außerbiblischen Tradition, indem er viel Raum der Betrachtung und Kritik der griechischen Religion widmet (Kap. 8 – 13). G. Glockmann, der diesen Abschnitt gründlich untersucht hat,¹² kommt zur Schlussfolgerung, dass der Autor über gewisse Kenntnisse der Homerdichtung verfügt, aber keine Zitate und nicht einmal Anspielungen benutzt, wo er doch ganz bestimmte auf die griechischen Gottheiten bezogene Episoden der Homerdichtung im Blick hält. Er „arbeitet zu einem bedeutenden Teil mit Material“¹³ von Homer, macht aber keinen wirklich literarischen Gebrauch davon. Andererseits hat bereits J. Robinson¹⁴ eine Reihe von Anspielungen an die „Sibyllinischen Weissagungen“¹⁵ bei Aristides bemerkt, unter denen auch mindestens eine als Zitat bezeichnet werden darf. Ganz am Anfang (Apol. 1.2) wird Sib. 8.390 zitiert.¹⁶ Die Verwurzelung der aristideischen „Apologie“ in der jüdisch-hellenistischen Tradition ist so deutlich,¹⁷ dass es sogar angenommen worden ist, das ganze Werk sei ursprünglich jüdisch und von einem christlichen Redaktor später interpoliert.¹⁸ Es wäre vielleicht doch sinnvoller, diese Apologie mit Texten wie dem „Kerygma Petri“ und wohl auch mit der neutestamentlichen Areopagrede zu verknüpfen. Für eine solche Verbindung zwischen den Traditionen der späteren jüdisch-hellenistischen Literatur einerseits und der frühesten christlichen Texte andererseits sind schon die ersten Zeilen des Aristides charakteristisch, in denen auch das Zitat aus den „Sibyllinischen Weissagungen“ steht: Ἐγώ, βασιλεῦ, προνοίᾳ θεοῦ ἦλθον εἰς τόνδε τὸν κόσμον· καὶ θεωρήσας τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν, ἥλιον τε καὶ σελήνην καὶ τὰ λοιπά, ἐθαύμασα τὴν διακόσμησιν τούτων. ἰδὼν δὲ τὸν κόσμον καὶ τὰ ἐν αὐτῷ πάντα, ὅτι κατ᾿ ἀνάγκην κινεῖται, συνῆκα τὸν κινούντα καὶ

 Zeegers – Vander Vorst, Citations, 15.  Glockmann, Homer, 71– 93.  Ebd., 93.  Robinson, J.A., „The Apology of Aristides“, in: W. Lefroy / F.W. Farrar (Hg.), Lectures on Ecclesiastical History, London 1896, 25 – 51.  S. Liste bei Pouderon, B. / Pierre, M.-J., Aristide. Apologie (Sources chrétiennes 470), Paris 2003, 83 – 84.  Geffcken, Zwei griechische Apologeten, 5, 41.  S. darüber Pouderon / Pierre, Aristide, 82– 100.  Ebd., 30 – 31, 85 – 86.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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διακρατούντα εἶναι θεόν. πᾶν γὰρ τὸ κινοῦν ἰσχυρότερον τοῦ κινουμένου καὶ τὸ διακρατοῦν ἰσχυρότερον τοῦ διακρατουμένου ἐστίν. αὐτὸν οὖν λέγω εἶναι θεὸν τὸν συστησάμενον τὰ πάντα καὶ διακρατούντα, ἄναρχον καὶ ἀΐδιον, ἀθάνατον καὶ ἀπροσδεῆ, ἀνώτερον πάντων τῶν παθῶν καὶ ἐλαττωμάτων, ὀργῆς τε καὶ λήθης καὶ ἀγνοίας καὶ τῶν λοιπῶν. δι᾿ αὐτοῦ δὲ τὰ πάντα συνέστηκεν. οὐ χρῄζει θυσίας καὶ σπονδῆς οὐδέ τινος πάντων τῶν φαινομένων, πάντες δὲ αὐτοῦ χρῄζουσιν. O König, ich bin in diese Welt nach dem Gottes Vorsehen gekommen und, als ich den Himmel, die Erde, die Sonne, den Mond und das andere gesehen habe, hat mich ihre Beschaffenheit erstaunt. Nachdem ich aber die Welt und alles, in ihr ist, gesehen habe, und dass es notwendigerweise sich bewegt, habe ich verstanden, dass der [sie] Bewegende und Erhaltende der Gott ist. Denn alles Bewegende ist kräftiger, als das Bewegte, und das Erhaltende ist kräftiger, als das Erhaltene. Und Gott nenne ich den, der alles zusammengesetzt hat und [alles] erhält, der ohne Anfang und ewig ist, der unsterblich ist und nichts bedarf, der über alle Leidenschaften und Fehler, Zorn, Vergesslichkeit und Unwissenheit und anderer [ähnlicher] Dinge steht. Durch ihn ist alles zusammengesetzt worden. Er bedarf keiner Opfer noch Libationen noch allen Dingen, die zur Erscheinung kommen, ihn brauchen dagegen alle.

Vgl. Sib. 8.390: οὐ χρῄζω θυσίης ἢ σπονδῆς ὐμετέρηφιν. Ich bedürfe nicht eurer Opfer noch Libationen.

Es wurden auch Parallelen zu dem 2. Makkabäerbuch (7,28), Philo (Spec. 1.33 – 35), Kerygma Petri (Fragm. 2а), der Apostelgeschichte (Areopagrede) und Kapitel 1 des Römerbriefes vermutet,¹⁹ was von der Einheit der Tradition zeugt, zu der auch das obenerwähnte Zitat gehört.²⁰ Man darf aus dem Befund wohl die Schlussfolgerung ziehen, dass die christliche Apologetik bereits in den ersten uns vorliegenden Texten Traditionen der jüdisch-hellenistischen Propaganda fortsetzt, wobei in dieser Entwicklungsgeschichte das Neue Testament und besonders die Areopagrede von großer Bedeutung sind.²¹ Dabei werden Zitate und Anspielungen der apologetischen Tradition selbst, nicht aber den echten paganen Texten entlehnt – es geht also um  S. Pouderon/Pierre, Aristide, 318, Anm. 3 – 4, auch Chapot F. „Les apologistes Grecs et la creation du monde. À propos d’Aristide, Apologie 4,1 et 15,1“, in: B. Pouderon / J. Doré (Hg.), Les Apologistes chrétiens et la culture grecque (Théologie historique 105), Paris 1998, 199 – 218. Zu anderen Parallelen s. ebd., 345 ff (Kommentar zum Kap. 8 und weiter unten). Vgl. auch ein besonders häufiges Vorkommen des Wortes πλάνη.  S. auch die obenbetrachtete Stelle aus dem Ersten Clemensbrief (3.1).  S. z. B. Dupont, „Discours“, 530; Alexander, „Acts“, 33.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

„sekundäres“ Zitieren (s. 2.5.6) –, wobei diese echten Texte dem Verfasser bekannt sind, ja von ihm offensichtlich gemeint und sogar recht ausführlich diskutiert werden. Dieselben Merkmale sind ja auch für die meisten hellenistisch-jüdischen Werken charakteristisch, die oben (s. 2.4) erwähnt worden sind: propagandistische Absicht, hellenistische „Flair“ und kaum pagane Zitate dabei.

4.3.2 Das pagane Zitieren bei Justin und seine theoretische Begründung Die Werke des bekanntesten christlichen Apologeten, Justin, als „Philosoph“ oder „Märtyrer“ bezeichnet, sind Mitte des 2. Jh.s entstanden. Euseb berichtet in seiner „Kirchengeschichte“ (4.11.8 – 10 und 4.18.1– 10) von mehreren Werken, die Justin verfasst haben soll. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass manche von Euseb erwähnten Texte zwar erhalten geblieben sind, es jedoch als allgemein anerkannt gilt, dass sie unecht sind: Gemeint sind hier vor allem die Traktate „Die Ermahnung der Griechen“ und „Über die Monarchie“ (s. 2.3.2.3).²² Als echte Justin-Werke werden dagegen die beiden „Apologien“ anerkannt, die an den Kaiser Antoninus Pius und seine Erben (Mark Aurel und Lucius Verus) gerichtet sind, sowie „Das Gespräch mit Tryphon dem Juden“. Was die Liste des Euseb angeht, wäre für unser Thema das dort erwähnte Werk „Über die Seele“ (Περὶ ψυχῆς) von großem Interesse, in dem Justin „die Ansichten der griechischen Philosophen anführt mit dem Versprechen, in einer anderen Schrift diese Ansichten zu widerlegen und seine eigene Anschauung darzulegen“ (HE 4.18.5). Man kann aus diesem Zeugnis schließen, dass Justin in seinem Traktat die Meinungen der griechischen Philosophen behandelt und sie also auch höchstwahrscheinlich zitiert hat. Alles,was uns über Justin bekannt ist (vor allem aus seinen eigenen Schriften), zeugt von einer großen Belesenheit in der griechischen Literatur. Wir sehen in Justin einen zu Christus bekehrten platonischen Philosophen.²³ Er konnte wohl im Werk „Über die Seele“ eine Sammlung der zu diesem Thema gehörenden Texte angeführt haben, und darin wäre dieses Unternehmen mit dem von Philo in Aeter vergleichbar.²⁴ In den existierenden Werken steht Justin insofern Philo nahe als er

 Es ist ebenso wenig klar, ob Euseb sich irrte oder andere, jetzt nicht mehr existierende Texte meinte.  S. in erster Linie Tryph. (2.1– 8.2). Über den Platonismus von Justin s. v. a. Goodenough, E.R., The Theology of Justin Martyr, Jena 1923.  S. 2.3.3. Von diesem Traktat ist nur das erste Buch erhalten geblieben, wo die Meinungen behandelt werden, die der Verfasser selbst nicht vertritt.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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offenbar sehr viel zitieren könnte, in Wirklichkeit aber von den paganen Zitaten einen eher kargen Gebrauch macht. Dennoch wird im Vergleich zu Aristides die Anzahl der Zitate – und besonders der Anspielungen – wesentlich größer. W. Krause findet bei Justin zwölf „direkte“ Zitate (und 33 „indirekte“),²⁵ G. Glockmann dagegen nur acht.²⁶ N. Zeegers – Vander Vorst findet bei Justin fünf Zitate in Versen, darunter drei „annähernde“ („approximative“).²⁷ Die Grenze zwischen den Zitaten und den Anspielungen ist bei Justin durchaus vage. So führt er in 1 Ap. 60 beim Verweis auf „Timäus“ (36b) die Plato-Stelle sehr ungenau an. Es ist auch unklar, ob der Verweis auf Menander in 1 Ap. 20.5 als Zitat bezeichnet werden darf (Zeegers – Vander Vorst nimmt die Worte in ihre Liste auf, Glockmann²⁸ meint aber, es sei lediglich Erwähnung, kein Zitat). Uns geht es auf jeden Fall auch diesmal nicht um genaue Aufzählung aller Zitate, sondern um Verstehen der Weise, auf die sie gebraucht werden. Die Vorgehensweisen des Justin sind sehr mannigfaltig und in dieser Hinsicht wohl nur mit Philo vergleichbar (s. 2.3.3). In manchen Fällen geht es offensichtlich um Redewendungen, die bei dem hohen Bildungsniveau dem Verfasser vielleicht geläufig waren und deshalb als bedeutungslos betrachtet werden könnten. Doch hat Glockmann, der die justinischen Homerzitate und Anspielungen gründlich untersucht hat, gezeigt, dass es normalerweise um einen „konzentrierten Homer“²⁹ geht, d. h. dass die Benutzung der Zitate bei Justin (sei es auch bloß πατὴρ ἀνδρῶν τε θεῶν τε in 1 Ap. 22.1) recht tiefsinnig sein kann.³⁰ In Tryph. 1.3 begrüsst Justin seinen jüdischen Gesprächspartner mit Worten, die der Rede des Diomedes an Glaukos in Il. 6.123 ähneln, und das weist schon am Anfang des Dialoges darauf hin, welche, d. h. grundsätzlich freundliche, Beziehungen zueinander der Verfasser den beiden Teilnehmern zuschreibt.³¹ In der „Zweiten Apologie“ (2 Ap. 10.5 – 6) verwendet Justin sogar eine ganze Reihe von außerbiblischen Zitaten und Anspielungen, und diese Stelle ist besonders bemerkenswert. Es geht um einen Vergleich von Jesus Christus mit Sokrates. Es wird zunächst die Anklageformel zitiert (10.5 – Xen. Mem. 1.1.1; vgl. Plat.

 Krause, Stellung, 128.  Glockmann, Homer, 7.  Zeegers – Vander Vorst, Citations, 255 – 256.  Glockmann, Homer, 106.  Diese Bezeichnung („Homère condensé“) ist von Glockmann dem Buch von J. Labarbe (L’Homère de Platon, Liège 1949) entlehnt worden.  Glockmann, Homer, 113 – 116.  Ebd., 106 – 109.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Ap. 24b), dann folgt eine Plato-Anspielung (10.6 – Plat. Rep. 2.377d u. a.) und gleich danach ein, nicht ganz genaues, Zitat aus „Timäus“ (28с). Die Stelle lautet wie folgt: ὁ πάντων δὲ αὐτῶν εὐτονώτερος πρὸς τοῦτου γενόμενος Σωκράτης τὰ αὐτὰ ἡμῖν ἐνεκλήθη· καὶ γὰρ ἔφασαν αὐτὸν καινὰ δαιμόνια εἰσφέρειν, καὶ οὓς ἡ πόλις νομίζει θεοὺς μὴ ἡγεῖσθαι αὐτόν. ὁ δὲ δαίμονας μὲν τοὺς φαύλους καὶ τοὺς πράξαντας ἃ ἔφασαν οἱ ποιηταί, ἐκβαλὼν τῆς πολιτείας καὶ Ὅμηρον καὶ τοὺς ἄλλους ποιητάς, παραιτεῖσθαι τοὺς ἀνθρώπους ἐδίδαξε, πρὸς θεοῦ δὲ τοῦ ἀγνώστου αὐτοῖς διὰ λόγου ζητήσεως ἐπίγνωσιν προὐτρέπετο, εἰπών· Τὸν δὲ πατέρα καὶ δημιουργὸν πάντων οὔθ᾿ εὑρεῖν ῥᾴδιον, οὔθ᾿ εὑρόντα εἰς πάντας εἰπεῖν ἀσφαλές. Der kräftigste von ihnen allen aber, welcher in dieser Beziehung Sokrates war, wurde der gleichen Vergehen angeklagt wie wir; denn auch von ihm gaben sie an, dass er neue Gottheiten einführe, die Götter hingegen, welche der Staat anerkenne, nicht gelten lasse. Er aber hatte die Leute zwar allerdings gelehrt, sie sollten die Dämonen als wahrhaft böse und die eben es gewesen seien, so jene Dinge verübt hätten, welche die Dichter erzählten, verschmähen und ablehnen, wie er denn auch den Homer und die übrigen Dichter aus dem Staate abgeschafft wissen wollte; dass aber die Menschen den ungekannten Gott mittelst der Vernunft suchen und kennen lernen möchten, dazu mahnte er, wenn er auch sagte: „Den Vater und Schöpfer aller Dinge zu finden ist aber nicht leicht; und ebensowenig ist den Gefundenen vor allen zu verkünden sicher“.³²

Wir sehen also, dass es wieder um wahren Gott und unwahre „Götter“ geht, um Kenntnis und Unkenntnis des Einen Gottes. Ausdrucksvoll sind die Worte θεοῦ τοῦ ἀγνώστου αὐτοῖς, die zwischen den paganen Zitaten stehen und ganz deutlich an die Areopagrede der Apostelgeschichte erinnern. Es ist zu bemerken, dass es bei Justin Sokrates selbst ist, und nicht Plato, der Homer „und andere Dichter“ vertreibt, was jedoch formal stimmt.³³ Der Zusammenhang und die Methoden der Anwendung der Zitate und auch der Anspielungen weisen ganz deutlich auf die Tradition hin, die zu Justin aus der jüdisch-hellenistischen Literatur über das Neue Testament herankommt. Justin war sich aber völlig dessen bewusst, was er wagte, wenn er, und sei es auch nur des römischen Kaisers wegen, Jesus Christus den „heidnischen“ Heroen und das Christentum der Philosophie gleichstellte.³⁴ Wir finden bei ihm eine theoretische Begründung des Zitierens. Justin war ja der erste christliche Verfasser nach dem Neuen Testament, der direkt außerbiblische Texte, und nicht nur die

 Auch im 11. Kapitel folgt der Euripides-Anspielung Nacherzählung einer Xenophon-Stelle (11.3 – 5; Xen. Mem. 2.1.21– 28).  Was die Ungenauigkeit im Plato-Zitat angeht („nicht ungefährlich zu sagen“ statt „unmöglich zu erzählen“, steht dasselbe auch bei Alkinoos (Didasc., 179,31– 32), andere christliche Schriftsteller (Clemens von Alexandrien, Origenes u. a.) zitieren die „gewöhnliche“ Textform.  Vgl. 1 Ap. 22.1, wo Christus sogar Hermes (als „dem Wort“) gleichgestellt wird.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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Sibylle,³⁵ zitiert und gleichzeitig erläutert, warum solche Zitate bei einem christlichen Schriftsteller nicht fehl am Platz sind. Lukas sowie der Verfasser des Titusbriefes konnten kaum theoretische Erläuterungen in den Zusammenhang ihrer Werke einfügen, waren doch diese Werke grundsätzlich nichtapologetisch und an ein internes Auditorium gerichtet. In einer Apologie schien dies hingegen durchaus erlaubt, und Justin erörtert die Frage von der „Wahrheit bei den Heiden“ über längere Strecken seiner „Ersten Apologie“.³⁶ Das 20. Kapitel (1– 5) stellt eine kurze Darstellung der Konsenstheorie dar: Bei den Christen entspricht vielerlei den paganen Begriffen; es werden vor allem natürlich die Sibylle und der Hуstaspes erwähnt (vgl. 3.1), danach Stoiker, Plato und Menander. In 23.1 ist von dem Vorteil des Christentums als einer älteren Religion die Rede, in 31.8 argumentiert Justin mit dem Altertum der jüdischen Propheten, die 5000 bis 800 Jahre früher lebten.³⁷ Wir erkennen schon die Prioritätstheorie, doch macht Justin (in 44.8 – 10) auch von der Entlehnungstheorie Gebrauch, wobei er auch Plato zitiert: ὥστε καὶ Πλάτων εἰπών· Αἰτία ἑλομένου, θεὸς δ᾿ ἀναίτιος, παρὰ Μωυσέως τοῦ προφήτου λαβὼν εἶπε· πρεσβύτερος γὰρ Μωυσῆς καὶ πάντων τῶν ἐν Ἕλλησι συγγραφέων. καὶ πάντα, ὅσα περὶ ἀθανασίας ψυχῆς ἢ τιμωριῶν τῶν μετὰ θάνατον ἢ θεωρίας οὐρανίων ἢ τῶν ὁμοίων δογμάτων καὶ φιλόσοφοι καὶ ποιηταὶ ἔφασαν, παρὰ τῶν προφητῶν τὰς ἀφορμὰς λαβόντες καὶ νοῆσαι δεδύνηται καὶ ἐξηγήσαντο. ὅθεν παρὰ πᾶσι σπέρματα ἀληθείας δοκεῖ εἶναι· ἐλέγχονται δὲ μὴ ἀκριβῶς νοήσαντες, ὅταν ἐναντία αὐτοὶ ἑαυτοῖς λέγωσιν. Darum hat auch Plato, indem er sagt: „Die Schuld ist des Wählenden; Gott ist ohne Schuld“, diesen seinen Ausspruch von Moyses den Propheten entnommen. Denn Moyses ist älter, auch als alle die Schriftsteller der Griechen. Und, was immer von der Unsterblichkeit der Seele oder den Strafen nach dem Tode oder der betrachtenden Erkenntnis himmlischer Dinge oder ähnlichen Lehrsätzen sowohl Philosophen als Dichter gesagt haben, das haben sie alles, von den Propheten die Ausgangs- und Haltpunkte nehmend, dann auch weiter ausdenken können und wirklich auseinandergesetzt. Daher scheinen in allen Keime der Wahrheit da zu sein; man kann sie jedoch überweisen, dass ihr Denken kein genaues war, indem sie Dinge sagen, womit sie sich selbst entgegen sind.

Hier tritt neben der Konsens- und Entlehnungstheorie³⁸ noch eine „Entstellungstheorie“ hervor: Die Undeutlichkeit im Verstehen der Wahrheit wird dadurch erklärt, dass die griechischen Schriftsteller miteinander nicht übereinstimmen

 Die auch in 1 Аp. 20.1 und 44.12 erwähnt wird.  V.a. 1 Аp. 20 – 23; 31; 44; 46; 54; 58 – 60.  Vgl. Josephus, C.Ap. 1.1; Ant. 1.13 u. ä.  Die Wendung τὰς ἀφορμὰς λαβόντες ist den Worten des Aristobulos μεγάλας ἀφορμὰς εἰληφότες (Fragm. 2; s. 2.3.1) sehr ähnlich und ist auch in ähnlichem Zusammenhang benutzt.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

(44.10).³⁹ In den Kapiteln 54– 58 legt Justin eine, vielleicht von ihm selbst erfundene, Fassung dieser „Theorie“ dar: Aus der Bibel hatten die Wahrheit die Dämonen gestohlen, die sie selbstverständlich entstellt haben, und in dieser Form kam sie dann in die Werke der Dichter und der Philosophen.⁴⁰ Die Weisheit des Sokrates, die Justin an der oben angeführten Stelle aus der „Zweiten Apologie“ hoch preist,wird weiter unten (2 Ap. 10.8) noch auf eine andere Weise erklärt: Sokrates sei vom Logos selbst gelehrt worden, der ja in der Welt überall anwesend ist. Eine solche Erklärung kann als „Theorie des göttlichen Logos“ bezeichnet werden. Justin behandelt also die Frage von der „Wahrheit bei den Heiden“ sehr ernsthaft, denn er versucht die Ähnlichkeit von Sokrates und Christus zu erklären, des Weiteren die Entsprechungen zwischen den christlichen (und jüdischen) Doktrinen einerseits und den griechischen andererseits, auch die Entstellungen der Wahrheit in den griechischen paganen Schriften und die griechische Mythologie selbst, die von Dämonen geschaffen worden sei. Mit diesen theoretischen Erörterungen sind zum großen Teil Justins Zitate und Anspielungen verknüpft. Justin entlehnt der jüdischen Tradition die Prioritätstheorie und die „sibyllinische Idee“, er entwickelt die Theorie der Verwendung der außerbiblischen Texte und vergrößert im Vergleich zu Aristides die Anzahl der paganen Zitate und Anspielungen in seinen Werken. Mit der Methode des Justin ist auch die seines Schülers, des syrischen Schriftstellers Tatian, eng verbunden.

4.3.3 Das pagane Zitieren bei Tatian und seine theoretische Begründung Tatian, der Verfasser einer „Harmonie“ der vier Evangelien (Diatessaron) und der apologetischen Schrift „Rede gegen die Griechen“, war offensichtlich ein noch besser gebildeter Mann als sein Lehrer Justin. Die genannte apologetische Schrift verurteilt zwar die ganze griechische Kultur (Religion, Kunst, Politik usw.), doch ist sie völlig griechisch gestaltet und von den Kenntnissen mannigfaltigster Art dermaßen voll, dass der Leser jeden Gedanken von der „Ungebildetheit“ dieses Feindes der griechischen Kultur lassen muss.⁴¹ Eine solche „Übersättigung“ der Apologie des Tatian hat auch seine Zitiermethode beeinflusst. Der Autor hat einfach keine Zeit, längere Zitate anzuführen, naturgemäß gebraucht er auch sehr selten Einleitungsformeln. W. Krause findet  S. ausführlicher bei Pilhofer, Presbyteron kreitton, 238 – 244.  S. ausführlicher ebd., 244– 248.  S. darüber Elze, M., Tatian und seine Theologie (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 9), Göttingen 1960.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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lediglich fünf Zitate in der ganzen Schrift,⁴² N. Zeegers – Vander Vorst kann immerhin 17 auflisten (nur in Versen⁴³), manche von diesen sind aber eher als Anspielungen zu bezeichnen. Diese Zitate verleihen der Schrift, nach Zeegers – Vander Vorst, „une certaine élégance dans la forme“, sind aber aufs Ganze gesehen rein polemischer Art.⁴⁴ Dass der Verfasser seine außerbiblischen Zitate umfangreicher machen konnte und es sogar explizit beabsichtigte, lässt uns seine eigene Aussage am Ende des Traktates erkennen (Or. 40.3): Περὶ μὲν οὖν τῆς καθ᾿ ἡμᾶς πολιτείας ἱστορίας τε τῆς κατὰ τοὺς ἡμετέρους νόμους ὅσα τε εἰρήκασιν οἱ παρὰ τοῖς Ἕλλησι λόγιοι καὶ πόσοι καὶ τίνες εἰσὶν οἱ μνημονεύσαντες, ἐν τῷ Πρὸς τοὺς ἀποφηναμένους τὰ περὶ θεοῦ δειχθήσεται. Über unsere Einrichtung nun und die Geschichte unserer Gesetze, und was und wieviele und welche unter den gelehrten Griechen darüber gehandelt habe, soll in dem Buche gegen diejenigen berichtet werden, welche über göttliche Dinge geschrieben haben.

Es ist nicht auszuschließen, dass ein solches Buch auch wirklich geschrieben wurde. Jedenfalls haben wir folgendes Zeugnis von einem jüngeren Zeitgenossen Tatians, dem christlichen Schriftsteller Tertullian (2.–3. Jh.): „Starke Wissbegierde und ein noch weit stärkeres Gedächtnis sind vonnöten, wenn man aus den am meisten anerkannten Schriften von Philosophen, Dichtern oder sonstigen Lehrern der weltlichen Wissenschaft und Weisheit Zeugnisse für die christliche Wahrheit sammeln will, um deren Feinde und Verfolger auf Grund ihres eigenen Schrifttums als schuldig an einem Irrtum gegenüber sich selbst und an Ungerechtigkeit gegen uns zu überführen. Zwar haben einige, die von früherer Beschäftigung mit der Literatur her noch die Arbeitsfähigkeit der Wißbegierde und die Zähigkeit des Gedächtnisses beibehalten hatten, in unserem Lager kleinere Schriften in diesem Geist verfasst. Dabei haben sie, bis in die Einzelheiten, Sinn, Ursprung, Überlieferung und Begründung ihrer Meinungen erwähnt und mit Zeugnissen ausgestattet. An diesen Schriften kann man feststellen, dass wir nichts Neues oder Monströses unternommen haben, (nichts) worin nicht auch die allgemein und öffentlich bekannten Schriften uns beipflichten […]“ („Über das Zeugnis der Seele“, 1 f.).

 Krause, Stellung, 128.  Zeegers – Vander Vorst, Citations, 24; 260 – 264. Zitate in Prosa sind aber bei Tatian eine Seltenheit (3.1 – Heraklit).  Zeegers – Vander Vorst, Citations, 263 – 264.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Kein jetzt existierendes Werk des 2. Jh.s – die späteren konnte Tertullian unmöglich kennen⁴⁵ – entspricht völlig der angegebenen Beschreibung, der Name des von Tatian geplanten Werkes würde dagegen dazu durchaus passen. Natürlich können wir nur hypothetisch annehmen, Tatian habe seinen Plan verwirklicht. Positiv dürfen wir aber behaupten, dass dieser Apologet viel mehr Zitate verwenden konnte und auch wollte, als er es in seiner „Rede“ tut. Das macht die Schlussfolgerung von Zeegers – Vander Vorst weniger treffend, dass Tatian weder Themen, die Besprechung wert wären, noch passende Argumente findet und dass die Anzahl der Zitate „verschwindend gering“ ist („quantité presque négligeable“).⁴⁶ Was hatte denn Tatian vor, in diesem unbekannten (oder doch unverfasst gebliebenen) Buch darzulegen? Was konnten die „griechischen Gelehrten“ von der „Geschichte unserer (sic!) Politeia und unserer (sic!) Gesetze“ äußern? Dem oben angeführten Satz geht bei Tatian folgende Aussage unmittelbar (40.1 f.) voraus: Οὐκοῦν πέφηνε Μωυσῆς ἀπό γε τῶν προειρημένων πρεσβύτερος ἡρώων πόλεων δαιμόνων. καὶ χρὴ τῷ πρεσβεύοντι κατὰ τὴν ἡλικίαν πιστεύειν ἤπερ τοῖς ἀπὸ πηγῆς ἀρυσαμένοις Ἕλλησιν οὐ κατ᾿ ἐπίγνωσιν τὰ ἐκείνου δόγματα. πολλῇ γὰρ οἱ κατ᾿ αὐτοὺς σοφισταὶ κεχρημένοι περιεργίᾳ τὰ ὅσα παρὰ τῶν κατὰ Μωυσέα καὶ τῶν ὁμοίως αὐτῷ φιλοσοφούντων ἔγνωσαν, παραχαράττειν ἐπείραθησαν, πρῶτον μὲν ἵνα τι λέγειν ἴδιον νομισθῶσι, δεύτερον δὲ ὅπως τὰ ὅσα μὴ συνίεσαν διά τινος ἐπιπλάστου ῥητολογίας παρακαλύπτοντες, ὡς μυθολογίαν τὴν ἀλήθειαν παραβραβεύσωσι. Aus dem Gesagten ergibt sich nun, dass Moses älter ist als die alten Heroen, Städte und Dämonen und muss man, weil er älter ist, ihm mehr Glauben schenken als den Griechen, die, ohne es eingestehen zu wollen, aus ihm als Quelle schöpften. Denn viele ihrer Sophisten haben teils das, was sie von Neugierde getrieben von Moses und seinen Gesinnungsgenossen lernten, falsch zu münzen gesucht, damit man glauben sollte, sie sagten etwas Besonderes, teils,was sie nicht verstanden, in einen künstlichen Redeschwall eingehüllt, um die Wahrheit zur Fabel herabzuwürdigen.

Mit dem Beweis des hohen Alters „unserer Philosophie“ setzt Tatian schon im Kap. 31 an und verfolgt dann dieses Thema mit einigen Unterbrechungen bis zum Ende der Schrift (Kap. 42). „Den Ausgangspunkt bilden“ dabei Moses und Homer, die beide in je eigener Tradition die Ältesten gewesen seien. Selbstverständlich ist der Topos der jüdisch-hellenistischen Tradition entnommen, die Beweise stammen, wie es schon in den Kap. 36 – 38 ganz deutlich

 Der zitierte Traktat wird annähernd auf 191– 200 datiert (Tertullian, Die Seele ist ein Hauch, Zürich / München 21986).  Zeegers – Vander Vorst, Citations, 24.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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wird, aus denselben Quellen, die auch Josephus in „Contra Apionem“ benutzt hatte.⁴⁷ Im angeführten Abschnitt finden wir aber auch deutliche Anspielungen auf jüdische Texte, in denen die Entlehnungstheorie dargelegt wurde.Vergleichen wir bei Philo (Prob. 57): ἔοικε δὲ ὁ Ζήνων ἀρύσασθαι τὸν λόγον ὥσπερ ἀπὸ πηγῆς τῆς Ἰουδαίων νομοθεσίας. Zenon scheint diesen Gedanken aus dem jüdischen Gesetzbuch wie aus einer Quelle geschöpft zu haben.

Dem von Tatian gebrauchten Verb περιεργάζομαι begegneten wir uns schon an der entsprechenden Stelle bei Aristobulos vor (Fragm. 3 – s. 2.3.1), wo er Neugierde bzw. Wissbegierde bezeichnet und eher positiv gemeint ist. Tatian kennt vielleicht auch diesen Text, doch wird die Bedeutung in seinem Zusammenhang negativ: Es geht nunmehr um beabsichtigte Entstellung.⁴⁸ Da werden selbstverständlich auch Pythagoras und Plato zu „Sophisten“. Die „Entstellungstheorie“ des Justin war Tatian gewiss bekannt, deshalb können wir annehmen, dass für die Entstellung (hier und andererorts – Or. 7– 9; 12; 16 u. a.) die Dämonen verantwortlich sind, obwohl es hier nicht explizit behauptet wird. Auf jeden Fall wird die jüdische Tradition, nämlich die Prioritäts- und Entlehnungstheorien, von Tatian benutzt. Die Areopagrede behält der Verfasser ebenfalls im Blick: die Situation selbst ist ähnlich (ein Christ gegen griechische Philosophen); Christen werden von ihren Gegnern „Schwätzer“ (σπερμολόγοι) genannt (6.9; vgl. Apg 17,18); es werden die „Kreter-Lüge“ (27.1) und Epimenides (41.1) erwähnt.⁴⁹ Tatian kennt also die jüdisch-hellenistische und die neutestamentliche Tradition und führt ganz aktiv ihre Tendenzen fort, was in seinen chronologischen Beweisen besonders deutlich wird, die im Vergleich zu seinem Vorläufer Josephus noch verstärkt erscheinen.⁵⁰ Kurze Zitate in der „Rede“ des Tatian zeigen, was der Apologet auch auf diesem Gebiet vermochte, was mit den Prioritäts-, Entlehnungs- und Konsenstheorien eng verbunden ist, obwohl das Werk, in dem Tatian seine Kenntnisse der

 Es ist allerdings zu bemerken, dass Tatian (Or. 38) auf den Apion als auf „den glaubenswürdigsten Mann“ verweist. Josephus hat aber auch den Manetho in utramque partem zitiert. Ob Tatian das Werk von Josephus direkt gebraucht hat, bleibt unklar (s. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 256, Anm. 11– 12).  Im Neuen Testament haben dieses Verb und das Adjektiv περίεργος einen negativen Sinn (s. z. B. 2 Thess 3,11).  Epimenides ist hier wieder neben Linos, Orpheus, Musaios, der Sibylle u. ä. erwähnt.  S. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 260.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

griechischen Literatur in vollem Maße zeigen sollte, verlorenging oder ungeschrieben blieb.⁵¹

4.3.4 Athenagoras: Tradition und Innovationen In der Forschung gilt Athenagoras seit langer Zeit als eine spezifische Erscheinung, und zwar als eine – meist im positiven Sinne – Ausnahme in der übrigen Apologetik.⁵² Es scheint zunächst, dass Athenagoras sich auch in seinen außerbiblischen Zitaten wesentlich von Aristides, Justin und Tatian unterscheidet. Wir wollen nun gründlicher betrachten,wo hier wirklich ein Unterschied liegt, wo aber eher Ähnlichkeiten zu finden sind. Über die Person des Athenagoras ist uns nichts Sicheres bekannt, wir können deswegen nicht völlig sicher sein,wessen Schüler und/oder Lehrer dieser Apologet gewesen war; es ist anders als es bei Justin und Tatian der Fall ist. Wir sind praktisch nur auf die Werke angewiesen, die unter dem Namen des Athenagoras existieren – „Bittschrift für die Christen“, wirklich oder angeblich an die römischen Kaiser Mark Aurel und Commodus gerichtet, und „Über die Auferstehung“. Im ersten (auf 177 datierten) Traktat finden sich ca. 60 Zitate,⁵³ im zweiten wird lediglich ein Homer-Halbvers (Il. 16.672) paraphrasiert (16.5: „Schlaf und Tod sind Zwillinge“), der auch in der „Bittschrift“ vorkommt (12.2), dort aber als direktes Zitat. Dadurch wird unsere Überlegung gestützt, dass das Zitieren der paganen Schriften mit der Orientierung auf ein externes Auditorium verknüpft ist, und erlaubt uns vielleicht darüber hinaus eine interessante Hypothese. Weder Euseb noch Hieronymus oder einer der großen Geschichtsschreiber der Kirche berichten etwas von einem „Athenagoras von Athen“.⁵⁴ Möglicherweise geht es um ein Pseudonym, da zweimal Athen genannt ist, die Hauptstadt der paganen Weisheit, wie sie in Apg 17 dargestellt wird. Man könnte den Namen „Athenagoras“ als „der mit den Athenern Redende“ verstehen. Wenn wir nun annehmen, dass die zwei erhalten gebliebenen Traktate ursprünglich ein Werk  Wir würden doch eher das Erstere annehmen. Kein Wunder, dass uns lediglich ein Traktat von Tatian erhalten geblieben ist, ist er doch von der Kirche als Häretiker verurteilt worden. Auch das „Diatessaron“ existiert nur in (stark veränderten) Übersetzungen.  S. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 261– 265 und die dortigen Verweise auf Geffcken, Zwei griechische Apologeten; Barnard, L.W., Athenagoras. A Study in Second Century Christian Apologetic (Théologie historique 18), Paris 1972 u. a.  Nach Krause (Stellung, 128) – 57.  Die Informationen, die Philippus von Side (5. Jh.) bietet, sind oft zu ungenau und widersprüchlich, s. Pouderon, B., Athénagore d’Athènes: Philosophe chrétien (Théologie historique 82), Paris 1989, 21– 22.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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bildeten, kann der erstere, eine Apologie, dem Hauptteil der Areopagrede (17,22– 30) entsprechen, der letztere dagegen, ein Kerygma von der Auferstehung der Toten, dem letzten Vers (17,31).⁵⁵ Im Hauptteil der Paulus-Rede gab es pagane Zitate, dementsprechend finden sich diese in bedeutsamer Anzahl auch bei Athenagoras. Im zweiten Teil sind sie aber jeweils fehl am Platz – sowohl in der Areopagrede als auch hier. Diese Annahme wird noch glaubwürdiger, wenn wir den Einfluss der Paulus-Rede auf die frühere christliche Apologetik mitberücksichtigen.⁵⁶ Diese Hypothese macht die „Bittschrift“, wie originell auch immer diese Schrift sein mag, zu einem Teil der uns schon recht gut bekannter Tradition. Ganz natürlich sehen im Zusammenhang dieses Werkes auch die Zitate aus dem jüdischen Pseudo-Sophocles aus (5.2, Ps.-Soph. 1– 2) und aus den Orakeln der ebenfalls jüdischen Pseudo-Sibylle (30.1, Sib. 3.108 – 113). Athenagoras weist ähnliche Züge wie Justin und Tatian in seiner Dämonologie auf, die in Kap. 22– 30 ausgearbeitet wird. In den dort verwendeten Zitaten sehen wir die uns auch schon bekannte Zitiermethode: die Veränderung des Zitats oder dessen Sinnes. In den Zitaten aus Plato⁵⁷ (23.5), Euripides⁵⁸ (25.1) und einem unbekannten Tragiker⁵⁹ (26.1) sowie im Zusammenhang eines Hesiod-Zitates⁶⁰ (24.3) ist das Wort δαίμων enthalten, das in der paganen griechischen Literatur „eine Gottheit“ oder „eine Erscheinung der Gottheit“ bezeichnet. Bei Athenagoras sind immer „Dämonen“, „böse Geister“ gemeint. Z. B. ist das Hesiod-Zitat auf solche Weise verändert worden, dass es zum Teil des Athenagoras-Textes mit einem ganz anderen Sinn, als bei Hesiod, geworden ist. Vergleichen wir die Texte: Hesiod, Theogonie 27: ἴδμεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὁμοῖα. Wir wissen trüglichen Schein in Fülle zu sagen, dem Wirklichen ähnlich. Athenagoras, Bittschrift 24.3: κατὰ τὸν ἄρχοντα τῆς ὕλης ἴσμεν ψεύδεα πολλὰ λέγειν ἐτύμοισιν ὁμοῖα.

 Von der Auferstehung beginnt Athenagoras schon in der „Bittschrift“ zu reden (Kap. 36), doch unterbricht sich selbst sofort und schließt ab, was an den Schluss der Areopagrede (Apg 17,32) erinnert.  Vgl. auch das Kallimachos-Zitat (Zeus-Hymne, 8) über das Zeus-Grab (30.3), das bestimmt – auf welche Weise auch immer – mit Tit 1,12 verbunden sein soll.  Timäus, 40de.  Fragm. 901 (Nauck).  Fragm. 455 (Nauck).  Theogonie, 27.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Nach dem Beispiel des Fürsten der Materie „Künden, bekannt ist’s, [Dichter] des Trugs viel, ähnlich der Wahrheit.

Bei Hesiod sind die Musen das Subjekt der Verben „wissen“ (= können) und „sprechen“, bei dem christlichen Apologeten „sprechen“ die griechischen Dichter, „wissen“ dagegen der Verfasser selbst und die anderen Christen. Die Weise des Athenagoras hat aber auch einen wichtigen Unterschied zu der vorhergehenden christlichen Apologetik: Hier werden nicht einfach viele Zitate gebraucht, sondern es wird „serienweise“ zitiert. „Die Apologeten fingen nach Tatian an, ihre Zitate zu gruppieren“, schreibt N. Zeegers – Vander Vorst,⁶¹ und wir wissen schon, dass diese Aussage eigentlich sowohl exklusiv (Tatian tut das noch nicht), als auch inklusiv (Tatian tut das schon) verstanden werden kann. Die Forscherin meint freilich das Erstere, doch stimmt es nur dann, wenn der in Or. 40 erwähnte Traktat wirklich ungeschrieben blieb. Auf jeden Fall ist für uns Athenagoras der erste Repräsentant des „serienmäßigen“ Zitierens. Wenn wir aber zugeben, dass auch dieser Apologet von der jüdisch-hellenistischen Tradition beeinflusst wurde, können wir ihn nicht als „Erfinder“, sondern als „Fortsetzer“ des viel früher Angefangenen bezeichnen (s. 2.3.1 und 2.4). Es kann ja kaum ein Zufall sein, zumal ein Fragment aus dem „dramatischen Gnomologium“ (Pseudo-Sophocles) schon in der ersten Serie von Zitaten vorkommt (Kap. 5). Folgende Züge verbinden also die „Bittschrift“ des Athenagoras mit der Traditionslinie „jüdisch-hellenistische Schriften – Neues Testament – frühchristliche Literatur“: 1) Serienweises Zitieren; 2) Veränderung der Zitate und deren Sinnes; 3) Benutzung der Fragmente jüdischer Herkunft; 4) Ähnlichkeit der Hauptidee des Traktates mit der der Areopagrede; 5) Dämonologie. Hinzu kommt wohl auch die Tatsache, dass Athenagoras von der „alten“ Konsenstheorie aktiven Gebrauch macht, jedoch neuere „justinische“ Theorien der Entstellung und des göttlichen Logos weniger benutzt. Die Innovationen des Athenagoras bestehen darin, dass bei ihm zum einen die Prioritäts- und Entlehnungstheorien keine Verwendung finden,⁶² zum anderen für ihn auch die Konsenstheorie nicht bedingungslos ist, denn die große Serie in den Kap. 21 f. enthält eine Missbilligung der falschen Gottesauffassung der griechischen Dichter. Das Thema entspricht an sich völlig der jüdisch-hellenistischen und neutestamentlichen Tradition, doch kommt das Zitieren einer ganzen Reihe der „falschen Mei-

 Zeegers – Vander Vorst, Citations, 45 („C’est après Tatien que les apologistes prennent l’habitude de grouper leurs citations“).  S. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 260 – 265.

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nungen“ (also „negatives Zitieren“) aus den paganen Schriften hier zum ersten Mal vor. Es ist noch zu bemerken, dass Athenagoras (in den Kap. 18 und 20) orphische Fragmente zitiert, die der jüdischen Tradition höchstwahrscheinlich nicht angehören.

4.3.5 Zitate und Prioritätstheorie bei Theophilos Wenn die Beziehung des Athenagoras zur jüdisch-hellenistischen und neutestamentlichen Tradititon mindestens mehr oder weniger problematisch erscheinen könnte, da seine Apologie manche ungewöhnliche Züge aufweist, würde das Problem der Apologie des Theophilos von Antiochien („Drei Bücher an Autolykos“; 80er Jahren des 2. Jh.s) wohl eher das Umgekehrte sein, und zwar dass der Verfasser einer jüdischen Tradition stärker als sonst verpflichtet ist. Es liegt daran, dass das Jüdische bei Theophilos nicht nur vor dem Griechischen, sondern selbst vor dem Christlichen Vorrang hat.⁶³ Was unser Thema angeht, bleibt jedenfalls alles Jüdische bei Theophilos im Rahmen derselben jüdisch-hellenistischen Tradition. Theophilos ist weniger gebildet, als seine Vorgänger,⁶⁴ deswegen ist seine Schrift weniger originell und gerade dadurch traditioneller. Zitate aus dem paganen Schrifttum (es gibt ca. 70 davon im Traktat⁶⁵) werden fast immer serienweise gebraucht. Diese Serien sind offenbar den Quellen entlehnt worden, in denen sie schon auf diese Weise gruppiert worden waren.⁶⁶ N. Zeegers – Vander Vorst meint wohl mit Recht, dass Theophilos der einzige Apologet war, der seine paganen „Zitate wirklich den Anthologien entnahm“.⁶⁷ Doch nicht nur die griechischen Anthologien waren Theophilos’ Quellen, sondern auch jüdische Texte. Beides zugleich sind die „Sibyllinischen Weissagungen“, aus welchen der Apologet im 2. Buch (2.31 und 36) umfangreiche Ab-

 Der Artikel von N. Zeegers (Les trois cultures de Théophile d’Antioche, in: B. Pouderon / J. Doré (Hg.), Les Apologistes chrétiens et la culture grecque (Théologie historique 105), Paris 1998, 135 – 176) über die „drei Kulturen“ des Theophilos ist zur Hälfte seiner jüdischen Kultur gewidmet, doch wird sie weniger mit der jüdisch-hellenistischen Literatur verglichen, als mit den rabbinischen Texten. Vgl. auch Rogers, R., Theophilus of Antioch. The Life and Thought of a Second-Century Bishop, Lanham 2000.  S., z. B. Zeegers – Vander Vorst, Citations, 257; Pilhofer, Presbyteron kreitton, 266 – 267.  Marcovich, M., Theophili Antiocheni ad Autolycum (Patristische Texte und Studien 44), Berlin / New York 1995, 146 – 147. Nach Krause (Stellung, 126 – 128), sind es 39.  S. Zeegers – Vander Vorst, Citations, 111– 142.  Ebd., 288 – 289 („Théophile est le seul qui ait recopié des citations proprement anthologiques“). Eine Liste möglicher Quellen s. Marcovich, Ad Autolycum, 4– 14.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

schnitte anführt.⁶⁸ Im 3. Buch entlehnt er ganze Passagen aus „Contra Apionem“ des Josephus. In 3.16 – 30, d. h. ganz am Ende der Schrift, finden wir, wie es auch bei Tatian der Fall war, eine ausführliche Begründung der Prioritätstheorie, die u. a. eine für Theophilos durchaus charakteristische Behauptung enthält (3.26.1): Ἐντεῦθεν ὁρᾶν ἔστιν πῶς ἀρχαιότερα καὶ ἀληθέστερα δείκνυται τὰ ἱερὰ γράμματα τὰ καθ᾿ ἠμᾶς εἶναι τῶν καθ᾿ Ἕλληνας καὶ Αἰγυπτίους […] Aus dieser Auseinandersetzung kann man ersehen, wie unsere heiligen Schriften sich als älter und wahrer erweisen als die der Griechen und Ägypter […]

Hier werden die Wörter ἀρχαιότερα und ἀληθέστερα praktisch synonym (und als ein „Hendiadyoin“) gebraucht: „ein Altertum, das mehr Wahrheit in sich hat“.⁶⁹ In seiner Prioritätstheorie steht Theophilos dem Josephus sehr nahe (s. insbes. 3.30.1), wobei er, genauso wie der letztere, die Werke seiner orientalischen Vorgänger benutzt und gleichzeitig diese kritisiert. Mose ist nach Theophilos der Älteste von ihnen allen, und der Babylonier Berossus vermag lediglich „etwas dem Moses folgend reden“ (ἀκολούθως τινὰ εἴρηκεν τῷ Μωσεῖ – 3.29.7) und „den Propheten teilweise zustimmen“ (σύμφωνα ἐκ μέρους εἴρηκεν – 3.29.8). Theophilos verweist auf die seinem jüdischen Vorgänger unbekannten ägyptischen Verfasser Apollonios (2.6.4; 3.16.2 u. a.) und Satyros (2.7.3 – 5). Das Zitieren der Geschichtsschreiber ist ein charakteristischer Zug dieses Apologeten, der Josephus folgen will. Eine Beziehung zur Areopagrede wird bei Theophilos im 2. Buch deutlich, in dem er zu dem Thema „Philosophen und Dichter“ gerade dann übergeht, als er das Zeus-Grab auf Kreta erwähnt hat (2.3.8); die Behandlung des Themas fängt der Apologet damit an (2.4.1), dass er von den „Stoikern und Epikureern“ redet (vgl. Apg 17,18),⁷⁰ die mit ihrem falschen Gottesverständnis ihre eigene Torheit erwiesen haben (ἡ ἄνοια ἀπεφήνατο). Weiter unten (2.8.3) wird auch der Aratos-Prolog zitiert, genau dieselben 9 Verse, die auch Aristobulos anführt (s. 2.3.1 – Fragm. 4, PraepEv 13.12.6).⁷¹

 In 2.36 führt Theophilos Fragmente an, die in den späteren Sammlungen der „Sibyllinischen Weissagungen“ nicht vorkommen, doch ursprünglich wohl anstelle des Anfangs des 3. Buches standen (Buitenwerf, Sibylline Oracles, 137; 144– 165). Ihnen sollten die Verse folgen (Sib. 3.97– 105), die in 2.31 zitiert werden.  S. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 273.  Zunächst sind nur „manche Stoiker“ (ἔνιοι τῆς Στοᾶς) erwähnt, am Ende des Satzes aber auch schon „Epikur und Chrysippos“.  S. auch die Einführung (1.4.1– 1.8.1), die an Aristides und also auch an Röm 1 und Areopagrede erinnert (zum Schluss redet Theophilos auch von der Auferstehung der Toten).

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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Bei Theophilos werden die Zitate manchmal auch „verzerrt“, d. h. aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, verwendet. Nachdem von Kain gesagt ist, dass er der erste Städtebauer gewesen war (Gen 4,17), wird es bemerkt (2.30.1): „und zwar [war das] vor der Sintflut, nicht wie Homer fälschlich singt“. Dem folgt ein Ilias-Zitat:⁷² Οὐ γάρ πω πεπόλιστο πόλις μερόπων ἀνθρώπων. Noch war keine gebaut von den Städten der sterblichen Menschen.

Bei Homer lesen wir aber folgendes (Il. 20.216 f.): κτίσσε δὲ Δαρδανίην, ἐπεὶ οὔ πω Ἴλιος ἱρὴ ἐν πεδίῳ πεπόλιστο πόλις μερόπων ἀνθρώπων. Der [Dardanos] Dardania baute, solang die heilig Troja Noch im Felde nicht stand, die Burg der sterblichen Menschen.

Homer redet von Troja (Ilion), Theophilos dagegen von den Städten überhaupt (οὐ… πω… πόλις = οὐδεμία πόλις).⁷³ Es ist noch zu erwähnen, dass Theophilos oft Bezüge zu Philo aufweist. Er beschreibt u. a. nicht nur als erster christlicher Schriftsteller die sechs Tage der Schöpfung (2.9 – 31), sondern bezeichnet diese mit dem philonischen Wort ἡ ἑξαήμερος (sc. περίοδος oder διήγησις) – „Erzählung von den sechs Tagen“.⁷⁴

4.3.6 Zitate im „Protreptikos“ des Clemens von Alexandrien Die „Stromata“ von Clemens können, wie schon erwähnt (1.1.4) und wie unten (4.5) ausführlich gezeigt wird, als der Höhepunkt des ganzen christlichen Zitierens der außerbiblischen Texte gelten. Hier wollen wir aber zunächst (relativ kurz) den Traktat „Protreptikos (Logos)“ betrachten, da er zweifellos zu der apologetischen Literatur gehört.⁷⁵

 Das ist das einzige vereinzelt gebrauchte Dichter-Zitat bei Theophilos (Zeegers – Vander Vorst, Citations, 256).  Vgl. auch die Verwendung der „Gesetze“ von Plato (683b) in 3.16.5: Theophilos zitiert zunächst Megillos-Worte „wenn ein Gott uns versprochen hätte“ und zieht daraus diese Schlussfolgerung: „Also sprach er offenbar nur Vermutungen aus (εἰκασμῷ); wenn aber nur Vermutungen, so haben seine Angaben wahrlich auf Wahrheit keinen Anspruch“.  Theophilos 2.12 – Philo, Leg. All. 2.12.Von der Beziehung des Traktats zum Philo-Werk s. Runia, Early Christian Literature, 110 – 116.  Zu dem Traktat „Paidagogos“ s. 4.5.5.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

In diesem Werk, in den 90er Jahren des 2. Jh.s verfasst, sind ca. 130 Zitate enthalten, unter denen Verszitate dominieren; besonders viele (ca. 50) sind den Homerdichtungen entnommen. Nicht nur die Themen, bei deren Behandlung die Zitate vorkommen, sondern auch die Serien selbst hat der „Protreptikos“ oft mit anderen apologetischen Schriften gemeinsam. Die Serien in den Kap. 14– 41 und 55 – 59 haben ihre Entsprechungen in den allerdings kürzeren Serien (20 Zitate und Anspielungen) bei Athenagoras („Bittschrift“, 21 und 29); es sind, genauer, zehn Übereinstimmungen.⁷⁶ Auch mit den Zitaten in den pseudojustinischen Schriften (4.3.7) stimmen die Zitate im „Protreptikos“ zum Teil überein.⁷⁷ Genau wie für Theophilos (s. 4.3.5) sind die „Sibyllinischen Weissagungen“ auch für Clemens eine wichtige Quelle; sie werden mehr als zehnmal zitiert. Die Sibylle wird mit jüdischen Propheten gleichgesetzt, d. h. sie entlehnt nicht den jüdischen Schriften, ist vielmehr selbst eine „Prophetin der Juden“ (ἡ προφῆτις ἡ Ἑβραίων – 71.4) und besitzt echte göttliche Inspiration. Andere Griechen können, nach der bekannten Entlehnungstheorie, ihre Wahrheitskenntnisse nur aus der Bibel schöpfen. Nach einem Zitat aus den „Gesetzen“ in 69.4 (715е–716а) richtet Clemens eine rhetorische Frage an Plato selbst: „Woher hast du, Plato, diese Ahnung der Wahrheit?“ Die Antwort, die Clemens natürlich sich selbst gibt (70.1), ist eindeutig: sie kommt von den Juden (es folgt ein Zitat aus Sib. 3.586 – 594 mit einer Lobpreisung der Juden, die den Gott auf richtige Weise verehren, 70.2). Weiterhin (71.3 – 4) wird darauf hingewiesen, dass Xenophon (es werden die „Erinnerungen an Sokrates“, 4.3.13 – 14 zitiert) einen richtigen Gedanken aus denselben „Weissagungen“ geschöpft hat. Von den Philosophen geht dann Clemens zu den Dichtern über. Nach kurzen Zitaten aus Aratos, Hesiod und Euripides (73.2– 74.1) führt er längere Abschnitte aus Pseudo-Sophocles und Pseudo-Orpheus an, die schon in der jüdischen Apologetik vorkamen (s. 2.3.1., 2.3.2.2 u. a.), dann zitiert er wieder die PseudoSibylle. Weitere Dichter-Zitate (bis 77.2) sind offensichtlich einer früheren Sammlung entnommen,⁷⁸ was auch mit der Tradition des apologetischen Zitierens im Einklang steht. Es ist offensichtlich, dass Clemens sowohl im Zitieren selbst als auch in den theoretischen „Ko-Texten“ seinen apologetischen Vorgängern nahesteht, es ist jedoch auch zu bemerken, dass er sich unter ihnen durch sein höheres Bildungsniveau auszeichnet, das ihm eine breitere Verwendung der vereinzelten  S. Zeegers – Vander Vorst, Citations, 53 – 69, insbes. Tabelle auf S. 67– 68.  S. Zeegers – Vander Vorst, Citations, 53 – 69; 87– 91; 189 – 190.  S. Kommentar von Mondésert, C., Clément d’Alexandrie. Le Protreptique (Sources chrétiennes 22), Paris 1976, 140.

4.3 Zitate in der christlichen Apologetik (2. Jh. – Anfang des 3. Jh.s)

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Zitate in allen Teilen des Traktats gestattet, dazu auch eine wesentliche Ergänzung der Serien, die früher entstandenen Texten entlehnt wurden.

4.3.7 Zitate und Anspielungen in kleineren apologetischen Traktaten Obwohl die Zeit der Entstehung der jetzt zu behandelnden Werke nicht genau bestimmt werden kann, wurden sie wahrscheinlich um einiges später als die Werke des Clemens verfasst, d. h. erst im 3. Jh.

4.3.7.1 „Die Ermahnung der Griechen“ Diese typisch apologetische Schrift enthält ziemlich viele pagane Zitate, die größtenteils serienweise gebraucht werden.⁷⁹ Es werden sowohl Dichter (hauptsächlich Homer), als auch Philosophen (fast ausschließlich Plato⁸⁰) zitiert, dazu noch ein Geschichtsschreiber (Diodor). In 16.1– 2 sind Zitate aus den „Sibyllinischen Weissagungen“ enthalten, in 38.1– 2 Paraphrasen derselben Schrift, die den Zitaten ähnlich sind. Der ganze Traktat besteht aus zwei Teilen:⁸¹ Im ersten Teil (2– 13) werden die Chronologien der griechischen und jüdischen „Lehrer“ verglichen (Prioritätstheorie), im zweiten (14– 34) werden Beweise dafür erbracht, dass die Griechen ihren Monotheismus von den Juden gelernt haben (Entlehnungstheorie). Am Ende des Traktats (37 f.) wird darauf hingewiesen, dass die Prophezeiungen der Sibylle am besten dazu geeignet sind, denjenigen zu helfen, die zur richtigen Gottesverehrung umkehren möchten.

3.3.7.2 „Über die Monarchie“ Dies ist eine kurze Schrift, die schon in Verbindung mit dem jüdischen dramatischen Gnomologium (s. 2.3.2.3) erwähnt wurde. Der Text ist zum größten Teil aus Zitaten zusammengewoben, dabei sind, wie schon gesagt (s. ebd.), die Zitate in

 Nach Zeegers – Vander Vorst (Citations, 45) – 33/37 (Dichter-Zitate) Nach Riedweg (Ps.-Justin, app. III, 621– 624), ca. 70 direkte Zitate und eine Anzahl mehr oder weniger fernen Anspielungen dazu.  Im Kap. 24 wird dieselbe Stelle zitiert, die auch im Kap. 69 des „Protreptikos“ angeführt worden ist (s. 3.2.6), wobei das Zitat durch den Verweis auf die Entlehnung aus Moses begleitet wird. Von ähnlichen Serien in den beiden Traktaten („Protreptikos“ und „Die Ermahnung“) s. Zeegers – Vander Vorst, Citations (Anm. 77).  Riedweg, Ps.-Justin, 18 – 19.

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den Kap. 2– 4 jüdisch, also unecht, weiterhin (4.3 – 5) dagegen echt. Es geht also um ein jüdisches Gnomologium, das durch griechischen Stoff entsprechenden, d. h. „antipolytheistischen“ Inhalts ergänzt wurde. Dieser Text entspricht wohl der Definition von Tertullian (s. 4.3.3), wurde aber wahrscheinlich erst später verfasst. Der Kommentar des Verfassers ist sehr knapp,von der Prioritätstheorie ist nicht die Rede, dennoch wird die Konsenstheorie im kurzen Vorwort (1.2) ganz deutlich: „die Unwissenden werden von eigenen Dichtern und Liederschreibern (μελογράφοι) überführt werden“.

4.3.7.3 „Die Verspottung der äußeren Philosophen“ von Hermias Nach der Tabelle von W. Krause⁸² beträgt die Anzahl der „indirekten“ Zitate in dieser ganz kurzen Schrift 51, der „direkten“ dagegen nur sechs. Der Verfasser entfaltet im Traktat einen einzigen Gedanken: Die griechischen Philosophen widersprachen einander in ihren Meinungen, deswegen sei es töricht, ihnen zu folgen. Es werden hauptsächlich Anekdoten in der Art von Diogenes Laërtios nacherzählt, die auch anderen Apologeten nicht fern liegen, vgl. Tatian, Or. 2); der Verfasser ist offenbar nicht bestrebt Zitate anzuführen. Die Schrift des Hermias gehört zur uns schon bekannten Tradition, doch ist das Niveau der Polemik gewiss nicht so hoch, wie in oben betrachteten Werken,⁸³ wovon schon der Titel und die ersten Zeilen des Traktats zeugen: „Der selige Apostel Paulus tat in seinem Briefe an die Korinther folgenden Ausspruch: ‚Geliebte, die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott‘ (1 Kor 3,19); er hat nicht ohne Bedacht gesprochen; denn wie mir scheint, ist er hierbei von dem Engelfall ausgegangen, der die Ursache ist, dass die Philosophen nichts Einstimmiges noch Übereinstimmendes in der Darlegung ihrer Lehrsätze hervorbringen“ (Irr. 1). Dass der Autor auf die „Torheit-Hymne“ im 1. Korintherbrief verweist und dies in Verbindung mit der Idee der „dämonischen Vermittlung“ tut, kann als durchaus charakteristisch gelten. Es ist interessant, dass in den Mund der griechischen Philosophen (Anaxagoras, Empedokles, Protagoras u. a.) Sentenzen gelegt werden, die gewiss keine Zitate sind, aber der Rede des Philosophen Menedemos im Aristeasbrief (s. 2.4.1) ähneln, d. h. in Wirklichkeit Pseudo-Zitate sind.

 Krause, Stellung, 128.  Es bezeugt nicht so sehr das niedrige Niveau des Verfassers selbst, als die „Internheit“ seines Auditoriums (ähnlich wie bei Paulus – s. Kap. 3).

4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s

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4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s Bereits in den neutestamentlichen Schriften wurde darauf hingewiesen, dass die falschen Lehren gnostischer Art mit der griechischen Philosophie verknüpft sind. Im Kolosserbrief (2,8) werden die Christen ermahnt, sich vom niemanden „durch die Philosophie (διὰ τῆς φιλοσοφίας)⁸⁴ und lose Verführung“ gefangengenommen zu lassen „nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen (κατὰ τὰ στοιχεῖα τοῦ κόσμου) und nicht nach Christus“. Der 1. Timotheusbrief enthält gerade am Anfang und am Ende antignostische Invektiven, wo es auch um die „Fabeln und Geschlechtsregister“,⁸⁵ „ruchlose Geschwätze und Antithesen des falschgenannten Wissens“⁸⁶ geht. Die frühesten erhaltenen Texte der antignostischen Polemik (Ende des 2. – Anfang des 3. Jh.) sind mit der Darlegung der griechischen philosophischen Lehren verbunden – Dichterwerke inbegriffen –, wobei entsprechende Texte nacherzählt und gelegentlich auch zitiert werden.

4.4.1 Zitate bei Irenäus Nach W. Krause kommen im Traktat von Irenäus „Gegen alle Häresien“⁸⁷ 16 „direkte“ Zitate vor.⁸⁸ In Adv. Haer. 2.14 vergleicht der Verfasser die Theorien des Gnostikers Valentinus mit der Theogonie des Aristophanes. Dabei schneidet Aristophanes besser ab (2.14.1), ein wenig weiter unten (2.14.2) werden die Gnostiker aber deswegen verurteilt, dass sie „die Äußerungen der sogenannten Philosophen, die Gott gar nicht kennen, zusammenstellen“. Danach fügt Irenäus noch hinzu, dass die Gnostiker aus den gesammelten Ideen „eine Art Flickendecke zusammengenäht haben“.⁸⁹

 Das Wort φιλοσοφία kommt im Neuen Testament einzig an dieser Stelle vor.  1 Tim 1,4 (μύθοις καὶ γενεαλογίαις ἀπεράντοις).  1 Tim 6,20 (τὰς βεβήλους κενοφωνίας καὶ ἀντιθέσεις τῆς ψευδονύμου γνώσεως).  Dieses Werk ist größtenteils in lateinischer und armenischer Übersetzung erhalten.  Krause, Stellung, 126 – 128.  Wie das tatsächlich geschieht, berichtet Irenäus schon im 1. Buch des Traktats (Adv. Haer. 1.9.4), wo das Vorgehen der Gnostiker mit dem Cento-Komponieren verglichen wird (das Wort κέντω bedeutete ja zunächst „Flickendecke“), wo die Wörter „von der naturgemäßen Stelle in eine nichtnaturgemäße übertragen werden“ (ἐκ τοῦ κατὰ φύσιν εἰς τὸ παρὰ φύσιν). In diesem Zusammenhang wäre es von Interesse, das außerbiblische Zitieren bei den gnostischen Schriftstellern selbst, wofür die Handschriften von Nag-Hammadi beträchtlichen Stoff bieten, zu untersuchen. Wie wir schon oft sehen konnten, haben die jüdischen und die („nichtgnostisch“‐)

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In 2.14.3 f. ist davon die Rede, dass die Gnostiker die Schriften von Demokrit, Epikur, Plato und Stoikern benutzt haben, in 2.18.5 dasselbe von Menander, in 2.21.2 von Hesiod und Pindar. Über Plato wird auch gesagt (3.25.5), dass er „frommer als die Häretiker“ urteilte. Die Griechen gelten hier als eine Art „neutrale Substanz“, mit der andere Dinge verglichen werden können; eine solche Gegenüberstellung wird dann zeigen: Was schlechter ist, ist auch bestimmt schlecht, denn was Gutes kann es da geben, wo Gottes Kenntnis fehlt? Philosophie ist also für Irenäus eine „Null“. Nur bei den Worten des Xenophanes „Der Gott sieht alles, denkt alles und hört alles“ (Diels – Kranz 21 B 24) macht Irenäus eine Ausnahme, denn er zitiert diese „in positiver Weise“ fünfmal, den Namen des griechischen Philosophen nennt er dabei aber nicht.

4.4.2 Zitate bei Hippolyt Hippolyt, ein Schüler des Irenäus, schenkt dem Thema, das von seinem Lehrer nicht besonders eingehend behandelt wurde, wesentlich mehr Beachtung: nach den Angaben von W. Krause, verwendet Hippolyt 116 Mal außerbiblische Zitate (alle diese sind „direkt“).⁹⁰ Das antignostische Werk („Widerlegung aller Häresien“)⁹¹ des Hippolyt gründet auf der Idee, dass alle Gnostiker „Schuldner“ der Griechen waren. Nur das letzte (10.) Buch des Traktats bildet eine Ausnahme: Es stellt eine Apologie dar und ist, im Gegensatz zu anderen Büchern, nicht an die Christen, sondern an die Heiden gerichtet.⁹² Das ganze 1. Buch ist dem Bericht über die Meinungen verschiedener philosophischen Schulen gewidmet und ist der Gattung nach als „Lehrbuch der griechischen Philosophie“ dem Werk von Diogenes Laërtios ähnlich, mit dem es vielleicht auch manche gemeinsame Quellen hat.⁹³ Da die Idee des Hippolyt der des Irenäus vergleichbar ist, sind diese Texte auch für ihn ein „Niveau Null“ christlichen Schriftsteller selbst aus den paganen Texten eine Art Cento komponiert (s. auch unten 4.5).  Krause, Stellung, 128; zur realen Zahl der Zitate s. aber auch 4.4.4.  Wir gehen auf die Frage nach dem Verfasser der „Widerlegung“ (anders „Philosophumena“ genannt) nicht ein (s. darüber z. B. Frickel, J., Das Dunkel um Hippolyt von Rom. Ein Lösungsversuch: die Schriften Elenchos und Contra Noëtum (Grazer theologische Studien 13), Graz 1988). Auf jeden Fall ist das Werk im 3. Jh. entstanden.  Frickel, Dunkel um Hippolyt, 125 – 169.  Zum Vergleich mit den paganen Sammlungen s. Mansfeld, J., Heresiography in Context. Hippolytus’ Elenchos as a Source for Greek Philosophy (Philosophia antiqua 56), Leiden 1992.

4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s

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(„besser als schlecht“). Bei der Darlegung der griechischen Doktrinen bleibt Hippolyt auch völlig neutral. Das Schema bleibt also „A hängt von B ab“⁹⁴, nur werden die Griechen (in der Apologetik) durch die häretischen Gnostiker ersetzt, die Bibel dementsprechend durch die griechische Philosophie. Die Apologeten haben keinen besonderen Grund, die biblischen Texte zu verdrehen, so verdrehen auch die „Antignostiker“ die paganen Zitate nicht. Das mag als Erklärung dafür gelten, warum sich das Zitieren der außerbiblischen Schriften bei Hippolyt – und auch bei Irenäus – vom Zitieren bei den Apologeten unterscheidet.

4.4.3 Zitate in der antignostischen Polemik und die Traditionen der Paränese und der Apologetik In der antignostischen Literatur kommen wieder pagane Zitate in solchen Texten vor, die nun an ein internes, gewiss schon christliches Auditorium gerichtet waren (die Adressaten des Paulus waren ja noch, sozusagen, „halbheidnisch“). Die Situation, in der die Zitate verwendet werden, ist durchaus ähnlich: Es geht um Paränese, und zwar um Warnungen vor den falschen Lehrern, die „Gott nicht kennen“ (vgl. 3.2.4 und 3.3.1.2), vor ihrer (gnostischen) πλάνη.⁹⁵ Der Unterschied liegt darin, dass die neutestamentliche Paränese sich nicht um Beurteilungen der paganen Meinungen kümmert: Sie werden als „eine Weisheit dieser Welt“ schlechthin abgelehnt. Das Auditorium von Irenäus und Hippolyt kannte sich offensichtlich in der paganen Philosophie wenig aus, wurde dagegen von den gnostischen Lehren stark beeinflusst und bedurfte einer Hilfe für richtige „Orientierung“. Im Neuen Testament war ein paganes Zitat etwas, worauf man sich stützen konnte, in der antignostischen Polemik dagegen ist es eine neutrale Quelle, u. a. eine Informationsquelle, was auch die Ähnlichkeit des 1. Buches der „Widerlegung“ mit dem Werk des Diogenes Laërtios erklärt. Diese Gegenüberstellung der paganen Zitate in der apologetischen und antignostischen Literatur ist eine indirekte Bestätigung und zugleich eine Erklärung des Umstands, dass das „positive Zitieren“ in den Briefen des Paulus und seiner Nachfolger nicht weiter gehen konnte, als höchstens einzuräumen, dass, wie in Tit 1,12, Epimenides in Bezug auf die Laster seiner Landsleute recht hatte. „Im

 Hippolyt gebraucht mehrfach (Ref. 1.26.4, 4.15.2 u. a.) die uns schon bekannte Redewendung ἀφορμὰς λαβεῖν (vgl. Aristobulos – 2.3.1 und Justin – 4.3.2).  Vgl. die oben (4.4) angeführten Stellen.

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Areopag“ konnte jedoch sowohl Paulus als auch jeder andere christliche – oder auch jüdische – Prediger auf die „Heiden“ in einem positiveren Sinne verweisen. Dabei gibt es auch wichtige Merkmale, die für apologetische und antignostische Schriften gemeinsam sind. Erstens wird in beiden Fällen gegen diejenigen polemisiert, die „Gott nicht kennen“, und zwar gründlicher als in der neutestamentlichen Paränese, und mit größerer Anzahl der Zitate; zweitens werden in beiden Fällen Prioritäts- und Konsenstheorien benutzt, besonders aber die Entlehnungs- und Entstellungstheorien: Die Gnostiker „schulden“ alles den Griechen und teilweise auch anderen Heiden und verdrehen das, was sie entlehnt haben;⁹⁶ drittens enthält die griechische Philosophie und auch die Dichtung etwas Positives verglichen mit den gnostischen Meinungen;⁹⁷ in der Apologetik dementsprechend mit den Vorstellungen der „einfachen Heiden“, deshalb wird sie auch zitiert. Irenäus und Hippolyt nehmen also von einer positiven Bewertung des Griechentums Abstand, die wir bei den Apologeten vorfinden, doch machen die beiden von Zitaten Gebrauch, und zwar nicht so sehr, um die griechischen Philosophen und Dichter zu widerlegen, sondern diejenigen, deren Gesinnung bei all ihrer Verehrung der Griechen doch schlechter als die der Griechen war.⁹⁸

4.4.4 Bemerkungen zum paganen Zitieren in den gnostischen Schriften (Zeugnisse Hippolyts und der Texte aus Nag Hammadi) Viele pagane Zitate, die im Werk von Hippolyt vorkommen, stammen eigentlich von seinen Gegnern, d. h. von den gnostischen Schriftstellern, die er, wie bereits erwähnt, ständig des Nachahmens bezichtigt. Die Frage nach dem Zitieren bei den Gnostikern ist insbesondere kompliziert, da das Bild davon in den Zeugnissen von Hippolyt wesentlich anders aussieht als in den Texten der Bibliothek, die im ägyptischen Nag Hammadi 1945 entdeckt wurde. Obwohl das Thema des Gnostizismus eigentlich außer unserer Kompetenz liegt, und das gnostische Christentum überhaupt ein Thema für sich ist, soll hier auf diese wichtige Frage dennoch in angemessener Kürze eingegangen werden.

 S. Irenäus, Adv. Haer. 2.9.2; Le Boulluec, A., La notion d’hérésie dans la literature grecque IIe–IIIe siècles. Vol. I–II, Paris 1985, 124; Pilhofer, Presbyteron kreitton, 291 f.  S. z. B. Hippolyt, Ref., prooem. 8 f.  Das 10. Buch von Hippolyt (s. 4.4.2) ist mit der „Apologie“ des Aristides zu vergleichen: die Beziehung zur griechischen Philosophie ist hier und da gleich negativ, insbesondere weil die beiden Verfasser, obwohl pagane Texte bei ihnen im Blick sind, wirkliche Zitate vermeiden.

4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s

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Der Unterschied liegt darin, dass nach Hippolyt pagane Schriften der Gnostiker sehr beliebt waren und ziemlich oft neben der Bibel zitiert wurden, wohingegen in den Texten von Nag Hammadi solche Zitate äußerst selten sind. Wenden wir uns zunächst dem Befund von Nag Hammadi zu. Dass der Gnostizismus von griechischem Gedankengut stark beeinflusst wurde, war schon immer eine bekannte Tatsache, die auch von den Nag Hammadi-Texten bestätigt wird.⁹⁹ Man müsste sich daher wundern, wie wenig dort pagane Autoren erwähnt und zitiert werden.¹⁰⁰ Um ein eindeutiges Zitat dieser Art handelt es sich im ganzen Nag HammadiCorpus nur ein einziges Mal: In der „Erzählung über die Seele“ (ExAn, NH II, 6), wo auch die Bibel (sowohl Altes als auch Neues Testament) überdurchschnittlich oft zitiert wird, kommt es ganz am Ende des Traktates auch zur Nacherzählung und dann auch einmal zum richtigen Zitieren der „Odyssee“: NH II, 136,16 – 137,11: So ziemt es sich, dass wir zu Gott beten in der Nacht und Tag […] wie die, die in der Mitte des befahrenen Meeres [treiben], zu Gott beten aus ganzem Herzen ohne Heuchelei. Denn die, die in Heuchelei beten, täuschen sich selbst […] Denn niemand ist der Rettung würdig, wenn er noch den Ort der Täuschung liebt. Deswegen ist beim Dichter geschrieben: Odysseus saß auf der Insel,weinte und trauerte, wendete sein Gesicht ab von den Worten der Kalypso und ihren Täuschungen [und] begehrte, seine Stadt und Rauch aus ihr emporsteigen zu sehen. Und [wenn er] nicht Hilfe aus dem Himmel [erhalten hätte], hätte er nicht [zurückkehren können] in seine Stadt. Wiederum sagt auch [Helena:] Mein Herz hat sich von mir gewandt. Ich will wieder zu meinem Haus gehen. Sie seufzte nämlich und sagte: Aphrodite ist es, die mich getäuscht und mich aus meiner Stadt entführt hat. Meine einzige Tochter habe ich verlassen und meinen guten, klugen, schönen Ehemann. Denn wenn die Seele ihren vollkommenen Ehemann verlässt wegen der Täuschung der Aphrodite, die in der irdischen Zeugung liegt, dann wird sie Schaden nehmen. Wenn sie aber seufzt und bereut, wird sie zu ihrem Haus zurückgebracht werden.¹⁰¹

Zunächst also erzählt der Autor eine Stelle aus der „Odyssee“ (wahrscheinlich Od. 1.48 – 59¹⁰²) nach, um dann zum direkten Zitieren (Od. 4.259 – 264¹⁰³) zu übergehen.

 S. z. B. Böhlig, A., Die griechische Schule und die Bibliothek von Nag Hammadi, in: J.-É. Ménard (Hg.), Les Textes de Nag Hammadi. Colloque du Centre d’Histoire des Religions (Strasbourg, 23 – 25 octobre 1974), Leiden 1975, 41– 44.  Alle, oder fast alle, Werke sind in griechischer Sprache entstanden, dabei bleibt der griechische Wortlaut auch in den koptischen Übersetzungen sehr oft erkennbar.  Zitiert nach Kulawik, Erzählung, 57– 58.  Ebd., 258.  Zu den Ungenauigkeiten der Zitate s. ebd., 262– 265. Wie diese Zitate in der griechischen Vorlage der „Erzählung“ genau aussahen, ist wohl nicht mehr zu klären.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Es wird hier, wie auch die Herausgeber des Textes betonen,¹⁰⁴ im paränetischen Kontext zitiert, bei der vorhergehenden „ontologischen Grundlegung“¹⁰⁵ wird jedoch ausschließlich von biblischen Texten Gebrauch gemacht. Wir sehen, dass diese Art von Zitieren der neutestamentlichen sehr nahe steht. Der Autor zitiert pagane Schriften 1) wenig (im Vergleich zu der Bibel), 2) nur im paränetischen Zusammenhang, 3) spricht er gerade hier¹⁰⁶ von einer πλάνη, der man vorbeugen soll, 4) weist er darauf hin, dass manche seiner Leser dieser Täuschung noch (ἔτι) unterliegen können, sich gerade an der „Grenze der Wahrheit“ befinden. In anderen Schriften gibt es lediglich seltene Anspielungen auf klassische Texte, kein echtes Zitieren. Was ist nun der Grund, warum viele gnostische Schriften, die dem Hippolyt vorlagen, griechische Zitate, wie es scheint, in großer Anzahl enthielten? Dieses Problem bedarf bestimmt einer ausführlicheren Analyse, eine Vermutung ist jedoch bereits hier auszusprechen, die von unserer Erfahrung mit dem apologetischen externen Zitieren her zutreffend zu sein scheint. Vielleicht ging es bei einigen Schriften, die von Hippolyt benutzt wurden, um externe, bei den Texten von Nag Hammadi aber um interne Dokumente des Gnostizismus. Man muss sich vor Augen halten, dass für die Gnostiker nicht nur ein paganes, sondern auch (und erst recht!) ein (kirchen)christliches Auditorium extern war. Deswegen durften auch biblische Zitate keineswegs ausbleiben, sie waren für christliche Leser gut verständlich, jedoch machte die Bekanntschaft mit den beiden Testamenten diese Leser noch nicht zu „echten Gnostikern“. Sie blieben für die Anhänger der gnostischen Sekten fast auf einer Ebene mit den „Heiden“, d. h. im Grunde genommen ebenso „unwissend“ wie jene. Darum brauchten wohl die gnostischen Autoren in ihren polemisch-apologetischen Werken keinen großen Unterschied zwischen biblischen und nichtbiblischen Zitaten zu machen.¹⁰⁷

 S. insbes. Kulawik, Erzählung, 285.  Ebd.  „Von Selbsttäuschung […] ist nur an dieser Stelle innerhalb der ExAn direkt die Rede“ (ebd., 253).  Vgl. folgende Bemerkung von einem Gnostiker: „Heiden, d. h. die Leute, die von meinem Wissen (τῆς ἐμῆς γνώσεως) weit entfernt sind“, also bestimmt auch Christen (Epiph., Panarion 21,3,3, im Namen von Simon Magus gesagt).Wörter wie ἀγνωσία oder ἄγνοια treten sehr häufig auf, weil ja der Unterschied zwischen Wissen und Unwissen für die Gnostiker am wichtigsten war.

4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s

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Eines der von Hippolyt behandelten Werke ist eine ᾿Aπόφασις – angeblich von Simon Magus verfasst¹⁰⁸ –, was sowohl „Verkündigung“ als auch „Orakel“, aber auch „Antwort“, d. h. also praktisch so viel wie ἀπολογία) bedeuten kann. Bereits in kleineren Abschnitten, die von Hippolyt abgeschrieben bzw. nacherzählt werden, kommen mehrere pagane Zitate vor. Eine wohl von derselben gnostischen Gruppe stammende Schrift aus Nag Hammadi (NH VI,4),¹⁰⁹ die eher apokalyptisch als apologetisch – also intern – ausgerichtet ist, enthält aber keine solchen. Ein Werk der Naassener-Sekte, das man nicht zufällig als „Predigt“ zu bezeichnen pflegt,¹¹⁰ scheint ebenfalls an ein „nichtgnostisches“ Auditorium gerichtet zu sein. Die Leser oder Zuhörer werden einmal (5.7.30) als κακοδαίμονες angeredet, und zwar in einem Abschnitt, in dem es um „richtiges“ Verstehen einer Homer-Passage geht. Es werden recht ausführlich (5.7.30 – 37) die ersten zwölf Zeilen des 24. Buches der „Odyssee“ analysiert, die, genau nach der Methode von Philo, nicht wörtlich verstanden werden sollen, sondern einer allegorischen Deutung bedürfen. Daneben wird noch ein Vers des Empedokles (5.7.30, Fragm. 119 Diels – Kranz) zitiert, an biblischen Zitaten mangelt es auch nicht. Von besonderem Interesse ist ein Werk der Peraten-Sekte (5.16), in dem zunächst die Sibyllinen (Fragm. 3,1) zitiert werden, erst danach aber Homer (Il. 15.36 – 38) und Heraklit (Fragm. 36 Diels – Kranz), wobei eine starke Abhängigkeit vom Gedankengut Philos unverkennbar ist.¹¹¹ Des Weiteren werden Bibelstellen angeführt, denen wiederum pagane Zitate, diesmal aus dem Werk des Aratos folgen. Dieses unbenannte Werk wird vom Hippolyt deutlich von einem anderen („Proasteioi“ – 5.14) unterschieden, das wahrscheinlich bereits für die Eingeweihten geschrieben war; im angeführten Abschnitt sind keine paganen Zitate enthalten. Dagegen wirkt in diesem zweiten Werk bereits die erste Zeile (5.16.1) stark apologetisch: Die gnostische Gruppe („wir“) stellt sich allen anderen Menschen entgegen, indem sie behauptet, dass diese „wir“ alleine imstande sind, „das Verderben durchzugehen und zu überwinden“.

 Stammt sicherlich nicht von Simon selbst. Zu diesem Werk s. Haenchen, E., „Gab es eine vorchristliche Gnosis?“, in: ZThK 49 (1952), 316 – 349 (zur Bedeutung von ἀπόφασις s. 319, Anm. 2); J. Frickel, Die „Apophasis Megale“ in Hippolyt’s Refutatio (VI 9 – 18): eine Paraphrase zur Apophasis Simons (OCA 182), Roma 1968; Williams, F., Mental Perception. A Commentary on NHC VI,4. The Concept of Our Great Power (Nag Hammadi and Manichaean studies 51), Leiden et al. 2001.  S. Williams, Mental Perception, bes. App. 3 – 4 (232– 245).  Zu diesem Werk s. Frickel, J., Hellenistische Erlösung in christlicher Deutung. Die gnostische Naassenerschrift (Nag Hammadi Studies 19), Leiden 1984.  Der Name der Sekte und das Begriff „Ägypten“ werden genau nach Philo (Post. 62; Agr. 89 u.ö.) interpretiert.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Es handelt sich also bei manchen gnostischen Schriften, die vom Hippolyt zitiert werden, wahrscheinlich um apologetische Werke, die von der jüdisch-hellenistischen Tradition beeinflusst zu sein scheinen. Neben den Wirkungen von Philo und der Erwähnung der Sibyllinen ist noch Folgendes bemerkenswert: Wenn auch für die Gnostiker die Prioritäts- und Entlehnungstheorien keine große Rolle zu spielen scheinen,¹¹² so finden wir bei ihnen doch eine richtige Konsenstheorie („unterbewusstes“ Wissen der Heiden und Christen) und auch eine Art der „Theorie des göttlichen Logos“, wo es um das „Zeugnis der ganzen Schöpfung“¹¹³ für eine bestimmte gnostische Lehre geht. Es gab gewiss auch esoterische Schriften, die dem Hippolyt bekannt waren,¹¹⁴ gerade dort werden aber „entsprechende“ Stellen aus der paganen Literatur nicht von dem Autor, sondern nur von Hippolyt selbst gelegentlich zitiert.¹¹⁵ Wenn unsere Annahme stimmt, haben wir es in den gnostischen Werken mit derselben Situation zu tun, wie auch in den bereits betrachteten Schriften des kirchlichen Christentums: einerseits gibt es apologetische Texte, in denen pagane Literatur relativ häufig zitiert wird, andererseits „interne“ Texte, in denen solche Zitate sehr selten und dabei nur in paränetischen Zusammenhängen vorkommen. Für die beiden Fälle ist aber wiederum wie dort das gemeinsam, dass mit dem paganen Zitieren immer die Idee des „heidnischen Unwissens“ verbunden ist. Abschließend ist noch zu bemerken, dass auch der andere große Gegner des nichtkirchlichen Gnostizismus, Clemens von Alexandrien, in seinem Zitieren der paganen Schriften, wie auch sonst, teilweise von seinen gnostischen Opponenten beeinflusst werden konnte.

 Gelegentlich wird jedoch erwähnt, dass die Griechen (nur) Nachfolger der Ägypter u. a. sind (z. B. Ref. 5.7.28).  Μαρτυρεῖ αὐτῶν τῷ λόγῳ ὅλη ἡ κτίσις, meint dazu Hippolyt selbst (5.7.16).  Wie Thomas-Evangelium (5.7.20) und eine „Seth-Paraphrase“ (5.22.1).  Z. B. wird Justin dem Gnostiker vorgeworfen, er habe seine „Weisheit“ bei Herodot gestohlen (5.23 – 28),Valentin aber, er habe die seinige aus dem 2. Brief Platos geschöpft (beides zu Unrecht, so Marcovich, M., Hippolytus Refutatio omnium haeresium (Patristische Texte und Studien 25), Berlin / New York 1986, 36).

4.4 Zitate in der antignostischen Polemik des 2. – 3. Jh.s

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4.4.5 Paganes Schrifttum als „Niveau Null“ in der jüdischen antichristlichen Polemik: Bemerkungun zum Zitieren der paganen Schriften in den beiden ersten Büchern des „Gegen Kelsos“ von Origenes In die 2. Hälfte des 2. Jh.s gehört auch eine wichtige antichristliche polemische Schrift „Ein Wort der Wahrheit“ (oder „Wahre Lehre“, ᾿Aληθὴς λόγος) des paganen Philosophen Kelsos (Celsus), die im dagegen gerichteten Traktat von Origenes „Gegen Kelsos“ (3. Jh.) abschnittsweise zitiert wird. Im den Büchern 1 und 2 des Origenes-Werks wird derjenige Teil der KelsosSchrift nacherzählt, in dem antichristliche Polemik in den Mund eines Juden gelegt wird. Die meisten Forscher nehmen an, dass es dabei um eine fiktive Gestalt geht – was Origenes selbst auch so darstellt. In den letzten Jahren wurde diese skeptische Haltung durch die Arbeiten von E. Bammel¹¹⁶ in Frage gestellt. Bammel plädierte dafür, dass Kelsos tatsächlich eine ihm bekannte jüdischhellenistische antichristliche Schrift des 2. Jh.s benutzt. Es schien ihm dabei wichtig, auch die Methode des Zitierens der paganen Texte bei Kelsos selbst und bei dem mutmaßlichen jüdischen Polemisten miteinander zu vergleichen.¹¹⁷ Wenn ein vollständiger Beweis dem Forscher auch nicht ganz gelungen ist, muss doch eingeräumt werden, dass Kelsos höchstwahrscheinlich etwas von der jüdischen Polemik gegen das Christentum zur Kenntnis genommen und für seine Ziele benutzt hat.¹¹⁸ Bammel konnte zeigen, dass im „jüdischen“ Teil seltener und dabei etwas anders zitiert wird, als sonst bei Kelsos (und bei Origenes). Der „Jude“ macht lediglich von den griechischen Dichterwerken Gebrauch, nicht aber von den philosophischen, z. B. von Plato, den Kelsos selbst recht oft zitiert. Es geht um mindestens vier direkte Zitate.¹¹⁹ So wird ein Vers aus den „Bakchen“ zitiert,¹²⁰ was für uns schon an sich bemerkenswert ist (s. entsprechende Abschnitte der Kapitel 2 und 3). Der Kelsos-Jude vergleicht Jesus mit Dionysos, der sich von Pentheus zu retten und dann seinen Verfolger zu bestrafen vermochte: Keins von beiden ist aber Jesus gelungen, deswegen sei er nicht göttlich gewesen. Ein anderes Mal geht es um das Blut Jesu Christi, das, nach der ironischen Be-

 Bammel, E., „Der Jude des Celsus“, in: ders., Judaica. Kleine Schriften I (WUNT 37), Tübingen 1986, 265 – 283; Bammel, E., „Die Zitate in Origenes’ Schrift wider Celsus“, in: ders., Judaica et Paulina. Kleine Schriften II (WUNT 91), Tübingen 1997, 57– 61.  Bammel, „Zitate“.  Vgl. Lona, H.E., Die „Wahre Lehre“ des Kelsos (Kommentar zu frühchristlichen Apologeten, Ergänzungsband 1), Freiburg 2005, 176: „Kelsos erschafft also seinen Juden nicht ohne Vorkenntnisse und Modelle“.  C.C. I,67; II,34; II,36; II,55.  C.C. II,34 aus Bakch. 498: λύσει μ᾿ ὁ δαίμων αὐτός, ὅταν ἐγὼ θέλω.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

merkung des Juden, nicht dem göttlichen „Ichor“ ähnlich war.¹²¹ Origenes scheinen solche Ausführungen einem Juden nicht angemessen zu sein;¹²² er denkt dabei offensichtlich an das Judentum seiner eigenen Zeit (des 3. Jh.s also), der Kelsos-Jude dürfte aber für das hellenistische Judentum des 2. Jh.s. nicht untypisch sein.¹²³ Es ist interessant, dass das Christentum hier aus jüdischer Sicht als eine Form des Heidentums empfunden und kritisiert wird. Pagane Mythologie und Literatur dienen hier also, genauso wie in der christlichen antignostischen Polemik (s. oben), als Vergleichsquelle, als „Niveau Null“, das vollkommene Verkehrtheit des zu bekämpfenden Christentums veranschaulichen soll. Und wieder ist die Situation der euripideischen „Bakchen“ dem – jetzt antichristlichen – Propagandisten höchst willkommen: Obwohl kein echter Gott, ist Dionysos doch eher göttlich, als Jesus.¹²⁴ Wer an Jesus dabei noch glauben kann, will der Kelsos-Jude sagen, muss ganz dumm oder verrückt sein, jedenfalls ist einem solchen die Kenntnis des echten Gottes völlig fremd. Diese Idee entspricht aber genau dem Zusammenhang der paganen Zitate in den christlichen und gnostischen Werken. Wir können nicht genau wissen, ob Kelsos in Wirklichkeit eine jüdische polemische Schrift zur Kenntnis nahm. Ebensowenig sind wir also imstande, die Häufigkeit der paganen Zitate zu erklären und das konkrete Auditorium dieser Schrift genauer zu definieren.¹²⁵ Es ist jedoch klar, dass im 2. Buch Judenchristen angeredet werden, die noch als Juden empfunden werden, jedoch freiwillig „ihren Namen und ihr Leben geändert hatten“ (II,1) und dass die Zitate dieser Art dort nicht ganz selten vorkommen. Man kann vermuten, dass hier dieselbe Situation vorliegt, wie im Fall der antignostischen Polemik. Im Gegensatz zur Apologetik, wendet sich hier das Alte gegen das Neue: Judentum gegen Christentum, wie dort Christentum gegen gnostische „Neuerungen“. Rein hypothetisch könnte man sogar annehmen, dass diese jüdische Polemik, die noch in die erste Hälfte des 2. Jh.s gehören mag, für die christliche antignostische Literatur vorbildhaft sein konnte, vielleicht auch in Sachen Zitieren der paganen Schriften.  C.C. II,36 aus Il. 5.40: ἰχώρ, οἱός περ ῥέει μακάρεσσι θεοῖσιν.  Vgl. C.C., ebd.: οὐ πάνυ μὲν οὖν Ἰουδαῖοι τὰ Ἑλλήνων φιλολογοῦσιν (vgl. noch II,67).  S. Bammel, Zitate, 60 – 61.  In ähnlicher Situation ist auch schon Philo, wenn er den römischen Kaiser Gaius Caligula mit den griechischen Heroen und Göttern vergleicht (Legat. 74– 113). Philo glaubt zwar nicht an diese Götter als an solche, es liegt ihm aber daran, die Nichtigkeit der Ansprüche des judenfeindlichen Kaisers aufzuzeigen. Allerdings werden dabei keine paganen Texte zitiert.  Ähnliche Texte dürften doch wohl existieren. T.J. Horner betrachtet in seinem Buch Listening to Trypho: Justin’s ‘Dialogue with Trypho’ Reconsidered (Contributions to Biblical Exegesis & Theology 28), Leuven/Paris 2001 ernsthaft die Möglichkeit, dass ein solcher hinter der Person des jüdischen Gegners von Justin in seinem „Dialog mit Trypho“ steckt.

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

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4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt der christlichen Tradition und der Theorie des „paganen Zitierens“¹²⁶ Keine jüdisch-hellenistische oder frühchristliche Schrift kann den „Stromata“ an die Seite gestellt werden, was verschiedenartige außerbiblische Zitate und Anspielungen betrifft. In dieser, zunächst rein quantitativer Hinsicht waren wir schon von vornherein bereit, dieses Werk als den Höhepunkt des ganzen frühchristlichen Zitierens der paganen Texte anzusehen (s. 1.1.4).Wenn wir die „Stromata“ von dem uns interessierenden Standpunkt aus betrachten werden, soll es dem Nachweis dienen, dass dieses Werk verschiedentlich in diejenige Tradition der praktischen Verwendung der Entlehnungen aus der außerbiblischen Tradition und der theoretischen Begründung derselben eingefügt ist, die in der vorliegenden Abhandlung von dem 2. Jh. v.Chr. bis ins 3. Jh. n.Chr. hinein verfolgt wird.

4.5.1 Gnosis und griechische Philosophie in der apologetischen Literatur und in den „Stromata“ Ähnlich wie die mannigfaltigsten gnostischen Schulen schätzt Clemens das Wissen (γνῶσις) sehr hoch, darunter (und besonders) ein „verborgenes Wissen“ (Strom. 1.2.2; 1.55 – 56 u. a.). Clemens wendet sich nicht gegen die „Gnosis“ als solche, sondern nur gegen eine „falsche Gnosis“ (vgl. ἡ ψευδόνυμος γνῶσις – 1 Tim. 6,20 = Strom. 3.110.3) und preist gleichzeitig „den [wahren] Gnostiker“ (ὁ γνωστικός – Strom. 5.1.1; 6.168.4 u. a.), der nicht nur der wahre Christ, sondern auch der wahre Weise ist. Wir haben schon gesehen (s. 4.4), dass in der antignostischen Literatur eine enge Verbindung der gnostischen Lehren mit der griechischen Philosophie (die Dichtung gilt als ein Teil davon) betont wird. Wenn Irenäus und Hippolyt auf die Vorteile der Philosophie im Vergleich zu der „Gnosis“ hinweisen, geschieht das bei

 S. zu diesem Thema Wyrwa, D., Die christliche Platonaneignung in den Stromateis des Clemens von Alexandrien (Arbeiten zur Kirchengeschichte 53), Berlin/New York 1983; Ridings, Attic Moses, 29 – 130; Schneider, U., Theologie als christliche Philosophie. Zur Bedeutung der biblischen Botschaft im Denken des Clemens von Alexandria (Arbeiten zur Kirchengeschichte 73), Berlin/New York 1999. P. Pilhofer schließt die Werke von Clemens sowie die seiner Nachfolger aus der Betrachtung aus, da er glaubt, es „hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt“ (Presbyteron kreitton, 285). Unsere Darlegung folgt der allgemeinen Logik unseres Buches, was eher Verweise auf den Clemens-Text selbst, als auf sekundäre Literatur fordert, obwohl in dieser oft dieselben Textstellen schon behandelt wurden.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Clemens natürlich noch ausdrücklicher; für ihn ist ja Philosophie bestimmt etwas Positives und nicht lediglich eine „Null“ (Strom. 1.19; 1.38 u. a.). Bei der Betrachtung der gnostischen Meinungen zu den Grundfragen der christlichen Lehre¹²⁷ zitiert Clemens fast in jedem Kapitel – oft auch mehrmals in einem Kapitel – neben der Bibel und den christlichen Schriften auch die Werke der paganen Schriftsteller. Für ein richtiges Verständnis der „Stromata“ ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, was eigentlich Clemens an der griechischen Philosophie hochschätzt und wodurch diese die Bibel „ergänzen“ kann. Diese Frage ist auf zweierlei Art zu beantworten, wobei die beiden Varianten einander nicht ausschließen, sondern sich vervollständigen, und beide sind für unser Thema von Bedeutung.¹²⁸ 1. Clemens lobt keine konkreten Philosophen oder philosophischen Schulen, sondern eine Auswahl (es wird das Wort τὸ ἐκλεκτικόν gebraucht – Strom. 1.37.6) aus den ihm bekannten Büchern der griechischen Schriftsteller. Diese „ausgewählten Stellen“ sind dadurch gekennzeichnet, dass sie alle, mehr oder weniger gezwungen, mit irgendwelchen Bibelstellen vergleichbar sind.¹²⁹ 2. Clemens entlehnt pythagoreische, platonische und stoische Ideen, die in der Bibel fehlen, den Werken Philos von Alexandrien; deswegen ist die „Philosophie der Griechen“ bei Clemens in Wirklichkeit die Philosophie von Philo, allerdings mit vielen Verweisen auf die paganen Quellen Philos und mit nur sehr spärlichen direkten Erwähnungen Philos selbst.¹³⁰ Unsere beiden Antworten laufen auf eines hinaus: Die „griechische Philosophie“ ist für Clemens die biblische, jüdisch-christliche Philosophie, die aber in verschiedenen griechischen Büchern verstreut und nicht im Alten oder Neuen Testament vereinigt vorliegt. Wenn dem so ist, wird uns die Tatsache nicht wundern, dass Clemens alle diejenigen Mitteln verwendet, die von der jüdisch-christlichen Tradition innerhalb von beinahe 400 Jahren erzeugt worden waren, sowohl in der praktischen Be-

 „Stromata“ ist kein antignostischer Traktat schlechthin, doch, worum es auch immer dort geht, werden von Clemens ständig seine gnostischen Opponenten gemeint, zitiert und widerlegt.  Uns ist es auf jeden Fall unmöglich, auf die Frage einzugehen, welche der beiden „die Richtigere“ ist. Vgl. zwei ebenfalls einander vervollständigende Antworten zu der Einstellung Philos zu Plato: Runia, Timaeus, 528 – 531.  S. Mees, M., Die Zitate aus dem Neuen Testament bei Clemens von Alexandrien (VetChr – Quaderni 2), Bari 1970, 205 – 212: hier sind die Fälle gesammelt, in welchen die NT-Stellen als Beleg für dieselbe Gedanken verwendet werden, wie auch die daneben stehenden paganen Zitate (für das AT gibt es wesentlich mehr Beispiele).  S. van den Hoek, Use of Philo (die Texte von Philo werden von Clemens mehr als 200 Mal benutzt, ihr Verfasser aber lediglich viermal direkt erwähnt).

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

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nutzung der griechischen Texte, als auch in der theoretischen Bewältigung dieser Benutzung.

4.5.2 Theoretische Begründung des Zitierens der paganen Texte in den „Stromata“ Alle Erläuterungen, inwiefern die griechische Philosophie „gut“ ist und inwiefern sie dabei „nicht genügend gut“ ist, sind keinesfalls Erfindungen des Clemens selbst; vielmehr sind diese Erläuterungen den Vorgängern entlehnt, hauptsächlich den jüdischen, teilweise auch den christlichen. Der erste Teil der „Stromata“ ist hauptsächlich der Philosophie gewidmet, deswegen spricht Clemens schon hier auf die eine oder andere Weise all jene Ideen aus, auf die er oft später zurückgreift. Die erste breitere Überlegung zu diesem Thema (1.28.1– 3) sieht folgendermaßen aus: „Es war also vor der Ankunft des Herrn die Philosophie für die Griechen notwendig zur Gerechtigkeit, jetzt aber wird sie nützlich zur Gottseligkeit, indem sie gewissermaßen eine Vorbereitung ist für solche, welche den Glauben durch Demonstration gewinnen. Denn es heißt: ‚Dein Fuß wird nicht anstoßen‘, wenn du auf die Vorsehung das Gute beziehst, es gehöre den Hellenen an oder uns. Denn Gott ist Urheber alles Guten, jedoch teils unmittelbar (κατὰ τὸ προηγούμενον) wie des alten oder neuen Bundes, teils nachträglich (κατ᾿ ἐπακολούθημα) wie der Philosophie. Vielleicht aber wurde sie den Hellenen auch unmittelbar (προηγουμένως) gegeben zur Zeit, bevor der Herr die Hellenen berief. Denn auch sie war eine Erzieherin (ἐπαιδαγώγει) des Hellenenvolks, wie das Gesetz den Hebräern, auf Christus“. Für Clemens ist die Sache also folgendermaßen beschaffen: 1) Philosophie ist etwas Gutes, alles Gute kommt aber von dem Einen Gott; 2) das „Griechische“ wird dem „Unsrigen“ entgegengestellt,wobei unter dem „Unsrigen“ die beiden Teile der Bibel gemeint sind; 3) es ist möglich, dass das „Griechische“ und das „Unsrige“ als ἐπακολούθημα und προηγούμενον entgegengestellt werden sollen; 4) andererseits ist auch möglich, dass die Wahrheit den Griechen genauso προηγουμένως gegeben worden ist, wie auch den Juden, dann wären die griechische Philosophie und das jüdische Gesetz gleichwertig. Die beiden ersten Punkte bilden die Konsenstheorie; das Schema ist hier „Gott – Wahrheit – Juden/Christen und Griechen“: Es gibt nur eine Wahrheit, und es kann keine unterschiedlichen „Wahrheiten“ (eine für die „Griechen“ und eine für „uns“) geben. Ferner ist das Wort ἐπακολούθημα (Punkt 3) ein Hinweis auf die Entlehnungstheorie (es bedeutet auch genau „das Befolgen“), diese Theorie wird weiter unten ausführlich dargelegt. Ebenda (Punkt 4) wird als eine andere Auffassung

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

der Wahrheitsherkunft bei den Griechen die „Theorie der direkten göttlichen Leitung“ angeführt, die nach wie vor auch als „Theorie des göttlichen Logos“ bezeichnet werden darf, weil Clemens (wie Justin – s. 4.3.2) über „die Samen der Wahrheit“ redet. Schon in 1.20.4 geht es um „die Samen des Wissens“ (τὰ τῆς γνώσεως σπέρματα), die die „Stromata“ aufbewahren (κρύπτειν) sollen, in 1.37.2 f. erwähnt Clemens unmittelbar die Samen, die vom göttlichen Logos bewässert werden. Im Kap. 59 beginnt der Verfasser damit, die Geschichte der griechischen Philosophie nachzuerzählen, doch macht er dies anders als z. B. Diogenes Laërtios. Kaum hat Clemens seine Darlegung begonnen, interessiert ihn schon eine andere Tradition wesentlich mehr, als die griechische. Nachdem nur die Namen der „Sieben Weisen“ genannt worden sind (1.59.1), teilt Clemens mit, dass zu diesen manchmal auch Epimenides von Kreta gezählt wird, der vom Apostel Paulus im Tit (1,12) zitiert wurde (1.59.2). Dass selbst der Apostel „sich nicht schämt“, die Griechen zu zitieren, leistet den Ideen von Clemens Unterstützung (1.59.3). Er bemerkt weiter, Paulus habe auch andere „Heiden“ zitiert: als Beispiel dient 1 Kor 15,33 (1.59.4). Nachdem Clemens mit den „Sieben Weisen“ Schluss gemacht hat (1.59.5), erklärt er (1.60.1): „Dass nun die Weisen der Griechen dem Alter nach tiefer gehören als Moses, wird bald gezeigt werden. Die Art und Weise ihres Philosophierens, insofern sie hebräisch war und in Rätselworten sich bewegte (Ἑβραϊκὸς καὶ αἰνιγματώδης), ist nun zu betrachten“. Die Kap. 60 – 64 sind der „Nachfolge“ der griechischen Schulen gewidmet; auch hier ist es für Clemens von Bedeutung (1.62.1), dass von den drei Schulen – der italischen, der ionischen und der eleischen – zwei von Männern nichtgriechischer Herkunft gegründet worden waren (Pythagoras war ein Syrer oder ein Phönizier, Thales vielleicht auch ein Phönizier und war auf jeden Fall ein Jünger der Ägypter). Lediglich eine, eleische Schule hat ein Grieche, und zwar Xenophan gegründet, doch vergisst Clemens auch hier nicht zu bemerken, dass ihre „Nachfolge“ zu dem gottlosen Epikur führt (1.64.2– 4). Es ist durchaus klar, dass der Autor die wohlbekannte Entlehnungstheorie vorbringt. Es ist auch nur natürlich, dass er gleich danach zum Thema Chronologie übergeht, denn die Entlehnungstheorie ist mit der Prioritätstheorie eng verbunden (1.64.5): „Dies ist die Reihenfolge der griechischen Philosophen im Überblick. Die Zeit der ältesten von ihnen wird nun der Folge nach anzugehen sein, damit wir durch Vergleichung beweisen, dass die Philosophie der Hebräer um viele Generationen älter war“. In den Kap. 66 – 80 wird die Abhängigkeit der Griechen von den „Barbaren“ ausführlich gezeigt, wobei die Priorität des jüdischen Volkes mehrfach erwähnt

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wird (1.72.4; 73.6; 79.5).¹³¹ Eigentlich, sagt Clemens, ist die Philosophie eine ursprünglich nichtgriechische Erscheinung: „Philosophie also blühte als eine große, nutzenbringende Sache vor alters bei den Barbaren, leuchtete zu den Heiden hindurch und kam zuletzt auch zu den Hellenen“ (1.71.3).¹³² Bei der Darlegung der Prioritätstheorie stützte sich Clemens auf die schon bestehende Tradition; auf Philo und Aristobulos verweist er in diesem Fall direkt (1.72.4), bezeichnet sie jedoch nicht als Juden, sondern als einen „Pythagoräer“ und einen „Peripatetiker“.¹³³ Der Abschnitt aus dem Werk des Klearchos, auf den Clemens in 1.70.2 Bezug nimmt, ist möglicherweise dem Josephus-Werk entlehnt (C.Ap. 1.176 – 183; s. 2.3.4) oder aber der Quelle des Josephus, dem Werk von Alexander Polyhistor, das daneben zitiert wird – 1.70.1. Es wird auch die Sibylle erwähnt, wohl als eine Vertreterin der alten „barbarischen“ Weisheit.¹³⁴ Die Überlegungen zum Thema der „barbarischen Erfindungen“ (Kap. 74– 76) werden mit Verweisen auf pagane Autoren versehen (1.77.1), klingen aber stark an Tatian an (Or. 1).¹³⁵ Zum Schluss seiner Betrachtungen der griechischen „Entlehnungen“ bemerkt Clemens (1.80.5): „Die hellenische Philosophie also hat, wie manche meinen, durch Zufall irgendwie Anteil an der Wahrheit, aber in dunkler Weise und nicht an der ganzen, hat aber, wie andere wollen, ihren Anstoß vom Teufel erhalten“. Das zeugt deutlich davon, dass Clemens die Ansichten seiner christlichen Vorgänger wohlbekannt waren: einerseits die von Tatian und Theophilos, andererseits diejenigen von Justin und Athenagoras.¹³⁶ Clemens polemisiert zwar gegen die beiden Ansichten, pflichtet jedoch teilweise den beiden bei. Er räumt ein, dass „die hellenische Philosophie die Größe der Wahrheit nicht umfasst, und außerdem die Kraft nicht hat, die Gebote des Herrn zu erfüllen“ (1.80.6) und auch dass die griechischen Philosophen vielleicht

 In 1.71.1 f. wird auch der römische König Numa als Nachfolger des Mose bezeichnet.  Dasselbe wird unten (1.74.1) auch von anderen „Künsten“ (τέχναι) behauptet.  D. Runia,Why does Clement of Alexandria call Philo „the Pythagorean“?, in:VigChr 49 (1995), 1– 22) meint, Clemens habe den Philo als einen „Pythagoräer“ nicht der „Tarnung“ wegen bezeichnet, sondern vielmehr um auf die philosophischen Präferenzen von Philo hinzuweisen, doch ist auch Runia damit einverstanden, dass das Judentum des Philo für Clemens bei seiner Beweisführung ein Hindernis war: Vom Altertum des jüdischen Volkes sollte ein Grieche zeugen (ebd., 6).  Von der „Theorie des göttlichen Logos“ bei Clemens s. unten. Von der Sibylle als „der Prophetin der Juden“ s. Protr. 71.4 (s. oben – 4.3.6).  Tatian wird von Clemens dann auch direkt erwähnt (1.101.2, 102.2).  Clemens erwähnt hier noch eine dritte Möglichkeit: Die Philosophie wurde den Griechen von einer Art „unterste“ Engel gebracht (denselben Gedanken s. auch in Strom. 7.6.4). Offensichtlich kommt diese Idee von anderen, uns unbekannten christlichen Schriftstellern.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

doch „Diebe und Räuber“ (κλέπται καὶ λῃσταί)¹³⁷ gewesen sind, „als sie auch vor der Erscheinung des Herrn von den Propheten der Hebräer Teile der Wahrheit, ohne volles Erkennen, entlehnten, sondern sie sich aneigneten, als wären es ihre Lehrsätze, indem sie sie bald entstellten, bald auch in unnützer Weise ohne Verständnis ausführten, bald aber auch selbst fanden […]“ (1.87.2). Hier ist schon die Entstellungstheorie enthalten, wobei der Text dem obenangeführten Abschnitt aus dem Werk von Tatian (Or. 40; s. 4.3.3) dermaßen ähnlich aussieht, dass es kaum als Zufall gelten kann.¹³⁸ Clemens ist auch bereit zuzugeben, dass die Wahrheit von den gefallenen Engeln „vom Himmel gestohlen“ werden konnte (1.86.1).¹³⁹ Argumente gegen die „Kritiker der Philosophie“ sind zum einen, dass es nur eine Wahrheit gebe (s. oben), zum anderen, dass das „vom Himmel Gestohlene“ durch den Diebstahl ja nicht schlechter geworden sei (1.86.1– 3; 100.5). Darüber hinaus wird anerkannt, dass die Griechen die göttliche Wahrheit auch unmittelbar zu erkennen vermochten (1.87.2; 94.3 – vgl. oben 1.20.4; 37.2– 3). Clemens begnügt sich nicht damit, die Meinungen von Philo und Justin über die Bedeutung des göttlichen Logos darzulegen, sondern stützt sich in diesem Zusammenhang auf die Autorität des Paulus und zitiert (91.2– 4) den größten Teil seiner Areopagrede (Apg 17,22– 28). Dem folgt noch ein Paulus-Zitat, und zwar aus der Rede in Cäsarea (Apg 26,17 f.). Aus den angeführten neutestamentlichen Stellen schließt Clemens, 1) dass die Bezugnahme des Apostels auf Aratos die Richtigkeit vieler griechischen Meinungen bezeugt (91.5); 2) dass die Griechen den Schöpfer unter dem Namen des „unbekannten Gottes“ verehrten¹⁴⁰ (ebd.); 3) dass die Griechen blind waren und ihre Augen geöffnet werden sollten (92.2). Clemens lehnt also ein kritisches Verhalten gegenüber der Philosophie nirgends ab, mit den Kritikern derselben streitet er zwar, ist aber mit ihnen auch oft einverstanden.¹⁴¹ Alle „Theorien“ kommen bei ihm vermischt vor, keine bevorzugt er deutlich. Der Rest des 1. Buches der „Stromata“ (Kap. 101– 182) enthält hauptsächlich chronologische Berechnungen, die die Prioritätstheorie unterstützen sollen. Eine  Der Gedanke, dass diese Worte des Johannesevangeliums (Joh 10,8) auf die griechischen Philosophen bezogen sein können, wurde wahrscheinlich von irgendwelchen Vorgängern von Clemens ausgesprochen (vgl. Strom. 1.81.1).  Es werden gleiche Redewendungen gebraucht: περιεργία, (οὐ) κατ᾿ ἐπίγνωσιν, σοφισταί/ σοφίζομαι, παραχαράττω. Der Gedankengang der beiden Autoren ist auch fast identisch.  S. ausführlicher Bauckham, R., „The Fall of Angels as the Source of Philosophy in Hermias and Clement of Alexandria“, in: VigChr 39 (1985), 313 – 330, bes. 324.  Hier gebraucht Clemens sein Lieblingsverb αἰνίττομαι.  Lediglich „radikale“ Ideen werden abgelehnt, besonders diejenige, der Satan selbst sei der Stammvater der Philosophie (6.159.1).

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

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ausführliche Darlegung der Chronologie, die dem Schluss des Traktats des Tatian (4.3.3) und besonders dem des Theophilos (4.3.5) ähnlich ist, wird durch Verweise auf jüdisch-hellenistische Schriftsteller begleitet und/oder durch die Benutzung ihrer Texte, und zwar auf Josephus (1.147.2), Pseudo-Aristeas (1.148.1– 149.2),¹⁴² Aristobulos (1.150.1– 3), Philo („De vita Mosis“ – 1.153.2, auch andere Stellen ohne konkrete Verweise), Eupolemos (1.153.4), Artapanos (1.154.2– 3) und Hesekiel den Tragiker (1.155.1– 156.3). Nach der Erzählung vom Kriegstalent des Mose (wie es sich herausstellt, war er als Feldherr für die griechischen Strategen Vorbild – 1.158.1– 163.3) erklärt Clemens, Plato habe „seine [Aussagen] aus der Gesetzgebung des Mose entlehnt“ (1.165.1), von den Überlegungen von den Gesetzen und von dem einen Gesetz geht er zur Beschreibung der Mose-Lehre als der wahren Philosophie über, die Plato und Aristoteles nur nachzuahmen vermochten (1.176.1– 3). Zum Schluss des 1. Buches wird die Stelle aus „Timäus“ angeführt (22b), an der ein ägyptischer Priester die griechische „Kinderei“ verurteilt (1.180.1– 181.2). Theoretische Grundlagen der Benutzung der außerbiblischen Werke sind schon aus dem 1. Buch der Strom. ganz klar: Es wird auf verschiedene Art bewiesen, dass die griechische Philosophie sekundär und unvollkommen ist, wobei aber anerkannt wird, dass sie doch teilweise wahr und mit der Heiligen Schrift vereinbar ist. Clemens kommt im Traktat auf diese „Theorien“ ständig zurück; er will seine Leser daran erinnern, dass hinter der griechischen Wahrheit die eine Wahrheit der Bibel steht, hinter Plato und Homer – Mose und die Propheten.¹⁴³ Der Verfasser stützt sich dabei auf jüdisch-hellenistische Werke, Aussagen und Zitate von Paulus und auch auf die Texte der christlichen Schriftsteller, die den Status und den Sinn der griechischen Kultur schon früher als Clemens selbst zu erklären versuchten.

4.5.3 Praktische Benutzung der Zitate in den „Stromata“ Schon im 1. Buch wendet sich Clemens bei der theoretischen Überlegung von der griechischen und der „barbarischen“ Philosophie dem Zitieren der griechischen Texte zu. Im Folgenden wächst die Anzahl solcher Zitate. Wir wollen dieses Vor-

 Die Legende von der Entstehung der Septuaginta wird nach dem Aristeasbrief erzählt, der Name „Aristeas“ wird dabei jedoch nicht erwähnt.  S., z. B. Strom. 2.1.1– 2.4; 2.20.1; 5.10.1– 3; 6.4.2– 5.1; 6.156.1– 159.9.

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gehen jetzt ausführlicher betrachten, obwohl die wichtigsten Punkte in Bezug auf „Protreptikos“ (s. 4.3.6) schon erwähnt wurden. Insgesamt werden mehr oder weniger genaue pagane Zitate in den „Stromata“ ca. 700 Mal verwendet. Sie kommen zwar in allen 7 Büchern vor,¹⁴⁴ sind aber im Text nicht gleichmäßig verteilt. 70 bis 80 % aller Zitate sind, nach unseren Berechnungen, serienweise gebraucht.¹⁴⁵ Die Gesamtzahl der Serien beträgt mindestens 40. In den allermeisten Fällen werden sie von Clemens im Sinne der Konsenstheorie verwendet, d. h. die Ideen der paganen Autoren gelten als den biblischen entsprechend und zeugen, wenn auch nicht immer genau, von der Wahrheit (s. 4.5.2). Wichtige Ausnahmen sind die Serie von 18 Zitaten im 3. Buch (3.12.1– 3.24.3) und die längste (ca. 150 Zitate) Serie im Abschnitt 6.5.1– 6.27.5. Die erstere ist die einzige Serie im 3. Buch – die Gesamtzahl der Zitate ist ebenfalls im 3. Buch am geringsten –, was mit dem Inhalt desselben zusammenhängt. Dieser Abschnitt ist typisch antignostisch: Das Thema sind hier christliche und gnostische Doktrinen der Ehe. Die „Heiden“ werden als Bundesgenossen der Gnostiker geschildert, ihre Ideen werden verurteilt. Im zweiten Fall geht es um eine sehr lange Liste von Stellen aus der griechischen Dichtung, die hauptsächlich paarweise Gleichheit aufweisen; die Liste soll davon zeugen, dass die Griechen überhaupt zum Plagiat geneigt sind. Die größte Konzentration der paganen Zitate finden wir am Ende des 5. und am Anfang des 6. Buches der Strom. (5.89.1– 6.27.5).¹⁴⁶ In diesem Abschnitt, der keine 10 % des ganzen Texts der Strom. einnimmt, kommt mehr als ein Drittel aller außerbiblischen Zitate im Traktat vor (über 250). Dieser Abschnitt ist für das Zitieren in den Strom. überhaupt höchst bezeichnend: Wir finden hier in großer Konzentration das, was in anderen Teilen des Traktats gelegentlich vorkommt. Zunächst (5.89.1) erklärt Clemens: „Nun ist der folgende Stoff vorzubringen und der Diebstahl der Griechen an der barbarischen Philosophie noch deutlicher vorzuführen“. Also dienen alle folgenden Zitate aus den Werken der Philosophen und Dichter vor allem als Beweis dafür, dass die „Meinungen“ der Griechen sekundär waren, obwohl sie gleichzeitig auch das Vorhandensein der göttlichen Wahrheit bei den Griechen bezeugen.

 Das sog. 8. Buch der „Stromata“ ist in Wirklichkeit eine Sammlung der vereinzelten Entwürfe und kann nicht als ein zusammenhängender Text betrachtet werden.  Die Angabe kann nur ungefähr sein, weil eine Kombination aus zwei bis drei Zitaten nicht immer als Serie bezeichnet werden kann; von Bedeutung ist auch der Abstand zwischen den Zitaten.  Hier befindet sich auch die gerade erwähnte lange Serie.

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

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Die Zitate stehen hier neben den Nacherzählungen; ständig werden diese Zitate und Nacherzählungen mit Zitaten aus der Heiligen Schrift vermischt. Nach Clemens, hat, z. B. Plato in seinem „Timäus“ auf dem Genesis-Buch aufgebaut (Strom. 5.89.7– 90.1), Epikur seinerseits auf dem Prediger-Buch (5.90.2), Aristoteles ist aber einem Psalm gefolgt (5.90.3): Beispiele aus allen Bereichen der christlichen Lehre und der griechischen Philosophie werden in Menge angeführt. Es ist nur natürlich, dass Clemens in manchen Fällen von der propagandistischen Tradition der Apologetik Gebrauch macht: Als Beispiel der griechischen „Dämonologie“ gelten (5.92.5; 127.4) die δαίμονες von Plato (δαιμόνιον von Sokrates inbegriffen) – vgl. Athenagoras 24– 26 (s. 4.3.4); die Allmächtigkeit Gottes wird durch ein AratosZitat veranschaulicht (5.101.2– 3; vgl. 2.3.1 – Aristobulos, Fragm. 4), die Schöpfung der Welt durch Gott wird mit dem Mythos von Okeanos und Tethys verknüpft (5.100.5; vgl. Theophilos 2.5).¹⁴⁷ Gleichzeitig entwickelt Clemens auch alte Themen und findet dabei solche „Parallelen“, die keine Analogien in der früheren christlichen Literatur haben, darunter sogar eine „Prophezeiung“ von Plato über die Kreuzigung Christi (5.108.2– 3). Neben den echten Zitaten verwendet Clemens oft auch unechte und zwar diejenigen, die schon oben im Zusammenhang mit dem jüdisch-hellenistischen (Kap. 2) und christlich-apologetischen (3.2) Zitieren behandelt worden sind. Mit dem Verweis auf (Pseudo?)Hekatäus zitiert Clemens Pseudo-Sophocles (5.113.1), Fragmente des dramatischen Gnomologiums (5.119 – 122; 131; 133), „Sibyllinische Weissagungen“ (5.108.6; 115.6) und „Siebener-Verse“ (5.107). Bezeichnend ist, dass daneben auch ein Verweis auf Aristobulos steht (5.97.7), den Clemens dann auch zitiert, obwohl der Name des jüdischen Schriftstellers nicht erwähnt wird (5.99.3). Nachdem Clemens sein 5. Buch mit einer Serie aus ca. 120 Zitaten abgeschlossen hat, fügt er dennoch im 6. Buch noch ca. 150 am Anfang des 6. Buches hinzu (s. oben), wobei das Motiv des Diebstahls betont wird. Doch auch hier unterlässt es Clemens nicht zu bemerken, dass die Wahrheit eine für alle ist, also auch in Philosophie und Dichtung enthalten ist. Der ganze Abschnitt wird auf folgende Weise zusammengefasst (6.27.5): „Damit mag es genug sein. Denn es würde mir das Leben ausgehen, wenn ich das Einzelne durchgehen wollte, um den eitlen Diebstahl der Hellenen zu erweisen, und wie sie sich die Auffindung ihrer schönsten Lehrsätze zueignen, die sie von uns genommen haben“. Andere Serien und vereinzelte Zitate werden auch mit „Parallelen“ aus der Heiligen Schrift versehen, manchmal auch mit Bemerkungen, dass Heraklit etwas

 Auch das Homerzitat aus Il. 22.8 – 10 in Strom. 5.117.1 ist im Zusammenhang mit der Hypothese, die wir in 3.2.3.3 vorgeschlagen haben, bemerkenswert.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

„dem Salomo entlehnt hat“ (2.24.5) oder dass die Idee der religiösen Waschung von Mose an Homer gekommen ist (4.142.2).¹⁴⁸ Die außerbiblischen Texte werden von Clemens gar nicht immer genau zitiert, es ist aber einzuräumen, dass sie formal oft genauer sind als bei anderen Autoren, die der jüdisch-christlichen Tradition angehören. Z. B. wird der Anfang der AratosDichtung mit Namen „Zeus“ zitiert (5.101.2), also ohne Veränderung zu „Gott“, wie es bei Aristobulos der Fall war (s. 2.3.1); im „Timäus“-Zitat (41a) ist Clemens (5.102.5) auch korrekter als Philo (s. 2.3.3). Inhaltlich werden die Zitate sehr oft aus dem Zusammenhang gerissen (besonders gilt das für Zitate in Versen), was bei der Methode des „parallelen“ Zitierens (s. oben) nur natürlich ist. Bisweilen werden verschiedene Stellen miteinander kombiniert. So führt Clemens in 5.116.1 als eine einheitliche Stelle drei Odyssee-Verse an, die aber bei Homer nicht zueinander gehören: die beiden ersten sind Verse 9.410 – 411, der letzte – 9.275.

4.5.4 Fazit Dass die „Stromata“ einen echten Höhepunkt der jüdisch-christlichen Tradition des außerbiblischen Zitierens darstellen, bezeugen die oben dargelegten Fakten: 1. Die Gesamtzahl der Zitate – Nacherzählungen und Anspielungen nicht inbegriffen – beträgt ungefähr 700, was die Anzahl der Zitate in anderen frühchristlichen Werken weit übertrifft.¹⁴⁹ 2. In den „Stromata“ sind in großem Umfang Elemente der theoretischen Begleitung des betreffenden Vorgangs vorhanden, die aber auch für die jüdischchristliche Tradition überhaupt charakteristisch sind, und zwar die: a) Prioritätstheorie: historisch-chronologische Priorität des Orients überhaupt und insbesondere des jüdischen Volkes vor den Griechen; b) Konsenstheorie: vollständige oder partielle Übereinstimmung vieler Gedanken der griechischen Philosophen und Dichter mit der Heiligen Schrift; c) Entlehnungstheorie: griechische Entlehnung („Diebstahl“¹⁵⁰) der Grundelemente der wahren Weisheit aus der Heiligen Schrift;

 S. Protr. 69 – 70.  Auch die Dichte des Zitierens ist in Strom. sehr hoch und nur mit den pseudojustinischen Werken und mit anderen Schriften von Clemens selbst vergleichbar.  Die Wörter „stehlen“, „Diebstahl“ werden in diesem Zusammenhang häufiger gebraucht als dies bei den Vorgängern von Clemens der Fall war.

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

3.

4.

5.

131

d) Entstellungstheorie: ungenügendes Verstehen durch die Griechen vieler Stellen der Heiligen Schrift, wodurch in den griechischen Werken Entstellungen des Sinnes dieser Stellen vorkommen; e) Theorie des göttlichen Logos: Möglichkeit eines partiellen unmittelbaren Empfanges der Wahrheit von den Griechen als einer Gabe Gottes durch den Christus-Logos. Die Benutzung der griechischen Texte wird durch Verweise auf jüdisch-hellenistische (Aristobulos u. a.), neutestamentliche (Apostelgeschichte, Paulusbriefe) und frühchristliche Werke (insbes. Tatian) begründet. Es werden die Methoden des Zitierens verwendet, die anderen jüdisch-hellenistischen und frühchristlichen Schriften verwandt sind: a) Zitate werden viel häufiger serienweise als vereinzelt gebraucht; b) Zitate aus unechten Texten jüdischer Herkunft werden mitbenutzt; c) es werden dieselben Themen und die mit diesen in Verbindung stehenden Passagen aus den außerbiblischen Texten verwendet, die auch in anderen Werken derselben Tradition vorkommen; d) ein Teil der Zitate wird für propagandistische Zwecke formal und inhaltlich verändert bzw. entstellt. In den Strom. werden theoretische Thesen und praktische Methoden der Vorgänger korrigiert und entwickelt: a) es werden systematisch „Parallelen“ zwischen konkreten Partien der griechischen Texte und der Bibel (AT und NT) angeführt; b) Serien der Zitate werden für die Kritik der griechischen Schriftsteller benutzt;¹⁵¹ c) es wird als Alternative zur „Theorie des göttlichen Logos“ eine „Theorie der dämonischen Vermittlung“ vorgeschlagen, nach der die Griechen ihre Ideen „vom Himmel“ durch die Vermittlung von Dämonen erhalten hätten, wobei es diesen Vermittlern nicht möglich war, die gestohlene Wahrheit völlig zu entstellen.

4.5.5 Nachtrag: Zitate im „Paidagogos“ von Clemens Wir hielten es für geboten, die Betrachtung des dritten großen Werkes des Clemens, des „Paidagogos“, bis zu dem Moment zurückzustellen, zu dem uns Ergebnisse aus dem „Protreptikos“ und den „Stromata“ vorliegen. Wir wollen nun unsere früher (s. 4.3.6) und soeben (4.5.4) gemachte Schlussfolgerungen mit dem

 Vor Clemens wurde das „negative Zitieren“ nur von Athenagoras verwendet (s. 4.3.4).

132

4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

vergleichen, was wir im „Paidagogos“ vorfinden, und in Verbindung mit diesem Traktat auf die neutestamentlichen Texte, die im Kap. 3 untersucht wurden, zurückkommen.¹⁵² Der „Protreptikos“ (s. 4.3.6) ist typisch apologetisch und an gebildete „Heiden“ gerichtet, die hier ermahnt werden, von der „Götzenverehrung“ zu dem Glauben an den Einen Gott und Christus umzukehren. Die „Stromata“ sind hingegen an einen gut vorbereiteten christlichen Leser gerichtet, dabei enthalten sie aber eine breit angelegte Kritik der griechischen Kultur, was diesen Traktat sowohl der Apologetik als auch der antignostischen Polemik (s. 4.4) näherbringt. Clemens rechnet damit, dass seine „Notizen“ nicht nur von Christen, sondern auch von „Heiden“ und sogar von Juden gelesen werden können.¹⁵³ In den drei Büchern des „Paidagogos“ sind ca. 180 außerbiblische Zitate enthalten und darüber hinaus mehr als 1000 Anspielungen darauf.¹⁵⁴ Die Dichte der Zitate ist also geringer, als in den beiden anderen Traktaten, wenn man aber auch Anspielungen mitrechnet, übertrifft der „Paidagogos“ in der Benutzung der außerbiblischen Texte sogar die „Stromata“. Es ist aber zu bedenken, dass in den Strom. viele Nacherzählungen vorkommen; bei deren Mitberücksichtigung ist der Umfang der in den „Stromata“ benutzten Stellen doch weit größer, als im „Paidagogos“. An wen ist der „Paidagogos“ gerichtet? Inhaltlich¹⁵⁵ steht dieses Werk zwischen dem „Protreptikos“ und den „Stromata“, denn es setzt als Leser Neubekehrte voraus, die bereits zum Glauben gekommen sind, aber in der wahren christlichen Lebensweise erst unterrichtet werden müssen; das Thema des „Paidagogos“ ist christliche Sittlichkeit. Daraus können wir schließen, dass die Adressaten sozusagen „an der Grenze“ der kirchlichen Tradition stehen. Der Kontext des Traktates ist somit dem der Paulusbriefe ähnlich, besonders derjenigen, die wir im Kap. 3 behandelt haben (s. 3.2.4, 3.2.5 und weiter unten). Stilistisch unterscheidet sich der „Paidagogos“ wesentlich von den Paulusbriefen, die Gründlichkeit dieses Werkes bildet sogar einen Gegensatz zur fragmentarischen und impulsiven Paränese, doch darf es uns nicht hindern, das Gemeinsame dieser Texte zu erkennen. Das kulturelle Niveau der Auditorien des Paulus einerseits und von Clemens andererseits ist unverkennbar und dient als ausreichende Erklärung für den

 Vgl. auch 4.4.4 (Unterschiede innerhalb des gnostischen Schrifttums).  Strom. 3.2.1. Gerade aus diesem Grunde will Clemens das „verborgene Wissen“ für Uneingeweihte unzugänglich machen, denn lesen können ja sehr viele, der wahre Adressat der Strom. ist aber derjenige, der höchstes Wissen (Gnosis) erwerben möchte – s. Strom. 1.55.  S. Index in der Edition von Marrou.  Die noch nicht völlig geklärte Frage der Chronologie wird hier nicht untersucht.

4.5 Die „Stromata“ von Clemens als der Höhepunkt des christlichen Zitierens

133

quantitativen Unterschied in der Benutzung der außerbiblischen Schriften. Dabei treten folgende Unterschiede des „Paidagogos“ zu den beiden anderen Traktaten des Clemens hervor, die dieses Werk gleichzeitig den Paulus-Werken näherbringen: 1) Clemens macht von Zitaten Gebrauch, kommentiert dieses Verfahren aber sehr selten, fast ohne zu bekannten „Theorien“ zu nennen;¹⁵⁶ 2) dementsprechend, fehlen Verweise auf jüdisch-hellenistische Schriftsteller; 3) die Zitate werden nur selten serienweise verwendet; 4) Zitate sind im Vergleich zu Anspielungen in weit geringerer Zahl vorhanden. Darüber hinaus ist das parallele Zitieren der außerbiblischen Texte und der Bibel, die im „Paidagogos“ sowie in den Strom. häufig vorkommt, dem Vorgehen des Paulus sehr ähnlich.¹⁵⁷ Die große Zahl der Zitate aus den Komödien im „Paidagogos“ (ca. 20 % aller außerebiblischen Zitate in diesem Werk) erinnern auch an die Art und Weise des Apostels, von den Texten der „Kleinliteratur“ Gebrauch zu machen. Wir können hier Affinitäten und Unterschiede zwischen dem „Paidagogos“ und den NT-Texten nicht eingehender analysieren, es ist jedoch zu bemerken, dass die Beziehungen zwischen dem „Protrepikos“ und dem „Paidagogos“ bei der Erklärung der Beziehungen zwischen der Areopagrede und der Paränese des Paulus (s. Kap. 3) behilflich sein können. Die Areopagrede und der „Protreptikos“ setzen ähnliche Auditorien voraus. Dabei ist das Auditorium der Paulusbriefe ein anderes als in der Areopagrede, bei Clemens werden hingegen dieselben Leser und Zuhörer vorausgesetzt, nur sind diese nunmehr Mitglieder der Kirche geworden. Das kann als eine zusätzliche Erklärung für die Verhältnisse zwischen dem Zitieren bei Lukas einerseits und bei Paulus andererseits dienen, zumal der Adressat des Lukas selbst offensichtlich ein erst jüngst zum Glauben gekommener Heide (oder hellenisierter Jude?) ist, dessen kulturelles Niveau für ihn die Reden des Paulus in der Apg (Areopagrede, die Reden in Milet¹⁵⁸ und Cäsarea) natürlicher

 Hier liegt kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem „Paidagogos“ und anderen Traktaten, eher ist dieser Unterschied quantitativ. Auch im „Paidagogos“ redet Clemens z. B. darüber, dass Plato „der jüdischen Philosophie gefolgt“ sei (Paed. 2.18.1– 2) oder dass griechische Gelagelieder (Skolien) den jüdischen Psalmen (Paed. 2.44.3) nachahmten. Plato wird einmal als ὁ ἐκ Μωυσέως φιλόσοφος (Paed. 2.90.4) bezeichnet.  Beispielsweise geht es in Paed. 2.79 darum, dass man nicht lange schlafen soll, dabei werden gleichzeitig Plato (Leg. 808b) und Neues Testament (Lk 12,35 – 37 und 1 Thess 5,5 – 8) zitiert; in Paed. 3.37.2– 3 wird eine Stelle aus den „Gesetzen“ angeführt, wo Plato Luxus verurteilt (Leg. 831de), die Schlussfolgerung, dass reiche Menschen allenfalls mit Mühe Heil erlangen können, ist aber dem Matthäusevangelium entnommen (Mt 19,23).  Man könnte mindestens hypothetisch annehmen, dass die lukanische Benutzung der thukydideischen „Geschichte“ in der Miletrede (s. 3.2.2) damit verbunden sein konnte, dass der

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

wirken lässt, als es bei den paränetischen Briefen des historischen Paulus der Fall wäre. Wenn wir also die Beziehung des „lukanischen Paulus“ zum „historischen“ beurteilen, sollten wir uns daran erinnern, dass Clemens im „Protreptikos“ und Clemens im „Paidagogos“ ein und derselbe Verfasser ist. Die Unterschiede zwischen dem Zitieren in den beiden Werken konnten wohl noch größer sein, wenn Clemens die Zuhörer verschiedener Kulturstufen meinen würde.

4.6 Das Zitieren der paganen Texte in der christlichen Literatur des 3. bis 5. Jh.s (kurze Übersicht) Bevor das Kapitel 4 zusammengefasst werden soll, wollen wir nur noch kurz darüber sprechen, was unser Thema im Allgemeinen direkt angeht, jedoch chronologisch nicht mehr in den Rahmen des vorliegenden Buches gehört, und zwar über das Zitieren der Texte der außerbiblischen Tradition in der Zeit nach Clemens und Hippolyt. Origenes, ein Schüler des Clemens, zitiert relativ wenig, obwohl er die pagane Literatur durchaus gut kennt, was durch viele Anspielungen an griechische und sogar lateinische Texte in seinen Werken bezeugt wird („Über die Anfänge“ wird durch eine „Gorgias“-Reminiszenz eingeleitet). Fast alle Zitate dieser Art, die Origenes doch gebraucht, finden wir in seinem explizit apologetischen Traktat „Gegen Kelsos“. Schon zu Beginn der Auseinandersetzung mit den Vorwürfen des Kelsos (I.15 – 18) führt Origenes Beweise an, die die Prioritäts- bzw. Entlehnungstheorien voraussetzen, zum Schluss des 1. Buches (I.81) betreibt der Verfasser Überlegungen im Sinne der Konsenstheorie. Er nennt die Namen seiner Vorgänger, das sind Aristobulos, Josephus, Philo; er macht auch von den christlichen Werken Gebrauch, mindestens von Tatian und Clemens. Serienweise werden die Zitate ebenfalls verwendet, wenn auch nur selten (IV.94). Methodios von Olympos (bzw.von Patara), der gegen Ende des 3. Jh.s lebte und Gegner des Origenes war, kannte die außerbiblische Tradition auch genügend gut. In seinen Werken kommen entsprechende Anspielungen ständig vor, meistens auf Homer. Alle diese Werke sind an das interne, also christliche Auditorium gerichtet, jedoch, wie wir es bereits bei Paulus, in den antignostischen Schriften und im „Paidagogos“ des Clemens sahen, hindert es ihn nicht, auch manche Elemente der

Apostel hier die Leiter (πρεσβύτεροι – Apg 20,17) der ephesinischen Gemeinde anredet, also die Leute, die auf einem höheren Kulturniveau stehen.

4.6 Das Zitieren der paganen Texte in der christlichen Literatur des 3. bis 5. Jh.s

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vorwiegend propagandistischen (apologetischen) Tradition zu benutzen. Im Traktat „Gastmahl der zehn Jungfrauen“, der sich schon dem Namen und der Komposition nach an Plato anlehnt (ein Dialog beim Gastmahl), ist eine Anspielung (in 8.14) auf eine von den Apologeten beliebte „Timäus“-Stelle (22b) enthalten; die Ilias-Verse über die Chimäre (6.181– 182) werden durch unechte Verse „ergänzt“, wo direkt vom Christus die Rede ist. Die „Stromata“ haben Euseb von Cäsarea (Anf. des 4. Jh.s) dazu bewogen, einen großen Traktat zu schreiben, das speziell der paganen Weisheit gewidmet ist, die von dem Verfasser als eine „Vorbereitung des Evangeliums“ (εὐαγγελικὴ προπαρασκευή – vgl. Strom. 1.28.1– 3) verstanden wird – so der Name dieser Schrift des Euseb. Clemens folgend benutzt Euseb die ganze vorhergehende Tradition und erweitert diese durch die Texte des Clemens selbst. Der ganze Traktat (insgesamt 15 Bücher) basiert auf Zitaten, die dabei 70 % des Textes ausmachen.¹⁵⁹ Das serienweise gebrauchte und das „sekundäre“ Zitieren mündet hier in eine riesengroße „Serie“, in der einzelne Zitate oft wiederum Zitate in sich enthalten, nach Art einer „Matrjoschka“ (bespielsweise Clemens – Aristobulos – Pseudo-Orpheus; Josephus – Alexander Polyhistor – Eupolemos). Wie wir schon sahen, sind die einzelnen jüdisch-hellenistischen Fragmente, die für unser Thema so wichtig sind, gerade dank dem Werk des Euseb erhalten geblieben. Selbstverständlich spielen die Prioritäts-, Entlehnungs-, Konsens- und Entstellungstheorien eine wesentliche Rolle. Im Vergleich zu den „Stromata“ enthält die „Vorbereitung“ bereits eine thematische Systematisierung. Noch systematischer wird die Darstellung bei dem letzten christlichen Apologeten, Theodoret von Cyrus (5. Jh.), der sich ebenfalls auf die ganze frühere Tradition stützt (insbes. auf die „Stromata“) und sehr viele außerbiblische Zitate anführt (das Werk hat den Titel Ἑλληνικῶν θεραπευτικὴ παθημάτων, „Die Heilung der hellenischen Krankheiten“). Das Werk der „großen Kappadozier“ (Basilius der Große, Gregor von Nazianz, Gregor von Nysa) ist in vollem Maße auf christliche Leser und Zuhörer ausgerichtet. Dementsprechend sind bei ihnen leicht Anspielungen zu finden, bei Gregor von Nazianz auch Imitationen der paganen Dichtung, Zitate sind aber eine Seltenheit. Eine interessante Ausnahme ist in dieser Hinsicht die Homilie von Basilius „Zu den jungen Leuten über die Nützlichkeit des Lesens der paganen [heidnischen] Bücher“. Die Homilie ist an die Neffen des Basilius gerichtet, also an ein bestimmt christliches internes Auditorium, ist aber wahrscheinlich zur Zeit des Kaisers Julian geschrieben und enthält deswegen gewisse apologetische Züge, vor allem wird hier die Frage behandelt, wie die Stellung der Christen zur paganen

 Kofsky, A., Eusebius of Caesarea Against Paganism (Jewish and Christian perspectives 3), Leiden 2000, 141.

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4 Das Zitieren der paganen Werke in der Literatur des frühen Christentums

Kultur sein soll. In dieser Homilie benutzt der Autor Zitate aus Homer, Hesiod, Plato, doch ist von den bekannten „Theorien“ keine Rede:Von den paganen Texten wird als von einer Art „Hilfsliteratur“ gesprochen. Serienweise werden die Zitate fast nicht gebraucht. Das Ganze erinnert eher an den „Paidagogos“ des Clemens. Wenn wir zur lateinischen christlichen Literatur des 2. – 4. Jh.s übergehen, finden wir dort eine Entwicklungslinie der propagandistischen Tradition, die der griechischen durchaus ähnlich ist. In den ersten apologetischen Traktaten in lateinischer Sprache, also im „Octavius“ des Minucius Felix und den beiden Werken des Tertullian, „Apologeticus“ und „An die Heiden“ (um 200) kommen nicht viele pagane Zitate vor, obwohl die beiden Autoren die griechischsprachige jüdischchristliche Tradition gut kennen und diese auch benutzen. Wir begegnen hier den bekannten „Theorien“, die Vorteile des Christentums im Vergleich zum Heidentum zeigen sollen (z. B. Oct. 34.5) und Verweise nicht nur auf die Sibylle, die „älter ist, als die ganze eure [pagane] Literatur“ (Ad nat. 2.12), sondern sogar auf den Menedemos (!), der ja im Aristeasbrief „zitiert“ wurde (Apol. 18; s. 2.4.1). Arnobius, der um 300 seine Apologie „Gegen die Heiden“ geschrieben hat, ist wohl mit Aristides zu vergleichen, um ein Beispiel aus der griechischen Apologetik zu nehmen. Er kennt sich in der griechisch-römischen Kultur vortrefflich aus, selbstverständlich auch in der Literatur; dabei sieht er in seinem Werk, das bestimmt an ein paganes Auditorium gerichtet ist, von echten Zitaten aus paganen Schriften ab – er zitiert aber auch die Bibel sehr selten –, bei ihm kommen nur allgemeine Überlegungen zu den einschlägigen Themen vor. Doch hat sein Schüler Laktanz ein Werk geschaffen, das viele Ähnlichkeiten mit den Schriften der Clemens und der Euseb aufweist, die große Anzahl der außerbiblischen Zitate beinhalten. Nach der Schätzung von W. Krause, hat „Klemens von Alexandrien das gesamte Erbe Griechenlands und der hellenistischen Zeit unter das Licht des Christentums gestellt, Laktanz das Erbe Roms“.¹⁶⁰ Der Traktat von Laktanz „Divinae Institutiones“ in sieben Büchern enthält tatsächlich mehr als 500 Zitate aus der außerbiblischen Tradition,¹⁶¹ die für die uns bereits aus den Werken der jüdischen und der christlichen Verfasser gut bekannten propagandistischen Zwecke herangezogen werden (Verurteilung des Götzendienstes, Unkenntnis der Wahrheit bei den Griechen usw.). Außerordentlich häufig – noch häufiger als Clemens – zitiert Laktanz die „Sibyllinischen Weissagungen“, die er für eine Quelle der Weisheit für die Heiden hält. Die griechischen und die römischen Verfasser gelten

 Krause, Stellung, 141.  Ebd., 128. Es sind vorwiegend Zitate aus der lateinischen Literatur.

4.7 Zusammenfassung

137

hauptsächlich als „Verbündete“ angesichts der „einfachen Heiden“, die dem Christentum gegenüber feindlich gesinnt sind. Sogar bei der Betrachtung der Irrtümer der Philosophen im 3. Buch des Traktates bevorzugt Laktanz, entweder falschen Meinungen einer Gruppe der Denker richtige Meinungen der anderen entgegenzustellen, oder den Fehlern der Philosophen die richtigen Urteile der Dichter. Es war nicht möglich, die in diesem Abschnitt erwähnten Texte ausführlicher zu behandeln, doch wollten wir zeigen, dass das Zitieren der außerbiblischen Literatur auch in ihren Werken mit Hilfe derselben Methoden erfolgreich erforscht werden kann, die wir auf die Schriften ihrer Vorgänger angewandt haben.

4.7 Zusammenfassung Obwohl sich das christliche Schrifttum am Anfang des 2. Jh.s zur außerbiblischen Tradition sehr zurückhaltend verhält und nur vereinzelte Texte ein Interesse an ihr bezeugen, erfolgt in den nächstfolgenden Jahrzehnten eine rasche Entwicklung der Tendenzen, die wir anhand der jüdisch-hellenistischen und der neutestamentlichen Texte kennengelernt haben. Die breiteste Verwendung finden sich in der christlichen Apologetik. Aus diesem Grunde verbreitet sich gerade das propagandistische Zitieren besonders stark: Bei den Apologeten von Aristides bis Clemens von Alexandrien ist das ständig wachsende Interesse an der paganen literarischen Tradition unverkennbar. Diese ist vor allem als Argumentationsmittel von Belang: Pagane Autoritäten lässt man die Wahrheiten des Christentums bezeugen. Die Verwendung der außerbiblischen Texte im „intern“ orientierten Schrifttum ist im „Paidagogos“ des Clemens zu finden, wo die Anzahl der Zitate weit größer wird als in der neutestamentlichen Paränese. Soweit man aufgrund der erhaltengebliebenen Quellen zu beurteilen vermag, verwendeten auch die christlichen Gnostiker sowohl das extern-propagandistische als auch das internparänetische Zitieren der paganen Texte. Am Ende des 2. Jh.s taucht in der antignostischen Polemik bei Irenäus und besonders bei Hippolyt eine weitere Tendenz auf: Die „häretischen“ Schriften werden als schlimmere im Vergleich mit den paganen beurteilt, weswegen diese letzteren als ein „Niveau Null“ gebraucht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Methode in einem Verhältnis zu den uns unbekannten Texten der späteren jüdisch-hellenistischen Literatur stehen kann, in der auch die „Häretiker“ – in diesem Fall die Christen – bekämpft werden. Zeugnis von solchen Texten legen möglicherweise die beiden ersten Bücher des „Wahren Wortes“ des Kelsos ab.

5 Allgemeine Zusammenfassung Das Folgende stellt eine kurz zusammengefasste Geschichte des jüdischen und christlichen Zitierens der paganen Texte dar, deren einzelne Etappen in der Abhandlung mehr oder weniger ausführlich präsentiert worden sind. Anschließend werden mögliche Perspektiven der Betrachtung des engeren Themas des Buches sowie der angrenzenden Themen aufgezeigt. Das Zitieren der paganen Werke durch christliche Autoren der ersten Jahrhunderte hat seinen Ursprung in der jüdischen griechischsprachigen Literatur des 2. Jh.s v.Chr. Die erhaltenen Fragmente des Tora-Kommentars von Aristobulos¹ sind ein Zeugnis dafür, dass die jüdischen Schriftsteller eine „Theorie“ der historischen Priorität des Orients vor Griechenland benutzten, die bereits ihren ägyptischen und babylonischen Vorgängern geläufig war, und eine andere, damit verbundene „Theorie“ der Entlehnung allerlei orientalischer („barbarischer“) Erfindungen durch die Griechen,² wobei bekannt ist, dass diese „Theorien“ schon früher in Schriften vorkommen, die von Griechen selbst verfasst wurden.³ Es ist anzunehmen, dass die jüdischen Autoren, da sie bei manchen griechischen Historikern (z. B. bei Hekatäus von Abdera) ein wohlwollendes Verhältnis zur Lebensweisheit und Frömmigkeit des jüdischen Volkes fühlten, eine neue „Theorie“ schufen, nach der die griechischen Geister mit dem Gesetz Moses einverstanden waren und die monotheistische Idee anerkannten.⁴ Dies ermöglichte seinerseits Verweise auf griechische Werke, wobei diese Texte auch direkt zitiert werden konnten, was wir wiederum bei Aristobulos, später aber auch bei Philo von Alexandrien⁵ und Josephus⁶ vorfinden. Das Zitieren ist durch eine propagandistische Tendenz gekennzeichnet, die in Änderungen des Sinnes, manchmal auch des Wortlautes zu Tage tritt. Dabei konnten pagane Schriften auch ohne direktes Zitieren derselben benutzt werden: In vielen jüdisch-hellenistischen Schriften finden wir Anspielungen auf Werke der griechischen Philosophen und Dichter, wobei mehr oder weniger direkte Zitate vermieden werden können.⁷       

S. 2.3.1. In der Abhandlung als „Prioritätstheorie“ resp. „Entlehnungstheorie“ ständig bezeichnet. Herodots „Geschichte“; „Epinomis“ (s. 2.1). In der Abhandlung als „Konsenstheorie“ bezeichnet (s. 2.1). S. 2.3.3. S. 2.3.4. S. 2.4.

5 Allgemeine Zusammenfassung

139

Darüber hinaus hat die propagandistische Tendenz, die der jüdischen Literatur des 3. Jh.s v.Chr. – 1. Jh.s n.Chr. überhaupt eigen war, manche jüdischen Schriftsteller dazu bewogen, Werke unter eigenem Namen oder unter dem Namen einer für die Menschen der griechischen Bildung bekannten Person zu verfassen und zu veröffentlichen; der angebliche Autor konnte in der Vergangenheit wirklich gelebt haben (Phokylides, Sophocles, Euripides) oder eine sagenhafte Gestalt sein (Sibylle, Orpheus, Linos). In diesen Werken – hauptsächlich waren es Dichtungen – wurden lexikalische, stilistische u. a. Besonderheiten der paganen Vorlagen nachgeahmt.⁸ Die jüdischen Texte, in denen die außerbiblische Tradition auf verschiedene Weisen benutzt wurde, konnten sowohl an die ständigen Besucher der Synagoge gerichtet sein, als auch an Leute, die kein einziges Mal in einer Synagoge gewesen waren. Das Gerichtetsein an das „synagogale“ Auditorium, das zum großen Teil aus Nichtjuden bestand,⁹ ist eine spezifische Art von Propaganda,¹⁰ die ihre Besonderheiten hat, die u. a. auch in den Methoden der Benutzung der außerbiblischen Tradition hervortreten. Die „interne Propaganda“ setzt ein Auditorium voraus, für das die griechische pagane Literatur eine nicht mehr oder noch nicht autoritative, wenn auch eine wohlbekannte Quelle ist. Deswegen sind für diese Texte eher Anspielungen als Zitationen charakteristisch.¹¹ In den Traktaten von Philo kommen neben den Dichter-Anspielungen auch recht genau angeführte Zitate vor, die nicht direkt mit der Propaganda der jüdischen Weltanschauung und Lebensweise verknüpft sind. Dabei ist auch für Philo die Verwendung der Zitate als Beweis des Vorzugs des Judentums charakteristisch.¹² Josephus zitiert hauptsächlich griechische Historiker, doch befinden sich auch diese Zitate vorwiegend in apologetischen Zusammenhängen,was besonders

 S. 2.5. Im Buch werden folgende Bezeichnungen für diese drei Arten der Rezeption („Intertextualität“) verwendet: Zitat, Anspielung, Imitation.  In der Abhandlung werden die Bezeichnungen „intern“ und „extern“ verwendet. Zum synagogalen Auditorium dürften wohl auch die Juden gerechnet werden, die die Synagoge seit einer Zeit nicht mehr besucht und sich überhaupt von Judentum abgesagt haben.  Wiederum eine Art davon ist die Paränese, die in den Kap. 3 und 4 behandelt wird. Zur jüdischhellenistischen Paränese s. 3.3.2.1.  Daneben mag wohl auch die Erklärung gelten, dass manche jüdische Autoren aus verschiedenen Gründen die obengenannten „Theorien“ nicht benutzen wollten. Das Zitieren ist mit diesen „Theorien“ eindeutig enger verknüpft, als bloße Anspielungen.  S. 2.3.3.

140

5 Allgemeine Zusammenfassung

deutlich in „Contra Apionem“ wird, für die die „Theorie“ der chronologischen Priorität typisch ist.¹³ Durchaus wichtig ist, dass die „Imitationen“ zu einer Quelle des Zitierens für spätere jüdische Verfasser werden, wobei solche „sekundären“ („pseudopaganen“) Zitate bereits sehr früh vorkommen, und zwar schon bei Aristobulos und seinen Zeitgenossen, deren Werke in Fragmenten erhalten sind.¹⁴ Für das Zitieren in den jüdisch-hellenistischen Texten ist auch kennzeichnend, dass die griechischen „Dichter und Philosophen“ von den jüdischen Verfassern als eine besondere „Gruppe“ konstruiert werden, die den meisten Heiden entgegengestellt werden. Gewöhnlich sind Heiden dem Judentum feindlich, die „Dichter und Philosophen“ sind es aber nicht und können, indem sie für diese „heidnische Mehrheit“ autoritativ sind, als „Verbündete“ der jüdischen Propagandisten gelten.¹⁵ Gleichzeitig mit den späteren jüdisch-hellenistischen Schriften entstehen urchristliche Werke, die später den Kanon des Neuen Testaments bilden und den beiden Literaturen, der jüdischen und der christlichen, angehören. Diese Werke sind eine Art Übergang von einem Phänomen zu dem anderen, als solche können sie auch im uns interessierenden Zusammenhang betrachtet werden. Die Hauptperson, mit der die meisten außerbiblischen Zitate und Anspielungen im Neuen Testament in Verbindung stehen, ist Paulus. In den Werken, dessen Urheber unstrittig Paulus selbst war, befinden sich diese im Kontext der Paränese, sie sind also an Christen gerichtet, die kürzlich zum Christentum bekehrt wurden,¹⁶ während in der Apostelgeschichte Paulus als handelnde Person des Buches diese in den Reden vor einem paganen Auditorium verwendet, wobei die Areopagrede charakteristische Züge der jüdischen Propaganda aufweist.¹⁷ Aufs Ganze gesehen steht das Zitieren der paganen Schriften im Neuen Testament unter dem Einfluss der jüdischen Literatur; trotz der geringen Zahl der Zitate ist die Beziehung sowohl zur praktischen Verwendung der paganen Zitate gut erkennbar¹⁸ als auch zum „sekundären“ Zitieren,¹⁹ zur Verwendung der pa-

      

S. 2.3.4. S. 2.3. S. 2.6. S. 3.2.4 f. S. 3.2.1– 3. S. 3.3.2.2. S. 3.2.4.3 f.

5 Allgemeine Zusammenfassung

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ganen Anspielungen in den jüdischen Texten²⁰ und zu den Ideen, die einer theoretischen Begründung der Zitate dienen.²¹ Für alle Zusammenhänge, in denen im Neuen Testament Texte der außerbiblischen Tradition zitiert werden, ist der Gedanke der „Kenntnis Gottes“ gemeinsam – sowohl bei den ehemaligen Heiden als auch bei denjenigen, die es noch sind –, was dem jeweiligen Verfasser ermöglicht, Jesus selbst solche Zitate in den Mund zu legen.²² Wie in den meisten Büchern des Neuen Testaments finden wir nur sehr wenige pagane Zitate auch in den christlichen Werken der 1. Hälfte des 2. Jh.s, was mit ihrer Orientierung auf ein ursprünglich schon christliches Auditorium, dem die Tradition der griechischen Kultur fern blieb, zusammenhängen mag. Gelegentlich gebrauchte Zitate und Anspielungen lehnen sich jedoch stark an die jüdische Tradition an: Hier werden bereits die „Imitationen“ erwähnt (z. B. die „Sibyllinischen Weissagungen“ und ein nicht erhalten gebliebener Text unter dem Namen eines Hystaspes) und auch die Beziehung der Benutzung der paganen Literatur zur Idee der „Gottes Unkenntniss“.²³ Im ersten vollständig erhaltenen propagandistischen Text des Christentums, der „Apologie“ des Aristides, fehlen sogar bei der Betrachtung eines dem Judentum ganz geläufigen Themas, nämlich der Beurteilung der griechischen Meinungen vom Göttlichen, nicht nur Homer-Zitate, sondern auch einschlägige Anspielungen, obwohl der Verfasser ganz deutlich Kenntnisse der Homer-Dichtungen aufweist, aus denen er den mythologischen Stoff schöpft; es ist aber symptomatisch, dass bereits hier ein direktes Zitat aus den „Sibyllinischen Weissagungen“ vorkommt.²⁴ Im Weiteren wird von der jüdischen Tradition immer häufiger Gebrauch gemacht; es gilt sowohl für die Anzahl der Zitate, die ständig wächst, als auch für die Methodik deren Verwendung und der theoretischen Begleitung dieses Vorgangs. Die Prioritäts-, Entlehnungs- und Konsenstheorien sind schon im Werk Justins vorhanden, der sie noch durch eine „Theorie des göttlichen Logos“ und die Idee des Dämonen-Diebstahls aus der Bibel ergänzt; Zitate kommen noch selten vor, doch haben diese sehr charakteristische Merkmale (z. B. propagandistische Um-

    

S. 3.2.3; 3.2.5. S. 3.3.2.3. S. 3.3.1.3. S. 4.2. S. 4.3.1.

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5 Allgemeine Zusammenfassung

änderungen, der Zusammenhang der „Unkenntniss Gottes“); mit diesen sind auch die Anspielungen an die Areopagrede von Paulus verknüpft.²⁵ Tatian, der Schüler des Justin, vergrößert die Anzahl der Zitate und Anspielungen in seiner „Rede gegen die Griechen“ und entwickelt ausführlich die Ideen der Priorität und der Entlehnung, wobei er die Texte der jüdischen Apologeten (Aristobulos, Philo) gewiss schon kennt und gebraucht; er betont den Gedanken, dass die Heiden die Wahrheit entstellt haben²⁶ und hat vor, eine spezielle Abhandlung zu schreiben, in der es um die Meinungen der „Philosophen und Dichter“ von der Gottheit gehen soll, allerdings entzieht sich unserer Kenntnis, ob das Buch wirklich geschrieben wurde.²⁷ Bei Athenagoras fällt eine Beziehung zwischen seinen beiden Traktaten („Bittschrift für die Christen“ und „Über die Auferstehung“) einerseits und den beiden Teilen der Areopagrede des Paulus auf. Bei demselben Apologeten kommen zum ersten Mal in der christlichen Literatur Serien der Zitate vor, die an die Serien von Aristobulos erinnern, dabei werden diese bei Athenagoras umfangreicher. In der „Bittschrift“ sind alle charakteristischen Merkmale des traditionellen Zitierens vorhanden, doch werden die Zitate bereits auch zum Zweck der Kritik der „heidnischen“ Vorstellungen verwendet, die in den zitierten Texten selbst enthalten sind. Das ist zwar eine Innovation, lehnt sich aber gleichzeitig ganz logisch an das Zitieren in den Zusammenhängen an, wo es um die „Unkenntnis Gottes“ geht.²⁸ Auch der Traktat des Theophilos „An Autolykos“ ist für die Tradition des Zitierens der außerbiblischen Texte völlig typisch. Dort werden die Zitate fast ausschließlich serienweise gebraucht und die „Theorie“ der jüdischen Priorität wird ausführlich dargestellt, wobei der Autor den Traktat von Josephus „Contra Apionem“ mitbenutzt.²⁹ Die Zitate aus den „Philosophen und Dichtern“ sind ein großer und wichtiger Teil des „Protreptikos“ des Clemens von Alexandrien und der pseudojustinischen Traktate „Die Ermahnung der Griechen“ und „Über die Monarchie“, in denen die jüdische Tradition sowohl in den bekannten „Theorien“, als auch in großer Anzahl der „pseudopaganen“ Zitate (z. B. aus den „Sibyllinischen Weissagungen“, Pseudo-Orpheus, Pseudo-Sophocles usw.) zum Vorschein kommt.³⁰

     

S. 4.3.2. Als „Entstellungstheorie“ bezeichnet. S. 4.3.3. S. 4.3.4. S. 4.3.5. S. 4.3.6 f.

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In seinem „Paidagogos“ setzt Clemens ein gebildetes Auditorium voraus, das aus Menschen besteht, die jüngst noch Heiden waren. Dabei steht dieser Traktat der neutestamentlichen Paränese insofern nahe als hier der „propagandistische Druck“ fehlt (so ist von der Entlehnungstheorie nur selten die Rede, die jüdischen Vorgänger werden nicht erwähnt und dergl.); charakteristisch ist, dass in diesem Werk die Zahl der Anspielungen erheblich größer ist als die der Zitate.³¹ Eine besondere Gruppe bilden die antignostischen Werke von Irenäus und Hippolyt, in denen die paganen Texte ziemlich häufig gebraucht werden (insbes. im Hippolyts Traktat „Gegen alle Häresien“), doch spielen hier die „Griechen“ (= „Dichter und Philosophen“) die Rolle der „Lehrer der Häretiker“, was in der Apologetik nicht der Fall war; dabei wird aber darauf hingewiesen, dass die „Häretiker“ die Gedanken der „Griechen“ entstellt haben, die an sich nicht schlecht sein mögen; die „Dichter und Philosophen“ können also die privilegierte Position einer Gruppe behalten, der die göttliche Wahrheit nicht ganz fremd ist. Das verbindet die antignostischen Texte mit der apologetischen und der paränetischen Tradition; das Auditorium dieser Traktate ist jedoch anders als bei den Apologeten, und zwar ist es typisch christlich und hat keine genügenden Kenntnisse von paganen Werken, deswegen ist hier ein weiteres Ziel des Zitierens, die Leser über die kulturellen Wurzeln der Gnosis zu informieren.³² In den gnostischen Werken sind dabei die beiden ersten Tendenzen bemerkbar, und zwar in den Nag Hammadi-Texten eher paränetisches – also mehr zurückhaltendes – Benutzen des paganen Schrifttums, in den Fragmenten bei Hippolyt aber eher extern-propagandistisches Zitieren, das manchmal Bezüge zur jüdischen Tradition aufweist.³³ Eine andere Fortsetzung derselben alten Tradition ist möglicherweise die innerhalb des späteren hellenistischen Judentums entstandene antichristliche Literatur, die für uns aber nur indirekt bezeugt ist, vor allem durch die beiden ersten Bücher von „Gegen Kelsos“ des Origenes, wo aber das Zitieren eher mit dem der antignostischen christlichen Polemik vergleichbar wäre.³⁴ Den Höhepunkt des christlichen Zitierens der ersten Jahrhunderte bilden zweifellos die „Stromata“ des Clemens von Alexandrien,³⁵ in denen wir pagane Zitate in größter Zahl vorfinden: Mehr als die Hälfte aller außerbiblischen Zitate in den erhalten gebliebenen christlichen Werken der ersten drei Jahrhunderte; vorhan-

    

S. 4.5.5. S. 4.4.1– 3. S. 4.4.4. S. 4.4.5. S. 4.5.

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5 Allgemeine Zusammenfassung

den sind alle wichtigen theoretischen Elemente, die für die jüdisch-christliche Tradition charakteristisch sind, nämlich die Prioritäts-, Entlehnungs-, Konsens-, Entstellungstheorien, und die Theorie des göttlichen Logos. Die Verwendung der paganen Texte wird durch Verweise auf Aristobulos, Philo und Paulus begründet; alle traditionellen Elemente der Zitierensmethodik kommen vor (Serienzitate und „pseudopagane“ Zitate, Umänderung des Wortlautes und des Sinnes der Zitate u. a.). Dabei entwickelt Clemens die theoretischen Gedanken und die praktischen Methoden seiner Vorgänger weiter, er führt systematisch „Parallelen“ zwischen den biblischen und außerbiblischen Partien an, verwendet Zitate für die Kritik der dort enthaltenen Ideen und überarbeitet die justinischen „Theorien der dämonischen Vermittlung“.³⁶ Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die Untersuchung des hier behandelten Themas in verschiedene Richtungen weitergeführt werden kann. Einige davon sollen hier kurz genannt werden, wobei keine Vollständigkeit angestrebt wird: – Gründlichere Untersuchung der Texte der einzelnen Verfasser und ihrer Abhängigkeit voneinander. – Theoretische Ausarbeitung des Problems des Zitierens in den Texten der jüdisch-christlichen Tradition: Wechselbeziehungen verschiedener Formen von Zitaten, Nacherzählungen, Anspielungen, Imitationen. – Vergleichende Untersuchung des Zitierens der außerbiblischen und biblischen Tradition, vor allem der Bibel bei einzelnen Autoren und in der frühchristlichen und auch jüdisch-hellenistischen Literatur überhaupt. – Untersuchung des Einflusses konkreter paganer Schriftsteller bzw. Werke auf die christlichen Lehren der folgenden Jahrhunderte. – Betrachtung der Ideen und der Stilistik des Paulus in Bezug auf seine Methodik des Zitierens und der Benutzung der außerbiblischen Texte überhaupt. – Erforschung der Geschichte des christlichen Zitierens und anderer Benutzungsarten der außerbiblischen Texte in den folgenden Jahrhunderten. – Untersuchung des Phänomens der Imitation in der frühchristlichen Literatur als einer Fortsetzung des jüdischen „Sibyllismus“, „Orphismus“ und dergl., insbes. in Bezug auf die Entstehungsgeschichte der christlichen Dichtung hellenistischer Art. Die durchgeführte Untersuchung hat auch eine methodische Bedeutung für die Betrachtung der historischen Beziehungen der christlichen Kultur mit der Kultur

 S. 4.5.4.

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der paganen Antike. Es ist offenkundig, dass bei der Behandlung verschiedener Aspekte dieser Beziehungen die Möglichkeit einer jüdisch-hellenistischen Vermittlung immer mitberücksichtigt werden muss und zwar auch dort, wo zunächst die Annahme eines direkten Einflusses die einfachste und natürlichste zu sein scheint.

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Stellenregister Altes Testament Genesis 4,17 107 29 – 34 45 Hiob 5,9 89 9,10 89 Proverbien 8,22 – 31 23 Daniel 12 62 Neues Testament Matthäusevangelium 19,23 133 Markusevangelium 6,35 – 44 71 8,1 – 9 71 Lukasevangelium 5,39 18 12,35 – 37 133 21,8 78 Johannesevangelium 1,18 79 10,8 126 Apostelgeschichte 5,17 – 41 55 5,39 54; 71; 83 7,22 72 9,4 83; 87 9,5 74 12,3 – 19 55 14,12 72 14,15 – 17 66

16,19 – 40 55 16,24 – 27 71 17 10; 60; 62; 64; 84; 89; 102 17,15 61 17,16 62 17,17 – 18 64 17,18 62; 101; 106 17,19 61 17,21 70 17,22 – 28 126 17,22 – 30 103 17,22 – 31 61; 63; 64 17,23 – 31 68 17,22 68 17,23 52; 62; 68; 81; 82 17,24 67; 68 17,24 – 25 66 17,25 67 – 69; 87 17,26 68 17,27 68; 73; 81 17,28 8; 10; 51 – 53; 62; 63; 67; 68; 69; 85 17,29 68 17,30 68; 81 17,31 64; 68; 103 17,32 64; 103 17,33 – 18,1 62 17,34 62 18,24 – 28 73 20,17 134 20,21 73 20,24 73 20,25 73 20,29 – 30 73; 81 20,32 73 20,33 – 35 81 20,34 70 20,35 10; 53; 54; 69; 70; 73; 74, 82; 83 21,39 55 22 73 22,7 83; 87 26,12 – 18 72 26,14 54; 55; 70; 74; 82 – 84; 87 26,15 – 18 73 26,17 – 18 126

162

26,18 26,30

Stellenregister

73; 81; 90 73

Römerbrief 1 93; 106 1,18 – 32 64; 65; 73 2,1 – 24 64 2,1 64 2,19 64 2,19 – 20 90 2,20 65 2,21 65 3,10 – 18 79 4,1 – 24 79 7,15 – 19 59 9,5 67 9,25 – 29 79 10,18 – 21 79 15,9 – 12 79 Erster Korintherbrief 1,18 – 31 83 3,19 110 5,6 10; 58; 80 6,1 – 11 76 6,7 – 8 80; 84 6,9 – 10 76; 80; 81 6,9 58 8,2 59 9,8 – 10 79 9,14 53 10,1 – 13 79 12,4 – 11 60 12,12 – 21 60 13,1 – 3 60 15,12 – 34 76 15,32 – 34 78 15,32 78 15,33 56; 75 – 77 15,34 81; 82 Galaterbrief 2,3 81 4,21 – 31 79 5 – 6 81 5,9 10; 58; 80 5,16 – 6,8 76

6,3 59 6,7 58; 75; 76; 78; 87 6,12 – 13 81 Epheserbrief 4,17 – 18 90 Erster Thessalonicherbrief 4,12 3 5,5 – 8 133 Zweiter Thessalonicherbrief 3,11 101 Erster Timotheusbrief 1,4 111 6,20 111; 121 Titusbrief 1,5 – 9 81 1,10 81 1,11 81 1,12 – 13 52; 56; 57; 63; 69; 81; 83; 85; 86; 103; 113; 124 1,14 81 1,15 81 1,16 81; 82 Jakobusbrief 1,12 – 18 76 1,16 – 17 10; 57; 58; 76 1,17 79; 84; 86 4,5 83 Jüdisch-hellenistische Literatur a) Philo von Alexandrien De opificio mundi (Opif.) 100 30 172 33; 67 Legum allegoriae (Leg.) 1.108 30 2.12 107 3.7 30

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Quod deterius potiori insidiari soleat (Deter.) 64 30; 57 De posteritate Caini (Poster.) 35 30 62 117 De agricultura 89 117 De migratione Abrahami (Migr.) 14 45 Quis rerum divinarum heres sit (Her.) 14 45 214 30 De somniis (Somn.) 1.54 30 1.162 79 De Josepho (Jos.) 20 33; 81; 84 De vita Mosis (Mos.) 1.21 33 1.23 20 De specialibus legibus (Spec.) 1.33 – 35 93 De virtutibus (Virt.) 65 30 Quod omnis probus liber sit (Prob.) 1 30 19 32 57 101 73 – 74 31 75 – 91 31 93 – 96 31 99 – 101 30 115 31 116 30 122 30 125 – 126 31

125 141 155

32 31 30

De aeternitate mundi (Aeter.) 5 – 6 30 13 – 16 31 13 32 17 31 19 31 132 30 141 30 Legatio ad Gaium (Legat.) 74 – 113 120 88 – 89 86 Quaestiones in Genesim (QG) 2.6 30; 33 4.152 30 De providentia (Prov.) 2.15 32 2.23 33 b) Flavius Josephus Antiquitates Judaicae (Ant.) 1.5 36 1.13 97 1.25 37 1.118 36 8.253 36 8.260 36 10.19 36 12.11 – 118 34 12.358 – 359 36 13.287 34 13.319 34 14.35 – 36 34 14.112 34 14.115 – 118 34 14.138 34 14.139 34 15.9 – 10 34

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Contra Apionem (C.Ap.) 1.1 97 1.6 – 14 36 1.7 36 1.28 20 1.69 – 160 34 1.161 34 1.162 – 212 34 1.162 – 165 35 1.165 35 1.167 34 1.176 – 183 125 1.187 – 188 34 1.189 34 1.73 19 2.43 34 2.257 35 2.279 36 2.281 36

7 40 7,9 62 7,14 62 7,28 93 Viertes Makkabäerbuch 1,18 42 Pseudo-Phokylides 1 – 2 46 Fragmente des Pseudo-Sophokles und anderer pseudo-paganer Schriften 77; 78; 103 Sapientia Salomonis 8,7 42 11,6 89 13 – 15 42 19 42

c) Anonyme und pseudonyme Werke Aristeasbrief 6 20 16 22 31 38 130 – 169 38; 43; 65 187 – 300 37 201 38 313 – 316 38

Sibyllinische Weissagungen 3.97 – 105 106 3.108 – 113 103 3.111 – 158 46 3.419 – 432 45 3.520 – 575 46 3.586 – 594 108 8.390 92; 93 Fragm. 3,1 117

Aristobulos (s. auch Euseb, Praeparatio Evangelica) Fragm. 2 – 5 21 Fragm. 2 67; 97 Fragm. 3 35; 101 Fragm. 4 63; 67; 106 Fragm. 5 26

Pagan-antike Literatur

Artapanos Fragm. 3 72

Apuleius – Apologie 27.2 63

Zweites Makkabäerbuch 2,10 20 2,21 41 2,23 41 2,25 41

Aratos – Phainomena 1 – 9 22; 24

Aischylos – Agamemnon 1624 54 Alcinous – Didascalicus 179,31 – 32 96

Aristoteles – Eud. Eth. VII,10, 1242a37 32

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Chrysippos (SVF) 3.60.15 42 3.61.32 42 Cicero – De optimo genere oratorum 1,3 41 Diodor – Historische Bibliothek 1.10 – 29 19 1.12.1 – 2 19 1.12.9 – 10 19 1.96 – 98 19 4.66.6 45 40.3.3 – 4 65 Diogenes Laёrtios 1.109 62 1.110 – 111 61 1.111 – 112 62 1.114 62; 63 Empedokles – Fragmente (Diels – Kranz) 119 117 Euripides – Bakchen 431 – 461 39 498 119 543 – 544 40 795 54 Herakles der Wütende 849 55

Hesiod – Theogonia 26 57 27 103 116 – 117 31 Homer – Ilias 1.544 32 5.127 – 128 90 6.123 95 6.181 – 182 135 13.729 – 734 60 15.36 – 38 117 15.668 – 669 90 20.216 – 217 107 22.8 – 10 74 Odyssee 1.48 – 59 115 4.259 – 264 115 5.262 24 8.167 – 177 60 9.275 130 9.410 – 411 130 17.485 – 487 19 24.1 – 12 117 Kallimachos – Zeus-Hymne 8 57; 103 Menander – Fragmente (Kock) 218 56

Ion 8 55 Medea 1077 – 1080

Herodot 2.156.6 18

Orphica (Kern) 247 79 59

Fragmente (Nauck) 275 31 901 103 1024 56 Heraklit – Fragmente (Diels – Kranz) 36 117

Pindar – Pythia 2.94 – 96 54 Plato – Apologia 21d 59 24b 96 41e 59

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Gorgias 469bc 80 469c 33 Kritias 120e–121a

Strabo 16, 761 66 Thukydides 2.97.3 – 4 10; 53; 70 3.38.4 – 7 70 31

Timaios 22bc 36 22b 127; 135 28c 96 36b 95 40de 103 41a 130 De republica 2.377d 96 Leges 683b 107 715e–716a 108 831de 133 Epinomis 987de 17 Plutarch – De Herodoti malignitate 857a 19 Quaestiones Romanae 289 f 80 Quaestiones convivales 659b 80 Proklos – Comm. ad Rem Publicam Platonis 113,19 62 Solon – Fragmenta 19 (Diehl) 26 Sophokles – Ajas 646 – 647 36 Fragmenta (Pearson) 688,3 32

Titus Livius 2.32.8 – 11 60 Tyrtaios – Fragmenta (Diehl) 9.1 – 11 60 Xenophon – Memorabilia 1.1.1 95 4.3.13 – 14 108 2.1.21 – 28 96 Unbekannte Tragiker – Fragmenta (Nauck) 455 103 Hibeh Papyri I,7,38 56 Christliche Literatur Aristides – Apologie 1.2 92 8 – 13 92 Athenagoras – Bittschrift 5 104 5.2 103 12.2 102 16.5 102 18 105 20 105 21 – 22 104 21 108 22 – 30 103 23.5 103 24.3 103 25.1 103 26.1 103 29 108 30.1 103 30.3 103 36 103

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Erster Clemensbrief 19,3 89 20 89 20,3 89 Zweiter Clemensbrief 1,6 90 1,7 90 Clemens von Alexandrien – Protreptikos 14 – 41 108 55 – 59 108 69 109 69.4 108 69 – 70 130 70.1 108 70.2 108 71.3 – 4 108 71.4 108; 125 73.2 – 74.1 108 77.2 108 Paidagogos 2.18.1 – 2 133 2.44.3 133 2.79 133 2.90.4 133 3.37.2 – 3 133 Stromata 1.2.2 121 1.19 122 1.20.4 124; 126 1.23 39 1.28.1 – 3 123; 135 1.37.2 – 3 124 1.37.2 126 1.37.6 122 1.38 122 1.55 – 56 121 1.55 132 1.59 56; 57; 124 1.59.1 124 1.59.2 124 1.59.3 124 1.59.4 124 1.59.5 124

1.60 – 64 124 1.60.1 124 1.62.1 124 1.64.2 – 4 124 1.64.5 124 1.66 – 80 124 1.70.1 125 1.70.2 125 1.71.1 – 2 125 1.71.3 125 1.72.4 125 1.73.6 125 1.74 – 76 125 1.74.1 125 1.77.1 125 1.79.5 125 1.80.5 125 1.80.6 125 1.81.1 126 1.86.1 – 3 126 1.87.2 126 1.91.2 – 4 126 1.91.5 126 1.92.2 126 1.94.3 126 1.100.5 126 1.101 – 182 126 1.101.2 125 1.102.2 125 1.147.2 127 1.148.1 – 1.149.2 127 1.150.1 – 3 127 1.153.2 127 1.153.4 127 1.154.2 – 3 127 1.155.1 – 1.156.3 127 1.158.1 – 163.3 127 1.165.1 127 1.176.1 – 3 127 1.180.1 – 1.181.2 127 2.1.1 – 2.4 127 2.20.1 127 2.24.5 130 3.2.1 132 3.12.1 – 3.24.3 128 3.110.3 121 4.142.2 130

167

168

Stellenregister

5.1.1 121 5.10.1 – 3 127 5.89.1 – 6.27.5 128 5.89.7 – 90.1 129 5.90.2 129 5.90.3 129 5.92.5 129 5.97.7 129 5.99.3 129 5.100.5 129 5.101.2 – 3 129 5.101.2 130 5.102.5 130 5.107 129 5.107.2 – 4 23 5.108.2 – 3 129 5.108.6 129 5.113 27 5.113.1 129 5.113.1 – 2 26 5.115.6 129 5.116.1 130 5.117 74 5.117.1 129 5.119 – 133 27 5.119 – 122 129 5.121.1 – 3 28; 77 5.127.4 129 5.131 129 5.133 129 5.133.3 28 6.4.2 – 5.1 127 6.5.1 – 27.5 128 6.27.5 129 6.43.1 90 6.156.1 – 159.9 127 6.159.1 126 6.168.4 121 7.6.4 125 8 128 Epiphanius – Panarion 21,3,3 116 Euseb – Kirchengeschichte 4.11.8 – 10 94 4.18.1 – 10 94

4.18.5

94

Praeparatio Evangelica 8.10.4 23; 25 8.14.387 32 9.18 – 37 39 9.20.1 – 2 44 9.22 44 9.24.1 44 9.27.4 72 9.27.23 – 24 71 9.28 – 29 44 9.27.6 72 9.27.23 – 24 71 9.27.23 – 25 39 9.37.1 – 3 44 13.12.1 35 13.12.3 21 13.12.4 25 13.12.6 106 13.12.7 24 13.12.9 21 13.12.10 25 13.12.11 25 13.12.13 – 16 23 13.12.13 26 13.12.14 24 Hermias – Verspottung der äußeren Philosophen 1 110 Hieronymus – Quaestiones ad Amphilochium 151 56 Hippolyt – Refutatio prooem. 8 – 9 114 1.26.4 113 4.15.2 113 5.7.16 118 5.7.20 118 5.7.28 118 5.7.30 – 37 117 5.7.30 117 5.14 117 5.16 117 5.16.1 117

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5.22.1 118 5.23 – 28 118 6.9 – 18 117 10 112; 114 Irenäus – Adversus haereses 1.9.4 111 2.9.2 114 2.14.3 – 4 112 2.18.5 112 2.21.2 112 3.25.5 112 Justin – Erste Apologie 20 – 23 97 20.1 – 5 97 20.1 97 20.5 95 22.1 95; 96 23.1 97 31 97 31.8 97 44 97 44.8 – 10 97 44.10 98 44.12 97 46 97 54 – 58 98 54 97 58 – 60 97 60 95 Zweite Apologie 10.5 – 6 95 10.8 98 11.3 – 5 96 Dialog mit Trypho 2.1 – 8.2 94 Pseudo-Justin De monarchia 1.2 110 2 – 4 27; 110 2.4 – 5 28 3.2 29 4.3 – 5 110

5

169

27

Cohortatio ad Graecos 2 – 13 109 14 – 34 109 16.1 – 2 109 24 109 37 – 38 109 38.1 – 2 109 Kerygma Petri Fragm. 2a 93 Laktanz – Divinae Institutiones 1.14.1 – 8 46 Methodios – Gastmahl der zehn Jungfrauen 8.14 135 Minucius Felix – Octavius 34.5 136 Origenes – Contra Celsum I,15 – 18 134 I,67 119 I,81 134 II,1 120 II,34 119 II,36 119; 120 II,55 119 II,67 120 IV,94 134 Homiliae in Lucam 31.3 56 Sokrates Scholasticus 3.16 56 Tatian – Oratio ad Graecos 1 125 2 110 3.1 99 6.9 101 7 – 9 101 12 101 16 101

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Stellenregister

27.1 101 31 100 36 – 38 100 38 101 40 99; 104; 126 41.1 86; 101 42 100 Tertullian – Ad nationes 2.12 136 Apologeticus 18 136 De testimonio animae 1 – 2 99 Theophilos – Ad Autolycum 1.4.1 – 1.8.1 106 2.3.1 106 2.3.8 106

2.4.1 106 2.5 129 2.6.4 106 2.7.3 – 5 106 2.8.3 106 2.9 – 31 107 2.12 107 2.30.1 107 2.31 105; 106 2.36 105; 106 3.16 – 30 106 3.16.2 106 3.16.5 107 3.26.1 106 3.29.7 106 3.29.8 106 3.30.1 106 Nag Hammadi-Texte II,6, 136,16 – 137,11 115 VI,4 117